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German Pages 181 Year 1973
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 219
Rechtsschutz bei staatlicher Wirtschaftsplanung Dargestellt am Beispiel des Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete
Von
Hanns-Hermann Seidler
Duncker & Humblot · Berlin
HANNSHERMANN SEIDLER
Rechtsschutz bei staatlicher Wirtschaftsplanung
S c h r i f t e n zum ö f f e n t l i c h e n Recht Band 219
Rechtsschutz bei staatlicher Wirtschaftsplanung Dargestellt am Beispiel des Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete
Von
Dr. Hanns-Hermann Seidler
DUNCKER
& H U M B-LOT /
BERLIN
Alle Rechte vorbehalten © 1973 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1973 bel Richard Schrflter, Berlin 61 Printed in Germany I S B N 342802962 3
Vorwort Die Abhandlung hat der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg i. Br. als Dissertation vorgelegen. Sie wurde i m Dezember 1971 abgeschlossen und Anfang des Jahres 1973 überarbeitet. Absicht der Arbeit ist es, am Beispiel des behandelten Gesetzes Kriterien zu entwickeln, die allgemein bei Maßnahmen sektoraler und auch globaler Wirtschaftsplanung zu sachangemessenen Ergebnissen bei deren gerichtlichen Überprüfung führen können. Dabei sollen auch die Grenzen aufgezeigt werden, die dem Gerichtsschutz i n diesen Bereichen gezogen sind, u m daraus institutionelle Konsequenzen zu ziehen. Angeregt wurde dieses Thema durch Herrn Professor Dr. Bullinger, dem Erstreferenten der Arbeit. Herr Professor Dr. von Simson hat trotz starker Belastung durch ein Dekanat das Zweitreferat übernommen. Herr Dr. Joachim von Bargen und meine Frau haben m i r in manchen Gesprächen Zweifel erweckt und vor allem auch zu ihrer Uberwindung beigetragen. Frau Gerda Eiserbeck hat das Manuskript geschrieben und dabei zu einer Beschleunigung der Abwicklung beigetragen. A l l e n Genannten gilt mein herzlicher Dank. Ober-Ramstadt, i m A p r i l 1973 Hanns-Hermann
Seidler
Inhaltsverzeichnis Einleitung
11
Erstes Kapitel: Die wirtschaftliche Situation und die staatlichen Hilfsmaßnahmen
des
Steinkohlenbergbaus
14
1. Die Situation
14
2. Die Maßnahmen
15
3. Das Kohlegesetz als Versuch einer Neuordnung des Steinkohlenbergbaus
19
4. Der Bundesbeauftragte f ü r Steinkohlenbergbaugebiete
21
den Steinkohlenbergbau u n d
Zweites Kapitel: Das Instrumentarium des Bundesbeauftragten dem Kohlegesetz und der Kohlenbeirat
die nach
24
1. Maßnahmen zur Datenermittlung u n d A u f k l ä r u n g
24
2. Maßnahmen zur E r f ü l l u n g u n d Sicherung des Gesetzesprogramms
25
a) Empfehlungen
25
b) Feststellung der optimalen Unternehmensgröße
26
c) Bescheinigungen aa) Z u r Förderung der Unternehmenskonzentration bb) Z u r wirtschaftlichen U m s t r u k t u r i e r u n g
29 29 30
3. Der Kohlenbeirat
31
4. Wirtschaftliche Bedeutung u n d rechtliche Kategorisierung der einzelnen Maßnahmen i m H i n b l i c k auf das geltende Rechtsschutzsystem a) Der Konzentrationsbericht
32 33
b) Die Absatzvorausschätzungen
35
c) Empfehlungen
39
d) Die Feststellung der optimalen Unternehmensgröße
41
e) Die Bescheinigungen des Bundesbeauftragten aa) Konkurrentenklage , bb) Verpflichtungsklage
41 42 44
Drittes Kapitel: Die Justiziabilität der Maßnahmen tragten im Hinblick auf das Kohlegesetz
des
Bundesbeauf-
46
1. Das Kohlegesetz als Planungsgesetz
46
2. Die Maßnahmen des Bundesbeauftragten u n d die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 K G
53
Inhaltsverzeichnis
8
3. Auswirkungen funktionell-rechtlicher Justiziabilität der Maßnahmen
Gesichtspunkte
auf
die
66
4. A r t . 19 Abs. 4 G G
81
5. Das Verhältnis von Wirtschaftslenkung durch den Bundesbeauftragten u n d der Verwaltungsgerichtsbarkeit a m Beispiel einzelner Maßnahmen
85
a) Empfehlungen
85
b) Feststellung der optimalen Unternehmensgröße
88
c) Bescheinigungen
91
Viertes Kapitel: Die Justiziabilität der Maßnahmen tragten im Hinblick auf die Grundrechte
des
Bundesbeauf-
1. Allgemeines
94 94
a) Geltung u n d Schutzwirkung der Grundrechte b) Systematik der Grundrechte
94 102
2. Empfehlungen des Bundesbeauftragten
108
a) A r t . 14 G G
108
b) Plangewährleistung
115
c) A r t . 12 G G
133
3. Feststellung der optimalen Unternehmensgröße u n d A r t . 12 GG
137
4. Bescheinigungen
138
a) A r t . 3 G G
138
b) A r t . 12, 14 G G
142
Zwischenbemerkung' Fünftes Kapitel:
Rechtsschutz
143 bei Maßnahmen
in der Form institutionalisierter
des
Bundesbeauftragten
und Kontrolle
147
1. Die L e g i t i m i t ä t der M i t w i r k u n g an Planungsprozessen
147
2. Voraussetzungen u n d F o r m eines vorverlagerten Rechtsschutzes
157
3. W i r k u n g der Kooperation i m Kohlenbeirat
159
Schlußbetrachtung
Mitwirkung
166
Abkürzungsverzeichnis
ADS AöR
Aktionsgemeinschaft Deutsche Steinkohlenreviere G m b H Archiv des öffentlichen Rechts
Bad.-Württ. VerwBl. Baden-württembergisches Verwaltungsblatt BB Beriebsberater BBauG Bundesbaugesetz BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des B G H i n Zivilsachen, amtliche Sammlung BT Bundestag BT-Drucks. Bundestags-Drucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, amtliche Sammlung BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, amtliche Sammlung DB DÖV DVB1.
Der Betrieb Die öffentliche Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt
EGKS ESVGH Eur
Europäische Gemeinschaft für Kohle u n d Stahl Entscheidungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg m i t Entscheidungen der Staatsgerichtshöfe beider Länder Europa-Recht
FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
GG GWB
Grundgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
HDSW
Handwörterbuch der Sozialwissenschaften
IGBE
Industriegewerkschaft Bergbau u n d Energie
JdlntJK JuS JW JZ
Journal der Internationalen Juristen-Kommission Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung
KG
Kohlegesetz
Ls.
Leitsatz
10
Abkürzungsverzeichnis
MDR m.w.N.
Monatsschrift f ü r Deutsches Recht m i t weiteren Nachweisen
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
OVG
Oberverwaltungsgericht
PVS
Politische Vierteljahresschrift
RdA RG RGBl.
Recht der A r b e i t Reichsgericht Reichsgesetzblatt
StabG
Stabilitätsgesetz
VerwArch VerwRspr
VwGO
Verwaltungsarchiv Verwaltungsrechtsprechung i n Deutschland, Sammlung oberstrichterlicher Entscheidungen aus dem Verfassungs- u n d Verwaltungsrecht Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Veröffentlichungen der Vereinigung deutscher Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung
WRV WuW
Weimarer Reichsverfassung Wirtschaft u n d Wettbewerb
ZHR
Zeitschrift f ü r das gesamte Handelsrecht u n d schaftsrecht
VG VGH WDStRL
Wirt-
Einleitung Die Wirtschaftspolitik i n der BRD hat während der letzten Jahre einen nicht unerheblichen Wandel erfahren. Galt lange Zeit hindurch das Dogma der angeblich freiheitssichernden Marktrationalität, das der als tendenziell totalitär abqualifizierten Verplanung des Marktes entgegengestellt wurde 1 , so haben sich doch die Forderungen nach stärker planhaft orientiertem staatlichen Verhalten i n der Wirtschaftspolitik immer mehr i n den Vordergrund geschoben. E i n entscheidender Meilenstein i n diesem Entwicklungsprozeß w i r t schaftspolitischer Vorstellungen war das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 9.6.1967 2 (im folgenden Stabilitätsgesetz — StabG — genannt). Es ermöglichte zum erstenmal einen gesetzlichen Bezugsrahmen staatlicher Wirtschaftspolitik und schuf ein differenziert anwendbares Instrumentarium zur Beeinflussung des Konjunkturablaufs. Das Gesetz ist aber nicht nur i m Hinblick auf die genannte Entwicklung wesentlich, sondern auch deshalb, w e i l es weitere Gesetze nach sich zog, die nach einem ähnlichen Grundschema strukturiert sind, sich nun aber nicht — wie das Stabilitätsgesetz — die Steuerung der globalen Wirtschaftspolitik, sondern einzelner Wirtschaftszweige und -gebiete zur Aufgabe gestellt haben. Z u den wesentlichsten und umstrittensten dieser nur i m Zusammenhang m i t dem Stabilitätsgesetz verständlichen Gesetze zählt das Gesetz zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete vom 15. 5.1968 3 (im folgenden Kohle-Gesetz — K G — genannt). Es versucht, eine Neuordnung des Steinkohlebergbaus vorzunehmen, u m diesem innerhalb des gesamten Produktionsbereichs Energie eine Position zu verschaffen, aus der heraus er auch ohne massive staatliche Unterstützimg seinen Platz i n einem grundsätzlich marktwirtschaftlich konzipierten Energiesektor behalten kann. Die u. a. i n diesem Gesetz zum Ausdruck kommende Wirtschaftspolitik hat eine Fülle zum Teil neuartiger rechtlicher Fragestellungen aufge1 Kennzeichnend etwa Ralf Dahrendorf , Gesellschaft u n d Demokratie i n Deutschland, München 1965, S. 68 f. 2 B G B l . I , S. 582. 3 BGBl. I , S. 365.
12
Einleitung
worfen, von denen hier das Problem des individuellen Rechtsschutzes bei der staatlich beeinflußten Steuerung des Wirtschaftssektors Steinkohlebergbau herausgegriffen werden soll. Diese spezielle Problematik ist nun allerdings nicht neu, sondern bildete lange Zeit gleichsam den Ausgangspunkt der sich um Planung i m allgemeinsten Sinn drehenden Diskussionen. I m Zentrum stand dabei einmal der Versuch, das Phänomen unter die überkommenen verwaltungs- und staatsrechtlichen Kategorien zu subsumieren und zum anderen, die Grundrechte gegen staatliche Aktivitäten zu mobilisieren. Der Denkansatz w a r also grundsätzlich abwehrend, den Staat i n seine rechtlichen Schranken weisend. Dieser Fragestellung und diesem Ansatz soll hier nicht ausgewichen werden; sie allein würde aber die Problematik verkürzen. Genauso wichtig erscheint nämlich die Suche nach Formen und Verfahren, m i t denen der notwendige Ausgleich zwischen divergierenden Interessen geschaffen werden kann und i n denen sich staatliche Planung nicht als freiheitsbedrohender Moloch, sondern möglicherweise gerade als freiheitsstiftendes, Rationalität und demokratische Kontrolle verbindendes Element erweist. Zur Gewährleistung dessen ist aber der gerichtsförmige Rechtsschutz allein nicht ausreichend. M i t anderen Worten: die Arbeit hätte ihr Ziel erreicht, wenn sie ihre eigene, bewußt enge Fragestellung überwinden und die Problematik des rein repressiven Rechtsschutzdenkens aufzeigen könnte. Von dieser Basis her soll zunächst nach einer Darstellung der Situation und der Konstruktion des Gesetzes untersucht werden, ob und inwieweit das Instrumentarium des gerichtsförmigen Rechtsschutzes Möglichkeiten der Überprüfung von Maßnahmen auf Grund des Kohlegesetzes bietet. Darauf w i r d zu diskutieren sein, ob diese A r t der Uberprüfung tatsächlich effektiven Schutz gewährt, u m daraus schließlich allgemeine Folgerungen für eine Kontrolle von Planungsprozessen abzuleiten, die nicht nur i n einseitig obrigkeitlicher Verantwortung verstanden werden können, sondern sich ebenso als Teilprodukte einer demokratisch verfaßten Gesellschaft darstellen. Entsprechend dieser Problemstellung bleibt i m wesentlichen unerörtert, ob das Kohlegesetz selbst m i t der Verfassung vereinbar ist; darauf kann nur am Rande eingegangen werden 4 . Unberücksichtigt bleibt auch, daß durch die Gründung der Ruhrkohle AG, die Anfang 1970 endgültig ihre Arbeit aufnahm und etwa 94 %> der Gesamtförde-
4 Vgl. dazu Hans Schneider , Verfassungsrechtliche Fragen des SteinkohleAnpassungsgesetzes (Rechtsgutachten), m i t einem wirtschafts-wissenschaftlichen Beitrag v o n Wilhelm Kromphardt , B B 1969, Beilage 2; das BVerfG (BVerfGE 29, 83 ff.) hat eine direkt gegen das Gesetz eingelegte Verfassungsbeschwerde bereits aus formellen Gründen verworfen.
Einleitung rung i m Ruhrgebiet erfaßt 5 , zumindest für dieses Gebiet ein großer Teil der nach dem Kohlegesetz möglichen Maßnahmen praktisch obsolet geworden ist. Die Bedeutung des Gesetzes i n rechtlicher wie (wirtschafts-) politischer Hinsicht rechtfertigt dennoch seine Behandlung unter Einbeziehung sämtlicher darin aufgeführter Instrumente.
5 Vgl. dazu Süddeutsche Zeitung v o m 23.8.1969, S. 23; zur E n t w i c k l u n g s. Hans-Helmut Kuhnke , Die Ruhrkohle A G i m Rahmen der Neuordnung des Steinkohlenbergbaus, Sonderdruck aus Jahrbuch f ü r Bergbau, Energie, Mineralöl und Chemie, Essen 1969.
Erstes
Kapitel
Die wirtschaftliche Situation des Steinkohlenbergbaus und die staatlichen Hilfsmaßnahmen 1. Die Situation Z u Beginn der fünfziger Jahre wurde der westdeutsche Energiebedarf zum größten Teil durch die Steinkohle gedeckt1. Das hatte zur Folge, daß die Produktion von Steinkohle sich an die ständig ansteigende Konj u n k t u r anpassen mußte. Zur Erreichung dieses Ziels wurden die Produktionskapazitäten laufend ausgeweitet 2 ; staatliche Eingriffe i n den Wirtschaftsablauf wurden zwar vorgenommen, allerdings allein zu dem Zweck, eine preisgünstige M a r k t - und Verbraucherversorgung zu gewährleisten 3 . Diese Situation auf dem Energiemarkt änderte sich etwa i m Jahre 1957: bedingt durch das Eindringen des Heizöls i n den privaten Verbrauchssektor, die stärker werdende Konkurrenz der Auslandskohle (vor allem der amerikanischen) und die technische Entwicklung, durch die der Koksverbrauch bei der Stahlerzeugung reduziert wurde, kam es auf dem Steinkohlenmarkt zu erheblichen Absatzschwierigkeiten 4 . Die Veränderungen auf dem Energiemarkt und die Gefahr daraus resultierender möglicher Strukturkrisen waren zunächst verkannt worden: i m Jahr 1957 wurde der Ruhrbergbau von der Hohen Behörde der Montan-Union aufgefordert, seine Kapazitäten u m 40 Millionen t Förderung pro Jahr zu erhöhen 5 . Die sog. „Drei Weisen von Euratom" hatten ebenfalls i m Jahre 1957 prophezeit, daß bis 1975 die Nachfrage nach Steinkohle mindestens ebenso stark ansteigen werde wie das A n 1 Der A n t e i l der Steinkohle an der Primärenergieversorgung betrug z.B. 1950 72,2 °/o (Quelle: Aus der Chronik der westdeutschen Energiewirtschaft nach 1945, Essen 1960, S. 6). 2 Z u r Unterstützung der Investitionen diente u. a. das sog. Investitionshilfegesetz v o m 7.1.1952, B G B l . I, S. 7; hierzu vgl. BVerfGE 4, 7 ff. 3 Uwe Specht, Die Energiepolitik der B R D v o n 1948—1967. Versuch einer Ziel-Mittel-Analyse, Diss. rer. pol., Freiburg 1969, S. 24. 4 Vgl. Specht, S. 25, 28, 29. 5 EGKS, 5. Gesamtbericht über die Tätigkeit der Gemeinschaft v o m 13.4. 1957, S. 267 ff.
2. Die Maßnahmen
15
gebot 6 . Schon i m Jahre 1958 allerdings ging i n den Ländern der Montanu n i o n die Nachfrage nach Steinkohle u m 32 Millionen t zurück 7 . I n der BRD verringerte sich der Verbrauch i n den Jahren 1957—1964 u m 20 Millionen t, und damit u m fast 15 °/o8. Angesichts dieser Lage wurden von der Bundesregierung i m Jahre 1964 die energiepolitischen Vorstellungen dahin formuliert, daß zur Aufrechterhaltung funktionsfähiger Strukturen i m Steinkohlebergbau sowie zur Verminderung der Importabhängigkeit i n der westdeutschen Energieversorgung eine jährliche Förder- und Absatzquote von 140 M i l lionen t erforderlich sei9. Jedoch zeigte sich schon i m Jahre 1965, daß diese Förderquote die Absatzkapazität wesentlich überstieg, was zur Folge hatte, daß die Bundesregierung von dieser Leitzahl wieder abrückte, da es sich herausgestellt habe, daß die als Zielvorstellung gedachte Zahl zu einer „Fessel für alle Beteiligten" geworden sei 10 . I m Jahre 1965 wurden nur noch ca. 135 Millionen t Steinkohle gefördert, die Haldenbestände wuchsen auf über 15 Millionen t an 11 . 1967, i m Jahr vor Erlaß des KG, sank die Förderung auf 112 Millionen t. Gleichzeitig wurde die Strukturkrise dadurch gekennzeichnet, daß i n den Jahren 1966/67 allein i m Ruhrgebiet 22 Schachtanlagen stillgelegt wurden, was einer Förderkapazität von annähernd 20 Millionen t pro Jahr entsprach 12 .
2. Die Maßnahmen Diese langanhaltende Krise des Steinkohlebergbaus versuchten die Bundesregierung und das Parlament m i t verschiedenen Mitteln zu beheben. Als Beispiele seien hier vor allem genannt die beiden sog. Verstromungsgesetze vom 12. 8.1965 13 bzw. 5. 9.1966 14 , m i t denen eine A b 6 s. Helmut Arndt, Die Planung als Problem der Marktwirtschaft, i n : Rationale Wirtschaftspolitik u n d Planung i n der Wirtschaft v o n heute, Schriften des Vereins f ü r Socialpolitik, Neue Folge Bd. 45, B e r l i n 1967, S. 26 f. 7 Arndt, a.a.O. 8 Arndt, a.a.O. 9 Vgl. dazu Hans Peter Ipsen, Rechtsfragen der Wirtschaftsplanung, i n : Joseph H. Kaiser (Hrsg.), Planimg I I , Baden-Baden 1966, S. 76 f.; s. auch die stenograhischen Berichte der Energiedebatten des Bundestags v o m 13.11. u n d 2.12.1964, S. 7243 f. u n d 7277 f. 10 Bundeswirtschaftsminister Schmücker i m B u l l e t i n der Bundesregierung, Nr. 37 v o m 17.3.1966, S. 291. 11 Quelle: Die Kohlenwirtschaft der Bundesrepublik i m Jahre 1966, Essen 1967, S. 7, 111. 12 Quelle: Die Kohlenwirtschaft der Bundesrepublik i m Jahre 1969, Essen 1970, S. 7, 20, 21. 18 Gesetz zur Förderung der Verwendung von Steinkohle i n Kraftwerken, B G B l . I , S. 777. 14 Gesetz zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes i n der Elektrizitätswirtschaft, BGBl. I, S. 545; hierzu s. Manfred Gubelt, Das Gesetz zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes i n der Elektrizitätswirtschaft, Düsseldorf 1960.
16
1. Kap.: Die wirtschaftliche Situation und die Hilfsmaßnahmen
satzförderung der Steinkohle durch finanzielle Anreize für ihren Einsatz bei der Elektrizitätsgewinnung bewirkt werden sollte. Vorausgegangen waren bereits Erschwerungen für den Kohleimport durch Erhebung eines Kohlenzolls 15 , die Gewährung von Frachtbeihilfen für Steinkohlentransporte m i t Eisenbahn und Schiffen der gewerblichen Binnenschifffahrt 1 6 sowie eine Förderung der innerbetrieblichen Rationalisierung 17 . Dienten diese Maßnahmen der Absatzförderung i m Inland abgebauter Steinkohle und der Rationalisierung bei der Gewinnung von Steinkohle, so wurden daneben andere, „flankierende" Maßnahmen ergriffen, die die immer stärker werdende Substitution der Steinkohle durch das Heizöl zurückdrängen sollten. Dafür sind i n erster Linie zu erwähnen: a) die Einführung einer Verbrauchssteuer für Heizöl, wodurch die Verwendung von leichtem Heizöl m i t 10,— DM, von schwerem mit 25,— D M pro Tonne belastet wurde 1 8 ; b) die Selbstbeschränkung der Mineralölindustrie. M i t diesem Stichwort w i r d allgemein eine Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und führenden Konzernen der Mineralölindustrie aus dem Jahr 1964 bezeichnet, i n der die Industrie sich verpflichtete, i h r Angebot an schwerem Heizöl auf den jeweiligen Vorjahres verbrauch zusätzlich einer i n Abstimmung m i t dem Bundeswirtschaftsministerium zu ermittelnden Zusatzquote zu beschränken. Die Bundesregierung ihrerseits verzichtete auf Importrestriktionen, wie sie bei der Steinkohle vorgenommen waren und wies das Bundeskartellamt an, etwaige Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Vereinbarung i m Hinblick auf das GWB nicht weiter zu verfolgen 19 . c) Das Gesetz über Mindestvorräte an Erdölerzeugnissen vom 9.9.1965 20 . Hierdurch wurden Importeure und Verarbeiter von Mineralöl verpflichtet, Vorräte für einen bestimmten Zeitraum anzulegen. 15
A u f g r u n d des Gesetzes über das Zollkontingent f ü r feste Brennstoffe v o m 3.12.1959, B G B l . I I , S. 1380. 16 s. die „Richtlinien über die Gewährung einer Frachthilfe f ü r K o h l e n transporte aus dem A u f k o m m e n der Heizölsteuer", Bundesanzeiger 1960, Nr. 123. 17 A u f g r u n d des Gesetzes zur Förderung der Rationalisierung i m Steinkohlenbergbau v o m 29. 7.1963, BGBl. I, S. 549. 18 Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes v o m 26.4.1960, B G B l . I, S. 241. 19 Z u den einzelnen Etappen, die zu der Selbstbeschränkung führten sowie zum kartellrechtlichen Aspekt vgl. Kurt H. Biedenkopf, Z u r Selbstbeschränk u n g auf dem Heizölmarkt, BB1966, S. 1113 ff.; die Selbstbeschränkung wurde i m März 1971 durch den Bundeswirtschaftsminister aufgehoben; vgl. Joseph H.Kaiser, Industrielle Absprachen i m öffentlichen Interesse, N J W 1971, S. 585, F N 4. 20 BGBl. I, S. 1217. Siehe hierzu die Untersuchung v o n Hans Peter Ipsen, Gesetzliche Bevorratungspflicht Privater, AöR Bd. 90 (1965), S. 393 ff. sowie den Beschluß des B V e r f G v o m 16. 3.1971, N J W 1971, S. 1255 ff.
2. Die Maßnahmen
17
M i t all diesen Maßnahmen 21 wurde versucht, der Steinkohle einen angemessenen Platz bei der Energieversorgung zu bewahren. Nach den Vorstellungen des Bundeswirtschaftsministeriums sollte insbesondere das Gesetz zur Förderung der Verwendung von Steinkohle i n K r a f t werken bis zum Jahre 1981 einen Mehrabsatz von rund 150 Millionen t zur Folge haben. Trotz aller getroffenen Schutzmaßnahmen verschärfte sich aber die Strukturkrise i m Steinkohlebergbau, insbesondere gekennzeichnet durch Zechenstillegungen, i n zunehmendem Maße. I m Jahre 1966 trat deshalb eine Neuorientierung der Energiepolitik ein: nicht mehr die ungehemmte Absatzförderung der Steinkohle, gestützt durch „flankierende Maßnahmen" i m Heizölbereich, war die Devise, sondern die geordnete und durch staatliche Maßnahmen gestützte Rückführung der Produktion durch Stillegung von Steinkohlebergwerken 22 . Hierdurch sollte eine A n passung der Förderung an die realen Absatzmöglichkeiten bewirkt werden 23 . Der durch Gesetz vom 2. 8.1963 24 gegründete öffentlich-rechtliche „Rationalisierungsverband des Steinkohlenbergbaus" konnte dieser A u f gabe nicht v o l l gerecht werden, da sie i h m nur i n zweiter Linie gestellt w a r und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit als vorrangiges Ziel angesehen wurde (vgl. die §§ 1, 2 des Gesetzes). Dem Ziel der mengenmäßigen Reduzierung der Förderung entsprechend den Absatzmöglichkeiten galt die Gründung der „Aktionsgemeinschaft Deutsche Steinkohlenreviere GmbH" (ADS). Sie wurde am 23.11. 1966 „als Gemeinschaftsaktion der gesamten deutschen gewerblichen Wirtschaft" 2 5 i n enger Kooperation m i t dem Bund und den betroffenen Ländern Nordrhein-Westfalen und Saarland gegründet. I n einem am 22. 3.1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der ADS geschlossenen Vertrag vereinbarten die Vertragspartner als Aufgabe der ADS die Zahlung von Prämien für die Stillegung von Steinkohlenbergwerken und die Veräußerung von Grundstücken aus Bergbaubesitz 28 . 21 Vgl. auch den Überblick bei Gerhard Krink, Die energiepolitischen M a ß nahmen der Bundesregierung, i n : Energiewirtschaft u n d Energiepolitik i n Gegenwart u n d Z u k u n f t , Bericht über die internationale Tagung der Sozialakademie D o r t m u n d (Hrsg. Herbert Schmidt), B e r l i n 1966, S. 161 ff. 22 s. die Beantwortung einer Großen Anfrage durch die Bundesregierung, B u l l e t i n Nr. 37 v o m 17.3.1966, S. 291 f. 23 Die zwingende Notwendigkeit dafür ergab sich aus der Tatsache, daß der Inlandabsatz der Ruhrzechen i m Jahre 1966 auf 75 M ü l i o n e n t gesunken w a r ; s. Specht, Die Energiepolitik der BRD, S. 179. 24 B G B l . I, S. 549; vgl. dazu Hans-Gerd von Dücker, Die Aktionsgemeinschaft Deutsche Steinkohlenreviere GmbH. Grundzüge einer kooperativen Planung durch Staat u n d Wirtschaft, F r a n k f u r t 1969, S. 21 f. 25 So die Präambel des Gesellschaftsvertrages, abgedruckt bei von Dücker, Aktionsgemeinschaft, S. 135. 26 § 1 des Vertrages, abgedruckt bei von Dücker, Aktionsgemeinschaft, S. 140.
2 Seidler
18
1. Kap.: Die wirtschaftliche Situation und die Hilfsmaßnahmen
Dies sollte nach Maßgabe von Richtlinien 2 7 geschehen, die Bestandteil des Vertrages waren und vorsahen, daß pro Tonne stillgelegter Förderkapazität 15,— D M als Stillegungsprämie ausgezahlt würden. Die gezahlten Prämien wurden der A D S vom B u n d und den beteiligten Ländern zurückerstattet 28 . Neben dem Ziel der Förderungsbeschränkung hatte die A D S darüber hinaus die Aufgabe, für die Ansiedlung anderer Branchen i n den Steinkohlebergbaugebieten zu sorgen, u m soziale F r i k tionen innerhalb der dort an die Kohle gebundenen Monostruktur zu vermeiden. Aber gerade der Zielkonflikt zwischen der notwendigen Produktionsanpassung u n d den daraus resultierenden Zechenstillegungen einerseits u n d den sozialpolitischen Notwendigkeiten andererseits, die sich i n den Krisenjahren 1966/67 i n den Forderungen nach Sicherung der Arbeitsplätze artikulierten, machte deutlich, daß zumindest der Bereich des Steinkohlebergbaus eines geschlossenen Konzepts bedurfte; eines K o n zepts, das nicht allein m i t punktuellen Maßnahmen operierte, sondern die Notwendigkeit eines geordneten Produktionsrückgangs m i t der Notwendigkeit der Arbeitsplatzsicherung i n Einklang zu bringen suchte. Hierzu bedurfte es nicht allein der Verhinderung weiterer S t i l l legungen, sondern vor allem auch eines längerfristigen Strukturprogramms, das bestrebt sein mußte, die i n den Steinkohlebergbaugebieten weitgehend bestehende Monostruktur durch eine gemischte Wirtschaftsstruktur zu ersetzen. Dies jedenfalls hatten die geschilderten Maßnahmen nicht erreichen können: unkoordinierte Einzelaktionen lösten jeweils n u r einen Teil des zu lösenden Gesamtproblems 29 . Wenn man zu diesem Zeitpunkt überhaupt von einer Konzeption sprechen kann, dann allenfalls der, daß die Kohlewirtschaft — gestützt durch die staatlichen Finanzhilfen — den Anpassungsprozeß an die veränderten M a r k t verhältnisse i m wesentlichen selbst bewältigen müsse 30 . Ob man dies m i t dem V e r d i k t des unkoordinierten „punktuellen Interventionismus" 3 1 belegen w i l l , oder ob man m i t Ipsen 32 die Maßnahmen als „planula" bezeichnen w i l l , die durchaus Ausführungsmittel eines dahinterstehen27
s. Bundesanzeiger Nr. 59 v o m 29. 3.1967. § 6 des Vertrages, a.a.O., S. 144 i.V.m. § 1 Abs. 2 der Richtlinien, a.a.O. 29 Vgl. hierzu Hans K. Schneider und Hansjürgen Bals, Energiepolitik statt Kohlepolitik, i n : Hamburger Jahrbuch f ü r Wirtschafts- u n d Gesellschaftsp o l i t i k 1968, S. 118 ff., 141. 80 Specht, Energiepolitik der BRD, S. 166/167, F N 3. 31 Allgemein hierzu Karlheinz Kieps, Konkurrenz wirtschaftspolitischer Konzeptionen i n der EWG, Ordo B d . X V / X V I (1965), S. 275 ff.; s. auch den V o r w u r f von Hans-Otto Lenel (Das Kohleanpassungsgesetz, Ordo Bd. X X (1969) S. 157), man habe „ F l i c k w e r k " betrieben; ähnlich auch Hellmuth Stefan Seidenfus, Planung i n der Energiewirtschaft, i n : A l f r e d Plitzko (Hrsg.), Planung ohne Planwirtschaft, Basel 1964, S. 205 ff. 32 Rechtsfragen, S. 75f.; so auch Gerhard Maecker, Gewährleistung bei staatlicher Wirtschaftsplanung, Diss. iur. Göttingen 1968, S. 18 f. 28
2. Die Maßnahmen
19
d e n „ p l a n u m " seien, b r a u c h t n i c h t n ä h e r e r ö r t e r t z u w e r d e n : w e n n eine K o n z e p t i o n f ü r d e n S t e i n k o h l e b e r g b a u v o r g e l e g e n h a b e n sollte, so w a r sie j e d e n f a l l s i n d e n Rezessionsjähren 1966/67 als gescheitert
anzu-
sehen 3 3 .
3. Das Kohlegesetz als Versuch einer Neuordnung des Steinkohlenbergbaus Das S c h e i t e r n d e r b i s h e r i g e n P o l i t i k i m S t e i n k o h l e b e r e i c h , d i e d e n Zielkonflikt Produktionsdrosselung — Arbeitsplatzsicherung nicht hatte lösen k ö n n e n , zeigte sich d e u t l i c h , als i m H e r b s t 1967 d i e S t i l l e g u n g d e r Zechen H a n s a u n d P l u t o a n g e k ü n d i g t w u r d e , u n d d i e B u n d e s r e g i e r u n g sich i n dieser S i t u a t i o n i n i h r e r S i t z u n g a m 23.10.1967 w e i g e r t e , i n d i e sem F a l l S t i l l e g u n g s p r ä m i e n z u z a h l e n 3 4 . Diese Ereignisse w a r e n A n l a ß z u r F o r c i e r u n g der B e r a t u n g e n ü b e r das K o h l e g e s e t z 3 6 , dessen erster E n t w u r f a m 30. 8.1967 d e m B u n d e s t a g v o r g e l e g t w o r d e n w a r 3 6 . N a c h e i n g e h e n d e n B e r a t u n g e n w u r d e es a m 3. 4.1968 v o m B u n d e s t a g v e r abschiedet 3 7 . Das Gesetz m a c h t d e n Versuch, staatliche W i r t s c h a f t s l e n k u n g z u d e m Z i e l einzusetzen, e i n e n gesamten W i r t s c h a f t s s e k t o r a u f neue G r u n d l a g e n z u stellen, i h n aus sich selbst heraus l e i s t u n g s f ä h i g z u m a c h e n u n d a n schließend w i e d e r i n d e n p r i v a t w i r t s c h a f t l i c h e n B e r e i c h z u entlassen 3 8 » 3 9 . 33 Allgemein zur Entwicklung des Steinkohlenbergbaus vgl. auch Ludwig Poth, Die Stellung des Steinkohlenbergbaus i m Industrialisierungsprozeß u n ter besonderer Berücksichtigung des Ruhrgebiets, B e r l i n 1971. 34 Specht, Energiepolitik der BRD, S. 164; s. auch Bundeswirtschaftsminister Schiller i n der Energiedebatte des Deutschen Bundestages am 8.11.1967, Stenographische Berichte S. 6632. 35 Karl Schiller, Sicherheit u n d sozialer Fortschritt durch dynamische W i r t schaftspolitik, Rede vor der Zentralen Betriebs- und Personalrätekonferenz der SPD i n Bochum am 8. 3.1969, abgedruckt i n : Tatsachen-Argumente, Nr. 267/69. 36 BT-Drucks. V/2078. 37 166. Sitzimg des 5. Deutschen Bundestages, Stenographische Berichte, S. 8742. 38 s. Kurt H.Biedenkopf, Energiepoltik nach dem Kohleanpassungsgesetz, Monatsblätter f ü r freiheitliche Wirtschaftspolitik 1968, S. 276 ff. 39 Das Beispiel des Kohlegesetzes zeigt neben anderen (Landwirtschaft, Krupp-Sanierung), daß das Modell der sozialen Marktwirtschaft i n der Realität heute vielfach zur F i k t i o n erstarrt ist: immer häufiger muß der Staat zur Vermeidung sozialer Spannungen oder gar Explosionen (Verlust von Arbeitsplätzen) m i t Stützungsmaßnahmen eingreifen, die i m E x t r e m f a l l das unternehmerische Risiko stark reduzieren u n d zu einer „Sozialisierung der Verluste" führen, während der private G e w i n n n u r i m herkömmlichen Rahmen (Besteuerung) angetastet w i r d . Das Synallagma zwischen unternehmerischer Investition m i t Gewinnerwartung u n d unternehmerischem Risiko w i r d dadurch i n Teilbereichen aufgehoben. Bei wachsender Wirtschaftskonzentration w i r d sich dieser Prozeß weiter fortsetzen (vgl. die auf den amerikanischen Verhältnissen beruhenden Beobachtungen bei John Kenneth Galbraith, Die moderne Industriegesellschaft, München-Zürich 1968, S. 262 u n d
2*
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1. Kap.: Die wirtschaftliche Situation und die Hilfsmaßnahmen
Es stellt ein Beispiel für die immer häufiger werdenden Formen der Kooperation von Staat und Wirtschaft dar, bei denen der Staat für die Wirtschaft Leistungen erbringt, hierfür aber von dieser Gegenleistungen erwartet. I m Falle des Steinkohlebergbaus wurden die Erwartungen der staatlichen Seite von Bundeswirtschaftsminister Schiller i n der Bundestagsdebatte am 3. 4.1968 40 folgendermaßen formuliert: 1. 2. 3. 4. 5.
Ausrichtung der Produktionspolitik auf den M a r k t ; Ausnutzung aller Möglichkeiten zur Kostensenkimg; elastische Absatz- und Preispolitik; Konzentration der Förderung auf die besten Schachtanlagen; Führen einer Belegschaftspolitik, die dem einzelnen Belegschaftsmitglied das Bewußtsein eines sicheren Arbeitsplatzes vermittelt.
Der Bundeswirtschaftsminister machte an der gleichen Stelle auch klar, daß das Gesetz diese Ziele, sollten sie nicht erfüllt werden, durch den Entzug von bestimmten Subventionen (dazu siehe unten, 2. Kapitel) auch erzwingen kann. Hieraus zeigt sich — was für die weitere Behandlung des Themas wesentlich sein w i r d —, daß das Gesetz primär nicht auf staatlichen Befehl und Zwang angelegt ist, sondern daß es ein den staatlichen Zielen konformes Verhalten durch die Gewährung bzw. den Entzug von Vergünstigungen erreichen w i l l : direkte Steuerung w i r d vermieden, indirekt w i r d durch finanzielle Anreize Einfluß genommen 41 . E i n knapper Uberblick über die Grundkonzeption des Gesetzes ergibt folgendes: es w i r d ein Bundesbeauftragter für den Steinkohlenbergbau und die Steinkohlenbergbaugebiete als Bundesoberbehörde eingesetzt, der Prognosen für diesen Wirtschaftszweig ermittelt und auf ihrer Grundlage Empfehlungen gibt, wie die einzelnen Zechen ihre Produktion ausrichten und untereinander verteilen sollen. Die Befolgung dieser Empfehlungen ist Voraussetzung für die Gewährung bestimmter Vergünstigungen. Der Beauftragte hat weiterhin die Aufgabe, auf die B i l dung „optimaler Unternehmensgrößen" hinzuwirken. Stillgelegte Betriebe sollen durch Betriebe anderer Wirtschaftszweige ersetzt werden, u m eine wirtschaftliche Mischstruktur zu erreichen. Die Ansiedlung solcher Betriebe soll durch finanzielle Hilfen gefördert werden. Arbeitnehmer, die durch Stillegung einer Zeche ihren bisherigen Arbeitsplatz verlieren, sollen finanzielle Abfindungen erhalten. passim; s. auch Kurt H. Biedenkopf, Thesen zur Energiepolitik, Heidelberg 1967, S. 39; Axel Görlitz, Demokratie i m Wandel, K ö l n u n d Opladen 1969, S. 107); bei historischer Betrachtungsweise w i r d deutlich, daß es sich hier nicht u m eine neue Erscheinimg, sondern ein typisches Moment der K r i s e n bekämpfung handelt; vgl. Helmut Böhme, Prolegomena zu einer Wirtschaftsu n d Sozialgeschichte Deutschlands i m 19. u n d 20. Jahrhundert, 3. Aufl., F r a n k f u r t 1969, S. 56. 40 166. Sitzung des 5. Deutschen Bundestages, Stenographische Berichte, S. 8739. 41 s. Biedenkopf, Thesen, S. 26.
4. Der Bundesbeauftragte
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4, Der Bundesbeauftragte für den Steinkohlenbergbau und die Steinkohlenbergbaugebiete Der Bundesbeauftragte für den Steinkohlenbergbau und die Steinkohlenbergbaugebiete (im folgenden „Bundesbeauftragter" genannt) ist die „Zentralfigur des Gesetzes"42. Seine rechtlich-organisatorische Stellung ist die einer Bundesoberbehörde gem. A r t . 87 Abs. 3 Satz 1 GG. Die Institutionalisierung des Bundesbeauftragten durch das Gesetz war verschiedentlich einer K r i t i k ausgesetzt, die dahinging, daß i n A n betracht seiner weitreichenden Befugnisse eine entsprechende Kommission die angemessenere Lösung gewesen wäre 4 3 . Ob aber das von Biedenkopf 4 vorgeschlagene Dreiergremium i n Anbetracht der engen Verflechtung des Bundesbeauftragten m i t anderen Institutionen (Bundeswirtschaftsministerium, Kohlebeirat) arbeitsfähiger gewesen wäre, erscheint doch sehr zweifelhaft. Die bei den weitreichenden Befugnissen erforderliche Kontrolle des Bundesbeauftragten erscheint durch das Bundeswirtschaftsministerium und den Kohlebeirat gewährleistet. Wesentlicher scheint demgegenüber die Fragestellung zu sein, welche allgemeine Funktion dem Bundesbeauftragten i m Rahmen des K G und damit i m Rahmen der Wirtschaftspolitik für diesen Sektor zukommt. Gem. § 1 K G hat er die Aufgabe, darauf hinzuwirken, daß „1. die Bergbauunternehmen ihre Produktionskapazität auf die Absatzmöglichkeiten des deutschen Steinkohlenbergbaus ausrichten und 2. die Steinkohlenbergwerke m i t der nachhaltig stärksten Ertragskraft ihre Produktionskapazität ausnutzen können." Aus dieser Formulierung w i r d wiederum die durchgehende Tendenz des Gesetzes deutlich, nicht unmittelbar m i t Zwang i n den Wirtschaftsablauf i m Bereich der Steinkohle einzugreifen, sondern den Steinkohlebergbau m i t staatlicher Hilfe selbst i n die Lage zu versetzen, den Wettbewerb m i t anderen Energieträgern zu bestehen und die staatlichen Unterstützungen allmählich abzubauen. Demgemäß hat der Bundesbeauftragte Dr. Woratz i n einem Vortrag 4 5 ausgeführt, daß er seine Rolle nicht als die eines „Kohlekommissars" verstehe. Zwar könne er nach 42
Lenel, Ordo Bd. X X (1969), S. 161. So Biedenkopf, Thesen, S. 49; s. auch Theodor Wessels (Die erste geschlossene Bergbaukonzeption, F A Z v o m 25.10.1967), der den Bundesbeauftragten durch einen öffentlich-rechtlichen Rationalisierungsverband ersetzt sehen wollte. 44 Biedenkopf, Thesen, S. 49. 45 „ D i e F u n k t i o n des Bundesbeauftragten f ü r den Steinkohlenbergbau u n d die Steinkohlenbergbaugebiete", gehalten auf der internationalen Fachtagung der Friedrich-Ebert-Stiftung a m 20.1.1969 i n Bad Godesberg, i n : Energie international, hrsg. v o m Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung, Hannover 1969, S. 51 ff. 48
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1. Kap.: Die wirtschaftliche Situation und die Hilfsmaßnahmen
dem KG, wenn es sich als notwendig erweise, weitgehende Initiativen ergreifen. Es komme aber darauf an, „daß der Bergbau die Chance haben muß, m i t marktkonformen M i t t e l n selbst den Prozeß der A n passung zu vollziehen" 4 6 . Jede dahingehende Maßnahme des Bergbaus werde die Unterstützung des Bundesbeauftragten finden. Dennoch ist nicht zu übersehen, daß i m Rahmen der bisherigen Vorstellungen über Wettbewerbswirtschaft eine solche Institution an sich einen „Fremdkörper" 4 7 darstellt. Die Tatsache, daß sie für notwendig gehalten wurde, zeigt die gesteigerte staatliche Verantwortlichkeit für einen solch wesentlichen Wirtschaftssektor 48 , die erhebliche Eingriffe i n den Wettbewerbsablauf notwendig macht. Überdies zeigt ein Blick i n die Vergangenheit, daß i n diesem Bereich schon immer erhebliche staatliche A k t i v i t ä t zu verzeichnen war, teilweise m i t Mitteln, die i m Hinblick auf marktwirtschaftliche Verhältnisse weit über diejenigen des Bundesbeauftragten hinausgingen. A u f Grund des Gesetzes über die Regelung der Kohlenwirtschaft vom 23. 3. 191949 wurde die Leitung der gesamten Kohlenwirtschaft dem Reichskohlenrat übertragen (§ 2), einem Gremium von sechzig m i t der Kohlewirtschaft i n Verbindimg stehenden Mitgliedern, das die Befugnis hatte, allgemeine Richtlinien für die Brennstoffwirtschaft zu erlassen, u. a. zur Ausschaltung unwirtschaftlichen Wettbewerbs und zum Schutz der Verbraucher 50 . Dem Reichswirtschaftsminister oblag die Oberaufsicht; zu diesem Zweck konnte er u. a. Beschlüsse des Reichskohlenrats beanstanden und außer K r a f t setzen, sowie die festgesetzten Brennstoffpreise herabsetzen 51 . Die einzelnen Unternehmen selbst mußten sich zu Gebietssyndikaten zusammenschließen, die die ausschließliche Befugnis zum Brennstoffverkauf hatten; fand dieser Zusammenschluß nicht statt, konnte er zwangsweise durch Verordnung des Reichswirtschaftsministers verfügt werden 52 . Diese Organisation der Kohlewirtschaft auf der Grundlage von Zwangszusammenschlüssen ist zu verstehen als Abwehr der nach dem Zusammenbruch aufgetauchten Sozialisierungsbestrebungen, die durch eine „Gemeinwirtschaft . . . auf der Grundlage der Selbstverwaltung" 5 3 46
Ebd., S. 60. So der Abgeordnete Dr. Luda i n der BT-Debatte v o m 3. 4.1968, 166. S i t zung des 5. Deutschen Bundestags, Stenographische Berichte, S. 8691. 48 Vgl. dazu BVerfG, N J W 1971, S. 1255 ff., 1258 (Bevorratungspflicht). 49 RGBl. S. 342. 50 Vgl. § 49 der Ausführungsbestimmungen zum Gesetz über die Regelung der Kohlenwirtschaft, RGBl. 1919, S. 1449. 51 §§ 109 ff. der Ausführungsbestimmungen. 52 § 5 der Ausführungsbestimmungen. 53 So A r t . 156 Abs. 2 WRV. 47
4. Der Bundesbeauftragte
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ersetzt wurden, dennoch aber staatlichen Ingerenzen großen Raum ließen 64 . Wenn auch die unterschiedliche historische Situation, die zu einem ganz anders gelagerten Instrumentarium führen mußte, nicht verkannt werden soll, so kann man doch zumindest feststellen, daß m a r k t w i r t schaftliche Wettbewerbsverhältnisse i m Kohlebereich streng genommen nur selten existiert haben 65 . Vor diesem Hintergrund erscheint das dem Bundesbeauftragten durch das K G i n die Hand gegebene Instrumentarium i n einem anderen Licht. Vor diesem Hintergrund erscheinen aber auch Versuche fragwürdig, die die staatliche Wirtschaftspolitik i m Kohlesektor wesentlich aus dem Blickwinkel betrachten, inwieweit diese i n die Grundrechte der betroffenen Unternehmen eingreifen 56 . Eine solche individualistische, zudem unhistorische Sicht verkennt die besondere Situation des Steinkohlenbergbaus und die Tatsache, daß staatliche Tätigkeit häufig erst die Voraussetzungen zur Wirksamkeit und Aktualisierung der Grundrechte schafft 57 .
54 Z u m Ganzen vgl. Ernst-Rudolf Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Tübingen 1932, S. 13 ff.; Winfried Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung. Organisationsformen u n d Gestaltungsmöglichkeiten i m Wirtschaftsverwaltungsrecht, res publica Bd. 21, S t u t t g a r t - B e r l i n - K ö l n - M a i n z 1969, S. 66 ff. 55 So auch Helmut Gröner, Die „flankierenden Maßnahmen" der K o h l e politik, Ordo Bd. X X (1969), S. 181 ff., 188. 56 So etwa Schneider, Gutachten, passim. 57 s. hierzu Heinz Wagner, öffentlicher Haushalt u n d Wirtschaft, W D S t R L Heft 27 (1968), B e r l i n 1969, S.47ff., 72 ff.
Zweites
Kapitel
Das Instrumentarium des Bundesbeauftragten nach dem Kohlegesetz und der Kohlenbeirat Das dem Bundesbeauftragten i m K G zur Verfügimg gestellte Instrumentarium läßt sich unterteilen i n — diejenigen Maßnahmen, die der Datenermittlung und der Aufklärung dienen und — diejenigen Maßnahmen, die die Erfüllung des Gesetzesprogramms bezwecken und sichern.
1. Maßnahmen zur Datenermittlung und Aufklärung Gem. § 19 K G hat der Bundesbeauftragte innerhalb von 6 Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes eine Untersuchung über die Entwicklung der Unternehmensgrößen i m deutschen Steinkohlenbergbau vorzulegen. Diesen „Konzentrationsbericht" hat der Bundesbeauftragte am 19.11.1968 veröffentlicht. Er sollte das Zahlenmaterial aufbereiten u n d die Grundlage bilden (§ 20 Abs. 2 KG) für die nach § 20 Abs. 1 K G vom Bundeswirtschaftsminister zu erlassende Rechtsverordnung, m i t der die Maßstäbe für die Ermittlung der nach dem 1.1.1969 maßgebenden optimalen Unternehmensgrößen näher festzusetzen waren. Die Untersuchung nennt eine Reihe von Kriterien für das Vorliegen dieser optimalen Unternehmensgrößen. Dieser sind u. a. dann gewährleistet, wenn i n einem Steinkohlenbergbaugebiet „Großinvestitionen . . . einheitlich geplant und durchgeführt werden", „Konzentrations- u n d Anpassungsmaßnahmen . . . geordnet durchgeführt werden", „Steinkohlenbergwerke m i t der nachhaltig stärksten Ertragskraft . . . durch eine einheitliche Gestaltung von Produktion und Absatz ausgelastet werden", „eine zentrale Belegschaftspolitik verfolgt w i r d " 1 . N u r bei Verwirklichung dieser (unter anderen) Erfordernisse sei gewährleistet, 1 Untersuchung über die E n t w i c k l u n g der Unternehmensgrößen i m deutschen Steinkohlenbergbau, vorgelegt v o m Bundesbeauftragten für den Steinkohlenbergbau u n d die Steinkohlenbergbaugebiete, B o n n 1968, S. 65.
2. Maßnahmen zur Erfüllung und Sicherung des Gesetzesprogramms
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daß die staatlichen Unterstützungen optimal genützt würden 2 . Die genannten Grundsätze gingen i n die am 7.1.1969 vom Bundeswirtschaftsminister erlassene „Verordnung über die Maßstäbe der optimalen Unternehmensgrößen i m Steinkohlenbergbau" 3 ein. Als weitere der Datenermittlung und Aufklärung dienende Maßnahme stellen sich die Absatzvorausschätzungen des Bundesbeauftragten nach § 2 K G dar; er ist verpflichtet, i m Zusammenwirken m i t dem Kohlebeirat (§ 8 KG) und wirtschaftswissenschaftlichen Instituten „die kurzund mittelfristigen Absatzaussichten für deutsche Steinkohle" (§ 2 Abs. 1 KG) zu prüfen und darüber eine jährliche Vorausschätzung bekanntzugeben (§ 2 Abs. 2 KG). Die Vorausschätzungen müssen laufend überprüft und Änderungen bekanntgegeben werden.
2. Maßnahmen zur Erfüllung und Sicherung des Gesetzesprogramms Neben diesen informativen Maßnahmen stehen diejenigen, die unmittelbar der Erfüllung des Gesetzesprogramms dienen, nämlich die Empfehlungen an die Unternehmen (§ 4 Abs. 2, 3 KG), die Feststellung über das Vorliegen der optimalen Unternehmensgröße (§18 Abs. 3 KG) sowie die Bescheinigungen nach den §§10 Abs. 2, 11 Abs. 5, 14 Abs. 1, 16 Abs. 1, 32 Abs. 2, 33 Abs. 1 K G 4 . a) Empfehlungen Die Empfehlungen des Bundesbeauftragten an die Unternehmen nach § 4 Abs. 2, 3 K G können zustande kommen, wenn auf Grund der nach § 3 K G zu gebenden Meldungen der Unternehmen über die Entwicklung der Steinkohleproduktion und der Belegschaft sowie i n Verfolgung der Absatzvorausschätzungen des Bundesbeauftragten dazu Anlaß gegeben ist. Sie können zum Inhalt haben, — die Produktionskapazität oder die Produktionsziele i n bestimmtem Umfang zu ermäßigen oder die Produktion zu erhöhen; 2
Ebd., S. 66. B G B l . I, S. 16; zur K r i t i k dieser Verordnung i n wirtschaftlicher Hinsicht vgl. Lenei, Ordo Bd. X X (1969), S. 166 ff. 4 Diese Maßnahmen haben nach Gründung der Ruhrkohle A G zumindest f ü r das Ruhrgebiet an praktischer Relevanz verloren. Gem. § 18 K G i. V. m. der Verordnung v o m 7.1.1969 ist die Ruhrkohle A G als optimale Unternehmensgröße anzusehen; gegenüber einer solchen Gesellschaft w i r d es auch f ü r den Bundesbeauftragten politisch n u r schwer vertretbar sein, etwa v o n dem M i t t e l der Empfehlung nach § 4 K G Gebrauch zu machen. Bisher sind i m Bereich der Ruhrkohle noch keine Empfehlungen ausgesprochen worden (Quelle: mündliche A u s k u n f t v o n Vertretern des Gesamt Verbands Steinkohlenbergbau). 8
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2. Kap.: Instrumentarium nach dem Kohlegesetz und Kohlenbeirat
— Entlassungen oder Verlegungen von Arbeitnehmern zu unterlassen oder Arbeitnehmer neu einzustellen oder zu verlegen. Die Empfehlungen verfolgen also den Zweck, ein sinnvolles Verhältnis zwischen Produktion und Absatzmöglichkeiten herbeizuführen, sowie die Arbeitsplätze zu sichern. Der Begriff „Empfehlung" klingt relativ harmlos, scheint er doch darauf hinzudeuten, daß die betroffenen Unternehmen, wenn sie selbst andere Vorstellungen über ihre Unternehmenspolitik haben, daran nicht gebunden sind. Die Nichtbefolgung dieser Empfehlungen zieht jedoch die Sanktionen des § 23 K G nach sich, wonach ein Unternehmen von der Gewährung der Begünstigungen nach § 21 Abs. 1, 3 K G ausgeschlossen werden kann, wenn der Bundesbeauftragte die für die Gewährung der Begünstigung zuständige Stelle von der Nichtbefolgung unterrichtet. Kommt es einer Empfehlung wiederholt oder mehreren Empfehlungen zugleich nicht nach, so muß es von den genannten Begünstigungen, sowie auch von den i n § 18 Abs. 4 K G genannten, ausgeschlossen werden, wenn der Bundesbeauftragte das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen feststellt. Es ergibt sich somit beim Entzug der Begünstigungen die Stufenfolge: — bei einmaliger Nichtbefolgung: Mitteilung des Bundesbeauftragten und Ermessensentscheidung der zuständigen Stelle, — bei wiederholter Nichtbefolgung einet oder gleichzeitiger Nichtbefolgung mehrerer Empfehlungen: zwingender Entzug der Begünstigungen auf Grund der entsprechenden Feststellung des Bundesbeauftragten. Diese Sanktionen stellen sicher, daß den Maßnahmen des Bundesbeauftragten eine über den Charakter einer „Empfehlung" hinausgehende W i r k u n g zukommt. Das hat dazu geführt, daß man aus w i r t schaftlicher Sicht den Empfehlungen Anordnungscharakter zugesprochen hat 5 . b) Feststellung
der optimalen
Unternehmensgröße
Ein weiteres M i t t e l zur Durchsetzung des Gesetzeszwecks, vor allem „die Steinkohlenbergwerke m i t der nachhaltig stärksten Ertragskraft ihre Produktionskapazität ausnutzen" (§ 1 Abs. 1 KG) zu lassen, ist die Feststellung des Bundesbeauftragten nach § 18 Abs. 3 K G i. V. m. § 18 5 So Helmut Burckhardt i n der Hauptversammlung des Eschweiler Bergwerksvereins a m 10. 6.1968, zitiert bei Lenel, Ordo Bd. X X (1969), S. 165 F N 19; nach übereinstimmender Auffassung der I G B E sowie des Gesamtverbands des deutschen Steinkohlenbergbaus hätte für die Mehrzahl der U n t e r nehmen i m Ruhrgebiet v o r Gründung der Ruhrkohle A G der Entzug der genannten Begünstigungen zur Folge gehabt, daß sie nicht rentabel hätten weiterarbeiten können (schriftliche A u s k u n f t der genannten Organisationen), was auch die relativ hohe Beitrittsquote zur Ruhrkohle A G erklärt.
2. Maßnahmen zur Erfüllung und Sicherung des Gesetzesprogramms
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Abs. 1. Hiernach hat er die Möglichkeit zu prüfen, ob ein Bergbauunternehmen die optimale Unternehmensgröße 6 aufweist. Stellt er fest, daß dies nicht der Fall ist, so entfallen vom Zeitpunkt der Feststellung an sämtliche i n § 21 K G aufgeführten Begünstigungen. Gem. § 18 Abs. 2 K G müssen darüber hinaus i n diesem Fall auch die Stillegungsprämien nach § 18 Abs. 1 Satz 1 K G zurückgezahlt werden, die i m Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten des Gesetzes und der Feststellung des Bundesbeauftragten gewährt worden sind, sofern sie nicht zur Durchführung von Sozialplänen verwandt oder noch benötigt werden. Die näheren Kriterien für den Begriff der optimalen Unternehmensgröße ergeben sich aus der Verordnung des Bundeswirtschaftsministers vom 7.1.1969 7 . Danach muß ein Unternehmen m i t optimaler Unternehmensgröße i n der Lage sein, die Lagerstätten nach bergwirtschaftlichen und bergtechnischen Erfordernissen abzubauen und alle Möglichkeiten der inner- und überbetrieblichen Rationalisierung zu nutzen (§ 2 der Verordnung). Weiterhin muß es gewährleisten, daß es notwendige, gemeinsam zu planende Investitionen i n dem vorgesehenen Umfang vornehmen kann (§ 3) und die nach § 1 K G notwendigen Konzentrationsund Anpassungsmaßnahmen auch unter Berücksichtigung sozialer und regionalwirtschaftlicher Belange durchzuführen i n der Lage ist (§ 4). Darüber hinaus muß es eine einheitliche Belegschaftsplanung für die i m Steinkohlebergbau des entsprechenden Gebietes Beschäftigten gewährleisten (§ 5). Nach Auffassung der Bundesregierung hat die Fassung dieser Verordnung zur Folge, daß praktisch nur noch solche Unternehmen eine Chance haben, als optimal anerkannt zu werden, die i m Sinne des § 18 Abs. 2 K G den weitaus überwiegenden Teil des Steinkohlebergbaus i n einem Steinkohlebergbaugebiet zusammenfassen (Gesamtgesellschaften); zwar sei es nicht ausgeschlossen, daß einzelne Unternehmen oder Zusammenschlüsse eines Reviers den Anforderungen der Verordnung genügten, wahrscheinlich sei dies aber nicht 8 . Die Verordnung ist auf Gesamtgesellschaften i m Sinne des § 18 Abs. 2 K G nicht anzuwenden, w e i l diese schon von Gesetzes wegen als optimale Unternehmensgrößen anzusehen sind; andererseits definiert aber auch die Verordnung die optimale Unternehmensgröße i m Sinne des § 18 Abs. 1 K G i m Ergebnis i m Sinne einer Gesamtgesellschaft. Dies hat von 1 1 H Der wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium hatte empfohlen, auf diesen Begriff i m Gesetzestext zu verzichten, da er zu v e r schiedenen Interpretationen Anlaß geben könne. Die erwünschte Größe v o n Unternehmen unterliege darüber hinaus ständigen Wandlungen; s. die Stellungnahme des wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministerium zum Kohlegesetz, Bundesanzeiger Nr. 201 v o m 24.10.1967, S. 3. 7 BGBl. I, S. 16. 8 s. F A Z v o m 11.1.1969. 6
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2. Kap.: Instrumentarium nach dem Kohlegesetz und Kohlenbeirat
der Gesetzeslage her zur Folge, daß nur noch Gesamtgesellschaften innerhalb eines Steinkohlebergbaugebietes m i t den finanziellen Begünstigungen rechnen können. Der einzige bisher praktisch gewordene F a l l i n diesem Bereich zeigt aber, daß gewisse Modifikationen dieses vom Gesetz- bzw. Verordnungsgeber gedachten Prinzips möglich sind: der Bundesbeauftragte hat m i t Bescheid vom 22. 8.1969 gem. § 18 Abs. 3 K G festgestellt, daß die Gewerkschaft Auguste Victoria Steinkohlenbergbau i n Marl, die sich zunächst weigerte, der Ruhrkohle A G als Gesamtgesellschaft beizutreten, nicht die optimale Unternehmensgröße i m Sinne des § 18 Abs. 1 K G aufweist. Die Gewerkschaft legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und erhob gleichzeitig gegen das Gesetz und die Verordnung Verfassungsbeschwerde. Nach dem diese als unzulässig verworfen worden war 9 , vereinbarte sie m i t der Ruhrkohle A G einen Kooperationsvertrag, durch den eine einheitliche Planung sichergestellt wird, ohne sich aber formell der Ruhrkohle A G anzuschließen. Daraufhin erhielt die Gewerkschaft die Bescheinigung des Bundesbeauftragten, daß bei i h r auch ohne Anschluß an die Ruhrkohle A G die Kriterien für die optimale Unternehmensgröße gegeben seien 10 . Eine Entscheidung über den eingelegten Widerspruch wurde damit hinfällig. Die durch dieses Beispiel dokumentierte Unsicherheit über die realen Kriterien der optimalen Unternehmensgröße liegt i n zwei Umständen begründet: einmal i n der Schwierigkeit, diese aus betriebs- u n d volkswirtschaftlicher Sicht auch nur einigermaßen exakt zu definieren 11 und zum anderen i n der Unsicherheit des Gesetzgebers über die Entwicklung der Unternehmensverbindungen i m Bereich des Ruhrbergbaus. Denn schon i m Dezember 1966 hatte die Industriegewerkschaft Bergbau und Energie einem Vorstoß i n Richtung auf eine sog. Einheitsgesellschaft gemacht, indem sie einen Gesetzentwurf für eine „Deutsche Ruhrkohlengesellschaft A G " vorlegte 12 . Ähnliche Ziele verfolgte der sog. Rheinstahl-Plan, während der sog. Walsum-Plan eine Neuordnung des Bergbaus unter Aufrechterhaltung der leistungsfähigsten Unternehmen an• BVerfGE 29, 83 ff. 10 s. Frankfurter Rundschau v o m 17.8.1970. 11 s. hierzu insbesondere den wirtschaftswissenschaftlichen Beitrag v o n Wilhelm Kromphardt i n dem Gutachten v o n Hans Schneider zum Kohlegesetz, B B , Beilage 2 (1969), S. 7 f. u n d die Stellungnahme des wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium, Bundesanzeiger Nr. 201 v o m 24.10.1967, S. 3. 12 Abgedruckt i n : Gewerkschaftliche Rundschau, H e f t l 1967, S. 10 f.; rechtliche Bedenken gegen diesen Vorschlag bei Peter Weides, Unternehmensneuordnung oder Vergesellschaftung?, D B 1967, S. 410 ff.; s. hierzu auch Lenel, Ordo Bd. X X (1969), S. 168. Es entbehrt jeder Begründung, w e n n Lenel hier feststellt, der Vorschlag der I G B E sei „ u n t e r dem Einfluß alten marxistischen Gedankenguts" entstanden.
2. Maßnahmen zur Erfüllung und Sicherung des Gesetzesprogramms 29 strebte 13 . Dennoch setzte sich die Tendenz durch, eine Einheitsgesellschaft zu gründen. Während der Beratung des Gesetzentwurfs wurden darüber Verhandlungen geführt, die aber erst i m November 1968, nach Verabschiedung des Gesetzes, zu der Gründung einer Vorgesellschaft für die Ruhrkohle A G führten 1 4 . Der bei den Gesetzesberatungen federführende Ausschuß für Wirtschafts- und Mittelstandsfragen ließ sich laufend über den Stand der Verhandlungen unterrichten i n der Hoffnung, das Verhandlungsergebnis i n das Gesetz einbeziehen zu können. Da diese jedoch noch nicht zu einem sichtbaren Ergebnis geführt hatten, gab der Ausschuß dem § 18 K G eine Fassung, die es ermöglichte, die erwünschte Konzentration sowohl i n der Form einer Einheitsgesellschaft (§18 Abs. 2 KG) wie auch durch die Schaffung optimaler Unternehmensgrößen (§ 18 Abs. 1 KG) herbeizuführen 16 . Der durch die Fassung der Verordnung gemachte Versuch, die Einheitsgesellschaft als einzige Unternehmensform finanziell zu begünstigen, hat somit i n der Praxis, wie das Beispiel der Gewerkschaft Auguste Victoria zeigt, schon gewisse Einschränkungen erfahren. c) Bescheinigungen E i n weiteres M i t t e l zur Durchsetzung des Gesetzeszwecks sind die Bescheinigungen des Bundesbeauftragten. Sie sind als Voraussetzung erforderlich, wenn ein Unternehmen die finanziellen Begünstigungen begehrt, die zur Förderung der Unternehmenskonzentration (§§ 10 Abs. 2, 11 Abs. 5, 14 Abs. 1, 16 Abs. 1 KG) und zur Verbesserung der W i r t schaftsstruktur i n den Steinkohlebergbaugebieten (§§ 32 Abs. 2, 33 Abs. 1 KG) gewährt werden. aa) Nach der Vorschrift des § 10 K G w i r d ein Anreiz dafür geschaffen, Erlöse aus der Veräußerung von Bergbauvermögen (z. B. an eine größere Unternehmenseinheit) wieder zu investieren 16 . § 11 sieht steuerliche Erleichterungen vor, wenn eine Kapitalgesellschaft des Steinkohlebergbaus umgewandelt, d. h. das Vermögen auf ihren Allein- oder Hauptgesellschafter übertragen wird, falls das Anlagevermögen (d. i. „das dem inländischen Steinkohlenbergbaubetrieb eines Unternehmens dienende oder zu dienen bestimmte Anlagevermögen", § 10 Abs. 1 Satz 2 KG) zu mindestens einem D r i t t e l Bergbauanlagevermögen ist und die Umwand13
Diese u n d verschiedene andere Vorschläge zur Neuordnimg des Ruhrbergbaus sind abgedruckt bei Biedenkopf, Thesen, S. 71 ff. 14 s. von Dücker, Aktionsgemeinschaft, S. 27. 15 s. den Bericht der Abgeordneten Dr. Luda, Lange, Opitz über den v o n der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zum Kohlegesetz, zu BT-Drucks. V/2797; an diesem Vorgang zeigt sich deutlich, w i e der Gesetzgeber i m m e r mehr dazu übergeht, i m „gesellschaftlichen" Bereich entwickelte Vorstellungen n u r noch m i t der gesetzlichen Sanktion zu versehen. 16 s. hierzu Lenel, S. 179.
