Vertrauen und Vertrag: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit 3161612965, 9783161612961

Die Haftung bei anfänglicher Unmöglichkeit gemäß § 311a Abs. 2 BGB bildet seit Schaffung der Norm durch die Schuldrechts

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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
A. Die Haftungbei anfänglicher Unmöglichkeit zwischen Verschuldens und Garantieprinzip
B. Ziel der Untersuchung
C. Untersuchungsgang und Methode
Historische Einführung
A. Die anfängliche Unmöglichkeit im römischen Recht
B. Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis
C. Die Rechtslage nach altem Schuldrecht
D. Die Schuldrechtsmodernisierung
Erstes Kapitel: Forschungsstand und Defizite der derzeitigen Dogmatik
A. Kritik an der neuen Vorschrift des § 311a Abs. 2 BGB
B. Die Gesetzesbegründung
I. Abstraktion von Verschulden und Haftungsgrund
II. Verschulden und Haftungsgrund
1. Das rechtsethische Fundament der Verschuldenshaftung: Selbstverantwortung – Sanktion – Restitution
2. Das Verschuldensprinzip im Leistungsstörungsrecht des BGB
III. Die Haftung nach § 311a Abs. 2 BGB im Lichte des Verschuldensprinzips
C. Die Auffassung CanarisÆ
I. Haftung aus der Garantie
II. Der unzureichende Rekurs auf den Parteiwillen
III. Der „hypothetische“ oder „typische Parteiwille“
1. Die willensexklusive Deutung der Vertragspflichten in der Tradition Savignys
2. Keine Übertragbarkeit der Figur des „typischen Parteiwillens“ auf die Sekundärhaftung in ihrer heutigen Gesetzesform
3. Typischer Parteiwille zumeist nicht existent
IV. Mangelnde Systemkonformität der Garantietheorie
1. Konsensprinzip und Garantiehaftung
a) Das Konsensprinzip
b) Die Haftung aus dem Leistungsversprechen im Lichte des Konsensprinzips
2. Verschuldensprinzip und Garantiehaftung
D. Weitere Einordnungsversuche in der Literatur
I. „Haftung für eine schuldhaft zu geringe Festlegung der Verpflichtungsgrenze“
II. Der Ansatz Cekovic-Vuletics
Zweites Kapitel: Die Haftung für anfängliche Unmöglichkeit als Vertrauenshaftung (Theoriebildung)
A. Das vertrauensbasierte Haftungskonzept Stolls und Wiedemanns
I. Der Ersatz frustrierter Aufwendungen als Ausgangspunkt der Theoriebildung
II. Erfüllungshaftung als Vertrauensentsprechung
B. Vertrauenshaftung bei Nichterfüllung im Lichte der Gesetzessystematik
I. Die Haftung bei Nichterfüllung als Ausfluss rechtsgeschäftlicher Bindung?
II. Die Vertragsbindung: Naturalerfüllung und Sekundärhaftung
1. Die Einheit der Obligation im Bürgerlichen Recht alter Fassung (BGB 1896)
2. Kritik
a) Die materialen Rechtgründe der Vertragsbindung
b) Das Privatrecht als Rechtszuweisungsordnung
3. Die Schuldrechtsreform
a) Das Ende der Unmöglichkeit als umfassender Befreiungstatbestand
b) Kumulation von Schadensersatz und Rücktritt
III. Zwischenergebnis
C. Vertrauen und Vertrag
I. Der Vertrag als Vertrauenstatbestand: Abgrenzung und Präzisierung
1. Vertrauen als Ansatzpunkt in der Rechtsgeschäftslehre
2. Emanzipation von der Vorstellung eines „Leistungsversprechens“
II. Vertrauensrechtfertigung
1. Der Leistungsanspruch als Rechtfertigungsgrund
2. Die Pflicht zur Vertragszweckrealisierung als Grundlage der Erfüllungserwartung
a) Die Leistungstreuepflichten
b) Die Paarformel Treu und Glauben
c) Synthese: Die Erfüllungserwartung als das Vertrauen auf ein erfüllungsförderliches Verhalten
III. Die Leistungstreuepflicht und anfängliche Leistungshindernisse
1. Informations- und Mitwirkungspflichten vor Vertragsschluss
a) Informationspflichten
b) Mitwirkungspflichten
2. Der institutionelle Schutz der Vertragsdurchführung als einheitliche Grundlage der Leistungstreuepflichten
IV. Bestimmung der Erfüllungserwartung entlang der Leistungstreuepflicht
V. Die verfehlte Heranziehung der Lehre von der Haftung aus culpa in contrahendo
D. Einwände gegen die Theorie einer vertragsrechtlichen Vertrauenshaftung
I. § 242 BGB als dogmatische Grundlage der vertragsrechtlichen Sekundärhaftung
1. § 242 BGB als „Grundnorm“ des Vertragsrechts
2. Der Grundsatz von Treu und Glauben – eine Leerformel?
3. Stellungnahme: § 242 BGB im Kontext des neuen (und alten) Schuldrechts
II. Die Ubiquität des Vertrauensmoments
III. Die vermeintliche Singularität der Vertrauenshaftung im Leistungsstörungsrecht
1. Die Haftung bei anfänglicher Unmöglichkeit nach § 307 BGB a.F
2. Die Haftung bei anfänglichem Unvermögen vor der Schuldrechtsreform
a) Haftung für anfängliches Unvermögen als ungeklärte Problematik des alten Schuldrechts
b) Die Schwächen des garantiebasierten Ansatzes
c) Die Haftung für anfängliches Unvermögen als Vertrauenshaftung
d) Die Haftung bei anfänglichem Unvermögen und § 307 BGB a.F
3. Vertrauenshaftungselemente im modernisierten Leistungsstörungsrecht: Der Aufwendungsersatz gemäß § 284 BGB
a) Entstehungshintergrund
b) § 284 BGB als eigenständige Vertrauenshaftungsvorschrift
c) Der Vertrag als Vertrauenstatbestand
4. Synthese
E. Die Überlegenheit der Vertrauenstheorie gegenüber der Garantietheorie
I. Wirklichkeitsbezug
II. Theoriewert für die praktische Rechtsanwendung
Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit
A. Begriff der Risikozuweisung und Methode
B. Das Verschuldenselement in § 311a Abs. 2 S. 2 BGB
I. Das Pflichtenprogramm des Schuldners
II. Abgrenzung zur Fallgruppe der vorvertraglichen Informationshaftung
III. Theoriegeleitete Auslegung
1. Haftungsgrund und Pflichteninhalt
2. Die rechtsökonomischen Grundlagen der Vertrauenshaftung: Effiziente Zuweisung der Informationsverantwortung
IV. Das Kenntniserfordernis
V. Das Erfordernis des Kennenmüssens
1. Die Risikotheorie als Argumentationstopoi
2. Die Schuldnersphäre
3. Informationszuständigkeit des Schuldners für seinen Planungsbereich
4. Erkennbarkeit des Leistungshindernisses
a) Erkennbarkeit im absoluten Sinne (Faktische Erkennbarkeit)
b) Erkennbarkeit unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten
c) Erkennbarkeit als notwendiges Kriterium einer verschuldensabhängigen Haftung
5. Sonderwissen und Sonderkönnen
6. Vorhersehbarkeit
7. Zwischenergebnis
VI. Anwendung des vorgenannten Verschuldensmaßstabs durch die Rechtsprechung
1. Zuweisung der Informationsverantwortung anhand des Sphärengedankens
2. Informationsverantwortung im Planungsbereich des Schuldners
3. Fazit
C. Die alleinige oder weit überwiegende Gläubigerverantwortlichkeit für anfängliche Leistungshindernisse
I. Abkehr von einer einheitlichen Regelung
II. Die Gläubigerverantwortlichkeit als Konkurrenzproblematik
III. Die Rechtsnatur des § 326 Abs. 2 S. 1 BGB: Schutz des Gegenleistungsinteresses und Verantwortlichkeit des Gläubigers für die Vertragsdurchführung
1. Das Gegenleistungsinteresse des Schuldners
2. Verantwortlichkeit des Gläubigers im Allgemeinen
a) Die Vorschriften des Annahmeverzugs
b) Gläubigerpflicht zu leistungsförderlichem Verhalten
c) Die Obliegenheitsthese
d) Zur scheinbaren Abgeschlossenheit der Vorschriften über den Annahmeverzug
e) (Nochmals) zum Interesse des Schuldners an der Leistungserbringung
f) Synthese: Annahme und leistungsförderliches Verhalten als Leistungstreuepflichten
g) Die Rechtsprechung des BGH
3. Gläubigerverantwortlichkeit i.S.v. § 326 Abs. 2 S. 1 BGB in Unmöglichkeitsfällen
a) Nachträgliche Unmöglichkeit
b) Anfängliche Unmöglichkeit
IV. Reichweite der Informationsverantwortung des Gläubigers
1. Sphärenverantwortlichkeit des Gläubigers
2. Verantwortlichkeit des Gläubigers für seinen Planungsbereich
3. Erkennbarkeit
D. Die beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit
I. Haftungsausschluss nach altem Schuldrecht und derzeitiger Streitstand
II. Relevanz der Fallgruppe
1. Ausgangspunkt: Informationslastverteilung nach Sphären und Planungsbereichen
2. „Entweder oder“-Lösung als Konsequenz einer vertrauensschutzbasierten Haftungskonzeption
3. Beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit bei Kenntnis des eigentlich Aufzuklärenden?
4. Leistungshindernisse universaler Dimension
a) Vorhersehbare Wetterphänomene und Naturkatastrophen
b) Sozialkatastrophen
c) Leistungshindernisse hoheitlicher Natur
aa) Öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkungen
bb) Verbotsgesetze
d) Zwischenergebnis
III. Die Anwendbarkeit des § 254 Abs. 1 BGB
1. Grundstruktur des § 254 Abs. 1 BGB
2. Unvereinbarkeit der Haftungskürzung mit dem Normzweck
3. Die Unvereinbarkeitsthese im Lichte der BGH-Judikatur
4. Der verfehlte Verweis auf die Gesetzesbegründung
5. Zwischenergebnis und weitere Anwendbarkeit der Schadensminderungspflicht
IV. Rechtsfortbildung secundum legem: Die beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit als Geschäftsgrundlagenstörung
1. Die Rechtsprechung zum beiderseitigen Motivirrtum als Ansatzpunkt
2. Wesensverschiedenheit von Unmöglichkeit und Grundlagenstörung?
3. Die Subsidiarität der Geschäftsgrundlagenlehre
4. Rechtsfolgen des Fehlens der Geschäftsgrundlage
a) Vertragsanpassung
b) Anpassung auf Sekundärebene
aa) Wandlung der Naturalleistungspflicht in der Rechtsprechung und dogmatische Begründung Schollmeyers
bb) Schadensteilung infolge Grundlagenstörung
cc) Zur Auslegung des § 313 Abs. 1 BGB
V. Fazit
E. Keine analoge Anwendung des § 122 BGB bei keinerseits zu vertretender Unmöglichkeit
F. Vertragliche Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit
I. Abdingbarkeit der §§ 311a Abs. 2, 326 Abs. 2 S. 1 BGB
II. Haftungserweiterung durch Garantieübernahme
III. Sonderkonstellationen
1. Risikoverträge
2. Absurde Verträge
a) Vereinbarung bloß scheinbarer Magie
b) Vereinbarung „echter“ Magie
aa) Beiderseitige Kenntnis der naturgesetzlichen Unmöglichkeit
bb) Einseitige Kenntnis der naturgesetzlichen Unmöglichkeit
cc) Beiderseitige Unkenntnis von der naturgesetzlichen Unmöglichkeit
Zusammenfassung in Thesen
Literaturverzeichnis
Sachregister
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Vertrauen und Vertrag: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit
 3161612965, 9783161612961

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Studien zum Privatrecht Band 105

Josef Wittmann

Vertrauen und Vertrag Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

Mohr Siebeck

Josef Wittmann, geboren 1990; Studium der Rechtswissenschaft in Heidelberg, Washington D.C. und Regensburg; Akademischer Mitarbeiter am Institut für ausländisches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht der Universität Heidelberg sowie am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Unternehmensrecht der Ludwig-Maximilians-Universität München; Referendariat am Landgericht München I; Rechtsanwalt in München; 2021 Promotion; seit 2022 Habilitand am Institut für ausländisches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht der Universität Heidelberg. orcid.org/0000-0003-2750-3372

ISBN 978-3-16-161296-1 / eISBN 978-3-16-161297-8 DOI 10.1628/978-3-16-161297-8 ISSN 1867-4275 / eISSN 2568-728X (Studien zum Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Laupp & Göbel auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und dort gebunden. Printed in Germany.

Vorwort Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2021 von der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung wurden bis Oktober 2021 berücksichtigt. Das Manuskript entstand während meiner Assistententätigkeit am Heidelberger Institut für ausländisches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht sowie, ab Februar 2018, an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zahlreiche Kollegen, Freunde und Förderer haben zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Betreut wurde die Arbeit durch meinen verehrten akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Thomas Pfeiffer. Ihm danke ich für die Anregung, die gewährten wissenschaftlichen Freiheiten sowie die stetige Förderung, die er mir seit Studententagen zukommen lässt. Ebenso danke ich Herrn Prof. Dr. Marc-Philippe Weller für die Erstellung des Zweitgutachtens sowie den regen Ideenaustausch am hiesigen Institut. Herrn Prof. Dr. Thomas Lobinger danke ich für die Übernahme des Vorsitzes in der mündlichen Prüfung sowie für seine kritischen Hinweise zu Beginn des Vorhabens. Bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Prof. Dr. Rüdiger Veil für die Aufnahme an seinem Münchener Lehrstuhl in der Endphase der Manuskripterstellung. Das inspirierende Umfeld hat mir die Fertigstellung der Arbeit sehr erleichtert. Der Hanns-Seidel-Stiftung und im Besonderen Herrn Prof. Hans-Peter Niedermeier danke ich für die materielle und ideelle Förderung während meiner Studien- und Promotionszeit. Dank gilt zudem meinen zahlreichen Weggefährten aus meiner Assistentenzeit in Heidelberg und München, die im Wege zahlreicher Diskussionen ihren Beitrag zur Arbeit geleistet haben. Der größte Dank gebührt meinen lieben Eltern, die mich auf meinem bisherigen Lebensweg auf jede erdenkliche Weise und mit größtem Verständnis unterstützt haben. Ohne sie wäre vieles nicht möglich gewesen. Meiner Frau Elena danke ich für ihre Geduld und vorbehaltlose Unterstützung bei all meinen Vorhaben. Danken möchte ich auch meinem Bruder, der mir ebenso ein steter Rückhalt ist. Gewidmet ist diese Arbeit meiner Großmutter, Frau Maria Meier. Ihr soll die Arbeit ein ehrendes Andenken bewahren. Heidelberg, im Januar 2022

Josef Wittmann

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XVII

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

A. Die Haftung bei anfänglicher Unmöglichkeit zwischen Verschuldensund Garantieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

B. Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2

C. Untersuchungsgang und Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4

Historische Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

A. Die anfängliche Unmöglichkeit im römischen Recht . . . . . . . . . . . .

7

B. Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

C. Die Rechtslage nach altem Schuldrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

D. Die Schuldrechtsmodernisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10

Erstes Kapitel: Forschungsstand und Defizite der derzeitigen Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

A. Kritik an der neuen Vorschrift des § 311a Abs. 2 BGB . . . . . . . . . .

13

B. Die Gesetzesbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14

C. Die Auffassung CanarisÆ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

D. Weitere Einordnungsversuche in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

VIII

Inhaltsübersicht

Zweites Kapitel: Die Haftung für anfängliche Unmöglichkeit als Vertrauenshaftung (Theoriebildung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

A. Das vertrauensbasierte Haftungskonzept Stolls und Wiedemanns

33

B. Vertrauenshaftung bei Nichterfüllung im Lichte der Gesetzessystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

C. Vertrauen und Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

D. Einwände gegen die Theorie einer vertragsrechtlichen Vertrauenshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

E. Die Überlegenheit der Vertrauenstheorie gegenüber der Garantietheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

A. Begriff der Risikozuweisung und Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

B. Das Verschuldenselement in § 311a Abs. 2 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . .

84

C. Die alleinige oder weit überwiegende Gläubigerverantwortlichkeit für anfängliche Leistungshindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

103

D. Die beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit . . . . . . .

122

E. Keine analoge Anwendung des § 122 BGB bei keinerseits zu vertretender Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

150

F. Vertragliche Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit . . . .

151

Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

159

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

165

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

177

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XVII

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

A. Die Haftung bei anfänglicher Unmöglichkeit zwischen Verschuldensund Garantieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

B. Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2

C. Untersuchungsgang und Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4

Historische Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

A. Die anfängliche Unmöglichkeit im römischen Recht . . . . . . . . . . . .

7

B. Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

C. Die Rechtslage nach altem Schuldrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

D. Die Schuldrechtsmodernisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10

Erstes Kapitel: Forschungsstand und Defizite der derzeitigen Dogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

A. Kritik an der neuen Vorschrift des § 311a Abs. 2 BGB . . . . . . . . . .

13

B. Die Gesetzesbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abstraktion von Verschulden und Haftungsgrund . . . . . . . . . . . . II. Verschulden und Haftungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das rechtsethische Fundament der Verschuldenshaftung: Selbstverantwortung – Sanktion – Restitution . . . . . . . . . . . . . 2. Das Verschuldensprinzip im Leistungsstörungsrecht des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Haftung nach § 311a Abs. 2 BGB im Lichte des Verschuldensprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14 14 15 15 17 17

X

Inhaltsverzeichnis

Die Auffassung CanarisÆ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung aus der Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der unzureichende Rekurs auf den Parteiwillen . . . . . . . . . . . . . . Der „hypothetische“ oder „typische Parteiwille“ . . . . . . . . . . . . . 1. Die willensexklusive Deutung der Vertragspflichten in der Tradition Savignys . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Übertragbarkeit der Figur des „typischen Parteiwillens“ auf die Sekundärhaftung in ihrer heutigen Gesetzesform . . . . 3. Typischer Parteiwille zumeist nicht existent . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Mangelnde Systemkonformität der Garantietheorie . . . . . . . . . . . 1. Konsensprinzip und Garantiehaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Konsensprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Haftung aus dem Leistungsversprechen im Lichte des Konsensprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschuldensprinzip und Garantiehaftung . . . . . . . . . . . . . . . .

19 19 20 22

D. Weitere Einordnungsversuche in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . I. „Haftung für eine schuldhaft zu geringe Festlegung der Verpflichtungsgrenze“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Ansatz Cekovic-Vuletics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

C. I. II. III.

Zweites Kapitel: Die Haftung für anfängliche Unmöglichkeit als Vertrauenshaftung (Theoriebildung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Das vertrauensbasierte Haftungskonzept Stolls und Wiedemanns I. Der Ersatz frustrierter Aufwendungen als Ausgangspunkt der Theoriebildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erfüllungshaftung als Vertrauensentsprechung . . . . . . . . . . . . . . . B. Vertrauenshaftung bei Nichterfüllung im Lichte der Gesetzessystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Haftung bei Nichterfüllung als Ausfluss rechtsgeschäftlicher Bindung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Vertragsbindung: Naturalerfüllung und Sekundärhaftung 1. Die Einheit der Obligation im Bürgerlichen Recht alter Fassung (BGB 1896) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die materialen Rechtgründe der Vertragsbindung . . . . . . b) Das Privatrecht als Rechtszuweisungsordnung . . . . . . . . . 3. Die Schuldrechtsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Ende der Unmöglichkeit als umfassender Befreiungstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kumulation von Schadensersatz und Rücktritt . . . . . . . .

22 24 24 26 26 26 27 28

29 31

33 33 33 35 36 36 38 38 39 39 39 41 41 41

Inhaltsverzeichnis

XI

III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

C. Vertrauen und Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Vertrag als Vertrauenstatbestand: Abgrenzung und Präzisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertrauen als Ansatzpunkt in der Rechtsgeschäftslehre . . . . . . 2. Emanzipation von der Vorstellung eines „Leistungsversprechens“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vertrauensrechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Leistungsanspruch als Rechtfertigungsgrund . . . . . . . . . . 2. Die Pflicht zur Vertragszweckrealisierung als Grundlage der Erfüllungserwartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Leistungstreuepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Paarformel Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Synthese: Die Erfüllungserwartung als das Vertrauen auf ein erfüllungsförderliches Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Leistungstreuepflicht und anfängliche Leistungshindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Informations- und Mitwirkungspflichten vor Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mitwirkungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der institutionelle Schutz der Vertragsdurchführung als einheitliche Grundlage der Leistungstreuepflichten . . . . . . . . . IV. Bestimmung der Erfüllungserwartung entlang der Leistungstreuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die verfehlte Heranziehung der Lehre von der Haftung aus culpa in contrahendo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

D. Einwände gegen die Theorie einer vertragsrechtlichen Vertrauenshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. § 242 BGB als dogmatische Grundlage der vertragsrechtlichen Sekundärhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 242 BGB als „Grundnorm“ des Vertragsrechts . . . . . . . . . . . 2. Der Grundsatz von Treu und Glauben – eine Leerformel? . . . 3. Stellungnahme: § 242 BGB im Kontext des neuen (und alten) Schuldrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Ubiquität des Vertrauensmoments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die vermeintliche Singularität der Vertrauenshaftung im Leistungsstörungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Haftung bei anfänglicher Unmöglichkeit nach § 307 BGB a.F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Haftung bei anfänglichem Unvermögen vor der Schuldrechtsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43 44 44 45 45 46 46 48 49 50 50 50 52 53 56 59 61 61 61 62 63 65 67 68 71

XII

Inhaltsverzeichnis

a)

Haftung für anfängliches Unvermögen als ungeklärte Problematik des alten Schuldrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Schwächen des garantiebasierten Ansatzes . . . . . . . . . c) Die Haftung für anfängliches Unvermögen als Vertrauenshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Haftung bei anfänglichem Unvermögen und § 307 BGB a.F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vertrauenshaftungselemente im modernisierten Leistungsstörungsrecht: Der Aufwendungsersatz gemäß § 284 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entstehungshintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 284 BGB als eigenständige Vertrauenshaftungsvorschrift . . . . . . . . . . . c) Der Vertrag als Vertrauenstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71 72 72 73

74 74 76 77 77

E. Die Überlegenheit der Vertrauenstheorie gegenüber der Garantietheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wirklichkeitsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Theoriewert für die praktische Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . .

78 78 80

Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

A. Begriff der Risikozuweisung und Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

B. Das Verschuldenselement in § 311a Abs. 2 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . I. Das Pflichtenprogramm des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzung zur Fallgruppe der vorvertraglichen Informationshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Theoriegeleitete Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Haftungsgrund und Pflichteninhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die rechtsökonomischen Grundlagen der Vertrauenshaftung: Effiziente Zuweisung der Informationsverantwortung . . . . . . IV. Das Kenntniserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Das Erfordernis des Kennenmüssens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Risikotheorie als Argumentationstopoi . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Schuldnersphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Informationszuständigkeit des Schuldners für seinen Planungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erkennbarkeit des Leistungshindernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erkennbarkeit im absoluten Sinne (Faktische Erkennbarkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84 84 84 85 85 86 87 87 88 89 91 93 93

Inhaltsverzeichnis

b) Erkennbarkeit unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten . . . . c) Erkennbarkeit als notwendiges Kriterium einer verschuldensabhängigen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sonderwissen und Sonderkönnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Vorhersehbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Anwendung des vorgenannten Verschuldensmaßstabs durch die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zuweisung der Informationsverantwortung anhand des Sphärengedankens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Informationsverantwortung im Planungsbereich des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die alleinige oder weit überwiegende Gläubigerverantwortlichkeit für anfängliche Leistungshindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abkehr von einer einheitlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Gläubigerverantwortlichkeit als Konkurrenzproblematik III. Die Rechtsnatur des § 326 Abs. 2 S. 1 BGB: Schutz des Gegenleistungsinteresses und Verantwortlichkeit des Gläubigers für die Vertragsdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Gegenleistungsinteresse des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verantwortlichkeit des Gläubigers im Allgemeinen . . . . . . . . . a) Die Vorschriften des Annahmeverzugs . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gläubigerpflicht zu leistungsförderlichem Verhalten . . . . c) Die Obliegenheitsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zur scheinbaren Abgeschlossenheit der Vorschriften über den Annahmeverzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) (Nochmals) zum Interesse des Schuldners an der Leistungserbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Synthese: Annahme und leistungsförderliches Verhalten als Leistungstreuepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Die Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gläubigerverantwortlichkeit i.S.v. § 326 Abs. 2 S. 1 BGB in Unmöglichkeitsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nachträgliche Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anfängliche Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Reichweite der Informationsverantwortung des Gläubigers . . . . 1. Sphärenverantwortlichkeit des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verantwortlichkeit des Gläubigers für seinen Planungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erkennbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIII 94 96 97 98 99 99 99 101 102 103 103 103

105 105 106 106 107 108 109 110 112 113 115 116 117 119 120 121 122

XIV

Inhaltsverzeichnis

D. Die beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit . . . . . . . I. Haftungsausschluss nach altem Schuldrecht und derzeitiger Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Relevanz der Fallgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt: Informationslastverteilung nach Sphärenund Planungsbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Entweder oder“-Lösung als Konsequenz einer vertrauensschutzbasierten Haftungskonzeption . . . . . . . . . . . . 3. Beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit bei Kenntnis des eigentlich Aufzuklärenden? . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Leistungshindernisse universaler Dimension . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorhersehbare Wetterphänomene und Naturkatastrophen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sozialkatastrophen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Leistungshindernisse hoheitlicher Natur . . . . . . . . . . . . . . aa) Öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkungen . . . . . bb) Verbotsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Anwendbarkeit des § 254 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundstruktur des § 254 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unvereinbarkeit der Haftungskürzung mit dem Normzweck 3. Die Unvereinbarkeitsthese im Lichte der BGH-Judikatur . . . 4. Der verfehlte Verweis auf die Gesetzesbegründung . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis und weitere Anwendbarkeit der Schadensminderungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsfortbildung secundum legem: Die beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit als Geschäftsgrundlagenstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Rechtsprechung zum beiderseitigen Motivirrtum als Ansatzpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wesensverschiedenheit von Unmöglichkeit und Grundlagenstörung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Subsidiarität der Geschäftsgrundlagenlehre . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsfolgen des Fehlens der Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . a) Vertragsanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anpassung auf Sekundärebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wandlung der Naturalleistungspflicht in der Rechtsprechung und dogmatische Begründung Schollmeyers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schadensteilung infolge Grundlagenstörung . . . . . . . . cc) Zur Auslegung des § 313 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

122 123 123 124 124 125 126 127 127 128 128 129 130 130 130 131 132 133 134

135 135 139 141 143 143 145

145 148 149 149

Inhaltsverzeichnis

E. Keine analoge Anwendung des § 122 BGB bei keinerseits zu vertretender Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. I. II. III.

XV 150

Vertragliche Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit . . . . Abdingbarkeit der §§ 311a Abs. 2, 326 Abs. 2 S. 1 BGB . . . . . . . . Haftungserweiterung durch Garantieübernahme . . . . . . . . . . . . . Sonderkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Risikoverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Absurde Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vereinbarung bloß scheinbarer Magie . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vereinbarung „echter“ Magie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beiderseitige Kenntnis der naturgesetzlichen Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einseitige Kenntnis der naturgesetzlichen Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beiderseitige Unkenntnis von der naturgesetzlichen Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . .

151 151 152 153 153 154 154 155

Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

159

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

165

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

177

155 156 157

Abkürzungsverzeichnis a.a.O. AcP a.E. a.F. Abs. AG AGB allg. Alt. AT Art. Aufl. BAG GS BauR BB Bd. Bearb. Beschl. BGB BGB-KE BGH BGHZ BT-Drucks. BVerwG bzw. c.i.c. Co. Corp. DB d.h. ders. DNotZ Dr. ebd. Kap. f. ff. Fn. FS gem. GG

am angegebenen Ort Archiv für die civilistische Praxis am Ende alte Fassung Absatz Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen allgemein Alternative Allgemeiner Teil Artikel Auflage Bundesarbeitsgericht Großer Senat Baurecht Betriebsberater Band Bearbeitung Beschluss Bürgerliches Gesetzbuch BGB-Kommissionsentwurf Bundesgerichtshof Sammlung der Entscheidungen des BGH in Zivilsachen Bundestagsdrucksache Bundesverwaltungsgericht beziehungsweise culpa in contrahendo Company Corporation Der Betrieb das heißt derselbe Deutsche Notar-Zeitschrift Doktor ebenda Kapitel folgende (Seite) folgende (Seiten) Fußnote Festschrift gemäß Grundgesetz

XVIII GPR GS Hrsg. Hs. i.e. i.E. i.e.S. Inc. Inst. i.S.v. i.S.d. i.V.m. JA JbJZivRWiss Jher. Jahrb. JR Jura jurisPK JuS JZ krit. LG LMK Ltd. m. Anm. MDR MünchKomm m.w.N. Neubearb. NJW NJW-RR NK Nr. NZA OLG OLGR Prof. RG RGZ RheinZ Rn. S. SeuffA sog. u.a. UN Urt. US v. Verf.

Abkürzungsverzeichnis Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht Gedächtnisschrift Herausgeber Halbsatz id est im Ergebnis im engeren Sinn Incorporated Institutiones im Sinne von im Sinne der/des in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts Juristische Rundschau Juristische Ausbildung juris PraxisKommentar Juristische Schulung Juristenzeitung kritisch Landgericht Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lindenmaier-Möhring Limited mit Anmerkung Monatsschrift für Deutsches Recht Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen Neubearbeitung Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nomos Kommentar Nummer Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Rechtsprechungs-Report Oberlandesgericht OLG-Report Professor Reichsgericht Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rheinische Zeitschrift für Zivil- und Prozeßrecht Randnummer Satz/Seite/Siehe Seufferts Archiv sogenannte/r unter anderem Vereinte Nationen Urteil United States versus Verfasser

Abkürzungsverzeichnis VersR vgl. WM ZEuP ZGS ZHR ZIP ZJS ZStW zust. 2d Circ. 7th Circ.

Versicherungsrecht vergleiche Wertpapiermitteilungen Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das Juristische Studium Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zustimmend United States Court of Appeals for the Second Circuit United States Court of Appeals for the Seventh Circuit

XIX

Einleitung A. Die Haftung bei anfänglicher Unmöglichkeit zwischen Verschuldens- und Garantieprinzip „Die Rechtsordnungen stehen in prinzipiellem Gegensatz, je nachdem ob sie vom Verschuldensprinzip beherrscht sind – Mustertyp: das deutsche BGB – oder ob sie den Schuldner aus der Nichterfüllung als solcher haften lassen [...] – wie das englische Recht, wo der Schuldner von jeher als Garant des Versprechens aufgefasst wird“.1

Dieses Zitat Rabels beansprucht auch mehr als achtzig Jahre nach seiner Veröffentlichung grundsätzliche Gültigkeit. Gehaftet wird nach den §§ 280 ff. BGB wegen schuldhafter Pflichtverletzung. Im Streben nach einer umfassenden Vereinheitlichung des Leistungsstörungsrechts im Wege der Schuldrechtsmodernisierung sollte auch die zuvor von Garantieelementen durchwachsene Haftung bei anfänglicher Unmöglichkeit vollends dem Verschuldensprinzip unterworfen werden.2 Umso bemerkenswerter ist daher das Resultat des Reformvorhabens. Zwar wurde das Verschulden durch Anknüpfung an eine vorvertragliche Informationspflichtverletzung in § 311a Abs. 2 S. 2 BGB zur einheitlichen Haftungsvoraussetzung. Doch bildet jenes Verschuldenselement ausweislich der Entwurfsbegründung keineswegs den Haftungsgrund des § 311a Abs. 2 BGB. Die Haftung folge vielmehr aus der Nichterfüllung des vertraglichen Leistungsversprechens3 und stellt nach den obigen Worten Rabels damit den genauen Gegensatz einer vom Verschuldensprinzip beherrschten Haftung dar. Den Hintergrund vorgenannter Antinomie in der Entwurfsbegründung offenbart deren weitere Lektüre. Demnach sei die in § 311a Abs. 2 BGB vorgenommene Sonderanknüpfung an die Nichterfüllung erforderlich, „weil sich aus der Verletzung einer vorvertraglichen Informationspflicht nach den 1

Rabel, Das Recht des Warenkaufs I, S. 329. So heißt es in der Regierungsbegründung, BT-Drucks. 14/6040, S. 165, dass „das Garantieprinzip zu Ergebnissen führt, die unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten keinesfalls zu überzeugen vermögen, während sich das Verschuldensprinzip sowohl durch höhere rechtsethische Überzeugungskraft als auch durch größere Flexibilität auszeichnet“. Auch Canaris, JZ 2001, S. 499, 506, betonte, dass man mit der Schaffung des § 311a BGB zum Verschuldensprinzip habe übergehen wollen. 3 BT-Drucks. 14/6040, S. 165; Canaris, JZ 2001, S. 499, 507. 2

2

Einleitung

allgemeinen Regeln des Schadensersatzrechts nun einmal grundsätzlich nur ein Anspruch auf das negative Interesse ergibt, wohingegen der Entwurf einen Anspruch auf das positive Interesse als die angemessene Rechtsfolge ansieht.“4 Angemessen sei der Anspruch auf das positive Interesse vor allem wegen der dadurch erzielten Entsprechung der Rechtsfolgen bei anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit. Der oftmals zufällige Zeitpunkt des Unmöglichwerdens der Leistung sollte nicht über die Reichweite der Haftung entscheiden.5 Dem vorgebrachten Erwägungsgrund mag eine natürliche Überzeugungskraft innewohnen. Doch fehlt es bis heute an einem tauglichen Theorievorschlag, der die Kombination aus vorvertraglicher Informationspflichtverletzung auf Tatbestandsseite und Haftung auf das Erfüllungsinteresse auf Rechtsfolgenseite unter einem einheitlichen Haftungskonzept zusammenführt. Die Rede ist von einer „merkwürdige[n] Melange aus Garantieversprechen und vorvertraglichem Verschulden“, der eine „etwas gewundene und wunderliche Konstruktion“6 zu Grunde liegt.7

B. Ziel der Untersuchung Ziel dieser Untersuchung ist die rationale Begründung der Haftungsanordnung aus § 311a Abs. 2 BGB anhand eines materiellen Rechtsprinzips. Zuvorderst gilt es hierzu die gegenwärtige Hegemonie von Verschuldens- und Garantieprinzip als alleinige Begründungsansätze der Haftung bei Nichterfüllung zu durchbrechen. Die Defizite der bislang vorgebrachten Begründungsversuche zur reformierten Haftung bei anfänglicher Unmöglichkeit bestehen vor allem darin, dass sie in § 311a Abs. 2 BGB – wenn auch in modifizierter Form – stets eine Verschuldens- oder Garantiehaftung erkennen wollen, ohne dabei Haftungsvoraussetzungen und Rechtsfolge konzeptionell in Einklang zu bringen. So handele es sich bei § 311a Abs. 2 BGB um eine „Garantiehaftung mit Entlastungsmöglichkeit“8, eine „bedingte Garantiehaftung“9 oder gar eine „Kombination von Garantie- und Verschuldenshaftung“10. Dabei liefern jene Befunde keine echte dogmatische Begründung 4

BT-Drucks. 14/6040, S. 165. BT-Drucks. 14/6040, S. 165; Canaris, FS Heldrich (2005), S. 11, 20; Grigoleit, FS Köhler (2014), S. 183, 185. 6 Olshausen, ZIP 2002, S. 237, 239. 7 Vgl. auch Windel, JR 2004, S. 265, der seinen Systematisierungsversuch mit einem Vers aus Richard Wagners Rheingold einleitet: „Was nie sich fügt, was nie gelingt.“ 8 Wallow, Risikozuweisung und Vertragshaftung, S. 423. 9 Harke, AcP 205 (2005), S. 67, 83 f. 10 Schapp, FS Kollhosser (2004), S. 619, 623; Wilmowsky, JuS 2002, Beilage zu Heft 1, S. 3, 12 f.: Norm mit „hybrider Struktur“. 5

B. Ziel der Untersuchung

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der Haftungsanordnung, sondern erfassen die Diskrepanz zwischen vorvertraglichem Informationsverschulden und Haftung auf das Erfüllungsinteresse rein deskriptiv. Die Literaturdurchsicht nach Theorien, welche eine wissenschaftliche Fundierung der Haftung bei Nichterfüllung für sich in Anspruch nehmen, bringt indes ein recht überschaubares Ergebnis zutage. Gleichwohl lässt sich neben Verschuldens- und Garantietheorie ein Erklärungsansatz ausmachen, der in der Diskussion um § 311a Abs. 2 BGB bislang noch keine Berücksichtigung fand: die Theorie einer Vertrauenshaftung bei Nichterfüllung. Nach diesem von Stoll und Wiedemann entwickelten Haftungskonzept folgt die Haftung in Richtung des Erfüllungsinteresses weder unmittelbar aus dem Leistungsversprechen des Schuldners (wie nach dem Garantieprinzip) noch aus einer schuldhaften Pflichtverletzung (wie nach dem Verschuldensprinzip). Der Grund der Haftung liegt vielmehr im enttäuschten Vertrauen des Gläubigers auf den Erhalt der Leistung.11 Der Vertrauensgedanke ist dem bisherigen Diskurs nicht gänzlich neu. Etwa spricht Grigoleit in einem einschlägigen Festschriftenbeitrag von der „grundsätzlichen Schutzwürdigkeit des Gläubigers hinsichtlich seiner Vertragserwartung“.12 Brieskorn meint, es handele sich bei § 311a Abs. 2 BGB um eine „Vertrauenshaftung, die allerdings schwer einzuordnen ist“.13 Nach Harke bezweckt die Haftung aus § 311a Abs. 2 BGB den Schutz der Erwartungen des Käufers.14 Jene Stimmen beschränken sich aber auf eine bloß beiläufige Bezugnahme auf den Vertrauensgedanken und sehen die Gläubigererwartung zum Teil in der Garantiefunktion des Vertrages begründet15 – ohne aber dem Vertrauen eine eigene haftungsbegründende Funktion beizumessen. Die vorliegende Arbeit erhebt das Vertrauen zum haftungsbegründenden Moment des deutschen Leistungsstörungsrechts und weist nach, dass im Zuge der Schuldrechtsreform die Vertrauenshaftung als zweite Spur der Sekundärhaftung neben die Haftung für Verschulden getreten ist. Rechtspraktisch ergibt sich die Schutzwürdigkeit der durch den Vertragsschluss ausgelösten Erfüllungserwartung aus dem Gedanken der vom Recht zu gewährenden Verkehrssicherheit als eine der Grundbedingungen unserer arbeitsteili-

11 Stoll, JZ 1987, S. 517, 518 f.; ders., FS Neumayer (1997), S. 313, 325 ff.; ders., FS Duden (1977) S. 641, 642; Wiedemann, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, Vor § 275 Rn. 56 ff.; ders./G. Müller, JZ 1992, S. 467, 468 ff. 12 Grigoleit, FS Köhler (2014), S. 183, 185. 13 Brieskorn, Vertragshaftung und responsabilite´ contractuelle, S. 49. 14 Harke, AcP 205 (2005), S. 67, 85, 91. 15 Brieskorn, Vertragshaftung und responsabilite´ contractuelle, S. 49: „Garantiefunktion der Vertragshaftung“; Harke, AcP 205 (2005), S. 67, 85 f., geht von einer (heteronom begründeten) Garantiehaftung aus.

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Einleitung

gen Wirtschaftswelt.16 Es ist erst das durch die Vertragsbindung erzeugte Vertrauen, das den freien Güter- und Warenverkehr in seinen heutigen Erscheinungsformen ermöglicht,17 was sich in besonders drastischer Form am Beispiel gängiger Kooperationsmodelle wie dem Streckengeschäft zeigt. Denn wer würde guten Gewissens über einen Gegenstand, den er noch nicht in den Händen hält, weiter disponieren, wenn zum einen die Lieferung und zum anderen die Kaufpreiszahlung aus dem Weiterverkauf ungewiss sind. Jhering formulierte die Konsequenzen fehlenden Vertrauens auf die erfolgreiche Vertragsabwicklung wie folgt: „Das Darlehn [würde] im Geschäftsverkehr so gut wie beseitigt sein, nur dem Freund würde man dann noch Geld leihen; Dienstvertrag und Miethe wären von der Liste der Verträge gestrichen, denn wer würde thöricht genug sein, seine Dienste zu leisten oder dem Andern den Gebrauch seiner Sache einzuräumen, wenn er nicht sicher wäre, dass er den Lohn und Miethzins erhielte? Wer thöricht genug, letzteren im voraus zu entrichten, wenn er gewärtigen müsste, dass die versprochene Gegenleistung ausbliebe? Nur Kauf und Tausch würden noch möglich sein in der äußerst beengenden Form der Erfüllung Zug um Zug.“18

Damit wird deutlich: Die Vertragsbindung und das hierdurch erzeugte Vertrauen bilden die wesentlichen Grundbedingungen unseres liberalen Wirtschaftssystems,19 welches verfassungsrechtlich durch die Garantie des Privateigentums, der Vertragsfreiheit und der Berufsfreiheit ausgestaltet wird. Hieraus erwächst zugleich die gemeinhin anerkannte Ordnungsfunktion20 des Staates gerichtet auf die Sicherung der marktwirtschaftlichen Grundlagen, denen – wie ausgeführt – auch die auf dem Vertrag gründende Erfüllungserwartung zuzuordnen ist.

C. Untersuchungsgang und Methode Das Vorhaben, der Haftung aus § 311a Abs. 2 BGB eine dogmatische Begründung zuzuführen, findet freilich nur dann seine Berechtigung, wenn die bereits formulierten Theorien zur Haftungsstruktur des § 311a Abs. 2 BGB eine nachvollziehbare Benennung der materiellen Wertungen missen lassen. Nach einer kurzen historischen Einführung werden daher im Ersten Kapitel bestehende Theorieansätze auf ihren Wirklichkeitsbezug, ihren Erklärungs-

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Vgl. Larenz, Richtiges Recht, S. 80 f. Vgl. Weller, Die Vertragstreue, S. 279 f. m.w.N. (Fn. 46). 18 Jhering, Der Zweck im Recht I, S. 264; hierauf gleichfalls bezugnehmend: Weller, Die Vertragstreue, S. 280. 19 Dazu Larenz, Richtiges Recht, S. 80 f. 20 Hierzu Canaris, Vertrauenshaftung, S. 415, der die generelle Sicherungs- und Ordnungsfunktion des Rechts scharf von der „echten“ Vertrauenshaftung abgrenzt. 17

C. Untersuchungsgang und Methode

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wert sowie ihre Systemkonformität hin überprüft und deren Defizite aufgezeigt. Zur Formulierung einer eigenen Haftungstheorie im Zweiten Kapitel wird zunächst deduktiv vorgegangen. Im zivilistischen Schrifttum finden sich längst umfassende Untersuchungen zur Vertrauenshaftung, die eine dogmatische Präzisierung derselben zum Gegenstand haben. Die Subsumtion unter die hierbei herausgearbeiteten Grundsätze bildet den Ausgangspunkt für eine Neuinterpretation der Haftungsanordnung aus § 311a Abs. 2 BGB. Daneben wird die Theoriebildung um einen induktiven Ansatz ergänzt. Es gilt, das Gesamtsystem des Leistungsstörungsrechts in den Blick zu nehmen. Dieses ist ausweislich der §§ 280 ff. BGB grundsätzlich vom Verschuldensprinzip beherrscht, weshalb eine allein auf § 311a Abs. 2 BGB beschränkte Haftungstheorie allzu schnell dem Vorwurf der Singularität oder des Systembruchs ausgesetzt wäre.21 Die Untersuchung steht so vor der Herausforderung, neben vorgenannter Deduktion besagte Theorie aus der Summe der Rechtssätze des neuen wie alten Leistungsstörungsrechts zu induzieren.22 Methodisch erfolgt dies im Wege der Hermeneutik durch Einbeziehung der juristischen Schlussverfahren Interpretation, Begriffsbildung und systematischem Denken. Schlussendlich geht es um eine verbindliche, möglichst verallgemeinernde Beschreibung des geltenden Leistungsstörungsrechts. Das Dritte Kapitel widmet sich der Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit. Es ist zu untersuchen, welcher Vertragspartner, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang den wirtschaftlichen Nachteil des anfänglichen Leistungshindernisses zu tragen hat,23 wobei es maßgeblich auf die Auslegung der Verschuldensvoraussetzung in § 311a Abs. 2 S. 2 BGB, die Anwendung der Vorschriften über die Gläubiger(mit-)verantwortung aus §§ 254, 326 Abs. 2 S. 1 BGB sowie die Grundsätze der Geschäftsgrundlagenlehre ankommt. Den Ausgangspunkt jener Rechtsanwendung bilden die im Zweiten Kapitel gewonnenen Erkenntnisse über die dogmatische Struktur des § 311a BGB sowie die systematische Konzeption des Leistungsstörungsrechts. Der Wert juristischer Theorien erschöpft sich insoweit keineswegs in der rationalen Begründung und Systematisierung eines bestimmten Regelungskomplexes. Gelingt es, dem Gesetz die zugrundeliegenden Wertungszusammenhänge und leitenden Rechtsgedanken zu entnehmen, dann kann bei der Auslegung und Fortbildung des Gesetzes hierauf zurückgegriffen werden.24 Auf diese Weise gelangt man zur Formulierung neuer Rechtssätze 21

So etwa bei Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, S. 281 f. Zur gegenläufigen Relation beider Ansätze: Wagner, JuS 1963, S. 457, 458. 23 Zum Begriff der Risikozuweisung: Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 23; Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S. 174. 24 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1975, S. 429; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 56. 22

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Einleitung

– sei es im Rahmen der Auslegung von geschriebenen Gesetzesnormen oder bei der Füllung von Gesetzeslücken anhand der gesetzlichen Wertungen.25 Methodisch handelt es sich um theoriegeleitete Rechtsfindung.

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Canaris, JZ 1993, S. 377, 378.

Historische Einführung A. Die anfängliche Unmöglichkeit im römischen Recht Erste Erwähnung finden Fälle anfänglicher Unmöglichkeit in den Überlieferungen des Celsus. Nach dem Grundsatz impossibilium nulla est obligatio1 führte ein anfängliches Leistungshindernis grundsätzlich zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts.2 Die Grundüberlegung dieser Regelung lag darin, dass bei objektiver Unmöglichkeit die Leistung von niemandem erbracht werden kann, sodass die Rechtsordnung den Schuldner nicht an seiner Verpflichtung festhalten darf.3 Ein Fallbeispiel war etwa die Obligation zur Lieferung nichtexistenter Fantasiewesen, wie eines Hippozentauren.4

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Celsus, D 50, 17, 185. Die Regel galt ursprünglich nur für die auf eine bestimmte Sache (certum) gerichtete Stipulation. Die Stipulation war das mündliche, formgebundene, einseitige Leistungsversprechen eines Schuldgegenstandes (vgl. Becker, Absurde Verträge, S. 17; Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, S. 14). Gleiches galt insoweit aber auch für den Kauf (vgl. Paulus (5 Sab.) D 18, 1, 15). 3 So Wolf, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, § 306 Rn. 1; Arp, Anfängliche Unmöglichkeit, S. 86 f., sah den tieferen Grund für die Nichtigkeitsannahme im „aktsbezogenen Denken der Römer, die sich eine Auflösung der Diskrepanz zwischen rechtsgeschäftlicher Vereinbarung und Wirklichkeit nur in der Weise vorstellen konnten, dass der Akt unter diesen Voraussetzungen als nicht vorhanden angesehen werden musste.“ Die Nichtigkeit beruht demnach auf „der Divergenz zwischen Inhalt des Schuldversprechens und Wirklichkeit, die das Schuldversprechen unter jedem Aspekt sinnlos, absurd, impossibililis machte.“ 4 Vgl. Corpus Iuris, Inst. 3, 19, 1: „Wenn sich dagegen jemand eine Sache versprechen lässt, die es in der Welt nicht mehr gibt oder die es überhaupt nicht geben kann, zum Beispiel den toten Stichus, den er am Leben glaubte, oder einen Hippozentauren, den es nicht geben kann, dann ist die Stipulation unwirksam.“ Ebenso Gaius, Inst. 3, 97a: „Wenn sich ferner jemand die Übereignung einer Sache, die es auf der Welt nicht geben kann (zum Beispiel einen Hippozentauren), versprechen lässt, so ist die Stipulation gleichermaßen unwirksam.“ Übersetzung jeweils zitiert aus: Becker, Absurde Verträge, S. 17, Fn. 45. 2

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Historische Einführung

B. Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis Im Zuge der europaweiten Wiederentdeckung der römischen Rechtsquellen ab Beginn des zweiten Jahrtausends fand das römischrechtliche Nichtigkeitsdogma auch Eingang in das Gemeine Recht und schließlich in die deutschen Zivilrechtskodifikationen des 18. und 19. Jahrhunderts. Exemplarisch hierfür steht die Regelung über die anfängliche Unmöglichkeit im Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis.5 Das auch als „Baierisches Landrecht“ bezeichnete Gesetzeswerk gilt als „das älteste deutsche umfassende, das heißt in sich verständliche Privatrechtsgesetzbuch“6 und entspricht hinsichtlich der Behandlung der anfänglichen Unmöglichkeit der zeitgenössischen Dogmatik.7 In § 15 des Kapitels über die „Convention und den hieraus entspringenden Pflichten“ heißt es: „[Es] kann über alle sowohl körperliche als unkörperliche, gegenwärtige und zukünftige Sachen pactirt werden, soweit sie nicht specialiter ausgenommen sind.“

Die Ausnahmen bestimmt sodann § 16: „Die Convention hat in folgenden Sachen nicht statt: […] In Sachen, welche Natura vel Lege impossibiles sind, das ist, solche Dinge, welche entweder gegen die Natur, oder gegen Ehrbarkeit, Gesetz und Ordnung, oder einem Dritten zur Präjudiz gehen.“

§ 15 sollte sich hierbei nicht in einem bloßen Bekenntnis zur Privatautonomie erschöpfen, sondern auch die Existenz des Vertragsgegenstands zum Gültigkeitserfordernis des Vertrages erheben.8 Die damit verbundene Fixierung auf den Schuldinhalt bildete gleichsam die Wurzel für die durch § 16 angeordnete Nichtigkeit des Vertrages über eine unmögliche Leistung. Denn war der geschuldete Erfolg unmöglich, war der Schuldinhalt gegenstandslos, sodass eine Verurteilung nicht stattfinden konnte. Die Nichtigkeitsanordnung des § 16 auf Grundlage der abschließenden Festlegung auf den Schuldinhalt beruhte damit ganz auf den römischrechtlichen Grundsätzen.9

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Hierzu Pöpperl, Quellen und System des Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis. Wesenberg/Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte im Rahmen der europäischen Rechtsentwicklung, 4. Aufl. 1985, S. 158. 7 Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, S. 93 f.; Arp, Anfängliche Unmöglichkeit, S. 133. 8 Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, S. 93 f. 9 Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, S. 94. 6

C. Die Rechtslage nach altem Schuldrecht

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C. Die Rechtslage nach altem Schuldrecht In anhaltender römischrechtlicher Tradition wurde das Nichtigkeitsdogma zum Bestandteil unseres Bürgerlichen Gesetzbuches.10 § 306 BGB a.F. ordnete bei anfänglicher Unmöglichkeit die Nichtigkeit des Vertrags an.11 Gemäß § 307 BGB a.F. musste derjenige, der die Möglichkeit kannte oder hätte kennen müssen, der anderen Partei ihren Vertrauensschaden ersetzen. Die Regelung des § 306 BGB a.F. war eine der umstrittensten Normen des alten Schuldrechts.12 Kritisiert wurde vor allem, dass sich die Nichtigkeitsfolge nicht überzeugend rechtfertigen ließe. Zwar sei richtig, dass die Annahme einer Primärpflicht mangels Erfüllbarkeit sinnlos ist. Jedoch hindere dies nicht daran, den Vertrag als wirksam anzusehen und den Schuldner – wie auch bei nachträglicher Unmöglichkeit gemäß §§ 323, 325 BGB a.F. – auf das Erfüllungsinteresse haften zu lassen.13 Als unbillig wurde zudem die uneinheitliche Behandlung von anfänglicher Unmöglichkeit und anfänglichem Unvermögen empfunden.14 Während die §§ 306 f. BGB a.F. nur für Fälle anfänglicher objektiver Unmöglichkeit Anwendung fanden,15 war das anfängliche Unvermögen überhaupt nicht einfachgesetzlich geregelt. Die herrschende Meinung sah in diesem Fall eine verschuldensunabhängige Haftung des Schuldners auf das positive Interesse vor.16 Dies wurde damit begründet, dass der Schuldner mit der Abgabe des Leistungsversprechens zugleich stillschweigend eine Garantie für sein Leistungsvermögen übernahm.17 Den Bedenken des Schrifttums trug letztlich auch die Judikatur im Wege einer restriktiven Auslegung des § 306 BGB a.F. Rechnung. So bestand im Mietrecht eine Ausnahme von der Nichtigkeitsanordnung für den Fall anfänglicher unbehebbarer Mängel an der Mietsache.18 Eine weitere Ausnahme

10 Vgl. Becker, Absurde Verträge, S. 19; Raab, Austauschverträge mit Drittbeteiligung, S. 230. Eine umfassend historische Untersuchung des Nichtigkeitsdogmas findet sich bei Arp, Anfängliche Unmöglichkeit. 11 § 306 BGB a.F. lautete: „Ein auf eine unmögliche Leistung gerichteter Vertrag ist nichtig.“. 12 Rabel, Das Recht des Warenkaufs I, S. 121, sprach von einer historisch falschen Verallgemeinerung der römischen Stipulationslehre. 13 Vgl. Raab, Austauschverträge mit Drittbeteiligung, S. 230. 14 Vgl. Rabel, Das Recht des Warenkaufs I, S. 37 f.; Bach, Leistungshindernisse, S. 230 f. 15 Dies ergab sich zwingend aus dem Wortlaut des § 306 BGB a.F. sowie dessen Ursprung im römischrechtlichen Nichtigkeitsdogma. 16 Für die herrschende Meinung BGHZ 110, 196 (199); BGH NJW 1983, 2873, 2874; BGH WM 1983, 841, 843; Wolf, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, § 306 Rn. 25 f. 17 Wolf, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, § 306 Rn. 25, Wallow, Risikozuweisung und Vertragshaftung, S. 20 m.w.N. 18 BGH NJW 1999, 635: Aus §§ 537, 538 BGB a.F. folgerte der BGH, dass § 306 BGB nicht anwendbar ist, wenn das Fehlen des vereinbarten Zustands zugleich einen Sachman-

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Historische Einführung

fand sich im Werkvertragsrecht für den Fall technischer Unmöglichkeit.19 Und auch im Kaufrecht bediente man sich in einer Vielzahl von Fällen der Annahme einer Garantie, um die Nichtigkeitsanordnung des § 306 BGB a.F. zu umgehen.20 Die Mixtur aus fehlender dogmatischer Fundierung, restriktiver Anwendung durch die Gerichtspraxis sowie der Vielzahl ungeklärter Einzelprobleme21 bestätigte schlussendlich die Feststellung Krückmanns, § 306 BGB a.F. sei „praktisch und theoretisch nicht besseres wert, als möglichst unschädlich gemacht zu werden.“22

D. Die Schuldrechtsmodernisierung Der Diskurs mündete in der Schaffung des § 311a BGB im Zuge der Schuldrechtsreform.23 Die Vorschrift war eine der wenigen Neuregelungen, die sich nicht in der bloßen Kodifikation gefestigter Rechtsprechung erschöpften.24 § 311a BGB nahm eine völlige Neuordnung der Fälle anfänglicher Unmöglichkeit vor und hatte damit echten Reformcharakter. Bereits die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts nach § 311a Abs. 1 BGB stand im fundamentalen Gegensatz zur früheren Nichtigkeitsanordnung des § 306 BGB a.F. Und auch die Haftung im Falle anfänglicher Unmöglichkeit wurde in erheblichem Maße umgestaltet. Während nach altem Recht noch eine Haftung auf das negative Interesse vorgesehen war, begründete § 311a Abs. 2 BGB nun unter selbigen Voraussetzungen eine Schadensersatzpflicht gerichtet auf das positive Interesse. Die Schaffung des § 311a BGB war durch eine doppelte Gleichstellungstendenz geprägt.25 Zum einen sollte der von vielen Seiten propagierte Gleichlauf der Haftung bei nachträglicher und anfänglicher Unmöglichkeit erreicht gel darstelle. So könne es nicht sein, dass Gewährleistungsansprüche nur im Falle nachträglich eintretender Mängel entstehen, bei anfänglichen Mängeln der Vertrag aber nach § 306 BGB nichtig ist. 19 BGHZ 54, 236 = JZ 1971, 134 m. Anm. Lieb: Der BGH begründete die Ausnahme auch hier mit einem Vorrang der Gewährleistungsvorschriften §§ 633 ff. BGB a.F. 20 Etwa OLG Hamburg SeuffA 65, Nr. 160 („Thekla Bohlen“). 21 Siehe dazu Wallow, Risikozuweisung und Vertragshaftung, S. 18, Fn. 30. 22 Krückmann, AcP 101 (1907), S. 1, 120. 23 Zur Neuregelung der Unmöglichkeitsfolgen im Zuge der Schuldrechtsreform: Bach, Leistungshindernisse, S. 254 ff. 24 Vgl. Grigoleit, FS Köhler (2014), S. 183; anders die Interpretation Wallows, Risikozuweisung und Vertragshaftung, S. 418: Die in § 311a Abs. 2 BGB statuierte Erfüllungshaftung sei demnach eine Fortführung der bereits vor der Schuldrechtsreform bestehenden Rechtsprechungstendenz, die Haftung in Unmöglichkeitsfällen dem Garantieprinzip zu unterwerfen. 25 Grigoleit, FS Köhler (2014), S. 183, 185.

D. Die Schuldrechtsmodernisierung

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werden. Haftungsvoraussetzungen und Haftungsumfang sollten nicht mehr vom bloßen Zeitpunkt des Eintritts der Unmöglichkeit abhängen, der häufig zufällig und zudem schwer beweisbar ist.26 Zum anderen wurden anfängliche objektive Unmöglichkeit und anfängliches Unvermögen unter dem einheitlichen Haftungsregime des § 311a Abs. 2 BGB zusammengefasst. Diese positivrechtliche Umwälzung führte in der Folge zu einer intensiven Kontroverse über das dogmatische Fundament und die rechtsethische Legitimation des § 311a BGB im deutschen Schrifttum.

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BT-Drucks. 14/6040, S. 165; Canaris, FS Heldrich (2005), S. 11, 20; Grigoleit, FS Köhler (2014), S. 183, 185.

Erstes Kapitel

Forschungsstand und Defizite der derzeitigen Dogmatik A. Kritik an der neuen Vorschrift des § 311a Abs. 2 BGB Die Haftung des Schuldners nach § 311a Abs. 2 BGB wurde früh zum Gegenstand intensiv geführter wissenschaftlicher Auseinandersetzungen.1 Dogmatische Schwierigkeiten bereitete insbesondere die Kombination aus vorvertraglicher Pflichtverletzung und Haftung auf das Erfüllungsinteresse. Altmeppen sah darin einen „eklatanten Verstoß gegen Grundsätze der Schadensdogmatik“2 und attestierte den Verfassern des Entwurfs gar „eine oberflächliche Arbeitsweise“ sowie „ein unterentwickeltes Verständnis für die Sachzusammenhänge“.3 Ausgehend vom Verschuldenserfordernis des § 311a Abs. 2 S. 2 BGB, das die Haftung des Schuldners unter den Vorbehalt der Kenntnis oder der fahrlässigen Unkenntnis des Leistungshindernisses stellt, folgerte Altmeppen, dass die hierdurch indizierte Verhaltenspflicht nur in der unterlassenen Aufdeckung und Aufklärung über anfängliche Leistungshindernisse im Zeitpunkt der Vertragsanbahnung liegen könne.4 Deren Verletzung gereiche aber unter Zugrundelegung der Differenzhypothese – wie alle vorvertraglichen Pflichtverletzungen – allenfalls zu einer Haftung auf das negative Interesse. Denn hätte der Schuldner die Unmöglichkeit der Leistung gekannt und darüber aufgeklärt, wäre es erst gar nicht zum Vertragsschluss gekommen. In der Tat wäre die Haftung auf das positive Interesse in § 311a Abs. 2 BGB nach diesem Verständnis nur auf eine fehlerhafte Anwendung oder gar Missachtung der in § 249 Abs. 1 BGB niedergelegten Differenzhypothese zurückzuführen. Verheerend fiel auch das Urteil Lobingers zur Haftungsvorschrift des § 311a Abs. 2 BGB aus. Er befürchtete gar einen „gesetzgeberischen Willkürakt“, da ohne eigentlichen Sachgrund dieser eine Fall der

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Siehe insbesondere die Auseinandersetzung zwischen Altmeppen und Canaris: Altmeppen, DB 2001, S. 1399, 1400 f.; erwidernd Canaris, DB 2001, S. 1815, 1817 ff.; replizierend Altmeppen, DB 2001, S. 1821, 1822 f. 2 Altmeppen, DB 2001, S. 1399, 1400. 3 Altmeppen, DB 2001, S. 1399, S. 1402, Fn. 31. 4 Altmeppen, DB 2001, S. 1399, 1400; auch Canaris, in: Schulze/Schulte-Nölke (Hrsg.), Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, S. 43, 57, 60.

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Erstes Kapitel: Forschungsstand und Defizite der derzeitigen Dogmatik

culpa in contrahendo plötzlich ganz anders behandelt würde als alle anderen.5 Ausgehend von der Feststellung, dass bisher noch keine schlüssige dogmatische noch sachliche Begründung für die Erfüllungshaftung bei anfänglichen Leistungshindernissen gefunden wurde,6 plädierte Lobinger dafür, die Haftungsvorschrift des § 311a Abs. 2 BGB nur auf Vorsatzfälle anzuwenden und im Übrigen die Haftung auf das negative Interesse zu reduzieren.7

B. Die Gesetzesbegründung I. Abstraktion von Verschulden und Haftungsgrund Der Gesetzesbegründung nach gestaltet sich die Haftungsanordnung aus § 311a Abs. 2 BGB wie folgt: Die Haftung in Höhe des Erfüllungsinteresses folgt demnach „aus der Nichterfüllung des – nach § 311a Abs. 1 BGB – wirksamen Leistungsversprechens.“8 Diese dogmatische Einordnung wird begleitet von der Feststellung, dass man mit dem tatbestandlichen Erfordernis eines vorvertraglichen Informationsverschuldens in § 311a Abs. 2 S. 2 BGB nunmehr auch für Fälle anfänglicher Unmöglichkeit auf das Verschuldensprinzip übergegangen sei, welches sich „sowohl durch höhere rechtsethische Überzeugungskraft als auch durch größere Flexibilität“ auszeichne.9 Auch Canaris sieht in § 311a Abs. 2 S. 2 BGB das Verschuldensprinzip als Grundlage jeder Schadensersatzhaftung bestätigt.10 Bemerkenswert an dieser dogmatischen Einordnung des § 311a Abs. 2 BGB ist die Abkopplung des Verschuldenselements vom Haftungsgrund. Demnach wäre dem Verschuldensprinzip stets schon dann Rechnung getragen, wenn das Verschuldenselement nur in irgendeiner Form in den Haftungstatbestand eingefasst ist. Eine haftungsbegründende Relevanz wird dem Verschulden dagegen gänzlich abgesprochen. So folge die Haftung nach der Gesetzesbegründung allein aus dem Faktum der Nichterfüllung.11 Diese 5

Vgl. Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, S. 281; jüngst Benedict, Culpa in Contrahendo I, S. 651: „Hybridnorm“. 6 Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, S. 281. 7 Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, S. 295 f., 363 f. 8 BT-Drucks. 14/6040, S. 165. 9 BT-Drucks. 14/6040, S. 165. 10 Canaris, JZ 2001, S. 499, 506; ders., FS Heldrich (2005), S. 11, 21 ff. 11 Pointiert formuliert Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung, S. 252: „Die Nichterfüllung des Leistungsversprechens ist etwas anderes als die schuldhafte Verletzung einer Informationspflicht und beides hat gar nichts miteinander zu tun: trotz schuldhafter Verletzung einer Informationspflicht kann das Leistungsversprechen erfüllt werden, wie umgekehrt auch das Leistungsversprechen unerfüllt bleiben kann, ohne daß eine schuldhafte Informationspflichtverletzung vorliegt.“.

B. Die Gesetzesbegründung

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eigenwillige Vorstellung des Verschuldensprinzips wird durch Canaris in einem späteren Festschriftenbeitrag aus dem Jahre 2005 nochmals vehement verteidigt, in dem er sich für eine strikte Abstraktion von Haftungsgrund und Zurechnungselement ausspricht. Danach bilde das Verschuldenserfordernis aus § 311a Abs. 2 S. 2 BGB lediglich das Zurechnungselement, während der Haftungsgrund allein in der Nichterfüllung des vertraglichen Leistungsversprechens zu erkennen sei.12 Tatsächlich aber zeigen die nachfolgenden Ausführungen, dass es erst die Verwobenheit von Verschulden und Haftungsgrund ist, welche der Verschuldenshaftung die in der Gesetzesbegründung postulierte „rechtsethische Überzeugungskraft“13 verleiht.

II. Verschulden und Haftungsgrund 1. Das rechtsethische Fundament der Verschuldenshaftung: Selbstverantwortung – Sanktion – Restitution Das Verschuldenserfordernis wurzelt in den übergeordneten Prinzipien der Selbstbestimmung und Selbstverantwortung.14 Es wird gewährleistet, dass den Schuldner die Haftung nicht willkürlich, sondern nur als Folge vorwerfbaren Verhaltens trifft.15 Vorwerfbar kann dabei freilich nie ein erlaubtes, sondern allein rechtswidriges Verhalten sein,16 weshalb vor dem Hintergrund des Selbstverantwortungs- und Selbstbestimmungsprinzips allein rechtswidrige Verhaltensweisen zum Bezugspunkt des Verschuldens taugen.17 Dieser im Verschulden enthaltene Rechtswidrigkeitsvorwurf bildet wiederum den Anknüpfungspunkt für die im Rahmen des Verschuldensprinzips verfolgten Haftungszwecke der Sanktion und Restitution. Der Begriff der Sanktion meint das Inkraftsetzen von Recht und Gesetz durch Strafmaßnahmen, die für den Fall einer Rechtsverletzung angedroht werden. Ziel der

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Canaris, FS Heldrich (2005), S. 11, 25 ff.; krit. Bach, Leistungshindernisse, S. 256. BT-Drucks. 14/6040, S. 165. 14 Zur Selbstverantwortung als Prinzip höherer Ordnung: Wolf, in: Soergel, 13. Aufl. 2000, Einl. zum BGB, Rn. 22, 46 f. 15 Vgl. Wolf, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, § 276 Rn. 17: „Verschulden ist Vorwerfbarkeit“; ebenso Pfeiffer, in: Soergel, 13. Aufl. 2014, § 276 Rn. 21; Schapp, FS Kollhosser, S. 619, 622. 16 Wolf, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, § 276 Rn. 18, 21 f.; ebenso Pfeiffer, in: Soergel, 13. Aufl. 2014, § 276 Rn. 22, 25 f. 17 Der Umstand, dass nur rechtswidriges Handeln und Unterlassen schuldhaft begangen werden kann, ist ein Grundsatz allgemeiner zivilistischer Dogmatik: vgl. Schapp, JZ 2001, S. 583, 585; Heuser, Jura 2012, S. 663, 665; Wolf, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, § 276 Rn. 18; ebenso Pfeiffer, in: Soergel, 13. Aufl. 2014, § 276 Rn. 22; Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 392. 13

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Erstes Kapitel: Forschungsstand und Defizite der derzeitigen Dogmatik

Sanktion ist es somit, die konkrete Verwirklichung von Recht und Gesetz sicherzustellen.18 Der Restitutionsgedanke wiederum begrenzt die Sanktion auf die Wiedergutmachung des durch die Rechtsverletzung verursachten Schadens.19 Als Leitideen lassen sich Sanktion und Restitution damit unter dem Gebot der ausgleichenden Gerechtigkeit zusammenfassen,20 welches die Grundvoraussetzung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt bildet. Denn nur eine Privatrechtsordnung, die auf der Grundmaxime des Ausgleichs rechtswidrig verursachter Schäden fußt und damit zugleich ihre präventive Abwehr gewährleistet, kann Selbstjustiz vorbeugen und die geordnete Verteilung der Wirtschaftsgüter sicherstellen.21 Es lässt sich festhalten, dass es im Rahmen des Verschuldensprinzips gerade um die präventive Abwehr und Wiedergutmachung rechtswidriger Vermögensbeeinträchtigungen geht. Treffend formuliert Deutsch22: „Die Rechtswidrigkeit bildet […] die Grundlage für das Verschuldensprinzip. Sie enthält das ethische Fundament der Haftung, nämlich die Festlegung der Verteidigungslinie der Rechtsordnung.“ Die Haftung baut mithin direkt auf dem Rechtswidrigkeitsmoment auf,23 was sich auf dogmatischer Ebene durch die Verortung der Rechtswidrigkeit im haftungsbegründenden Tatbestand äußert. Ruft man sich nun noch in Erinnerung, dass die Rechtswidrigkeit gleichzeitig Ausschnitt des Schuldvorwurfs ist, wird die Rolle des Verschuldens als durchgehender Zusammenhang des haftungsbegründenden Gesamttatbestands und die sich hieraus ergebende rechtethische Legitimation der Verschuldenshaftung deutlich. Es geht letztlich um die Sanktionierung des den Verschuldensvorwurf auslösenden rechtswidrigen Verhaltens sowie die Wiedergutmachung der hierdurch verursachten Schäden.24

18 Vgl. Picker, JZ 1987, S. 1041, 1044: Die vertragliche Schadensersatzhaftung ist „ihrer Natur nach Sanktion.“. 19 Vgl. Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 288, 322 f. 20 Vgl. Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 286 f., 322 f.; Picker, JZ 1987, S. 1041, 1048: „Die Haftung auf Wiedergutmachung eines Schadens, der durch ein grundsätzlich als „widerrechtlich“ bewertbares zurechenbares Verhalten herbeigeführt wurde, entspricht einer zeitlosen Rechtsüberzeugung und einem Elementarsatz auch des geltenden Rechts. Als Leitidee und nur erst allgemeinstes Prinzip stellt dieser Satz, der in dem Gebot des neminem laedere seinen lapidaren historischen Ausdruck fand, sozusagen schiere Gerechtigkeit dar.“. 21 Vgl. Picker, JZ 1987, S. 1041, 1048. 22 Deutsch, Allg. Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 226. 23 Heuser, Jura 2012, S. 663, 665. 24 Heuser, Jura 2012, S. 663: „Verschuldensmodell als Haftungsbegründungsmodell“.

