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German Pages 331 [345] Year 2017
Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 372 Herausgegeben vom
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:
Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann
Susanne Zwirlein
Versprechen und Zufall Eine historisch-vergleichende Studie zur Gefahrtragung beim Kauf beweglicher Sachen im englischen und deutschen Recht
Mohr Siebeck
Susanne Zwirlein, geboren 1989; Studium der Rechtswissenschaft in München und Oxford; Referendariat am Landgericht München I; wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Ludwig-Maximilians-Universität München; 2016 Promotion; seit 2016 Rechts anwältin in München und Lehrbeauftragte an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
ISBN 978-3-16-155136-9 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http:// dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Mohr Siebeck, Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Vorwort Die Arbeit wurde im Sommersemester 2016 von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation angenommen. Die seither in Europa und insbesondere in Großbritannien eingetretenen Entwicklungen unterstreichen die Notwendigkeit, Europa ungeachtet institutioneller Konsequenzen in seiner Vielfalt zu erhalten. Dies ist eines der Anliegen dieser Arbeit. Zitierte Literatur und Rechtsprechung befinden sich auf dem Stand Oktober 2016. Ich danke meinem akademischen Lehrer Stephan Lorenz, der diese Arbeit betreut und meine bisherige wissenschaftliche Tätigkeit stets großzügig gefördert hat. Peter Kindler gilt mein Dank für vielfältige Anregungen, die er im Zweitgutachten gegeben hat. Die zweite akademische Heimat dieser Arbeit liegt in Oxford, wohin ich nach einem Studienjahr 2009/2010 im Frühjahr 2015 für Forschungen zurückkehren konnte. Ich danke John Cartwright, Boudewijn Sirks, Stefan Vogenauer und Paul Yowell, die mir dort wertvolle Gesprächspartner waren. Der Stiftung Maximilianeum unter ihrem Vorstand Hanspeter Beißer sowie der Hans-Keller-Stiftung bin ich für ihre umfassende Förderung zu großem Dank verpflichtet. Für ihren guten Rat danke ich meinen Eltern sowie meinen Freunden und Kollegen, insbesondere Alexander Edlich, Franz Gärtner, Birke Häcker, Michael Rapp, Chris Thomale, Bastian Zahn und Marie-Therese Ziereis. Jörg Müller vom Leopold-Wenger-Institut für Rechtsgeschichte gilt mein Dank dafür, dass er mich an seiner reichen Quellenkenntnis teilhaben ließ. Den Mitarbeitern der Abteilung Redaktionen des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht danke ich für ihre hilfreichen Anmerkungen zu meinem Manuskript. Bei seiner Drucklegung stand mir Jana Trispel vom Mohr Siebeck Verlag freundlich zur Seite. Besonders danke ich schließlich Benedikt Forschner für seine Skepsis, Geduld und Ermutigung. Das Buch ist meinen Großeltern gewidmet. München, im Dezember 2016
Susanne Zwirlein
Inhaltsverzeichnis Vorwort ......................................................................................................... V Verzeichnis der Abkürzungen...................................................................... XI
Kapitel 1: Problemstellung und Methode .......................................... 1 A. Problemstellung .................................................................................... 1 B. Methode ................................................................................................ 3
Kapitel 2: Englisches Recht .................................................................12 A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit .........................12 I. Die frustration-Doktrin....................................................................13 1. Historische Entwicklung .............................................................13 a) Paradine v Jane und die doctrine of absolute contracts ..........13 b) Taylor v Caldwell und die Lehre von der implied condition .................................................................................17 c) Die Krönungszugfälle .............................................................29 2. Voraussetzungen und Rechtsfolgen von frustration.....................33 a) Voraussetzungen von frustration ............................................33 b) Rechtsfolgen von frustration ...................................................35 aa) Rechtslage vor dem Law Reform (Frustrated Contracts) Act ...............................................36 bb) Rechtslage nach dem Law Reform (Frustrated Contracts) Act ...............................................39 II. S. 7 Sale of Goods Act 1979 ............................................................48 III.Sach- und Preisgefahr bei frustration ..............................................51 B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln.............52 I. Zufälligkeit des Untergangs .............................................................53 II. Historische Entwicklung ..................................................................55 1. Verschiebung des Gefahranknüpfungspunkts vom Besitz zum Eigentum .............................................................................56 2. Rezeption römischen Rechts in Martineau v Kitching .................58
VIII
Inhaltsverzeichnis
3. Kodifikation im Sale of Goods Act 1893 .....................................72 III.Voraussetzungen und Folgen des Gefahrübergangs.........................76 1. Der Übergang des Eigentums beim Mobiliarkauf ........................76 a) Property und title ....................................................................78 b) Genese des Konsensualprinzips ..............................................82 c) Der Eigentumsübergang nach dem Sale of Goods Act 1979........84 aa) S. 18 Regel 1–3 Sale of Goods Act 1979 ........................85 bb) S. 18 Regel 4 Sale of Goods Act 1979 ............................88 cc) S. 18 Regel 5 Sale of Goods Act 1979 ............................89 dd) Eigentumsübergang zum (vermuteten) vereinbarten Zeitpunkt ........................................................................93 2. Die Gefahrtragung nach dem Sale of Goods Act 1979.................95 a) Spezieskauf .............................................................................95 aa) Übergabe der Kaufsache am Sitz des Verkäufers ............95 bb) Transport der Kaufsache zum Käufer ..............................97 b) Gattungs- und Vorratskauf ......................................................99 aa) Sach- und Preisgefahrübergang bei Konkretisierung ..... 101 bb) Gefahrtragung des Käufers schon vor Konkretisierung ..... 104 cc) Preisgefahrübergang erst nach Konkretisierung ............ 109 dd) Ergebnis zum Gefahrübergang beim Gattungskauf ....... 109 c) Auswirkungen von Pflichtverletzungen................................. 110 aa) Pflichtverletzungen des Verkäufers ................................. 110 i. Verzögerung .................................................................. 110 ii. Mangelhafte Kaufsache ................................................ 111 bb) Pflichtverletzungen des Käufers...................................... 119 d) Abweichende Vereinbarungen .............................................. 121 3. Verbrauchsgüterkauf ................................................................. 123 a) Sale and Supply of Goods to Consumers Regulations 2002 ...................................................................................... 123 b) Consumer Contracts Regulations 2013.................................. 130 c) Consumer Rights Act 2015 ................................................... 133 d) Gefahrübergang mit Übergang der physical possession......... 135 e) Auswirkungen von Pflichtverletzungen................................. 136 aa) Pflichtverletzungen des Verkäufers ............................... 136 bb) Pflichtverletzungen des Käufers .................................... 140
Kapitel 3: Deutsches Recht ................................................................141 A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit ....................... 141 I. Historische Entwicklung ................................................................ 141 1. Ius Commune: Glossatoren, Kommentatoren und Humanismus ............................................................................. 142
Inhaltsverzeichnis
IX
2. Einfluss des Naturrechts und erste Kodifikationen .................... 147 a) Ideentransfer in der Spätscholastik ........................................ 148 b) Hugo Grotius und seine Nachfolger ...................................... 153 c) Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis ............................... 161 d) Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten .............. 163 3. Historische Rechtsschule und Pandektenwissenschaft ............... 165 4. Nachträgliche Unmöglichkeit im BGB ...................................... 168 a) Nachträgliche Unmöglichkeit im BGB von 1900 .................. 168 b) Änderungen durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz ...................................... 178 II. Voraussetzungen und Rechtsfolgen nachträglicher Unmöglichkeit ............................................................................... 186 1. Sachgefahr ................................................................................ 186 a) Sachgefahr bei objektiver Unmöglichkeit ............................. 186 b) Sachgefahr bei subjektiver Unmöglichkeit ............................ 193 c) Sachgefahr bei Unzumutbarkeit ............................................ 194 2. Preisgefahr ................................................................................ 199 3. Modifikation durch §§ 285 Abs. 1, 326 Abs. 3 BGB ................. 205 B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln........... 206 I. Historische Entwicklung ................................................................ 206 1. Ius Commune ............................................................................ 206 2. Spätscholastik und Naturrecht ................................................... 210 3. Kodifikationen des 18. Jahrhunderts.......................................... 214 4. Historische Rechtsschule und Pandektenwissenschaft ............... 217 5. Gefahrübergang im BGB ........................................................... 220 II. Voraussetzungen und Folgen des Gefahrübergangs ....................... 225 1. Gefahrübergang nach allgemeinem Kaufrecht ........................... 225 a) Spezieskauf ........................................................................... 226 aa) Übergabe der Kaufsache am Sitz des Verkäufers .......... 226 i. Wirksamer Kaufvertrag ................................................. 227 ii. Übergabe ....................................................................... 230 iii. Übergabe zur Erfüllung ............................................... 236 iv. Zwischenbilanz zur ratio von § 446 S. 1 BGB ........... 237 bb) Transport der Sache zum Käufer ................................... 243 i. Bringschuld .................................................................... 243 ii. Versendungskauf .......................................................... 244 b) Gattungs- und Vorratskauf .................................................... 252 c) Auswirkungen von Pflichtverletzungen................................. 255 aa) Pflichtverletzungen des Verkäufers ............................... 255 i. Verzögerung .................................................................. 255 ii. Mangelhafte Kaufsache ................................................ 257 Zurückspringen der Gefahr bei Rücktritt und Schadensersatz statt der Leistung ........................... 258
X
Inhaltsverzeichnis
Gefahrtragung bei der Nacherfüllung ..................... 265 Schwebelage des Verkäufers .................................. 267 bb) Pflichtverletzungen des Käufers .................................... 268 d) Abweichende Vereinbarungen .............................................. 269 2. Besonderheiten des Verbrauchsgüterkaufs ................................ 272 a) Modifikation der Gefahrtragung beim Versendungskauf ....... 272 b) Grenzen abweichender Vereinbarungen ................................ 276 c) Gefahrtragung im Kontext von Nacherfüllung und Rücktritt ................................................................................ 276
Kapitel 4: Ergebnisse und Perspektiven .......................................... 279 A. Gefahrtragung vor Gefahrübergang.................................................... 279 B. Zeitpunkt und Folgen des Gefahrübergangs ....................................... 289 Literaturverzeichnis .................................................................................... 301 Entscheidungsverzeichnis ........................................................................... 325 Sach- und Namensverzeichnis .................................................................... 329
Verzeichnis der Abkürzungen AcP a.E. Alb. LJ ALR Alta. LQ Am. J. Comp. L. Anglo-Am. L. Rev. ARWP BGB BGH Brit. JL & Socʼy Brook. J. Intʼl L. B.U.L. Rev. CCR 2013 CESL CISG CLJ CMBC Colum. L. Rev. DiskE SMG CRA 2015 DB DCFR EBLR Edin. LR EuCML ERPL EuGH Geo. LJ GPR Harv. Intʼl. LJ Harv. L. Rev. HKK i.S.d. i.S.v.
Archiv für die civilistische Praxis am Ende Albany Law Journal Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten Alberta Law Quarterly The American Journal of Comparative Law Anglo-American Law Review Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof British Journal of Law and Society Brooklyn Journal of International Law Boston University Law Review Consumer Contracts (Information, Cancellation and Additional Charges) Regulations 2013 Vorschlag einer Verordnung über ein gemeinsames Europäisches Kaufrecht United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods The Cambridge Law Journal Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis Columbia Law Review Diskussionsentwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes Consumer Rights Act 2015 Der Betrieb Entwurf eines Gemeinsamen Referenzrahmens für ein europäisches Privatrecht European Business Law Review Edinburgh Law Review Journal of European Consumer and Market Law European Review of Private Law Europäischer Gerichtshof Georgetown Law Journal Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht Harvard International Law Journal Harvard Law Review Schmoeckel/Rückert/Zimmermann (Hrsg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB im Sinne des im Sinne von
XII i.V.m. JA JBl J. Legal Stud. JR Jura Jurid. Rev. JuS JZ Lloydʼs Rep. Loy. L. Rev. Loy. LA Intʼl & Comp. LJ LQR LR(FC)A 1943 MDR Mich. L. Rev. MLR MüKo BGB MüKo HGB N. Ir. Legal. Q. NJW NYULR NYL Sch. J. Intʼl & Comp. L. OIR OJLS PECL PEL S PWW RabelsZ RIW S. S. Cal. L. Rev. SDHI SGA SMG SSGCR 2002 Stan. L. Rev. TVR U. Chi. L. Rev. UCTA U. Pa. L. Rev. Va. L. Rev. Wis. L. Rev. W.L.R. WM YLJ ZEuP
Verzeichnis der Abkürzungen in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Juristische Blätter The Journal of Legal Studies Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juridical Review Juristische Schulung Juristenzeitung Lloydʼs Law Reports Loyola Law Review Loyola of Los Angeles International and Comparative Law Review Law Quarterly Review Law Reform (Frustrated Contracts) Act 1943 Monatsschrift für Deutsches Recht Michigan Law Review Modern Law Review Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch The Northern Ireland Legal Quarterly Neue Juristische Wochenschrift New York University Law Review New York Law School Journal of International and Comparative Law Orbis Juris Romani Oxford Journal of Legal Studies Principles of European Contract Law Principles of European Law of Sales Prütting/Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB Kommentar Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Recht der internationalen Wirtschaft Section Southern California Law Review Studia et documenta historiae et iuris Sale of Goods Act Schuldrechtsmodernisierungsgesetz Sale and Supply of Goods to Consumers Regulations 2002 Stanford Law Review Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis The University of Chicago Law Review Unfair Contract Terms Act University of Pennsylvania Law Review Virginia Law Review Wisconsin Law Review Weekly Law Reports Wertpapier-Mitteilungen Yale Law Journal Zeitschrift für Europäisches Privatrecht
Verzeichnis der Abkürzungen ZfRV ZGS ZIP ZRG (GA) ZRG (RA) ZRP ZUM
XIII
Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Germanistische Abteilung) Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Romanistische Abteilung) Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht
Kapitel 1
Problemstellung und Methode A. Problemstellung Die Problematik der Gefahrtragung beim Kauf beweglicher Sachen hat in der deutschen Literatur eine schicksalhafte Darstellung durch Thomas Mann erfahren, der in den Buddenbrooks den Abschluss eines ungewöhnlichen Vertrags schildert: Im Frühjahr 1868 erklärt sich Senator Thomas Buddenbrook bereit, einem Bekannten, dem Gutsherrn Ralf von Maiboom, mittels eines Spekulationsgeschäfts aus einer akuten Geldnot zu helfen. Er kauft Maiboom die Getreideernte seines Guts „noch auf dem Halm“ ab und zahlt ihm den Kaufpreis unter Ausschluss etwaiger Rückzahlungspflichten sofort.1 Wäre die Ernte im Sommer ertragreich, hätte er sie damit zum halben Preis erstanden und ein ausgezeichnetes Geschäft gemacht. Käme es hingegen zu einem Ernteausfall, müsste Thomas Buddenbrook einen enormen Verlust hinnehmen. Letzteres tritt ein: Im Juli wird die gesamte Ernte des Guts durch einen Hagelsturm zerstört. Die Firma Buddenbrook wird dadurch wirtschaftlich schwer getroffen. Die Gefahrtragung beim Kauf hat so den Niedergang der Familie Buddenbrook beschleunigt. Im Vertrag zwischen Buddenbrook und Maiboom ist vereinbart, dass Buddenbrook das Risiko des Ernteausfalls schon ab Vertragsschluss trägt. Diese Vereinbarung veranschaulicht das Problem der Gefahrtragung beim Kauf: Es geht darum, welche Vertragspartei der wirtschaftliche Verlust aus dem zufälligen Untergang bzw. der zufälligen Verschlechterung der Kaufsache im Laufe der Vertragsabwicklung trifft. Dies umfasst zwei Aspekte: Das Schicksal der Hauptleistungspflicht und das der Gegenleistungspflicht. Die Frage nach dem Schicksal der Hauptleistungspflicht zielt darauf ab, ob der Verkäufer die Kaufsache trotz etwaiger Hindernisse noch an den Käufer leisten oder statt der Kaufsache Schadensersatz leisten muss bzw. ob der Käufer trotz dieser Hindernisse die Sache oder stattdessen Schadensersatz vom Verkäufer verlangen kann. Das Schicksal der Gegenleistungspflicht wird hingegen davon bestimmt, ob der Käufer den Kaufpreis zahlen muss, obwohl er aufgrund eines zufällig eintretenden Verlusts die Kaufsache nicht erhält, bzw. ob der Verkäufer trotz des Leistungshindernisses noch den Kaufpreis beanspruchen darf. Im deutschen Recht wird der erste Aspekt als Leistungsgefahr 1
Vgl. Mann, Buddenbrooks. Verfall einer Familie, 8. Aufl. 2006, 453–459, 465–476.
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1. Kapitel: Problemstellung und Methode
und der zweite Aspekt als Preisgefahr bezeichnet. Doch auch wenn eine Rechtsordnung für die beiden Aspekte keine eigenen Begrifflichkeiten kennt, betrifft der Untergang der Kaufsache im Laufe der Vertragsabwicklung die beiden geschilderten Problemkomplexe.2 Grundproblem der Gefahrtragung ist also die Frage: Inwieweit sind die Parteien jeweils an ihre Vertragsversprechen gebunden, obwohl der Zufall ihre Pläne durchkreuzt hat? Grundsätzlich zielt die Frage nach den Folgen des Untergangs der Kaufsache auf die Rechtsfolgen der Unmöglichkeit der Vertragserfüllung. Ist die Kaufvertragsdurchführung bereits teilweise abgeschlossen, kann es allerdings gerechtfertigt sein, zu Lasten des Käufers eine vom allgemeinen Unmöglichkeitsrecht abweichende Risikozuweisungsentscheidung zu treffen. Den Beginn dieser abweichenden Risikoallokation markiert der kaufrechtliche Gefahrübergang. Rechtsordnungen können damit einen Zeitpunkt bestimmen, ab dem das spezielle kaufrechtliche Gefahrtragungsrecht die Rechtsfolgen des zufälligen Untergangs oder der Verschlechterung der Kaufsache bestimmt. Dabei ist es denkbar, diesen Zeitpunkt an den Abschluss des Kaufvertrags, den Übergang des Besitzes an der Sache oder den Übergang des Eigentums daran auf den Käufer anzuknüpfen. Die Gefahrtragung beim Kauf ist deswegen ein Schnittstellenproblem zwischen Unmöglichkeits- und Kaufrecht sowie zwischen Schuld- und Sachenrecht. Die Untersuchung dieses Problems eröffnet eine Zugangsmöglichkeit zum Grundverständnis einer Rechtsordnung vom Kaufvertrag in einem größeren privatrechtlichen Kontext. Die folgende Untersuchung hat das Ziel, mit dem englischen und deutschen Recht zwei Rechtsordnungen zu vergleichen, die nicht nur in ihren unterschiedlichen Schwerpunkten in Fallrecht und Gesetzesrecht verschieden sind, sondern mit Eigentum und Besitz auch unterschiedliche Anknüpfungspunkte für den Gefahrübergang wählen. Die Arbeit nimmt jeweils das gesamte Recht der Gefahrtragung beim Kauf beweglicher Sachen in den Blick, also sowohl das Unmöglichkeitsrecht als auch die besonderen Gefahrtragungsregeln beim Kauf. Vergleichsgegenstand sind die Regeln des englischen und deutschen Rechts, welche die Folgen des zufälligen Untergangs der Kaufsache im Laufe der Vertragsabwicklung betreffen. Das anvisierte Problem ist damit die rechtliche Behandlung des tatsächlichen Sachverhalts „zufälliger Sachuntergang im Laufe der Kaufvertragsabwicklung“. Indem die Untersuchung ein tatsächliches Problem und nicht eine konkrete Rechtsfrage aus der eigenen Rechtsordnung als Ausgangspunkt wählt, nimmt sie eine möglichst objektive Vergleichsperspektive ein und reduziert das Risiko einer 2
Das englische Recht kennt nur den Begriff risk i.S.d. Preisgefahr, behandelt aber beide Problemkreise, vgl. Treitel, Frustration and Force Majeure, 3. Aufl. 2014, 44–46 und Zimmermann, The Law of Obligations. Roman Foundations of the Civilian Tradition, 1990, 281 Fn. 61.