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2. Kap.: Instrumentarium nach dem Kohlegesetz und Kohlenbeirat
lung der Unternehmenskonzentration dient 1 7 . Weitere Maßnahmen zur Unternehmenskonzentration können durch Bürgschaften des Bundesministers der Finanzen bis zu einem Gesamtbetrag von 2 Milliarden D M erleichtert werden 18 . A l l e diese Vergünstigungen werden jedoch nur dann gewährt, wenn der Bundesbeauftragte i m Benehmen m i t der von der Landesregierung bestimmten Stelle bescheinigt hat, daß die jeweilige Maßnahme — einer wesentlichen Verbesserung der Betriebs- oder Unternehmensstruktur i m Steinkohlebergbau m i t dem Ziel der Schaffung w i r t schaftlich optimal arbeitender Unternehmenseinheiten dient und — volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig und geeignet ist, die Wettbewerbsfähigkeit des Steinkohlebergbaus zu steigern oder seine Anpassung an die Absatzlage zu erleichtern. Über § 17 K G w i r d eine Verbindung zu dem Instrument der Empfehlungen hergestellt. Der Bundesbeauftragte kann nämlich trotz Vorliegens der Voraussetzungen eine erforderliche Bescheinigung verweigern, wenn ein Unternehmen seinen Empfehlungen nicht binnen angemessener Frist nachgekommen ist. Ebenso kann er eine schon erteilte Bescheinigung widerrufen, wenn ein Unternehmen einer zuvor ausgesprochenen Empfehlung nicht mehr nachkommt (§17 Abs. 2 Satz 2 KG). bb) Z u dem Zweck, die wirtschaftliche Monostruktur der Steinkohlebergbaugebiete aufzulockern, können schließlich diejenigen, die i n einem solchen Gebiet eine Betriebsstätte errichten oder erweitern, einen Abzug von der Einkommens- oder Körperschaftssteuer bis zur Höhe von 10 °/o der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vornehmen (§ 32 KG). Die Gewährung dieser Vergünstigung erfordert aber u. a. eine Bescheinigung des Bundesbeauftragten, daß — die Errichtung oder Erweiterung der Betriebsstätte geeignet ist, die Wirtschaftsstruktur der Steinkohlebergbaugebiete zu verbessern — volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig ist — i m Falle der Erweiterung oder Betriebsverlagerung innerhalb der Steinkohlebergbaugebiete zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Vergünstigungen, die bisher für derartige Investitionen gewährt worden sind, haben einen erheblichen Umfang angenommen: bis zum Oktober 1970 sind i n Höhe von ca. 16 Miliarden D M beim Bundesbeauftragten entsprechende Investitionsvorhaben angemeldet worden, die i m Wert von ca. 13 Milliarden D M für förderungswürdig befunden worden 17 Vgl. die Begründung zu § 8 des Regierungsentwurfs f ü r das Kohlegesetz, dem der § 11 der verabschiedeten Fassung nachgebildet ist, BT-Drucks. V/2078. 18 s. hierzu Lenel, S. 171 ff.
3. Der Kohlenbeirat
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sind, so daß die insgesamt gewährten Steuererleichterungen sich auf einen Betrag von ca. 1,3 Milliarden D M belaufen 19 . Für Investitionsvorhaben von Wirtschaftszweigen, die nicht zum Steinkohlebergbau gehören, können nach § 33 K G zum Zweck der I n dustrielandbeschaffung Enteignungen vorgenommen werden, wenn der Bundesbeauftragte bescheinigt, daß das Vorhaben, für das ein Grundstück enteignet werden soll, — geeignet ist, die Wirtschaftsstruktur der Steinkohlebergbaugebiete, namentlich ihrer von Zechenstillegungen betroffenen Teile, zu verbessern oder ihre Wirtschaftskraft zu stärken, — volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig ist und — glaubhaft als finanziell gesichert angesehen werden kann 2 0 . Die zuletzt genannten Instrumente des Bundesbeauftragten, die der wirtschaftlichen Umstrukturierung der Steinkohlebergbaugebiete dienen sollen, decken sich i n der Zielsetzung teilweise m i t den Intentionen, die schon vorher die „Aktionsgemeinschaft Deutsche Steinkohlenreviere GmbH" (ADS) verfolgt hatte; dies bedingt i n der Praxis eine weitgehende Zusammenarbeit zwischen Bundesbeauftragtem und ADS 2 1 . Aber nicht nur die ADS zeigt sich an diesen Entscheidungen interessiert, sondern vor allem auch die betroffenen Unternehmen selbst, andere Energieträger (Mineralöl, Atom), Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und weitere Organisationen. Für alle diese bildet der Kohlenbeirat nach § 8 K G eine Informations- und Kooperationsbasis.
3. Der Kohlenbeirat Der Kohlenbeirat ist als beratender Ausschuß beim Bundesbeauftragten konzipiert. Er besteht aus 26 Mitgliedern, die vom Bundeswirtschaftsminister auf Vorschlag der i n § 8 Abs. 2 K G enumerativ aufgeführten Organe und Institutionen ernannt werden; vom Bundesrat abgesehen handelt es sich u m Organisationen, die sämtlich i n näherem oder weiterem Zusammenhang m i t der Energiewirtschaft stehen. Werden durch das Ergebnis der Beratungen i m Kohlenbeirat die Interessen von Vereinigungen der Energiewirtschaft, die nicht i m Beirat vertreten sind, erheblich berührt, so soll ihnen der Bundesbeauftragte Gelegenheit zur 19
Vgl. DER SPIEGEL, Nr. 52 v o m 21.12.1970. Der Hintergrund dieser Bestimmung ist, daß von seiten des Ruhrbergbaus vor Erlaß des Kohlegesetzes versucht wurde, Grundstücke vorzuenthalten, u m die Ansiedlung neuer Industriebetriebe zu verhindern; s. Lenel, S. 179; allgemein zu dieser Problematik vgl. Martin Bullinger, Die Enteign u n g zugunsten Privater, Der Staat 1962, S. 449 ff. 21 Vgl. von Dücker, Aktionsgemeinschaft, S. 26. 20
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2. Kap.: Instrumentarium nach dem Kohlegesetz und Kohlenbeirat
Stellungnahme geben (§ B 7 der am 29. 7.1968 vom Bundeswirtschaftsminister für den Kohlenbeirat erlassenen Geschäftsordnung). Die Sitzungen des Kohlenbeirats werden vom Bundesbeauftragten oder einem von i h m bestimmten Beamten nach den Vorschriften der Geschäftsordnung geleitet. Nach § A 1 dieser Geschäftsordnung sollen „die Mitglieder des Kohlenbeirats . . . sich gemeinsam darum bemühen, aus der Erfahrung i n ihren Tätigkeitsbereichen alle wesentlichen Tatsachen und Gesichtspunkte für eine sachgerechte Beurteilung der zur Beratung anstehenden Fragen zur Geltung zu bringen". Die Zuständigkeiten des Kohlenbeirats ergeben sich zunächst aus dem K G selbst, so aus § 2 Abs. 1 KG, wonach der Bundesbeauftragte die kurz- und mittelfristigen Absatzaussichten für deutsche Steinkohle i n Zusammenarbeit m i t dem Kohlenbeirat zu prüfen hat. Weiterhin muß er m i t dem Kohlenbeirat die Meldungen der Unternehmen über Produktions- und Belegschaftsverhältnisse nach § 3 K G unter Berücksichtigung der Absatzvorausschätzungen und der Ziele des Gesetzes erörtern (§ 4 Abs. 1 KG). I m übrigen w i r d der Kohlenbeirat nur auf besonderes Verlangen des Bundesbeauftragten tätig (§ 8 Abs. 1 KG). Zur Beratimg bestimmter Fragen kann er Ausschüsse des Kohlenbeirats einsetzen (§ C 8 der Geschäftsordnung). Daneben steht es i m Ermessen des Bundesbeauftragten, für Fragen der Belegschaftsentwicklung beratende Ausschüsse zu bilden (§ 9 KG). Sie bestehen aus Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer und sollen sich m i t Problemen beschäftigen, „die sich aus dem Anpassungsprozeß für eine i n ökonomisch sinnvoller Weise an den Zielen dieses Gesetzes orientierten Belegschaftsentwicklung . . . ergeben" (§ 9 Abs. 2 KG).
4. Wirtschaftliche Bedeutung und rechtliche Kategorisierung der einzelnen Maßnahmen im Hinblick auf das geltende Rechtsschutzsystem Der Rechtsschutz gegen die Maßnahmen des Bundesbeauftragten kann sich zunächst nur an den vom geltenden Rechtsschutzsystem zur Verfügung gestellten Möglichkeiten und Formen orientieren. Erst wenn festgestellt ist, welche Maßnahmen überhaupt gerichtlich überprüft werden können, rechtfertigt sich die Frage nach der hinreichenden Qualität dieses Rechtsschutzes. Wie bereits ausgeführt lassen sich die dem Bundesbeauftragten zur Verfügung stehenden Instrumente i n solche m i t primär aufklärender (Konzentrationsbericht, Absatzvorausschätzungen) und primär beeinflussender Funktion (Empfehlungen, Bescheinigungen, Feststellung der
4. Wirtschaftliche Bedeutung und rechtliche Kategorisierung
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optimalen Unternehmensgröße) unterteilen, ohne daß immer eine scharfe Trennung möglich wäre. I m Hinblick auf das Rechtsschutzsystem kann man aber bei dieser rein funktionalen Kategorisierung nicht stehen bleiben, sondern muß eine Einordnung i n die dem System zugrundeliegenden rechtlichen Handlungsformen der Exekutive versuchen. Dabei darf man die wirtschaftliche Bedeutung und die w i r t schaftlichen Folgen bei Anwendung der einzelnen Instrumente nicht außer acht lassen, insbesondere dann, wenn der durch sie bewirkte ökonomische Druck i n seiner W i r k u n g über rein rechtliche Sanktionsmöglichkeiten hinausgeht. a) Der
Konzentrationsbericht
Die Untersuchung des Bundesbeauftragten über Entwicklung der Unternehmensgrößen und -Verbindungen sowie deren Ursachen mündete i n den sog. Konzentrationsbericht. Diesem kommt zunächst rein informatorischer Charakter zu. Das ergibt sich u. a. aus § 19 Abs. 3 KG, wonach der Bericht den Bergbauunternehmen bekanntzugeben ist, nachdem er i n einem Unterausschuß des Kohlenbeirats vorher erörtert wurde. Eine weitergehende Bedeutung erlangte er aber durch die Tatsache, daß die Verordnung über die optimale Unternehmensgröße unter Berücksichtigung seiner Ergebnisse erlassen wurde. Der Konzentrationsbericht hatte somit zwei Adressaten: einmal den Bergbau selbst, der daraus bestimmte Informationen ziehen konnte, zum anderen den Verordnungsgeber, der ihn als Grundlage für seine Tätigkeit heranzog, nämlich für die politische Entscheidung bei der Festlegung der Kriterien für die optimale Unternehmensgröße. I n dieser letzten Bedeutung steht der Konzentrationsbericht i n einer Reihe weiterer, durch die neuere wirtschaftspolitische Gesetzgebung geforderter „Berichte". Erinnert sei hier besonders an die i m Stabilitätsgesetz vorgesehenen „Jahreswirtschaftsberichte" 22 (§ 2) und die „Subventionsberichte" 23 (§ 12). Diese sind zwar nicht unmittelbare Entscheidungsgrundlage, lassen aber doch möglicherweise zu treffende Maßnahmen schon i n Umrissen erkennen: i m „Jahreswirtschaftsbericht" muß die Bundesregierung u. a. ihre für das laufende Jahr geplante W i r t schafts- und Finanzpolitik darlegen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 StabG); i m „Subventionsbericht" muß sie Vorschläge für die frühere Beendigung oder stufenweisen Abbau der vom Bund gewährten Finanzhilfen machen (§ 12 Abs. 4 Satz 2 StabG). 22
s. den Jahreswirtschaftsbericht 1971 v o m 22.1.1971, BT-Drucks. VI/1760. s. den Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes u n d der Steuervergünstigungen für die Jahre 1967 bis 1970, BT-Drucks. VI/391. 23
3 Seidler
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2. Kap.: Instrumentarium nach dem Kohlegesetz und Kohlenbeirat
Indessen ist allen diesen Berichten gemeinsam, daß sie weder nach innen, d. h. für den Berichtenden selbst und für eine Behörde, die sich darauf stützt, noch nach außen h i n verbindliche Wirkung entfalten 24 . Sie dienen allein der Information bzw. sind Entscheidungsgrundlagen. Da somit noch keine endgültige Maßnahme bzw. Entscheidung getroffen ist, entfällt i n der Regel die Möglichkeit eines verwaltungsgerichtlichen A n griffs gegen diese Berichte, da es einem potentiell Betroffenen am Rechtsschutzbedürfnis mangeln wird. Er muß vielmehr abwarten, ob i n Verfolgung des unverbindlichen Berichts i h m gegenüber eine Maßnahme ergeht. Wollte man schon i n diesem Stadium des Willensbildungsprozesses eine gerichtliche Uberprüfung, etwa auf drohende Grundrechtsverletzung, einschalten, dann müßte dies zu einer erheblichen Beeinträchtigung und Unsicherheit bei der Vorbereitung von Planungsmaßnahmen führen. Bei dieser Sachlage besteht weder ein praktisches Bedürfnis, noch eine verfassungsrechtlich begründbare Forderung, i n diesem Bereich eine Ausweitung des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmen, wie sie etwa Brohm für das Bauplanungsrecht durch die Einführung einer Vollzugsunterlassungsklage 25 gefordert hat. Der Bebauungsplan legt die Einzelheiten seines Vollzugs bereits m i t Bindungswirkung fest 26 . Wo aber keine verbindliche Entscheidung zur Durchführung einer bestimmten Maßnahme getroffen worden ist, ginge eine evtl. Klage auf Vollzugsunterlassimg ins Leere. Für den Konzentrationsbericht auf Grund des Kohlegesetzes kommt noch folgendes hinzu: praktische Auswirkungen auf den einzelnen Unternehmer hat der Bericht nur mittelbar dadurch, daß er möglicherweise die Fassung der Verordnung über die optimale Unternehmensgröße beeinflußt. Da der Bericht aber i n einem Unterausschuß des Kohlebeirats erörtert werden muß, haben die potentiell durch die Verordnung Betroffenen schon die Möglichkeit, auch an den Vorarbeiten für die Verordnung mitzuwirken. Darin liegt mehr praktisch-politischer Schutz und Kontrolle als ein etwaiges, schon i n seiner Zulässigkeit zweifelhaftes gerichtsförmiges Verfahren 27 .
24 So für §2 StabG unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte Alex Möller (Hrsg.), Gesetz zur Förderung der Stabilität u n d des Wachstums der Wirtschaft (Kommentar), 2. Aufl., Hannover 1969, Rdnr. 1 zu § 2. 25 Winfried Brohm, Rechtsschutz i m Bauplanungsrecht, res publica Bd. 3, Stutgart 1959, S. 75 ff. 26
Ebd., S. 61. Wie Vertreter des Gesamtverbands Steinkohlenbergbau dem Verf. m i t teilten, blieb es nicht bei dieser mittelbaren Einflußnahme über den Kohlenbeirat. Vielmehr haben die Betroffenen des Bergbaus auch unmittelbar bei der Formulierung der Verordnung m i t g e w i r k t . 27
4. Wirtschaftliche Bedeutung und rechtliche Kategorisierung b) Die
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Absatzvorausschätzungen
Durch § 2 K G w i r d der Bundesbeauftragte verpflichtet, Absatzvorausschätzungen aufzustellen, die Auskunft über die kurz- und mittelfristigen Absatzaussichten der Steinkohle geben sollen. Gerade i m Bereich des Steinkohlebergbaus haben derartige Prognosen eine unrühmliche Tradition, hatte doch die i m Jahr 1964 von der Bundesregierung genannte Absatzrichtzahl von 140 Millionen Tonnen sich schon i m folgenden Jahr als wesentlich überhöht erwiesen (s. o Erstes Kapitel). Dennoch war es unumgänglich, i m Kohlegesetz wieder auf dieses Instrument zurückzugreifen, da nur wenigstens einigermaßen gesicherte Vorstellungen über die Absatzentwicklung den übrigen Lenkungsmaßnahmen des Bundesbeauftragten eine hinreichende Grundlage geben 28 . Darüber hinaus haben die Prognosen aber auch Orientierungsfunktion nach außen für die Unternehmen des Steinkohlebergbaus. Dabei ist schon i n diesem Zusammenhang auf einen wesentlichen Umstand hinzuweisen: dem Bundesbeauftragten ist es nicht möglich, isoliert „von oben" die notwendigen Daten zu ermitteln, sondern er ist dabei auf die Hilfe der Wirtschaftenden angewiesen, denn nur von ihnen kann er die Informationen erhalten, die er schließlich zu einer Prognose verdichtet. Man kommt also schon hier i n dem primär informatorischen Arbeitsbereich des Bundesbeauftragten nicht ohne eine enge Kooperation von Behörde und Wirtschaft aus. Dem dienen u. a. die Vorschrift des § 3 K G über die Melde- und Auskunftspflichten der Unternehmen sowie die Verpflichtung des Bundesbeauftragten, die Prüfung der Absatzaussichten „ i m Zusammenwirken m i t dem Kohlenbeirat" vorzunehmen (§ 2 Abs. 1 KG). Die darin vertretenen Gruppen (s. § 8 Abs. 2 KG) sind daher i n der Lage, mindestens über die Datenermittlung und -bewertung auf die Prognosen Einfluß zu nehmen. Obwohl deren endgültige Aufstellung nach der gesetzlichen Konstruktion allein i n der Kompetenz des Bundesbeauftragten liegt (§ 2 Abs. 2 KG), w i r d seine Entscheidung doch dadurch schon wesentlich präformiert. Die Absatzvorausschätzungen nach § 2 K G unterscheiden sich wesentlich von den Zielprojektionen i m Hinblick auf die globale K o n j u n k t u r politik, wie sie durch § 2 StabG vorgeschrieben sind. Diese geben einen Informationsüberblick über die von der Bundesregierung angestrebte Entwicklung der Gesamtwirtschaft, ohne daß sie für einzelne Branchen nähere Daten aufstellen wollen. Sie haben daher allenfalls mittelbaren Einfluß auf unternehmerische Entscheidungen 29 , während die Absatzvor28
So auch Biedenkopf, Thesen, S. 32 f. Otto Schlecht, Zielprojektionen als Grundlage der wirtschaftspolitischen Planung, i n : Joseph H. Kaiser (Hrsg.), Planung I I I , Baden-Baden 1968, 29
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2. Kap.: Instrumentarium nach dem Kohlegesetz und Kohlenbeirat
ausschätzungen nach dem Kohlegesetz wegen ihrer stärkeren Detaillierung Leitlinien für die Wirtschaftenden i m Steinkohlenbereich setzen können, auch wenn sie nach der gesetzlichen Konstruktion nur „Vorausschätzungen" der erwarteten Entwicklung darstellen. Diese Leitlinien können sich dann i n anderen Instrumenten des Bundesbeauftragten zu direkten, individuell gezielten Maßnahmen verdichten. Aus diesen Gründen erscheint es auch nicht möglich, die Absatzvorausschätzungen i n das Schema von indikativer, influenzierender und imperativer Planung exakt einzuordnen. Diese Unterscheidung entstammt der französischen Planungswissenschaft, die damit die W i r k u n g der französischen Pläne zu kennzeichnen sucht 30 . I n der deutschen Wissenschaft ist sie übernommen worden 3 1 . Indikative (informative) Maßnahmen sollen danach eine bloße Zusammenstellung von Daten oder Zielen sein, ohne rechtliche oder faktische Verbindlichkeit weder für diejenigen, die Maßnahmen ergreifen, noch für die, an die sie gerichtet sind 32 . Influenzierende Maßnahmen hingegen sind dadurch definiert, daß sie — ohne Verbindlichkeit — eine stark empfehlende und beeinflussende Wirkung haben. Ihre Nichtbeachtung bewirkt zumindest insofern negative Folgen, als dadurch ein Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Unternehmen entsteht 33 . Gerade am Beispiel der Absatzvorausschätzungen des Bundesbeauftragten stellt sich die Frage nach dem Erkenntniswert der Unterscheidung für juristische Fragestellungen. Zwar haben die Schätzungen zunächst nur indikativen (informativen) Charakter 34 . Jeder Unternehmer i m Kohlensektor w i r d aber bei seinen unternehmerischen Entscheidungen solche Schätzungen beachten, nicht zuletzt deshalb, w e i l sie nach S. 111 ff., 123; Karl Schüler, Die Wirtschaftspolitik der neuen Bundesregierung, B u l l e t i n Nr. 66 v o m 23. 6.1967, S. 564. 30 Vgl. insbes. M.P.Lambert, Les Problèmes de la Planification, Colloque de janvier 1962, Université L i b r e de Bruxelles, I n s t i t u t de Sociologie, Brüssel 1963, S. 29 ff. 31 s. z.B. Ipsen, Rechtsfragen, S. 63ff., 81 f.; Ulrich Scheuner, Verfassungsrechtliche Probleme einer zentralen staatlichen Planung, i n : Joseph H. Kaiser (Hrsg.), Planung I, Baden-Baden 1965, S. 67 ff., 83; Klaus Stern, K o n j u n k t u r steuerung u n d kommunale Selbstverwaltung — Spielraum u n d Grenzen — Gutachten f ü r den 47. Deutschen Juristentag, Bd. I , T e i l E , München 1968, S. 27 ff. 32 Stern, Konjunktursteuerung, S. 28. 33 Stern, Konjunktursteuerung, S. 28; Scheuner, Verfassungsrechtliche Probleme, S. 83. 34 Davon ging w o h l auch der Gesetzgeber aus; vgl. den schriftlichen B e richt der Abgeordneten Dr. Luda, Lange, Opitz über den v o n der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zum Kohlegesetz, zu BT-Drucks. V/2797, wo es heißt, daß die Absatzvorausschätzungen als Orientierungsdaten „den Unternehmen Aufschluß geben über die gesamtwirtschaftlich zu erwartende Entwicklung der einzelnen Energieträger" (S. 5).
4. Wirtschaftliche Bedeutung und rechtliche Kategorisierung
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Erörterung i m Kohlenbeirat (§ 4 Abs. 1 KG) Grundlage für evtl. Empfehlungen des Bundesbeauftragten nach § 4 Abs. 2 K G sein können, die er dann befolgen muß, w i l l er nicht den Entzug erheblicher Vergünstigungen i n Kauf nehmen. Daraus zeigt sich, daß eine scharfe Trennung zwischen nur indikativen Maßnahmen einerseits und schon influenzierenden Maßnahmen andererseits nicht immer getroffen, sondern häufig nur nach der konkreten W i r k u n g i m Einzelfall bestimmt werden kann. Der Unterscheidung soll deshalb hier nicht weiter nachgegangen werden 36 . Indessen ist unverkennbar, daß die Prognosen des Bundesbeauftragten einen nicht unwesentlichen Einfluß auf an sich autonom gedachte Unternehmensentscheidungen haben können, so daß sich die Frage nach ihrer Rechtsnatur stellt. Stern 36 vertritt die Auffassung, daß solche Handlungsformen wegen ihrer Unverbindlichkeit nur am Rande i n das Arbeitsgebiet des Juristen fielen und primär dem Bereich der Politiker und Ökonomen zugeordnet werden müßten: bei Plänen, Zielprojektionen, Orientierungshilfen und Empfehlungen sei grundsätzlich keine Beschränkung auf bestimmte Rechtsformen gegeben und eine formale Einordnung überflüssig. A l l e i n bei imperativen Maßnahmen sei der Formenrahmen durch Gesetz, Verordnung und Verwaltungsakt abgesteckt. Diese Auffassung ist, wie sich gerade an den Instrumenten des Kohlegesetzes zeigt, nicht differenziert genug, da sie zu sehr auf die Rechtsform und Reehtsverbindlichkeit wirtschaftslenkender Maßnahmen abstellt und zu wenig die tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen Auswirkungen berücksichtigt, die i n diesem Gebiet i m Zusammenhang m i t den verfolgten Zielen u. U. stärkeres Gewicht haben als rein rechtliche Sanktionen, da von der staatlichen Datensetzung ein erheblicher Sachzwang ausgeht. Dieser sollte jedoch immer dann für die Frage des Rechtsschutzes von Bedeutung sein, wenn er durch eine Entscheidung hervorgerufen wird, die den staatlichen Willensbildungsprozeß — der i n der Bewertung der Daten auch immer ein volitives Moment enthält — i n einem bestimmten Verfahren abschließt und verbindlich macht 37 . Die Frage ist nicht auf die rechtliche Regelung , sondern allein auf die rechtliche Beeinträchtigung zu richten 38 . Wenn deshalb i n diesen Fällen eine auch nur faktische Verbindlichkeit einer Maßnahme besteht, und der Betroffene dadurch i n seinen 35 K r i t i s c h dazu auch Joseph H. Kaiser, Exposé einer pragmatischen Theorie der Planung, i n : ders. (Hrsg.), Planung I, S. 11 ff., 23 f. 36 Stern, Konjunktursteuerung, S. 29 f. 37 Vgl. auch den Versuch v o n Brohm, den Begriff des Verwaltungsakts neu zu bilden (Winfried Brohm , Die Dogmatik des Verwaltungsrechts vor den Gegenwartsaufgaben der Verwaltung, W D S t R L Heft 30 (1971), B e r l i n 1972, S. 245 ff., 310). 38 Ebd., S. 289.
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2. Kap.: Instrumentarium nach dem Kohlegesetz und Kohlenbeirat
eigenen Rechten verletzt sein kann, dann ist i h m eine Klagemöglichkeit zu geben, und zwar unabhängig davon, ob sich die Maßnahme als Verwaltungsakt i m klassischen Sinn darstellt oder nicht. Der Rechtsschutz muß sich dann mehr an den Zielen als an der gewählten Handlungsform orientieren 39 . Da der Verwaltungsakt hinsichtlich des Rechtsschutzes ohnehin nur noch als prozessuales Anknüpfungs- und Unterscheidungsmerkmal angesehen werden kann 4 0 , wäre es dann unschädlich, die Maßnahmen für den prozessualen Zweck i n weiter Auslegung als Verwaltungsakt zu bezeichnen, u m rechtstechnisch eine weitgehende begriffliche Übereinstimmung m i t dem Verfahrensrecht zu schaffen 41. Der Verwaltungsaktsbegriff hätte dann — jedenfalls i n Zweifelsfällen — nur noch prozessuale Auffangfunktion 4 2 , die diffizile, der Sache aber nicht nützende Erörterungen vermeiden kann. Die Notwendigkeit für eine solche Konstruktion ergibt sich so lange, als die Gerichte nach wie vor dazu neigen, den Rechtsschutz zu erschweren, wenn keine „Regelung", somit kein Verwaltungsakt i m klassischen Sinn vorliegt 4 3 . Die mindestens erforderliche faktische Verbindlichkeit besteht aber bei den Absatzvorausschätzungen nicht. Diese W i r k u n g w i r d einmal schon durch die Formulierung des § 2 Abs. 2 K G ausgeschlossen, wonach die Prognosen laufend zu überprüfen sind und wesentliche Änderungen der Voraussetzungen oder der dafür maßgeblichen Tatsachen bekanntgegeben werden müssen. Der Vorschrift kann aber nur deklaratorische Bedeutung beigemessen werden, da sie allein den Charakter und die Intention solcher „sektoralen Zielprojektionen" wiedergibt, die beinahe 39 Vgl. Karl Heinrich Friauf, öffentlicher Haushalt u n d Wirtschaft, W D S t R L Heft 27 (1968), B e r l i n 1969, S. 1 ff., 7 f. Daß gerade bei wirtschaftslenkender Tätigkeit die Zwecke staatlichen Handelns die Formen verdrängen, zeigt sich insbesondere auch an der Steuer, die immer mehr interventionistische Ordnungsfunktionen übernimmt u n d nicht allein der Einnahmeerziel u n g dient; vgl. dazu Peter Badura, Verwaltungsrecht i m liberalen u n d sozialen Rechtsstaat, Recht u n d Staat, Heft 328, Tübingen 1968, S. 23 ff.; BVerfGE 19, 119 ff. (Kuponsteuergesetz). Kritisch dazu insbesondere Hans Heinrich Rupp, Z u r Problematik öffentlich-rechtlicher Machtpotenzierung durch F u n k tionenkombination, N J W 1968, S. 569 ff. 40 Es k o m m t i h m daneben aber auch noch materiell-programmierende F u n k t i o n zu (so jetzt deutlich Walter Schmidt, Die Programmierung von V e r w a l tungsentscheidungen, AöR Bd. 96 (1971), S. 321 ff., 352 ff.); dies ist aber ein ganz anderer materieller Gehalt, als i h n Hans Heinrich Rupp (Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, Tübingen 1965, S. 9 m i t F N 31, S. 251 f.) dem Verwaltungsakt als „Rechtsanwendungsakt" beimessen w i l l . 41 So Erich Eyermann — Ludwig Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung (Kommentar), 5. A u f l . München 1971, A n m . 14 zu § 42; Günter Dürig, i n : Theodor Maunz — Günter Dürig — Roman Herzog, Grundgesetz (Kommentar), 12. Lieferung, München 1971, A n m . 8 ff. zu A r t . 19 Abs. 4. 42 Vgl. Brohm, Die Dogmatik des Verwaltungsrechts, S. 287. 43 Vgl. B V e r w G , J Z 1970, S. 137 ff. m i t kritischer A n m e r k u n g von Schick (ebd. S. 139), der unter verfahrensökonomischen Gesichtspunkten den Begriff des Verwaltungsakts großzügig auslegen w i l l . F ü r die genannte Neigung der Gerichte vgl. auch B V e r w G E 31, 301 ff., 306; B V e r w G E 34, 248 ff.
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zwangsläufig eine gewisse Fehlermarge enthalten und dies auch einkalkulieren, w e i l sie nicht i n vollem Umfang das Verhalten der W i r t schaftenden vorhersehen oder gar vorherbestimmen können. Die Prognosen sind also grundsätzlich weder i m Hinblick auf ihre Richtigkeit noch auf ihren Bestand i n irgendeiner Weise verbindlich. Das Risiko etwaiger Fehlentscheidungen bei Beachtung der Absatzvorausschätzungen trifft grundsätzlich den Unternehmer i n gleicher Weise wie bei Beachtung anderer Marktdaten, da er deren „permanente Variabilität" 4 4 einkalkulieren muß 45 . Aus diesen Gründen kann eine Verletzung seiner Rechte grundsätzlich nicht i n Betracht kommen, wenn sich die Unrichtigkeit herausstellt und eine Abänderung notwendig wird 4 6 . Auch das Rechtsstaatsprinzip (Vertrauensschutz) kann dadurch nicht verletzt werden, da m i t den Prognosen nicht Rechte, sondern allenfalls Erwartungen begründet werden 47 . Eine verwaltungsgerichtliche Klage gegen die Absatzvorausschätzungen wäre daher unzulässig, da sie als unverbindliche Richtwerte i n der Regel eigene Rechte nicht verletzen können. Eine andere Frage ist allerdings, ob Schadensersatzansprüche gegeben sein könnten, wenn auf Grund grob fahrlässiger oder vorsätzlich falscher Datensetzung beim Einzelnen ein Schaden entstanden ist 4 8 . Dies betrifft aber nicht das Problem des Rechtsschutzes gegen die Datensetzung selbst und soll daher hier zunächst unerörtert bleiben. c) Empfehlungen Die Empfehlungen des Bundesbeauftragten dienen, wie bereits dargelegt, der Erfüllung des Gesetzeszwecks. Sie konkretisieren die A b 44
So Ipsen, Rechtsfragen, S. 107. Z u Recht bemerkt Ipsen (Fragestellungen, S. 61, Rdnr. 96) unter H i n weis auf Gygi, daß zwar von Seiten der Wirtschaftenden staatliche Prognosen verlangt u n d erwartet werden, daß der Staat diese aber n u r auf Grundlage des Verhaltens eben der Wirtschaftenden selbst erlangen k a n n ; w o l l t e m a n n u n einen Anspruch auf richtige bzw. auf Fortbestand einmal aufgestellter Prognosen fordern, so würde das bedeuten, daß gleichzeitig die Wirtschaftenden selbst i h r Verhalten nicht ändern dürfen, u m nicht v o n sich aus zur Korrekturnotwendigkeit beizutragen; sie müßten sich also selbst an die Prognosen binden. 46 Deshalb hat Martin Bullinger i n einem Gesetzentwurf über M i n e r a l ö l fernleitungen (Verkehrswirtschaftliche Planung für Mineralölfernleitungen, F r a n k f u r t - B e r l i n 1969, S. 13) i n einer entsprechenden Vorschrift ausdrücklich klargestellt, daß f ü r die Richtigkeit der Vorausschätzungen keine Gewähr übernommen w i r d . 47 So Stern, i n : Klaus Stern — Paul Münch, Gesetz zur Förderung der Stabilität u n d des Wachstums der Wirtschaft (Kommentar), S t u t t g a r t - B e r l i n K ö l n - M a i n z 1967, S. 142, f ü r die mittelfristige Finanzplanung nach dem StabG; s. auch Ludwig Fröhler (unter M i t a r b e i t von Peter Oberndorfer), Das Wirtschaftsrecht als Instrument der Wirtschaftspolitik, Wien-New Y o r k 1969, S. 142 f. 48 Bullinger, Verkehrswirtschaftliche Planung, S. 41. 45
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satzvorausschätzungen individuell und halten dadurch die Unternehmen an, sich entsprechend der Zielsetzung des Gesetzes und dem i n diesem Rahmen von der Exekutive verfolgten Programm zu verhalten. Genau wie die Absatzvorausschätzungen sind sie rechtlich unverbindlich. A n ders als diese entwickeln sie jedoch eine starke faktische Verbindlichkeit dadurch, daß ihre Nichtbefolgung den Entzug von Subventionen zur Folge hat 4 9 , ohne die die betroffenen Unternehmen nicht rentabel weiterarbeiten können 50 . Wollte man die rechtliche Verbindlichkeit zum einzigen K r i t e r i u m machen, so bedeutete dies, daß eine m i t rechtlichen Sanktionen versehene Maßnahme der Gerichtskontrolle unterworfen ist, während eine i n den tatsächlichen Auswirkungen möglicherweise m i t stärkeren Eingriffen verbundene Maßnahme, bei der dem Betroffenen nur die Alternative der Befolgung oder des Ruins bleibt, kontrollfrei wäre. Daran zeigt sich, daß der Bundesbeauftragte m i t diesen rechtlich unverbindlichen Empfehlungen nicht weniger Zwang ausüben kann, als m i t einem direkten Befehl 51 . Der Austausch allein der Handlungsform darf aber nicht dazu führen, der Behörde größere Freiräume und geringere Gesetzesbindung einzutragen 52 . Es kommt bei diesen faktisch verbindlichen Empfehlungen des Bundesbeauftragten auch eine Rechtsverletzung des Betroffenen i n Betracht (zu denken ist insbesondere an den Gleichheitssatz und die Eigentumsgarantie), so daß bei der eben angedeuteten weiten Auslegung des Verwaltungsaktsbegriffs eine Anfechtungsklage gegen diese Empfehlungen möglich ist. Legt man diese Betrachtungsweise zugrunde, so zeigt sich entgegen Biedenkopf 3, daß es möglich ist, derartige Handlungsformen der w i r t schaftslenkenden Verwaltung jedenfalls formal m i t dem geltenden rechtsstaatlichen Instrumentarium zu bewältigen. Man muß dann allerdings berücksichtigen, daß unser Rechtsschutzsystem nicht mehr allein auf den klassischen staatlichen Befehl i n der Form des einzelfallregelnden Verwaltungsakts abstellen darf, sondern daß die Aufgabe besteht, differenziertere Typisierungen von Verwaltungsentscheidungen zu erreichen und darauf jeweils den Rechtsschutz auszurichten 54 . 49 Der Subventionsentzug selbst als Folge der Nichtbeachtung einer E m p fehlung ist v o m Kohlegesetz als anfechtbarer Verwaltungsakt ausgestaltet, vgl. §§ 23 Abs. 2, 21, 18 Abs. 3, 4 K G . 50 s. oben unter a). 51 Vgl. auch Hans Peter Ipsen, V e r w a l t u n g durch Subventionen, W D S t R L Heft 25 (1966), B e r l i n 1967, S. 257 ff., 293. 52 Vgl. Karl Heinrich Friauf, Bemerkungen zur verfassungsrechtlichen Problematik des Subventionswesens, DVB1. 1966, S. 729 ff., 737 f. 53 Rechtsfragen der konzertierten A k t i o n , B B 1968, S. 1010 f. 54 Vgl. Brohm, Die Dogmatik des Verwaltungsrechts, S. 287.
4. Wirtschaftliche Bedeutung und rechtliche Kategorisierung d) Die Feststellung
der optimalen
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Unternehmensgröße
Gem. § 18 Abs. 3 K G trifft der Bundesbeauftragte die Feststellung, ob ein Unternehmen die Anforderungen, die an die optimale Unternehmensgröße gem. § 18 Abs. 2 K G i. V. m. der Verordnung über die Maßstäbe für die Ermittlung der optimalen Unternehmensgrößen i m Steinkohlenbergbau vom 7.1.1969 55 gestellt werden, erfüllt. Der Unterschied zu den Empfehlungen ist darin zu sehen — und das macht die rechtliche Betrachtung einfacher —, daß diese Feststellungen bereits von sich aus zwingende rechtliche Folgen nach sich ziehen, ohne daß noch ein entsprechendes Verhalten des Betroffenen als Voraussetzung für die Rechtsfolge (Entzug oder weitere Vergabe der Begünstigung) hinzutreten muß; das Gleiche gilt für das unten (e) behandelte Instrument der Bescheinigung. Bei dieser Feststellung handelt es sich u m einen Verwaltungsakt i m klassischen Sinn. Sie hat zwar auch eine interne W i r k u n g insofern, als die m i t der Vergabe der Begünstigungen beauftragten Stellen bei ihrer Entscheidung an die Feststellung des Bundesbeauftragten gebunden sind. Sie trifft aber auch unmittelbar die Unternehmen selbst, denen diese Entscheidung des Bundesbeauftragten zuzustellen ist (§18 Abs. 3 Satz 2 KG) und die bereits auf Grund dieser Entscheidung die rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen absehen können, da den Vergabestellen nach der Feststellung des Bundesbeauftragten kein Ermesseinsspielraum mehr eingeräumt ist (§21 Abs. 1, 3 KG). Darüber hinaus spricht das Gesetz selbst i n § 18 Abs. 4 von der Feststellung als einem Verwaltungsakt. Diese kann somit ebenfalls i m Wege des § 42 VwGO angefochten werden. e) Die Bescheinigungen
des Bundesbeauftragten
Die Bescheinigungen des Bundesbeauftragten haben den Zweck, die i m Gesetz genannten Begünstigungen nur dann zu gewähren, wenn die Vorhaben, die finanziell begünstigt werden, dem Ziel des Gesetzes entsprechend förderungswürdig sind, w e i l sie etwa zur wesentlichen Verbesserung der Unternehmensstruktur beitragen (z. B. §§ 10 Abs. 2, 14 Abs. 1 KG) oder geeignet sind, zusätzliche Arbeitsplätze i n angemessenem Umfang zu schaffen (z. B. § 32 Abs. 2 KG) 5 8 . Die Erteilung wie die Versagung solcher Bescheinigungen sind Verwaltungsakte, die entweder nach § 42 Abs. 1 V w G O angefochten werden können, oder deren Erteilung begehrt werden kann 5 7 . 55
B G B l . I , S. 16. I m einzelnen s. o. unter c). Vgl. hierzu V G H Kassel, N J W 1973, S. 164 f. zu der parallelen Problem a t i k i m Investitionszulagengesetz (BGBl. I, 1969, S. 1211). 56
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2. Kap.: Instrumentarium nach dem Kohlegesetz und Kohlenbeirat
Problematisch ist i n diesem Zusammenhang einmal, ob ein Unternehmen die einem anderen Unternehmen erteilte Bescheinigung m i t der Begründung anfechten kann, es sei durch die Erteilung der Bescheinigung an das andere Unternehmen i n seinem eigenen wirtschaftlichen Interesse verletzt (aa). Zum anderen ist zu fragen, ob ein Unternehmen i m Wege der Verpflichtungsklage die Erteilung einer Bescheinigung m i t der Begründung verlangen kann, diese sei bei gleichen Voraussetzungen einem anderen Unternehmen erteilt, i h m aber versagt worden (bb). aa) Der erste Problemkreis betrifft den Bereich der sog. Konkurrentenklage. Die Frage nach deren Zulässigkeit taucht immer dann auf, wenn Verwaltungsakte nicht nur unmittelbar den Adressaten betreffen, sondern mittelbar auch Auswirkungen auf einen m i t diesem i n Konkurrenz stehenden Dritten i n der Form haben, daß der Adressat durch den Verwaltungsakt begünstigt, der Dritte aber belastet wird 5 8 . Das ist z. B. dann der Fall, wenn einem Unternehmer die Erlaubnis für ein konzessionsbedürftiges Gewerbe (Gaststätten, Personenbeförderung) erteilt wird, wodurch für andere Unternehmer, die dieses Gewerbe bereits betreiben, ein verschärfter Wettbewerb und dadurch evtl. wirtschaftliche Nachteile entstehen. I n diesen Fällen hat das BVerwG die Klagebefugnis der bereits Konzessionierten m i t der Begründung verneint, die Entscheidung über die Zulassung ergehe allein i m öffentlichen Interesse. Der Begünstigte erhalte dadurch nur die Möglichkeit, sich m i t gleichen Chancen am Wettbewerb zu beteiligen. Soweit ein wirtschaftliches Interesse der Konzessionsinhaber an der Nichtzulassung eines Konkurrenten bestehe, werde dieses nicht geschützt, da es^ sich dabei lediglich u m eine Reflexwirkung handele 59 . Ausnahmen machte das BVerwG nur da, wo eine Anhörung der Betroffenen vorgesehen war 6 0 , bzw. wo öffentliche Unternehmen i n den Wettbewerb eindrangen 61 . Anders hat das BVerwG allerdings für die Fälle entschieden, i n denen es u m die Gewährung staatlicher Subventionen geht: hier könne durch die Subventionierung die Chancengleichheit der Konkurrenten zerstört 58 Vgl. allgemein zu den Verwaltungsakten m i t D o p p e l w i r k u n g die A b handlungen v o n Rudolf Bernhardt, Z u r Anfechtung v o n Verwaltungsakten durch Dritte, J Z 1963, S. 302 ff.; Wolf gang Dörfler, Verwaltungsakte m i t D r i t t w i r k u n g , N J W 1963, S. 14 ff.; Martin Sellmann, Die Problematik der Verwaltungsakte m i t Doppelwirkung, N J W 1964, S, 1545 ff.; Fritz Haueisen, Verwaltungsakte m i t mehreren Betroffenen, N J W 1964, S. 2037 ff. 59 So B V e r w G E 10, 122 ff.; 16, 187 ff., 189; s. dazu Otto Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht i n der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Bd. I I , Tübingen 1967, Nr. 241, 255; allgemein zum Problem der Reflexwirkung vgl. Otto Bachof, Reflexwirkungen u n d subjektive Rechte i m öffentlichen Recht, i n : Gedächtnisschrift f ü r Walter Jellinek, München 1955, S. 287 ff. m. w . N. 60 B V e r w G E 2, 141 ff.; 9, 340 ff. 61 B V e r w G E 17, 306 ff.
4. Wirtschaftliche Bedeutung und rechtliche Kategorisierung
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werden, indem einem Subventionen zukommen, die dem anderen verweigert werden, was zur Folge haben könne, daß er nicht mehr existenzfähig ist. I n diesen Fällen müsse eine Anfechtungsklage zumindest immer dann zulässig sein, wenn der nichtsubventionierte Unternehmer geltend macht, „daß seine schutzwürdigen Interessen w i l l k ü r l i c h vernachlässigt worden seien" 62 . Hat das BVerwG m i t dieser Entscheidung i m Ergebnis zu Recht die Klagebefugnis ausgedehnt, so erscheint es allerdings verfehlt, wenn es das Problem der Konkurrentenklage als eine Frage ihrer Zulässigkeit ansieht. Geht man davon aus, daß § 42 Abs. 2 VwGO lediglich die Popularklage ausschließen w i l l 6 3 , müssen die Konkurrentenklagen ausnahmslos zulässig sein 64 . Denn der benachteiligte Konkurrent kann i n diesen Fällen immer behaupten, daß er durch die Zulassung bzw. Subventionierung seines) Konkurrenten i n eigenen Rechten verletzt ist. Ob eine solche Verletzung dann tatsächlich vorliegt, ist eine Frage der Begründetheit, die wiederum davon abhängig ist, ob durch eine gesetzliche Regelung dem Kläger Rechte eingeräumt werden, die durch die Verwaltung i n rechtswidriger Weise beeinträchtigt worden sind. Für die Zulässigkeit der Klage genügt aber die reine Behauptung, sofern diese nicht völlig unsubstantiiert oder offensichtlich abwegig ist 6 5 . 62 B V e r w G E 30, 191 ff., 197 = N J W 1969, S. 522 m i t Anmerkungen v o n Rupert Scholz, N J W 1969, S. 1044; Peter Selmer, N J W 1969, S. 1266 ff.; Reiner Schmidt, B B 1969, S. 653 f.; Karl Heinrich Friauf, DVB1.1969, S. 368 ff.; s. auch die Urteilsrezension v o n Jörg Manfred Mössner, Die öffentlich-rechtliche Konkurrentenklage, JuS 1971, S. 131 ff. u n d BVerfGE 18, 1 (Verfassungsbeschwerde bei wettbewerbsverzerrenden Steuernormen). Das B V e r w G verwendet i n dem genannten U r t e i l f ü r die staatlichen Z u schüsse, die den beigeladenen Winzergenossenschaften gewährt worden waren, den Begriff „Subvention", obwohl dieser i n der Rechtswissenschaft bisher noch keine eindeutige Definition gefunden hat (s. insbesondere Zacher u n d Ipsen, V e r w a l t u n g durch Subventionen, S. 276 ff., 304 Ls. 1 bzw. S. 308 ff., 396 Ls. A l l ; Rüfner, Formen öffentlicher V e r w a l t u n g i m Bereich der W i r t schaft. Untersuchungen zum Problem der leistenden Verwaltung, Schriften zum öffentlichen Recht Bd. 44, B e r l i n 1967, S. 194 ff.; Volkmar Götz, Recht der Wirtschaftssubventionen, München u n d B e r l i n 1966, S. 4 ff.). Die Unsicherheit über den Begriff zeigt sich auch i n der Terminologie der Gesetze: Während das Kohlegesetz immer n u r v o n „Begünstigungen" spricht, verwendet das Stabilitätsgesetz f ü r den gleichen Sachverhalt den Terminus „Finanzhilfen" (s. § 12 StabG; zur Begriffsklärung vgl. auch den auf G r u n d dieser V o r schrift vorgelegten sog. „Subventionsbericht" der Bundesregierung vom 16.2.1970, BT-Drucks. VI/391, S. 2 f.). Wenn auch i n Einzelheiten U n k l a r h e i t besteht, k a n n m a n doch f ü r die i m Kohlegesetz genannten Begünstigungen zwanglos den Begriff „Subvention" verwenden. 63 s. B V e r w G E 17, 87 ff., 91. 64 So zu Recht Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht, Nr. 239—241; Bernhardt, JZ 1963, S. 306; Mössner, JuS 1971, S. 135; Friauf, DVB1. 1969, S. 368 ff.; Selmer, N J W 1969, S. 1267; Schmidt, B B 1969, S. 653 f.; a. A . Otto Schlichter, Klageformen bei der verwaltungsgerichtlichen Durchsetzung von Subventionsansprüchen, DVB1. 1966, S. 738 ff., 742. 65 Vgl. B V e r w G E 18, 154 ff., 157; Reiner Schmidt, Der Rechtsschutz des Konkurrenten i m Verwaltungsprozeß, N J W 1967, S. 1635 ff., 1641; der Euro-
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2. Kap.: Instrumentarium nach dem Kohlegesetz und Kohlenbeirat
bb) Verlangt ein Unternehmen i m Wege der Verpflichtungsklage 66 die Erteilung einer Bescheinigung m i t der Begründung, diese sei einem anderen, sich i n gleicher Situation befindlichen Unternehmen erteilt worden, so stellt sich die Frage, auf welches Recht sich das Unternehmen berufen kann, u m m i t der zulässigen Klage möglicherweise auch durchzudringen. E i n Rechtsanspruch könnte sich zunächst unmittelbar aus dem Kohlegesetz selbst ergeben. Liegen die dort genannten Voraussetzungen vor, dann könnte der Bundesbeauftragte verpflichtet sein, die entsprechende Bescheinigung zu erteilen. Weiterhin bietet sich als eventueller Rechtsanspruch der allgemeine Gleichheitssatz an, auf den sich Dritte auch i m Subventionswesen berufen können 67 . Erteilt etwa der Bundesbeauftragte einem Produzenten von Kraftfahrzeugen, der i n einem Steinkohlebergbaugebiet eine neue Betriebsstätte m i t 2000 Arbeitsplätzen errichtet, die Bescheinigung nach § 32 KG, daß dieses Projekt volkswirtschaftlich besonders förderungsw ü r d i g ist, so kann dieses Unternehmen einen Abzug von der Einkommens- oder Körperschaftssteuer bis zur Höhe von 10 °/o der Herstellungskosten vornehmen. Lehnt der Bundesbeauftragte dann einen entsprechenden Antrag etwa eines Unternehmens des Dienstleistungssektors, das ebenfalls 2000 neue Arbeitsplätze i n einem Steinkohlebergbaugebiet schaffen w i l l , m i t der Begründung ab, Dienstleistungsbetriebe seien nicht i n dem Maß volkswirtschaftlich förderungswürdig wie produzierende Unternehmen, ist die Frage nach einem Verbot der Ungleichbehandlung gestellt und eine Verpflichtungsklage des abgewiesenen Unternehmens wegen einer möglichen Verletzung des A r t . 3 GG zulässig 68 . päische Gerichtshof hat i n einem U r t e i l v o m 10.12.1969 (EuR 1970, S. 161) die Zulässigkeit einer Konkurrentenklage nach europäischem Recht verneint; allein die Veränderung der Wettbewerbssituation durch eine Maßnahme rechtfertige es noch nicht, jeden Marktbeteiligten als unmittelbar u n d i n d i v i d u e l l betroffen anzusehen; vgl. dazu Hans-Josef Rüber, Die Konkurrentenklage deutscher Unternehmer gegen wetbewerbsverzerrende Subventionen i m Gemeinsamen M a r k t , N J W 1971, S. 2097 ff. 66 Die Zulassung einer Feststellungsklage i n diesen Fällen durch das U r t e i l des B V e r w G v o m 11.3.1966, N J W 1966, S. 1236 f., dürfte wegen der Subsidiarität der Feststellungsklage unzutreffend sein; so auch Hermann Weber, Subventionierungspflicht des Staates zugunsten privater Schulen, N J W 1966, S. 1798 f. 67 Friauf, DVB1. 1966, S.737 m . w . N . ; BVerwG, N J W 1972, S. 2325 f. 68 Der F a l l ist durch die Klage einiger Einzelhandelsunternehmen praktisch geworden, die v o m B u n d Vergünstigungen nach dem sog. Investitionszulagengesetz v o m 18. 8.1969 (BGBl. I, S. 1211) f ü r die Errichtung von Betriebsstätten i n förderungswürdigen Gebieten (z.B. Zonenrandgebiete) gefordert hatten. Das Gesetz (§ 1 Abs. 4) fordert w i e das Kohlegesetz als Voraussetzung f ü r die Subventionierung u. a., daß das geplante Vorhaben „volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig" sein muß. Nachdem v o m zuständigen B u n deswirtschaftsminister die dafür erforderliche Bescheinigung m i t der Begrün-
4. Wirtschaftliche Bedeutung und rechtliche Kategorisierung
45
Zusammenfassend ergibt sich somit für das geltende Verfahrensrecht hinsichtlich der Klagemöglichkeiten gegenüber Maßnahmen des Bundesbeauftragten das folgende Bild: — der Konzentrationsbericht kann nicht m i t einer Klage angegriffen werden; — gegenüber den Absatzvorausschätzungen wäre eine Klage zulässig, wenn man nicht an dem überkommenen Begriff des Verwaltungsakts festhält; durch Fehler oder Abänderungen der Prognosen kann aber i n der Regel niemand i n eigenen Rechten verletzt werden, da weder rechtlich noch faktisch eine Verbindlichkeit besteht; — Empfehlungen sind zwar nicht rechtlich verbindlich; ihre faktische Verbindlichkeit steht aber i n der W i r k u n g einem rechtlichen Befehl nicht nach. Deshalb sind solche Maßnahmen einem Verwaltungsakt gleichzusetzen; — die Feststellung über die Nichtbefolgung von Empfehlungen u n d über das Vorliegen der optimalen Unternehmensgröße sowie die Bescheinigungen des Bundesbeauftragten stellen sich auch i m klassischen Sinn als Verwaltungsakte dar und sind auch vom Gesetz als solche konzipiert; auch die von einem nicht unmittelbar Betroffenen erhobene Anfechtungsklage gegen die einem Konkurrenten erteilte Bescheinigung ist zulässig. Dieser Befund sieht auf den ersten Blick recht günstig aus, ist doch gegenüber der Mehrzahl der Maßnahmen des Bundesbeauftragten und gegen alle wirtschaftlich einschneidenden M i t t e l ein Rechtsweg gegeben. Es ist aber notwendig, weiter zu fragen und zu prüfen, inwieweit diese Eröffnung des Rechtswegs tatsächlich einen effektiven Schutz gewährt, oder ob nicht aus materiell- bzw. funktionellrechtlichen Gründen eine Justiziabilität der Maßnahmen weitgehend ausgeschlossen ist. Unter „Justiziabilität" w i r d also i m folgenden nicht die Frage nach einer Eröffnung des Rechtswegs verstanden, sondern die Frage, ob den Gerichten zur Überprüfung hinreichende materielle Kriterien an die Hand gegeben sind, und ob eine Einschränkung der Überprüfbarkeit durch die Gerichte etwa aus dem wirtschaftslenkenden Charakter der hier i n Rede stehenden Maßnahmen folgt 6 9 .
dung versagt worden war, Einzelhandelsbetriebe erfüllten diese Voraussetzung nicht, haben einige der betroffenen Unternehmen beim V G K ö l n Klage erhoben (vgl. DER SPIEGEL Nr. 46 v o m 9.11.1970). 69 V o n diesem I n h a l t des Begriffs „Justiziabilität" geht auch Fritz Gygi (Rechtsstaatsprobleme der heutigen Wirtschafts- u n d Sozialordnung, Journal der Internationalen Juristen-Kommission, Bd. I V (1962/63), S. 1 ff., 17) aus.
Drittes
Kapitel
Die Justiziabilität der Maßnahmen des Bundesbeauftragten im Hinblick auf das Kohlegesetz
Sucht man nach hinreichenden Kriterien, die den Gerichten eine inhaltliche Überprüfung der Maßnahmen des Bundesbeauftragten ermöglichen könnten, so gilt es, zunächst das Kohlegesetz selbst daraufhin einer Überprüfung zu unterziehen. Man w i r d sich dabei vorab fragen müssen, ob nicht etwa schon der besondere Charakter dieses Gesetzes einige erste Anhaltspunkte für diesen Problemkreis geben kann.
1. Das Kohlegesetz als Planungsgesetz M i t dem Kohlegesetz w i r d der Versuch unternommen, durch Förderung der Unternehmenskonzentration, Anreize für gesetzeskonformes Verhalten und Veränderung der Wirtschaftsstruktur den Wirtschaftssektor Steinkohlebergbau auf neue Grundlagen zu stellen und den Steinkohlebergbaugebieten neue Gestalt zu geben. Die Entwicklung hatte gezeigt, daß der Bergbau nicht i n der Lage war, die notwendigen Strukturveränderungen und die Anpassung an die gewandelte energiepolitische Situation aus eigenen Kräften durchzuführen, obwohl i h m schon vor Erlaß des Kohlegesetzes die verschiedensten staatlichen Hilfen zuteil geworden waren, ohne daß durch diese punktuellen Unterstützungen eine entscheidende Verbesserung der Situation eingetreten wäre. Zur Beseitigung dieses Mißstands und zur Verhinderung weiterer wirtschaftlicher und sozialer Spannungen mußte der Staat lenkend und planend i n den Wirtschaftsablauf i m Steinkohlebereich eingreifen. Das Kohlegesetz stellt sich als ein Teil staatlicher Wirtschaftsplanung dar, deren grundsätzliche Zulässigkeit heute nicht mehr bestritten wird. Die lange Zeit i n der BRD herrschende Planungsphobie ist gleichsam von einer Planungseuphorie abgelöst worden 1 : die Diskussion w i r d nicht 1 Vgl. Joseph H . Kaiser: „Planung ist der große Zug unserer Zeit" (Vorw o r t zu Planung I, S. 7). Ob aber Kaiser m i t der damit i m Zusammenhang stehenden Auffassung, i n den „großen Planmythen unserer Tage (kehre) die
1. Das Kohlegesetz als Planungsgesetz
47
mehr so sehr darum geführt, ob geplant werden soll oder nicht, sondern mehr darum, m i t welchen Mitteln, zu welchen Zielen und zu wessen Gunsten Planung durchgeführt wird 2 . Der verstärkte Trend zu planerischen Aktivitäten des Staates mußte fast zwangsläufig die Frage nach den Formen des Planens m i t sich bringen. Die am Vorbild des Staates des 19. Jahrhunderts entwickelten Handlungsformen der öffentlichen Gewalt können diesen Erscheinungen nicht vollständig gerecht werden, wenn auch die weit verbreitete A u f fassung, i n dieser Zeit habe der Staat sich weitgehend sozialgestaltender Aufgaben entzogen, hier nicht vertreten werden soll 3 . A n dieser Stelle ist es zunächst nur erforderlich, diejenigen Planungsformen zu beleuchten, die aus Anlaß eines Gesetzes erfolgen. Aufgabe einer solchen Untersuchung soll aber nicht sein, einen neuen Gesetzesbegriff zu schaffen, der verfassungsrechtlich i n irgendeiner Weise relevant wäre. Die unter diesem Blickwinkel geführte Diskussion u m das „Maßnahmegesetz" ist vom BVerfG 4 zu Recht nicht aufgenommen worden. Die Aufgabe stellt sich vielmehr dahin, das Erscheinungsbild und die Struktur solcher Gesetze i m Vergleich zu bisher gekannten Arten von Gesetzen zu untersuchen und zu fragen, ob sich daraus Folgerungen für das Problem des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes bei Planungsprozessen nach solchen Gesetzen ableiten lassen. Die großen, i n ihren wesentlichen Aussagen noch heute gültigen Kodifikationen des 19. Jahrhunderts vor allem i m zivilrechtlichen Bereich (etwa BGB und HGB) schufen vor dem gedachten Hintergrund einer homogenen Gesellschaft des bürgerlichen Rechtsstaates statische, allgemeinverbindliche und grundsätzlich unbegrenzte Regelungen für den Konfliktfall 5 . I n dem Moment, da ein Rechtsverhältnis pathologisch geworden war, konnte der richterliche Subsumtionsprozeß beginnen, m i t dem die vorgegebene Regelung des Gesetzes auf einen Konfliktfall übereschatologische Idee v o m göttlichen Heilsplan, ganz ins Diesseitige gewendet", wieder (Exposé einer pragmatischen Theorie der Planung, Planung I, S. 21), dem Erscheinungsbild moderner Planung gerecht werden kann, erscheint mehr als fraglich; diese geschichtsmetaphysische Betrachtungsweise l e n k t von konkreten Problemen ab u n d ist vor allem ungeeignet, den modernen Planungsprozeß auch n u r annähernd zu erklären; vgl. Kurt Lenk, Planungsdiskussion i n der Bundesrepublik, PVS 1966, S. 364 ff., 371. 2 Lenk, S. 376. 3 Vgl. Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., B e r l i n 1920, S. 485: „Namentlich i m 19. Jahrhundert ist die Ausdehnung der staatlichen Zuständigkeit i n großartigstem Maße erfolgt" (als Beispiele werden genannt: U n t e r richtswesen, Arbeiterfürsorge, Patent-, Eisenbahnwesen); s. auch Rü/ner, Formen, S. 52 ff. 4 s. BVerfGE 25, 371 ff. (lex Rheinstahl). 6 Vgl. Roman Herzog, Wissenschaftliche Entwicklung u n d technischer F o r t schritt i m Hinblick auf die öffentliche Verwaltung, i n : Funktionsgerechte V e r -
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3. Kap.: Justiziabilität im Hinblick auf das Kohlegesetz
tragen wurde. Soweit diese A r t von Gesetzen gleichzeitig auch sozialgestaltende Funktionen wahrnahmen, waren sie i m wesentlichen reakt i v : die vorgefundenen gesellschaftlichen Erscheinungen hatte es zu unterstützen, nicht zu verändern 6 . Die stärker werdende Hinwendung zum Maßnahmegesetz i m tatsächlichen Erscheinungsbild der Gesetzgebung7 signalisierte die Notwendigkeit, von staatlicher Seite gezielt auf bestimmte krisenhafte Erscheinungen m i t Hilfe des Gesetzes zu reagieren; es werden keine allgemeinverbindlichen, dauerhaften Regelungen aufgestellt, sondern Maßnahmen zur Bereinigung konkret aufgetretener Mißstände getroffen. M i t Lösung der Krise ist die Aufgabe des Gesetzes beendet, es kann außer K r a f t treten. Damit allein ist aber die Typologie heutiger Gesetzgebung nicht erschöpft. Man muß zusätzlich eine andere A r t von Gesetzen i n Betracht ziehen, die zwar auch aus Anlaß von Krisen entstanden sein mögen, die aber darüberhinaus versuchen, krisenhafte Erscheinungen i n der Zukunft zu verhindern, indem noch nicht konkret aufgetretene Probleme antizipiert und für den F a l l ihres Eintretens Instrumentarien zur Lösung bereitgestellt werden. Schließlich enthalten sie zum Teil auch selbständige Impulse für die weitere Entwicklung. Dieser Gesetzestypus soll hier als Planungsgesetz 8 bezeichnet werden. I n der von Häberle 9 vorgenommenen Terminologie würden sie als Steuerungsgesetze bezeichnet werden, ohne daß sich aus dieser Begriffsverschiedenheit eine Differenz i n der sachlichen Einordnung ergäbe. Diesem Typ von Gesetzen, der gleichsam eine weitere Stufe i n der Entwicklung vom „klassischen" Gesetz über das Maßnahmegesetz darstellt, eignen u. a. folgende Kriterien: sie müssen der Entwicklung des von ihnen zu regelnden Bereichs, die nicht immer eindeutig vorhergesehen werden kann, gerecht werden und deshalb flexible Regelungen anbieten, die möglicherweise nur für bestimmte Entwicklungsphasen gelten oder aber zeitlich begrenzt sind 10 . Aus den gleichen Gründen w a l t u n g i m Wandel der Industriegesellschaft, Schriftenreihe der Hochschule Speyer Bd. 43, S. 17 ff., 24; Ulrich Scheuner, Das Gesetz als A u f t r a g der V e r waltung, D Ö V 1969, S. 585 ff., 590. 6 Vgl. Ernst Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts I . Bd., Allgemeiner Teil, 9. Aufl., München 1966, S. 61; Badura, Verwaltungsrecht i m liberalen u n d sozialen Rechtsstaat, S. 6. 7 Vgl. Konrad Huber, Maßnahmegesetz u n d Rechtsgesetz, B e r l i n 1963, S. 129, wonach der größere T e i l der heute erlassenen Gesetze als Maßnahmegesetze zu bezeichnen ist. 8 So Herzog, Wissenschaftliche Entwicklung, S. 24 f.; Stephan Leibfried — Martin Quilisch, Planung i m Sozialstaat, atomzeitalter 1966, S. 525 ff., 554. 9 Peter Häberle, Grundrechte i m Leistungsstaat, W D S t R L H e f t 30 (1971), B e r l i n 1972, S.43ff., 51. 10 Herzog, Wissenschaftliche Entwicklung, S. 24 f.; Häberle, Grundrechte i m Leistungsstaat, S. 51.