B. Die Gesetzesbegründung

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2. Das Verschuldensprinzip im Leistungsstörungsrecht des BGB Im Leistungsstörungsrecht des BGB erfährt das Verschuldensprinzip seine Verwirklichung in der Haftungsgrundnorm des § 280 Abs. 1 BGB, wonach der Schuldner im Falle der Pflichtverletzung zum Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verpflichtet wird. Auch hier erfolgt also eine Sanktionierung pflichtwidrigen Verhaltens im Wege des wertmäßigen Ausgleichs in Höhe des Leistungsinteresses. Gegen die Annahme einer Verschuldenshaftung im vorgenannten Sinne spricht hierbei nicht, dass in § 280 Abs. 1 BGB nun zwischen Pflichtverletzung und Verschulden (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 276 BGB) formaljuristisch differenziert wird.25 Zwar ist richtig, dass das Verschuldenselement durch die Verlagerung auf die Ebene des Vertretenmüssens von der in § 280 Abs. 1 S. 1 BGB fixierten Pflichtverletzung tatbestandlich abgetrennt wurde. Jedoch bezieht sich das Verschulden nach wie vor gerade auf die Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Abs. 1 S. 1 BGB, d.h. bei nachträglicher Unmöglichkeit auf das die Unmöglichkeit verursachende Verhalten, bei Verzug auf das verzugsbegründende Verhalten oder bei positiver Vertragsverletzung auf die Schlechtlieferung oder die Verletzung der Nebenpflichten.26 Diese Einheit von Pflichtverletzung und Verschulden stellt sicher, dass der im Verschuldensvorwurf enthaltene Unrechtsverstoß weiterhin den maßgeblichen Anknüpfungspunkt der Haftung bildet. Dies verleiht der Haftung nach den §§ 280 ff. BGB sodann ihre rechtsethische Legitimation: die Sanktionierung der schuldhaften Beeinträchtigung des Leistungsverhältnisses durch den Schuldner. Oder in den Worten Jherings ausgedrückt: „Nicht der Schaden verpflichtet zum Schadensersatz, sondern die Schuld.“27

III. Die Haftung nach § 311a Abs. 2 BGB im Lichte des Verschuldensprinzips Die dogmatische Struktur des § 311a Abs. 2 BGB ist nunmehr auf Basis dieser Einsichten über die rechtsethischen Grundlagen der Verschuldenshaftung zu beleuchten. Nicht aufrechterhalten lässt sich dabei vor allem das in der Gesetzesbegründung formulierte Haftungsverständnis, wonach es sich bei § 311a Abs. 2 BGB um eine Verschuldenshaftung handele, deren Haftungsgrund in der Nichterfüllung des vertraglichen Leistungsversprechens liege. Denn dem Faktum der Nichterfüllung fehlt es mangels individueller Vorwerfbarkeit an 25

So aber Canaris, FS Heldrich (2005), S. 11, 28. Wolf, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, § 276 Rn. 18; nachfolgend Pfeiffer, in: Soergel, 13. Aufl. 2014, § 276 Rn. 21, 22. 27 Jhering, Das Schuldmoment im römischen Privatrecht, S. 40. 26

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dem für die Haftungslegitimation erforderlichen Unrechtsgehalt.28 So ist der Schuldner in Fällen anfänglicher Unmöglichkeit bereits bei Vertragsschluss gemäß § 275 BGB von der vertraglichen Leistungspflicht befreit. Zudem hat er zumeist keinen Ursachenbeitrag hinsichtlich des Leistungshindernisses geleistet. Es lässt sich daher nicht rechtfertigen, in der Nichterfüllung ein Rechtswidrigkeitsmoment zu erkennen,29 sodass die Haftung nach § 311a Abs. 2 BGB aufgrund des Fehlens eines sanktionswürdigen Rechtsverstoßes einem verschuldensbasierten Haftungsverständnis entzogen ist. Zwar enthält auch der Tatbestand des § 311a Abs. 2 BGB mit der Voraussetzung der Kenntnis beziehungsweise des Kennenmüssens (Satz 2) anfänglicher Leistungshindernisse ein Verschuldenselement. Der darin enthaltene Unrechtsvorwurf liegt aber in einer vorvertraglichen Informationspflichtverletzung, die unter Zugrundelegung des Restitutionsgedankens lediglich eine Haftung auf das negative Interesse auslösen kann.30 So zielt die Verschuldenshaftung nicht auf eine Vermögensaufstockung, sondern soll allein die Schäden ausgleichen, die der Gläubiger durch das schuldhafte, rechtswidrige Verhalten (hier: die vorvertragliche Informationspflichtverletzung) erlitten hat (§ 249 Abs. 1 BGB).31 Der Gläubiger wäre folglich so zu stellen, als hätte der Schuldner sich über seine Leistungsfähigkeit vergewissert und über die Unmöglichkeit aufgeklärt; mithin als wäre kein Vertrag zu Stande gekommen. Eine Haftung auf das Erfüllungsinteresse aber lässt sich mangels haftungsausfüllender Kausalität nicht rechtsfertigen.32 Es wird damit deutlich, dass das vom Gesetzgeber verfolgte Reformziel, auch die Regelung anfänglicher Unmöglichkeit dem Verschuldensprinzip zu unterwerfen,33 verfehlt wurde. Jedenfalls kann die Regelung des § 311a Abs. 2 BGB die dem Verschuldensprinzip zugrundeliegenden Grundgedanken der

28 Grigoleit, FS Köhler (2014), S. 183, 186, meint, dass keine sachgesetzliche Notwendigkeit bestünde, die vertraglichen Schadensersatzerfolgen aus der Verletzung einer Verhaltenspflicht abzuleiten. Dem ist zwar zuzustimmen. Jedenfalls kann dann aber nicht mehr von einer Verschuldenshaftung gesprochen werden. 29 Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 388 f. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn man mit Finn, Erfüllungspflicht und Leistungshindernis, S. 320 ff., annimmt, die Leistungspflicht bestehe bei anfänglicher Unmöglichkeit zumindest für eine „juristische Sekunde“. Denn auch nach diesem Verständnis lässt sich aufgrund der jedenfalls faktischen Unmöglichkeit der Erfüllung kein Unrechtsvorwurf konstruieren. 30 Siehe dazu vor allem die unter A. dargestellte Kritik Lobingers und Altmeppens. 31 Korth, Minderung beim Kauf, S. 157; Jansen, Struktur des Haftungsrechts, S. 373 ff.; Lobinger, GPR 2008, S. 262, 268 ff.; Wendehorst, Anspruch und Ausgleich, S. 83, 529; Picker, FS Lange (1992), S. 625, 660 ff. 32 Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 389. 33 Vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 165; Canaris, JZ 2001, S. 499, 506; ders., FS Heldrich (2005), S. 11, 21 ff.

C. Die Auffassung Canaris

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Sanktion und Restitution nicht in sich vereinen. Denn während die Nichterfüllung mangels sanktionierbaren Unrechtsverstoßes nicht zur Haftungsgrundlage taugt, vermag die Verletzung der vorvertraglichen Informationspflicht aus § 311a Abs. 2 BGB allenfalls eine Haftung in Höhe des negativen Interesses auslösen.34 Mit Sutschet lässt sich so durchaus statuieren, dass „dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetzgeber die Grundsätze der Verschuldenshaftung [...] nicht klar waren“35; das Reformvorhaben vielmehr „ein beredtes Zeugnis dafür ab[gibt], wie wenig die Voraussetzungen der Verschuldenshaftung in der deutschen Zivilrechtsdogmatik reflektiert werden.“36

C. Die Auffassung CanarisÆ I˘. Haftung aus der Garantie Während sich Canaris anfangs noch mit dem bloßen Ausspruch begnügte, die Haftung nach § 311a Abs. 2 BGB folge aus der Nichterfüllung,37 führte er erst im weiteren Verlauf der Diskussion jenem Haftungskonzept eine dogmatische Rechtfertigung zu. So ist die „Haftung aus der Nichterfüllung“ keineswegs naturgemäß vorgegeben. Zwar ist man sich hinsichtlich der grundsätzlichen Gewährung von Sekundäransprüchen als Folge vertraglicher Leistungsstörungen über die Grenzen der Rechtssysteme hinweg einig.38 Die konkrete Haftungskonzeption bedarf aber stets einer Rationalisierung durch übergeordnete Grundsätze. Dies zeigte sich schon im Rahmen des dargestellten Verschuldensprinzips aus §§ 280 ff. BGB, welches sich durch die Sanktionierung des schuldhaften Rechtsverstoßes und die Restitution hierdurch entstandener Schäden legitimiert. Die im Hinblick auf § 311a Abs. 2 BGB postulierte Haftung aus der Nichterfüllung folgt nach Canaris aus einer dem Leistungsversprechen innewohnenden Garantie des Schuldners. Dies ist bemerkenswert, hatte Canaris noch zuvor die Annahme einer Garantie als „glatte petitio principii“39 abgelehnt.40 34

Das Auseinanderfallen von Haftungsgrund und Zurechnungsprinzip kritisiert auch Bach, Leistungshindernisse, S. 256. Konsequent sei danach nur eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung auf das positive Interesse oder aber eine Verschuldenshaftung auf das negative Interesse. 35 Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung, S. 253. 36 Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung, S. 114. 37 Vgl. Canaris, JZ 2001, S. 499, 506 f. 38 Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 285. 39 Canaris, JZ 2001, S. 499, 506. 40 Ebenfalls auf diese Inkonsistenz hinweisend: Stringari, Haftung des Verkäufers für mangelbedingte Schäden, S. 82, Fn. 332; sowie Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung, S. 256 f., der ebenfalls von einer „gewandelten Auffassung“ spricht. Lobin-

20

Erstes Kapitel: Forschungsstand und Defizite der derzeitigen Dogmatik

Den Widerspruch versuchte Canaris mit einem Verweis auf die vermeintliche Doppelsinnigkeit des Begriffs „Garantie“ aufzulösen. Demnach sei jene die Haftung des § 311a Abs. 2 BGB begründende „Normalgarantie“41 von der erweiterten Garantie im Sinne des § 276 Abs. 1 BGB zu unterscheiden. Letztere führe zu einer strikten verschuldensunabhängigen Einstandspflicht und setze eine gesonderte Erklärung des Schuldners voraus, unter allen Umständen für die Nichterfüllung einstehen zu wollen.42 Demgegenüber sei die „Normalgarantie“ organischer Bestandteil jeder vertraglichen Einigung. Dem Erklärungsakt auf Schuldnerseite wohne demnach stets ein Leistungsversprechen doppelten Inhalts inne: So verspreche der Schuldner in erster Linie die Erfüllung der Leistungspflicht in Natur. Gleichzeitig soll das Leistungsversprechen aber auch die Zusage enthalten, zur Leistung imstande zu sein und für den Fall, dass dies nicht zutrifft, statt der Leistung ein Geldäquivalent zu leisten.43

II. Der unzureichende Rekurs auf den Parteiwillen Eine Kritik dieser Interpretationsweise des § 311a Abs. 2 BGB muss zunächst vom Sinngehalt des Garantiebegriffs ausgehen. Dieser wird dahingehend verstanden, dass hilfsweise für den Fall des Ausbleibens des Erfolgs eine Geldzahlung versprochen wird.44 Grundlage einer Garantiehaftung ist damit stets der Parteiwille. In einer vom Grundsatz der Privatautonomie beherrschten Privatrechtsordnung erscheint eine solche Rückführung der Vertragshaftung auf den Parteiwillen in besonderem Maße reizvoll. So liefert allein der Rekurs auf den Parteiwillen die sachliche Rechtfertigung für die Haftungsordnung. Die Haftung träfe den Schuldner demnach allein, weil die Parteien den Eintritt der Rechtsfolgen wollten. Die vermeintliche Einfachheit dieser Lösung markiert zugleich ihr größtes Defizit. Denn wenn es den Charakter des Rechtsgeschäfts ausmacht, den Parteien die autonome Setzung von Rechtsfolgen zu ermöglichen, so muss sich folgerichtig auch das subjektive Element der betreffenden Willenserklärungen hierauf beziehen.45 Der Parteiwille ist jedoch allein auf die Erbringung der originären Leistung gerichtet. Bezüglich der Haftung bei Nichterfüllung hat sich regelmäßig kein hinreichend konkretisierter Parteiwille geger, GPR 2008, S. 262, 269, kritisiert den Beitrag CanarisÆ als einen gescheiterten „Rettungsversuch“. 41 Canaris, DB 2001, 1815, 1818 f., auch unter Verweis auf Heck, Grundriss des Schuldrechts, § 47, 3 (142). 42 Canaris, FS Heldrich (2005), S. 11, 31. 43 Canaris, FS Heldrich (2005), S. 11, 30. 44 So selbst Canaris, FS Heldrich (2005), S. 11, 30; auch Windel, JR 2004, S. 265, 266. 45 Canaris, FS BGH I (2000), S. 129, 139.

C. Die Auffassung Canaris

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bildet. Die Vertragsparteien hegen allenfalls die vage Vorstellung, dass ein Vertragsbruch Rechtsfolgen nach sich ziehen müsse. Für die weiteren Einzelheiten, wie Haftungsumfang oder Haftungsvoraussetzungen, ist der Parteiwille aber unergiebig.46 Dieser grundsätzliche Einwand gegen eine willensbasierte Deutung der Sekundäransprüche tritt noch deutlicher im Falle anfänglicher Fehlvorstellungen über die Möglichkeit der Leistung hervor. Denn schließen die Parteien einen Vertrag, gehen sie auch davon aus, dass die darin vereinbarten Verpflichtungen erfüllbar sind. In aller Regel halten es die Parteien daher für ausgeschlossen, dass ein Irrtum hinsichtlich der Möglichkeit der Leistung bestehen könnte, sodass eine vertragliche Absprache hierüber gar nicht erst in Erwägung gezogen wird.47 Die Deutung der vertraglichen Vereinbarung dahingehend, dass der Schuldner versichert, zur Leistung imstande zu sein, und andernfalls eine entsprechende Geldzahlung zu leisten, stellt nach den vorstehenden Überlegungen eine substanzlose Fiktion dar.48 Die Schwächen des garantiebasierten Erklärungsansatzes setzen sich sodann bei der Einordnung der Haftungsbefreiung nach § 311a Abs. 2 S. 2 BGB fort. Denn entnimmt man der Vertragserklärung die Zusage, im Falle der Nichterfüllung statt der Leistung ein Geldäquivalent zu leisten, so erscheint jede weitere Einschränkung der Haftung geradezu willkürlich. Die Aufrechterhaltung der garantiebasierten Haftungskonzeption könnte nur um den Preis weiterer Fiktionen gelingen.49 Demnach müsste die Garantieerklärung des Schuldners um den willentlichen (!) Vorbehalt ergänzt werden, den Nichterfüllungsschaden nur dann ersetzen zu wollen, wenn er das Leistungshindernis kannte oder infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte.50 Die Unterstellung, eine derart komplexe Haftungsstruktur wäre auch nur im Ansatz vom Willen der Parteien getragen, erweist sich aber als nicht nachprüfbar und offenbart die fundamentalen Defizite der garantiebasierten Haftungstheorie: die mangelnde Nachvollziehbarkeit ihrer Prämissen und fehlende Schlüssigkeit ihrer Aussagen.

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Grigoleit, FS Köhler (2014), S. 183, 189. Allgemein zu anfänglichen Fehlvorstellungen und vertraglicher Risikoübernahme: Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 111. 48 Der Fiktionsvorwurf findet sich auch bei Rabel, FS Bekker (1907), S. 171, 235; Heck, Grundriss des Schuldrechts, S. 142; Oertmann, AcP 140 (1935), S. 129, 147; Grigoleit, FS Köhler (2014), S. 183, 189; Lobinger, GPR 2008, S. 262, 270: „fiktionsbedingt erweitertes Leistungsversprechen“; ders., Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, S. 226; Titze, Unmöglichkeit der Leistung, S. 259: „Vergewaltigung des Parteiwillens“. 49 Vgl. Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, S. 50; Hammen, FS Hadding (2004), S. 41, 49. 50 So Canaris selbst: DB 2001, 1815, 1819; krit. Hammen, FS Hadding (2004), S. 41, 49: „Welcher vernünftige Mensch würde etwas Derartiges erklären?“. 47

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Erstes Kapitel: Forschungsstand und Defizite der derzeitigen Dogmatik

III. Der „hypothetische“ oder „typische Parteiwille“ Schließlich lässt sich dem Vorwurf der bloßen Fiktion nicht dadurch entgehen, dass man zur Haftungsbegründung nicht auf den tatsächlich vorhandenen Parteiwillen abstellt, sondern § 311a Abs. 2 BGB als „gesetzliche Ausgestaltung des typischen Parteiwillens“ begreift.51 1. Die willensexklusive Deutung der Vertragspflichten in der Tradition Savignys Die weithin verbreitete Rückführung einfachgesetzlich geregelter Vertragswirkungen auf den durchschnittlichen52 oder typischen Parteiwillen findet ihren Ursprung im Rechtsverständnis Savignys, der – geprägt durch die Kantsche Philosophie von der sittlichen Autonomie der Person53 – das Recht der Obligationen „als ein Gebiet unabhängiger Herrschaft des individuellen Willens“ verstand.54 Die konzeptionelle Schwierigkeit, der sich Savigny dabei ausgesetzt sah, lag nun in der Einordnung solcher Rechtswirkungen, welche sich nicht aus dem ausdrücklichen Inhalt der Parteivereinbarung ableiten ließen, sondern den Regelungen des einfachen Gesetzesrechts entsprangen. Zur Wahrung seines Postulats einer rein individualistisch-willensbasierten Vertragsrechtsordnung konnte er besagte Regelungsanordnungen jedenfalls nicht als schlicht außervertraglich, willensunabhängig und als von heteronomen Wertungen des objektiven Gesetzesrechts durchdrungen begreifen.55 Es bedurfte eines Bindeglieds zwischen dem Inhalt der gesetzlichen Regelungen und dem allein maßgeblichen Parteiwillen, welches Savigny in der Figur des hypothetischen Parteiwillens gefunden zu haben glaubte. Demnach seien wenigstens die dispositiven (wenn auch nicht die zwingenden!) Regelungen des Vertragsrechts als „bloße Auslegung des unvollständig gebliebenen Willens“ zu betrachten,56 wobei der betreffende Auslegungsmaßstab durch den sogenannten hypothetischen Parteiwillen gebildet wird, welcher sich im Wege immer wiederkehrender Geschäftspraxis als typisch herauskristallisiert ha-

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Canaris, FS Heldrich (2005), S. 11, 30, meint, dass alternativ auch von einer konkludenten Ergänzungsabrede des vertraglichen Versprechens ausgegangen werden könnte; er selbst neige aber der Figur des typischen Parteiwillens zu. Hierzu: Mückl, Vertragsbruch des Dienstleisters, S. 67. 52 So bei Jacobi, Jher. Jahrb. 4 (1861), S. 159, 255. 53 Vgl. Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, S. 70; Stoffels, Gesetzlich nicht geregelte Schuldverträge, S. 72; Dedek, Negative Haftung aus Vertrag, S. 106. Jüngst zum Einfluss der Kantschen Philosophie auf Savigny: Ikadatsu, Der Paradigmawechsel der Privatrechtstheorie, S. 12 f., 80 f. 54 Savigny, System des heutigen Römischen Rechts I, S. 334. 55 Vgl. Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, S. 73. 56 Savigny, System des heutigen Römischen Rechts I, S. 58.

C. Die Auffassung Canaris

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ben soll.57 Dergestalt vermied Savigny eine Vermengung von gewollten und ungewollten Vertragswirkungen, indem er auch das ergänzende Gesetzesrecht – wenn auch nur durch die Konstruktion eines typischen und damit hypothetischen Parteiwillens – der Willensherrschaft der Parteien unterstellte.58 Nach dem Savignyschen Rechtsverständnis gründet folglich nicht nur die Naturalerfüllungspflicht auf dem Willen der Vertragsparteien; auch jede darüber hinausgehende Verpflichtung aus der Obligation, wie die Schadensersatzpflicht bei Nichterfüllung, sei selbstgesetzt und findet ihre Quelle in der autonomen Entscheidung der vertraglich verbundenen Akteure. Die willensexklusive Deutung des dispositiven Vertragsrechts setzte sich in der Pandektistik nach Savigny fort.59 Weiter wurde das dispositive Gesetzesrecht nahezu wortgleich mit Savigny als „Auslegung des unvollständig ausgesprochenen Willens“60 aufgefasst. Um dem Parteiwillen im Rahmen dieser Auslegung maximale Geltungsmacht zu verleihen, sollte sich der Inhalt des Gesetzesrechts allein danach ausrichten, was sich im Rechtsverkehr als durchschnittlicher Parteiwille erwiesen hat. Und trotz der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufkeimenden Gegenstimmen der Rechtsgelehrten Bülow61 und Stammler62, welche in den vertragsrechtlichen Regelungen mehr eine objektive Ordnung als eine willensergänzendes Auslegungsmittel erkennen wollten63 und deren Schriften in Teilen auch in den Vorentwürfen zur Schaffung des BGB Niederschlag fanden64, blieb das pandektistische Verständnis vom willensergänzenden Gesetzesrecht auch nach Inkrafttreten des BGB vorherrschend65 und hat ausweislich obig dargestellter Ausführungen durch Canaris seine Wirkmacht bis heute bewahrt.

57 Savigny, Obligationenrecht, S. 3. Vgl. dazu die Ausführungen bei Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, S. 70 ff.; Stoffels, Gesetzlich nicht geregelte Schuldverträge, S. 72 f. 58 Vgl. Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, S. 73 f. 59 Zum Weiteren Stoffels, Gesetzlich nicht geregelte Schuldverträge, S. 73 ff. 60 Thöl, Einleitung in das deutsche Privatrecht, S. 119; Wächter, Handbuch des im Königreiche Württemberg geltenden Privatrechts II, S. 6. 61 Bülow, AcP 64 (1881), S. 1 ff. 62 Stammler, AcP 69 (1886), S. 1 ff. 63 Zur Kritik Stammlers und Bülows: Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, S. 90 f.; Stoffels, Gesetzlich nicht geregelte Schuldverträge, S. 76 ff. 64 Siehe zur Maßgeblichkeit objektiver Wertungskriterien den Ausspruch des Generalreferenten der zweiten Kommission, Mugdan I, S. 885: „Auf jeder Zeile des Obligationenrechtes finden Sie die Spur, daß der Entwurf sucht gerecht zu sein und, soweit es mit Gerechtigkeit und Billigkeit vereinbar ist, den [...] wirtschaftlich Schwachen zur Hülfe zu kommen.“ Die Rückführung besagten Ausspruchs auf die durch Bülow und Stammler vertretene Ordnungsfunktion wurde von Stoffels, Gesetzlich nicht geregelte Schuldverträge, S. 85 sowie Fn. 224, herausgearbeitet. 65 Vgl. Tuhr, Allgemeiner Teil II/1, S. 180; dazu wiederum: Stoffels, Gesetzlich nicht geregelte Schuldverträge, S. 88.

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Erstes Kapitel: Forschungsstand und Defizite der derzeitigen Dogmatik

2. Keine Übertragbarkeit der Figur des „typischen Parteiwillens“ auf die Sekundärhaftung in ihrer heutigen Gesetzesform Indes ergibt sich schon aus den durch Savigny aufgestellten Grundsätzen, dass sich die Figur des hypothetischen Parteiwillens nicht zur dogmatischen Einordnung der vertragsrechtlichen Sekundärhaftung in ihrer heutigen Gesetzesform heranziehen lässt. So betrifft die Savignysche Vorstellung eines willenssubstituierenden Gesetzesrechts ausschließlich die dispositiven Vorschriften, nicht jedoch solche des absoluten (= zwingenden) Rechts.66 Letztere verschließen sich schon deshalb einer willenssubstituierenden Einordnung, als dass deren Rechtsfolgen auch entgegen anderslautender Interessen und Intentionen der Vertragsparteien eintreten; ihnen damit keineswegs eine willensergänzende als vielmehr eine willensdurchbrechende Funktion zukommt.67 Die zwingenden Regelungen des Obligationenrechts bilden damit einen durch heteronome Wertungen geformten Ordnungsrahmen, welcher die Gestaltungsmacht der Parteien zum Schutz objektiver Interessen des Verkehrs einzuschränken vermag. Dies vorausgeschickt, bleibt zu bedenken, dass die vertragsrechtlichen Haftungsvorschriften des BGB zwar grundsätzlich der Parteidisposition zugänglich sind – sei es durch die Vereinbarung von Haftungshöchstgrenzen oder den Haftungsausschluss für fahrlässiges Verhalten. Jedoch zeigt die Limitierung der schuldnerischen Freizeichnungsmöglichkeit in Vorsatzfällen nach § 276 Abs. 3 BGB, dass das Haftungssystem der §§ 280 ff., 311a Abs. 2 BGB sektoral willensunabhängig vorgegeben ist.68 Jedenfalls für diesen Teilbereich der vertragsrechtlichen Schadensersatzhaftung ist der Rekurs auf die willenssubstituierende Rechtsfigur des typischen Parteiwillens damit von vornherein unergiebig, da die Vorsatzhaftung selbst bei ausdrücklich entgegenstehendem Parteiwillen eintritt. Allein aber die Haftung bei Fahrlässigkeit dem typischen Parteiwillen zu unterstellen, würde eine Vermengung gegenläufiger Rechtsgründe hervorrufen, welche im Widerspruch zur parallelen Ausgestaltung von Vorsatz- und Fahrlässigkeitshaftung in den uniformen Regelungen der §§ 280 ff., 311a Abs. 2 BGB stehen würde. 3. Typischer Parteiwille zumeist nicht existent Für die Mehrzahl der Rechtsfragen dürfte ohnehin fraglich sein, ob sich dahingehend überhaupt ein typischer Parteiwille gebildet hat, der noch dazu für sämtliche von einer einheitlichen Regelung umfassten Fallkonstellationen gleichlautend ist. Etwa finden auf Wohnraummietverträge, unabhängig 66

Vgl. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts I, S. 57 f. Dies betont Stoffels, Gesetzlich nicht geregelte Schuldverträge, S. 72. 68 Vgl. zum Verweisungszusammenhang von zwingendem und dispositivem Recht: Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, S. 43. 67

C. Die Auffassung Canaris

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von der Örtlichkeit des Mietobjekts (Stadt oder Land) oder der Lebenssituation des beziehenden Mieters (Student oder Senior), einheitlich die Vorschriften aus den §§ 549 ff. BGB Anwendung, obgleich den einzelnen Fallkonstellationen durchaus unterschiedliche Interessenlagen zugrunde liegen.69 Wiederum lassen sich im Bereich des dispositiven Vertragsrechts Regelungssysteme ausmachen, die sich durch ein solches komplexes Zusammenwirken unterschiedlicher Regelungsinstrumente auszeichnen, dass sie sich von vornherein dem Verständnis durchschnittlicher Vertragsparteien entziehen.70 So ließe sich kaum behaupten, das in den §§ 434 ff. BGB niedergelegte Sachmangelgewährleistungsrecht mit den aufeinander abgestimmten Käuferrechten aus Nacherfüllung, Minderung, Rücktritt und Schadensersatz würde dem durchschnittlichen Parteiwillen entspringen. Der Gesetzgeber lässt vor der Verabschiedung derartiger dispositiver Rechtsregeln keine empirische Untersuchung darüber anstellen, welche Vereinbarung der größte Teil betroffener Vertragsparteien in einer bestimmten Verhandlungssituation treffen würde, sondern begründet neugeschaffene Vorschriften zumeist damit, dass sie in der Sache angemessen sind71 und den materiellen und formellen Prinzipien des zugehörigen Regelungssystems entsprechen. Dies belegt nicht zuletzt die Gesetzesbegründung zur Schuldrechtsreform, in der zwar umfassend zu einzelnen Rechtsprinzipien Stellung genommen wird, der hypothetische oder typische Parteiwille durchschnittlicher Vertragsparteien hingegen mit keinem Wort Erwähnung findet.72 Es wird damit deutlich, dass, sofern der typische Parteiwille dennoch zur Begründung dispositiver Vorschriften des Vertragsrechts herangezogen wird, dahinter kein tatsächlich festgestelltes Willensmoment zu vermuten ist. Der typische Parteiwille kann auch keinesfalls als Substitut für den unvollständig gebliebenen wirklichen Parteiwillen verstanden werden. Er ist letztlich das Ergebnis einer Wertung und fungiert lediglich als Schlagwort für eine nach normativen Erwägungen gebotene Entscheidung.73 Soweit also der typische Parteiwille zur dogmatischen Grundlegung der hier in Rede stehenden Haftungsvorschrift des § 311a Abs. 2 BGB herangezogen wird, ist damit nichts gewonnen. Die Frage nach der rechtethischen Legitimation der Nichterfüllungshaftung wird lediglich unter dem Begriff des typischen Parteiwillens neu aufgeworfen.

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Vgl. Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, S. 102. Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, S. 103. 71 Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, S. 105. 72 Siehe BT-Drucks. 14/6040; gleichfalls hierauf verweisend: Kähler, Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, S. 105, Fn. 40. 73 Vgl. Fischer, Topoi verdeckter Rechtsfortbildungen im Zivilrecht, S. 313; Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 189. 70

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Erstes Kapitel: Forschungsstand und Defizite der derzeitigen Dogmatik

IV. Mangelnde Systemkonformität der Garantietheorie Zuletzt steht die Theorie der eingeschränkten Garantiehaftung im Widerspruch zu tragenden Prinzipien des deutschen Vertragsrechtssystems – namentlich zum Konsens- und Verschuldensprinzip. 1. Konsensprinzip und Garantiehaftung a) Das Konsensprinzip74 Nach der Grundkonzeption des BGB ist es die Übereinstimmung zweier korrespondierender Willenserklärungen, die einen Vertrag zustande bringt.75 Erst dieser Konsens setzt die lex contractus in Kraft und bildet damit die Grundlage der Vertragswirkungen.76 Nun liegt es nahe, dass die Wirksamkeit eines auf einen gegenseitigen Leistungsaustausch gerichteten Vertrags nicht nur eine einseitige Erklärung, sondern auch eine entsprechende Gegenerklärung der Gegenpartei voraussetzt.77 Erst die Annahme verleiht dem Austauschvertrag Reziprozität als notwendiges Verpflichtungselement.78 Die deutsche Rechtsgeschäftslehre geht aber noch darüber hinaus. Denn neben Austauschverträgen bedürfen auch die unentgeltlichen Geschäfte, wie Leihe und Schenkung, einer Willenseinigung, ehe sie Bindungswirkung entfalten.79 Dieses strikte Konsenserfordernis manifestiert sich in § 151 Abs. 1 S. 1 BGB, wonach der Antragende zwar auf die Erklärung der Annahme ihm gegenüber, aber eben nicht auf die Annahme selbst verzichten kann.80 Negativ ist dem Konsensprinzip endlich zu entnehmen, dass eine einseitig gebliebene (vertragliche) Willenserklärung gerade keine Vertragswirkungen in Gang setzt.81 Dies bestätigt § 311 BGB, wonach die rechtsgeschäftliche Begründung eines Schuldverhältnisses im Sinne von § 241 BGB einen Vertrag zwischen den Beteiligten erfordert.82 Allein der Vertrag als „Akt vereinigter

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Umfassend zum Konsensprinzip: Weller, Die Vertragstreue, S. 185 ff. Weller, Die Vertragstreue, S. 187 m.w.N. 76 Dedek, Negative Haftung aus Vertrag, S. 53. 77 Vgl. Dedek, Negative Haftung aus Vertrag; S. 51. 78 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 159; Dedek, Negative Haftung aus Vertrag, S. 52. 79 Dedek, Negative Haftung aus Vertrag, S. 51. Eine Ausnahme gilt einzig für die Auslobung (§§ 657 ff.), auf die aber wegen des fehlenden Konsenses die Vertragswirkungen nach §§ 311 ff., 320 ff. BGB gerade keine Anwendung finden. Vgl. Weller, Die Vertragstreue, S. 188; Schäfer, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2020, § 657 Rn. 4. 80 Weller, Die Vertragstreue, S. 188. 81 Für die fehlende Wirksamkeit einseitiger Erklärungen: Weller, Die Vertragstreue, S. 61, 188. 82 Eine Bindungswirkung einseitiger Erklärungen wie nach der Pollizitationstheorie Siegels, Versprechen als Verpflichtungsgrund, S. 45 ff. (hierzu: Zimmermann, FS Heldrich 75

C. Die Auffassung Canaris

27

Willkür“83 vermag demnach das vertragliche Pflichtenprogramm in Gang zu setzen. Oder mit Dedek formuliert: „Nicht die einzelne Willenserklärung ist damit unmittelbare Quelle der vertraglichen Obligation, sondern der nun von seinen Einzelelementen verschiedene Vertrag.“84

b) Die Haftung aus dem Leistungsversprechen im Lichte des Konsensprinzips Schon der Wortgebrauch in den Gesetzesmaterialen zu § 311a Abs. 2 BGB scheint zum vorgenannten Konsensprinzip im Widerspruch zu stehen. Dort heißt es, die Haftung auf das positive Interesse sei Folge des vertraglichen Leistungsversprechens.85 Ebenso betont Canaris unter dem Aspekt der Garantie die Bedeutung des einseitigen Erklärungsakts auf Schuldnerseite.86 Die Konzeption einer Haftung aus dem Leistungsversprechen ist maßgeblich durch die Vorarbeiten U. Hubers und Ballerstedts beeinflusst.87 Diese teilten die bereits zuvor von Rabel geprägte Annahme,88 das blanke Leistungsversprechen schaffe einen hinreichenden Legitimationsgrund für die Gewährung des Erfüllungsinteresses.89 So beruhe nach Ballerstedt „die dogmatische Rechtfertigung so mancher schuldrechtlicher Normen auf dem im Grunde so selbstverständlichen Satz […], dass der Schuldner für sein im Vertragsschluss gegebenes Wort einzustehen hat.“90 Und U. Huber meint im Hinblick auf die Haftung für anfängliches Unvermögen: „Das Gesetz tut nichts weiter, als dass es den Schuldner an seinem gegebenen Wort festhält.“91 Die Vorstellung, allein das gegebene Wort des Schuldners begründe eine genügende Haftungsgrundlage, steht im dialektischen Spannungsverhältnis zum rechtsgeschäftlichen Konsensualismus.92 Danach bilden – wie aufgezeigt – die einseitigen Erklärungen der Parteien, namentlich Angebot und An(2005), S. 427, 471 ff.), sollte durch die Vorgängervorschrift § 305 BGB a.F. gerade verhindert werden. Vgl. Weller, Die Vertragstreue, S. 61, 188; Dedek, Negative Haftung aus Vertrag, S. 51. 83 Kant, Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, § 18, S. 79. Das Konsensprinzip geht einher mit dem willenstheoretisch geprägten Vertragsverständnis Kants. Vgl. Schmidlin, in: Zimmermann (Hrsg.), Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, S. 187, 201; Dedek, Negative Haftung aus Vertrag, S. 52 f. 84 Dedek, Negative Haftung aus Vertrag, S. 52. 85 BT-Drucks. 14/6040, S. 165. 86 Vgl. nur etwa Canaris, JZ 2001, S. 499, 507; ders., FS Heldrich (2005), S. 11, 25 ff. 87 Dies gibt Canaris durchaus deutlich zu erkennen: FS Heldrich (2005), S. 11, 29. 88 Rabel, FS Bekker (1907), S. 224, 228, plädierte bei anfänglichen Leistungshindernissen für eine „einheitliche Haftbarkeit gemäß der Zusage“. 89 Dazu Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, S. 46. 90 Ballerstedt, FS Nipperdey (1955), S. 261, 270 f. 91 U. Huber, Leistungsstörungen I, S. 536, beruft sich dabei auf Traditionen aus dem Gemeinen Recht. 92 Begriff bei Gauch, FS Rey (2003), S. 543, 557.

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Erstes Kapitel: Forschungsstand und Defizite der derzeitigen Dogmatik

nahme, zwar die elementaren Komponenten der Vertragsentstehung. Ist die Willensvereinigung aber abgeschlossen und der Vertrag begründet, ist die Vertragsbeziehung allein auf die Verwirklichung des implementierten Erfüllungsprogramms gerichtet. Folgerichtig findet auch die Haftung bei Nichterfüllung – obgleich sie nicht unmittelbar aus dem Vertrag folgt – ihre Grundlage im vertraglichen Erfüllungsprogramm;93 entspringt also gerade nicht der einseitigen Willenserklärung unter dem Aspekt des Leistungsversprechens. Eine diese Konzeption besonders illustrierende Formulierung findet sich bei Dedek. Demnach schiebe sich der Konsens „wie ein Riegel [...] zwischen Erklärung und Obligation und unterbricht deren Konnex.“ Die Haftung für die Nichterfüllung sei eben keine aus der Erklärung, sondern bedürfe des „separat gedachten, die Erklärung zu einer neuartigen Legierung verschmelzenden Vertrag[s].“94 Vermag also der Ausspruch „ein Mann, ein Wort“95 a prima vista einen eingehenden Erklärungsansatz für die Haftung bei Nichterfüllung liefern, so ist das gegebene Wort nach zivilistischer Dogmatik dennoch nicht als Geltungsgrund der Vertragswirkungen anzusehen. Die einseitigen Willenserklärungen der Parteien sind Voraussetzung für den Vertragsschluss. Für die Vertragsbindung selbst sind sie aber ohne weitere Bedeutung. 2. Verschuldensprinzip und Garantiehaftung Zuletzt widerstreitet die Annahme einer Haftung aus dem Leistungsversprechen dem in §§ 280 ff. BGB niedergelegten Verschuldensprinzip. Gehaftet wird danach wegen schuldhafter Pflichtverletzung;96 so etwa bei nachträglicher Unmöglichkeit wegen schuldhafter Verursachung der Unmöglichkeit.97 Nimmt man aber mit dem garantiebasierten Ansatz an, dass mit der Willenserklärung des Schuldners auch immer schon ein Haftungsversprechen für den Fall fehlender Leistungsfähigkeit vorliegt, so müsste dies konsequenterweise auch für Fälle nachträglicher Unmöglichkeit gelten.98 Eine Haf93

Dedek, Negative Haftung aus Vertrag, S. 55. Dedek, Negative Haftung aus Vertrag, S. 55. 95 So Rabel, Rheinische Zeitschrift für Zivil- und Prozeßrecht 3 (1911), S. 467, 475; auch: Ballerstedt, FS Nipperdey (1955), S. 261, 270 f. 96 Schapp, FS Kollhosser (2004), S. 619, 622. 97 Siehe nur etwa Pfeiffer, in: Soergel, 13. Aufl. 2014, § 276 Rn. 21, 22; Sutschet, Der Schutzanspruch zugunsten Dritter, S. 61 ff.; Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 69 f.; Harke, JbJZivRWiss 2001, S. 29, 58; zunächst scheinbar auch Canaris, Diskussionsbericht, JZ 2001, S. 528, 529, als er meint, die Haftung bei nachträglicher Unmöglichkeit beruhe auf der Verletzung der „Nebenpflicht zum sorgfältigen Umgang mit der [Kauf-]Sache“. Diese Feststellung steht im offenkundigen Widerspruch zu seinen späteren Ausführungen, wenn er anmerkt, der Haftungsgrund der §§ 280 ff, 311a BGB liege allein in der Nichterfüllung des Leistungsversprechens (FS Heldrich (2005), S. 11, 27). 98 Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, S. 50. 94

D. Weitere Einordnungsversuche in der Literatur

29

tungsanknüpfung an die schuldhafte Pflichtverletzung, wie in § 280 Abs. 1, 3, 283 BGB wäre obsolet.99 Es käme zur Überlagerung zweier gänzlich verschiedener Haftungskonzeptionen, für die ein dogmatischer Unterbau gänzlich fehlt und die für eine verlässliche Bestimmung der vertraglichen Haftungsfolgen hinderlich ist.100 Insbesondere würde die mit dem Garantiegedanken einhergehende Fokussierung auf das vertragliche Leistungsversprechen die Frage aufwerfen, ob die gesetzlichen Haftungsnormen der §§ 311a, 280 ff. BGB nicht durch anderweitige Parteierklärungen verdrängt werden.101 Im Einzelfall müsste stets geprüft werden, inwieweit die Haftung im Wege einer weitergehenden Garantieerklärung ausgedehnt oder durch einen anderslautenden Parteiwillen eingeschränkt wurde.102 Eine solche Überlagerung des gesetzlichen Haftungsprogramms erscheint insbesondere auch im Hinblick auf den erklärten Willen des Gesetzgebers, das deutsche Leistungsstörungsrecht von Garantieelementen zu befreien103, wenig überzeugend.104

D. Weitere Einordnungsversuche in der Literatur I. „Haftung für eine schuldhaft zu geringe Festlegung der Verpflichtungsgrenze“ Zu kurz greift auch die Ansicht P. Schmidts, die Haftung des § 311a Abs. 2 BGB folge aus einer „schuldhaft zu geringen Festlegung der Verpflichtungsgrenze“.105 Ausgangspunkt dieser These bildet Schmidts Interpretation des Leistungsbegriffs: Leistung sei „die Befriedigung des Gläubigerinteresses durch verpflichtungsgemäßes [Schuldner]Verhalten“.106 Der Schuldner sei

99 Schapp, FS Kollhosser (2004), S. 619, 622, spricht von einer „Verdopplung der Haftungsbegründung“. 100 Schapp, FS Kollhosser (2004), S. 619, 623, plädiert insoweit für eine nach Fallgruppen differenzierte Anwendung des § 311a Abs. 2 BGB. So sollen die einzuschätzende Stärke der Garantie und die im Einzelfall zu ermittelnde Informationspflicht in die Rechtsanwendung miteinfließen. 101 Eine im Einzelfall vorzunehmende Prüfung im Hinblick auf die Vereinbarkeit von § 311a Abs. 2 BGB mit dem Parteiwillen befürchtet auch Hoffmann, Zession und Rechtszuweisung, S. 159. 102 Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, S. 50, meint umgekehrt, dass durch die Verschuldensanknüpfung in §§ 280 ff. BGB dem Gläubiger ansonsten vorenthalten würde, was ihm nach dem Leistungsversprechen zustünde. 103 BT-Drucks. 14/6040, S. 165. 104 Vgl. Harke, JbJZivRWiss 2001, S. 29, 56. 105 P. Schmidt, Unmöglichkeit in Ansehung der Zeit, S. 60 f.; dazu Ernst, AcP 208 (2008), S. 713, 715. 106 P. Schmidt, Unmöglichkeit in Ansehung der Zeit, S. 46.

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Erstes Kapitel: Forschungsstand und Defizite der derzeitigen Dogmatik

demnach ausschließlich dazu verpflichtet, den Leistungserfolg auf dem Weg herbeizuführen, auf den sich die Parteien vertraglich geeinigt haben. Ausgehend von der Inhärenz zwischen Unmöglichkeit der Leistung und Inhalt der Leistungspflicht, schließt Schmidt dann auf ein einheitliches Verständnis der Unmöglichkeit. So sei allen Unmöglichkeitsvarianten gemein, dass dem vertraglich vereinbarten Schuldnerverhalten die Eignung fehlt, den Eintritt des Leistungserfolgs herbeizuführen.107 Für Fälle anfänglicher Unmöglichkeit bedeute dies nun, dass die Haftung nur darauf beruhen könne, dass vertraglich eine Verpflichtung zu geringen Umfangs vereinbart wurde. Der Gläubiger müsse davor geschützt werden, dass der Schuldner ihm suggeriere, mit der vereinbarten Kraftanstrengung den Leistungserfolg herbeiführen zu können, obwohl der Schuldner bereits die Unmöglichkeit dieses Unterfangens kennen konnte.108 Richtig daran ist zunächst, dass der Gläubiger vor unberechtigten Erwartungen an die Verwirklichung des vertraglichen Erfüllungsprogramms geschützt werden muss. Freilich ist damit aber noch keine Aussage über das zugrundeliegende Haftungskonzept getroffen. Schmidt versucht die Haftung nach § 311a Abs. 2 BGB dabei in eine allgemeine Lehre von der Pflichtverletzung zu integrieren. Seine These, die Pflichtverletzung sei die Festlegung einer zu niedrigen Verpflichtungsgrenze, greift aber zu kurz und erschöpft sich letztlich in einer bloßen Behauptung. Es bleibt insbesondere unklar, woraus sich die Pflicht, eine höhere Verpflichtungsgrenze zu vereinbaren, ableitet.109 Die Pflichtverletzungskonzeption Schmidts wäre zudem in Fällen „echter“ Unmöglichkeit gänzlich fruchtlos, da objektive Leistungshindernisse durch kein menschenmögliches Verhalten überwunden werden können. Das pflichtgemäße Verhalten könnte in solchen Fällen allenfalls darin liegen, den Vertragsschluss gänzlich zu unterlassen, was nach der Differenzhypothese wieder nur zu einer Haftung auf das negative Interesse führen würde.110 Im Übrigen verkennt Schmidt, dass die Haftung bei anfänglicher Unmöglichkeit nach der Schuldrechtsreform gerade nicht mehr an eine Pflichtverletzung im Sinne der §§ 280 ff. BGB anknüpft; § 311a Abs. 2 BGB vielmehr als eigenständige Haftungsgrundlage ausgestaltet wurde.111 Es bleibt noch festzustellen, dass jener Erklärungsansatz kaum Fortschritte gegenüber der von Canaris vorgeschlagenen versprechensbasierten

107

P. Schmidt, Unmöglichkeit in Ansehung der Zeit, S. 46. P. Schmidt, Unmöglichkeit in Ansehung der Zeit, S. 60 f. 109 So auch Korth, Minderung beim Kauf, S. 160, der in der Pflicht, eine höhere Verpflichtungsgrenze zu vereinbaren, gar einen Kontrahierungszwang erkennen will. Bereits: Lobinger, GPR 2008, S. 262, 269, Fn. 55. 110 Vgl. Lobinger, GPR 2008, S. 262, 269, Fn. 55. 111 BT-Drucks. 14/6040, S. 166; Canaris, JZ 2001, S. 499, 507; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 10. Aufl. 2006, § 43 III 2 Rn. 408. 108

D. Weitere Einordnungsversuche in der Literatur

31

Haftungskonzeption bereithält. Denn wie auch Canaris führt Schmidt die Erfüllungshaftung letztlich auf die Parteierklärung zurück, soweit er den Haftungsgrund des § 311a Abs. 2 BGB in der Vereinbarung einer zu niedrigen Verpflichtungsgrenze erkennt. Den Parteien werden damit genaue Vorstellungen darüber unterstellt, welches Schuldnerverhalten zur Erreichung des Leistungserfolgs geschuldet sein soll. Wie bereits ausgeführt, hat der Parteiwille aber zumeist nur die störungsfreie Erfüllung der Primärpflicht zum Gegenstand112 und lässt sich für eine darüber hinausgehende Bestimmung der vertraglichen Risikozuweisung kaum gewinnbar machen. Der von Schmidt vorgeschlagenen Haftungskonzeption fehlt es schlicht an der rechtsgeschäftlichen Grundlage.

II. Der Ansatz Cekovic-Vuletics Auch Cekovic-Vuletic gelingt es nicht, die Verhaftung an Pflichtverletzungskonzeptionen zu überwinden. Sie meint, dass es dem Gesetzgeber grundsätzlich freistehe, das Verschuldensprinzip dahingehend umzudeuten, dass auch die Nichterfüllung als solche – wohlgemerkt trotz Ausschlusses der Leistungspflicht nach § 275 BGB! – zur haftungsbegründenden Pflichtverletzung gereicht.113 Demnach wäre § 311a Abs. 2 BGB lediglich eine Regelung deklaratorischen Charakters, da sich die Haftung schon aus den §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB ergäbe. Gehaftet würde sowohl bei anfänglicher als auch nachträglicher Unmöglichkeit einheitlich wegen schuldhafter Nichterfüllung.114 Freilich kann allein der Verweis auf den gesetzgeberischen Ermessensspielraum niemals die dogmatische Begründung einer Norm ersetzen. Aufgabe der Rechtswissenschaft ist gerade die interpretatorische Auflösung gesetzimmanenter Widersprüche.115 Die Grenzen der Gesetzesinterpretation markiert dabei der Gesetzeswortlaut, indem er jede Deutung, die außerhalb seines Sinngehalts im Alltags- oder Fachsprachengebrauch liegt, ausschließt.116 Dies vorausgeschickt, erscheint es geradezu abwegig, in der Nichterfüllung der ausdrücklich durch § 275 BGB ausgeschlossenen Leistungspflicht eine Pflichtverletzung erkennen zu wollen; zumal eine solche Falschbezeichnung keineswegs eine dogmatische Grundlegung des § 311a Abs. 2

112 Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, S. 227; Picker, AcP 183 (1983), S. 369, 395. 113 Cekovic-Vuletic, Haftung wegen Unmöglichkeit, S. 31 ff.; krit. Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, S. 279 f., Fn. 124. 114 Cekovic-Vuletic, Haftung wegen Unmöglichkeit, S. 35. 115 Vgl. etwa Lobinger, GPR 2008, S. 262, 271; Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 126. 116 Walz, ZJS 2010, S. 482, 487; zur Auslegung nach dem Wortsinn: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1975, S. 307 ff.

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Erstes Kapitel: Forschungsstand und Defizite der derzeitigen Dogmatik

BGB anhand des Verschuldensprinzips ermöglichen würde. Denn das Verschuldensprinzip verlangt, wie obig ausgeführt,117 nach einem vorwerfbaren Verhalten als Bezugspunkt der Haftung. Der Nichterbringung einer unmöglichen Leistung fehlt es aber schon rein faktisch, d.h. unabhängig der juristischen Einordnung, am Kriterium der Vorwerfbarkeit.118 Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn man wie Finn119 annimmt, die Leistungspflicht entstehe bei anfänglicher Unmöglichkeit zumindest für eine juristische Sekunde.120

117

Siehe bei B. II. Vgl. Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung, S. 253; Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 388 f. 119 Erfüllungspflicht und Leistungshindernis, S. 321. 120 Harke, Allgemeines Schuldrecht, S. 218, Rn. 226. 118

Zweites Kapitel

Die Haftung für anfängliche Unmöglichkeit als Vertrauenshaftung (Theoriebildung) A. Das vertrauensbasierte Haftungskonzept Stolls und Wiedemanns Einen Ansatzpunkt zur dogmatischen Fundierung der Haftung bei anfänglicher Unmöglichkeit nach § 311a Abs. 2 BGB liefert indes die von Stoll1 und Wiedemann2 entwickelte Vertrauenshaftung bei Nichterfüllung.3 Die Haftung in Richtung des Erfüllungsinteresses folgt danach weder unmittelbar aus dem Leistungsversprechen des Schuldners (wie nach dem Garantieprinzip) noch aus einer Verletzung des vertraglichen Pflichtenprogramms (wie nach dem Verschuldensprinzip). Haftungsgrund ist das enttäuschte Gläubigervertrauen auf die Bewährung des vereinbarten Leistungsprogramms.4

I. Der Ersatz frustrierter Aufwendungen als Ausgangspunkt der Theoriebildung Seine Wurzeln findet dieses vertrauensbasierte Haftungskonzept in der schon lange vor der Schuldrechtsreform schwelenden Diskussion um den Ersatz vergeblicher Aufwendungen bei Nichterfüllung.5 Nach damaliger Rechtslage konnte die Verletzung der vertraglichen Leistungspflicht allein eine Haftung in Richtung des Erfüllungsinteresses begründen. Die Kosten für frustrierte Aufwendungen hingegen ließen sich nach dem Ausgleichsprinzip nicht dem Erfüllungsinteresse zurechnen, da diese auch bei ordnungsgemäßer Erfül-

1

Stoll, JZ 1987, S. 517 ff.; ders., FS Duden (1977), S. 641 ff.; ders., FS Neumayer (1997), S. 313 ff.; ders., Haftungsfolgen im Bürgerlichen Recht, S. 321 ff. 2 Wiedemann, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, Vor § 275 Rn. 56 ff., insbes. 60, 64; ders./G. Müller, JZ 1992, S. 464, 467 ff. 3 Hierzu sowie zum Folgenden: Dedek, Negative Haftung aus Vertrag, S. 22 ff. 4 Stoll, JZ 1987, S. 517, 518 f.; Stoll, FS Neumayer (1997), S. 313, 325 ff.; ders., FS Duden (1977), S. 641, 642; Wiedemann, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, Vor § 275 Rn. 56 ff.; ders./G. Müller, JZ 1992, S. 464, 468 ff. 5 Zur Kausalitätsproblematik vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform: Küppers, Verdorbene Genüsse und vereitelte Aufwendungen, S. 82 ff; Schackel, ZEuP 2001, 248, 252.

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Zweites Kapitel: Haftung für anfängliche Unmöglichkeit als Vertrauenshaftung

lung angefallen wären.6 Um dem Gläubiger dennoch den Ersatz frustrierter Aufwendungen zu gewähren, bediente sich die Rechtsprechung der Rentabilitätsvermutung.7 Demnach sei der Schaden nicht in den Aufwendungen selbst zu erkennen, sondern darin, dass dem Gläubiger durch das Ausbleiben der Leistung die Möglichkeit genommen wurde, die getätigten Aufwendungen zu amortisieren. Die Rentabilitätsvermutung wurde zum Gegenstand eindringlicher Kritik. Ihr wurde insbesondere vorgeworfen unter dem Deckmantel der Erfüllungshaftung einen Ersatz des negativen Interesses zu ermöglichen.8 Auch beruht die Rentabilitätsvermutung auf offenkundigen Fiktionen, soweit davon ausgegangen wurde, dass der Gläubiger den Wert der Aufwendungen bei Erhalt der Leistung wieder erwirtschaftet hätte.9 Die angesprochenen Schwächen der Rentabilitätsvermutung veranlassten Stoll zur Entwicklung eines alternativen Haftungskonzepts. Er gelangte zur Erkenntnis, die Erstattung der wegen Nichterfüllung nutzlosen Aufwendungen beruhe nicht auf einer Bewertung des Erfüllungsinteresses, sondern auf dem Schutz des Gläubigervertrauens in die Bewährung der schuldnerischen Erfüllungszusage.10 Der Gläubiger werde dabei so gestellt, als habe er nie Vertrauen investiert; mithin die Aufwendungen nicht getätigt hat. Seine besondere rechtsethische Legitimation gewann der Lösungsansatz Stolls dabei durch die vergleichende Betrachtung mit der Fallgruppe des Abbruchs von Vertragsverhandlungen.11 So war und ist nach stetiger BGH-Rechtsprechung anerkannt, dass bei grundlosem Abbruch von Vertragsverhandlungen – unter den zusätzlichen Voraussetzungen der culpa in contrahendo – Ersatz derjenigen Aufwendungen verlangt werden kann, die man im Vertrauen auf das sicher geglaubte Zustandekommen des Vertrags getätigt hat.12 Für Aufwen-

6

Vgl. Leonhard, AcP 199 (1999), S. 660 ff.; Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S. 155 ff.; Medicus, FS Lange (1992), S. 539, 554 ff.; Stoll, FS Duden (1977), S. 641 ff.; Wiedemann, FS H. Hübner (1984), S. 719, 727 ff.; zur Rechtslage nach Inkrafttreten des § 284 BGB: Weitemeyer, AcP 205 (2005), S. 275 ff.; Lorenz, NJW 2004, S. 26 ff.; G. Müller, Der Ersatz entwerteter Aufwendungen; Schneider, § 284 BGB – zur Auslegung und Vorgeschichte einer neuen Norm. 7 BGHZ 71, 234, 238; 99, 182, 197 f.; 114, 193, 196 ff. 8 Vgl. Kaiser, Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, S. 435; Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S. 155 ff., 241 ff. m.w.N. (Fn. 74). 9 So etwa Müller-Laube, JZ 1995, S. 538, 540, der mit Verweis auf die Unbeweisbarkeit der Rentabilität von einer bloßen Unterstellung spricht. 10 Stoll, JZ 1987, S. 517 ff.; in ausdrücklicher Abkehr seines vorherigen Ansatzes, wonach der Ersatz frustrierter Aufwendungen auf einer Bewertung des Erfüllungsinteresses beruhe (vgl. FS Duden (1977), S. 641 ff. sowie JZ 1978, S. 797 ff.). 11 Dazu Stoll, JZ 1987, S. 517, 519; Canaris, FS Wiedemann (2002), S. 3, 27; Wiedemann, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, Vor § 275 Rn. 44. 12 BGH WM 1969, S. 595, 597; BGH NJW 1970, S. 1840; BGH NJW 1984, S. 866.; BGHZ 92, 164, 176; Canaris, FS BGH I (2000), S. 180 ff. m.w.N.

A. Das vertrauensbasierte Haftungskonzept Stolls und Wiedemanns

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dungen, die im Vertrauen auf die Erfüllung eines bereits zustande gekommenen Vertrags getätigt wurden, kann dementsprechend nichts anderes gelten. Der bestehende Vertrag begründet insoweit einen stärkeren Vertrauenstatbestand als die bloßen Vertragsverhandlungen13 – seien diese auch schon soweit vorgeschritten, dass ein Vertragsschluss bereits mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann.

II. Erfüllungshaftung als Vertrauensentsprechung Die Theorie Stolls, dem enttäuschten Vertrauen in die Erbringung der Leistung komme eine haftungsbegründende Wirkung zu, fand in Wiedemann einen weiteren Verfechter, der sich sodann aufgemacht hat, den Vertrauensschutz einer umfassenden Theorie der Sekundärhaftung zuzuführen. In Anlehnung an die Befunde CanarisÆ14 gelangt er zur Erkenntnis, dass Vertrauen in zweierlei Hinsicht geschützt werden kann: Der Vertrauende kann entweder so gestellt werden, als habe er nie Vertrauen investiert, oder aber er wird so gestellt, als wäre sein Vertrauen nicht enttäuscht worden. Während der erste Fall im vertragsrechtlichen Kontext vor allem den Ersatz frustrierter Aufwendungen betrifft und als „negativer Vertrauensschutz“ bezeichnet werden kann, erfolgt im letzteren Fall eine Vertrauensentsprechung im Sinne eines „positiven Vertrauensschutzes“.15 Für die vertragliche Sekundärhaftung lässt sich hieraus folgern, dass nicht nur der Ersatz frustrierter Aufwendungen auf den Vertrauensschutz gestützt werden kann. Auch die Haftung auf das Erfüllungsinteresse lässt sich als positive Vertrauenshaftung in Form der Vertrauensentsprechung interpretieren. Die positive Vertrauenshaftung bewirkt, dass der Gläubiger so gestellt wird, als wäre sein Vertrauen in die Vertragserfüllung nicht enttäuscht worden.16 Das Erfüllungsinteresse ist demnach nur ein besonderer Fall des auf Grundlage des Vertrages bestimmten Vertrauensinteresses.17 Im Anschluss an Wiedemann erkennt auch Stoll die Verankerung der Erfüllungshaftung im Vertrauensschutz ausdrücklich an. Er formuliert:

13 Wiedemann, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, Vor § 275 Rn. 44: „Der Vertragspartner ist nicht weniger schutzwürdig als der Vorvertragspartner.“ 14 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 5 f.; ders., FS BGH I (2000), S. 129, 130. 15 Wiedemann, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, Vor § 275 Rn. 62 ff. 16 Nach Wiedemann, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, Vor § 275 Rn. 64, soll insbesondere den verschuldensunabhängigen Haftungstatbeständen der §§ 463, 538, 635 BGB a.F. ein solch positiver Vertrauensschutz zugrunde liegen. 17 Wiedemann, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, Vor § 275 Rn. 64: „Das Erfüllungsinteresse ist ein besonderer Fall des – durch den Vertrag abgegrenzten – Vertrauensinteresses.“.

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Zweites Kapitel: Haftung für anfängliche Unmöglichkeit als Vertrauenshaftung

„Den wirksamsten und weitestreichenden Vertrauensschutz gewährt das Vertragsrecht dem Gläubiger dadurch, dass er bei Vertragsbruch durch den Schuldner ersatzweise so zu stellen ist, wie er bei Erfüllung des vom Schuldner gegebenen Wortes stehen würde.“18

Im Rahmen seiner rechtsvergleichenden Untersuchungen verleiht Stoll der vertrauensbasierten Haftungskonzeption gar eine internationale Dimension: „In allen nationalen Rechtsordnungen und so auch im Einheitlichen Kaufrecht rechtfertigt sich aber die Haftung für Vertragsbruch grundsätzlich auch aus dem Zweck, das Vertrauen des Gläubigers auf die Durchführung des Vertrages zu schützen. Fraglich kann nur sein, in welcher Weise und in welchem Umfang ein solcher Vertrauensschutz gewährt wird.“19

B. Vertrauenshaftung bei Nichterfüllung im Lichte der Gesetzessystematik I. Die Haftung bei Nichterfüllung als Ausfluss rechtsgeschäftlicher Bindung? Die von Stoll und Wiedemann vertretene Haftungstheorie findet Widerspruch bei jenen Autoren, welche die Haftung bei Nichterfüllung als Ausfluss rechtsgeschäftlicher Bindung begreifen und damit von Vertrauenselementen vollumfänglich freihalten wollen. So hat insbesondere Canaris stets postuliert, dass die Vertragsbindung gegenüber der Lehre von der Vertrauenshaftung dogmatisch selbstständig sei.20 Demnach werde die Vertragsbindung allein durch die in freier Selbstbestimmung getroffene Parteivereinbarung ausgelöst; für eine Vertrauenshaftung aber bestehe daneben keine Notwendigkeit. Dabei soll die Exklusivität von Vertrauenshaftung und Vertragsbindung nicht allein die Pflicht zur Naturalerfüllung betreffen. Auch die Haftung bei Nichterfüllung ist danach Folge der rechtsgeschäftlichen Bindung und verschließt sich so einer Interpretation durch die Vertrauenshaftungslehre. Letzteres wird besonders deutlich, wenn Canaris die Relevanz des Vertrauensgedankens für die Haftung bei anfänglicher Unmöglichkeit beleuchtet: „Eine wesentliche Rolle spielt der Vertrauensgedanke schließlich bei der Einstandspflicht für das anfängliche Unvermögen und bei der Haftung für die anfängliche Unmöglichkeit im Falle des § 437 BGB [a.F.]. Indessen liegt auch hier keine Vertrauenshaftung i. e. S., sondern rechtsgeschäftliche Bindung vor.“

18

Stoll, FS Neumayer (1997), S. 313, 326. Stoll, FS Neumayer (1997), S. 313, 325. 20 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 412 ff., 424 ff.; zustimmend unter Verweis auf den Konsens als Entstehungsvoraussetzung: Weller, Die Vertragstreue, S. 191. 19

B. Vertrauenshaftung bei Nichterfüllung im Lichte der Gesetzessystematik

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Es gehe letztlich schlicht darum, dass man... „[…] den Erklärenden für sein – in fehlerfreier Selbstbestimmung gegebenes! – Leistungsversprechen einstehen läßt und somit das zugrunde liegende Rechtsgeschäft als wirksam behandelt. Für eine Vertrauenshaftung ist daher insoweit weder Bedürfnis noch Raum.“21

Eine gedankliche Verwandtschaft lässt die Rechtsauffassung CanarisÆ mit der zunächst von Jakobs22 verfochtenen Theorie der Einheit der Obligation erkennen. Dieses neuerdings wieder von Sutschet23 aufgegriffene Systemverständnis versucht die schuldnerische Einstandspflicht bei Nichterfüllung aus einem einheitlichen Obligationenbegriff – der Identität von Naturalerfüllungs- und Geldersatzpflicht – und damit aus der Selbstbestimmung herzuleiten.24 Dass eine solche Rückführung der Nichterfüllungshaftung auf das Moment der Selbstbestimmung mangels entsprechender Reichweite des (real vorhandenen) Parteiwillens freilich nur um den Preis offenkundiger Fiktionen gelingen kann, wurde bereits ausführlich aufgezeigt.25 Die weitere Analyse der Gesetzessystematik wird nun zudem aufzeigen, dass eine so verstandene Obligationeneinheit auch der dem neuen Schuldrecht zugrundeliegenden Eigenständigkeit von Primär- und Sekundärleistungspflicht widerspricht.

21 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 423 f. Ähnlich lautet auch CanarisÆ Interpretation des Aufwendungsersatzes nach § 284 BGB. Dazu heißt es einerseits: „Der Grund der Haftung nach § 284 BGB lässt sich unschwer schon aus dem Text der Vorschrift ablesen: Geschützt wird das Vertrauen des Gläubigers in den Erhalt der Leistung und die darauf beruhende Dispositionsfreiheit des Gläubigers.“ (FS Wiedemann, S. 27) Sodann heißt es aber relativierend (S. 28): „Dogmatisch handelt es sich freilich [...] nicht um einen Anspruch aus […] Vertrauenshaftung, sondern um einen solchen wegen Nicht- oder Schlechterfüllung einer Leistungspflicht.“. 22 Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, S. 84 ff., 103 ff., 196 ff. 23 Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung. 24 Krit. Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 379 ff.; Schwarze, Leistungsstörungen, 2. Aufl. 2017, § 18 Rn. 19, S. 261. 25 Siehe oben bei Erstes Kapitel C. II. Zwar behauptet Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung, S. 215, der Parteiwille müsse sich nicht auf die Ersatzleistung in Geld beziehen. Doch verkommt die Obligationeneinheit hierdurch zu einem bloß behaupteten (vgl. Mt. Weller, Persönliche Leistungen, S. 231), rechtstechnischen Konstrukt, dem keine materielle Rechtfertigung für den Geldersatz zu entnehmen ist.