B. Methode
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Nostrifizierung, also einer Aneignung der fremden Rechtsordnung nach eigenem Maß.3 Die Arbeit beleuchtet die Lösungen dieses tatsächlichen Problems in den beiden Rechtsordnungen vor ihrem jeweiligen ideengeschichtlichen Hintergrund. Auf Grundlage dieser Untersuchung wird in einer die Abhandlung abschließenden Synopse eine vorsichtige Prognose über Möglichkeit und Legitimation einer europäischen Rechtsvereinheitlichung auf diesem Gebiet getroffen.
B. Methode Die moderne Rechtsvergleichung ist mit Zweifeln über ihre Ausrichtung und ihre Methode behaftet.4 Der Ansatz der Rechtsvergleichung wechselte seit ihrer Entstehung zwischen Perioden, in denen man die Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen stärker betonte, und Perioden, in denen man einen integrativen Ansatz verfolgte.5 In der Gegenwart wurde dieser wiederholte Paradigmenwechsel schließlich von einer methodischen Zergliederung abgelöst.6 Eine umfassende Aufarbeitung des modernen Methodendiskurses würde freilich den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Dennoch sei im Folgenden die Methodenfrage schlaglichtartig zur Begründung der eigenen Vorgehensweise beleuchtet. Dabei konzentriert sich die Darstellung auf die Folie, vor der die 3
Vgl. Matthes, in: Matthes, Zwischen den Kulturen?, 1992, 75–99, 84. Es wird also eine Vorgehensweise zu vermeiden gesucht, die in einem Rechtsproblem der Heimatrechtsordnung ihren Ausgang nimmt und so Gefahr läuft, die eigenen Strukturen auf die Auslandsrechtsordnung zu projizieren. Eine solche „heimatrechtliche Basis“ hat etwa die frühe rechtsvergleichende Untersuchung der Gefahrtragung von Eisser, Die Gefahrtragung beim Kaufvertrag in rechtsvergleichender Darstellung, 1927, insbes. 2–4. 4 Vgl. zu dieser „Malaise“ der gegenwärtigen Rechtsvergleichung Ewald, U. Pa. L. Rev. 143 (1995), 1889–2149, 1961–1965 sowie bereits Frankenberg, Harv. Int'l. LJ 26 (1985), 411–456, 416–426. Zu solchen methodischen Zweifeln Radbruch, Einführung in die Rechtswissenschaft, 12. Aufl. 1969, 253: „Wie Menschen, die sich durch Selbstbeobachtung quälen, meist kranke Menschen sind, so pflegen auch Wissenschaften, die sich mit ihrer eigenen Methodenlehre zu beschäftigen Anlaß haben, kranke Wissenschaften zu sein; der gesunde Mensch und die gesunde Wissenschaft pflegen nicht viel von sich zu wissen.“ Eine Wissenschaft, welche im Wesentlichen mit ihrer eigenen Methode befasst ist, mag in der Tat der Kapazität für substantielle Erkenntnisse entbehren; eine Wissenschaft, die ihre Methode nicht reflektiert, wird sich freilich allenfalls gesund fühlen. 5 Schlesinger, Am. J. Comp. L. 43 (1995), 477–481, 477–478. Vgl. aus linguistischer Perspektive Jansen, in: Reimann/Zimmermann, The Oxford Handbook of Comparative Law, 2008, 305–338, 323. 6 Zur Methodenvielfalt und Methodendiskussion in der Rechtsvergleichung vgl. jüngst Adams/Heirbaut, The Method and Culture of Comparative Law: Essays in Honour of Mark Van Hoecke, 2014; di Robilant, B.U.L. Rev. 96 (2016), 1325–1345 und Samuel, An Introduction to Comparative Law Theory and Method, 2014.
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1. Kapitel: Problemstellung und Methode
Rechtsordnungen verglichen werden, also auf die Vergleichsgröße.7 Denn das Problem einer geeigneten Vergleichsgröße ist Kristallisationspunkt der modernen Methodendebatte8 und Ausgangsproblem auch des vorliegenden Vergleichs des englischen und deutschen Gefahrtragungsrechts. Der Vergleichsmaßstab wird grundsätzlich schon mit der Ausgangsfrage des Rechtsvergleichs festgelegt.9 Denn die Fragestellung gibt vor, auf welche Merkmale hin die jeweiligen Rechtsordnungen untersucht werden sollen. Die in Hinblick auf bestimmte Kriterien untersuchten Rechtsordnungen können dann anhand eben dieser Kriterien einander gegenübergestellt werden – insofern konstituieren die in der Fragestellung festgelegten Merkmale zugleich den Vergleichspunkt. Der Vergleich ist umso ergiebiger, je präziser in der Forschungsfrage seine Kriterien und damit sein Maßstab festgelegt werden.10 Ein häufig verwendeter Vergleichsmaßstab ist die Funktion von Rechtssätzen: Ausgehend von der Idee, dass ein Rechtsvergleich Lösungen eines identischen Problems in verschiedenen Rechtsordnungen behandelt,11 vergleicht die funktionale Methode rechtliche Regeln, welche dieselbe Funktion erfüllen bzw. dasselbe gesellschaftliche Problem lösen, und setzt dabei voraus, dass jede Gesellschaft ihrem Recht im Wesentlichen die gleichen Grundprobleme aufgibt.12 Die funktionale Vergleichsfrage gibt also als Untersuchungskriteri7 Diese Vergleichsgröße im Sinne eines von beiden Vergleichsobjekten abstrakten Maßstabs wird seit der Rhetoriklehre der Aufklärung als tertium comparationis („Drittes des Vergleichs“) bezeichnet, Herbst, Komplexität und Chaos: Grundzüge einer Theorie der Geschichte, 2004, 78. 8 Vgl. Brand, Brook. J. Int'l L. 32 (2006), 405–466, 439–441; Husa, RabelsZ 67 (2003), 419–447, 443; Jansen, in: Reimann/Zimmermann, The Oxford Handbook of Comparative Law, 2008, 305–338, 335–336; Michaels, in: Reimann/Zimmermann, The Oxford Handbook of Comparative Law, 2008, 340–381, 367–369; Sandrock, Über Sinn und Methode zivilistischer Rechtsvergleichung, 1966, 45–51. Zum Problem des Vergleichsmaßstabs aus Perspektive der historischen Sozialwissenschaft vgl. Bonnell, Comparative Studies in Society and History 22 (1980), 156–173, 159. 9 Vgl. auch Sandrock, Über Sinn und Methode zivilistischer Rechtsvergleichung, 1966, 46. 10 Vgl. aus der Perspektive der Sozialforschung Nohl, in: Bohnsack, Die dokumenarische Methode und ihre Forschungspraxis: Grundlagen qualitativer Sozialforschung, 3. Aufl. 2013, 271–293, 279. 11 So bereits Salomon, Grundlegung zur Rechtsphilosophie, 1919, 41–42. 12 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, 3. Aufl. 1996, 33. Vgl. auch Reitz, Am. J. Comp. L. 46 (1998), 617–636, 621–626; Rheinstein, U. Chi. L. Rev. 5 (1938), 615–624, 617–620; Collins, OJLS 11 (1991), 396–406, 399–402. Teilweise wird darüber hinaus eine praesumptio similitudinis dahingehend postuliert, dass durch die Institute der verschiedenen Rechtsordnungen nicht nur das gleiche Problem gelöst wird, sondern dass dies auch auf ähnliche Art und Weise geschieht, Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, 1996, 39. Dagegen Brand, Brook. J. Int'l L. 32 (2006), 405–466, 418–419 und Legrand, in: Legrand/Munday,
B. Methode
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um die Art und Weise vor, wie verschiedene Rechtsordnungen eine bestimmte Funktion erfüllen, und legt die Art der Funktionserfüllung zugleich als Vergleichsmaßstab fest. Entwickelt wurde diese Methode zur Lösung von Qualifikationsproblemen im Internationalen Privatrecht, wobei sie zugleich der Förderung der Rechtsvereinheitlichung dienen sollte.13 Denn die Analyse der Funktion eines fremden Instituts durchdringt die Sprachfassade der Auslandsrechtsordnung14 und ermöglicht damit einerseits die Subsumtion ausländischer Institute unter inländische Kollisionsnormen und andererseits eine Erweiterung des „Vorrats an Lösungen“ für ein Problem.15 Um zur reinen Funktionalität durchzudringen, verlangt die Methode eine Reinigung „von allen dogmatischen Befangenheiten des eigenen Systems“.16 Sie fordert also, die Rechtsregeln zu dekonstruieren, um sie damit von ihrer lokalen Dimension und ihrem Kontext zu trennen.17 Das so gewonnene Ergebnis ist insofern frei von Wertungselementen, als es keine Aussagen über Qualitäten der Funktionserfüllung trifft:18 Wenn die Betrachtung ihren Ausgangspunkt in der Erfüllung einer bestimmten Funktion nimmt, wird das Ergebnis nicht darüber hinausgehen, dass die Rechtsordnungen diese Funktion auf gleiche oder andere Weise erfüllen – funktionsäquivalente Institute zeichnen sich gerade durch ihre Gleichwertigkeit bei der Funktionserfüllung aus.19 Ein rein funktionaler Rechtsvergleich beantwortet also lediglich die Frage, ob und wie eine bestimmte Funktion erfüllt wird, sagt aber nicht, warum das so ist. Will der Rechtsvergleich mehr sein als die Gegenüberstellung von verschiedenen Arten der Funktionserfüllung, bedarf er demnach eines weiteren, Comparative Legal Studies: Traditions and Transitions, 2011, 240–311, insbes. 271–287 sowie Gordley, in: Monateri, Methods of Comparative Law, 2012, 107–119, 117–119. 13 Vgl. Brand, Brook. J. Int'l L. 32 (2006), 405–466, 412 sowie auch Ewald, U. Pa. L. Rev. 143 (1995), 1889–2149, 1986: „comparison-for-legislative-reform“. 14 Gerber, in: Riles, Rethinking the Masters of Comparative Law, 2001, 190–208, 199–200. 15 Rabel, Rheinische Zeitschrift für Zivil und Prozessrecht 1924, 279–301, 287. 16 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, 1996, 34. Vgl. auch Reitz, Am. J. Comp. L. 46 (1998), 617–636, 625–626. Dagegen Canaris, in: Leser, Wege zum japanischen Recht: Festschrift für Zentaro Kitagawa zum 60. Geburtstag, 1992, 59–94, 83–84. 17 Brand, Brook. J. Int'l L. 32 (2006), 405–466, 411. 18 Vgl. bereits Rabel, Rheinische Zeitschrift für Zivil und Prozessrecht 1924, 279–301, 280. Daher warnend vor Wertungen auf Basis funktionaler Analyse Cohen, MLR 1 (1937), 5–26, 24–25. Freilich ist damit nicht gesagt, dass die Vergleichsdarstellung selbst wertungsfrei oder neutral ist; vielmehr ist es zweifelhaft, ob sich der Rechtsvergleicher von seinem Vorverständnis wird lösen können. 19 Michaels, in: Reimann/Zimmermann, The Oxford Handbook of Comparative Law, 2008, 340–381, 374. Insofern bewegt sich der funktionale Vergleich auf einem „technischen Level“, vgl. Hill, OJLS 9 (1989), 101–115, 106.
6
1. Kapitel: Problemstellung und Methode
über die reine Funktionalität hinausgehenden Bezugspunkts.20 Dabei kann der weitere Bezugspunkt eine Änderung des ursprünglichen Vergleichsmaßstabs oder Gegenstand einer weiteren Vergleichsfrage sein, was jeweils zu einem unterschiedlichen Erkenntnisgewinn im Vergleichsergebnis führt. Das sei beispielhaft anhand eines möglichen weiteren Bezugspunkts, nämlich der ökonomischen Effizienz von Rechtsinstituten, kurz illustriert: Rein funktionaler Vergleich: Wie erfüllen die Rechtsordnungen 1 und 2 die Funktion f? Vergleich anhand der Effizienz der Funktionserfüllung (Änderung): Wie effizient erfüllen die Rechtsordnungen 1 und 2 die Funktion f? Funktionaler Vergleich mit zusätzlicher Effizienzanalyse (Erweiterung): Wie erfüllen die Rechtsordnungen 1 und 2 die Funktion f und wie effizient ist die jeweilige Funktionserfüllung?
Der Erkenntnisgewinn aus Frage b ist geringer als der aus Frage c, weil derjenige, der nur nach dem weiteren Bezugspunkt (wie z.B. nach der Effizienz) fragt, die Aspekte der Funktionalität, die für die Beurteilung des weiteren Bezugspunkts (z.B. Effizienzbeurteilung) irrelevant sind (wie z.B. die Frage, aus welchen Gründen jenseits ihrer Effektivität eine bestimmte Art und Weise der Funktionserfüllung Rechtsakzeptanz findet), außer Acht lässt und weil diese dann nicht Teil der aus dem Vergleich gewonnenen Erkenntnismenge sind: Erkenntnis aus Frage a Erkenntnis aus Frage b Erkenntnis aus Frage c
Der Erkenntnisgewinn aus dem Rechtsvergleich kann also verändert oder erweitert werden, indem die Frage nach der Funktion mit einem weiteren Gesichtspunkt verfeinert oder eine zusätzliche Vergleichsfrage nach einem weiteren Gesichtspunkt gestellt wird. Ein weiterer Gesichtspunkt kann nicht nur in der ökonomischen Effizienz der Rechtsinstitute, sondern auch in einer ihnen zu Grunde liegenden Struktur oder in ihrer ideengeschichtlichen Bedingtheit liegen. Der Gesichtspunkt der Effizienz von Rechtsinstituten ist Gegenstand der ökonomischen Rechtsanalyse (comparative law and economics). Die ökono20 Vgl. auch Michaels, in: Reimann/Zimmermann, The Oxford Handbook of Comparative Law, 2008, 340–381, 375 sowie Unberath, Die Vertragsverletzung, 2007, 27–29.
B. Methode
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mische Rechtsanalyse geht davon aus, dass die das Recht prägenden Faktoren miteinander in einem Wettbewerb stehen, der von den ökonomisch vorteilhaftesten Regeln gewonnen werden wird.21 Deswegen nimmt die ökonomische Rechtsanalyse als Vergleichsfolie die ökonomische Dimension des Rechts in den Blick. Bisweilen bleibt bei einer engen Wahl des ökonomischen Blickwinkels allerdings außer Betracht, dass der „Wettbewerb der Rechtsordnungen“ dort, wo er stattfindet, auch durch andere Faktoren, wie durch politische und ideologische Gesichtspunkte, beeinflusst wird.22 Ungeachtet ihrer daher fehlenden Eignung zur hinreichenden Erklärung der Rechtsentwicklung ermöglicht die ökonomische Rechtsanalyse jedenfalls Aussagen über ökonomische Qualitäten rechtlicher Regelungen, wie z.B. über die Höhe der durch sie ausgelösten Transaktionskosten oder ihre Eignung zur Vermeidung von Ressourcenverschwendung.23 Dabei hat die ökonomische Rechtsanalyse keinen eigenen juristischen Effizienzbegriff entwickelt, sondern orientiert sich am wohlfahrtsökonomischen Effizienzbegriff, der regelmäßig anhand des Kaldor/Hicks-Kriteriums auf den maximalen Gesamtnutzen unabhängig vom Gewinn oder Verlust Einzelner abstellt.24 Bei Anwendung dieses Effizienzbegriffes können sich aber insbesondere im Kontext von Austauschverträgen Probleme ergeben, da die Auswirkungen einer Regelung auf den Gesamtnutzen davon abhängen, wie Gewinne und Verluste der Individuen bemessen werden – insbesondere unterscheidet sich eine Bemessung aus der Perspektive der „Verlierer“ (asking price) von einer Bemessung aus der Perspektive der „Gewinner“ (offer price), weil Individuen durchschnittlich mehr dafür verlangen, etwas aufzugeben, als sie für den Erwerb desselben Gutes im Durchschnitt zu zahlen bereit wären.25 Daher ist das Kriterium der ökonomischen Effizienz nur dann als Vergleichskriterium brauchbar, wenn die Be21 Mattei, Comparative Law and Economics, 1998, 105–108; Ogus, The International and Comparative Law Quarterly 48 (1999), 405–418, 406–409; Krimphove, ZfRV 1998, 185–204, 190. Bei minimalen Transaktionskosten wird die ökonomisch vorteilhafteste Lösung indes jedenfalls auch im Ergebnis staatlich unbeeinflusster privater Verhandlungen der (voll informierten) Parteien zu finden sein, Coase, Journal of Law and Economics 3 (1960), 1–44, 2–8; dazu Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip: Möglichkeiten und Grenzen der ökonomischen Analyse des Rechts, 1995, 59–63. 22 In diese Richtung etwa Schmidtchen, in: Eger/Schäfer, Ökonomische Analyse der europäischen Zivilrechtsentwicklung, 2007, 1–45, 5. 23 Krimphove, ZfRV 1998, 185–204, 190–191; Mattei, Comparative Law and Economics, 1998, 144–145. Vgl. auch Faust, in: Reimann/Zimmermann, The Oxford Handbook of Comparative Law, 2008, 837–865, 847–849 und Samuel, An Introduction to Comparative Law Theory and Method, 2014, 77. 24 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 1995, 47–57; Posner, Economic Analysis of Law, 9. Aufl. 2014, 13–17. 25 Kelman, S. Cal. L. Rev. 52 (1978), 669–698, 678–698; Brand, Brook. J. Int'l L. 32 (2006), 405–466, 426–427.
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1. Kapitel: Problemstellung und Methode
messungsgrundlagen für die Effizienz vollumfänglich transparent gemacht werden.26 Andernfalls büßt das Kriterium seine Neutralität ein. Als weiterer möglicher Bezugspunkt für den Vergleich kann eine hierfür eigens konstruierte oder eine in der rechtstheoretischen Diskussion bereits etablierte abstrakte Struktur dienen. Ebenso wie das Effizienzkriterium bedarf diese Struktur einer transparenten Definition, um neutraler Bezugspunkt des Vergleichs sein zu können. Diese Definition kann ganz verschiedene Merkmale in den Blick nehmen: So kann man zur Strukturbestimmung etwa auf ein der Rechtsordnung zu Grunde liegendes Ideengebäude,27 die Arten der in den Rechtsordnungen vertretenen Institutionen oder auf das jeweilige System der Normen abstellen.28 In diese Richtung geht auch der Ansatz, aus den verglichenen Fakten objektive Konzepte zu entwickeln und als Referenzsystem des Vergleichs zu verwenden.29 Der ökonomische und der strukturelle Vergleichsansatz sind demnach in hohem Maße auf eine transparente Konstruktion ihres abstrakten Vergleichskriteriums angewiesen. Die Anwendung eines solchen abstrakt konstruierten Kriteriums auf die einander gegenübergestellten Rechtsordnungen verändert bzw. vermehrt die aus dem Vergleich gewonnenen Erkenntnisse. Allerdings vermögen diese Ansätze nicht zu erklären, warum Rechtsordnungen auf eine bestimmte Weise funktionieren. Ein Vergleich allein gegenwärtigen Rechts ohne Einbeziehung der historischen Dimension blendet nämlich die Dynamik der Rechtssysteme aus.30 Er fragt nicht, welche Faktoren ihre Entwicklung beeinflusst haben bzw. welche Funktionen ihre Regeln in der Vergangenheit erfüllt haben, und ist dadurch auch gegenüber deren möglichen zukünftigen Entwicklungen weitgehend blind.31 Der Vergleichspunkt, der Potential zur Beantwortung dieser Frage nach dem Warum hat, ist der ideengeschichtliche 26 Dem wird Mattei, Comparative Law and Economics, 1998, 145 insofern nicht gerecht, als er das Effizienzkriterium erst im Rahmen der konkreten Untersuchung als gefundenen Vorteil definieren will. Unklar bzgl. der Bemessungskriterien für Effizienz auch Bisges, ZUM 2014, 930–938. Hager, Die Gefahrtragung beim Kauf: Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 1982, 72 stellt bei seiner kurzen ökonomischen Überprüfung der Gefahrtragung bei Kaufvertrag pauschal auf die Vermeidung von Streitigkeiten ab. Zu den spezifischen Problemen des Nutzenbegriffs im Austauschvertrag vgl. auch Adams, AcP 186 (1986), 453–489. 27 Vgl. Valcke, Am. J. Comp. L. 52 (2004), 713–740, insbes. 735–739 sowie Hoecke, in: Hoecke, Epistemology and Methodology of Comparative Law, 2004, 165–195, 191. 28 Vgl. Samuel, An Introduction to Comparative Law Theory and Method, 2014, 96–100. 29 Sog. conceptual comparison, vgl. Brand, Brook. J. Int'l L. 32 (2006), 405–466, insbes. 436–441. 30 Gerber, in: Riles, Rethinking the Masters of Comparative Law, 2001, 190–208, 206. 31 Vgl. Brand, Brook. J. Int'l L. 32 (2006), 405–466, 419–420; Gerber, in: Riles, Rethinking the Masters of Comparative Law, 2001, 190–208, 206.