1. Das Kohlegesetz als Planungsgesetz
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müssen die der jeweiligen Situation angemessenen Zielvorgaben für die zu treffenden Maßnahmen elastisch und durch das Gesetz nicht allzu starr festgelegt sein, da dies häufige Novellierungen zur Folge hätte. Weiterhin müssen die Gesetze ein institutionalisiertes Kooperationsgremium und -verfahren zwischen staatlichen Behörden und Vertretern der jeweils Betroffenen vorsehen m i t dem Ziel, die jeweiligen Interessen weitgehend aufeinander abzustimmen. Diesen Kriterien eines Planungsgesetzes entspricht neben dem Kohlegesetz insbesondere das sog. Stabilitätsgesetz 11 » 12 . I n diesem Zusammenhang müßten auch die Landesplanungsgesetze der einzelnen Länder 1 3 für die Raumordnung genannt werden. Die sich daraus ergebenden Fragen sollen aber i n diesem Zusammenhang unberücksichtigt bleiben. Dabei w i r d nicht verkannt, daß gerade Raumordnungsprobleme sich häufig aus Maßnahmen der sektoralen W i r t schaftspolitik ergeben (s. die Regelung des § 33 Abs. 1 Satz 4 KG) 1 4 . Was das Stabilitätsgesetz angeht, so w i l l i h m etwa Stern 15 keinen eindeutigen Charakter zuerkennen; es enthalte Elemente eines „Organgesetzes" wie eines Maßnahmegesetzes, habe aber auch Rahmen- oder Richtliniencharakter. Gerade diese Unsicherheit bei der Einordnung zeigt, daß häufig bei Gesetzen, die Wirtschaftsplanung betreffen, m i t den hergebrachten Kategorien nicht auszukommen ist. Wendet man dagegen die eben entwickelten Kriterien des „Planungsgesetzes" auf das Stabilitätsgesetz an, so zeigt sich, daß es alle genannten Elemente enthält: die Vorschrift des § 1, nach der Bund und Länder ihre wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen auszurichten haben, garantiert eine genügende Flexibilität der Maßnahmen, die je nach konjunktureller Situation die eine oder andere Komponente des sog. „magischen Vierecks" i n den Vordergrund stellen können 16 . § 6 gibt die Möglichkeit, kurzfristig und i n einem einfachen Verfahren (die Entscheidung t r i f f t der Bundesminister der Finanzen nach Ermächtigung durch die Bundesregierung) Haushaltsmittel zu sperren, soweit die jeweilige Konjunkturlage dies erfordert. Lediglich bei Ausgabenerweiterungen muß der Bundestag 11
BGBl. I, S. 582. So auch Häberle, Grundrechte i m Leistungsstaat, S. 51 m. F N 32; auch der Gesetzentwurf Bullingers (Verkehrswirtschaftliche Planung, S. 11 ff.) über Mineralölfernleitungen müßte diesem Gesetzestyp zugerechnet werden. 13 Vgl. statt aller das Landesplanungsgesetz Baden-Württemberg v o m 19.12.1962, GBl. 1963, S. 1. 14 Z u r Abgrenzung u n d Interdependenz vgl. auch Hellmuth Stefan Seidenfus, Sektorale Wirtschaftspolitik, i n : Kompendium der Volkswirtschaftslehre Bd. 2, 2. Aufl., Göttingen 1969, S. 287 ff. 15 I n : Stern-Münch, Stabilitätsgesetz, S. 52. 16 Vgl. Münch, i n : Stern-Münch, Stabilitätsgesetz, S. 78. 12
4 Seidler
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3. Kap.: Justiziabilität im Hinblick auf das Kohlegesetz
eingeschaltet werden (§ 8). Auch die §§ 15, 19 ermächtigen zu solchen zeitlich begrenzten, der jeweiligen Situation angepaßten Maßnahmen. Die Zielvorgaben, nach denen sich die weitere Konjunkturpolitik richten soll, werden durch den jährlich vorzulegenden Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung bestimmt (§ 2 Abs. 1 Satz 2), ohne daß diese Projektionen eine Bindungswirkung bei veränderter konjunktureller Situation entfalten könnten 1 7 . Schließlich sieht das Gesetz auch verschiedene Kooperationsgremien und -verfahren vor, wie die „Konzertierte A k t i o n " nach § 3 und den Konjunkturrat nach § 18. Demgegenüber ist das Kohlegesetz kein Instrument der globalen Wirtschaftssteuerung, sondern ein Instrument der sektoralen Steuerung und der Strukturpolitik 1 8 . Aber auch bei i h m sind die genannten Elemente vorhanden: die Prinzipien des § 1 KG, an denen der Bundesbeauftragte seine Tätigkeit auszurichten hat, stehen zwar grundsätzlich gleichwertig nebeneinander, dennoch kann er je nach Situation entweder auf eine Produktionssteigerung oder Produktionsdrosselung hinwirken, wozu i h m m i t den Absatzvorausschätzungen bzw. den Empfehlungen die notwendigen M i t t e l an die Hand gegeben sind. Daß die jeweils zu treffenden Entscheidungen durchaus nicht dem Zufall überlassen bleiben sollten, sondern eine zeitliche Abstufung und Folgerichtigkeit aufweisen sollten, zeigt das sog. „Drei-Phasen-Programm des Bundesministers für Wirtschaft zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus" 19 . Danach sollten i n einer Vorbereitungsphase zunächst die „flankierenden Maßnahmen" (Eindämmung der Energiegewinnung durch Mineralöl) eingeleitet und Neuansiedlungen anderer Industriezweige i n den Steinkohlebergbaugebieten gefördert werden. I n einer zweiten Anpassungsphase sollte i m wesentlichen die Unternehmenskonzentration unter dem Schutz der „flankierenden Maßnahmen" gefördert werden, während i n einer Stabilisierungsphase die Wettbewerbsfähigkeit durch die Unternehmenskonzentration w i r k sam geworden und die „flankierenden Maßnahmen" deshalb abgebaut werden sollten. Dieses Programm, das i n keinerlei formalem Zusammenhang m i t dem Gesetz steht, ist unter der begrenzten Aussage des Gesetzes verständlich, das unter der Ägide allgemein gehaltener Vorschriften 17 Das ergibt sich u.a. aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift; vgl. Möller, Kommentar, Rdnr. 4, 7a zu § 2. 18 Vgl. allgemein hierzu Otto Schlecht, S t r u k t u r p o l i t i k i n der M a r k t w i r t schaft, FIW-Schriftenreihe Heft 46, K ö l n 1968, insbes. S. 27 ff.; s. auch den Strukturbericht 1970 der Bundesregierung, BT-Drucks. VI/761, insbes. S. 16 ff. 19 Abgedruckt bei Biedenkopf, Thesen, S. 67 f.
1. Das Kohlegesetz als Planungsgesetz
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(§ 1 KG) Instrumente zur Verfügung stellt, deren Anwendung wiederu m von Tatbeständen abhängt, die nur außerordentlich vage umschrieben sind (wenn ein Vorhaben z. B. geeignet ist, die Wirtschaftsstruktur der Steinkohlebergbaugebiete zu verbessern und volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig ist, § 32 Abs. 2 Satz 1 KG). Wie und i n welchem Zusammenhang die Instrumente dann angewandt werden, unterliegt nicht der Disposition des Gesetzes, sondern allein der Disposition der Verwaltung 2 0 , die sich dafür i m Drei-Phasen-Programm einen eigenen Rahmenplan geschaffen hat. Dies zeigt den Prozeßcharakter des Planungsgesetzes: die einzelnen Planziele sind jeweils nur Durchgangsphasen zur Erreichung des nächsten Planziels, wobei je nach wirtschaftlicher Situation auch eine kritische Uberprüfung und gegebenenfalls Korrektur eines Ziels durchgeführt werden muß. Dies zeigt weiterhin eine dem Kohlegesetz wie dem Stabilitätsgesetz als Planungsgesetzen gemeinsames Charakteristikum: sie müssen eine weitgehende Entscheidungs- und Gestaltungsbefugnis an die Verwaltung delegieren; der Gesetzgeber stellt nur allgemein gehaltene Zielvorstellungen auf, die eigentlichen struktur- oder wirtschaftspolitischen Entscheidungen werden von der Verwaltung getroffen, etwa wenn sie feststellt, daß ein Vorhaben volkswirtschaftlich besonders förderungsw ü r d i g ist oder nicht (§ 32 KG) 2 1 . Das hat insbesondere i n den Bereichen der Wirtschaftslenkung ein sehr viel größeres Eigengewicht der Verwaltung zur Folge: sie wendet nicht allein durch Subsumtion Gesetze an, sondern hat auch die Aufgabe der Mitgestaltung und Konkretisierung, Verdeutlichung und Planung 22 . Das Gesetz, insbesondere das Planungsgesetz, ist nicht nur Ermächtigung und Schranke der Verwaltung, sondern vor allem auch Auftrag, als es die Verwaltung dazu verpflichtet, eigenverantwortlich die vom Gesetzgeber nur rahmenhaft angedeuteten Ziele zu verwirklichen 2 3 . Gygi spricht ausdrücklich von einem „Planungsauftrag" an die Verwaltung 2 4 . 20 „ V e r w a l t u n g " w i r d hier i m weitesten Sinn, also unter Einbeziehung der Regierung, verstanden. 21 Gleichlautende oder ähnliche Formulierungen finden sich immer häufiger i n neueren Gesetzen; vgl. etwa § 1 Abs. 2 des Entwicklungshilfe-Steuergesetzes 1968, BGBl. I 1968, S.217; § 1 Abs. 4 des sog. Investitionszulagengesetzes, BGB1.1 1969, S. 1211. 22 Darauf hat zuletzt insbesondere Scheuner (DÖV 1969, S. 591) hingewiesen. Vgl. zu der ganz ähnlich gelagerten Auffassung i n den U S A Fritz W. Scharpf, Die politischen Kosten des Rechtsstaats. Eine vergleichende Studie der deutschen u n d amerikanischen Verwaltungskontrollen, Tübingen 1970, S. 20 f. 23 E i n solcher A u f t r a g an die V e r w a l t u n g w i r d auch neue Anforderungen an die Verwaltungsorganisation stellen; vgl. dazu Herzog, Wissenschaftliche Entwicklung, S. 27 ff.; Fritz W. Scharpf, Die planende V e r w a l t u n g i n der Demokratie, Recht u n d P o l i t i k 1969, S. 20 ff. 24 J d l n U K , Bd. I V (1962—63), S. 19.
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3. Kap.: Justiziabilität im Hinblick auf das Kohlegesetz
Da der Gesetzgeber gezwungen ist, das Planungsgesetz flexibel zu gestalten, ist er auch gezwungen, auf Begriffe zurückzugreifen, die sich nur selten volkswirtschaftlich, fast nie juristisch ableiten lassen 25 (etwa das „gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht" des § 1 StabG oder den Begriff der „optimalen Unternehmensgröße" des § 18 KG). Sucht nun ein Betroffener Rechtsschutz vor einem Gericht m i t der Behauptung, eine Maßnahme der Verwaltung entspreche nicht den Anforderungen des jeweiligen Planungsgesetzes, so steht der Richter vor dem Dilemma, entweder vor der Schwierigkeit der juristischen Konkretisierung dieser Begriffe zu kapitulieren, oder eigene sachliche Überlegungen an die Stelle derjenigen der Verwaltung zu setzen. Wenn man anerkennt, daß sich aus der Struktur der Planungsgesetze die Notwendigkeit ergibt, m i t Begriffen zu operieren, denen ein konkretisierbarer Rechtsgehalt nur schwer beigelegt werden kann 2 6 , dann folgt daraus, daß ein Gericht jedenfalls keine exakten juristischen Kontrollmaßstäbe hat, soweit es eine Maßnahme an dem ihr zugrundeliegenden Planungsgesetz prüft; die Einschränkung ergibt sich also unmittelbar aus der notwendigen Struktur der Gesetze, die offen halten müssen, wie i n einer konkreten Situation die Elemente des magischen Vierecks gewichtet werden und wie i n einer bestimmten Wirtschaftssituation die optimale Unternehmensgröße aussehen muß. Damit stellt sich die Frage, wer diese Bestimmung i m Einzelfall vornimmt, wer die Entscheidung treffen soll. Das Schwergewicht liegt i n diesen Fällen nicht bei der durch Gerichte nachvollziehbaren Wertung eines Sachverhalts nach rechtlichen Maßstäben, sondern bei der politischen Dezision 27 . Das Prozeßhafte und das bewußte Offenlassen der Planimgsgesetze für vielfältige Entscheidungen ist normativer Einordnung schwer zugänglich. Das i n den Gesetzen vorherrschende operationale Element verdrängt die Normativität 2 8 . Dies hat Rückwirkungen auf die gerichtliche Kontrolle i n zweierlei Hinsicht: — es fehlen juristisch konkretisierbare Beurteilungskriterien; — bei gerichtlichen Entscheidungen besteht die Gefahr eines Ubergreifens i n Sachbereiche, die möglicherweise politischen Instanzen vorbehalten bleiben sollen. 25 Vgl. Konrad Redeker, Sozialstaatliche Gestaltung u n d rechtsstaatliche Bindung. Zugleich: Standort der Verwaltungsgerichte i n diesem Spannungsfeld, DVB1. 1971, S. 369, 373. 26 Das B V e r f G hat allgemein für wirtschaftslenkende Gesetze die Notwendigkeit der Verwendung imbestimmter Begriffe anerkannt; s. etwa BVerfGE 8, 274ff., 310 (Preisgesetz); vgl. auch Gygi, J d l n t J K , Bd. I V (1962—63), S.20f. 27 Friauf, öffentlicher Haushalt u n d Wirtschaft, S. 37 f. 28 Vgl. auch die Überlegungen des Sachverständigenrates (Jahresgutachten 1969, BT-Drucks. VI/100, Tz. 267) zum Verhältnis Parlament — Exekutive: der Entscheidungsprozeß verlaufe dann optimal, w e n n das Parlament k o n -
2. Die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 Kohlegesetz
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Unter diesen beiden Gesichtspunkten soll daher i m folgenden das Kohlegesetz untersucht werden, u m zu prüfen, inwieweit sich infolge dieses Gesetzescharakters Einschränkungen der Justiziabilität bei der Überprüfung einzelner Maßnahmen aus materiell- bzw. funktionellrechtlichen Gründen ergeben.
2. Die Maßnahmen des Bundesbeauftragten und die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 K G Die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 K G verpflichtet den Bundesbeauftragten zunächst, bei seiner Tätigkeit den Vertrag über die Gründung der EGKS, die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung und die Förderung des technischen Fortschritts i n der Energiewirtschaft zu beachten. Gleichzeitig hat er nach dieser Regelung darauf hinzuwirken, daß die Bergbauunternehmen ihre Produktion den Absatzmöglichkeiten anpassen und die Steinkohlebergwerke m i t der nachhaltig stärksten Ertragskraft ihre Produktionskapazität auszunutzen. Dabei hat er die gesamtwirtschaftlichen Belange sowie die besondere soziale und regionalwirtschaftliche Situation der Steinkohlebergbaugebiete zu berücksichtigen. M i t dieser Regelung ist dem Bundesbeauftragten ein Programm für seine Arbeit vom Gesetzgeber mitgegeben worden, an dem er seine Maßnahmen zu orientieren hat. Solche „Programmformulierungen" i n Gesetzen sind i n letzter Zeit immer häufiger geworden 29 und entsprechend stieg auch die Anzahl der dadurch aufgekommenen Fragestellungen. Dabei ergibt sich zunächst das Problem, wie diese Programmformulierungen juristisch zu qualifizieren sind. Diese Frage kann unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzes i n zweierlei Hinsicht von Bedeutung werden: einmal dann, wenn etwa ein Unternehmen die i h m gegenüber ergangene Empfehlung m i t der Begründung anfechten w i l l , sie stehe m i t § 1 K G nicht i n Einklang; zum anderen könnte sich etwa die Notwendigkeit einer Inzidentkontrolle ergeben, wenn die Feststellung über das Vorliegen der optimalen Unternehmensgröße bei einem junkturpolitische Ziele „operational definierte" u n d der Exekutive mehr k o n junkturpolitische Befugnisse überantwortete. 29 s. z. B. § 1 StabG, § 1 Abs. 4, 5 B B a u G v o m 23. 6.1960 (BGBl. I, S. 341), § 1 Raumordnungsgesetz v o m 8.4.1965 (BGBl. I, S. 306); vgl. aber auch schon die Präambel des Energiewirtschaftsgesetzes v o m 13.12.1935 (RGBl. I, S. 1451), die durch Militärregierungsgesetz Nr. 1 ausdrücklich außer K r a f t gesetzt w o r den ist; s. Wolf gang Ludwig — Adolf Cordt — Jürgen Stech, Recht der E l e k trizitäts-, Gas- u n d Wasserversorgung, Kommentar, F r a n k f u r t 1971, S. 28 ff.
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3. Kap.: Justiziabilität im Hinblick auf das Kohlegesetz
Unternehmen von diesem angefochten wird, w e i l die zugrundeliegende Verordnung nicht dem § 1 K G entspreche. Für den § 1 des Stabilitätsgesetzes — der i n seiner Funktion dem § 1 K G am nächsten steht und deshalb hier als Vergleichsmaßstab 30 herangezogen werden soll — ist überwiegend die Auffassung vertreten worden, er stelle keinen bloßen Programmsatz dar, sondern normiere eine Rechtspflicht m i t der Folge strikter Bindung der betroffenen Staatsorgane; würden die Ziele des § 1 StabG nicht beachtet, seien die getroffenen Maßnahmen rechtswidrig 31 . Eine Einschränkung macht i n diesem Zusammenhang allerdings Friauf 2: zwar normiere § 1 StabG eine Rechtspflicht, es fehle i h m aber „selbst ein M i n i m u m an konkretisierbarem Rechtsgehalt". Umgekehrt fordert Vogel 33 dazu auf, dem § 1 „so viel Rechtsgehalt wie nur irgend möglich abzugewinnen", u m den verpflichtenden Charakter des § 1 zu aktualisieren. Demgegenüber sieht Götz 34 i n dieser Vorschrift die „gesetzliche Formulierung einer Aufgabe" und warnt vor der Illusion, das „gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht" könne sich, etwa m i t der Figur des unbestimmten Rechtsbegriffs, judiziell handhaben lassen. I n die gleiche Richtung tendiert auch der Beitrag von SchmidtPreuß 35. I n Anlehnung an den Luhmannschen Begriff des „Zweckprogramms" 3 6 , bezeichnet er § 1 StabG als „Plan-Programm" 3 7 , u m damit zweierlei zum Ausdruck zu bringen: einmal, daß den betroffenen staat30 Dabei soll nicht verkannt werden, daß zwischen Kohlegesetz u n d Stabilitätsgesetz ein Unterschied insofern konstruiert werden kann, als die Handhabung des Stabilitätsgestzes i m wesentlichen i m Bereich der Regierung liegt, während das Kohlegesetz v o m Kohlebeauftragten als Bundesoberbehörde ausgeführt w i r d . Vergleiche können u n d müssen aber angestellt werden, w e n n man die Fragestellung zunächst auf die Gesetzgebungstechnik u n d die daraus resultierenden Folgerungen reduziert. 31 So insbes. Stern, i n : Stern-Münch, Stabilitätsgesetz, S. 91; vgl. auch Friauf, öffentlicher Haushalt u n d Wirtschaft, S. 37 f.; Klaus Vogel, Steuerrecht u n d Wirtschaftslenkung, Jahrbuch der Fachanwälte f ü r Steuerrecht 1968/69, S. 225, 237; Markus Wiebel, Wirtschaftslenkung u n d verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz des Wirtschafters nach dem Erlaß des Stabilitätsgesetzes, res publica Bd. 23, S t u t t g a r t - B e r l i n - K ö l n - M a i n z 1971, S. 69. 32 Friauf, öffentlicher Haushalt u n d Wirtschaft, S. 37 f. 33 Vogel, Steuerrecht u n d Wirtschaftslenkung, S. 237. 34 Besprechung des von Möller herausgegebenen Kommentars zum Stabilitätsgesetz, JZ 1969, S. 756. 35 Plan-Programm u n d Verfassung. Bemerkungen zu § 1 Stabilitätsgesetz, DVB1. 1970, S. 535 ff. 36 s. z. B. Niklas Luhmann, Zweckbegriff u n d Systemrationalität. Über die F u n k t i o n v o n Zwecken i n sozialen Systemen, Tübingen 1968, insbes. S. 195 ff. Über das Verhältnis von Zweckprogrammen u n d Prozeß i m Bereich des Zivilrechts vgl. Othmar Jauernig, Materielles Recht u n d Prozeßrecht, JuS 1971, S. 329 ff., 333 f. 37 a.a.O., S. 536.
2. Die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 Kohlegesetz
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liehen Instanzen ein differenziertes Instrumentarium zur Beeinflussung der globalen Wirtschaftsgrößen zur Verfügung stehe; zum anderen, daß die Maßnahmen auf Grund des Stabilitätsgesetzes nicht Ergebnis von Begriffsanalysen und Rechtsanwendung, sondern Ergebnis von Prognose und Entscheidung seien. § 1 StabG sei „ein plan-programmatischer Organauftrag zur Erhaltung bzw. Herstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" 38 . Während also die eine Ansicht (Stern, Friauf, Vogel, Möller) das Normative bei § 1 StabG i n den Vordergrund stellen w i l l (allerdings z. T. durchaus m i t der Erkenntnis, daß die entsprechende juristische Konkretisierungsaufgabe für die Begriffe noch nicht geleistet ist bzw. wohl auch nicht geleistet werden kann), legen Götz und Schmidt-Preuß das Hauptgewicht auf das Prozeßhaft-Operationale des § 1 StabG, damit auf Programm, Prognose und Entscheidung der Regierung 39 . Versucht man, auch für solche primär an die Exekutive gerichteten Formulierungen einen weiteren Vergleich zu finden, so bietet sich die Sozialstaatsklausel aus der Verfassung an 40 . Auch sie ist als eine an Exekutive und Legislative gestellte Aufgabe anzusehen, als Verfassungsauftrag, nicht als Verfassungsbefehl, wie etwa die Regelungen i n A r t . 6 Abs. 5, 21 Abs. 3 GG 4 1 . Ähnlich wie Schmidt-Preuß § 1 StabG als „Plan-Programm" bezeichnet, nennt Badura die Sozialstaatsklausel ein „Verfassungsprogramm", das „dem Gesetzgeber fortdauernd eine bestimmte Richtung vorschreibt" 42 , ohne daß man darüber hinaus bestimmte Entscheidungen und Gestaltungen als auf Grund der Sozialstaatsklausel geboten ansehen könne. Die A r t und Weise der V e r w i r k 38
Ebd., S. 537; Hervorhebungen v o n Schmidt-Preuß. Joseph H. Kaiser bezeichnet das Stabilitätsgesetz als „normatives A k tionsmodell" (Der Plan als ein I n s t i t u t des Rechtsstaats u n d der M a r k t w i r t schaft. Umrisse eines Aktionsmodells, i n : Planung I I , S. 11, 17), ohne auf die Frage der Verbindlichkeit des § 1 einzugehen. 40 Aus der zahlreichen L i t e r a t u r sei n u r hingewiesen auf Christian Friedrich Menger, Der Begriff des sozialen Rechtsstaates i m Bonner Grundgesetz, Tübingen 1953; Ernst Forsthoff u n d Otto Bachof, Begriff u n d Wesen des sozialen Rechtsstaates, W D S t R L Heft 12 (1953), B e r l i n 1954, S. 8 ff. bzw. 37 ff.; Helmut Ridder, Die verfassungsrechtliche Stellung der Gewerkschaften i m Sozialstaat nach dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1960, S. 3 ff.; Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 5. Aufl., Karlsruhe 1972, S. 84 ff.; Wolf gang Abendroth, Z u m Begriff des demokratischen u n d sozialen Rechtsstaats i m Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, i n : Festschrift f ü r L u d w i g Bergstraesser, Düsseldorf 1954, S. 279 ff.; aus politologischer Sicht: HansHermann Hartwich, Sozialstaatspostulat u n d gesellschaftlicher status quo, K ö l n u n d Opladen 1970. 41 Vgl. hierzu Ekkehard Wienholtz, Normative Verfassung u n d Gesetzgebung. Die V e r w i r k l i c h u n g von Gesetzgebungsaufträgen des Bonner G r u n d gesetzes, Diss. iur. Freiburg 1968, S.40ff., 47. 42 A u f t r a g u n d Grenzen der V e r w a l t u n g i m sozialen Rechtsstaat, DÖV 1968, S. 446 ff., 449; s. auch Peter Lerche, Das Bundesverfassungsgericht u n d die Verfassungsdirektiven, A Ö R Bd. 90 (1965), S. 351. 39
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3. Kap.: Justiziabilität im Hinblick auf das Kohlegesetz
lichung des Sozialstaats sei allein an die politische Entscheidung des Gesetzgebers gebunden, woraus insbesondere zu folgern sei, daß die Sozialstaatsklausel nicht zur Grundlage individueller Ansprüche gemacht werden könne 43 . Das bedeutet, daß durch die Verankerung des Sozialstaats i m GG dem Gesetzgeber lediglich eine mehr oder minder bestimmte Zielsetzung für seine A k t i v i t ä t vorgeschrieben w i r d m i t der Aufgabe, möglichst nahe an dieses Ziel heranzukommen. Dabei muß es i h m überlassen bleiben, wie er es i m einzelnen definiert und m i t welchen M i t teln er es zu erreichen versucht. Diese Gedankengänge können durchaus auf die programmatischen Vorschriften des Stabilitätsgesetzes und des Kohlegesetzes übertragen werden. Wenn die Verfassung und das darin verankerte Sozialstaatsprinzip, m i t HäberZe 44 zu sprechen, sich als „Sozialprogramm einer 'res publica semper reformanda'" darstellen, aus denen nicht schon jede Entscheidung zwingend ableitbar ist, sondern die jeweils vom Gesetzgeber i n einer politischen Entscheidung zu aktualisieren sind, dann gilt genau das gleiche für die Programmsätze dieser Planungsgesetze i n ihrem Verhältnis zur Exekutive: m i t ihnen hat der Gesetzgeber die Exekutitve beauftragt, ein bestimmtes Ziel („gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht", „Ausrichtung der Produktionskapazität nach den A b satzmöglichkeiten") zu erreichen. Insoweit besteht also eine Bindung, als die Exekutive nicht von sich aus andere Ziele an deren Stelle setzen kann. Es besteht aber keine inhaltliche Bindung der Art, daß diese Ziele statisch i m Sinne des historischen Gesetzgebers zu interpretieren wären und nur dessen Vorstellungen zugrunde gelegt werden dürften, oder der A r t , daß sich einzelne Entscheidungen als zwingend geboten aus diesen Formulierungen ableiten ließen. Der Gesetzgeber zieht sich i m Gegenteil gerade aus einem Teil der Verantwortung zurück, indem er es der Verwaltung überläßt, die jeweils gültige Interpretation und das jeweils passende Instrument 4 5 zu finden und anzuwenden. Das läßt sich wiederum am besten am Beispiel des § 1 StabG zeigen: i n der Wirtschaftswissenschaft besteht Einigkeit darüber, daß unter den vier Bestandteilen des „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" Zielkonflikte auftauchen können, z. B. dann, wenn man stabile Preise m i t angemessenem Wirtschaftswachstum verbinden w i l l 4 6 . Wenn solche Kon43 So auch Hesse, Verfassungsrecht, S. 86; Werner Weber, Die verfassungsrechtlichen Grenzen sozialstaatlicher Forderungen, Der Staat 1965, S. 409 ff. 44 Peter Häberle, Grundrechte i m Leistungsstaat, S. 99. 45 U m m i t dem B i l d von Karl Schiller ( K o n j u n k t u r p o l i t i k auf dem Weg zu einer Affluent Society, Festgabe f ü r A l e x Möller, Karlsruhe 1968, S. 61, 67) f ü r das StabG zu sprechen: das richtige Werkzeug aus dem „Werkzeugkasten konjunkturpolitischer Steuerungsmöglichkeiten" herauszugreifen. 46 Vgl. Münch, i n : Stern-Münch, Stabilitätsgesetz, S. 88.
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flikte auftreten, dann muß die durch das Stabilitätsgesetz beauftragte Bundesregierung eine Entscheidung fällen, die nicht juristischer Subsumtion entspringt, sondern Resultat einer politischen Wertung ist, einer Wertung, die i n der gegebenen Situation z.B. Preisstabilität höher gewichtet als Wachstum. Daraus den Schluß zu ziehen, die dann getroffene Maßnahme sei rechtswidrig 47 , w e i l sie nicht auch zu angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen könne, wäre verfehlt, w e i l man damit dem programmatisch-prozeßhaften Charakter des Stabilitätsgesetzes nicht gerecht würde, der es durchaus erlaubt, dem jeweiligen Wirtschaftsablauf entsprechend der einen oder der anderen Komponente einen höheren Stellenwert beizumessen, wenn nur dadurch das Programm als ganzes nicht i n Frage gestellt oder gar ersetzt wird. Kann man deshalb — bei der Auslegung unterstützt durch einen Rückgriff auf die Funktion der Sozialstaatsklausel i n der Verfassung — § 1 StabG wie auch § 1 K G als Zielvorgabe des Gesetzgebers an die Verwaltung, als Plan-Programm verstehen, so fragt sich, inwieweit solche Programme sich als justiziabel erweisen. Von dem eben geschilderten Ausgangspunkt her erscheint es zumindestens problematisch, die Begriffe in § 1 StabG und § 1 K G als „unbestimmte Rechtsbegriffe" einzuordnen 48 . Ein solcher soll immer dann vorliegen, wenn das Gesetz einen auslegungsfähigen Begriff gebraucht, der aber nicht die Wahl zwischen mehreren Verhaltensmöglichkeiten gibt, sondern bei dem vom Gesetz nur ein bestimmtes Verhalten als gewollt und damit als richtig angesehen wird 4 9 . I n diesem Sinne werden etwa das „öffentliche Interesse", die „öffentliche Sicherheit", ein „wichtiger Grund", eine „unbillige Härte" etc. als unbestimmte Rechtsbegriffe bezeichnet 50 . 47 Ob Stern (a.a.O., S. 66, 91) auch diese Fälle i m Auge hat, w e n n er schreibt, die Nichtbeachtung der i n § 1 StabG genannten Ziele mache die getroffene Maßnahme rechtswidrig, erscheint zweifelhaft, s. auch Wiebel, W i r t schaftslenkung u n d verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz, S. 76 f. Wiebel ist der Auffassung, daß zumindest die Nichtberücksichtigung eines Teilziels die getroffene Maßnahme rechtswidrig mache. 48 Als unbestimmte Rechtsbegriffe m i t Beurteilungsspielraum werden die Ziele des § 1 StabG bezeichnet v o n Stern, i n : Stern-Münch, Stabilitätsgesetz, S. 92; Möller, Kommentar, Rdnr. 13 zu § 1; demgegenüber ist Vogel (Steuerrecht u n d Wirtschaftslenkung) der Auffassung, § 1 StabG enthalte eine E r messensregelung (S. 239); diese unterschiedlichen Auffassungen zeigen bereits die Unsicherheit u n d Fragwürdigkeit der Unterscheidung von „Ermessen" u n d „unbestimmtem Rechtsbegriff"; vgl. dazu Horst Ehmke, „Ermessen" u n d „unbestimmter Rechtsbegriff" i m Verwaltungsrecht, Recht u n d Staat Heft 230/231, Tübingen 1960, insbes. S. 30 ff. 49 So die durchaus herrschende Lehre; vgl. statt aller etwa Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, 8. Aufl., München 1971, S. 178 ff.; Dietrich Jesch, Unbestimmter Rechtsbegriff und Ermessen i n rechts theoretischer u n d verfassungsrechtlicher Sicht, AöR Bd. 82 (1957), S. 163; Forsthoff, Lehrbuch, S. 81 ff. 50 s. die Zusammenstellung bei Wolff, S. 178.
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3. Kap.: Justiziabilität im Hinblick auf das Kohlegesetz
Nach auch heute noch ganz überwiegender Meinung 5 1 hat das Vorliegen eines unbestimmten Rechtsbegriffs zur Folge, daß die Anwendung dieses Begriffs i m vollen Umfang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, da ja eben nur eine Auslegung i m Sinne des Gesetzgebers die richtige sein kann. Dieses Ergebnis w i r d aber durch die von Otto Bachof 2 begründete Lehre vom Beurteilungsspielraum eingeschränkt. Danach soll die Möglichkeit bestehen, daß innerhalb der unbestimmten Rechtsbegriffe — von Bachof i n „Erfahrungsbegriffe" und „Wertbegriffe" unterteilt — der rechtsanwendenden Behörde ein Spielraum für die Sachverhaltsbeurteilung verbleibt, dessen Einhaltung die getroffene Maßnahme als rechtmäßig erscheinen läßt. Wenn also der Verwaltung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist, dann sollen innerhalb dessen mehrere Entscheidungen rechtmäßig sein. Das Gericht könne dann nur darüber entscheiden, ob die Grenzen des Beurteilungsspielraums eingehalten sind 5 3 . Die Lehre vom unbestimmten Rechtsbegriff hat — und das ist ungeachtet aller scharfsinnigen begrifflichen Differenzierungen w o h l das Entscheidende — i m Verhältnis zu den Gerichten einen immer stärker werdenden Funktionsverlust der Verwaltung bewirkt, da das grundsätzlich nicht nachprüfbare Ermessen aus dem Tatbestandsbereich verdrängt und hier die Verwaltung zum schlichten Gesetzesvollzieher degradiert wurde. Das mußte sich u m so mehr auswirken, als die Rechtsprechung immer seltener das Vorliegen eines Beurteilungsspielraums anerkannt, die Entscheidungen der Verwaltung also einer immer weitergehenden Nachprüfung unterzogen und ihr einen eigenen Bewertungsspielraum schließlich nur noch bei Prüfungs- und prüfungsähnlichen Entscheidungen, sowie bei Beurteilungen i m Beamtenrecht überlassen hat 5 4 . A n diesem grundsätzlichen Befund ändert sich prinzipiell auch nichts durch die sog. „Faktorenlehre" des BVerwG 5 5 . Danach soll bei bestimm51
s. die i n F N 49 Genannten. Beurteilungsspielraum, Ermessen u n d unbestimmter Rechtsbegriff i m Verwaltungsrecht, JZ 1955, S. 97 ff., 100; s. auch die v o n Carl Hermann Ule (Zur A n w e n d u n g unbestimmter Rechtsbegriffe i m Verwaltungsrecht, Gedächtnisschrift f ü r Walter Jellinek, München 1955, S. 309 ff.) begründete „ V e r tretbarkeitslehre", die i m wesentlichen zu den gleichen Ergebnissen k o m m t w i e Bachof. 53 Anders aber Walter Schmidt (Gesetzesvollziehung durch Rechtssetzung. Untersuchungen zu den Verwaltungsvorschriften u n d der „Selbstbindung der Verwaltung", Bad H o m b u r g - B e r l i n - Z ü r i c h 1969, S. 142f.): innerhalb eines Beurteilungsspielraums sei n u r die v o m zuständigen Organ getroffene Beurteilung rechtmäßig, alle anderen dagegen irrelevant. 54 Sehr i n s t r u k t i v B V e r w G E 26, 65 ff., 75 f.; 35, 69 ff.; zur Entwicklung vgl. Fritz Ossenbühl, Tendenzen u n d Gefahren der neueren Ermessenslehre, D Ö V 1968, S. 618 ff., 621 m i t F N 24; s. auch Forsthoff, Lehrbuch, S. 85 m i t F N 2, der keinen Anlaß f ü r die Anerkennung eines Beurteilungsspielraums sieht. 52
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ten Begriffen („dienstliches Bedürfnis", „geordnete städtebauliche Entwicklung") zwar kein Beurteilungsspielraum gegeben sein, bestimmte Verwaltungsentscheidungen sollten aber als Vorfragen prägend auf den auszulegenden Rechtsbegriff einwirken und nur beschränkt nachprüfbar sein. I m eigentlichen Streitfall findet aber eine volle Nachprüfung statt. Auch m i t dieser weitergehenden Differenzierung w i r d man, worauf gleich noch näher einzugehen sein wird, wenigstens den bei staatlicher Wirtschaftslenkung auftauchenden Problemen einfach nicht gerecht. I n jüngster Zeit scheint sich allerdings eine Aufweichung dieses bisher i n erster Linie von der Rechtsprechung eingenommenen Standpunkts anzudeuten. Ausgangspunkt dafür ist das Urteil des BVerwG vom 16.12.1971 zum Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften 56 , das i n Abweichung zu einer vorangegangenen Entscheidung des BVerwG 5 7 der Bundesprüfstelle einen Beurteilungsspielraum bei der Entscheidung zugesteht, ob eine Schrift i n die Liste jugendgefährdender Schriften aufgenommen werden soll. Dabei ist nicht so sehr das Ergebnis der Entscheidung als „Sensat i o n " 5 8 zu bezeichnen, als vielmehr einige Passagen der Begründung, die i n der Tat auf eine Neubesinnung der Rechtsprechung hindeuten und einige der hier bereits genannten K r i t i k p u n k t e berücksichtigen. So w i r d die i n Frage stehende Entscheidung als „vorausschauendes und zugleich richtungweisendes Urteil m i t erheblichem Einschlag wertender Elemente" bezeichnet, bei der es sich als Fiktion erweise, wenn man eine einzige richtige Lösung bei der Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs für möglich halte 5 9 . Hier deutet sich somit eine Abkehr des BVerwG von einer Subsumtionsautomatik an, die glaubt, die einzig richtige Lösung allein dem Gesetz entnehmen zu können. Andererseits hat aber das OVG Münster i n einer zeitlich dem genannten Urteil des BVerwG nachfolgenden Entscheidung 60 wieder betont, daß es sich i n § 18 a Abs. 1 des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften u m einen voll nachprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff handelt, wenn dort die Frage gestellt wird, ob eine 55 Vgl. B V e r w G E 19, 82 ff., 86; 26, 65 ff., 76; dazu Fritz Ossenbühl, Ermessen, Verwaltungspolitik u n d unbestimmter Rechtsbegriff, D Ö V 1970, S. 84 ff.; Hugo Kellner, Einiges zum behördlichen Ermessen, D Ö V 1969, S. 309 ff., 312; Roland Geitmann, Bundesverfassungsgericht u n d „offene Normen". Z u r B i n d u n g des Gesetzgebers an Bestimmtheitserfordernisse, Schriften zum öffentlichen Recht Bd. 154, B e r l i n 1971, S. 53 f. m i t F N 154. 66 J Z 1972, S. 104 ff. m i t A n m e r k u n g von Bachof, ebd., S. 208 ff. 57 B V e r w G E 23, 112 ff. 58 So Bachof, J Z 1972, S. 208 ff. 59 BVerwG, a.a.O., S. 206. 60 O V G Münster, U r t e i l v. 23. 6.1972, Az. X I I A 301/69.
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3. Kap.: Justiziabilität im Hinblick auf das Kohlegesetz
Schrift m i t einer anderen „ganz oder i m wesentlichen inhaltsgleich" sei. Hieran zeigt sich, daß die Rechtsprechung noch uneinheitlich ist und es w o h l noch einiger Zeit bedarf, ehe eine neue Linie gefunden ist, die die Ausdehnung der Kontrollzuständigkeit der Gerichte wieder reduziert. Leider hat auch der Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes v. 19.10.1971 61 hier nicht zu einer eindeutigen Lösung beigetragen: der durch einen Vorlagebeschluß des BVerwG 6 2 veranlaßte Beschluß ordnet § 131 Abs. 1 AO, wonach Steuern dann erlassen werden können, „wenn ihre Einziehung nach Lage des Falles unbillig wäre", als einheitliche Ermessensentscheidung ein, währenddessen das BVerwG hier die Koppelung einer Ermessensregelung („können") m i t einem unbestimmten Rechtsbegriff („unbillig") angenommen hatte. Die Argumentation des Gemeinsamen Senats bleibt wesentlich i m Begrifflichen stecken und ist zudem auf den Einzelfall des § 131 AO bezogen; hierin ist zwar eine der Sache angemessene Selbstbeschränkung zu sehen, doch trägt sie für den Augenblick nicht dazu bei, die Positionen zu verdeutlichen. Unabhängig von der durch die eben genannten Erkenntnisse wieder i n Bewegung gekommene Diskussion w i r d man aber festhalten müssen, daß die Figur des unbestimmten Rechtsbegriffs durch die Formulierungen des § 1 K G — wie auch die des § 1 StabG 63 — überfordert ist. Bei den i m Bereich von Planungsgesetzen an die Verwaltung erteilten Ermächtigungen zu flexiblen Entscheidungen je nach wirtschaftlicher Situation handelt es sich nicht u m Rechtsanwendung, schon gar nicht u m das Finden der vom Gesetz vorgegebenen einzig richtigen Entscheidung. Es handelt sich immer u m eine politische Wertung, Auswahl und Entscheidung 64 , wenn etwa i m Bereich des § 1 StabG die eine oder andere Komponente des „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" i n den Vordergrund gestellt w i r d ; oder wenn i m Bereich des § 1 K G geprüft werden muß, welches Unternehmen die „nachhaltig stärkste Ertragskraft" aufweist. E i n Gericht hat hier auch i m Streitfall keinerlei normativen Ansatz, der es i h m ermöglichen würde, diese Begriffe aufzufüllen, es muß vor diesen ökonomischen Formeln kapitulieren 6 5 . 61 JZ 1972, S. 655 ff.; vgl. dazu Otto Bachof, Neue Tendenzen i n der Rechtsprechung zum Ermessen u n d zum Beurteilungsspielraum, J Z 1972, S. 641 ff. 62 B V e r w G E 35, 69 ff. 63 So auch Manfred Löwisch, Die Ausrichtung der tariflichen Lohnfestsetzung a m gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht, R d A 1969, S. 129 ff., 136. 64 So jetzt auch Werner Krawietz, Unbestimmter Rechtsbegriff, öffentliches Interesse u n d gesetzliche Gemeinwohlklauseln als juristisches Entscheidungsproblem, Der Staat 1972, S. 349 ff., 357. 65 So Biedenkopf, B B 1968, S. 1005ff., 1010 f.; die Überforderung des Richters i n diesen Fällen zeigt sehr plastisch Gygi, J d l n t J K , Bd. I V (1962/63), S. 23 f.; 28.
2. Die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 Kohlegesetz
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Diese Kapitulation kann man i h m auch dadurch nicht ersparen, daß man solche ökonomischen Prozeßbegriffe i n Rechtsbegriffe umstilisiert. Hierdurch kommt nur die Unsicherheit der Rechtswissenschaft i n A n betracht dieser Entwicklungen zum Ausdruck. Es kommt aber auch zum Ausdruck, daß man m i t einer statischen Betrachtungsweise, m i t der alleinigen Frage nach Rechtsnatur und Rechtsform, staatliche W i r t schaftsplanung als institutionalisierten Prozeß rechtlich nicht erfassen kann 6 6 . Es zeigen sich hier deutlich die Auswirkungen der Tatsache, daß staatliche Planung lange Zeit primär unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzes gesehen wurde, m i t dem man „Interventionen" des Staates i n den „privaten" Sektor, i n die Freiheit des Einzelnen, abwehren wollte, ohne zu sehen, daß diese Interventionen möglicherweise gerade erst i n der Lage waren, Freiheit zu schaffen 67. Große Teile des Steinkohlebergbaus z. B. hätten ohne die massiven staatlichen „Interventionen" etwa ihre Berufsfreiheit schon lange nicht mehr ausüben können. Die Definition der Begriffe des § 1 K G wie des § 1 StabG als unbestimmte Rechtsbegriffe (möglicherweise m i t Beurteilungsspielraum) entspricht somit nicht dem bisherigen Verständnis von dieser Rechtsfigur, es handelt sich nicht u m auslegungsfähige Wert- oder Erfahrungsbegriffe; darüber hinaus würde eine solche Betrachtungsweise, die einseitig am gerichtlichen Rechtsschutz orientiert ist, den i n diesen Sachbereichen für die Verwaltung notwendigen weiten Gestaltungs- und Entscheidungsrahmen über Gebühr einengen 68 . Weiterhin besteht die Gefahr, daß bei Annahme eines unbestimmten Rechtsbegriffs die Gerichte ihre eigene Sach-Entscheidung an die Stelle derjenigen der Verwaltung setzen. Diese Gefahr verkennt Wiebel 69, wenn er für § 1 StabG die A u f fassung vertritt, hier würden Rechtsmaßstäbe aufgestellt, an denen sich eine gerichtliche Kontrolle hinreichend orientieren könne. Das führt i h n zu der w o h l unhaltbaren These, ein Gericht könne die Rechtswidrigkeit
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Leibfried-Quilisch, atomzeitalter 1967, S. 557. s. hierzu Wagner, öffentlicher Haushalt u n d Wirtschaft, S. 72 f. 68 Gegen die unkritische Überwälzung der Figur des unbestimmten Rechtsbegriffs auf spezifisch ökonomische Begriffe auch Martin Bullinger, Staatsaufsicht i n der Wirtschaft, W D S t R L Heft 22 (1963), B e r l i n 1965, S. 264 ff., 292 m i t F N 121. 69 Wirtschaftslenkung u n d verwaltungsgerichtlicher Rechtschutz, S. 72 ff.; ebenso Joachim Schmidt-Salzer, Der Beurteilungsspielraum der Verwaltungsbehörden. Z u m Verhältnis zwischen V e r w a l t u n g u n d Verwaltungsgerichtsbarkeit, Schriften zum öffentlichen Recht Bd. 74, B e r l i n 1968, S. 86 f. SchmidtSalzer w i l l eine Selbtsbeschränkung der Gerichte aus dem „richterlichen T a k t " herleiten, der sich einer normativen Erfassung entziehe. Ä h n l i c h auch Ernst-Werner Fuss, Z u r richterlichen Prüfung v o n Gesetz u n d Gesetzanwendung, i n : Hamburger Festschrift f ü r Friedrich Schack, H a m b u r g 1966, S. 11 ff., 24; kritisch dazu jetzt auch Bachof, JZ 1972, S. 645. 67
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einer Maßnahme feststellen, deren Folge z. B. eine sechsprozentige Preissteigerung wäre, da bei einer solchen Steigerung sicher nicht mehr von „Preisstabilität" i m Sinne des § 1 StabG gesprochen werden könne 70 . Aber selbst wenn man dem Gericht eine solche Feststellung m i t der Folge der Unwirksamkeit der getroffenen Maßnahmen zubilligen wollte, so wäre es doch mindestens bei der Frage nach der Kausalität zwischen Maßnahme und Preissteigerung überfordert 7 1 ; diese Feststellung ist aber erforderlich, u m zu dem Verdikt der Rechtswidrigkeit zu gelangen. Es handelt sich demgegenüber u m aus dem ökonomischen Bereich übernommene Prozeßbegriffe ohne normativen Gehalt, der ihnen auch nicht durch Auslegung unterschoben werden kann 7 2 . Das bedeutet für den Fall des Kohlegesetzes, daß den Gerichten für sie verwertbare K r i terien fehlen, wenn sie etwa die Verordnung über die optimale Unternehmensgröße oder eine Empfehlung des Bundesbeauftragten auf eine Anfechtungsklage h i n an den Maßstäben des § 1 K G messen. Von diesem Ausgangspunkt her erscheint es auch müßig, die Programmformulierungen des Kohlegesetzes und des Stabilitätsgesetzes wie Wiebei 73 es tut, daraufhin zu untersuchen, ob sie ein subjektives öffentliches Recht gewähren. Selbst wenn man dies gegen die h. L. 7 4 annehmen wollte, wäre bei dem Mangel an Justiziabilität doch dadurch nichts gewonnen 75 . Eine solche Reduktion der Prüfungsmöglichkeiten eines Gerichts ist keine gänzlich unbekannte Erscheinung. I n § 70 Abs. 4 Satz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27. 7.1957 76 w i r d aus70
a.a.O., S. 74. Vgl. die Bemerkung bei Gygi, J d l n t J K Bd. I V (1962/63), S. 28. s. auch Roman Herzog, Gesetzgeber u n d Verwaltung, V V D S t R L Heft 24 (1965), B e r l i n 1966, S. 183 ff., 191 m i t F N 30. Herzog unterscheidet hier z w i schen kompakten u n d diffusen Normen: die ersteren ließen einer Auslegung, die anderen einer P o l i t i k Raum. 73 Wirtschaftslenkung u n d verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz, S. 44 ff. 74 Nach der herkömmlichen Meinung, die i m einzelnen mannigfaltige V a riationen aufweist, soll ein subjektives öffentliches Recht dann vorliegen, w e n n ein zwingender Rechtssatz zumindest auch das Individualinteresse des Einzelnen begünstigen w i l l (so Wolff, Verwaltungsrecht I, S. 290 f. m i t u m fangreichen weiteren Nachweisen zu der fast unübersehbaren Literatur). I n jüngerer Zeit steht dieses Verständnis unter zunehmender K r i t i k , die insbesondere den Schutz des Individualinteresses durch eine N o r m nicht als k o n s t i t u t i v f ü r ein subjektives öffentliches Recht ansieht (so insbesondere Wilhelm Henke, Das subjektive öffentliche Recht, Tübingen 1968). Folgt m a n der h. M., so dürfte § 1 K G k e i n subjektives öffentliches Recht gewähren: er dient nicht der Befriedigung von Individualinteressen, sondern hat den Zweck, den Steinkohlebergbau als Ganzes wieder funktionstüchtig zu machen. 75 So w o h l auch Wilhelm Reuß i n der Besprechung der A r b e i t von Wiebei, DVB1. 1971, S. 837 f. 76 BGBl. I, S. 1081 i n der Fassung der Bekanntmachung v o m 3.1.1966, B G B l . I, S. 37. 71
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2. Die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 Kohlegesetz
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drücklich bestimmt, daß i m Beschwerdeverfahren gegen Verfügungen der Kartellbehörde das dafür zuständige Gericht gehindert ist, die W ü r digung der gesamtwirtschaftlichen Lage und Entwicklung durch die Kartellbehörde einer eigenen Nachprüfung zu unterziehen. Das bedeutet, daß das Gericht zwar alle Daten und Fakten, die die Kartellbehörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, als solche überprüfen kann. Es kann aber nicht die wirtschaftspolitische Würdigung, die die Behörde auf Grund der vom Gericht als richtig befundenen Fakten angestellt hat, zum Gegenstand einer eigenen Nachprüfung machen. Das zu Würdigende kann nachgeprüft werden, nicht aber die Würdigung selbst 77 . Die dabei getroffene Entscheidung soll eine für die Gerichte vorgegebene, unabänderliche Größe sein. Der Vergleich m i t dieser Materie liegt u m so näher, als auch das Wettbewerbsrecht als Regelung eines „dynamischen Prozesses" angesehen wird, der durch statische M i t t e l und starre Vorschriften nicht erfaßt werden könne; die gesetzliche Regelung müsse deshalb i n weitem Umfang Ermessenregeln und unbestimmte Rechtsbegriffe vorsehen (z. B. Berücksichtigung „der Gesamtwirtschaft und des Gemeinwohls", § 4 GWB; Uberwiegen des „Interesses an der Erhaltung des Wettbewerbs", § 6 Abs. 3 Satz 2 GWB) 7 8 . Obwohl diese Begriffe von der Literatur überwiegend als unbestimmte Rechtsbegriffe ausgelegt werden 79 , geht man teilweise so weit, sie von einer Überprüfung durch die Gerichte auszuschließen, sofern ihre Anwendung wie i n den genannten Beispielen von einer wirtschaftspolitischen Wertung abhängig ist 8 0 . Sofern diese Auffassung m i t dem Wesen des unbestimmten Rechtsbegriffs begründet wird, trifft sie sich sicherlich nicht m i t der allgemeinen Auffassung darüber. Sofern sie aber ihre Grundlage i n einer Beschränkung der Gerichte aus funktionell-rechtlichen Gründen hat, trifft sie den K e r n der Sache; dazu w i r d noch ausführlicher Stellung zu nehmen sein 81 . Selbstverständ77 So Edgar Kuli, Z u r Rechtsnatur des Verfahrens i n K a r t e l l - V e r w a l t u n g s sachen, JZ 1961, S. 681, 684; zur einschränkenden Interpretation dieser Bestimmung durch die Gerichte vgl. B G H Z 49, 367 ff., 372 f. 78 Kurt Zweigert i n : Müller-Henneberg-Schwartz, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen u n d Europäisches Kartellrecht (Gemeinschaftskommentar), 2. Aufl., K ö l n - B e r l i n - B o n n - M ü n c h e n 1963, A n m . 11 ff. zu § 70. 79 Zweigert, a.a.O.; Eugen Langen, Kommentar zum Kartellgesetz, 4. Aufl., Stand 1.2.1967, A n m . 14 zu §4, 31 zu §70; Hans Würdinger, Rechtskontrolle der Verfügungen der Kartellbehörden durch die Gerichte, W u W 1958, S. 392 ff.; Gerhard Benkendorff, Nochmals: Rechtskontrolle der Verfügungen der Kartellbehörden durch die Gerichte, W u W 1958, S. 740 ff. 80 So Zweigert, a.a.O., a.A. Langen, a.a.O., der auch bei den unbestimmten Rechtsbegriffen des G W B deren vollständige Überprüfung durch die Gerichte fordert. 81 Eine ganz ähnliche Regelung w i e § 70 Abs. 4 Satz 2 G W B findet sich i n A r t . 33 Abs. 1 des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft f ü r Kohle und Stahl v o m 18. 4.1951, B G B l . I I , 1952, S. 447.
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lieh kann diese Regelung nicht etwa auf das Kohlegesetz vorbehaltlos übertragen werden. Sie zeigt aber, daß i n vergleichbaren Bereichen der Gesetzgeber durch die Norm selbst den Gerichten Zurückhaltung gegenüber Verwaltungsentscheidungen auferlegt hat. Man w i r d dies zwar nicht als allgemeines, normativ nur i n § 70 Abs. 4 Satz 2 GWB zum Ausdruck kommenden Rechtsgrundsatz ansehen können, i n vergleichbaren Interessenlagen aber doch als Auslegungshilfe heranziehen dürfen. Auch wenn man § 1 K G als gemischten Tatbestand ansieht, der einerseits Prozeßbegriffe, andererseits aber auch eine Ermessensermächtigung enthält (der Bundesbeauftragte „hat die Aufgabe . . . darauf hinzuwirken . . ." 82 ), ändert sich die Situation für die kontrollierenden Gerichte nicht wesentlich. Abgesehen davon, daß sie bei dieser Konstruktion ohnehin nur auf Ermessensfehler nachprüfen können, werden sie dem Bundesbeauftragten noch ein besonders weitgehendes Ermessen einräumen müssen; der für ein Planungsgesetz notwendige offene Charakter des § 1 K G erfordert immer neue inhaltliche Ausfüllungen, für die die Norm selbst wegen der Unübersehbarkeit der möglicherweise zu entscheidenden Sachverhalte Ermessensschranken nur für die Zielerreichung setzt und damit nur geprüft werden könnte, ob die getroffene Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Ziels völlig untauglich ist. Unter diesem Aspekt hat das BVerfG 8 3 stets wirtschaftslenkende Gesetze geprüft und dabei dem Gesetzgeber einen weiten „Ermessens" 84 -Bereich oder „Gestaltungsfreiheit" 85 zugestanden. Da bei den Planungsgesetzen diese Gestaltungsmöglichkeit i m einzelnen auf die Exekutive verlagert ist, w i r d man ihr insoweit die gleichen Gestaltungsprivilegien wie dem Gesetzgeber zugestehen müssen m i t der Folge, daß ihre Entscheidungen nur i n äußersten Grenzfällen als ermessensfehlerhaft i m Sinne des Verwaltungsprozeßrechts deklariert werden können. Auch Fehler bei der wirtschaftlichen Prognose, etwa bei der Einschätzung gesamtwirtschaftlicher Belange, könnten danach eine Maßnahme des Bundesbeauftragten nicht als ermessensfehlerhaft erscheinen lassen 86 . A u f dieser Linie liegt 82 So meint z. B. Vogel ( V V D S t R L Heft 27, S. 94 — Diskussionsbeitrag —), daß der V e r w a l t u n g innerhalb des magischen Vierecks i n § 1 StabG ein sehr weiter Ermessensspielraum eingeräumt worden sei. 83 Zuletzt i n einem Beschluß v o m 9. 3.1971 zur Verfassungsmäßigkeit des sog. Absicherungsgesetzes v o m 29.11.1968, BGBl. I, S. 1255, JZ 1971, S. 686 ff. Das Gericht f ü h r t aus, der Gesetzgeber habe i n der Frage der Zwecktauglichkeit eines Gesetzes einen weiten „Beurteilungsspielraum" bzw. ein weites „Ermessen" (S. 687). Auch eine Fehlprognose mache das Gesetz allein noch nicht verfassungswidrig (S. 686); vgl. auch BVerfGE 16, 147 ff., 181 f. (Werkfernverkehr). 84 So z.B. BVerfGE 25, 314ff., 326 (Altershilfe für Landwirte); BVerfGE 25, l f f . , 20 (Mühlengesetz); zuletzt BVerfG, Beschluß v o m 16.3.1971, N J W 1971, S. 1255 ff., 1257 (Bevorratungspflicht). 85 Vgl. BVerfGE 24, 203 ff., 215 (Allgemeines Kriegsfolgengesetz); 23, 242 ff., 252 (Bewertungsgesetz). 86 s. den Beschluß des BVerfG, zitiert i n F N 83.
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es wohl auch, wenn Kurt Eichenberger 87 feststellt, daß die zur W i r t schaftsintervention berufene Verwaltung einen anderen Ermessensbegriff als die herkömmliche Eingriffsverwaltung handhabe, da sie auf anderer Ebene, m i t größerer Reichweite und weitergespannter Perspektive operiere — die Parallele zu den gesetzgeberischen Funktionen drängt sich bei diesen Formulierungen schon auf. Demgegenüber erscheint der Hinweis Vogels 88 auf die weitgefächerte Rechtsprechung zum § 1 BBauG vom 23. 6. i960 89 nur i m Ansatz zutreffend. I n dem Ansatz nämlich, daß die i n § 1 BBauG genannten Begriffe als solche sicherlich ebenso schwer juristisch zu konkretisieren sind, wie diejenigen i n § 1 StabG oder i n § 1 KG. Die Folgerung Vogels aber, die Gerichte hätten sich dieser Aufgabe der Konkretisierung unterzogen, ohne dadurch „eigentliche richterliche Aufgaben" zu verfehlen, mißt der richterlichen Kontrolle i n diesem Bereich eine zu weitgehende Bedeutung zu. M i t Recht hat Bachof i n der gleichen Diskussion 90 darauf hingewiesen, daß die Gerichte sich i n ihrer Rechtsprechung zu § 1 BBauG 9 1 zu stark i n die Gestaltungsfreiheit der zuständigen kommunalen Organe einmischen. Das habe zur Folge, daß die i n diesem Bereich an sich erforderliche politische Kontrolle i m Wege der A b w a h l oder Wiederwahl der Gemeindevertreter durch eine judizielle Kontrolle ersetzt werde, die zudem die ihr hier gestellte Aufgabe gar nicht erfüllen könne: das scheitere häufig allein schon an der Schwierigkeit, die tatsächlichen Umstände eines Bebauungsplans i n allen Einzelheiten aufzuklären 9 2 . Wenn die i n § 1 Abs. 4, 5 BBauG genannten Richtlinien für die Bauleitplanung von der Rechtsprechung als unbestimmte Rechtsbegriffe v o l l nachgeprüft werden 93 , wenn darüberhinaus teilweise auch die i n § 1 Abs. 4 Satz 2 geforderte Abwägung zwischen privaten und öffentlichen Belangen als v o l l nachprüfbarer Rechtsbegriff bezeichnet w i r d 9 4 , so fragt sich, ob die den Gemeinden durch Art. 28 Abs. 2 GG auch und gerade 87 Die richterliche Unabhängigkeit als staatsrechtliches Problem, Bern 1960, S. 180. 88 W D S t R L Heft 27, S. 94 — Diskussionsbeitrag. 89 B G B l . I, S. 341. 90 W D S t R L Heft 27, S. 98. 91 Vgl. etwa die grundlegende Entscheidung des B V e r w G v o m 12.12.1969, B V e r w G E 34, 301 ff. I n dieser Entscheidung stellt das B V e r w G auch klar, daß die i n § 2 Abs. 1 B B a u G den Gemeinden eingeräumte Befugnis, Bauleitpläne aufzustellen, besser als Einräumung einer planerischen „Gestaltungsfreiheit", nicht eines „Planungsermessens" bezeichnet werden sollte (S. 304). Vgl. weiter zu § 1 BBauG etwa O V G Lüneburg, D Ö V 1971, S.242; V G H Baden-Württemberg, Bad.Württ. V e r w B l . 1969, S. 156. 92 Bachof (a.aO.) belegt dies insbesondere auch m i t Erfahrungen aus eigener richterlicher Praxis. 93 s. B V e r w G E 34, 301 ff., 308. Irgendwelche Beurteilungsspielräume der Gemeinde werden hier v o m B V e r w G ausdrücklich abgelehnt. 94 So die frühere Rechtsprechung des V G H Baden-Württemberg, vgl. etwa E S V G H 17, 101 ff.
3 Seidler
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gewährleistete Planungshoheit nicht durch diese Praxis der Gerichte über Gebühr beschnitten wird. Symptomatisch für diese Entwicklung und diese Praxis ist ein (nicht rechtskräftiges) Urteil des V G Gelsenkirchen vom 2. 7.1971 95 , das darüber zu befinden hatte, ob ein emissionsintensives Glaswerk i n einem Wohngebiet gebaut werden dürfe. Von der Beklagten war u. a. vorgetragen worden, der Bau des Werkes sei notwendig, u m die Wirtschaftsstruktur der Stadt Gelsenkirchen zu verbessern und i n Anbetracht der anhaltenden Kohlenkrise neue Arbeitsplätze zu schaffen. Demgegenüber stellte das V G fest, der zugrunde liegende Bebauungsplan verstoße gegen § 1 Abs. 4, 5 BBauG, da er auch m i t öffentlichen Belangen nicht vereinbar sei. Diese forderten nämlich nach den städtebaulichen Fehlern der Vergangenheit eine strikte Trennung von Wohngebiet und Industriegebiet, u m gesunde Lebensverhältnisse zu schaffen. Daraus folgert das Gericht: „ E i n Vorhaben, das die unerwünschte Gemengelage von Industrie und Wohnbebauung, wie man sie auf Grund der Entwicklung i n den vergangenen Jahrzehnten besonders i m Ruhrgebiet und nicht zuletzt i n der Stadt Gelsenkirchen antrifft, noch verstärkt, muß deshalb als ausgesprochen fehlerhaft angesehen werden 9 6 ." Wie immer man zu dem Ergebnis stehen mag: das Gericht hat hier seine eigene politische Entscheidung nur schlecht m i t rechtlichen Argumenten bemäntelt und eindeutig i n die planerische Kompetenz der Exekutive eingegriffen. Die Rechtsprechung der Gerichte zum Ermessen und den unbestimmten Rechtsbegriffen, Folge einer „Subsumtionsideologie" 97 und einer vermeintlich totalen Verrechtlichung staatlicher Entscheidungen, mußte zu solchen Ergebnissen führen.
3. Auswirkungen funktionell-rechtlicher Gesichtspunkte auf die Justiziabilität der Maßnahmen I m vorigen Abschnitt wurde versucht zu zeigen, daß m i t den herkömmlichen Begriffen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes i m Bereich der Wirtschaftslenkung und -planung nur beschränkt gearbeitet werden kann. Das an der klassischen Eingriffsverwaltung ausgebildete juristische Instrumentarium läßt sich modernen Planungsgesetzen und -verfahren nicht ohne weiteres aufoktroyieren, „Ermessen" und „unbestimmter Rechtsbegriff" sind i n diesem Zusammenhang nur bedingt taugliche Kategorien. 95 96 97
DVB1. 1971, S. 832 ff. Ebd., S. 835. Schmidt, AöR Bd. 96 (1971), S. 349.
3. Auswirkungen funktionell-rechtlicher Gesichtspunkte
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Neben dieser zunächst rein begrifflichen Argumentation spielen aber vor allem funktionell-rechtliche Gesichtspunkte für die Frage eine Rolle, inwieweit Verwaltungsgerichte Entscheidungen nachprüfen dürfen, die nach den obigen Ausführungen zuvörderst der administrativen Gestaltungsfreiheit vorbehalten sind. Unproblematisch ist diese Fragestellung allerdings für die Vertreter jener Lehre, die der Verwaltung ein Tätigwerden nur und allein auf der Grundlage von Gesetzen zugestehen wollen 9 8 . Nach dieser Auffassung besitzt die Verwaltung keine eigenständige Funktion gegenüber dem Gesetzgeber, sie ist auf den Vollzug und die Konkretisierung von Gesetzen innerhalb eines genau begrenzten Rahmens reduziert. Wenn i n diesem Rahmen der Verwaltung ein Ermessen eingeräumt ist, dann bedeutet das nur, daß der Normbereich mehrere gleich richtige Entscheidungen zuläßt; die Verwaltung ist also auch da, wo sie Ermessen ausüben kann, nur vollziehende, nicht gestaltende Gewalt 9 9 . Die Einräumung eines Beurteilungsspielraums innerhalb eines unbestimmten Rechtsbegriffs w i r d entweder nur i m Bereich der Leistungsverwaltung anerkannt 1 0 0 oder total als verfassungswidrig abgelehnt 101 . A u f jeden Fall besteht eine fast vollständige Anbindung der Verwaltung an das Gesetz. Dies bedeutet, daß die Verwaltung nur Gesetzesvollzug ist, daß somit die Letztentscheidung, zumindest i m Bereich der Eingriffsverwaltung nur dem Richter zukommen kann, der die Gesetzeskonformität des Gesetzesvollzugs überwacht und jederzeit i n der Lage ist, Verwaltungsentscheidungen als nicht gesetzeskonform aufzuheben. Wenn es sich dabei u m i n tatsächlicher Hinsicht schwierige Entscheidungen handelt, wenn etwa medizinische oder technische Sachverhalte auf eine Rüge der Verwaltungsentscheidung vom Richter entschieden werden müssen, dann soll er, wie i n jedem anderen Gerichtszweig auch, die Möglichkeit haben, sich die erforderliche Sachkunde durch Sachverständige zu beschaffen 102 . I m übrigen aber sind Verwaltung und Rechtsprechung gleichermaßen Gesetzesanwendung, wobei dem Richter ein Letztentscheidungsrecht zusteht, während das Gestaltungsrecht allein dem unmittelbar demokratisch legitimierten Gesetzgeber zukommt. Diese Meinung müßte somit zu dem Ergebnis kommen, daß schon der i m Kohlegesetz dem Bundesbeauftragten erteilte Gestaltungsauftrag über die eigentlichen Funktionen der Verwaltung hinaus diesen m i t i h m nicht zukommenden Aufgaben betraut. A u f jeden Fall aber würde 98
So insbesondere Rupp, Grundfragen, S. 143 u n d passim; Dietrich Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, 2. unveränderte Aufl., Tübingen 1968, passim. 99 Jesch, AöR Bd. 82 (1957), S.211; Rupp, Grundfragen, S.206. 100 Jesch, AöR Bd. 82 (1957), S. 245 f. 101 Rupp, Grundfragen, S. 219 m i t F N 376. 102 Rupp, Grundfragen, S. 220. 5*
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3. Kap.: Justiziabilität im Hinblick auf das Kohlegesetz
sie den Gerichten die Befugnis, sogar die Pflicht zugestehen, alle Entscheidungen des Bundesbeauftragten am Maßstab des § 1 K G zu messen, u m festzustellen, ob diese Vorschrift richtig vollzogen ist. Allerdings erscheint diese Auffassung schon vom Ansatz her bedenklich. Hier liegt nämlich die Ansicht zugrunde, daß es möglich sei, zwischen den einzelnen Gewalten, speziell zwischen Gesetzgebung und Verwaltung, insoweit zu differenzieren, als der Gesetzgebung deshalb eine stärkere Legitimation zukomme, w e i l sie aus demokratischen Wahlen hervorgegangen ist. Dem ist entgegenzuhalten, daß der Verwaltung zumindest eine mittelbare demokratische Legitimation aus der Verfassung, aus ihrer Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) zukommt. Jegliche Wertung zwischen den einzelnen Gewalten m i t der Folge einer Uber- oder Unterordnung der einen oder der anderen würde verkennen, daß der Sinn der Gewaltenteilung unter dem GG nicht i n einem statischen, getrennten Nebeneinander, sondern i n einer elastischen gegenseitigen Kontrolle und Begrenzung liegt, die aber niemals so weit führen darf, die funktionelle Eigenständigkeit der Bereiche i m Grundsatz anzutasten. Es wäre m i t dem Gewaltenteilungsgrundsatz unter der Herrschaft des GG z. B. unvereinbar, wenn eine Gewalt i m Kernbereich ihrer Zuständigkeiten angetastet würde 1 0 8 . Die „Degradierung der Verwaltung zum bloßen Befehlsempfänger des Parlaments" 1 0 4 , d. h. auch der totale Gesetzesvorbehalt und damit auch totale judizielle Kontrolle der Verwaltung, wäre ein solcher m i t dem Grundgesetz nicht zu vereinbarender Eingriff. Diese Sicht verkennt auch, daß der moderne Staat weit mehr „Verwaltungsstaat" als „Gesetzgebungsstaat" ist, eine Wandlung, die von Loewenstein als die „ w o h l auffallendste Erscheinung der technologischen Staatsgesellschaft" 105 angesehen wird. Diese Wandlung geht so weit, daß 103 Vgl. BVerfGE 9, 268ff., 279 ff. (Bremer Personalvertretungsgesetz); vgl. auch Hans Peters, Die V e r w a l t u n g als eigenständige Staatsgewalt — Rektoratsrede —, Krefeld 1965, passim. Peters k a n n w o h l als der entschiedenste Gegner einer totalen A n b i n d u n g der V e r w a l t u n g an den Gesetzgeber angesehen werden; s. auch den Beitrag v o n Hermann Reuss, Gerichtsfreie u n d gerichtsunterworfene Verwaltung, i n : Gedächtnisschrift f ü r Hans Peters, Berlin-Heidelberg-New Y o r k 1967, S. 748 ff. 104 Bullinger, Vertrag u n d Verwaltungsakt. Z u den Handlungsformen u n d Handlungsprinzipien der öffentlichen V e r w a l t u n g nach deutschem u n d englischem Recht, res publica Bd. 9, Stuttgart 1962, S. 95. los Karl Loewenstein, Verfassungslehre, Tübingen 1959, S. 44; die Verwendung solcher Begriffe darf allerdings nicht zu einer Aufspaltung der Staatsgewalten i n dem Sinn führen, daß verschiedene Staatsfunktionen gegeneinander ausgespielt werden (so aber Fritz Werner, Die Gerichte i n der gewaltenteilenden Demokratie, Juristen-Jahrbuch Bd. 1 (1960), S. 68 ff., 71 f. Werner v e r w i r f t hier den „Verwaltungsstaat" als totalitär u n d fordert eine A k t i v i e r u n g des „Richterstaates", solange der „Gesetzgebungsstaat" keine Renaissance erfahren habe; mehr k a n n eigentlich der politische Prozeß, der eine Staatswillensbildung i m Gemeinwesen herbeiführt, nicht verkannt werden).