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Zweites Kapitel: Haftung für anfängliche Unmöglichkeit als Vertrauenshaftung

II. Die Vertragsbindung: Naturalerfüllung und Sekundärhaftung 1. Die Einheit der Obligation im Bürgerlichen Recht alter Fassung (BGB 1896) Den Ausgangspunkt der Betrachtung bildet die Gesetzesstruktur des BGB in seiner ursprünglichen Fassung. Ausgehend vom aktionenrechtlichen Denken der römischen Juristen26 folgte man der Überzeugung, dass das Bestehen des Primärleistungsanspruchs unabdingbare Voraussetzung für die Gewährung eines Geldersatzes bei Nichterfüllung war.27 Primärleistungspflicht und Schadensersatzpflicht wurden als zwei Erscheinungsformen der ein und derselben vertraglichen Verpflichtung verstanden („Einheit der Obligation“).28 Deutlich äußerte sich dieser Konnex in der Vorstellung, dass der Schuldner nur von der gesamten Obligation, nie jedoch allein von der Primärleistungspflicht befreit werden konnte.29 Dieses Verständnis kommt besonders deutlich in § 275 Abs. 1 BGB a.F. zum Ausdruck, wonach der Schuldner in Unmöglichkeitsfällen nur dann von der Verpflichtung frei wird, wenn er das Leistungshindernis nicht zu vertreten hat.30 Denn käme auch einer vom Schuldner zu vertretenden Unmöglichkeit jene Befreiungswirkung zu, so würde dies zum Entfall der gesamten Obligation und damit auch der schuldnerischen Schadensersatzpflicht führen, was in der Konsequenz gravierende Haftungslücken zur Folge hätte.31 Auf theoretischer Ebene kumuliert das Prinzip der Einheit der Obligation in der Annahme, dass sowohl die Primärleistungs- als auch die Schadensersatzpflicht der gleichen Quelle entspringen. Es ist danach die beidseitige Verwurzelung im Vertrag, auf der die strenge Parallelität von Primärleistungsund Schadensersatzpflicht gründet.32 Der Vertrag verpflichtet die Parteien mithin nicht nur zum Austausch der Primärleistungen, sondern legt hilfsweise auch die Schadensersatzpflichten im Falle von Vertragsstörungen fest.

26 Dazu Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung S. 3 ff., umfassend zum römischrechtlichen Ursprung des Obligationsbegriffs im BGB alter Fassung: S. 8 ff. 27 Weller, Die Vertragstreue, S. 212; Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, S. 226 f. 28 Knütel, AcP 202 (2002), S. 555, 575 f.; Weller, Die Vertragstreue, S. 219. 29 Zuletzt Benedict, Culpa in Contrahendo I, S. 650: “Wo diese Primärleistungspflicht fehlt, kann es auch keine Sekundärhaftung auf Erfüllung geben.“ 30 Vgl. Wollschläger, Entstehung der Unmöglichkeitslehre, S. 33 ff., 177 ff.; Ehmann, FS Canaris I (2007), S. 165, 169 f.; Weller, Die Vertragstreue, S. 212 f. m.w.N. 31 Weller, Die Vertragstreue, S. 213; zur Überwindung dieser Haftungslücke durch das römischrechtliche Institut der perpetuatio obligationis: Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung, S. 4. 32 Weller, Die Vertragstreue, S. 213; Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung, S. 12; Knütel, AcP 202 (2002), S. 555, 575 f.

B. Vertrauenshaftung bei Nichterfüllung im Lichte der Gesetzessystematik

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2. Kritik a) Die materialen Rechtgründe der Vertragsbindung Als früher Kritiker einer so verstandenen Vertragsstruktur tat sich Picker33 hervor. Er bemängelte, dass mit der Rückführung sämtlicher Rechtswirkungen auf den Vertrag dessen Rechtsgedanken über die Grenzen ihrer Tragfähigkeit strapaziert würden, was symptomatisch zu einer Vielzahl von Fiktionen und Fehlbegründungen führe.34 Seinem dogmatischen Ansatz zufolge sind Verpflichtungen stets nach dem ihnen zugrundeliegenden materialen Rechtsgründen zu bestimmen.35 Geht man daher mit der heute vorherrschenden Geltungstheorie von der Selbstbestimmung als Geltungsgrund des Vertrages aus, könne der Vertrag nur den Rechtsgrund für den Austausch der Primärleistungen bilden.36 Denn allein diese Vermögensverschiebung werde von den Parteien vereinbart, während die Verpflichtung zum Schadensersatz im Regelfall nicht Gegenstand des privatautonomen Verpflichtungsakts ist.37 Die Haftung bei Nichterfüllung findet dementsprechend ihre materiale Legitimierung nicht im Rechtsgeschäft, sondern versteht sich als gesetzliche Einstandspflicht, deren causa außerhalb der rechtsgeschäftlichen Selbstbestimmung zu suchen ist.38 b) Das Privatrecht als Rechtszuweisungsordnung Der Ansatz von Picker wurde in der weiteren Diskussion von seinem Schüler Lobinger39 mit Verve verteidigt und inhaltlich fortgesetzt. Er versteht das Privatrecht als Rechtszuweisungsordnung,40 die bestimmte Güter und Interessen grundsätzlich nicht einer irgendwie gearteten Rechtsgemeinschaft zuordnet, sondern als „Rechte des Subjekts“ und damit dem Einzelnen gehörend anerkennt.41 Hieraus ergibt sich, dass jede Vermögensbewegung zunächst einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in fremdes Vermögen darstellt,42 wobei Lobinger zwei „natürliche“ Rechtfertigungsgründe identifiziert:

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Picker, AcP 183 (1983), S. 369 ff.; ders., JZ 1987, S. 1041 ff. Picker, AcP 183 (1983), S. 369, 393 f. 35 Picker, AcP 183 (1983), S. 369, 394 ff. 36 Picker, JZ 1987, S. 1041, 1044. 37 Picker, AcP 183 (1983), S. 369, 394 f. 38 Picker, AcP 183 (1983), S. 369, 399. 39 Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 14 f., 89 ff.; ders., Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, S. 6 ff., 225 ff. 40 Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 89 f. 41 Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 89. 42 Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 90 f. 34

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Zweites Kapitel: Haftung für anfängliche Unmöglichkeit als Vertrauenshaftung

– Der erste Rechtfertigungsgrund ist im Schutz der subjektiven Rechte zu erkennen und leitet sich unmittelbar aus dem Wesen des Privatrechts als Rechtszuweisungsordnung ab. Denn werden die Güter und Interessen als subjektive Rechtspositionen zugeordnet, so bedürfen diese auch des rechtlichen Schutzes. Güter und Interessen, auf die jedermann folgenlos zugreifen könnte, verdienten ansonsten kaum die Bezeichnung als „subjektive Rechte“.43 – Neben dem Vermögenschutz könne, als hiervon kategorial zu unterscheidender Rechtfertigungsgrund, allein noch der Wille der Parteien eine Vermögensverschiebung legitimieren. Der Zweck einer subjektivrechtlichen Zuordnung von Gütern und Interessen besteht demnach gerade darin, den Berechtigten nach eigenem Willen über die ihm zugeordneten Rechtsposition verfügen zu lassen, um seine damit verbundenen Ziele geschäftlicher oder privater Natur zu verwirklichen.44 Die Unterscheidung erleichtert die Charakterisierung von Primärleistungsund Schadensersatzpflicht. So kann die Primärleistungspflicht ausschließlich auf Grundlage des Parteiwillens gerechtfertigt werden. Sie bezweckt allein die Aufstockung des Gläubigervermögens, spielt aber für die Wahrung oder Wiederherstellung der bestehenden Vermögensordnung keine Rolle.45 Im Gegensatz hierzu zeigt sich der Charakter der Schadensersatzpflicht als Schutzrecht schon in ihrer Nachrangigkeit zur Primärleistungspflicht. Sie greift erst dann, wenn Leistungsstörungen den Austausch der Primärleistungen beeinträchtigen, und dient damit ihrer Natur nach dem Schutz der durch die vertragliche Vereinbarung begründeten Rechtspositionen.46 Die in der unterschiedlichen Zweckrichtung zum Ausdruck kommende Eigenständigkeit von Primärleistungs- und Schadensersatzpflicht äußert sich nicht zuletzt auch in den Anspruchsvoraussetzungen. Während die Primärleistungspflicht unmittelbar aus dem Vertrag folgt und dementsprechend an keine weiteren Voraussetzungen gebunden ist, setzt die Schadensersatzpflicht im deutschen Recht prinzipiell ein Verschulden voraus.47

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Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 92 f. Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 93 f. 45 Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 94. 46 Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 93. 47 Vgl. Weller, Die Vertragstreue, S. 215; ebenso betont Canaris, JZ 2004, S. 214, 224, die Abgetrenntheit von Erfüllungspflicht und Schadensersatzhaftung und verweist dabei auf deren unterschiedliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen. 44

B. Vertrauenshaftung bei Nichterfüllung im Lichte der Gesetzessystematik

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3. Die Schuldrechtsreform Im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung wurde die Eigenständigkeit von Primärleistungs- und Schadensersatzpflicht sodann in den Gesetzesstrukturen des neuen Schuldrechts verankert. a) Das Ende der Unmöglichkeit als umfassender Befreiungstatbestand Dies bestätigt zunächst der reformierte § 275 BGB, der in Abkehr von der Vorgängervorschrift die Befreiungswirkung in Unmöglichkeitsfällen auch auf vom Schuldner zu vertretende Leistungshindernisse ausdehnt.48 Bemerkenswert daran ist, dass der Schuldner hierdurch lediglich von seiner Primärleistungspflicht befreit wird, während die Schadensersatzpflicht in den Haftungstatbeständen §§ 280, 283, 311a BGB gesondert geregelt ist. Die Gesetzesstruktur geht damit von der Eigenständigkeit von Schadensersatz- und Primärleistungspflicht aus, indem sie erstere unabhängig von der ursprünglichen Erfüllungspflicht fortbestehen lässt.49 Den eigenständigen Charakter der Schadensersatzpflicht betont in aller Klarheit die klarstellende Vorschrift des § 274 Abs. 4 BGB, die das Fortbestehen der Schadensersatzpflicht des Schuldners trotz Befreiung von der Primärleistungspflicht ausdrücklich anordnet.50 b) Kumulation von Schadensersatz und Rücktritt Weiterer Ausdruck dieser Gesetzesstruktur ist das in § 325 BGB niedergelegte Verhältnis von Rücktritt und Schadensersatz. Würde man davon ausgehen, dass Primärleistungs- und Schadensersatzpflicht einer einheitlichen Obligation entspringen, wäre zwangsläufig ein Exklusivitätsverhältnis zwischen Rücktritt und Schadensersatz anzunehmen.51 So führt die aus dem Rücktritt folgende Umwandlung des ursprünglichen Schuldverhältnisses in ein Rückgewährschuldverhältnis zum Untergang der Primärleistungspflichten (argumentum e contrario zu § 346 Abs. 1 BGB). Eine Schadensersatzpflicht, die nach dem Prinzip der Obligationseinheit unmittelbar an die Primärleistungspflicht geknüpft ist, müsste demgemäß dem gleichen Schicksal folgen.52 Hingegen postuliert § 325 BGB, dass die Geltendmachung von Schadensersatz 48 Dazu Dedek, Negative Haftung aus Vertrag, S. 233 f.; kritisch insbesondere: U. Huber, in: Ernst/Zimmermann (Hrsg.), Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, S. 31, 52 ff. 49 Vgl. Weller, Die Vertragstreue, S. 216 f.; Dedek, Negative Haftung aus Vertrag, S. 233 f. 50 S. Lorenz, in: E. Lorenz (Hrsg.), Karlsruher Forum 2005, S. 5, 12; Zimmer, NJW 2002, S. 1, 2; Weller, Die Vertragstreue, S. 216 f.; Canaris, JZ 2004, S. 214, 224. 51 Dedek, Negative Haftung aus Vertrag, S. 236. 52 Dedek, Negative Haftung aus Vertrag, S. 236.

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Zweites Kapitel: Haftung für anfängliche Unmöglichkeit als Vertrauenshaftung

durch den Rücktritt nicht ausgeschlossen wird. Diese Kumulation der Rechtsbehelfe bildet einen weiteren Beleg für die Konzeption des neuen Schuldrechts, wonach die Schadensersatzpflichten nicht von der Fortexistenz der Primärleistungspflichten abhängen, sondern als eigenständige Ansprüche ein hiervon autonomes Dasein führen.53

III. Zwischenergebnis Für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand ergibt sich der bedeutsame Befund, dass die Theorie einer vertrauensbasierten Sekundärhaftung keineswegs mit der Vorstellung einer auf dem Wert der Selbstbestimmung fußenden Vertragsbindung kollidiert. Die sich aus der Gesetzessystematik ergebende Abstrahierung der Schadensersatzpflicht von der Primärleistungspflicht zeigt vielmehr, dass beide Verpflichtungen auf verschiedenen Geltungsgründen beruhen: Während der rechtliche Grund der Naturalerfüllungspflicht in der rechtsgeschäftlichen Selbstbindung liegt, beruht die Haftung bei Nichterfüllung auf einem Gesetzesbefehl; ist damit positivistischer Natur. Eine gelungene terminologische Differenzierung gelingt Dedek im Anschluss an Lobinger54. Demnach sei zwischen „vertraglichen“ und „vertragsrechtlichen“ Ansprüchen zu unterscheiden. „Vertraglich“ sei allein der Naturalerfüllungsanspruch, welcher ausschließlich der vertraglichen Einigung entspringt. Die Nichterfüllungshaftung könne dagegen allenfalls als „vertragsrechtlich“ eingestuft werden, da sie nicht unmittelbar in der vertraglichen Einigung wurzelt.55 Der Vertrag dient ihr lediglich als Nährboden, soweit der Gesetzgeber die Haftung an die Verletzung des vertraglichen Pflichtenprogramms56 oder an das enttäuschte Vertrauen in die störungsfreie Vertragsdurchführung57 knüpft.58 Es liegt also keine „vertragliche“ Bindung im engeren Sinne vor, sondern eine „vertragsrechtliche“ Haftung ex lege, die den (wirksamen) Vertrag nur zur Tatbestandsvoraussetzung hat.59

53

Ausführlich Dedek, Negative Haftung aus Vertrag, S. 236 ff. Lobinger, Rechtsgeschäftliche Bindung, S. 14. 55 Dedek, Negative Haftung aus Vertrag, S. 238. 56 Katzenstein, Jura 2002, S. 584, 585 f. 57 Dazu sogleich: C. 58 Katzenstein, Jura 2002, S. 584, 585 f.: Vertrag als „Objekt des gewährten Rechtsschutzes“. 59 Vgl. Lobinger, Rechtsgeschäftliche Bindung, S. 14. 54

C. Vertrauen und Vertrag

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C. Vertrauen und Vertrag Die gesetzliche Einordnung der vertragsrechtlichen Schadensersatzpflichten erlaubt es nun, sich jenseits der privatautonomen Selbstbestimmung auf die Suche nach den Geltungsgründen der Nichterfüllungshaftung zu begeben. Geht man dabei in der Nachfolge Stolls und Wiedemanns davon aus, dass der Vertrauensschutz den Geltungsgrund der in Rede stehenden Haftungsvorschrift des § 311a Abs. 2 BGB bildet, bedarf es zuallererst einer genauen Identifizierung dieses Vertrauensmoments. So geht es im Rahmen des gesetzlichen Vertrauensschutzes nicht um den einzelfallbezogenen Schutz beliebiger Erwartungshaltungen. Dies wäre schon mit dem zwingend typisierenden Charakter einfachgesetzlicher Regelungen nicht zu vereinbaren60 und würde sämtlichen vertrauensschutzbasierten Haftungskonzeptionen stets dem Vorwurf aussetzen, einen uferlosen Schutz von Erwartungshaltung zu gewähren („Erwarten kann man schließlich viel.“61). Und in der Tat ist das Vertrauen zunächst nichts anderes als ein bloßes Blankett,62 dem selbst noch keine Haftungsgrenzen erwachsen. Entscheidend kann letztlich also nur sein, inwieweit der Vertrauende auch vertrauen durfte, wobei sich die dabei in Frage stehende Schutzbedürftigkeit des Vertrauens allein anhand des zugrundeliegenden Vertrauenstatbestands bestimmen lässt.63

I. Der Vertrag als Vertrauenstatbestand: Abgrenzung und Präzisierung Der Vertrauenstatbestand meint den Umstand, der geeignet ist, das Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage, in tatsächliche Begebenheiten oder zukünftige Entwicklungen hervorzurufen.64 Charakteristikum der Theorie einer vertragsrechtlichen Vertrauenshaftung bildet die Erkenntnis, der Vertrag selbst begründet einen Vertrauenstatbestand, welcher die Erfüllungserwartung des Gläubigers in schutzwürdiger Weise hervorruft.65 Hierbei ergibt sich in zweierlei Hinsicht ein Abgrenzungs- und Präzisierungsbedürfnis.

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In diesem Sinne auch Eichler, Die Rechtslehre vom Vertrauen, S. 5. Ähnlich Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S. 215: „erwarten kann man vielerlei.“. 62 Vgl. Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 98. 63 Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S. 215 f.; Gebhardt, Herabsetzung der Gegenleistung nach culpa in contrahendo, S. 41. 64 Zum Begriff des Vertrauenstatbestands: Canaris, Vertrauenshaftung, S. 491 ff. 65 Vgl. auch Weller, Die Vertragstreue, S. 279: „Der Tatbestand, in den die Parteien Vertrauen investieren, ist der Vertragsschluss.“ Zur Unterscheidung zwischen einem allgemeinen „persönlichen Vertrauensverhältnis“ und der konkreten Erfüllungserwartung auf Grundlage des Vertrags: Eichler, Die Rechtslehre vom Vertrauen, S. 9 ff. 61

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Zweites Kapitel: Haftung für anfängliche Unmöglichkeit als Vertrauenshaftung

1. Vertrauen als Ansatzpunkt in der Rechtsgeschäftslehre Zunächst liefert die vorliegende Arbeit keinen Beitrag zur ewigwährenden Diskussion in der Rechtsgeschäftslehre, die sich mit dem Vertrauensschutz als Geltungsgrund pathologischer Willenserklärungen befasst.66 Es geht also nicht um die Frage, ob eine irrtümlich oder gar mit fehlendem Erklärungsbewusstsein abgegebene Willenserklärung zum Schutze des Empfängervertrauens dennoch als wirksam zu behandeln wäre. Nicht die Entstehungsvoraussetzungen des Vertrags stehen im Mittelpunkt der Betrachtung, sondern inwieweit das Vertrauen auf die erfolgreiche Abwicklung des bereits zustande gekommenen Vertrags als Geltungsgrund der sekundärrechtlichen Nichterfüllungshaftung fruchtbar gemacht werden kann. 2. Emanzipation von der Vorstellung eines „Leistungsversprechens“ Emanzipieren muss sich das im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zu entwickelnde Theorieangebot zudem von der einseitigen Fokussierung auf den schuldnerischen Erklärungsakt im Sinne eines „Leistungsversprechens“. Dabei wurde bereits in der Diskussion der Garantietheorie der Rekurs auf einen vermeintlichen Versprechensakt auf Seiten des Schuldners eingehend kritisiert.67 Doch auch nach Stoll und Wiedemann soll das haftungsbegründende Vertrauen durch das schuldnerische „Leistungsversprechen“68 oder die „Erfüllungszusage“69 hervorgerufen werden. Indes ist nach der bisherigen Untersuchung zu konstatieren, dass gemäß der Konzeption des deutschen bürgerlichen Rechts erst der Konsens die vertraglichen Leistungspflichten begründet. Die für die Theorie einer vertragsrechtlichen Vertrauenshaftung maßgebliche Erfüllungserwartung des Gläubigers vermag daher niemals durch eine einseitige Erklärung des Schuldners ausgelöst werden.70 Erst die Annahme der Erklärung und der hieraus erwachsende Vertrag verpflichten den Schuldner, sodass auch erst der Vertrag besagte Erfüllungserwartung des Gläubigers rechtfertigt.71 Der Adaption von Kernaussagen der Haftungstheorie Stolls und Wiedemanns für die vorliegende Untersuchung tut dies

66

Dazu: Schapp, Grundfragen der Rechtsgeschäftslehre, S. 32 ff. m.w.N. Siehe Erstes Kapitel C. IV. 1. 68 Stoll, FS Duden (1977), S. 641 f. 69 Wiedemann/G. Müller, JZ 1992, S. 467, 468; Wiedemann, FS H. Hübner (1984), S. 719, 729: „Vertragszusage“. 70 Grüneberg, in: Palandt, 81. Aufl. 2021, § 311 Rn. 2; Dedek, Negative Haftung aus Vertrag, S. 51. 71 Den Unterschied des Vertrags als Vertrauenstatbestands gegenüber einzelnen Willenserklärung betont auch Oechsler in seiner Monographie zur Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S. 217; zur Selbstständigkeit des Vertrags gegenüber den im Synallagma stehenden Willenserklärungen: Dedek, Negative Haftung aus Vertrag, S. 52 ff. 67

C. Vertrauen und Vertrag

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freilich keinen Abbruch. Die Termini des „Leistungsversprechens“ oder der „Erfüllungszusage“ bedürfen lediglich der Ersetzung durch den Vertragsbegriff.

II. Vertrauensrechtfertigung Geht man nun davon aus, die vertragliche Vereinbarung begründe eine Erfüllungserwartung des Gläubigers, so stellt sich die Frage nach dem Grund für eine solch vertrauensstiftende Wirkung des Vertrags. 1. Der Leistungsanspruch als Rechtfertigungsgrund Als Rechtfertigungsgrund für eine auf dem Vertrag fußende Erfüllungserwartung kommt der vertragliche Leistungsanspruch (§ 241 Abs. 1 BGB) in Betracht. Insbesondere meint Gebhardt, der Vertrag begründe einen Anspruch auf die Leistung, weshalb der Schuldner in schutzwürdiger Weise auf die Leistungserbringung durch den Schuldner vertrauen dürfe.72 Erscheint eine solche Verknüpfung von Leistungsanspruch und Erfüllungserwartung zunächst naheliegend, so erweist sie sich aber vor allem bei Unmöglichkeit der Leistung als problematisch. Denn § 275 BGB ordnet für sämtliche Leistungshindernisse den Ausschluss der Leistungspflicht an, wodurch der Erfüllungserwartung des Gläubigers in Unmöglichkeitsfällen stets die Rechtfertigung entzogen würde. Dies würde – anders als noch nach der Vorgängervorschrift § 275 BGB a.F. – vor allem auch dann gelten, wenn der Schuldner selbst das Leistungshindernis verursacht hat. Dieser wäre in der Lage, die Rechtfertigungsgrundlage der Erfüllungserwartung willkürlich beseitigen zu können.73 Hinzu kommt, dass im Falle des Bestehens der Leistungspflicht weder Raum noch Bedürfnis für einen Schutz der Erfüllungserwartung im Wege gesetzlichen Vertrauensschutzes ist. So kann der Gläubiger seine Erfüllungserwartung schlicht durch klageweise Durchsetzung des vertraglichen Anspruchs auf Leistung befriedigen. Dabei ist anerkannt, dass sich das Vertrauensmoment im Rechtsinstitut des Vertrags bereits derart institutionalisiert und verselbstständigt hat, dass es – zumindest soweit es um die Pflicht zur Erbringung der Naturalleistung geht – weder als Tatbestand noch als Geltungsgrundlage eine Rolle spielt.74 Im Einzelfall ist nicht entscheidend, ob die

72 Vgl. Gebhardt, Herabsetzung der Gegenleistung nach culpa in contrahendo, S. 41; Esser/Schmidt, Schuldrecht I/1, § 1 III 1; Stoppel, AcP 204 (2004), S. 81, 96. 73 Dies führte letztlich zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Vertragsbindung, wonach sich ohne rechtlichen Grund keine Partei unilateral von den durch den Vertrag ausgelösten Verpflichtungen befreien kann (vgl. Weller, Die Vertragstreue, S. 274, 275). 74 Luhmann, Vertrauen, S. 36; Larenz, Richtiges Recht, S. 42; Gebhardt, Herabsetzung

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Zweites Kapitel: Haftung für anfängliche Unmöglichkeit als Vertrauenshaftung

Parteien auf die erfolgreiche Vertragsabwicklung vertraut haben oder nicht. Die Geltung des Vertrags und die hieraus erwachsende Naturalleistungspflicht werden weder durch das Misstrauen der einen oder anderen Partei beseitigt. 2. Die Pflicht zur Vertragszweckrealisierung als Grundlage der Erfüllungserwartung a) Die Leistungstreuepflichten Für die im Rahmen der vorliegenden Untersuchung maßgeblichen Unmöglichkeitsfälle ist der Rechtfertigungsgrund der Erfüllungserwartung mithin nicht in der Leistungspflicht, sondern in der weiter gefassten Pflicht zur Vertragszweckrealisierung75 zu suchen. Es gehört insoweit zu den gesicherten Grundlagen der deutschen Vertragsrechtsdogmatik, dass die Vertragsparteien nicht allein zum vertraglich vereinbarten Leistungsaustausch verpflichtet sind, sondern daneben ein heteronom ausgestalteter Ordnungsrahmen zum Schutze des Leistungsaustauschs besteht.76 Demnach sind die Vertragsparteien stets zur Wahrung derjenigen Sorgfalt angehalten, derer es bedarf, um die Realisierung des Vertragszwecks77 sicherzustellen. Hierzu zählen auf Schuldnerseite vor allem die Pflicht zur Überwindung bestehender Leistungshindernisse sowie die Obhutspflichten;78 außerdem hat der Schuldner alles zu unterlassen, was die Erfüllung gefährden oder gar vereiteln könnte.79 Die sogenannten Leistungstreuepflichten80 lassen sich – wie bereits angedeutet – nicht aus der vertraglichen Vereinbarung selbst ableiten. Dahingehend fehlt es den Vertragspartnern üblicherweise an einem hinreichend kon-

der Gegenleistung nach culpa in contrahendo, S. 42; Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 48. 75 Begriff bei Weller, Die Vertragstreue, S. 311. 76 Vgl. Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 222. 77 Vertragszweck meint hier die Durchführung des vertraglichen vereinbarten Leistungsaustauschs. Vgl. Köhler, Unmöglichkeit und Geschäftsgrundlage, S. 8, der vom „Primärzweck“ im Unterschied zu dem „weiteren Zweck“ (Verwendung oder Gebrauch des Leistungsgegenstands) spricht. 78 Vgl. Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, S. 447 ff.; Weller, Die Vertragstreue, S. 311 f.; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 22; Olzen, in: Staudinger, Neubearb. 2019, § 241 Rn. 212. 79 Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, S. 447 ff.; Weller, Die Vertragstreue, S. 311 f.; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 21 f.; Wiedemann, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, Vor § 275 Rn. 373. Die Leistungstreuepflicht verbietet zudem die Erfüllungsverweigerung (sog. Vertragsaufsage). Dazu Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 356 ff., 366 ff., 373; Hartmann, Die unterlassene Mitwirkung des Gläubigers, S. 48. 80 Zum Begriff: Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 21 f., der zusätzlich von Mitwirkungspflichten spricht.

C. Vertrauen und Vertrag

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kretisierten und vor allem übereinstimmenden Parteiwillen, sodass nach dem Selbstbestimmungsprinzip keine vertragliche Grundlage für die Leistungstreuepflichten angenommen werden kann.81 Dies wird besonders deutlich, wenn man an die Pflicht zur Überwindung solcher Leistungserschwerungen denkt, die erst weit nach dem Vertragsschluss aufgetreten sind und damit in der rechtsgeschäftlichen Willensbildung unzweifelhaft keine Berücksichtigung fanden.82 Die Bestimmung der Leistungstreuepflichten erfolgt demgemäß nicht durch interpretatorischen Rückgriff auf den privatautonomen Verpflichtungswillen, sondern ergibt sich aus den gesetzlichen Wertentscheidungen83 – namentlich dem Grundsatz von Treu und Glauben.84 Nach Weller finden die Leistungstreuepflichten eine weitere Grundlage im Institut des Vertrages.85 Dies ist allerdings so zu verstehen, dass die Leistungstreuepflichten der Realisierung des Vertragszwecks dienen, wodurch sie sich zwangsweise am vertraglich vereinbarten Leistungsaustausch ausrichten müssen. Das vertragliche Leistungsprogramm fungiert insoweit als Orientierungspunkt der Leistungstreuepflichten.86 Eine eigenständige pflichtbegründende Wirkung kommt dem Vertrag aber mangels eines dahingehend ausgeformten Parteiwillens nicht zu.

81 Vgl. Henssler, Risiko als Vertragsgenstand, S. 130; Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 222. 82 Allgemein zur mangelnden Relevanz des Parteiwillens im Hinblick auf die vertragliche Risikozuweisung: Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S. 170, 176, 211 ff. 83 Vgl. zum alten Schuldrecht: statt aller Teichmann, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, § 242 Rn. 134 ff. Im modernisierten Schuldrecht sind die Leistungstreuepflichten in § 241 Abs. 2 BGB ausgelagert, leiten sich aber nach zutreffender herrschender Ansicht weiterhin aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ab. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 241 Abs. 2 BGB („Das Schuldverhältnis kann […] verpflichten.“), der sich auf eine narrative Aussage beschränkt und keine pflichtbegründende Wirkung entfaltet (so Weller, Die Vertragstreue, S. 308). Vgl. auch Roth, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. 2007, § 242 Rn. 150 ff., zur einheitlichen Subsumtion der nicht-leistungsbezogenen Schutzpflichten sowie der Leistungstreuepflichten unter § 241 Abs. 2 BGB. 84 Henssler, Risiko als Vertragsgenstand, S. 130. Auch Heinr. Stoll, AcP 136 (1932), S. 257, 287 f., verankert die Leistungstreuepflichten im Treu und Glauben-Grundsatz und sieht sie damit losgelöst vom rechtsgeschäftlichen Willen. Dazu auch Kuhlmann, Leistungspflichten und Schutzpflichten, S. 80; sowie Stringari, Die Haftung des Verkäufers für mangelbedingte Schäden, S. 125. 85 Die Vertragstreue, S. 309 f. 86 Henssler, Risiko als Vertragsgenstand, S. 130.

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b) Die Paarformel Treu und Glauben Als Teil der Paarformel Treu und Glauben meint der Begriff der Treue nach allgemeinem Verständnis „eine auf Zuverlässigkeit, Aufrichtigkeit und Rücksichtnahme beruhende äußere und innere Haltung gegenüber einem anderen.“87 Die Treuepflicht des Schuldners beschränkt sich damit nicht allein auf die Bereitschaft zur Vertragserfüllung, sondern hält generell zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Vertragspartners sowie zu einem redlichen und loyalen Verhalten im Rechtsverkehr an.88 Der Glaube korrespondiert mit der Treue89 und bezeichnet zunächst das Verlassendürfen auf ein der Treuepflicht entsprechendes Schuldnerverhalten.90 Gleichwohl erschöpft sich der Glaube nicht in einer bloß internen Erwartungshaltung an bestimmte feststehende Verhaltensanforderungen, sondern bildet zuvorderst den Ausgangspunkt der besagten Rechtstugenden.91 So sind Zuverlässigkeit, Aufrichtigkeit und Rücksichtnahme keineswegs Verhaltensmaximen, die ihre ethische Rechtfertigung bereits in sich tragen. Schon Wieacker erkannte, dass Verlässlichkeitsanforderungen keine Gebote „subjektiver Wahrhaftigkeit“ sind.92 Erst soweit es der Schutz des Gläubigers, der sich auf ein bestimmtes Handeln oder Unterlassen des Schuldners verlässt, erfordert, besteht demnach ein materieller Grund für entsprechende Verhaltensregeln.93 Die „Verpflichtung, gläubigem Vertrauen zu entsprechen“94 lässt sich damit als Kerngehalt des Grundsatzes von Treu und Glauben identifizieren.95 87 Grüneberg, in: Palandt, 81. Aufl. 2021, § 242 Rn. 6. Wieacker, Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242 BGB, S. 20 Fn. 39, spricht von den „Rechtstugenden des Worthaltens, der Verlässlichkeit und Loyalität.“. 88 Grüneberg, in: Palandt, 81. Aufl. 2021, § 242 Rn. 6; Larenz, Schuldrecht I, 14. Aufl. 1987, S. 9. 89 Weller, Die Vertragstreue, S. 307. 90 Weller, Die Vertragstreue, S. 307; Stürner, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 390. 91 Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, S. 441; Weller, Die Vertragstreue, S. 307: „Konkretisierungsmaßstab“; Eichler, Die Rechtslehre vom Vertrauen, S. 19: „objektives Ergänzungsmoment“. 92 Wieacker, Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242 BGB, S. 29. 93 Vgl. Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, S. 441: Treuepflicht wird „wesentlich durch die berechtigten Erwartungen des Gläubigers bestimmt.“ Ebenso Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 77: „Die Werte der Beständigkeit, Verlässlichkeit und Wahrhaftigkeit können insofern nur in ihrem Bezug zum Vertrauen und dem daraus resultierenden Schutzbedürfnis konstitutive Bedeutung erlangen.“ Schließlich auch Weller, Die Vertragstreue, S. 307: „Inhalt und Umfang der Treuepflicht richten sich (auch) nach den berechtigten Erwartungen des anderen Vertragsteils.“ Sowie Lampe, Rechtsanthropologie I, S. 313. 94 Gernhuber, JuS 1983, S. 764. 95 Für die Bedeutung des Vertrauens als wesentlichen Ansatzpunkt des Treuegedan-

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Verpflichtungsbegründend im vorgenannten Sinne wirkt dabei freilich nicht jede rein subjektiv geartete Erwartungshaltung der jeweiligen Vertragsparteien.96 Der in § 242 BGB formulierte Verweis auf die Verkehrssitte dient insoweit als objektivierender Maßstab, der den Schuldner vor einer Überforderung infolge uferloser Erwartungshaltungen des Gläubigers bewahrt.97 Konstitutive Bedeutung im Hinblick auf die schuldnerischen Verhaltensmaximen erlangt demnach allein das Vertrauen, welches in den beteiligten Verkehrskreisen üblich ist.98 Bei Treu und Glauben handelt es sich um letztlich nichts anderes als eine gesetzliche Anerkennung der Sätze vom Vertrauen im Rechtsverkehr.99 Es geht um ein normatives Vertrauendürfen, das vom Vertrauen im rein psychologischen Sinne scharf zu unterscheiden ist.100 c) Synthese: Die Erfüllungserwartung als das Vertrauen auf ein erfüllungsförderliches Verhalten Ausgehend von diesem Verständnis der Paarformel von Treu und Glauben gelingt die Grundlegung der hier in Rede stehenden Erfüllungserwartung. Sie findet ihre Rechtfertigung in der Leistungstreue des Schuldners und dem berechtigten Vertrauen des Gläubigers hierauf. Dieser darf sich demnach darauf verlassen, dass der Schuldner bestehende Leistungshindernisse beseitigt und sämtliche erfüllungsgefährdenden Handlungsweisen unterlässt. In dieser Variante meint die Erfüllungserwartung damit nichts anderes als das Vertrauen auf erfüllungsförderliches Verhalten,101 dessen Schutz jeder freiheitlichen Privatrechtsordnung – will sie sich nicht selbst in Frage stellen – immanent sein muss.102 Es wäre paradox, würde die Rechtsordnung einerseits die Befugnis zur privatautonomen Rechtssetzung anerkennen, andererseits aber den Schutz des Gläubigervertrauens auf eine Bewährung der hieraus erwachsenden Vertragsbindung verweigern. Die normative Wirkung der Vertragsbindung103 und deren einfachgesetzliche Anerkennung wären so in ihrer kens: Weller, Die Vertragstreue, S. 307; Zöllner, NJW 1999, S. 3240, 3242; Stoffels, Gesetzlich nicht geregelte Schuldverträge, S. 482. 96 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 10. Aufl. 2006, § 26 I Rn. 200. 97 Stürner, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 390; Lampe, Rechtsanthropologie I, S. 314; Eichler, Die Rechtslehre vom Vertrauen, S. 18; Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, S. 441. 98 Eichler, Die Rechtslehre vom Vertrauen, S. 18. 99 Wieacker, Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242 BGB, S. 29. 100 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 10. Aufl. 2006, § 26 I Rn. 202. 101 Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S. 217: „Es geht [...] um nichts weiter als die Erfüllung des schuldnerischen Leistungsversprechens in einer den Durchschnitterwartungen des jeweiligen Leistungsempfängers entsprechenden Art und Weise.“. 102 Vgl. Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 100. 103 Umfassend zur Vertragsbindung: Weller, Die Vertragstreue, S. 205 ff., 274 ff.

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Gänze in Frage gestellt.104 Mit Wolf lässt sich von der „Verlassfunktion“ des Vertrages sprechen.105

III. Die Leistungstreuepflicht und anfängliche Leistungshindernisse Die vorliegende Untersuchung unternimmt den Versuch, die auf der schuldnerischen Leistungstreue fußende Erfüllungserwartung auch für Fälle anfänglicher Unmöglichkeit fruchtbar zu machen. Die Schwierigkeit besteht darin, dass bei anfänglicher Unmöglichkeit das Ausbleiben der Erfüllung bereits bei Zustandekommen des Vertrages angelegt ist; ein erfüllungsförderliches Verhalten nach Vertragsschluss insoweit vergeblich bleibt. Grundlage für die Erfüllungserwartung des Gläubigers kann somit allenfalls ein vorvertragliches Verhalten des Schuldners sein. Der Annahme vorvertraglicher Leistungstreuepflichten steht freilich der gewichtige Einwand entgegen, dass vor Vertragsschluss mangels entsprechender Vereinbarung noch keine Leistungspflicht besteht und es den Leistungstreuepflichten damit am Anknüpfungspunkt fehlt.106 Gerade letzterer Einwand erweist sich aber auf den zweiten Blick keineswegs überzeugend. Im Folgenden wird sich vielmehr zeigen, dass sich die Treuepflicht des Schuldners nicht allein darin erschöpft, nach Vertragsschluss die erforderlichen Erfüllungshandlungen vorzunehmen und seine eigene Leistungsfähigkeit nicht zu gefährden. Ein treugemäßes Schuldnerverhalten setzt in gleichem Maße voraus, dass dieser bereits im vorvertraglichen Stadium die Erfüllbarkeit des zukünftigen Vertrages sicherstellt. 1. Informations- und Mitwirkungspflichten vor Vertragsschluss a) Informationspflichten Zu diesem vorvertraglichen Pflichtenprogramm zählen unter anderem die Informationspflichten betreffend anfänglicher Leistungshindernisse, die ihre Anerkennung in § 311a Abs. 2 S. 2 BGB (Kenntnis oder Kennenmüssen) gefunden haben, sich aber wie alle anderen Treuepflichten aus den Redlich-

104

Gebhardt, Herabsetzung der Gegenleistung nach culpa in contrahendo, S. 42. Wolf, in: Soergel, 13. Aufl. 1999, Vor § 145 Rn. 28; ähnlich stellt auch Willoweit, JuS 1988, S. 833, fest, der Vertrag begründe ein „Höchstmaß an Verlässlichkeit“; Gebhardt, Herabsetzung der Gegenleistung nach culpa in contrahendo, S. 42: „der fundamentale Vertrauenstatbestand schlechthin“; Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 203: „universell einsetzbares Instrument der Erwartungssicherung“. 106 Vgl. Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, S. 452: „Treuepflichten zur aktiven Förderung der Erreichung des Leistungserfolges setzen ein verbindliches Leistungsziel voraus.“ Mit Verweis auf die Vertragsabschlussfreiheit: Olzen, in: Staudinger, Neubearb. 2019, § 241 Rn. 178. 105

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keitserwartungen des § 242 BGB ableiten.107 Diese sollen zunächst sicherstellen, dass beim Verhandlungspartner keine Erwartungen geweckt werden, die nach dem jeweiligen Stand der Verhandlungen nicht mehr gerechtfertigt sind.108 Entsprechend hat der Schuldner sich bereits bei Beginn der Vertragsverhandlungen – und nicht erst wenn das Zustandekommen eines Vertrages in Aussicht steht!109 – über rechtliche oder tatsächliche Leistungshindernisse zu informieren und die Gegenseite hierüber aufzuklären. Denn erst dann ist es dem Gegenüber möglich, den Verhandlungsstand und damit die Risiken etwaiger vorvertraglicher Dispositionen richtig abzuschätzen.110 Ähnlich dem Gebot, fortgeschrittene Vertragsverhandlungen nicht unbegründet zu unterbrechen, schützt die besagte Informationspflicht die Entschließungsfreiheit des anderen Teils und ist Ausschnitt der allgemeinen Verhandlungstreuepflicht.111 Gleichwohl erschöpft sich die Informationspflicht betreffend anfänglicher Leistungshindernisses nicht in einem reinen vorvertraglichen Dispositionsschutz. Indem die Vertragsparteien bereits vor Vertragsschluss zur Vergewisserung über ihre eigene Leistungsfähigkeit veranlasst werden, wird nicht zuletzt auch das Zustandekommen eines durchführbaren Vertrages sichergestellt. Es gilt danach zu gewährleisten, dass der jeweilige Schuldner nur solche Verträge schließt, die er auch zu erfüllen in der Lage ist.112 In dieser Funktion nimmt die besagte Informationspflicht des Schuldners aber keine rein dispositionsschützende Rolle ein, sondern ist – trotz ihrer zeitlichen Verortung im vorvertraglichen Stadium – bereits Ausfluss aus der schuldnerischen Leistungstreuepflicht.113 Demnach ist von jedem sich treugemäß verhaltenden

107 Vgl. Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 103; deutlich OLG Düsseldorf NJW 1977, S. 1064, 1065. 108 Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 184 f. 109 So nachdrücklich: Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 103; anders Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, S. 337 ff.: Entscheidend für das Bestehen vorvertraglicher Aufklärungs- und Förderungspflichten sei, ob die Parteien Vertrauen dahingehend geweckt haben, zum Vertragsschluss bereit zu sein. 110 Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 102 f.; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S. 184 f. 111 Jener Schutz wird freilich nicht durch die Erfüllungshaftung aus § 311a Abs. 2 BGB erreicht, sondern über eine Subsumtion jener Informationspflichten unter § 241 Abs. 2 BGB; mithin über eine c.i.c.-Haftung. 112 Vgl. die Ausführungen von Brieskorn, Vertragshaftung und responsabilite´ contractuelle, S. 324, wonach es sich bei der Pflicht, sich über die eigene Leistungsfähigkeit zu vergewissern, um einen Aspekt der Vertragserfüllung handele. 113 Fikentscher, Schuldrecht, 1965, § 44 III 4, S. 17, meint gar, dass die Pflicht, sein ursprüngliches Leistungsvermögen im Rahmen des objektiv überhaupt Möglichen zu kennen, noch stärker wiegt als die Pflicht zur ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung nach Vertragsschluss.

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Schuldner zu erwarten, dass dieser sich in Aussicht des intendierten Vertrages, ohne aber bereits zur Leistung verpflichtet zu sein, seiner eigenen Leistungsfähigkeit versichert. Funktional mit dem vertraglichen Pflichtenprogramm verbunden ist auch die Aufklärungspflicht des Verkäufers über ihm bekannte Sachmängel, deren Existenz in den §§ 442 Abs. 1 S. 2 Alt. 1, 444 Alt. 1 BGB („arglistiges Verschweigen“) ausdrücklich angesprochen ist.114 Obwohl im vorvertraglichen Stadium verortet, sind auf jene Aufklärungspflicht die Regeln des Leistungsstörungsrechts anzuwenden.115 Der Grund hierfür liegt in der Schutzrichtung besagter Aufklärungspflicht: Diese soll sicherstellen, dass der Vertragsschluss auf Gläubigerseite keine vergeblichen Erwartungen auf den Erhalt einer mangelfreien Leistung weckt. Bezugspunkt ist also auch hier der vertraglich vereinbarte Leistungsaustausch. Dies äußert sich nicht zuletzt dadurch, dass ein arglistiges Verschweigen des Verkäufers im Rahmen der §§ 442 Abs. 1 S. 2, 444 BGB nur dann Relevanz entfaltet, wenn es auch zum Vertragsabschluss gekommen ist.116 b) Mitwirkungspflichten Noch deutlicher wird der Zusammenhang von vorvertraglichem Pflichtenprogramm und vertraglichem Leistungsaustausch bei den durch die Judikatur des Reichsgerichtes und des BGH entwickelten vorvertraglichen Förderungspflichten.117 Diese hat die Rechtsprechung vor allem dann angenommen, wenn es bereits vor Vertragsschluss behördlicher Genehmigungen zur wirksamen Durchführung des späteren Vertrags bedurfte.118 Die Parteien trifft demnach die Pflicht, schon vor Vertragsschluss Erfüllungshindernisse im Zusammenwirken zu beseitigen und alles zu unterlassen, was eine Genehmigung gefährden oder vereiteln könnte.119 Dabei ist besonders in Fällen, in denen eine solche Genehmigung nicht die Wirksamkeit des Vertrages, sondern allein die Zulässigkeit der Leistung betrifft,120 die Zielrichtung der be114 Zum gleichlautenden Erfordernis in § 463 BGB a.F. und der Interpendenz der darin angeordneten Haftung mit dem vertraglichen Pflichtenprogramm: Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, S. 457; Leonhard, Allgemeines Schuldrecht, § 283, S. 545; sowie Ballerstedt, AcP 151 (1950/51), S. 501, 529. 115 Vgl. Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, S. 457. 116 Vgl. Leonhard, Allgemeines Schuldrecht, § 285, S. 553. 117 Dazu Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, S. 337 ff. 118 BGHZ 67, 34, 35; 14, 1, 2; BVerwG NJW-RR 1986, 756, 758; zum Problemkreis: Olzen, in: Staudinger, Neubearb. 2015, § 241 Rn. 182 ff.; Grüneberg, in: Palandt, 81. Aufl. 2021, § 242 Rn. 33; Wiedemann, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, Vor § 275 Rn. 141. 119 Olzen, in: Staudinger, Neubearb. 2019, § 241 Rn. 182 ff.; Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, S. 336. 120 Siehe die Differenzierung in BGH NJW 1976, 1939 sowie Hüffer, Leistungsstörungen durch Gläubigerhandeln, S. 202 f.

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treffenden Mitwirkungspflichten offenkundig: Schon im vorvertraglichem Stadium soll so die ordnungsgemäße Durchführung des späteren Vertrages sichergestellt werden.121 2. Der institutionelle Schutz der Vertragsdurchführung als einheitliche Grundlage der Leistungstreuepflichten Die dogmatische Verortung besagter vorvertraglicher Informations- und Förderungspflichten bereitet indes Schwierigkeiten. So ließe sich einerseits annehmen, dass bereits vor der eigentlichen vertraglichen Bindung eine „allgemeine Treuepflicht“ der Parteien besteht, auf die für die zukünftige Vertragsdurchführung erforderlichen Bedingungen hinzuwirken.122 Einwenden lässt sich hiergegen, dass vor Vertragsschluss noch keine verbindliche Leistungspflicht besteht, dahingehende Förderungs- oder Aufklärungspflichten mithin nicht als echte Leistungstreuepflichten wahrgenommen werden könnten. Krebs spricht in seiner umfassenden Monographie zu den außerdeliktischen Schutzpflichten daher von nur „mittelbar auf den Leistungserfolg bezogenen Treuepflichten“.123 Tatsächlich liegt dieser Differenzierung zwischen vorvertraglichen und den nach Vertragsschluss einzuhaltenden Treuepflichten eine allzu gegenständliche, weil auf den Vertrag selbst verengte Vorstellung der schuldnerischen Leistungstreue zugrunde. Ausgangspunkt dieses Rechtsverständnisses ist der vielzitierte Ausspruch, der Vertrag begründe ein Schuldverhältnis.124 Dieser suggeriert, erst der Vertragsschluss als Akt der Willensvereinigung vermag die sich letztlich aus dem Schuldverhältnis ergebenden Verhaltenspflichten in Gang zu setzen.125 Hingegen wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit bereits dargelegt, dass sich die in Rede stehenden Leistungstreue-, Schutz- und Nebenpflichten eben nicht auf den tatsächlichen Willen der Vertragspartner zurückführen lassen. Das Pflichtenprogramm selbst und mit diesem auch das pflichtenbegründende Schuldverhältnis sind vielmehr gesetzlicher Natur. Letzteres umkreist den Vertrag und statuiert unabhängig vom Willen der Parteien einen Ordnungsrahmen zum Schutze der Vertragsdurchführung. Dabei ist keineswegs gesichert, dass ein solches Schuldverhältnis erst mit dem Vertragsschluss zur Entstehung gelangt. Ganz im Gegenteil, wird in weiten Teil der Literatur das Bestehen eines einheitlichen 121 Ganz deutlich Schwarze, Leistungsstörungen, 2. Aufl. 2017, § 33, S. 524, Fn. 216, der in diesen Fällen die Einholung der Genehmigung zur vertraglichen Leistungspflicht des Schuldners zählt. 122 Vgl. Olzen, in: Staudinger, Neubearb. 2019, § 241 Rn. 182 m.w.N. 123 Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, S. 457. 124 Krit. Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 233. 125 Vgl. die Ausführungen Pickers, JZ 1987, S. 1041, 1043 f., der in diesem Zusammenhang von „blanken Fiktionen“ spricht.

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gesetzlichen Schuldverhältnisses von der Vertragsanbahnung bis in den nachvertraglichen Bereich hinein anerkannt.126 Insbesondere Canaris nahm an, dass gleichermaßen vor als auch nach Vertragsschluss besondere Einwirkungsmöglichkeiten auf die Rechtsgüter des jeweils anderen Vertragsteils bestünden, weshalb auf einen besonders rücksichtsvollen Umgang zwischen den Vertragsparteien vertraut werden kann.127 Das hieraus erwachsende einheitliche, gesetzliche Schuldverhältnis sollte aber nach der Vorstellung CanarisÆ allein die allgemeinen Schutzpflichten beinhalten. Gemeint sind damit jene Pflichten, die nur den Schutz des Integritätsinteresses der Gegenseite, nicht aber den Schutz des Leistungsinteresses betreffen.128 Die vorliegende Untersuchung geht einen Schritt weiter, indem sie nicht nur die Schutzpflichten, sondern auch die leistungsbezogenen Treuepflichten dem einheitlichen gesetzlichen Schuldverhältnis zuweist. Hierfür spricht schon, dass die Leistungstreuepflichten – wie auch die Schutzpflichten – nicht der vertraglichen Vereinbarung entspringen. Sie bilden allenfalls den gesetzlichen Ordnungsrahmen für den vertraglich angeordneten Leistungsaustausch, was schon durch die positivrechtliche Verankerung der Leistungstreuepflichten im Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB eingehend belegt wird.129 Freilich bedarf es einer über die gesetzliche Natur der Leistungstreuepflichten hinausgehenden Begründung, weshalb diese gleichermaßen vor und nach Vertragsschluss bestehen sollen. Jedenfalls für die besagten Schutzpflichten ist eine solche Identität des Pflichtenprogramms im Stadium vor und nach Vertragsschluss offenkundig. Diese finden ihre Rechtfertigung in der Nähebeziehung zwischen den Parteien und der daraus folgenden erhöhten Einwirkungsmöglichkeit auf Rechtsgüter des jeweils anderen Teils. Diese Nähebeziehung tritt nicht erst mit Vertragsschluss ein, sondern zumeist bereits im Stadium der Vertragsanbahnung (etwa beim Betreten der Geschäfts126

Canaris, JZ 1965, S. 475 ff.; ders., FS Larenz (1983), S. 27, 102 ff.; Thiele, JZ 1976, S. 649 ff.; Gerhardt, JuS 1970, S. 597; Müller-Graf, JZ 1976, S. 153; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 131 f. 127 Canaris, JZ 1965, S. 475 ff.; Dölle, ZStW 103 (1943), S. 67, 74; Larenz, MDR 1954, S. 515, 517. Erstmals hatte Heinr. Stoll, AcP 136 (1932), S. 257, 298, das Bestehen von Schutzpflichten anhand des Gedankens der Öffnung der Rechtskreise in Verbindung mit dem Vertrauensgedanken begründet. In der neueren Literatur tritt indes meist allein der Vertrauensgedanke in den Vordergrund: Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 223 f., Fn. 53 m.w.N. Eine strikte Trennung beider Aspekte vertritt Picker, AcP 183 (1983), S. 369, 411 ff., 418 ff. 128 In der Nachfolge Canaris betonte etwa Thiele, JZ 1967, S. 649, 653 ff., dass das „Schutzpflichtverhältnis“ streng vom Leistungsverhältnis zu trennen sei. Umfassend zur Diskussion: Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 253 ff.; sowie Henssler, Risiko als Vertragsgenstand, S. 131 f. 129 Vgl. Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 222 f.

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räume). Im Hinblick auf die Leistungstreuepflichten scheint die Identität des Pflichtenprogramms vor und nach Vertragsschluss dagegen merklich schwieriger zu begründen. Es stellt sich das bereits angedeutete Problem, dass vor Vertragsschluss noch keine verbindliche Leistungspflicht besteht; mithin den leistungsbezogenen Treupflichten vermeintlich die Bezugsgrundlage fehlt. Besinnt man sich an dieser Stelle nochmals auf die Verortung der Leistungstreuepflichten im Grundsatz von Treu und Glauben und ihrer damit verbundenen Ableitung aus der Verkehrserwartung, lautet die entscheidende Frage, worin der Anlass für eine Verkehrserwartung besteht, welche dem Schuldner schon vor Vertragsschluss eine Aufklärungs- und Förderungspflicht zur Sicherstellung der späteren Vertragsdurchführung auferlegt. Eine Antwort hierauf liefert die Bedeutung der Vertragsverhandlungen als vertragsvorbereitendes Kooperationsverhältnis.130 Zu bedenken ist, dass Vertragsparteien mit Beginn der Vertragsverhandlungen – zumindest soweit sie redliche Ziele verfolgen – stets den Abschluss eines durchführbaren Vertrages intendieren. Zwar ist in diesem Stadium der genaue Vertragsinhalt, wie Preis oder die Erfüllungsmodalitäten, noch nicht abschließend geklärt, sodass dahingehend noch kein förderliches Verhalten erwartet werden kann. Jedenfalls aber sobald die vertragscharakteristische Leistung in ihren Grundzügen bestimmt ist, wird im Rahmen der Vertragsverhandlungen stillschweigend vorausgesetzt, dass diese auch möglich ist. Andernfalls würden Vertragsverhandlungen stets nur auf höchst unsicherer Tatsachengrundlage geführt. Dies gilt im Besonderen bezüglich solcher Leistungshindernisse, welche gänzlich oder zumindest nach Vertragsschluss nicht mehr zu beseitigen sind. Möchte man die Zielgerichtetheit der Vertragsverhandlungen auf den Abschluss eines durchführbaren Vertrages nicht unterlaufen, ist es gerade in diesen Fällen zwingend, dahingehende Aufklärungs- oder Förderungspflichten anzunehmen. Erst der Bezug der Vertragsverhandlungen zum Vertrag liefert die Rechtfertigung vorvertraglicher Leistungstreuepflichten.131 Das Institut der Vertragsverhandlungen kann nicht schlicht von demjenigen des Vertrags abgelöst werden.132 Ein umfassender Erklärungsversuch des Instituts der Vertragsverhandlungen gelingt nur, wenn man dieses aus einer umfassenden Perspektive deutet, welche auch den Vertrag oder vielmehr dessen Erfüllung miteinbezieht.133 Man gelangt so zur Annahme eines 130 Vgl. Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, S. 336, der vom „kooperativen Wesen“ der vorvertraglichen Mitwirkungspflichten spricht. Zu weit geht indes die Annahme eines vorbereitenden Vertrages (vgl. Leonhard, Allgemeines Schuldrecht, § 288, S. 550 f.), da es hierfür an einer entsprechenden Willenseinigung fehlt. Entscheidend sind die Wertungen des objektiven Rechts, namentlich der Grundsatz von Treu und Glauben. Krit. auch Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 231. 131 Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 232. 132 Kritisch vor allem: Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 232. 133 Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 233.

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einheitlichen Schuldverhältnisses der Vertragsverhandlungen und der Vertragserfüllung, dessen Zweck im Schutz der ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung liegt.134 Im Rahmen dieses Geschehens stiftet der Vertrag nur die Leistungspflichten als solche. Der Schutz des Vertrages selbst im Wege der Statuierung von Schutz- und Leistungstreuepflichten aber erfolgt durch das Schuldverhältnis, welches seinen Anfang bereits zu Beginn der Vertragsverhandlungen nimmt.135 Dabei betritt die deutsche Rechtsdogmatik mit der Zusammenführung von Vertragsverhandlungen und Vertragserfüllung in ein einheitliches gesetzliches Schuldverhältnis keineswegs juristisches Neuland. Insbesondere das Reichsgericht hob hinsichtlich der Aufklärungspflichten über anfängliche Leistungserschwernisse hervor, dass die Vertragsverhandlungen und der Vertrag selbst ein einheitliches Ganzes bilden, woraus sich ein Gleichlauf des Pflichtenprogramms vor und nach Vertragsschluss ergebe:136 „Die Bedürfnisse des redlichen Verkehrs und der das ganze Vertragsrecht beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben lassen aber auch die rechtliche Anerkennung der vertraglichen Haftung für Verschulden beim Vertragsschluß als unentbehrlich erscheinen, wenn ein Vertrag gültig geschlossen worden ist und eine Partei beim Vertragsschluß Umstände, von denen sie wußte oder sich sagen mußte, daß sie für den Willensentschluß des anderen Teiles von wesentlicher Bedeutung seien, fahrlässigerweise verschwiegen oder darüber unrichtige Angaben gemacht hat. Es ist kein stichhaltiger Grund erkennbar, weshalb die Vertragsparteien beim Vertragsabschluß einander zu einer geringeren Sorgfalt verpflichtet sein sollten als nach Vertragsabschluß. Der Vertragsabschluß und die Vertragserfüllung bilden ein einheitliches Ganzes.“

IV. Bestimmung der Erfüllungserwartung entlang der Leistungstreuepflicht Für die weitere Untersuchung bleibt zunächst festhalten, dass sich die durch den Vertrag ausgelöste Erfüllungserwartung aus der wiederum erwartbaren Leistungstreue des Schuldners speist. Jene Leistungstreue beschränkt sich dabei nicht allein auf den Zeitraum der Vertragserfüllung. Bereits im vorver134

Vgl. Wiedemann, JZ 1998, S. 1176, 1177: „Übergänge zwischen den Verhaltenspflichten im Vorvertragsstadium und den Verhaltenspflichten im Vollzugsstadium durchaus fließend“. 135 Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 234. 136 RGZ 95, 58, 60; dazu: Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 234. Das Reichsgericht sah die vorvertraglichen Informationspflichten in den Haftungsnormen §§ 179, 307, 309, 463 S. 2, 694 BGB a.F. gesetzlich anerkannt und begründete auf Grundlage des Grundsatzes von Treu und Glauben eine allgemeine Aufklärungspflicht hinsichtlich vertragswesentlicher Umstände (ebenso RGZ 103, 47, 51). Zuvor plädierte bereits Leonhard (Verschulden beim Vertragsschlusse, S. 3, 48) in Analogie zu den §§ 276, 463 BGB a.F. für eine haftungsrechtliche Gleichstellung vorvertraglicher Informationspflichten mit der Erfüllungspflicht. Krit. Benedict, Culpa in Contrahendo I, S. 314 ff.

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traglichen Stadium treffen den Schuldner die Durchführung des Vertrages betreffende Förderungs- und Aufklärungspflichten. Grundlage der Erfüllungserwartung ist mithin die Erwartung an ein treugemäßes Schuldnerverhalten sowohl vor als auch nach Vertragsschluss. Ähnlich judizierte das Reichsgericht in bereits obig zitierter Entscheidung: „Kommt es zum gültigen Vertragsschluß, so muß jeder Teil darauf vertrauen können, daß seine Vertragsinteressen nicht gegen Treu und Glauben von dem anderen Teile mißachtet worden sind oder demnächst mißachtet werden.“137

Gerade in diesem Ausspruch offenbart sich ein Rechtsverständnis, wie es auch dem hier herausgearbeiteten Konzept einer vertragsrechtlichen Vertrauenshaftung zugrunde liegt. Als maßgeblicher Vertrauenstatbestand begründet der Vertrag demnach in zweierlei Richtung die Erfüllungserwartung des Gläubigers: Für die Zeit nach Vertragsschluss leitet sich die Erfüllungserwartung aus dem zu erwartenden erfüllungsförderlichen Verhaltens des vertragsgebundenen Schuldners ab. Gleichzeitig aber kann der Gläubiger aufgrund des Vertragsschlusses auf die Abwesenheit solcher anfänglichen Leistungshindernisse schließen, die der vorvertraglichen Informationsverantwortung des Schuldners unterfallen. Denn ein sich treugemäß verhaltender Schuldner – und eben dieser bildet die Wertungsgrundlage für die sich aus dem Vertrag ergebende Erfüllungserwartung! – hätte solche Leistungshindernisse erkannt, dem Gläubiger offengelegt und vom Vertragsschluss Abstand genommen.138

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RGZ 95, 58. Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung, S. 136: „Wer sich zu einer Leistung verpflichtet, muß prüfen, ob er dazu imstande ist. Sagt er sie zu, so gibt er damit regelmäßig zu erkennen, daß er zu leisten imstande ist. Der Gläubiger vertraut darauf und muß in diesem Vertrauen geschützt werden.“ Ebenso Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, S. 337: „[...] mit Bereitschaft zum Vertragsschluss schafft jede Partei einen Vertrauenstatbestand dahingehend, in ihrem Herrschaftsbereich liegende und für sie erkennbare Wirksamkeits- und Durchführungshindernisse beseitigt zu haben oder gegebenenfalls über das Gegenteil zu informieren“. Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 268: „Aus der Sicht des Gläubigers geht es bei Vertragsschluss nur darum, ob er in dem Moment, in dem er seinen Konsens erklärt, darauf vertrauen darf, daß der Schuldner keine voreilige Verpflichtungserklärung abgegeben hat, die er nicht zu erfüllen vermag. Der Schuldner soll also, bevor er ein Versprechen abgibt, prüfen, ob er überhaupt leistungsfähig ist“. Fikentscher, Schuldrecht, 1. Aufl. 1965, § 44 III 4, S. 18, spricht von der Vermutung, „daß jeder vor Eingehung einer Verbindlichkeit sein Leistungsvermögen gründlich geprüft hat.“ Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 192: „Geschützt wird das Vertrauen des Gläubigers darauf, dass der Schuldner im Vorfeld des Vertragsschlusses seine Leistungsfähigkeit überprüft und insoweit hinreichende Informationen eingeholt hat.“ Schollmeyer begnügt sich indes nicht mit dem Vertragsschluss als einschlägigen Vertrauenstatbestand, sondern rekurriert auf das von Canaris, FS Heldrich (2005), S. 11, 30, vertretene Konzept einer „Normalgarantie“. 138

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Diese dogmatischen Einsichten zur Erfüllungserwartung des Gläubigers bilden die entscheidenden Grundlagen zur Entschlüsselung der in § 311a Abs. 2 BGB niedergelegten Haftungsstruktur. Die darin angeordnete Haftung in Richtung des Erfüllungsinteresses folgt demnach aus dem Schutz der Erfüllungserwartung auf Seiten des Gläubigers. Dieser wird so gestellt, als wäre sein Vertrauen in die Bewährung der Vertragsvereinbarung nicht enttäuscht worden; mithin als wurde ordnungsgemäß erfüllt. Wie aber die bisherige Untersuchung gezeigt hat, kann es dabei niemals um den Schutz eines uferlosen Gläubigervertrauens auf eine „Erfüllung um jeden Preis“ gehen. Schutzwürdig ist allein Erfüllungserwartung, die unter Zugrundelegung eines treugemäßen Schuldnerverhaltens (§ 242 BGB) vor und nach Vertragsschluss,139 erwartet werden kann.140 Im Hinblick auf Fälle anfänglicher Unmöglichkeit bedeutet dies, dass der Vertragsschluss nur einen Vertrauensschutz dahingehend gewährt, dass solche Leistungshindernisse nicht vorliegen, die bei treugemäßer Aufklärung durch den Schuldner zu Tage getreten wären. Leistungshindernisse aber, welche auch bei Einhaltung der vorvertraglichen Treuepflicht verborgen geblieben wären, unterfallen nicht dem durch § 311a Abs. 2 BGB gewährten Vertrauensschutz. Entsprechend schließt § 311a Abs. 2 S. 2 BGB die Haftung für all jene Fälle aus, in denen der Schuldner das Leistungshindernis weder kannte noch seine Unkenntnis zu vertreten hat – ihn mithin keine vorvertragliche Informationsverantwortung trifft. Allein in dieser Rolle als haftungsbegrenzendes Moment lässt sich das Erfordernis eines vorvertraglichen Informationsverschuldens damit dogmatisch konsistent einordnen. Es beschränkt den durch § 311a Abs. 2 BGB gewährten Vertrauensschutz auf diejenige Erfüllungserwartung, welche im Hinblick auf die Person des leistungstreuen Schuldners berechtigt ist. Mit der auf der schuldnerischen Leistungstreuepflicht fußenden Erfüllungserwartung greift die vorliegende Arbeit schließlich einen Vertrauensaspekt auf, wie er dem Gläubigerbegriff als solchem immanent ist: Ist der Gläubiger doch derjenige, der an die Person des Verpflichteten, deren Leistungswilligkeit und – im Kontext anfänglicher Unmöglichkeit – an deren Leistungsvermögen „glaubt“.141

139 Für den Zusammenhang von vorvertraglichem Parteiverhalten und Inhalt der Leistungserwartung: Stoll, FS Caemmerer (1978), S. 435, 454. 140 Vgl. auch Medicus, FS Odersky (1996), S. 589, 595, der von der „nach Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte zu bemessenden Vertrags- oder Leistungserwartung“ spricht. 141 Weller, Die Vertragstreue, S. 307; Larenz, Schuldrecht I, 14. Aufl. 1987, S. 6; Weber, JuS 1992, S. 631, 632, Fn. 24. Sprachhistorisch findet der Begriff des Gläubigers seinen Ursprung in der Lehnübersetzung des italienischen creditore. Vgl. Mt. Weller, Persönliche Leistungen, S. 24.