B. Methode
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Hintergrund der Rechtsordnungen.32 Bezieht man die historische Bedingtheit des Rechts in die Untersuchung ein, kann man Erkenntnisse darüber gewinnen, warum die verglichenen Regelungskomplexe ihre heutige Gestalt aufweisen. Dies ermöglicht schließlich auch vorsichtige Prognosen darüber, welches Entwicklungspotential ihnen in Zukunft zukommt. Diese Untersuchung will sich nicht in einer Gegenüberstellung nationaler Regelungskomplexe erschöpfen. Daher nimmt sie zwar in einer funktionalen Vergleichsfrage ihren Ansatz, indem sie untersucht, wie das englische und deutsche Recht die Probleme infolge des Untergangs des Vertragsgegenstands beim Kauf beweglicher Sachen lösen. Um den Erkenntnisgewinn aus dem Vergleich nicht zu verändern, sondern vielmehr zu erweitern, vergleicht sie die beiden Rechtssysteme zusätzlich anhand ihrer ideengeschichtlichen Entwicklung, um auch Antworten auf die Frage finden zu können, infolge welcher Einflüsse die Probleme auf bestimmte Weise gelöst werden, und damit die Antwort der Rechtsordnungen auf die Wie-Frage auszuleuchten. Ökonomische und strukturelle Erwägungen werden teilweise ergänzend herangezogen, sind aber nicht zentraler Gegenstand dieses Vergleichs. Allerdings ist bei der Einbeziehung der historischen Dimension zweifach Vorsicht geboten. Erstens ist es problematisch, bei der Untersuchung gegenwärtige Rechtsvorstellungen zum Ausgangspunkt zu nehmen. Dabei werden gegenwärtige Strukturen auf das Recht der Vergangenheit projiziert, was den historischen Befund verfälscht. Zwar ist der Blick auf die geschichtliche Entwicklung des Rechts sicher immer vom Vorverständnis des Beobachters geprägt. Dennoch sollte bei der historischen Untersuchung die eigene dogmatische Brille so weit wie möglich abgelegt werden.33 Daher wird in dieser Untersuchung die geschichtliche Entwicklung der Regelungskomplexe jeweils vor und gesondert von dem Inhalt des geltenden Rechts beleuchtet, um die Ergebnisse nicht aus der Perspektive gegenwärtiger Dogmatik zu verzer32 Dabei wird nicht der – zum Scheitern verurteilte – Versuch unternommen, aus der Abfolge von Ideen einzelner Denker eine „Geschichte der Ideen“ zu konstruieren, vgl. hierzu kritisch Skinner, Visions of Politics, Band 1, 2002, insbes. 64–86. Pointiert zu solcher „Ideengeschichte“ Ittersum, in: Du Plessis/Cairns, Reassessing Legal Humanism and its Claims – Petere Fontes?, 2016, 154–193, 156: „conversation among dead white males, aimed at solving present-day problems“. Vielmehr dient als Bezugspunkt der Betrachtung, welche Ideen in bestimmten Epochen insofern „verbreitet“ waren, als sie die Akzeptanz verschiedener Akteure des Zeitgeschehens fanden und so den Diskurs und die Rechtsentwicklung zu jener Zeit prägten. Vgl. auch aus soziologischer Perspektive, insbesondere zum Begründungspotential kommunikationstheoretischer Konzepte, Luhmann, in: Matthes, Lebenswelt und soziale Probleme: Verhandlungen des 20. Deutschen Soziologentages zu Bremen 1980, 1981, 49–61, 56–57. 33 Gegen einen nur dogmatischen Umgang mit der ideengeschichtlichen Bedingtheit des Rechts vgl. auch Gordon, Stan. L. Rev. 36 (1984), 57–125, 119.
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1. Kapitel: Problemstellung und Methode
ren.34 Zweitens gilt es zu vermeiden, die Rechtsgeschichte dadurch in den Dienst der Rechtsvergleichung zu stellen, dass die geschichtliche Entwicklung als Legitimation für bestimmte Ergebnisse und Projekte herangezogen wird. Das ist nicht selbstverständlich: Vielmehr sieht sich die Rechtsvergleichung bisweilen als „Kundin der Rechtsgeschichte“35 und fragt, was die Rechtsgeschichte „ihr bieten kann“.36 Die historische Untersuchung wird so zum Instrument gegenwärtiger Projekte und läuft Gefahr, nicht mehr Geschichte im Sinne historischer Authentizität zu sein, weil moderne Denkmuster übertragen werden, sei es mit dem Ziel der „Wiedergewinnung europäischer Rechtseinheit“37 oder – zurückhaltender – um „interessante Produkte für die Europäisierung der Rechtswissenschaft zu liefern“.38 Unbeschadet gewinnbringender Ansätze birgt dieser instrumentalisierende Umgang mit der historischen Bedingtheit des Rechts die Gefahr, die Komplexität der geistesgeschichtlichen Tiefenstruktur zu vernachlässigen.39 Denn mit dem Blick auf das zu legitimierende Ziel und durch die dogmatische Brille der Gegenwart besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass die Rechtsgeschichte auf einen linear auf das Ziel hinführenden Prozess reduziert und den gegenwärtigen Denkmustern unterworfen wird. Um die Regelungskomplexe umfassend zu verstehen, müssen sie vielmehr als ein sich noch im Verschmelzungsprozess befindliches Amalgam geschichtlich bedingter Regeln verstanden werden, ohne dass dabei die geschichtliche Entwicklung aus der Gegenwartsperspektive instrumentalisiert wird.40 Bezugspunkt des vorliegenden Rechtsver34 Dabei setzt die Identifikation der relevanten Regelungskomplexe freilich voraus, dass sich das untersuchte tatsächliche Problem in der Geschichte zumindest in seiner Grundform stets gleich gestellt hat. Dies ist beim Untergang einer vertraglich versprochenen Sache der Fall, weil dieses tatsächliche Problem auftritt, sobald Ordnungen bindende Versprechen kennen. 35 Flessner, ZEuP 1999, 513–520. 36 Luig, ZEuP 1999, 521–530. 37 Kötz, JZ 1992, 20–22. Michaels will so einen Weg zurück zu einem neuen Ius Commune finden, Michaels, RabelsZ 73 (2009), 866–888, 885. In diese Richtung auch Zimmermann, in: Hartkamp, Towards a European Civil Code, 1994, 65–81, insbes. 67. Kritisch gegenüber der Instrumentalisierung Giaro, Ius Commune 1994, 1–43. 38 Flessner, ZEuP 1999, 513–520, 519. 39 Zum Problem der Hermeneutik und zur Relevanz der Vorstruktur des Verstehens vgl. Gadamer, Wahrheit und Methode: Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, 2010, insbes. 270 ff. Zur prägenden Kraft der durch ideengeschichtliche Prämissen bedingten Tiefenstruktur des Rechts vgl. auch B. Forschner, in: Mattiangeli, Emptio-Venditio: Europäische Studien zur Geschichte des Kaufvertrags, 2014, 199–222, insbes. 200–201. 40 Vgl. auch Ewald, ZEuP 1999, 553–559, 557–559; Gordley, in: Reimann/ Zimmermann, The Oxford Handbook of Comparative Law, 2008, 754–773, 763–764; Pringsheim, CLJ 5 (1935), 347–365, 349. Gegenstand dieser Untersuchung ist dabei die Entwicklung der Rechtsordnungen als Wachstums- bzw. Emanzipationsprozess. Im Bereich des Kaufrechts kam es nämlich nicht zu einer bewussten Übernahme einer fremden
B. Methode
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gleichs ist daher die Art und Weise, wie die Rechtsordnungen auf die jeweils auf sie einwirkenden Einflüsse reagiert haben. Diese Reaktion kann etwa in einer Rezeption von Ideen, in einer Emanzipation von bestimmten Einflüssen, in einer Opposition zu denselben oder auch in ihrer Ignoranz bestehen. Die Erkenntnis, dass ein Rechtssatz z.B. Rezeption einer Idee oder Ergebnis eines Emanzipationsprozesses ist, eröffnet nicht nur einen tieferen Einblick in die Regel, der Schlüsse etwa auf den Stellenwert des Rechtssatzes innerhalb der Rechtsordnung zulässt, sondern lässt u.U. auch Prognosen dahingehend zu, wie sich gegenwärtige Einflüsse auf das geltende Recht auswirken werden. Dass die Ergebnisse dieses historisch informierten Vergleichs englischen und deutschen Gefahrtragungsrechts gewinnbringend sein werden, lässt sich an dieser Stelle freilich nicht a priori belegen. Vielmehr möge die folgende Untersuchung für sich sprechen. Vor dem Hintergrund dieses methodischen Ansatzes kann die Forschungsfrage wie folgt präzisiert werden: Wie lösen englisches und deutsches Recht die Probleme infolge des Sachuntergangs beim Kauf beweglicher Sachen [funktionales Kriterium] und [erweiternd] inwiefern sind die jeweiligen Lösungen durch die nationale und europäische Ideengeschichte bedingt? [Vergleichspunkt Ideengeschichte]
Regelung in ihrer Gesamtheit im Sinne eines legal transplant, zu letzterem vgl. Watson, Legal Transplants, 1974, insbes. 21–30.
Kapitel 2
Englisches Recht Obwohl das englische Recht nur den Begriff risk i.S.v. Preisgefahr kennt,1 beantwortet es sowohl die Frage nach der Leistungs- als auch die Frage nach der Preisgefahr. Die Antworten auf diese Fragen sind in den Rechtssätzen darüber enthalten, in welchen Fällen von Beschädigung bzw. Untergang der Ware der Verkäufer von seiner Leistungspflicht frei wird und ob der Käufer dann trotzdem den Kaufpreis zahlen muss. Diese Rechtssätze sind demnach den Rechtsfolgen von Unmöglichkeit der Vertragserfüllung (doctrine of frustration) zuzuordnen. Denn diese Rechtsfolgen bestimmen allgemein das Schicksal der Leistungs- und Gegenleistungspflicht bei Untergang und Beschädigung der Sache. Bei Kaufverträgen gelten diese Rechtssätze allerdings nur bis zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs (passing of risk). Denn ab dann wird das Unmöglichkeitsrecht von der speziellen kaufrechtlichen Gefahrtragung überlagert.2 Im Folgenden sollen deswegen zunächst das Unmöglichkeitsrecht und dann die kaufrechtliche Gefahrtragung untersucht werden.
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit Das Unmöglichkeitsrecht bestimmt die Risikotragung hinsichtlich Untergang oder Beschädigung der Kaufsache nach Vertragsschluss und vor Gefahrübergang. Die Nichtexistenz oder eine Beeinträchtigung der Integrität des Vertragsgegenstandes vor Vertragsschluss führen dagegen regelmäßig zur anfänglichen Nichtigkeit des Vertrags wegen eines gemeinsamen Irrtums der Parteien3 und betreffen jedenfalls nicht das weitere Schicksal der erst durch
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Vgl. oben, Kapitel 1, Text bei Fn. 2. Diese dogmatische Systematisierung ist in den englischen Rechtssätzen nicht ausdrücklich enthalten, wird aber zu deren Erklärung herangezogen, vgl. Sealy, CLJ 31 (1972), 225–247, 245–246 und noch deutlicher Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014, 74–77. 3 Der Irrtum über Integrität oder Existenz des Vertragsgegenstandes fällt im englischen Recht in die Kategorie fundamentaler Irrtümer, die zur Nichtigkeit des Vertrags führen. Vgl. dazu Bell v Lever Bros. Ltd. [1932] A.C. 161, 206. 2
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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den Vertrag begründeten Pflichten, also die Gefahrtragung im eigentlichen Sinne. I. Die frustration-Doktrin Das Recht der nachträglichen Unmöglichkeit findet in England seinen Niederschlag in der doctrine of frustration,4 die in ihrer heutigen Form bei Unmöglichkeit der Erfüllung eines bereits geschlossenen Vertrags die wechselseitigen Leistungspflichten der Parteien zum Erlöschen bringt. Damit wird auch die Entstehung eines an die Nichterfüllung dieser Pflichten anknüpfenden Schadensersatzanspruchs verhindert. 1. Historische Entwicklung Dass die nachträgliche Unmöglichkeit der Erfüllung einer Leistungspflicht zu deren Erlöschen und zum Wegfall der Gegenleistungspflicht führt, ist im englischen Recht erst seit etwa 150 Jahren anerkannt. Zuvor galt die doctrine of absolute contracts. Diese hielt die Parteien auch bei Unmöglichkeit an ihren Vertragspflichten fest, so dass der Gläubiger die Gegenleistung zu erbringen hatte und der Schuldner wegen der „Nichterbringung der Hauptleistung verschuldensunabhängig schadensersatzpflichtig war.5 a) Paradine v Jane und die doctrine of absolute contracts Leitentscheidung zur doctrine of absolute contracts ist Paradine v Jane.6 Das Urteil ist ein Meilenstein in der dogmatischen Entwicklung der mittelalterlichen Vertragsklage, des writ of covenant: Im Mittelalter konnte ein Prozess 4 Treitel, Unmöglichkeit, „Impracticability“ und „Frustration“ im anglo-amerikanischen Recht, 1991, 2 ordnet frustration zwar auch als Unmöglichkeit ein, hält das Wort selbst aber für „kaum übersetzbar“. 5 Auch jenseits von Unmöglichkeitsfällen steht dem Gläubiger der Hauptleistung im englischen Recht in der Regel nur ein Anspruch auf Schadensersatz und kein Anspruch auf Erbringung der Leistung in natura zu; vielmehr kann der Gläubiger Naturalerfüllung als specific performance nur in Ausnahmefällen durch ein equitable remedy verlangen, vgl. nur Lord Hoffmann in Cooperative Insurance Society Ltd. v Argyll Stores (Holdings) Ltd. [1998] A.C. 1, 11–12. Aus historisch-vergleichender Perspektive siehe auch Riehm, Der Grundsatz der Naturalerfüllung, 2015, 124–133. Nachdem der Schadensersatzanspruch auf das postive Interesse gerichtet ist (Robinson v Harman 154 E.R. 363, 365), entspricht der finanzielle Nachteil für den Schuldner infolge dieser Schadensersatzpflicht wirtschaftlich der Leistungsgefahr. 6 (1647) Aleyn 26 = (1647) Sty 47 = [1558–1774] All ER Rep 172; hierzu: Ibbetson, in: Rose, Consensus Ad Idem: Essays in the Law of Contract in Honour of Guenter Treitel, 1996, 1–37, 30–37; Page, Mich. L. Rev. 18 (1920), 589–614, 594–596; Wade, LQR 56 (1940), 519–556, 524–528.
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2. Kapitel: Englisches Recht
nur durch einen Kläger begonnen werden, der sich auf einen writ berief, eine Verfügung des Königs oder seiner Beamten in der chancery, durch die der lokale Richter oder die königlichen Gerichte angewiesen wurden, für eine bestimmte Fallkonstellation Rechtsschutz zu gewähren.7 Die Art des jeweiligen writ schrieb dabei auch die auf dessen Grundlage gewährte Klageart (form of action) vor.8 Die action of covenant gewährte Rechtsschutz hinsichtlich der Erfüllung eines Vertrags.9 Dabei handelte es sich um einen writ in der Form des precipe – also einen writ, der dem Beklagten ein bestimmtes Verhalten gebietet und ihn nur bei Nichterfüllung dieses Gebots zur Erklärung seines Verstoßes vor den Richter zitiert, im Gegensatz zum writ in der Form des quare, der den Beklagten zur Erklärung seiner Verfehlungen zwingt.10 Ursprünglich knüpfte dabei die action of covenant subjektiv an die Verfehlung des Beklagten an, seine vertragliche Verpflichtung nicht erfüllt zu haben.11 Insofern war dieser bei höherer Gewalt nicht haftbar.12 So schreibt Bracton Mitte des 13. Jahrhunderts, dass die vertragliche Verpflichtung durch den Untergang ihres Gegenstandes und der Gattung erlösche: „[tollitur obligatio i]tem per interitum rei et speciei“.13 Ende des 15. Jahrhunderts löste sich jedoch die Anknüpfung der action of covenant an die Verfehlung des Beklagten und die Position der aus dem Vertrag berechtigten Partei rückte in den Vordergrund.14 Solange deren Anspruch noch in irgendeiner Form exis7
Baker, The Oxford History of the Laws of England. Volume VI, 1483–1558, Band VI, 2003, 323. Zum Rechtsschutz durch writs vgl. auch Bracton, Bracton on the Laws and Customs of England, übersetzt und herausgegeben von Samuel E. Thorne, Band 4, 1968, 286 (fol. 413): „formulae brevium quot sunt genera actionum, quia non potest quis sine brevi agere“ – „Es gibt so viele Arten von writs wie Klagearten, denn niemand kann ohne einen writ klagen“. Das Wort writ (angelsächsisch gewrit) spielt darauf an, dass die Verfügung schriftlich ergeht, die lateinische Übersetzung breve betont den Aspekt, dass die Verfügung kurz gehalten ist, Hollond, CLJ 8 (1942), 15–35, 15. Das writSystem hielt sich unter verschiedenen Modifikationen bis ins 19. Jahrhundert hinein und wurde erst im Jahr 1879 endgültig abgeschafft, vgl. Hollond, CLJ 8 (1942), 15–35, 35. 8 Hollond, CLJ 8 (1942), 15–35, 18–19. 9 Baker, The Oxford History of the Laws of England. Volume VI, 1483–1558, Band VI, 2003, 820. Ursprünglich hatte die action of covenant v.a. Landpachtverträge zum Gegenstand, war aber darauf nicht beschränkt, vgl. Ibbetson, Law and History Review 4 (1986), 71–94, 72. 10 Baker, An Introduction to English Legal History, 2002, 57–59. 11 Mit Belegen aus den in den Yearbooks gesammelten Entscheidungen Ibbetson, in: Rose, Consensus Ad Idem: Essays in the Law of Contract in Honour of Guenter Treitel, 1996, 1–37, 5. 12 Ebd. 13 Bracton, Bracton on the Laws and Customs of England, übersetzt und herausgegeben von Samuel E. Thorne, Band 2, 1968, 288–289 (fol. 101b). 14 Ibbetson, in: Rose, Consensus Ad Idem: Essays in the Law of Contract in Honour of Guenter Treitel, 1996, 1–37, 15.