3. Auswirkungen funktionell-rechtlicher Gesichtspunkte man heute i m tatsächlichen Befund eher von einer Prärogative der Verwaltung gegenüber dem Gesetzgeber sprechen kann als umgekehrt. Zwar werden immer weitere Lebensbereiche durch gesetzliche Regelungen erfaßt, diese gesetzlichen Regelungen beruhen aber zum weitaus überwiegenden Teil auf Initiativen der Regierung und des ihr zur Verfügung stehenden Verwaltungsapparats, wodurch häufig eine weitgehende Vorfixierung des späteren Gesetzesbefehls bewirkt wird. Das bedeutet, daß zwar rein quantitativ das Parlament an Bedeutung gewonnen hat, daß aber sachlich eher eine Gewichtsverschiebung zugunsten der Exekutive eingetreten ist 1 0 6 . Bei dieser Sachlage eine völlige Unterordnung der Verwaltung unter den Gesetzgeber zu fordern, würde bedeuten, daß dem Parlament ein noch größerer Funktionsverlust entstände: je mehr es seine Gesetzgebungstätigkeit ausweiten muß, u m so mehr ist es darauf angewiesen, daß i h m von Regierung und Verwaltung „zugearbeitet" wird, w e i l es dem i n der Verwaltung konzentrierten Sachverstand auch bei weitgehender Ausgestaltung der parlamentarischen Hilfsdienste i m eigenen Bereich nichts Vergleichbares entgegensetzen kann. Die Verwaltung und der i h r zur Verfügung stehende Apparat könnten also i n noch größerem Umfang als bisher schon Entscheidungen des Gesetzgebers vorentscheiden, zumindest aber einen stärkeren Einfluß nehmen, m i t der Folge, daß das Parlament gegenüber der Verwaltung zur Bedeutungslosigkeit herabsinken würde 1 0 7 . Der radikaldemokratische Ansatz, der i n der Forderung nach totalem Gesetzesvorbehalt steckt, würde somit i n sein Gegenteil umschlagen, unmittelbare demokratische Kontrolle wäre noch weniger gewährleistet als unter den gegenwärtigen Umständen. Hier zeigt sich auch der weitere grundsätzliche Fehler dieser Lehre. Sie versucht nämlich, m i t einem vorgegebenen B i l d vom Rechtsstaat, m i t einer einseitigen Sicht der Verfassung allein als A n t w o r t auf den Nationalsozialismus, Forderungen an tatsächliche Verhältnisse zu stellen und bei Nichtübereinstimmung m i t den Forderungen diese Verhältnisse und Praktiken kurzerhand als verfassungswidrig zu erklären. Diese deduktive Methode, die eine wie immer gefundene und begründete Rechtsstaatstheorie tatsächlichen Verhältnissen überzustülpen versucht 108 , verkennt, daß eine Verfassung und somit ein auch sie tragendes Prinzip wie das Rechtsstaatsprinzip nicht eine ein für allemal m i t diesem historischen Inhalt festgelegte Grundentscheidung darstellt. ioe Vgl. hierzu Thomas Ellwein — Axel Görlitz, Parlament u n d V e r w a l tung, 1. Teil: Gesetzgebung u n d politische Kontrolle, S t u t t g a r t - B e r l i n - K ö l n Mainz 1967, S. 152. 107 Diese Folgerimg w i r d bereits für den heutigen Zustand z.B. gezogen von Johannes Agnoli, Die Transformation der Demokratie, Frankfurt 1968, S. 55 ff., 59 f. 108 So der V o r w u r f Redekers, DVB1. 1971, S. 371.
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Vielmehr lebt eine Verfassung m i t dem Gemeinwesen, das sie konstituiert, und ist damit wie dieses selbst auch Inhalts- und Bedeutungswandlungen unterworfen. Stellen sich dem durch die Verfassung geordneten Gemeinwesen neue Aufgaben und erfordern diese Aufgaben Rechtsformen und Verfahrensweisen, die nicht m i t einer notwendigerweise konkret historisch gebundenen Vorstellung eines abstrakten Verfassungsgesetzgebers übereinstimmen, so wäre es m i t der notwendigen Offenheit einer Verfassung unvereinbar, diese Entwicklungen allein m i t Blick auf ein vorgegebenes Rechtsstaatsmodell bremsen zu wollen. Das bedeutet nicht etwa, daß die Verfassung gegenüber neuen Entwicklungen völlig machtlos sei: es bleiben immer die Grundrechtsschranken, es bleibt A r t . 79 Abs. 3 GG und es bleibt die „normative K r a f t " der Verfassung, abhängig von ihrem Zusammenspiel m i t politischen und sozialen Verhältnissen und abhängig von dem Verwirklichungswillen der Beteiligten 1 0 9 . Die Festlegung eines bestimmten Rechtsstaatsprinzips m i t einem unverrückbaren Begriffsinhalt müßte aber, wie bei der Lehre von Rupp und Jesch, u. a. dazu führen, daß bestimmte staatliche Aufgaben nicht durchgeführt werden können, weil sie einen weitgehenden Gestaltungsauftrag an die Verwaltung erfordern 110 . Dies wäre i m Ergebnis nichts anderes als eine verfassungstheoretisch motivierte Kapitulation vor der notwendigen Gestaltung bestimmter Sozialbereiche. Wer eine „Renaissance des Gesetzgebungsstaates" oder eine totale Ausweitung des Vorbehalts des Gesetzes fordert, bewegt sich letztlich i n den Vorstellungen des 19. Jh., als die anders gelagerte soziale Strukt u r solche Forderungen verständlich machte. Eine totale Legalisierung der sich dem Sozialstaat stellenden Aufgaben m i t der Folge fester Tatbestandsumschreibungen und reiner Subsumtionstätigkeit der Verwaltung, erforderte einen völlig veränderten Gesetzgebungsstil, der wohl nicht zu schaffen ist 1 1 1 . Hinzu kommt, daß auch u n d gerade diese Theorie den Letztbetroffenen Steine statt Brot gibt: der Bürger kann immer noch m i t mehr Aussicht auf Erfolg m i t der Verwaltung i n Verhandlungen eintreten, als sich auf neue „Rechts"streitigkeiten einzulassen, über deren Voraussetzungen und Ergebnis bei der Flut der dann zu erlassenden Gesetze ohnehin keine Sicherheit bestehen kann: notwendige politische Auseinandersetzungen zwischen Bürger und Verwaltung würden i n rechtlichen Beziehungen erstarren. 109 A u f diese methodischen sowie verfassungstheoretischen Fragen k a n n hier nicht näher eingegangen werden; zum Methodischen vgl. etwa Friedrich Müller, N o r m s t r u k t u r u n d Normativität, Schriften zur Rechtstheorie Heft 8, B e r l i n 1966; Martin Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, entwickelt a m Problem der Verfassungsinterpretation, Schriften zum öffentlichen Recht Bd. 41, B e r l i n 1967; zum Verfassungstheoretischen vgl. Hesse, Verfassungsrecht, S. 10 ff. m.w.N. 110 Redeker, DVB1. 1971, S. 371. 111 So Gygi, J d l n t J K Bd. I V (1962/63), S. 5.
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E i n Angriff auf einen eigenständigen Gestaltungsauftrag der Verwaltung w i r d aber auch von einem anderen Ansatz her vorgetragen. Von dem als solchem akzeptierten Befund ausgehend, daß der Gesetzgeber immer mehr auf rechtlich konkretisierte Handlungsanweisungen an die Verwaltung verzichtet, behauptet Görlitz 112, daß die Gerichte sich i n diesen Fällen m i t der Begründung für unzuständig erklärten, ein Eingreifen sei ihnen aus dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung verwehrt. Görlitz meint demgegenüber, es sei gerade Hauptzweck der Gewaltenteilung, „den Interessen des Bürgers Geltung zu verschaffen" 113 und fordert deshalb eine totale Kontrolle „des Staatsapparates" durch die Gerichte. Anders als etwa die Lehre von Rupp und Jesch handelt es sich aber bei Görlitz nicht u m eine Rechtskontrolle (die allerdings häufig i n Zweckmäßigkeitskontrolle umschlägt), sondern ausdrücklich und gezielt u m eine Zweckmäßigkeitskontrolle durch die Verwaltungsgerichte 114 . Die Reduzierung der Gerichte auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle w i r d historisch damit erklärt, daß das Bürgertum an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert zur Verbürgung seiner Freiheiten eher dem Gesetzgeber als dem Richter vertraut habe und diesen deshalb streng an den Buchstaben des Gesetzes gebunden habe 115 . Demgegenüber fordert Görlitz die Verwaltungsgerichtsbarkeit dazu auf, ihren politischen Auftrag wahrzunehmen, u m bei der totalen Abhängigkeit des Bürgers vom modernen Staat die entscheidende Kontrollinstanz sein zu können. Jegliche Selbstbeschränkung der Gerichte, wie immer sie auch motiviert werde, führe nur zu einer Stabilisierung der „augenblicklichen Herrschafts Verhältnisse" 116 . Es ist diesen Thesen von Görlitz insofern zuzustimmen, als sie eine politische Funktion des Richters herausarbeiten. Diese besteht aber unabhängig davon, ob er sich auf Rechtskontrolle beschränkt oder auch Zweckmäßigkeitsüberprüfungen vornimmt. Gerade die Selbstbeschränkung, die nur zu einer Subsumtion eines Lebenssachverhaltes unter eine Norm führt, wobei aber nicht „die Norm an der Wirklichkeit" 1 1 7 gemessen wird, ist eine nur vermeintlich unpolitische Rechtsanwendung. Sie ist eminent politisch dadurch, daß sie potentielle Kontrollmöglichkeiten bewußt oder unbewußt aufgibt und dadurch den zu Kontrollierenden i n eine politisch freiere Entscheidungssituation versetzt. 112 Axel Görlitz, Verwaltungsgerichtsbarkeit i n Deutschland, NeuwiedB e r l i n 1970. A u f Grundlage einer Darstellung der Organisation der V e r waltungsjustiz u n d des Ergebnisses einer Umfrage unter hessischen V e r w a l tungsrichtern zieht Görlitz weitreichende Folgerungen f ü r eine Theorie der Verwaltungsgerichtsbarkeit (S. 243 ff.). 113 Ebd., S. 267. 114 Ebd., S. 268. 115 Ebd., S. 273. 116 Ebd., S. 267 f. 117 Ebd., S.278.
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Zweifelhaft erscheint aber schon, ob der Ausgangspunkt von Görlitz, die Verwaltungsgerichte legten sich selbst gegenüber der Verwaltung eine zu weit gehende Zurückhaltung auf, richtig ist. Für den Bereich der Verfassungsgerichtsbarkeit könnte eine solche These u. U. eher überzeugen, ist diese doch bereit, bei der Überprüfung gesetzgeberischer Maßnahmen dem Parlament einen weiten Spielraum, insbesondere bei wirtschaftslenkenden Maßnahmen, zuzugestehen 118 . Die Verwaltungsgerichtsbarkeit hingegen wies bisher eher die Tendenz auf, ihren Aktionsradius auf Kosten der Verwaltung auszudehnen. Wenn man m i t Görlitz davon ausgeht, daß die Verwaltungsgerichtsbarkeit immer Rechtskontrolle i m Sinne von „rechtlich richtig" gewesen ist, so muß sich diese Kontrollbefugnis i n dem Augenblick ausdehnen, i n denen gesetzliche Tatbestände weniger präzise gefaßt sind, w e i l — wie etwa bei den Planungsgesetzen — die Verwaltung nur durch eine gesetzliche Zielvorgabe determiniert ist, i m einzelnen aber weitgehende Gestaltungsmöglichkeiten hat. Eine eingehende Richtigkeitskontrolle (etwa auf Einhaltung der Maßstäbe des § 1 StabG oder § 1 KG) führt hier zu einer Verlagerung der Sachentscheidungskompetenz auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit 119 . Die Letztentscheidung liegt auch bei angeblich reiner Richtigkeitskontrolle schon bei den Gerichten. Es bleibt dann aber nicht nur bei dieser konkreten Letztentscheidung: ein verwaltungsgerichtliches Urteil, das i n einem Einzelfall den der Verwaltung vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsspielraum selbst ausfüllt, hat präjudizierende Wirkung, denn es bindet die Verwaltung i n künftigen Anwendungsfällen, interpretiert die diffuse Norm und kann somit der Verwaltung ein Programm oktroyieren, das nicht i h r Programm ist und möglicherweise nicht i n ihre längerfristigen Vorstellungen paßt 120 . Auch an dem bereits angeführten Beispiel der Rechtsprechung zu § 1 BBauG zeigt sich, daß entgegen der Annahme von Görlitz die Gerichte zumindest i m Mantel der Rechtmäßigkeitskontrolle häufig eigene Sachentscheidungen treffen. So wichtig auch der Ansatz von Görlitz ist, indem er klarzumachen versucht, daß richterliche Entscheidung immer politische Entscheidung ist, so wenig kann man i h m doch i m Ergebnis zustimmen. Es gelten diesem gegenüber die gleichen Bedenken, die auch gegenüber den Thesen von Rupp und Jesch vorgebracht wurden: eine totale Anbindung der Verwaltung an den Gesetzgeber oder eine totale Unterwerfung unter einen alles umfassenden Richterspruch würde die von der Verfassung 118
s. o. F N 83—85. Vgl. Scharpf, Die politischen Kosten, S. 41. 120 Ebd., S. 55 unter Hinweis auf Willi Geiger, Bindungen der V e r w a l t u n g durch verfassungsgerichtliche u n d verwaltungsgerichtliche Urteile, i n : Wandlungen der rechtsstaatlichen Verwaltung, Schriftenreihe der Hochschule Speyer Bd. 13, B e r l i n 1962, S. 115, 122 ff. 119
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gebotene Eigenständigkeit der Verwaltung i n ihrem Kernbereich treffen 1 2 1 . Ähnlich wie i m Verhältnis Ministerialbürokratie — Parlament kommt auch hier dazu, daß die Gerichte weder personell noch sachlich i n der Lage sind, so weitgehende Entscheidungen vorzunehmen, wie das spezialisierte Verwaltungsbehörden können 122 . Das könnte zur Konsequenz haben, daß eine Zweckmäßigkeitsprüfung durch die Gerichte dem Kläger letztlich keine Vorteile bringt: die Verfahren ziehen sich noch länger hin, als dies heute ohnehin schon der F a l l ist m i t der Folge, daß man allein aus diesem Grund sich schon scheut, überhaupt den Klageweg zu beschreiten. Versucht man demgegenüber, der Verwaltung ein eigenständiges Reservat zu erhalten, das etwa darin liegt, daß sie auch ohne ausdrücklichen gesetzlichen Auftrag tätig werden kann oder der Gesetzgeber ihr weitgehende eigenständige Gestaltungsaufgaben übertragen kann, so stellt sich doch auch die Aufgabe, ihren Funktionsbereich positiv gegenüber demjenigen der Rechtsprechung einzugrenzen. Dabei soll zunächst untersucht werden, welches die von der Verfassung der Rechtsprechung zugewiesenen Aufgaben sind. Rechtsprechung ist i n ihrer funktionellen Stellung gekennzeichnet durch die Aufgabe, eine verbindliche Letztentscheidung i n Fällen „bestrittenen oder verletzten Rechts" zu treffen: es ist eine Aufgabe der „Wahrung, . . . Konkretisierung und Fortbildung des Rechts" 128 . Demgegenüber eignet i h r nicht die Aufgabe, grundsätzlich politische Entscheidungen zu treffen wie die Regierung, oder fachliche Aufgaben eigenverantwortlich wahrzunehmen wie die Verwaltung 1 2 4 . Die Rechtsprechung ist das organisatorische Korrelat zur Einräumung von Rechten an den Einzelnen: nur wenn die Möglichkeit besteht, bestrittenes Recht zu verteidigen, die eingeräumten Rechte auch durchzusetzen und zu verwirklichen, kann eine Rechtsgewährung für den Einzelnen überhaupt sinnvoll sein. Das zeigt aber gleichzeitig den i n der Anlage grundsätzlich repressiven Charakter jeglicher Rechtsprechung, die erst i m Falle verletzten Rechts die Aufgabe hat, den dem Recht entsprechenden Zustand wiederherzustellen. Dieser Aufgabe hat sich der Richter grundsätzlich durch Subsumtion, nicht durch Dezision zu unterziehen 125 . Das 121 Gegen eine totale Verwaltungskontrolle durch die Gerichte auch Geitmann, Bundesverfassungsgericht u n d offene Normen, S. 105 f. m.w.N. zur Ausdehnung der Kontrollbefugnis durch die Gerichte. Vgl. auch Carl Hermann Ule, Die Bedeutung der Verwaltungsgerichtsbarkeit i n der Demokratie, i n : Zehn Jahre Verwaltungsgerichtsordnung, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 45, B e r l i n 1970, S. 20 ff., 33 f. 122 Vgl. Redeker, DVB1. 1971, S. 374. I2S Hesse, Verfassungsrecht, S. 219. 124 Hesse, Verfassungsrecht, S. 219. 125 So eine Formulierung Herbert Krügers (Die verfassungsgerichtliche Beurteilung wirtschaftspolitischer Entscheidungen, D Ö V 1971, S. 289 ff., 290) als
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bedeutet, daß es seine Aufgabe ist, Gesetze auszulegen und zu prüfen, ob die Auslegung, die die Verwaltung einem Gesetz gegeben hat, i m Sinne einer Subsumtion richtig ist. Diese A r t der Richtigkeitskontrolle setzt aber voraus, daß die Verwaltung selbst überhaupt Recht i m Wege der Subsumtion angewandt hat. Das ist grundsätzlich immer dann der Fall, wenn das anzuwendende Recht „konditional programmiert" 1 2 6 ist und i n einer „Wenn — Dann"-Relation lediglich eine Auslegung erfordert, u m die Rechtsfolge auszulösen, einer eigenständigen Entscheidung also keinen Raum läßt: Verwaltung und Gericht haben dann nur die Aufgabe, die Aussage des Gesetzes für den betreifenden Sachverhalt zu finden und danach zu handeln; die Regelung des Sachverhalts w i r d allein durch das Gesetz bestimmt. Dem stehen aber Gesetze gegenüber, die nicht oder nur begrenzt ein solches Konditionalprogramm enthalten, sondern „Zweckprogramme" 1 2 7 darstellen: ein bestimmtes Problem w i r d zur Regelung an eine bestimmte Behörde verwiesen, indem man ihr bestimmte Instrumente und allgemeine, konkretisierungsbedürftige Richtlinien vom Gesetzgeber zur Lösung des Problems zur Verfügung stellt. Dieser Typ von Gesetzen findet sich insbesondere i n der amerikanischen Praxis 1 2 8 . Die Einstellung des Gesetzgebers gegenüber der Verwaltung und die dem zugrunde liegenden Vorstellungen von Verwaltungsarbeit werden dabei häufig m i t einem Zitat von K. C. Davis 129 umschrieben: „Here is the problem. Deal w i t h it." Dieser Aufforderung des Gesetzgebers an die Exekutive i m amerikanischen Verständnis entspricht es, wenn etwa Scheuner vom Gesetz als „Auftrag der Verwaltung" 1 3 0 spricht. Sowohl das Stabilitätsgesetz wie das Kohlegesetz entsprechen diesem Typ von Gesetz. Sie stellen ein bestimmtes Programm auf (Erhaltung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts bzw. Neuordnung des Steinkohlebergbaus) und geben dafür der Verwaltung (Regierung) ein Instrumentarium an die Hand, m i t dem sie dieses Programm gestalten kann. Demgegenüber treten die konditional ausgestalteten Vorschriften i n den Hintergrund (sie finden sich etwa i n der Verpflichtung des § 3 StabG, Orientierungsdaten aufzustellen, wenn ein Ziel des § 1 StabG Forderung an die Verfassungsgerichtsbarkeit, die sich als Grundsatz auch auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit übertragen läßt. Dabei ist aber zu beachten, daß es sich hier i m m e r n u r u m ein Postulat handeln kann, w e i l eine säuberliche Trennung beider Aufgaben nicht immer möglich sein w i r d . 126 Vgl. Niklas Luhmann, Funktionale Methode u n d juristische Entscheidung, AöR Bd. 94 (1969), S. 1 ff., 3. 127 Luhmann, Funktionale Methode u n d juristische Entscheidung, ebd. 128 Scharpf, Die politischen Kosten, S. 20 f. 129 A d m i n i s t r a t i v e L a w Treatise, St. Paul 1958, Bd. I, S. 82, zitiert bei Scharpf, Die politischen Kosten, S. 21 m i t F N 36. 130 D Ö V 1969, S. 585 ff., 590; ebenso Gygi, J d l n t J K Bd. I V (1962/63), S. 19.
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gefährdet ist; darin erschöpft sich aber die Verpflichtung des Gesetzes auch schon — wie die Orientierungsdaten auszusehen haben, darüber ist dem Gesetz nichts zu entnehmen. Siehe auch etwa die §§ 3, 4 KG). Das bedeutet aber, daß die zuständigen Instanzen i n diesen Bereichen nicht Recht anwenden, insofern sie einen vom Gesetz gegebenen Befehl durch Auslegung ermitteln und schließlich i n die Tat umsetzen, sondern sie haben innerhalb des vom Gesetz vorgesehenen Zweckprogramms eigene Gestaltungsaufgaben. Es w i r d somit i m Fall des Kohlegesetzes und des Stabilitätsgesetzes nicht Recht angewandt, dessen richtige oder falsche Auslegung von den Gerichten überprüft werden könnte, sondern die zuständigen Instanzen nehmen die ihnen vom Gesetzgeber übertragene Primärverantwortung für die Gestaltung i m Rahmen der Gesetzesprogramme wahr, sie entscheiden 131 . Demgegenüber soll und muß die Verwaltungsrechtsprechung sich gerade i m Bereich der Wirtschaftslenkung und -planung auf eine Kontrolle beschränken, die nicht Richtigkeitskontrolle ist, da sie hier sofort i n Zweckmäßigkeitskontrolle umschlagen müßte; sie sollte vielmehr die gleiche Zurückhaltung an den Tag legen, wie es die Verfassungsrechtsprechung gegenüber dem Gesetzgeber tut, wenn sie i h m bei der Prüfung seiner Maßnahmen an Hand der Verfassung, insbesondere auf dem Gebiet der Wirtschaftslenkung, einen weiten Gestaltungsspielraum gewährt und ein Gesetz nur dann als verfassungswidrig ansieht, wenn schlechthin der verfolgte Zweck m i t i h m nicht erreicht werden kann oder sich für eine gesetzliche Regelung kein auch nur einigermaßen einleuchtender Grund ergibt 1 3 2 . Prüft deshalb ein Gericht eine Maßnahme des Kohlebeauftragten auf seine Vereinbarkeit m i t den Zielen des § 1 KG, so dürfte es nur fragen, ob die getroffene Maßnahme unter keinen denkbaren Umständen den Zielen des § 1 dienen kann. Das könnte etwa dann der F a l l sein, wenn der Bundesbeauftragte eine Empfehlung nach § 4 K G erteilt, ein Unternehmen, solle seine Produktion erhöhen, obwohl die vom Bundesbeauftragten selbst veröffentlichten Absatzvorausschätzungen nach § 2 K G ergeben haben, daß schon mittelfristig m i t einer Stagnation des Absatzes zu rechnen ist. Dies würde ganz offenkundig dem Ziel des § 1 K G widersprechen, wonach nämlich der Bundesbeauftragte darauf hinzuwirken hat, daß die Unternehmen ihre Produktionskapazität auf die Absatzmöglichkeiten ausrichten. 131 Ipsen (Verwaltung durch Subventionen, S. 282) hat das ausdrücklich f ü r die i n den Grenzen des Etattitels u n d bestimmter Richtlinien handelnde gestaltende Subventionsverwaltung ausgesprochen; die Voraussetzungen, u n ter denen der Bundesbeauftragte handelt, haben zwar Normcharakter, was aber nicht bedeutet, daß aus ihnen eine weitergehende inhaltliche B i n d u n g abzuleiten sei. Insoweit ist die Bemerkung Ipsens auch f ü r diesen Bereich von Bedeutung; vgl. auch Ossenbühl, D Ö V 1970, S. 89 m i t F N 55. 132 Vgl. oben F N 83—85; s. auch Brohm, Die Dogmatik des Verwaltungsrechts, S . 2 7 7 1
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Anders wäre die Frage möglicherweise zu beurteilen, wenn das betroffene Unternehmen sich nur insoweit gegen eine Empfehlung des Bundesbeauftragten wendet, als es die Höhe der empfohlenen Produktionsausweitung angreift, da diese nicht m i t den Absatzvorausschätzungen konform sei. Hier sollten sich die Verwaltungsgerichte auf eine Zweckverfehlungskontrolle beschränken, die etwa eine Empfehlung dann für rechtswidrig erklärt, wenn die Absatzvorausschätzungen eine A b satzsteigerung von 10 % projektieren, die Empfehlung aber eine Produktionssteigerung von 100 °/o vorsieht. Aber auch bei einer solchen Konstellation kann durchaus ein zwingender Grund für eine derartige Empfehlung vorliegen, wenn es sich nämlich bei dem betroffenen Unternehmen u m ein besonders rationell arbeitendes handelt; dann könnte der Bundesbeauftragte durchaus ein weiteres Ziel des § 1 K G für sich i n Anspruch nehmen, nämlich das Ziel, daß die Steinkohlebergwerke m i t der nachhaltig stärksten Ertragskraft ihre Produktionskapazität ausnützen können. Dies kann i h n zu der Maßnahme veranlassen, bestimmte Unternehmen stärker als andere zur Befriedigung der steigenden Nachfrage heranzuziehen. Wenn dies die erklärte und beweisbare Absicht des Bundesbeauftragten gewesen ist, dann sollte das Gericht hier nicht m i t einer Entscheidung eingreifen, die etwa besagen würde, daß allenfalls eine 50°/oige Produktionssteigerung hätte empfohlen werden dürfen: diese Entscheidung fällt i n den alleinigen Verantwortungs- und Kompetenzbereich des Bundesbeauftragten und darf nicht durch eine eigene sachliche Entscheidung des Gerichts ersetzt werden. Anders liegt der Fall natürlich dann, wenn festgestellt wird, daß eine Empfehlung nur zustandegekommen ist, w e i l das betroffene Unternehmen eine beträchtliche Spende zugunsten der Regierungspartei ausgesetzt hat: Mißbrauchs- und Willkürkontrolle können und müssen Verwaltungsgerichte immer durchführen. Demgegenüber erscheint die Betrachtungsweise von Schmidt-Preuß wohl nicht differenziert genug, wenn er für den Bereich des Stabilitätsgesetzes kategorisch feststellt, daß eine Kontrolle der staatlichen W i r t schaftspolitik i m Hinblick auf § 1 StabG aus funktionell-rechtlichen Gründen nicht i n Betracht komme 1 3 3 . So richtig dieser funktionell-rechtliche Ansatz ist, so wenig führt er doch i n seiner Radikalität der Schlußfolgerungen zu brauchbaren Ergebnissen: offensichtlichen Zweckverfehlungen, Mißbrauch und W i l l k ü r können trotz der aus funktionell-rechtlichen Gesichtspunkten gebotenen Zurückhaltung auch von den Gerichten Einhalt geboten werden; auch die Regierung arbeitet nicht i m rechtsleeren Raum.
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DVB1. 1970, S. 539.
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Dabei muß allerdings i m Vergleich Stabilitätsgesetz — Kohlegesetz noch ein Gesichtspunkt Berücksichtigung finden, der u. U. doch zu einer unterschiedlichen Betrachtungsweise beider Gesetze führen könnte: der Gesichtspunkt nämlich, daß für die Handhabung der Instrumente des StabG i n erster Linie die Bundesregierung (vgl. z.B. die §§2—4, 6 Abs. 2, 7 Abs. 2 StabG) oder ein Bundesminister (vgl. z. B. die §§ 6 Abs. 1, 9 Abs. 2, 10 Abs. 1) zuständig ist, während das Kohlegesetz von einer dem „Bundesminister für Wirtschaft" unmittelbar unterstellten Bundesoberbehörde angewandt wird. I n diesem Zusammenhang steht die Tatsache, daß es sich beim Stabilitätsgesetz u m einen Fall globaler Planung, u m allgemeine K o n j u n k t u r politik, handelt, während das Kohlegesetz nur einen bestimmten W i r t schaftssektor staatlicher Gestaltung anheimgibt. Daraus könnte man die Folgerung ziehen, daß ein qualitativer Unterschied dann besteht, wenn ein Gericht durch seine Urteile auf der einen Seite i n den neutralen Funktionsbereich der Regierung, auf der anderen Seite nur i n denjenigen einer nachgeordneten, weisungsgebundenen Verwaltungsbehörde eingreift. Die Unterscheidung von Regierung und Verwaltung w i r d i n der deutschen Tradition allgemein dahin getroffen, daß die Regierung verantwortlich zeichnet für die Leitung des Staatsganzen nach innen und nach außen; sie sei Entfaltung politischer Initiative und schöpferische Gestaltung 1 3 4 und i n dieser Aufgabe nur an einen sehr weit gespannten verfassungsrechtlichen Rahmen gebunden, wobei ihr die Globalsteuerung des Wirtschaftsprozesses z. T. ausdrücklich als Aufgabe zugewiesen wird135. Demgegenüber soll Verwaltung bestimmt sein durch die Wahrnehmung grundsätzlich rechtsgebundener Aufgaben, die mehr technischer Natur und auf bestimmte fachliche oder lokale Bereiche begrenzt sind. Dies gelte auch da, wo der Verwaltung ein besonderer Gestaltungsauftrag durch Konkretisierung unbestimmter Normen gegeben werde: auch hier seien von der Verwaltung fest umschriebene Probleme fachlicher oder organisatorischer A r t zu lösen 136 . Das Verhältnis von Regierimg und Verwaltung w i r d auch dadurch ausgedrückt, daß die Regierung zwischen dem vom V o l k gewählten Parlament und dem i n der Verwaltung manifestierten Behördenapparat stehen soll 1 3 7 ; einerseits habe sie den i n der Wahl zum Ausdruck ge134 Hesse, Verfassungsrecht, S.214; s. auch U l r i c h Scheuner, Der Bereich der Regierung, i n : Festgabe f ü r Rudolf Smend, Göttingen 1952, S. 253 ff., 278. 135 Hesse, Verfassungsrecht, S.212. 136 Ebd., S.214 f. 137 So Ekkehart Stein, Lehrbuch des Staatsrechts, 2. Aufl., Tübingen 1971, S. 80.
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kommenen politischen Willen gegenüber dem Behördenapparat durchzusetzen, andererseits sei sie selbst Spitze und Leitung dieses Apparats. Demgegenüber steht die Ansicht, daß es innerhalb des Gesamtbereichs „Exekutive" keinen eigenständigen Bereich der Regierung gebe 138 . Dieser könne auch nicht dadurch gefunden werden, daß man Verwaltung i m wesentlichen auf Gesetzesausführung, Regierung auf freie Gestaltung festlege. Insbesondere die leistende Verwaltung gestalte genauso wie die Regierung als Spitze der Exekutive und sei insoweit nichts anderes als die äußere Form der Regierung. Ebensowenig sei das Merkmal des „Politischen" zur Unterscheidung von Regierung und Verwaltung geeignet, da es keine „unpolitische" Verwaltungstätigkeit geben könne 1 3 9 . Diese Ausführungen zielen i n die Richtung, die Staatsleitung, soweit sie „Führungs-, Koordinierungs- und Lenkungsfunktionen" 1 4 0 umfaßt, unter dem Begriff des „government" zusammenzufassen, worunter nicht nur Regierung und Verwaltung fielen, sondern auch das Parlament, wenn und soweit es diese Funktionen ausübt. Von dieser Sicht w i r d stärker die Einheit der von der Verfassung vorgesehenen Institutionen betont, die nicht nach der organisatorischen Unterscheidung, sondern nach der jeweiligen Aufgabenstellung fragt. Die Gegenüberstellung dieser Auffassungen zeigt zumindest, daß es nicht immer möglich ist, die Funktionsbereiche von Regierung und Verwaltung auseinanderzuhalten 141 . A l l e i n schon die organisatorische Verbindung beider i n den Ministerien führt zu einer Überlagerung der A u f gaben; deshalb w i r d auch versucht, eine Trennung der beiden Bereiche nach Objekten durch eine Zuweisimg spezifischer Aufgaben (z. B. Außenpolitik, A k t e i m Verhältnis zum Parlament, Wirtschaftsverfassung etc.) an die Regierung zu ersetzen m i t dem ausdrücklichen Bemerken, daß je nach Situation und Umstand jede staatliche Tätigkeit zur Regierungstätigkeit werden könne 142 . Was den Bundesbeauftragten angeht, w i r d man allein aus seiner organisatorischen Stellung als Bundesoberbehörde nach A r t . 87 Abs. 3 Satz 1 GG für seine organisationsrechtliche Einordnung noch keine Rückschlüsse ziehen können. Vielmehr ist primär nach seinen Aufgaben 138 Walter Leisner, Regierung als Macht kombinierten Ermessens. Z u r Theorie der Exekutivgewalt, JZ 1968, S. 727 ff.; so auch Hans Peters, Lehrbuch der Verwaltung, Berlin-Göttingen-Heidelberg 1949, S. 8 f.; vorsichtiger Richard Bäumlin, Verfassung u n d V e r w a l t u n g i n der Schweiz, i n : Festschrift f ü r Hans Huber, Bern 1961, S. 69 ff., 83 ff. 189 Leisner, J Z 1968, S. 728 f. 140 Ehmke, „Staat" u n d „Gesellschaft" als verfassungstheoretisches P r o blem, i n : Festgabe f ü r Rudolf Smend, Tübingen 1962, S. 23 ff., 48 f. 141 So auch Hesse, Verfassungsrecht, S. 215. 142 So Wilfried Schaumann, A r t . „Regierung", i n : Staatslexikon, Bd. 6, 6. Aufl., Freiburg 1961, Sp. 762 ff., 764.
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zu fragen. Denn wie i m 1. Kapitel gezeigt wurde, ist die staatliche Kontrolle, Beeinflussung und Stützung des Steinkohlebergbaus zumindest i n den häufigen Krisenzeiten immer Sache der Regierung gewesen, sei es, daß von ihr durch Leitzahlen Zukunftsprojektionen für den Steinkohlebergbau aufgestellt wurden, sei es, daß sie — als „flankierende Maßnahme" — die Unternehmen der Mineralölindustrie zu Selbstbeschränkungsabkommen veranlaßte und das Bundeskartellamt anwies, sich i n diesem F a l l jeglicher Einmischung zu enthalten. Auch nach Erlaß des Kohlegesetzes hat sich daran nichts geändert. Die Verhandlungen über die Gründung der Ruhrkohle A G wurden i m wesentlichen vom Bundeswirtschaftsminister geführt 1 4 3 . Das Bundeskabinett beschäftigte sich am 7. 5.1969 m i t den Vertragsentwürfen für die Ruhrkohle AG. Die Frage, ob die i m Gründungsvertrag vom Bund übernommenen Bürgschaften für Einbringungsforderungen und langfristige Verbindlichkeiten der Ruhrkohle A G i n Anspruch genommen werden, ist ebenfalls eine Entscheidung, die letztlich allein der Bundesregierung obliegt, genauso wie die Frage, ob die zugunsten der Kohle bestehenden „flankierenden Maßnahmen" aufrechterhalten werden oder nicht 1 4 4 . Wenn man darüberhinaus i n Betracht zieht, daß es nach § 1 K G u. a. Aufgabe des Bundesbeauftragten ist, seine Tätigkeit unter Beachtung der allgemeinen Wirtschaftspolitik der Bundesregierung auszurichten, dann zeigen alle diese Erscheinungen zusammengenommen, daß die formale Stellung des Bundesbeauftragten allein nicht zu der Folgerung führen darf, es könne sich bei der Durchführung seiner Aufgaben nicht u m Regierungsaufgaben handeln: da die Steinkohle die wesentlichste eigene Energiequelle der BRD darstellt, kommt bei der Lenkung dieses Wirtschaftssektors der Regierung die primäre Verantwortung zu. Diese Tatsache zeigte sich besonders deutlich i m Spätsommer 1971, als bekannt wurde, daß die Ruhrkohle A G i n eine finanziell außerordentlich schwierige Situation geraten war. Die Diskussion u m die Sanierung der Ruhrkohle A G wurde damals immer unter dem Aspekt geführt, daß dies eine Aufgabe der Bundesregierung sei; man sprach von einem vom Bundeskabinett zu behandelnden Kohlepaket, von der Kohlenpolitik der Bundesregierung und vom Bundesbeauftragten als „Sonderbeauftragten der Bundesregierung" 145 . 145 Vgl. dazu u n d zum Folgenden Kuhnke, Die Ruhrkohle A G i m Rahmen der Neuordnung des Steinkohlenbergbaus, Dokumentarischer Anhang, S. 47 ff. 144 So wurde die Selbstbeschränkung der Mineralölindustrie i m März 1971 durch den Bundeswirtschaftsminister aufgehoben; vgl. Kaiser, N J W 1971, S. 585 F N 4. 145 So Wilhelm Throm, Laokoon an der Ruhr, F A Z v o m 10. 9.1971, S. 17; vgl. auch die Berichte der Süddeutschen Zeitimg (S. 24) u n d der Frankfurter Rundschau (S. 3) v o m gleichen Tag sowie der Süddeutschen Zeitung v o m 21.10.1971 (S. 24), die v o n einem Sanierungsprogramm der nordrhein-westfälischen Landesregierung f ü r die Ruhrkohle A G berichtet.
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3. Kap.: Justiziabilität im Hinblick auf das Kohlegesetz
Demgemäß erscheint die Beschränkung der Regierung allein auf die Führung der globalen Konjunkturpolitik zu eng 1 4 8 : wie die genannten Fälle zeigen, sind es immer wieder die Regierung oder ein einzelner Minister gewesen, die auch nach Inkraftreten des Kohlegesetzes den Wirtschaftssektor Steinkohlenbergbau zum Gegenstand ihrer A k t i v i t ä t gemacht haben. Obwohl der Bundesbeauftragte eine eigenständige Behörde ist, er auch eigenständige Entscheidungsbefugnisse hat (etwa A u f stellung der Absatzvorausschätzungen), so kann er doch seine Aufgaben immer nur entsprechend den — auch detailliert energiepolitischen — Vorstellungen und i n Kooperation m i t der Bundesregierung erfüllen. Ein Eingriff der Gerichte i n das Vorgehen des Bundesbeauftragten ist somit auch immer ein Eingriff i n die Vorstellungen der Bundesregierung, so daß sich i n diesem Bereich keine wesentlichen funktionellen Unterschiede zwischen Stabilitätsgesetz und Kohlegesetz ergeben. Die Schwierigkeiten, die sich ergeben, wenn man die Regierung allein auf die globale Wirtschaftssteuerung festlegen wollte, zeigen sich auch bei der Lösung anderer wirtschaftlicher Krisenerscheinungen (z. B. K r u p p Sanierung). Die Bewältigung solcher Probleme ist Aufgabe der Regierung, nötigenfalls i m Zusammenwirken m i t dem Parlament. Die Regierung kann sich hier nicht mehr allein auf die Globalsteuerungsmittel des Stabilitätsgesetzes verlassen, sie muß dann auch i n Einzelfällen eingreifen und m i t gezielten M i t t e l n zur Lösung des Problems beitragen; sie w i r d i n diesen Fällen zum direkten Verhandlungspartner der betreffenden Wirtschaftszweige 147 . Die Einordnung der sich aus der Neuordnung des Steinkohlebergbaus ergebenden Aufgaben i n den Bereich der Regierung sollte aber nicht zu der Folgerung verleiten, nur der Regierung stünde ein sich aus den Gesetzen ergebender Gestaltungsauftrag zu. M i t Abstufungen gilt das je nach der Materie auch für Verwaltungsbehörden, wie das Beispiel des Baurechts zeigen sollte 148 . 146 So w i l l auch Gygi (Rechtsfragen, S. 113 ff., 141, 146) wirtschaftsgestaltende V e r w a l t u n g i n die Nähe der Regierungstätigkeit rücken bzw. als T e i l derselben ansehen. 147 Bei derlei Tatbeständen, die einen weitgehenden Einfluß wirtschaftlicher Kreise auf die politische F ü h r u n g dokumentieren, liegt es nahe, von einem „staatskapitalistischen System" zu sprechen, das zwar i n Anbetracht der Ideologie der freien Wirtschaft systemfremd ist, v o n deren Anhängern aber hingenommen w i r d , w e i l sie auch Nutznießer dieses Systems sind; so Ellwein, Regierung u n d Verwaltung, Stuttgart 1970, S. 83. 148 I n diesem Gebiet steht zu befürchten, daß das „Städtebauförderungsgesetz" v o m 27.7.1971 (BGBl. I, S. 1125) nach der i n diesem Bereich noch g ü l tigen Rechtsprechung zu einem weiteren Exerzierfeld f ü r die Lehre v o n den unbestimmten Rechtsbegriffen w i r d . Formulierungen w i e „Die Maßnahmen müssen die Strukturverbesserung i n den Verdichtungsräumen... insbesondere i n den hinter der allgemeinen Entwicklung zurückbleibenden Gebieten, zum Gegenstand haben" (§ 1 Abs. 3), „städtebauliche Mißstände" (§ 3 Abs. 1), „ a l l gemeine Anforderungen an gesunde W o h n - u n d Arbeitsverhältnisse" (§3
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4. Art. 19 Abs. 4 GG Die hier vertretene Auffassung vom Verhältnis der Verwaltungsgerichte zur planenden und gestaltenden Exekutive bedarf allerdings noch einer Auseinandersetzung m i t A r t . 19 Abs. 4 GG. Das ist deshalb erforderlich, weil insbesondere von Seiten der Gerichte diese Verfassungsnorm als Vehikel benutzt wird, u m eine immer weitergehende Prüfungskompetenz gegenüber der Exekutive zu begründen. So hat etwa das BVerfG ausgeführt: „Der durch A r t . 19 Abs. 4 S. 1 GG gewährleistete Rechtsweg muß die vollständige Nachprüfung des Verwaltungsakts i n rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht durch ein Gericht ermöglichen" 1 4 9 . Nach Dürig 150 gewährleistet A r t . 19 Abs. 4 GG einen lückenlosen, umfassenden Rechtsschutz, was eine extensive Auslegung dieser Vorschrift erforderlich mache. Schließlich w i r d die Einräumung eines Beurteilungsspielraums teilweise als Verstoß gegen A r t . 19 Abs. 4 GG gewertet 151 . Diese weitgehenden Folgerungen, die aus der Rechtsweggarantie des GG gezogen werden, legen es nahe, wenigstens kurz einen Blick auf historische Bedingtheit und Funktion dieses „Schlußsteins" i m „Gewölbe des Rechtsstaats" 152 zu werfen. A r t . 19 Abs. 4 GG ist nur zu verstehen vor dem Hintergrund einer Theorie vom Rechtsstaat, deren Ideal die möglichst totale und lückenlose materiell-rechtliche Bindung der Exekutive i n ihren Beziehungen zum Bürger war. Diese Theorie w i r d gekennzeichnet etwa durch die Definition des Staates als juristische Person 153 und durch die Reduzierung der Staatszwecke auf die Verfolgung des Rechts i n den von diesem zur VerAbs. 2) werden bei einer weitgehenden Nachprüfung durch Gerichte zu Reibungsverlusten bei der Planung durch die Gemeinden führen, w e n n sich die Gerichte nicht auch hier dazu entschließen sollten, den Gemeinden ein gestalterisches „Prae" einzuräumen; vgl. dazu Peter Häberle, öffentliches Interesse als juristisches Problem. Eine Analyse von Gesetzgebung u n d Rechtsprechung, Bad Homburg 1970, S. 715. 149 BVerfGE 15, 275 (Bußgeld durch Finanzverwaltung). 150 I n : Maunz-Dürig-Herzog, GG, A n m . 9 zu A r t . 19 Abs. 4. 151 So Fritz Czermak, Z u r Lehre v o m gerichtsfreien Beurteilungsspielraum der Verwaltungsbehörden, JuS 1968, S. 399 ff., 402; dagegen jetzt B V e r w G , J Z 1972, S. 206, allerdings ohne nähere Begründung. 152 So Richard Thoma, Über die Grundrechte i m Grundgesetz f ü r die B u n desrepublik Deutschland, i n : Recht-Staat-Wirtschaft, 3. Bd., Düsseldorf 1951, S. 9. 158 Ausgehend v o n Wilhelm Eduard Albrecht (Rezension von Maurenbrechers „Grundsätze des heutigen Deutschen Staatsrechts" i n : Göttingische Gelehrte Anzeigen 1837, Bd. I I I , S. 1489 ff.) beherrschte diese Sicht i n mannigfachen Schattierungen die gesamte staatstheoretische Diskussion des 19. Jh. u n d fand i n unserem Jh. einen Höhepunkt i n der „Reinen Rechtslehre" Hans Kelsens. Vgl. zu dieser E n t w i c k l u n g umfassend Ulrich Häfelin, Die Rechtspersönlichkeit des Staates, I. Teil, Tübingen 1959. 6 Seidler
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3. Kap.: Justiziabilität im Hinblick auf das Kohlegesetz
fügung gestellten Formen 1 5 4 . Damit w i r d der Staat i n ein formalisiertes, sich unpolitisch verstehendes Gewand gekleidet und die Voraussetzung für ein Verständnis geschaffen, i n dem staatliches Handeln zumindest idealtypisch m i t justizförmigen A k t e n gleichgestellt w i r d : aus der objektiven, ordnungsstiftenden Norm mußte die Einzelfallregelung herauspräpariert werden, ohne daß nach dem Entstehungsgrund bzw. nach dem Ziel der gesetzlichen Ordnung gefragt werden konnte 1 5 5 . M i t anderen Worten: der politische Prozeß u n d die politischen Interessen, die eine Norm hervorgebracht haben und die bei der Anwendung eine Rolle spielen könnten, bleiben unbeachtet. Das Gesetz w i r d gleichsam als unbehauener Block i n die Hand des Juristen gegeben, der m i t dem i h m eigenen Auslegungshandwerk die jeweilige Entscheidung des Gesetzes für den Einzelfall finden und dieses dabei gleichzeitig i n Gestalt bringen soll 1 5 6 . Einen Höhepunkt hat dieses Verständnis i m Positivismus gefunden, i n dem der Staat nur noch aus Rechtsregelungen besteht und der handelnde, den Staat aktiv gestaltende Mensch gegenüber dem Gesetz keine Rolle zu spielen scheint. Kennzeichnend für diese Auffassung ist die Definition des Souveränitätsbegriffs: souverän ist nicht mehr der Monarch, souverän ist aber auch nicht das Volk, vielmehr verbinden sich Staat und Recht zur Staatssouveränität. Souveränität w i r d zum Rechtsbegriff, unter dessen Herrschaft auch der Staat selbst steht, ohne daß erklärt wird, von wem und wie dieses Recht begründet w i r d ; die Frage danach w i r d als „soziologisch" oder „politisch" aus den Betrachtungen ausgeklammert 157 . Es bleibt aber nicht dabei: später w i r d darüberhinaus unter Ablehnung der Staatssouveränität das Recht selbst zum Souverän erkoren 158 . Dabei ist allerdings zu beachten, daß diese Anschauung nur verständlich ist als A n t w o r t auf das monarchische Prinzip 1 5 9 und die damit bedete prinzipielle Allmacht des Fürsten. Es ist aber keine A n t w o r t i n der 154 Friedrich Julius Stahl, Die Philosophie des Rechts, 2. Bd., 2. Abteüung, 5. unveränderte Aufl., Tübingen 1878, Nachdruck Darmstadt 1963, S. 137 f. 155 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 1. Bd., 3. Aufl., München u n d Leipzig 1924, S. 58 f.; vgl. dazu Franz Neumann, Z u m Begriff der politischen Freiheit, i n : ders., Demokratischer u n d autoritärer Staat, F r a n k f u r t 1967, S. 100 ff., 109. 156 Diese Auffassimg findet sich i n modernen Versuchen wieder, Richterkunst gegen die angeblich mangelhaften Ergebnisse des „Gesetzgebungsstaates" zu mobilisieren; vgl. Werner, Juristen-Jahrbuch, Bd. 1, S. 68 ff. 157 Vgl. Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 474 ff. 158 So ausdrücklich H.Krabbe, Die Lehre der Rechtssouveränität. Beitrag zur Staatslehre, Groningen 1906; w o h l auch Hugo Preuß, Selbstverwaltung, Gemeinden, Staat, Souveränität, i n : Festgabe f ü r Paul Laband, 2. Bd., T ü bingen 1908, S. 199 ff., 243. 159 Dafür die prägnante Formulierung bei Stahl, S. 191: „Sie (die Souveränität) ist der Herrscherwille, der i m ganzen Bereiche des Staates gegenwärtig und w i r k s a m ist, seine innerste Persönlichkeit."
4. Art. 19 Abs. 4 GG
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Form der Abschaffung, sondern lediglich i n der Form der rechtlichen Einkleidung. Darin zeigt sich nach der gescheiterten Revolution die Resignation des Bürgertums, die durch den Versuch kompensiert wurde, die Verwaltung als Machtinstrument der königlichen Regierung wenigstens rechtlich zu bändigen, wenn schon die Übernahme der politischen Führung unmöglich geworden war 1 6 0 . Nach einer Formulierung Franz Neumanns tauschte das Bürgertum „die politische Freiheit gegen ökonomische Vorteile und Sicherheit" 161 , es übte nicht die Macht aus, sondern begnügte sich m i t den die Rechtsstaatlichkeit verbürgenden Absicherungen durch das förmliche Gesetz. Hermann Heller 162 hat dieses Verständnis zu Recht als eine Kehrtwendung vor dem eigentlich entscheidenden Problem, ob Volks- oder Fürstensouveränität, bezeichnet. Das Recht wurde hochstilisiert, u m die vom Monarchen abhängige Regierung wenigstens partiell zu binden und eine M i t w i r k u n g des Bürgertums bei i n Freiheit und Eigentum eingreifenden Maßnahmen durch das Erfordernis des allgemeinen Gesetzes zu garantieren, die eigentliche Machtfrage aber wurde nicht entschieden; das monarchische Prinzip, durch einige rechtliche Bindungen begrenzt, fand erst 1918 sein Ende. K e i n Ende fand aber der rein formelle Rechtsstaatsbegriff i n seiner Reduktion auf die Gewährleistung gesetzlicher Freiheit. Durch seine Formen schützt er den privaten Besitzstand, ohne i h n zu verändern und stabilisiert die bestehende Eigentumsordnung. Das allgemeine Gesetz ist der Garant privater Wirtschaftstätigkeit und nur aus i h m heraus sind die Beziehungen von Staat und Bürger zu ordnen. Abstrakte dogmatische Konstruktionen (formelles Gesetz — materielles Gesetz, Rechtssatz — Verwaltungsakt, Innenverhältnis —Außenverhältnis, abstrakt — konkret) sind die Hauptgegenstände des Staatsrechts, das sich i n eine vermeintlich unpolitische Sphäre zurückzieht und das Gesetz als eine Schranke zwischen dem prinzipiell freiheitlich verstandenen gesellschaftlichen und dem prinzipiell mit Zwang assoziierten staatlichen Bereich aufbaut 163 . Deshalb erscheint es richtig, wenn Karl Zeidler A r t . 19 Abs. 4 GG als „Schlußpunkt einer Auffassung vom Bürger-Verwaltungs-Verhältnis" bezeichnet, „die ganz auf dem Boden der Leitbilder des 19., vielleicht sogar des 18. Jahrhunderts steht. . . . Unter dem hier ausgesprochenem Blickwinkel ist es Ausdruck einer grundsätzlich — vom Bürger aus ge160 Die je verschiedene Funktion, die diese Reduzierung auf das Recht bei den verschiedenen Theoretikern v o n Stahl über Rudolf von Gneist u n d Otto von Gierke bis z u m Positivismus hatte, ist dargestellt bei Ernst-Wolfgang Böckenförde, Entstehung u n d Wandel des Rechtsstaatsbegriffs, i n : Festschrift f ü r A d o l f A r n d t , F r a n k f u r t 1969, S. 53 ff., 61 ff. 161 Z u m Begriff der politischen Freiheit, S. 109. 162 Die Souveränität. E i n Beitrag zur Theorie des Staats- u n d Völkerrechts, B e r l i n u n d Leipzig 1927, S. 70 ff. 163 Böckenförde, Entstehung u n d Wandel des Rechtsstaatsbegriffs, S. 66.
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3. Kap.: Justiziabilität im Hinblick auf das Kohlegesetz
sehen — dem Bürger als Gegner gegenüberstehenden Exekutive. I h r zu begegnen, sie i n die verfassungsmäßigen Schranken zu verweisen, w i r d weder der Bürger als mächtig genug bewertet, noch w i r d ihre Domestizierung i m verwaltungsinternen Bereich durch parlamentarische Kontrollen noch als ausreichend angesehen" 164 . Art. 19 Abs. 4 GG ist insofern die Krönung des liberalen Rechtsstaats, als m i t i h m der positivistische Glaube an die Gerechtigkeit des Gesetzes verbunden w i r d mit dem Glauben, daß es möglich sei, i m Wege der Auslegung und Subsumtion diese Gerechtigkeit durch Richter zu verwirklichen, u m somit spätestens auf dem Umweg über die Justiz materielle Gerechtigkeit und gleichzeitig Kontrolle zu gewährleisten. Erscheint diese Vorschrift somit als Ergebnis einer langen Tradition rechtsstaatlichen Denkens, so ist sie doch gleichzeitig A n t w o r t auf eine kurze, aber einschneidende Unterbrechung solchen Denkens i m Nationalsozialismus 165 . Eine stark ausgebaute, unabhängige und alle Staatstätigkeit kontrollierende Rechtsprechung sollte m i t i n die Lage versetzt werden, die Wiederholung von 1933 und die Folgen zu verhindern. Möglicherweise hat man dabei übersehen, daß es auch Juristen und auch Richter waren, die überhaupt die Voraussetzungen für 1933 geschaffen haben 166 . Erkennt man aber gegenüber dem geschilderten traditionellen Verständnis an, daß i m sozialgestaltenden und wirtschaftslenkenden Staat die Beziehungen zwischen Staat und Bürger nicht i n reiner Rechtsanwendung gerinnen und daß die „positivistische GesetzesanwendungsD o k t r i n " 1 6 7 m i t ihrem Glauben an den bloßen Vollzug von etwas i m Gesetz Vorgegebenem nicht dieser Wirklichkeit entspricht, dann relativiert sich das absolute Gebot der judiziellen Generalklausel etwas. Sicher behält sie als m i t Verfassungsrang ausgestaltete Vorschrift hohes Gewicht. Aber vielleicht w i r d unter diesen Voraussetzungen der Blick frei für ein Verständnis, das, Scheuner 168 und Ehmke 169 folgend, A r t . 19 Abs. 4 GG auch als Garantie eines verwaltungsrechtlichen due process 164 Karl Zeidler, Einige Bemerkungen zum Verwaltungsrecht u n d zur V e r w a l t u n g i n der Bundesrepublik seit dem Grundgesetz, Der Staat 1962, S. 321 ff., 325; i m Grundsatz ebenso Schmidt, AöR Bd. 96 (1971), S. 349; Scharpf, Die politischen Kosten, S. 56 („Die Gegenwart des deutschen Rechtsstaates erscheint . . . als die späte V e r w i r k l i c h u n g der Programme des letzten Jahrhunderts"). 165 Vgl. die Bemerkung von Zeidler (a.a.O., S. 328) u n d die Ausführungen von Hermann Jahrreiß, Demokratischer Rechtsstaat u n d Rechtsprechung, i n : Mensch u n d Staat, K ö l n - B e r l i n 1957, S. 113 ff.; ebenso Otto Bachof, G r u n d gesetz und Richtermacht, Tübingen 1959, S. 23 f. 166 Das antirepublikanische Denken u n d Handeln vieler Richter i n der Weimarer Zeit ist dargestellt bei Heinrich u n d Elisabeth Hannover, Politische Justiz 1918—1933, F r a n k f u r t 1966. 167 Ehmke, „Ermessen" u n d „unbestimmter Rechtsbegriff", S. 48. 168 V V D S t R L Heft 17 (1958), B e r l i n 1959, S. 238 (Diskussionsbericht). 169 Ehmke, „Ermessen" u n d „unbestimmter Rechtsbegriff", S. 49 ff.
5. Wirtschaftslenkung und Verwaltungsgerichtsbarkeit
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sieht und die Rechtsprechung auf dessen Überwachung beschränkt, der Exekutive aber einen Vorrang i n materieller Sicht läßt. Dabei muß allerdings differenziert werden: i n weiten Bereichen der Eingriffsverwaltung besteht für die Gerichte kein Anlaß zur Zurückhaltung, i n großen Teilen der gestaltenden und lenkenden Exekutive aber sollten sie diese Aufgabe respektieren und ein mehr kooperatives Verhältnis zu solchen Behörden einnehmen. Die Garantie der richterlichen Kontrolle würde sich dann weitgehend auf eine Verfahrenskontrolle beschränken. W i r d diese streng gehandhabt, dann ist den Rechtsschutzbedürfnissen des Einzelnen i m Ergebnis vielleicht eher Genüge getan als durch einen wegen diffiziler Beweiserhebungen sich über Jahre hinausstreckenden und dadurch u. U. auf Rechtsverweigerung hinauslaufenden verwaltungsgerichtlichen Prozeß.
5. Das Verhältnis von Wirtschaftslenkung durch den Bundesbeauftragten und der Verwaltungsgerichtsbarkeit am Beispiel einzelner Maßnahmen I n den vorangegangenen Erörterungen wurde versucht, allgemein das Verhältnis zwischen Exekutive (Regierung und Verwaltung) und Verwaltungsgerichtsbarkeit bei wirtschaftslenkenden Maßnahmen, insbesondere i m Hinblick auf die Programmsätze wirtschaftslenkender Rechtsvorschriften, aufzuzeigen und das Ergebnis m i t Art. 19 Abs. 4 GG i n Beziehung zu setzen. I m folgenden soll dies nun anhand einiger konkreter Instrumente des Bundesbeauftragten i m Kohlegesetz näher verifiziert werden. Dabei w i r d man als Ausgangspunkt immer i m Auge behalten müssen, daß von den Gerichten eine eigenständige Aufgabe der Exekutive bei wirtschaftslenkenden Maßnahmen zu respektieren ist. a) Empfehlungen Die Empfehlungen, die der Bundesbeauftragte gem. § 4 Abs. 2, 3 K G den Unternehmen erteilen kann, sind von ihrem Inhalt her wesentlich an die vom Bundesbeauftragten aufzustellenden Absatzvorausschätzungen gebunden; das bedeutet, daß z. B. der Umfang einer empfohlenen Produktionserhöhung grundsätzlich abhängig ist vom Umfang der nach den Vorausschätzungen erwarteten Absatzsteigerung. Daraus könnte die Folgerung gezogen werden, daß Empfehlungen nur insoweit rechtmäßig sind und einer gerichtlichen Uberprüfung standhalten, als die Quoten i n Empfehlung und Vorausschätzung sich decken. Diese Ansicht würde indessen verkennen, daß es nicht nur Aufgabe des Bundesbeauftragten ist, darauf hinzuwirken, daß die Produktion entsprechend den Absatzmöglichkeiten ausgerichtet wird, sondern auch, daß! die Unterneh-
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3. Kap.: Justiziabilität im Hinblick auf das Kohlegesetz
men m i t der nachhaltig stärksten Ertragskraft ihre Produktionskapazität ausnutzen. Die Entscheidung des hier möglicherweise auftauchenden Zielkonflikts (gleichmäßige Produktionssteigerung bzw. gezielte Produktionssteigerung besonders rentabler Unternehmen) sollte allein i m Verantwortungsbereich des Bundesbeauftragten liegen m i t der Folge, daß eine Empfehlung auf eine Anfechtungsklage h i n nur darauf untersucht werden sollte, ob durch sie Grundrechtsverletzungen gegeben sind bzw. ob sie auf willkürlichen, sachfremden Erwägungen beruht oder i n einem m i t rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbarenden Verfahren zustandegekommen ist. Vollends unzulässig (und w o h l auch aussichtslos) erschiene i m Rahmen einer solchen Klage der Versuch eines Verwaltungsgerichts, auf dem Weg einer Inzident-Kontrolle die der Empfehlung zu Grunde liegenden Absatzvorausschätzungen einer inhaltlichen Überprüfung zu unterziehen. Dies könnte ein Gericht mangels eigenen Sachverstands nur durch Heranziehung eines oder mehrerer Gutachter bewältigen. Kämen diese(r) zu anderen Ergebnissen als der Bundesbeauftragte, müßte das Gericht die Schätzungen aufheben und der Bundesbeauftraste unter Berücksichtigung der Vorstellungen der Gutachter, die sich das Gericht zu eigen gemacht hatte, neue erstellen. Dies würde einmal einen offenen Ubergriff i n den Aufgabenbereich des Bundesbeauftragten darstellen und zum anderen aber auch der Notwendigkeit widersprechen, daß solche Schätzungen zwangsläufig m i t einem hohen Maß an Flexibilität, dadurch auch m i t einer gewissen Fehlermarge ausgerüstet sein müssen und sich deshalb ihrer Natur nach einer inhaltlichen gerichtlichen Nachprüfung entziehen. I n jüngerer Zeit hat Scholz 170 den Versuch unternommen, ein Korrekt i v gegen die Fehleranfälligkeit staatlicher Wirtschaftslenkung und -planung zu schaffen. Er w i l l der Exekutive einen „Entwicklungsspielraum" i n Parallele zum Beurteilungsspielraum einräumen, der es ihr ermöglicht, auf Grund von Tatsachenprognosen ordnungspolitische Entscheidungen zu erlassen, die i n die Zukunft gerichtet sind und erst dort ihre Wirksamkeit entfalten. Die wegen dieser Zukunftsorientierung zwangsläufigen Fehlprognosen und -entscheidungen müßten der Exekutive eben i n Anwendung dieses Entwicklungsspielraums nachgesehen werden und dürften nicht zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung führen, wenn man nicht eine effektive Wirtschaftslenkung verhindern wolle. Als Kompensation für dieses der Exekutive eingeräumte Privileg müsse allerdings ein Berichtigungs- oder Restitutionsanspruch dienen, der die aus der Unbestimmtheit wirtschaftslenkender Gesetze und der i7o Wirtschaftsaufsicht u n d subjektiver Konkurrentenschutz. Insbesondere dargestellt a m Beispiel der Kartellaufsicht, Schriften zum öffentlichen Recht Bd. 141, B e r l i n 1971 S. 108 ff.
5. Wirtschaftslenkung und Verwaltungsgerichtsbarkeit Fehlprognose resultierenden Gefahren ausgleichen soll: immer dann, wenn eine getroffene Maßnahme der Wirtschaftslenkung durch die tatsächliche Entwicklung sich als unrichtig prognostiziert herausgestellt habe, könne der Betroffene deren sofortige Aufhebung verlangen. Die Verpflichtung der Exekutive hierzu ergebe sich unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip 171 . Zur* Durchsetzung dieses Anspruchs w i l l Scholz i n prozessualer Hinsicht eine vorbeugende Feststellungsklage zulassen, m i t der der künftige Beseitigungsanspruch schon nach Erlaß der Maßnahme festgestellt werden könne. Diese Auffassung trifft einen richtigen K e r n und w i r d auch einem praktischen Bedürfnis gerecht. Allerdings erscheint es fragwürdig, einen problematischen Begriff („Beurteilungsspielraum") durch einen anderen genau so problematischen zu ersetzen, der vielleicht begrifflich den Erscheinungsbildern der Wirtschaftslenkung eher entsprechen mag, aber letztlich doch genau so wenig die entscheidende Frage trifft. Auch die Zuerkennung eines Entwicklungsspielraumes verkennt, daß die freie Gestaltung der planenden Exekutive innerhalb eines Gesetzesprogramms etwas anderes ist als Rechtsanwendung, die partiell kontrollfrei gestellt wird, daß es nämlich u m die Ausfüllung einer Primärzuständigkeit geht, die nicht über die Krücke verwaltungsprozessualer Begriffe i n Rechtsanwendung umstilisiert werden kann. Fraglich erscheint auch die prozessuale Lösung. Selbst wenn ein Betroffener i m Wege der vorbeugenden Feststellungsklage ein U r t e i l erhielte, i n dem die Behörde verpflichtet wird, bei Veränderung der tatsächlichen Grundlage die Maßnahme aufzuheben, so ist doch darin noch keine Feststellung darüber getroffen, wann solche veränderten U m stände vorliegen, die eine Aufhebung der Maßnahme auf Grund des Rechtsstaatsprinzips erforderlich erscheinen lassen. Weigert sich die Behörde, die Maßnahme zurückzunehmen, w e i l sie die Umstände nicht für wesentlich verändert hält, bedürfte es einer neuerlichen Verpflichtungsklage. Aus diesem G r u n d dürfte die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 V w G O einer vorbeugenden Feststellungsklage entgegenstehen. Eine an sich zulässige Verpflichtungsklage aber führt wieder zum Ausgangspunkt zurück: wann sind die Umstände verändert und wer stellt fest, daß die Veränderung eine Korrektur der Maßnahme gebietet? Konkret: kann und darf ein Gericht darüber entscheiden, ob eine Empfehlung auf Produktionssteigerung u m 5 0 % zurückgenommen werden muß, w e i l 171 Die Identität der Problemstellungen f ü r Gesetzgeber u n d Exekutive w i r d auch hier wieder deutlich, w e n n Scholz (a.a.O., S. 110) diesen Berichtigungsanspruch gleichermaßen gegenüber beiden Funktionen gewähren w i l l ; f ü r den Bereich der Legislative ist dieser Gedanke angesprochen i n BVerfGE 16, 147 ff., 188 (Werkfernverkehr), w o der Gesetzgeber verpflichtet w i r d , die Auswirkungen des Gesetzes auf die tatsächliche E n t w i c k l u n g zu beobachten u n d eine neue Regelung zu schaffen, w e n n die bisherige ihren Zweck v e r fehlt.