C. Vertrauen und Vertrag

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V. Die verfehlte Heranziehung der Lehre von der Haftung aus culpa in contrahendo Nicht zuletzt räumt die vorliegende Untersuchung damit auch mit der verbreiteten Fehlvorstellung auf, das in Satz 2 vorausgesetzte vorvertragliche Informationsverschulden bilde den Haftungsgrund des § 311a Abs. 2 BGB. Würde dies zutreffen, dürfte die Haftungsanordnung, wie auch in allen anderen culpa in contrahendo-Konstellationen, in der Tat nur auf das negative Interesse, nicht aber – wie in § 311a Abs. 2 BGB vorgesehen – auf das Erfüllungsinteresse lauten. Dieser fehlerhaften Heranziehung der Lehre von der culpa in contrahendo für Fälle anfänglicher Unmöglichkeit widerspricht indes schon der Umstand, dass die Haftung nach § 311a Abs. 2 S. 2 BGB neben dem vorvertraglichen Informationsverschulden auch einen wirksamen Vertragsschluss (§ 311a Abs. 1 BGB) voraussetzt. Verletzt der Schuldner schuldhaft seine vorvertragliche Informationspflicht, kommt dann aber kein Vertrag zustande, ist eine Haftung aus § 311a Abs. 2 BGB unstreitig ausgeschlossen.142 Anders als eine c.i.c.-Haftung, welche schon der Bezeichnung nach niemals an ein Rechtsgeschäft anknüpft,143 ist im Rahmen des § 311a Abs. 2 BGB der Abschluss eines gültigen Vertrages also unweigerliche Haftungsvoraussetzung. Der Grund hierfür liegt in der soeben dargestellten Bedeutung des Vertrages als Vertrauenstatbestand. Demnach kann sich jeder Gläubiger auf Grundlage des Vertragsschlusses darauf verlassen, dass der Schuldner seine ihm gegenüber bestehenden Treuepflichten zum einen einhalten wird und zum anderen eingehalten hat.144 Insbesondere kann erwartet werden, dass sich der Schuldner im Rahmen seiner vorvertraglichen Informationsverantwortung seiner Leistungsfähigkeit versichert hat und damit zur Leistung imstande ist.145 Kommt es nun zum Vertragsschluss und liegen dennoch Leistungshindernisse vor, welche die Informationsverantwortung des Schuldners betreffen, so hat dieser für die dadurch enttäuschte Erfüllungserwartung des Gläubigers in Richtung des Erfüllungsinteresses einzustehen. Haftungsbegründend wirkt also nicht die unterlassene Aufklärung über das anfängliche Leistungshindernis, sondern erst die durch das Leis-

142

Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung, S. 114. Vgl. Flume, Das Rechtsgeschäft, 3. Aufl. 1979, S. 129. 144 Vgl. RGZ 95, 58. 145 Vgl. Brieskorn, Vertragshaftung und responsabilite´ contractuelle, S. 324: „Während der Ersatzpflichtige in anderen Fällen der vorvertraglichen Haftung den Anschein erweckt hat, es werde eine Verbindlichkeit nach den Vorstellungen des Gläubigers zustande kommen, geht es hier um die Verletzung seiner Pflicht, sich über die Leistung zu vergewissern und damit um die Nichterfüllung seines Leistungsversprechens.“. 143

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Zweites Kapitel: Haftung für anfängliche Unmöglichkeit als Vertrauenshaftung

tungshindernis verursachte Enttäuschung der auf dem Vertragsschluss fußenden Erfüllungserwartung.146 Diese vermeintlich komplexe Unterscheidung zwischen c.i.c.-Haftung und vertragsrechtlicher Erfüllungshaftung147 lässt sich anhand zweier Fallkonstellationen illustrieren. Fall 1: Uhrenhändler V bietet einen Teil seines Sortiments gebrauchter Luxusuhren online zum Verkauf an. Uhrensammler K interessiert sich für eine bestimmte Armbanduhr. K kontaktiert V und beide vereinbaren einen Termin zur Besichtigung im Ladengeschäft des V. Dort angekommen, meint V, er habe die Uhr schon vor mehreren Wochen verkauft, dies sei ihm jedoch während des Telefongesprächs entfallen. Empört fordert K Ersatz der entstandenen Fahrtkosten. Fall 2: Wie Fall 1, nur schließen V und K bereits am Telefon und ohne vorherige Besichtigung einen Vertrag über den Verkauf der Uhr zu 1.500 Euro. Der eigentliche Schätzwert der Uhr beläuft sich auf 3.000 Euro. Als K die besagte Uhr im Ladengeschäft des V entgegennehmen will, stellt V fest, dass er diese bereits mehrere Wochen zuvor verkauft hatte. K verlangt Schadensersatz in Höhe des Schätzwertes von 3.000 Euro.

Beiden Fällen ist gemein, dass den Verkäufer ein vorvertraglicher Schuldvorwurf dahingehend trifft, sich nicht ausreichend seiner eigenen Leistungsfähigkeit versichert zu haben. Dennoch unterscheiden sich die Haftungsfolgen erheblich: Während in Fall 1 nur eine Haftung aus culpa in contrahendo in Frage kommt, kann K in Fall 2 Schadensersatz in Höhe des Erfüllungsinteresses aus § 311a Abs. 2 BGB geltend machen. Der Grund hierfür liegt in der durch den Vertragsschluss ausgelösten Verschiebung des Vertrauensmoments auf Seiten des Gläubigers. So wird im Augenblick des Vertragsschlusses die Haftung für die Enttäuschung des Verhandlungsvertrauens (Fall 1) gleichsam abgelöst durch die stärkere Haftung für die Enttäuschung des Erfüllungsvertrauens (Fall 2).148 Der Vertrag bildet damit den archimedischen Punkt, der die eigentliche c.i.c.-Haftung in die vertragsrechtliche Erfüllungshaftung nach § 311a Abs. 2 BGB umschlagen lässt.149 Der Vertrag als wirksamer Vertrauenstatbestand lässt das Institut der c.i.c.-Haftung hinfällig werden.150 146

Stoll, FS Caemmerer (1978), S. 435, 454 f.: Haftung für Vereitelung der Leistungserwartung bestimmt sich ausschließlich nach dem Recht der Leistungsstörungen. 147 Zur Problematik: Flume, Das Rechtsgeschäft, 3. Aufl. 1979, S. 129; Ballerstedt, AcP 151 (1950/51), S. 501, 528 f.; Stoll, FS Caemmerer (1978), S. 435, 454 f. 148 Vgl. Ballerstedt, AcP 151 (1950/51), S. 501, 529; so auch Stoll, FS Caemmerer (1978), S. 435, 455. 149 Brieskorn, Vertragshaftung und responsabilite´ contractuelle, S. 49: „vertraglicher Charakter des Schadensersatzes“. 150 Vgl. RGZ 95, 58, 60; vgl. Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 218: „Normative Erwartungen, die vorvertragliches Verhalten der einen Partei bei der anderen geweckt hat [...], gehen regelmäßig in das vertragliche Pflichtenprogramm ein und haben damit am vertragsrechtlichen Schutz teil.“.

D. Einwände gegen die Theorie einer vertragsrechtlichen Vertrauenshaftung

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D. Einwände gegen die Theorie einer vertragsrechtlichen Vertrauenshaftung Im Unterschied zu empirischen Wissenschaften, lassen sich juristische Theorien nicht anhand der möglichst exakten Wiedergabe faktischer Wahrheit bemessen. Die Struktur juristischer Theoriebildung ist argumentativ, nicht starr axiomatisch.151 Jede Interpretation ist nur eine Interpretationsbehauptung; jede Theorie nur ein Theorieangebot. Der dabei nichtsdestotrotz erhobene Richtigkeitsanspruch kann somit allenfalls im Wege der argumentativen Auseinandersetzung nachgewiesen oder widerlegt werden. Angesichts dieser zentralen Bedeutung des juristischen Diskurses für die Bewährung eines jeden Theorieangebots, soll die hier vorgestellte Theorie einer vertragsrechtlichen Vertrauenshaftung im Folgenden gegen solche Einwände verteidigt werden, welche im weiteren Diskussionsverlauf um die Haftungsvorschrift des § 311a Abs. 2 BGB gewiss zu erwarten sind.

I. § 242 BGB als dogmatische Grundlage der vertragsrechtlichen Sekundärhaftung Der erste Einwand betrifft die Geeignetheit des Treu und Glauben-Grundsatzes als Anknüpfungspunkt der vorgenommenen Theoriebildung. Und in der Tat verdient die Bezugnahme auf § 242 BGB eine Befassung mit dem Verhältnis zwischen allgemeinem Grundsatz und den Einzelbestimmungen. 1. § 242 BGB als „Grundnorm“ des Vertragsrechts Die Rechtsprechung152 sowie Teile des Schrifttums153 gehen davon aus, dass § 242 BGB als sogenannte „Grundnorm“ des Vertragsrechts auf das gesamte Rechtsgebiet ausstrahlt.154 Der Grundsatz von Treu und Glauben und die sich aus ihm ergebenden Rechtsprinzipien sind demnach nicht nur bloßes Korrektiv oder Mittel zur Auslegung, sondern bilden die einheitliche Grundlage sämtlicher vertragsrechtlicher Einzelbestimmungen. Nach dieser Vorstellung gestaltet der Gesetzgeber die Rechtsbeziehungen zwischen den Vertragspar-

151 Vgl. Canaris, JZ 1993, S. 377 ff.; Dreier, in: ders. (Hrsg.), Recht – Moral – Ideologie, S. 70 ff.; Wagner, JuS 1963, S. 457 ff. 152 RGZ 85, 108, 117; BGHZ 58, 146. 153 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 10. Aufl. 2006, § 26 V, Rn. 221; ähnlich Weber, JuS 1992, 631, der § 242 BGB als „königlichen Paragraphen“ bezeichnet. Wieacker, Zur rechtstheoretischen Präzisierung von § 242 BGB, S. 53, spricht von der „Spitze des Schuldrechts“. Stürner, Verhältnismäßigkeit, S. 389: „Kardinalfunktion des Grundsatzes von Treu und Glauben für das gesamte Rechtsleben“. 154 Zur Diskussion: Larenz, Schuldrecht I, 14. Aufl. 1987, S. 128 ff.

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Zweites Kapitel: Haftung für anfängliche Unmöglichkeit als Vertrauenshaftung

teien stets in der Weise, wie es Treu und Glauben entspricht, sodass sich sämtliche zwingenden und dispositiven Vorschriften als Konkretisierungen ein und desselben Grundsatzes erweisen.155 In diesem Sinne ist auch die These Stammlers zu versehen, wonach „es in der Sache genügen würde, anstelle der vielen ergänzenden Rechtssätze, welche die Leistungen in besonderen Schuldverhältnissen regeln, den einen Satz zu haben, wie das Gesetzbuch ihn in § 242 aufstellt.“156 Auf Seiten der Rechtsprechung liegen diesem Verständnis vor allem justizpolitische Motive zugrunde.157 So berufen sich Gerichte nicht allein bei der Füllung von Gesetzeslücken, sondern ebenso zur Anpassung bestehender Gesetze auf die Vorschrift des § 242 BGB.158 Dieser Umstand brachte der Rechtsprechung angesichts der Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) den wiederkehrenden Vorwurf justizieller Kompetenzüberschreitung ein.159 Begreift man aber § 242 BGB als die vertragsrechtliche Grundnorm überhaupt, so ist es dem Richter ohne Verletzung seiner grundgesetzlichen Gesetzesbindung möglich, jede Einzelvorschrift des Vertragsrechts zur Wahrung des Grundsatzes von Treu und Glauben anzupassen oder ihr die Geltung zu versagen.160 Er liefe dabei niemals Gefahr, den durch das Gesetz vorgegebenen Wertungsrahmen zu verlassen, wodurch § 242 BGB zur umfassenden Legitimationsgrundlage richterlicher Rechtsfortbildung überhaupt erhöht würde.161 2. Der Grundsatz von Treu und Glauben – eine Leerformel? Die Annahme, die Wertungen des § 242 BGB beherrschen die gesamte geschriebene Vertragsrechtsordnung, findet Widerspruch bei jenen Autoren, die dem Grundsatz von Treu und Glauben jeden normativen Gehalt absprechen.162 Die normativen Konkretisierungen des § 242 BGB gründeten 155

Teichmann, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, § 242 Rn. 6 m.w.N. Stammler, Das Recht der Schuldverhältnisse in seinen allgemeinen Lehren, S. 49. 157 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl. 1967, S. 527. 158 Bereits RGZ 85, 108, 117: „Das System des BGB wird durchdrungen von dem Grundsatz von Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte. […] Die §§ 157, 226, 242, 826 erscheinen nur als bloße Ausprägungen eines allgemeinen Prinzips [...] das Prinzip beherrscht alle Einzelbestimmungen und muss gerade in ihnen lebendige Wirkung üben zur Klärung, Erweiterung, Ergänzung oder Beschränkung des vereinzelten Wortlauts.“ Hierzu: Looschelders/Olzen, in: Staudinger, Neubearb. 2019, § 242 Rn. 51. 159 Vgl. Larenz, Geschäftsgrundlage und Vertragserfüllung, S. 167 f.; Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, S. 251 ff.; Witt, Die betriebsverfassungsrechtliche Kooperationsmaxime, S. 23. 160 Mit dieser Bewertung Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl. 1967, S. 527. 161 Zu § 242 BGB als Grundlage richterlicher Rechtsfortbildung: Schubert, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 242 Rn. 22 ff. 162 Vor allem Schmidt, in: Staudinger, Neubearb. 1995, § 242 Rn. 125; dazu Looschel156

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demnach nur auf einer empirischen Analyse der bisherigen Anwendung der Vorschrift durch die Rechtsprechung und Literatur.163 Eigenständige Inhalte wären dem Grundsatz von Treu und Glauben aber nicht zu entnehmen. Vielmehr erschöpften sich die ihm zugewiesenen Wertungen und Funktionen in der Systematisierung einer stillschweigend hingenommenen richterlichen Rechtsfortbildung aus Billigkeitsgründen,164 sodass sich der faktische Gehalt des § 242 BGB letztlich nur deskriptiv, jedoch gerade nicht normativ umschreiben ließe.165 Begreift man mit dieser Ansicht den Grundsatz von Treu und Glauben als bloße Leerformel, so ließe sich diesem auch kein Maßstab für die Gesetzesinterpretation entnehmen. § 242 BGB hätte stets hinter den selbstständigen Wertungen des geschriebenen Rechts zurückzutreten. 3. Stellungnahme: § 242 BGB im Kontext des neuen (und alten) Schuldrechts Es dürfte kaum abzustreiten sein, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung neuer Rechtsvorschriften zumindest unterbewusst dem Grundsatz von Treu und Glauben folgt.166 Diese Feststellung ist zunächst trivial; steht doch zu hoffen, dass auch die Legislative die vertragsrechtlichen Tugenden der Zuverlässigkeit, Aufrichtigkeit und Rücksichtnahme anerkennt und sich diesen verpflichtet fühlt. Im Regelfall wird sich der Gesetzgeber freilich darauf beschränken, eine an allgemeinen Gerechtigkeits- und Sacherwägungen orientierte Regelung zu treffen, und es der Rechtswissenschaft überlassen, die dogmatische Einordnung der neuen Vorschrift vorzunehmen.167 Indes lässt sich feststellen, dass die im Rahmen der Schuldrechtsreform vollzogene Rechtsentwicklung einem anderen Schema gefolgt ist, was sowohl für die dogmatische Einordnung der Neuregelungen als auch die Stellung des Grundsatzes von Treu und Glauben innerhalb des Vertragsrechts weitreichende Bedeutung hat. Zu einem wesentlichen Teil nahm das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz keine Neuordnung der Rechtsverhältnisse vor, sondern beschränkte sich auf die positivrechtliche Umsetzung praktizierten Richterrechts,168 welches be-

ders/Olzen, in: Staudinger, Neubearb. 2019, § 242 Rn. 177; zur Interpretation des Treu und Glauben-Grundsatzes als inhaltslose Floskel: Hedemann, Die Flucht in die Generalklausel, S. 66 ff. 163 Schmidt, in: Staudinger, Neubearb. 1995, § 242 Rn. 125; zur Methode: Heinrich, Formale Freiheit, S. 323. 164 Schmidt, in: Staudinger, Neubearb. 1995, § 242 Rn. 125; zur Notwendigkeit einer umfassenden Systematisierung: Roth, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl. 2009, § 242 Rn. 27. 165 Vgl. Auer, Materialisierung, S. 164; Heinrich, Formale Freiheit, S. 323. 166 Im Ansatz wird dies auch von Schmidt, in: Staudinger, Neubearb. 1995, § 242 Rn. 178, anerkannt. 167 Canaris, FS Heldrich (2005), S. 11, 23. 168 Grigoleit, FS Köhler (2014), S. 183.

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reits durch Rechtsprechung und Literatur dogmatisch eingefasst wurde. Im Besonderen trifft dies auf solche Rechtsinstitute zu, die aus dem Grundsatz von Treu und Glauben entwickelt wurden. So hat der Gesetzgeber im Rahmen der Schuldrechtsreform unter anderem das Kündigungsrecht bei Dauerschuldverhältnissen, den Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, die positive Forderungsverletzung sowie den Wegfall der Geschäftsgrundlage aus § 242 BGB „ausgegliedert“ und in gesonderten Vorschriften normiert.169 Hinsichtlich der Stellung des Grundsatzes von Treu und Glauben in der geschriebenen Rechtsordnung eröffnet diese Form der Rechtsentwicklung nun zwei konträre Interpretationsweisen: Denkbar wäre zum einen, aus der positivrechtlichen Verankerung einzelner Ausprägungen des § 242 BGB den Umkehrschluss zu ziehen, dass die übrigen, nicht-kodifizierten Ausprägungen oder gar der Treu und Glauben-Grundsatz in seiner Gänze nicht mehr anzuerkennen wären.170 Andererseits könnte die zunehmende Kodifizierung des Grundsatzes auch als Indiz für die grundlegende Bedeutung des Grundsatzes innerhalb der geschriebenen Rechtsordnung gewertet werden. Letzterer Ansicht ist der Vorzug zu geben. So bedarf ein Grundsatz – möchte man nicht in allgemeinen Wendungen stecken bleiben – stets der fortschreitenden Konkretisierung durch das positive Recht und die Rechtsanwendung.171 Erst hierdurch wird es ihm überhaupt möglich, sich seiner Unschärfe zu entledigen, Rechtswirkung zu entfalten und sich des Vorwurfs der Inhaltslosigkeit zu erwehren.172 Erkennt man diese Konkretisierungsbedürftigkeit allgemeiner Grundsätze an, so wird man zur Erkenntnis gelangen müssen, dass die gesetzlich verankerten Ausprägungen des Treu und Glauben-Grundsatzes diesen keineswegs erschöpfend wiedergeben können.173 Ganz im Gegenteil, lassen die nunmehr kodifizierten Ausprägungen des Grundsatzes – induktiv – auf dessen weitreichende Geltung schließen, die sich eben nicht auf die besagten Gesetzesstellen beschränkt, sondern das 169

Vgl. Schubert, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 242 Rn. 21. In dieser Form der Rechtsentwicklung äußert sich einen Aspekt des Treu und Glauben-Grundsatzes, den man vielfach als dessen „Durchgangsfunktion“ bezeichnet. Danach dient § 242 BGB zunächst als Ausgangspunkt der Entwicklung neuer Rechtsinstitute, welche sich der Gesetzgeber sodann zu Eigen macht und in das geschriebene Recht überführt. Vgl. Eckl, Treu und Glauben, S. 41; Schmidt, Zivilrechtskodifikation in Brasilien, S. 504 f. Dazu auch Duve/ Haferkamp, in: HKK-BGB, § 242 Rn. 89: „Unter dem Dach der bona fides wachsen seit der Antike eigenständige dogmatische Figuren und Argumente heran, die später von der bona fides abgekoppelt in das verfestigte Zivilrecht integriert werden.“. 170 Verneinend Eckl, Treu und Glauben, S. 41. Hiergegen spricht übrigens schon, dass die Grundnorm des § 242 BGB auch nach der Schuldrechtsreform weiterhin Bestand hat. 171 Speziell im Hinblick auf den Grundsatz von Treu und Glauben: Larenz, Richtiges Recht, S. 27; Lange, Treu und Glauben und Effizienz, S. 64. 172 Larenz, Richtiges Recht, S. 27. 173 Lange, Treu und Glauben und Effizienz, S. 64.

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gesamte Vertragsrecht beherrscht. Diese schon frühzeitig von der Rechtsprechung erkannte „königliche Stellung“ des § 242 BGB als „Grundnorm“ des Vertragsrechts findet zudem Bestätigung in den Gesetzesvorschriften, welche schon vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform als Ausprägungen des Grundsatzes galten; namentlich das Schikaneverbot in § 226 BGB,174 die Fiktion des Bedingungseintritts bei treuwidriger Verhinderung nach § 162 Abs. 1 BGB175 oder das Schadensminderungsgebot aus § 254 Abs. 2 BGB176. Dabei ist vor allem den Stimmen zu widersprechen, welche die Bedeutung des § 242 BGB auf ein inhaltsleeres Konzept reduzieren wollen. Vielmehr deutet die zunehmende Positivierung ihm entnommener Rechtssätze daraufhin, dass gerade im Grundsatz von Treu und Glauben ein wesentlicher Ansatzpunkt der geschriebenen Rechtsordnung liegt, der von einer der Systembildung verpflichteten Rechtsdogmatik fruchtbar zu machen ist.177

II. Die Ubiquität des Vertrauensmoments Weiter muss sich das Konzept einer vertragsrechtlichen Vertrauenshaftung jenen Stimmen erwehren, die dem Vertrauen mangels Abgrenzbarkeit jedwede Eignung als eigenständigen Haftungsgrund absprechen wollen. Insbesondere Picker meinte im Vertrauen lediglich eine „plastische soziologische Paraphrase“ zu erkennen, welche diejenigen Verhaltensweisen definiert, auf deren Einhaltung sich der andere Teil verlassen kann und soll.178 In dieser Funktion wäre der Vertrauensgedanke freilich nicht auf das Vertragsrecht beschränkt, sondern könnte ebenso gut der Deliktshaftung zugrunde gelegt werden.179 Gerade diese Ubiquität des Vertrauensmoments aber verhindert nach dem Verständnis Pickers die Einordnung der Vertrauenshaftung als ein eigenständiges Rechtsinstitut, da ansonsten jede Differenzierung zwischen deliktischer, vertraglicher und vorvertraglicher Haftung aufgegeben werden müsste.180 Ähnlich lauten die Bedenken CanarisÆ, der das Vertrauen auf die 174 Vgl. Schmidt-Räntsch/Wagner, in: Erman-BGB, 16. Aufl. 2020, § 226 Rn. 1; Witt, Die betriebsverfassungsrechtliche Kooperationsmaxime, S. 47; für die Verortung des § 226 BGB im Treu und Glauben-Grundsatz auch nach der Schuldrechtsreform: Grothe, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 226 Rn. 1. Dementsprechend wird von den Gerichten § 242 BGB regelmäßig neben § 226 BGB zitiert: LG Celle OLGR 2004, 496; OLG Hamburg OLGR 2001, 85. 175 Vgl. Westermann, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 162 Rn. 1; Witt, Die betriebsverfassungsrechtliche Kooperationsmaxime, S. 47. 176 Vgl. Kirchner, Die Voraussetzungen der Sachmängelhaftung beim Warenkauf, S. 197. 177 Siehe die Aufzählung der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben entwickelten Rechtsfiguren bei Lampe, Rechtsanthropologie, S. 314. 178 Picker, AcP 183 (1983), S. 369, 429. 179 So auch Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 105. 180 Picker, AcP 183 (1983), S. 369, 418 ff.; ders.; JZ 1987, S. 1041, 1045 f.

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Vertragserfüllung mit der Erwartung gleichsetzt, „daß man bei schuldhafter Verletzung seiner Rechtsgüter regelmäßig Schadensersatz verlangen kann, daß man bei der gesetzlichen Erbfolge […] gegenüber unrechtmäßigen Prätendenten geschützt ist, daß einem das Eigentum nicht gestohlen werden darf, daß man vor Körperverletzungen einigermaßen sicher ist, daß der Staat Gerichte und gegebenenfalls Zwangsmittel zur Durchsetzung berechtigter Ansprüche zur Verfügung stellt usw. usw. Mit anderen Worten: es geht hier um nichts anderes als um die generelle Sicherungs- und Ordnungsfunktion, die dem Recht ganz allgemein zueigen ist.“181 An dieser Stelle sei nochmals in Erinnerung gerufen, dass es das Verlassendürfen auf die Einhaltung der schuldnerischen Leistungstreuepflicht ist, welches die haftungsbegründende Erfüllungserwartung des Gläubigers rechtfertigt. Es stellt sich damit die Frage, worin sich das Vertrauen auf ein treugemäßes Schuldnerverhalten beispielsweise von dem Vertrauen des vorfahrtsberechtigten Verkehrsteilnehmers unterscheidet, der herannahende Autofahrer werde sein Tempo verlangsamen und gegebenenfalls anhalten.182 Ließe sich ein solcher Unterschied nicht nachweisen, so wäre in der Tat einzugestehen, dass sich die Erfüllungserwartung des Gläubigers letztlich in einem bloßen Vertrauen auf normkonformes Verhalten183 erschöpft, dem selbst kein selbstständiger Begründungswert innewohnt. Dieses setzt nämlich erst die entsprechenden Verhaltensregeln voraus, die es dann wiederum zu begründen gilt.184 Umgekehrt lässt sich konstatieren, dass die Begründungsdefizite der Vertrauenshaftung dort nicht bestehen, wo zur Begründung des Vertrauensmoments keine gesetzlich festgeschriebenen Verhaltensregeln erforderlich sind; der jeweilige Vertrauenstatbestand vielmehr „aus sich selbst heraus“ die Gewährung und Inanspruchnahme von Vertrauen zu rechtfertigen vermag.185 Eben einen solchen Vertrauenstatbestand bildet der Vertrag in Verbindung mit dem durch § 242 BGB ausgestalteten Schuldverhältnis. Es wurde bereits dargelegt,186 dass die darin zum Ausdruck kommenden Verhaltensmaximen der Zuverlässigkeit, Aufrichtigkeit und Rücksichtnahme keineswegs ihre

181 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 415; zur Kritik unter dem Gesichtspunkt des bloßen Systemvertrauens: Boecken, Die Haftung der Stiftung Warentest, S. 146 ff. 182 Larenz, MDR 1954, S. 515, 517; siehe auch die Beispiele bei Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 100, 112; oder Picker, AcP 183 (1983), S. 369, 421 f. 183 Vgl. Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 100; Craushaar, Der Einfluss des Vertrauens auf die Privatrechtsbildung, S. 23, spricht von der „normalen Vertrauenslage“. 184 Vgl. Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 105; Benedict, Culpa in Contrahendo I, S. 458; zur Differenzierung von Recht und Vertrauen: Luhmann, Vertrauen, S. 35 ff. 185 Vgl. Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 105. 186 Zweites Kapitel C. II. 2. b).

D. Einwände gegen die Theorie einer vertragsrechtlichen Vertrauenshaftung

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ethische Rechtfertigung bereits in sich tragen, sondern eine Anwendung der Sätze vom Vertrauen im Rechtsverkehr darstellen.187 Erst soweit es der Schutz des Gläubigers, der sich auf ein bestimmtes Handeln oder Unterlassen des Schuldners verlässt, erfordert, besteht demnach ein materieller Grund für entsprechende Verhaltensregeln.188 Dabei wird deutlich, dass sich die Erfüllungserwartung des Gläubigers keineswegs mit dem Vertrauen auf die allgemeine Sicherungs- und Ordnungsfunktion des Rechts gleichsetzen lässt; die Erfüllungserwartung des Gläubigers sich eben gerade nicht in einem bloßen Vertrauen auf die Einhaltung eines gesetzlich festgeschriebenen Pflichtenprogramms erschöpft. Es handelt sich bei der in § 242 BGB fixierten Leistungstreuepflicht weniger um eine gesetzliche Anordnung mit eigenem normativem Gehalt als vielmehr um eine gesetzliche Anerkennung der Sätze vom Vertrauen im Rechtsverkehr. Diesen kommt hinsichtlich der schuldnerischen Leistungstreue eine eigenständige rechtsbildende Bedeutung zu. Das Verkehrsvertrauen ist daher scharf vom bloßen Ordnungsvertrauen auf die Bewährung gesetzlicher Verhaltensanordnungen abzugrenzen.

III. Die vermeintliche Singularität der Vertrauenshaftung im Leistungsstörungsrecht Ein weiterer Einwand betrifft die vermeintliche Singularität der vertrauensbasierten Haftungsanknüpfung im System des deutschen Leistungsstörungsrechts. So beruht die scharfe Kritik Lobingers an § 311a Abs. 2 BGB nicht zuletzt auf dem Vorwurf gesetzgeberischer Willkür, der sich insbesondere daraus ergeben soll, dass für den besonderen Fall anfänglicher Unmöglichkeit nunmehr ein völlig neues Haftungsprinzip gelte.189 Und in der Tat wurde zwar nachgewiesen, dass der Schutz der Erfüllungserwartung eine der systemtragenden Wertungen der vertragsrechtlichen Sekundärhaftung bildet. Dennoch lässt sich hieraus keinesfalls ableiten, dass das enttäuschte Erfüllungsvertrauen des Gläubigers den einzig denkbaren rechtstechnischen Anknüpfungspunkt zur Verwirklichung des Gläubigerschutzes beschreibt. Dies verdeutlichen schon die Haftungsvorschriften der §§ 280 ff. BGB, wonach die

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Wieacker, Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242 BGB, S. 29. Vgl. Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, S. 441: Treuepflicht wird „wesentlich durch die berechtigten Erwartungen des Gläubigers bestimmt.“ Ebenso Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 77: „Die Werte der Beständigkeit, Verlässlichkeit und Wahrhaftigkeit können insofern nur in ihrem Bezug zum Vertrauen und dem daraus resultierenden Schutzbedürfnis konstitutive Bedeutung erlangen.“ Schließlich auch Weller, Vertragstreue, S. 307: „Inhalt und Umfang der Treuepflicht richten sich (auch) nach den berechtigten Erwartungen des anderen Vertragsteils.“. 189 Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, S. 281 f. 188

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Zweites Kapitel: Haftung für anfängliche Unmöglichkeit als Vertrauenshaftung

Haftung bei Nichterfüllung als Sanktion für die Verletzung der Leistungstreuepflichten („Schadensersatz wegen Pflichtverletzung“) ausgestaltet ist. Die Haftung erfolgt danach als Sanktion und Ausgleich für die Verletzung der Leistungstreuepflichten (siehe Erstes Kapitel B. II. 2.) und knüpft gerade nicht an die enttäuschte Erfüllungserwartung des Gläubigers als gesondertes haftungsbegründendes Element. Will man also in § 311a Abs. 2 BGB eine Vertrauenshaftungsvorschrift erkennen, so steht man vor der Herausforderung, die damit einhergehende haftungsrechtliche Neuanknüpfung an die Erfüllungserwartung mit den allgemeinen Haftungsprinzipien der §§ 280 ff. BGB in Einklang zu bringen.190 Ziel ist es, dem gesamten Leistungsstörungsrecht in Ergänzung zum Verschuldensprinzip eine zweite Linie der sekundärrechtlichen Haftung zuzuführen. Am Ende steht ein Theorieangebot, demnach die sekundärrechtliche Haftung nicht allein aus einer schuldhaften Pflichtverletzung folgt, sondern sich gleichermaßen aus dem Zweck rechtfertigt, das Vertrauen des Gläubigers in die Durchführung des Vertrages zu schützen. Dabei wird sich im Folgenden zeigen, dass schon unter Geltung des alten Schuldrechts sowohl die Haftung bei anfänglichen Leistungshindernissen als auch der Ersatz für frustrierte Aufwendungen einer vertrauensbasierten Haftungsinterpretation zugänglich waren und sich das dazu herausgebildete Haftungsverständnis in den Neuregelungen der Schuldrechtsmodernisierung niedergeschlagen hat. 1. Die Haftung bei anfänglicher Unmöglichkeit nach § 307 BGB a.F. Noch unter Geltung des alten Schuldrechts ordnete § 306 BGB a.F. bei anfänglicher Unmöglichkeit die Nichtigkeit des Vertrags an.191 Gemäß § 307 BGB a.F. war derjenige, der die Unmöglichkeit der Leistung kannte oder kennen musste, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere Teil dadurch erlitt, dass er auf die Gültigkeit des Vertrags vertraute – jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, das der andere Teil an der Gültigkeit des Vertrags hatte. Aufgrund der Haftungsstruktur aus vorvertraglicher Informationspflichtverletzung auf Tatbestandsseite (Kenntnis oder Kennenmüssen) und Haftung auf das negative Interesse auf Rechtsfolgenseite wurde § 307 BGB a.F. vielfach als gesetzlich geregelter Sonderfall der culpa in contrahendo eingeordnet.192 Der ersatzpflichtige Teil haftete demnach für die Verletzung der Pflicht, den Partner über die zur Nichtigkeit des Vertrags führenden Umstände (also das anfängliche Leistungshindernis) aufzuklären.193 190

Vgl. Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, S. 281. § 306 BGB a.F. lautete: „Ein auf eine unmögliche Leistung gerichteter Vertrag ist nichtig.“. 192 Vgl. Larenz, Schuldrecht I, 14. Aufl. 1987, S. 104; Kaduk, in: Staudinger, 10./11. Aufl. 1967, § 307 Rn. 1, 5, 13; Wolf, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, § 307 Rn. 1. 193 Krit. hierzu: Stoll, FS Caemmerer (1978), S. 435, 438 f.; Beuthien, Zweckerreichung 191

D. Einwände gegen die Theorie einer vertragsrechtlichen Vertrauenshaftung

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Demgegenüber plädierten eine Reihe namhafter Schuldrechtsautoren für eine Ausgliederung des § 307 BGB a.F. aus dem Bereich der c.i.c.-Haftung und schrieben die Haftungsvorschrift dem Gedankenkreis der Vertrauenshaftung zu.194 Einen Anknüpfungspunkt hierfür lieferte die Haftungsbegrenzung auf das Erfüllungsinteresse aus § 307 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BGB a.F. Denn handelte es sich bei § 307 Abs. 1 BGB a.F. tatsächlich um eine vorvertragliche Verschuldenshaftung, so wäre nicht einzusehen, weshalb der Ersatzberechtigte nicht schlechthin so zu stellen ist, wie er ohne vorvertragliches Informationsverschulden und damit bei gehöriger Information gestanden hätte.195 In diesem Fall wäre angesichts der Aufklärung über das anfängliche Leistungshindernis vom Vertrag Abstand genommen worden. Stoll196 stellt daher treffend fest, dass der Ersatzberechtigte schadensrechtlich generell in die Position versetzt werden müsste, als ob „vom Vertrag nie die Rede gewesen“ wäre – ohne jedwede Haftungsbegrenzung auf das Erfüllungsinteresse. Dagegen ist unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes die Begrenzung der Haftung auf das Erfüllungsinteresse nicht nur naheliegend, sondern gar zwingend.197 Denn nach allgemeinen Grundsätzen der Vertrauenshaftung ist der Vertrauende niemals besser zu stellen, als er stünde, wäre seinem Vertrauen entsprochen werden.198 Wie sich schon aus dem Wortlaut des § 307 BGB a.F. ergibt, meint Vertrauen hierbei das Vertrauen auf die Gültigkeit und damit die Erfüllbarkeit des Vertrags.199 Versteht man § 307 BGB a.F. daher als Vertrauenshaftungsvorschrift, so ist es nur konsequent den Anspruch des ersatzberechtigten Teils gem. § 307 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BGB a.F. auf das Erfüllungsinteresse zu begrenzen. Der Vertrauende darf durch den Ersatzanspruch nicht bessergestellt werden, als er im Falle der Vertrauensentsprechung und damit bei ordnungsgemäßer Erfüllung gestanden wäre. Auch der Haftungsausschluss bei Kenntnis oder Kennenmüssen der Unmöglichkeit (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB a.F.) lässt sich allein anhand des Vertrauensschutzgedankens begründen. Denn nach den Grundsätzen der c.i.c.-Hafund Zweckstörung, S. 95 ff.; Flume, Das Rechtsgeschäft, 3. Aufl. 1979, S. 129; Löwisch, in: Staudinger, 12. Aufl. 1979, § 307 Rn. 1. 194 Esser, Schuldrecht I, 4. Aufl. 1970, S. 374; Stoll, FS Caemmerer (1978), S. 435, 438 ff.; Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 101 ff.; Looschelders, Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten, S. 53, Heiss, Formmängel und ihre Sanktionen, S. 431 ff. 195 Stoll, FS Caemmerer (1978), S. 435, 439 f.; Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 102. 196 Stoll, FS Caemmerer (1978), S. 435, 440. 197 Stoll, FS Caemmerer (1978), S. 435, 440. 198 Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 102 m.w.N. (Fn. 75); Stoll, FS Caemmerer (1978), S. 435, 440 f. 199 Vgl. Stoll, FS Caemmerer (1978), S. 435, 439; Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 102.

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Zweites Kapitel: Haftung für anfängliche Unmöglichkeit als Vertrauenshaftung

tung müsste ein Mitverschulden des Geschädigten stets zu einer Schadensaufteilung nach § 254 Abs. 1 BGB führen. Auf Grundlage eines vertrauensbasierten Verständnisses des § 307 BGB a.F. ist der Haftungsausschluss bei Kenntnis oder Kennenmüssen dagegen folgerichtig, da dieser den guten Glauben des vermeintlich Vertrauenden beseitigt und damit eine Vertrauenshaftung ausschließt.200 Entsprechend findet sich bei Haftungsnormen sowohl des alten und neuen Schuldrechts, die anerkanntermaßen als solche des Vertrauensschutzes gelten, stets ein Haftungsausschluss für den Fall, dass die haftungsbegründenden Umstände bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen (vgl. nur §§ 122 Abs. 2, 179 Abs. 3 S. 1 BGB sowohl in neuer und alter Fassung). Für eine Ausgliederung des § 307 Abs. 1 BGB a.F. aus dem Bereich der c.i.c.-Haftung spricht nicht zuletzt, dass die Norm tatbestandlich einen Vertragsschluss voraussetzt.201 So führte die vermeintlich haftungsbegründende Informationspflichtverletzung freilich erst dann zur Haftung, wenn auch tatsächlich ein Vertrag geschlossen wurde. Denn selbst wenn der Schuldner seine Pflicht zur Aufklärung über anfängliche Leistungshindernisse verletzt, den Vertrag sodann aber nicht abgeschlossen hatte, kam eine Haftung nach § 307 BGB a.F. nicht in Betracht.202 Es wurde bereits herausgearbeitet, dass die Informationspflicht betreffend anfänglicher Leistungshindernisse eben nicht „echter“ vorvertraglicher Natur ist, sondern Ausschnitt aus der allgemeinen Leistungstreuepflicht des Schuldners, die erst mit Zustandekommen des Vertrags rechtliche Relevanz entfaltet (siehe C. III. 1. a)). Es war niemand Geringerer als Flume203, der ähnlich lautend und unter Verweis auf die Bedeutung des Vertragsschlusses für die Haftung nach § 307 BGB a.F. deren c.i.c.-Charakter ausdrücklich verneinte und von einer Haftung „rechtsgeschäftlicher Art“ sprach. Nach Flume gelangt der Vertrag aufgrund der Nichtigkeit (§ 306 BGB a.F.!) zwar nicht zur Geltung. Jedoch tritt an die Stelle des Vertrages eine gesetzliche Haftung, welche auf dem Akt des Rechtsgeschäfts aufbaut.204 Demgegenüber knüpft eine c.i.c.-Haftung niemals an ein Rechtsgeschäft an, sondern gründet allein auf einer vorvertraglichen Pflichtverletzung. 200 Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 102; Looschelders, Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten, S. 53 f.; vgl. auch Medicus, Verschulden bei Vertragsverhandlungen, Gutachten I, S. 514 f. 201 Vgl. Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 102; Flume, Das Rechtsgeschäft, 3. Aufl. 1979, S. 129. 202 So auch im Hinblick auf die Verschuldensanknüpfung in § 311a Abs. 2 S. 2 BGB: Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung, S. 114. 203 Flume, Das Rechtsgeschäft, 3. Aufl. 1979, S. 129. 204 Ähnlich Rabel, ZSR 27 (1908), S. 291, 325 (= Gesammelte Aufsätze I (1965), S. 147, 175), der den Haftungsanspruch in Höhe des negativen Interesses als „Residuum des gescheiterten Rechtsgeschäfts versteht“. Dazu Stoll, FS Caemmerer (1978), S. 435, 440.

D. Einwände gegen die Theorie einer vertragsrechtlichen Vertrauenshaftung

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Zusammenfassend widerstreiten sowohl die Haftungsbegrenzung auf das Erfüllungsinteresse, der Haftungsausschluss bei Kenntnis oder Kennenmüssen als auch die tatbestandliche Anknüpfung an den Vertragsschluss einer Zuordnung des § 307 Abs. 1 BGB a.F. in den Bereich der c.i.c.-Haftung. Richtigerweise ist § 307 Abs. 1 BGB a.F. als Vertrauenshaftungsvorschrift zu qualifizieren. Geschützt wurde danach das Vertrauen in die Durchführung des geschlossenen, wenn auch nichtigen Vertrags. Der Vertrauensschutz wurde hierbei im Wege der „negativen Vertrauenshaftung“ verwirklicht. Der Vertrauende war so zu stellen, als hätte er nie Vertrauen investiert – begrenzt freilich durch das Erfüllungsinteresse. 2. Die Haftung bei anfänglichem Unvermögen vor der Schuldrechtsreform Neben der vertrauensbasierten Interpretation der Haftung bei anfänglicher objektiver Unmöglichkeit wurde der Vertrauensgedanke zur Begründung der schuldnerischen Einstandspflicht im Falle anfänglichen Unvermögens herangezogen.205 a) Haftung für anfängliches Unvermögen als ungeklärte Problematik des alten Schuldrechts Nach ganz herrschender Meinung fand die Nichtigkeitsanordnung des § 306 BGB a.F. sowie die in § 307 BGB a.F. statuierte Haftung in Richtung des negativen Interesses nur auf die anfängliche objektive Unmöglichkeit Anwendung; daneben bestand für Fälle anfänglichen Unvermögens eine Regelungslücke. Die Beschränkung der §§ 306 ff. BGB a.F. auf objektive Leistungshindernisse wurde zuvorderst damit begründet, dass § 306 BGB a.F. zum anfänglichen Unvermögen schwieg, während bei der nachträglichen Unmöglichkeit das Unvermögen der objektiven Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 2 BGB a.F. ausdrücklich gleichgestellt war.206 Auch ließ sich der Rechtsgedanke der Nichtigkeitsanordnung, wonach ein auf eine objektiv unmögliche Leistung gerichteter Vertrag von vornherein sinn- und zwecklos ist, nicht auf das anfängliche Unvermögen übertragen, da in diesen Fällen eine Erfüllung der Verpflichtung zumindest durch dritte Personen denkbar erscheint.207 Zuletzt sprach auch die Übernahme des Nichtigkeitsdogmas aus dem Gemeinen Recht für dessen Beschränkung auf Fälle anfänglicher objektiver Unmöglichkeit. So gereichte auch im Gemeinen Recht das bloße anfängliche Unvermögen nicht zum Nichtigkeitsgrund.208 205 Larenz, Schuldrecht I, 14. Aufl. 1987, S. 101; Eneccerus/Lehmann, Schuldrecht, 15. Bearb., 1958, S. 133; Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S. 211 f. 206 Vgl. Larenz, Schuldrecht I, 14. Aufl. 1987, S. 98 f.; Eneccerus/Lehmann, Schuldrecht, 15. Bearb., 1958, S. 133; Wolf, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, § 306 BGB Rn. 2, 25. 207 Vgl. Larenz, Schuldrecht I, 14. Aufl. 1987, S. 99. 208 Vgl. Heck, Grundriss des Schuldrechts, S. 141.

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Zur Füllung der besagten Gesetzeslücke sahen die Rechtsprechung sowie Teile der Literatur für Fälle anfänglichen Unvermögens eine verschuldensunabhängige Haftung in Richtung des Erfüllungsinteresses vor.209 Begründet wurde dies damit, dass der Schuldner mit der Abgabe des Leistungsversprechens zugleich stillschweigend eine Garantie für sein Leistungsvermögen abgebe.210 b) Die Schwächen des garantiebasierten Ansatzes Die Schwächen eines solchen garantiebasierten Ansatzes wurden bereits im Ersten Kapitel unter C. dargelegt, wobei sich die Rückführung sämtlicher Vertragswirkungen – und der sekundärrechtlichen Haftung im Besonderen – auf den Parteiwillen als bloße Fiktion erwiesen hat. Zudem schreibt die Garantielösung unter dem Stichwort des Leistungsversprechens schon einseitigen Erklärungen verpflichtende Wirkung zu, weshalb sie im grundsätzlichen Widerspruch zum Konsensprinzip des deutschen Vertragsrechts steht. Nicht zuletzt ließe eine willensbasierte Theorie der Sekundärhaftung sämtliche einfachgesetzliche Haftungsnormen obsolet erscheinen, wenn sich eine entsprechende Haftung schon aus dem Parteiwillen im Sinne einer Garantie ergäbe. c) Die Haftung für anfängliches Unvermögen als Vertrauenshaftung Entsprechend lehnten auch beachtliche Teile der Literatur die vielfach vertretene Garantielösung für Fälle anfänglichen Unvermögens ab, gelangten aber unter Berufung auf den Vertrauensgedanken gleichermaßen zu einer Haftung in Richtung des Erfüllungsinteresses. So heißt es bei Eneccerus/Lehmann211: „Auch die zur Rechtfertigung von vielen gemachte Annahme einer stillschweigenden Garantie für das Nichtvorhandensein persönlicher Leistungshindernisse ist eine Unterstellung, die auf eine sachliche Rechtfertigung aus der Interessenlage verzichtet. Für die herrschende Lehre aber spricht, daß das Vertrauen des Gläubigers darauf Schutz verlangt, daß ihm vertretbare Leistungen auch wirklich erbracht werden und der Schuldner sich nicht auf persönliche Leistungshindernisse zu seiner Befreiung berufen darf.“

Ähnlich lautend auch die Formulierung bei Larenz212:

209 Für die herrschende Meinung BGHZ 110, 196, 199; BGH NJW 1983, 2873, 2874; BGH WM 1983, 841, 843; Wolf, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, § 306 BGB Rn. 25 f. 210 Köhler, Unmöglichkeit und Geschäftsgrundlage, S. 45; Wolf, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, § 306 BGB Rn. 25, Wallow, Risikozuweisung und Vertragshaftung, S. 20. 211 Schuldrecht, 15. Bearb. 1958, S. 133. 212 Schuldrecht I, 14. Aufl. 1987, S. 101.

D. Einwände gegen die Theorie einer vertragsrechtlichen Vertrauenshaftung

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„Es trifft zu, daß derjenige, der sich zu einer Leistung verpflichtet, damit regelmäßig zu erkennen gibt, er sei zu dieser Leistung in der Lage, und daß der andere hierauf vertraut und in seinem Vertrauen geschützt zu werden verdient.“

Es zeigt sich darin eine beachtliche Vertragstheorie: Die Rechtswirkungen des Vertrages beschränken sich demnach nicht allein auf den von den Parteien gewillkürten Inhalt. Zugleich bildet der Vertrag einen Tatbestand, der berechtigte Erwartungen des Gläubigers auslöst.213 Angesichts der primären Funktion des Vertrags, die vereinbarten Leistungen auszutauschen, meint Vertrauen zuallererst die Erfüllungserwartung des Gläubigers.214 Für die Fälle anfänglichen Unvermögens wird das Vertrauen dabei in „positiver“ Richtung geschützt. Der Vertrauende wird so gestellt als wäre seinem Vertrauen entsprochen worden; mithin als wurde ordnungsgemäß erfüllt. d) Die Haftung bei anfänglichem Unvermögen und § 307 BGB a.F. Vor dem Hintergrund des § 307 BGB a.F. bedurfte es noch einer Begründung, weshalb dem Gläubiger bei anfänglichem Unvermögen ein verschuldensunabhängiger Haftungsanspruch in Höhe des Erfüllungsinteresses gewährt wurde, während bei anfänglicher objektiver Unmöglichkeit lediglich eine Vertrauensentschädigung in Höhe des negativen Interesses vorgesehen war, die zudem Kenntnis oder Kennenmüssen auf Seiten des Schuldners erforderte. Jene Unterschiede in den Haftungsvoraussetzungen und Haftungsfolgen lagen nach damaligem Verständnis in den Charakteristika der jeweils leistungshindernden Umstände begründet. So ist in den Fällen anfänglichen Unvermögens die Leistung nicht schlechthin unmöglich, sondern es gelingt gerade dem Schuldner nicht, die Leistung zu erbringen. Die leistungshindernden Umstände haften der Person des Schuldners insoweit unmittelbar an, sodass die schuldhafte Unkenntnis des Schuldners hiervon schlicht vermutet wurde.215 Und auch der gesteigerte Haftungsumfang bei anfänglichem Unvermögen gründete letztlich auf der Verortung der entsprechenden Hinderungsgründe in der Sphäre des Schuldners. So können bei einer objektiv unmöglichen Leistung Schuldner und Gläubiger abstrakt gesehen gleichermaßen die Unmöglichkeit erkennen und feststellen, während persönliche Leistungshindernisse auf Seiten des Schuldners zumeist nur für diesen einsehbar sind.216 Insofern bestand nach damaligem Verständnis hinsichtlich persönlicher Leis-

213 Vgl. Dedek, Negative Haftung aus Vertrag, S. 31: „Vertrauenshaftung wird zur Emanation rechtsgeschäftlicher Bindung“. 214 Gebhardt, Herabsetzung der Gegenleistung nach culpa in contrahendo, S. 43. 215 Vgl. Schapp, FS Kollhosser (2004), S. 619, 629. 216 Vgl. Wolf, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, § 306 BGB Rn. 2; Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 277.

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tungshinderungsgründe ein gesteigertes Vertrauensbedürfnis, was sich in einem gesteigerten Haftungsumfang in Richtung des Erfüllungsinteresses niederschlagen sollte.217 3. Vertrauenshaftungselemente im modernisierten Leistungsstörungsrecht: Der Aufwendungsersatz gemäß § 284 BGB In der jüngeren Entwicklungsgeschichte des Leistungsstörungsrechts wurde vor allem der Ersatz für vergebliche Aufwendungen nach § 284 BGB mit dem Vertrauensgedanken in Verbindung gebracht.218 Dies dürfte angesichts des Wortlauts der Vorschrift nicht verwundern, postuliert dieser doch den Ersatz jener Aufwendungen, die der Gläubiger im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung getätigt hat. a) Entstehungshintergrund Ihren Ursprung findet die Vorschrift in der Diskussion um den Ersatz vergeblicher Aufwendungen vor der Schuldrechtsreform.219 Wie bereits dargestellt,220 konnte nach damaliger Rechtslage die Verletzung der vertraglichen Leistungspflicht allein eine Haftung in Richtung des Erfüllungsinteresses auslösen, wobei frustrierte Aufwendungen nach allgemeinen Grundsätzen der Schadensdogmatik davon gerade nicht erfasst waren. Um dem Gläubiger dennoch den von Seiten der Literatur vielfach geforderten Aufwendungsersatz zu gewähren, entwickelte die Rechtsprechung die Rentabilitätsvermutung, wonach der Schaden nicht in den Aufwendungen selbst zu erkennen sei, sondern darin, dass dem Gläubiger durch das Ausbleiben der Leistung die Möglichkeit genommen wurde, die getätigten Aufwendungen zu amortisieren.221 Diese alternative Form der Schadensberechnung sollte freilich in solchen Fällen scheitern, in denen der Gläubiger mit seinen Aufwendungen keine materiellen Interessen, sondern allenfalls ideelle222 oder privat-konsumtive223 Zwecke verfolgt. In der Rechtsprechung des BGH trat diese Schutzlücke erstmals im „Stadthallenfall“224 hervor: Ein Verein hatte zum Zwecke 217

Diese Begründung anführend auch Wagner, JZ 1998, S. 482, 485. Umfassend zu den dogmatischen Grundlagen des § 284 BGB: Dedek, Negative Haftung aus Vertrag; Stoppel, AcP 2004 (203), S. 81 ff.; Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses. 219 Vgl. dazu Keuk, Vermögensschaden und Interesse, S. 155 ff. sowie 241 ff.; Larenz, Schuldrecht I, 14. Aufl. 1987, S. 108; Stoll, FS Duden (1977), S. 641 ff.; Wiedemann, FS H. Hübner (1984), S. 719 ff. 220 Zweites Kapitel A. I. 221 BGHZ 71, 234, 238; 99, 182, 197 f.; 114, 193, 196 ff. 222 BGHZ 99, 182, 198; Schwarze, Leistungsstörungen, 2. Aufl. 2017, § 25 Rn. 25, S. 376. 223 Dauner-Lieb, in: NK-BGB, 3. Aufl. 2016, § 284 Rn. 1; Schwarze, Leistungsstörungen, 2. Aufl. 2017, § 25 Rn. 25, S. 376. 224 BGHZ 99, 182 = JZ 1987, S. 512 ff., m. Anm. Stoll, S. 517 ff.; dazu auch MüllerLaube, JZ 1995, S. 538, 539 f. 218

D. Einwände gegen die Theorie einer vertragsrechtlichen Vertrauenshaftung

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einer politischen Veranstaltung eine Stadthalle angemietet und entsprechende Werbeaufwendungen getätigt. Nachdem die Veranstaltung nicht stattfinden konnte, weil die Gemeinde aufgrund befürchteter Ausschreitungen die Stadthalle nicht zur Verfügung gestellt hatte, verlangte der Verein Ersatz für die vergeblichen Aufwendungen. In der ablehnenden Entscheidung konstatierte der BGH, dass die getätigten Werbeaufwendungen wegen ihrer ideellen Zweckrichtung selbst bei gehöriger Erfüllung nicht hätten amortisiert werden können.225 Dementsprechend bedeute die Frustration der Aufwendungen lediglich einen immateriellen Schaden, der als solcher gemäß § 253 BGB nicht zu ersetzen sei.226 Damit war letztinstanzlich klargestellt, dass bei der Verfolgung bloßer ideeller Zwecke ein Ersatz der getätigten Aufwendung auf Grundlage der Rentabilitätsvermutung gänzlich ausscheiden muss. In der Literatur regte sich gegen den exklusiven Schutz kommerziell motivierter Aufwendungen alsbald Widerstand.227 So sei unabhängig von der Motivationslage des Gläubigers allen betroffenen Fällen gemein, dass der durch den Vertrag geschaffene Vertrauenstatbestand den Schuldner zur Vornahme der Aufwendungen veranlasst, welche sodann aufgrund der Nichterfüllung ihren Zweck verfehlen. Durch die Anwendung der Rentabilitätsvermutung werde dieser Parallelität der Interessenlage indes keine Rechnung getragen, was zu einer „eigenartigen Sanktionslosigkeit der Nichterfüllung bei nichtkommerziellen Vorhaben“ führe.228 Als alternativer Lösungsansatz wurde daher vorgeschlagen, den Ersatz frustrierter Aufwendungen nicht auf eine Bewertung des Erfüllungsinteresses zu stützen, sondern auf den Schutz des Gläubigervertrauens in den Erhalt der Leistung.229 Demnach sollen sämtliche wegen Nichterfüllung frustrierten Aufwendungen, die im Vertrauen auf den Leistungserhalt getätigt wurden, unabhängig von ihrer Zweckrichtung ersetzt werden.

225

BGH, JZ 1987, S. 512, 516. Ebd. 227 Zunächst zustimmend: Grunsky, in: MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1994, Vor § 249 Rn. 12 d/e; Heinrichs, in: Palandt, 54. Aufl. 1995, § 325 Rn. 15; Lange, Schadensersatz, 2. Aufl. 1990, § 6 IV.; kritisch dagegen: Stoll, JZ 1987, S. 517 ff.; Müller-Laube, JZ 1995, S. 538, 539 f.; Wiedemann, FS H. Hübner (1984), S. 719, 727 ff.; ders., in: Soergel, 12. Aufl. 1990, Vor § 275 Rn. 39 ff. 228 Esser/Schmidt, Schuldrecht I/2, 7. Aufl. 1993, § 28 II 3; auch Müller-Laube, JZ 1995, S. 538, 540 f. 229 So Stoll, JZ 1987, S. 517, 518, in seiner Urteilsanmerkung zum Stadthallenfall, wobei er die Abkehr von seiner früheren Auffassung (FS Duden (1977), S. 641 ff.; JZ 1978, S. 797), wonach er den Ersatz für die bei Nichterfüllung nutzlosen Gläubigeraufwendungen noch auf eine Bewertung des Erfüllungsinteresses zurückführte, ausdrücklich betont (JZ 1987, S. 517, 518, Fn. 6). 226

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Zweites Kapitel: Haftung für anfängliche Unmöglichkeit als Vertrauenshaftung

Mit der Vorschrift des § 284 BGB scheint der Gesetzgeber diese vertrauensbasierte Konzeption des Aufwendungsersatzes in das neue Schuldrecht aufgenommen zu haben. Nach § 284 BGB sind dem Gläubiger alle im Vertrauen auf den Leistungserhalt gemachten Aufwendungen zu ersetzen; begrenzt einzig durch das Billigkeitserfordernis. Selbst Canaris, der zuvor stets die Unvereinbarkeit von Vertrags- und Vertrauenshaftung postuliert hatte, meint in der Festschrift für Wiedemann: „Der Grund der Haftung nach § 284 BGB lässt sich unschwer schon aus dem Text der Vorschrift ablesen: Geschützt wird das Vertrauen des Gläubigers in den Erhalt der Leistung und die darauf beruhende Dispositionsfreiheit des Gläubigers.“230 Canaris kommt zu dem beachtlichen Schluss, die durch den Jubilar entwickelte Theorie einer Vertrauenshaftung bei Nichterfüllung habe sich nunmehr positivrechtlich durchgesetzt.231 b) § 284 BGB als eigenständige Vertrauenshaftungsvorschrift Hierzu im Widerspruch stehen die Ansichten jener Autoren, die in § 284 BGB keine eigenständige Anspruchsgrundlage, sondern eine bloße schadensersatzrechtliche Haftungsausfüllungsvorschrift erkennen wollen.232 § 284 BGB sei demnach lediglich ein Unterfall des § 280 Abs. 1 BGB und finde seinen Haftungsgrund, wie sämtliche Haftungsvorschriften der §§ 280 ff. BGB, in der schuldhaften Pflichtverletzung des Schuldners.233 Einzig auf der Stufe der Haftungsausfüllung eröffne § 284 BGB dem Gläubiger die Wahlmöglichkeit zwischen dem Ersatz in Höhe des positiven Interesses oder dem Ersatz frustrierter Aufwendungen.234 Für ein solches Verständnis des § 284 BGB wird vor allem dessen systematische Verortung zwischen den schadensersatzrechtlichen Vorschriften der §§ 280 ff. BGB angeführt, sowie der Umstand, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 284 BGB mit denjenigen des Schadensersatzes statt der Leistung identisch sind („Anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung kann der Gläubiger Ersatz der Aufwendungen verlangen […]“).235 230

Canaris, FS Wiedemann (2002), S. 3, 27. Obgleich Canaris sogleich betont, dass es sich dogmatisch dennoch um eine Nichterfüllungshaftung handele, und damit von seinem vormalig propagierten Grundsatz der strikten Trennung von Vertrauenshaftung und vertragsrechtlichen Sekundäransprüchen (vgl. Vertrauenshaftung, S. 412 ff., 424 ff.) nicht abrückt. 231 Canaris, FS Wiedemann (2002), S. 3, 27; dazu Dedek, Negative Haftung aus Vertrag, S. 21 sowie zu den Unterschieden zwischen den Theoriegebilden im Hinblick auf die Erfüllungshaftung: S. 37 ff. 232 Vgl. Stoppel, AcP 2004 (203), S. 81, 84 f.; Ernst, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 284 Rn. 7–8; Ehmann/Sutschet, Modernisiertes Schuldrecht, S. 120. 233 Stoppel, AcP 2004 (203), S. 81, 86. 234 Stoppel, AcP 2004 (203), S. 81, 86. 235 Stoppel, AcP 2004 (203), S. 81, 85.

D. Einwände gegen die Theorie einer vertragsrechtlichen Vertrauenshaftung

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Gegen die Einordnung des § 284 BGB als schadensersatzrechtliche Haftungsausfüllungsvorschrift spricht indes schon, dass in den Fällen des § 284 BGB regelmäßig schon kein Schaden vorliegt, der ersetzt werden könnte. So unterfallen Aufwendungen als freiwillige Vermögensopfer von vornherein nicht dem Schadensbegriff, weshalb allein deren Frustration schadensrechtlich berücksichtigt werden kann.236 Dabei wurde bereits festgestellt, dass sich bei Aufwendungen zu nichtkommerziellen Zwecken auch deren Frustration nicht als Schaden einordnen lässt. Dem kann auch nicht entgegenhalten werden, dass es dem Gesetzgeber grundsätzlich freistehe, Haftungsfolgen wie den Ersatz sämtlicher vergeblicher Aufwendungen nach eigenem Ermessen zu bestimmen.237 Der Gesetzgeber ist durch das verfassungsrechtliche Willkürverbot zumindest insoweit gebunden, als dass er ohne Vorliegen eines Schadens nicht zum Schadensersatz verpflichten kann. Diesen Schwierigkeiten im Rahmen der schadensersatzrechtlichen Einordnung des § 284 BGB lässt sich indes entgehen, indem man die Vorschrift von vornherein nicht schadensersatzrechtlich qualifiziert, sondern mit der herrschenden Meinung von einer eigenständigen vertrauens- und dispositionsschützenden Haftungsvorschrift ausgeht.238 c) Der Vertrag als Vertrauenstatbestand Dies führt uns zu einem bemerkenswerten Konzept der vertragsrechtlichen Nichterfüllungshaftung: Diese stützt sich nicht allein auf eine Sanktionierung etwaiger Leistungs(treue)pflichtverletzungen – obgleich dies der beschränkte Blick auf die §§ 280–283 BGB vermuten ließe. In § 284 BGB wird der Vertrag zugleich zum Vertrauenstatbestand erhoben, der den Gläubiger in schutzwürdiger Weise auf den Erhalt der Leistung vertrauen lässt. Der Schutz dieser Erwartungshaltung erfolgt durch Ersatz der im Vertrauen auf den Leistungserhalt getätigten Aufwendungen. Im Sinne eines „negativen Vertrauensschutzes“ wird der Gläubiger so gestellt, als hätte er nie Vertrauen investiert; mithin die Aufwendungen nicht getätigt. 4. Synthese Festzuhalten bleibt, dass die Leistungserwartung des Gläubigers schon unter Geltung des alten Schuldrechts eine haftungsbegründende Stellung einnahm. So lieferte das Gläubigervertrauen zumindest nach Ansicht eines beträchtlichen Teils der Literatur sowohl den Haftungsgrund für § 307 BGB a.F. als 236

Vgl. Otto, in: Staudinger, Neubearb. 2009, § 284 Rn. 10. Vgl. Schwarze, Leistungsstörungen, 2. Aufl. 2017, § 25 Rn. 28, S. 378 f.; Ernst, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 284 Rn. 7; wohl auch Canaris, JZ 2001, S. 499, 516. 238 Vgl. Schwarze, Leistungsstörungen, 2. Aufl. 2017, S. 387 f., § 25 Rn. 42 m.w.N. in Fn. 211. 237

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Zweites Kapitel: Haftung für anfängliche Unmöglichkeit als Vertrauenshaftung

auch für die Erfüllungshaftung bei anfänglichem Unvermögen. Daneben wurde der Vertrauenshaftung im Zusammenhang mit dem Ersatz frustrierter Aufwendungen eine dispositionsschützende Wirkung zugeschrieben. Das neue Schuldrecht erkennt in § 284 BGB ausweislich des Wortlauts der Vorschrift die haftungsbegründende Stellung des Gläubigervertrauens nunmehr ausdrücklich an. Will man § 284 BGB dabei nicht als bloße systemwidrige Ausnahmevorschrift abtun, so bleibt nur anzuerkennen, dass im Wege der Schuldrechtsreform die Vertrauenshaftung als „zweite Spur“ der Sekundärhaftung neben die Haftung für Verschulden getreten ist. Eine der Systembildung verpflichtete Rechtsdogmatik sollte daher nicht zögern, Haftungsnormen, die sich bisher nicht anhand des Verschuldensprinzips begründen ließen, unter Berücksichtigung des Vertrauensgedankens neu zu interpretieren.

E. Die Überlegenheit der Vertrauenstheorie gegenüber der Garantietheorie Die Theorie einer vertrauensbasierten Sekundärhaftung will ganz bewusst als Gegenentwurf zur Theorie der eingeschränkten Garantiehaftung verstanden werden. Im Folgenden soll die Überlegenheit der Vertrauenstheorie gegenüber der Garantietheorie gesondert herausgestellt werden.

I. Wirklichkeitsbezug Anders als in den Naturwissenschaften erfolgt juristische Theoriebildung nicht durch eine möglichst wahrheitsgemäße Beschreibung der Wirklichkeit und die empirische Überprüfung der aufgestellten Hypothesen.239 Es geht darum, einzelne Rechtssätze anhand allgemeiner Wertungen rational zu begründen und in ein widerspruchsfreies System zu integrieren.240 Die Identifizierung der maßgeblichen Wertungen erfolgt im Wege juristischer Hermeneutik, d.h. durch Interpretation des in Rede stehenden Gesetzestexts. Doch ergibt sich hieraus keineswegs, dass juristische Theoriebildung allein auf textlicher Ebene stattfinden würde, gebunden nur durch den Inhalt des Gesetzestexts und ohne jeden Wirklichkeitsbezug. Es zählt insoweit zu den zentralen Einsichten hermeneutischer Überlegungen, dass das Verstehen eines jeden Textes ein Vorverständnis jener Materie voraussetzt, auf welche der Text sich bezieht.241 In den juristischen Kontext übertragen heißt das nichts

239

S. bereits bei D. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1975, S. 429 ff. 241 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1975, S. 185; Schuhr, 240

E. Die Überlegenheit der Vertrauenstheorie gegenüber der Garantietheorie

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anderes, als dass juristische Theoriebildung im Wege hermeneutischer Gesetzesinterpretation nur dann gelingen kann, wenn zuvor auch die zugrundeliegende Regelungsmaterie in ihrer Tatsächlichkeit erkannt und verstanden wurde.242 Den Sinngehalt des Rechts allein anhand des Gesetzestexts oder gar nur einer einzelnen Vorschrift ermitteln zu wollen, erweist sich dagegen als „hermeneutisch unmöglich“.243 Dies vorausgeschickt, erscheint auch eine solche Theoriebildung wenig aussichtsreich, die den zugrundeliegenden Lebenssachverhalt zwar nicht in der Gänze ausblendet, jedoch von falschen Vorstellungen hierüber geleitet ist. Befinden sich nämlich die Prämissen der Theoriebildung zur Realität im Widerspruch, besteht unweigerlich die Gefahr einer Falschbenennung der normbegründenden Wertungen. Eben jenes Schicksal ereilt die Theorie der eingeschränkten Garantiehaftung, wenn sie die Haftungsanordnung bei anfänglicher Unmöglichkeit aus einer angeblich abgegebenen Schuldnergarantie ableitet und damit anhand der rechtsgeschäftlichen Selbstbestimmung zu begründen versucht.244 Denn, wie bereits ausführlich dargelegt, lässt sich eine solche Garantie für Fälle fehlender Leistungsfähigkeit in keiner Form nachweisen, womit dem Rekurs auf den Wert der rechtsgeschäftlichen Selbstbestimmung jeder Anknüpfungspunkt entzogen wird. Die Theorie der eingeschränkten Garantiehaftung entpuppt sich unter diesem Gesichtspunkt als bloßes Gedankenkonstrukt ohne jeden Wirklichkeitsbezug. Demgegenüber liefert die Vertrauenstheorie eine Haftungsbegründung, deren Wirklichkeitsbezug evident zu Tage tritt. Dass der Gläubiger auf die Erfüllung durch den Schuldner vertraut, ist eine bare Selbstverständlichkeit. Auch dass die Erfüllungserwartung des Gläubigers rechtlichen Schutz verdient, wurde aufgezeigt. Mit der hier entwickelten Haftungskonzeption gelingt es somit, die bestehende Vertragsrechtsdogmatik von einem ihrer „Mystizismen“245 zu befreien, indem man die Haftungsordnung aus § 311a Abs. 2 Rechtsdogmatik als Wissenschaft, S. 43; Kaufmann, Beiträge zur juristischen Hermeneutik, S. 13 f. 242 Winkler, Theorie und Methode der Rechtswissenschaft, S. 15. Nach Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 138, liegt der Grund für den notwendigen Wirklichkeitsbezug des Rechts darin, dass die „zu verändernde Wirklichkeit Grundlage der Norm[en]“ des Rechts ist. Zitiert bei: Mecke, Begriff und System des Rechts bei Georg Friedrich Puchta, S. 572. 243 Kaufmann, Beiträge zur juristischen Hermeneutik, S. 13 f.; zitiert bei: Schuhr, Rechtsdogmatik als Wissenschaft, S. 43. 244 Dies wird besonders deutlich bei Canaris, Vertrauenshaftung, S. 423 f., der meint, dass bei der Haftung bei anfänglicher Unmöglichkeit ein Fall rechtsgeschäftlicher Bindung vorläge, da der Erklärende lediglich „für sein – in fehlerfreier Selbstbestimmung gegebenes! – Leistungsversprechen einstehen“ müsse. 245 Die Befreiung des Leistungsstörungsrechts von seinen „zahlreichen Mystizismen“ wird zum erklärten Ziel bei Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, S. 227. Dazu auch Dedek, Negative Haftung aus Vertrag, S. 263.

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Zweites Kapitel: Haftung für anfängliche Unmöglichkeit als Vertrauenshaftung

BGB nicht auf ein fiktives Leistungsversprechen, sondern ein wirkliches Vertrauensmoment auf Seiten des Gläubigers zurückführt.