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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tierte, zog man die verpflichtete Partei zur Vertragserfüllung heran.15 Höhepunkt dieser Entwicklung war der Fall Paradine v Jane. William Jane hatte von Robert Paradine für mehrere Jahre ein Stück Land gepachtet. 1647 nimmt Paradine Jane wegen rückständiger Pachtforderungen in Anspruch. Jane versucht, sich gegen die Forderungen zu verteidigen, indem er vorbringt, „that a certain German prince, by name Prince Rupert, an alien born, enemy to the King and kingdom, had invaded the realm with an hostile army of men; and with the same force did enter upon the defendantʼs possession, and him expelled, and held out of possession from the 19 of July 18 Car. till the Feast of the Annunciation, 21 Car. whereby he could not take the profits [from the land]“.16 Jane als Pächter sieht sich demnach von seiner Pachtzahlungspflicht befreit, weil er das gepachtete Land aufgrund des Truppeneinfalls nicht mehr nutzen konnte, weil also die Erbringung der Hauptleistung aus dem Pachtvertrag (Zurverfügungstellung des Lands zur Nutzung) unmöglich geworden war. Die besonders dramatische Schilderung der feindlichen Besetzung mag dem Umstand geschuldet sein, dass nach der geltenden Rechtslage die Unmöglichkeit der Nutzung des Pachtobjekts eigentlich nicht zum Erlöschen der Vertragspflichten führte. Daher musste Jane mit besonderen Fakten aufwarten.17 Damit hatte er jedoch keinen Erfolg. Das Gericht unterscheidet zwei Unmöglichkeitkategorien, von denen nur die erste Befreiungswirkung hat: „[W]here the law creates a duty or charge, and the party is disabled to perform it without any default in him, and hath no remedy over, there the law will excuse him […] but when the party by his own contract creates a duty or charge upon himself, he is bound to make it good, if he may, notwithstanding any accident by inevitable necessity, because he might have provided against it by his contract“.18 Die Unmöglichkeit der Erfüllung von duties created by contract führt also nicht zum Erlöschen dieser Pflichten, weil die Parteien eine Regelung der Unmöglichkeit im Vertrag hätten treffen können. Nachdem die Pachtzahlung eine duty created by contract war, zu der sich Jane ausdrücklich vertraglich verpflichtet hatte, war sie nicht erloschen. Damit war die doctrine of absolute contracts aus der Taufe gehoben und die vertragliche Haftung zur absolute liability geworden. Die Grenze zwischen duty created by law und duty created by contract kann nicht mit der heutigen Grenze zwischen Delikts- und Vertragsrecht gleichgesetzt werden, sondern entspricht eher der Grenze zwischen implied terms und express terms.19 Express terms sind ausdrückliche schriftliche oder 15
Ibbetson, The Journal of Legal History 18 (1997), 1–31, 10. (1646) Aleyn 26, 26–27. 17 Ibbetson, in: Rose, Consensus Ad Idem: Essays in the Law of Contract in Honour of Guenter Treitel, 1996, 1–37, 31. 18 (1646) Aleyn 26, 27. 19 Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014, 20–21. 16
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2. Kapitel: Englisches Recht
mündliche Vertragsvereinbarungen.20 Unter implied terms versteht man dagegen konkludente Vertragsbedingungen, die durch Auslegung des Parteiverhaltens gewonnen oder darüber hinaus durch das Gericht angenommen werden, um das, was die Parteien vernünftigerweise vereinbart hätten, wenn sie den entsprechenden Fall bedacht hätten, in den Vertrag als zusätzliche Regelung einzubeziehen.21 In der Praxis haben sich einige implied terms bereits als Standard der Vertragsergänzung bestimmter Vertragstypen etabliert, so dass das Gericht in diesen Fällen nicht mehr den Willen der Parteien, sondern anerkannte Rechtsregeln umsetzt.22 Bei derartigen implied terms handelt es sich daher gleichsam nicht mehr um echte, sondern um „konstruktive“ Vertragsbedingungen,23 also letztlich um das dispositive Recht bzgl. der jeweiligen Vertragstypen. Solche in den Vertrag hineingelesenen Vereinbarungen waren mit duties created by law in Paradine v Jane gemeint. Für diese zusätzlichen Pflichten griff demnach die absolute liability nicht ein. Jedenfalls aber für die vereinbarten Hauptleistungspflichten als duties created by contract galt ab Paradine v Jane: Wer sich vertraglich ausdrücklich zu einer bestimmten Leistung verpflichtet hat, wird unter allen Umständen an diesem Versprechen festgehalten. Dass Paradine v Jane zum Präzedenzfall für diese Regel wurde, ist nicht nur auf die spektakulären Fakten des Falls zurückzuführen, sondern v.a. auf die weite Formulierung der Entscheidungsgründe.24 Die Entscheidung bezog sich nämlich eigentlich nur auf das Schicksal der Gegenleistung (Pachtzahlung) bei Unmöglichkeit der Hauptleistung (Nutzung des Landes). Die Gegenleistung (Geldzahlung) konnte gar nicht unmöglich werden.25 Die Argumentation des Beklagten zielte daher also eigentlich darauf ab, dass die Pachtzahlungspflicht davon abhänge, dass ihm auch das Land zur Verfügung stehe – ein mit den implied terms eines Pachtvertrags damals nur schwer zu vereinbarender Zusammenhang, den das Gericht daher verneinte.26 Nachdem das Gericht jedoch in den oben zitierten, zu Präzedenzregeln gewordenen 20
McKendrick, in: Beale, Chitty on Contracts, Band 1, 32. Aufl. 2015, 1095–1125,
1095. 21
Ebd; das ist ähnlich, aber nicht identisch mit der ergänzenden Vertragsauslegung im deutschen Recht. 22 McKendrick, in: Beale, Chitty on Contracts, Band 1, 2015, 1095–1125, 1097; vgl. hierzu auch die Aussage von Lord Diplock in Photo Production Ltd. v Securicor Ltd. [1980] AC 827, 848: “[I]n practice a commercial contract never states all the primary obligations of the parties in full; many are left to be incorporated by implication of law from the legal nature of the contract into which the parties are entering.“ 23 Corbin, YLJ 28 (1919), 739–768, 744. 24 Schlegel, Rutgers L. Rev. 23 (1968), 419–448, 421. 25 So schon Pollock, Principles of Contract, 4. Aufl. 1888, 411. Vgl. auch Corbin, YLJ 22 (1912–1913), 513–530, 520. 26 Wade, LQR 56 (1940), 519–556, 524–525.
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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Gründen des Urteils nicht zwischen Leistung und Gegenleistung oder Vertrag und allgemein geltenden Rechtssätzen differenzierte, stellte es eine Regel auf, die in ihrem Anwendungsbereich nicht beschränkt war. Daher wurde die doctrine of absolute contracts in der Folge auch auf Fälle angewandt, in denen Streitgegenstand die unmöglich gewordene Hauptleistung war, wie bei einem Streit um die Durchführung eines Schiffstransports über den Atlantik bei schlechten Wetterbedingungen.27 Damit wurde die Regel aus Paradine v Jane über ihren eigentlichen Anwendungsbereich hinaus zum etablierten Rechtsprinzip, das bis ins 19. Jahrhundert galt. Der Umstand, dass das Gericht Jane trotz der Unmöglichkeit der Nutzung des Grundstücks an seiner Gegenleistungspflicht aus dem Pachtvertrag festgehalten hatte, führte also letztlich dazu, dass in der Folge auch Schuldner einer Leistungspflicht bei Unmöglichkeit an dieser Pflicht festgehalten wurden.28 b) Taylor v Caldwell und die Lehre von der implied condition Die doctrine of absolute contracts erfuhr Abmilderungen in Ausnahmefällen. So entschied der Court of Exchequer im Jahr 1831, dass eine vertragliche Verpflichtung zu einer höchstpersönlichen Leistung mit dem Tod der Partei erlöschen müsse.29 Nachhaltig erschüttert wurde die Geltung der doctrine of absolute contracts indes erst 1863 durch die watershed decision30 im Fall Taylor v Caldwell,31 die Justice Blackburn vor dem Court of Queenʼs Bench fällte. Es war kein Zufall, dass dieser wichtige Wandel in der Rechtsprechung durch Blackburn vollzogen wurde. Der Schotte Blackburn war vier Jahre zuvor von Lord Chancellor Campbell als Richter an den Court of Queenʼs Bench berufen worden, weil er ein exzellenter Rechtsgelehrter war,32 der 27
Shubrick v Salmond 97 Eng. Rep. 1022, 1024; vgl. hierzu Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014, 26. 28 Kritisch hierzu Wladis, Geo. LJ 75 (1987), 1575–1631, 1579 und insbesondere Wade, LQR 56 (1940), 519–556, 524: „the famous decision in Paradine v Jane, the misunderstanding of which has probably done more injury than any other single topic to the rational development of the law of impossibility“. 29 Justice Tindal in Marshall v Broadhurst (1831) 1 C. & J. 403, 406: Die executors seien nicht aus einem Vertrag des testator verpflichtet „where the testator enters into a personal engagement to be performed by himself only“. 30 So McKendrick, in: Beale, Chitty on Contracts, Band 1, 32. Aufl. 2015, 1671–1729, 1672. 31 (1863) 3 B. & S. 826; vgl. hierzu Buckland, Harv. L. Rev. 46 (1933), 1281–1300, 1287–1288; McElroy/Williams, MLR 4 (1941), 241–260, 241–243; Page, Mich. L. Rev. 18 (1920), 589–614, 597–600; Wladis, Geo. LJ 75 (1987), 1575–1631, 1594–1596. 32 Duman, The Judicial Bench in England, 1727–1875: The Reshaping of a Professional Elite, 1982, 81.
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2. Kapitel: Englisches Recht
nach seiner Ausbildung in Eton, am Trinity College, Cambridge, und an Lincolnʼs Inn, London,33 neben seiner anwaltlichen Tätigkeit schon Abhandlungen zum Common Law verfasst hatte. Dass die Ernennung zum Richter auf Verdiensten um die Rechtswissenschaft und nicht auf beruflichem Erfolg als Anwalt oder auf politischen Verdiensten beruhte, war eine Ausnahme,34 die in der Presse ein kritisches Echo auslöste. So schrieb die Times am 29. Juni 1859: „His claims to this appointment stand at minimum […] it does seem strange that the choice should fall upon a gentleman who is unknown, without professional experience or Parliamentary name“.35 Angesichts dieser Kritik kam dem damals neu ernannten Chancellor Campbell der Ex-Chancellor Lyndhurst mit einer Rede zur Verteidigung der Ernennung Blackburns zur Hilfe, in der er betonte: „[Blackburn] is a very learned person, a very sound lawyer, an admirable arguer of a law case, and eminently fitted for a seat on the bench“.36 Dieser gelehrte Richter nahm sich des Falls Taylor v Caldwell an. Die Parteien hatten am 27. Mai 1861 einen Vertrag geschlossen, der die Kläger berechtigte, gegen Zahlung von jeweils 100 Pfund pro Abend an vier Sommerabenden die Surrey Gardens und eine darin befindliche Konzerthalle zur Veranstaltung von Konzerten und nächtlichen Feiern zu nutzen. Einen Tag vor dem ersten Konzert wurde die Konzerthalle durch einen von keiner der Parteien verschuldeten Brand zerstört. Die Kläger machen nun ihre vergeblichen Aufwendungen für die Bewerbung des Konzerts und die Kosten anderer Vorbereitungsmaßnahmen gegen die Beklagten geltend.37 Diese Forderungen stehen ihnen aber nur dann zu, wenn die Beklagten auch nach dem unverschuldeten Abbrennen der Musikhalle grundsätzlich auf Schadensersatz haften. Eine solche Haftung der Beklagten will Justice Blackburn nicht annehmen. Vielmehr bietet sich ihm anlässlich des Falles die Gelegenheit, eine neue Position zum Unmöglichkeitsrecht zu entwickeln. Zu Beginn seiner Entscheidungsgründe gibt er zwar – freilich ohne Paradine v Jane ausdrücklich zu zitieren – die doctrine of absolute contracts wieder und hält fest, dass grundsätzlich jede Vertragspartei leisten muss oder Schadensersatz statt der Leistung schuldet, „although […] the performance of his contract has become unexpectedly burdensome, or even impossible“.38 Diese auch von höheren 33
Cambridge Alumni Database . Duman, The Judicial Bench in England, 1727–1875: The Reshaping of a Professional Elite, 1982, 81. 35 „Who is the new Judge who is to take the place“ The Times [London, England] 29. Juni 1859: 9. The Times Digital Archive. 5.2.2015. 36 Blackburn, Alb. LJ 1895, 88–92, 89. 37 (1863) 3 B. & S. 826, 826–830. 38 (1863) 3 B. & S. 826, 833. 34
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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Gerichten wie der Exchequer Chamber angewandte und daher für ihn bindende Regel39 sucht er jedoch dadurch einzuschränken, dass er ihren Anwendungsbereich auf solche Fälle beschränkt, in denen „the contract is positive and absolute and not subject to any condition either expressed or implied“.40 Dies begründet er damit, dass es – von ihm nicht näher benannte – Autoritäten gebe, die dann, wenn den Parteien der Natur des Vertrags nach von Anfang an bewusst war, dass die Vertragserfüllung nur dann möglich sei, wenn bei Erfüllung eine bestimmte Sache weiterhin existierte, eine implied condition des Inhalts nahelegten, dass die Parteien bei der schuldlosen Zerstörung dieser Sache nicht verantwortlich seien.41 Dabei ist unter einer condition eine besonders ranghohe Regelung des Vertrags zu verstehen, die – im Gegensatz zur warranty – bei ihrer Verletzung die vertragstreue Partei nicht nur zum Schadensersatz, sondern auch dazu berechtigt, sich aufgrund der Verletzung der condition als fundamentaler Vertragsregelung nicht mehr an den Vertrag gebunden zu sehen.42 Die Differenzierung zwischen condition und warranty ist auf das writSystem zurückzuführen: Während bei der Verletzung einer warranty die zu Grunde liegende Tatsachenbehauptung der entsprechenden Vertragspartei als falsch angesehen wurde und hierfür die tort-Klage auf Schadensersatz wegen breach of warranty zur Verfügung stand, gab die Nichterfüllung einer condition der anderen Partei die Möglichkeit, den Vertrag zu beenden und etwaige geleistete Zahlungen mit der indebitatus assumpsit-Klage zurückzufordern.43 Die deliktsrechtliche Folge des breach of warranty wurde zwar Ende des 18. Jahrhunderts aufgegeben, indem der anderen Vertragspartei bei breach of warranty auch eine vertragliche assumpsit-Klage zugestanden wurde,44 was für den Kläger den Vorteil brachte, dass er diese Klage mit der indebitatus assumpsit-Klage zur Rückforderung geleisteter Zahlungen verbinden konnte.45 Allerdings stand ihm die indebitatus assumpsit-Klage auf Kaufpreisrückzahlung weiterhin nur zu, wenn die verletzte Vertragsbedingung eine condition war und er deswegen nicht nur wie bei Verletzung einer warranty Schadensersatz verlangen, sondern sich vom Vertrag lösen konnte. Daher wurde die Unterscheidung zwischen conditions und warranties weiter aufrecht erhalten. Mit dem Aufkommen der im 19. Jahrhundert u.a. von Pothier und Savigny verbreiteten und von Chitty ins Common Law übernommenen 39
Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014, 43. (1863) 3 B. & S. 826, 833. 41 Ebd. 42 Vgl. McKendrick, in: Beale, Chitty on Contracts, Band 1, 2015, 1013–1093, 1023, 1026–1027, 1030. 43 Ibbetson, A Historical Introduction to the Law of Obligations, 1999, 223. 44 Stuart v Wilkins (1778) 1 Doug. K.B. 18, 21. 45 Lobban, OJLS 17 (1997), 441–476, 460. 40
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2. Kapitel: Englisches Recht
Willenstheorie begann man schließlich, beide Arten von Vertragsbedingungen nicht nur anhand objektiver Auslegungsregeln, sondern v.a. anhand des Parteiwillens voneinander zu unterscheiden.46 Justice Blackburn möchte mittels einer solchen condition bzgl. der Integrität des Leistungsgegenstands eine Ausnahme zur doctrine of absolute contracts konstruieren. Wird die condition in dem Vertrag implied, bedeutet das, dass sich die Regelung nicht ausdrücklich im Vertrag befindet, sondern dass das Gericht sie in einer Art ergänzender Vertragsauslegung, die sich aber auch aus etablierten Regeln für bestimmte Verträge speist, in den Vertrag hineinliest.47 Diese Technik ermöglichte es den Gerichten im 19. Jahrhundert, hinter der Fassade des Parteiwillens neue Rechtsregeln zu entwickeln.48 Dass man dies der objektiven Änderung von Regeln vorzog, ist Beleg für die Dominanz der Willenstheorie im englischen Rechtsbewusstsein.49 Eine solche Entwicklung einer neuen Rechtsregel hinter der Fassade des Parteiwillens nimmt Justice Blackburn bzgl. der Unmöglichkeit vor. Hierbei bedient er sich seines akademischen Wissens über das Civil Law. Er bezieht sich zunächst auf das römische Recht und zitiert zwei Digestenstellen: D. 45, 1, 23 (Pomp. 45 ad Sab.) und D. 45, 1, 33 (Pomp. 25 ad Sab.). In diesen Stellen setzt sich Pomponius mit der Unmöglichkeit bei der Stipulation auseinander. Er schildert jeweils eine Stipulation, in der die Übergabe eines Sklaven versprochen wurde, und stellt fest, dass der Promissor nicht haftbar ist, wenn der Sklave vor dem vereinbarten Übergabedatum ohne sein Verschulden stirbt. Die beiden Stellen zeigen, dass die Verpflichtung aus einer Stipulation de certo corpore durch den Untergang des certum corpus erlischt, wenn der Schuldner für den Untergang nicht verantwortlich ist und daher nicht die Fiktion der perpetuatio obligationis eingreift.50 Diese Fiktion gilt bei der Stipulation und anderen Verpflichtungen 46
Ibbetson, The Journal of Legal History 18 (1997), 1–31 224. Der Boden für die Entstehung der Willenstheorie wurde durch den von Grotius und Pufendorf auf Grundlage spätscholastischer Ideen entwickelten Versprechensvertrag bereitet, bei dem nicht primär der objektive Tatbestand des Konsenses, sondern der Wille des Individuums für die vertraglichen Bindung konstitutiv war (vgl. unten Kapitel 3, A.I.2.b)), siehe auch Ibbetson, A Historical Introduction to the Law of Obligations, 1999, 215 und 220. Zum Einfluss der Willenstheorie auf das englische Vertragsrecht vgl. auch Zimmermann, ZEuP 1993, 4–51, 49–50 sowie Zimmermann, AcP 193 (1993), 121–173, 131–132. 47 S.o. Text bei Fn. 20 bis 22. 48 Ibbetson, A Historical Introduction to the Law of Obligations, 1999 224. Die Technik war schon einige Jahrzehnte zuvor bzgl. des Gewährleistungsrechts beim Kauf angewandt worden, vgl. Zimmermann, AcP 193 (1993), 121–173, 139. 49 Ibbetson, A Historical Introduction to the Law of Obligations, 1999, 220–222, 225. 50 Buckland, Harv. L. Rev. 46 (1933), 1281–1300 1281, 1288; Zimmermann, The Law of Obligations. Roman Foundations of the Civilian Tradition, 1990, 816, 784–785. Eine Erklärung für das Erlöschen der Verpflichtung außerhalb der perpetuatio obligationis ist,
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strengen Rechts51 und bewirkt in Fällen des schuldhaften Gläubigerverzugs oder der sonst vom Gläubiger durch culpa herbeigeführten Unmöglichkeit, dass der untergegangene Gegenstand bzw. sein Wert nach wie vor eingeklagt werden kann.52 Die beiden Belegstellen zum Erlöschen der certum corpusVerpflichtung in Fällen außerhalb der perpetuatio obligationis stützen zwar das von Blackburn erstrebte Ergebnis. Allerdings sind sie mit Blick auf den streitgegenständlichen Vertrag, der wohl am ehesten mit einem Miet- oder Pachtvertrag zu vergleichen ist, nicht passend gewählt. Während die Miete oder Pacht im römischen Recht (locatio conductio rei) nämlich ein Konsensualkontrakt war, beziehen sich die beiden Pomponius-Stellen auf die Stipulation als Verbalkontrakt, für den mit der Haftung nach strengem Recht ein anderes Haftungsregime galt als für den Konsensualkontrakt.53 Konsensualkontrakte waren nämlich nicht durch strengrechtliche Klagen, sondern als bonae fidei iudicia, d.h. mit Ermessensspielräumen der Geschworenen bzgl. der Rechtsfolgen, klagbar.54 Die von Blackburn zitierten Pomponius-Stellen zeigen nur, dass bei der Stipulation de certo corpore als Verpflichtung strengen Rechts der zufällige Untergang des Gegenstandes zum Erlöschen der durch das Versprechen begründeten Verpflichtung führt, wenn die perpetuatio obligationis nicht eingreift. Dies galt aber so nicht für den Konsensualkontrakt der locatio conductio rei als bonae fidei iudicium. Über die Gefahrtragung bei der locatio conductio rei informiert D. 19, 2, 15, 2 (Ulp. 32 ad ed.): Der erste Teil dieses Ulpian-Fragments legt fest, dass der Verpächter (locator) dem Pächter (conductor) auch beim Eintritt solcher Ereignisse das praestare frui licere schuldet, die auf vis, cui resisti non potest, beruhen, also auch bei höherer Gewalt. Nur bei vitia, quae ex ipsa re oriuntur, also bei Gefahren, die der Mietsache selbst entspringen, trifft das Verlustrisiko den conductor. Jenseits aller terminologischen Unsicherheiten55 wird deutlich, dass im Rahmen der Risikoallokation bei der locatio conductio rei zwischen der dem locator als Eigentümer zuzuordnenden Sphäre höherer Gewalt und der Sphäre des conductor differenziert wurde. Diese Unterscheidung zwischen höherer Gewalt und der Mietsache inhärenten Gefahren ist in dass nach Untergang des certum corpus auch keine condemnatio pecuniaria mehr möglich war, weil in Ermangelung eines Leistungsgegenstands mit realem Wert keine Litisästimation vorgenommen werden konnte, Medicus, ZRG (RA) 86 (1969), 67–104, 75–80. Umfassend zur perpetuatio obligationis Kaser, SDHI 46 (1980), 87–146. 51 Kaser, SDHI 46 (1980), 87–146, 88. 52 D. 45, 1, 91, 6 (Paul. 17 ad Plaut.): „Effectus huius constitutionis ille est, ut adhuc homo peti possit.“ 53 Vgl. auch Buckland, Harv. L. Rev. 46 (1933), 1281–1300, 1288. 54 Harke, Römisches Recht, 2008, 44 sowie Wieacker, ZRG (RA) 80 (1963), 1–41. 55 Zur Terminologie im Kontext vgl. Du Plessis, Letting and Hiring in Roman Legal Thought: 27 BCE-284 CE, 2012, 42–44.