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3. Kap.: Justiziabilität im Hinblick auf das Kohlegesetz
entgegen den Absatzvorausschätzungen diese nur u m 25 °/o gestiegen ist? Auch hier werden — von W i l k ü r abgesehen — nur grobe Mißverhältnisse eine gerichtliche Aufhebung rechtfertigen können, u m nicht den der Exekutive übergebenen Auftrag und das von ihr durchzuführende Konzept zu beeinträchtigen. M i t dieser Einschränkung 172 und der Verlagerung des Schwerpunktes auf funktionell-rechtliche Gesichtspunkte ist aber der Auffassung von Scholz durchaus beizupflichten. b) Feststellung
der optimalen
Unternehmensgröße
Die vom Bundesbeauftragten nach § 18 Abs. 3 K G zu treffende Feststellung, ob ein Unternehmen die optimale Unternehmensgröße nach Maßgabe der Verordnung vom 7.1.1969 aufweist, ist vom Gesetz selbst (§18 Abs. 4 KG) als anfechtbarer Verwaltungsakt ausgestaltet. Es geht davon aus, daß ein Gericht i n die Lage versetzt w i r d zu prüfen, „ob der Verwaltungsakt nach Absatz 3 rechtmäßig ist", d. h. ob er m i t dem Kohlegesetz, höherrangigem Recht oder der Verordnung i n Einklang steht. Es wurde bereits oben (II. Kapitel) ausgeführt, w a r u m der Gesetzgeber den Begriff „optimale Unternehmensgröße" nicht selbst eindeutiger definiert, sondern dem „Bundesminister für Wirtschaft" i n § 20 K G zum Erlaß einer entsprechenden Verordnung ermächtigt hat: die betroffenen gesellschaftlichen Gruppen hatten bei ihren Verhandlungen über die Gründung einer Einheitsgesellschaft noch keine Regelung gefunden, die vom Gesetzgeber mehr oder minder hätte übernommen werden können. Hinzu kam, daß erst noch der Konzentrationsbericht des Bundesbeauftragten (§19 KG) weitere Kriterien bringen sollte, die dann i n der Verordnung berücksichtigt werden konnten (§ 20 Abs. 2 KG). Hieran zeigt sich die Unsicherheit des Gesetzgebers über den Begriff m i t der Folge einer sehr weitgehenden Ermächtigung an Minister und Bundesbeauftragten: die eigentliche Gesetzeskonkretisierung w i r d i n einer Weise an die Verwaltung delegiert, die ernsthafte Zweifel daran auftauchen ließen, ob die Delegationsnorm m i t A r t . 80 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar ist 1 7 3 . Diese weitgehenden Ermächtigungen an den Verordnungsgeber dürften aber noch einen anderen Sinn haben, der sich aus der Natur des 172 Die möglicherweise Scholz selbst i m Auge hat, w e n n er einer „vorsichtigen" Handhabung des kompensatorischen Berichtigungsanspruchs das W o r t redet (S. 114). 173 Schneider (Gutachten, S. 5 ff.) hält deshalb § 20 K G ebenso w i e die auf dieser Grundlage ergangene Verordnung f ü r verfassungswidrig; die Verord-
5. Wirtschaftslenkung und Verwaltungsgerichtsbarkeit
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Gesetzes als Planungsgesetz ergibt: der Bundeswirtschaftsminister soll die Möglichkeit haben, in einem schnellen, unkomplizierten Verfahren die Verordnung möglicherweise veränderten Umständen anzupassen. Dem kommt entgegen, daß die Verordnung nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Nicht allein Unsicherheit dürfte also den Gesetzgeber zu einer solchen Regelung veranlaßt haben, sondern auch die Notwendigkeit, der Exekutive flexible gesetzliche Voraussetzungen zur Bewältigung der gestellten Aufgaben an die Hand zu geben, die es ihr ermöglichen, das vorhandene Instrumentarium entsprechend der jeweiligen Situation einzusetzen. Dies hat verschiedentlich zu der Auffassung Anlaß gegeben, solche gesetzgeberischen Praktiken seien verfassungswidrig oder doch zumindest verfassungsrechtlich zweifelhaft, w e i l Maßnahmen dann nicht mehr justiziabel seien 174 . Mangelnde Justiziabilität allein dürfte aber für dieses Verdikt nicht ausreichen. Dies würde verkennen, daß die Exekutive als „sekundärer Gesetzgeber" 175 nicht nur bei der Verordnungsgebung, sondern auch bei der Normanwendung, bei der Gestaltung eines bestimmten Lebensbereichs, auftreten kann und i n dieser Funktion nicht primär unter judiziellen Gesichtspunkten gesehen werden darf. Die entgegenstehende Auffassung hätte zur Voraussetzung, daß man eine verfassungsrechtlich begründete Verpflichtung des Gesetzgebers anerkennt, nur solche Normen zu schaffen, deren Anwendung jederzeit und mühelos durch Gerichte kontrolliert werden kann. Allerdings hat das BVerfG 1 7 6 eine solche Verpflichtung u. a. m i t der Begründung angenommen, der durch Art. 19 Abs. 4 GG den Gerichten erteilte „Rechtsschutzauftrag" könne nur dann v o l l verwirklicht werden, wenn die A n wendung der Norm durch die Exekutive von den Gerichten nachprüfbar sei; das sei aber nur dann möglich, wenn die Ermächtigungsnorm hinreichend bestimmt sei. Ferner folge dies aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sowie dem Gewaltenteilungsprinzip: seien die Vollmachten für die Exekutive nämlich nicht hinreichend bestimmt, führe sie nicht Gesetze aus, sondern setze sich an die Stelle des Gesetzgebers. Sieht man einmal davon ab, daß diese Forderung des BVerfG nach justizgerechten Gesetzen ihrerseits möglicherweise das Prinzip der Gewaltenteilung insofern tangiert, als sie die Eigenständigkeit der Exekutive außer Ansatz läßt und deren Rolle als „sekundärer Gesetzgeber" nung sei nicht n u r wegen Ungültigkeit der Ermächtigungsgrundlage verfassungswidrig, sondern auch, w e i l sie dieser inhaltlich nicht gerecht werde. 174 Schneider, a.a.O.; Biedenkopf, B B 1968, S. 1010f. 175 Formulierung bei Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., S t u t t g a r t - B e r l i n - K ö l n - M a i n z 1966, S.794. 176 BVerfGE 8, 274 ff., 325 f. (Preisgesetz).
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3. Kap.: Justiziabilität im Hinblick auf das Kohlegesetz
verkennt, so schränkt das BVerfG diesen Grundsatz doch sogleich wieder ein: insbesondere i m Bereich der Wirtschaftsverwaltung könne der Gesetzgeber nicht immer klar umrissene Begriffe anwenden. „ E r w i r d sich abstrakter und unbestimmter Formulierungen bedienen müssen, u m die! Verwaltungsbehörden i n die Lage zu versetzen, ihren Aufgaben, den besonderen Umständen des einzelnen Falles und den schnell wechselnden Situationen des wirtschaftlichen Lebens gerecht zu werden" 1 7 7 . I n diesen Fällen w i r d also vom Gesetzgeber m i t Billigung des Bundesverfassungsgerichts die Konkretisierung des gesetzlichen Tatbestandes, nicht nur soweit es die Verordnungsermächtigung, sondern auch die nähere Ausgestaltung und Ausführung der Verordnung selbst betrifft, an die Exekutive delegiert: die Verwaltung übernimmt i n diesem Bereich i n weiterem Maß gesetzgeberische Funktionen als das möglicherweise durch A r t . 80 Abs. 1 Satz 2 GG impliziert war. Daraus sollte sich für die Verwaltungsrechtsprechung die Konsequenz ergeben, Zurückhaltung zu üben bei A k t e n der Exekutive, die i n Ausführung solcher Delegationsnormen ergangen sind: sie sollten sich hier auf eine „Kontrollfunktion i m strengen Sinn" 1 7 8 beschränken; diese Kontrollfunktion müßte auf eine W i l l k ü r - und Mißbrauchsaufsicht beschränkt werden und etwa den Linien folgen, die das BVerfG für die entsprechende Kontrolle des Gesetzgebers am Maßstab der Verfassung entwickelt hat. Das bietet sich u m so mehr an, als ja der Gesetzgeber i n diesen Fällen einen Teil der i h m zustehenden Befugnisse an die Exekutive abtritt, diese somit als Gesetzgeber, wenn auch nur als sekundärer, tätig wird. Es ist nicht zu bestreiten, daß hierin eine Beschränkung des Rechtsschutzes i m Vergleich zur herkömmlichen Praxis liegt, eine Beschränkung, die, wie gezeigt, ihren Ausgangspunkt bereits i n der A r t des hier zu behandelnden Gesetzes hat. Dafür, daß i n der Praxis eine solche Beschränkung schon weitgehend gesehen und entsprechend verfahren wird, mag auch die Tatsache sprechen, daß die Gewerkschaft Auguste Victoria den Widerspruch zurückgezogen hat, den sie gegen die Nichtanerkennung als optimale Unternehmensgröße durch den Bundesbeauftragten eingelegt hatte. Statt dessen zog sie es vor, einen Kooperationsvertrag m i t der Einheitsgesellschaft Ruhrkohle A G zu schließen, u m dadurch doch noch die begehrte Eigenschaft und die Chance auf weitere Subventionen zu erhalten 1 7 9 . Man kann dies als eine Flucht vor der be177
BVerfG, a.a.O., S. 326. So Haberle, öffentliches Interesse, S. 82. Häberle bezieht sich hier auf von i h m sog. „Gemeinwohltatbestände", deren Konkretisierung hinsichtlich des Gemeinwohls der Exekutive zustehen soll; die funktionell-rechtlichen Erwägungen können dabei ohne weiteres i n den hier i n Frage stehenden Bereich übernommen werden. 179 Mündliche A u s k u n f t v o n Vertretern des Unternehmensverbandes R u h r bergbau, s. auch BVerfGE 29, 83 ff. 178
5. Wirtschaftslenkung und Verwaltungsgerichtsbarkeit
91
sonderen Unsicherheit des Rechtsweges i n solchen Fällen u n d als eine Bestätigung der Auffassung Biedenkopfs 180 ansehen, wonach entsprechend betroffene Unternehmen keinen Rechtsschutz mehr suchten, sondern über den zuständigen Verband, den Bundeswirtschaftsminister u n d die konzertierte A k t i o n versuchten, i h r Z i e l zu erreichen. Demgegenüber spricht aber mehr für die Auffassung, daß genau diese Instanzen die richtigen sind, w e n n sich ein Unternehmen durch die Feststellung des Bundesbeauftragten zu Unrecht beeinträchtigt f ü h l t u n d gerichtliche K o n t r o l l e i n diesen Fällen staatlicher Wirtschaftsplanung n u r eine nachgeordnete Rolle spielen sollte: Wirtschaftsplammg als permanenter Prozeß ist k e i n den Gerichten überantwortetes Rechtsproblem. Dabei erscheint es zweifelhaft, ob diese partielle Beschränkung des Rechtsschutzes eine verfassungspolitische 181 Frage darstellt: eine Verfassungsauslegung, die nicht eine einzelne Bestimmung (Art. 19 Abs. 4 GG) überbetont, sondern die einzelnen Gewalten i n i h r e n jeweiligen Kompetenzen, Zuordnungen u n d Begrenzungen beachtet, braucht für dieses Ergebnis keine Verfassungsänderung zu bemühen.
c)
Bescheinigungen
Ganz ähnliche Überlegungen, wie sie unter a) u n d b) angestellt w u r den, gelten auch f ü r die v o m Bundesbeauftragten zu erteilenden Bescheinigungen nach §§ 10 Abs. 2, 11 Abs. 5, 14 Abs. 1, 16 Abs. 1, 32 Abs. 2, 33 Abs. 1 K G . H i e r hat der Bundesbeauftragte z. B. zu prüfen, ob die Maßnahmen zur Unternehmenskonzentration bzw. die Neuansiedlung von Betriebsstätten i n Steinkohlenbergbaugebieten „volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig" sind, geeignet sind „die Wirtschaftsstrukt u r der Steinkohlenbergbaugebiete zu verbessern", „einer wesentlichen Verbesserung der Betriebs- oder Unternehmensstruktur" dienen oder etwa geeignet sind, „die Wettbewerbsfähigkeit des Steinkohlenbergbaus zu steigern". Ergibt das Ergebnis seiner Prüfungen, daß die genannten Voraussetzungen vorliegen, so hat er die begehrte Bescheinigung zu erteilen m i t der Folge, daß das zuständige Finanzamt die Subvention als Steuervergünstigung zu gewähren hat (§§ 10, 11, 14, 32 KG) bzw. dem Finanzminister die Möglichkeit gegeben ist, m i t einer Bürgschaft zur Erleichterung einer geplanten Unternehmenskonzentration beizutragen (§16 KG). Daraus folgt, daß Unternehmen, w e n n sie die genannten K r i t e r i e n des Kohlegesetzes m i t ihren Maßnahmen erfüllen, einen Rechtsanspruch 180
181
B B 1968, 1010 f. So aber Leibfried-Quilisch,
atomzeitalter 1967, S. 619.
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3. Kap.: Justiziabilität im Hinblick auf das Kohlegesetz
auf die Bescheinigung und damit auch einen Rechtsanspruch auf die entsprechenden Subventionen haben, da die Subventionsgewährung unmittelbar an die Bescheinigung gekoppelt ist. Ein solcher Rechtsanspruch auf Subventionierung ist für die Fälle anerkannt, i n denen ein Gesetz i m materiellen Sinne bei Erfüllung eines bestimmten Tatbestandes die Behörde entsprechend verpflichtet 182 . Eine solche Verpflichtung des Bundesbeauftragten ist nach dem Kohlegesetz anzuerkennen. Es stellt sich somit i m jeweiligen Fall nur noch die Frage, ob von den Gerichten die Anwendung der genannten Begriffe durch den Bundesbeauftragten nachgeprüft werden kann, etwa auf eine Verpflichtungsklage eines Unternehmens oder auf eine Konkurrentenklage eines nichtsubventionierten Konkurrenten. Wie bereits ausgeführt, sind diese Voraussetzungen von den Verwaltungsgerichten bisher i n aller Regel als unbestimmte Rechtsbegriffe angesehen worden; demzufolge wurde geprüft, ob die Verwaltungsbehörde die angeblich einzig richtige Auslegung des Begriffs gefunden hat, ohne daß man bislang i n diesen Bereichen einen Beurteilungsspielraum anerkannt hätte. Diese Rechtsprechung ist jetzt vom BVerwG 1 8 3 und dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes 184 aufgelockert worden, ohne daß schon klar erkennbar wäre, m i t welchen dogmatischen Konstruktionen i n Zukunft der Prüfungsumfang der Verwaltungsgerichte reduziert werden soll 185 . Es wäre aber wohl verfehlt, die an sich begrüßenswerte Tendenz nun allein i n den Begriffsschemata von Ermessen, unbestimmtem Rechtsbegriff und Beurteilungsspielraum zu diskutieren. Vorrang sollte die Erkenntnis haben, daß einer richterlichen Uberprüfung vor allem aus funktionellrechtlichen Gründen Grenzen gezogen sind, sich nämlich da Beschränkung aufzuerlegen, wo der Sachverstand bzw. der Gestaltungsauftrag der Behörde einen Vorsprung vor dem richterlichen Urteilsvermögen hat. Ein solches Verständnis würde auch das sonst notwendige Dilettieren von Richtern i n Bereichen verhindern, i n denen sie von ihrer Ausbildung her notwendigerweise allenfalls zu oberflächlichen Erörterungen gelangen können. Wo aber auch dieses Dilettieren nicht mehr möglich ist, müßte der Richter sich dann allein dem Gutachter anvertrauen. Das führt dann zu der häufigen, insbesondere i n der Sozialgerichtsbarkeit beklagten Erscheinung, daß letztlich
162 vgl. Götz, Recht der Wirtschaftssubventionen, S. 32 ff. 183 J Z 1972, S. 204 ff. 184 JZ 1972, S. 655 ff. 185 Es soll nicht verkannt werden, daß auch schon i n der Vergangenheit einige Gerichte versucht haben, die Fesseln des unbestimmten Rechtsbegriffs abzustreifen; vgl. Hessischer V G H , VerwRspr. Bd. 16, Nr. 172, S. 575 f.; dagegen B V e r w G E 23, 194 ff.
5. Wirtschaftslenkung und Verwaltungsgerichtsbarkeit
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nicht der Richter, sondern der (medizinische) Gutachter die Entscheidung trifft. Diese Zurückhaltung aus funktionellrechtlichen Gesichtspunkten sollte vor allem immer dann Platz greifen, wenn die Entscheidung der Behörde abhängig ist von einem Verfahren, i n dem die für die Entscheidung tragenden Gesichtspunkte i n einem Gremium diskutiert werden können, das auch m i t Vertretern der betroffenen Gruppen besetzt ist; darni ergibt sich die Forderung nach richterlicher Beschränkung aus der besonderen Fachkenntnis i n Verbindung m i t der demokratischen Legitimation der Entscheidung 186 . Eine Übernahme des Begriffsapparats auf Sachverhalte, für die er nicht geschaffen ist, müßte die i n vielen Planungsbereichen notwendige Flexibilität der Exekutive verhindern und überkommene Verwaltungsstrukturen verfestigen 187 . Dementsprechend muß auch für die Frage nach dem Rechtsschutz bei Bescheinigungen des Bundesbeauftragten der Ansatz i m funktionellrechtlichen Bereich gesucht werden: wenn dieser eine Maßnahme als „volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig" beurteilt und eine entsprechende Bescheinigung erteilt, dann liegt das i m Rahmen einer bestimmten Planungskonzeption, für die i h m allein die Kompetenz gegeben ist. Diese Kompetenz hat das Gericht zu respektieren und seine Überprüfung i n Bezug auf das Kohlegesetz deshalb auf Verfahrensfehler, offensichtliche Zweckverfehlung und W i l l k ü r h i n zu überprüfen. Man könnte deshalb die Folgerung ziehen, daß der durch das Gesetz an sich eingeräumte Rechtsanspruch überlagert und determiniert ist durch die Planungskonzeption der Behörde und nur innerhalb derer verfolgt und durchgesetzt werden kann. Das gilt jedenfalls dann, wenn Verwaltungsfunktionen i n Frage stehen, die i n materieller Hinsicht eher m i t Normsetzung als m i t Normvollzug zu t u n haben. 186 Vgl. dazu Scharpf, Die politischen Kosten, S. 45 m i t F N 109; Brohm, Die Dogmatik des Verwaltungsrechts, passim; dieser Erkenntnis hat sich jetzt auch das B V e r w G (JZ 1972, S. 206) geöffnet, während es früher lapidar festgestellt hatte: „Die Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens k a n n nicht dazu führen, daß der Gerichtsschutz eingeschränkt w i r d " (BVerwGE 23, 194 ff., 200 f.). 187 So Scharpf Die politischen Kosten S. 58; Scharpf meint hier, daß die weitgehende gerichtliche Verwaltungskontrolle die späte Vollendung des b ü r gerlichen Rechtsstaatsmodells des 19. Jh. sei. Dieses Modell habe die V e r w a l t u n g des 19. Jh. nicht ändern können u n d könne heute dazu führen, daß das Verhältnis V e r w a l t u n g — P o l i t i k auf einem Zustand festgehalten werde, der dem Konstitutionalismus entspreche. Insoweit berühren sich seine Thesen m i t denjenigen v o n Görlitz (Verwaltungsgerichtsbarkeit i n Deutschland, S. 260 ff.), w e n n auch genau v o m umgekehrten Ansatz her: Görlitz ist der Auffasung, daß gerade die Selbstbeschränkung der Justiz i m Ermessensbereich „die gegenwärtigen Herrschafts Verhältnisse" stabilisiere (S. 268). Dieses f ü h r t konsequenterweise zu entgegengesetzten Forderungen: während Scharpf eine Stärkung der Verwaltungsfunktionen verbunden m i t demokratisch-politischer K o n t r o l l e fordert, zielt Görlitz auf eine Stärkung u n d Politisierung der Justizfunktionen.
Viertes
Kapitel
Die Justiziabilität der Maßnahmen des Bundesbeauftragten im Hinblick auf die Grundrechte A r t . 1 Abs. 3 GG bindet Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung an die Grundrechte. Das bedeutet, daß alle funktionellrechtlichen Gesichtspunkte da ihre Grenze finden müssen, wo durch staatliche Aktivitäten Grundrechte verletzt werden: stellen Gerichte eine solche Verletzung fest, haben sie die betreffende Maßnahme aufzuheben, ohne daß i n irgendeiner Weise eine Prärogative für die Exekutive anzuerkennen wäre. Das gilt i m Grundsatz auch für das Recht der Wirtschaftslenkung. Bevor aber auf die einzelnen für diesen Problemkreis relevanten Grundrechte eingegangen werden kann, sollen zunächst einige allgemeinere Überlegungen angestellt werden, die die Frage aufgreifen, ob Grundrechten i n diesem Bereich und bei bestimmten Handlungsformen möglicherweise ein modifizierter Wirkungsgrad zukommt, d. h., ob sie möglicherweise keinen oder nur geringeren Schutz als i n anderen Lebensbereichen gewähren, w e i l etwa die Schranken der Wirtschaftslenkung weniger i n verfassungsrechtlichen Vorschriften als i n politischer Kontrolle zu suchen sind 1 .
1. Allgemeines a) Geltung und Schutzwirkung
der Grundrechte
Diesem Abschnitt seien zwei Thesen vorangestellt, die das Problem zunächst einmal i n zugespitzter Formulierung erhellen können. Die erste These stammt aus einem der vielen Pläne vor Erlaß des Kohlegesetzes, nämlich demjenigen der Bergwerksgesellschaft Walsum 2 , also einem durch die Neuordnung selbst Betroffenen. I n diesem Plan wurde vorgeschlagen, ein Syndikat als Rationalisierungskartell zu grün1 Vgl. Roman Herzog , A r t . „Planung", i n : Evangelisches Stuttgart-Berlin 1966, Sp. 1520 ff., 1524 f. 2 Abgedruckt bei Biedenkopf , Thesen, S. 87 ff.
Staatslexikon,
1. Allgemeines
95
den, das i m wesentlichen die i m Kohlegesetz dem Bundesbeauftragten zugewiesenen Aufgaben übernehmen sollte. „Dieses Syndikat greift natürlich i n die Rechte d e i privaten Eigentümer ein. Das ist aber unumgänglich, denn ein privatwirtschaftlicher Bergbau w i r d sich i n Zukunft nur halten können, wenn er bereit ist, so viele Rechte des Eigentums aufzugeben, wie es die Zeit (sie!) verlangt, u m das Urrecht auf Eigentum und seine Vorteile zu erhalten" 3 . Die zweite These ist ein Leitsatz zum Referat von Wagner , gehalten auf der Staatsrechtslehrertagung 19684: „Soweit Maßnahmen Lenkungsfunktionen des Marktmechanismus wahrnehmen sollen 5, müssen w i r gegenüber ihren Auswirkungen auf grundrechtlich geschützte Positionen so indolent sein, wie gegenüber den Ergebnissen des Marktmechanismus". Beide Thesen beleuchten schlaglichtartig die Probleme, u m die es geht, ohne daß an dieser Stelle schon i h r Inhalt akzeptiert oder verworfen werden sollte; bindet sich der Unternehmer bzw. die Branche, die staatliche Leistungen entgegennimmt, an die damit verfolgten Zwecke m i t der Folge, daß er einen Teil seiner Freiheitsrechte i n verfassungsrechtlich unzulässiger Weise aufgibt? Kann sich der Staat zumindest teilweise aus seinen grundrechtlichen Bindungen befreien, wenn er nicht m i t Befehl, sondern m i t (indirekter) Lenkung und zweckgebundener Leistung Einfluß auf die Wirtschaftenden nimmt? 6 Die Problematik steht auch wiederum i m engen Zusammenhang m i t dem Wandel der Staatsfunktionen, m i t der Entwicklung zum Verwaltungsstaat 7 , i n dem gerade die Freiheit lenkender Planung bedarf, i n dem gerade die i n den Grundrechten verbürgten Rechtsgüter eher durch den Staat gefördert als i n liberalistischer Sicht durch staatliche Eingriffe gefährdet und beschränkt werden; die Freiheit von staatlichen Maßnahmen, die möglicherweise Grundrechte beschränken könnten, stellt keine optimale Freiheit dar 8 . Wagner 9 hat versucht, diese Interdepen3
Ebd., S. 88. öffentlicher Haushalt u n d Wirtschaft, S. 80, Ls. 16. Hervorhebung v o m Verf. 6 Die Differenzierung zwischen L e n k u n g u n d Leistimg folgt der U n t e r scheidung v o n Peter Badura (Daseinsvorsorge als Verwaltungszweck der Leistungsverwaltung u n d der soziale Rechtsstaat, D Ö V 1966, S. 624 ff., 630) zwischen Leistungsverwaltung einerseits ( = Verstaatlichung v o n p r i v a t unzulänglich bewältigten Versorgungsaufgaben) u n d Lenkungsverwaltung andererseits ( = Beaufsichtigung u n d Beeinflussung privater Wirtschaftsbereiche). Die Unterscheidung analysiert die tatsächlichen Verhältnisse sicher exakter als die einheitliche Verwendung des Begriffs „Leistungsverwaltung" f ü r beide Phänomene; unmittelbare praktisch juristische Konsequenzen ergeben sich aus dieser Begriffsbildung jedoch nicht. 7 Vgl. Loewenstein, Verfassungslehre, S. 44. 8 Geht m a n z . B . davon aus, daß unter den Bedingungen einer Industriegesellschaft nicht das Eigentum, sondern die Arbeitskraft die wesentliche 4
5
96
. Kap.: Justiziabilität im Hinblick auf
d e t
denz von staatlicher Tätigkeit und Freiheit des Einzelnen i n das B i l d einer Gleichung zu bringen: je mehr der Staat sich u m die Verbesserung allgemeiner Verhältnisse kümmere und kümmern müsse, u m so mehr müßten die Interessen des Einzelnen zurücktreten. Versuchte man, dieses B i l d auf den Steinkohlebergbau zu übertragen, müßte man sagen: je mehr der Staat die Aufgabe hat, sich u m eine Neuordnung des gesamten Steinkohlebergbaus zu kümmern 1 0 , u m so mehr müssen die Interessen, konkret: die einschlägigen Freiheitsrechte einzelner Unternehmen zurückstehen, zugunsten einer Neuordnung, die i n der Lage sein, kann, der gesamten Branche eine Grundlage zu geben, auf der sie m i t dem Ziel einer sicheren Energieversorgung weiterarbeiten kann. Werner Weber 11 konstatiert eine weitgehende Machtlosigkeit des Grundrechtsschutzes gegenüber der „Expansion sozialstaatlicher Tendenzen", die er w o h l i n der gesteigerten Verantwortlichkeit des Staates für weite Lebensbereiche sehen w i l l . Der traditionelle Schutzbereich des Grundrechtskatalogs sei die Eingriffsverwaltung und allein hier funktioniere er. Aus dieser Feststellung zieht Weber die Folgerung, daß man den Anwendungsbereich der Grundrechte ausdehnen müsse, u m noch offene Flanken des Grundrechtsschutzes abzusichern 12 . Ähnliche Erwägungen finden sich auch bei anderen Autoren 1 3 . Das Problem w i r d dabei meist auf die Frage zugespitzt, ob ein Grundrechtsschutz des einzelnen Wirtschafters auch dann gegeben ist, wenn der Staat nicht unmittelbar auf ihn zugreift, sondern wenn seine Maßnahmen mehr appellierende und motivierende Funktion haben: zielkonformes Verhalten w i r d m i t direkten Subventionen und SteuervergünstiGrundlage freier, persönlicher Lebensgestaltung ist (vgl. Hesse, Verfassungsrecht, S. 168), so läßt sich A r t . 12 GG, soweit er ein Freiheitsrecht darstellt, n u r solange effektiv verwirklichen, als die staatliche Wirtschafts- u n d K o n j u n k t u r p o l i t i k es schafft, Arbeitsplätze i n ausreichender Z a h l zur Verfügung zu stellen. 9 öffentlicher Haushalt u n d Wirtschaft, S. 74 m i t F N 83. 10 Daß er diese Aufgabe hat, w a r zumindest i n der „Kohlenkrise" von keinem der Beteiligten umstritten (vgl. die bei Biedenkopf (Thesen) i m A n hang abgedruckten Neuordnungsvorschläge); ob allerdings die auf G r u n d des Kohlegesetzes f ü r das Ruhrrevier möglich gewordene Lösung! i n F o r m der „Ruhrkohle A G " eine sinnvolle Lösung gewesen ist, ist nach der jüngsten Entwicklung zumindest zweifelhaft, hier aber nicht zu untersuchen. 11 Der Staat 1965, S. 436. 12 Ebd., S. 438 f. 13 Vgl. etwa Klaus Vogel, Jahrbuch der Fachanwälte f ü r Steuerrecht 1968/ 69, S. 225 ff., 231; Karl Heinrich Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung u n d Sozialgestaltung durch Steuergesetze, Recht u n d Staat Heft 325/26, Tübingen 1966, S. 39 ff.; ders., Z u r Rolle der Grundrechte i m Interventions- u n d Leistungsstaat, DVB1. 1971, S. 674 ff., 679 ff.; Peter Lerche, Rechtsprobleme der wirtschaftslenkenden Verwaltung, D Ö V 1961, S. 468 ff., 490; Klaus Stern, Gedanken über den wirtschaf tslenkenden Staat aus verfassungsrechtlicher Sicht, D Ö V 1961, S. 325 ff., 329.
1. Allgemeines
97
gungen belohnt, inkonformes Verhalten m i t Entzug von Begünstigungen oder Auferlegung besonderer Geldleistungspflichten „bestraft" 1 4 . Dabei haben diese Autoren meistens die Fälle i m Auge, i n denen steuerliche Maßnahmen ein bestimmtes Verhalten provozieren oder verhindern sollen, etwa wenn die Aufnahme bestimmter Berufe von der Zahlung einer Geldleistung abhängig gemacht wird, um die möglicherweise unzulässige objektive Bedürfnisprüfung zu umgehen 15 . Solche Sachverhalte stellen keinen unmittelbaren Grundrechtseingriff dar, so daß nach der traditionellen Auffassung kein Grundrechtsfall vorläge. Denn es w i r d den Betroffenen kein Sonderopfer i m Sinne des Enteignungs- bzw. Aufopferungsrechts auferlegt, es w i r d ihre Berufsausübung nicht unmöglich gemacht, sondern nur i n eine bestimmte, öffentlichen Interessen dienende Richtung gelenkt 16 . Dem halten die genannten Autoren mit Recht entgegen, daß diese der Form nach mittelbare Beeinflussimg nicht weniger als eine direkte, zielgerichtete Handlung das Verhalten der Betroffenen bestimmen kann. Es wäre reiner Formalismus, wollte man dem wirtschaftlenkenden Gesetzgeber oder der Exekutive die Möglichkeit einräumen, sich dadurch der Grundrechtsbindung zu entziehen, daß direkte Befehle durch wirtschaftliche Beeinflussung ersetzt werden, die i m Ergebnis die gleichen Effekte haben soll und auch hat. Der Grundrechtsschutz darf nicht von den Formen staatlichen Handelns abhängig sein, vielmehr ist staatliches Handeln immer grundrechtsgebunden: es gibt grundsätzlich keine grundrechtsfreien Räume staatlicher Tätigkeit 1 7 » 1 8 . 14
BVerfGE 13, 181 ff. (Schankerlaubnis); 16, 147 ff. (Werkfernverkehr). Umfassend zu diesem Problem Hans-Ulrich Gallwas , Faktische Beeinträchtigungen i m Bereich der Grundrechte. E i n Beitrag zum Begriff der Nebenwirkungen, Schriften zum öffentlichen Recht Bd. 126, B e r l i n 1970. w Lerche , D Ö V 1961, S. 490; vgl. auch Ipsen, AöR Bd. 90 (1965), S. 426. 17 Vgl. insbes. Friauf , Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 40 f. ; Gallwas , F a k tische Beeinträchtigungen i m Bereich der Grundrechte, passim; jetzt auch Brohm, Die Dogmatik des Verwaltungsrechts, S. 271 ff. ; so auch i m Zusammenhang m i t der Lehre von der „Fiskalgeltung der Grundrechte" Hesse, V e r fassungsrecht, S. 144; dazu differenzierend Bullinger, öffentliches Recht u n d Privatrecht. Studien über Sinn u n d Funktionen der Unterscheidung, res publica Bd. 17, S t u t t g a r t - B e r l i n - K ö l n - M a i n z 1967, S. 87 ff.; das B V e r f G p r ü f t Wirtschaftslenkende Steuergesetze am Maßstab der Grundrechte, insbes. an A r t . 12 GG, sofern sie eine berufsregelnde Tendenz o b j k t i v erkennen lassen (vgl. die i n F N 14 genannten Entscheidungen). 18 Diese Probleme stellen sich neu und i n neuer Dimension m i t der A u s weitung kommunaler Tätigkeit; kommunale Wohnraumvermittlungsbüros, — Kinos, — Taxiunternehmen, — Rechtsberatungsstellen etc. sind geplant oder bestehen schon, häufig m i t dem erklärten Ziel, die entsprechende private Tätigkeit einzuschränken. Hier lenken die Kommunen i n ihrem Bereich nicht durch Motivationen u n d Appelle, sondern dadurch, daß sie kurzerhand als Wettbewerber zu günstigeren Konditionen auftreten; vgl. dazu jetzt die etwas pauschale Formulierung des B V e r w G (NJW 1972, S. 2325 f.): „Die Chancengleichheit ist nämlich nicht n u r beeinträchtigt, w e n n der Staat einen K o n kurrenten begünstigt, sondern auch dann, w e n n er selbst zu den günstigeren Bedingungen tätig w i r d . " 15
7 Seidler
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. Kap.: Justiziabilität im Hinblick auf
d e t
Dies muß auch für das Kohlegesetz gelten, wenngleich hier die gesetzliche Konstruktion nicht vollständig m i t denjenigen Fällen übereinstimmt, i n denen dieses Problem sonst relevant geworden ist: i n dem Ausgangsfall etwa, der dem Urteil des BVerfG vom 22. 5.1963 19 zugrunde lag, ging es u m die Frage, ob die durch Gesetz veranlaßte Steuererhöhimg, durch die der Werkfernverkehr zugunsten anderer Beförderungsarten zurückgedrängt werden sollte, m i t A r t . 12 Abs. 1 GG vereinbar war. Die Rechtsfolge (Steuererhöhung) ergab sich hier unmittelbar aus dem gesetzlichen Tatbestand, so daß die einzelnen Unternehmer, die Werkfernverkehr betrieben, wegen der steigenden Kosten mittelbar veranlaßt wurden, diese Beförderungsart einzuschränken oder einzustellen, obwohl sie vom Gesetz dazu nicht direkt gezwungen wurden. Demgegenüber bedarf es beim Kohlegesetz erst noch eines Dazwischentretens des Bundesbeauftragten, u m die Rechtsfolge des Gesetzes auszulösen 20 : er muß etwa bescheinigen, daß eine geplante Investition, für die eine Steuerermäßigung begehrt wird, volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig ist oder noch gesonderte Empfehlungen zur Konkretisierung des Gesetzesprogramms aussprechen, deren Nichtbefolgung Subventionsentzug zur Folge hat. Die einzelnen Wirtschafter werden also auch hier mittelbar über die Gewährung bzw. den Entzug von Begünstigungen zu einem bestimmten, vom Gesetz gewollten Verhalten veranlaßt; indessen bedarf es zur Gewährung bzw. Entzug der Begünstigung noch eines entsprechenden Tätigwerdens des Bundesbeauftragten. Aber auch dabei handelt es sich u m mittelbare Beeinflussung, da er nicht m i t direktem Befehl und Zwang operiert, sondern lediglich an die Befolgung des von i h m konkretisierten Gesetzesprogramms bestimmte Begünstigungen knüpft. Die Gewährung dieser Begünstigung kann eine Veränderung der Wettbewerbssituation insofern m i t sich bringen, als der Begünstigte m i t Hilfe der Zuwendung etwa seine Preise stabilisieren kann, während dem Nichtbegünstigten, der sich i n gleicher Wettbewerbssituation befand, diese Möglichkeit versagt bleibt, er seine Konkurrenzfähigkeit verliert und Verluste erleidet. Diese Gewinnminderung m i t den sich daraus u . U . ergebenden betrieblichen Fernwirkungen ist, wenn auch nur mittelbar staatlich veranlaßt, durchaus an den Grundrechten der A r t . 12,14 GG zu messen 21 ; auch Art. 3 Abs. 1 GG ist hier heranzuziehen. 19
BVerfGE 16, 147 ff. (Werkfernverkehr). Dies gab dem B V e r f G (BVerfGE 29, 83 ff.) Veranlassung, die gegen das Kohlegesetz gerichtete Verfassungsbeschwerde als unzulässig abzuweisen, da die Beschwerdeführer durch das Gesetz allein noch nicht unmittelbar betroffen seien. 21 Vgl. auch Christoph Bellstedt, Bedürfen Subventionen gesetzlicher G r u n d lage?, D Ö V 1961, S. 161 ff., 167. 20
1. Allgemeines
99
Ebenso müssen diese Grundrechte als Maßstab herangezogen werden, wenn ein Unternehmen mittelbar dazu veranlaßt wird, auf eine entsprechende Empfehlung des Bundesbeauftragten seine Produktion zu drosseln oder sich m i t anderen Unternehmen zu einer Gesamtgesellschaft zusammenzuschließen, da es sonst vollends die zur Weiterarbeit notwendigen Subventionen verlieren würde. Nicht das Gesetz allein ist es also, das mittelbare Lenkungsfunktionen wahrnimmt, sondern i n gleichem Maße die Tätigkeit des Bundesbeauftragten zur Konkretisierung des Gesetzesprogramms m i t den vom Gesetz dafür vorgesehenen Instrumenten. Insoweit sind auch dessen Lenkungsmaßnahmen grundrechtsrelevant, auch wenn i h m die klassischen Eingriffsmittel des unmittelbaren staatlichen Zwangs nicht zur Verfügung stehen. K a n n man somit davon ausgehen, daß grundsätzlich auch i m Bereich der mittelbaren Wirtschaftslenkung die Grundrechte als Schutznormen nicht ausfallen können, so bleibt doch noch die Frage, ob ihre Schutzwirkung hier etwa weniger weit reicht als i n den klassischen Fällen der Eingriffsverwaltung. I m I. Kapitel wurde dargestellt, m i t welchen M i t t e l n und i n welchen Dimensionen dem Steinkohlebergbau staatliche Hilfe zuteil wurde, die nicht nur die Unterstützung des Bergbaus selbst bezweckte, sondern seine Wettbewerbsfähigkeit auch durch den Zugriff auf andere Energieträger durch „flankierende Maßnahmen" (Selbstbeschränkung und M i n destvorräte für Mineralölindustrie) zu stärken versuchte 22 . I n Anbetracht dieser Situation könnte argumentiert werden, daß etwa eine Empfehlung des Bundesbeauftragten, die Produktion zu drosseln, schon deshalb keinen Verstoß gegen A r t . 14 GG darstellen könne, w e i l es sich u m eine Auflage handelt, die i m Zusammenhang m i t den zuvor erbrachten staatlichen Leistungen zu sehen ist und nur eine Gegenleistung des Privaten, eine sog. „Vorzugslast", darstellt 23 . Darüber hinaus w i r d vorgebracht, staatliche Lenkungsmaßnahmen seien zumindest i n ihrer W i r k u n g wie der Marktmechanismus, demgegenüber ja keine Grundrechte mobilisiert werden können, zu beurteilen: innerhalb des Marktmechanismus seien die Unternehmen gezwungen, sich marktkonform zu verhalten, wollten sie nicht wirtschaftliche Nachteile erleiden. Das bedeute, daß sie ihre Wirtschaftsfreiheit nicht nach Belieben, sondern nur entsprechend den Marktdaten einset22 Die weitgehende Unterstützung der Steinkohle hatte schon vor Erlaß des Kohlegesetzes bei der Bundesregierung zu Überlegungen geführt, ob nicht anderen Wirtschaftszweigen, die i n der gleichen Lage w i e seinerzeit der Steinkohlebergbau sich befinden, wegen A r t . 3 GG die gleichen H i l f e n gewährt werden müßten; vgl. Ipsen, Rechtsfragen, S. 77 f. u n d dazu Wagner, ö f f e n t licher Haushalt u n d Wirtschaft, S. 70. 23 Vgl. dazu Ipsen, AöR Bd. 90 (1965), S. 427, 436.
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zen können. Wenn nun aber staatliche Lenkungsmaßnahmen an die Stelle des versagenden Marktmechanismus gesetzt würden, aber m i t dem gleichen Ziel, nämlich wie i m M a r k t bestimmte Verhaltensweisen zu begünstigen, andere zu benachteiligen, dann sei es inkonsequent, an dieser Stelle die Frage nach den Grundrechten aufzuwerfen, die gerade beim Marktmechanismus nicht gestellt werde. Wenn man Lenkungsmaßnahmen — zumindest solche globaler Natur — anerkenne oder gar fordere, müsse man auch die Konsequenz ziehen, diese hinsichtlich des Grundrechtsschutzes ebenso verfassungsneutral wie die Ergebnisse des Marktmechanismus zu behandeln 24 . Ebenso w i r d versucht, das Sozialstaatsprinzip i n Beziehung zu den Grundrechten zu setzen: handele der Staat i n Erfüllung des grundgesetzlichen Auftrags zur Sozialgestaltung, so solle dieses Handeln i n erster Linie am Sozialstaatsprinzip gemessen werden; erweise sich die staatliche A k t i v i t ä t als sozial gerechtfertigt, so solle erst danach die Frage gestellt werden, ob dennoch die dann etwa i m Hinblick auf Art. 3 GG weiter gezogenen Grenzen staatlicher Gestaltungsfreiheit überschritten sind 25 . I n die gleiche Richtung führen Argumente, die darauf abzielen, staatliche Lenkungsmaßnahmen i m Zusammenhang m i t der Sozialpflichtigkeitsklausel des A r t . 14 Abs. 2 GG zu sehen 26 , oder m i t der Annahme 24
So Wagner, S. 66 f. Vgl. Götz, Recht der Wirtschaftssubventionen, S. 268 f., der sich hier auf Maßnahmen des Gesetzgebers bezieht, insoweit aber w o h l keinen Unterschied zwischen gesetzgeberischen u n d exekutivischen Maßnahmen machen w i l l (Götz, a.a.O., S. 267 m i t F N 10); so auch Klein, Die Teilnahme des Staates, S. 109; dazu kritisch Detlev Christian Dicke, Verfassungsrechtliche Möglichkeiten u n d Grenzen der Wirtschaftslenkung i n Italien u n d der BRD, res publica Bd. 22, S t u t t g a r t - B e r l i n - K ö l n - M a i n z 1969, S. 125 ff., 127 f. 26 So Karl-Heinrich Hall, Rückzahlbarer Konjunkturzuschlag u n d Steuergesetz, N J W 1970, S. 2189 ff., 2192; auf diese Inhaltsbestimmung des Eigentums durch staatliche Wirtschaftslenkung hat schon Ipsen i n seinem Referat auf der Staatsrechtslehrertagung 1951 (Enteignung u n d Sozialisierung, W D S t R L Heft 10, B e r l i n 1952, S. 74 ff., 83) aufmerksam gemacht. Diese Gedanken mußten durch die dann folgende ökonomische Entwicklung der Bundesrepublik fast zwangsläufig verschüttet werden; es ist bezeichnend, daß sie jetzt, nach Rezessionserfahrungen u n d Rufen nach dem „Staat" wieder i n der neueren Diskussion auftauchen. Kennzeichnend für diese Entwicklung ist auch ein Vergleich der Diskussionen auf den Staatsrechtslehrertagungen von 1954 u n d 1968: konnte 1954 unbestritten festgestellt werden, daß das reine Marktwirtschaftsmodell des Neoliberalismus nicht den Gegebenheiten entspreche (vgl. Diskussionsbeiträge Leibholz (S. 142), Scheuner (S. 147 ff.), w o h l auch Klein (S. 126 f.), so wiesen 1968 Krüger (S. 86) u n d Ipsen (S. 87 f.) m i t dem Referenten Wagner ausdrücklich darauf hin, daß nach w i e vor i n der Ökonomie das reine neoliberale Modell der Marktwirtschaft vertreten werde u n d der Einwand, dieses gebe es doch gar nicht mehr, n u r als ein Versuch zu werten sei, durch „ T o t stellen" die K r i t i k zu unterlaufen (Krüger, a.a.O.). Vgl. dazu auch Hans-Hermann Hartwich, Wirtschaftsdemokratie u n d die Theorie v o m sozialen Rechtsstaat, i n : Probleme der Demokratie heute, PVS Sonderheft 2 (1970), S. 274 ff., 286 f. 25
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von Subventionen eine Bindung an die m i t der Subventionsvergabe verfolgten öffentlichen Interessen m i t der Folge anzunehmen, daß der Empfänger eine Beeinträchtigung seiner Freiheitsrechte hinnehmen müßte 27 . Man kann, faßt man all diese Argumente zusammen, zwei auf den ersten Blick gegenläufige Tendenzen erkennen: einerseits w i r d versucht, klassischen Vorstellungen zuwider den Grundrechtsschutz auch auf m i t telbare staatliche Lenkungsmaßnahmen auszudehnen; andererseits versucht man diese Ausdehnung mindestens i m Bereich der Wirtschaftslenkung gerade dadurch wieder abzuschwächen, daß man m i t den verschiedensten Begründungen (Gleichstellung m i t Marktmechanismus, Sozialstaatsklausel, Bindung an öffentliche Interessen, Sozialpflichtigkeit) die Schutzwirkung der einschlägigen Grundrechte in diesem Bereich reduziert. Indessen sind dies wirklich nur auf den ersten Blick gegenläufige Tendenzen. Bei genauerer Betrachtung ergibt sich, daß sie sich einander sinnvoll ergänzen und zu einem dem speziellen Lebensbereich elastisch angepaßten Grundrechtsschutz führen können. Auszugehen ist von dem Grundsatz, daß staatliches Handeln nicht grundrechtsungebunden gestellt werden kann; die Vertauschung der Handlungsformen allein darf nicht zu einer Bindungslosigkeit führen. Demgegenüber sollte es aber nicht das Bemühen sein, Grundrechtspositionen zum weitgehenden Abblocken staatlicher Aktivitäten i m Bereich der Wirtschaft zu aktivieren. Wenn nämlich von allen Seiten in dem Augenblick nach staatlicher Beeinflussung gerufen wird, da sich gezeigt hat, daß die Summe der wirtschaftlichen Egoismen zu schwerwiegenden Reibungsverlusten geführt hat, erscheint es widersprüchlich, m i t einer extensiven Grundrechtsauslegung diese Lenkung wieder zurückzudrängen 28 , sobald sie irgendjemanden i n seinen Interessen berührt 2 9 . Wie EhmJce30 überzeugend nachgewiesen hat, ist diese extensive Grundrechtsinterpretation gegen staatliche „Interventionen" i n den W i r t schaftsablauf Ausdruck des überkommenen staatsrechtlichen Denkens allein von der Gesellschaft her, die gerade hier einen Schutzwall interventionsabwehrender Normen u m sich herum aufgebaut hat; alle Maß27
So Ipsen, V e r w a l t u n g durch Subventionen, S. 303. Vgl. Hall, N J W 1970, S. 2192; neuerdings i n diesem Sinn Ulrich Scheuner , F u n k t i o n der Grundrechte i m Sozialstaat. Die Grundrechte als Richtlinie u n d Rahmen der Staatstätigkeit, D Ö V 1971, S. 505 ff. 29 Dies ist insbesondere die Tendenz i m Gutachten von Schneider , BB, Beilage 2/1969. Es ist Wagner (öffentlicher Haushalt u n d Wirtschaft, S. 68 f.) zuzustimmen, w e n n er diejenigen, die die angebliche Verfassungswidrigkeit einer Lenkungsmaßnahme nachweisen, i n Pflicht zu nehmen sucht: entweder sollten sie eine andere, verfassungskonforme Detailgestaltung vorschlagen, oder aber zum Ausdruck bringen, daß der Staat sich jeglicher Maßnahme zu enthalten habe. 30 Wirtschaft u n d Verfassung, Karlsruhe 1961, S. 5 ff. 28
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nahmen, die diesen Schutzwall zu überwinden suchen, werden dann m i t dem Verdikt des „Dirigismus" abqualifiziert. Es stellt sich aber demgegenüber die Aufgabe, eine sinnvolle Verbindung von notwendigem Grundrechtsschutz m i t dem gerade bei der W i r t schaftslenkung ebenso notwendigen Zugriff auf den einzelnen W i r t schafter zu schaffen. Die Lösung dieses Problems kann nicht darin liegen, i n einseitiger Weise Grundrechte als Gegenkräfte zu mobilisieren, sondern darin, diese staatlichen Tätigkeiten i n die rechtsstaatliche Ordnung einzubauen, sie als Erscheinungsbild eines innerstaatlichen „crisis management" 31 zu begreifen, das notwendigerweise (auch soweit es mögliche Krisen antizipiert) nicht ohne Beeinträchtigungen der Rechte derer auskommen kann, die an der Entstehung der Krise zumindest m i t beteiligt waren 8 2 . Bevor unter diesem Ausgangspunkt die einzelnen Maßnahmen des Bundesbeauftragten auf ihre grundrechtliche Relevanz geprüft werden können, müssen noch einige Bemerkungen zur Systematik der einschlägigen Grundrechte, insbesondere zum Verhältnis A r t . 12—Art. 14 GG und deren Beziehung zu A r t . 2 GG vorangestellt werden, u m den Kreis der relevanten Verfassungsartikel eingrenzen zu können.
b) Systematik
der Grundrechte
Das BVerfG hat bisher die Grundrechte aus A r t . 12 und 14 GG nebeneinander geprüft, ohne i m einzelnen zu deren Verhältnis Stellung zu nehmen 33 ; vielmehr hat es immer offengelassen, ob etwa eine zulässige Berufsausübungsregelung überhaupt den Schutzbereich des A r t . 14 GG berühren könne. Umgekehrt hat es aber auch entschieden, daß die Gründe, die eine gesetzliche Regelung vor A r t . 14 GG rechtfertigen, als „vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls" auch eine Berufsausübungsregelung tragen 34 . Das BVerwG hat i n einer Entscheidung vom 4. 7.1957 35 Art. 14 GG als lex specialis gegenüber A r t . 12 GG angesehen, da andernfalls Regelungen, die das Eigentum betreffen, unterschiedlich zu beurteilen seien, je nachdem, ob das Eigentum vom Betroffenen i n Ausübung des Berufs genutzt werde oder nicht. 31
So Stern, i n : Stern-Münch, Stabilitätsgesetz, S. 54. Rudolf Wiethölter (Die Position des Wirtschaftsrechts i m sozialen Rechtsstaat, Festschrift f ü r Franz Böhm, Karlsruhe 1965, S. 41 ff.) beklagt zu Recht, daß Anpassungshilfen regelmäßig v o n denen gefordert werden, die die n o t wendige Anpassung versäumt haben. 33 Vgl. etwa BVerfGE 17, 232 ff., 248 (Mehrbetrieb v o n Apotheken); 22, 380 ff., 386 (Kuponsteuergesetz). 34 Vgl. z. B. BVerfGE 21, 150 ff., 160 (Weinwirtschaftsgesetz). 35 B V e r w G E 5, 171 ff., 174. 32
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I m Beschluß über die Bevorratungspflicht für Mineralölerzeugnisse vom 16. 3.1971 hat nun das BVerfG 3 6 einen eigenständigen Abgrenzungsversuch unternommen, indem es danach gefragt hat, welche Freiheitsbereiche von beiden Grundrechten geschützt werden. Unter Berufung auf das Apothekenurteil 3 7 hat es ausgeführt, A r t . 12 GG schütze die Freiheit des Einzelnen, jede Tätigkeit, für die er sich geeignet halte, als Beruf zu ergreifen, A r t . 12 GG sei Persönlichkeits- und zukunftsbezogen. Demgegenüber sei Art. 14 GG i m wesentlichen objektbezogen, indem er den vom Einzelnen durch Arbeit und Leistung erworbenen Güterstand absichere. Unter Berufung auf Peter Wittig 38 zieht das Gericht daraus die Folgerung, A r t . 14 Abs. 1 GG schütze „das Erworbene, das Ergebnis der Betätigung, A r t . 12 Abs. 1 GG dagegen den Erwerb, die Betätigung selbst". Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob diese Unterscheidung w i r k l i c h tragfähig und notwendig ist. Zunächst setzt sich das BVerfG mindestens m i t der zitierten Kurzformel i n Widerspruch zu seiner eigenen Rechtsprechung, wenn es nämlich i m U r t e i l zum Hamburgischen Deichordnungsgesetz ausführt, daß das Eigentum ein elementares Grundrecht sei, „das i n einem inneren Zusammenhang m i t der Garantie der persönlichen Freiheit steht" 3 9 . Offenbar w i l l also das Gericht selbst nicht diesen Zusammenhang zerreißen, der m i t dem Eigentum gleichzeitig auch die Person schützt. Weiterhin ist auch die Berufung auf Wittig nur teilweise zutreffend. Zwar zieht auch er die prägnante Kurzformel, die das BVerfG verwendet, heran, allerdings nur i n einer Fußnote zu Ausführungen, die doch eine differenziertere Gestalt aufweisen: danach könnten nämlich Eingriffe über die Schutzzonen einzelner Grundrechte hinausgreifen, so daß man möglicherweise erst durch eine Zusammenschau mehrerer Grundrechte zu einem Verfassungsverstoß gelangen könnte 4 0 . Die angezogenen Äußerungen Wittigs sind w o h l nur dahin zu verstehen, daß die Reihenfolge der Prüfung sich danach richten sollte, ob mehr auf die berufliche Betätigung oder mehr auf Vermögensgüter zugegriffen wird, ohne daß die Prüfung des einen Grundrechts diejenige des anderen schlechthin ausschließen dürfte. Das BVerfG relativiert seine eigene Unterscheidung auch sofort wieder dadurch, daß es die Frage aufwirft, ob der Schutzbereich des A r t . 14 GG möglicherweise dann berührt sein könne, wenn die zulässige Berufs38
N J W 1971, S. 1255 ff., 12601 BVerfGE 7, 377 ff., 397. Bundesverfassungsgericht u n d Grundrechtssystematik, i n : Festschrift f ü r Gebhard Müller, Tübingen 1970, S. 575 ff., 590. 39 BVerfGE 24, 367 ff., 389; Hervorhebung v o m Verf. 40 Wittig , a.a.O., m i t F N 67. 37
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ausübungsregelung gleichzeitig in die Substanz des Gewerbebetriebs eingreift 4 1 ; die Frage bleibt offen, da eine solche Substanzverletzung nicht gegeben sei, zeigt aber, daß das BVerfG w o h l selbst nicht davon ausgeht, die gleichzeitige Anwendung von Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG sei wegen des Grundsatzes der Spezialität ausgeschlossen: man w i r d deshalb wohl nach wie vor annehmen dürfen, daß auch i n der Sicht des BVerfG Art. 12 und 14 GG nebeneinander geprüft werden können 42 . Ist die Relevanz der A r t . 12 und 14 GG bei Maßnahmen der W i r t schaftslenkung unbestritten, so ist doch weniger klar, ob i n diesen Fällen auch noch A r t . 2 Abs. 1 GG herangezogen werden kann, etwa als wirtschaftliche Entfaltungsfreiheit 43 , Wirtschaftsfreiheit 44 oder Garantie der Wettbewerbsfreiheit 45 . Teilweise w i r d die Relevanz des Art. 2 Abs. 1 GG i m wirtschaftlichen Bereich schon als unbestreitbar hingestellt 46 . Es soll an dieser Stelle nicht auf die Streitfrage eingegangen werden, ob A r t . 2 GG die allgemeine Handlungsfreiheit oder nur einen engen Persönlichkeitskern schützt 47 ; vielmehr soll versucht werden zu zeigen, daß auch unter Zugrundelegung der weiten Auffassung von A r t . 2 Abs. 1 GG dieser doch keine eigenständige Schutzwirkung gegenüber wirtschaftslenkenden Maßnahmen entfaltet, da er nach dieser Auffassung nämlich nur die Funktion eines Auffanggrundrechts hat und nur zum Tragen kommt, wenn und soweit spezielle Grundrechte nicht einschlägig sind, bzw. den i n Frage stehenden Sachverhalt nicht völlig abdecken. Wenn Art. 2 Abs. 1 GG m i t der weiten Auslegung auch die wirtschaftliche Entfaltungsfreiheit (Wettbewerbsfreiheit, Wirtschaftsfreiheit 48 ) schützt, so steht diese Garantie doch unter dem Vorbehalt der verfas41
N J W 1971, S. 1260 f. So auch Maunz, i n : Maunz-Dürig-Herzog, GG, A n m . 20 zu A r t . 14. So etwa BVerfGE 4, 7 ff., 15 (Investitionshilfegesetz); Ernst-Rudolf Huber, Der Streit u m das Wirtschaftsverfassungsrecht, D Ö V 1956, S. 97 ff., 135 ff., 172 ff., 200 ff. 44 So Ipsen, Rechtsfragen, S. 93 ff. 45 So etwa B V e r w G E 30, 191 ff., 198, m i t A n m e r k u n g von Rupert Scholz, N J W 1969, S. 1044 f.; Ernst Rudolf Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 2. Aufl., Bd. I, S. 660 f. 46 V o n Ipsen, Rechtsfragen, S. 95 m i t F N 74. 47 Vgl. einerseits die seit BVerfGE 6, 32 ff., 36 (Elfes-Urteil) st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts, der sich die w o h l h. M. angeschlossen hat (vgl. statt aller Dürig, i n : Maunz-Dürig-Herzog, GG, Anm. 43 ff. zu A r t . 2 Abs. 1), andererseits Hesse, Verfassungsrecht, S. 171 ff.; Ehmke, Wirtschaft u n d V e r fassung, S. 34 m i t F N 80, die aber durchaus bereit sind, A r t . 2 Abs. 1 auch i m wirtschaftlichen Bereich zum Tragen zu bringen, indem er etwa das Recht umfassen soll, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen (Ehmke, a.a.O.); auch insoweit einschränkend w o h l n u r Hans Peters, Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit i n der höchstrichterlichen Rechtsprechung, K ö l n und Opladen 1963, S. 47 ff. 48 Schon die unterschiedliche Terminologie zeigt die Fragwürdigkeit des Ergebnisses, da m i t den einzelnen Begriffen durchaus je Verschiedenes gemeint sein kann. 42
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sungsmäßigen Ordnung i n der Auslegung, die sie für diesen Fall durch das BVerfG gefunden hat. Das heißt, daß A r t . 2 Abs. 1 GG durch alle Regelungen beschränkt werden kann, die formell und materiell i m Einklang m i t der Verfassung stehen 49 . Dies ist aber nur dann der Fall, wenn sie auch mit den Grundrechten der A r t . 12, 14 GG i m Einklang stehen, die bei Regelungen i m Bereich der Wirtschaft zunächst einschlägig sind, währenddessen Art. 2 Abs. 1 GG hier nur eine Auffangfunktion hat. Ist die Vereinbarkeit m i t Art. 12, 14 GG festgestellt, so ist der Rückgriff auf A r t . 2 Abs. 1 GG ausgeschlossen, denn die Regelung steht dann i m Einklang m i t der verfassungsmäßigen Ordnung und kann somit die allgemeine Handlungsfreiheit nicht verletzen 50 . Da die h. M. keine eigenständigen, spezialisierten Schutzgüter innerhalb des Art. 2 Abs. 1 GG selbst entwickelt 51 , kann sie i n diesem Fall auf das allgemeine Grundrecht nicht zurückgreifen. Ein Rückgriff wäre nur für solche Schutzgüter möglich, die innerhalb der speziellen Grundrechtsartikel nicht oder nicht vollständig abgedeckt sind. Dafür kommen dann aber keine spezifischen Schutzgüter eines Wirtschaftenden — sei es als Haushaltsvorstand oder Unternehmer — i n Betracht, sondern nur allgemeine, sich aus der Verfassung ergebende Prinzipien, deren Verletzung gleichzeitig auch eine Verletzung des A r t . 2 Abs. 1 GG zur Folge haben soll, so etwa Rechtsstaatsprinzip und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Diese gelten aber unabhängig davon, ob der durch die Regelung Betroffene sich als Wirtschaftender oder etwa als Beschuldigter i m Strafprozeß beschwert sieht 52 ; weder machen sie es erforderlich noch rechtfertigen sie es, ein besonderes Recht der W i r t schaftsfreiheit gerade aus A r t . 2 Abs. 1 GG herauszulesen. Hinzu kommt, daß zumindest das Verhältnismäßigkeitsprinzip auch i m Rahmen des speziellen Grundrechts geprüft werden kann. Letztlich ist z. B. die Rechtsprechung des BVerfG zu A r t . 12 GG nichts anderes als eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes 53 . Dieses Ergebnis w i r d auch durch die bisherige Praxis des BVerfG bestätigt: hält es eine Regelung für vereinbar mit den Grundsätzen der 49
BVerfGE 6, 32 ff. (Elfes-Urteil). So auch Dicke , Verfassungsrechtliche Möglichkeiten, S. 110. E i n Ansatz möglicherweise i n BVerfGE 27, 1 ff., 6 (Mikrozensus). 52 Unrichtig deshalb auch BVerfGE 29, 260 ff., 266 ff. (Jahresarbeitsverdienstgrenze), soweit hier auf die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit eines U n t e r nehmers abgestellt w i r d ; durch den Arbeitgeberzuschuß zur Sozialversicher u n g w i r d er n u r w i e jeder andere, der irgendwie zur Schaffung des B r u t t o sozialprodukts beiträgt, zur allgemeinen Vorsorge herangezogen, nicht aber i n seiner spezifisch wirtschaftlichen Betätigungsweise betroffen. V ö l l i g zu Recht bemerkt denn auch Ekkehart Stein (Die Wirtschaftsaufsicht, Tübingen 1967, S. 63 ff.), daß diejenigen, die eine Wirtschaftsfreiheit i n A r t . 2 Abs. 1 GG v e r ankert sehen, damit letztlich ein privilegiertes Unternehmergrundrecht (S. 66) meinen. 53 So zuletzt BVerfGE 25, 1 ff., 12 (Mühlengesetz). 50
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A r t . 12, 14 GG, so prüft es A r t . 2 GG gar nicht mehr, da dann die Norm m i t der verfassungsmäßigen Ordnung i n Einklang steht 54 . Ebenso w i r d verfahren, wenn die Verfassungswidrigkeit einer Regelung schon anhand eines speziellen Grundrechts festgestellt w i r d ; auch dann w i r d A r t . 2 Abs. 1 GG nicht mehr geprüft, obwohl i n diesen Fällen ja nach der Rechtsprechung des BVerfG die Regelung, w e i l nicht i m Einklang m i t der verfassungsmäßigen Ordnung, auch gegen A r t . 2 GG verstoßen müßte 55 . Soweit ersichtlich ist das BVerfG lediglich einmal von dieser Praxis abgewichen: die durch das Milch- und Fettgesetz vom 10.12. 195258 errichtete Marktordnung prüfte es immittelbar an A r t . 2 Abs. 1 GG, da diese i m „System einer grundsätzlich freien Wirtschaft" 5 7 einen Fremdkörper darstelle; aus überwiegenden Gründen des Gemeinwohls sei diese Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit jedoch gerechtfertigt 58 . Zunächst einmal hätte eine Prüfung am Grundrecht des A r t . 12 Abs. 1 GG durchaus nahe gelegen, was auch die Bundesregierung i n ihrer Äußerung 5 9 betont hatte, auf die das BVerfG aber nicht eingeht. N i m m t man die grundsätzliche Praxis des BVerfG, so erscheint es gerade auch auf Grundlage der h. M. zumindest überflüssig zu sein, ein Grundrecht der Wirtschaftsfreiheit i n A r t . 2 Abs. 1 GG zu lokalisieren 60 . Vielmehr w i r d man diese Wirtschaftsfreiheit als eine mittelbare Garantie der Grundrechte aus A r t . 12, 14 GG ansehen müssen. Denn m i t diesen Vorschriften werden gerade diejenigen Lebensbereiche grundrechtlich abgesichert, die Voraussetzung freien Wirtschaftens sind, insbesondere wenn durch die Rechtsprechung — zu Recht — sowohl Eigentumswie Berufsbegriff eine weite Ausdehnung gefunden haben 61 . Wirtschaftliche Betätigungsfreiheit ist somit als mittelbares Ergebnis dieser Garantien anzusehen, ohne daß es eines Rückgriffs auf das Grundrecht der 54
Vgl. BVerfGE 9, 73 ff., 77 (Apothekenpflicht); 9, 338ff., 343 (Altersgrenze f ü r Hebammen); 21, 227 ff., 234 (Steuerberatungsgesellschaft); 24, 200ff., 235 (Angestelltenversicherung); BVerfG, N J W 1971, S. 1255 ff., 1261 (Bevorratungspflicht). 55 Vgl. BVerfGE 7, 377 ff. (Apothekenurteil) u n d 22, 114 ff. (Ausschluß eines Straf Verteidigers); i n beiden Fällen w u r d e A r t . 2 Abs. 1 GG, obwohl gerügt, nach der Feststellung eines Verstoßes gegen A r t . 12 Abs. 1 GG nicht mehr geprüft. 50 BGBl. I, S. 811. 57 Wie sich aus dieser Formulierung zeigt, ist das BVerfG vor der Annahme eines Wirtschafts-„Systems" doch nicht ganz gefeit. 58 BVerfGE 18, 315 ff., 327. 59 Ebd., S. 324. 60 So i m Ergebnis auch Peter Lerche, Werbung u n d Verfassung, München u n d B e r l i n 1967, S. 75 f.; Dicke, Verfassungsrechtliche Möglichkeiten, S. 109; Adolf Schiile, Die staatliche Intervention i m Bereich der Wirtschaft, W D S t R L Heft 11 (1952), B e r l i n 1954, S. 75 ff., 85, allerdings ohne nähere Begründung. 61 F ü r A r t . 12: BVerfGE 7, 377 ff., 397 (Apothekenurteil); 14, 19 ff., 22 (Automatenauf steller). F ü r A r t . 14: BVerfGE 14, 288 ff., 293 (Rentenversicherung).