II. Theoriewert für die praktische Rechtsanwendung Jenseits der Systematisierung und rationalen Begründung des Rechtsstoffs erlangen juristische Theorien im Rahmen der praktischen Rechtsanwendung Bedeutung, soweit bei der Auslegung und Fortbildung des Gesetzes hierauf zurückgegriffen wird.246 Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die im Rahmen der Theoriebildung rekurrierten materiellen Rechtsgedanken, welche uns vielfach auch unter der Bezeichnung „Rechtsprinzipien“ begegnen, nicht ausreichend konkretisiert sind, um selbst Sachverhalte sehr allgemeiner Art darunter subsumieren zu können.247 Erst die fortdauernde Präzisierung jener Rechtsprinzipien durch die Gesetze, deren Auslegung sowie die Rechtsfortbildung lässt diese einen Konkretisierungsgrad erreichen, aus dem sich die Entscheidung des Einzelfalls unmittelbar ergeben kann.248 Vor diesem Hintergrund kommt aber nur solchen Rechtsprinzipien eine Eignung als Grundlage der praktischen Rechtsanwendung zu, welche überhaupt erst einer Konkretisierung zugänglich sind. Eine dahingehende Eignung lässt sich unzweifelhaft für das Vertrauensprinzip behaupten, das mit dem Rückwirkungsverbot belastender Gesetze, der zivilrechtlichen Vertrauenshaftung oder dem Gebot eines rücksichtsvollen Umgangs in Sonderbeziehungen bereits verschiedentliche Konkretisierungen erfahren hat.249 Demgegenüber liefert das Garantieprinzip keinerlei Anknüpfungspunkte für eine weitere Konkretisierung. Insbesondere für komplexe Fragen der vertraglichen Risikozuweisung bildet die Figur des typischen Parteiwillens keinen tauglichen Konkretisierungsmaßstab, da ein dahingehender allgemein feststellbarer Parteiwille nicht nachzuweisen ist. Der Verweis auf die Rechtsfigur des typischen oder hypothetischen Parteiwillens erweist sich zudem deshalb als problematisch, weil die damit verbundene rechtsgeschäftliche Qualifizierung sämtlicher Vertragsrechtswirkungen jede sorgfältige Begründung der Rechtssätze entbehrlich werden lässt. So bedarf eine Rechtsfolge, die (vermeintlich und wenn, auch nur mittelbar) von den Parteien 246 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1975, S. 429; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, S. 56; R. Stürner, JZ 2012, S. 10, 11: „Gebrauchsdogmatik“; umfassend zur Bedeutung der Rechtsdogmatik als „institutionelles Bindeglied zwischen Rechtssetzung und Rechtsprechung“: Lobinger, AcP 216 (2016), S. 28, 63 ff. 247 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1975, S. 458. 248 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1975, S. 458. 249 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1975, S. 458.

E. Die Überlegenheit der Vertrauenstheorie gegenüber der Garantietheorie

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bestimmt wurde, aufgrund des Primats des Parteiwillens keiner weiteren Rechtfertigung.250 Die Rechtsfolge tritt nur deshalb ein, weil und vor allem wie die Parteien es gewollt haben. Hierdurch werden aber die tatsächlich dem Gesetz zugrundeliegenden Rechtsprinzipien lediglich verschleiert und eine theoriegeleitete Rechtsanwendung unmöglich gemacht. Damit lässt sich festhalten, dass das Garantieprinzip mangels Konkretisierbarkeit des Parteiwillens nicht nur keinerlei Nutzen für die praktische Rechtsanwendung entfaltet, sondern diese gar behindert, indem es unter dem Deckmantel des „typischen“ oder eben „hypothetischen“ Parteiwillens die eigentlich maßgeblichen und die im Rahmen der Auslegung und Rechtsfortbildung zugrunde zu legenden Wertungen verbirgt. Im Gegensatz dazu benennt die Theorie einer vertragsrechtlichen Vertrauenshaftung mit dem Vertrauensgrundsatz das entscheidende Rechtsprinzip, dessen besondere Konkretisierbarkeit bereits in einer Vielzahl von Untersuchungen nachgewiesen wurde. Inwieweit sich dabei das Vertrauensprinzip speziell für die Frage der Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit fruchtbar machen lässt, zeigt das folgende Kapitel.

250 Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S. 236; Heuser, Jura 2012, S. 663, 665. Esser, JZ 1958, S. 113, 114, sieht in der Berufung auf den hypothetischen Parteiwillen daher die Gefahr ausufernder Billigkeitserwägungen. Daran anknüpfend kritisiert auch Medicus, FS Flume I (1978), S. 629, 638: „Man behauptet das, was man für sachlich richtig hält, als von den Parteien gewollt und erspart sich so die nötige Angabe der sachlichen Richtigkeitsargumente.“ Und schließlich bekennt auch der BGH, es handele sich „nicht um die Ermittlung hypothetischer subjektiver Vorstellungen der Parteien, sondern um eine vernünftige Interessenabwägung auf rein objektiver Grundlage“ (BGHZ 7, 231, 235).

Drittes Kapitel

Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit A. Begriff der Risikozuweisung und Methode Im Kern befasst sich die Lehre von der vertraglichen Risikozuweisung mit einer Verteilungsproblematik: Es ist zu entscheiden, welcher Vertragspartner, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang den wirtschaftlichen Nachteil einer Leistungsstörung zu tragen hat.1 Dabei ist die vertragliche Risikozuweisung angesichts der grundlegenden Bedeutung der individuellen Selbstbestimmung zuvorderst anhand der privatautonom getroffenen Vereinbarung zu bestimmen.2 Wie aber die bisherige Untersuchung gezeigt hat, ist die Haftung bei Leistungsstörungen regelmäßig nicht Gegenstand des privatautonomen Verpflichtungsakts. Die Vertragsparteien hegen allenfalls die vage Vorstellung, dass ein Vertragsbruch Rechtsfolgen nach sich ziehen müsse. Für die weiteren Einzelfragen der vertraglichen Risikozuweisung, wie Haftungsumfang oder Haftungsvoraussetzungen, ist der Parteiwille indes unergiebig.3 Entsprechend ergibt sich die vertragliche Risikozuweisung in einer Mehrzahl der Fälle aus dem geschriebenen Gesetzesrecht, welches unter Rückgriff auf den Savignyschen Auslegungskanon von grammatischer, systematischer, historischer und teleologischer Auslegung zu interpretieren ist. Vor allem im Rahmen der systematischen und teleologischen Auslegung ist hierbei auf die im Zweiten Kapitel gewonnenen Erkenntnisse über die dogmatische Struktur des § 311a BGB sowie die systematische Konzeption des Leistungsstörungsrechts Rekurs zu nehmen. Methodisch handelt es sich damit um theoriegeleitete Auslegung.4

1

Vgl. Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 23; Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S. 174. 2 Vgl. Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 23 f. 3 Siehe auch Grigoleit, FS Köhler (2014), S. 183, 189. 4 Vgl. Canaris, JZ 1993, S. 377, 378.

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

B. Das Verschuldenselement in § 311a Abs. 2 S. 2 BGB I. Das Pflichtenprogramm des Schuldners Maßgeblich für die Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit ist die Auslegung des in § 311a Abs. 2 S. 2 BGB fixierten Verschuldenselements. Es befreit den Schuldner von der Haftung, wenn er das Leistungshindernis bei Vertragsschluss nicht kannte und seine Unkenntnis auch nicht zu vertreten hat. Mit der Formulierung „und seine Unkenntnis auch nicht zu vertreten hat“ ist auf § 276 BGB Bezug genommen, wobei es auf die Verschuldensform der Fahrlässigkeit ankommt.5 Den Schuldner trifft folglich eine Sorgfaltspflicht zur Kenntnisverschaffung hinsichtlich ihm unbekannter Leistungshindernisse sowie eine Pflicht zur Aufklärung über ihm bekannte Leistungshindernisse. Eine Konkretisierung dieser Informationspflicht ist bis heute nicht gelungen. Die Literatur begnügt sich zumeist mit einem bloßen Verweis auf „Treu und Glauben“6 oder die Umstände des Einzelfalls7.

II. Abgrenzung zur Fallgruppe der vorvertraglichen Informationshaftung Die Frage nach der Reichweite schuldnerischer Aufklärungspflichten erinnert an die bereits umfassend behandelte Fallgruppe vorvertraglicher Informationshaftung.8 Doch taugen die hierzu geschaffenen Grundsätze nicht zur Bestimmung der Informationspflichten im Rahmen des § 311a Abs. 2 BGB. Die typischen Fallgruppen vorvertraglicher Informationshaftung betreffen solche Konstellationen, in denen einer Verhandlungspartei unter engen Voraussetzungen Informations- und Aufklärungspflichten aufgegeben werden, um etwa bestehende Informationsasymmetrien in den Vertragsverhandlungen zu beseitigen.9 Hierdurch soll verhindert werden, dass die wissensüberlegene Partei ihren Informationsvorsprung in den Verhandlungen zu Lasten der anderen Partei ausnutzt und dadurch das Zustandekommen eines für

5

Ernst, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 311a Rn. 50. Medicus/Stürner, in: Prütting/Wegen/Weinreich-BGB, 16. Aufl. 2021, § 311a Rn. 17. 7 Ernst, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 311a Rn. 51. 8 Dazu: Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit; Breidenbach, Die Voraussetzungen von Informationspflichten beim Vertragsschluss; Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht; Paefgen, Haftung für mangelhafte Aufklärung; Pohlmann, Die Haftung wegen Verletzung von Aufklärungspflichten; Rehm, Aufklärungspflichten im Vertragsrecht. 9 Krebs, Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, S. 456: „Informationsmodell zur Bewältigung von Ungleichgewichtslagen“. 6

B. Das Verschuldenselement in § 311a Abs. 2 S. 2 BGB

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beide Seiten erwartungsgerechten Vertrags verhindert wird.10 Konkret geht es in den klassischen Fällen vorvertraglicher Informationshaftung also um Informationen über solche Faktoren, die sich unmittelbar im Verhandlungsergebnis niederschlagen; deren Kenntnis zur Interessendurchsetzung in den Vertragsverhandlungen folglich wesentlich ist.11 Gänzlich different gestaltet sich das Informationsinteresse in Bezug auf anfängliche Leistungshindernisse. Diese stellen weder wertbildende Faktoren dar, noch verschaffen Informationen hierüber eine günstigere Verhandlungsposition, die zu Lasten der gegnerischen Partei ausgenutzt werden könnte. Ganz im Gegenteil werden Schuldner und Gläubiger gleichermaßen den Abschluss eines undurchführbaren Vertrages für sinnlos erachten. Es liegt insoweit im gemeinsamen Interesse redlicher Vertragsparteien, Informationen über anfängliche Leistungshindernisse offenzulegen und das Zustandekommen eines undurchführbaren Vertrags zu verhindern. Prägend für die Informationspflichten aus § 311a Abs. 2 S. 2 BGB ist eben nicht das widerstreitende Interesse der Parteien am Vertragsinhalt, sondern das geteilte Interesse an der Möglichkeit der Vertragsdurchführung.12 Mangels vergleichbarer Interessenlage können die Grundsätze über die vorvertragliche Informationshaftung damit nicht auf die schuldnerischen Aufklärungspflichten aus § 311a Abs. 2 S. 2 BGB übertragen werden.

III. Theoriegeleitete Auslegung 1. Haftungsgrund und Pflichteninhalt Im Kontext anfänglicher Unmöglichkeit stellt sich also die Frage nach der Reichweite schuldnerischer Aufklärungspflichten neu.13 Als Grundlage der Auslegung sollen die im Zweiten Kapitel gewonnenen Erkenntnisse über die dogmatischen Grundlagen des § 311a Abs. 2 BGB herangezogen werden. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit sich von der darin niedergelegten Vertrauenshaftung Rückschlüsse über die Informations- und Aufklärungspflichten des Schuldners ziehen lassen.

10

Vgl. u.a. Arnold, Vertrag und Verteilung, S. 148 f. Henssler, Risiko als Vertragsgenstand, S. 140, spricht von einem „natürlichen Interessengegensatz“. 12 Diese Differenzierung findet sich auch bei Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, S. 330 ff., der zwischen der Informationslast bei Interessengegensatz einerseits und bei Interessengemeinsamkeit andererseits unterscheidet. Zu letzterer Fallgruppe zählte Schwarze insbesondere die Informationspflichten hinsichtlich des Vorliegens anfänglicher Leistungshindernisse. 13 Auf die Notwendigkeit der Entwicklung eines Pflichtenmaßstabes aus § 311a Abs. 2 S. 2 BGB verweist auch Windel, JR 2004, S. 265, 267. 11

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

Eine Antwort liefert die Rolle des Haftungsgrundes als Anknüpfungspunkt im geltenden Recht.14 So kann eine Rechtspflicht, wie hier die Aufklärungspflicht des Schuldners hinsichtlich anfänglicher Leistungshindernisse, nicht einfach in den Raum gestellt werden. Es bedarf ihrer rechtsethischen Legitimation durch den Haftungsgrund. Dieser gibt an, warum die Rechtsordnung grundsätzlich eine Partei schützt, indem sie der anderen Partei entsprechende Rechtspflichten auferlegt.15 Der Haftungsgrund bildet den „Rahmen“ für die Bestimmung des Pflichteninhalts.16 Die Haftung aus § 311a Abs. 2 BGB gründet auf der Erfüllungserwartung des Gläubigers unter Berücksichtigung treugemäßer Sachverhaltsaufklärung durch den Schuldner. Entsprechend müssen jene Pflichten vor dem Hintergrund ihres vertrauensschutzbasierten Ursprungs ausgestaltet werden. Freilich ist der Vertrauensschutz als allgemeines Rechtsprinzip nicht hinreichend tatbestandlich verfestigt, um unmittelbar hieraus Schlüsse über die Reichweite bestimmter Aufklärungspflichten ziehen zu können. Das Prinzip des Vertrauensschutzes bedarf zu seiner weiteren Verwirklichung der „Konkretisierung durch Unterprinzipien und Einzelwertungen mit selbständigem Sachgehalt.“17 „Selbstständig“ in diesem Sinne sind diese ergänzenden Wertungen aber nur insoweit, als sie sich im Rahmen des Vertrauensschutzes bewegen; also weiter an ihn gekoppelt sind.18 2. Die rechtsökonomischen Grundlagen der Vertrauenshaftung: Effiziente Zuweisung der Informationsverantwortung Als ein solcher weiterer Wertungsgesichtspunkt sollen hier die rechtsökonomischen Grundlagen der Vertrauenshaftung herangezogen werden. Die ökonomische Analyse des Rechts hat sich seit jeher intensiv mit den Zusammenhängen des Vertrauensschutzes und dem volkswirtschaftlichen Bedürfnis eines effizienten Informationserwerbs befasst.19 Demnach liegt der ökonomische Mehrwert zivilrechtlichen Vertrauensschutzes vor allem darin, dass derjenige Rechtsverkehrsteilnehmer, welcher die entscheidungserhebliche Information mit dem geringeren Aufwand beschaffen kann, zugunsten der vertrauenden Partei zur Aufklärung hierüber veranlasst wird.20 Die rechts14 Breidenbach, Die Voraussetzungen von Informationspflichten bei Vertragsschluss, S. 23 f. 15 Vgl. Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, S. 38. 16 Breidenbach, Die Voraussetzungen von Informationspflichten bei Vertragsschluss, S. 23. 17 Canaris, Systemdenken und Systembegriff, S. 57. 18 Breidenbach, Die Voraussetzungen von Informationspflichten bei Vertragsschluss, S. 24. 19 Kirsten, Verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung, S. 265 ff.; ausführlich Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 6. Aufl. 2020, S. 601 ff. 20 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 6. Aufl. 2020,

B. Das Verschuldenselement in § 311a Abs. 2 S. 2 BGB

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ökonomische Legitimation des Vertrauensschutzes ergibt sich also aus der hierdurch erzielten effizienten Zuweisung der Informationsverantwortung.

IV. Das Kenntniserfordernis Der Vorwurf einer Informationspflichtverletzung und damit eine Haftungsverantwortung nach § 311a Abs. 2 BGB trifft den Schuldner jedenfalls dann, wenn er das Leistungshindernis kannte und die Gegenseite hierüber nicht aufgeklärt hat. Hierfür lässt sich ohne weiteres eine ökonomische Rechtfertigung finden. Denn wer vorsätzlich vergebliches Vertrauen hervorruft, provoziert zum einen die Verschwendung von Ressourcen, indem er Mittel der Gegenseite bindet, welche sich sonst produktiv einsetzen ließen.21 Zum anderen wird die Erwartung eines Geschäftsgewinns geweckt, über den die Gegenseite womöglich weiter disponiert und dessen Rückabwicklung weitere Kosten verursacht. Jene Ineffizienzen werden am ehesten dadurch vermieden, dass die Partei, welche bereits Kenntnis über einen leistungshindernden Umstand verfügt, die Gegenseite hierüber aufklärt und damit das Zustandekommen des unerfüllbaren Vertrages verhindert. Fraglich kann hier einzig der Gegenstand der Kenntnis sein; also ob der Schuldner nur das Leistungshindernis als solches oder auch dessen Unüberwindbarkeit kennen muss.22 Ausgehend vom soeben Gesagten, wonach die Aufklärungspflicht bei Kenntnis den Ineffizienzen einer vorsätzlichen Herbeiführung vergeblicher Erfüllungserwartung Rechnung tragen soll, kann nur Letzteres richtig sein. Denn von einer vorsätzlichen Herbeiführung vergeblicher Erfüllungserwartung lässt sich nur dann sprechen, wenn der Schuldner nicht nur das Leistungshindernis als vielmehr auch die Unmöglichkeit positiv kennt.

V. Das Erfordernis des Kennenmüssens Gegenüber dem Begriff der Kenntnis, dem schon in der Laiensphäre ein greifbarer Bedeutungsgehalt zukommt,23 lassen sich das Erfordernis der zu vertretenden Unkenntnis und der darin zum Ausdruck kommende Verweis auf die Verschuldensform der Fahrlässigkeit ungemein schwieriger erfassen. Der Begriff des Kennenmüssens konstituiert einen unbestimmten RechtsS. 626, 641; Kötz, FS Drobnig, S. 563, 573 f., Kirsten, Verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung, S. 267 ff. 21 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 155. 22 Vgl. Bach, Leistungshindernisse, S. 259. 23 In der Judikatur des Bundesgerichtshofs, BGHZ 26, 256, 261, setzt Kenntnis eine nicht notwendig von allen, insbesondere von unbegründeten Zweifeln befreite Gewissheit der Existenz oder Nichtexistenz eines Tatbestands voraus.

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

begriff, dessen Auslegung der Hinzuziehung weiterer Wertungsgesichtspunkte bedarf. Vorliegend sei auf die rechtsökonomischen Erkenntnisse über eine effizienzgeleitete Zuweisung der Informationsverantwortung zurückgegriffen. 1. Die Risikotheorie als Argumentationstopoi Eine an Effizienzgesichtspunkten orientierte Verantwortungsallokation wurde unter anderem durch Koller zur Entwicklung seiner Risikotheorie bemüht. Zielsetzung seiner Untersuchungen war es, demjenigen Vertragspartner die wirtschaftlichen Folgen einer Vertragsstörung zuzuweisen, der nach generell-typischen Kriterien besser imstande ist, das entsprechende Risiko zu steuern.24 Hiermit folgt die Lehre Kollers dem Bestreben nach einer „optimalen Allokation von Ressourcen“ sowie eine „Beschleunigung des technischen und organisatorischen Fortschritts“,25 womit auch der rechtsökonomische Ursprung der Risikotheorie evident zu Tage tritt.26 Freilich hat der deutsche Gesetzgeber einer wie von Koller postulierten rein effizienzbasierten Risikozuweisung mit der allgemeinen Haftungsanknüpfung an ein Verschulden eine Absage erteilt. Dies gilt zumindest für nach Vertragsschluss auftretende Leistungsstörungen, für die der Schuldner typischerweise immer dann einzustehen hat, wenn er diese selbst verursacht hat27 oder sie für ihn zumindest konkret steuerbar waren. Eine Risikozuweisung auf Grundlage des Gedankens verschuldensunabhängiger, abstrakter Beherrschbarkeit28 steht hierzu im fundamentalen Gegensatz. Gänzlich different gestaltet sich das System der Risikoverteilung indes für die Fälle anfänglicher Vertragsstörungen, wonach nicht etwaige Unzulänglichkeiten bei der Vertragsdurchführung, als vielmehr die Möglichkeit der Informationsgewinnung vor Vertragsschluss maßgebend ist.29 Dabei erscheint es vor dem Hintergrund einer an Effizienzgesichtspunkten orientierten Informationslastverteilung naheliegend, dem Schuldner nur Aufklärungspflichten hinsichtlich solcher Umstände aufzugeben, die etwa in seinem Herrschafts- oder Einsichtsbereich verortet sind. Genannt sind damit Kriterien, welche auch Koller zur Zuweisung der Vertragsrisiken heranzieht und denen als Argumentationstopoi zur Konkretisierung der schuldnerischen Informationsverantwortung eine natürliche Überzeugungskraft innewohnt.30 24

Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 87. Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 79. 26 Vgl. Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 101. 27 Siehe nur etwa Pfeiffer, in: Soergel, 13. Aufl. 2014, § 276 Rn. 21, 22; Sutschet, Der Schutzanspruch zugunsten Dritter, S. 61 ff.; Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 69 f.; Harke, JbJZivRWiss 2001, S. 29, 58. 28 Vgl. Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 3. 29 Vgl. Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 145. 30 Vgl. für die Heranziehung der von Koller angeführten Gesichtspunkte als Argumen25

B. Das Verschuldenselement in § 311a Abs. 2 S. 2 BGB

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2. Die Schuldnersphäre Als risikozuweisenden Faktor hat Koller zuvorderst das Prinzip der abstrakten Beherrschbarkeit geprägt.31 Demzufolge sind Vertragsrisiken immer derjenigen Vertragspartei zuzurechnen, die nach abstrakten-typischen Kriterien am zuverlässigsten Planung und Realität aufeinander abstimmen sowie Störungen, die mit der Verwirklichung der Planung verbunden sind, am besten abwehren kann.32 Hiervon ausgehend konstatiert Koller, dass grundsätzlich die Partei, aus deren Sphäre das Risiko stammt, die hieraus erwachsenden Folgen zu tragen hat.33 Auf den Sphärenbegriff wurde bereits in der Diskussion um die vor der Schuldrechtsreform geltende Einstandspflicht für anfängliches Unvermögen vielfach Rekurs genommen. Demnach treffe den Schuldner eine allgemeine Risikoeinstandspflicht für alle in seinen räumlich-gegenständlichen Lebensund Herrschaftsbereich fallenden persönlichen Leistungshindernisse.34 Die hierfür angeführte Begründung mag dabei durchaus zu überzeugen. So vermag der Schuldner die Gefahr, dass schon bei Vertragsschluss Hindernisse bestehen, welche seine persönliche Leistungsfähigkeit betreffen und damit typischerweise seiner Sphäre entstammen, am ehesten zu beherrschen und abzuschätzen.35 Ganz in diesem Sinne ist auch die Judikatur des BGH im Automatenfall36 zu verstehen, wonach ein Pächter, der lediglich über einen auf sechs Jahre befristeten Pachtvertrag verfügte, Schadensersatz zu leisten hat, weil er sich auf einen zehnjährigen Automatenaufstellungsvertrag eingelassen hat, den er mangels Verlängerung des Pachtvertrags nicht voll zu erfüllen vermochte.37 In der Entscheidung heißt es hierzu, „daß derjenige, der sich zu einer Leistung verpflichtet, sich vor Vertragsschluß vergewissern muß, ob ihm die Leistung möglich sein wird, und sich instand zu setzen hat, die Leistung zu gewähren.“38 So ist es dem Gläubiger des Automatenaufsteltationsgrundlage: Arp, Anfängliche Unmöglichkeit, S. 58; ähnlich: U. Huber, Leistungsstörungen I, S. 57. 31 Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 78 ff. 32 Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 79. 33 Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 78; Kirsten, Verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung, S. 232; zur Verwandtschaft dieses Lösungsansatzes mit der überkommenen Sphärentheorie: ebd., S. 87; Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 99 f.; Frisch, Haftungserleichterungen für GmbH-Geschäftsführer, S. 159, Fn. 172 m.w.N. 34 Larenz, Schuldrecht I, 14. Aufl. 1987, S. 102 f.; im Anschluss an Oertmann, Acp 140 (1935), S. 140, 148 f.; ebenso Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung, S. 136; Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 269. 35 Vgl. Larenz, Schuldrecht I, 14. Aufl. 1987, S. 102 f.; Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 269; Wagner, JZ 1998, S. 482, 485. 36 BGH WM 1971, 243. 37 Dazu auch Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 272. 38 BGH WM 1971, 243, 244; in diesem Sinne bereits RGZ 69, 335; 80, 247, 250; 81, 59, 63; BGHZ 8, 222, 231; 11, 16, 22.

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

lungsvertrags mangels Einblicks in die Vertragsbeziehungen des Schuldners nur schwerlich möglich, die Pachtverhältnisse zu überprüfen. Der Pächter beherrscht das Informationsrisiko hingegen ohne Schwierigkeiten.39 Für die Zuweisung der Vertragsrisiken anhand des Sphärengedankens ist mithin der hierdurch bedingte Vorsprung bei der Informationsbeschaffung ausschlaggebend.40 In den Termini der Rational Choice Theorie ist der Schuldner damit der cheapest cost avoider,41 da er viel eher als der Gläubiger in der Lage ist, sich über Leistungshindernisse, die seiner persönlichen Leistungsfähigkeit entgegenstehen, zu informieren. Dabei vermag der Sphärengedanke keinesfalls allein für die Zuweisung der Informationsverantwortung bei anfänglichem Unvermögen des Schuldners herangezogen werden. Auch in Fällen objektiver Unmöglichkeit erscheint ein Vorsprung bei der Informationsbeschaffung auf Schuldnerseite denkbar.42 Exemplarisch sei hier der Fall des unbehebbaren Sachmangels beim Stückkauf genannt. Zwar wird man sagen können, dass es dem Käufer regelmäßig möglich sein wird, die Ware vor Vertragsschluss in Augenschein zu nehmen und auf potentielle Sachmängel zu untersuchen.43 Soweit ein Sachmangel aber erst bei längerem Gebrauch zu Tage tritt oder eine umfassende Untersuchung der Sache erfordert, ist der Verkäufer aufgrund der Befindlichkeit der Ware in dessen Sphäre typischerweise besser imstande, sich über die Mangelfreiheit zu vergewissern.44 Dies trifft noch deutlicher auf den Vertragsschluss im Fernabsatz zu, bei dem der Käufer nur auf Grundlage fotographischer Abbildungen und der Beschreibung des Verkäufers seine Kaufentscheidung trifft. Es zeigt sich, dass der Sphärengedanke nicht allein bei anfänglichem Unvermögen, sondern auch in Fällen anfänglicher objektiver Unmöglichkeit einen maßgeblichen Anknüpfungspunkt der effizienzbasierten Informationslastverteilung bildet. Schließlich findet die Informationslastverteilung anhand des Sphärengedankens neben vorgenannter rechtsökonomischer Begründung ihre Rechtfertigung in der Verfassungswirklichkeit: Es ist nämlich die Rechtsordnung selbst, welche durch den (grundrechtlichen) Schutz des privaten Lebens- und 39

Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 272. Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 100. 41 Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 100; Kirsten, Verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung, S. 232; zum Konzept des cheapest cost avoider: Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 65 f., 402 f.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse, 6. Aufl., 2020, S. 279 ff. 42 Allgemein zum Informationsvorsprung des Schuldners auch in Fällen objektiver Unmöglichkeit: Kirsten, Verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung, S. 378. 43 Vgl. Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 116 ff. 44 Zum grundsätzlichen Kontroll- und Informationsvorsprung des Verkäufers in Bezug auf Sachmängel: Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, S. 118, 124; Canaris, JZ 2004, S. 214, 223; krit. Korth, Minderung beim Kauf, S. 117 ff. 40

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Geschäftsbereichs die Beschaffung von Informationen über in der Sphäre des Schuldners befindliche Leistungshindernisse durch den Gläubiger verhindert. Letzterer müsste in die geschützte Rechtssphäre des anderen eingreifen, um potentielle Leistungshindernisse festzustellen.45 Der Gesetzgeber würde sich mithin selbst in Frage stellen, statuierte er keine Informationspflichten hinsichtlich der in Schuldnersphäre befindlichen Leistungshindernisse. Die Überwindung besagter Informationszugangsasymmetrie wäre nur um den Preis eines Rechtsbruchs auf Seiten des Gläubigers zu erreichen, womit das dem BGB zugrundeliegende Ideal des Vertragsschlusses auf informationeller Augenhöhe als Grundvoraussetzung „echter Selbstbestimmung“ gänzlich unterlaufen würde.46 3. Informationszuständigkeit des Schuldners für seinen Planungsbereich Doch wird man dem Schuldner nicht allein für Leistungshindernisse aus dessen Sphäre die Informationszuständigkeit zuweisen müssen. Zwar wird vielfach behauptet, dass zumindest bei Leistungshindernissen, die ihren Ursprung in der „neutralen Sphäre“ haben, Schuldner und Gläubiger abstrakt gesehen gleichermaßen die Unmöglichkeit erkennen und feststellen können, weshalb sie auch zu gleichen Teilen das Risiko der betreffenden Störung zu tragen hätten.47 So seien, insbesondere sofern die bloße Existenz des Leistungsgegenstands in Frage steht, Schuldner und Gläubiger beiderseits in der Lage, dahingehende Ermittlungen anzustellen.48 Doch wird sich mit Schollmeyer einwenden lassen, dass die reale Möglichkeit der Informationsbeschaffung zwar notwendige, nicht aber hinreichende Voraussetzung der Informationszuständigkeit ist.49 Weiterer Aspekt einer effizienzbasierten Informationslastverteilung ist die Informationszuständigkeit des Schuldners für seinen Planungsbereich. Hiervon umfasst sind sämtliche Umstände, welche die Leistungserbringung durch den Schuldner betreffen. Denn kommt der Vertrag wirksam zustande, so ist der Schuldner schon aufgrund seiner Leistungspflicht veranlasst, sich den Leistungsgegenstand am Markt zu verschaffen oder in sonstiger Weise die erfüllungsrelevanten Bedingungen herzustellen. Unter dem Gesichtspunkt der „Verhinderung unökonomischer Doppelarbeit“ wäre es daher widersinnig, neben dem Schuldner, der im Rahmen der Vertragsdurchführung

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Vgl. für diesen Gedanken in Fällen anfänglichen Unvermögens: Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 270. 46 Den Gedanken verdanke ich dem Austausch mit Herrn Prof. Dr. Thomas Lobinger. 47 Etwa Wolf, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, § 306 Rn. 1; Wagner, JZ 1998, S. 482, 484 f. 48 So die Zweite Kommission: Protokolle I, S. 453; vgl. auch Wagner, JZ 1998, S. 482, 484 f. 49 Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 100.

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

ohnehin dahingehende Planungsanstrengungen unternehmen muss, auch den Gläubiger mit einer entsprechenden Informationspflicht zu belasten.50 Der mit dem Vertrag intendierte Effizienzgewinn, welcher sich gerade aus dem arbeitsteiligen Zusammenwirken im Rahmen der Vertragsdurchführung ergibt,51 würde erheblich geschmälert. Insoweit entspricht es einer elementaren Logik des Marktes, dass den Gläubiger Leistungshindernisse, welche die Leistungserbringung und damit den Planungsbereich des Schuldners betreffen, nicht zu kümmern brauchen. Er kann darauf vertrauen, dass der Schuldner hinreichend über die Leistungserbringung betreffende Umstände informiert ist.52 Im Übrigen sei zwar zugestanden, dass bei Leistungshindernissen aus der „neutralen Sphäre“ wenigstens abstrakt gesehen Schuldner und Gläubiger gleichermaßen diese aufzudecken vermögen. Tatsächlich wird sich zumeist aber auch dahingehend eine informationelle Überlegenheit des Schuldners ausmachen lassen.53 So werden nur in den allerwenigsten Fällen Austauschgeschäfte zwischen Verbrauchern mit gleicher, die Umstände der Leistungserbringung betreffender Sachnähe vereinbart. Im Regelfall wird der Vertragspartner, welcher zur Erbringung der vertragscharakteristischen Leistung verpflichtet ist, ein mit Sonderwissen und Sonderkönnen ausgestatteter Unternehmer sein, der Geschäfte gleicher oder ähnlicher Art in einer für die Gewerbsmäßigkeit typischen Vielzahl abschließt. Ein Gebrauchtwagenhändler, dem ein Kaufvertrag über einen seltenen Oldtimer angetragen wird, wird beispielsweise viel eher als sein Kunde in der Lage sein, die Verfügbarkeit des betreffenden Fahrzeugs am Markt festzustellen. Er verfügt über einen breiteren Marktüberblick und Bezugskanäle, die dem Kunden regelmäßig verborgen bleiben.54 Ähnlich gelagert ist der Fall des Fabrikanten, der aufgrund seiner Expertise die technische Machbarkeit eines Werkes ungleich besser zu beurteilen vermag als der Besteller.55 Über den Aspekt der „Verhin50

Auf den Gesichtspunkt der „Verhinderung unökonomischer Doppelarbeit“ verweist auch Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 216. 51 U. Huber, Leistungsstörungen I, § 2 V 2, S. 46; zum Prinzip der arbeitsteiligen Veranlassung als Anknüpfungspunkt der Risikozuweisung: Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 95 ff. 52 Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 104. 53 Auch Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 104, betont in diesem Zusammenhang, dass „dem Schuldner vielfach die faktische Erforschung seiner „Leistungsfähigkeit“ mit geringerem Aufwand möglich sein wird.“. 54 Allgemein zu den Informationspflichten im Gebrauchtwagenhandel und deren Einschränkungen: Breidenbach, Die Voraussetzungen von Informationspflichten bei Vertragsschluss, S. 59 ff. 55 Vgl. Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen in Austauschverträgen, S. 275: „Beim Werkvertrag erfolgt der Vertragsabschluss regelmäßig auf der Basis, daß der Unternehmer über die für die Herstellung des Werkes notwendigen Kenntnisse verfügt.“.

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derung unökonomischer Doppelarbeit“ hinaus ist es mithin die typischerweise auf Schuldnerseite vorhandene Sachnähe, welche die Informationszuständigkeit für den eigenen Planungsbereich rechtfertigt.56 4. Erkennbarkeit des Leistungshindernisses57 Neben ihrer natürlichen Überzeugungskraft und der Schaffung klar definierter Anknüpfungspunkte liegen die Vorzüge einer effizienzbasierten Informationslastverteilung schließlich darin, dass es die dem Effizienzgedanken immanenten Grenzen erlauben, den Schuldner von unzumutbaren Haftungsrisiken zu befreien.58 a) Erkennbarkeit im absoluten Sinne (Faktische Erkennbarkeit) Die Ausrichtung eines Systems der Risikoprävention an Effizienzgesichtspunkten erfordert nämlich zuvorderst, dass die Risikoverantwortung jedenfalls dann auszuschließen ist, wenn die Leistungsstörung evident unbeherrschbar ist.59 Mit anderen Worten kann es nicht darum gehen, den Schuldner zu einer Optimierung der Schutzvorkehrungen hinsichtlich solcher Gefahren zu veranlassen, die offensichtlich nicht zu kontrollieren sind. Es bedarf eines Anhaltspunkts, welcher die evidente Unbeherrschbarkeit des Nichterfüllungsrisikos und damit die Grenzen der schuldnerischen Informationsverantwortung markiert. Diesen bildet das Kriterium der Erkennbarkeit, das immer dann zu verneinen ist, wenn Störungen außerhalb aller Wahrscheinlichkeiten liegen oder sich trotz aller Kontrollmaßnahmen in der Vertragsanbahnung nicht ausschließen lassen.60 Beispielhaft zu nennen ist hier der Verkauf einer fünfzig Jahre alten Flasche Rotwein, dessen Genießbarkeit selbst bei durchweg ordnungsgemäßer Lagerung nicht mehr sichergestellt werden kann. Bei Störungen dieser Art ist von einem Kennenmüssen durch den Schuldner abzusehen – und zwar auch dann, wenn dieser, beispielsweise wegen der Befindlichkeit des Störungsursprungs in dessen Sphäre, typischerweise besser in der Lage wäre, das Informationsrisiko zu beherrschen. 56

Für die Berücksichtigung der Sachkunde im Rahmen der Informationslastverteilung: BGH NJW 1971, 1795; („Tankzugentscheidung“); MDR 1982, 462; dazu: Breidenbach, Die Voraussetzungen von Informationspflichten bei Vertragsschluss, S. 57 f.; Brüggemann, in: Staub-HGB, 4. Aufl. 2004, § 377 Rn. 180. 57 Eine ausführliche Rezeption des Erkennbarkeitskriteriums in der deutschen Judikatur findet sich bei Wallow, Risikozuweisung und Vertragshaftung, S. 107 ff. Auch Canaris, JZ 2004, S. 214, 223, stellt auf die Erkennbarkeit als maßgeblichen Anknüpfungspunkt der Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit ab. 58 Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 88. 59 Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 88. 60 Vgl. Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 88 f., der aber in diesem Zusammenhang auf die Vorhersehbarkeit abstellt.

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

b) Erkennbarkeit unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten Überdies darf die Begrenzung der schuldnerischen Informationsverantwortung nicht allein solche Leistungshindernisse betreffen, die rein faktisch nicht zu entdecken sind. Der Schuldner würde überfordert, wollte man ihm vor Vertragsschluss Informationspflichten hinsichtlich sämtlicher aus seiner Sphäre sowie seines Planungsbereichs entspringenden Leistungshindernisse aufgeben – beschränkt allein durch das Kriterium der faktischen Erkennbarkeit. Er wäre letztlich auch zur Nachforschung über Vertragsstörungen veranlasst, deren Vorliegen zum einen höchst fraglich ist und deren innewohnende Schadensrisiken in keiner Weise die Kosten der Schadensvermeidung zu rechtfertigen vermögen. Dies vorausgeschickt, wird man dem Schuldner nur dann das anfängliche Nichterfüllungsrisiko zuweisen können, wenn die ihm entstehenden Kosten der Aufklärung im Verhältnis zur erzielbaren Gefahrsicherung stehen.61 Der Schutz übermäßiger Vertrauensreaktionen des Gläubigers, die dem Schuldner ein darüberhinausgehendes Maß vorvertraglicher Aufklärungsanstrengung abverlangt, würde dagegen der soeben dargestellten Ökonomik des Vertrauensschutzes widersprechen. Zu weit ginge es freilich, den Vorwurf des Kennenmüssens rein algebraisch anhand des Aufklärungsaufwands, der potentiellen Schadenshöhe sowie der Risikowahrscheinlichkeit zu bestimmen.62 Dem widerspricht schon, dass insbesondere wenn es um Leben oder Gesundheit geht, die Schadenshöhe keiner exakten Bezifferung zugänglich ist und sich auch Aufklärungsaufwand und Risikowahrscheinlichkeit in den allermeisten Fällen weder ex ante noch ex post ermitteln lassen.63 Insofern folgt jede ausschließlich ökonomisch orientierte Konzeption des Kennenmüssens einer „wirklichkeitsfremden Scheinrationalität“ (Pfeiffer).64 Andererseits entspricht es einer allgemeinen Überzeugung, dass der Schuldner immer dann zu größeren Aufklärungs- oder Erfüllungsanstrengungen angehalten ist, wenn der Eintritt eines hohen Scha-

61 Vgl. Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S. 373; verallgemeinernd: Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 147. 62 So aber die sog. Learned Hand-Formel: „Liability depends on whether B [die Vermeidungskosten] is less then L [die Schadenshöhe] multiplied by P [die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts]: i.e., whether B ‹ PL“ (US v. Caroll Towing Co., 159 F.2d 169, 173, 2d Cir. 1947). Dazu eingehend: Grundmann, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 276 Rn. 62 ff.; Kirsten, Verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung, S. 234 ff.; krit.: Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 315. 63 So auch Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 315; Kirsten, Verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung, S. 236; Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 146, der aber betont, dass, soweit nur reine Vermögensschäden in Rede stehen, die Anwendung eines ökonomischen Maßstabs kaum anstößig sein dürfte. 64 Pfeiffer, in: Soergel, 13. Aufl. 2014, § 276 Rn. 86; Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 315: „Scheingenauigkeit“.

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dens wahrscheinlich ist, als wenn ein kleiner Schaden mit nur geringer Wahrscheinlichkeit droht.65 Entsprechend erkennt auch die Rechtsprechung die Schwere potentieller Risikofolgen,66 die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts67 und im Verhältnis dazu den mit der Gefahrvermeidung verbundenen Aufwand68 als Determinanten der geschuldeten Sorgfalt an.69 Dieses KostenNutzen-Kalkül darf indessen nicht als Gegenentwurf zum objektiv-normativen Verständnis der Fahrlässigkeit70 verstanden werden. Es erfüllt vielmehr eine „residuale Funktion“71, indem es den normativen Verhaltensmaßstab, angelehnt an den durchschnittlichen, vernunftbegabten Schuldner, konkretisiert.72 Es dient dem Richter als Orientierungshilfe,73 auf welche er bei der Bestimmung der Fahrlässigkeit im Allgemeinen und des Kennenmüssens im Speziellen angewiesen ist. Im Übrigen bleibt es dem Richter stets unbenommen, den Eigenheiten individueller Austauschbeziehungen Rechnung zu tragen.74 Im Kontext anfänglicher Unmöglichkeit aber wird sich sagen lassen, dass der Schuldner regelmäßig nur solche Informationsanstrengungen zu unternehmen hat, die für ihn im Rahmen einer effizienten Gefahrsicherung zumutbar sind. Dabei hat die Bestimmung der Zumutbarkeit nach dem Vorstehenden nicht rein anhand des mit der Informationsbeschaffung verbundenen Aufwands zu erfolgen. Maßgeblich sind ebenso das nach den äußeren Umständen des Einzelfalls zu bestimmende Nichterfüllungsrisiko sowie die Schwere potentieller Risikofolgen.75

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Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 315. Vgl. BGH NJW 2001, 152; NJW 2007, 762, 763. 67 Vgl. BGHZ 80, 186, 193; BGH VersR 1983, 394, 395; VersR 1977, 817, 818. 68 Vgl. BGH NJW 1984, 801, 802. 69 Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S. 373 sowie 374 f. m.w.N. 70 Dazu Pfeiffer, in: Soergel, 13. Aufl. 2014, § 276 Rn. 83 ff.; Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S. 373 m.w.N. 71 Formulierung bei Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 101, der damit die Berücksichtigung des Beherrschbarkeits- und Absorptionsprinzips als Wertungs- beziehungsweise Auslegungsgesichtspunkte rechtfertigt. 72 Ähnlich Pfeiffer, in: Soergel, 13. Aufl. 2014, § 276 Rn. 80 a.E. 73 Unberath, Die Vertragsverletzung, S. 315 f. 74 Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S. 373. 75 Vgl. Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 187; treffend Bach, Leistungshindernisse, S. 261: „In der Regel dürfte es [für die Annahme einer Informationspflicht] genügen, wenn der Leistungsgegenstand einem gewissen Risiko ausgesetzt ist: Je höher dieses Risiko ausfällt, umso eher muss sich der Schuldner über den Fortbestand des Leistungsgegenstands informieren und umso größere Anstrengungen muss er dafür in Kauf nehmen.“. 66

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

c) Erkennbarkeit als notwendiges Kriterium einer verschuldensabhängigen Haftung Gegenüber der noch zum alten Recht vertretenen generellen Einstandspflicht des Schuldners bei anfänglichem Unvermögen legt das Kriterium der Erkennbarkeit nunmehr einheitlich für alle Fälle anfänglicher Unmöglichkeit (objektive wie subjektive) das Ausmaß der Anstrengungen fest, die der Schuldner unternehmen muss, um sich von der Haftung zu befreien.76 Eben hierin liegt der signifikante Unterschied zur Risikotheorie Kollers, wonach der Schuldner einzig aufgrund der abstrakten Beherrschbarkeit des Informationsrisikos hierfür einzustehen hat. Im Übrigen sei es aber allein Sache des Schuldners, darüber zu entscheiden, welche Vorkehrungen zur Gefahrenabwehr er für rentabel hält.77 Damit aber führt die durch Koller vorgeschlagene Haftungskonzeption zu einer unter Effizienzgesichtspunkten nicht zu rechtfertigenden Risikoverlagerung auf den Schuldner.78 Es wäre irrig, anzunehmen, dass eine generelle Einstandspflicht des Schuldners einen Anreiz zu Sorgfaltsanstrengungen gebe, die über das durch vorstehende Kriterien bestimmte, effiziente Maß hinausgingen.79 Der Schuldner wird vielmehr jede weitere Gefahrsicherungsmaßnahme unterlassen, sobald die marginalen Kosten der Sorgfaltsinvestition höher sind als deren Nutzen.80 Schließlich erfährt eine Einschränkung der schuldnerischen Informationsverantwortung anhand des Kriteriums der Erkennbarkeit ihre Bestätigung durch das erklärte Ziel des Reformgesetzgebers, das deutsche Leistungsstörungsrecht von Garantieelementen zu befreien.81 Denn würde man das unter dieser Prämisse eingeführte Verschuldenserfordernis in § 311a Abs. 2 S. 2 BGB dahingehend auslegen, dass das Kennenmüssen des Schuldners alle seiner Sphäre sowie seinem Planungsbereich entstammenden Leistungshindernisse betrifft, käme dies letztlich einer garantiemäßigen Einstandspflicht des Schuldners gleich, die nur im äußerst seltenen Fall ausgeschlossen wäre, in dem der Gläubiger nach den vorstehenden Anknüpfungspunkten dem Nichterfüllungsrisiko näher steht als der Schuldner (hierzu unter C. IV.). Dabei soll die Verschuldensvoraussetzung aber gerade sicherstellen, dass die Haftung den Schuldner nicht aufgrund bloßer Gefahrnähe, sondern nur als Folge vorwerfbaren Verhaltens trifft. Vorwerfbar kann die fehlende Kenntnis 76 Vgl. Grundmann, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 276 Rn. 62; Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S. 375; Kirsten, Verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung, S. 234 ff.; krit. Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 79. 77 Vgl. Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 80; Trimarchi, ZHR 136 (1972), S. 118, 128; Kirsten, Verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung, S. 237. 78 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 158. 79 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 157 Fn. 61. 80 Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 157 Fn. 61. 81 BT-Drucks. 14/6040, S. 165.

B. Das Verschuldenselement in § 311a Abs. 2 S. 2 BGB

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der Unmöglichkeit dabei nur dann sein, wenn die leistungshindernden Umstände (selbst wenn in der Schuldnersphäre belegen) nach obigen Grundsätzen erkennbar sind und die Auferlegung einer Aufklärungspflicht mithin zumutbar ist.82 Das Kriterium der Erkennbarkeit sichert somit das Reformziel, den Schuldner nur bei persönlichen Unzulänglichkeiten im Rahmen der vorvertraglichen Durchführungsplanungen haften zu lassen und gerade nicht infolge bloßer abstrakter Beherrschbarkeit des Störungsrisikos. 5. Sonderwissen und Sonderkönnen Zuletzt ist noch auf die Rolle von Sonderwissen oder Sonderkönnen bei der Bestimmung der Erkennbarkeit einzugehen. Mit dem Begriff des Kennenmüssens ist, wie schon ausgeführt, auf § 276 Abs. 2 BGB Bezug genommen, womit der Schuldner für fahrlässiges Nichtwissen einzustehen hat;83 d.h. immer dann, wenn er sein Nichtwissen bei Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte vermeiden können. Inhalt und Reichweite der schuldnerischen Informationspflichten sind also zunächst nach objektiven Maßstäben zu bestimmen und nicht nach individuellen Fähigkeiten. Je nach Verschiedenheit der tatsächlichen Verhältnisse, in denen sich der rechtliche Verkehr abspielt, können freilich Person und Stellung des Schuldners für die Bestimmung der erforderlichen Sorgfalt bedeutsam sein.84 So wird man einem Kaufmann in Handelsgeschäften die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns abverlangen, während beim Privatkauf nur die Sorgfalt eines ordentlichen Laien gefordert ist.85 Diese spezielle Sorgfalt, die den Verkehr innerhalb der einzelnen Rechtsverhältnisse beherrscht, ist auch für die Auslegung der zu vertretenden Unkenntnis aus § 311a Abs. 2 S. 2 BGB heranzuziehen.86 Doch auch soweit die individuellen Fähigkeiten des Schuldners den gruppenspezifischen oder branchenüblichen Standard übersteigen, sind diese noch maßstabsverschärfend zu berücksichtigen. Dies ergibt sich aus dem allgemeinen Grundsatz, wonach jedermann alle ihm möglichen und zumutbaren Maßnahmen zum Schutze anderer Verkehrsteilnehmer ergreifen

82

Vgl. zur Erkennbarkeit als Voraussetzung für den Fahrlässigkeitsvorwurf MatuscheBeckmann, Das Organisationsverschulden, S. 123 ff. 83 Ernst, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 311a Rn. 50. 84 Becker, Kennen und Kennenmüssen, S. 9; Bach, Leistungshindernisse, S. 137 f. 85 Becker, Kennen und Kennenmüssen, S. 9 f.; Boecken, Die Haftung der Stiftung Warentest, S. 143. Auch seien nach Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 440, „die von der Rechtsprechung entwickelten besonderen Aufklärungspflichten z. B. des Kfz-Händlers oder des Anlageberaters fallgruppenspezifischer Ausdruck der in den jeweiligen Verkehrskreisen legitimerweise zu erwartenden Verhaltensanforderungen, d.h. der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt.“. 86 Vgl. Becker, Kennen und Kennenmüssen, S. 10; Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 187.

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

muss.87 Zwar ist in den typischen Fällen vorvertraglicher Informationshaftung nach dem Prinzip informationeller Selbstverantwortung88 hiervon eine Ausnahme zu machen. Demnach gibt es im Rahmen der Vertragsverhandlungen keine generelle Pflicht zur Ermittlung nicht-präsenten und zur korrekten Weitergabe vorhandenen Wissens. Es bleibt grundsätzlich jeder Partei selbst überlassen, ihre rechtsgeschäftliche Entscheidung informationell vorzubereiten.89 Doch, wie dargelegt,90 kommt den zur Fallgruppe vorvertraglicher Informationshaftung entwickelten Prinzipien für das Verschuldenserfordernis aus § 311a Abs. 2 S. 2 BGB keine Bedeutung zu. Wesentlicher Wertungsgesichtspunkt der Informationspflichten bei anfänglicher Unmöglichkeit ist das gemeinsame Interesse der Vertragsparteien am Zustandekommen eines durchführbaren Vertrags. Angesichts dieser Interessengemeinschaft sind beide Parteien gehalten, ihre persönlichen Fähigkeiten bei der Aufklärung über anfängliche Leistungshindernisse einzusetzen.91 6. Vorhersehbarkeit Dem Kriterium der Erkennbarkeit steht jenes der Vorhersehbarkeit gleich. Dieses ist stets dann anzusetzen, wenn die Unmöglichkeit zwar bei Vertragsschluss schon angelegt ist, das Leistungshindernis aber erst zu einem späteren Zeitpunkt erkenntlich wird oder sich manifestiert. Hierzu zählen etwa Fälle, in denen die Unmöglichkeit in einem zukünftigen, aber bereits feststehenden Wetterereignis gründet oder die Parteien im Rahmen eines Grundstückskaufvertrags von der zukünftigen Bebaubarkeit des veräußerten Grundstücks ausgehen, ein entsprechender Bebauungsplan aber wider Erwarten nicht zustande kommt. Es kommt insoweit eben nicht auf die Aufklärung bestehender Leistungshindernisse an, sondern auf eine Vorhersage zukünftiger Ereignisse. Insoweit handelt es sich bei der Vorhersehbarkeit aber um kein eigenständiges Verschuldenskriterium neben der Erkennbarkeit.92 Die

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Pfeiffer, in: Soergel, 13. Aufl. 2014, § 276 Rn. 86. Das Prinzip informationeller Selbstverantwortung erlaubt es, dass jeder fast unbeschränkt seinen Vorteil verfolgen und die besser informierte Partei ihren Informationsvorsprung ausnutzen kann. Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, S. 296. 89 So sei der Prozess der Entscheidungsvorbereitung in gleichem Maße von der subjektiven Interessenbewertung bestimmt wie die Entscheidung über den Vertragsschluss selbst. Insoweit bilde das Prinzip informationeller Selbstverantwortung die Kehrseite rechtsgeschäftlicher Selbstbestimmung. Vgl. Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 35; Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 81. 90 Siehe bereits Drittes Kapitel B. II. 91 So auch Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 187. 92 Für Vorhersehbarkeit und Erkennbarkeit als einheitliche Zurechnungskriterien im Rahmen des § 311a Abs. 2 S. 2 BGB: Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 190. 88

B. Das Verschuldenselement in § 311a Abs. 2 S. 2 BGB

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Vorhersehbarkeit bestimmt sich gleicherweise anhand des Prognoseaufwands, der Störungswahrscheinlichkeit und der Höhe des drohenden Schadens. 7. Zwischenergebnis Nach dem soeben Gesagten hat die Bestimmung des in § 311a Abs. 2 S. 2 BGB niedergelegten Sorgfaltsmaßstabs zweistufig zu erfolgen: Zunächst ist die Informationslast des Schuldners anhand des Sphärengedankens sowie des schuldnerischen Planungsbereichs einzugrenzen, wodurch den rechtsökonomischen Motiven der abstrakten Beherrschbarkeit sowie der „Verhinderung unökonomischer Doppelarbeit“ Rechnung getragen wird. Doch hat der Schuldner auch innerhalb der dadurch gesetzten Grenzen seiner Informationsverantwortung nicht sämtliche Anstrengungen zu unternehmen, die erforderlich sind, um in jedem einzelnen Falle Leistungshindernisse wirklich auszuschließen. In einem zweiten Schritt ist die Informationslast des Schuldners auf erkennbare Nichterfüllungsrisiken zu beschränken. Das Kriterium der Erkennbarkeit schließt zum einen solche Leistungshindernisse aus, die außerhalb aller Wahrscheinlichkeiten liegen oder sich trotz aller Kontrollmaßnahmen in der Vertragsanbahnung nicht ausschließen lassen; für den Schuldner mithin evident unbeherrschbar sind. Darüber hinaus sind unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit dem Schuldner nur dann Informationspflichten aufzuerlegen, wenn der damit verbundene Aufwand im Verhältnis zur erzielbaren Gefahrsicherung steht, wobei etwaiges Sonderwissen oder Sonderkönnen zu berücksichtigen ist.

VI. Anwendung des vorgenannten Verschuldensmaßstabs durch die Rechtsprechung Im Folgenden wird die Anwendung jener herausgearbeiteten Anknüpfungspunkte schuldnerischer Informationsverantwortung in der höchstrichterlichen und instanzgerichtlichen Judikatur aufgezeigt. 1. Zuweisung der Informationsverantwortung anhand des Sphärengedankens Fall 1 (nach OLG Karlsruhe NJW 2005, 989): Zwischenhändler V verkauft an Gebrauchtwagenhändler K einen gebrauchten PKW. V hatte das Fahrzeug zuvor – entgegen seiner üblichen Ankaufpraxis – von einem ihm bis dahin nicht bekannten Händler via Internet erworben. Beim Versuch des K, die für einen Weiterverkauf des PKW ins Ausland erforderlichen Unterlagen bei der Zulassungsstelle zu besorgen, stellte sich heraus, dass das Fahrzeug als gestohlen gemeldet war. K verlangt von V Ersatz des entgangenen Gewinns aus dem Weiterkauf. Fall 2 (nach OLG Frankfurt BB 1984, 300): Kaufmann A bestellt bei IT-Dienstleister B Software zum Zwecke der Lager- und Finanzbuchhaltung. Nach Vertragsschluss stellt sich heraus, dass das von B zu diesem Zwecke vorgesehene Betriebssystem nicht darauf ausge-

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

legt war, die in Deutschland notwendigerweise umfangreiche Finanzbuchhaltung auf den Firmenrechnern einzusetzen. Das Betriebssystem wurde zuvor ausschließlich in Italien und Großbritannien vertrieben. B sieht sich außerdem nicht in der Lage, in das auf italienische und englische Bedürfnisse zugeschnittene Betriebssystem die in Deutschland erforderlichen Programme einzuarbeiten, obgleich dies technisch durchaus möglich ist. In der Folge erwirbt A ein Computersystem der Firma X und verlangt von B die Mehrkosten des Deckungskaufs.

Zutreffend nahm das OLG Karlsruhe im ersteren Fall einen Schadensersatzanspruch des K aus § 311a Abs. 2 BGB an, wobei sich die hierbei aufdrängende Zuweisung des Informationsrisikos an den Schuldner (§ 311a Abs. 2 S. 2 BGB) ohne weiteres anhand des oben skizzierten Sphärengedankens begründen ließ: Verglichen mit dem Käufer ist es für den Verkäufer wesentlich einfacher zu beurteilen, ob es sich bei der in seiner Sphäre befindlichen Ware um gestohlenes Gut handelt. Nur er weiß um die Herkunft der Ware und die Vertrauenswürdigkeit der Quellen, aus denen das Gut stammt. Der Verkäufer ist damit am ehesten in der Lage abzuschätzen, inwieweit den durch ihn angebotenen Waren ein Diebstahlrisiko anhängt und mit welchen Mitteln eine entsprechende Gefahrsicherung erzielt werden kann.93 Das OLG Karlsruhe begründete die schuldnerische Informationspflicht zudem damit, dass gerade im Gebrauchtwagenhandel außerhalb des Händlernetzes und damit jenseits der „offiziellen“ Vertriebswege ein erhöhtes Diebstahlrisiko bestünde, weshalb der Verkäufer zu Erkundigungen angehalten sei. Vorliegend hätte V bei Abgleich der Fahrzeugidentifikationsnummer mit der im Fahrzeug eingeschlagenen Nummer eine Manipulation feststellen und weitere Nachforschungen über die Herkunft des PKW unternehmen müssen. Mit dem Diebstahlrisiko spricht das OLG dabei einen das Kriterium der Erkennbarkeit betreffenden Gesichtspunkt an. Danach ist eine Informationspflicht nur dann anzunehmen, wenn der Informationsaufwand unter Berücksichtigung von Risikowahrscheinlichkeit und Schwere potentieller Risikofolgen wirtschaftlich sinnvoll ist. Für den obigen Fall ist in der Tat zu konstatieren, dass das erhebliche Diebstahlrisiko die nur mit geringem Aufwand verbundenen Nachforschungen (Abgleich der Fahrzeugidentifikationsnummer und Anruf bei der Zulassungsstelle) rechtfertigt. Im gleichen Sinne zu beurteilen sind Sachverhaltskonstellationen wie in Fall 2, in denen sich der Schuldner zur Herstellung eines grundsätzlich technisch möglichen Werkes verpflichtet, ihm aber selbst die technischen Fähigkeiten hierzu fehlen. Die Informationsverantwortung des Schuldners begründet sich auch in diesen Fällen daraus, dass die leistungshindernden Umstände der Schuldnersphäre entspringen beziehungsweise der Person des unvermögenden Schuldners sogar unmittelbar anhaften. Nur der Schuldner vermag letztlich zu beurteilen, ob er selbst zur Herstellung des vereinbarten 93

Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 273.

B. Das Verschuldenselement in § 311a Abs. 2 S. 2 BGB

101

Werkes in der Lage ist. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass das OLG Frankfurt im Rahmen der Urteilsbegründung auf die vorliegend zur Bestimmung des Informationsverschuldens herangezogenen Aspekte Bezug nahm, obgleich die damals vorherrschende Judikatur noch von einer verschuldensunabhängigen Garantiehaftung bei anfänglichem Unvermögen ausgegangen war. So heißt es im Urteil des OLG Frankfurt, dass „das Unvermögen aus dem Gefahrenkreis des Leistungspflichtigen stammt und außergewöhnliche Leistungshindernisse nicht vorliegen.“ Letzterer Verweis auf die „Außergewöhnlichkeit“ der leistungshindernden Umstände wird unter dem Kriterium der Erkennbarkeit auch im Rahmen der dargelegten Auslegung des Kennenmüssens aufgegriffen, wonach die schuldnerische Informationsverantwortung niemals solche Leistungshindernisse betrifft, die außerhalb aller Wahrscheinlichkeit liegen oder sich trotz aller Kontrollmaßnahmen in der Vertragsanbahnung nicht ausschließen lassen. 2. Informationsverantwortung im Planungsbereich des Schuldners Fall 3 (nach BGH NJW 2014, 3365): Projektgesellschaft P beauftragt Bauunternehmen U durch Generalunternehmervertrag einen Bürohauskomplex zu errichten. Die Fassade war mit emaillierten, thermisch vorgespannten Glasscheiben zu verkleiden, bei denen kein Risiko eines Glasbruches aufgrund von Nickelsulfid-Einschlüssen bestehen durfte. Die Bruchfestigkeit war laut Vertrag durch Bescheinigungen über die Durchführung eines Heißlagerungstests für jede einzelne Glasscheibe nachzuweisen. Tatsächlich aber kann nach derzeitigem Stand der Technik der vollständige Ausschluss von Nickelsulfid-Einschlüssen nicht gewährleistet werden, sodass von einer dauerhaften objektiven Unmöglichkeit der (mangelfreien) Leistung auszugehen ist. P verlangt von U Schadensersatz wegen Verzögerung des baulichen Fortschritts. Fall 4 (nach BGH, Urteil vom 24. Februar 1954 – II ZR 74/53): Eigentümerin E schließt mit Werkunternehmer W einen Vertrag über die Aufstockung eines alten Lagergebäudes. Es bestand ursprünglich aus Keller und Erdgeschoss, wobei der östliche Teil des Lagerhauses bereits Jahre zuvor erfolgreich aufgestockt wurde. W sollte die Aufstockung nun nach Westen verlängern. Nach Abschluss der Bauarbeiten stürzten jedoch Teile des Gebäudes ein, da ein mangelhaft gefertigter Pfeiler des alten Gebäudeteils die Belastung nicht tragen konnte. E verlangt Schadensersatz.

Anders als in Fall 2 liegt die Unmöglichkeit in Fall 3 nicht in den mangelnden technischen Fähigkeiten des Schuldners begründet. Die Herstellung der Glasfassade in mangelfreier Beschaffenheit ist für jedermann unmöglich, weshalb der typischerweise in Fällen subjektiver Unmöglichkeit einschlägige Sphärengedanke nicht zur Begründung einer schuldnerischen Informationsverantwortung herangezogen werden kann. Es handelt sich um ein Leistungshindernis aus der „neutralen Sphäre“, welches zumindest theoretisch von Schuldner und Gläubiger mit selbigen Anstrengungen aufgeklärt werden kann. Die Informationspflicht des Schuldners ergibt sich indes aus dessen Verantwortung für den eigenen Planungsbereich. So hat der Schuldner im Rahmen der Vertragsdurchführung ohnehin die Bruchfestigkeit der Glas-

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

scheiben sicherzustellen94 und entsprechend schon vor Vertragsschluss dahingehende Planungsanstrengungen zu unternehmen.95 Auch vermag der Werkunternehmer aufgrund seiner Sachnähe die technische Machbarkeit des Werkes ungleich besser zu beurteilen als der Besteller. Noch weitergehend beurteilte der BGH die schuldnerischen Informationspflichten in der vierten Fallkonstellation. Die Unmöglichkeit hatte in jenem Fall ihre Ursache nicht in der neutralen Sphäre, sondern war der Untauglichkeit des im Eigentum des Bestellers stehenden Gebäudes geschuldet. Es handelte sich um ein Leistungshindernis aus der Bestellersphäre. Dennoch nahm der BGH im Grundsatz eine Informationspflicht des Werkunternehmers an. Dieser sei zur mangelfreien Werkleistung verpflichtet gewesen (Planungsbereich!) und hatte das Werk mit der nötigen Sachkunde und nach den für sein Gewerbe allgemein gültigen Regeln auszuführen. Hieraus folgte auch eine Verpflichtung, die vom Bauherrn gestellten Fundamente sowie das Untergeschoss auf die Beschaffenheit und Eignung für das Bauvorhaben zu untersuchen. Abweichend von jener Grundregel, verneinte das Gericht aber sodann eine Informationspflicht des Schuldners im konkreten Fall, da die mangelnde Tragfähigkeit des Pfeilers nicht erkennbar war. So hätte sich nach den Ausführungen des Gerichts die Untauglichkeit des Pfeilers nur erkennen lassen, wenn man die darin verbauten Steine überprüft hätte. Eine solche Untersuchung wäre dem Bauunternehmer jedoch keinesfalls zumutbar gewesen, da dies für die Statik des Gebäudes erhebliche Gefahren herbeigeführt hätte.96 3. Fazit Es zeigt sich damit, dass die Rechtsprechung – selbst vor der Schuldrechtsreform – die das anfängliche Nichterfüllungsrisiko betreffenden Informationspflichten des Schuldners anhand seiner Sphäre, seines Planungsbereichs sowie der Erkennbarkeit des Leistungshindernisses bestimmte. Dieses Abwägungssystem findet seine dogmatische Grundlage im Streben nach einer

94

Dies wird vorliegend schon durch die vertragliche Verpflichtung zur Durchführung eines Heißlagerungstests je verbauter Glasscheibe deutlich. 95 Ähnlich ein Urteil des OLG Celle, Urt. v. 11. Juli 2002, 22 U 190/01 = BauR 2003, 1413, das den fristgemäßen Bau einer Brücke zum Gegenstand hatte: „Der Auftragnehmer muss sich [...] vor Vereinbarung der Ausführungsfrist vergewissern, ob er in der Lage ist, diese einzuhalten [...]. Dabei muss er prüfen, wieviel Zeit ihm neben den Vorbereitungsarbeiten einschließlich der Baustelleneinrichtung zur wirklichen Arbeit an der Baustelle zur Verfügung steht und ob diese für ihn auskömmlich ist.“. 96 Dazu Wallow, Risikozuweisung und Vertragshaftung, S. 107 ff., die in der Erkennbarkeit das maßgebliche Kriterium für die Annahme einer Schadensersatzhaftung sieht. Siehe auch BGH, Urt. v. 28. Oktober 1971, VII ZR 139/70 und die Rezeption bei Wallow, a.a.O., S. 108 f.

C. Die alleinige oder weit überwiegende Gläubigerverantwortlichkeit

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effizienzbasierten Informationslastverteilung und erfährt seine Verwirklichung nach heutiger Rechtslage im Verschuldenserfordernis des § 311a Abs. 2 S. 2 BGB.97

C. Die alleinige oder weit überwiegende Gläubigerverantwortlichkeit für anfängliche Leistungshindernisse Einen weiteren wesentlichen Aspekt der Risikozuweisung bildet die Gläubigerverantwortlichkeit für anfängliche Leistungshindernisse.

I. Abkehr von einer einheitlichen Regelung Noch nach altem Recht war die Haftung des Schuldners sowie des Gläubigers bei anfänglicher Unmöglichkeit einheitlich geregelt. Sofern der Gläubiger das anfängliche Leistungshindernis kannte oder kennen musste, haftete er wie auch der Schuldner auf das negative Interesse. § 307 BGB a.F. ging damit von einer spiegelbildlichen Verantwortlichkeit für das anfängliche Nichterfüllungsrisiko aus, indem nicht von vornherein der Schuldner, sondern entsprechend dem konkreten Verschulden entweder der Schuldner oder auch der Gläubiger haften sollte.98 Hingegen nimmt die neue Vorschrift des § 311a Abs. 2 BGB lediglich den Schuldner als Ersatzpflichtigen in den Blick. Eine explizite Haftungsvorschrift für den Fall, dass der Gläubiger die anfängliche Unmöglichkeit der Leistung kannte oder kennen musste, kennt das deutsche Leistungsstörungsrecht nach seiner Neuregelung nicht.

II. Die Gläubigerverantwortlichkeit als Konkurrenzproblematik Das Problem der Gläubigerverantwortlichkeit bei anfänglicher Unmöglichkeit erfuhr in der bisherigen Diskussion allenfalls eine stiefmütterliche Behandlung, wobei es bislang als ein solches der Konkurrenz zwischen der c.i.c.-Haftung und der Vorschrift des § 326 Abs. 2 BGB begriffen wurde. Der derzeitige Meinungsstand lässt sich wie folgt zusammenfassen: Gemäß der herrschenden Auffassung ist in derartigen Fallkonstellationen die Gefahrtragungsregel des § 326 Abs. 2 S. 1 BGB anzuwenden.99 Demnach

97

Zur Berücksichtigung von Effizienzgesichtspunkten bei der Bestimmung des Verschuldens: Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 163. 98 So Wolf, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, § 306 BGB Rn. 1. 99 Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 10. Aufl. 2006, § 43 IV 2 Rn. 451 a.E.; Mazza, Kausale Schuldverträge, S. 239; Rauscher, ZGS 2002, S. 333, 337.