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2. Kapitel: Englisches Recht
den Quellen zu Miete und Pacht regelmäßig zu finden56 und kann daher als gesicherte Rechtslage gelten. In Fällen höherer Gewalt war also der locator der Träger des Risikos, was bedeutet, dass er vom conductor für den Zeitraum der Zerstörung der Miet- bzw. Pachtsache keine Zahlungen mehr verlangen konnte.57 Die höhere Gewalt führte dabei nur zum (temporären) Erlöschen der Gegenleistungspflicht, nicht zum Erlöschen der Hauptpflicht aus dem Vertrag, des praestare frui licere. Das ergibt sich etwa auch aus D. 19, 2, 33 (Afr. 8 quaest.), einer Stelle, in der African den Vermieter eines konfiszierten Grundstücks weiter auf das praestare frui licere haften lässt. In Taylor v Caldwell wäre der von keiner der Parteien verschuldete Brand des Mietobjektes58 neben dem beispielhaft erwähnten Erdrutsch als höhere Gewalt einzuordnen gewesen und hätte daher nicht zum Erlöschen der Hauptleistungspflicht geführt. Ein inhaltlich richtiger Bezug zum römischen Recht hätte also die Argumentation, dass die Beklagten nach dem unverschuldeten Brand der Konzerthalle aus dem Vertrag gar nicht mehr haftbar sind, nicht stützen können. Vom römischen Recht zieht Justice Blackburn eine Parallele zum französischen Recht und beruft sich auf Pothiers Ausführungen in Traité des Obligations Teil III, Kapitel 6, Art. 4.59 Mit Pothiers Position zum Erlöschen von Verpflichtungen wegen Unmöglichkeit hatte sich Blackburn bereits 1845 in einer von ihm verfassten Monographie zu den Auswirkungen des Kaufvertrags auf Eigentum und Besitz auseinandergesetzt, in der er mehrere Stellen aus Teil II, Kapitel 1, Artikel 4 Traité du Contrat de Vente60 zitierte. 61 Dabei war der Rückgriff auf Abhandlungen zum Civil Law wie die Pothiers bei der Erklärung des Common Law im 19. Jahrhundert nicht ungewöhnlich: An englischen Universitäten wurde erst ab der Mitte des 18. Jahrhunderts neben dem kanonischen Recht und dem römischen Recht auch das Common Law gelehrt.62 Vor dieser Zeit gab es daher keine größeren 56 57
Kaser, ZRG (RA) 74 (1957), 155–200 175. Du Plessis, Letting and Hiring in Roman Legal Thought: 27 BCE-284 CE, 2012,
140.
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Das Vertragsverhältnis zwischen Taylor und Caldwell ist wohl am treffendsten als entgeltliche Gebrauchsüberlassung (licence) einzuordnen, vgl. auch Zimmermann, AcP 193 (1993), 121–173, 122 Fn. 1. 59 (1863) 3 B. & S. 826, 834–35, Bezugnahme auf Pothier, Traité des Obligations, Band 2, 1805, 135–137. 60 Pothier, Traité du contrat de vente, 1768, 52–54. 61 Blackburn, A Treatise on the Effect of the Contract of Sale on the Legal Rights of Property and Possession in Goods, Wares, and Merchandize, 1845, 172–173. 62 Zuvor fand die Ausbildung im Common Law ausschließlich an den Inns of Court statt, wo Praktiker lehrten, vgl. Baker, An Introduction to English Legal History, 2002, 159–162, 170–172. Vgl. dazu auch Blackstone, Commentaries on the Laws of England in four books; kommentiert von E. Hovenden, Band 1, 1836, 4: „[I]t has been the peculiar lot
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Bestrebungen, das Fallrecht des Common Law in akademischer Manier zu systematisieren und abstrakt darzustellen.63 Aus diesem Grund war die ab dem 18. Jahrhundert durch Rechtsgelehrte an den Universitäten in ihren systematischen Abhandlungen, den sog. legal treatises,64 vorgenommene strukturierte Darstellung des Rechts ein weitgehend neues Unterfangen für das Common Law, wohingegen auf dem Kontinent die Systematisierung des Rechts schon Tradition hatte.65 Für die Common Law-Gelehrten des 18. und 19. Jahrhunderts lag es nahe, auf diese Tradition zurückzugreifen.66 Blackburn macht sich seine Kenntnis des französischen Rechts zu Nutze: Denn nach Pothier wird bei extinction de la chose due der Schuldner eines bestimmten Stücks außerhalb besonderer Garantievereinbarungen von seiner Verpflichtung frei.67 Dies stellt nach Blackburn einen zusätzlichen Beleg für das Erlöschen von certum corpus-Verpflichtungen beim Untergang des certum corpus dar.68 Allerdings enthält dies eine weitere Ungenauigkeit: Das Vertragsrecht Pothiers kennt im Gegensatz zu den Verbal- und Konsensualof our admirable system of laws to be neglected, and even unkown, by all but one practical profession.“ 63 Die beiden frühen Traktate Glanvilles (ca. 1188) und Bractons (ca. 1260) stammen aus der Feder von Praktikern, die allerdings auch kanonisch und römischrechtlich gebildet waren. Diese beiden ersten umfassenden Dokumentationen des englischen Rechts gehören zu den frühesten Europas, vgl. Zimmermann, ZEuP 1993, 4–51, 12, der das Streben nach schriftlicher Fixierung des Rechts als ein europäisches Phänomen begreift. 64 Zu dem Begriff Simpson, U. Chi. L. Rev. 48 (1981), 632–679, 633–634. Manche der legal treatises waren von ihren Verfassern sogar als geistige Vorstufe zu einer Kodifikation verstanden worden, ebd. 666–667. 65 Simpson, LQR 91 (1975), 247–278, 254. 66 Zu diesem Rezeptions- und Systematisierungsprozess vgl. insbes. Zimmermann, ZEuP 1993, 4–51, 46–49. Exemplarisch für die Pothier-Rezeption steht eine Aussage von Judge Best in Cox v Troy 5 B. & Ald. 474, 480–481: „But the authority of Pothier is expressly in point. That is as high as can be had, next to the decision of a Court of Justice in this country. It is extremely well known that he is a writer of acknowledged character; his writings have been constantly referred to by the Courts, […]. We cannot, therefore, have a better guide than Pothier on this subject.“ Das in England rezipierte Werk Pothiers war wiederum beeinflusst durch die Naturrechtslehre Grotius’ und Pufendorfs (dazu Kapitel 3, A.I.2.b)), vgl. Pichonnaz, in: Fargnoli/Rebenich, Das Vermächtnis der Römer: römisches Recht und Europa, 2012, 21–46, 33. Zur Beeinflussung des englischen Rechts durch das Ius Commune auch schon vor dem Akademisierungsprozess vgl. Helmholz, The Ius Commune in England: Four Studies, 2001. 67 Pothier, Traité des Obligations, Band 2, 1805, 135–137. Pothiers Werke wurden im Entwicklungsprozess des englischen Schuld- und Kaufrechts mehrfach als Vorbild genommen, so etwa auch durch Chalmers bei dem Entwurf des Sales of Goods Act 1893, vgl. Zimmermann, The Law of Obligations. Roman Foundations of the Civilian Tradition, 1990, 816, 336. 68 (1863) 3 B. & S. 826, 834–35.
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kontrakten des römischen Rechts nämlich nur ein einheitliches Vertragskonzept.69 Daher ist es nicht ganz passend, die chose due bei Pothier dem certum corpus im römischen Recht der Verbalkontrakte gleichzusetzen. Nachdem Justice Blackburn die von ihm angestrebte neue Regel mit dem Exkurs ins Civil Law begründet hat, räumt er zwar ein, dass das Civil Law als solches „not of itself an authority in an English court“ sei,70 insistiert aber: „[It] affords great assistance in investigating the principles on which the law is grounded.“71 Die Überlegungen zum Civil Law zeigten nämlich, dass auch das englische Recht in den beschriebenen Situationen eine implied condition der weiteren Existenz des Vertragsgegenstandes kenne.72 Warum sich die Existenz einer solchen implied condition gerade aus einer Betrachtung des Civil Law ergibt, bleibt dabei offen. Es ist kein Zusammenhang zwischen der von Blackburn herangezogenen Unmöglichkeitsdogmatik des Civil Law und der Theorie einer implied condition ersichtlich.73 Bei der Herleitung der implied condition im englischen Recht beruft sich Justice Blackburn zudem auf drei Ausnahmen zur Regel aus Paradine v Jane: Als erste Ausnahme nennt er Fälle, in denen eine Vertragspartei ein Versprechen höchstpersönlicher Leistung abgibt und dann verstirbt,74 wie Marshall v Broadhurst.75 Das Erlöschen der Verpflichtung der verstorbenen Partei in dieser Konstellation erklärt Justice Blackburn damit, dass aus der Natur des Vertrags folge, dass es eine implied condition gebe, wonach der Vertrag vom 69
Buckland, Harv. L. Rev. 46 (1933), 1281–1300, 1288. (1863) 3 B. & S. 826, 835. 71 Ebd; pointiert zu dieser „unenglischen“ Argumentation Pringsheim, CLJ 5 (1935), 347–365, 362. Mit der Einordnung des Civil Law als Hilfe bei der Untersuchung des Common Law hat Blackburn die Stoßrichtung der Civil Law-Rezeption im 19. Jahrhundert insgesamt umrissen. Beispielhaft auch Chief Justice Tindal in Acton v Blundell (1843) 12 Meeson and Welsby 324, 353: „The Roman law forms no rule binding in itself upon the subjects of these realms; but, in deciding a case upon principle, where no direct authority can be cited from our books, it affords no small evidence of the soundness of the conclusion at which we have arrived, if it proves to be supported by that law, the fruit of the researches of the most learned men, the collective wisdom of ages and the groundwork of the municipal law of most of the countries in Europe.“ Auch im 21. Jahrhundert ist das römische Recht noch Erkenntnishilfe bei der Rechtsfindung, vgl. nur Lord Roger in Fairchild [2003] 1 AC 32, 113–115, dazu Mance, in: Burrows/Johnston/Zimmermann, Judge and Jurist. Essays in Memory of Lord Rodger of Earlsferry, 2013, 85–97, 91–95 sowie Zahn, Edin. LR 15 (2011), 197–217. 72 (1863) 3 B. & S. 826, 835. 73 Simpson hat vor diesem Hintergrund die Argumentation Blackburns als „Ehe“ zwischen der Civil Law-Dogmatik und der englischen implied term-Technik bezeichnet, Simpson, LQR 91 (1975), 247–278, 271. 74 (1863) 3 B. & S. 826, 835–836. 75 Vgl. oben, Fn. 29. 70
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Weiterleben des Schuldners abhängt.76 Ebenfalls mit einer solchen implied condition erklärt Blackburn die zweite Ausnahme zur Regel aus Paradine v Jane, die er im Stückkauf von bei Vertragsschluss identifizierbaren beweglichen Sachen sieht, bei dem nach Eigentums- und Gefahrübergang, aber vor der Lieferung die Sachen schuldlos untergegangen sind und der Verkäufer dadurch von seiner Leistungspflicht befreit wird.77 Auch hier sieht er den Grund für das Erlöschen der Leistungspflicht des Verkäufers in einer implied condition bzgl. der Fortexistenz des Kaufgegenstandes.78 Das Eingreifen derselben implied condition nimmt Justice Blackburn schließlich beim Freiwerden des Verwahrers im Falle des schuldlosen Untergangs des Vertragsgegenstandes in Verwahrungsfällen an, die sein drittes Beispiel für eine Ausnahme von der Regel aus Paradine v Jane bilden.79 Aus diesen drei Ausnahmegruppen folgert er das Prinzip, dass in Verträgen, in denen die Leistung von der fortbestehenden Existenz einer Person oder einer Sache abhängt, eine implied condition anzunehmen ist, welche die Leistungspflicht bei Unmöglichkeit der Leistung aufgrund des Untergangs der Sache oder des Tods der Person zum Erlöschen bringt.80 Mit der engen Formulierung, die speziell the perishing of the person or thing in Bezug nimmt, vermeidet Justice Blackburn einen Konflikt mit der Regel aus Paradine v Jane und erreicht damit, dass sein neues Prinzip eine zulässige Ausnahme zu der für ihn bindenden Vorentscheidung ist.81 Dennoch ist seine Formulierung generell genug gehalten, um eine Ausweitung ihres Anwendungsbereichs zu ermöglichen. Diese Ausweitung erfolgte mittels seiner Konstruktion einer implied condition, die Richter später auch in Fällen, in denen die Leistung nicht am perishing of the person or thing scheiterte, annehmen konnten.82 Die Idee der implied condition erwies sich somit als geschicktes Instrument, um von der als überkommen
76
(1863) 3 B. & S. 826, 836. (1863) 3 B. & S. 826, 837, unter Bezugnahme auf Rugg v Minett (1809) 11 East 211. Diese Ausnahme bzgl. des Untergangs von Kaufsachen nach Gefahrübergang ist nicht glücklich gewählt, da hier nur der Verkäufer von seiner Pflicht zur Lieferung befreit wird, nicht aber der Käufer von seiner Pflicht zur Zahlung; besser wäre es vielmehr gewesen, Fälle des Untergangs des Kaufgegenstands vor Gefahrübergang als Beispiel zu wählen, weil in dieser Konstellation beide Parteien von ihren Verpflichtungen befreit werden, vgl. Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014, 35. 78 (1863) 3 B. & S. 826, 837. 79 (1863) 3 B. & S. 826, 838–39. 80 (1863) 3 B. & S. 826, 839. 81 Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014, 43. 82 Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014, 44; Blackburn wirkte an dieser Ausweitung maßgeblich mit, vgl. Anderson/Lobban, The Oxford History of the Laws of England. Volume XII, 1820–1914, Private Law., Band XII, 2010, 515–516. 77
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empfundenen Regel aus Paradine v Jane83 loszukommen, oder – um es mit den Worten aus Lord Lyndhursts Verteidigungsrede zu sagen – als „admirable arguing of the law“. Die Konstruktion der implied condition ging nicht ohne Widersprüche vonstatten: So stellt Blackburn am Ende des Tatbestands zwar fest, dass bei Vertragsschluss offensichtlich keine der Parteien die Möglichkeit einer solchen Katastrophe wie des Brandes der Konzerthalle vor Augen hatte,84 postuliert aber am Beginn der Entscheidungsgründe, dass eine implied condition bzgl. des Freiwerdens der Parteien bei Unmöglichkeit der Absicht der Parteien bei Vertragsschluss Rechnung trage.85 An diesen tatsächlichen Widerspruch knüpft auch die dogmatische Kritik an der Konstruktion der implied condition an: Sofern die Parteien im Vertrag ausdrücklich, konkludent oder in einer Bedingung, die sich aus einer fair implication ergibt, die Folgen von Unmöglichkeit geregelt hätten, gebe es keinen Raum für die Anwendung einer doctrine of impossibility.86 Diese Doktrin könne vielmehr nur dann eingreifen, wenn ein unconditional promise einer Leistung im Raum stünde.87 Daher sei die Annahme einer implied condition in Unmöglichkeitsfällen letztlich zirkulär.88 Dieser Kritik ist zwar zuzugestehen, dass sie bei einer am Wortlaut „implied condition“ haftenden Betrachtung einen auf den ersten Blick überzeugenden Schluss zieht. Allerdings verkennt sie die Natur der conditions implied by law. Im Gegensatz zu den conditions implied in fact, die tatsächlich an den mutmaßlichen Parteiwillen anknüpfen, sind die conditions implied by law entweder bereits standardisierte Rechtsregeln für bestimmte Verträge89 oder neue Rechtsregeln, die das Gericht aber nicht aufgrund des Parteiwillens aufstellt, sondern „because the court believes that by reason of the mores of the time justice requires that it should so operate“.90 Daher ist die Annahme einer implied condition tatsächlich nicht die Herleitung einer Regelung aus dem Parteiwillen, sondern eine ergänzende Vertragsauslegung mittels einer 83
Zudem war die Regel aus Paradine v Jane im Zeitalter fortschreitender Industrialisierung und zunehmender Virulenz der sozialen Frage auch „both economically and socially unworkable“ geworden, vgl. Sharma, NYL Sch. J. Int'l & Comp. l. 18 (1998), 95– 179, 133. 84 (1863) 3 B. & S. 826, 833. 85 (1863) 3 B. & S. 826, 833. Angesichts dieses Gegensatzes konstatiert Simpson, LQR 91 (1975), 247–278, 271: „It is hard to see how much further inconsistency is possible.“ 86 Page, Mich. L. Rev. 18 (1920), 589–614, 599. 87 Ebd. 88 Page, Mich. L. Rev. 18 (1920), 589–614, 600. 89 Vgl. oben Text bei Fn. 22 und 23 sowie McKendrick, in: Beale, Chitty on Contracts, Band 1, 2015, 1095–1125, 1097. 90 Corbin, YLJ 28 (1919), 739–768, 744.