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allgemeinen Handlungsfreiheit bedürfte. Das gilt insbesondere, soweit Wettbewerbsfreiheit i n individueller oder institutioneller Sicht aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitet wird 6 2 . Dies würde nicht m i t der prinzipiellen wirtschaftspolitischen Neutralität des GG i m Einklang stehen und darüberhinaus eine grundrechtliche Privilegierung derjenigen schaffen, die die Möglichkeit haben, am Wettbewerb teilzunehmen bzw. diesen zu bestimmen 63 . Demgegenüber vermag auch die Auffassung Ipsens 64 nicht zu überzeugen, wonach A r t . 2 Abs. 1 GG die Wirtschaftsfreiheit als „unternehmerische Dispositionsfreiheit" 65 gewährleisten soll. Inwieweit und m i t welchen Konturen diese ein über A r t . 12, 14 GG hinausgehendes Schutzgut sein soll, w i r d nicht klar, auch wenn er m i t dem Investitionshilfeurteil fordert, A r t . 2 Abs. 1 GG müsse die Eigenständigkeit des Wirtschafters garantieren, die nicht an A r t . 12, 14 GG angehängt werden dürfe, sondern „eigenständig und eigenwertig" 6 6 gesehen werden müsse. Worin diese Eigenständigkeit und Eigenwertigkeit letztlich gesehen wird, bleibt auch bei dem von Ipsen genannten Beispiel offen: die Wesensgehaltsgarantie dieser Wirtschaftsfreiheit soll verletzt sein, wenn hoheitliche Wirtschaftsplanung dazu führe, daß „der private W i r t schaftsträger an einer seiner Wirtschaftskraft entsprechenden üblichen Investionsentfaltung gehindert w i r d " 6 7 . Sieht man einmal über die Problematik eines Versuchs hinweg, den Schutzbereich eines Grundrechts von seinem Wesensgehalt her zu bestimmen, so läßt sich doch dieser Fall ohne weiteres m i t einer Verhältnismäßigkeitsprüfung i m Rahmen des A r t . 12 Abs. 1 GG bewältigen. I m übrigen scheint, selbst wenn man Ipsen insoweit folgen wollte, die Wesensgehaltsgrenze viel zu weit ausgedehnt: wäre sein Beispiel nämlich richtig, wäre es etwa schlechthin ausgeschlossen, Herstellung und Verbreitung extrem umweltbelastender Industrieprodukte einzuschränken und als Folge dessen die weitere Expansion entsprechender Wirtschaftszweige entgegen deren Investitionswilligkeit und -fähigkeit zu verhindern, w e i l damit Wesensgehaltsschranken verletzt würden. Demgegenüber liegt auch hier der entscheidende verfassungsrechtliche Ansatzpunkt bei A r t . 14 GG: entweder stellt sich eine solche Maßnahme als Enteignung dar, dann ist sie gegen Entschädigung zulässig, oder sie fällt unter die Sozialbindung des A r t . 14 62 Vgl. dazu insbesondere Rupert Scholz , Wettbewerbsrecht u n d öffentliche Hand, Z H R 132 (1969), S. 97 ff., 105 f.; ders., Wirtschaftsaufsicht, S. 128 f.; Klein , Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, res publica Bd. 18, Stuttgart 1968, S. 111. 63 Vgl. Stein , Wirtschaftsaufsicht, S. 66. 64 Rechtsfragen, S.93ff.; vgl. auch ders., AöR Bd. 90 (1965), S. 430 ff. 65 Rechtsfragen, S. 95. 66 Ebd., S. 96. 67 Ebd., S. 99.
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Abs. 2 GG. Es wäre aber eine Unterschätzung der Abhängigkeit privaten Wirtschaftens und — wie das Beispiel zeigt — privater Existenz schlechthin von staatlicher Vorsorge, wenn man m i t der Wesensgehaltsschranke derlei staatliche Aktivitäten ohne Einschränkung unmöglich machen würde. I m folgenden werden deshalb die Maßnahmen des Bundesbeauftragten i m wesentlichen an den Grundrechten der A r t . 3, 12, 14 GG gemessen werden, wobei i m Auge behalten werden soll, daß zwar eine Grundrechtsbindung besteht, daß aber die Vorteile berücksichtigt werden müssen, die dem einzelnen Wirtschafter durch staatliche Planung zugute kommen und durch staatliche Maßnahmen i m weitesten Sinn auch schon zugute gekommen sind.
2. Empfehlungen des Bundesbeauftragten a) Art 14 GG Erteilt der Bundesbeauftragte einem Unternehmen etwa die Empfehlung, seine Produktion u m einen bestimmten Prozentsatz einzuschränken und kommt das Unternehmen dieser Empfehlung nicht nach, so können (bzw. unter den Voraussetzungen des § 23 Abs. 2 K G : müssen) i h m die i n § 21 K G genannten Begünstigungen entzogen werden. Das w i r f t die Frage nach einer Eigentumsverletzung sowohl durch die Empfehlung wie auch durch den schließlichen Entzug auf. Schneider 68 w i l l eine Enteignung dann annehmen, wenn durch den Bundesbeauftragten eine Ermäßigung der Produktionskapazität erzwungen wird, die unmittelbar in den gegenwärtigen Besitzstand der Unternehmen eingreift. Folgt man dieser Ansicht, so stellt sich die Frage, in welchen Besitzstand eine solche Maßnahme eingreift. Dabei ergibt sich, daß ein Unternehmen i n diesem Fall nur noch bedingt die Möglichkeit hat, eine an sich vorhandene Produktionskapazität v o l l auszunutzen; tut es dies nämlich dennoch gegen die Empfehlung, so kann es davon ausgehen, daß i h m wesentliche Subventionen entzogen werden. Das bedeutet aber, daß der eigentliche Eingriff i n den Besitzstand nicht i n der Empfehlung auf Produktionseinschränkung liegt, sondern i n der Sanktion, dem möglichen oder tatsächlichen Subventionsentzug. Und daraus folgt die Fragestellung, ob diese vorher gewährten Subventionen i n den durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Besitzstand eines Unternehmens fallen. 68
Gutachten, S. 12.
2. Empfehlungen des Bundesbeauftragten
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Durch Art. 14 Abs. 1 GG ist sicher das Recht am Gewerbebetrieb geschützt 69 ; dies gilt nicht nur für den sächlichen Bestand eines Unternehmens, vielmehr unterfällt alles das, was i n seiner Gesamtheit den wirtschaftlichen Bestand des Unternehmens ausmacht, dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG 7 0 . Nicht so eindeutig ist allerdings die Frage zu beantworten, ob und inwieweit auch durch das öffentliche Recht gewährte Rechtspositionen i n den durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz des Gewerbebetriebs fallen. U m solche Vermögenswerten Rechte, die auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften geleistet werden, handelt es sich bei den i n § 21 K G genannten Begünstigungen. Das BVerfG 7 1 hat zunächst gegen die Rechtsprechung des BGH 7 2 eine Ausdehnung des Eigentumsschutzes über private Vermögensrechte hinaus auch auf öffentlich-rechtlich begründete Vermögenspositionen abgelehnt. Es hat dies insbesondere m i t dem historischen Argument begründet, daß der Verfassungsgesetzgeber den aus der Weimarer Verfassung überkommenen Rechtszustand habe übernehmen wollen, der nach dem entsprechenden A r t . 153 WRV unstreitig allenfalls privatrechtliche Vermögensrechte über den „klassischen" Eigentumsbegriff hinaus schützte. I m Vordergrund stand aber für das BVerfG w o h l die Erwägung, daß bei Einbeziehung öffentlich-rechtlich begründeter Vermögenspositionen in den Eigentumsschutz der einfache Gesetzgeber zu sehr beeinträchtigt würde: er könnte nämlich dann für die Zukunft solche einmal begründeten Vermögenspositionen nur noch verbessern, nicht aber mehr ohne Entschädigung oder Grundgesetzänderung entziehen 73 . Dies hätte überdies bei Subventionsleistungen die Kuriosität zur Folge, daß sie zwar entzogen werden könnten, dann aber nur gegen Entschädigung, so daß lediglich eine (auch indirekte) Geldleistung durch eine Entschädigungsleistung i n zumindest annähernd der gleichen Höhe ersetzt würde — es würden lediglich Geldbeträge verschoben. Demgegenüber geht eine — später auch vom BVerfG 7 4 akzeptierte — Auffassung einen differenzierenden Weg: öffentlich-rechtlich begründete Vermögenspositionen sollen nur dann dem Eigentumsschutz unterfallen, 69 Das ist i n Rspr. u n d L i t e r a t u r i m Grundsatz v ö l l i g unstreitig; vgl. etwa BVerfGE 13, 225 ff., 229 (Ladenschluß für Bahnhofsapotheke); B G H Z 48, 65 f.; 45, 150 ff., 155; Maunz , i n : Maunz-Dürig-Herzog, GG, A n m . 32 zu A r t . 14. 70 Vgl. statt aller Maunz, a.a.O. 71 Vgl. BVerfGE 1, 264ff., 278 (Bezirksschornsteinfeger); 2, 380ff., 399 ff. (Haftentschädigung). 72 B G H Z 6, 270 ff., 278; 15, 17 ff., 20. 73 BVerfGE 2, 402; vgl. auch Götz , Recht der Wirtschaftssubventionen, S. 279 m i t F N 53. 74 BVerfGE 4, 219 ff., 240 ff. (Überführungsgesetz); 14, 288 ff., 293f. (Rentenversicherung); 16, 94ff., 111 (Unterhaltsansprüche für Beamte); 18, 392 ff., 397 (Beurkundungsbefugnis).
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wenn sie auf Grund eigener Leistung erworben sind, ohne daß es auf die öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Herkunft des Vermögensrechts entscheidend ankomme 75 ; negativ definiert bedeutet das, daß ein Eigentumsschutz dann nicht gegeben sein soll, wenn die Vermögensposition allein auf einer einseitigen Gewährung des Staates aus sozial- oder ordnungspolitischen Erwägungen gegründet ist. So sind etwa Haftentschädigungsansprüche, Ansprüche aus dem Lastenausgleich sowie bestimmte Erwerbsberechtigungen i n der Sozialversicherung von der Rechtsprechung als bloße Leistungen des Staates ohne Einräumung eines Eigentumsschutzes angesehen worden 7 6 . Folgt man dieser inzwischen wohl gefestigten Meinung 7 7 , w i r d man grundsätzlich zu dem Ergebnis kommen müssen, daß der Entzug der i n §21 K G genannten finanziellen Begünstigung keinen Verstoß gegen A r t . 14 GG darstellt: diese werden durch staatliche A k t e 7 8 gewährt m i t dem Ziel, den Steinkohlebergbau konkurrenzfähig zu erhalten, da die Steinkohle sonst ohne die Hilfen aus dem Wettbewerb verdrängt würde. Die Subventionsgewährung beruht also nicht auf einer Eigenleistung, so daß ihr Entzug jedenfalls m i t A r t . 14 GG vereinbar ist, ohne daß man auf die Frage der Sozialpflichtigkeit des Eigentums einzugehen brauchte 79 . Dieses Ergebnis folgt auch aus der Erwägung, daß bei entgegengesetzter Auffassung dem Staat ein wesentliches M i t t e l der Wirtschaftslenkung, Subventionsentzug und gezielte Neuvergabe, aus der Hand geschlagen würde 8 0 . 75 Vgl. Günter Dürig, Der Staat und die Vermögenswerten öffentlich-rechtlichen Berechtigungen seiner Bürger, i n : Festschrift f ü r W i l l i b a l t Apelt, M ü n chen u n d B e r l i n 1958, S. 13 ff., 24 ff. m. w . N. 76 Vgl. die Zusammenstellung bei Werner Weber, öffentlich-rechtliche Rechtsstellungen als Gegenstand der Eigentumsgarantie i n der Rechtsprechung, AöR Bd. 91 (1966), S. 382 ff., 401. 77 Diese ist allerdings insofern problematisch, als sie i n ihrem Ausgangsp u n k t an der fragwürdigen Unterscheidung v o n öffentlich-rechtlichen u n d privatrechtlichen Ansprüchen festhält; vgl. dazu Bullinger, öffentliches Recht u n d Privatrecht, S. 97 ff.; ders., Beamtenrechtliche Zusagen u n d Reformgesetzgebung. Z u r Fortgeltung von Berufungsvereinbarungen unter dem badenwürttembergischen Hochschulgesetz, F r a n k f u r t 1972, S. 50 ff. 78 Das gilt auch f ü r die Begünstigungen des § 21 Abs. 1 Satz 1 K G , die von der Aktionsgemeinschaft Deutsche Steinkohlenreviere G m b H aus v o m B u n d zur Verfügung gestellten M i t t e l n gewährt werden; die A D S n i m m t hier als beliehener Unternehmer einen Verwaltungsauftrag w a h r ; vgl. von Dücker, Aktionsgemeinschaft, S. 75 ff., 81 u n d § 6 des Vertrages zwischen der B R D u n d der A D S v o m 22.3.1967, abgedruckt bei von Dücker, a.a.O., S. 144. 79 So auch grundsätzlich Götz, Recht der Wirtschaftssubventionen, S. 279; Schneider, Gutachten, S. 16. 80 Das verkennt Scheuner (DÖV 1971, S. 511), w e n n er ganz allgemein öffentlich-rechtliche Ansprüche i n den Eigentumsschutz einbeziehen w i l l m i t der Erwägung, die i m m e r größer werdende Abhängigkeit von staatlichen Leistungen gebiete dies; hier sollte i n der T a t j e nach Charakter u n d politischer Motivation des öffentlich-rechtlichen Anspruchs differenziert werden.
2. Empfehlungen des Bundesbeauftragten Unterfallen somit die den Bergbauunternehmen gewährten Subventionen nicht dem Eigentumsschutz, so w i r d man auch nicht, wie Schneider es tut, annehmen dürfen, daß die Vorstufe des Subventionsentzugs, die nichtbefolgte Empfehlung auf Produktionsreduzierung, i n unzulässiger Weise i n Eigentumsrechte eingreift. Denn das Kohlegesetz hätte i n verfassungsrechtlich einwandfreier Weise etwa die i n § 21 K G genannten Begünstigungen total aufheben können; dann muß es aber zulässig sein, i m Einzelfall die Weitergewährung von der Erfüllung einer bestimmten Auflage abhängig zu machen, da dies grundsätzlich als das mildere M i t t e l gegenüber der an sich möglichen Totalbeseitigung der betreffenden Subvention anzusehen ist. Das bedeutet, daß i n dem Augenblick, da der Bundesbeauftragte eine Empfehlung an ein Unternehmen ausspricht, die Weitergewährung unter der Auflage steht, an der Erfüllung des Gesetzeszwecks (hier: A n passung der Produktion an den Absatz) mitzuwirken. Dieser Zweckgedanke spielt i m Subventionswesen eine entscheidende Rolle, da der Staat ja nicht rein altruistisch Subventionen vergibt 8 1 , sondern dafür eine Gegenleistung etwa i n Form eines dem Subventionszweck entsprechenden Verhaltens, erwartet. Ipsen 82 sieht hierin zu Recht eine Grundrechtsbindung i m öffentlichen Interesse: wer Subventionen annehme, binde sich dadurch an die Verwirklichung öffentlicher Subventionsinteressen; dies sei verfassungsrechtlich so lange irrelevant, als diese Subventionsinteressen wirklich Gemeinwohlinteressen seien. Es dürfte außer Zweifel stehen, daß der Versuch, den Steinkohlebergbau langfristig zu sanieren, i m Interesse des Gemeinwohls liegt, wenn man etwa an eine sichere Energieversorgung auch aus nationalen Energiequellen denkt 8 3 . Die erforderliche Konnexität der Auflage ist dadurch gesichert, daß § 4 Abs. 2, 3 K G den Inhalt der möglichen Auflagen programmiert. Hier hat das Gericht auch die Möglichkeit zu prüfen, ob die nach dieser Vorschrift möglichen Auflagen eingehalten sind oder ob der Bundesbeauftragte etwa weitere — unzulässige — Empfehlungen angefügt hat. A n dieser Stelle gibt das Gesetz dem Bundesbeauftragten keine Gestaltungsmöglichkeit, der Katalog des § 4 Abs. 2, 3 K G ist als abschließend anzusehen. Das Kohlegesetz selbst hat somit die Bedenken ausgeräumt, 81 „Das Schenken ist keine Verwaltungsagende" (Ipsen, V e r w a l t u n g durch Subventionen, Ls. 5, S. 304 f.); zum Subventionszweck s. auch Götz , Recht der Wirtschaftssubventionen, S. 45 ff. 82 Ipsen, V e r w a l t u n g durch Subventionen, S. 303. Obwohl Ipsen entgegen der hier vertretenen Auffassung nicht A r t . 12 u n d 14 GG, sondern A r t . 2 Abs. 1 GG als Schutznorm gegenüber der Subventionsverwaltung annimmt, k a n n diese Auffassung doch auch auf A r t . 12, 14 G G angewandt werden. 83 Vgl. etwa die Ausführungen des BVerfG, N J W 1971, S. 1258 (Bevorratungspflicht).
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die Friauf 4 gegenüber der Auflagenpraxis vorgebracht hat: m i t Auflagen, die i m Ermessen der Behörde stünden, könnten möglicherweise Grundrechtsschranken überspielt werden. Die Gemeinwohlinteressen werden auch nicht etwa dann aufgehoben, wenn der Gesetzgeber bzw. die Exekutive bei ihren Maßnahmen von falschen oder unzweckmäßigen Voraussetzungen bzw. Voraussagen ausgehen. Insbesondere kann man daraus nicht die Folgerung ziehen, daß Gesetzgeber oder Exekutive rechts- oder gar verfassungswidrig handelten, wenn nicht offensichtlich ist, daß die getroffene Maßnahme untauglich ist. Das BVerfG 8 5 hat i n diesen Bereichen der Wirtschaftslenkung dem Gesetzgeber eine relativ weite Fehlermarge konzediert; erkennt man an, daß i n diesem Problemkreis die Exekutive einen ähnlichen Gestaltungsauftrag wie der Gesetzgeber hat, w i r d man auch ihr eine relat i v große Bandbreite für I r r t u m zugestehen müssen; jedenfalls wäre es fehlerhaft, falschem oder unzweckmäßigem Handeln allein m i t diesen Gründen das Gemeinwohlinteresse absprechen zu wollen. Kommt man zu dem Ergebnis, daß die Empfehlungen des Bundesbeauftragten i m engen Zusammenhang m i t den jeweiligen Subventionen als Auflage für deren Fortbestand zu sehen sind und somit als minus gegenüber dem durch A r t . 14 Abs. 1 GG nicht geschützten Subventionsentzug ebenfalls nicht unter den Schutzbereich dieses Grundrechts fallen, so bedarf diese These doch noch einer kritischen Uberprüfung. Es stellt sich nämlich die weitere Frage, ob es zulässig ist, daß der Staat sich auf dem Weg über diese mittelbare Beeinflussung durch Subventiönsentzug möglicherweise mehr grundrechtliche Freiheit schafft, als es i h m auf dem herkömmlichen Weg über Befehl und Zwang möglich wäre. M i t anderen Worten: wenn der Bundesbeauftragte wegen A r t . 14 Abs. 1 GG zunächst gehindert wäre, einem Unternehmen die Einschränkung seiner Produktion zu befehlen, dann dürfte nichts anderes gelten, wenn er dieses Verhalten empfiehlt i n dem Bewußtsein, daß angesichts der drohenden Sanktion dem Unternehmer nur die Wahl bleibt, der „Empfehlung" zu folgen oder konkurrenzunfähig zu werden. M i t diesem Instrument wäre es dem Staat dann möglich, über einen Umweg auf private Rechtspositionen einzuwirken, die er m i t Zwangsmaßnahmen nicht antasten darf 8 8 ; durch eine einfache Vertauschung der M i t t e l wäre doch wieder das Ziel erreicht, eine Maßnahme vor den Grundrechten eindeutig legitimieren zu können, deren Legitimation i m 84 DVB1 1966, S. 737 f.; vgl. auch Ipsen, V e r w a l t u n g durch Subventionen, S. 307 Ls. 18 und Diskussionsbeitrag, S. 412 f. 85 Vgl. zuletzt BVerfGE 25, 1 ff., 12, 17 (Mühlengesetz) und Beschluß des BVerfG v o m 9. 3.1971, JZ 1971, S. 686 ff. (Absicherungsgesetz) m i t A n m e r k u n g Otto Kimminich, S. 688 ff. 86 Vgl. dazu insbesondere Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 41 ff.; dersDVB1.1966, S. 737; Weber, Der Staat 1965, S. 420.
2. Empfehlungen des Bundesbeauftragten
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üblichen Befehlswege möglicherweise zweifelhaft wäre. Dieses Abstellen auf die realen Auswirkungen einer Maßnahme w i r d auch i n der Rechtsprechung des BVerfG deutlich, wenn es etwa ausführt: „Ist . . . ein unmittelbarer Zwang verfassungswidrig, so kann dasselbe Ziel auch nicht geeignet sein, eine Maßnahme zu legitimieren, die . . . mittelbar diesem Ziel dienen soll" 8 7 . I n dieser Sicht wäre allein nach der Relevanz der Empfehlung selbst i m Grundrechtsbereich zu fragen, ohne die eigentliche Sanktion (Subventionsentzug) i n die Betrachtung einzubeziehen, da ja allein schon die Empfehlung die Wirkung eines staatlichen Befehls hat. Die Frage müßte dann lauten: kann der Bundesbeauftragte, ohne gegen A r t . 14 GG zu verstoßen, einem Unternehmen die volle Ausnutzung seiner Kapazitäten verbieten, wenn und soweit dadurch eine volkswirtschaftlich unerwünschte Marktsättigung eintreten könnte? Unterstellt man zunächst einmal, daß eine solche Maßnahme gegen das Grundrecht des A r t . 14 Abs. 1 GG und damit auch gegen die hierin mitverbürgte Garantie freien Wirtschaftens verstößt, so stellt sich doch die Frage, ob es nicht auch zum freien Wirtschaften und Ausnutzen des privaten Eigentums gehört, sich durch ein bestimmtes Verhalten zur Erfüllung staatlicher Aufgaben zur Verfügung zu stellen und als Gegenleistung dafür die Subvention entgegenzunehmen; damit stellt sich das Problem der freiwilligen Unterwerfung unter eine an sich verfassungswidrige Maßnahme, eine Selbstbindung i m öffentlichen, nicht zuletzt aber auch i m eigenen Interesse. Verschiedentlich wurde versucht, die Figur des Grundrechtsverzichts i m Subventionsrecht (und auch darüber hinaus) fruchtbar zu machen 88 . Zacher hat darüberhinausgehend Subventionierung als ein Kooperationsverhältnis zwischen Subventionsgeber und Subventionsempfänger bezeichnet und daraus die Folgerung gezogen: „Kooperation bedeutet immer Grundrechtsverbrauch" 89 , w i l l den Grundrechten aber dennoch eine Schutzwirkung unter den Aspekten der Sachbezogenheit und Verhältnismäßigkeit zuweisen. Die Frage des Grundrechtsverzichts oder der Satz „volenti non fit iniuria", der auch von den Vertretern dieser Auffassung letztlich nur m i t Unbehagen vorgetragen wird 9 0 , scheinen aber schon i m Ansatzpunkt verfehlt zu sein. U m nämlich grundsätzlich überhaupt zur Möglichkeit eines Grundrechtsverzichts gelangen zu können, muß einseitig das Ge87
BVerfGE 6, 55 ff., 82 (Ehegattenbesteuerung). Vgl. etwa Klaus Vogel, Gesetzgeber u n d Verwaltung, V V D S t R L Heft 24 (1965), Berlin 1966, S. 125 ff., 155; Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 789; HansUlrich Evers, Die verfassungsrechtlichen Bindungen fiskalischer u n d schlichthoheitlicher Maßnahmen i n der Praxis, N J W 1961, S. 289 ff.; i n dieser Hinsicht nicht eindeutig Ipsen, V e r w a l t u n g durch Subventionen, S. 303; aus der Rspr. vgl. B V e r w G E 14, 21 ff. 89 V e r w a l t u n g durch Subventionen, S. 344. 90 s. Zacher, V e r w a l t u n g durch Subventionen, S. 343 f. m i t F N 160. 88
8 Seidler
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wicht auf die subjektive Seite der Freiheitsrechte gelegt werden. Wenn darüber hinaus aber auch diejenigen Grundrechte, die primär freiheitssichernd ausgestaltet sind, institutionellen Charakter insofern haben, als sie „Grundelemente objektiver Ordnung des Gemeinwesens" 91 darstellen, dann dürfte ihre Verzichtbarkeit ausgeschlossen sein. Da auch durch die Freiheitsrechte ganze Lebensbereiche von der Verfassung einer bestimmten Ordnung zugeführt worden sind 92 , stehen diese Ordnungen, da nicht nur personenbezogen, nicht zur individuellen Disposition, ein Verzicht ist somit schon vom Ausgangspunkt her ausgeschlossen93. Kann man diesen Weg also nicht weiter beschreiten, so muß doch geprüft werden, ob die oben gestellte Ausgangsfrage, ob der Bundesbeauftragte die Empfehlung auch als isolierten Befehl ohne Verletzung des A r t . 14 Abs. 1 GG hätte aussprechen können, nicht noch um einen weiteren Faktor bereichert werden muß, nämlich die Frage nach dem Zweck der Maßnahme. Dabei darf man den Zweck nicht formal und inhaltsleer darauf reduzieren, daß man lediglich einen „Lenkungs"-Zweck feststellt. Vielmehr muß auch gefragt werden, zu welchen Ergebnissen diese Lenkung führen soll, ob sie die Verantwortung des Staates für eine zumindest existenzfähige Gesamt- oder Sektoralwirtschaft aktualisiert 9 4 . Ist dies der Fall, w i r d man regelmäßig über Art. 14 Abs. 2 GG bei einer entsprechenden Empfehlung des Bundesbeauftragten zu einer Sozialbindung des Eigentums gelangen. Das BVerfG 9 5 hat kürzlich festgestellt, daß angesichts der überragenden Bedeutung der Energiewirtschaft i n diesem Wirtschaftssektor „weitergehende staatliche Interventionen" — und das kann wohl nur heißen: schwächerer Grundrechtsschutz gegenüber staatlicher Gestaltung — als in anderen Industriezweigen zulässig sei; auch hier ist das BVerfG also zu Recht über den rein formalen Lenkungszweck hinausgegangen und hat nach inhaltlichen K r i terien der Regelung gefragt. Dieser Zweck, die Aufrechterhaltung eines aus sich heraus funktionsfähigen Steinkohlenmarktes, der nicht i n Uberproduktion oder ruinösem Wettbewerb erstarrt, legitimiert die Maß91
So Hesse, Verfassungsrecht, S. 116. Vgl. insbesondere Peter Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des A r t . 19 Abs. 2 Grundgesetz. Zugleich ein Beitrag z u m institutionellen Verständnis der Grundrechte u n d zur Lehre v o m Gesetzesvorbehalt, 2. Aufl., Karlsruhe 1972, S. 70 ff. u n d passim. 93 Das Problem des Grundrechtsverzichts forderte grundsätzlich breitere u n d tiefergehende Erörterungen, die die gesamte Frage des Grundrechtsverständnisses u n d -dogmatik aufwerfen; dazu ist jedoch hier nicht der Platz. 94 Das verkennt Wagner (öffentlicher Haushalt u n d Wirtschaft, S. 80), w e n n er i n seinem Ls. 16 den Grundrechtsschutz gegenüber globalen Lenkungsmaßnahmen schon dann versagen w i l l , w e n n u n d soweit Maßnahmen L e n kungsfunktionen wahrnehmen sollen; vgl. auch den Diskussionsbeitrag von Baehof, a.a.O., S. 96 f. 95 N J W 1971, S. 1255 ff., 1258 (Bevorratungspflicht). 92
2. Empfehlungen des Bundesbeauftragten
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nähme des Bundesbeauftragten grundsätzlich vor A r t . 14 GG 96 . Eine weitere Überlegung führt zum gleichen Ergebnis: eine Beeinträchtigung des Grundrechts aus Art. 14 GG ist immer dann hinzunehmen, wenn sie erforderlich ist, u m das Eigentum überhaupt aufrechtzuerhalten, u m die m i t dem Eigentum verbundenen Chancen überhaupt zu nutzen 97 . Das entspricht offensichtlich der schon oben geschilderten Auffassung der auch von der Neuordnung betroffenen Bergwerksgesellschaft Walsum, die eine zeitbedingte Aufgabe von Eigentumsrechten forderte, u m das Urrecht auf Eigentum und seine Vorteile erhalten zu können 98 . Auch unter diesem Blickwinkel sollten die Maßnahmen des Bundesbeauftragten gesehen und geprüft werden, ob sie nicht eher zu einer Aktualisierung des Grundrechts aus A r t . 14 GG beitragen als staatliche Enthaltsamkeit. Wie immer man also die Empfehlung ansieht, als zulässiges minus gegenüber dem grundsätzlich möglichen Subventionsentzug oder als eigenständige, isoliert von der Subventionsgewährung zu prüfende Maßnahme, i n beiden Betrachtungsweisen w i r d man nicht zu einem Verstoß gegen die Eigentumsgarantie gelangen. Selbstverständlich hat der Bundesbeauftragte den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch i m Grundrechtsbereich zu beachten, der aber auch nicht als extensiv zu nutzende Waffe gegen die Aktualisierung staatlicher Verantwortung für die Kohlewirtschaft angesehen werden darf 9 9 . I m übrigen können hierfür nur am konkreten Einzelfall brauchbare Kriterien entwickelt werden. b) Plangewährleistung Ist nach dem eben Ausgeführten i m Grundsatz nicht damit zu rechnen, daß A r t . 14 GG eine ausreichende Schutz Wirkung bei Empfehlungen des Bundesbeauftragten und ihren Folgen bietet, so kann man doch bei diesem Ergebnis allein nicht stehenbleiben. Der i n der Diskussion der letzten Jahre immer mehr i n den Mittelpunkt gerückte Rechtsgedanke eines „Plangewährleistungsanspruchs", m i t dem das Problem gleichsam schlagwortartig gekennzeichnet wird, verlangt auch i n diesem Zusammenhang eine Stellungnahme. 96
I n einer früheren Entscheidung hat das BVerfG darüber hinausgehend die Auffassung vertreten, daß Auflagen f ü r die Ausübung eines Gewerbes nicht i n die Substanz des Betriebes eingreifen, sondern als Inhaltsbestimmimg des Eigentums anzusehen sind, ohne nach dem Zweck zu fragen (BVerfGE 13, 225 ff., 229 — Bahnhofsapotheke). 97 Vgl. dazu Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 118 f.; Wolf gang Hoff mann, Rechtsfragen der Währungsparität, München 1969, S. 200; Wagner, öffentlicher Haushalt u n d Wirtschaft, S. 81 (Ls. 18). 98 s. Biedenkopf, Thesen, S. 88. 99 Z u m Verhältnismäßigkeitsgrundsatz umfassend Peter Lerche, Ubermaß u n d Verfassungsrecht, K ö l n - B e r l i n - M ü n c h e n - B o n n 1961. *
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Das mit dieser Bezeichnung nur umrissene Problem läßt sich an dieser Stelle zunächst ganz allgemein auf die Fragestellung reduzieren, ob Gesetzgebung und Exekutive an eine einmal eingeschlagene wirtschaftspolitische Konzeption gebunden sind bzw. ob sie bei einem (zulässigen) Abweichen von dieser Konzeption diejenigen entschädigen müssen, die auf deren Weiterführung vertraut hatten und dadurch geschädigt w u r den. Die Spannungslage besteht einerseits zwischen dem Erfordernis einer gewissen Verläßlichkeit staatlicher Daten und Planungen, u m den Einzelnen überhaupt zu veranlassen, der damit eingeschlagenen Linie zu folgen; auf der anderen Seite steht das Erfordernis permanenter Variabilität, u m Daten und Planungen den i n der Wirtschaft ständig wechselnden Umständen anzupassen. Dabei soll speziell auf die Frage einer „Selbstbindung des Gesetzgebers" nur kurz eingegangen werden, da sie i n grundsätzliche Fragen des Parlamentarismus führt, zu deren Behandlung hier nicht der Ort ist 1 0 0 . Aber gerade die Wirtschaftspolitik i m Bereich der Steinkohle hat sich mitunter durch einschneidende Kursänderungen ausgezeichnet, wie sie bereits i m I . K a p i t e l dargestellt wurden. Aus der Gesetzgebungsarbeit sei hier nur auf folgendes verwiesen: das Rationalisierungsgesetz 101 , die beiden Verstromungsgesetze 102 , die Gewährung der Frachtbeihilfen 1 0 3 und die Leistungen der Aktionsgemeinschaft Deutsche Steinkohlenreviere GmbH 1 0 4 waren Ausdruck einer Konzeption, dem Steinkohlebergbau m i t staatlicher Unterstützung und m i t flankierenden Maßnahmen die Voraussetzungen für die Anpassung an eine neue Situation zu schaffen. Nachdem dies nicht gelungen war, stellte das Kohlegesetz weitere, neue Bedingungen für die Gewährung der Vergünstigungen aus den genannten Vorschriften auf, die Unternehmen mußten an der staatlichen Neuordnung des Steinkohlesektors m i t w i r k e n und etwa zur Bildung optimaler Unternehmensgrößen beitragen oder eine staatlich konzipierte Personalpolitik befolgen. Es ist nicht ohne weiteres einsichtig, daß die betroffenen Unternehmen, die sich auf eine bestimmte Subventionierungspolitik eingestellt haben, allein den Preis einer solchen Planänderung tragen sollen. Das Kohlegesetz hat, wie oben dargestellt, auch soweit es zum Entzug von Vergünstigungen i m Einzelfall ermächtigt, keine enteignende W i r kung. Die m i t i h m verfolgte Änderung der Konzeption könnte aber möglicherweise zu einer Entschädigungspflicht wegen enteignungsglei100 Eine andere, h i e r m i t aber i m Zusammenhang stehende Frage ist, i n w i e w e i t die festen finanziellen Verpflichtungen es den Parlamenten (insbesondere i n Kommunen u n d i n den Ländern) überhaupt noch erlauben, wesentliche Konzeptionsveränderungen vorzunehmen. 101 V o m 29.7.1963, BGBl. I, S. 549. 102 V o m 12. 8.1965 (BGBl. I , S. 777) u n d 5. 9.1966 (BGBl. I, S. 545). 103 Vgl. Bundesanzeiger 1960, Nr. 123. 104 Hierzu vgl. von Dücker, Aktionsgemeinschaft.
2. Empfehlungen des Bundesbeauftragten
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chen Eingriffs führen, wenn die betroffenen Bergbauunternehmen ein Recht auf einen durch das Kohlegesetz uneingeschränkten Fortbestand der genannten Vorschriften hatten. Zwar hat der B G H 1 0 5 die Grenzen eines solchen Anspruchs dadurch sehr weit gezogen, daß er zum durch A r t . 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentum am Gewerbebetrieb auch geschäftliche Verbindungen, K u n denstamm, kurz: den „goodwill" eines Unternehmers rechnet, aber doch i m Grundsatz diejenigen staatlichen Normen, die sich günstig für ein Unternehmen auswirken, vom Schutzbereich des A r t . 14 GG ausschließt. Hierdurch seien i h m lediglich Chancen eingeräumt, auf deren Fortbestand er i n einer grundsätzlich freien, also m i t unternehmerischem Risiko verbundenen Wirtschaft, allenfalls dann einen Anspruch haben könne, wenn er durch einen besonderen Vertrauenstatbestand, etwa eine Zusage der Bundesregierung, zu einem bestimmten Verhalten veranlaßt und dann i n seinen Erwartungen enttäuscht worden sei. Kann danach die Verabschiedung des Kohlegesetzes allein keine solche Grundrechtsverletzung darstellen, ja gehört sie als Planänderung gerade zum Wesen staatlicher Wirtschaftsplanimg 106 , so ist doch i m Kohlesektor die Frage nach dem Vertrauenstatbestand i m Sinne des B G H durch die berüchtigte 140-Millionen-Tonnen-Klausel gestellt 107 , durch die i m Jahre 1964 geäußerten quantitativen Zielvorstellungen der Bundesregierung, die sich schon ein Jahr später als überhöht herausstellte, weshalb von der Bundesregierung jegliche Verbindlichkeit dieser Zahl bestritten wurde 1 0 8 . Ob diese Aussage allerdings als Vertrauenstatbestand ausreichend wäre, erscheint zweifelhaft. Dazu sei an dieser Stelle nur soviel gesagt: selbst wenn man m i t Martin Kriele 109 annehmen wollte, daß die Auffassung der Bundesregierung deswegen als Vertrauenstatbestand i n Betracht kommt, w e i l sie — als nach außen unverbindlicher Plan — doch öffentlich artikuliert und allen, die es angeht, bekanntgemacht wurde, muß doch auch hier noch einmal berücksichtigt werden, daß durch solche allgemein gehaltenen Formulierungen der Gesetzgeber nicht gehindert werden darf, i n eine neue wirtschaftspolitische Linie einzuschwenken, auch nicht mittelbar dadurch, daß i n diesem Fall u. U. erhebliche Schadensersatzleistungen auf die öffentliche Hand zukommen 110 . Wenn man also bei 105 B G H Z 45, 83 ff.; BGH, N J W 1968, S. 293 ff.; vgl. zum Problem allgemein Jürgen Schwarze, Der Eingriff i n den Gewerbebetrieb durch Gesetzesänderung, Diss. iur. Freiburg 1969. 106 Vgl. Werner von Simson, Planänderung als Rechtsproblem, i n : Planung I, S. 405 ff., 419. 107 s. o. I. Kapitel. 108 Ipsen, Rechtsfragen, S. 77 f. 109 Plangewährleistungsansprüche?, D Ö V 1967, S. 531 f. 110 Vgl. Ernst-Hasso Ritter, Urteilsanmerkung, N J W 1966, S. 1355 f.
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Vorlage eines Vertrauenstatbestandes einen Entschädigungsanspruch nicht ohne weiteres ablehnen kann, so muß doch auch hier der möglicherweise entstandene Schaden i n eine Relation gebracht werden einmal zum unternehmerischen Risiko, das auch gegenüber staatlichen Maßnahmen besteht, zum anderen zu den Vorteilen, die aus der staatlichen A k t i v i t ä t gezogen werden und schließlich zur Verpflichtung des Gesetzgebers, sich gewandelten Verhältnissen m i t neuen Konzeptionen anzupassen; diese Abwägung kann nur i m Einzelfall zu gesicherten Beurteilungen führen 1 1 1 . Einen etwas anderen Ausgangspunkt w i r d man aber zunächst für Plangewährleistungsansprüche bei Maßnahmen des Bundesbeauftragten wählen müssen. Während der Gesetzgeber i m Grundsatz i n der Lage ist, auch eine Totalrevision seines bisherigen Kurses vorzunehmen, ist der Bundesbeauftragte an das Gesetzesprogramm des Kohlegesetzes gebunden. Zwar hat er innerhalb dessen einen weiten Gestaltungsspielraum, es ist i h m aber verwehrt, dieses Programm eigenständig zu ändern oder auch nur zu modifizieren; lediglich innerhalb des vorgegebenen Programms besteht die Möglichkeit der Akzentuierung des einen oder anderen Schwerpunktes je nach den Anforderungen der w i r t schaftlichen Situation. Dabei ist allerdings nicht zu verkennen, daß auch hier die Akzentveränderung i m Einzelfall sich für den betroffenen Unternehmer wie eine Totalrevision durch den Gesetzgeber auswirken kann: wenn § 1 K G den Bundesbeauftragten ermächtigt, darauf hinzuwirken, daß die Produzenten ihre Kapazität auf die Absatzmöglichkeiten des deutschen Steinkohlebergbaus ausrichten, so kann er z.B. das Instrument der Empfehlung gegenüber einem einzelnen Unternehmen sowohl i n Richtung Produktionserweiterung wie -drosselung anwenden. Erteilt er zunächst eine Empfehlung auf Erweiterung, so w i r d das Unternehmen entsprechend investieren, dafür Kredite aufnehmen, gegebenenfalls neue Arbeitskräfte verpflichten, alles i m Hinblick auf eine erhoffte Absatzund Profitsteigerung. Erteilt der Bundesbeauftragte, etwa w e i l sich seine Absatzvorausschätzungen schon bald als zu hoch gegriffen erwiesen, die umgekehrte Empfehlung, wozu i h m das Gesetz jederzeit die Handhabe gibt, dann w i r d der betroffene Wirtschafter nicht nur i n seinen Erwartungen enttäuscht, sondern erleidet darüber hinaus Schaden. Aus seiner Sicht ist es dann nach wirtschaftlicher Betrachtungs111 Eine solche Abwägung hat jetzt das BVerfG i n seinem Beschluß v o m 23. 3.1971 zum Berlinhilfegesetz (NJW 1971, S. 1211 f.) vorgenommen u n d dabei entscheidend auf die aus der Subventionsgewährung gezogenen Vorteile abgestellt; diese seien so erheblich gewesen, daß auch die vorzeitige Einschränk u n g eines Subventionen gewährenden Gesetzes nicht gegen das Prinzip des Vertrauensschutzes verstoßen könne.
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weise 112 einerlei, ob der Gesetzgeber oder der Bundesbeauftragte diesen Effekt verursacht hat. Die hier wiederum zu erkennende Funktionsverwischung zwischen Gesetzgeber und Exekutive soll noch durch ein weiteres Beispiel gleichsam von der entgegengesetzten Seite her verdeutlicht werden. Gerade i m Problemkreis des Plangewährleistungsanspruchs w i r d diskutiert, ob dieser gegenüber Akten des Gesetzgebers möglicherweise m i t dem I n stitut der Amtshaftung geltend gemacht werden kann 1 1 3 . Man w i r d diese Frage nicht allein am Beamtenbegriff 114 oder an der Frage aufhängen können, ob Abgeordnete Dritten gegenüber Amtspflichten erfüllen oder nicht 1 1 5 . Zur Beachtung drängt sich auch gerade diese Funktionsverschiebung auf, die u. a. dahin erfolgt ist, daß der Gesetzgeber insbesondere m i t den sog. Maßnahmegesetzen bis zu einem gewissen Grad selbst schon Vollzugsakte vornimmt, die Verwaltungsakten oder Urteilen nahekommen 1 1 6 . Bei dieser Situation ist es keineswegs abwegig, den Gedanken eines Amtshaftungsanspruchs auch für Gesetzgebungsakte zu erwägen; jedenfalls zeigt sich hieran, wie eng bei staatlicher Planung Exekutive und Legislative verzahnt sind und wie sich ihre Funktionsbereiche ineinander schieben 117 ; dieser Befund sollte nicht ohne Auswirkungen auf rechtliche Betrachtungen bleiben. Fruchtbarer als die Differenzierung zwischen Exekutive und Legislative — die wegen der Bindung der Exekutive an das Gesetzesprogramm natürlich Relevanz besitzt — dürfte für einen Plangewährleistungsanspruch die Differenzierung zwischen globaler und sektoraler Planung sein. Während die globale Planung, etwa durch das Stabilitätsgesetz, die Gesamtheit der Wirtschaftenden und als Instrument der K o n j u n k t u r und Währungspolitik letztlich auch jeden einzelnen Privathaushalt betrifft, w i r d durch die sektorale Planung, etwa das Kohlegesetz, nur ein bestimmter Wirtschaftszweig angesprochen und — wie das Instrument der Empfehlung zeigt — darüber hinaus möglicherweise gezielt ein einzelner Unternehmer. Diese stärkere individuelle Auswirkung sektoraler 112 A u f diese Sicht k o m m t es bei Eingriffen bzw. Gefährdungen vermögenswerter Rechte entscheidend an; vgl. B G H Z 45, 150, 155. 113 Vgl. etwa m i t positiven Stellungnahmen Prodromos Dagtoglou, Ersatzpflicht des Staates bei legislativem Unrecht?, Recht u n d Staat Heft 265/66, Tübingen 1963, S. 31 ff.; Wolff, Verwaltungsrecht I, S.487, allerdings jeweils unter Beschränkung auf Maßnahmegesetze. 114 So die Rechtsprechung des R G i n J W 1928, S. 1036 ff.; vgl. auch Günther Jaenicke, Gefährdungshaftung i m öffentlichen Recht, V V D S t R L Heft 20 (1961), B e r l i n 1963, S. 135 ff., 150 m. w. N. 115 So Hermann von Mangoldt - Friedrich Klein, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, 2. Aufl., B e r l i n u n d Frankfurt 1964, A n m . I I I 3 b zu A r t . 34. 116 Vgl. Ritter, N J W 1966, S. 1355; Ernst Forsthoff, Rechtsfragen zur Neuregelung der Sonntagsarbeit, B B 1960, S. 1135 ff., 1138. 117 I n dieser Richtung sehr prononciert Rudolf Wiethölter, Rechtswissenschaft, F u n k - K o l l e g Bd. 4, F r a n k f u r t 1968, S. 250; vgl. auch Brohm, Die Dogm a t i k des Verwaltungsrechts, S. 305 f.
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Planung erlaubt es, dem Gedanken der Plangewährleistung hier näherzutreten: während die Globalsteuerung m i t Änderung der Währungsparität, Steuer- und Finanzpolitik grundsätzlich die Kalkulationsgrundlagen aller Wirtschaftenden (wenn auch m i t häufig unterschiedlicher Auswirkung) tangiert, werden bei der Sektoralsteuerung gezielt Einzelne oder doch Unternehmensgruppen zu plangerechtem Verhalten veranlaßt; die Selbststeuerung der Unternehmen w i r d i m Vergleich zu nichtgelenkten Sektoren stärker beeinträchtigt und ihre Anbindung an staatliche Wirtschaftspolitik intensiviert. Dadurch w i r d die Abhängigkeit größer und Planänderungen haben deshalb stärkere Auswirkungen, ohne daß es entscheidend darauf ankäme, von welcher Gewalt die Planung vorgenommen wurde 1 1 8 : Globalsteuerung ist sowohl durch die Exekutive i m Rahmen eines Gesetzesprogramms (Stabilitätsgesetz) wie durch die Legislative (Absicherungsgesetz vom 29.11.1968 119 , K o n j u n k turzuschlagsgesetz vom 23. 7.1970 120 ) möglich; das gleiche gilt für Sektoralsteuerung (durch die Exekutive etwa beim Kohlegesetz, durch die Legislative etwa bei dem Novellierungsbündel des sog. Leber-Plans 121 ). Bevor auf mögliche Konstruktionen des Plangewährleistungsanspruchs eingegangen werden soll, muß er als solcher aber noch präzisiert werden. Diese Bezeichnung kann nämlich allenfalls als — inzwischen eingebürgerter — Oberbegriff für verschiedene damit gemeinte Ansprüche dienen, obwohl zwischen ihnen nicht immer genau unterschieden w i r d 1 2 2 . Insbesondere Ipsen hat nach seiner früheren Erwähnung eines Plangewährleistungsanspruchs 123 diesem später schärfere Konturen verliehen 1 2 4 . Er unterscheidet zwischen einem Anspruch auf Planzuverlässigkeit 125 hinsichtlich der Prognosedatierungen und der auf ihrer Grundlage angestellten Prognosen selbst, weiter einem Anspruch auf Planbestand i m Sinne der Kontinuität einmal aufgenommener Planungen und schließlich jeweils einem Entschädigungsanspruch, wenn durch falsche Daten oder Prognosen bzw. mangelnde Kontinuität bei demjenigen, der sich darauf verlassen und entsprechend disponiert hat, ein Schaden entstanden ist. 118
So auch Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 616. BGBl. I, S. 1259; vgl. dazu BVerfG, JZ 1971, S. 686 ff. 120 BGBl. I, S. 1125; vgl. dazu BVerfG, N J W 1971, S. 319 f. 121 BT-Drucks. V/2494. 122 So etwa bei Konrad Redeker, V o n der Nachbarklage zum Planbefolgungsanspruch, DVB1. 1968, S. 7 ff.; auch Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 616 f. 123 W D S t R L Heft 11, S. 129 — Diskussionsbeitrag. 124 Fragestellungen, S. 60 ff.; Rechtsfragen, S. 106 ff. 125 Krüger (Allgemeine Staatslehre, S. 616 f.) nennt diese Komponente „Datengewährleistungsanspruch", dehnt aber den Begriff, w i e sich aus seinem Beispiel ergibt, auch auf den Bestandsanspruch aus. 119
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Folgt man dieser Unterscheidung, die wohl alle Bestandteile des Plangewährleistungsanspruchs umfaßt, so stellt sich für das Kohlegesetz das Problem des Datengewährleistungsanspruchs besonders i m Bezug auf die Absatzvorausschätzungen nach § 2. Richtige Absatzvorausschätzungen kann, wie schon oben ausgeführt, kein Unternehmen vom Bundesbeauftragten verlangen, zumal dann die Unternehmen durch ihr Verhalten dazu beitragen müßten, daß die Prognosen nicht falsch werden, da der Bundesbeauftragte sie ja nur von den Wirtschaftenden beziehen kann. Die Frage des Fortbestandsanspruchs taucht etwa i n dem eingangs genannten Fall der aufeinanderfolgenden, inhaltlich entgegengesetzten Empfehlungen auf. Die Frage wäre dahin zu formulieren, ob das betroffene Unternehmen durch die Empfehlung auf Produktionsausweitung, die es durch entsprechende betriebsinterne Maßnahmen befolgt und sich somit zur Verwirklichung der staatlichen Wirtschaftspolitik zur Verfügung gestellt hat, eine Position erlangt, die ihm gegenüber eine entgegengesetzte Empfehlung unmöglich macht. Ipsen 126 hat erwogen, diesen Fall m i t der Lehre vom Widerruf von Verwaltungsakten zu lösen, den Gedanken aber sogleich wieder verworfen, da er der Auffassung ist, daß Wirtschaftsplanung durch Verwaltungsakt „immer singuläre Erscheinung bleiben w i r d " . Daß dies mindestens etwas unvorsichtig formuliert ist, zeigen das hier behandelte Gesetz wie auch schon die Überlegungen von Simsons 127 über die Nutzbarmachung der Widerrufslehre bei Verwaltungsakten, die i m Rahmen einer nur ein Programm definierenden gesetzlichen Planung ergehen. Wenn Ipsen auch i m Ergebnis darin beizupflichten ist, daß die Widerrufslehre das Problem nicht lösen kann, so kann doch der von i h m gegebenen Begründung nicht gefolgt werden, da, wie gezeigt, die Unterscheidung von Gesetzgeber und Exekutive nicht der richtige Ansatz ist. Man w i r d demgegenüber darauf abstellen müssen, daß auch die ein gesetzliches Plan-Programm jeweils konkretisierende Verwaltungsentscheidung (Empfehlung) an der wesensmäßigen Instabilität der Planung teilhat und der grundsätzlich möglichen Abänderbarkeit nicht eine an ganz anderen Vorbildern entwickelte Widerrufslehre i m Wege stehen darf. Die Entscheidung hat, u m der Argumentation von Schmidt 128 zu folgen, als durch das Kohlegesetz programmierter Verwaltungsakt doch gleichzeitig programmierende Funktion, d. h. sie legt das Verhalten der Exekutive für einen bestimmten überschaubaren Zeitraum fest und definiert mindestens zum Teil das zu verfolgende Programm. Insoweit kommt der Empfehlung auch rechtssatzähnliche Funktion zu, und es 126 Fragestellungen, Rdnr. 103, S. 62; Rechtsfragen, S. 110. 127 Planänderung, S. 412 ff. 128 AöR Bd. 96 (1971), S. 321 ff.
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zeigt sich auch hieran die Einebnung des Gegensatzes von Rechtssatz und Verwaltungsakt 1 2 9 . Hinzu kommt, daß die Widerrufslehre jeweils danach fragen muß, ob es sich um einen begünstigenden oder belastenden Verwaltungsakt gehandelt hat 1 3 0 . I n diese Schablone aber sind Empfehlungen schon gar nicht zu pressen, da sie für den Adressat zwar auch belastende und/oder begünstigende Momente enthalten mögen, i m wesentlichen aber doch eine Richtschnur seines Handelns i n der Hoffnung auf bestimmte Entwicklungen darstellen, ohne daß nach Begünstigung oder Belastung gefragt werden müßte 131 . Die Widerrufslehre erweist sich somit als ungeeignet für die Begründung eines Anspruchs auf Fortbestand einer bestimmten Empfehlung. Zur Begründung eines solchen Anspruchs sind aber noch andere Versuche unternommen worden, die hier einer wenigstens summarischen Erwähnung bedürfen. Krieie 1 3 2 w i l l grundsätzlich diesen Anspruch nicht anerkennen, erörtert aber, ob die Abänderung völlig frei ist oder wenigstens an das Vorliegen eines überwiegenden öffentlichen Interesses gebunden werden kann. Einen Anhaltspunkt dafür glaubt er der Abwägungsformel i n § 1 Abs. 4 Satz 2 BBauG entnehmen zu können, wonach öffentliche Belange nur dann vorgehen, wenn sie stärker sind als die privaten Belange; diese Formulierung erlaube es, auch ein Vertrauen auf den Planfortbestand einzubeziehen, so daß Änderungen sich nur durch überwiegendes öffentliches Interesse rechtfertigen ließen. Allerdings räumt Krieie ein, daß dieses Vertrauen auf Fortbestand normalerweise nicht geschützt werde, allenfalls dann, wenn besondere Umstände vorlägen. Redeker 133 w i l l einen Anspruch auf Planfortbestand nur dann anerkennen, wenn die Änderung selbst nichtig ist, w e i l und soweit sie nicht durch die Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist. Diese Meinungen, die allesamt einem Fortbestandsanspruch nur i n äußersten Ausnahmefällen das Wort reden, stellen alle i n irgendeiner Weise auf das Vertrauensschutzprinzip ab. Das Kohlegesetz weist nun die Besonderheit auf, daß es für den hier i n Frage stehenden Fall der inhaltlich entgegengesetzten Empfehlungen den Erfordernissen des Vertrauensschutzes durch eine Verfahrensregelung gerecht wird. Es sieht 129
S. 267. 130
Ebd., S. 353 f.; vgl. auch Brohm,
Die Dogmatik des Verwaltungsrechts,
Vgl. statt aller Wolff, Verwaltungsrecht I, S. 394 ff. So i m Tenor der Argumentation, w e n n auch ohne genaue Differenzierung, Dicke, Verfassungsrechtliche Möglichkeiten, S. 145; w o h l auch Claus-Dieter Ehlermann, Wirtschaftslenkung u n d Entschädigung, Heidelberg 1957, S. 69 f. 132 D Ö V 1967, S. 534 f. 133 Konrad Redeker, Staatliche Planung i m Rechtsstaat, JZ 1968, S. 537 ff., 541 f. 131
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nämlich i n § 4 Abs. 2 vor, daß Empfehlungen über Produktionserhöhung oder -ermäßigung nur ergehen können, wenn die Erörterung der nach § 3 gemeldeten Wirtschaftsdaten i m Kohlenbeirat, die durch § 4 Abs. 1 vorgeschrieben ist, dazu Anlaß gibt. Das bedeutet, daß evtl. betroffene Unternehmen schon bei dieser Erörterung Tendenzen der staatlichen Wirtschaftspolitik erkennen und auch auf diese Einfluß nehmen können. Sie sind also schon vor Ergehen der eigentlichen Empfehlung i n der Lage, sich auf diese einzustellen und ihre Produktion und Kalkulation entsprechend umzustellen. Mindestens aus diesem Grund w i r d man für den Bereich des Kohlegesetzes der wohl überwiegenden Meinung folgen müssen, daß ein Anspruch auf Planfortbestand nicht anzuerkennen ist, sondern daß bei Planabbruch bzw. -änderung allenfalls eine Entschädigungspflicht i n Frage kommen kann 1 3 4 . Die Entschädigungsansprüche wegen Planfehler bzw. Planänderung stellen denn auch das eigentlich entscheidende Problem i m Komplex des Plangewährleistungsanspruchs dar, ohne daß es bisher gelungen wäre, die Frage einer wirklichen Klärung zuzuführen. Dabei kann man sichi i m Hinblick auf den Anspruch wegen Planfehler noch auf relativ gesichertem Boden bewegen. Stellt der Bundesbeauftragte Absatzvorausschätzungen auf, so kann er zwar nicht für deren Richtigkeit garantieren, w e i l das bei Wirtschaftsdaten schlechthin unmöglich ist. Wenn die Vorausschätzungen aber bewußt irreführen sollen oder infolge grober Fahrlässigkeit an der offensichtlichen oder allgemein erkennbaren Absatzentwicklung vorbeigehen, dann ist für einen dadurch entstandenen Schaden eine Entschädigungspflicht nach Amtshaftungsgrundsätzen durchaus begründet und angemessen135. Realistisch erscheint indessen eine solche Möglichkeit unter dem Kohlegesetz nicht. Berücksichtigt man, daß gem. § 2 Abs. 1 K G die Absatzaussichten i m Zusammenwirken m i t Kohlenbeirat und wirtschaftswissenschaftlichen Institu134 So Krüger (Allgemeine Staatslehre, S. 616 f.) m i t der Argumentation, die Lage sei hier nicht grundsätzlich anders als beim Verhältnis des Bürgers zum Gesetz, auf dessen Bestehenbleiben kein Anspruch anerkannt werden könne, wolle man nicht den Gesetzgebungsstaat i n den Rechtsbewahrungsstaat zurückverwandeln; ebenso Fröhler-Oberndörfer (Wirtschaftsrecht, S. 141) m i t der Erwägung, ein solcher Anspruch widerspreche dem Wesen der Planung; i m Ergebnis ebenso Martin Oldiges (Grundlagen eines Plangewährleistungsrechts, Bad Homburg-Berlin-Zürich 1970, S. 225, 234 ff.): von der Annahme ausgehend, Plangewährleistungspflicht sei durch den Rechtssicherheitsgrundsatz geboten, zieht er die Folgerung, daß diesem Grundsatz Genüge getan sei, w e n n durch Planänderung entstandene Schäden ersetzt würden; ohne nähere Begründung ebenso Christian-Friedrich Menger - Hans-Uwe Erichsen, Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Verwaltungsrecht, V e r w A r c h Bd. 59 (1968), S. 381; auch Emst Forsthoff (Uber M i t t e l u n d Methoden moderner Planung, Planung I I I , S. 21 ff., 37) w i l l den Plangewährleistungsanspruch auf eine Entschädigungsleistung beschränken. 133 So Bullinger , Verkehrswirtschaftliche Planung, S. 40 f. (Begründung zu § 6 des Entwurfs) ; vgl. auch Ipsen, Fragestellungen, Rdnr. 95, S. 60 f.
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ten vom Bundesbeauftragten zu prüfen sind und dieser auf Grund dessen die Absatzvorausschätzungen bekanntgibt (§ 2 Abs. 2 Satz 1 KG), berücksichtigt man ferner, daß die Vorausschätzungen laufend zu überprüfen sind und wesentliche Änderungen, auch der zugrundeliegenden Tatsachen, mitgeteilt werden müssen (§ 2 Abs. 2 Satz 2 KG) und sieht man schließlich, daß die Prognosen m i t dem Kohlenbeirat erörtert werden müssen (§ 4 Abs. 1 KG), so erscheint es überflüssig, einem solchen Fall i n der Betrachtung allzu viel Gewicht beizumessen. I m „Normalfall" der sich als unrichtig herausstellenden Prognose w i r d es jedenfalls unter diesen Umständen nicht möglich sein, ein Verschulden des Bundesbeauftragten festzustellen, wenn man nicht schon zu dem viel näherliegenden Ergebnis kommen w i l l , daß die unter Berücksichtigung aller Faktoren nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellten Prognosen keine rechtswidrige Handlung sein können, nur w e i l sie sich später als unrichtig erweisen. Etwaigen Freizeichnungsklauseln i n entsprechenden Gesetzen 136 kann deshalb nur deklaratorische Bedeutung für den „Normalfall" zugemessen werden, i n dem die Prognosen den einzelnen W i r t schaftern nur Orientierungspunkte für ihre eigenen Entscheidungen geben, sie aber nicht m i t einer „staatlichen Risikoversicherung" 137 ausstatten können. Anders und schwieriger gestaltet sich das Problem i n dem Fall, da der Bundesbeauftragte nicht nur unrichtige Prognosen aufstellt, sondern auf Grundlage dieser Daten Empfehlungen an einzelne Unternehmen, etwa auf Produktionserweiterung, erteilt. Wenn nun die erwartete Absatzsteigerung ausbleibt, erleidet das betroffene Unternehmen, das sich unter dem Druck des Subventionsentzugs zur Befolgung entschlossen hat, möglicherweise erheblichen Schaden; es kann seine Mehrproduktion nicht verkaufen und evtl. für die Mehrproduktion getätigte Investitionen bleiben unrentabel. Der Fall liegt deswegen anders als der bloße Datenfehler, weil hier die unrichtigen Prognosen nicht nur Orientierungsfunktion haben, sondern durch die Empfehlung bei einem oder mehreren Unternehmen direkt zur Befolgung aktualisiert werden; deren wenigstens i m Grundsatz vorhandene betriebliche Selbststeuerung w i r d zugunsten einer Inpflichtnahme für eine vom Bundesbeauftragten verfolgte Politik eingeschränkt. Der Schaden entsteht nicht durch innerbetriebliche Disposition, sondern ist durch außerbetriebliche Ingerenz verursacht. Da der Bundesbeauftragte dafür Sorge tragen muß, daß Produktion und Absatz i n Kongruenz bleiben (§ 1 KG), w i r d er nun möglicherweise auch noch eine Empfehlung auf Produktionsdrosselung aussprechen m i t 136 Vgl. etwa § 6 des Gesetzentwurfs von Bullinger, a.a.O., S. 13 („Für die Richtigkeit der Vorausschätzungen w i r d keine Gewähr übernommen"). 187 Bullinger, Verkehrswirtschaftliche Planung, S. 41.
2. Empfehlungen des Bundesbeauftragten der Folge, daß das Unternehmen auf diesem Weg dazu angehalten wird, seine eben getätigten Investitionen selbst wieder zu entwerten. Hier überschneiden sich also die Fallbereiche der Entschädigung wegen Planfehler und Planänderung, so daß es bei dieser speziellen Konstellation gerechtfertigt erscheint, einen gemeinsamen dogmatischen Ansatz zur Lösung der Interessenkonflikte zu suchen. Zu diesem Zweck sollen zunächst die wesentlichen Theoriengruppen zusammengefaßt dargestellt werden, wobei aber bemerkt werden muß, daß es sich bei allen eigentlich mehr um tastende Versuche als annähernd gesicherte Theorien handelt. Die eine Theoriengruppe versucht, eine Plangewährleistung und damit eine mögliche Entschädigungspflicht i n vertraglichen Vereinbarungen über die Planung zu finden, sei es, daß man konkrete rechtsgeschäftliche Elemente i m Verhältnis des Planenden zum Planadressat aufdeckt 138 , sei es, daß man i n Ermangelung dessen ein faktisches Vertragsverhältnis 1 3 9 annimmt. Die konkreten rechtsgeschäftlichen Elemente werden von Ipsen 140 etwa i n Verständigungen, Absprachen, Zusicherungen etc. von Regierung und Wirtschaftsgruppen gesehen (prägnantestes Beispiel ist die Selbstbeschränkung der Mineralölwirtschaft, s. o. I. Kapitel). Faktische Vertragsverhältnisse sollen etwa dann vorliegen, wenn Datensetzung und Empfehlung von staatlicher Seite ein entsprechendes Verhalten des Wirtschafters zur Folge haben 141 . Eine andere Theoriengruppe lokalisiert den Plangewährleistungsanspruch i n A r t . 14 GG und zieht meist das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zur Begründung heran: die plankonformen Dispositionen eines Unternehmers könnten dann der Eigentumsgarantie unterliegen, wenn sie weniger i m eigenen als i m öffentlichen Interesse erfolgt seien 142 oder wenn ein besonderer Vertrauenstatbestand vorliegt, der die an sich grundrechtlich ungeschtüzte Position auf Fortbestand bestimmter Planungen doch verfassungsrechtlich absichert 143 . Diese Einschränkung ist notwendig, um nur plankonformes Verhalten, 138 So vor allem Ipsen, Rechtsfragen, S. 100 ff., allerdings m i t der einschränkenden Bemerkung, daß es n u r darum gehen könne, die Rechtsfigur des öffentlich-rechtlichen Vertrages f ü r die Wirtschaftsplanung fruchtbar zu machen (S. 105 f.); i n ähnlicher Richtung Redeher (JZ 1968, S. 542) u n d w o h l auch O V G Münster, DVB1. 1972, S. 614 ff. 139 Vgl. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 616; ders., Die Auflage als I n strument der Wirtschaftsverwaltung, DVB1. 1955, S. 380 ff., 383; Lerche , Übermaß u n d Verfassungsrecht, S.269 F N 51. 140 Vgl. Ipsen, Rechtsfragen, S. 100 ff. 141 Vgl. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 616. 142 So B G H Z 25, 266 ff., 269 f.; B G H , N J W 1964, S.769f.; daran anknüpfend auch Ipsen, Rechtsfragen, S. 111. 143 B G H Z 45, 83 ff.; BGH, N J W 1968, S.2931; Joachim Burmeister, Zur Staatshaftung f ü r Planschäden der Wirtschaft, Die V e r w a l t u n g 1969, S. 21 ff., 41 ff.
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nicht aber jede Spekulation auf Fortbestand einer Planung dem Schutz des Art. 14 GG zu unterstellen. Eine weitere Theoriengruppe w i l l schließlich die Lösung des Interessenkonflikts unmittelbar auf den Verfassungsgrundsatz des Vertrauensschutzes stützen. I m Bereich der Gesetzgebung gilt das insbesondere für die Rechtsprechung des BVerfG zur Rückwirkung von Gesetzen 144 . Nach dieser Theorie erstarken Dispositionen eines Wirtschafters, die er i m Vertrauen auf eine staatliche Planung getroffen hat, allein aus diesem Grund zu geschützten Rechtspositionen; einzelne, benannte Grundrechte seien nicht i n der Lage, die Problematik befriedigend zu bewältigen, weshalb man auf das umfassendere Vertrauensschutzprinzip abstellen müsse 145 . Planänderungen seien i n der Regel als rechtmäßig anzusehen, weshalb eine Entschädigung nach Enteignungsoder Aufopferungsgrundsätzen i n Betracht komme, da diese Rechtswidrigkeit und Verschulden nicht voraussetzen 146 . Die notwendige Abgrenzung zwischen schutzwürdigem und nicht schutzwürdigem, rein spekulativen Vertrauen, w i r d teilweise dahin vollzogen, daß die Schutzwürdigkeit bei einer Verletzung des Erforderlichkeits- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegeben sein soll 147 . Die jüngste Arbeit zum Problemkreis „Plangewährleistung" 1 4 8 setzt sich eingehend m i t diesen Theoriengruppen auseinander und kommt in K r i t i k der bisherigen Auffassung zu einer modifizierten dogmatischen Konstruktion. Nach Oldiges kommt ein Plangewährleistungsschutz nur für private Dispositionen i n Betracht, die sich als „ W i r k u n g der Planung" 1 4 9 erweisen, den Intentionen der Planung folgen und nicht nur spekulativ motiviert sind. Ausgangspunkt dieses Schutzes sei das Prinzip der Rechtssicherheit, das nicht nur als objektives Strukturmerkmal ohne normative W i r k u n g verstanden werden dürfe, sondern unter dem Grundgesetz einen subjektiv-rechtlichen Charakter aufweise 150 . Dieser Rechtssicherheitsgrundsatz, i n diesem Zusammenhang „Plansicherheit" genannt, soll als Grundlage eines konkreten Rechtsverhältnisses zwischen Planungsträger und planmäßig Disponierenden dienen: wenn der Bürger auf die Absichten des Staates eingegangen ist und entsprechende Leistungen erbracht hat, haben sich ihre Beziehungen zu einem partnerschaftlichen Verhältnis verdichtet; dies sollen zwar keine vertraglichen Bindungen sein, doch seien sie aus dem Grundsatz der 144 BVerfGE 14, 288 ff., 296 ff. (Rentenversicherung); 22, 241 ff., 248 ff. (Altersgrenze). 145 So insbesondere Lerche, Übermaß u n d Verfassungsrecht, S. 271; Forsthoff, M i t t e l u n d Methoden, S.37; Kriele, D Ö V 1967, S. 534. 146 Vgl. Kriele, D Ö V 1967, S. 536. 147 So Lerche, Übermaß u n d Verfassungsrecht, S, 269 F N 51. 148 Oldiges, Grundlagen eines Plangewährleistungsrechts. 149 Ebd., S. 221. 150 Ebd., S. 199 ff., 209 ff.