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

trägt der Gläubiger entgegen der Grundregel des § 326 Abs. 1 S. 1 BGB die Preisgefahr, sofern er für den Umstand, aufgrund dessen der Schuldner nicht leisten kann, „allein oder weit überwiegend verantwortlich“ ist. Vertreter einer Anwendung des § 326 Abs. 2 S. 1 BGB, fordern dabei die Gläubigerverantwortlichkeit – wie auch in § 311a Abs. 2 S. 2 BGB – daran zu messen, ob das Leistungshindernis bekannt war oder hätte bekannt sein müssen.100 Teilweise wird eine solche Übertragung des Bezugspunkts aus § 311a Abs. 2 S. 2 BGB jedoch abgelehnt. Eine solche Auslegung sei schon mit dem Wortlaut des § 326 Abs. 2 S. 1 BGB nicht vereinbar, der ausdrücklich auf die Verantwortlichkeit für den zu § 275 führenden Umstand abstellt. Dieser könne demnach im Falle des Gläubigers nur in einer Verursachung des anfänglichen Leistungshindernisses liegen. Auch wertungsmäßig könne die Lösung nicht überzeugen. So beruhe die Haftung des Schuldners auf das positive Interesse nach § 311a Abs. 2 BGB auf der Nichterfüllung der Leistungspflicht aus dem Vertrag. Der Gläubiger übernehme hinsichtlich des Vertragsgegenstands aber gerade keine vergleichbare Leistungspflicht.101 Eine Haftung auf das positive Interesse, welcher die Anwendung des § 326 Abs. 2 S. 1 BGB letztlich gleichkommen würde,102 wäre damit nicht gerechtfertigt. In Fällen der Kenntnis oder zu verantwortender Unkenntnis des Gläubigers über anfängliche Leistungshindernisse soll daher wie schon nach altem Recht allenfalls eine Haftung auf das negative Interesse wegen culpa in contrahendo in Betracht kommen.103 Endlich wird noch ein differenzierter Ansatz vertreten: Nur in Fällen, in denen das Leistungshindernis der Sphäre des Gläubigers entstammt, greife demnach § 326 Abs. 2 S. 1 BGB. Hierfür wird angeführt, dass eine Verantwortung des Gläubigers im Sinne des § 326 Abs. 2 S. 1 BGB bei anfänglicher Unmöglichkeit nur bestehen kann, wenn das anfängliche Leistungshindernis in seinem Einflussbereich liegt.104

100

So Rauscher, ZGS 2002, S. 333, 337. So Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 7, Rn. 45; Otto, in: Staudinger, Neubearb. 2009, § 326 Rn. C19; i.E, auch Staudinger/Schwarze, in: Staudinger, Neubearb. 2020, § 326 Rn. C33, wonach der Schuldner an das Vertragsversprechen nicht die Erwartung knüpfen könne, der Gläubiger werde für das Nichtvorhandensein ihm bekannter oder erkennbarer Leistungshindernisse einstehen wollen. 102 So bedeutet die Anwendung des § 326 Abs. 2 S. 1 BGB im Ergebnis nichts anderes als eine Haftung auf das positive Interesse. Denn der Schuldner bleibt, sofern die Voraussetzungen des § 326 Abs. 2 S. 1 BGB vorliegen, zur Gegenleistung verpflichtet ohne die Leistung des Schuldners zu erhalten. Vgl. für eine haftungsrechtliche Einordnung auch Canaris, FS Picker (2010), S. 113, 114 f. 103 Otto, in: Staudinger, Neubearb. 2009, § 326 Rn. C19; auch Staudinger/Schwarze, in: Staudinger, Neubearb. 2020, § 326 Rn. C33. 104 Canaris, FS Picker (2010), S. 113, 124 f. 101

C. Die alleinige oder weit überwiegende Gläubigerverantwortlichkeit

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III. Die Rechtsnatur des § 326 Abs. 2 S. 1 BGB: Schutz des Gegenleistungsinteresses und Verantwortlichkeit des Gläubigers für die Vertragsdurchführung Soweit vorliegend die Anwendung der Gefahrtragungsvorschrift des § 326 Abs. 2 S. 1 BGB in Rede steht, bedarf es zunächst einer Auseinandersetzung mit den normtragenden Wertungen. § 326 Abs. 2 S. 1 BGB schützt das Gegenleistungsinteresse des Schuldners und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Erfüllung der Leistungspflicht neben der schuldnerischen Erfüllungsanstrengungen auch des leistungsförderlichen Verhaltens auf Gläubigerseite bedarf. 1. Das Gegenleistungsinteresse des Schuldners In Austauschverträgen ist das Hauptinteresse des Schuldners typischerweise auf den Erhalt der Gegenleistung und damit auf die Erstattung seiner Aufwendungen sowie die Erzielung eines Geschäftsgewinns gerichtet.105 Es geht mithin um Entschädigung und Vergütung für die im Rahmen der Vertragserfüllung erbrachten Vermögensopfer (Material und geldwerte Arbeitsleistung).106 Rechtliche Bedeutung erlangt dieser genetische Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung unter anderem in den Regelungen über die Vorleistungspflicht von Werkunternehmer (§ 641 BGB) und Dienstverpflichteten (§ 614 BGB). Danach wird der Vergütungsanspruch erst fällig, sobald der Schuldner seine Leistung erbracht hat.107 Mit anderen Worten muss sich der Schuldner die Gegenleistung erst im Wege der Vertragserfüllung seinerseits „verdienen“. Wie aber Weller feststellt, verfängt das Bild des „Verdienenmüssens“ keineswegs allein bei Verträgen mit beständigen Vorleistungspflichten. Bei sämtlichen Austauschverträgen kann der Gläubiger nach § 320 BGB bis zur Zug-um-Zug-Erfüllung der schuldnerischen Leistungspflicht die Vergütung verweigern.108 Es handelt sich bei § 320 BGB damit um die „klassische“ Ausprägung des funktionellen Synallagmas im Austauschvertrag.109 Im Kontext der hier zu behandelnden Unmöglichkeitsfälle findet die Reziprozität von Leistung und Gegenleistung ihren Niederschlag in der Gefahrtragungsvorschrift des § 326 Abs. 1 S. 1 BGB. Diese befreit den Gläubi-

105 Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 83; umfassend zum Vergütungsinteresse: Weller, Die Vertragstreue, S. 331. 106 Weller, Die Vertragstreue, S. 331. 107 Weller, Die Vertragstreue, S. 332 f. 108 Weller, Die Vertragstreue, S. 332. 109 Emmerich, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 320 Rn. 1.

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

ger von der Gegenleistungspflicht, sofern auch der Schuldner nach § 275 BGB nicht zu leisten braucht. Die Vorschrift beruht, wie auch § 320 BGB, auf der synallagmatischen Verknüpfung der Vertragspflichten und ist Ausdruck des Prinzips der Austauschgerechtigkeit:110 Der Schuldner, welcher nicht zur Leistung imstande und damit nicht in der Lage ist, sich die Gegenleistung zu „verdienen“, soll diese auch nicht erhalten.111 Nach dem soeben Gesagten steht die Gegenleistung in untrennbarem Zusammenhang mit der Leistungserbringung durch den Schuldner. Das Gegenleistungsinteresse des Schuldners lässt sich demnach niemals unabhängig von dessen eigener Leistungserbringung bestimmen.112 Es muss dem Schuldner gerade darum gehen, sich durch seine Leistungserbringung die verabredete Vergütung zu „verdienen“. Das Hauptinteresse des Schuldners ist mit anderen Worten auf „den Eintritt der Erfüllungswirkungen und den daraus resultierenden Vergütungsanspruch gerichtet.“113 2. Verantwortlichkeit des Gläubigers im Allgemeinen § 326 Abs. 2 S. 1 BGB führt zu einer Durchbrechung der synallagmatischen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung.114 Danach soll auch der leistungsunfähige Schuldner, der sich die Gegenleistung im vorgenannten Sinne nicht verdienen kann, diese dennoch erhalten. Voraussetzung ist, dass der Gläubiger für den leistungshindernden Umstand „allein oder weit überwiegend verantwortlich“ ist. Dabei vermag die Auslegung des Verantwortlichkeitsbegriffs aus § 326 Abs. 2 S. 1 BGB nicht ohne eine kurze Befassung mit der Gläubigerverantwortung für die Vertragsdurchführung im Allgemeinen – d.h. abseits der durch die Norm erfassten Unmöglichkeitsfälle – auszukommen. a) Die Vorschriften des Annahmeverzugs Zunächst ist festzuhalten, dass es zuvorderst Sache des leistungsverpflichteten Schuldners ist, die für die Vertragsdurchführung relevanten Umstände herzustellen und alles zu unterlassen, was eine störungsfreie Vertragsdurchführung beeinträchtigen könnte (sog. Leistungstreuepflicht). Nicht von der

110

Canaris, FS Picker (2010), S. 113 f. Köhler, Unmöglichkeit und Geschäftsgrundlage, S. 30. 112 Köhler, Unmöglichkeit und Geschäftsgrundlage, S. 8: „Verpflichtung zur Leistung erfolge um der Gegenleistung willen.“ Zum Gegenleistungsinteresse des Schuldners im Lichte des vertraglichen Synallagmas: Hüffer, Leistungsstörungen durch Gläubigerhandeln, S. 2, 188 ff. 113 Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 83; zustimmend Weller, Die Vertragstreue, S. 331. 114 Canaris, FS Picker (2010), S. 113, 114. 111

C. Die alleinige oder weit überwiegende Gläubigerverantwortlichkeit

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Hand zu weisen ist indessen, dass eine Vertragserfüllung ohne jegliche Mitwirkung des Gläubigers zumeist nicht denkbar ist.115 Bei Werk- oder Dienstverträgen hat der Gläubiger mitunter Material und Informationen zur Verfügung zu stellen sowie Zugang zu seinem Betrieb oder Privatbereich zu gewähren.116 Der Sachleistungsgläubiger wiederum muss zum Zwecke des Leistungserhalts seinen Willen zum Eigentumsübergang nach § 929 S. 1 BGB erklären.117 Genannte Formen der Gläubigermitwirkung lassen sich allesamt unter dem Begriff der Leistungsannahme subsumieren, welche nach dem Wortlaut des § 295 BGB sowohl die bloße Entgegennahme der Leistung als auch die Vornahme einer zur Bewirkung der Leistung erforderlichen Handlung umfasst.118 In diesem Sinne liegt auch nach Kohler eine den Annahmeverzug begründende Nichtannahme der Leistung (vgl. § 293 BGB) immer dann vor, wenn „der Gläubiger dasjenige nicht thut, was nach dem Sinn der Verpflichtung von ihm erwartet wird, um die Erfüllung des Schuldners zu ermöglichen.“119 b) Gläubigerpflicht zu leistungsförderlichem Verhalten Doch bleibt die Inpflichtnahme des Gläubigers nicht bei der beschriebenen Annahmepflicht stehen. Denn ist der Gläubiger zur Vornahme von Handlungen verpflichtet, um die Leistung durch den Schuldner erst zu ermöglichen, bedeutet dies a fortiori, dass er auch alles zu unterlassen hat, was die Leistungserbringung beeinträchtigen könnte.120 So trifft den sich bereits im Besitz der Kaufsache befindlichen Käufer die Pflicht, mit dem Leistungsgegenstand sorgfältig umzugehen.121 Der Wohnraummieter hat dafür Sorge zu tragen, dass die Mietwohnung nicht infolge unzureichender Belüftung unbewohnbar wird.122 Vom Werkbesteller wird erwartet, dass er das Werk nicht durch einen Dritten fertigstellen lässt und damit die Herstellung des Werkes durch den Unternehmer unmöglich macht.123 Mit der Annahmepflicht ver115

Hartmann, Die unterlassene Mitwirkung des Gläubigers, S. 15; Weller, Die Vertragstreue, S. 467 f. 116 Weller, Die Vertragstreue, S. 467. 117 Weller, Die Vertragstreue, S. 467. 118 Feldmann, in: Staudinger, Neubearb. 2019, Vor §§ 293–304 Rn. 3; Weller, Die Vertragstreue, S. 468 f. 119 Kohler, AcP 13 (1897), S. 149. 120 Vgl. Schwarze, Leistungsstörungen, 2. Aufl. 2017, § 37 Rn. 7 ff., S. 652 ff., der aber äußerst unscharf zwischen der Pflicht, das Leistungssubstrat nicht zu beeinträchtigen (Rn. 7), und der Obliegenheit, die Vertragsdurchführung nicht zu stören (Rn. 9), unterscheidet. 121 Schwarze, Leistungsstörungen, 2. Aufl. 2017, § 37 Rn. 7, S. 653. 122 Vgl. OLG Celle ZMR 1985, 10, 12; Schwarze, Leistungsstörungen, 2. Aufl. 2017, § 37 Rn. 7, S. 653; Larenz, Schuldrecht I, 14. Aufl. 1987, S. 400: Obhutspflicht des Mieters. 123 Schwarze, Leistungsstörungen, 2. Aufl. 2017, § 37 Rn. 10, S. 654.

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

bunden ist also eine Treuepflicht des Gläubigers, welche ihm die Gefährdung der Vertragserfüllung verbietet. c) Die Obliegenheitsthese Umstritten ist die dogmatische Einordnung obig beschriebener Verhaltensanforderungen. Einzig in § 433 Abs. 2, 640 Abs. 1 BGB wird deren Pflichtencharakter gesetzlich angedeutet.124 Die Vorschrift § 433 Abs. 2 BGB ist freilich auf die Annahme beim Kauf beschränkt, während § 640 Abs. 1 BGB ohnehin nur die werkrechtliche Abnahme, d.h. die körperliche Entgegennahme des Werks als im Wesentlichen vertragsgemäß, betrifft. Die herrschende Meinung versteht vorgenannte Vorschriften als Einzelregelungen und geht davon aus, dass Leistungsannahme und leistungsförderliches Verhalten im Allgemeinen lediglich zu den Obliegenheiten eines Gläubigers zählen, niemals aber „echte Rechtspflichten“ darstellen könnten. Kennzeichnend für die Obliegenheit ist, dass ein bestimmtes Verhalten durch Anknüpfung von Vor- und Nachteilen einem Vertragspartner lediglich nahegelegt wird, ohne dass ihre Verletzung Schadensersatzpflichten auszulösen vermag.125 Daneben sollen Obliegenheiten im Unterschied zu „echten Rechtspflichten“ nicht klageweise geltend gemacht werden können.126 Als typische Obliegenheiten gelten die Schadensminderungsobliegenheit aus § 254 Abs. 2 BGB oder die Mangelrügeobliegenheit beim Handelskauf (§ 377 HGB). Jene Stimmen, die auch die Leistungsannahme den Obliegenheiten zurechnen wollen, verweisen insbesondere auf die Vorschriften über den Annahmeverzug, welche als abschließende Sonderregelungen gerade keinen Schadensersatz vorsähen.127 Auf Wertungsebene wird die Obliegenheitsthese zudem von der Vorstellung getragen, dass dem Schuldner kein dem Gläubiger vergleichbares Interesse an der Vertragsdurchführung zukommt; die Anforderungen an ein leistungsförderliches Gläubigerverhalten daher nicht der gleichen Zwangsintensität wie schuldnerische Leistungstreuepflichten bedürfen.128 Im Folgenden wird sich indes zeigen, dass weder die gesetzlichen Regelungen über den Annahmeverzug noch das vermeintlich geringere Schuldnerinteresse an der Leistungserbringung die Einordnung besagter Verhaltensanforderungen als bloße Obliegenheiten des Gläubigers rechtfertigen. 124

Vgl. zum Pflichtencharakter von kaufrechtlicher Annahme und werkrechtlicher Abnahme nach den §§ 433 Abs. 2, 640 BGB: Hüffer, Leistungsstörungen durch Gläubigerhandeln, S. 18, 35 ff. 125 Götz, JuS 1961, S. 56, 57; Lehmann, JZ 1954, S. 240; Hüffer, Leistungsstörungen durch Gläubigerhandeln, S. 20. 126 Umstritten: vgl. Götz, JuS 1961, S. 56, 58. 127 Grüneberg, in: Palandt, 81. Aufl. 2021, § 293 Rn. 1. 128 BGH NJW 1972, 99, 100; BAG GS, Beschl. v. 27. Feb. 1985, GS 1/84, AP Nr. 14 zu § 611 – Beschäftigungspflicht; krit. Weller, Die Vertragstreue, S. 503 f.; Nicklisch, BB 1979, S. 533, 539 f.

C. Die alleinige oder weit überwiegende Gläubigerverantwortlichkeit

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d) Zur scheinbaren Abgeschlossenheit der Vorschriften über den Annahmeverzug Die überwiegende Auffassung lehnt eine Gläubigerpflicht zum Schutze des schuldnerischen Erfüllungsinteresses ab und begründet dies mit dem Umstand, dass die §§ 293 ff. BGB keinen Schadensersatzanspruch des Schuldners gegen den Gläubiger vorsehen.129 Es sei aber gerade das Wesen „echter Rechtspflichten“, dass deren Verletzung schadensersatzbewehrt sein müsse.130 Diese Argumentation verfängt freilich nur, wenn man die Regelungen über den Annahmeverzug als abschließende Sonderregelungen begreift, die eine schadensrechtliche Anknüpfung an eine unterbliebene Annahme des Gläubigers nach den §§ 280 ff. BGB verbieten. Dabei kann sich die Abgeschlossenheit einer Regelung grundsätzlich aus zwei Gründen ergeben: – Zunächst kann es dem Gesetzgeber bei der Schaffung einer abschließenden Regelung darum gehen, dass für die hierdurch angeordneten Rechtsfolgen allein die Tatbestandsmerkmale der neugeschaffenen Regelung maßgeblich sind.131 Wird eine bestimmte Fallgestaltung dann von der Regelung im Grundsatz erfasst, kommt sie aber mangels Vorliegen ihrer Tatbestandmerkmale nicht zur Anwendung, kann auch keine andere Vorschrift mit derselben oder ähnlichen Rechtsfolgen eingreifen.132 Die abschließende Regelung schafft im Ergebnis Mindestvoraussetzungen für den Eintritt bestimmter Rechtsfolgen. – Alternativ kann eine abschließende Regelung auch eine Beschränkung der Rechtsfolgen bewirken. Dies ist immer dann der Fall, wenn eine Regelung bei Vorliegen ihrer Tatbestandsmerkmale exklusiv die Rechtsfolgen bestimmt und den Normadressaten damit vor einer weitergehenden Inanspruchnahme bewahrt. Typisches Beispiel sind Privilegierungsvorschriften, wie jene über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, deren Ausschließlichkeit den gutgläubigen Besitzer vor darüberhinausgehenden Kondiktions- oder deliktischen Ansprüchen des Eigentümers schützen soll (vgl. § 993 BGB). Für das hier in Rede stehende Regelungsregime des Annahmeverzugs ist keine der beiden Begründungsalternativen einschlägig. Die §§ 293 ff. BGB sollen weder die rechtlichen Folgen des Annahmeverzugs bestimmten Mindestvoraussetzungen unterstellen, noch möchten sie den Gläubiger vor einer parallelen Anwendung der Schadensersatzansprüche aus den §§ 280 ff. BGB

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Feldmann, in: Staudinger, Neubearb. 2019, Vor §§ 293–304 Rn. 1; Grüneberg, in: Palandt, 81. Aufl. 2021, § 293 Rn. 1. 130 Götz, JuS 1961, S. 56, 57. 131 Wilhelmi, Risikoschutz durch Privatrecht, S. 101. 132 Wilhelmi, Risikoschutz durch Privatrecht, S. 101.

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

bewahren. Ganz im Gegenteil liegt den §§ 293 ff. BGB keine gläubigerschützende, als vielmehr eine schuldnerschützende Tendenz zugrunde.133 Den Nachweis hierfür liefert tatbestandliche Ausgestaltung der §§ 293 ff. BGB, deren gläubigerbelastende Rechtsfolgen auch dann eintreten, wenn den Gläubiger hinsichtlich des Annahmeverzugs kein Verschulden trifft.134 Allein die „nackte Thatsache der Nichtannahme der Leistung“135 lässt den Gläubiger entgegen der Grundregel der §§ 280 Abs. 1 S. 2, 276 BGB für die negativen Folgen des Annahmeverzugs einstehen. In den Worten Hartmanns wollen die Annahmeverzugsvorschriften den Schuldnerschutz damit vorverlagern, keinesfalls aber „monopolisieren“.136 Die §§ 293 ff. BGB stehen einer darüberhinausgehenden Inanspruchnahme des Gläubigers wegen schuldhafter Pflichtverletzung (§ 280 BGB) gerade nicht entgegen. Bestätigung findet diese Interpretation in der Judikatur des BGH,137 wonach neben den §§ 293 ff. BGB eine Sanktionierung des Gläubigers wegen unterbliebener Mitwirkung nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht möglich bleibt (dazu unter C. III. 2. g)). e) (Nochmals) zum Interesse des Schuldners an der Leistungserbringung Kaum zu überzeugen vermag auch der vorgebrachte Wertungsgesichtspunkt, dass dem Schuldner kein dem Gläubiger vergleichbares Interesse an der Leistungserbringung zukommt, weshalb die Anforderungen an ein leistungsförderliches Gläubigerverhalten nicht der gleichen Zwangsintensität wie die schuldnerische Leistungstreuepflicht bedürften. In diesem Sinne judiziert der BGH: „der Unternehmer [hat] an der Herstellung [des Werkes] ebensowenig ein beachtliches eigenes Interesse wie der Verkäufer an der Lieferung der Kaufsache.“138 Dabei wurde bereits nachgewiesen, dass dem Schuldner, schon weil er sich die Gegenleistung verdienen möchte, ein schützenswertes Interesse an der Leistungserbringung zukommt. Hiergegen ließe sich zwar einwenden, dass jedenfalls in Fällen, in denen der Gläubiger die Mitwirkung grundlos und endgültig verweigert, der BGH dem Schuldner – ungeachtet des § 320 BGB oder etwaiger Vorleistungspflichten – einen unbedingten Anspruch auf die Vergütung zugesteht.139 Doch wäre der Schuldner zum einen 133 Vgl. Weller, Die Vertragstreue, S. 537; Kohler, AcP 13 (1897), S. 149, 155; Riehm, Der Grundsatz der Naturalerfüllung, S. 257: „Mindestschutz“. 134 Weller, Die Vertragstreue, S. 537. 135 Motive II, S. 69. 136 Hartmann, Die unterlassene Mitwirkung des Gläubigers, S. 45; zust. Weller, Die Vertragstreue, S. 573. 137 BGHZ 11, 80 = JZ 1954, 238 (m. Anm. Lehmann) = JuS 1961, 56 (m. Anm. Götz); BGH VersR 1960, 693. 138 BGH NJW 1972, 99, 100. 139 BGHZ 50, 175; BGH WM 1990, 1628, 1630; NJW 2002, 1262, 1263; NJW 2005, 1650, 1651; umfassend hierzu Weller, Die Vertragstreue, S. 482 ff.

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stets gezwungen die willkürliche Annahmeverweigerung im Zivilverfahren nachzuweisen.140 Zum anderen sähe sich der Schuldner auch in allen anderen Fällen unterbliebener Gläubigermitwirkung auf den Klageweg verwiesen, da die synallagmatische Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung erst im Zwangsvollstreckungsverfahren aufgelöst wird (vgl. § 756 ZPO).141 Geht man aber, entgegen der Obliegenheitsthese, vom Pflichtencharakter der Annahme aus, so könnte der Schuldner den Gläubiger unter Androhung von Schadensersatz zur ordnungsgemäßen Mitwirkung bei der Vertragsdurchführung veranlassen,142 um sich sodann im Wege der Leistungserbringung die Gegenleistung zu verdienen. Ob besagter Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 2, 3, 282 BGB143 oder allein aus § 280 Abs. 1 BGB144 folgt, soll hier dahinstehen. Es genügt die Feststellung, dass erst durch die Zuordnung von Annahme und Mitwirkung zu den echten Rechtspflichten, die aufgrund ihrer höheren Zwangsintensität die Geltendmachung von Schadensersatz erlauben, dem Gegenleistungsinteresse des Schuldners hinreichend Rechnung getragen wird. Weller macht das Erfüllungsinteresse des Schuldners neben dem Gegenleistungsinteresse noch am sogenannten Liberationsinteresse fest.145 Gemeint ist damit das Interesse des Schuldners, sich von seiner Pflicht zur Naturalerfüllung zu befreien.146 Und in der Tat kann dem Schuldner bei unterlassener Annahme durch den Gläubiger ein wirtschaftlicher Schaden dadurch entstehen, dass er sich aufgrund seiner weiterhin bestehenden Naturalerfüllungspflicht leistungsbereit halten muss. Nach der Obliegenheitsthese wären in einem solchen Fall lediglich die annahmeverzugsbedingten Mehraufwendungen zu ersetzen (§ 304 BGB). Schäden aber, die entstehen, weil der Schuldner seine Zeit, seine Arbeitskraft oder seine Produktionskapazitäten auf ungewisse Zeit zur Leistungserbringung bereit halten muss, wären nicht ersatzfähig.147 Auch die werkrechtliche Vorschrift § 642 BGB billigt bei un140

Insbesondere führt der bloße Eintritt des Gläubigerverzugs nach herrschender Meinung nicht zum Verlust der Einrede aus § 320 BGB: vgl. Weller, Die Vertragstreue, S. 484; Hüffer, Leistungsstörungen durch Gläubigerhandeln, S. 25. 141 Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, 6. Aufl. 2005, Rn. 190; Weller, Die Vertragstreue, S. 481; Hüffer, Leistungsstörungen durch Gläubigerhandeln, S. 26; Hartmann, Die unterlassene Mitwirkung des Gläubigers, S. 36. 142 Zur Bedeutung der Schadensersatzsanktion für die Verwirklichung des Prinzips pacta sunt servanda: U. Huber, Leistungsstörungen I, § 2 I, S. 26. 143 So Canaris, FS E. Lorenz (2004), S. 147, 160 f. 144 So Weller, Die Vertragstreue, S. 532 f. 145 Weller, Die Vertragstreue, S. 344 ff., nennt zudem das „Leistungserbringungsinteresse“ sowie das „Sekundärpflichtvermeidungsinteresse“. Vgl. auch: Hüffer, Leistungsstörungen durch Gläubigerhandeln, S. 251. 146 Riehm, Der Grundsatz der Naturalerfüllung, S. 57. 147 Riehm, Der Grundsatz der Naturalerfüllung, S. 256.

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terlassener Mitwirkung des Werkbestellers nur eine angemessene Entschädigung, nicht jedoch einen umfassenden Schadensersatzanspruch nach den §§ 249 ff. BGB zu.148 Die Anerkenntnis des Pflichtencharakters der Annahme schließt auch diese Haftungslücke, indem sie bei schuldhaft unterlassener Annahme die Schadloshaltung über § 280 BGB ermöglicht. f) Synthese: Annahme und leistungsförderliches Verhalten als Leistungstreuepflichten Nach dem soeben Gesagten wird die herrschende Obliegenheitsthese der Dimension des schuldnerischen Erfüllungsinteresses nicht gerecht. Eine Neubewertung der Gläubigerverantwortlichkeit für die Vertragsdurchführung ist angezeigt. Eine neuere, im Vordringen befindliche Auffassung möchte Annahme und leistungsförderliches Verhalten nicht den Gläubigerobliegenheiten, sondern der Leistungstreuepflicht des Gläubigers zuordnen.149 Die Leistungstreuepflicht wurde in der vorliegenden Arbeit vor allem auf Schuldnerseite eingehend dargelegt. Danach hat der Schuldner die Realisierung des Vertragszwecks sicherzustellen und alles zu unterlassen, was die Erfüllung gefährden oder gar vereiteln könnte. Die Leistungstreuepflicht entspringt dabei nicht unmittelbar dem Vertrag. Sie folgt aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und findet ihre rechtsethische Rechtfertigung im Schutz der Verkehrserwartung an ein leistungsförderliches Verhalten des vertraglich gebundenen Schuldners. Die Ausweitung der Leistungstreuepflicht auf die Person des Gläubigers bereitet nun insoweit Schwierigkeiten, als dass sie die Erbringbarkeit der Leistung sichern soll,150 den Gläubiger aber gerade keine Leistungspflicht trifft.151 Indes wurde bereits nachgewiesen, dass die Leistungserbringung stets auch des leistungsförderlichen Verhaltens durch den Gläubiger bedarf und sei es auch nur in Form der bloßen Entgegennahme der Leistung. Dabei geht der Verkehr von einem Gläubiger aus, der am Erhalt der Leistung interessiert ist und dementsprechend die seinerseits erforderlichen Mitwirkungshandlungen vornimmt und weiter alles unterlässt, was die Erfüllung gefährden oder gar vereiteln könnte.152 Mit anderen Worten ist die Bestimmung des Pflich148

BGHZ 216, 319 Rn. 27, 30 = NJW 2018, 544. Eingehend Weller, Die Vertragstreue, S. 526 ff.; Riehm, Der Grundsatz der Naturalerfüllung, S. 256; zur Beidseitigkeit der Leistungstreuepflicht auch: Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 361 f. m.w.N. 150 Vgl. Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 361 f. 151 Vgl. Köhler, Unmöglichkeit und Geschäftsgrundlage, S. 110, hinsichtlich der Anwendung der §§ 276–278 BGB auf Fälle der Gläubigerverantwortlichkeit. 152 Vgl. Larenz, Schuldrecht I, 14. Aufl. 1987, S. 400: „[Der Gläubiger] ist verpflichtet, mit der gekauften, ihm aber noch nicht übereigneten Sache sorgsam umzugehen; den Mieter trifft eine Obhutspflicht.“ 149

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tenprogramms auf Seiten des Gläubigers – wie auch die Ausformung der schuldnerischen Leistungstreuepflicht – normativ daran zu orientieren, wie sich ein ordentlicher Gläubiger nach der allgemeinen Verkehrserwartung verhalten hätte.153 Dabei wird der Gläubiger in Befolgung seiner Leistungstreuepflicht nicht nur im eigenen Interesse tätig. Der primäre Aspekt der Leistungstreuepflicht seitens des Gläubigers ist nach den bisherigen Erkenntnissen im Schutz der schuldnerischen Erfüllungsinteressen zu erkennen.154 So möchte sich der Schuldner im Wege der Vertragsdurchführung zum einen die Gegenleistung verdienen (Gegenleistungsinteresse155) und zum anderen durch Freiwerden von der Leistungspflicht etwaige Schäden und Aufwendungen, die aus dem weiteren Vorhalten der Leistung resultieren, vermeiden (Liberationsinteresse156). In dem man den Gläubiger mit der dargestellten Leistungstreuepflicht belastet, werden also vornehmlich jene im Zusammenhang mit der störungsfreien Vertragsdurchführung stehenden Schuldnerinteressen gewahrt.157 Ein bloßes Tätigwerden in eigenen Angelegenheiten, wie es für die Obliegenheiten typisch ist (vgl. etwa die Schadensminderungsobliegenheit aus § 254 Abs. 2 BGB), liegt gerade nicht vor. g) Die Rechtsprechung des BGH Die Annahme einer Leistungstreuepflicht des Gläubigers lässt sich schließlich auch in der Judikatur des BGH nachweisen. Grundlegend ist die Ouistreham-Entscheidung:158 Die Klägerin, ihres Zeichens Frachtunternehmerin und Inhaberin des Dampfers Ouistreham, schloss mit der Beklagten einen Chartervertrag, wonach sie besagtes Schiff in New York zur Befrachtung und anschließenden Güterbeförderung anzudienen hatte. Nach vertragsgemäßer Ankunft des Dampfers im Hafen von New York wurde dieser indes nicht

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Vgl. Schwarze, Leistungsstörungen, 2. Aufl. 2017, § 37 Rn. 9, S. 654. Bei Schwarze kommt es indes zu einer eigenartigen Vermischung von Rechtspflichten und bloßen Obliegenheiten, indem er die Annahme und etwaige, erforderliche Mitwirkungshandlungen als „echte Rechtspflichten“ einordnet, das leistungsförderliche Verhalten des Gläubigers im Allgemeinen aber zu den Gläubigerobliegenheiten zählt (Rn. 5 ff.). 154 Zum Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers als Verletzung des Gegenleistungsinteresses des Schuldners: Hüffer, Leistungsstörungen durch Gläubigerhandeln, S. 186 ff., 192. 155 Siehe Drittes Kapitel C. III. 1. 156 Siehe Drittes Kapitel C. III. 2. e). 157 Vgl. Riehm, Der Grundsatz der Naturalerfüllung, S. 256; Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 344 f. 158 BGHZ 11, 80 = JZ 1954, 238 (m. Anm. Lehmann) = JuS 1961, 56 (m. Anm. Götz); hierzu: Hüffer, Leistungsstörungen durch Gläubigerhandeln, S. 49 f.; Weller, Die Vertragstreue, S. 543 ff.; Müller-Foell, Die Mitwirkung des Bestellers beim Werkvertrag, S. 39 ff.

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durch die Beklagte beladen. Nach mehrmaliger aber erfolgloser Aufforderung zur Beladung teilte die Klägerin der Beklagten schließlich mit, dass sie den Vertrag als nicht erfüllt ansehe und zog den Dampfer aus dem Hafen zurück. Mit der Klage begehrte die Klägerin Schadensersatz für die vergebliche Beorderung des Dampfers nach New York. In seiner Entscheidung betonte der BGH das Wesen der Leistungsannahme als bloße Obliegenheit des Gläubigers, sprach der Klägerin aber dennoch einen Schadensanspruch wegen positiver Forderungsverletzung zu: „Zur Erfüllung einer Vertragsverbindlichkeit gehört alles, was aus dem Vertrage vom Vertragsschuldner verlangt werden kann. In diesem weiten Sinn umfaßt die Verbindlichkeit nicht nur alle Haupt- und Nebenpflichten, wie Vorbereitungs- und Obhutspflichten, Auskunfts- und Anzeigepflichten, Mitwirkungspflichten usw., sondern auch die sogenannten reinen ,Gläubigerobliegenheiten‘, zu denen z.B. beim Werkvertrag die zur Herstellung des Werkes erforderlichen Handlungen des Gläubigers (§ 642 BGB) zu zählen sind; derartige Handlungen sind ,Sache des Gläubigers‘, ohne daß jedoch insoweit eine echte ,Verpflichtung‘ entsteht. Jede schuldhafte Leistungsstörung, die durch eine Verletzung dieser im weitesten Sinne aufzufassenden ,Vertragspflichten‘ den Vertragsgegner schädigt, begründet eine Verpflichtung zum Schadensersatz.“

Nach vehementer Kritik aus dem Schrifttum, die vor allem auf die inkohärente Konstruktion einer schadensersatzbewehrten Obliegenheitsverletzung verwies,159 nahm der BGH einen weiteren Schiffscharterfall160 zum Anlass, seine Ausführungen zum Verhältnis zwischen Obliegenheit und positiver Vertragsverletzung zu korrigieren. Danach tauge eine Obliegenheitsverletzung als solche zwar nicht als Anknüpfungspunkt einer Haftung wegen positiver Vertragsverletzung. Doch könne „in der Nichterfüllung einer solchen Obliegenheit [...] eine schuldhafte Zuwiderhandlung gegen die allgemeine Treuepflicht jedes Vertragsteils liegen, die den Vertragszweck ernstlich gefährdet.“ Der BGH scheint also davon auszugehen, dass neben der Annahmeobliegenheit, deren Verletzung zunächst das Rechtsfolgenprogramm des Gläubigerverzugs auslöst, eine separate Treuepflicht des Gläubigers besteht, die ihm jedes den Vertragszweck gefährdende Verhalten verbietet und ihn stets dann zur Mitwirkung anhält, wenn es zum Erreichen des Vertragszwecks erforderlich ist. Der Judikatur ist im Ergebnis zuzustimmen. Einzig die ambivalente Qualifikation der Leistungsannahme als Gläubigerobliegenheit und fernerhin als Ausschnitt der Leistungstreuepflicht bedarf der Kritik. Denn besteht eine Pflicht des Gläubigers, zur Vertragsdurchführung notwendige Mitwirkungshandlungen vorzunehmen, so ist die Leistungsannahme hier159 Insbesondere Lehmann, JZ 1954, S. 240; vgl. auch Götz, JuS 1961, S. 56, 57; Wertheimer, JuS 1993, S. 646, 650; Wiedemann, in: Soergel, 12. Aufl. 1990, Vor § 293 Rn. 21; Feldmann, in: Staudinger, Neubearb. 2019, Vor §§ 293–304 Rn. 13. 160 BGH VersR 1960, 693; dazu: Hüffer, Leistungsstörungen durch Gläubigerhandeln, S. 50; Weller, Die Vertragstreue, S. 545 f.; Müller-Foell, Die Mitwirkung des Bestellers beim Werkvertrag, S. 41.

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von stets erfasst. Eine Verletzung dieser Annahmepflicht kann dabei neben etwaigen Schadensersatzansprüchen zweifelsohne auch die Wirkungen des Annahmeverzugs auslösen – ebenso wie der Verzug des Schuldners Auslöser von Schadensersatzpflichten sowie der übrigen Verzugswirkungen ist. Geht man also von einer Annahmepflicht des Gläubigers aus, so ist deren zusätzliche Einordnung als Gläubigerobliegenheit obsolet; wird doch die Zwangsintensität einer Obliegenheit von der einer „echten Rechtspflicht“ überlagert.161 Ansonsten aber bestätigt die BGH-Rechtsprechung die vorliegende These, wonach sich die im ersten Teil der Arbeit behandelte Leistungstreuepflicht nicht auf die Person des Schuldners beschränkt. Auch der Gläubiger ist verpflichtet, bei der Leistungserbringung mitzuwirken und den Vertragszweck nicht zu gefährden. Diese allgemeine Leistungstreuepflicht ist gesetzlicher Natur (§ 242 BGB) und findet ihre Geltungsgrundlage in der Verkehrserwartung an ein leistungsförderliches Verhalten der vertraglich ge- und verbundenen Vertragsparteien. 3. Gläubigerverantwortlichkeit i.S.v. § 326 Abs. 2 S. 1 BGB in Unmöglichkeitsfällen Es ergibt sich die bedeutsame Erkenntnis, dass die Verantwortlichkeit des Gläubigers für die Vertragsdurchführung jener des Schuldners entspricht.162 Verantwortungsbegründend wirkt auf beiden Seiten die allgemeine Leistungstreuepflicht. Dieser Befund harmoniert mit der verbreiteten Lehre, wonach die Gläubigerhaftung nach § 326 Abs. 2 S. 1 BGB gleichsam Spiegelbild der Schuldnerhaftung nach §§ 280 ff., 311a Abs. 2 BGB ist.163 Denn soweit das Verhalten von Gläubiger und Schuldner hinsichtlich der Vertragsdurchführung dem einheitlichen Maßstab der Leistungstreuepflicht unterliegt, ist folgerichtig auch die Haftungsverantwortung für beide Vertragsparteien einheitlich zu beurteilen. In einer Andersbeurteilung läge nach Canaris gar „ein eklatanter Verstoß gegen das Prinzip der vertraglichen Austauschgerechtigkeit, da zu dessen Grundlagen auch und sogar primär die Gleichheit der Parteien und also auch deren prinzipielle Gleichbehandlung durch die Rechtsordnung gehört.“164 161

Hüffer, Leistungsstörungen durch Gläubigerhandeln, S. 225: „Überflüssigkeit des Obliegenheitsbegriffs“. 162 Bereits Larenz, Schuldrecht I, 14. Aufl. 1987, S. 400: „Dem in den §§ 276 bis 278 umschriebenen Verantwortungsbereich des Schuldners entspricht ein ebensolcher des Gläubigers.“; Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 208 m.w.N. 163 Statt vieler Canaris, FS Picker (2010), S. 113, 116; Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 208 m.w.N.; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 46: Verschuldensprinzip bezieht sich nicht nur einseitig auf vom Schuldner verursachte Störungen. 164 Canaris, FS Picker (2010), S. 113, 116.

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

Für die Auslegung des § 326 Abs. 2 S. 1 BGB bedeutet dies nichts Anderes, als dass eine Gläubigerverantwortlichkeit für den leistungshindernden Umstand – und damit eine Haftungsverantwortung nach § 326 Abs. 2 S. 1 BGB – immer dann vorliegt, wenn auch den Schuldner bei spiegelbildlicher Verhaltensweise eine Haftungsverantwortung nach den §§ 280 ff., 311a Abs. 2 BGB träfe. Vorzunehmen ist mithin eine Übertragung der Haftungsvoraussetzungen aus §§ 280 ff., 311a Abs. 2 BGB auf die Vorschrift des § 326 Abs. 2 S. 1 BGB. a) Nachträgliche Unmöglichkeit Im Kontext der nachträglichen Unmöglichkeit ergibt sich die Haftungsverantwortung des Schuldners aus §§ 280 Abs. 1, 283 BGB, wonach bei schuldhafter Pflichtverletzung Schadensersatz in Höhe des Erfüllungsinteresses zu leisten ist. Dabei ist die Pflichtverletzung keinesfalls, wie teilweise angenommen, in der bloßen Nichterfüllung der Leistungspflicht zu erkennen, welche § 275 Abs. 1 BGB in Unmöglichkeitsfällen gerade entfallen lässt. Haftungsbegründend wirkt einzig das schuldhafte Herbeiführen des Leistungshindernisses,165 dessen Pflichtwidrigkeit sich aus dem darin liegenden Verstoß gegen die vorbezeichnete Leistungstreuepflicht ergibt. Danach hat der Schuldner alles zu unterlassen, was die Erreichung des Vertragszwecks, d.h. die Erfüllung, gefährden oder verhindern könnte. Angesichts der Spiegelbildlichkeit der Leistungstreuepflicht beider Vertragsparteien kann für die Haftungsverantwortung des Gläubigers nichts Anderes gelten. Eine Verantwortlichkeit i.S.d. § 326 Abs. 2 S. 1 BGB trifft den Gläubiger immer dann, wenn dieser, wie auch der Schuldner, das Leistungshindernis schuldhaft (§ 276 BGB) herbeiführt; so etwa, weil er den Vertragsgegenstand vor Gefahrübergang zerstört oder die Leistung beim absoluten Fixgeschäft wegen verspäteter Annahme durch den Gläubiger unmöglich wurde. Für jene Verletzungen seiner Leistungstreuepflicht hat der Gläubiger, entsprechend der Schuldnerhaftung in §§ 280, 283 BGB, in Richtung des Erfüllungsinteresses einzustehen. Da das Erfüllungsinteresse des Schuldners schlicht dem Gegenleistungsinteresse entspricht, lässt § 326 Abs. 2 S. 1 BGB den Gegenleistungsanspruch – entgegen der Grundregel des § 326 Abs. 1 S. 1 BGB – fortbestehen.

165 Vgl. Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 45; Freytag, Grundstrukturen des Kaufvertrags, S. 349; Harke, ZGS 2006, S. 9, 10; zum Streitstand: Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S. 365 ff.; Ernst, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 280 Rn. 11 ff.; für das alte Schuldrecht: Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 69 f. sowie S. 132 (zur mittelbaren Herbeiführung der Unmöglichkeit); Sutschet, Garantiehaftung und Verschuldenshaftung, S. 105 ff.

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Die Richtigkeit dieser Interpretation bestätigt sich, bedenkt man eine Lösung der Problematik in Abwesenheit des § 326 Abs. 2 S. 1 BGB: Es ergäbe sich ein Anspruch des Schuldners nach § 280 Abs. 1 BGB wegen schuldhafter Herbeiführung der Unmöglichkeit durch den Gläubiger.166 Der Schaden des Schuldners läge darin, dass dieser sich die Gegenleistung wegen des Wegfalls der Gegenleistungspflicht nach § 326 Abs. 1 S. 1 nicht mehr „verdienen“ kann. Dementsprechend würde sich die Höhe des Schadensersatzanspruchs gemäß § 249 Abs. 1 BGB nach dem infolge der Unmöglichkeit entfallenen Gegenleistungsanspruch richten. Bei § 326 Abs. 2 S. 1 BGB handelt es sich also im Ergebnis um einen Schadensersatzanspruch des Schuldners in Gestalt einer Gefahrtragungsregelung.167 Die schadensrechtliche Deutung des § 326 Abs. 2 S. 1 BGB lässt sich auch wie folgt zusammenfassen: So wie der Schuldner, indem er die Unmöglichkeit der Leistung herbeiführt, das Leistungsinteresse des Gläubigers beeinträchtigt, beeinträchtigt der Gläubiger, indem er die Unmöglichkeit der Leistung herbeiführt, das Gegenleistungsinteresse des Schuldners, weil dieser die Gegenleistung prinzipiell nur dann erhält, wenn er auch die Leistung erbringt.168 Es ist daher nur konsequent, dem Anspruch des Gläubigers auf Schadensersatz statt der Leistung den Anspruch des Schuldners auf „Schadensersatz statt der Gegenleistung“169 gegenüberzustellen.170 b) Anfängliche Unmöglichkeit Für die Fallgruppe der anfänglichen Unmöglichkeit stellt sich die Spiegelbildlichkeit von Schuldner- und Gläubigerhaftung nicht anders dar: Nach § 311a Abs. 2 BGB haftet der Schuldner unter der Voraussetzung, dass er das anfängliche Leistungshindernis kannte oder kennen musste, in Richtung des Erfüllungsinteresses. Wie in den dogmatischen Vorarbeiten des Zweiten Kapitels dargelegt, impliziert das Erfordernis der Kenntnis oder des Kennenmüssens eine Pflicht des Schuldners, sich im Vorfeld des Vertragsschlusses seiner Leistungsfähigkeit zu versichern und den Gläubiger über etwaige Leistungshindernisse aufzuklären. Besagte Informationspflicht darf als Ausschnitt der allgemeinen Leistungstreuepflicht den Schuldner indes nicht einseitig treffen.171 Zwar wohnt dem Ausspruch, allein der Schuldner verpflichte sich zur Leistung und nur 166 Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 46: „Hat der Schuldner eine Störung der Leistungspflicht schuldhaft verursacht, […] erfüllt [er] den Tatbestand einer schuldhaften positiven Vertragsverletzung.“. 167 Canaris, FS Picker (2010), S. 113, 114. 168 Vgl. Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 345. 169 Canaris, FS E. Lorenz (2004), S. 147, 161. 170 Vgl. Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 46. 171 Vgl. Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung, S. 137.

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

dieser sei in der Konsequenz zur Aufklärung über die Möglichkeit der Leistung verpflichtet, eine gewisse Überzeugungskraft inne. Doch wird man von einem redlichen, am Abschluss eines durchführbaren Vertrages interessierten, Gläubiger ebenso erwarten können, dass dieser die Gegenseite zumindest über ihm bekannte Leistungshindernisse informiert oder sich solcher Leistungshindernisse vergewissert, deren Aufklärung seine Ressourcen weniger belastet als jene des Schuldners (dazu unter C. IV.). Die Annahme einer der schuldnerischen Informationsverantwortung gleichenden Verantwortlichkeit des Gläubigers deutete bereits Rabel in einem Vortrag vor der Kammergerichtsvereinigung172 in Berlin an: „Wenn jemand [...] einen Küfer bestellt, um ein Faß Wein abzuziehen, und dieses ist schon ausgelaufen; oder wenn der Bruder eines aus Berlin ausgewiesenen oder eines im Gefängnis sitzenden Mannes für ihn hier eine Dienstmagd mietet; oder wenn ein Hiesiger einen Anteil einer Pilsener Genossenschaftsbrauerei kaufen würde, für welche der Grundbesitz in Pilsen notwendiges Erfordernis ist; so sind wir in einer Zwickmühle. Offenbar hat der Vertragsgläubiger solche Umstände in der Regel auf seine Gefahr zu überlegen. Der Mangel des subjektiven Commerciums des Gläubigers z.B. gehört zu seiner Rechtszuständigkeit genau so, wie umgekehrt die Haftung des Schuldners für Rechtszuständigkeit betont wird.“173

Jenem Zitat lassen sich zweierlei Aussagen entnehmen. Zunächst gelangt Rabel – unter Bezugnahme auf zugegebenermaßen antiquierte Fallkonstellationen – zur Erkenntnis, dass den Gläubiger, wie auch den Schuldner, eine Pflicht zur Aufklärung über anfängliche Leistungshindernisse treffen müsse: Der Gläubiger habe leistungshindernde Umstände „auf eigene Gefahr zu überlegen“. Hieraus folgert Rabel sodann, dass auch die Haftung des Gläubigers bei einer Informationspflichtverletzung jener des Schuldners entsprechen müsse („wie umgekehrt die Haftung des Schuldners für Rechtszuständigkeit betont wird“). Die so verstandene Spiegelbildlichkeit des Pflichtenprogramms von Schuldner und Gläubiger und der darauf gründende Gleichlauf von Schuldner- und Gläubigerhaftung entspricht dabei en de´tail der dargelegten Interpretation des § 326 Abs. 2 S. 1 BGB. Die darin zur Vorrausetzung gemachte „Gläubigerverantwortlichkeit für den leistungshindernden Umstand“ knüpft eben an jene Pflichtverletzungen an, die sich auch in den Tatbeständen der §§ 280, 283, 311a Abs. 2 BGB finden, d.h. im Kontext anfänglicher Unmöglichkeit an die Kenntnis oder das Kennenmüssen des Leistungshindernisses. Durch Aufrechterhaltung der Gegenleistungspflicht führt § 326 Abs. 2 S. 1 BGB im Ergebnis zu einer Haftung auf das positive Interesse, wie sie auch den Schuldner nach § 311a Abs. 2 BGB trifft.174 172 Über Unmöglichkeit der Leistung und heutige Praxis, veröffentlicht in RheinZ 1911, S. 467 ff. = Gesammelte Aufsätze I, S. 56 ff. 173 Rabel, RheinZ 1911, S. 467, 482 = Gesammelte Aufsätze I, S. 56, 70. 174 Dem entspricht der Vorschlag Rabels, a.a.O., der bei Verletzung der Informationspflicht durch den Gläubiger eine Haftung analog § 324 BGB a.F. vorschlägt; zustimmend: Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung, S. 138.

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Die vorstehenden Überlegungen belegen schließlich die Unrichtigkeit der Auffassung, wonach der Gläubiger im Gegensatz zum Schuldner gerade keine Leistungspflicht übernehme, weshalb allenfalls eine Haftung wegen culpa in contrahendo in Betracht käme.175 So folgt schon die Haftung des Schuldners nach § 311a Abs. 2 BGB nicht aus der Verletzung der ohnehin nie zur Entstehung gelangten Leistungspflicht. Geschützt wird das Erfüllungsvertrauen des Gläubigers. Nach der vorangehenden Untersuchung besteht dabei umgekehrt auch auf Seiten des Schuldners ein schützenswertes Vertrauen auf die erfolgreiche Vertragsdurchführung. Dieser erwartet mit Vertragsschluss, sich durch Leistungserbringung die Gegenleistung des Gläubigers verdienen zu können.176 Wird dieses Vertrauen geweckt, am Ende aber doch enttäuscht, weil der Gläubiger sich vor Vertragsschluss nicht hinreichend der Möglichkeit der Leistung vergewissert hat, so hat dieser durch Aufrechterhaltung der Gegenleistungspflicht nach § 326 Abs. 2 S. 1 BGB hierfür einzustehen. Eine Anwendung der c.i.c., deren Schutzgut die Integrität des vorvertraglichen Verständigungsprozesses ist, würde dieser, durch die Erfüllungserwartungen der Parteien geprägten Interessenlage nicht gerecht.

IV. Reichweite der Informationsverantwortung des Gläubigers Stellt sich noch die Frage nach der Reichweite der Informationspflichten des Gläubigers. Vor dem Hintergrund einer effizienzbasierten Verantwortungsallokation sind dem Gläubiger immer dann Nachforschungen über das anfängliche Nichterfüllungsrisiko aufzugeben, wenn und soweit eine Aufklärung seine Ressourcen weniger belastet als jene des Schuldners. Freilich wird dies angesichts der bereits erörterten Informationsverantwortung des Schuldners für dessen Sphäre und Planungsbereich verhältnismäßig selten vorkommen.177

175

Otto, in: Staudinger, Neubearb. 2009, § 326 Rn. C19; i.E, auch Staudinger/Schwarze, in: Staudinger, Neubearb. 2020, § 326 Rn. C33 mit explizitem Verweis auf das Fehlen einer Schuldnererwartung, wonach der Gläubiger für das Nichtvorhandensein ihm bekannter oder erkennbarer Leistungshindernisse einstehen wolle. 176 Für den Zeitraum nach Vertragsschluss ergibt sich diese Erwartung aus dem Vertrauen auf ein konsequentes Vertragsdurchführungsverhalten auf Seiten des Gläubigers (vgl. Weller, Die Vertragstreue, S. 550); für den Zeitraum vor Vertragsschluss aus dem Vertrauen darauf, dass der Gläubiger im Falle etwaiger Leistungshindernisse aus seinem Verantwortungsbereich hierüber aufgeklärt hätte (vgl. Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, S. 337). 177 Hierzu Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 64 f.; sowie Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 235 f.

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

1. Sphärenverantwortlichkeit des Gläubigers Einen Informationsvorsprung des Gläubigers wird man aber regelmäßig für solche Leistungshindernisse annehmen können, die der Sphäre des Gläubigers entspringen.178 Praktisch bedeutsam sind dabei diejenigen Fälle aus dem Werkrecht, in denen die Erbringung der Werkleistung von Begebenheiten aus der Gläubigersphäre abhängt; so zum Beispiel, wenn der Ehemann einen Handwerker mit Reparaturarbeiten beauftragt, diese aber bereits tags zuvor auf Veranlassung seiner Ehefrau vorgenommen wurden. Vergleichbar ist der Fall der Mutter, die einen Vertrag über Klavierstunden für ihre Tochter abschließt und die sicherstellen muss, dass der Vater im Rahmen der gemeinschaftlichen Personensorge gem. § 1626 Abs. 1 BGB zustimmt, da der Unterricht ansonsten nicht stattfinden kann.179 Beiden Fallkonstellationen ist gemein, dass es dem Schuldner kaum möglich ist, die betreffenden Leistungshindernisse zu erkennen. Es ist mithin die Pflicht des Gläubigers, hierüber aufzuklären. Jene Sphärenverantwortlichkeit des Gläubigers ist indes für solche Fälle einzuschränken, in denen die Informationsverantwortlichkeit des Schuldners in die Sphäre des Gläubigers „hineinwirkt“. So beschränkt sich die schuldnerische Informationspflicht nicht auf Leistungshindernisse aus der Schuldner- oder der neutralen Sphäre; der Schuldner mag auch zur Aufklärung über Leistungshindernisse aus der Gläubigersphäre veranlasst sein. Erwähnt sei abermals Fall 4,180 in dem die Aufstockung eines im Eigentum des Bestellers stehenden Lagergebäudes aus Gründen der Statik unmöglich war. Es wäre in derartigen Konstellationen gänzlich ineffizient, dem Besteller, welchem jede Sachkunde fehlt, eine Statikprüfung aufzugeben. Vielmehr ist es der sachverständige Werkunternehmer, den – trotz der Verortung des Leistungshindernisses in der Gläubigersphäre – eine dahingehende Informationspflicht trifft. Für die Informationsbeschaffung hat der Schuldner freilich die Mitwirkung des Gläubigers zu erbeten. Dieser muss dem Schuldner die Statikprüfung durch Zugangsgewährung erst ermöglichen. Zwar kann der Gläubiger unter Verweis auf den grundrechtlich geschützten privaten Lebens- und Geschäftsbereich die Mitwirkung verweigern. Doch führt dies zu einer Umkehr der Informationsverantwortung. Der Gläubiger hat sodann selbst die 178 Zur Verlagerung der Preisgefahr auf den Gläubiger auf Grundlage des Sphärengedankens: Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 294 (im Werkrecht), 298 (im Dienstvertragsrecht), 306; Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung, S. 140, 145; Canaris, FS Picker (2010), S. 113, 124 f.: Anwendung des § 326 Abs. 2 S. 1 BGB bei Befindlichkeit des anfänglichen Leistungshindernisses in der Sphäre des Gläubigers; Looschelders, Die Mitverantwortung des Geschädigten, S. 380: Gläubiger muss den Schuldner vor Vertragsschluss über „alle in seinem Bereich wurzelnden Hindernisse“ aufklären. 179 Schwarze, Leistungsstörungen, 2. Aufl. 2017, § 37 Rn. 11, S. 655 f. 180 Siehe bei B. VI. 2.

C. Die alleinige oder weit überwiegende Gläubigerverantwortlichkeit

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Tragfähigkeit durch etwaige Einschaltung eines Fachmanns zu prüfen. Unterlässt er dies und schließt dennoch den Vertrag, so wäre ihm Kennenmüssen der Unmöglichkeit vorzuwerfen. Ähnlich verhält es sich bei der Buchung einer Pauschalreise: Der ortskundige Reiseveranstalter muss den Reisenden über die Einreisebedingungen im Urlaubsland zunächst informieren. Danach aber fällt es dem Gläubiger zu, sich auf Basis der erhaltenen Informationen seiner Berechtigung zur Einreise zu versichern (Gültigkeitsdauer des Reisepasses, Impfschutz etc.). Kommt er dieser Informationspflicht nicht nach und verweigern die Behörden bei Ankunft die Einreise, ist der Reisende hierfür verantwortlich.181 Zusammenfassend trifft den Gläubiger also eine Pflicht zur Aufklärung über solche Leistungshindernisse, die sich aufgrund der Verortung in seiner Sphäre der Einsicht des Schuldners entziehen. Jene Informationsverantwortung erfährt eine Einschränkung durch die Verantwortlichkeit des Schuldners für seinen Planungsbereich. Diese veranlasst ihn, sich immer dann der erfüllungsrelevanten Umstände in der Gläubigersphäre zu versichern, wenn aufgrund dessen Sachnähe eine effizientere Informationsgewinnung zu erwarten ist. Verweigert der Gläubiger aber die Informationsbeschaffung durch den Schuldner oder klärt der Schuldner den Gläubiger in einer Weise auf, die es diesem erlaubt, die erforderliche Informationsanstrengung selbst zu bewältigen, kehrt sich die Informationsverantwortung zu Lasten des Gläubigers um. 2. Verantwortlichkeit des Gläubigers für seinen Planungsbereich Außerhalb seiner Sphäre trifft den Gläubiger eine Informationsverantwortlichkeit für seinen Planungsbereich. Dieser umfasst im Regelfall die Entgegennahme der Leistung und unbedingt notwendige Mitwirkungshandlungen, m.a.W. die Leistungsannahme. Diese Informationszuständigkeit des Gläubigers für sämtliche die Leistungsannahme betreffende Hindernisse korrespondiert mit der Informationsverantwortung des Schuldners für Umstände, welche die Leistungserbringung betreffen. Deutlich wird damit die Zweiseitigkeit der Leistungstreuepflicht, welche – unter der Voraussetzung zusätzlichen Verschuldens, §§ 280 Abs. 1 S. 2, 311a Abs. 2 S. 2 BGB – in der Person des Schuldners die Übernahme des Leistungserbringungsrisikos und in der Person des Gläubigers die Übernahme des Leistungsannahmerisikos bedeutet. Freilich kann sich der Gläubiger in Ausnahmefällen vertraglich zu einer über die Leistungsannahme hinausgehenden Mitwirkung verpflichtet haben;182 sei es, weil er dem Werkunternehmer seine eigene Arbeitskraft in Aus181 Vgl. den „Pockenimpffall“ (BGH NJW 1973, 318); dazu: Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 290 f.; Canaris, FS Picker (2010), S. 113, 124, 125. 182 Hartmann, Die unterlassene Mitwirkung des Gläubigers, S. 67.

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

sicht stellt oder für die Werkleistung erforderliche Materialen oder Baupläne aus anderer Quelle beziehen möchte. Ist dies der Fall, hat der Gläubiger die Geeignetheit seines Beitrags zur Werkleistung selbst sicherzustellen und andernfalls für eine hierin begründete Unmöglichkeit der Leistungserbringung einzustehen. Erkennbar Ausfluss dieser Risikoverlagerung ist die Gefahrtragungsvorschrift des § 645 BGB,183 die den Gläubiger verschuldensunabhängig zum Aufwendungsersatz für bereits erbrachte Werkleistungen verpflichtet, sofern das Werk vor der Abnahme infolge eines Mangels des vom Besteller gelieferten Stoffes oder infolge einer von dem Besteller für die Ausführung erteilten Anweisung untergegangen ist. Einer weitergehenden Haftungsverantwortung des Bestellers wegen Verschuldens steht die Ersatzflicht nach § 645 BGB nach dessen Absatz 2 dabei nicht entgegen. Kennt der Besteller also die Untauglichkeit eines von ihm gelieferten Stoffes oder einer von ihm erteilten Anweisung oder muss er diese aufgrund der Informationsverantwortung für seinen Planungsbereich kennen, haftet er nach § 326 Abs. 2 S. 1 BGB in Höhe des vollen Werklohns.184 3. Erkennbarkeit Schließlich erfährt die Gläubigerverantwortlichkeit, gleich der Informationsverantwortung des Schuldners, eine Einschränkung durch das Kriterium der Erkennbarkeit. Von der Informationspflicht sind demnach solche Leistungshindernisse ausgenommen, die außerhalb aller Wahrscheinlichkeiten liegen oder sich trotz aller Kontrollmaßnahmen in der Vertragsanbahnung nicht ausschließen lassen. Zudem sind unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit dem Gläubiger nur dann Informationspflichten aufzuerlegen, wenn der damit verbundene Aufwand im Verhältnis zur erzielbaren Gefahrsicherung steht,185 wobei etwaiges Sonderwissen oder Sonderkönnen zu berücksichtigen ist.

D. Die beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit Bleiben noch solche Fallkonstellationen zu beurteilen, in denen das Leistungshindernis die Verantwortungsbereiche beider Parteien berührt und damit eine Informationspflicht sowohl des Gläubigers als auch des Schuldners auslöst. Wird die Informationspflicht von beiden Parteien gleichermaßen

183

Vgl. Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 65; Köhler, Unmöglichkeit und Geschäftsgrundlage, S. 36 f. 184 Vgl. Köhler, Unmöglichkeit und Geschäftsgrundlage, S. 37, 40, 47. 185 Vgl. zur effizienzgeleiteten Bestimmung des Pflichtenprogramms auch auf Gläubigerseite: Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 147.

D. Die beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit

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verletzt, so liegt ein Fall der beiderseits zu vertretenden anfänglichen Unmöglichkeit vor.

I. Haftungsausschluss nach altem Schuldrecht und derzeitiger Streitstand Nach altem Recht entfiel die Ersatzpflicht aus § 307 Abs. 1 BGB a.F., wenn die andere Partei das Leistungshindernis kannte oder kennen musste (Absatz 2). Bei beiderseitiger Kenntnis oder Kennenmüssen kam es damit zum vollständigen Haftungsausschluss, unabhängig vom Maß des jeweiligen Informationsverschuldens. Dagegen schweigt das reformierte Schuldrecht zur Rolle des Mitverschuldens bei anfänglicher Unmöglichkeit. Teile des Schrifttums deuten dies als Kehrtwende in der Mitverschuldensfrage und plädieren nunmehr für eine Schadenstragung nach Verschuldensanteilen gemäß § 254 Abs. 1 BGB. Die „flexiblere Lösung des § 254 BGB“ sei sachgerechter als die „Alles oder nichts“-Lösung des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB a.F.186 Eine Gegenansicht meint indessen, die Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB bedürfe einer Abwägung von Verursachungsbeiträgen. Mit bloßer Kenntnis oder Kennenmüssen des Leistungshindernisses werde aber gerade kein Ursachenbeitrag zum haftungsbegründenden Ausbleiben der Leistung gesetzt. Zu denken sei in diesen Fällen allenfalls an eine Lösung über §§ 138, 123 BGB oder den Arglisteinwand aus § 242 BGB.187 Schließlich wollen jene Stimmen, die in § 311a Abs. 2 BGB eine Vertrauenshaftungsvorschrift vermuten, der Informationspflichtverletzung des Gläubigers weiterhin eine haftungsausschließende Wirkung beimessen. Entscheidend sei, dass das Vertrauen des Gläubigers nicht schutzwürdig ist, wenn dieser das Leistungshindernis bereits bei Vertragsschluss kannte oder kennen musste.188

II. Relevanz der Fallgruppe Ehe hierzu Stellung genommen wird, sei kurz auf die Relevanz der Fallgruppe eingegangen. Legt man dabei die Erkenntnisse zur Informationslastverteilung aus dem vorangegangenen Kapitel zugrunde, erweist sich die beiderseits zu vertretende Unmöglichkeit als ein vergleichsweise selten auftretendes Phänomen. 186

Ernst, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 311a Rn. 68; Feldmann, in: Staudinger, Neubearb. 2018, § 311a Rn. 55; Kindl, in: Erman-BGB, 14. Aufl. 2014, § 311a Rn. 10; für eine Anwendung des § 254 Abs. 2 BGB: Dauner-Lieb, in: NK-BGB, 3. Aufl. 2016, § 311a Rn. 25. 187 Maier-Reimer, in: Dauner-Lieb/Konzen/K. Schmidt (Hrsg.), Das neue Schuldrecht in der Praxis, S. 291, 304. 188 Andeutungsweise: Hammen, FS Hadding (2004), S. 41, 50.

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

1. Ausgangspunkt: Informationslastverteilung nach Sphärenund Planungsbereichen Eine Informationslastverteilung anhand von Sphären und Planungsbereichen resultiert in aller Regel in einer scharfen Trennung zwischen der Informationsverantwortung des Schuldners und jener des Gläubigers. Begreift man die Sphäre als den persönlichen Lebens- und Geschäftsbereichs, so ist die Alternativität von eigener und fremder Informationsverantwortlichkeit augenscheinlich. Die jeweilige Vertragspartei hat für die aus ihrer Sphäre stammenden Leistungshindernisse gerade deswegen einzustehen, weil es ihr aufgrund der Gefahrnähe abstrakt gesehen leichter fällt, das Leistungshindernis zu erkennen und der Vertragspartner mangels Einsicht auf eine entsprechende Aufklärung angewiesen ist. Die Zuweisung der Informationslast beruht also gerade auf der Abgetrenntheit der jeweiligen Sphären und dem dadurch bedingten Informationsvorsprung, weshalb im Grundsatz von einer exklusiven Informationsverantwortung jeder Vertragspartei für ihren persönlichen Lebens- und Geschäftsbereich auszugehen ist. Die Exklusivität der Verantwortungsbereiche ist auch Konsequenz einer Informationslastverteilung nach Planungsbereichen. Danach trifft jede Vertragspartei eine Informationspflicht hinsichtlich solcher Leistungshindernisse, die in Zusammenhang mit ihrer späteren Verantwortung für die Vertragsdurchführung stehen. So hat der Schuldner bereits vor Vertragsschluss sicherzustellen, dass er zur Leistungserbringung in der Lage ist, während den Gläubiger zuweilen nur eine Informationspflicht hinsichtlich der für die Leistungsannahme relevanten Umstände trifft. Das Kriterium des Planungsbereichs beruht auf der Erwägung, „unökonomische Doppelarbeit“ zu verhindern, indem keine Partei Planungsanstrengungen hinsichtlich solcher Umstände unternehmen muss, die bereits die Vertragsdurchführungsverantwortung der Gegenseite betreffen. Entsprechend kann sich der Gläubiger mit Vertragsschluss darauf verlassen, dass der Schuldner zur Leistungserbringung imstande ist; der Schuldner wiederum darf darauf vertrauen, dass der Leistungsannahme keine Hindernisse entgegenstehen. Auch die Informationslastverteilung nach Planungsbereichen führt mithin zu einer strikten Trennung der Verantwortungsbereiche, wonach entweder Schuldner oder aber Gläubiger ein etwaiges Leistungshindernis aufzuklären haben. 2. „Entweder oder“-Lösung als Konsequenz einer vertrauensschutzbasierten Haftungskonzeption Die Alternativität von eigener und fremder Informationsverantwortlichkeit erweist sich zuletzt auch vor dem Hintergrund einer vertrauensschutzbasierten Haftungskonzeption als folgerichtig. Denn gründet die Haftung des § 311a Abs. 2 BGB im Schutz des Gläubigervertrauens auf eine Risikoaufklärung durch den Schuldner, wäre es widersinnig, dem Gläubiger dieses

D. Die beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit

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Vertrauen im Wege eines Mitverschuldenseinwands sogleich wieder zum Vorwurf zu machen.189 Gleiches gilt für den Schuldner, dessen Vertrauen auf eine Risikoaufklärung durch den Gläubiger über § 326 Abs. 2 S. 1 BGB geschützt wird. Die Annahme einer Aufklärungspflicht indiziert, anders gesagt, stets eine ignorance le´gitime seitens des Aufzuklärenden, weshalb ein beiderseitiges Kennenmüssen grundsätzlich ausgeschlossen ist.190 3. Beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit bei Kenntnis des eigentlich Aufzuklärenden? Erscheint ein beiderseitiges Kennenmüssen nach dem bisherig Gesagten ausgeschlossen, so ist an einen Fall beiderseits zu vertretender anfänglicher Unmöglichkeit aber doch dann zu denken, wenn der eigentlich Aufzuklärende das Leistungshindernis positiv kennt. Zur Verdeutlichung ein Beispiel: Fall 5: Antiquitätenhändler A verkauft an Kunstsammler K ein Ölgemälde, welches in den Dreißigerjahren durch die Nationalsozialisten als „entartete“ Kunst konfisziert wurde (§ 935 BGB!). V hatte das Gemälde selbst von einem Kunsterben erworben, der aufgrund seiner umfassenden Sammlung von Naziraubkunst landesweite Berühmtheit erlangt hatte. Während V aber nicht weiß, dass es sich auch bei dem besagten Gemälde um Naziraubkunst handelt, hat K – als Connaisseur der Szene – hierüber positive Kenntnis.