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vom Gericht aufgestellten Regel, die deswegen Anwendung findet, weil der Vertrag keinen express term oder term implied in fact für Unmöglichkeit enthält. Ihrer Anwendung steht deswegen nicht der Parteiwille entgegen. Durch Annahme einer implied condition bzgl. der Fortexistenz der Konzerthalle kommt Justice Blackburn schließlich dazu, dass aufgrund des unverschuldeten Brands der Musikhalle beide Parteien von ihren Leistungspflichten befreit wurden.91 Daher haften die Beklagten weder auf Vertragserfüllung noch auf Schadensersatz, so dass die Kläger ihre Aufwendungen im Vorfeld des Konzerts nicht ersetzt bekommen können. Obwohl es in Taylor v Caldwell nur um eine Forderung der Kläger ging, stellte Blackburn fest: „[B]oth parties are excused, the plaintiffs from taking the gardens and paying the money, the defendants from performing their promise to give use of the hall and the gardens.“92 Als obiter dictum war der Satzteil über die Gegenleistungspflicht indes nicht bindend.93 Auch der von Blackburn wenig später mitentschiedene Fall Appleby v Meyers,94 in dem die Gegenleistungspflicht des Bestellers einer Werkleistung in Rede stand, konnte keine Regel zum Erlöschen der Gegenleistungspflicht begründen: Zwar waren sich die Richter einig, dass der Besteller des Werkes, welches kurz vor Fertigstellung durch ein zufälliges Feuer auf seinem Grundstück zerstört worden war, von der Pflicht zur Gegenleistung für dieses Werk befreit war, obwohl der Werkunternehmer erhebliche Aufwendungen für die Fertigungsschritte bis zum Brand getätigt hatte. Allerdings begründeten sie dieses Ergebnis v.a. damit, dass der Vertrag zwischen Werkunternehmer und Besteller so auszulegen sei, dass die Vergütung erst mit der vollständigen Fertigstellung des Werks fällig sein solle – diese war aufgrund des Brands nie eingetreten.95 Das Nichtbestehen der Gegenleistungspflicht war somit nicht auf deren Erlöschen wegen Unmöglichkeit zurückzuführen, sondern auf den Ausfall des fälligkeitsauslösenden Ereignisses der Fertigstellung.96 Damit war auch Appleby v Meyers kein Präzedenzfall für das Erlöschen der Gegenleistungspflicht in Unmöglichkeitsfällen. Daher verwundert es nicht, dass es in der 91
(1863) 3 B. & S. 826, 840. (1863) 3 B. & S. 826, 840. 93 Vgl. Bailey/Ching/Gunn, Smith, Bailey & Gunn on The Modern English Legal System, 2002, 480. 94 Appleby and Another v Meyers (1867) L.R. 2 C.P. 651. 95 (1867) L.R. 2 C.P. 651, 660–661. Williams kritisiert, dass eine vollständige Auslegung des Vertrags auch hätte klären müssen, ob die Parteien eventuell konkludent eine Vereinbarung getroffen haben, dass dem Werkunternehmer ein Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen bei nicht vollständiger Fertigstellung zustehen soll, Williams, LQR 57 (1941), 373–399, 390. Allerdings bietet der im Law Report wiedergegebene Sachverhalt hierfür keinen Anhaltspunkt. 96 Insoweit unklar Hager, Gefahrtragung beim Kauf, 1982, 16–17. 92
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Folge weiterhin Fälle von Unmöglichkeit gab, in denen der Gläubiger an seiner Gegenleistungspflicht festgehalten wurde. So entschied etwa der Court of Kingʼs Bench im Jahr 1916, dass der Charterer eines Schiffes, das kriegsbedingt die Ostsee nicht verlassen konnte, trotz der Blockade des Schiffs die Charterzahlungen schuldete, weil diese nicht unmöglich geworden seien.97 Auf lange Sicht setzte sich das obiter dictum aus Taylor v Caldwell aber durch: Eines der entscheidenden Urteile hierfür war ein weiterer Fall von Schiffscharter im Kontext des Ersten Weltkriegs:98 Die Rechtsmittelführer hatten von den Gegnern ab 1. März 1917 für zehn Monate ein Dampfschiff gechartert. Noch vor dem 1. März 1917 wurde das Schiff zu Kriegszwecken von der britischen Regierung beschlagnahmt und nicht vor 1919 wieder freigegeben. In der Folge stritten die Parteien um Verschiedenes, u.a. um die Wirksamkeit einer im Vertrag enthalten Schiedsvereinbarung.99 Lord Sumner stellte fest, dass die Streitpunkte des Falls auf Unmöglichkeit hinauslaufen, denn „the legal effect of frustration is the immediate termination of the contract as to all matters and disputes which have not already arisen.“100 Unter Betrachtung von Entscheidungen zu frustration leitet Lord Sumner her, dass die implied condition zur Unmöglichkeit nur den Inhalt haben könne, dass der Vertrag als Ganzes automatisch beendet werde, so dass die Pflichten daraus erlöschen würden.101 Damit wäre aus der Sicht von Lord Sumner bei Unmöglichkeit auch die Schiedsvereinbarung unwirksam. Dass die implied condition zur Unmöglichkeit der Vertragserfüllung so umfassende Wirkungen haben müsse, begründet Lord Sumner wie folgt: Durch das die Unmöglichkeit auslösende Ereignis werde der gemeinsame Vertragszweck der Parteien zunichte gemacht und nicht nur ein individueller Vorteil aus dem Vertrag vereitelt.102 In solchen Fällen müsse gelten: “[W]hat the law provides must be a common relief from this common disappointment and an immediate termination of the obligations as regards future performance. This is necessary, because otherwise the parties would be bound to a contract, which is one that they did not really make.“103 Wenn der gemeinsame Vertragszweck aufgrund von Unmöglichkeit scheitert, hat der Vertrag aus der Perspektive beider Parteien demnach nicht mehr den Inhalt, den sie bei Vertragsschluss im Blick hatten. Daher werden anders als im deutschen Recht, wo §§ 275 Abs. 1, 326 BGB nur 97 Scottish Navigation Co. Ltd. v Souter [1916] 1 K.B. 675, 681; dieses Ergebnis wurde aber vom Court of Appeal in [1917] 1 K. B. 222 nicht aufrecht erhalten; vgl. zu beiden Entscheidungen Page, Mich. L. Rev. 18 (1920), 589–614, 609–610. 98 Hirji Mulji v Cheong Yue SS Co. [1926] A.C. 497. 99 [1926] A.C. 497, 499–501. 100 [1926] A.C. 497, 505. 101 [1926] A.C. 497, 506. 102 [1926] A.C. 497, 507. 103 Ebd.
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Leistungs- und Gegenleistungspflicht zum Erlöschen bringen, bei frustration beide Parteien von allen Vertragspflichten entbunden. Dogmatische Voraussetzung ist, dass der Vertrag eine implied condition enthält, wonach die Parteien im Störungsfall nicht verantwortlich sind. In dieser Form und mit dieser Begründung wurde die frustration-Doktrin im englischen Rechtsraum akzeptiert104 und gilt noch heute.105 Indem bei frustration die Vertragspflichten des Kaufvertrags erlöschen, trifft vor Gefahrübergang den Verkäufer die Preisgefahr und den Käufer die Sachgefahr.106 c) Die Krönungszugfälle Die frustration-Doktrin wurde auf Fälle von Verwendungszweckstörungen (frustration of purpose) ausgeweitet, die im deutschen Recht nicht zu Unmöglichkeit, sondern zu Wegfall bzw. Störung der Geschäftsgrundlage führen würden. In diesen Fällen ist die Leistung des Schuldners für den Gläubiger nicht mehr von Nutzen, weil sie nicht mehr dem Zweck dienen kann, den beide Parteien bei Vertragsschuss im Auge hatten.107 Hierbei steht nicht die Gefahrtragung im eigentlichen Sinne in Rede, weil die Leistung ja weiterhin möglich ist – lediglich ihr Verwendungszweck ist gestört. Daher hat sich keine Form der Leistungsgefahr realisiert und es stellt sich auch nicht die Folgefrage nach der Preisgefahrtragung. Insofern ist die Verwendungszweckstörung eigentlich nicht der in dieser Arbeit in den Blick genommenen Problematik zuzuordnen. Weil die Fälle der frustration of puropose aber von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung der Rechtsfolgen von frustration im Allgemeinen waren, sollen sie an dieser Stelle dennoch kurz dargestellt werden. Ein klassisches Beispiel sind die Krönungszugfälle, zu denen es im Jahre 1902 bei der Krönung Edwards VII kam: Die geplante Krönung und die damit verbundenen zwei Krönungsprozessionen sowie eine Flottenschau wurden zwei Tage vor dem geplanten Datum abgesagt, weil der König erkrankte.108 104
Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014, 63; zu darüber hinausgehenden, alternativen Begründungsansätzen aus dem amerikanischen Raum vgl. 60–61. 105 So führte Bingham L.J. in J. Lauritzen A.S. v Wijsmuller B.V. (The „Super Servant Two“) [1990] Lloyd’s Rep. 1, 8 die Entscheidung Hirji Mulji v Cheong Yue SS Co. als Belegstelle dafür an, dass bei frustration die Vertragspflichten beider Parteien automatisch erlöschen. 106 Zudem trifft die durch eine Schiedsvereinbarung begünstigte Partei wegen der in Hirji Mulji v Cheong Yue SS Co. deutlich gewordenen umfassenden Wirkung von frustration auch die Gefahr der Unwirksamkeit prozessualer Klauseln. In diesem Bereich ist dem englischen Recht der Gedanke des Präjudiziellen fern. 107 Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014, 307. 108 „The King's Illness“ The Times [London, England] 25. Juni 1902: 5. The Times Digital Archive. 6.3.2015.
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Die Prozessionen wurden zwar nachgeholt, aber auf veränderten Routen und in beschränktem Umfang.109 Zuvor waren jedoch zahlreiche Verträge in Hinblick auf das Ereignis abgeschlossen worden, etwa die stundenweise Miete von Räumen mit Blick auf die geplante Krönungszugroute oder von Booten zum Betrachten der Flottenschau.110 Nachdem der Krönungszug zum geplanten Zeitpunkt ausfiel, weigerten sich die Mieter der Räume und Boote, den vereinbarten Mietzins zu entrichten, oder forderten den bereits dafür entrichteten Mietzins zurück.
Beispielinserat „The Coronation“ The Times [London, England] 26. Juni 1902: 3. The Times Digital Archive. 3.6.2015.
Ein typischer Fall der ersteren Konstellation ist Krell v Henry:111 Der Beklagte hatte vom Kläger in Hinblick auf die Krönung für den 26. und 27. Juni 1902 jeweils tagsüber für 75 Pfund dessen Wohnung in der Pall Mall gemietet, durch die der Krönungszug führen sollte. Der Vertrag enthielt zwar die Mietdaten, aber keinen ausdrücklichen Bezug auf den Krönungszug. Nachdem der Beklagte 25 Pfund angezahlt hatte, wurde die Krönung abgesagt, so dass er die Wohnung nicht zum Betrachten des Krönungszugs nutzen konnte. Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung der restlichen 50 Pfund in Anspruch, der Beklagte macht widerklagend die Rückzahlung seiner Anzahlung geltend. Die Anwälte des Klägers argumentieren, dass die Regel aus Taylor v Caldwell nicht eingreife, weil sie auf den beiden Digestenstellen zur Stipulation de certo corpore bei Untergang des Vertragsgegenstands112 beruhe und in der Krönungszugskonstellation kein physischer Untergang des Vertragsgegenstands vorliege.113 Dies überzeugt die Richter nicht. Lord Vaughan Williams greift zwar den Bezug auf das römische Recht auf und stellt dar, dass die Annahme einer implied condition bzgl. des Erlöschens der wechselseitigen Vertragspflichten auf römischem Recht beruhe.114 Diese Darstellung ist 109
Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014, 314. McElroy/Williams, MLR 4 (1941), 241–260 245. 111 [1903] 2 K.B. 740; zustimmend Landon, LQR 52 (1936), 168–172, 168, 170; kritisch Gordon, LQR 52 (1936), 324–326, 325; umfassend McElroy/Williams, MLR 4 (1941), 241–260, 246–253. 112 D. 45, 1, 23 (Pomp. 45 ad Sab.) und D. 45, 1, 33 (Pomp. 25 ad Sab.). 113 [1903] 2 K.B. 740, 742. 114 [1903] 2 K.B. 740, 748. 110
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jedoch ungenau – erstens wegen der schon in Taylor v Caldwell enthaltenen Rezeptionsfehler bzgl. des römischen Rechts115 und zweitens, weil die Konstruktion einer implied condition in Taylor v Caldwell allenfalls ihrer ratio nach, nicht aber dogmatisch aus dem römischen Recht hergeleitet wurde.116 Das Gericht nimmt aber keinen Anstoß an der etwaigen Begrenztheit der römischen Unmöglichkeitsdoktrin auf Fälle des Untergangs des certum corpus, sondern stellt fest, dass das englische Recht die implied condition bzgl. frustration nicht nur auf Fälle anwende, in denen der Vertragsgegenstand physisch zerstört werde, sondern „also to cases where the event which renders the contract incapable of performance is the cessation or nonexistence of an express condition or state of things, going to the root of the contract, and essential to its performance.“117 Es dehnt also den Anwendungsbereich der frustration-Doktrin auf Fälle aus, in denen keine der Hauptleistungspflichten (Einräumung des Besitzes an der Wohnung und Zahlung) unmöglich ist, sondern nur der gemeinsame Verwendungszweck der Parteien für die Hauptleistung gestört ist. Die Anwendung der frustration-Doktrin bewirkt, dass aufgrund der implied condition alle wechselseitigen Vertragspflichten erlöschen und der Beklagte daher nicht mehr leisten muss, das bereits Geleistete aber auch nicht zurückfordern kann.118 Im deutschen Recht wären solche Fälle der Störung des Verwendungszwecks, in denen nicht das Störungsrisiko einer Vertragspartei allein zugewiesen ist, gem. § 313 BGB zu beurteilen119 und würden daher nur zu einer Vertragsanpassung unter Berücksichtigung der vertraglichen Risikoverteilung führen.120 Im englischen Recht findet dagegen durch Anwendung der frustration-Doktrin eine „zufällige“ Zuweisung des Verwendungsrisikos statt, indem die Vertragspflichten bei Unmöglichkeitseintritt nur für die Zukunft erlöschen und daher keine der beiden Parteien Ersatz für bereits Geleistetes fordern kann. In Krell v Henry trugen der Kläger also 50 Pfund und die Beklagte 25 Pfund des Verlustes.121 Dieses Ergebnis wurde kritisiert – nicht nur wegen des zufälligen Ergebnisses, sondern vor allem wegen der Begründungsdefizite für die Ausweitung der Doktrin aus Taylor v Caldwell und des scheinbar unbegrenzten Umfangs 115
Vgl. oben, Text bei Fn. 50 bis 57. Zu den Unterschieden zur Rechtslage im römischen Recht vgl. auch Buckland, Harv. L. Rev. 46 (1933), 1281–1300, 1293–1294. 117 [1903] 2 K.B. 740, 748. 118 [1903] 2 K.B. 740, 754–755. Zur fehlenden Rückforderungsmöglichkeit bzgl. des bereits Geleisteten vgl. ausführlich unten, Text bei Fn. 153–157. 119 Bamberger/Roth-Lorenz, 3. Auflage 2012, § 313 Rn. 66; MüKo-Finkenauer, 7. Auflage 2016, § 313 Rn. 11. 120 Bamberger/Roth-Lorenz, 3. Auflage 2012, § 313 Rn. 89–90; MüKo-Finkenauer, 7. Auflage 2016, § 313 Rn. 90. 121 [1903] 2 K.B. 740, 755. 116
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dieser Ausweitung.122 Der Kritik am weiten Anwendungsbereich der frustration of purpose kann allerdings zumindest das empirische Argument entgegengehalten werden, dass die Krönungszugfälle nicht zu einer schrankenlosen Ausweitung der frustration-Doktrin geführt haben. So entschieden dieselben Richter wie im Fall Krell v Henry mit nur wenigen Tagen Abstand in einem weiteren Krönungszugfall,123 dass die frustration-Doktrin den Vertrag nicht zum Erlöschen bringe: In diesem Fall hatte der Beklagte von der Klägerin ein Dampfschiff gemietet, um Passagiere auf Fahrten zur in der Nähe liegenden Flotte und zum Betrachten der Flottenschau transportieren zu können.124 Obwohl die Flottenschau abgesagt wurde, nahm die Klägerin den Beklagten auf Zahlung aus dem Vertrag in Anspruch.125 Hier ließen die Richter den Zahlungsanspruch nicht an frustration scheitern, weil keine wirkliche Beeinträchtigung der foundation of the contract vorgelegen habe – das Betrachten der Flottenschau sei nicht alleiniger Vertragszweck gewesen, sondern sei nur neben den Fahrten zur in der Nähe ankernden Flotte gestanden, die auch nach Absage der Flottenschau durchführbar gewesen seien.126 An dieser Differenzierung wird deutlich, dass die Richter – trotz etwaiger Begründungsmängel – keine unbegrenzte Ausweitung der frustration-Doktrin anstrebten, sondern durchaus unterschieden zwischen Fällen, in denen das Verwendungsrisiko dem Gläubiger zuzuweisen ist, und solchen Fällen, in denen das Verwendungsrisiko für beide Parteien gleichermaßen Vertragsgrundlage ist.127 Die Ausweitung der frustration-Doktrin auf die Krönungszugfälle mag demnach zwar überraschend gewesen sein – sie ist allerdings gerade wegen ihrer subjektiven Begründung in einer implied condition der jeweiligen Vereinbarung als Rechtsfolge eines gestörten beiderseitigen Verwendungszwecks keineswegs abwegig.128
122
Vgl. etwa McElroy/Williams, MLR 4 (1941), 241–260 252: „Thereafter, the fiction of Taylor v Caldwell is without limit.“; Gordon, LQR 52 (1936), 324–326 325: „[Implying a condition in Krell v Henry] seems to me flying in the face of all probability.“ 123 Herne Bay Steamboat Co. v Hutton [1903] 2 K.B. 683. 124 [1903] 2 K.B. 683, 684. 125 [1903] 2 K.B. 683, 685. 126 Vaughan Williams L. J. at [1903] 2 K.B. 683, 689; Romer L. J. at [1903] 2 K.B. 683, 691; Stirling L. J. [1903] 2 K.B. 683, 692. 127 Vgl. Vaughan Williams L. J. at [1903] 2 K.B. 740, 751: „[I]t is the coronation procession and the relative position of the rooms which is the basis of the contract as much for the lessor as the hirer.“ 128 Zustimmend aufgrund einer ökonomischen Analyse auch Eisenberg, Journal of Legal Analysis 1 (2009), 207–261, 211–214.