2. Empfehlungen des Bundesbeauftragten
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Rechtssicherheit als Rechtsverhältnis zwischen Staat und Bürger zu verstehen 151 . Wenn diese Voraussetzungen vorlägen, sei es dem Planungsträger verwehrt, die getroffenen Dispositionen durch Planänderung zu entwerten; geschehe dies dennoch, sei die getroffene Maßnahme rechtsw i d r i g i m Verhältnis zum Betroffenen, und zwar auch dann, wenn sie i m öffentlichen Interesse geboten sei 152 . Allerdings ergebe sich daraus kein Anspruch auf Fortbestand der Planung, vielmehr sei der Anspruch nur als „Wertgarantie für Planungspositionen" 153 zu verstehen, u m Planungsänderungen überhaupt zu ermöglichen; diese Wertgarantie sei ausgestaltet als Schutz des negativen Interesses für die Leistungen, die i n Verfolgung des staatlichen Planziels aufgebracht wurden 1 5 4 . Regelmäßig werde das negative Interesse auf Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche gerichtet sein, die ihre Rechtsgrundlage i n den Regeln des enteignungsgleichen Eingriffs bzw. der Staatshaftung hätten 1 5 5 . Die hier dargestellten Auffassungen leiden fast alle 1 5 6 daran, daß sie die dogmatische Konstruktion ohne Ansehung der Verschiedenheit praktisch denkbarer Fälle vornehmen und deswegen kein genügend differenziertes B i l d der Risikoverteilung bei Planschäden erkennen lassen. Eine solche Differenzierung sollte nach zwei Gesichtspunkten vorgenommen werden: einmal nach der Lenkungstiefe staatlicher Planung und zum anderen nach Qualität und Intensität des Vertrauenstatbestandes bzw. Anbindens an die Verwirklichung staatlich veröffentlichter Daten. Drei Fallgruppen mögen dies zunächst verdeutlichen 157 . A. Die Bundesregierung teilt i n einem Zeitpunkt internationaler Währungsunsicherheit mit, eine Aufwertung der D M werde nicht erwogen. Daraufhin schließt ein exportorientiertes Unternehmen Auslandsverträge auf Devisenbasis ab, ohne Währungsgleitklauseln zu vereinbaren. Nachdem einige Zeit später doch aufgewertet wird 1 5 8 , entfällt die K a l 151 Ebd., S. 219. Hier lehnt sich Oldiges also an die Auffassung Krügers v o n einem quasi-vertraglichen Verhältnis zwischen Staat u n d Bürger an (vgl. oben F N 139). 152 Oldiges , S. 224. 153 Ebd., S. 225. 154 Ebd., S. 228. 155 Ebd., S. 244. 156 M i t Ausnahme von Kriele , D Ö V 1967, S. 531 ff. 157 Es k a n n hier nicht darum gehen, eine vollständige, alle möglichen V e r ästelungen berücksichtigende Typologie v o n Plangewährleistungsfällen zu geben, sondern n u r wesentliche Merkmale u n d ihre Bedeutung aufzuzeigen; i m übrigen ist Kriele (a.a.O., S. 533) darin zuzustimmen, daß dieser Problemkreis bei der Fülle denkbarer Fallgestaltungen erst dann befriedigend geklärt werden kann, w e n n eine Kette richterlicher Entscheidungen vorhanden ist. 158 Sei es durch Beschluß der Bundesregierung oder i m Wege der Ersatzaufwertung durch ein „Absicherungsgesetz"; vgl. zu diesem K o m p l e x Hoff mann, Währungsparität, S. 184 ff. u n d passim; Christian Tomuschat , Die A u f w e r t u n g der Deutschen Mark. Staats- und völkerrechtliche Überlegungen zur Neufestsetzung der Währungsparität i m Jahre 1969, K ö l n - B e r l i n 1970.
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kulationsgrundlage der Verträge, und beim Unternehmen entsteht erheblicher Schaden. B. E i n Konsortium, dem alle großen Unternehmen der Stahlindustrie angehören, schließt m i t sowjetischen Außenhandelsorganisationen neue Verträge über die Herstellung und Lieferung von Großröhren ab; die erforderliche Ausfuhrgenehmigung zur Erfüllung der vorangegangenen Verträge wurde von der Bundesregierung regelmäßig und bedenkenlos erteilt. Das Konsortium sieht deshalb keine Veranlassung, solche Verträge nicht weiter abzuschließen. Nachdem der Ständige NATO-Rat seinen Mitgliedstaaten die Einstellung der Lieferung von Großröhren an die Sowjet-Union empfohlen hatte, verweigert die Bundesregierung — i m Gegensatz zu anderen NATO-Staaten — dem Konsortium die Genehmigung zur Ausfuhr weiterer Röhren i n Erfüllung eines neu abgeschlossenen Vertrages 159 . Dem Firmenkonsortium entsteht dadurch erheblicher Schaden. C. Der Bundesbeauftragte erteilt auf Grund der Absatzvorausschätzungen eine Empfehlung an ein Unternehmen, seine Produktion auszuweiten. Dies geschieht u. a. durch erhebliche Rationalisierungsinvestitionen. Nachdem die Absatzvorausschätzungen sich als falsch herausgestellt haben, ergeht die Empfehlung, die Produktion wieder auf den Ausgangsstand zu drosseln. Die vom Unternehmen getroffenen Investitionen werden dadurch entwertet. Vergleicht man die Fälle A—C unter den obengenannten Gesichtspunkten der Lenkungstiefe und der Qualität des Vertrauenstatbestandes bzw. des Anbindens an die staatliche Planung, so zeigt sich folgendes: i m Fall A war durch die Ankündigung der Bundesregierung die Gesamtheit der Wirtschafter i m weitesten Sinn, sei es als Unternehmer, sei es als Ferienreisende, betroffen; jeder einzelne war gezwungen, seine Dispositionen entsprechend der Ankündigung bzw. dem Wert, den er ihr beimaß, einzurichten. Was die Qualität des Vertrauenstatbestandes angeht, ist die politische Bedeutung einer solchen Aussage i n Rechnung zu stellen, die i n diesem Zusammenhang mehr der Abschreckung von Währungsspekulanten dient als sie wirkliche Absichten wiederzugeben vermag. Jedenfalls liegt es nicht i n der Intention derlei Äußerungen, die exportorientierte Industrie zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen. Der Fall B verstärkt gegenüber Fall A schon die Lenkungstiefe, als er nicht mehr global die Gesamtwirtschaft betrifft, sondern nur einen bestimmten Industriezweig, und diesen auch wieder nur, sofern er bestimmte Produkte (Großröhren) herzustellen i n der Lage ist. Der Ver159 Fallbildung i n Anlehnung an das sog. Röhrenembargo von 1962; vgl. dazu Europa-Archiv Bd. X V I I I (1963), S. 243 ff.
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trauenstatbestand besteht hier lediglich i n einem über längere Zeit gleichförmigen Verhalten der Bundesregierung. Daraus kann nur gefolgert werden, daß innerhalb des Duldungszeitraums keine Bedenken bestanden, nicht aber der Schluß gezogen werden, daß diese Einstellung sich — unter welchen Umständen auch immer — nicht ändern könnte. I m Fall C schließlich w i r d die Lenkungstiefe noch intensiviert: es handelt sich nicht nur u m eine betroffene Branche, sondern aus dieser Branche w i r d noch ein ganz bestimmtes Unternehmen herausgegriffen, das dem Bundesbeauftragten gleichsam als Erfüllungsgehilfe für eine kohlepolitische Konzeption dienen soll. Entsprechend gesteigert ist der Vertrauenstatbestand, da hier eben eine bestimmte Konzeption durch die Konkretisierung der Absatzvorausschätzungen klar zum Ausdruck gekommen ist, auf die sich das betroffene Unternehmen einstellen konnte und mußte, da es andernfalls m i t einem Subventionsentzug zu rechnen hatte. Faßt man diese drei Fälle zu einer Gesamtschau zusammen, so dürfte sich zeigen, daß die Risikolast bei Planschäden, die grundsätzlich bei dem privaten Wirtschafter zu verbleiben hat, u m so mehr auf den Staat als Veranlasser 160 der Planung überwälzt werden muß, je unmittelbarer das Verhältnis zwischen Planungsträger und Wirtschafter w i r d und je mehr der Private an die Intentionen staatlicher Planung angebunden w i r d und ihr zu folgen hat, sei es aus rechtlichen, sei es aus zwingenden wirtschaftlichen Gründen. Auch hier ist es also entscheidend, nach der W i r k u n g und dem Grad der Verbindlichkeit staatlicher Planung zu fragen, um die notwendigen Differenzierungen leisten zu können 161 . Daraus ergibt sich zunächst einmal, daß alle Maßnahmen globaler Planung, etwa nach dem Stabilitätsgesetz, von einer Plangewährleistung ausgeschlossen sind. Sie sind Aggregatgrößen der Gesamtwirtschaft und schaffen für einen Einzelnen keinen Vertrauenstatbestand, da er zu keinen bestimmten Dispositionen veranlaßt w i r d 1 6 2 . Plangewährleistungsansprüche i m Sinne einer Risikoüberwälzung sind daher grundsätzlich wohl erst bei einer Lenkungstiefe denkbar, die bei sektoraler 160 Bei diesem Begriff ist mitzubedenken, daß der Staat nicht immer V e r anlasser von Planung ist, sondern häufig — das Beispiel des Steinkohlebergbaus zeigt dies deutlich — seinerseits erst dann Planungen veranlaßt, w e n n i h m von den Betroffenen dazu Anlaß gegeben wurde, etwa w e i l diese nach staatlichen Eingriffen u n d H i l f e n gerufen haben; so auch Peter Saladin, G r u n d rechte i m Wandel. Die Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts zu den Grundrechten i n einer sich ändernden Umwelt, Bern 1970, S. 407. 161 Vgl. etwa Jörn Pipkorn, Auskunftsansprüche gegenüber Verwaltungsbehörden, D Ö V 1970, S. 171 ff., 177; Burmeister (Die V e r w a l t u n g 1969, S. 39) w ü l allerdings bei imperativer Planung bzw. dann einen Plangewährleistungsanspruch anerkennen, w e n n die Planänderung entwertende Eingriffe zur Folge hat. 162 Vgl. Möller, Kommentar, A n m . 7 a zu § 2 ; Stern, i n : Stern-Münch, Stabilitätsgesetz, S. 142.
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. Kap.: Justiziabilität im Hinblick auf
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Planung beginnt (Fall B). Erst dann besteht die Möglichkeit der Entstehung eines partnerschaftlichen Verhältnisses (Oldiges) oder eines faktischen Vertragsverhältnisses (Krüger), das es gerechtfertigt erscheinen läßt, vom Normalfall der Risikoverteilung abzuweichen. Dann bedarf es aber eben noch eines besonderen Vertrauenstatbestandes i n dem Sinn, daß ein Unternehmen mit rechtlicher oder wirtschaftlicher Verbindlichkeit veranlaßt wird, sich entsprechend den staatlichen Planungsintentionen zu verhalten. Das war i m Fall B nicht gegeben, da hier mit der regelmäßigen Erteilung der Ausfuhrgenehmigungen nicht das Ziel verfolgt wurde, das Konsortium zum Abschluß weiterer Verträge anzureizen, sondern nur die jeweilige Ausfuhr für unbedenklich erklärt wurde. Es genügt also auch nicht eine Zusage etwa der Bundesregierung, eine bestimmte Rechtslage oder Beurteilung werde sich nicht ändern, sondern es muß gleichzeitig i n dieser Zusage ein Lenkungszweck liegen, auf dessen Bestand der Einzelne, wenn er entsprechend verfährt, sich verlassen darf 1 6 3 . Diese Erörterungen zeigen zugleich, daß die genannten Kriterien i m Fall C erfüllt sein dürften: ein Einzelner w i r d unmittelbar für einen bestimmten, nach der Auffassung des Bundesbeauftragten i m allgemeinen Interesse liegenden Zweck (Ausweitung der Kohleproduktion) in zumindest wirtschaftlich verbindlicher Weise i n Pflicht genommen, erfüllt die Anforderungen, die man an ihn stellt und erleidet bei Änderung der Planung eine Entwertung seiner Dispositionen (hier der Rationalisierungsinvestitionen). I n diesem Fall sind die Beziehungen so eng und der direkte Zugriff auf einen Einzelnen primär i m Interesse eines staatlich gesetzten Zwecks, daß der Betroffene sich nicht auf die grundsätzliche Risikoverteilung verweisen lassen muß 1 6 4 . Hat man erst einmal Problemkreise „ausgefiltert", die mangels einer erforderlichen direkten, Planziele etwa durch Empfehlungen konkretisierenden Beziehung zwischen Planendem und Planadressaten nicht für 163 Aus diesem G r u n d ist auch die Entscheidung B G H Z 45, 83 ff. bedenklich, w e n n dort erwogen w i r d , daß allein ein individueller Hinweis der Bundesregierung einen Vertrauenstatbestand schaffen könne, ohne daß nach dem jeweiligen Zweck gefragt w i r d ; kritisch auch Kriele, D Ö V 1967, S. 533, dessen K r i t i k aber mehr dahin geht, daß solche Hinweise n u r dann Vertrauen schaffen dürften, w e n n sie f ü r jedermann k l a r erkennbar seien. 164 Das gilt w o h l auch f ü r den von Kriele (a.a.O.) diskutierten F a l l des Schweinemästers: zwar w a r hier kein ausdrücklicher, positiv n u r i h m gegenüber gesetzter Hinweis vorhanden, aber bevor dieser seine Schweinemästerei eröffnete, orientierte er sich über die bestehenden örtlichen Planungen u n d möglichen Änderungen u n d errichtete sie schließlich i n Übereinstimmung m i t den v o n der Planung verfolgten Zielen i n einem Gebiet, das voraussichtlich nicht Wohngebiet werden würde; t r i t t dies jedoch ein, müßte auch hier aus dem Gedanken der Plangewährleistung ein Anspruch gegeben sein. Z u r e s t r i k t i v dagegen w o h l O V G Münster (DVB1.1972, S. 614 f.), das den V e r trauenstatbestand n u r bei Vorliegen einer schriftlichen Urkunde annehmen w i l l , auch w e n n hierfür eine gesetzliche Grundlage angegeben w i r d .
2. Empfehlungen des Bundesbeauftragten
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eine Risikoverlagerung i n Betracht kommen, erscheint es eher möglich, für die verbleibenden Fälle einen Ansatzpunkt zu finden, der sich wenigstens zunächst an herkömmlichen Rechtsinstituten orientieren und nicht, wie etwa die Annahme eines faktischen Vertragsverhältnisses, ins derzeit mehr oder minder Spekulative abgleiten sollte. Einen solchen einigermaßen gesicherten Ansatzpunkt für die so schärfer umrissenen Tatbestände eines Plangewährleistungsanspruchs bieten die auf Grund des A r t . 14 GG entwickelten Entschädigungsregelungen. Wie der B G H mehrfach nur angedeutet hat 1 6 5 , muß i n besonders gelagerten Fällen, i n denen ein Risiko auf Grund einer staatlichen Planung und eines besonderen Vertrauenstatbestandes übernommen worden ist, das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eine Ausdehnung dahin erfahren, daß dieses Vertrauen auf Planrichtigkeit und -bestand bei solch engen Beziehungen als subjektiv-vermögenswertes Recht darunterfällt, obwohl wegen der grundsätzlich immer möglichen Abänderbarkeit des Plans ein Recht i m eigentlichen Sinn nicht entsteht. Auch hier sollte aber die formale Suche nach subjektiven Rechten zugunsten einer wirtschaftlich wertenden Betrachtungsweise aufgegeben werden, die primär nach faktischen Auswirkungen, weniger nach der rechtlichen Einordnung fragt. Dabei ist allerdings zu betonen, daß der B G H praktisch dieser Betrachtungsweise schon nachgeht und sie lediglich rechtlich durch eine beliebige Manipulation des Rechts am eingerichteten Gewerbebetrieb absichert 168 , währenddessen die Rechtserheblichkeit sich daraus ergibt, daß die Maßnahme i m Schutzbereich des Grundrechts aus A r t . 14 GG erfolgt. Die vom B G H vorgetragene Argumentation hat den Nachteil, daß sie das Recht am eingerichteten Gewerbebetrieb ausweitet bzw. einengt, je nachdem, ob ein einfacher oder gesteigerter Vertrauenstatbestand vorliegt; entscheidend ist aber doch, daß i n beiden Fällen der wirtschaftliche Wert des Unternehmens beeinträchtigt worden ist, gleichgültig, ob der Unternehmer nun auf den Bestand einer Maßnahme vertraut hatte oder dieses Vertrauen durch eine Zusage oder ähnliches bekräftigt worden ist. Das entscheidende Korrektiv findet sich deshalb i n der Frage nach der Sozialbindung des Eigentums 167 . Da nach der hier vertretenen A n sicht die inhaltliche Änderung einer Empfehlung regelmäßig — sofern keine W i l l k ü r vorliegt — als rechtmäßig anzusehen ist, kommt für eine 165
B G H Z 45, 83 ff.; BGH, N J W 1968, S. 293 ff.; DÖV 1964, S. 349 ff., 352. Vgl. insbesondere B G H Z 45, 150 ff., 155 u n d die Urteilsanmerkung v o n Wolf gang Hoffmann (DVB1.1969, S. 202 ff.), der auch k l a r zum Ausdruck bringt, daß es i m Bereich des A r t . 14 GG gleichgültig ist, ob die wirtschaftlich beeinträchtigende Maßnahme durch Exekutive oder Gesetzgeber erfolgt. 167 So auch Hoffmann , DVB1. 1969, S. 202 ff. 168
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Entschädigung nur das Institut des enteignenden Eingriffs i n Betracht 168 , das bei einer gezielten oder ungezielten, rechtmäßigen Beeinträchtigung vermögenswerter Rechte vom B G H angewandt wird. Da sich hier nicht, wie beim enteignungsgleichen Eingriff schon aus der Rechtswidrigkeit die Überschreitung der Sozialbindung ergibt, muß noch festgestellt werden, ob die Änderung der Empfehlung diese Grenzen überschreitet. Erst an dieser Stelle kommt der Vertrauenstatbestand dogmatisch zum Tragen: grundsätzlich hat der Unternehmer das Risiko einer Planänderung wegen Planfehler oder veränderter Umstände zu tragen (das gilt etwa für die Abänderung der Absatzvorausschätzungen); er hat auch das Risiko zu tragen, wenn i n Verfolgung übergeordneter Lenkungszwecke etwa Empfehlungen zur Produktionseinschränkung erteilt werden, die darüber hinaus gerade zum Ziel haben können, das Grundrecht aus A r t . 14 GG langfristig für die Betroffenen zu sichern. Diese Grenzen der Sozialbindung dürften aber überschritten sein, wo der Unternehmer i n direktem, wirtschaftlich verbindlichen Zugriff zu einem Verhalten veranlaßt wird, das ökonomisch nur zu rechtfertigen ist, wenn er auf den Bestand der Maßnahmen vertrauen kann. W i r d diese dennoch zulässigerweise abgeändert, so stellt sich die Entwertung seiner Vermögensposition als enteignender Eingriff dar, und er ist entsprechend zu entschädigen 169 . Denn hier greift der Gesichtspunkt gerade nicht ein, der sonst bei staatlicher Wirtschaftslenkung hinsichtlich der Grundrechte eine wesentliche Rolle spielt: der Unternehmer zieht hier keine Vorteile aus aufklärenden Maßnahmen oder Subventionierung, sondern es ist gerade die Unterwerfung unter die i h m vom Bundesbeauftragten gesetzten Ziele, die Befolgung der i m Hinblick auf den gesamten Steinkohlebergbau für notwendig befundenen Maßnahmen, die den Schaden hervorruft. Hier dient er m i t seinem Verhalten primär der staatlichen Energiepolitik m i t der Folge, daß die dadurch entstehenden Schäden nicht mehr von i h m allein zu tragen sind. Einen weiteren dogmatischen Ansatzpunkt scheint jetzt das BVerwG zu suchen 170 . Es sieht i n der einmal von staatlicher Seite gegenüber einem Unternehmen vorgenommenen Abschöpfung auf Importwaren gleichzeitig eine Verantwortung des Staates dafür, daß niemand sonst ohne Abschöpfung verkaufen darf. Diese Verantwortung bestehe auch dann, wenn eine gesetzliche Grundlage zu einem anderen Verhalten legitimiere, da auch bei einer an sich zulässigen Maßnahme die w i r t schaftlichen Interessen derer berücksichtigt werden müßten, die davon 168 BGH, N J W 1965, S. 1907 ff.; B G H Z 45, 150 ff.; dazu Bernd Bender, Staatshaftungsrecht, Schadensersatz-, Entschädigungs- u n d Folgenbeseitigungspflichten aus hoheitlichem Unrecht, Karlsruhe 1971, S. 32. 169 Vgl. B G H Z 25, 266 ff., 269. 170 U r t e i l v. 8. 9.1972, N J W 1972, S. 2325 f.
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betroffen werden. Weiter w i r d ausgeführt, daß dieser Grundsatz nicht nur bei einer unterschiedlichen Behandlung einzelner Unternehmen seitens des Staates gelte, sondern auch dann, wenn der Staat selbst als Wirtschaftender tätig werde. Die Nichtbeachtung dieser Verpflichtung stelle eine Verletzung der Chancengleichheit dar m i t der Folge, daß der dadurch Geschädigte einen Anspruch auf Gleichstellung nach A r t . 3 GG habe. Der Anspruch gehe dahin, dem Betroffenen einen verlustfreien Verkauf der abgeschöpften Importware zu ermöglichen. Man w i r d der offensichtlich auf den Einzelfall abgestellten Begründung des BVerwG i n diesem Zusammenhang m i t großer Vorsicht begegnen müssen und sie noch nicht verallgemeinern dürfen; es zeigen sich auch hier die nur tastenden Versuche der Gerichte, diesem Komplex gerecht zu werden. I n dem besonders gelagerten Fall lag der Rückgriff auf den Gleichheitssatz nahe, obwohl gerade m i t der Bemerkung, auch an sich zulässige Maßnahmen müßten die wirtschaftlichen Interessen der Betroffenen berücksichtigen, die Prüfung eines enteignenden Eingriffs sich angeboten hätte. Unabhängig davon ist aber bemerkenswert, daß auch das BVerwG für seinen Anspruch einen Vertrauenstatbestand i n der Form eines direkten Zugriffs auf ein Unternehmen durch A b schöpfung voraussetzt und hieraus ein staatliches Konkurrenzverbot ableitet. Es kann somit zusammenfassend als Ergebnis festgehalten werden, daß eine einzelne Empfehlung des Bundesbeauftragten an ein Unternehmen dieses grundsätzlich nicht i n seinen Rechten beeinträchtigen kann. Wenn allerdings die Empfehlung auf falschen Vorausschätzungen beruht, das Unternehmen dann i n Befolgung dieser (wirtschaftlich verbindlichen) Empfehlung Investitionen vornimmt, die sich schließlich als wertlos erweisen, nachdem die Fehlerhaftigkeit sich herausgestellt hat und eine entgegengesetzte Empfehlung ergangen ist, dann kann das betroffene Unternehmen eine Entschädigung wegen enteignenden Eingriffs verlangen. c) Art
12 GG
Nachdem bereits oben festgestellt worden ist, daß bei den Lenkungsmaßnahmen des Bundesbeauftragten A r t . 12 GG neben A r t . 14 GG geprüft werden kann 1 7 1 , stellt sich hier zunächst die Frage, ob ein Unternehmen sich überhaupt auf das Grundrecht des A r t . 12 GG berufen kann. 171 Anders die jüngste Rechtsprechung des BVerfG, die die Schutzbereiche nach Erwerb (Art. 12) und Erworbenem (Art. 14) abgrenzen w i l l ; vgl. B V e r f G N J W 1971, S. 1255 ff., 1260 (Bevorratungspflicht).
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. Kap.: Justiziabilität im Hinblick auf
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Soweit es sich bei dem betroffenen Unternehmen u m eine juristische Person handelt, kann es sich gem. A r t . 19 Abs. 3 GG dann auf A r t . 12 GG berufen, wenn dieses Grundrecht seinem Wesen nach auf die juristische Person anwendbar ist. Dies ist zwar eins der umstrittensten Probleme i m Bereich des A r t . 19 Abs. 3 GG 1 7 2 , jedoch w i r d man m i t der als gefestigt anzusehenden Rechtsprechung des BVerfG 1 7 3 davon ausgehen können, daß die Berufsfreiheit des Art. 12 auch das Recht enthält, eine Tätigkeit aufzunehmen und auszuführen, die Erwerbszwecken dient; sofern diese von natürlichen und juristischen Personen i n gleicher Weise ausgeübt werden kann, muß man auch den juristischen Personen den Schutz des A r t . 12 GG zugestehen. Wenn die Projektionen des Bundesbeauftragten ergeben, daß m i t einer Stagnation des Steinkohlenabsatzes zu rechnen ist, kann er einem Unternehmen empfehlen, seine Produktion einzuschränken. Dadurch w i r d es i m Schutzbereich seines Grundrechts aus A r t . 12 Abs. 1 GG betroffen. Regelmäßig w i r d eine solche Empfehlung nur eine Modalität der Berufs- bzw. Gewerbeausübung darstellen, so daß sie durch alle Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt werden kann, wozu die Neuordnung des Steinkohlebergbaus, als dessen Instrument sie sich ausweist, sicherlich zählt. Allerdings bedarf diese Aussage noch einer genaueren Untersuchung. Das BVerfG hat nämlich seine ursprüngliche, i m Apotheken-Urteil 1 7 4 entwickelte Drei-Stufen-Theorie später mindestens dahingehend modifiziert 175 , daß nicht die formale Zugehörigkeit zu einer bestimmten Stufe das entscheidende K r i t e r i u m ist, sondern die Intensität der Einwirkung auf die Berufsfreiheit als einheitliches Grundrecht. Streng genommen ist dadurch die Drei-Stufen-Theorie zugunsten einer strikten Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aufgegeben worden und hat eigentlich nur noch eine Funktion als Orientierungspunkt für die verfassungsrechtliche Prüfung, obwohl dies vom BVerfG nicht immer deutlich gemacht w i r d 1 7 6 . Das kann zur Folge haben, daß eine Maßnahme, die grundsätzlich als Berufsausübungsregelung anzusehen ist, i n ihrer wirtschaftlichen Auswirkung doch so weitgreifend ist, daß an sie ein strengerer Maßstab nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angelegt 172 Vgl. dazu Wolf gang Rüfner, Z u r Bedeutung und Tragweite des Artikels 19 Abs. 3 des Grundgesetzes, AöR Bd. 89 (1964), S. 261 ff., 306 ff. m. w . N. 173 BVerfGE 21, 261 ff., 266 (Arbeitsvermittlungsmonopol); 22, 380ff., 383 (Kuponsteuer); BVerfG N J W 1971, 1255 ff. (Bevorratungspflicht). 174 BVerfGE 7, 377 ff. 175 Insbesondere i m Kassenarzt-Urteil (BVerfGE 11, 30 ff., 42 f.). 176 Vgl. etwa BVerfGE 19, 330 ff., 336 f. (Sachkundenachweis i m Einzelhandel); BVerfG N J W 1971, S. 1255 ff., 1256 (Bevorratungspflicht); zum Ganzen s. Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht, Nr. 103 m. w . N.; Hans Heinrich Rupp, Das Grundrecht der Berufsfreiheit i n der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR Bd. 92 (1967), S. 212 ff., 232 ff.
2. Empfehlungen des Bundesbeauftragten
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werden muß, oder auch, w e i l sie — um, i m B i l d der Drei-Stufen-Theorie zu bleiben — Rückwirkungen auf die Freiheit der Berufswahl hat. Das wäre nicht nur dann der Fall, wenn die Berufswahl von vornherein unmöglich gemacht wird, sondern auch dann, wenn die Möglichkeit der Fortführung eines Berufs beschränkt wird, weil die getroffene Maßnahme auf eine Eindämmung eines Berufszweiges oder der Betätigung eines einzelnen Unternehmens zielt oder gar deren totale Unrentabilität und damit Berufsaufgabe zur Folge hat. Diese Frage wäre i m vorliegenden Zusammenhang etwa dann relevant, wenn eine Empfehlung des Bundesbeauftragten so einschneidende Produktionseinschränkungen vorsähe, daß auch bei deren Befolgung trotz der dann erfolgenden Weiterzahlung der Subventionen eine rentable Förderung nicht mehr möglich wäre und das betroffene Unternehmen seinen Betrieb einstellen müßte, es also durch die Maßnahme des Bundesbeauftragten „erdrosselt" würde. Den „leading case" für die Beurteilung einer solchen Fallkonstruktion i n der Rechtsprechung des BVerfG bildet nach wie vor das Werkfernverkehrs-Urteil 1 7 7 . Die Belastung des Werkfernverkehrs m i t einer Sondersteuer hatte i n Einzelfällen dazu geführt, daß Unternehmen nicht nur diesen Betriebszweig, sondern das gesamte Unternehmen einstellen mußten. Das BVerfG hielt dies für vereinbar m i t A r t . 12 GG, da es sich u m Ausnahmefälle gehandelt habe, bei denen für die Einstellung des Gesamtbetriebes auch andere Umstände und Motivationen ausschlaggebend gewesen sein mögen. Der durch die Besteuerung ausgeübte Druck könne nur dann als Regelung der Berufswahl angesehen werden und dann strengeren Anforderungen unterliegen, wenn der gewählte Beruf „ i n aller Regel" 1 7 8 wirtschaftlich unmöglich gemacht werde. Das BVerfG hat dann allerdings — und daran zeigt sich die Modifizierung der Drei-Stufen-Theorie ganz deutlich — auch an das als Regelung der Berufsausübung qualifizierte Gesetz einen strengen Maßstab angelegt, da es teilweise empfindlich i n die Freiheit der Berufsausübung eingreife. Für den Bereich des Kohlegesetzes besteht nun wieder die Besonderheit, daß das Gesetz als solches noch keine unmittelbare Beeinträchtigimg der Berufsfreiheit m i t sich bringt, sondern dies erst durch eine Maßnahme des Bundesbeauftragten, hier die Empfehlung, geschieht. Anerkennt man aber, daß der Bundesbeauftragte durch das Kohlegesetz m i t jenen Gestaltungsaufgaben betraut worden ist, die herkömmlich dem Gesetzgeber obliegen, kann man an seine Entscheidungen die K r i terien anlegen, die das BVerfG für gesetzliche Lenkungsmaßnahmen durch wirtschaftlichen Druck entwickelt hat: entsteht i n einem bestimmten Sozialbereich eine Unordnung, die Gefahren „ f ü r das gesamte w i r t 177 178
BVerfGE 16, 147 ff. a.a.O., S. 165.
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schaftliche und soziale Leben" 1 7 9 m i t sich bringen kann, so müssen die Grundrechte hinter den zur Neuordnung notwendigen Maßnahmen zurückstehen. Zu Recht w i r d hiermit zum Ausdruck gebracht, daß Grundrechte Einzelner oder auch einzelner Gruppen sich nicht als Hemmschuh ausweisen dürfen, wenn die staatliche Gestaltung eines Sozialbereichs zur Beseitigung schwerer Mißstände und Vermeidung weiterer Krisen objektiv geboten ist. Das Kohlegesetz und der zu seiner Ausführung beruf ene Bundesbeauftragte konkretisieren das Grundrecht des A r t . 12 GG für einen bestimmten Lebensbereich, dessen sich der Gesetzgeber annehmen mußte. Das Grundrecht kann nicht gegen die Maßnahmen mobilisiert werden, vielmehr ist es selbst i m Licht der gesetzgeberischen und Exekutivmaßnahmen zu sehen und erhält von daher konkrete Gestalt 180 . Aus diesen Gründen ist auch dann kein Verstoß gegen A r t . 12 Abs. 1 GG anzunehmen, wenn eine Empfehlung des Bundesbeauftragten dazu führt, daß der betroffene Unternehmer nicht mehr rentabel weiterarbeiten kann und deswegen seinen Betrieb einstellen muß; die Ordnungsaufgabe i n dem lebenswichtigen Energiewirtschaftsbereich reduziert die Schutzwirkung des Grundrechts. Dieses Ergebnis mag möglicherweise unangemessen erscheinen, wenn man es von dem betroffenen Unternehmen her sieht, das zumindest den Auswirkungen nach „erdrosselt" worden ist. Es soll deswegen noch durch eine weitere Überlegung gestützt werden. Auch i n diesem Zusammenhang der Prüfung des A r t . 12 GG ist zu beachten, daß das eigentliche Druckmittel der Subventionsentzug ist. Führt dieser Entzug dazu, daß ein Unternehmen seine Produktion einstellen muß, hat das sicherlich Rückwirkungen auf die Berufswahl. Wollte man darin aber einen Grundrechtsverstoß sehen, so würde das bedeuten, daß Subventionen gerade bei denjenigen Unternehmen als „verfassungsfest" anzusehen wären, diö sich i n ihrer Kalkulation gerade auf die Weitergewährung verlassen, ohne damit Rationalisierungsmaßnahmen durchzuführen, die eine schließliche Subventionsunabhängigkeit bewirken können. Sämtliche Grenzbetriebe, die i n der grundsätzlich freien Wirtschaft längst chancenlos wären, wären verfassungskräftig abgesichert, da jeder Subventionsentzug die Rentabilität des Unternehmens beseitigen und der jeweiligen, durch A r t . 12 GG geschützten Erwerbstätigkeit den Boden entziehen würde. Eine solche m i t A r t . 12 GG begründete Argumentation würde genau das bewirken, was Wagner 181 i m Grundsatz zu Recht, i m einzelnen dann doch zu wenig differenziert, 179
a.a.O., S. 172. Z u dieser Konkretisierung von Grundrechten durch die Gesetzgebung vgl. Häberle, Wesensgehaltsgarantie, passim; Horst Ehmke, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, V V D S t R L Heft 20 (1961), B e r l i n 1963, S. 53 ff., 94 ff. 181 öffentlicher Haushalt u n d Wirtschaft, S. 80, Ls. 16 a. 180
3. Optimale Unternehmensgröße und Art. 12 GG
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angeprangert hat: derjenige, der i m sogenannten freien M a r k t konkurrenzunfähig geworden ist und deswegen ohne Berufung auf A r t . 12 Abs. 1 GG sein Unternehmen aufgeben muß, kann sich plötzlich auf Grundrechte berufen, weil einmal der Staat helfend eingesprungen ist. Dies würde nichts anderes bedeuten als die verfassungsrechtlich begründete Pflicht zur Zahlung von Erhaltungssubventionen. Demgegenüber muß demjenigen, der Subventionen zahlt, die Möglichkeit erhalten bleiben, diese m i t willkürfreien, etwa strukturpolitisch begründeten Erwägungen zu entziehen, und zwar auch dann, wenn dieser Entzug zu einzelnen Betriebseinstellungen führt 1 8 2 . 3. Feststellung der optimalen Untemehmensgröße und Art. 12 GG Gem. § 18 Abs. 3 K G hat der Bundesbeauftragte die Möglichkeit festzustellen, daß ein Unternehmen keine optimale Unternehmensgröße i m Sinne des § 18 Abs. 2 K G und der auf Grund des § 20 K G erlassenen Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft 1 8 3 aufweist. Folge der Feststellung ist, daß vom Zeitpunkt ihres Ergehens an die in § 21 K G genannten finanziellen Begünstigungen an das betreffende Unternehmen nicht mehr ausgezahlt werden. Dieses Instrument soll die Betriebe dazu zwingen, sich zu größeren Unternehmenseinheiten zusammenzuschließen, um die Steinkohleförderung rationeller gestalten zu können. Der unter dem Druck des drohenden Subventionsentzugs oder einer schon vorliegenden Feststellung des Bundesbeauftragten erfolgte Zusammenschluß mehrerer Unternehmen zu einer Gesamtgesellschaft, könnte möglicherweise ein einzelnes Unternehmen i n seinem Grundrecht aus A r t . 12 Abs. 1 GG berühren, da jetzt für seine Betätigung nicht mehr ein so weiter selbstbestimmter Raum verbleibt wie bei einem Einzelunternehmen. Jedoch braucht dieser Frage aus zwei Gründen nicht weiter nachgegangen zu werden: einmal stellt sich ein solcher Zusammenschluß regelmäßig nur als eine Modifikation der Berufsausübung dar und ist somit vor dem Grundrecht des A r t . 12 Abs. 1 GG i n der Regel zu rechtfertigen. Wenn sich aber zum anderen dennoch je nach A r t des Zusammenschlusses eine erhebliche Beeinträchtigung für ein vorher selbständiges Einzelunternehmen ergeben sollte, dann gälten dieser gegenüber die gleichen Argumente, wie sie oben (unter 2 c) zum Instrument der Empfehlung vorgebracht wurden, wonach das Grundrecht des 182 A n diesen Erörterungen zeigt sich m. E. auch, daß die These Scheuners (DÖV 1971, S. 511), öffentlich-rechtliche Ansprüche müßten infolge der gewachsenen Abhängigkeit des Einzelnen v o m Staat i n den Eigentumsschutz einbezogen werden, jedenfalls i n dieser Allgemeinheit nicht haltbar ist. 183 V o m 7.1.1969, BGBl. I, S. 16.
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. Kap.: Justiziabilität im Hinblick auf
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Art. 12 Abs. 1 GG hinter den zur Neuordnung objektiv erforderlichen Maßnahmen zurücktreten muß. 4. Bescheinigungen Die Bescheinigungen des Bundesbeauftragten nach den §§ 10 Abs. 2, 14 Abs. 1 K G sollen eine Subventionierung derjenigen Unternehmen ermöglichen, die durch ihre Maßnahme zu einer wesentlichen Verbesserung der Betriebsstruktur mit dem Ziel der Schaffung optimaler Unternehmensgrößen beitragen. Die Bescheinigungen nach §§ 32 Abs. 2, 33 K G dagegen sollen gewährleisten, daß nur solche Unternehmen finanzielle Vergünstigungen erhalten, deren Investitionen i n Steinkohlebergbaugebieten dazu dienen, dort die Wirtschaftsstruktur zu verbessern (Abbau der Monostruktur) und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Die Bescheinigungen bilden somit die Grundlage für eine selektive Subventionspolitik, die gezielt nur solche Projekte fördert, die dem Strukturprogramm des Bundesbeauftragten förderlich sind. Oben (II. Kapitel, 4 e) wurde bereits ein Beispiel aus diesem Problemkreis angeführt, das die hier interessierende verfassungsrechtliche Zentralfrage i n den Blickpunkt rückt — den allgemeinen Gleichheitssatz. Wenn ein Dienstleistungsunternehmen, das i n einem Steinkohlebergbaugebiet 2000 Arbeitsplätze schafft, die erforderliche Bescheinigung zur Subventionierung seiner Investitionen nicht erhält, obwohl sie etwa einem Unternehmen der Automobilindustrie m i t geplanter Arbeitsplatzkapazität i n gleicher Höhe erteilt worden ist, dann ist zumindest zweifelhaft, ob sich die Verweigerung vor A r t . 3 Abs. 1 GG m i t der Begründung rechtfertigen läßt, das Dienstleistungsunternehmen sei volkswirtschaftlich nicht besonders förderungswürdig. a) Art 3 GG Der allgemeine Gleichheitssatz ist bisher i m Zusammenhang staatlicher Subventionierung meistens in Gestalt der Frage problematisch geworden, ob die Begünstigung einer Gruppe nicht auch die Unterstützung derjenigen Gruppen nach sich ziehen müsse, die sich i n der gleichen Lage befinden 184 . I m allgemeinen w i r d diese Frage i m Ergebnis zu Recht verneint, sofern für die Differenzierung „ein legitimes Unterscheidungskriterium vorhanden ist, so daß die besondere Behandlung der Geförderten einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise 184 Vgl. etwa Götz, Recht der Wirtschaftssubventionen, S. 264 ff.; Wagner, öffentlicher Haushalt u n d Wirtschaft, S. 70; Ipsen, Rechtsfragen, S.77f.; BVerfGE 19, 101 ff., 114 (Zweigstellensteuer); 12, 354 ff., 367 (VW-Privatisierung).
4. Bescheinigungen
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entspricht" 185 . Weitergehend w i l l Wagner 166 den Gleichheitsgrundsatz bei Lenkungssubventionen überhaupt nicht anwenden m i t der Argumentation, dadurch werde das „Gießkannenprinzip" zum Verfassungsprinzip erhoben. So richtig diese Forderung „subventionspolitisch" ist, so wenig kann sie als verfassungsrechtliche Begründung überzeugen, setzt sie doch voraus, daß A r t . 3 Abs. 1 GG überhaupt das „Gießkannenprinzip" von Verfassungs wegen enthält. Das aber ist gerade nicht der Fall, wie insbesondere die eben genannte Formulierung des BVerfG zeigt, die es ermöglicht, den „Subventionshahn" je nach Situation zu öffnen oder zu schließen. Ist also eine Anwendung des Gleichheitssatzes auch i m Subventionsrecht durchaus zu bejahen, so fragt sich doch, ob er nicht von vornherein i m Sinn einer differenzierten Gleichheit anzuwenden ist, die berücksichtigt, daß die Devise i m Subventionswesen lauten muß: „Klotzen statt Kleckern" 1 8 7 und gerade der ungleichmäßige Mitteleinsatz der Erfüllung des Gesetzesprogramms und der Konzeption der Exekutive dienen kann 1 8 8 . Dabei soll hier noch einmal festgehalten werden, daß w i l l k ü r liche Nichtberücksichtigung immer als Verletzung von A r t . 3 GG anzusehen ist. Schwieriger gestaltet sich die Lage, wenn strukturpolitisch motivierte Subventionsgewährung für Investitionen i n Steinkohlebergbaugebieten eine Wettbewerbsverzerrung zu Gunsten bestimmter Industriezweige zur Folge hat, die sich dann ja über den Umsatz auch i n anderen geographischen Gebieten auswirken können. Hier stellt sich zunächst die Frage, ob das reine Willkürverbot, das heißt: Ausschluß sachlich nicht begründeter Unterscheidungsgesichtspunkte, ausreicht 189 oder ob eine genauere Tatbestandspräzisierung bei Ungleichbehandlung erforderlich ist. Pöttgen 190 hat sich u m eine Präzisierung bemüht und bei Vorliegen folgender Kriterien ein Differenzierungsverbot angenommen: — gleiche wirtschaftliche Betätigungsweise; — gleiche Unternehmens- oder Branchenform und gleiche Marktstufe; — gleiche Waren oder Leistungen 191 . 185 Diese Formulierung des B V e r f G (BVerfGE 12, 354 ff., 367) mag stellvertretend f ü r die i m wesentlichen gleichgelagerten Begründungen stehen. 186 Wagner , öffentlicher Haushalt u n d Wirtschaft, S. 70. 187 Zacher , V e r w a l t u n g durch Subventionen, S. 369. 188 Vgl. Heiko Faber , Urteilsanmerkung, JZ 1970, S. 220. 189 So Henze, Verwaltungsrechtliche Probleme der staatlichen Finanzhilfe zugunsten Privater, S. 100 ff. 190 Albert Pöttgen, Verfassungsrechtliche Grenzen staatlicher Wirtschaftsförderung durch Subventionen, Diss. iur. K ö l n 1965, S. 52 ff. 191 Pöttgens Ausführungen zielen zwar auf den Gesetzgeber, müssen aber i m F a l l des Kohlegesetzes auch auf den Bundesbeauftragten angewandt w e r den können.
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. Kap.: Justiziabilität im Hinblick auf
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Wenn nur eines der Kriterien nicht vorliege, sei keine „gleiche" Situation gegeben m i t der Folge einer zulässigen Differenzierung. M i t dieser Begründung hat sich auch das BVerwG i n seinem U r t e i l zur Konkurrentenklage aus der Affäre gezogen 192 . Da die tatsächlichen Ungleichheiten aber nicht schematisiert werden können und es immer irgendwelche Unterschiede zwischen potentiellen Subventionsempfängern geben wird, auf die sich die subventionierende Behörde bei ihrer Entscheidung stützen kann 1 9 3 , würde hier der Schutz des A r t . 3 Abs. 1 GG weitgehend leerlaufen. Auch das Heranziehen materialer Prinzipien, wie des öffentlichen Interesses oder des Gemeinwohls für die Rechtfertigung der Differenzierung 194 , erscheinen — von ihrer Unbestimmtheit einmal abgesehen — problematisch, setzt doch allein schon jede Subventionierung das Vorliegen eines öffentlichen Interesses voraus 195 . Demgegenüber scheint auch bei dieser Frage der richtige Ansatz wieder bei einer funktionell-rechtlichen Betrachtungsweise zu liegen: wenn die planende Exekutive innerhalb des Gesetzesprogramms und unter Ausschuß willkürlicher Erwägungen eine Konzeption der selektiven Subventionierung aufweisen kann, mit der sie glaubt, den optimalen Zustand am ehesten erreichen zu können, dann kann die Verfolgung dieser Konzeption grundsätzlich keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz m i t sich bringen. Wenn diese erkennbare Konzeption etwa darin besteht, nur Produktionsbetriebe, nicht aber Dienstleistungsbetriebe zu subventionieren, dann ist die entsprechende Subventionierung i m Einzelfall m i t A r t . 3 Abs. 1 GG i m Einklang 1 9 6 . Der einzelnen Bescheinigung kommt dann, soweit sie nicht nur isoliert über den vorliegenden Antrag entscheidet, sondern darüberhinaus auch die Konzeption zum Ausdruck bringt, gleichzeitig programmierende Funktion zu, d. h. sie schreibt das Programm für die Zukunft fort und verdient auch bei nachfolgenden Entscheidungen Beachtung 197 . Für die Aufstellung dieses Konzepts und für die Beantwortung der Frage, was dem Gesetzeszweck i n diesem Rahmen am besten dient, w i r d man dem Bundesbeauftragten 192
B V e r w G E 30, 191 ff., 193 f. Vgl. B V e r w G M D R 1965, S. 326 f. m i t der „sachlich gerechtfertigten" Unterscheidung von Landwirtschaft u n d gewerblicher Wirtschaft. 194 So Peter Häberle, Gemeinwohljudikatur u n d Bundesverfassungsgericht, öffentliche Interessen, W o h l der Allgemeinheit i n der Rechtsprechung des BVerfG, AöR Bd. 95 (1970), S. 86 ff., 124; ders., öffentliches Interesse, S.358f., 370 m i t F N 74. 195 „Das Schenken ist keine Verwaltungsagende". Vgl. auch Mössner, JuS 1971, S. 135 f. 196 Die Parallele zur „Selbstbindung der Verwaltung" liegt auf der Hand; es dürfte aber der Materie eher gerecht werden, von der V e r w i r k l i c h u n g eines Systems zu sprechen, da die K o n s t r u k t i o n der „Selbstbindung" zu sehr am Rechtsschutz orientiert ist; vgl. hierzu den weiterführenden Beitrag von Klaus Lange, Systemgerechtigkeit, Die V e r w a l t u n g 1971, S. 259 ff. 197 Z u diesem Aspekt vgl. Schmidt, AöR Bd. 96 (1971), S. 352 ff. 193
4. Bescheinigungen
141
eine Erstzuständigkeit bei der Ausfüllung des Planziels zuerkennen müssen 198 . Dies gilt u m so mehr, als die Möglichkeit besteht, dieses Konzept i m Kohlenbeirat zuvor m i t den Betroffenen abzuklären 199 . Ein weiterer Aspekt ist allerdings i n diesem Zusammenhang noch zu berücksichtigen. Da jede Subventionierung eine Wettbewerbsverzerrung zur Folge hat, w i r d durch sie die Chancengleichheit 200 , die grundsätzliche wettbewerbliche Ausgangsposition i m Sinne gleicher Erwerbschancen für alle, beeinträchtigt. Gegenüber der allgemeinen Interpretation des Gleichheitssatzes als Willkürverbot hat das BVerwG i n der schon erwähnten Entscheidung zur Filmbewertung 2 0 1 beiläufig u. a. auch ausgesprochen, daß eine Verletzung des i n A r t . 3 GG angelegten Grundsatzes der Chancengleichheit dann gegeben sei, wenn die Verweigerung des Prädikats und damit der Steuerbegünstigung dem F i l m jegliche Aufführungschance nehme. Analysiert man diese Meinung m i t der infolge mangelnder Begründung gebotenen Vorsicht, so scheint sie darauf hinzudeuten, daß das BVerwG hier i m Bereich des A r t . 3 GG eine Parallele zu dem sonst bei A r t . 12, 14 GG herangezogenen „Erdrosselungs"gedanken 202 ziehen w i l l . Die Erwägung des Gerichts übernehmend könnte man formulieren: vom Willkürverbot abgesehen liegt eine Verletzung des Gleichheitssatzes unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit immer (erst) dann vor, wenn die ungleichmäßige positive Subventionierung eine wirtschaftliche Betätigung der m i t dem Subventionierten i m Wettbewerb stehenden Unternehmen unmöglich macht. Ein ähnlicher Gedanke findet sich bei Scholz 203: eine Wettbewerbsverzerrung durch Subventionen und die daraus resultierende Chancenungleichheit sei i n erster Linie an den Grundrechten der A r t . 12, 14 GG zu messen 204 und dann verfassungswidrig, wenn daraus die Wettbewerbsunfähigkeit des Nichtsubventionierten resultiere. Das formale Prinzip der Gleichheit w i r d i n ein materiales Gehalt umgedeutet und damit vermieden, daß irgendwelche Unterschiede i n den Merkmalen der Konkurrenten deren wettbewerbliche Ausgangsposition tiefgreifend verändern 205 . iss
Faber, JZ 1970, S. 221. Uber die Kontrollmöglichkeiten gerade i m Bereich des Gleichheitssatzes durch Publizität vgl. Forsthoff , M i t t e l und Methoden, S. 30 f.; dazu u n d zur Frage, inwieweit eine Pflicht zu einer solchen Absprache besteht, Näheres i m letzten Kapitel. 200 v g l dazu allgemein Heinrich Scholler , Die Interpretation des Gleichheitssatzes als W i l l k ü r v e r b o t oder als Gebot der Chancengleichheit, Schriften zur Rechtstheorie Heft 16, B e r l i n 1969. 201 B V e r w G E 23, 194 ff., 199. 202 BVerfGE 16, 147 ff., 175 (Werkfernverkehr). 208 N J W 1969, S. 1045. 204 So auch Götz , Recht der Wirtschaftssubventionen, S. 267. 205 Das B V e r w G hat i n seiner neuesten Entscheidung zu diesem K o m p l e x (NJW 1972, S. 2325 f.) diese materialen Gesichtspunkte nicht berücksichtigt. 199
Vgl.
142
. Kap.: Justiziabilität im Hinblick auf
d e t
Selbst wenn man also grundsätzlich das Merkmal der wirtschaftlichen Chancengleichheit i n Art. 3 Abs. 1 GG einbeziehen wollte und dieses Prinzip m i t den genannten Erwägungen „materialisiert", muß man doch daran festhalten, daß eine Verletzung eben nur dann gegeben sein kann, wenn die Wettbewerbsfähigkeit aufgehoben wird. Dies dürfte jedoch beim o. g. Ausgangsfall und entsprechenden Konstellationen fast undenkbar sein, denn es ist nicht ersichtlich, wie allein die Subventionierung eines neu errichteten Unternehmens oder Unternehmenszweiges etwa i m Ruhrgebiet eine erdrosselnde W i r k u n g auf Konkurrenzunternehmen haben soll. Das bedeutet, daß A r t . 3 Abs. 1 GG regelmäßig keinen Schutz bei Bescheinigungen des Bundesbeauftragten bietet, die zur Durchführung eines Planungskonzepts eine selektive Subventionspolitik ermöglichen. b) Art 12,14 GG Aus den vorangegangenen Erörterungen ergeben sich bereits Konsequenzen für die Behandlung der A r t . 12, 14 GG i n diesem Zusammenhang. Selbst wenn man i m Bereich des A r t . 3 Abs. 1 GG m i t der Chancengleichheit operiert, w i r d ein Rückgriff auf diese Grundrechte nötig, deren Verletzung bei selektiver Subventionierung aber nur i m Falle der Erdrosselung angenommen werden kann, bzw. dann, wenn i n die Substanz der nichtsubventionierten Unternehmen eingegriffen w i r d 2 0 6 . Da aber die aufgrund der Bescheinigungen erteilten finanziellen Begünstigungen einzelner Unternehmen, die Betriebsstätten i n Steinkohlebergbaugebieten errichten wollen, regelmäßig nicht dazu führen werden, daß die Mitbewerber um eine Begünstigung ihre Unternehmen einstellen müssen, bieten auch A r t . 12, 14 GG gegenüber den Bescheinigungen des Bundesbeauftragten keinen Schutz.
206 Götz, Recht der Wirtschaftssubventionen, S. 272 ff.; Scholz, Wirtschaftsaufsicht, S. 143; BVerfGE 13, 225 ff., 229 (Ladenschluß).
Zwischenbemerkung Die bisherigen Erörterungen mögen es rechtfertigen, an dieser Stelle ein kurzes Resümee des bisher Gesagten zu ziehen, u m daraus eine weitere Fragestellung zu entwickeln. Es wurde versucht zu zeigen, daß es möglich ist, die wesentlichsten dem Bundesbeauftragten zur Verfügung stehenden Instrumente i n die überkommene Formtypik des Verwaltungshandelns einzuordnen, wenn man das Schwergewicht weniger auf dogmatische Merkmale und mehr auf Zweck und vor allem wirtschaftliche Auswirkung der einzelnen Maßnahmen legt. Die bloß begrifflich geführten Auseinandersetzungen um den Verwaltungsakt muten angesichts der möglicherweise ungeheuren wirtschaftlichen Bedeutung eines nicht genau einzuordnenden staatlichen Handelns rein scholastisch an. Ist deshalb aus prozessual-formellen Gründen nicht ersichtlich, daß eine Einschränkung richterlicher Prüfungsmöglichkeit bei Maßnahmen des Bundesbeauftragten gegeben wäre, so zeigen sich doch erhebliche Beschränkungen bei der Justiziabilität i n materieller Hinsicht: die Tätigkeit der wirtschaftsgestaltenden Exekutive, die immer mehr i n die Nähe des rein Politischen gerückt ist, entzieht sich materiell i n hohem Maße der repressiven verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, da hier i n Anbetracht der weitgehenden Ermächtigung durch entsprechende Gesetze (Planungsgesetze) von der Exekutive nicht Recht angewandt wird, dessen Einhaltung von den Gerichten nachgeprüft werden könnte, sondern autonome Entscheidungen getroffen werden, die sich innerhalb eines Gesetzesprogramms weniger an der Rechtmäßigkeit als an der Zweckmäßigkeit orientieren müssen. Das bedeutet, daß innerhalb des komplexen Organisationszusammenhangs, der endgültige „staatliche" Entscheidungen hervorbringt, die vom Gesetzgeber m i t der Erfüllung eines von ihm definiertes Programms beauftragte Exekutive eine Stellung einnimmt, die i n anderen Bereichen, bei denen eine konditionale Gesetzesprogrammierung möglich ist, der Gesetzgeber selbst einnimmt. Die Zurückhaltung der Gerichte sollte gegenüber einer m i t solchen A u f gaben versehenen Exekutive die gleiche sein wie gegenüber dem Gesetzgeber und sich grundsätzlich auf Willkür-, Geeignetheit- und Verfahrenskontrolle beschränken. Diese aus funktionell-rechtlichen Gründen gebotene Beschränkung gilt allerdings nicht i m Bereich der Grundrechte. Grundrechtsverletzungen
Zwischenbemerkung
144
haben Gerichte auf Rüge jederzeit zu beanstanden. Wenn man jedoch die Grundrechte i m Sozialstaat nicht i n rein individualistischer Sicht versteht und i n extensiver Auslegung als Bollwerk gegen staatliche Aktivitäten versteht, werden sie i m Bereich der Wirtschaftslenkung und -planung nur geringen Schutz bieten, und zwar auch dann, wenn man die überkommene Vorstellung vom Grundrechtseingriff nicht aufrechterhält und auch mittelbare Beeinträchtigungen genügen läßt. Lediglich bei der sog. Plangewährleistung kann i n besonderen Fällen ein Entschädigungsanspruch wegen Planänderung begründet sein. I n Anbetracht dieser Bilanz erweist sich die wirtschaftslenkende Verwaltung als weitgehend frei von der klassischen Kontrollinstanz der Gerichte. Dies legt die Suche nach anders gearteten Kontrollen nahe. Aber auch wenn man entgegen der bis hierher vertretenen Ansicht den Gerichten eine weitergehende Prüfungskompetenz zuweisen oder auf Grund eines anderen Verständnisses weitergehenden Grundrechtsschutz zubilligen w i l l , so ist dieses Kontrollinstrument aus mehreren anderen Gründen letztlich doch nicht zureichend: die Gestaltung des Wirtschaftsablaufs i n globaler oder sektoraler Hinsicht ist ein permanenter Prozeß, der sich nicht entsprechend dem Wesen richterlicher Tätigkeit „ w i e ein historisch abgeschlossener Tatbestand beweismäßig erhellen und aktenkundig machen läßt" 1 . Daraus folgt weiter die Tatsache, daß richterliche Entscheidungen, wenn sie schon getroffen werden, regelmäßig zu spät kommen und infolge der wirtschaftlichen Verflochtenheit eine nachträgliche Korrektur der Planungsmaßnahme nicht mehr möglich ist. Aus einer Feststellung der Rechtswidrigkeit müssen sich dabei nicht einmal zwingende Folgerungen für die Staatshaftung ergeben 2 . Angesichts dieser Situation ist es verständlich, wenn man i n der Praxis immer mehr dazu übergeht, i n den hier interessierenden Fällen von einer Anrufung der Gerichte abzusehen und statt dessen den Weg des Arrangements unter den Betroffenen zu wählen, u m dem unkalkulierbaren Risiko, der langen Dauer der Prozesse und den damit verbundenen Unsicherheiten zu entgehen 3 . Aber auch dieser Weg birgt eine Gefahr, nämlich die des Entstehens apokrypher, öffentlich nicht kontrollierbarer Machtverhältnisse.
1
2
Gygi, J d l n t J K , Bd. I V (1962/63), S. 31.
Gygi, a.a.O.
3 Z w e i Beispiele mögen dies belegen: a) Vertreter des Gesamtverbands Steinkohlenbergbau haben dem Verf. gegenüber i n einem Gespräch die Auffassung vertreten, es sei i n der Praxis fast ausgeschlossen, daß ein Unternehmen oder eine Gruppe von Unternehmen gegen eine Empfehlung des Bundesbeauftragten gerichtlich vorgehe, wenn die Grundlagen für diese i m Kohlenbeirat festgelegt u n d abgestimmt
Zwischenbemerkung D e s h a l b l i e g t die F o r d e r u n g nahe, d e n repressiven g e r i c h t l i c h e n Rechtsschutz z u m i n d e s t p a r t i e l l d u r c h eine V e r f a h r e n s r e g e l u n g z u e r setzen, die R e c h t s s c h u t z f u n k t i o n e n schon v o r d e m F ä l l e n d e r e i g e n t l i c h e n E n t s c h e i d u n g z u ü b e r n e h m e n v e r m a g . W e n n die m o d e r n e n P l a nungsgesetze N o r m a t i v i t ä t z u g u n s t e n e i n e r ö k o n o m i s c h m o t i v i e r t e n O p e r a t i o n a l i t ä t aufgeben, d a n n sollte eben auch f ü r d e n Rechtsschutz d i e i n s t i t u t i o n e l l e F o l g e r u n g gezogen w e r d e n , i h n diesen o p e r a t i o n a l e n S t r u k t u r e n anzupassen u n d schon i n das P l a n u n g s v e r f a h r e n e i n z u o r d nen. D i e M i t w i r k u n g d e r B e t r o f f e n e n schon b e i der P l a n f o r m u l i e r u n g s p i e l t deshalb i n diesem Z u s a m m e n h a n g eine entscheidende R o l l e 4 . Dies ist, entgegen d e r A u f f a s s u n g Fabers 5, n i c h t u n b e a c h t e t geblieben 6 . W e n i ger A u g e n m e r k w i r d d e m g e g e n ü b e r d e r F r a g e z u t e i l , w i e e i n solcher v o r v e r l a g e r t e r Rechtsschutz i m e i n z e l n e n F a l l k o n s t r u k t i v aussehen könnte. I m abschließenden K a p i t e l m u ß deshalb zunächst i n A u s e i n a n d e r s e t z z u n g m i t g r u n d s ä t z l i c h e n V o r b e h a l t e n gegen eine M i t w i r k u n g d e r B e t r o f f e n e n a m Prozeß d e r P l a n f o r m u l i e r u n g u n d - d u r c h f ü h r u n g d i e v e r fassungsrechtliche L e g i t i m i t ä t dieser K o n s t r u k t i o n d a r g e l e g t w e r d e n . Schließlich w i r d es f ü r d e n k o n k r e t e n F a l l d a r a u f a n k o m m e n , i n w i e w e i t worden seien; v o n einem gerichtlichen Vorgehen verspreche sich m a n i n diesen Fällen i m allgemeinen nichts. b) Wenn i m Montanbereich Zweifel auftauchen, ob ein Unternehmen der erweiterten Mitbestimmung nach dem Mitbestimmungsgesetz v o m 21. 5.1951 (BGBl. I, S. 347) unterliegt, besteht häufig die Neigung, einer gerichtlichen Auseinandersetzung aus dem Wege zu gehen u n d eine entsprechende M i t bestimmungsregelung zu vereinbaren (vgl. Mitbestimmung i m Unternehmen. Bericht der Sachverständigenkommission zur Auswertung der bisherigen E r fahrungen bei der Mitbestimmung, BT-Drucks. VI/334, S. 12). 4 Das gilt nicht n u r für die Wirtschaftsplanung, sondern i n verstärktem Maße auch f ü r andere Zweige der Exekutive. Vgl. etwa f ü r den kommunalen Bereich Peter Diemel , Partizipation an Planungsprozessen als Aufgabe der Verwaltung, Die V e r w a l t u n g 1971, S. 151 ff. 5 J Z 1970, S. 221. 6 Vgl. nämlich i n Ansätzen schon Herbert Krüger, V V D S t R L Heft 11 (1952), B e r l i n 1954, S. 139 f. (Diskussionsbeitrag); ders ., Von der Notwendigkeit einer freien u n d auf lange Sicht angelegten Zusammenarbeit v o n Staat u n d W i r t schaft, Münster 1966; ders., Rechtsetzung u n d technische Entwicklung, N J W 1966, S. 617 ff., 623; s. i m übrigen i n diesem Sinn Gygi, Rechtsfragen, S. 141 f.; ders., J d l n t J K , Bd. I V (1962/63), S. 31 ff.; Horst Harnischfeger, Planung i n der sozialstaatlichen Demokratie, Neuwied u n d B e r l i n 1969, S. 126; Zacher, V e r w a l t u n g durch Subventionen, S. 442 f.; Otto Kirchheimer, P o l i t i k u n d Sachverstand i m Bereich der Verwaltung, Gewerkschaftliche Monatshefte 1961, S. 670 ff., 675 ff.; Thomas Ellwein, P o l i t i k u n d Planung, Stuttgart 1968, S. 60; Leibfried-Quilisch, atomzeitalter 1967, S. 619 f.; Scharpf, Die politischen Kosten, passim; Faber, JZ 1970, S. 221; Max Imboden, Der Plan als verwaltungsrechtliches Institut, V V D S t R L Heft 18 (1959), B e r l i n 1960, S. 113 ff., 136; für die französische planiflcation vgl. Klaus Toeche-Mittler, Das Verbandskartell als Instrument der Wirtschaftsplanung, F r a n k f u r t - B e r l i n 1969, S. 14 ff.; f ü r die schweizer Verhältnisse vgl. Martin Petermann, Die Grenzen der M i t w i r k u n g der privaten Verbände bei der Durchführung öffentlicher Aufgaben, W i n t e r t h u r 1960, S. 99 ff.; f ü r die U S A Ehmke, Wirtschaft u n d Verfassung, S. 568 f. 10 Seidler
146
Zwischenbemerkung
und unter welchen Voraussetzungen die Tätigkeit des i m Kohlegesetz institutionalisierten Kohlenbeirats solche vorverlagerten Rechtsschutzfunktionen wahrnehmen kann.
Fünftes
Kapitel
Rechtsschutz bei Maßnahmen des Bundesbeauftragten in der Form institutionalisierter Mitwirkung und Kontrolle 1. Die Legitimität der Mitwirkung an Planungsprozessen Voraussetzung dafür, daß Verfahrensregelungen und die M i t w i r k i m g der Betroffenen am Prozeß der Planaufstellung und -durchführung überhaupt Rechtsschutzfunktionen wahrnehmen können, ist die Legitimität solcher Partizipation. Wäre sie m i t der von der Verfassung konstituierten Gesamtordnung nicht vereinbar, wäre schon aus diesem Grund allen weitergehenden Überlegungen die Basis entzogen. Zunächst einmal ergibt eine Bestandsaufnahme i n tatsächlicher H i n sicht, daß i n der Gesetzgebungs- und Verwaltungspraxis schon seit geraumer Zeit vielfältige Organe (Beiräte, Kuratorien, Sachverständigenkommissionen etc.) existieren, die i n das Gesetzgebungs- bzw. Verwaltungsverfahren eingeschaltet sind 1 . Anlaß zu grundsätzlich gehaltener K r i t i k gegen diese Erscheinung gaben hauptsächlich zwei Institutionen: einmal der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 2 und zum anderen die „Konziertierte A k t i o n " auf Grund des § 3 StabG. Dabei verdient Beachtung, daß die „Konzertierte A k t i o n " vom Gesetz nicht — was häufig i n Anbetracht der Praxis verkannt w i r d — als Zusammenkunft, sondern als Verhalten definiert ist. Dies geschah gerade zu dem Zweck, verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung zu tragen 3 . Dennoch berief die Bundesregierung am 14. 2.1967 zum erstenmal einen informellen Gesprächskreis ein, der i n der Z w i 1 Vgl. die zahlreichen Nachweise bei Gerhard Semar, Die gesetzlich v o r gesehene M i t w i r k i m g der wirtschaftlichen Interessenverbände beim Zustandekommen u n d der Ausführung v o n Bundesrecht, Diss. iur. Freiburg 1969. 2 Ins Leben gerufen durch Gesetz v o m 14. 8.1963 (BGBl. I, S. 685); vgl. dazu insbesondere Christian Heinze, Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung u n d die U m b i l d u n g der Verfassung, Der Staat 1967, S. 433 ff.; Ernst-Wolfgang Böckenförde , Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung, B e r l i n 1964, S. 259 ff. 3 So Möller , Kommentar, 1. Aufl., A n m . 6 zu § 3. Der Hinweis fehlt i n der 2. A u f l .