Nach dem Sphärengedanken wäre die Informationsverantwortlich betreffend die Verfügungsbeschränkung aus § 935 BGB grundsätzlich dem Verkäufer zuzuweisen: Verglichen mit dem Käufer ist es für den Verkäufer wesentlich einfacher zu beurteilen, ob es sich bei der in seinem Besitz befindlichen Ware um geraubtes Gut handelt. Nur er weiß um die Herkunft des Gemäldes und die Vertrauenswürdigkeit der Quellen, aus denen es stammt.191 Unter der zusätzlichen Voraussetzung der Erkennbarkeit,192 trifft den Verkäufer mithin der Vorwurf des Kennenmüssens aus § 311a Abs. 2 S. 2 BGB. Doch ist im vorliegenden Fall auch dem Käufer der Vorwurf einer Informationspflichtverletzung in Form der unterlassenen Aufklärung zu machen. Denn unabhängig davon, ob eine Partei einen leistungshindernden Umstand kennen muss, trifft sie die Haftungsverantwortung nach den §§ 311a Abs. 2, 326 Abs. 2 S. 1 BGB jedenfalls dann, wenn sie das Leistungshindernis kannte und die Gegenseite hierüber nicht aufgeklärt hat. Indessen liegt auch in dieser Konstellation keine „echte“ beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit vor. Denn keineswegs steht die

189 Werres, Aufklärungspflicht in Schuldverhältnissen, S. 105; vgl. auch Tröger, Arbeitsteilung und Vertrag, S. 494; Henssler, Risiko als Vertragsgenstand, S. 162: „petitio principii“; Looschelders, Die Mitverantwortung des Geschädigten, S. 381. 190 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 442. 191 Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen, S. 273. 192 Siehe bei B V. 4.

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

Kenntnis des einen Vertragsteils dem Kennenmüssen auf der Gegenseite gleichrangig gegenüber. Der Umstand der Kenntnis verdrängt vielmehr jeden Vorwurf des Kennenmüssens.193 Es wäre gänzlich ineffizient, würden einer Vertragspartei Nachforschungspflichten aufgegeben, wenn die Gegenseite das betreffende Leistungshindernis kennt und hierüber durch einfache Mitteilung Klarheit schaffen kann. Kenntnis begründet die alleinige Informationsverantwortlichkeit des Wissensträgers. Dies belegt nicht zuletzt § 444 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach der Verkäufer, welcher den Mangel der Kaufsache arglistig verschwiegen hat, selbst dann haftet, wenn dem Käufer der Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist.194 Für den obigen Fall bedeutet dies daher nicht nur, dass der eigentliche Schadensersatzanspruch des K aus § 311a Abs. 2 BGB vollständig entfällt. Aufgrund seiner alleinigen Verantwortlichkeit für das Leistungshindernis i.S.d. § 326 Abs. 2 S. 1 BGB bleibt er gar zur Gegenleistung verpflichtet. Dies bedeutet freilich nicht, dass V, ohne überhaupt leisten zu müssen, den vollen Kaufpreis erhält. Einen solchen windfall profit verhindert § 326 Abs. 2 S. 2 BGB, wonach sich der Schuldner auf seinen fortbestehenden Gegenleistungsanspruch dasjenige anrechnen lassen muss, was er infolge seiner Befreiung erspart hat. Die Vorschrift bezweckt, dass der Schuldner am Ende nicht besser steht, als wenn der Vertrag ordnungsgemäß durchgeführt worden wäre.195 In diesem Fall würde der Geschäftserlös ebenso um den Wert der Gegenleistung reduziert. Vorliegend muss sich V also den Wert des Gemäldes auf den Kaufpreis anrechnen lassen; der entgangene Gewinn aber – sofern V einen solchen erwirtschaftet hätte – würde ihm nach § 326 Abs. 2 S. 1 BGB ersetzt. 4. Leistungshindernisse universaler Dimension Ein echter Fall beiderseits zu vertretender anfänglicher Unmöglichkeit kann nach dem soeben Gesagten allenfalls bei beiderseitigem Kennenmüssen der Unmöglichkeit vorliegen, was aber angesichts der strikten Trennung der Informationsverantwortung nach Sphären und Planungsbereichen ausgeschlossen scheint. Doch ist noch an jene Fälle zu denken, in denen ein auf äußeren Umständen beruhendes Leistungshindernis den Planungsbereich beider Parteien berührt. Die einschlägigen Fälle lassen sich in drei Kategorien unterteilen. 193 Vgl. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 441; Henssler, Risiko als Vertragsgenstand, S. 162 f. Dem entspricht die Überlagerung eines fahrlässigen Mitverschuldens durch die Vorsatzhaftung im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB; ebenso der vollständige Ausschluss der Haftung bei Vorsatz auf Seiten des Geschädigten. Vgl. Oetker, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 254 Rn. 11. 194 Vgl. Henssler, Risiko als Vertragsgenstand, S. 163 mit Verweis auf die Vorgängervorschrift des § 460 BGB a.F. 195 Ernst, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 326 Rn. 88.

D. Die beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit

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a) Vorhersehbare Wetterphänomene und Naturkatastrophen Die erste Kategorie betrifft vorhersehbare, die Vertragsdurchführung hindernde Wetterphänomene und Naturkatastrophen im Allgemeinen. Fall 6: Anlässlich der unerwarteten Rückkehr seines verlorenen Sohns, möchte V am unmittelbar darauffolgenden Tag ein großes Grillfest im hauseigenen Garten feiern. Mit dem Aufbau der Zelte, dem Service sowie der Verköstigung der Gäste beauftragt V das Cateringunternehmen C. Tatsächlich aber muss das Grillfest abgesagt werden, da aufgrund eines bereits tags zuvor angekündigten Orkansturms die Dienstleistungen nicht erbracht werden können.

Zwar gilt auch hier, dass weder den V Informationspflichten hinsichtlich der Leistungserbringung durch C treffen, noch C die Möglichkeit der Leistungsannahme durch V zu kümmern braucht. Doch ergibt sich die beiderseitige Informationsverantwortung aus der universalen Dimension des leistungshindernden Umstands, der sowohl die Möglichkeit der Leistungserbringung durch C als auch die Annahmebereitschaft des V betrifft. So verhindert der Orkansturm zum einen die Erbringung der Cateringleistungen wie den Aufbau der Zelte oder die Darbietung des Service. Zum anderen ist auch die Annahme der Leistung durch Abhalten des Grillfestes als solches betroffen. Im Rahmen ihrer Informationsverantwortung für den eigenen Planungsbereich hätten demnach V als auch C die Wettervorhersage in ihren Planungsanstrengungen berücksichtigen müssen. b) Sozialkatastrophen Eine weitere Kategorie umfasst Sozialkatastrophen, wie Terror, (Bürger-) Krieg und Revolution. Fall 7: Die in Deutschland ansässige Projektgesellschaft P-AG vereinbart mit dem ebenfalls hiesigen Bauunternehmen der B-GmbH den Bau einer Ölplattform im Indischen Ozean, wobei Mitarbeiter der P-AG am Bau der Plattform beratend mitwirken und die Fertigstellung einzelner Baumaßnahmen in regelmäßigen Abständen abnehmen sollten. Die entsprechenden öffentlich-rechtlichen Genehmigungen liegen vor. Kurz nach Beginn der Arbeiten stellt sich heraus, dass die Durchführung des Projekts aufgrund von Piraterie im dortigen Seegebiet auf unbestimmte Zeit unmöglich ist. Weder kann die Diebstahlsicherheit der Baustelle, noch die Sicherheit der vor Ort tätigen Personen gewährleistet werden.

Auch im Fall 7 betrifft das Leistungshindernis die Planungsbereiche beider Parteien. Die B-GmbH hat als Werkunternehmerin für die Sicherheit der Baustelle und ihrer Mitarbeiter Sorge zu tragen. Doch bedarf die Vertragsdurchführung auch der beratenden Mitwirkung und regelmäßigen Abnahme durch die P-AG, welche wiederum einer Gefährdung ihrer hierzu abgeordneten Mitarbeiter vorbeugen muss. Im Ergebnis hatten also beide Parteien im Hinblick auf ihre jeweiligen Vertragsdurchführungsbeiträge die Gefährdungslage vor Ort aufzuklären.

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

c) Leistungshindernisse hoheitlicher Natur Die letzte Kategorie betrifft Leistungshindernisse hoheitlicher Natur,196 wobei zwischen zwei Konstellationen zu unterscheiden ist. aa) Öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkungen Vor allem im Zusammenhang mit Grundstücks(kauf-)verträgen sind die Gerichte regelmäßig mit den Haftungsfolgen bei öffentlich-rechtlichen Nutzungsbeschränkungen befasst.197 Konkret geht es in den einschlägigen Fällen um die mangelnde Bebaubarkeit von als Bauland verkauften Grundstücken. Zumeist wird die Informationsverantwortung dabei dem Verkäufer zugewiesen sein. Zwar greift es zu weit, die schuldnerische Informationsverantwortung aus dem Sphärengedanken in Verbindung mit der Eigentümerstellung des Verkäufers abzuleiten; auch der Käufer ist schließlich in der Lage, anhand der Lage des Grundstücks und den für jedermann einsehbaren Bebauungs- oder Lageplan die Bebaubarkeit des Grundstücks zu ermitteln.198 Verkauft der Schuldner aber ein Grundstück als Bauland, so hat er nach der vertraglichen Vereinbarung auch Bauland zu verschaffen. Es ist somit dessen Informationsverantwortung für seinen Planungsbereich, welche eine Aufklärungspflicht des Schuldners im Hinblick auf die Bebaubarkeit des Grundstücks begründet. Eine befürwortenswerte Ausnahme von obigem Grundsatz nehmen die Gerichte immer dann an, wenn beide Parteien von der mangelnden Baulandeigenschaft des Grundstücks wissen, jedoch von dessen baldiger Bebaubarkeit, etwa in Erwartung eines entsprechenden Bebauungsplans, ausgehen.199 In solchen Fällen erscheint eine Zuweisung der Informationsverantwortung allein an den Verkäufer nicht sachgerecht. Denn haben die Parteien ein Unmöglichkeitsrisiko positiv gekannt, es aber übereinstimmend für ausgeräumt gehalten, ist die eigentliche Haftungsverantwortung des Schuldners gleichsam abbedungen.200 Der Käufer verlässt sich in derartigen Fällen eben nicht auf eine Sachverhaltsaufklärung durch den Verkäufer, sondern auf die Richtigkeit der gemeinsamen, indes irrigen Parteivorstellung. Folgerichtig geht die Rechtsprechung wie auch die Literatur201 von einer beidseitigen Risikozuweisung nach Grundsätzen der Geschäftsgrundlagenlehre aus. 196 Umfassend zu hoheitlichen Leistungshindernissen im Lichte des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts: Bach, Leistungshindernisse, S. 83 ff. 197 Vgl. BGHZ 47, 48; BGH JZ 1966, 409 f.; BGH NJW 1979, 1818; OLG Zweibrücken OLGZ 1985, 360, 362 f. 198 Koller, JuS 1984, S. 106, 108. 199 Vgl. BGHZ 47, 48; BGH JZ 1966, 409 f.; OLG Zweibrücken OLGZ 1985, 360, 362 f. 200 Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 47. 201 Damit Anwendungsfall der Geschäftsgrundlagenlehre: Larenz, Geschäftsgrundlage und Vertragserfüllung, S. 147; Köhler, JA 1979, S. 498, 501; Roth, in: MünchKomm-BGB,

D. Die beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit

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bb) Verbotsgesetze Ebenfalls der Kategorie hoheitlicher Leistungshindernisse zuzuordnen sind die Vertragsdurchführung hindernde Verbotsgesetze, wobei wiederum zwischen solchen Normen zu unterscheiden ist, welche allein die Leistungserbringung und damit nur den Schuldner betreffen, und solchen, welche die Vertragsdurchführung in ihrer Gesamtheit unterbinden wollen. Fall 8: Fabrikant F gibt bei dem in Deutschland ansässigen Werkunternehmer W die Fertigung von Bauteilen aus einer neuartigen Kunststofflegierung in Auftrag. Nach Vertragsschluss stellt W fest, dass ihm die Verarbeitung des vorgesehenen Kunststoffs aufgrund deutscher Umwelt- und Arbeitsschutzbestimmungen versagt ist. Fall 9 (angelehnt an BGH NJW 1984, 1746): Der iranische Gourmet G bestellt einen Jahresvorrat Wein bei dem ihm bekannten pfälzischen Weingut W. Aufgrund eines wenige Tage zuvor erlassenen, den Parteien aber bislang unbekannt gebliebenen Alkoholimportverbots verweigern die iranischen Behörden letztendlich die Einfuhr der Ware.

Ersichtlich trägt der Schuldner im Fall 8 die Informationsverantwortung. So handelt es sich bei dem gesetzlichen Verbot um eine hoheitliche Maßnahme, welche allein die Leistungserbringung durch den Schuldner zum Gegenstand hat.202 Das Leistungshindernis unterfällt somit dem Planungsbereich des Schuldners und damit dessen Informationsverantwortung. Diffiziler gestaltet sich die Verortung der Informationsverantwortung in Fall 9, obgleich sich a prima vista eine Informationsverantwortung des Schuldners, wie auch in Fall 8, anhand seines Planungsbereichs begründen ließe. Der Schuldner, welcher sich zur Lieferung der Ware ins Ausland verpflichtet, hätte sich demnach über etwaige Einfuhrbeschränkungen kundig zu machen. Indessen greift diese Begründung im vorliegenden Fall zu kurz. Zwar betrifft das iranische Importverbot funktionell den Import der Ware und damit eine vom Schuldner vorzunehmende Leistungsdurchführungshandlung. Doch soll das Importverbot in seiner Wirkung nicht allein den Schuldner, sondern beide Parteien in gleicher Weise treffen.203 Ziel der Maßnahme ist es, den Handel mit (ausländischen) alkoholhaltigen Getränken in der Gänze zum Erliegen zu bringen. Das Importverbot richtet sich also gegen das Geschäft als Ganzes. Es entzieht diesem – gleich einer Naturkatastrophe204 – vollumfassend die Grundlage und betrifft damit die Planungsbereiche beider an der Vertragsdurchführung beteiligten Parteien.

5. Aufl. 2007, Rn. 28 Fn. 1: „präsumtiv wohl stärkste Tatbestand eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage“; Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 47: „klassischer Tatbestand der Geschäftsgrundlage“. 202 Vgl. Bach, Leistungshindernisse, S. 90: „Maßnahmen, die auf die konkrete Leistung zielen“. 203 Bach, Leistungshindernisse, S. 94. 204 Vgl. Bach, Leistungshindernisse, S. 84.

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

d) Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich das Phänomen der beiderseits zu vertretenden anfänglichen Unmöglichkeit auf folgende Fallgruppen beschränken: – vorhersehbare Wetterphänomene und Naturkatastrophen; – vorhersehbare Sozialkatastrophen; – hoheitliche Maßnahmen, welche sich gegen das Geschäft als Ganzes richten. Kennzeichnend für jene Fallgruppen sind zum einen die Einwirkung der Störung von außen, die sich der Sphäre beider Parteien entzieht,205 und zum anderen deren universale Folgen, welche der Vertragsdurchführung vollumfassend die Grundlage entziehen und damit die Planungsbereiche von Schuldner und Gläubiger gleichermaßen betreffen.

III. Die Anwendbarkeit des § 254 Abs. 1 BGB Zu prüfen ist, ob sich jene Fallgruppen anhand der Mitverschuldensvorschrift des § 254 Abs. 1 BGB sach- und wertungsgerecht beurteilen lassen.206 Die herrschende Meinung verweist auf die Flexibilität dieser Lösung, wodurch den Besonderheiten des Einzelfalls besonders Rechnung getragen werden könne. Auch werde dadurch ein Gleichlauf mit den entsprechenden Vorschriften im UN-Kaufrecht erzeugt.207 Auf dogmatischer Ebene bleibt die Frage, ob sich § 254 Abs. 1 BGB auf eine Vertrauenshaftungsvorschrift wie § 311a Abs. 2 BGB anwenden lässt. 1. Grundstruktur des § 254 Abs. 1 BGB Den Ausgangspunkt bei der Auslegung des § 254 Abs. 1 BGB bildet zunächst der Gesetzeswortlaut, der jede Deutung, die außerhalb seines Sinngehalts im Alltags- oder Fachsprachengebrauch liegt, ausschließt.208 Gemäß § 254 Abs. 1 BGB ist der Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger herabzusetzen, wenn „bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt“ hat. Der Anknüpfungspunkt des „schuldhaften Mitwirkens bei der Schadensentstehung“ nimmt Bezug auf den Haftungsgrund der schuldhaften Verursachung, wie er der deliktsrechtlichen 205

Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 67; Teichmann, in: Soergel, 13. Aufl. 2014, § 313 Rn. 25. 206 Zum Streitstand: Bach, Leistungshindernisse, S. 592 f. 207 Dauner-Lieb, in: NK-BGB, 3. Aufl. 2016, § 311a Rn. 25; Ernst, in: MünchKommBGB, 8. Aufl. 2019, § 311a Rn. 68. 208 Walz, ZJS 2010, S. 482, 487; zur Auslegung nach dem Wortsinn: Larenz, Methodenlehre, 3. Aufl. 1975, S. 307 ff.

D. Die beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit

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Verschuldenshaftung und der Vertragshaftung nach den §§ 280 ff. BGB zugrunde liegt. Insoweit entsprechen die Voraussetzungen einer Haftungskürzung dem haftungsbegründenden Verhalten auf Schuldnerseite.209 Diese Symmetrie rechtfertigt sich aus dem Gebot kommutativer Gerechtigkeit in Verbindung mit dem Verschuldensprinzip: Denn muss der Schädiger den Schaden ersetzen, weil er diesen schuldhaft verursacht hat, wäre es inkonsequent, ein Verhalten des Geschädigten, welches in entsprechender Weise zur Schadensentstehung beigetragen hat, bei der Bemessung der Ersatzpflicht unberücksichtigt zu lassen.210 Vielmehr ist der schuldhafte Verursachungsbeitrag des Gläubigers mit demjenigen des Schuldners abzuwägen.211 Folgerichtig statuiert § 254 Abs. 1 Hs. 2 BGB, dass der Umfang des zu leistenden Ersatzes insbesondere davon abhängt, „inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.“ Nach Deutsch212 ist § 254 Abs. 1 BGB diejenige Gesetzesstelle, an der Verschuldensprinzip und Gleichbehandlungsgrundsatz zusammentreffen.213 2. Unvereinbarkeit der Haftungskürzung mit dem Normzweck Geht es aber um eine Abwägung der schuldhaften Verursachungsbeiträge, folgt hieraus die Unvereinbarkeit einer Haftungskürzung nach § 254 Abs. 1 BGB mit der Haftungsstruktur des § 311a Abs. 2 S. 1 BGB. Wie die Untersuchungen des Zweiten Kapitels gezeigt haben, gestaltet sich die Haftung bei anfänglicher Unmöglichkeit nicht als Sanktion für die schuldhafte Verursachung der Leistungsstörung, welche gegen einen etwaigen Verursachungsbeitrag des Gläubigers abgewogen werden könnte. Es handelt sich im Gegensatz zur Verschuldenshaftung aus §§ 280 ff. BGB um eine Vertrauenshaftung gerichtet auf den Schutz der Erfüllungserwartung des Gläubigers. Hält man jene Haftungskonzeption dabei dogmatisch konsequent durch, führt dies unweigerlich zu einer „Alles oder Nichts“-Lösung. Denn die Frage, ob der Gläubiger auf die Erfüllung vertrauen durfte, lässt sich nur positiv oder negativ beantworten. Entscheidend ist, dass der Gläubiger unter Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht schutzwürdig ist, wenn er das Leistungshinder209 Looschelders, Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten, S. 125; Deutsch, Allg. Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 563. 210 Looschelders, Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten, S. 125. 211 Vgl. Koyuncu, Das Haftungsdreieck, S. 24. 212 Deutsch, Allg. Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 563. 213 Looschelders, Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten, S. 126: „Hieraus ergibt sich, daß der Gesetzgeber bei der Entscheidung über die anspruchsausschließende oder -mindernde Berücksichtigung von Tatbeiträgen des Geschädigten – ebenso wie grundsätzlich auch bei der Entscheidung über die Haftung des Schädigers – vom Verschuldensprinzip als historisch wichtigster Ausprägung des Verantwortlichkeitsgedankens ausgegangen ist.“

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

nis kannte oder hätte erkennen können. Anders herum soll der Gläubiger den vollen Vertrauensschutz erhalten, wenn das Leistungshindernis die Informationsverantwortung des Schuldners betraf und er sich mit Vertragsschluss auf die Abwesenheit jenes Leistungshindernisses verlassen konnte. Diese grundsätzliche Unvereinbarkeit von Haftungskürzung und Vertrauensschutz wird bestätigt durch die Vertrauenshaftungsvorschriften der §§ 122, 179 BGB, die bei Kenntnis oder Kennenmüssen des haftungsauslösenden Umstands die Schadensersatzpflicht gänzlich ausschließen (vgl. §§ 122 Abs. 2, 179 Abs. 3 BGB).214 Gleiches gilt im Übrigen für die vertragsrechtliche Vertrauenshaftungsvorschrift des § 284 BGB, nach der nur solche Aufwendungen zu ersetzen sind, die im berechtigten Vertrauen auf den Leistungserhalt getätigt wurden. 3. Die Unvereinbarkeitsthese im Lichte der BGH-Judikatur Die Unvereinbarkeitsthese steht im Einklang mit der ständigen BGH-Judikatur zur zeitlichen Verortung mitverschuldensrelevanten Gläubigerverhaltens. Danach kommt im Rahmen der vertraglichen Nichterfüllungshaftung eine Haftungskürzung nach § 254 Abs. 1 BGB allenfalls dann in Betracht, wenn das in Rede stehende Gläubigerverhalten dem Vertragsschluss zeitlich nachfolgt.215Die Rechtsprechung fand weitestgehend die Zustimmung der Literatur216und ist nach der vorgenannten dogmatischen Einordnung des Mitverschuldenstatbestands folgerichtig. So kann ein Verursachungsbeitrag des Gläubigers zur Leistungsstörung, wie ihn § 254 Abs. 1 BGB verlangt, stets erst nach Vertragsschluss geleistet werden, da erst dann eine Leistungspflicht besteht, deren Erfüllung gestört werden könnte.217Der Vorwurf der Kenntnis oder des Kennenmüssens der Unmöglichkeit, welcher letztlich auf eine vorvertragliche Informationspflichtverletzung in Form der unterlassenen Aufklärung über das Leistungshindernis anspielt, kann für eine Haftungskürzung nach § 254 Abs. 1 BGB keine Rolle spielen.218

214 Zur Unvereinbarkeit von Haftungskürzung und Vertrauensschutz im Hinblick auf die Haftung nach den §§ 122, 179 BGB: Looschelders, Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten, S. 49, 53 f.; Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 333. 215 BGH NJW 1957, 217; NJW 1972, 1702, 1703; NJW 1987, 251, 253; mit Blick auf die Rechtsmängelhaftung des Verkäufers: BGHZ 110, 196 = BGH NJW 1990, 1106; krit. Looschelders, Die Mitverantwortung des Geschädigten, S. 379 f. 216 Vgl. Ekkenga/Kuntz, in: Soergel, 13. Aufl. 2014, § 254 Rn. 9; Oetker, in MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 254 Rn. 9. 217 Vgl. Looschelders, Die Mitverantwortung des Geschädigten, S. 380. 218 Vgl. BGH NJW 1990, 1106, 1108; NJW 1972, 1702, 1703; vgl. dazu Wallow, Risikozuweisung und Vertragshaftung, S. 331 f.

D. Die beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit

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4. Der verfehlte Verweis auf die Gesetzesbegründung Als haltlos erweist sich der vielfache Verweis auf die Gesetzesbegründung, wonach selbst der Reformgeber eine Lösung über § 254 Abs. 1 BGB präferiert hätte. Zwar ist in der Gesetzesbegründung in der Tat die Rede davon, dass die rigide „Alles oder Nichts“-Lösung der §§ 307 Abs. 1 S. 2, 309 BGB a.F. durch die „flexiblere Regelung des § 254 BGB ersetzt“ wird.219 Doch lässt sich hieran keinesfalls ein genereller Übergang zu einer an Verschuldensbeiträgen orientierten Haftungskürzung in sämtlichen Fällen anfänglicher Unmöglichkeit festmachen. Die sorgfältige Lektüre der Gesetzesbegründung lässt erkennen, dass der Gesetzgeber in dem zitierten Passus gerade nicht auf die Fälle des § 311a Abs. 2 BGB Bezug nimmt, sondern eine c.i.c.-Haftung der Vertragsparteien bei Vertragsnichtigkeit gemäß § 134 BGB in Rede steht:220 „Dass der Vertrag aus einem anderen Grund als wegen der Unmöglichkeit als solcher nichtig oder anfechtbar ist, schließt § 311a Abs. 1 RE nicht aus. Verstößt der Vertrag also z. B. gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134, so ändert § 311a Abs. 1 RE nichts an seiner Nichtigkeit. [...] Was die Schadensersatzpflicht für den Fall, dass eine Partei den Verstoß gegen § 134 zu vertreten hat, angeht, so entfällt zwar zugleich mit dem bisherigen § 306 zwangsläufig die Anspruchsgrundlage des bisherigen § 309. Das ändert aber im Ergebnis wenig, weil an deren Stelle ein Anspruch aus culpa in contrahendo (§§ 241 Abs. 2, 280 RE) tritt. [...] Die rigide Regelung des bisherigen § 309 in Verbindung mit dem bisherigen § 307 Abs. 1 Satz 2, wonach die Ersatzpflicht entfällt, wenn der andere Teil die Gesetzeswidrigkeit kennen muss, wird durch die flexiblere Regelung des § 254 BGB ersetzt.“221

Aus der Gesetzesbegründung lässt sich mithin kein Wille des Reformgesetzgebers ableiten, die Haftungskürzung gem. § 254 Abs. 1 BGB auch auf die Haftung bei anfänglicher Unmöglichkeit nach § 311a Abs. 2 BGB auszuweiten. Ganz im Gegenteil: Indem die Gesetzesbegründung einzig für den Sonderfall der c.i.c.-Haftung bei Vertragsnichtigkeit eine Haftungskürzung nach § 254 Abs. 1 BGB vorschlägt, verleitet sie zur Vermutung, dass es für die übrigen Fälle anfänglicher Unmöglichkeit bei der „Alles oder nichts“-Lösung des alten Rechts zu belassen ist. Dies wäre nach dem hier vorgestellten Haftungsverständnis des § 311a Abs. 2 BGB konsequent. Die Haftung bei anfänglicher Unmöglichkeit ist demnach streng von der c.i.c.-Haftung zu unterscheiden. Es handelt sich bei § 311a Abs. 2 BGB um eine echte Vertrauenshaftung, bei der die berechtigte Erfüllungserwartung anspruchsbegründend, unberechtigtes Vertrauen aber anspruchsvernichtend wirkt.222 Für eine Verschuldensabwägung nach § 254 Abs. 1, die nur auf eine Verschuldenshaf219

BT-Drucks. 14/6040, S. 165. Vgl. Bach, Leistungshindernisse, S. 592. 221 BT-Drucks. 14/6040, S. 165. 222 So bereits Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, S. 331, hinsichtlich der Vorgängervorschrift des § 307 BGB a.F. 220

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

tung, wie jene der culpa in contrahendo, Anwendung finden kann, ist daneben kein Raum. Doch selbst wenn man die Richtigkeit der vom Gesetzgeber vorgeschlagenen Haftungskonzeption unterstellt, wonach die Haftung nach § 311a Abs. 2 BGB aus dem Leistungsversprechen des Schuldners folgt, gelangt man zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch eine dogmatisch konsequent durchgehaltene Garantiehaftung resultiert in einem „Alles oder Nichts“-System.223 So lässt sich allenfalls unterstellen, dass der Schuldner für bestimmte Fälle eine Leistung verspricht, für andere wiederum nicht. Dem Leistungsversprechen aber eine an Verschuldensanteilen zu bemessende Haftungsteilung zu entnehmen, wäre nur um den Preis einer weiteren Fiktion möglich, welche die Untauglichkeit der Garantietheorie für die Bewältigung konkreter Rechtsprobleme nur noch deutlicher macht. 5. Zwischenergebnis und weitere Anwendbarkeit der Schadensminderungspflicht Es wird deutlich, dass Wortlaut, Telos sowie die gesetzlichen Haftungsstrukturen in besagten Fällen anfänglicher Unmöglichkeit eine Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB bei Gläubigerkenntnis oder Kennenmüssen des leistungshindernden Umstands verbieten. Die gänzlich verschiedene Haftungsstruktur lässt zudem auch eine analoge Anwendung der Vorschrift fernliegend erscheinen. Unberührt bleibt freilich die Berücksichtigung anderer mitverschuldensrelevanter Umstände, wobei insbesondere die Schadensminderungsobliegenheit aus § 254 Abs. 2 BGB angesprochen ist.224Diese ist als allgemeines Rechtsprinzip universal anwendbar. Disponiert der Gläubiger also in Kenntnis der Unmöglichkeit über den Vertragsgegenstand weiter, so ist der entgangene Gewinn aus der Weiterveräußerung nach Maßgabe des § 254 Abs. 2 BGB nicht zu ersetzen.225

223

So Kirsten, Verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung, S. 211 ff., mit Hinweis auf weite Teile der englischen und amerikanischen Rechtsprechung, die bei einem Mitverschulden des Käufers eine Quotelung des Schadens unter Verweis auf den Garantiecharakter der warranty-Haftung konsequent ablehnen (vgl. Klauss-Hartung, Mitverschulden bei Vertragsbruch im US-amerikanischen, englischen und deutschen Recht, S. 12, 48; Barclay’s Bank Plc v. Fairclough Building Ltd [1995] QB 214, 233 f., CA; Outboard Marine Corp. v. Babock Indus., Inc., 106 F.3d 182, 184 f. (7th Cir. 1997)). 224 Vgl. Looschelders, Die Mitverantwortung des Geschädigten, S. 49, 57. 225 So auch Oetker, in MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 254 Rn. 18; Dauner-Lieb, in: NK-BGB, 3. Aufl. 2016, § 311a Rn. 25. Selbige Differenzierung zur Rechtslage im alten Kaufrecht findet sich auch bei Looschelders, Die Mitverantwortung des Geschädigten, S. 57.

D. Die beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit

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IV. Rechtsfortbildung secundum legem: Die beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit als Geschäftsgrundlagenstörung Ist die Anwendbarkeit des § 254 Abs. 1 BGB zu verneinen, so scheint es zunächst bei der beschriebenen „Alles oder nichts“-Lösung zu bleiben. Denn betrifft das anfängliche Leistungshindernis die Informationsverantwortung nur einer Partei, so erhält die Gegenseite den vollen Anspruch aus § 311a Abs. 2 BGB respektive § 326 Abs. 2 S. 1 BGB. Fällt das Leistungshindernis hingegen in den Verantwortungsbereich beider Parteien, wären die jeweiligen Ansprüche mangels schutzwürdigen Vertrauens auf beiden Seiten ausgeschlossen. Erreicht würde dieses Ergebnis durch eine analoge Anwendung der §§ 122 Abs. 2, 179 Abs. 3 BGB, wie sie in der Literatur bereits vereinzelt vorgeschlagen wurde.226 Eine Schadensteilung wäre jedenfalls nicht zu erreichen. Dass ein solches Ergebnis aber kaum zufriedenstellen kann, zeigt folgende Überlegung: Kennzeichnend für die Fallgruppe der beiderseits zu vertretenden anfänglichen Unmöglichkeit ist das Bestehen eines leistungshindernden Umstands, der aufgrund seiner Universalität die Informationsverantwortung beider Parteien berührt.227 Gleichwohl können die Folgen der Nichterfüllung die Vertragsparteien äußerst ungleich treffen. Einerseits mag der Gläubiger in Erwartung der Leistung bereits hierüber disponiert haben; ihm entgeht der Gewinn aus der Weiterveräußerung. Andererseits hat der Schuldner möglicherweise Aufwendungen zum Zwecke der Leistungserbringung getätigt; er erleidet zudem den Verlust eines etwaigen Geschäftsgewinns. Wiederum kann eine Vertragspartei auch gänzlich schadlos bleiben. Angesichts der beiderseitigen Informationsverantwortung erscheint es nicht sachgerecht, das Nichterfüllungsrisiko einseitig derjenigen Partei aufzubürden, zu deren Nachteil sich das Leistungshindernis per accidens auswirkt.228 Naheliegender ist, das Nichterfüllungsrisiko, über das beide Parteien in gleicher Weise irren, hälftig zu teilen.229 Als Ausgleichsinstrument bietet sich, wie im Folgenden gezeigt wird, die Geschäftsgrundlagenlehre an. 1. Die Rechtsprechung zum beiderseitigen Motivirrtum als Ansatzpunkt Schließen die Parteien einen Vertrag, gehen sie regelmäßig davon aus, dass sie die übernommenen Verpflichtungen erfüllen können und dass die verfolgten

226

Etwa Hammen, FS Hadding (2004), S. 41, 50. So Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 38, im Hinblick auf den allgemeineren Fall des beiderseitigen Motivirrtums. 228 A.a.O. 229 Vgl. Larenz/Wolf, BGB AT, 9. Aufl. 2004, § 38 Rn. 5, S. 698 f.: „Das Risiko, daß beide sich in gleicher Weise über einen Umstand irren, [...] muss beide gleichmäßig treffen.“. 227

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

Zwecke durch den Austausch der vereinbarten Leistungen erreicht werden.230 Im Verhältnis der beiden Parteien indiziert der Vertragsschluss damit die Richtigkeit der vereinbarten Rechtsfolgen.231 Stimmen aber die tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen, von denen die Parteien beim Vertragsschluss ausgegangen sind, nicht (mehr) mit der Wirklichkeit überein, so bietet der „Mechanismus des Vertrages“ keine ausreichende Gewähr für die Richtigkeit der vereinbarten Rechtsfolgen.232 Hier soll die Geschäftsgrundlagenlehre für Abhilfe sorgen, indem sie den Vertrag einer an Treu und Glauben orientierten richterlichen Inhaltskontrolle zugänglich macht. Ausgehend von der wissenschaftlichen Fundierung der Geschäftsgrundlagenlehre durch Oertmann233 beschreibt der BGH die Geschäftsgrundlage als die „gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragspartner, die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhoben worden sind, die beim Abschluss aber zutage getreten sind, oder die dem Geschäftspartner erkennbaren oder von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Partei von dem Vorhandensein und dem künftigen Eintritt oder Nichteintritt bestimmter Umstände, auf denen sich der Geschäftswille aufbaut.“234

Eine Geschäftsgrundlagenstörung setzt danach eine Abweichung der Wirklichkeit von den Vorstellungen der Parteien hinsichtlich bestehender oder zukünftiger Umstände voraus, sodass letztlich jeder Geschäftsgrundlagenstörung eine Irrtumsproblematik zugrunde liegt.235 Als unzweifelhafter Anwendungsfall gilt der beiderseitige Motivirrtum im Sinne des § 313 Abs. 2 BGB.236 Dies bildet den Ansatzpunkt für die Einordnung der anfänglichen Unmöglichkeit als Geschäftsgrundlagenproblematik. Vielfach wird auch bei

230

Teichmann, in: Soergel, 13. Aufl. 2014, § 313 Rn. 1; Schmidt-Rimpler, FS Nipperdey (1955), S. 1, 6 f. 231 Schmidt-Rimpler, FS Nipperdey (1955), S. 1, 6; Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, S. 83. 232 Teichmann, in: Soergel, 13. Aufl. 2014, § 313 Rn. 2/3; Schmidt-Rimpler, FS Nipperdey (1955), S. 1, 10 f. 233 Oertmann, Die Geschäftsgrundlage, 1921. 234 BGH NJW 2011, 3287, Rn. 21; BGHZ 182, 218 = NJW 2010, 519; BGHZ 163, 42, 48; BGH MDR 2006, 1002. Oertmann, Geschäftsgrundlage, S. 37, verstand die Geschäftsgrundlage als „die bei Geschäftsschluss zu Tage tretende und vom etwaigen Gegner in ihrer Bedeutsamkeit erkannte und nicht beanstandete Vorstellung eines Beteiligten oder die gemeinsame Vorstellung der mehreren Beteiligten vom Sein oder vom Eintritt gewisser Umstände, auf deren Grundlage der Geschäftswille sich aufbaut.“ Die Formel Oertmanns war enger. Sie verlangte Kenntnis von den Vorstellungen des Vertragspartners, während der BGH die Erkennbarkeit ausreichen ließ. 235 Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 25. 236 Vgl. BGH NJW 2001, 226, 227; OLG Zweibrücken NJW-RR 1998, 1680, 1681; Pfeiffer, in: jurisPK-BGB, 9. Aufl. 2020, § 313 Rn. 45; Finkenauer, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 313 Rn. 10; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 10. Aufl. 2006, § 27 I Rn. 226 sowie 238.

D. Die beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit

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anfänglicher Unmöglichkeit das Kernproblem in einem beiderseitigen Irrtum der Parteien und damit einer Geschäftsgrundlagenstörung gesehen.237 Denn schließen die Parteien einen Vertrag, gehen sie zumindest unterbewusst davon aus, dass die darin vereinbarten Verpflichtungen erfüllbar sind.238 Auch Larenz scheint in seiner Monographie zur Geschäftsgrundlagenlehre mit jenem Gedanken zu spielen: „Es wäre wohl denkbar, die beiden Vertragsschließenden unbekannte anfängliche Unmöglichkeit als Fall fehlender Geschäftsgrundlage anzusehen. [...] Nur ist die objektive Unmöglichkeit als solche Nichtigkeitsgrund und wo sie vorliegt, ist daher nach deutschem Recht für die Frage kein Raum, ob etwa auch die Geschäftsgrundlage fehlt.“239

Mit der Anerkennung eines wirksamen Vertrags in § 311a Abs. 1 BGB greift der Vorbehalt von Larenz heute nicht mehr, sodass eine Anwendung der Geschäftsgrundlagenlehre auf die hier in Rede stehende Fallgruppe jedenfalls zu erwägen ist. Erwähnt sei auch der Ansatz DrexeliusÆ, der unter Verweis auf eine Irrtumsproblematik gar die Abschaffung der Regelungen über die anfängliche Unmöglichkeit forderte, da die einschlägigen Fälle bereits unter dem Gesichtspunkt des Fehlens der Geschäftsgrundlage gelöst werden könnten.240 Der BGH241 ging in Annahme eines beiderseitigen Irrtums über die Möglichkeit der Leistung gar von einem Vorrang der Geschäftsgrundlagenlehre vor den gesetzlichen Vorschriften der §§ 306 f. BGB a.F. aus. Dem Urteil lag ein Tauschgeschäft über ein Grundstück zugrunde. Als Gegenleistung sollte der Empfänger ein Wohnhaus auf einem anderen Grundstück des Veräuße-

237

Auch Rabel, Warenkauf I, S. 122, erkannte die anfängliche Unmöglichkeit als Irrtumsproblematik. 238 Vgl. Bach, Leistungshindernisse, S. 279; Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung, S. 63; Teichmann, in: Soergel, 13. Aufl. 2014, § 313 Rn. 1. 239 Larenz, Geschäftsgrundlage und Vertragserfüllung, S. 40; dazu: Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung, S. 59 mit Fn. 275, der noch darauf hinweist, dass Larenz den Grund der in § 306 BGB a.F. angeordneten Vertragsnichtigkeit darin erkennt, dass ein auf eine unmögliche Leistung gerichteter Vertrag von vornherein zweck-, sinn- und gegenstandslos ist, und damit eben jene Formulierung gebraucht, die er auch beim Wegfall der objektiven Geschäftsgrundlage verwendet. 240 Drexelius, Irrtum und Risiko, S. 102. Bemerkenswert ist auch die damalige Judikatur, wonach die Geschäftsgrundlagenlehre in ihrem Anwendungsbereich den §§ 306 f. BGB a.F. vorgehen sollte: BGHZ 47, 48; OLG Zweibrücken OLGZ 1985, 360; dazu: Wallow, Risikozuweisung und Vertragshaftung, S. 205 f., 281. Auch die Schuldrechtskommission ging zeitweise von einem Vorrang der Geschäftsgrundlagenlehre aus: „Nach Auffassung der Kommission geht im vertraglichen Bereich § 306 BGB-KE [der heutige § 313 BGB] als Spezialregelung den § 275 BGB-KE grundsätzlich vor. Soweit eine Anpassung nach § 306 BGB-KE stattfindet, enthält diese Vorschrift eine vorrangige Rechtsfolge.“ (Abschlussbericht der Schuldrechtskommission, S. 151). Dazu: Bach, Leistungshindernisse, S. 278. 241 BGHZ 47, 48.

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

rers errichten, was aber aufgrund baurechtlicher Genehmigungsschwierigkeiten auf unbestimmte Zeit unmöglich war. „Denn sollte es grundsätzlich nicht ausgeschlossen sein, auch bei ursprünglicher Unmöglichkeit im Sinne von § 306 BGB ein der Vertragserfüllung nur zeitweilig entgegenstehendes Hindernis genau so zu behandeln wie ein dauerndes, so ist jedenfalls für eine solche Handhabung da kein Raum, wo die Vertragschließenden das gegenwärtige Hindernis gekannt, aber infolge eines Irrtums mit seiner demnächstigen Behebbarkeit gerechnet haben. [Es] liegt ein beiderseitiger Irrtum vor, dessen Rechtsfolgen nicht nach § 306 BGB zu beurteilen sind, sondern unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB).“242

Freilich liegt nicht in allen Fällen, in denen die Parteien irrig erfüllungsrelevante Umstände voraussetzen, ein beiderseitiger Irrtum im vorgenannten Sinne vor. Zwar ist richtig, dass redliche Parteien bei Abschluss eines Vertrages stets von dessen Erfüllbarkeit ausgehen dürften. Relevanz im Rahmen der Geschäftsgrundlage entfalten indes nur übereinstimmende Fehlvorstellungen über solche Umstände, welche die Informationsverantwortung sowohl von Schuldner als auch Gläubiger betreffen. Bezieht sich der Irrtum hingegen auf einen Umstand, der nur die Informationspflicht einer Partei auslöst, so liegt auf Seiten der nicht informationsbelastenden Partei gar kein rechtserheblicher Irrtum vor.243 Diese kann sich vielmehr auf die Sachverhaltsaufklärung durch die Gegenseite verlassen. Dies vorausgeschickt, geht es also allein um solche Unmöglichkeitsfälle, die sich nach den Ausführungen unter D. II. 4. gerade dadurch auszeichnen, dass das Leistungshindernis die Informationsverantwortung beider Parteien betrifft.244 Die vorgenommene Differenzierung steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des BGH, wonach ein Rückgriff auf die Geschäftsgrundlagenlehre jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn der leistungsstörende Umstand nach der vertraglichen Vereinbarung oder gesetzlichen Regelungen nur den Risikobereich einer Partei berührt.245

242 Nahezu gleichlautend ein Urteil des OLG Zweibrücken, OLGZ 1985, 360, 362 f., das auf die Vorstellung der Parteien verweist, dass ein bei Vertragsschluss bestehendes Leistungshindernis baldig beseitigt werden könne. Dementsprechend lag ein beidseitiger Irrtum vor, der nicht nach § 306 BGB zu beurteilen ist, sondern unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Dazu: Wallow, Risikozuweisung und Vertragshaftung, S. 205 f., 281. 243 In diesem Sinne zur Rechtserheblichkeit des Irrtums: Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 38. 244 Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 38: „doppelte Zweiseitigkeit“. 245 Vgl. BGH NJW 1985, 2693, 2694; Köhler, in: Ott/Schäfer (Hrsg.), Allokationseffizienz in der Rechtsordnung, S. 148, 149.

D. Die beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit

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2. Wesensverschiedenheit von Unmöglichkeit und Grundlagenstörung? Die Anwendung der Geschäftsgrundlagenlehre auf die beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit steht im Widerstreit zur verbreiteten Ansicht, Grundlagenstörung und Unmöglichkeit würden einander per se ausschließen.246 Nach jener Exklusivitätstheorie liegt der Fokus der Geschäftsgrundlagenlehre stets auf dem vertraglichen Äquivalenzverhältnis und betrifft neben der Sachleistungspflicht auch die Gegenleistungspflicht.247 Hierin unterscheide sich die Geschäftsgrundlagenlehre ganz wesentlich von der rein sachleistungsbezogenen und damit nur eine Partei – den Sachleistungsschuldner – betreffenden Unmöglichkeit.248 In ihrem vertragsbezogenen, beide Seiten betreffenden Fokus reagiere die Geschäftsgrundlagenlehre eben nicht auf eine Pflichtverletzung des Schuldners, als vielmehr auf eine Äquivalenzstörung.249 Wie aber die im Rahmen dieser Arbeit vorgenommenen Untersuchungen zur Leistungstreuepflicht gezeigt haben, betrifft ein Leistungshindernis keineswegs stets den Pflichtenkreis des Leistungsschuldners.250 Je nachdem, ob das Leistungshindernis die Leistungserbringung oder die Leistungsannahme stört, kann dieses Schuldner oder Gläubiger gleichermaßen betreffen. Auch der Gläubiger ist unter dem Gesichtspunkt der Leistungstreuepflicht angehalten, bei der Vertragsdurchführung mitzuwirken und den Vertragszweck nicht zu gefährden.251 Die Prämisse der Exklusivitätstheorie, wonach die Unmöglichkeit aufgrund ihres Bezugs zur Sachleistung allein den Sachleistungsschuldner betreffe und damit niemals eine beide Vertragsparteien tangierende Geschäftsgrundlagenstörung auslösen könne, ist hiermit unvereinbar. Zu widersprechen ist auch der Annahme, die Geschäftsgrundlagenlehre sei stets mit einer von der Vertragsstörung verschiedenen Äquivalenzstörung befasst.252 Die Geschäftsgrundlagenlehre trägt dem Umstand Rechnung, 246 Vgl. Weller, Die Vertragstreue, S. 300; U. Huber, FS Schlechtriem (2003), S. 521, 558; Harke, Allgemeines Schuldrecht, Rn. 104. 247 Weller, Die Vertragstreue, S. 300; Harke, Allgemeines Schuldrecht, Rn. 102, 104. 248 Weller, Die Vertragstreue, S. 300; Harke, Allgemeines Schuldrecht, Rn. 104. Eine Exklusivität von Unmöglichkeitsrecht und Geschäftsgrundlagenlehre betonen auch: Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung, S. 63 f.; Schmidt-Rimpler, FS Nipperdey (1955), S. 1, 15. 249 Vgl. Harke, Allgemeines Schuldrecht, Rn. 104; ähnlich: Kaiser, in: Staudinger-Eckpfeiler, 7. Aufl. 2020, Rn. H 86, die aber auf die Störung der Vertragsparität als vorrangigen Anknüpfungspunkt der Geschäftsgrundlagenlehre verweist. Kritisch wiederum: Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 405. 250 So aber: Weller, Die Vertragstreue, S. 300; U. Huber, FS Schlechtriem (2003), S. 521, 558, 561. 251 Vgl. Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 109: „Störungen, die beide Parteien gleichermaßen angehen“. 252 Vgl. Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 27: Äquivalenz-

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

dass Parteien bei Vertragsschluss vielfach einer Fehlvorstellung über das Vorliegen oder Eintreten bestimmter Umstände unterliegen.253 Trifft die Verantwortung für jenes Auseinanderfallen von Vorstellung und Wirklichkeit beide Parteien, erscheint es nicht angemessen, einen hieraus resultierenden wirtschaftlichen Nachteil bei der Partei zu belassen, die davon zufällig getroffen wird. Hier kommt die Geschäftsgrundlagenlehre zum Tragen, indem sie den Schaden zu Lasten der Partei verteilt, die durch die Geschäftsgrundlagenstörung unerwartet und letztlich unverdient bevorteilt würde. Dabei ist aber keineswegs davon auszugehen, dass besagter wirtschaftlicher Nachteil stets Folge eines gestörten Äquivalenzverhältnisses ist. Zwar dürfte richtig sein, dass mehrheitlich der wirtschaftliche Nachteil auf Schuldnerseite in einem erhöhten Leistungsaufwand und auf Gläubigerseite in einer Verschlechterung der Verwendungsmöglichkeit liegt.254 Doch besteht wertungsmäßig kein Unterschied zum Fall, dass bei einer Fehlvorstellung über die Leistungsmöglichkeit ein Schaden deswegen eintritt, weil etwa vergebliche Aufwendungen getätigt wurden oder über die erwartete Leistung bereits weiter disponiert wurde. Es geht gleichermaßen um einen Lastenausgleich infolge übereinstimmender Fehlvorstellungen bei Vertragsschluss. Schlussendlich ist eine strikte Trennung von Geschäftsgrundlagenlehre und dem an den Unmöglichkeitstatbestand anknüpfenden Leistungsstörungsrecht nicht in aller Konsequenz durchzuhalten.255 So lässt sich etwa in jeder unter dem Begriff der Aufwandsstörung behandelten Geschäftsgrundlagenproblematik zugleich eine Störung der Leistung erkennen.256 Die Bestörung wäre „notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung der beachtlichen Grundlagenstörung.“ Sowie Harke, Allgemeines Schuldrecht, Rn. 102. 253 Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 5, verweist auf das unweigerliche Risiko unrichtiger Wertungen und damit unbewusster Fehlentscheidungen. 254 Zu kurz greift es, die Aufwands- und Verwendungsstörung als von der Äquivalenzstörung unterschiedliche Fallgruppe zu begreifen (so etwa bei Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 10. Aufl. 2006, § 27 I Rn. 234 ff.). Denn der vom Schuldner zu betreibende Erfüllungsaufwand sowie die Verwendungsmöglichkeiten des Gläubigers sind maßgebliche Grundlage für die Bewertung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses (vgl. Harke, Allgemeines Schuldrecht, Rn. 102; Schmidt-Rimpler, FS Nipperdey (1955), S. 1, 9 f.). Dies gilt umso mehr, als dass das Äquivalenzverhältnis nicht ein objektives, sondern ein subjektives Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung meint (vgl. Omlor, Geldprivatrecht, S. 491). 255 Vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/6040, S. 176, wonach „man die Unmöglichkeit der Leistung [auch] als Geschäftsgrundlage für eine vertragliche Verpflichtung verstehen“ kann. Hierauf bezugnehmend: Bach, Leistungshindernisse, S. 280: „die Geschäftsgrundlage schlechthin“. 256 Vgl. Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 44; Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 405; anders: Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung, S. 61 f., der meint, dass die Unmöglichkeit die Verwirklichung des Vertrags an sich und damit dessen Inhalt betrifft; also nicht lediglich Geschäftsgrundlage sein könne (S. 64).

D. Die beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit

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sonderheit dieser Leistungsstörung liegt einzig darin, dass die Störung nicht in den Verantwortungsbereich nur einer der beiden Vertragsparteien fällt und sich folglich nicht am Maßstab einer einzelnen Pflicht festmachen lässt.257 Folgerichtig nimmt die Geschäftsgrundlagenlehre den vertraglichen Gesamtzusammenhang in den Fokus und sorgt für einen Lastenausgleich im Wege einer beidseitigen Risikozuweisung. 3. Die Subsidiarität der Geschäftsgrundlagenlehre Der vorgeschlagenen Anwendung der Geschäftsgrundlagenlehre steht auch nicht ihr subsidiärer Charakter entgegen. Zwar hat die durch § 313 BGB eröffnete richterliche Inhaltskontrolle des Vertrags auf Grundlage der Wertungen von Treu und Glauben hinter den gesetzlichen Regelungen des Leistungsstörungsrechts zurückzustehen.258 Wie aber bereits festgestellt, passt das gesetzliche Haftungsregime der §§ 311a Abs. 2, 326 Abs. 2 BGB, demzufolge nur eine einseitige Risikozuweisung denkbar ist, für Fälle der beiderseits zu vertretenden anfänglichen Unmöglichkeit ersichtlich nicht. Die Anwendung der §§ 311a Abs. 2, 326 Abs. 2 BGB würde eine der vertragsrechtlichen Sekundärhaftung fremde „Alles oder nichts“-Lösung bedeuten, welche von Rechtsprechung und Literatur zu Recht abgelehnt wird.259 Erreichen lässt sich eine Schadensteilung dabei nicht über § 254 Abs. 1 BGB, der als Ausfluss des Verschuldensprinzips keine Anwendung auf das vertrauensschutzbasierte Haftungsregime bei anfänglicher Unmöglichkeit finden kann.260 Eine flexible Ausgestaltung der Haftung bei anfänglicher Unmöglichkeit bedarf mithin einer Rechtsfortbildung auf Grundlage der Geschäftsgrundlagenlehre.261

257 Schur, Leistung und Sorgfalt, S. 44. Jener Gedanke wird besonders deutlich bei Harke, Allgemeines Schuldrecht, Rn. 104, der zunächst betont, dass bei Pflichtwidrigkeit einer Partei die Berufung auf eine Grundlagenstörung ausgeschlossen sei; jene Pflichtwidrigkeit aber wiederum durch eine Pflichtwidrigkeit der Gegenseite kompensiert würden könne. 258 Vgl. Bach, Leistungshindernisse, S. 281, der aber aufgrund der nunmehr gesetzlichen Normierung der Geschäftsgrundlagenlehre nicht mehr von einer generellen Subsidiarität der Geschäftsgrundlagenlehre neben dem Unmöglichkeitsrecht ausgeht (S. 279). 259 Nur so ist der regelmäßige Verweis auf § 254 Abs. 1 BGB zu verstehen: BGH NJW 2014, 3365, 3367; AG Bonn, Urt. v. 4.5.2016 – 111 C 4/16, BeckRS 2016, 13614; Ernst, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 311a Rn. 68; Feldmann, in: Staudinger, Neubearb. 2018, § 311a Rn. 55; Kindl, in: Erman-BGB, 14. Aufl. 2014, § 311a Rn. 10. 260 Siehe bei D. III. 261 Auch Schwarze, Leistungsstörungen, 1. Aufl. 2008, § 6 Rn. 36, S. 82, meint: „An eine Schadensteilung ist zu denken, wenn ein von beiden Seiten zu tragendes Risiko sich verwirklicht hat.“.

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

Eine ersatzweise Anwendung der Geschäftsgrundlagenlehre aufgrund zu starrer gesetzlicher Vorschriften nahm der BGH im Tschernobyl-Fall262 an. Darin weitete das Gericht die reiserechtliche Haftungsvorschrift des § 651j Abs. 2 BGB a.F. (Kündigung wegen höherer Gewalt), welche sich lediglich auf die Tragung der Rückführungskosten beschränkte, auf Hotelstornokosten aus. Hintergrund der Entscheidung war eine vor Reisebeginn ausgesprochene Kündigung des Reisenden wegen des Reaktorunfalls in Tschernobyl. Die Anwendung der Geschäftsgrundlagenlehre begründete der BGH unter anderem mit den zu starren gesetzlichen Vorschriften: „Bei einem Wegfall der Geschäftsgrundlage ist gemäß § 242 BGB grundsätzlich der Inhalt des Vertrags den veränderten Umständen anzupassen. Diese Anpassung kann darin bestehen, daß ein an sich von einer Partei zu tragendes Risiko auf beide Parteien je zur Hälfte verteilt wird. […] Eine solche Risikoverteilung erscheint umso mehr geboten, als die Vorschrift des § 651j BGB hinsichtlich der Kostenpflicht eine zu starre Regelung enthält.“

Dabei liefert vorgenannte Anwendung der Geschäftsgrundlagenlehre ein beredtes Beispiel für deren praktische Bedeutung. Diese beruhe nach Pfeiffer „vor allem auf ihrer Auffangfunktion zur Bewältigung von Sachverhalten, die durch die scharf konturierten Tatbestände des Irrtums- und Leistungsstörungsrechts nicht erfasst werden.“263 Auch Hager meint, die Geschäftsgrundlagenlehre behandle solche „Fälle, auf die die gesetzlichen Regeln mit ihrer eindeutigen Risikozuweisung an die eine oder andere Partei nicht passen, weil die eingetretene Vertragsstörung beide Parteien betrifft.“264 Als exemplarische Anwendungsfälle nennt Pfeiffer etwa „grundstürzende Umwälzungen und Totalkatastrophen“265 – also eben jene Sachverhalte, die nach den Ausführungen in der vorliegenden Arbeit eine beiderseitige Informationsverantwortung und damit eine Anwendung der Geschäftsgrundlagenlehre auslösen.266 Unbenommen bleibt es den Parteien freilich, die Anwendung der Geschäftsgrundlagenlehre dadurch auszuschließen, dass Risiken, die grundsätzlich der Informationsverantwortung beider Parteien unterfallen, vertraglich nur einer Partei zugewiesen werden. Eine vereinbarte Risikoverteilung geht einem Lastenausgleich nach der Geschäftsgrundlagenlehre stets vor.267 Zu den Einzelheiten privatautonomer Risikoverteilung wird auf die untenstehenden Ausführungen unter F. verwiesen. 262

BGH NJW 1990, 572. Pfeiffer, in: jurisPK-BGB, 9. Aufl. 2020, § 313 Rn. 30. 264 Hager, FS Caemmerer (1983), S. 26, 44. 265 Pfeiffer, in: jurisPK-BGB, 9. Aufl. 2020, § 313 Rn. 30. 266 Drittes Kapitel D. II. 4. 267 BGH Urt. vom 23.1.2013 – VIII ZR 47/12, Rn. 16 = NJW 2013, 2745, 2746; OLG Hamm Urt. v. 11. Januar 1999 – 5 U 50/98, juris, Rn. 35 f., Finkenauer, in: MünchKommBGB, 8. Aufl. 2019, § 313 Rn. 51. 263

D. Die beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit

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4. Rechtsfolgen des Fehlens der Geschäftsgrundlage a) Vertragsanpassung Vorrangige Rechtsfolge einer beachtlichen Grundlagenstörung ist nach § 313 Abs. 1 BGB die Vertragsanpassung. Ziel der Vertragsanpassung ist die Ingeltungsetzung derjenigen Regelung, welche die Parteien bei verständiger Würdigung des störenden Umstands ersonnen hätten.268 Diese hypothetische Prüfung folgt aus dem tatbestandlichen Erfordernis der hypothetischen Abschlusskausalität, wonach die Grundlagenstörung derart gestaltet sein muss, dass die Parteien bei deren Berücksichtigung den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten.269 Eben dieser „andere Inhalt“ soll im Rahmen der Vertragsanpassung ergründet werden.270 Die Vertragsanpassung gestaltet sich in Unmöglichkeitsfällen freilich schwierig. So kann die unmögliche Leistung selbst nicht angepasst, sondern allenfalls durch eine mögliche Leistung substituiert werden. Ob eine solche Ersetzung möglich ist, ergibt sich gemäß § 313 Abs. 3 S. 1 BGB aus dem Kriterium der Zumutbarkeit. Dieses soll verhindern, dass der richterliche Eingriff im Wege der Vertragsanpassung nicht willkürlich erfolgt und insbesondere keine von Vertrag und Gesetz losgelösten „Vertragsinhalte“ geschaffen werden.271 Hiervon ausgehend ließe sich ein genereller Ausschluss der Vertragsanpassung in Unmöglichkeitsfällen mit der Begründung annehmen, dass das Leistungsinteresse des Gläubigers sowie das Leistungserbringungsinteresse des Schuldners durch den Vertragsschluss irreversibel auf die vertraglich vereinbarte Leistung fixiert wurden, sodass deren Ersetzung sowohl für Gläubiger als auch Schuldner gänzlich unzumutbar sei. Indes ist die Bestimmung der Zumutbarkeit nicht singulär anhand der vertraglichen Regelung zu messen. Der mit einer Vertragsanpassung verbundene Eingriff in das Vertragsgefüge ist auch dann gerechtfertigt, wenn er sich an einem gesetzlich verankerten Zurechnungsprinzip, wie der schuldhaften Verursa268 Schwarze, Leistungsstörungen, 2. Aufl. 2017, § 6 Rn. 29, S. 105; Medicus, BGB AT, 10. Aufl. 2010, Rn. 879; ders., in: FS Flume I (1978), S. 629, 644 ff.; Finkenauer, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 313 Rn. 89. 269 Finkenauer, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 313 Rn. 89. 270 Diese hypothetische Prüfung wird eingängig kritisiert von Schmidt-Rimpler, FS Nipperdey (1955), S. 1, 5: Man werde „genötigt, etwas, was nicht gewollt ist, als „eigentlich“, in „virtuellem Vorbehalt“ oder wie sonst gewollt zu fingieren oder mindestens als Vertragsinhalt zu ergänzen, während die Problematik der Geschäftsgrundlage gerade darin liegt, daß ein nicht vereinbartes Moment sich rechtlich auswirkt.“ Entscheidend ist letztlich das Kriterium der Zumutbarkeit (siehe im Weiteren) unter Berücksichtigung des Prinzips des geringstmöglichen Eingriffs und der geringstmöglichen Abweichung von der „an sich“ geltenden Rechtsfolge (vgl. Schubert, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 242 Rn. 82). 271 Vgl. Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 139; Schwarze, Leistungsstörungen, 2. Aufl. 2017, § 6 Rn. 30, S. 106.

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

chung (§§ 280 Abs. 1, 283 S. 1 BGB) oder dem Kennenmüssen (§ 311a Abs. 2 S. 2 BGB), orientiert.272 Vorliegend stehen dabei allein solche Fallgestaltungen in Rede, in denen beide Parteien der Vorwurf des Kennenmüssens trifft, sodass der Ermessensspielraum bei der Bestimmung des Anpassungsinhalts folgerichtig ein weiter ist: Parteien, die in schuldhafter Verletzung ihrer Informationspflichten einen unerfüllbaren Vertrag schließen, ist eine Ersetzung der vereinbarten, unmöglichen Leistung danach eher zuzumuten als Parteien, welche kein Schuldvorwurf trifft.273 Der Umstand des Kennenmüssens ist mit anderen Worten bei der Frage nach der Zumutbarkeit der Vertragsanpassung insoweit zu berücksichtigen, als dass er den von den Parteien abzuverlangenden Grad der Abweichung von der vertraglichen Regelung erhöht. Die vorgenannten Wertungen liegen in aller Klarheit der BGH-Entscheidung im Wochenendhausfall274 zugrunde. Dieser hatte einen Vertrag über die Herstellung und Montage zweier Fertighäuser zum Gegenstand, wobei der beklagte Werkunternehmer den Bestellern ihren Wünschen („gesunde Luft und schöne Lage“) und finanziellen Möglichkeiten entsprechende Pachtgrundstücke verschaffen sollte, auf denen die Häuser errichtet werden sollten. Tatsächlich aber konnten für die in diesem Zuge vermittelten Grundstücke – entgegen der beiderseitigen Erwartung – keine Baugenehmigungen erwirkt werden, was die Unmöglichkeit der Errichtung der Fertighäuser zur Folge hatte. Der BGH führte dazu aus, dass die Vorschriften über die Unmöglichkeit dahinstehen könnten. So handele es sich bei der Versagung der Baugenehmigung um ein gemeinsames Risiko beider Parteien, sodass die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage anzuwenden seien. Dabei entschied sich der BGH für eine Vertragsanpassung dahingehend, dass der Werkunternehmer andere, mit ähnlichen Eigenschaften ausgestatte Baugrundstücke zu verschaffen hatte, für die entsprechende Baugenehmigungen erwirkt werden konnten. Der Werkunternehmer hatte während des Verfahrens betont, Grundstücke ähnlicher Art in gleicher Gegend besorgen zu können. Zudem war es nach dem eigenen Vorbringen der Kläger für diese nicht entscheidend, dass die Häuser gerade auf den ihnen ursprünglich zugewiesenen Pachtgrundstücken errichtet wurden.

272 Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 141; Schwarze, Leistungsstörungen, 2. Aufl. 2017, § 6 Rn. 29, S. 106; Pfeiffer, in: jurisPK-BGB, 9. Aufl. 2020, § 313 Rn. 61, S. 65. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 313 Abs. 1 BGB, wonach die Unzumutbarkeit „unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung“, zu bestimmen ist. 273 Vgl. Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 39: „Da die fehlerhafte Sachverhaltsaufklärung in den Verantwortungsbereich beider Parteien fällt, darf sich keine Partei auf den übereinstimmend falsch ermittelten objektiven Vertragsinhalt berufen.“. 274 BGH JZ 1966, 409 f.; dazu Bach, Leistungshindernisse, S. 627.