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2. Voraussetzungen und Rechtsfolgen von frustration a) Voraussetzungen von frustration Wie die Entscheidung Taylor v Caldwell zeigt, war ursprünglich Voraussetzung von frustration, dass der Vertrag eine implied condition enthält, wonach die Parteien im Störungsfall nicht verantwortlich sind. Dieser Ansatz geriet indes zunehmend in die Kritik. Stein des Anstoßes war, dass die Konstruktion der implied condition als unnecessary fiction empfunden wurde.129 Die Annahme einer condition implied by law muss im Gegensatz zur condition implied by fact nämlich nicht anhand konkreter Anhaltspunkte bzgl. des Willens der Parteien begründet werden.130 Man sah in der implied condition daher eine Verschleierung des Umstands, dass das Gericht den Vertrag tatsächlich nicht aufgrund des Parteiwillens,131 sondern von einem objektiven Standpunkt aus ergänzte.132 Lord Radcliffe schlug eine von der implied condition-Theorie losgelöste neue Herangehensweise an frustration vor: Es solle bei der Beurteilung, ob die Erfüllung einer vertraglichen Hauptleistungspflicht unmöglich geworden sei, ein objektiver Test mit dem Inhalt angewandt werden, dass „frustration occurs whenever the law recognizes that without default of either party a contractual obligation has become incapable of being performed because the circumstances in which performance is called for would render it a thing radically different from that which was undertaken by the contract“.133 Frustration tritt demnach dann ein, wenn die veränderten Umstände die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung zu einem Unterfangen machen, das sich grundlegend von dem unterscheidet, zu dem sich die Parteien bei Vertragsschluss verpflichtet haben. Dieses Prüfprogramm für frustration knüpft mit der Frage nach einer radikalen Veränderung der vertraglichen Verpflichtung an ein objektives Kriterium an. Allerdings bleibt offen, wie die Gerichte eine radikale Änderung der Verpflichtung definieren, so dass ein Ermessensspiel129
Page, Mich. L. Rev. 18 (1920), 589–614 600; vgl. hierzu oben, Text bei Fn. 86–88. Vgl. oben, Text bei Fn. 89–90. 131 Sharma vertritt, dass das Abstellen auf den Parteiwillen eine logische Vorstufe zur objektivrechtlichen Vertragsanpassung sei, die der Tatsache geschuldet sei, dass beim Abstellen auf den Parteiwillen noch nicht die sanctity of contract geopfert werden müsse, vgl. Sharma, NYL Sch. J. Int'l & Comp. l. 18 (1998), 95–179, 141–142. 132 Vgl. Lord Denning in British Movietonews Ltd. v London and District Cinemas Ltd. [1951] K.B. 190, 200: „the court really exercises a qualifying power – a power to qualify the absolute, literal or wide terms of the contract – in order to do what is just and reasonable in the new situation“. Kritisch zu diesem Spielraum der Gerichte Trakman, MLR 46 (1983), 39–55, 46: „Through implied terms, contractors are left at the mercy of the court’s discretion.“ 133 Davis Contractors Ltd. v Fareham Urban District Council [1956] A.C. 696, 729. 130
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raum bei den Richtern verbleibt.134 Daneben wurde vorgeschlagen, sich bei der Prüfung der Unmöglichkeitsvoraussetzungen auf eine gerichtlich gewährte „Ausnahme zur Schaffung von Gerechtigkeit“135 zu berufen oder darauf abzustellen, dass das vertragliche adventure gescheitert sei.136 Die Vielfalt dieser Testvorschläge ordnete das House of Lords in National Carriers Ltd. v Panalpina (Northern) Ltd.:137 Der Fall warf das Problem auf, ob ein zehnjähriger Pachtvertrag über eine Lagerhalle durch ein gut einjähriges Abgeschnittensein der Halle vom öffentlichen Straßennetz durch frustration unwirksam geworden war. Das Gericht beurteilte die frustration unter dem Gesichtspunkt, dass die Doktrin die Verteilung von Risiken betrifft.138 Die entscheidende Frage sei: “[W]ho must take the risk of the happening of a particular event […]?“139 Man könnte auch formulieren: Wer trägt die Leistungs- und wer die Preisgefahr? Die Richter stellten fest, dass die Theorien zur frustration ineinander verschwömmen,140 befanden aber mehrheitlich den von Lord Radcliffe in Davis Contractors Ltd. v Fareham Urban District Council vorgeschlagenen objektiven Test anhand der radikalen Veränderung der Verpflichtung als vorzugswürdig.141 Hauptargument war – wie schon bei der Entwicklung des Tests in Davis Contractors Ltd. v Fareham Urban District Council –, dass er nicht willkürlich sei, sondern den Vertrag anhand objektiver Kriterien automatisch zum Erlöschen bringe.142 Ein Jahr später bestätigte das House of Lords in Pioneer Shipping Ltd. v BTP Tioxide Ltd. (The Nema) nochmals, dass nunmehr nur noch das Kriterium der radikalen Änderung der Verpflichtung maßgeblich sei, um zu beurteilen, ob die Erfüllung eines Vertrags unmöglich geworden sei.143 Damit ließ die Rechtsprechung den von der Willenstheorie geprägten Ansatz, Rechtsregeln unter dem Deckmantel des Parteiwillens zu entwickeln,144 weitgehend hinter sich und betrachtete frustration nun als im Ausgangspunkt objektive Kategorie. 134
Grunfeld, MLR 19 (1956), 696–699, 697. Denny, Mott and Dickson Ltd. v James B Fraser & Co. Ltd. [1944] A.C. 265, 275. 136 Vgl. die Argumentation der Beklagtenseite in Tatem Ltd. v Gamboa [1939] 1 K.B. 132, 134. 137 [1981] A.C. 675. 138 [1981] A.C. 675, 712. 139 Ebd. 140 Lord Wilberforce at [1981] A.C. 675, 693. 141 Lord Hailsham [1981] A.C. 675, 688; Lord Simon [1981] A.C. 675, 700 und 707; Lord Roskill [1981] A.C. 675, 717; sich dem anschließend Lord Russell [1981] A.C. 675, 709. 142 [1981] A.C. 675, 712. 143 [1982] A.C. 724, 744 (Lord Diplock), 751–752 (Lord Roskill). Dies wurde vom Court of Appeal ebenfalls bekräftigt in J. Lauritzen A.S. v Wijsmuller B.V. (The Super Servant Two) [1990] Lloyd’s Rep. 1, 8. 144 Vgl. oben, Text bei Fn. 48–49. 135
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Ein Schuldner kann sich danach aber nur dann auf Unmöglichkeit aufgrund einer radikalen Veränderung der Verpflichtung berufen, wenn er die Unmöglichkeit nicht in dem Sinne zu verantworten hat, dass er das die Unmöglichkeit auslösende Ereignis hätte kontrollieren können.145 Entstammt das die Unmöglichkeit auslösende Ereignis dagegen dem Kontrollbereich des Schuldners, erlischt seine Verpflichtung nicht. Infolgedessen haftet er aus dem Vertrag ohne ein (weiteres) Verschuldenserfordernis auf Schadensersatz. Ob der Schuldner die Unmöglichkeit zu vertreten hat, ist deswegen keine Frage nach einem Verschulden im engen Sinne, sondern zielt als objektives Kriterium darauf ab, ob das zur Unmöglichkeit führende Ereignis im Kontrollbereich des Schuldners zu verorten ist.146 Mit dem neuen Prüfprogramm wurde das Vorliegen von frustration zumindest auf der Oberfläche zur Rechtsfrage,147 während der implied condition-Ansatz suggeriert hatte, dass Unmöglichkeit eine tatsächliche Frage sei, die allein im Parteiwillen wurzele.148 Allerdings spielt auch bei dem Kriterium der radikalen Änderung der Verpflichtung der Parteiwille eine entscheidende Rolle: Die Gerichte müssen nämlich bei der Beurteilung der Frage, ob sich die vertragliche Verpflichtung radikal verändert hat, den Parteiwillen bei Vertragsschluss in Betracht ziehen, weil nur dadurch klar wird, was die ursprüngliche Verpflichtung war und wie schwerwiegend deren Veränderung für die Parteien ist. Vor der Anwendung des neuen, objektiven Tests steht also wiederum die tatsächliche Frage nach dem Parteiwillen.149 b) Rechtsfolgen von frustration Mit Hirji Mulji v Cheong Yue SS Co.150 war anerkannt, dass frustration alle noch bestehenden Vertragspflichten der Parteien für die Zukunft automatisch zum Erlöschen bringt.151 Das gilt unabhängig vom Parteiwillen und auch unabhängig davon, ob die Parteien den Vertrag trotz der frustration weiter
145
Lord Bingham [1990] Lloyd’s Rep. 1, 10. Dies weist Ähnlichkeit zu § 275 Abs. 1 BGB (1900) auf, wobei der Maßstab dort anders als im englischen Recht kein objektiver ist, vergleiche dazu unten zum deutschen Recht, A.I.4.a). 146 Treitel, in: Bos/Brownlie, Liber Amicorum for Lord Wilberforce, 1987, 185–210, 203. 147 McKendrick, in: Beale, Chitty on Contracts, Band 1, 2015, 1671–1729, 1680. 148 McKendrick, in: Beale, Chitty on Contracts, Band 1, 2015, 1671–1729, 1682. 149 Vgl. hierzu auch Lobinger, Die Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten: zugleich ein Beitrag zur Korrekturbedürftigkeit der §§ 275, 311a, 313 BGB n.F., 2004, 134–135 und Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014, 650. 150 [1926] A.C. 497, 507, vgl. dazu oben, Text bei Fn. 98. 151 Vgl. oben, Text bei Fn. 98 bis 105 sowie auch Treitel, Unmöglichkeit, „Impracticability“ und „Frustration“ im anglo-amerikanischen Recht, 1991, 122–124.
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durchführen.152 Im Unterschied zum deutschen Recht erlöschen dabei nicht nur Leistungs- und Gegenleistungspflicht, sondern alle Pflichten der Parteien aus dem Vertrag. aa) Rechtslage vor dem Law Reform (Frustrated Contracts) Act Dieses automatische Erlöschen aller noch bestehenden Vertragspflichten für die Zukunft führte ursprünglich zu einer weitgehend zufälligen Verteilung der Preisgefahr. Das wird am bereits dargestellten Krönungszugfall Krell v Henry deutlich.153 Der Mieter Henry hatte dem Vermieter Krell bereits 25 der vereinbarten 75 Pfund Mietzins für die Wohnung an der Krönungszugstrecke gezahlt. Dass das Gericht die Absage des Krönungszugs als frustration einordnete, hatte zur Folge, dass einerseits Krell von Henry die restlichen 50 Pfund Miete nicht verlangen, andererseits Henry von Krell aber auch nicht die bereits gezahlten 25 Pfund zurückfordern konnte. Grund hierfür war, dass die vertraglichen Pflichten ex nunc und nicht ex tunc erloschen waren. Insofern galt: „[T]he subsequent impossibility does not affect rights already aquired.“154 Die Parteien sind demnach bei frustration von der weiteren Vertragsdurchführung zwar befreit, können aber bereits erbrachte Leistungen nicht zurückfordern, weil der Vertrag für die Vergangenheit Bestand hat und dadurch Rechtsgrund für die bereits erbrachten Leistungen ist. Der Vertrag wird gleichsam im Zeitpunkt des Unmöglichkeitseintritts „eingefroren“. Diese Lösung führt je nach Stadium der Vertragsdurchführung zu anderen Ergebnissen: Je nachdem, ob eine Vorauszahlung geleistet wurde und wann das die Unmöglichkeit auslösende Ereignis stattfand, sind die Vorteile aus dem Vertrag bei Unmöglichkeitseintritt nämlich anders verteilt. Die Zuweisung der Preisgefahr bei Rückabwicklung des Vertrags155 hängt danach also im Wesentlichen von den Faktoren Vorleistung und Zeitpunkt des Unmöglichkeits-
152
[1926] A.C. 497, 507; es ist allenfalls in besonderen Konstellationen denkbar, dass durch die weitere Vertragsdurchführung der Schuldner auf die Einwendung der Frustration verzichtet, vgl. Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014, 546. 153 [1903] 2 K.B. 740, zum Sachverhalt vgl. oben, Text bei Fn. 111; ein anderer Krönungszugfall, in dem die Problematik deutlich zu Tage tritt, ist Chandler v Webster [1904] 1 KB 493. Daher wird die vor der Gesetzesänderung 1943 geltende Rechtslage in der Literatur auch oft als „rule applied in Chandler v Webster“ bezeichnet. 154 [1903] 2 K.B. 740, 755. 155 Das Risiko des Käufers, den bereits geleisteten Kaufpreis nicht zurückfordern zu können, obwohl er die Kaufsache nicht erhält, entspricht in Ermangelung einer abweichenden Bewertungsvorschrift (wie etwa § 346 Abs. 2 S. 2 BGB, vgl. dazu unten, Kapitel 3, Text bei Fn. 692–699) wirtschaftlich dem Risiko, den Kaufpreis zahlen zu müssen, obwohl er die Sache nicht erhält, und ist daher auch Preisgefahr.
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eintritts ab.156 Das Erlöschen der Leistungspflichten ex nunc kann dabei nicht nur für den vorauszahlenden Gläubiger, der bei Vorleistung sowohl die Leistungs- als auch die Preisgefahr trägt, sondern auch für den vorleistenden Schuldner hart sein: Auch wenn dieser erhebliche Aufwendungen zur Vertragsdurchführung erbracht hat, kann er deren Wert beim Eintritt der Unmöglichkeit nicht zurückfordern.157 Vor diesem Hintergrund ergriff der britische Gesetzgeber die Initiative und bereitete auf Empfehlung des Law Revision Committee im Jahr 1939 ein Gesetz vor, das die Rechtsfolgen von frustration weniger beliebig gestalten sollte.158 Die bisherige Rechtslage beschieb die Empfehlung mit „the loss lies where it falls“ und mit „the guillotine falls with faultless precision but often with ruthless effect.“159 Dieser offenbar als „unbarmherzig“ empfundenen Herrschaft des Zufalls sollte de lege ferenda Einhalt geboten werden. Das damit angestoßene Gesetzgebungsprojekt wird zum Teil als Ausdruck des im 20. Jahrhundert zunehmenden rechtspolitischen Bedürfnisses gesehen, eine soziale Vision von Fairness in das bisher durch Privatautonomie geprägte Vertragsrecht einzuführen.160 Diese Sichtweise lässt allerdings außer Acht, dass das „Einfrieren“ des Vertrages bei Unmöglichkeitseintritt in vielen Fällen den Interessen beider Parteien widersprechen wird – so etwa, wenn sie bei Vertragsschluss die konkreten Folgen von Vorleistungen bei Unmöglichkeitseintritt nicht bedacht haben. Insofern stand die Reform nicht in einem Spannungsverhältnis zu einer richtig verstandenen Privatautonomie. Einen ersten Schritt weg von der bisherigen Rechtsfolge von frustration tat noch vor der Verabschiedung des Gesetzes das House of Lords in Fibrosa
156 Vgl. Williams, The Law Reform (Frustrated Contracts) Act, 1943: the Text of the Act with an Introduction and Detailed Commentary, 1944, 8. 157 Zu dieser sunk costs-Konstellation vgl. Appleby and Another v Meyers (1867) L.R. 2 C.P. 651; vgl. dazu oben, Text bei Fn. 94 bis 96. 158 Vgl. Williams, The Law Reform (Frustrated Contracts) Act, 1943: the Text of the Act with an Introduction and Detailed Commentary, 1944, 1 sowie The Law Revision Committee, „Seventh Interim Report (Rule in Chandler v Webster)“ Cmd. 6009, 6; für eine breite Öffentlichkeit kommentiert in „Frustration of Contract“ The Times [London, England] 12. Mai 1939: 13. The Times Digital Archive. 5.2.2015. 159 The Law Revision Committee, „Seventh Interim Report (Rule in Chandler v Webster“ Cmd. 6009, 3. 160 Sharma, NYL Sch. J. Int'l & Comp. l. 18 (1998), 95–179, 140. Dieses Bestreben, Fairness in das Vertragsrecht einzuführen, kam insbes. auch darin zum Ausdruck, dass im beginnenden 20. Jahrhundert erstmals eine gerichtliche Kontrolle nicht nur des Vertragsschlusses in Hinblick auf Drohung oder Täuschung, sondern auch des Vertragsinhalts praktiziert wurde, vgl. dazu Mehren, in: Mehren, International Encyclopedia of Comparative Law, Band VII/1, Contracts in General, 1976, 1–125, 1–78.
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Spolka Akcyjna v Fairbairn Lawson Combe Barbour Ltd.161 In dem Fall hatte die Klägerin mit der Beklagten einen Vertrag über die Herstellung und Lieferung von Maschinen nach Polen geschlossen und einen Teil des Preises angezahlt. Die Durchführung des Vertrags wurde durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs unmöglich. Daraufhin verlangte die Klägerin von der Beklagten ihre Anzahlung zurück. Das House of Lords beschritt einen neuen Weg162 und fasste die Tatsache, dass die Klägerin bei Unmöglichwerden der Vertragsdurchführung noch keinen Vorteil aus dem Vertrag erhalten hatte, als total failure of consideration, also als vollständigen Ausfall der Gegenleistung auf.163 Ein solcher vollständiger Ausfall der Gegenleistung stellt im englischen Bereicherungsrecht einen unjust factor dar. Das bedeutet: Er löst die Entstehung eines bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruchs bzgl. des Geleisteten aus.164 Unter Berufung auf diesen Grund konnte die Klägerin daher die geleistete Anzahlung zurückfordern. Wie die Richter selbst problematisierten, war jedoch auch dieser Ansatz keine befriedigende Alternative zur zufälligen Risikoverteilung: Während der Gläubiger nämlich seine Anzahlung zurückfordern kann, hat der Schuldner unter Umständen bereits Aufwendungen zur Durchführung des Vertrags getätigt, die er mangels Bereicherung des Gläubigers nicht zurückfordern kann.165 Dass gerade Lord Wright in dem Urteil ausdrücklich auf dieses Problem hinwies und den Gesetzgeber aufforderte, es zu beheben,166 mag daran gelegen haben, dass er selbst dem Law Revision Committee vorstand, das sich mit den Rechtsfolgen von Unmöglichkeit auseinandersetzte.167 Es ist erstaunlich, dass im Fall 161
[1943] AC 32; vgl. hierzu Newson, Alta. LQ 5 (1943), 169–174; Winfield, LQR 57 (1941), 439–440. 162 Im Urteil ist von einer more civilized rule die Rede, [1943] AC 32, 45. 163 [1943] AC 32, 83–84. 164 Zur total failure of consideration als Grund für das Entstehen einer bereicherungsrechtlichen Forderung siehe Burrows, The Law of Restitution, 3. Aufl. 2011, 362 und – unter Kritik an dieser Terminologie – Birks, An Introduction to the Law of Restitution, 1989, 219–221; zur gleichen Thematik unter Einführung einer Terminologie anhand des Grundgedankens der absence of basis Birks, Unjust Enrichment, 2. Aufl. 2005, 117–127. 165 [1943] AC 32, 72; hierzu auch Birks, An Introduction to the Law of Restitution, 1989, 231; in diesen Fällen liegt auf Seiten des Schuldners jedenfalls nicht automatisch ein Fall von Entreicherung bzw. change of position vor, vgl. McKendrick, in: Burrows, Essays on the Law of Restitution, 1991, 147–170, 151. Der Entreicherungsgedanke war darüber hinaus zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht im englischen Recht etabliert, er wurde erst 1991 endgültig durch die Rechtsprechung (Lipkin Gorman v Karpnale Ltd. [1991] 2 A.C. 548) im englischen Bereicherungsrecht anerkannt. Vage insoweit Hager, Gefahrtragung beim Kauf, 1982, 18. 166 [1943] AC 32, 72. 167 „Frustration of Contract“ The Times [London, England] 12. Mai 1939: 13. The Times Digital Archive. 5.2.2015.