10*
148
5.Kap.: Rechtsschutz durch institutionalisierte Mitwirkung
schenzeit unter der nach dem Gesetz irreführenden Bezeichnung „Konzertierte A k t i o n " zu einem festen Bestandteil der Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik geworden ist 4 . Insbesondere diese Praxis hat die Angriffe gegen solche A r t der Beeinflussung wirtschaftspolitischer Entscheidungen durch die betroffenen Gruppen aufleben lassen. Dabei haben sich i m wesentlichen drei Argumentationsschwerpunkte herausgeschält: a) ordnungspolitische Systemwidrigkeit b) Verlust an Staatlichkeit c) Beeinträchtigung demokratisch dung.
legitimierter
Entscheidungsfin-
ad a) Der erste Angriff zielt auf die ordnungspolitischen Vorstellungen, die hinter einer Wirtschaftslenkung i n Abstimmung m i t den Betroffenen stehen. Durch die Zerstörung des Gleichgewichts von Freiheit und Bindung i n der sozialen Marktwirtschaft würden deren ordnungspolitische, wertbezogene Grundlagen abgebaut und durch eine rein pragmatische Wirtschaftspolitik ersetzt, die sich ihre Ziele selbständig immer neu setzen könne und das Problem des Freiheitsschutzes aus der W i r t schaftspolitik ausklammere 5 . Akzeptiert man die grundsätzliche wirtschaftspolitische Neutralität des GG, dann ist eine solche Argumentation verfassungsrechtlich irrelevant und allenfalls als — ideologieverdächtige — wirtschaftspolitische Aussage von Bedeutung. Aber auch als solche verkennt sie, daß die Wirtschaftspolitik selbst inzwischen über ihre theoretische Zweiteilung von Verkehrswirtschaft Böhm-Euckenscher Provenienz und Zentralverwaltungswirtschaft hinausgefunden und die Vereinbarung, die A b sprachen zwischen den verantwortlichen Trägern staatlicher Wirtschaftspolitik und der Wirtschaft selbst als eigenständiges Ordnungsprinzip erkannt hat 6 . Diese Konzeption ist es auch, die letztlich hinter modernen Planungsgesetzen wie dem Stabilitätsgesetz und dem Kohlegesetz steht: der wirtschaftslenkende „Staat" verwandelt sich i n einen „Aufklärungsund Orientierungsstaat" 7 , dessen Instrumente zunächst Argumente statt 4 Vgl. dazu näher Otto Schlecht, Konzertierte A k t i o n als Instrument der Wirtschaftspolitik, Tübingen 1968, S. 27 ff. 5 So insbesondere Kurt H. Biedenkopf, Ordnungspolitische Probleme der neuen Wirtschaftspolitik, Jb. f. Sozialwiss., Bd. 19 (1968), S. 308 ff., 317 f.; ders., B B 1968, S. 1009 f.; w o h l auch Willi Thiele, Reichswirtschaftsrat — Konzertierte A k t i o n — Bundeswirtschafts- u n d Sozialrat?, DVB1.1970, S. 529 ff. 6 So v o r allem Georg Weippert, „Vereinbarung" als drittes Ordnungsprinzip, i n : Festschrift f ü r Alexander Predöhl, Göttingen 1963, S. 167 ff.; ders., Z u m Verständnis der verbandsstrukturierten Gesellschaft, i n : Gedächtnisschrift f ü r H. J. Seraphim, B e r l i n 1964, S. 123 ff.; ebenso schon Walter Adolf Jöhr, Der Kompromiß als Problem der Gesellschafts-, Wirtschafts- u n d Staatsethik, Recht u n d Staat Heft 208/209, Tübingen 1958, S. 47 ff.
1. Die Legitimität der Mitwirkung an Planungsprozessen
151
Eine institutionell geregelte Beteiligung der Betroffenen am Entscheidungsprozeß hätte allerdings gegenüber dieser ohnehin schon geübten Praxis den entscheidenden Vorteil, daß der Lobbyismus und die informelle Beeinflussimg bestimmter Entscheidungsträger aus dem Arkanbereich verdrängt und i n das Licht der potentiell jederzeit K r i t i k ermöglichenden partiellen Öffentlichkeit gehoben würden 1 9 . Damit wäre ein wesentliches Kontrollinstrument ausgebaut, m i t dem das sonst i n weiten Bereichen gegebene Kontrolldefizit (jedenfalls hinsichtlich des repressiven Gerichtsschutzes) ausgeglichen werden kann 2 0 . Bei dieser Einschätzung der Dinge sollen nicht die teils skeptischen 21 , teils resigniert 22 klingenden Einwendungen übersehen werden, die gegenüber der bisherigen Praxis der „Konzertierten A k t i o n " vorgebracht worden sind und die begrenzten Möglichkeiten einer solchen Institution und eines solchen Verfahrens aufzeigen. Es gilt demgegenüber aber festzuhalten, daß allein schon der Zwang, bestimmte Motive und Gründe für Entscheidungen i n einer solchen Runde offenzulegen, eine größere Rationalität des Entscheidungsprozesses sichern kann. Darüberhinaus besteht die Möglichkeit, Fehler schon i n der Entwicklung zu erkennen und vor einer Letztentscheidung zu korrigieren. Der Weg zu einzelnen Maßnahmen w i r d dadurch komplexer, schwieriger und länger; andererseits vermag die dadurch gewährleistete Kenntnis divergierender Interessenlagen potentielle Konflikte von vornherein einzugrenzen 23 . Schließlich ist aber auch noch zu bemerken, daß möglicherweise durch die institutionalisierte M i t w i r k u n g der Betroffenen gerade kein Verlust staatlicher Autorität, sondern i m Gegenteil eine Stärkung derselben eintritt. Denn besonders der wirtschaftslenkende Staat ist darauf angewiesen, daß die von i h m Angesprochenen i n einer Weise reagieren, wie es den Lenkungsintentionen entspricht. Das ist allein durch Befehl und Zwang nicht zu erreichen, sondern nur dann, wenn ein Optimum an programmatischer Identifikation i m Einzelfall besteht. Eine darauf basierende „staatliche" Entscheidung genießt einen größeren Autoritätsvorsprung als jeder Verwaltungsakt m i t Vollzugsanordnung. Das bedeutet nicht den totalen Verzicht auf Zwangsmittel, w o h l aber den vorrandann nicht die Kirchen v o n ihrer Verantwortung f ü r die nachteiligen Folgeerscheinungen des § 218 StGB entlasten; ein weiteres prägnantes Beispiel ist die bereits mehrfach angesprochene Formulierung des § 18 K G . 19 Vgl. Krüger, N J W 1966, S.621; Fröhler-Oberndörfer, Wirtschaftsrecht, S. 28. 20 So auch Brohm, Die Dogmatik des Verwaltungsrechts, S. 279 ff. 21 So der Tenor der Beiträge i m Sammelband v o n Erich Hoppmann (Hrsg.), Konzertierte A k t i o n . Kritische Beiträge zu einem Experiment, F r a n k f u r t 1971. 22 Christoph Böckenförde, Konzertierte A k t i o n . Z u institutionellen Problemen der Globalsteuerung, Der Staat 1972, S. 367 ff. 23 Böckenförde, Konzertierte A k t i o n , S. 373.
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5. Kap.: Rechtsschutz durch institutionalisierte Mitwirkung
M i t der gleichen Intention, aber wesentlich differenzierter argumentiert Ernst-Wolfgang Böckenförde 15. Das vermehrte Auftreten von Beiräten und ähnlichen Institutionen könne nur auf Grund einer überholten obrigkeitlichen Staatsauffassung als Ausverkauf des Staates bezeichnet werden. I n der spezialisierten, funktional determinierten Gesellschaft sei „staatliches" Agieren ohne Einbeziehung des „gesellschaftlichen" Sachverstandes nicht möglich, vielmehr liege deren Einbeziehung gerade auch i m Interesse des „Staates". Allerdings sei es mindestens erforderlich, daß sich demokratisch legitimierte staatliche Instanzen eine Letztentscheidung vorbehalten. Unter diesen Aspekten hält Böckenförde die Organisation der Rundfunkanstalten, die durch das Fernseh-Urteil 16 ausdrücklich von staatlichen Ingerenzen freigestellt worden sind, für bedenklich; den Sachverständigenrat schließlich hält er für verfassungswidrig, da durch i h n die vom GG einheitlich gedachte Regierungsgewalt unterlaufen werde 1 7 . Obwohl Böckenförde i m Grundsatz die Notwendigkeit der Kooperation anerkennt, verharrt er dann letztlich doch i m überwunden geglaubten Trennungsdenken von „Staat" und „Gesellschaft", das vermeintlich eine klare Abschichtung beider Sphären und eine klare Rollenverteilung der privaten bzw. staatlichen Entscheidung erlaube. Demgegenüber muß betont werden, daß auch sonst bei gestaltender Tätigkeit „staatliche" Entscheidungen allenfalls insoweit staatlich sind, als sie von einer staatlichen Instanz m i t der formellen Sanktion versehen werden. Der Inhalt der Entscheidung ist aber zuvor durch weitgehende öffentliche Diskussion und meist nichtöffentliche Einflußnahme der unmittelbar Betroffenen präformiert und determiniert. Daran zeigt sich, daß eine angeblich „staatliche" immer auch eine „gesellschaftliche" Entscheidung darstellt 18 . 15 Die Organisationsgewalt, S. 249 ff.; dabei ist zu beachten, daß Böckenförde diese neue wirtschaftspolitische Konzeption noch nicht i n die Betracht u n g einbeziehen konnte. 16 BVerfGE 12, 205. 17 a.a.O., S. 259; so auch Biedenkopf (BB 1968, S. 1010), w e n n er fordert, daß Zuständigkeiten eingehalten werden sollten: politische Entscheidungen seien durch Parlament u n d Exekutive zu treffen. Neuerdings w i r d versucht, die A u t o r i t ä t des Sachverständigenrates durch einen Bundeswirtschafts- u n d Sozialrat zu ersetzen, der eine Gutachterfunkt i o n haben u n d i n erster L i n i e die Abgeordneten informieren soll, ggf. m i t Mehrheits- u n d Minderheitsmeinungen. Nach dem Gesetzentwurf einiger CDU-Abgeordneten (BT-Drucks. VI/2514) soll sich dieser Rat aus j e 24 V e r tretern der Arbeitgeber u n d Gewerkschaften sowie aus „zwölf Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens" zusammensetzen (§ 3 Abs. 2 des Entwurfs). Vgl. zu diesem Problemkreis Thiele, DVB1.1970, S. 529 ff. 18 Sollten z. B. die Kirchen sich m i t ihrer Ansicht bei Regierung u n d Parlament durchsetzen, § 218 StGB müsse i n der bisherigen F o r m bestehen bleiben, dann ist dies sicher i m gleichen Maße „staatliche" w i e „gesellschaftliche" E n t scheidung u n d die formelle Letztentscheidungskompetenz des Parlaments w i r d
1. Die Legitimität der Mitwirkung an Planungsprozessen
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Befehle sind und der die wirtschaftlich Betroffenen zur Erfüllung seiner Aufgaben mit heranzieht. Teilweise w i r d eine solche Zusammenarbeit als Gesellschaftsverhältnis 8 bezeichnet, andere sprechen sogar von einer Fortbildung des „contrat social" 9 . Es kann an dieser Stelle nicht auf die dem zugrundeliegenden staatstheoretischen Vorstellungen eingegangen werden. Aus ordnungspolitischen Gründen allein kann eine solche Konzeption jedoch nicht beanstandet werden. ad b) Allerdings gerät der argumentierende, kooperierende und kontrahierende „Staat" — und das ist der zweite Angriffspunkt — i n die Gefahr, sich seiner autonomen Entscheidimgsmöglichkeit durch die dazu berufenen Organe und seiner Handlungsfähigkeit zu begeben. Herbert Krüger hat — i m bemerkenswerten Gegensatz zu anderen Äußerungen 10 — in seiner „Allgemeinen Staatslehre" vor einer Verdrängung des Staates durch die Gesellschaft gewarnt und beklagt, daß „das Empfinden für echte und notwendige Staatlichkeit geschwunden" 11 sei. Er hat daraus die Folgerung gezogen, daß die Zusammenarbeit als atypische Ausnahme von der Regel, der Einseitigkeit staatlichen Vorgehens, angesehen werden müsse. I n die gleiche Richtung, wenn auch noch entschiedener, zielt Klaus Stern 12. I m Vorhof der Macht sei zwar jede Information und Kooperation legitim und nützlich, i m Zentrum der wirtschaftspolitisch verantwortlichen Staatsorgane aber schädlich. Dies müßte den staatlichen Führungsanspruch beseitigen. I m sozialen Rechtsstaat könne wirtschaftliche Freiheit weder von einem Einzelnen noch von einer Gruppe, sondern lediglich von einer „neutralen Instanz, eben dem Staat" 1 3 gewährleistet werden, der mehr als ein „strategischer Mitspieler" 1 4 sein müsse. 7 Karl Schiller, Zukunftsaufgaben der Industriegesellschaft, V o r w o r t zu Andrew Shonfield, Geplanter Kapitalismus, K ö l n 1968, S. X V ff., X X . 8 So Krüger, Notwendigkeit, S. 22. 9 Karl Schiller, Zukunftsaufgaben der Industriegesellschaft, S. X V I I . 10 Vgl. etwa Krüger, Notwendigkeit, passim; ders., N J W 1966, S. 617 ff. 11 S. 614; zweifelnd jetzt auch wieder i n : Die deutsche Staatlichkeit i m Jahre 1971, Der Staat 1971, S. 1 ff., 22. 12 Grundfragen der globalen Wirtschaftssteuerung, B e r l i n 1969, insbes. S. 19 ff.; die dort vertretenen Argumente finden sich f ü r den Sachverständigenrat auch bei Heinze, Der Staat 1967, S. 433 ff. 13 a.a.O.; hier zeigt sich auch an der Formulierung die Parallelität dieser Auffassung zu der Vorstellung Carl Schmitts v o n der Neutralität des Staates; vgl. etwa: Das Problem der innerpolitischen Neutralität des Staates, i n : V e r fassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924—1954, B e r l i n 1958, S. 41 ff., insbes. S. 55, 57. Schmitt versteht die Neutralität des Staates als dessen Fähigkeit, mächtigen Gruppierungen u n d Interessen Widerstand zu leisten. Vgl. auch ders., Der Hüter der Verfassung, Tübingen 1931, S. 132 m i t dem Begriff „pouvoir neutre". 14 Formulierung bei Hans-Joachim Arndt, Der P l a n als Organisationsfigur und die strategische Planung, PVS 1968, S. 177 ff., 185.
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5. Kap.: Rechtsschutz durch institutionalisierte Mitwirkung
gigen Versuch, heterogene wirtschaftliche und politische Vorstellungen vor der eigentlichen Letztentscheidung zum Austrag kommen zu lassen 24 . Bisweilen w i r d versucht, aus dem angeblich der Verfassung zugrundeliegenden Subsidiaritätsprinzip noch weitergehend den Wirtschaftsorganisationen einen Vorrang vor staatlicher Tätigkeit einzuräumen: der Staat solle nur das Wichtige und Unumgängliche regeln, i m übrigen aber der „Selbstverwaltung der Wirtschaft" Raum lassen, i n der sie ihre eigenen Angelegenheiten unter Aufsicht des Staates gestalten könne 25 . A n dieser Auffassung ist i n mehrfacher Hinsicht K r i t i k zu üben: zunächst einmal ist es falsch, das Subsidiaritätsprinzip als Produkt der katholischen Soziallehre 26 dem Grundgesetz zu unterschieben. Es mag Situationen geben, i n denen es strukturnotwendig und sinnvoll ist, nach den Grundsätzen des Subsidiaritätsprinzips zu verfahren, verfassungsrechtlich geboten ist das aber nicht 2 7 . Es gibt auch nicht, wie Stern annimmt, ein besonderes wirtschaftsverfassungsrechtliches Subsidiaritätsprinzip, wonach etwa der Staat nicht subventionieren dürfe, wenn die Wirtschaft das Problem selbst regeln kann 2 8 . Die Strukturkrise i m Steinkohlebergbau wäre beispielsweise durchaus von der Wirtschaft selbst lösbar gewesen, indem sie i m großen Stil Zechen stillgelegt und bei maximaler Rationalisierung nur noch die rentabel arbeitenden betrieben hätte. Die daraus resultierenden Folgeschäden (Massenentlassungen, Arbeitsplatzmangel) wären aber von der Wirtschaft allein nicht zu bewältigen gewesen, so daß man — wenn man wiederum das Subsidiaritätsprinzip bemühen wollte — geradezu von einer Pflicht zur Subventionierung zur Vermeidung von Folgeschäden sprechen könnte, obwohl das Ausgangsproblem i n marktkonformer Weise durchaus vom Bergbau hätte gelöst werden können. Daran zeigt sich, daß das Subsidiaritätsprinzip beliebig zur Abstützung jeder Entscheidung herangezogen werden kann und als Verfassungsprinzip wertlos ist. 24 Vgl. Harnischfeger (Planung i n der sozialstaatlichen Demokratie), der die Auffassung v e r t r i t t , i m Sozialstaat sei die Frage vorrangig zu lösen, w i e ein Rationalität u n d demokratische Kontrolle verbindender Planungsprozeß aussehen müsse (S. 11). 25 So Ernst-Rudolf Huber, Selbstverwaltung der Wirtschaft, Stuttgart 1958, insbes. S. 14, 21, 38. 26 Vgl. dazu ebenfalls kritisch Oswald von Nell-Breuning, A r t . „Subsidiaritätsprinzip", Staatslexikon, 6. Aufl., Freiburg 1962, Bd. 7, Sp. 826 ff., 832. 27 A . A . Josef Isensee, Subsidiaritätsprinzip u n d Verfassungsrecht. Eine Studie über das Regulativ des Verhältnisses v o n Staat u n d Gesellschaft, Schriften zum öffentlichen Recht Bd. 80, B e r l i n 1968; i n seiner Entscheidung z u m Sozialhilfe- u n d Jugendwohlfahrtsgesetz (BVerfGE 22, 180 ff.) hat das B V e r f G i m Vorrang der freien Wohlfahrtsverbände keinen Ausfluß des Subsidiaritätsprinzips gesehen u n d zu dessen Verfassungskraft deshalb nicht Stell u n g genommen, sondern die dort getroffene Regelung als lang bewährte Z u sammenarbeit zwischen K o m m u n e n u n d freien Trägern qualifiziert u n d als solche legitimiert (S. 200 ff.). 28 W D S t R L Heft 27, S. 437 (Diskussionsbeitrag).
1. Die Legitimität der Mitwirkung an Planungsprozessen Weiterhin geht die Forderung nach wirtschaftlicher Selbstverwaltung ebenfalls von der Vorstellung aus, es ließe sich m i t klarer Kompetenzverteilung zwischen Staat und Gesellschaft trennen. Schließlich ist zu betonen, daß die Ausdehnung des Selbstverwaltungsbegriffs von der Ausübung hoheitlicher Befugnisse auf privatautonome Gestaltungen diesen Begriff sprengen müßte: i n dieser Sicht wäre der gesamte, primär der Gesellschaft zuzuordnende Bereich „Selbstverwaltung" 2 9 . „Selbstverwaltung" bzw. „Staatsverwaltung" sind aber keine Allheilmittel, m i t denen man den komplexen Beziehungen von staatlichen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen gerecht zu werden vermag 30 . Es kann demgegenüber nur darum gehen, den Zusammenhang von gesellschaftlichen Vorstellungen und staatlicher Letztentscheidung organisatorisch i n einer Weise zu bewältigen, die Effizienz und weitgehende demokratische Kontrolle zu verbinden i n der Lage ist 3 1 . Jede extrem etatistische oder aber extrem freiheitliche (damit durch Wettbewerbsanarchie und „darwinistische Leistungsexzesse" 32 Freiheit möglicherweise am ehesten gefährdende) Lösung würde nur zu einer Isolierung der „Gesellschaft" von dem durch sie organisierten „Staat" führen. ad c) Der am schwersten wiegende Einwand gegen die Beteiligung Betroffener am Prozeß der Wirtschaftslenkung w i r d unter dem Demokratieaspekt vorgebracht. Biedenkopf hat i m Blick auf die „Konzertierte A k t i o n " die Kooperation weniger m i t dem Staat i n Fragen allgemeiner Bedeutung (Konjunkturpolitik) als die Verwirklichung des Satzes „ a l l animals are equal, but some are more equal than others" bezeichnet 33 . Dies gelte u m so mehr, als rein arbeitstechnisch nicht alle potentiell Betroffenen beteiligt werden könnten, ein Rechtsanspruch auf Aufnahme nach bisher herrschender Meinung nicht besteht 34 und infolgedessen ein „closed shop" entstände, dessen Teilnehmer gegenüber Außenseitern 29
So Brohm, Strukturen, S. 248 m i t F N 33; ebenso schon Kurt Ballerstedt, Rechtsstaat u n d Wirtschaftslenkung, AöR Bd. 74 (1948), S. 129 ff., 156; vgl. aber Bullinger, Staatsaufsicht, S. 304 f., m. w. N. 30 So auch Gygi, J d l n t J K , Bd. I V (1962/63), S. 33. 31 Fritz Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie u n d Anpassung, K o n stanz 1970, S. 24 f.; unter Zugrundelegung system-theoretischer Ansätze sind die Politikwissenschaften i n diesem Problem schon weiter vorgedrungen; vgl. etwa Frieder Naschold, Demokratie u n d Komplexität, PVS 1968, S. 494 ff., 506 ff.; ders., Organisation u n d Demokratie. Untersuchungen zum Demokratisierungspotential i n komplexen Organisationen, 2. A u f l . S t u t t g a r t - B e r l i n K ö l n - M a i n z 1971; umfassend zu diesem Problemkreis die Beiträge i n PVS 1970, Sonderheft 2 („Probleme der Demokratie heute"), insbes. S. 241 ff. 32 Formulierung bei Häberle, Grundrechte i m Leistungsstaat, S. 62. 33 Jb. f. Sozialwiss. 1968, S. 319. 34 Vgl. Möller, Kommentar, A n m . 5 zu § 3; Karl-Joseph Gördel - Maria Melitta Schöpf, A n t w o r t auf Biedenkopf. Der V o l k s w i r t , 2.8.1968, m i t der A r g u mentation, es handele sich bei der A u s w a h l u m materielle Regierungstätigkeit, die nicht der Überprüfung durch die Gerichte unterliege; Biedenkopf, B B 1968, S. 1008; Schlecht, Konzertierte A k t i o n , S. 15 f.
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erheblich privilegiert seien 35 . Dadurch bilde sich ein technokratisches Oligopol, das m i t Demokratie nichts zu t u n habe, vielmehr m i t elementaren, durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Strukturprinzipien unserer Demokratie i n Widerspruch stehe 36 . Andererseits richten sich die Angriffe nicht grundsätzlich gegen derlei Kooperationsverfahren, sondern gegen die Besetzung der Gremien m i t Interessenvertretern; dies sei undemokratisch, w e i l dadurch das Gleichheitsgebot verletzt und durch die Bedeutung der gesellschaftlichen Funktion ersetzt werde. Die Planungsgremien sollten stattdessen m i t unabhängigen Wissenschaftlern besetzt werden, denen auch die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, Alternativvorschläge zu entwickeln und eine breite öffentliche Diskussion über die zu bewältigenden Probleme i n Gang zu setzen und zu führen 37 . Zudem fehle den Interessenvertretern häufig die verbandsinterne demokratische Legitimation, da die entsprechende Willensbildung innerhalb der Organisationen nicht immer gewährleistet sei. Die so formulierten Einwände gegen ein institutionalisiertes Planungsverfahren, das auch i n der Lage sein könnte, Rechtsschutzfunktionen zu übernehmen, sind allerdings i n erster Linie auf globale politische und wirtschaftliche Planungen gemünzt und greifen auch i m wesentlichen nur da. Für zentrale Kooperationsinstanzen wie die „Konzertierte A k t i o n " ist es i n der Tat problematisch, eine Auswahl unter den gesellschaftlich relevanten Gruppen vorzunehmen 38 , die deren Stellung entspricht, bzw. wenn man m i t Harnischfeger und Preuß die Besetzung m i t Wissenschaftlern fordert, auch bei diesen die vielberufene „wissenschaftliche Pluralität" zu sichern 39 . Zu Recht hat deshalb Scharpf hervorgehoben, daß unter dem Gesichtspunkt der Beteiligung oder Partizipation differenziert werden müsse zwischen Organisationsmodellen für 35
Biedenkopf, B B 1968, S. 1008. So Hans Heinrich Rupp, Die Dogmatik des Verwaltungsrechts u n d die Gegenwartsaufgaben der Verwaltung, DVB1.1971, S. 669 ff., 672; dersKonzertierte A k t i o n u n d freiheitlich-rechtsstaatliche Demokratie, i n : Erich Hoppmann (Hrsg.), Konzertierte A k t i o n . Kritische Beiträge zu einem Experiment, F r a n k f u r t 1971, S. 1 ff.; i m allgemeinen Rahmen ebenfalls kritisch Wolf gang Zeidler, Die Verwaltungsrechtsprechung i n den Spannungsfeldern unserer Gesellschaft, DVB1.1971, S. 565 ff., 567. 37 So vor allem Harnischfeger, Planung i n der sozialstaatlichen Demokratie, S. 139 ff., 149 f. (These 22); Ulrich K. Preuß, Wissenschaftspolitik u n d Planung, Blätter für deutsche u n d internationale P o l i t i k 1966, S. 59 ff., 73. 38 Die häufigen, n u r politisch geführten Auseinandersetzungen etwa u m die Aufnahme des Bauernverbandes oder der „Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer" i n die Konzertierte A k t i o n zeigen dies deutlich. Z u r Beteiligung der Interessenten an der französischen „planification" vgl. Toeche-Mittler, Das Verbandskartell als Instrument der Wirtschaftsplanimg, S. 27 ff. 39 Die Kontroversen u m die Besetzung des sog. Sachverständigenrates machen m. E. deutlich, daß auch hier wirtschaftliche Interessen i m Spiel sind u n d von der Unabhängigkeit der dort agierenden Wissenschaftler nicht i m m e r gesprochen werden kann. 36
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zentrale Entscheidungsprozesse und solchen für kleinere Einheiten, für die er Universitäten, Betriebe und Verwaltungen als Beispiele nennt 4 0 . Allerdings ist es auch für Kooperationsverfahren i m Bereich sektoraler Wirtschaftssteuerung durchaus möglich, dem Auswahldilemma zu entgehen, da hier relativ klar umgrenzt werden kann, wer die (potentiell) Betroffenen sind und welches Gewicht ihnen innerhalb des betreffenden Wirtschaftssektors zukommt. Das w i r d an der Zusammensetzung des Kohlenbeirats nach § 8 K G deutlich: m i t 26 Mitgliedern ist er ein durchaus arbeitsfähiges Gremium und da er bis hin zum deutschen Atomforum und dem Minerölwirtschaftsverband alles umfaßt, was m i t Energiepolitik zu t u n hat, dürfte dennoch der Kreis der durch Maßnahmen auf Grund des Kohlegesetzes möglicherweise Betroffenen weitestgehend abgedeckt sein. Treffen also die unter dem Demokratieaspekt geäußerten Bedenken gegen die institutionalisierte Beetiligung i m Rahmen des Kohlegesetzes insoweit nicht zu, als es die Auswahl der Betroffenen angeht, so bedarf doch das Argument der internen Legitimation auch an dieser Stelle näherer Erörterung. Werden nämlich Private zu Partnern staatlicher Entscheidungsfindung, so stellt sich die Frage nach der inneren Organisation, etwa von teilnehmenden Verbänden, unabhängig davon, ob der Entscheidungsprozeß sich auf globaler oder sektoraler Ebene bewegt. Dabei taucht zunächst das Problem der Unternehmensverfassung auf. Je mehr — was allerdings nach dem Kohlegesetz noch nicht der Fall ist — auch Einzelunternehmen an den Kooperationsorganen beteiligt werden, um so dringlicher stellt sich aus diesem Gesichtspunkt die Forderung nach einer ausgedehnteren betrieblichen Mitbestimmung der Arbeitnehmer, die von dem Grundsatz der Gleichwertigkeit von Kapital und Arbeit auszugehen hätte, ohne daß sich allein hieraus zwingend einzelne Modellvorstellungen ergäben. Biedenkopf hat diesen Aspekt klar angesprochen 41 : der ordnungspolitische Ansatz der Mitbestimmungsforderung verlagert sich mehr und mehr vom betriebsinternen auf das gesamtstaatliche Demokratieproblem, wenn einzelne Großunternehmen i n verstärktem Maße an wirtschaftspolitischen Entscheidungen teilhaben, sei es „formlos" wie beim Selbstbeschränkungsabkommen der Mineralindustrie, sei es institutionell wie i n mannigfachen Kooperationsgremien. Ein Mammutunternehmen wie die Ruhrkohle A G m i t ihrer faktischen Monopolstellung i m Ruhrgebiet und ihrem daraus resultierenden großen Einfluß auf staatliche Instanzen verlangt allein von ihrer Stellung her nach einer Mitbestimmungs40
Demokratietheorie, S. 63 f. Jb. f. Sozialwiss. 1968, S. 314 f.; ders., B B 1968, S. 1010. Biedenkopf v e r wendet diese Überlegung allerdings nicht als Argument für eine Ausdehnung der Mitbestimmung, sondern als Argument gegen die Beteiligung von Einzelunternehmen an staatlicher Entscheidungsfindung. 41
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regelung auf der Grundlage, wie sie i m Montanbereich konzipiert ist. Hinzu kommt folgendes: i n dem Augenblick, da Einzelunternehmen auf Grund ihrer Marktposition oder ihrer Beteiligung an staatlichen Planungsentscheidungen wirtschaftspolitische Lenkungsfunktionen erhalten, verlassen sie den privaten Bereich, der nur noch organisationsrechtlich ihre Form bestimmt, und greifen i n die Sphäre des öffentlichen über. Auch hieraus ergeben sich Konsequenzen für die interne Organisation wie für die rechtliche Betrachtung der i n Frage stehenden Unternehmen 42 . Das gleiche gilt für die teilnehmenden Verbände. Auch bei diesen muß sichergestellt sein, daß ihre innere Organisation eine demokratische Struktur aufweist, die es den Einzelmitgliedern ermöglicht, entsprechenden Einfluß zu nehmen bzw. getroffene Entscheidungen zu kontrollieren. Dieser Forderung könnte auf zweierlei Weise Genüge getan werden: entweder der Gesetzgeber läßt, verpflichtet durch das Demokratisierungsgebot des GG, nur solche Verbände zu Kooperationsgremien zu, deren innere Ordnung demokratischen Grundsätzen entspricht, oder er entschließt sich, der so gewachsenen Bedeutung der Verbände i n Analogie zu Art. 21 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 GG durch ein Verbändegesetz Rechnung zu tragen, i n dem i n Ablehnung an das Parteiengesetz 43 wesentliche Grundlagen der innerverbandlichen Organisation und Willensbildung geregelt werden müßten 44 . Der zweite Weg würde dabei sicherlich zu klareren Verhältnissen führen, wenn auch die Schwierigkeiten, die dabei auftauchen (etwa bei der Erfassung der relevanten Verbände) nicht verkannt werden sollen. Welchen Weg man auch immer geht, die institutionalisierte M i t w i r k u n g von Unternehmen und Verbänden an staatlichen Entscheidungsprozessen ist nur bei einer derartigen internen Absicherung demokratisch legitimiert. Unter diesen Voraussetzungen sind aber auch die oben erwähnten kritischen Vorbehalte gegenüber solchen Formen nicht durchschlagend. Man könnte i m Gegenteil sogar noch darüber hinausgehend sagen, daß die M i t w i r k u n g nicht nur legitim, sondern gerade erst i n der Lage ist, das Demokratiedefizit auszugleichen, das dadurch entsteht, daß i n weiten Teilen der Wirtschaftsplanung der 42 Vgl. zu diesem Problemkreis und zum kartellrechtlichen Einschlag ErnstHasso Ritter, Der Wandel der Wirtschaftspolitik u n d die wirtschaftsverfassungsrechtliche Bedeutung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, B B 1968, S. 1393 ff., 1397; s. auch Bullinger, öffentliches Recht u n d Privatrecht, S. 92 f. 43 V o m 24.7.1967, B G B l . I , S. 773. 44 Eine „Verbandsdemokratie" fordern auch, allerdings ohne Festlegung auf einen der vorgeschlagenen Wege etwa Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, 2. Aufl., Neuwied u n d B e r l i n 1965, S. 229; Ridder, Verfassungsrechtliche Stellung, S. 29; Bullinger, Staatsaufsicht, S. 307 f. m i t F N 179 u n d weiteren Nachweisen auch aus der älteren L i t e r a t u r ; zurückhaltend Brohm, Strukturen, S. 257 f., 264.
2. Voraussetzungen und Form eines vorverlagerten Hechtsschutzes 157 Gesetzgeber überhaupt nicht oder doch nur m i t der Aufstellung sehr weiter Ermächtigungsnormen eingeschaltet ist 4 5 . Wenn man anerkennt, daß auch i m Fall des Kohlegesetzes der Gesetzgeber sich durch die A u f stellung des Gesetzesprogramms weitgehend eigener Regelungen enthalten und die Exekutive mit Aufgaben betraut hat, die sie i n die Rolle eines „sekundären Gesetzgebers" bringen, dann sollten hieraus auch die i n demokratischer Sicht notwendigen Konsequenzen gezogen werden. Die M i t w i r k u n g der Betroffenen ist dann als das erforderliche Korrektiv anzusehen, das den Funktionsverlust des unmittelbar demokratisch legitimierten Gesetzgebers i n den Fällen auszugleichen i n der Lage ist, i n denen das Parlament i n Anbetracht der Materie von der Schaffung exakter, konditional programmierter Gesetze Abstand nehmen muß. 2. Voraussetzungen und Form eines vorverlagerten Rechtsschutzes Wenn man eine Beteiligung der Betroffenen an staatlichen Planungsprozessen nicht nur nicht als illegitim ansieht, sondern unter dem demokratischen Aspekt möglicherweise sogar als geboten betrachtet, bestehen keine grundsätzlichen Bedenken dagegen, daß i n solchen Verfahren auch Rechtsschutzfunktionen m i t übernommen werden 46 . Allerdings bedarf es dazu noch einiger weiterer Ausführungen darüber, wie ein Verfahren gestaltet sein muß, das solche Aufgaben erfüllen kann. Als Institution, i n der dieses Verfahren lokalisiert ist, bietet sich der Kohlenbeirat an. I n i h m sind, wie bereits oben ausgeführt, alle i m weitesten Sinn energiepolitisch relevanten Organisationen sowie die Sozialpartner vertreten. Allerdings w i r d auch bei sektoralen Planungen die Auswahl der Beteiligten immer ein Problem bleiben, wenn es sich auch nicht i n der gleichen Brisanz stellt wie etwa bei den globalen Planungen i m Rahmen der „Konzertierten Aktion". Die endgültige Festlegung des Teilnehmerkreises direkt durch das Gesetz erscheint deshalb problematisch; ergibt sich nämlich bei veränderter Situation die Notwendigkeit, weitere Betroffene aufzunehmen oder zeigt sich, daß von vornherein vertretene Organisationen i m Verlauf der Beratungen einen Fremdkörper darstellen, dann bedarf es zu jeder Korrektur i n der Zusammensetzung einer Gesetzesänderung. Praktikabler dürften deshalb andere Konstruktionen sein, die eine flexiblere Besetzung des Kohlenbeirats ermöglichen. Dies könnte einmal geschehen durch eine Verordnungsermächtigung, die es der Bundesregierung m i t Zustimmung des Bundesrates erlaubt, 45 Vgl. Ipsen, Diskussionsbeitrag, i n : Staat und Verbände, V V D S t R L Heft 24 (1965), B e r l i n 1966, S. 104. 46 So jetzt auch Häberle (Grundrechte i m Leistungsstaat, S. 80 ff.) f ü r den Schutz der Grundrechte; er spricht von einem „grundrechtlidien due process", der als leistungsstaatliches Vorverfahren eher i n der Lage sei, GrundrechtsWirklichkeit zu schaffen als verwaltungsgerichtliche Nachverfahren.
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5. Kap.: Rechtsschutz durch institutionalisierte Mitwirkung
den Teilnehmerkreis festzusetzen. Man könnte aber auch daran denken, den Bundesbeauftragten gesetzlich zur Besetzung des Kohlenbeirats zu ermächtigen 47 . Diese Regelung hätte den Vorteil, daß die Ablehnung der Aufnahme als Verwaltungsakt gerichtlich nachgeprüft und damit zumindest willkürliche Auswahl abgeändert werden kann. Nach der gegenwärtigen Konstruktion allerdings kann ein Rechtsanspruch auf Beteiligung i m Kohlenbeirat nicht anerkannt werden. Allenfalls könnte das BVerfG auf die Verfassungsbeschwerde etwa eines i m Gesetz nicht berücksichtigten Verbandes aussprechen, daß dieser durch die Nichtbeteiligung i n seinen Grundrechten (z. B. A r t . 3 Abs. 1 GG) verletzt ist und deshalb die Verfassungswidrigkeit der Regelung feststellen, ohne selbst eine Aufnahme unmittelbar erzwingen zu können 48 . Die i n der Geschäftsordnung des Kohlenbeirats getroffene Regelung (§ B 7), wonach der Bundesbeauftragte nichtvertretenen Vereinigungen der Energiewirtschaft Gelegenheit zur Stellungnahme geben soll, wenn ihre Interessen i n erheblichem Umfang berührt werden, ist nur ein unzulänglicher Ersatz für die unmittelbare M i t w i r k u n g bei den Erörterungen selbst. Deshalb müßte entgegen der bisher für die „Konzertierte A k t i o n " vorherrschenden Auffassung 49 ein Rechtsanspruch auf Zugang zu den Beratungen der Kooperationsorgane anerkannt werden, u m die Chancengleichheit der Betroffenen zu wahren und den Ausgleich des Kontrolldefizits nicht nur i n die Hände einiger weniger Privilegierter zu legen. Darüber hinaus w i r d man einer Verfahrensordnung des Kohlenbeirats erhebliche Aufmerksamkeit widmen müssen. Dies deshalb, w e i l die Einhaltung der Verfahrensvorschriften i n vollem Umfang von den Verwaltungsgerichten nachgeprüft werden sollte. Wenn man den Erörterungen i m Kohlenbeirat Rechtsschutzfunktionen beilegt, dann muß gewährleistet sein, daß i n den Verfahrensordnungen nicht einzelne Gruppen benachteiligt werden und daß die aufgestellten Regelungen strikt eingehalten werden. Hier kommt den Verwaltungsgerichten eine wesentliche Aufgabe zu, die Beteiligung der Betroffenen institutionell und „prozessual" zu sichern und eine Aufweichung dahingehend, einen Verfahrensfehler als unbeachtlich anzusehen, w e i l er letztlich keinen Einfluß auf die getroffene Entscheidung hatte, abzuwehren 50 . Deshalb sollte auch nicht der Erwägung von Hans Schneider gefolgt werden, der vorgeschlagen hat, etwa durch eine Regelung i n der VwGO den Rechtsweg für 47 So die v o n Bullinger (Verkehrswirtschaftliche Planung, S. 17) i n § 14 Abs. 2 seines Gesetzentwurfs vorgeschlagene Regelung. 48 Vgl. BVerfGE 8, 1 ff., 19 (Beamtenbesoldung). 49 Vgl. oben F N 34. 60 So auch Redeker, DVB1.1971, S.372; vgl. aber B V e r w G E 29, 282 ff.; das B V e r w G ließ einen Fehler i m Planfeststellungsverfahren nach dem Bundesfernstraßengesetz deshalb unbeachtet, w e i l er nicht wesentlich war.
3. Wirkung der Kooperation im Kohlenbeirat
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denjenigen auszuschließen, der Gelegenheit gehabt habe, i n der Sache seine Einwendungen bereits vorher i m Einspruchsverfahren zur Geltung zu bringen 51 . Abgesehen von der Schwierigkeit, diese Auffassung m i t A r t . 19 Abs. 4 GG i n Einklang zu bringen, sollte es doch gerade Aufgabe der Verwaltungsgerichte sein, die Fairneß des Verfahrens einer strengen Kontrolle zu unterziehen. Vertretbar wäre deshalb w o h l allenfalls eine Regelung, die bei institutionalisierter Beteiligung am Planungsprozeß eine materielle Überprüfung der getroffenen Entscheidung ausschließt und die gerichtliche Kontrolle auf die Einhaltung des vorgeschriebenen Verfahrens beschränkt 52 , wobei auch daran zu denken wäre, eine solche Regelung von der Erreichung eines bestimmten Quorums bei der A b stimmung über das i n Frage stehende Problem abhängig zu machen. Schließlich müßte den beteiligten Institutionen und Personen das Recht eingeräumt werden, ein sie speziell betreffendes Problem zur Sprache zu bringen, ohne daß sie daran etwa durch die Festlegung einer bestimmten Tagesordnung gehindert werden dürften. 3. Wirkung der Kooperation im Kohlenbeirat M i t den Überlegungen zur Verfahrensordnung ist aber noch nicht die letztlich entscheidende Frage geklärt, nämlich die, welche W i r k u n g solchen etwa i n der „Konzertierten A k t i o n " oder i m Kohlenbeirat auf Grund der dortigen Erörterungen getroffenen Absprache beigelegt werden kann. Sollen sie für alle Beteiligten rechtlich verbindlich 5 8 sein und eine Verletzung i n irgendeiner Weise geahndet werden können, oder sollen sie nur die Funktion von Orientierungshilfen haben, die zwar von den Betroffenen zu beachten sind, ihnen aber doch eine weitgehende Entscheidimgsfreiheit lassen? Besonders dringlich stellt sich das Problem natürlich für die Behörden, die sich bei einer Verbindlichkeit der Beschlüsse ihrer hoheitlichen Entscheidungsgewalt beraubt sähen. 51 Diskussionsbeitrag, i n : Der Plan als verwaltungsrechtliches I n s t i t u t , W D S t R L Heft 18 (1959), B e r l i n 1960, S. 208. Vgl. auch die Diskussionsbeiträge v o n Peters, Bachof u n d Ipsen, a.a.O., S. 206 ff. 52 I n diese Richtung geht das Verständnis von einer Kontrolle der Exekutive i n den U S A ; vgl. Scharpf, Die politischen Kosten, S. 34 f. Ganz anders das B V e r w G (BVerwGE 23, 194 ff., 201), w e n n es die Auffassung v e r t r i t t , das V o r handensein oder die Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens dürfe nicht zu einer materiellen Beschränkung des Gerichtsschutzes führen. Das ist jedenfalls i m m e r dann zu undifferenziert, w e n n das Verfahren demokratischen Grundsätzen entsprochen hat u n d die Beteiligten hinsichtlich ihrer Organisation demokratisch legitimiert sind. 58 Eine weitgehende faktische Verbindlichkeit besteht schon heute. Das hat sich i n der Vergangenheit an der Befolgung der i n der Konzertierten A k t i o n gefundenen Orientierungsdaten f ü r die T a r i f p o l i t i k der Sozialpartner gezeigt, u n d w i r d v o n der Praxis auch f ü r den Kohlenbeirat bestätigt, dessen Beschlüssen sich, w i e dem Verf. von Teilnehmern mitgeteilt wurde, k a u m einer der Betroffenen entziehen kann.
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5. Kap.: Rechtsschutz durch institutionalisierte M i t w i r k u n g
W a s die „ K o n z e r t i e r t e A k t i o n " angeht, so w i r d eine rechtliche V e r b i n d l i c h k e i t der d o r t g e f u n d e n e n R e s u l t a t e i n A n b e t r a c h t des Gesetzesw o r t l a u t s u n d d e r Entstehungsgeschichte d u r c h w e g a b g e l e h n t 5 4 . Z w a r h a t t e d e r S a c h v e r s t ä n d i g e n r a t i n seinem J a h r e s g u t a c h t e n 1967/68 5 5 die F o r d e r u n g nach e i n e m „ m u l t i l a t e r a l e n I n t e r e s s e n c l e a r i n g " angedeutet, das z u e i n e m P r o g r a m m d e r B u n d e s r e g i e r u n g i n F o r m e i n e r „ m u l t i l a t e r a l e i n ) Übereinkunft 56 m i t d e n a u t o n o m e n G r u p p e n " f ü h r e n sollte, j e doch nähere A u s k ü n f t e ü b e r die V e r b i n d l i c h k e i t v e r m i e d e n 5 7 . I n dieser A n d e u t i m g aber zeigt sich schon e i n A n s a t z p u n k t , d e r auch v e r s c h i e d e n t lich i n der juristischen L i t e r a t u r gewählt wurde, u m den Absprachen z w i s c h e n S t a a t u n d W i r t s c h a f t m e h r als n u r u n v e r b i n d l i c h e n C h a r a k t e r beizulegen, n ä m l i c h d i e F i g u r des ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e n V e r t r a g e s . Die Zulässigkeit v o n heterogenen58 öffentlich-rechtlichen Verträgen ist n a c h w i e v o r u m s t r i t t e n 5 9 . W ä h r e n d d i e f r ü h e r herrschende M e i n u n g , Otto Mayer 60 folgend, p r i n z i p i e l l öffentlich-rechtliche V e r t r ä g e a b g e l e h n t h a t t e , i s t h e u t e a n e r k a n n t , daß sie j e d e n f a l l s g r u n d s ä t z l i c h m ö g l i c h s i n d 6 1 . S t r e i t besteht aber ü b e r die G r e n z e n der Z u l ä s s i g k e i t v o n öffent54 Vgl. Stern, i n : Stern-Münch, Stabilitätsgesetz, S. 107; Möller, Kommentar, A n m . 8 zu § 3; grundsätzlich auch Löwisch, R d A 1969, S. 136. 55 Stabilität i m Wachstum, Stuttgart-Mainz 1967, Textziffer 314. 50 Hervorhebung v o m Verf. 57 Die nationalökonomische Diskussion der neueren Zeit über Bedeutung u n d W i r k u n g der Konzertierten A k t i o n ist uneinheitlich. Vgl. etwa die k r i t i schen Bemerkungen v o n Josef Molsberger (Zwischenbilanz der konzertierten A k t i o n , Ordo Bd. X X I (1970), S. 167 ff.) einerseits u n d andererseits Joachim Klaus (Der Wandel ordnungspolitischer Vorstellungen durch Globalsteuerung u n d konzertierte A k t i o n , Zeitschrift f ü r Nationalökonomie Bd. 29 (1969), S. 385 ff.), der die U m w a n d l u n g der konzertierten A k t i o n zu einem w i r t schaftspolitischen Entscheidungsprozeß vorschlägt. Überwiegend kritisch die Beiträge bei Hoppmann (Hrsg.), Konzertierte A k t i o n , passim u n d dazu Christoph Böckenförde, Der Staat 1972, S. 367 ff. 58 Z u der Differenzierung zwischen homogenen u n d heterogenen öffentlichrechtlichen Verträgen, die den Sachverhalt besser t r i f f t als die herkömmliche Unterscheidung (koordinationsrechtlich — subordinationsrechtlich) vgl. Wolff, Verwaltungsrecht I, S. 308 f. 59 Vgl. aus jüngerer Zeit etwa Volkmar Götz, Hauptprobleme des v e r w a l tungsrechtlichen Vertrags, JuS 1970, S. 1 ff.; Fritz Haueisen, Z u r Zulässigkeit, Wirksamkeit u n d Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages, N J W 1969, S. 122 ff.; Martin Bullinger, Z u r Notwendigkeit funktionalen Umdenkens des öffentlichen u n d privaten Vertragsrechts i m leistungsintensiven Gemeinwesen. Bemerkungen zum Musterentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, i n : Gedächtnisschrift f ü r Hans Peters, S. 667 ff.; ders., Vertrag u n d Verwaltungsakt, passim; Jürgen Salzwedel, Die Grenzen der Zulässigkeit des öffentlichrechtlichen Vertrages, B e r l i n 1958; Max Imboden, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, Basel 1958; Wolff, Verwaltungsrecht I , S. 308 ff.; Konrad Redeker, Die Regelung des öffentlich-rechtlichen Vertrages i m Musterentwurf, D Ö V 1966, S. 543 ff.; aus der Rechtsprechung insbesondere B V e r w G E 23, 213 ff. 60 Z u r Lehre v o m öffentlich-rechtlichen Vertrage, AöR Bd. 3 (1888), S. 1 ff., 42. 61 Die entscheidende Wende w a r w o h l die Schrift v o n Willibalt Apelt, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, Leipzig 1920, unveränderter Neudruck Aalen 1964.
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lich-rechtlichen Verträgen. Während eine Meinung 8 2 dafür eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung fordert, werden sie von einer anderen auch ohne Ermächtigung für zulässig gehalten, sofern nicht zwingend der Erlaß eines Verwaltungsaktes vorgesehen ist 6 3 . Weitergehend w i l l Salzwedel u die Wahl der Handlungsform den jeweiligen Interessen der Verwaltung überlassen, während Eyermann-Fröhler 65 sogar der Auffassung sind, bei einer modernen Auffassung vom Verhältnis Staat/ Untertan müsse man dem Vertrag grundsätzlich den Vorrang vor der Anwendung hoheitlicher M i t t e l geben. I m Gegensatz zu diesen Meinungen m i t allgemeiner Aussage w i r d jedoch auch der Versucht gemacht, zwischen einzelnen Verwaltungsfunktionen zu differenzieren: zwar sei der öffentlich-rechtliche Vertrag ohne spezielle Ermächtigung nicht schlechthin abzulehnen, jedoch dürfte man der Exekutive auch nicht pauschal die Möglichkeit einräumen, öffentlich-rechtliche Verträge abzuschließen. Vielmehr müsse nach den jeweiligen Sachgebieten unterschieden werden, ob eine einseitige Entscheidung (so regelmäßig i n der Ordnungsverwaltung) oder ein Vertrag( so möglicherweise i n der Leistungsverwaltung) den zu lösenden Problemen am ehesten gerecht werden könne 66 . Obwohl Bullinger i n Verfolgung dieses Ansatzes dem öffentlich-rechtlichen Vertrag durchaus Planungs- und Koordinierungsfunktionen beilegen w i l l 6 7 , betont er doch an anderer Stelle 68 ausdrücklich, daß ein Kooperationsverfahren sich nicht i n förmlichen Verträgen verdichten solle, sondern einer verantwortlichen Entscheidung der Behörde Raum lassen müsse. Folgt man grundsätzlich der Konzeption, daß über die Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Verträge keine allgemeingültigen Aussagen gemacht werden können, so fragt sich, ob nicht gerade die hier i n Frage stehende sektorale Wirtschaftsplanung ein adäquates Gebiet für den Einsatz dieser Rechtsfigur ist. Insbesondere Ipsen* 9 und Gygi 70 haben der Wirtschaftsplanung durch Vertrag das Wort geredet, und zwar insbesondere für die Fälle, i n denen eine Gesetzesbindung nicht besteht oder die Behörde durch Gesetz ermächtigt ist 7 1 . 62 Imboden, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, S. 64 ff.; Klaus Stern, Z u r Grundlegung einer Lehre des öffentlich-rechtlichen Vertrages, V e r w A r c h 49 (1958), S. 106 ff., 145, sog. „normative Ermächtigungslehre". 63 So Götz, Hauptprobleme des verwaltungsrechtlichen Vertrags, S. 3; Wolff, Verwaltungsrecht I , S. 308ff.; B V e r w G E 23, 213ff. 64 Salzwedel, S. 9, 19. 65 V w G O , A n m . 10 zu § 40. 66 Bullinger, Z u r Notwendigkeit funktionalen Umdenkens, S. 679 ff. 67 Ebd., S. 681. 68 Verkehrswirtschaftliche Planung, S. 48; diese Aussage ist allerdings w i e derum nicht verallgemeinert, sondern auf den speziellen F a l l begrenzt. 69 Rechtsfragen, S. 100 ff. 70 Rechtsfragen der Wirtschaftsplanung, S. 134 ff. 71 Ipsen, Rechtsfragen, S. 105.
11 Seidler
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Die Einwände, die schon von jeher gegen den öffentlich-rechtlichen Vertrag vorgebracht wurden, stehen natürlich auch hier i m Raum: der Staat begibt sich der Möglichkeit, autoritative Entscheidungen zu treffen, schafft sich aber andererseits die Möglichkeit, ungebunden und ungleich zu handeln und die Rechtsschutzmöglichkeiten zu unterlaufen. Nun sollte es gerade Ziel der Untersuchung sein zu zeigen, daß i m hier behandelten Gebiet die klassischen Rechtsschutzformen ohnehin nicht recht greifen und eine Öffnung zu vertraglicher Gestaltung eher eine Intensivierung des Rechtsschutzes m i t sich bringen könnte. Außerdem ist zu sagen, daß es i n anderen Bereichen m i t großer Selbstverständlichkeit hingenommen wird, daß der Staat nicht nur keine autoritativen Entscheidungen trifft, sondern sogar, wie i m Tarifvertragsrecht, Verbänden die Befugnis zur Normgebung zugesteht 72 . Was schließlich den Gleichheitssatz angeht, so ist i n der Tat zu fordern, daß auch bei vertraglicher Gestaltung i n allen sachlich vergleichbaren Fällen gleichlautende Verträge abgeschlossen werden 73 . Für die ohnehin arg ramponierte Privatautonomie ist i n diesem Zusammenhang kein Raum. A l l e r dings dürfte auch die Verfahrensregelung i m Kohlenbeirat und die durch dieses Gremium garantierte begrenzte Publizität dafür sorgen, daß eklatante Verletzungen des Gleichheitssatzes weitgehend unterbleiben 74 . Angesichts von Versuchen i n jüngerer Zeit, Grenzen aufzulockern, sollte allerdings eines noch klar betont werden: die vertragliche Gestaltung von Planungsentscheidungen darf nicht dazu führen, unbeteiligte Organe zu binden und darf insbesondere nicht eine Einschränkung parlamentarischer Entscheidungsfreiheit zur Folge haben. Forsthoff 5 ist der Auffassung, daß das Parlament bei Beratung und Verabschiedung eines Gesetzentwurfs, der auf einer Absprache zwischen Regierung und Wirtschaft beruht, nicht i n freier, gesetzgeberischer Vollmacht handele. Zwar stehe es i h m frei, den Entwurf anzunehmen oder abzulehnen, müsse aber wissen, daß es bei Ablehnung möglicherweise einen Schadensersatzanspruch zugunsten der Vertragspartner der Regierung auslöse. Auch diese nur indirekte Bindung parlamentarischer Entscheidungsfreiheit durch Absprachen Dritter stellt eine absolute Grenze des öffentlich-rechtlichen Vertrags dar, der seitens der Regierung oder anderen Behörden nur unter dem ausdrücklichen, Schadensersatzansprüche ausschließenden Vorbehalt der erforderlichen parlamentarischen Zustimmung abgeschlossen werden dürfte. Wenn man also zu Recht die W i r t schaftsplanung vertraglicher Gestaltung öffnet, so muß doch klargestellt sein, daß dies nur innerhalb der jeweiligen Dispositionsmöglichkeit zu72
s. den Hinweis bei Löwisch, R d A 1969, S. 136. So auch Schwarze, Eingriff i n den Gewerbebetrieb, S. 89. Z u r Bedeutung der Publizität bei Planungsmaßnahmen vgl. Forsthoff, M i t t e l u n d Methoden, S. 30 f. 75 Ebd., S. 36 f.; i h m folgend Schwarze, S. 90. 73
74
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lässig ist und eine auch nur mittelbare Bindung insbesondere des Parlaments vermieden werden muß. Das ist auch noch aus einem anderen Grunde wichtig, der hier nur als Problem angedeutet werden kann: die Einführung von Kooperationsverfahren i n weiten Gebieten staatlicher Tätigkeit, die zu bindenden Absprachen sich verdichten können, hat eine zunächst unkoordinierte Pluralität staatlicher Entscheidungen zur Folge. Denn die Übereinkünfte m i t den betroffenen Gruppen müssen i m Ergebnis nicht immer m i t vorher fixierten Zielen konform gehen; insbesondere besteht die Möglichkeit, daß die entsprechend den getroffenen Absprachen notwendig werdende Verteilung der finanziellen M i t t e l zu Ungleichgewichtigkeiten bzw. zur Verschiebung von Prioritäten führt, die nicht m i t den etwa i m Haushaltsplan gesetzten Schwerpunkten übereinstimmen. Für diese Fälle bedarf es eines Koordinierungsorgans, das die Möglichkeit haben muß, Korrekturen an den getroffenen Veränderungen zum Zwecke einer gesamtstaatlichen Einheitlichkeit bzw. zur Einhaltung eines vorher fixierten politischen Programms und zur Aufteilung der knappen Ressourcen vorzunehmen, wenn die Absprachen für diese Bereiche Relevanz haben. Hierfür ist das Parlament das berufene Organ, das zunächst den programmatisch-politischen Bezugsrahmen für alle staatlichen Entscheidungsträger zu setzen und nach Entscheidungsfindung die horizontale Selbstkoordination der nebeneinander bestehenden Kooperativsysteme i n einer Gesamtkoordination zu verbinden hat. Darüber hinaus obliegt i h m die heute entscheidende Aufgabe, die weniger artikulationsfähigen, deshalb nicht i n besonderen Kooperativsystemen vertretenen Interessen zu berücksichtigen und m i t den i m Kooperationsweg entstandenen Entscheidungen zu verbinden. Das Parlament muß diejenige Instanz sein, die über den pluralistischen Strukturen m i t einem höheren „Wertberücksichtigungspotential" 76 ausgestaltet ist und deshalb — u m den T i t e l einer Schrift von Kaiser 77 auf den heute wesentlichen Nenner zu bringen — die Repräsentation der nichtorganisierten Interessen leisten muß, was von den i n Kooperation m i t den organisierten Interessen entstandenen Verfahrensergebnissen i n der Regel nicht zu erwarten ist. Aus diesem Grund kann der oben geschilderten Auffassung Forsthoffs nicht gefolgt werden. Sie berücksichtigt nicht, daß Entscheidungen nicht nur i m Bereich der Wirtschaft getroffen werden müssen und verkennt, daß selbst innerhalb deren verschiedene Sektoralentscheidungen möglich sind, deren unkoordinierte Verbindlichkeit zu nicht voraussehbaren Belastungen führen würde. Die Identifikation von Staat und Wirtschaft, 76 77
Ii*
Scharpf, Demokratietheorie, S. 75. Joseph H. Kaiser , Die Repräsentation organisierter Interessen, B e r l i n 1956.
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die Forsthoff i n der Wirtschaftsplanung des Staates zu finden glaubt 7 8 , muß sich die Frage gefallen lassen, warum nicht gleichermaßen eine Identifikation m i t sozial Schwachen, Kranken, Kindern etc. besteht, die genauso wie die Wirtschaft einen Anspruch auf staatliche Vorsorge durch Planung haben. Bei Beachtung dieser absoluten Grenze, die durch die eigene Dispositionsmöglichkeit der betreffenden Behörde gezogen ist, sind aber i m übrigen der Wirtschaftsplanung durch vertragliche Gestaltung keine weiteren Beschränkungen auferlegt. Sie ermöglicht einen flexiblen Einsatz der durch die Planimgsgesetze zur Verfügimg gestellten Handlungsinstrumente und ist vor allem am ehesten i n der Lage, die Probleme der Plangewährleistung zu bewältigen. Es sind deswegen keine prinzipiellen Bedenken dagegen zu erheben, daß die Absprache i m Kohlenbeirat, deren faktische Verbindlichkeit nahezu unbestritten ist, unter den genannten Voraussetzungen rechtliche Qualität erhalten. Dann wäre es beispielsweise möglich, die Absatzvorausschätzungen nach § 2 K G als beiderseitig verbindliche Richtlinie aufzufassen, die bei veränderten Umständen i m quantitativen Bereich der Projektion nur von den Partnern gemeinsam abgeändert werden kann. Die Formulierung „ i m Zusammenwirken m i t dem Kohlenbeirat", die sich i n § 2 Abs. 1 K G findet, könnte als ausdrückliche Rechtsgrundlage für den Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages über die Absatzvorausschätzungen angesehen werden m i t der Folge, daß ohne die Zustimmung einer (u. U. qualifizierten) Mehrheit i m Kohlenbeirat keine verbindliche Aufstellung bzw. Änderung der Prognosen erfolgen könnte. Dies hätte auch unmittelbare Auswirkungen auf das Instrument der Empfehlung, das ja auf der Prognose basiert. Die Empfehlung wäre auch ohne vertragliche Vereinbarung jederzeit meßbar und Abänderungen infolge geänderter Prognosen ohne weiteres vorhersehbar. Hinzu käme aber der wesentliche Vorteil, daß der Betroffene nicht allein die auf ihn zukommenden Entscheidungen erkennt, sondern darüber hinaus i n der Lage ist, diese durch Argumentation u n d Mehrheitsbildung i m Kohlenbeirat weitgehend mitzugestalten. Rechtsdogmatisch gesehen würde das der Konstruktion entsprechen, die Redeker 79 für den öffentlich-rechtlichen Vertrag vorgeschlagen hat, indem er auch für diesen die Unterscheidung des Zivilrechts zwischen kausalem schuldrechtlichen und abstraktem dinglichen Verfügungsgeschäft fruchtbar zu machen versuchte: die durch (qualifizierte) Mehrheitsentscheidung i m Kohlenbeirat gefundenen Absprachen bilden die „schuldrechtliche" causa für den Erlaß einer hoheitlichen Handlung (Absatzvorausschätzung, Empfehlung), die inhaltlich der Absprache 78 79
M i t t e l u n d Methoden, S. 33. D Ö V 1966, S. 543 ff.
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folgt und sich i m übrigen auf die entsprechenden Ermächtigungsnormen des Kohlegesetzes stützen kann. Das „Verfügungsgeschäft" hat dann durchaus die Form eines Verwaltungsakts, der u. U. angefochten werden könnte, etwa m i t dem Ziel zu überprüfen, ob bei Abschluß der dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Vereinbarung die vorgeschriebenen Verfahrensregeln eingehalten worden sind. Damit wären weitgehend die Bedenken aus dem Weg geräumt, die gegen den öffentlich-rechtlichen Vertrag u. a. m i t der Begründung vorgebracht werden, es sei unzulässig, Hoheitsakte durch Vertrag zu ersetzen, da der Vertrag gerade nicht an die Stelle der hoheitlichen Handlung rückt. Damit würden sich auch eine Reihe anderer, bei Redeker i m einzelnen behandelter Probleme des öffentlich-rechtlichen Vertrages (Leistungsstörung, rechtliche Durchsetzung, Bestandskraft) leichter lösen lassen. Das Gleiche könnte, wie sich i n der Praxis w o h l auch schon gezeigt hat, auch für andere Instrumente gelten. So wäre es etwa möglich, die Feststellung über die optimale Unternehmensgröße nach § 18 Abs. 3 K G erst dann zu treffen, wenn sich das betreffende Unternehmen gegenüber dem Bundesbeauftragten zu einem bestimmten, die Wirtschaftsstruktur verbessernden Verhalten verpflichtet hat und deshalb — wie es bei der Zeche „Auguste Victoria" der F a l l war — beispielsweise einen Kooperationsvertrag m i t der Ruhrkohle A G ins Werk gesetzt hat. Auch hier würde wiederum die Vereinbarung zwischen Unternehmen und Bundesbeauftragten die causa für den i m übrigen auf das Kohlegesetz gestützten Verwaltungsakt abgeben, der inhaltlich durch die Absprache determiniert ist. Aufgabe des Kohlenbeirats wäre es i n diesen Fällen festzulegen, welche Unternehmenseinheiten angestrebt werden und durch welche Einzelunternehmen sie gebildet werden. I m Anschluß daran kann der Bundesbeauftragte die erforderlichen formellen Grundlagen durch Empfehlungen oder die Feststellung der optimalen Unternehmensgröße schaffen. Kommen solche Vereinbarungen nicht zustande, so steht es i h m selbstverständlich offen, aus eigener Initiative und m i t eigenem Programm die aus seiner Sicht notwendigen Schritte zu ergreifen und sich dabei ungeachtet aller Einflußnahmen des i m Kohlegesetz zur Verfügung gestellten Instrumentariums zu bedienen.
Schlußbetrachtung Die Untersuchung sollte zeigen, daß der überkommene gerichtliche Rechtsschutz gegenüber staatlichem Handeln, letztlich eine späte Vollendung des bürgerlichen Rechtsstaats und gleichzeitig eine unmittelbare, wenn auch unzulängliche Reaktion auf den Faschismus, angesichts der i n Form und Ausmaß bisher unbekannten gestaltenden A k t i v i t ä t der Exekutive einer Neuorientierimg bedarf. Das bloße Denken i n den Kategorien von Gesetzmäßigkeitsprinzip, Bestimmtheitsgebot und individualrechtlichem Rechtsschutz hat lange Zeit die Tatsache verdeckt, daß auch das Verwaltungsrecht und seine Dogmatik sich einem permanenten politischen Prozeß ausgesetzt sehen, der teilweise unmerklich deren Grundlagen verändert. Das hat sich besonders als eine Folge der immer bedeutsamer werdenden, m i t wechselnden politischen Zielsetzungen einhergehenden wirtschaftslenkenden Verwaltung gezeigt, die — neben anderen Phänomenen — die Abhängigkeit von staatlicher Leistung verstärkt und die Funktionstrennung zwischen „Staat" und „Gesellschaft" einerseits und innerhalb der staatlichen Gewalten andererseits mehr und mehr verwischt. I n Anbetracht dieser Situation kann es nicht darum gehen, die mangelnde Griffigkeit rechtsstaatlicher Instrumente und des Rechtsschutzes als „Krönung" des Rechtsstaates zu beklagen. Es kann darüber hinaus auch nicht darum gehen, veränderte Realitäten krampfhaft den am bürgerlich-liberalen Staat entwickelten Rechtsgebilden und Strukturen zu unterschieben. Es stellt sich vielmehr die Aufgabe, auf Grundlage einer bisher nicht entwickelten normativen Staats- und Verfassungstheorie diesem politischen Prozeß, i n dem die Exekutive ein Mitspieler ist, rechtliche Gestalt zu verleihen. Darin muß die gerichtliche Kontrolle der Staatstätigkeit ihren Platz haben, allerdings i n einer Form, die anerkennt, daß i n weiten Bereichen der planenden Exekutive die notwendige Kontrolle primär demokratisch-politischen Charakter haben muß und nicht zu einem Gefüge judizieller Akte gerinnen darf.
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