D. Die beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit

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Zur Beantwortung der Frage, wann die Ersetzung der Naturalleistung durch eine wesentlich gleiche möglich ist, kann auf die Grundsätze zur Nachlieferung bei unmöglich gewordener Stückschuld zurückgegriffen werden.275 Entscheidend ist danach, inwieweit das Leistungsinteresse durch eine gleichartige und gleichwertige Leistung befriedigt werden kann.276 In Wahrung des Unzumutbarkeitsprinzips, das die Interessen beider Parteien in Betracht zieht, ist darauf zu achten, dass einerseits die Verwendungsmöglichkeiten des Gläubigers nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt werden und andererseits die Leistungserbringung dem Schuldner keinen erheblichen Mehraufwand aufbürdet.277 b) Anpassung auf Sekundärebene Ist eine Vertragsanpassung nach obigen Grundsätzen nicht möglich, bliebe nach dem Wortlaut des § 313 BGB einzig der Rücktritt vom Vertrag, welcher aber angesichts des Wegfalls der Leistungspflichten gem. §§ 275, 326 Abs. 1 BGB und dem ohnehin bestehenden Rücktrittsrecht des Gläubigers aus § 326 Abs. 5 BGB hinfällig wäre. Die Anwendung des § 313 BGB würde damit in den meisten Fällen der beiderseits zu vertretenden anfänglichen Unmöglichkeit keine nennenswerte Änderung zur vorgestellten „Alles oder Nichts“Lösung bedeuten, woraus sich ein Widerspruch zur vielfach propagierten Flexibilität der Geschäftsgrundlagenlehre ergibt. Die Geschäftsgrundlagenlehre muss daher die Primärebene verlassen und auch auf der Sekundärebene eine Anpassung der Rechtsfolgen ermöglichen. Ausgehend von der Konzeption des Leistungsstörungsrechts, das an den Wegfall der Primärpflicht eine Schadensersatzpflicht (§§ 283, 311a Abs. 2 BGB) knüpft, ist demnach auch die Geschäftsgrundlagenstörung nicht als bloßer Entlastungsgrund zu verstehen. Sie ebnet gleichermaßen den Weg für eine Lastenzuweisung auf der Sekundärebene. aa) Wandlung der Naturalleistungspflicht in der Rechtsprechung und dogmatische Begründung Schollmeyers Ausgangspunkt einer solchen Ausweitung der Geschäftsgrundlagenlehre auf die Sekundärebene bildet die Rechtsprechung zur Wandlung der Naturalleistungspflicht in Geschäftsgrundlagenfällen.278 Demnach könne im Wege der Vertragsanpassung der Primäranspruch durch einen Sekundäranspruch er275

Bereits Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 140, Fn. 207. Vgl. BGH NJW 2006, 2839, 2841 sowie die Leitsätze. 277 Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 39: Prinzip des geringstmöglichen Eingriffs in die objektiv eingegangenen Verpflichtungen. 278 Vgl. BGH NJW 1993, 850; BGH MDR 1995, 464; OLG Düsseldorf MDR 2001, 1287. 276

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

setzt werden, soweit dies zum Ausgleich von Schäden und Aufwendungen oder zur Absicherung des Leistungsinteresses erforderlich ist.279 Konstruktiv wird dies durch eine Umwandlung der Naturalleistungspflicht in eine Zahlungspflicht erreicht. Exemplarisch für die Theorie von der Wandlung der Naturalleistungspflicht steht der Pflegeleistungsfall des BGH.280 Dem Sachverhalt nach hatte die Klägerin der Beklagten ein Grundstück übertragen. Als Gegenleistung sollte die Beklagte u.a. den Lebensgefährten der Klägerin „in gesunden und kranken Tagen“ pflegen und betreuen. Die vereinbarten Pflege- und Betreuungsleistungen wurden zunächst wie vereinbart erbracht. Dann aber entwickelte sich zwischen Klägerin und Beklagter ein tiefgreifendes Zerwürfnis, sodass der Klägerin die Entgegennahme der Betreuungsleistungen durch die Beklagte nicht mehr zugemutet werden konnten. Doch sei nach Auffassung des Gerichts der Vertrag gemäß den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage dahingehend anzupassen, dass an die Stelle der von der Beklagten geschuldeten Pflege- und Betreuungsleistungen ein Zahlungsanspruch trete.281 Die Höhe dieses Anspruchs sei nach den Kosten zu bestimmen, die die Klägerin aufzuwenden habe, um die von der Beklagten geschuldeten Dienste von einem Dritten zu erhalten. Ähnlich gestaltete sich ein Fall des LAG Nürnberg,282 in dem über die Klage eines Arbeitnehmers auf Geldentschädigung wegen unterlassener Beförderung zu und von der Arbeitsstelle zu entscheiden war. Die Beförderung wurde lange Zeit im Wege eines kostenlosen Werkbusverkehrs sichergestellt, woraus sich zunächst ein Anspruch des Klägers aus betrieblicher Übung (§§ 133, 157 BGB) ergab. Im Rahmen eines Vergleichs verzichteten sodann alle Arbeitnehmer mit Ausnahme des Klägers auf die Beförderung, wobei gegenüber dem Kläger vorsorglich eine Änderungskündigung ausgesprochen wurde. Nach Auffassung des Gerichts war mit dem Verzicht der Arbeitnehmer auf die Beförderung auch die Geschäftsgrundlage für eine weitere Beförderung des Klägers entfallen. Ein weiteres Festhalten an der betrieblichen Übung, was im Ergebnis den Einsatz des Werkbusses allein für den 279

Vgl. Roth, in: MünchKomm-BGB, 3. Aufl. 1999, § 242 Rn. 550; Schwarze, Recht der Leistungsstörungen, 1. Aufl. 2008, § 6 Rn. 36, S. 82; Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 408. 280 BGH NJW-RR 2002, 853 = DNotZ 2002, 714 = JZ 2002, 774 m. Anm. Stadler. 281 Anders der Pflegeleistungsfall des OLG Hamm Urt. v. 11. Januar 1999 – 5 U 50/98, juris, Rn. 35 f., indem nach Umzug des Pflegeleistungsberechtigten in ein Alten- und Pflegeheim eine Umwandlung des Anspruchs auf häusliche Pflege in einen Anspruch auf Zahlung einer Geldrente u.a. deshalb abgelehnt wurde, weil der Wegfall des Bedarfs an häuslichen Pflegeleistungen nach den vertraglichen Vereinbarungen dem Risikobereich des Pflegeleistungsberechtigten unterfiel. Damit schied eine Anwendung der Geschäftsgrundlagenlehre aufgrund des Vorrangs der vertraglichen Risikoverteilung aus. 282 NZA-RR 2005, 291.

D. Die beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit

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Kläger bedeutet hätte, war dem Arbeitgeber nicht zumutbar. Für den Zeitraum ab Verzichtserklärung der Arbeitnehmer bis zum Wirksamwerden der Änderungskündigung gegenüber dem Kläger ordnete das Gericht aber die Umwandlung der Beförderungspflicht in eine Geldzahlung an. In seiner umfassenden Monographie zur Geschäftsgrundlage283 führte Schollmeyer der vorgestellten Judikatur eine dogmatische Begründung zu.284 Demnach bedürfe der Schutz des Leistungsinteresses im Falle einer Vertragsanpassung oder eines Rücktritts (§ 313 Abs. 1, 3 BGB) desgleichen Schutzes wie in Unmöglichkeitsfällen. Ebenso wie der Ausschluss der Leistungspflicht nach § 275 BGB beeinträchtigen die Vertragsanpassung sowie der Rücktritt mit seinen Rechtsfolgen aus §§ 346 ff. BGB das Leistungsinteresse des Gläubigers. Die nach dem Wortlaut nur auf Unmöglichkeitsfälle anwendbaren Haftungsvorschriften der §§ 283, 311a Abs. 2 BGB seien daher im Falle einer beachtlichen Grundlagenstörung und bei entsprechendem Verschulden des Schuldners analog anzuwenden.285 Nur so bleibe die Wertungskonsistenz der Geschäftsgrundlagenlehre im Verhältnis zum Leistungsstörungsrecht gewahrt.286 Bei der durch die Rechtsprechung vorgenommene Umwandlung der Primärleistungspflicht handele es sich also in Wahrheit um eine Haftung auf das positive Interesse analog §§ 283, 311a Abs. 2 BGB – ohne dass freilich die gesetzlichen Wertungen kenntlich gemacht würden.287 Vorgenannte Entscheidungen und deren Rezeption im Schrifttum belegen eine allgemeine Tendenz, bei beachtlicher Grundlagenstörung und Ausbleiben der Naturalleistung auf einen Geldersatz in Höhe des positiven Interesses überzugehen.288 Dies entspricht zwar noch nicht der vorgeschlagenen Schadensteilung auf Basis der Geschäftsgrundlagenlehre. Doch lässt sich der beschriebenen Judikatur eine Aussage dahingehend entnehmen, dass die Geschäftsgrundlagenstörung nicht allein eine Anpassung des vertraglichen Leistungsprogramms ermöglicht, sondern gleichermaßen den Weg für einen Schadensausgleich auf der Sekundärebene ebnet.

283

Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, 2014. Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 144 ff., 399 ff., 410 ff. 285 Zustimmend: Schwarze, Recht der Leistungsstörungen, 2. Aufl. 2017, § 6 Rn. 36, S. 110. 286 Bereits zuvor für eine Notwendigkeit der Haftung unter diesem Gesichtspunkt: Schwarze, Recht der Leistungsstörungen, 1. Aufl. 2008, § 6 Rn. 36, S. 82. 287 Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 408. 288 Neben dieser „Quasi-Haftung“ auf das positive Interesse sah der BGH vereinzelt auch einen Aufwendungsersatzanspruch im Rahmen der Vertragsanpassung vor: BGH LM Nr. 20 § 242 (Bb) BGB („Landpachtfall“) sowie BGH ZMR 1996, 309 („Kraftwerksfall“). In Anlehnung an das Leistungsstörungsrecht führt Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 47, 349 ff., 409, jene Ansprüche folgerichtig auf die Wertungen des § 284 BGB zurück. 284

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

bb) Schadensteilung infolge Grundlagenstörung Einer (hälftigen) Schadensteilung auf Basis der Geschäftsgrundlagenlehre begegnet man im Zuchtgewerbefall289 des OLG Frankfurt. Der Entscheidung lag folgende Sachverhaltskonstellation zugrunde: Der verstorbene Ehemann der Beklagten hatte vom Kläger Zuchttiere gekauft, um damit eine Pelztierfarm zu betreiben. Hierbei sollte der Kläger dem Käufer beratend zur Seite stehen und die später erwirtschafteten Felle selbst wieder abnehmen. Mit dem Tod des Käufers scheiterte dieses Unterfangen, sodass dessen Ehefrau die Kaufpreiszahlung unter Berufung auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage verweigerte. Das OLG Frankfurt nahm eine solche Grundlagenstörung an. Zwar sei die Verwendung des Kaufgegenstands grundsätzlich das Risiko des Käufers oder, wie hier, das Risiko der Rechtsnachfolgerin. Doch war der Betrieb der Pelztierfarm, angesichts der vereinbarten Beratungstätigkeit des Klägers und dessen Abnahmepflicht, eindeutig Vertragszweck geworden, welcher dem Risikobereich beider Parteien unterfiele. Das Gericht ließ die Pflicht zur Kaufpreiszahlung entfallen, nahm aber eine Vertragsanpassung dahingehend vor, dass die Beklagte dem Verkäufer den entgangenen Gewinn hälftig zu ersetzen hatte. Auch sei nochmals der Tschernobyl-Fall des BGH290 in Erinnerung gerufen, indem die reiserechtliche Haftungsvorschrift des § 651j Abs. 2 BGB a.F. (Kündigung wegen höherer Gewalt), welche sich lediglich auf die Tragung der Rückführungskosten beschränkte, auf Hotelstornokosten ausgeweitet wurde. Die vorgenommene Anpassung der sekundärrechtlichen Haftung auf Basis der Geschäftsgrundlagenlehre bestand nach den Ausführungen des Gerichts darin, „daß ein an sich von einer Partei zu tragendes Risiko auf beide Parteien je zur Hälfte verteilt wird.“ Die beschriebene Judikatur ist Ausdruck einer Geschäftsgrundlagenlehre, die sich nicht als zum haftungsbewährten Leistungsstörungsrecht strukturverschieden begreift.291 Neben den Entlastungsinstrumenten der Vertragsanpassung (auf Primärebene) und Rücktritt ist danach – gleich der Konzeption des Leistungsstörungsrechts – eine Lastenzuweisung auf Sekundärebene vorgesehen. Diese Nuance der Geschäftsgrundlagenlehre greift immer dann, wenn sich die gesetzlichen Haftungstatbestände, wie etwa im Fall der beiderseits zu vertretenden anfänglichen Unmöglichkeit, einer nach Verantwortungsanteilen gebotenen Lastenzuweisung versperren.

289

OLG Frankfurt a. M. MDR 1974, 401; krit.: Schollmeyer, Selbstverantwortung und Geschäftsgrundlage, S. 370 f. 290 BGH NJW 1990, 572; siehe bereits bei D. IV. 3. 291 So aber Weller, Die Vertragstreue, S. 300; U. Huber, FS Schlechtriem (2003), S. 521, 558. Siehe bereits bei D. IV. 2.

D. Die beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit

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cc) Zur Auslegung des § 313 Abs. 1 BGB Stellt sich noch die Frage, wie die vorgeschlagene Schadensverteilung auf Basis der Geschäftsgrundlagenlehre methodisch zu erreichen ist. § 313 Abs. 1 BGB spricht insoweit nur von einer Vertragsanpassung. Hierunter kann nach dem dargelegten Vertragsverständnis, wonach dem Vertrag allein die Primärpflichten entspringen, aber lediglich eine Anpassung auf Primärebene verstanden werden.292 Indes verkennt eine solch wortlautverhaftete Auslegung des § 313 Abs. 1 BGB die kodifikatorische Historie der Vorschrift. Diese enthält seit dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes eine gesetzliche Fixierung der bereits zuvor von der Rechtsprechung anerkannten Geschäftsgrundlagenlehre.293 Der Gesetzgeber zielte in § 313 Abs. 1 BGB nicht auf eine Modifikation der bisherigen Rechtslage, sondern knüpfte schlicht an die bisherige Rechtspraxis an.294 Diese sah, wie vorausgegangen dargestellt, regelmäßig eine Anpassung auch auf Sekundärebene vor. Folgerichtig kann für § 313 Abs. 1 BGB als Kodifikation jener Rechtsprechung nichts Anderes gelten. § 313 Abs. 1 BGB ist mithin dahingehend auszulegen, dass der Begriff der Vertragsanpassung auch die Schadensverteilung auf Sekundärebene umfasst.

V. Fazit Für die Fälle der beiderseits zu vertretenden anfänglichen Unmöglichkeit ergibt sich folgender Befund: 1. Eine beiderseitige Informationsverantwortung für ein anfängliches Leistungshindernis ist nur dann denkbar, wenn das Leistungshindernis aufgrund seiner universalen Dimension der Vertragsdurchführung vollumfassend die Grundlage entzieht und damit die Planungsbereiche von Schuldner und Gläubiger gleichermaßen betrifft. 2. Die auf dem Verschuldensprinzip gründende Mitverschuldensvorschrift des § 254 Abs. 1 BGB ist auf die Vertrauenshaftungsvorschrift des § 311a Abs. 2 BGB nicht anwendbar. Betrifft das Leistungshindernis die Informationsverantwortung beider Parteien, wären etwaige (Vertrauenshaftungs-) Ansprüche aus §§ 311a Abs. 2, 326 Abs. 2 BGB vielmehr mangels schutzwürdigen Vertrauens auf beiden Seiten ausgeschlossen. 3. Die beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit konstituiert einen Anwendungsfall der Geschäftsgrundlagenlehre. Dies führt – sofern eine Anpassung der vertraglichen Primärpflichten nicht möglich ist – zu einer Schadensteilung auf Sekundärebene. Methodisch erreicht wird dieses Ergeb292

Siehe Zweites Kapitel B. III. Pfeiffer, in: jurisPK-BGB, 9. Aufl. 2020, § 313 Rn. 1. 294 Pfeiffer, in: jurisPK-BGB, 9. Aufl. 2020, § 313 Rn. 2. 293

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

nis im Wege einer erweiterten Auslegung des § 313 Abs. 1 BGB, wonach sich die Vertragsanpassung nicht allein auf die Primärpflichten beschränkt, sondern auch eine Anpassung der sekundärrechtlichen Haftungsfolgen ermöglicht.

E. Keine analoge Anwendung des § 122 BGB bei keinerseits zu vertretender Unmöglichkeit In aller Kürze sei noch auf die von Canaris295 propagierte analoge Anwendung des § 122 BGB bei keinerseits zu vertretender anfänglicher Unmöglichkeit eingegangen. Nach § 122 Abs. 1 BGB muss derjenige, welcher sich infolge eines Irrtums durch Anfechtung vom Vertrag löst, dem Vertragspartner den hieraus entstandenen Vertrauensschaden verschuldensunabhängig ersetzen. Dies gilt auch dann, wenn der Erklärende einem ausnahmsweise beachtlichen Motivirrtum i.S.d. § 119 Abs. 2 BGB unterliegt. Canaris begründet die analoge Anwendung dieses Rechtssatzes nun anhand eines drohenden Wertungswiderspruchs von Irrtumsrecht und der Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit, welcher sich daraus ergäbe, dass auch in Fällen anfänglicher Unmöglichkeit der Schuldner einem Motivirrtum (über seine eigene Leistungsfähigkeit) unterliegt, er sich über § 275 BGB vom Vertrag lösen kann, ihn aber, anders als in den Fällen des § 122 BGB, keine verschuldensunabhängige Haftung trifft.296 Jene vermeintliche Ungleichbehandlung rechtfertigt sich indes aus der Wesensverschiedenheit des Irrtums über die eigene Leistungsfähigkeit und jenen Irrtümern, die dem § 119 BGB unterfallen. So liegt den Irrtumsfällen des § 119 BGB stets ein Auseinanderfallen von objektivem Erklärungsinhalt und Wille des Erklärenden zugrunde.297 Maßgeblich für die Loslösung des Vertrags im Wege der Anfechtung ist insoweit ein psychisches Internum, welches sich jeder Feststellbarkeit entzieht.298 Die Haftungsanordnung des § 122 BGB trägt diesem Umstand Rechnung, indem sie den Erklärenden, welcher alleine das Erklärungsrisiko beherrscht, zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichtet. Demgegenüber gründet der Irrtum über die eigene 295 Canaris, in: Schulze/Schulte-Nölke (Hrsg.), Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, S. 64 f.; ders., JZ 2001, S. 499, 507 f.; ablehnend: Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, S. 297 ff.; Cekovic-Vuletic, Haftung wegen Unmöglichkeit, S. 69 ff.; Kirsten, Verschuldensabhängige Schadensersatzhaftung, S. 375 ff. 296 Canaris, JZ 2001, S. 499, 508. 297 Armbrüster, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 119 Rn. 1 m.w.N. 298 Vgl. Brose, Irrtum über den Inhalt der Erklärung, S. 40.

F. Vertragliche Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

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Leistungsfähigkeit auf einem Auseinanderfallen von objektivem Erklärungsinhalt und der Vertragswirklichkeit: Das vereinbarte Leistungsprogramm lässt sich nicht erfüllen.299 Dieser Umstand aber ist – anders als der innere Wille des Erklärenden – objektiv feststellbar und schon deshalb nicht per se dem Risikobereich nur einer Partei zuzuordnen. Soweit also keine der Parteien ein Informationsverschulden i.S.d. §§ 311a Abs. 2 S. 2, 326 Abs. 2 S. 1 BGB trifft, bleibt es beim allgemeinen Grundsatz des Leistungsstörungsrechts, wonach jede Partei den ihr entstandenen Schaden selbst zu tragen hat. Vorgenannte Differenzierung findet sich bereits in den Protokollen zum BGB. Darin heißt es, die Ersatzpflicht des Anfechtenden gründe auf der „Erwägung, daß der Empfänger der Willenserklärung, weil sich der Willensmangel im Innern des Erklärenden vollziehe, außer Stande sei, sich Kenntniß vom wirklichen Willen des Erklärenden zu verschaffen [...] Solche Rücksichten seien aber bei den auf eine unmögliche Leistung gerichteten Verträgen nicht geboten, und könne auch in dieser Richtung ein Verkehrsbedürfniß nicht anerkannt werden. Beide vertragschließenden Theile seien in der Lage, über die Existenz des Gegenstandes der Leistung Ermittelungen anzustellen.“300 Es geht also bei § 122 BGB um ein Einstehenmüssen für die eigene Willenserklärung und die damit unmittelbar verbundene Erklärungsgefahr.301 Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf an sich erklärungsfremde, erst über das vereinbarte Leistungsprogramm Relevanz entfaltende Risiken scheidet aus.

F. Vertragliche Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit Um die Untersuchung der Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit zu komplettieren, ist noch die Möglichkeit privatautonomer Risikoverteilung zu berücksichtigen.

I. Abdingbarkeit der §§ 311a Abs. 2, 326 Abs. 2 S. 1 BGB Für die Abdingbarkeit des § 311a Abs. 2 BGB gilt, wie auch für die übrige Sekundärhaftung nach den §§ 280 ff. BGB, die Grenze des § 276 Abs. 3 BGB.

299

Ackermann, Die Haftung auf das negative Interesse, S. 145. Mugdan II, S. 616 f.; dazu: Ackermann, Die Haftung auf das negative Interesse, S. 440 ff. 301 Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung im Schuldverhältnis, S. 95; Benedict, Culpa in Contrahendo I, S. 259. 300

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

Der darin zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke, wonach sich niemand der Willkür des anderen ausliefern soll,302 greift nicht nur bei vorsätzlicher Herbeiführung der Leistungsstörung, als vielmehr auch bei Kenntnisverschulden i.S.d. § 311a Abs. 2 S. 2 BGB.303 Denn der Schuldner, welcher trotz Kenntnis des Leistungshindernisses einen Vertrag schließt, täuscht den Gläubiger arglistig über die Möglichkeit der Leistungserbringung, wobei Arglist nach allgemeiner zivilistischer Dogmatik dem Vorsatz gleichzustellen ist.304 Auch eine Haftungsbegrenzung der Höhe nach, etwa auf das negative Interesse, ist insoweit nicht zulässig. Die Positivität der Haftung bei Kenntnisverschulden wird nicht auch zuletzt durch die Regelung über den Haftungsausschluss bei Sachmängeln aus § 444 1. Alt. BGB bestätigt. Danach kann sich der Verkäufer auf einen Ausschluss der Sachmängelhaftung nicht berufen, wenn er dem Käufer den Sachmangel arglistig verschwiegen hat. Anders zu bewerten sind freilich Haftungsvereinbarungen für den Fall des Kennenmüssens. So handelt es sich bei der entsprechenden Haftungsanordnung aus § 311a Abs. 2 BGB, ausweislich der Legaldefinition des Kennenmüssens in § 122 Abs. 2 BGB, um eine Fahrlässigkeitshaftung, welche im Umkehrschluss zu § 276 Abs. 3 BGB (argumentum e contrario) jedenfalls individualvertraglich305 abdingbar ist. Da die Regelung über die Gläubigerverantwortlichkeit in § 326 Abs. 2 S. 1 BGB nach der zu Recht herrschenden Lehre gleichsam Spiegelbild der Schuldnerhaftung aus §§ 280 ff., 311a Abs. 2 BGB ist,306 kann für deren Abdingbarkeit nichts Anderes gelten. Ungeachtet anderslautender Vereinbarungen bleibt der Gläubiger demnach bei Kenntnis der Unmöglichkeit zur Gegenleistung verpflichtet. Für den Fall eines etwaigen Kennenmüssens auf Gläubigerseite ist dagegen eine von § 326 Abs. 2 S. 1 BGB abweichende Vereinbarung zulässig.

II. Haftungserweiterung durch Garantieübernahme Denkbar ist auch, die Schadensersatzpflicht des Schuldners aus § 311a Abs. 2 BGB zu einer Garantiehaftung zu erweitern.307 Dem entspricht auf Gläubigerseite der Verzicht auf die Vorschrift über den Wegfall der Gegenleistungspflicht aus § 326 Abs. 1 S. 1 BGB und damit die Verpflichtung zur 302

Grundmann, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 276 Rn. 182. Vgl. Gsell, in: Soergel, 13. Aufl. 2013, § 311a Rn. 76. 304 Vgl. Looschelders, GS U. Hübner (2012), S. 147, 148 m.w.N. 305 Für die Zulassung einer entsprechenden Regelung auch in AGB: Ernst, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 311a Rn. 57, 105. 306 Siehe bereits unter C. III. 3. 307 Vgl. Ernst, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2019, § 311a Rn. 105; Gsell, in: Soergel, 13. Aufl. 2013, § 311a Rn. 78. 303

F. Vertragliche Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

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Gegenleistung ungeachtet etwaiger Leistungshindernisse. Bedeutung erlangen derartige Absprachen insbesondere beim Unternehmenskauf, wenn einzelne Risiken allein der Verkäufer- oder Käuferseite zugewiesen werden sollen. Dabei bezieht sich die Garantiehaftung des Schuldners respektive die unbedingte Gegenleistungspflicht des Gläubigers üblicherweise nicht auf die generelle Möglichkeit der Unternehmensübertragung, als vielmehr auf einzelne, vertraglich klar explizierte Leistungshindernisse.308

III. Sonderkonstellationen 1. Risikoverträge Vorrangig vor etwaigen Vereinbarungen, welche die Anwendbarkeit der einschlägigen Haftungs- und Gefahrtragungsvorschriften als solche betreffen, sind Vereinbarungen über den Inhalt der Leistungspflicht, da erst der Leistungsinhalt über das Vorliegen einer Unmöglichkeit und damit die Einschlägigkeit der §§ 311a Abs. 2, 326 Abs. 1, 2, 313 BGB bestimmt. Diese Erwägung gilt es im Besonderen bei der rechtlichen Bewertung sogenannter Risiko- oder Spekulationsgeschäfte zu berücksichtigen. Exemplarisch hierfür stehen jene Fälle, in denen zum Zwecke der Bebauung Grundstücke erworben werden, diese sich aber nach Vertragsschluss als nicht bebaubar erweisen.309 Dabei liegt eine Leistungsunmöglichkeit immer nur dann vor, wenn auch tatsächlich Bauland geschuldet ist. Wird das Grundstück hingegen ungeachtet der Verwendungsmöglichkeit auf Käuferseite veräußert, kann in der Unbebaubarkeit des Grundstücks schon keine Leistungsstörung erkannt werden. Den Gegenstand der Leistungspflicht gilt es insoweit aus den ausdrücklichen oder notfalls den stillschweigenden Parteiabsprachen zu entnehmen. Eine zentrale Rolle nimmt hierbei der Grundstückspreis ein, wird dessen Höhe doch maßgeblich durch die Bebaubarkeit des Grundstücks beeinflusst.310 Der BGH betont, dass sobald der Quadratmeterpreis unter demjenigen von Bauland liegt, in der Regel nur Bauerwartungsland geschuldet ist. Der Käufer erlangt dann keinen Anspruch auf (sofort) bebaubares Land, sondern auf „Land, bezüglich dessen nur eine – je nach Sachlage mehr oder minder große – Chance künftiger Bebaubarkeit besteht.“311 Aus der fortwährenden Unbebaubarkeit des Grundstücks folgt also keine Leistungsunmöglichkeit; mithin auch keine Befreiung von der Gegenleistungspflicht nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Käufer bleibt trotz

308

Sog. warranties und indemnities. Vgl. BGH BB 1965, 1291; 1969, 422; NJW 1969, 837; WM 1971, 528; NJW 1978, 1429; 1979, 1818; zur Fallgruppe: Johlen, NJW 1979, S. 1531 ff. 310 Johlen, NJW 1979, S. 1531, 1532. 311 BGH NJW 1979, 1818, 1819. 309

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

Unbebaubarkeit des Grundstücks zur Kaufpreiszahlung verpflichtet. Diese Gefahrtragung durch den Käufer ist auch sachgerecht. Denn wer die noch im Ungewissen liegende Chance eines vorteilhaften Geschäfts ausnutzen will, mit anderen Worten spekuliert, nimmt naturgemäß auch das entsprechende Risiko der Nichtverwirklichung jener Chance auf sich.312 Für den Fall, dass die Parteien in sicherer Erwartung der zukünftigen Bebaubarkeit einen Grundstückskaufvertrag schließen, sich diese Erwartung aber nicht erfüllt, wird auf die Ausführungen unter D. II. 4. c) aa) verwiesen. 2. Absurde Verträge Fall 10 (nach BGH NJW 2011, 756): In einer durch Beziehungsprobleme ausgelösten Lebenskrise wandte sich A an die Kartenlegerin B, die über ihren Internetauftritt sogenanntes „Life Coaching“ gegen Entgelt anbot. Über einen längeren Zeitraum legte B dem A regelmäßig zu verschiedenen – privaten und beruflichen – Lebensfragen die Karten und erteilte Ratschläge.

Bei der Beurteilung von Streitfällen, die das Bemühen übernatürlicher, d.h. nicht in der wissenschaftlichen Erkenntnis und Erfahrungen des Lebens begründeter Kräfte zum Gegenstand haben, folgt der BGH einem differenzierten Ansatz. Zu unterscheiden sei danach, ob es um die bloße unterhaltungsweise Darbietung scheinbarer Magie gehen soll, ob in Wirklichkeit Lebensberatung in bloßer Einkleidung durch magische oder esoterische Handlungen geschuldet wird, oder ob Inhalt der Leistungspflicht tatsächlich die Bewirkung magischer Leistungen ist.313 a) Vereinbarung bloß scheinbarer Magie In den ersten beiden Fällen plädiert der BGH zutreffend für eine Auslegung des Vertrags dahingehend, dass die Parteien nicht den Einsatz übernatürlicher Kräfte vereinbart haben, sondern eine lediglich jahrmarktähnliche Darbietung respektive eine echte Lebensberatung. Die grundgesetzlich garantierte Privatautonomie überlässt es den Parteien, die entgeltliche Erbringung auch unsinniger, nur den Anschein der Magie tragender Leistungen zu vereinbaren.314 Ein Unmöglichkeitsfall liegt in besagten Sachverhaltskonstellationen nicht vor; die damit verbundene Frage der Risikozuweisung stellt sich nicht.

312

Vgl. Weber, in: Staudinger, 11. Aufl. 1961, § 242 B 491, B 498. Vgl. BGH NJW 2011, 756; Anmerkung hierzu von Pfeiffer, LMK 2011, 314413. Ein Überblick über die einschlägige instanzgerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung findet sich bei Meyerer, Rechtsprobleme einer Leistungserbringung auf parapsychologischer Grundlage, 2019. 314 Vgl. AG Bad Segeberg Urt. v. 5.3.2015 – 17a C 87/14, juris, Rn. 88. 313

F. Vertragliche Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

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b) Vereinbarung „echter“ Magie Dagegen geht der BGH in Fällen, in denen tatsächlich die Bewirkung magischer Leistungen vereinbart ist, von einem auf eine unmögliche Leistung gerichteten Vertrag aus: „Eine Leistung ist objektiv unmöglich und kann deshalb nicht verlangt oder gar erzwungen werden (§ 275 Abs. 1 BGB), wenn sie nach den Naturgesetzen oder nach dem Stand der Erkenntnis von Wissenschaft und Technik schlechthin nicht erbracht werden kann. So liegt es beim Versprechen des Einsatzes übernatürlicher, ,magischer‘ oder parapsychologischer Kräfte und Fähigkeiten. Es ist für den Bereich des Rechts allgemein anerkannt und offenkundig, dass die Existenz magischer oder parapsychologischer Kräfte und Fähigkeiten nicht beweisbar ist, sondern lediglich dem Glauben oder Aberglauben, der Vorstellung oder dem Wahn angehört; diese Kräfte und Fähigkeiten können, als nicht in der wissenschaftlichen Erkenntnis und Erfahrung des Lebens begründet, vom Richter nicht als Quelle realer Wirkungen anerkannt werden, sondern sind in rechtlicher Beziehung nicht als Mittel zur Herbeiführung irgendwelcher Veränderung in der Welt des Tatsächlichen anzusehen.“315

Zur Bestimmung der Risikozuweisung bei Vereinbarung „echter“ Magie ist wiederum zwischen drei Fallgruppen zu unterscheiden. aa) Beiderseitige Kenntnis der naturgesetzlichen Unmöglichkeit Die erste Fallgruppe betrifft jene Konstellationen, in denen die Parteien die Unmöglichkeit der Leistung, wie sie sich nach den Naturgesetzen bestimmt, kennen, jedoch „mit dem Abschluss des Vertrags [bewusst] den Boden wissenschaftlich gesicherter Erfahrungen [verlassen] und sich auf die Ebene eines vernunftmäßig nicht mehr begründbaren und verifizierbaren Vertrauens in übersinnliche Erkenntnis- und Beeinflussungsmöglichkeiten [begeben].“316 Zentral ist in diesem Zusammenhang die Frage nach dem Schicksal der Gegenleistungspflicht. Gemäß der Preisgefahrtragungsvorschrift des § 326 Abs. 1 S. 1 BGB würde die Gegenleistungspflicht angesichts der naturgesetzlichen Unmöglichkeit der Hauptleistung wegfallen. Wie aber der Bundesgerichtshof beifallswürdig ausführt, würde es Inhalt und Zweck des Vertrags sowie den Motiven und Vorstellungen der Parteien widersprechen, die Gegenleistungspflicht mit Verweis auf die naturgesetzliche Unmöglichkeit der Hauptleistung zu verneinen, wenngleich die Parteien den Vertrag gerade im Bewusstsein darüber geschlossen haben, dass die Geeignetheit und Tauglichkeit dieser Leistung zur Erreichung des gewünschten Erfolgs rational nicht 315 BGH NJW 2011, 756, 757. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Erfolg oder lediglich eine Dienstleistung geschuldet wird, da auch bei einem Dienstvertrag ein bestimmtes Ziel verfolgt wird. Insofern liegt gleichermaßen eine „naturgesetzliche Unmöglichkeit“ vor, wenn das verfolgte Ziel nach den Erkenntnissen der Wissenschaft per se nicht erreichbar ist. 316 BGH NJW 2011, 756, 758, Rn. 18.

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

erklärbar ist. Die vertragliche Vereinbarung gebietet es insoweit, den Umstand der naturgesetzlichen Unmöglichkeit außer Betracht zu lassen. Die Möglichkeit der Leistung wird gleichsam fingiert, sodass jede einfachgesetzliche Unmöglichkeitsfolge wie die Haftung nach § 311a Abs. 2 BGB oder die Gefahrtragung nach den § 326 Abs. 1, 2 BGB als abbedungen gilt.317 Mit anderen Worten: Der Gläubiger bleibt entgegen § 326 Abs. 1 S. 1 BGB zur Gegenleistung verpflichtet. Eine Haftung des Schuldners nach § 311a Abs. 2 BGB ist ausgeschlossen. Dies stellt im Übrigen keinen Verstoß gegen die Grenzen der Haftungsbeschränkung aus § 276 Abs. 3 BGB dar – auch wenn diese, wie dargelegt, auch bei Kenntnis von der Unmöglichkeit greift. Denn die Kenntnis der Parteien betrifft in vorgenannten Fällen allein die Unmöglichkeit wie sie sich nach den Naturgesetzen bestimmt. Ihrem Glauben nach gehen die Parteien aber von der Leistungsmöglichkeit aus, sodass ein arglistiges Handeln, vor welchem § 276 Abs. 3 BGB schützen will, gerade nicht vorliegt. Bleibt noch auf die Möglichkeit anderslautender vertraglicher Vereinbarungen hinzuweisen. So wäre es ebenfalls denkbar, dass der Schuldner im Sinne einer Garantie für den Leistungserfolg, wie etwa die korrekte Vorhersage eines zukünftigen Ereignisses, einstehen will. Unterbleibt dann der Leistungserfolg, besteht die Rechtsfolge darin, dass die Gegenleistungspflicht entfällt und den Schuldner über § 311a Abs. 2 BGB hinaus eine verschuldensunabhängige Schadensersatzpflicht trifft.318 bb) Einseitige Kenntnis der naturgesetzlichen Unmöglichkeit Die zweite Fallgruppe betrifft Konstellationen, in denen nur eine Partei – typischerweise der Schuldner – Kenntnis von der naturgesetzlichen Unmöglichkeit hat, der Gläubiger hingegen von der Erbringbarkeit der Leistung ausgeht. In Rede steht hierbei eine Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts nach § 138 Abs. 1 BGB. Sittenwidrigkeit wird in stetiger Rechtsprechung immer dann angenommen, wenn ein Vertragsteil bei Vertragsabschluss in verwerflicher Gesinnung gehandelt hat, d.h. bewusst oder grob fahrlässig die geminderte Entscheidungsfreiheit des anderen Teils ausgenutzt hat.319 Dabei hat der BGH betont, dass an das Vorliegen von Sittenwidrigkeit bei sog. absurden Verträgen keine allzu hohen Anforderungen gesetzt werden sollen. Denn in diesem Zusammenhang dürfe nicht verkannt werden, dass sich viele der Dienstberechtigten in einer schwierigen Lebenssituation befänden oder es

317

Vgl. BGH NJW 2011, S. 756, 758; AG Bad Segeberg Urt. v. 5.3.2015 – 17a C 87/14, juris, Rn. 70. 318 Pfeiffer, LMK 2011, 314413. 319 BGHZ 146, 298, 302; 154, 47, 52.

F. Vertragliche Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

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sich um leichtgläubige, unerfahrene oder psychisch labile Personen handele.320 Hiergegen wurde zwar eingewandt, dass ein solches geistiges Defizit sämtlicher Dienstberechtigter nicht in dieser Allgemeinheit unterstellt werden könne; eine Prüfung im Einzelfall bleibe insoweit unentbehrlich.321 Doch dürfte dem BGH insoweit Recht zu geben sein, als dass schon aufgrund der Absurdität der hier in Rede stehenden Dienstleistungen der Glaube hieran eine Leichtgläubigkeit des Dienstberechtigten indiziert. Ein Schuldner, der die naturgesetzliche Unmöglichkeit der von ihm angebotenen Leistung kennt, den Leichtgläubigen aber hierüber im Unklaren lässt, nutzt dessen abweichende Realitätsauffassung zum Zwecke des Vertragsschlusses aus und handelt damit sittenwidrig i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB.322 Jener Lösung widerspricht im Übrigen nicht, dass dem Schuldner die Kenntnis von der Unwissenheit auf Gläubigerseite und damit die Ausnutzung des Informationsdefizits in den allermeisten Fällen nicht nachweisbar sei.323 Denn dabei handelt es sich um ein Problem, dem mit Mitteln des Beweisrechts zu begegnen ist und das für die hier anzustellenden materiellrechtlichen Erwägungen zunächst keine Rolle spielt. Zumal vorgenannte Beweisschwierigkeiten auch insoweit entschärft werden, als die Rechtsprechung für das Moment der verwerflichen Gesinnung ausreichen lässt, dass sich eine Vertragspartei der Kenntnis der sittenwidrigkeitsbegründenden Umstände leichtfertig verschließt.324 Ein solch grob fahrlässiges Nichtwissen ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn eine Partei wissentlich eine naturgesetzlich unmögliche Leistung anbietet und einen Kunden, dem schon aufgrund seines Leistungsinteresses ein Glaube an die Erbringbarkeit der Leistung und damit Leichtgläubigkeit zu unterstellen ist, ohne vorherige Aufklärung vertraglich bindet.325 cc) Beiderseitige Unkenntnis von der naturgesetzlichen Unmöglichkeit Es verbleiben noch solche Konstellationen, in denen keine der beiden Parteien die naturgesetzliche Unmöglichkeit der Leistung kennt und aus blindem Mystizismus heraus ein Vertrag geschlossen wird. 320

BGH NJW 2011, 756, 758, Rn. 21; zust. Timme, MDR 2011, S. 397, 398. Pfeiffer, LMK 2011, 314413; AG Bad Segeberg Urt. v. 5.3.2015 – 17a C 87/14, juris, Rn. 88. 322 Für die Ausnutzung der abweichenden Realitätsauffassung als Kriterium sittenwidrigen Verhaltens: Becker, Absurde Verträge, S. 39. 323 Becker, Absurde Verträge, S. 39 f. 324 BGHZ 146, 298, 302; 154, 47, 52; Armbrüster, in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl. 2018, § 138 Rn. 131. 325 So etwa das LG Trier, Urt. v. 16.2.2012 – 5 O 49/11, BeckRS 2012, 18631, zur Sittenwidrigkeit „professioneller Lebensberatung“ aus übernatürlichen Erkenntnisquellen: „Die Klägerin muss […] damit rechnen, dass sich gerade in ihrer Persönlichkeit gestörte und psychisch besonders belastete Personen vermehrt für ihr Angebot interessieren.“ 321

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Drittes Kapitel: Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit

Denkbar wäre in jenen Fällen, von einem Wegfall der Gegenleistungspflicht gemäß § 326 Abs. 1 S. 1 BGB und einer Haftung des Schuldners nach § 311a Abs. 2 BGB auszugehen. Der hierzu erforderliche Umstand des Kennenmüssens auf Schuldnerseite ließe sich aus der generellen Informationszuständigkeit des Schuldners für seinen Planungsbereich ableiten.326 Demnach hätte sich der Schuldner, welcher sich vertraglich zum Einsatz übernatürlicher Kräfte verpflichtet, bereits vor Vertragsschluss seiner dahingehenden Fähigkeiten zu versichern. Mit dem Abstellen auf die Informationszuständigkeit des Schuldners für sein eigenes Unvermögen verkennt diese Lösung indes das tieferrührende, die Motivationslage beider Parteien betreffende Leistungshindernis. Denn die Unfähigkeit des Schuldners, übernatürliche Handlungen vorzunehmen, ist letztlich nur Konsequenz der generellen Nichtexistenz magischer Kräfte. Dabei ist gerade der von beiden Seiten gehegte Irrglaube an das Vorhandensein übernatürlicher Kräfte der vorgreifliche Grund, warum die Parteien den Vertrag überhaupt schließen. Dies vorausgeschickt, betrifft die naturgesetzliche Unmöglichkeit nicht allein die Informationszuständigkeit des Schuldners. Sie erschüttert vielmehr die gemeinsame Motivationslage der Vertragsparteien und nimmt dem Vertrag jede Sinnhaftigkeit. Vergleichbar sind insoweit jene Fälle, in denen die Parteien eines Baulandkaufvertrags übereinstimmend von der baldigen Bebaubarkeit des Grundstücks, etwa in Erwartung eines entsprechenden Bebauungsplans, ausgehen.327 Beiden Konstellationen ist gemein, dass der Gläubiger sich nicht auf eine Sachverhaltsaufklärung durch den Schuldner verlässt; die Parteien vielmehr jedwede Informationsanstrengung aufgrund des gemeinsamen Fehlglaubens für entbehrlich halten. Gemäß den Ausführungen unter D. II. 4. c) aa) gilt eine Haftungsverantwortung in jenen Fällen als gleichsam abbedungen. Zu erwägen ist allenfalls eine Vertragsanpassung auf Primärebene nach den Grundsätzen der Geschäftsgrundlagenlehre. Da aufgrund der Zwecklosigkeit absurder Verträge eine Anpassung der vertraglichen Primärleistungen aber gänzlich ausscheidet, gelangt man zu einem einseitigen Rücktrittsrecht nach § 313 Abs. 3 BGB. Hierbei handelt es sich auch aus Gerechtigkeitsgesichtspunkten um die überzeugende Lösung. Denn sie ermöglicht, dem zur Vernunft gekommenen Gläubiger die einfache Lossagung vom sinn- und zwecklosen Vertrag, ohne aber dessen unreflektiertem Vertrauen auf die Existenz übernatürlicher Kräfte den Schutz des § 311a Abs. 2 BGB anzugedeihen.

326 327

Siehe D. II. 4. c) aa). Vgl. BGHZ 47, 48; BGH JZ 1966, 409 f.; OLG Zweibrücken OLGZ 1985, 360, 362 f.

Zusammenfassung in Thesen A. Zur Dogmatik des § 311a Abs. 2 BGB (1) Haftungsgrund des § 311a Abs. 2 BGB ist die Enttäuschung der durch den Vertrag ausgelösten Erfüllungserwartung auf Gläubigerseite. (2) Die Erfüllungserwartung findet ihre Rechtfertigung in der Leistungstreuepflicht aus § 242 BGB, welche das Schuldnerverhalten sowohl vor als auch nach Vertragsschluss bestimmt. a. Nach Vertragsschluss ist der Schuldner verpflichtet, den Vertragszweck zu realisieren und alles zu unterlassen, was die Erfüllung gefährden oder vereiteln könnte. b. Vorvertraglich trifft den Schuldner die Pflicht zur Aufdeckung und Offenlegung bereits bestehender Leistungshindernisse. (3) Einheitliche dogmatische Grundlage besagter Leistungstreuepflicht bildet das durch den Grundsatz von Treu und Glauben ausgestaltete gesetzliche Schuldverhältnis, gerichtet auf den Schutz der ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung. (4) Ausgehend von der Leistungstreuepflicht als Rechtfertigungsgrund des Gläubigervertrauens gewährt der Vertrag folglich nicht das Gläubigervertrauen auf eine „Erfüllung um jeden Preis“. Es geht um diejenige Erfüllungserwartung, welche unter Zugrundelegung eines treugemäßen Schuldnerverhaltens berechtigt ist: a. Für die Zeit nach Vertragsschluss leitet sich die Erfüllungserwartung aus dem zu erwartenden erfüllungsförderlichen Verhalten des vertragsgebundenen Schuldners ab. b. Gleichzeitig kann der Gläubiger aufgrund des Vertragsschlusses auf die Abwesenheit solcher anfänglichen Leistungshindernisse schließen, die der vorvertraglichen Informationsverantwortung des Schuldners unterfallen. Denn ein sich treugemäß verhaltender Schuldner – und eben dieser bildet die Wertungsgrundlage für die sich aus dem Vertrag ergebende Erfüllungserwartung – hätte solche Leistungshindernisse erkannt, dem Gläubiger offengelegt und vom Vertragsschluss Abstand genommen.

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Zusammenfassung in Thesen

(5) Entsprechend statuiert § 311a Abs. 2 BGB im Falle anfänglicher Unmöglichkeit einen Haftungsanspruch des Gläubigers in Höhe des Erfüllungsinteresses. Beschränkt wird der dadurch gewährte Schutz der Erfüllungserwartung auf Fälle, in denen der Schuldner das Leistungshindernis kannte oder kennen musste (Satz 2); ihn mithin unter dem Gesichtspunkt der Leistungstreuepflicht eine Informationsverantwortung traf. (6) Die Haftungsanordnung des § 311a Abs. 2 BGB fügt sich in das System des deutschen Leistungsstörungsrecht, welches in § 284 BGB die Vertrauenshaftung als zweite Spur der Sekundärhaftung neben der Haftung für Verschulden nunmehr ausdrücklich anerkennt. Wurzel dieser Gesetzeskonzeption bilden die historischen Vorarbeiten zum Ersatz vergeblicher Aufwendungen sowie zur Unmöglichkeitshaftung unter Geltung des alten Schuldrechts. Die vertragsrechtliche Sekundärhaftung stützt sich demnach nicht allein auf das Verschuldensprinzip. Zugleich wird der Vertrag zum Vertrauenstatbestand erhoben, der den Gläubiger in schutzwürdiger Weise auf den Erhalt der Leistung vertrauen lässt. Der Schutz dieser Erwartungshaltung erfolgt entweder im Sinne eines „negativen Vertrauensschutzes“ durch Ersatz vergeblicher Aufwendungen oder aber im Sinne eines „positiven Vertrauensschutzes“ durch Gewährung des Erfüllungsinteresses. B. Zur Risikozuweisung bei anfänglicher Unmöglichkeit B. I. Die Haftungsverantwortung des Schuldners (7) Gegenstand der Kenntnis im Sinne von § 311a Abs. 2 S. 2 BGB ist nicht das anfängliche Leistungshindernis als solches, als vielmehr dessen Unüberwindbarkeit. (8) Die Bestimmung der zu vertretenden Unkenntnis aus § 311a Abs. 2 S. 2 BGB erfolgt zunächst anhand des Sphärengedankens sowie des schuldnerischen Planungsbereichs, wodurch den rechtsökonomischen Motiven der abstrakten Beherrschbarkeit sowie der „Verhinderung unökonomischer Doppelarbeit“ Rechnung getragen wird. a. Der Begriff der Sphäre meint den räumlich-gegenständlichen Lebensund Herrschaftsbereich, der sich der Einsicht des Gläubigers entzieht. b. Unter dem Begriff des Planungsbereichs sind solche Leistungshindernisse zusammengefasst, welche die Leistungserbringung durch den Schuldner betreffen. (9) Innerhalb der dadurch gesetzten Grenzen seiner Informationsverantwortung ist die Informationslast des Schuldners wiederum auf erkennbare Nichterfüllungsrisiken zu beschränken.

Zusammenfassung in Thesen

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a. Das Kriterium der Erkennbarkeit im absoluten Sinne schließt solche Leistungshindernisse aus, die außerhalb aller Wahrscheinlichkeiten liegen oder sich trotz aller Kontrollmaßnahmen in der Vertragsanbahnung nicht ausschließen lassen; für den Schuldner mithin evident unbeherrschbar sind. b. Zudem sind dem Schuldner unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit nur dann Informationspflichten aufzuerlegen, wenn der damit verbundene Aufwand im Verhältnis zur erzielbaren Gefahrsicherung steht, wobei etwaiges Sonderwissen oder Sonderkönnen zu berücksichtigen ist. B. II. Die Gläubigerverantwortlichkeit (10) Die Verantwortlichkeit des Gläubigers für die Vertragsdurchführung entspricht jener des Schuldners. Verantwortungsbegründend wirkt auf beiden Seiten die allgemeine Leistungstreuepflicht. Als Ausschnitt hieraus darf die Informationspflicht betreffend anfänglicher Leistungshindernisse den Schuldner nicht einseitig treffen. Unter dem Gesichtspunkt der Gläubigerverantwortlichkeit in § 326 Abs. 2 S. 1 BGB ist mithin auch der Gläubiger zur Aufdeckung und Offenlegung anfänglicher Leistungshindernisse verpflichtetet. Dieser Befund harmoniert mit der verbreiteten Lehre, wonach die Gläubigerhaftung nach § 326 Abs. 2 S. 1 BGB gleichsam Spiegelbild der Schuldnerhaftung nach §§ 280 ff., 311a Abs. 2 BGB ist. (11) Die Reichweite der Informationsverantwortung auf Gläubigerseite ist, gleich jener auf Schuldnerseite, anhand des Sphärengedankens und des Planungsbereichs zu bestimmen. a. Die Sphärenverantwortlichkeit des Gläubigers erfährt eine Einschränkung durch die Verantwortlichkeit des Schuldners für seinen Planungsbereich. Diese veranlasst ihn, sich immer dann der erfüllungsrelevanten Umstände in der Gläubigersphäre zu versichern, wenn aufgrund dessen Sachnähe eine effizientere Informationsgewinnung zu erwarten ist. Verweigert der Gläubiger aber dem Schuldner die Öffnung seiner Sphäre zum Zwecke der Informationsbeschaffung oder klärt der Schuldner den Gläubiger in einer Weise auf, die es diesem erlaubt, die erforderliche Informationsanstrengung selbst zu bewältigen, kehrt sich die Informationsverantwortung zu Lasten des Gläubigers um. b. Die Informationsverantwortung des Gläubigers für seinen Planungsbereich umfasst sämtliche, die Leistungsannahme betreffende Hindernisse. Hat sich der Gläubiger vertraglich zu einer weitergehenden Mitwirkung verpflichtet, sind auch damit verbundene Leistungshindernisse seiner Informationsverantwortung zuzuordnen. (12) Beschränkt wird die Informationsverantwortung des Gläubigers schließlich durch das Kriterium der Erkennbarkeit (s.o. These 9).

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Zusammenfassung in Thesen

B. III. Beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit (13) Die vertrauensschutzbasierte Haftungskonzeption bei anfänglicher Unmöglichkeit führt grundsätzlich zur Alternativität eigener und fremder Informationsverantwortlichkeit. Aus der Annahme einer Aufklärungspflicht folgt eine ignorance le´gitime seitens des Aufzuklärenden, weshalb eine beiderseitige Informationsverantwortung prinzipiell ausgeschlossen ist. (14) Eine beiderseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit liegt auch dann nicht vor, wenn eine Partei zwar der Vorwurf des Kennenmüssens trifft, der Vertragspartner aber das Leistungshindernis positiv kennt. Der Kenntnisvorwurf überlagert den Vorwurf des Kennenmüssens und begründet die alleinige Informationsverantwortlichkeit des Wissensträgers. (15) Das Phänomen der beiderseits zu vertretenden anfänglichen Unmöglichkeit lässt sich auf folgende Sonderfälle beschränken: – vorhersehbare Wetterphänomene und Naturkatastrophen; – vorhersehbare Sozialkatastrophen sowie – hoheitliche Maßnahmen, welche sich gegen das Geschäft als Ganzes richten. Kennzeichnend für diese Fallgruppen sind zum einen die Einwirkung der Störung von außen, die sich der Sphäre beider Parteien entzieht, und zum anderen deren universalen Folgen, welche der Vertragsdurchführung vollumfassend die Grundlage entziehen und damit die Planungsbereiche von Schuldner und Gläubiger gleichermaßen betreffen. (16) Jene Fallgruppen lassen sich nicht anhand der Mitverschuldensvorschrift des § 254 Abs. 1 BGB sach- und wertungsgerecht beurteilen. § 254 Abs. 1 BGB ist Ausfluss des Verschuldensprinzips und auf die Vertrauenshaftungsvorschrift des § 311a Abs. 2 BGB weder direkt noch analog anwendbar. (17) Das Phänomen der beiderseits zu vertretenden anfänglichen Unmöglichkeit konstituiert einen Fall des Fehlens der Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 Abs. 2 BGB. Beide Parteien unterliegen einem wesentlichen Irrtum über die Durchführbarkeit des vereinbarten Leistungsprogramms. (18) Die Anwendung der Geschäftsgrundlagenlehre erlaubt eine Ersetzung der unmöglichen Primärleistung durch eine gleichartige und gleichwertige Leistung, soweit hierdurch einerseits die Verwendungsmöglichkeiten des Gläubigers nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt werden, und andererseits, die Leistungserbringung dem Schuldner keinen erheblichen Mehraufwand aufbürdet.

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(19) Ist eine Anpassung der vertraglichen Primärpflichten nicht möglich, folgt aus der beachtlichen Grundlagenstörung eine Schadensteilung auf Sekundärebene. Methodisch erreicht wird dieses Ergebnis im Wege einer erweiterten Auslegung des § 313 Abs. 1 BGB, wonach sich die Vertragsanpassung nicht allein auf die Primärpflichten beschränkt, sondern auch eine Anpassung der sekundärrechtlichen Haftungsfolgen ermöglicht. B. IV. Keinerseits zu vertretende anfängliche Unmöglichkeit (20) Eine Haftung des Schuldners bei keinerseits zu vertretender anfänglicher Unmöglichkeit analog § 122 Abs. 1 BGB kommt nicht in Betracht. Trifft keine der Parteien ein Informationsverschulden, bleibt es beim allgemeinen Grundsatz des Leistungsstörungsrechts, wonach jede Partei den ihr entstandenen Schaden selbst zu tragen hat. B. V. Vertragliche Risikozuweisung (21) Für die Abdingbarkeit des § 311a Abs. 2 BGB gilt, wie auch für die übrige Sekundärhaftung nach den §§ 280 ff. BGB, die Grenze des § 276 Abs. 3 BGB. Der darin zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke, wonach sich niemand der Willkür des anderen ausliefern soll, greift nicht nur bei vorsätzlicher Herbeiführung der Leistungsstörung, als vielmehr auch bei Kenntnisverschulden i. S. d. § 311a Abs. 2 S. 2 BGB. (22) Da die Regelung über die Gläubigerverantwortlichkeit in § 326 Abs. 2 S. 1 BGB gleichsam Spiegelbild der Schuldnerhaftung aus §§ 280 ff., 311a Abs. 2 BGB ist, kann für deren Abdingbarkeit nichts Anderes gelten. Ungeachtet anderslautender Vereinbarung, bleibt der Gläubiger demnach bei Kenntnis der Unmöglichkeit zur Gegenleistung verpflichtet. Für den Fall eines etwaigen Kennenmüssens auf Gläubigerseite ist dagegen eine von § 326 Abs. 2 S. 1 BGB abweichende Vereinbarung zulässig. (23) Der Erweiterung der Schadensersatzhaftung aus § 311a Abs. 2 BGB zu einer verschuldensunabhängigen Garantiehaftung entspricht auf Gläubigerseite der Verzicht auf die Vorschrift über den Wegfall der Gegenleistungspflicht aus § 326 Abs. 1 S. 1 BGB und damit die Verpflichtung zur Gegenleistung ungeachtet etwaiger Leistungshindernisse. (24) Gründen die Geschäftsinteressen des Gläubigers in der bloßen Hoffnung auf eine vertraglich nicht abgesicherte, positive Wertentwicklung des Leistungsgegenstands nach Vertragsschluss (wie etwa bei Bauerwartungsland), folgt aus dem Ausbleiben dieser Positiventwicklung keine Leistungsunmöglichkeit; mithin auch keine Befreiung von der Gegenleistungspflicht nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB. Wer die noch im Ungewissen liegende Chance

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eines vorteilhaften Geschäfts ausnutzen will, mit anderen Worten spekuliert, nimmt naturgemäß auch das entsprechende Risiko der Nichtverwirklichung jener Chance auf sich. (25) Bei Bestimmung der Risikozuweisung in Unmöglichkeitsfällen, die das Bemühen nicht beweisbarer, übernatürlicher Kräfte zum Gegenstand haben, sind drei Fallkonstellationen zu unterscheiden: a. Kennen beide Parteien die naturgesetzliche Unmöglichkeit, verlassen sie indes mit Abschluss des Vertrages bewusst den Boden gesicherter wissenschaftlicher Erfahrung, gebietet die Achtung der vertraglichen Vereinbarung, den Umstand der Unmöglichkeit außer Betracht zu lassen. Die Erbringbarkeit der Leistung wird fingiert. Jede einfachgesetzliche Unmöglichkeitsfolge wie die Haftung nach § 311a Abs. 2 BGB oder die Gefahrtragung nach den § 326 Abs. 1, 2 BGB gilt als abbedungen. b. Hat nur eine Vertragspartei – typischerweise der Schuldner – Kenntnis von der naturgesetzlichen Unmöglichkeit, ist von einer Sittenwidrigkeit der vertraglichen Vereinbarung nach § 138 Abs. 1 BGB auszugehen. c. Kennt keine der beiden Parteien die naturgesetzliche Unmöglichkeit der Leistung und wird aus blindem Mystizismus heraus ein Vertrag geschlossen, betrifft das Leistungshindernis die gemeinsame Motivationslage der Vertragsparteien und ist unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsgrundlagenstörung zu behandeln. Da aufgrund der Zwecklosigkeit absurder Verträge eine Vertragsanpassung aber ausscheidet, gelangt man zu einem einseitigen Rücktrittsrecht nach § 313 Abs. 3 BGB.

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Sachregister Anfechtung 150 Annahme der Leistung 106 ff., 121, 124, 127, 139, 161 – Annahmepflicht 107 ff. 112 – Annahmeverzug 106 f. 109 ff. Aufwendungen 33 ff., 74 ff., 132, 135, 160 – annahmeverzugsbedingte 109, 113 – frustrierte 33 ff., 74, 140 – Rentabilitätsvermutung 74 f. – vergebliche siehe frustrierte Auslegung siehe Gesetzesauslegung oder Vertragsauslegung cheapest cost avoider 90 Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis 8 culpa in contrahendo 14, 34, 59 f., 68 ff., 104, 119, 133 f. Differenzhypothese 13, 18, 30 Eigentum 4, 66, 109, 128 – Eigentumsübergang 107 Erfüllungserwartung 3 f., 43 ff., 66 ff., 73, 79, 79, 86 f., 119, 131, 133, 159 f. – Rechtfertigungsgrund 46 ff. – Inhalt 49 f., 56 ff. Erkennbarkeit 93 ff., 122, 125, 161 Fahrlässigkeit siehe Verschulden, Fahrlässigkeit Fiktion 21 f., 34, 37, 39, 65, 72, 134 Garantieprinzip/-theorie 1 ff., 19 ff., 26 ff., 44, 78, 152 f. Gegenleistungsinteresse 105 f., 111 ff. Gewinn, entgangener 126, 134, 148 Gläubigerverantwortlichkeit 103 ff., 161 ff.

– als Konkurrenzproblematik 103 f. – bei anfänglicher Unmöglichkeit 117 ff. – bei nachträglicher Unmöglichkeit 116 f. – Informationsverantwortlichkeit 119 ff. – Pflicht zu leistungsförderlichem Verhalten 107 ff., 112 ff. – Reichweite 119 ff. Geschäftsgrundlage 5, 64, 128, 135 ff., 158 – Inhalt 136 – Rechtsfolgen 143 ff. – Subsidiarität der Geschäftsgrundlagenlehre 141 f. – Verhältnis zum Unmöglichkeitsrecht 139 f. Gesetzesauslegung 5 f., 61, 80 f., 149, 162, 164 – Savignyscher Auslegungskanon 83 – theoriegeleitete 83, 85 ff. Haftung – Erfüllungshaftung 2 f., 9, 14, 18, 27, 30, 33 ff., 35, 58 ff., 72 f., 74 f., 104, 116, 160 – auf negatives Interesse 2, 10, 14, 18 f., 30, 59, 68, 71, 103 f. – auf positives Interesses siehe Erfüllungshaftung – Haftungsgrund 1, 14 f., 17, 19, 27, 30 f., 59, 65, 76, 85 f., 130, 159 – Nichterfüllungshaftung 25, 37, 42 ff., 77, 132 Hermeneutik 78 f. Heteronomie 22, 24, 46 impossibilium nulla est obligatio 7

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Sachregister

Informationspflichten, vorvertragliche 1 f., 18, 50 f., 53 ff., 57 f., 68, 84 ff., 87 ff., 94, 100 ff., 124 f., 132, 138, 144, 161 siehe auch Informationsverschulden – des Gläubigers 119 ff. Kaufvertrag 92, 98, 154, 158 Kennenmüssen siehe Verschulden, Informationsverschulden Kenntnis siehe Verschulden, Informationsverschulden Konsensprinzip 26 ff., 44, 72 Leistungspflicht siehe Primärleistungspflicht Leistungshindernis 21, 30, 38, 41, 45 f., 49, 55, 89 ff., 116, 139, 153, 163 f. – anfängliches 7, 13 f., 18, 50 f., 57 ff., 68 ff., 84 ff., 103 ff., 117 ff., 135, 149, 159 ff. – hoheitliches 128 – Naturkatastrophe 127 – Sozialkatastrophen 127 – universales 127 ff. Leistungsinteresse 17, 54, 145 ff., 157 – des Gläubigers 117, 143 – des Schuldners 110 siehe auch Gegenleistungsinteresse Leistungstreuepflicht 46 ff., 66 ff., 106, 108, 112 ff., 121, 139, 159 ff. – als Grundlage der Erfüllungserwartung 46 ff. – des Gläubigers 112 f. – Inhalt 46 ff. – Rechtfertigung 53 ff. – Rechtsgrundlage 46 ff. – vor Vertragsschluss 50 ff. Leistungsversprechen 1, 9, 14 ff, 17, 19 f., 27 ff., 33, 44 f., 72, 80, 134 Liberationsinteresse 111 Magie 154 ff. Minderung 25 Mitverschulden 70, 123, 125, 130 ff., 162 Motivirrtum, beidseitiger 135 f., 150 Nacherfüllung 25

Obligation, Einheit der 37 f., 41 Obliegenheiten 108, 111 ff., 134 Pandektistik 23 Parteiwille 20 ff., 25 f., 29, 31, 37, 40, 72, 80 f., 83 – hypothetischer 22 ff., 80 f. – typischer 22 ff., 80 f. Pflichtverletzung 1, 3, 13, 17, 28 ff., 68, 70, 76, 110, 116, 139 Planungsbereich 124, 126 ff., 149, 158, 160 f. – des Gläubigers 119, 121 f., 161 – des Schuldners 91 ff., 101 f., 160 Primärleistungspflicht 48 ff., 147 – als Rechtfertigungsgrund der Erfüllungserwartung 45 f. – Geltungsgrund 42 Rational Choice Theorie 90 Rechtsökonomie 86 ff., 160 – Effizienz des Informationserwerbs 86 f. Rechtswidrigkeit 15 f., 18 Rentabilitätsvermutung 34, 74 f. Restitution 15 f., 18 f. Risikotheorie 88 ff., 96 – abstrakte Beherrschbarkeit 89 Risikozuweisung 5, 31, 83 ff., 103, 128, 141 f., 150, 160 ff. – Begriff 83 – privatautonome 151 ff. Rücktritt 25, 41 f., 145, 147 f., 158 Sachmangel 52, 90 Sachmangelgewährleistungsrecht 25 Sanktion 15 f., 68, 110, 131 Schaden 16 ff., 21, 34, 74, 94 f., 111, 117, 140 – Begriff 77 – Vertrauensschaden 150 Schadensersatz 14, 17, 23 f., 38 ff., 60, 66, 68, 89, 100 f., 108 ff., 145 siehe auch Haftung – für vergebliche Aufwendungen 76 f. – Geltungsgrund 43 ff. – statt der Gegenleistung 117 – statt der Leistung 76 Schadensminderung 65, 108, 113

Sachregister Schuldrechtsreform 25, 63 f. Schuldverhältnis 53 ff., 66 – einheitliches, gesetzliches 54 ff. Schutzpflichten 53 f. Sekundäranspruch 3, 19, 21, 24, 35, 38 ff., 61, 67 f., 72, 78, 141, 148 f., 151, 160, 163 Sekundärhaftung siehe Sekundäranspruch Sittenwidrigkeit 156 f., 164 Sphäre 99 ff., 124 ff., 128, 130, 160 ff. – Gläubigersphäre 120 f. – Schuldnersphäre 73, 89, 91 – neutrale Sphäre 92 Synallagma 105 f., 111 Tausch 137 Theorie 61, 68, 78 ff. – Richtigkeitsanspruch 61 – Theoriebildung 5 f. – Theoriewert 81 f. – Wirklichkeitsbezug 78 ff. Treu und Glauben 47 ff., 61 ff., 84, 112, 136, 141, 159 – als „Grundnorm“ des Vertragsrechts 61 – Inhalt 48 f. Unmöglichkeit 30, 38, 115 ff., 133, 143, 147 siehe auch Leistungshindernis – als Befreiungstatbestand 41 – anfängliche 1, 7 ff., 13 ff., 33 ff., 50 ff., 67 ff., 95 ff., 103 f., 117 f. siehe auch Leistungshindernis, anfängliches – beiderseits zu vertretende, anfängliche 122 ff., 162 f. – nachträgliche 2, 9, 10 f., 17, 116 – objektive 7, 9, 11, 90, 137 – subjektive 9, 71 ff., 78, 90, 96, 101 – Verhältnis zu Geschäftsgrundlagenstörungen 139 ff. – Zeitpunkt 2, 11 Unvermögen siehe Unmöglichkeit, subjektive Verbotsgesetz 129

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Verschulden 5, 13, 15 f., 17 f., 40, 56, 88, 96, 98, 103, 121 f., 133, 147 – bei anfänglicher Unmöglichkeit 117 ff. – bei nachträglicher Unmöglichkeit 116 f. – Fahrlässigkeit 21, 24, 84, 87, 95, 126, 152 – Informationsverschulden 13, 18, 58 ff., 69 f., 73, 84 ff., 87 f., 96 f., 101, 117 ff., 123, 151 – Kennenmüssen 18, 50, 58, 68 ff., 73, 84, 87 ff., 117 f., 126 ff., 132, 134, 160 – Kenntnis 13, 18, 50, 58, 68 ff., 73, 84, 87, 117 f., 125 f., 132, 134, 152, 155 ff., 160 – Verschuldensprinzip 1 ff., 14 ff., 28 f., 31 f., 68, 78, 131, 141, 149 – Vorsatz 14, 24, 87, 152, 163 Vertrag 3, 18, 21, 26 ff., 38, 71, 91, 112, 120 f., 136 ff., 150 ff. – absurder 153 ff. – als Schuldverhältnis 53 – als Vertrauenstatbestand 43 ff., 57, 75, 77 – Risikovertrag 153 f. – Vertragsanpassung 143 ff., 158, 163 f. – Vertragsauslegung 22 f. – Vertragsbindung 4, 36, 39 ff., 49, 53, 57 – Vertragsfreiheit 4 – Vertragsnichtigkeit 7 ff., 10, 68, 71, 133, 137, 156 f. – Vertragsschluss 13, 27, 30, 50 ff., 56 ff., 88 ff., 94, 117, 124, 132, 140 – Vertragsverhandlungen 34 f., 51, 55 f., 85 – Vertragsverletzung 17, 114 – Vertragszweckrealisierung 46 Vertrauen 3 f., 36, 43 ff., 48 ff., 65 ff., 78 ff., 87, 92, 124, 135, 155 – Gläubigervertrauen auf den Erhalt der Leistung siehe Erfüllungserwartung – in der Rechtsgeschäftslehre 45 – Vertrauenshaftung 3, 5, 33 ff., 61 ff., 67 ff., 72 f., 76 f., 80, 85 f., 132, 149, 160 – Vertrauensrechtfertigung 45 ff.

180 – Vertrauensschutz 35 f., 43 ff., 58, 69 ff., 77, 86 f., 94, 124, 131 f., 141 – negativer 35, 160 – positiver 34, 73, 160 – Vertrauenstatbestand 35, 43 ff., 57, 59 f., 66, 75, 77 Vorhersehbarkeit 98 f.

Sachregister Vorsatz siehe Verschulden, Vorsatz Werkvertrag 10, 114 Willenserklärung 20, 26 f., 28, 44, 151 windfall profit 126 Zurechnung 15, 143