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Fibrosa die Richter, die durchaus dem reformfreudigen Teil der Richterschaft zuzuordnen waren,168 nicht noch einen Schritt weitergingen und ein umfassendes System bereicherungsrechtlicher Folgen von Unmöglichkeit entwickelten. Ein Grund für diese Zögerlichkeit mag gewesen sein, dass sie den status quo des Common Law so einschätzten, wie es Lord Wright in einem anderen Bereich beschrieben hatte: „particular rules which appear to be illconceived but which can only be altered by legislation, because they are based on binding authorities“.169 Die Gesetzgebung wurde daher wohl als geeigneter angesehen, die als notwendig empfundene Reform durchzuführen. Eine weitere Schwäche der nach der Entscheidung im Fibrosa-Fall bestehenden Rechtslage war, dass der Restitutionsgrund des völligen Ausfalls der Gegenleistung nach damaliger Rechtsauffassung nur eingriff, wenn der Gläubiger selbst gar nichts erhalten hatte oder etwas an ihn geleistet wurde, das er tatsächlich und vollständig zurückgeben konnte.170 Wenn der Gläubiger dagegen einen Teil der Leistung erhalten hatte und diesen nicht mehr im Ganzen zurückgeben konnte, stand ihm kein Anspruch auf Rückzahlung, auch nicht auf Rückzahlung eines Teils seiner Gegenleistung, zu. Obwohl nach der Entscheidung des House of Lords im Fall Fibrosa klar war, dass auch ein Vertrag, dessen Pflichten wegen Unmöglichkeit erloschen waren, bereicherungsrechtliche Folgen zeitigen kann, blieb also das Zufallsmoment der Rechtsfolge von frustration erhalten. Das Zutagetreten der Schwächen des bestehenden Unmöglichkeitsrechts in der Entscheidung beschleunigte aber den Gesetzgebungsprozess, der kriegsbedingt fast zum Erliegen gekommen war.171 Der Law Reform (Frustrated Contracts) Act wurde im Sommer 1943 verabschiedet (im Folgenden LR(FC)A 1943). bb) Rechtslage nach dem Law Reform (Frustrated Contracts) Act Der LR(FC)A 1943 besteht nur aus drei Vorschriften, von denen die letzten beiden Anwendung und Bezeichnung des Gesetzes regeln. Insbesondere ist das Gesetz gem. s. 2(5) lit. c nicht auf Kaufverträge über specific goods, also über Gegenstände, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits eindeutig identifizierbar sind,172 anwendbar. Diese Verträge sind bzgl. der Voraussetzungen von frustration größtenteils von s. 7 Sale of Goods Act (SGA) 1979 erfasst.173 In den vom Anwendungsbereich des LR(FC)A 1943 ausgenomme168
Mitchell/Mitchell, Landmark Cases in the Law of Restitution, 2006, 275. Lord Wright of Durley, Legal Essays and Addresses, 1939, 349–350. 170 Birks, Unjust Enrichment, 2005, 120. 171 Mitchell/Mitchell, Landmark Cases in the Law of Restitution, 2006, 267. 172 Definition in s. 61(1) SGA 1979, die mit der Definition in s. 62(1) des bei Verabschiedung des LR(FC)A 1943 geltenden SGA 1893 identisch ist. 173 Vgl. dazu unten, A.II. 169
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nen Gebieten findet die bereicherungsrechtliche Rückforderung wegen total failure of consideration Anwendung.174 Der gesamte materielle Gehalt des Gesetzes ist in seiner ersten Vorschrift enthalten: „S. 1 LR(FC)A 1943: Adjustment of rights and liabilities of parties to frustrated contracts. (1) Where a contract governed by English law has become impossible of performance or been otherwise frustrated, and the parties thereto have for that reason been discharged from the further performance of the contract, the following provisions of this section shall, subject to the provisions of section two of this Act, have effect in relation thereto. (2) All sums paid or payable to any party in pursuance of the contract before the time when the parties were so discharged (in this Act referred to as „the time of discharge“) shall, in the case of sums so paid, be recoverable from him as money received by him for the use of the party by whom the sums were paid, and, in the case of sums so payable, cease to be so payable: Provided that, if the party to whom the sums were so paid or payable incurred expenses before the time of discharge in, or for the purpose of, the performance of the contract, the court may, if it considers it just to do so having regard to all the circumstances of the case, allow him to retain or, as the case may be, recover the whole or any part of the sums so paid or payable, not being an amount in excess of the expenses so incurred. (3) Where any party to the contract has, by reason of anything done by any other party thereto in, or for the purpose of, the performance of the contract, obtained a valuable benefit (other than a payment of money to which the last foregoing subsection applies) before the time of discharge, there shall be recoverable from him by the said other party such sum (if any), not exceeding the value of the said benefit to the party obtaining it, as the court considers just, having regard to all the circumstances of the case and, in particular,— (a) the amount of any expenses incurred before the time of discharge by the benefited party in, or for the purpose of, the performance of the contract, including any sums paid or payable by him to any other party in pursuance of the contract and retained or recoverable by that party under the last foregoing subsection, and (b) the effect, in relation to the said benefit, of the circumstances giving rise to the frustration of the contract. […]“
S. 1(1) des Gesetzes regelt die Tatbestandsvoraussetzung für die Anwendung der folgenden Absätze: Die Erfüllung eines Vertrags muss unmöglich geworden sein und die Parteien müssen deswegen von ihren Vertragspflichten befreit worden sein. Allerdings wird in s. 1(1) der Begriff frustration nicht definiert, so dass diesbzgl. weiterhin das Kriterium der radikalen Veränderung der Verpflichtung Anwendung findet.175 S. 1(2) Unterabs. 1 räumt dem Gläubiger der unmöglich gewordenen Hauptleistung grundsätzlich einen Rückforderungsanspruch hinsichtlich aller von ihm geleisteten Zahlungen ein, so dass der Schuldner nunmehr auch bei 174
Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014, 630–631. McKendrick, in: McKendrick, Force Majeure and Frustration of Contract, 2. Aufl. 1995, 223–244, 227. 175
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Vorleistungen des Gläubigers die Preisgefahr im Rahmen der Rückabwicklung trägt. Dies gilt allerdings nur für solche Zahlungen, die vor dem Erlöschen der Zahlungspflicht durch Unmöglichkeit getätigt wurden.176 Der Zeitpunkt des Unmöglichkeitseintritts ist dabei entweder der Zeitpunkt, in dem das die Unmöglichkeit auslösende Ereignis eintritt, oder, wenn die Unmöglichkeit durch das Nicht-Eintreten eines erwarteten Ereignisses eintritt, der Zeitpunkt, in dem allgemein bekannt wird, dass das Ereignis sicher nicht eintreten wird.177 Auf Zahlungen, die danach erfolgen, findet das allgemeine Common Law Anwendung, das diese Frage teilweise mit dem konkludenten Abschluss eines neuen Vertrags, teilweise mit einer bereicherungsrechtlichen Rückforderung wegen vollständigen Ausfalls der Gegenleistung oder auch über das Irrtumsrecht löst.178 S. 1(2) Unterabs. 1 hebt damit das „Eingefrorensein“ des Vertrags bei Unmöglichkeitseintritt auf, indem dem Gläubiger der Hauptleistung ein Rückzahlungsanspruch bzgl. der vor Unmöglichkeitseintritt geleisteten Zahlungen eingeräumt wird. Der Schuldner kann gegen diesen Rückzahlungsanspruch nach s. 1(2) Unterabs. 2 einwenden, dass er vor dem Eintritt des die Unmöglichkeit auslösenden Ereignisses Aufwendungen zur Vertragserfüllung getätigt hat, und deswegen einen Teil oder alle vor Unmöglichkeit geleisteten oder fälligen Zahlungen zurückbehalten oder einfordern. Diese Einwendung sucht das im Fibrosa-Fall179 zu Tage getretene Problem zu beseitigen, dass der Schuldner nie Ersatz für Aufwendungen zur Vertragsdurchführung vor Unmöglichkeitseintritt verlangen konnte. Dabei räumt der Wortlaut des Gesetzes („the court may, if it considers it just to do so…the whole or any part of the sums…“) dem Gericht einen Ermessensspielraum dahingehend ein, ob der Schuldner überhaupt Ersatz für seine Aufwendungen verlangen kann und, wenn ja, in welcher Höhe.180 Es bleibt also offen, wie der durch die Unmöglichkeit ausgelöste Verlust zwischen den Parteien verteilt werden soll. Verfochten wurden eine gleichmäßige
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Anders im deutschen Recht, wo nach h.M. §§ 326 Abs. 4, 346–348 BGB auch für erst nach Wegfall der Gegenleistungspflicht erbrachte Leistungen gelten, vgl. unten, Kapitel 3, Text bei Fn. 394–396. 177 Williams, The Law Reform (Frustrated Contracts) Act, 1943: the Text of the Act with an Introduction and Detailed Commentary, 1944, 41. 178 McKendrick, in: McKendrick, Force Majeure and Frustration of Contract, 1995, 223–244, 230. 179 [1943] AC 32, 72. 180 Zur ermessenseinräumenden Funktion des Worts may in der englischen Gesetzgebung vgl. Maley, Language in Society 16 (1987), 25–48, 30, 42.
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Aufteilung des Verlustes zwischen den Parteien,181 eine vollständige Verlusttragung durch den Gläubiger,182 ein Gleichlauf mit dem bereicherungsrechtlichen change of position-Einwand183 und eine flexible Aufteilung des Verlustes je nach Einzelfall. Letztere Ansicht setzte sich in der Rechtsprechung durch.184 Dies wird damit begründet, dass das Gesetz ausdrücklich einen breiten Ermessensspielraum der Gerichte vorsehe und keine Anhaltspunkte enthalte, die eine bestimmte Risikoverteilung vorgeben würden.185 Das führt dazu, dass der Schuldner zwar eine Chance hat, seine Aufwendungen ersetzt zu bekommen, er aber auch völlig leer ausgehen kann.186 Auch die in s. 1(3) LR(FC)A 1943 enthaltende Regelung der Rückabwicklung vertraglicher Leistungen, die nicht in Geld bestehen, ist hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen offen. Die Regelung sieht vor, dass eine Vertragspartei, die im Rahmen der Vertragsdurchführung und vor Unmöglichkeitseintritt einen valuable benefit von der anderen Partei erhalten hat, der anderen Partei auf Rückerstattung dieses benefit haftet, jedoch nur in dem Maße, in dem das Gericht dies unter Abwägung aller Umstände des Falles für gerecht erachtet.187 Im Verhältnis von s. 1(2) und (3) LR(FC)A 1943 gilt, dass die Höhe 181 Williams, The Law Reform (Frustrated Contracts) Act, 1943: the Text of the Act with an Introduction and Detailed Commentary, 1944, 35–36, unter Berufung auf natural justice als Grund für die gleichmäßige Aufteilung des Verlustes. 182 So das Law Revision Committee mit der Begründung, dass diese Risikozuweisung gerechtfertigt sei, weil der Schuldner sich durch die Vereinbarung einer Vorauszahlung gerade vor Verlusten aufgrund des Vertrags geschützt habe, The Law Revision Committee, „Seventh Interim Report (Rule in Chandler v Webster)“ Cmd. 6009, 7. 183 B.P. Exploration Co. (Libya) Ltd. Respondents v Hunt (No. 2) [1982] 2 W.L.R. 783, 800; der Gleichlauf mit dem change of position-Einwand kann aber nicht dem gesetzgeberischen Willen entsprechen, weil dieser Einwand erst seit 1991 durch die Rechtsprechung (Lipkin Gorman v Karpnale Ltd. [1991] 2 A.C. 548) im englischen Bereicherungsrecht anerkannt ist, vgl. McKendrick, in: McKendrick, Force Majeure and Frustration of Contract, 1995, 223–244, 231. Zudem hinkt der Vergleich mit dem change of positionEinwand auch deswegen, weil gem. S. 1(2) Unterabs. 2 der Schuldner in Hinblick auf die von ihm getätigten Aufwendungen auch vor Unmöglichkeit fällige, aber noch nicht geleistete Zahlungen einfordern kann, wogegen sich der change of position-Einwand nur auf bereits geleistete Zahlungen bezieht, vgl. Burrows, The Law of Restitution, 2011, 364. 184 Gamerco SA v ICM/Fair Warning (Agency) Ltd. [1995] 1 W.L.R. 1226, 1337; McKendrick, in: Beale, Chitty on Contracts, Band 1, 2015, 1671–1729, 1721–1722. 185 Ebd. 186 So geschehen in Gamerco SA v ICM/Fair Warning (Agency) Ltd. [1995] 1 W.L.R. 1226, 1337. 187 Diese Regelung war dazu gedacht, das als ungerecht empfundene Ergebnis aus Appleby and Another v Meyers (1867) L.R. 2 C.P. 651 abzumildern, vgl. Williams, MLR 7 (1944), 66–69, 68. Abzuwägende Umstände sind etwa der objektive Wert der Hauptleistung, die vereinbarte Gegenleistung und die Gründe für die Unmöglichkeit, vgl. Thum, Wertberechnung bei der Rückabwicklung von Kaufverträgen im deutschen, englischen und
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des Aufwendungsersatzes, der dem Schuldner der Hauptleistung gem. s. 1(2) gewährt wird, bei der Bemessung der Forderung gem. s. 1(3) berücksichtigt wird.188 Neben der Unklarheit, die auch bei s. 1(3) LR(FC)A 1943 aus dem außerordentlich weiten Ermessensspielraum des Gerichts resultiert, birgt die Vorschrift noch eine weitere Unsicherheit: Es wird nicht klar, was genau einen benefit im Sinne der Vorschrift konstituiert.189 Besonders deutlich tritt dieses Problem in den Fällen zu Tage, in denen eine Vertragspartei ein Werk für die andere Vertragspartei fertigt und das unvollendete Werk untergeht. In diesen Fällen ist nämlich zweifelhaft, ob durch die teilweise Errichtung des Werkes bis zu dessen Untergang bereits ein benefit auf die andere Partei übertragen wurde.190 Hinzu kommt, dass selbst bei klarer Identifizierbarkeit des benefit gesetzlich nicht geregelt wurde, welches der relevante Bewertungszeitpunkt für den benefit ist.191 Diese drei Problemfelder wurden von Justice Goff im Präzedenzfall zur Anwendung von s. 1(3) LR(FC)A 1943 als die kontroversesten Punkte des ganzen Gesetzes identifiziert192 und einem Lösungsvorschlag zugeführt: Als benefit sei das Ergebnis der Tätigkeit des Schuldners zu betrachten, weil das Gesetz zwischen der performance des Schuldners und dem benefit des Gläubigers unterscheide.193 Der benefit solle im Zeitpunkt des Unmöglichkeitseintritts subjektiv aus Sicht des Gläubigers bemessen werden.194 Schließlich sei französischen Recht sowie im vorgeschlagenen Common European Sales Law, 2014, 74–75. 188 Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014, 614. 189 Vgl. bereits Williams, The Law Reform (Frustrated Contracts) Act, 1943: the Text of the Act with an Introduction and Detailed Commentary, 1944, 48–51. 190 Bejahend Williams, The Law Reform (Frustrated Contracts) Act, 1943: the Text of the Act with an Introduction and Detailed Commentary, 1944, 49: Schon durch die ersten Fertigungsschritte des Werkes sei das Vermögen des Bestellers vermehrt worden. 191 McKendrick, in: McKendrick, Force Majeure and Frustration of Contract, 1995, 223–244, 234–235. 192 B.P. Exploration Co. (Libya) Ltd. Respondents v Hunt (No. 2) [1982] 2 W.L.R. 783, 801: „The distinction between the identification and valuation of the defendant’s benefit, and the assessment of the just sum, is the most controversial part of the Act“; zu der Entscheidung Baker, CLJ 38 (1979), 266–270, 266–270. Freilich sind die Ausführungen von Justice Goff als Richter an der Queen’s Bench Division des High Court of Justice für den Court of Appeal und das House of Lords bzw. den Supreme Court nicht bindend. 193 [1982] 2 W.L.R. 783, 801. 194 [1982] 2 W.L.R. 783, 803; a.A. bzgl. des Bewertungszeitpunkts (nicht bei, sondern vor Unmöglichkeitseintritt) unter Hinweis auf den Gesetzeswortlaut „obtained a valuable benefit […] before the time of discharge“ McKendrick, in: McKendrick, Force Majeure and Frustration of Contract, 1995, 223–244, 237. Folgt man Justice Goff, bliebe das als ungerecht empfundene Ergebnis aus Appleby v Meyers von der gesetzlichen Regelung unberührt, vgl. McKendrick, in: Beale, Chitty on Contracts, Band 1, 2015, 1671–1729, 1724, Fn. 391.
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bei der Ermittlung der just sum, die der Schuldner erhalte, auf das dem Gesetz zu Grunde liegende Prinzip der Verhinderung von ungerechtfertigter Bereicherung Rücksicht zu nehmen.195 Die ersten beiden Lösungsansätze wurden vom Court of Appeal und vom House of Lords bestätigt und werden noch heute so vertreten.196 Allerdings gab es seit B.P. v Hunt keine Entscheidung mehr zu diesen Fragen vor dem Court of Appeal oder dem House of Lords bzw. dem Supreme Court – ein Umstand, der wohl darauf zurückzuführen ist, dass umfangreiche Verträge meistens ohnehin force majeure-Klauseln enthalten, welche das Eingreifen der frustration-Doktrin verhindern. Es ist zwar umstritten, wie genau sich das Verhältnis von force majeure-Klauseln zur frustration-Doktrin in solchen Fällen gestaltet, in denen ohne die Klausel Unmöglichkeit i.S.d. frustration-Doktrin eingetreten wäre. Während teilweise vertreten wird, dass eine solche Klausel das Eingreifen der frustration-Doktrin jedenfalls nicht im Ganzen verhindert,197 wollen andere die Anwendung der frustration-Doktrin ausgeschlossen sehen, sobald der Anwendungsbereich einer solchen Klausel eröffnet ist.198 Die letztere Ansicht hat den Wortlaut von s. 2(3) LR(FC)A 1943 für sich, der die Rechtsfolgen derartiger Klauseln in solchen Fällen erhalten will, wenn „circumstances […] operate, or would but for the said provision operate, to frustrate the contract“, der also impliziert, dass die Klausel den Eintritt von frustration verhindert. Jedenfalls besteht aber Einigkeit darüber, dass sich beim Eingreifen einer force majeure-Klausel die Rechtsfolgen des Ereignisses – ob es Unmöglichkeit auslöst oder nicht – nach dieser Klausel richten.199 Diese Möglichkeit, ein auf den Einzelfall zugeschnittenes Rechtsfolgenregime für den Eintritt bestimmter (Unmöglichkeits-)Ereignisse festzusetzen, macht das Aushandeln von force majeureKlauseln für die Vertragsparteien wirtschaftlich sinnvoll, so dass sie zum Standardklauselwerk großer Verträge gehören.200
195
[1982] 2 W.L.R. 783, 805. [1982] 2 W.L.R. 783; [1983] 2 AC 352; vgl. McKendrick, in: Beale, Chitty on Contracts, Band 1, 2015, 1671–1729, 1724–1725. 197 So McKendrick, in: McKendrick, Force Majeure and Frustration of Contract, 1995, 33–54, 34; Bingham L.J. in [1990] Lloyd’s Rep. 1, 10. 198 Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014 473; Hedley, CLJ 49 (1990), 209–211, 211; Judge Mocatta in Bremer Handelsgesellschaft m.b.H. v Vanden Avenne-Izegem P.V.B.A. [1990] Lloyd’s Rep. 133, 163. 199 S. 2(3) Law Reform (Frustrated Contracts) Act 1943; McKendrick, in: McKendrick, Force Majeure and Frustration of Contract, 1995, 33–5444; Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014, 472. 200 Vgl. McKendrick, in: McKendrick, Force Majeure and Frustration of Contract, 1995, 33–54, 44. 196
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Darüber hinaus kommt es auch bei Verträgen, die keine force majeureKlausel enthalten, oft deswegen nicht zum Streit über die Rechtsfolgen von Unmöglichkeit, weil die Parteien den Vertrag beim Eintritt eines Unmöglichkeit auslösenden Ereignisses lieber neu verhandeln als sich auf die für sie schwer vorhersehbaren Rechtsfolgen von Unmöglichkeit zu berufen.201 Solchen Anpassungsvereinbarungen steht nicht entgegen, dass einem neu verhandelten Vertrag die consideration für eine durch die Neuverhandlung entstandene höhere Zahlungspflicht des Gläubigers fehlen würde: Dass die Vertragsbedingungen den veränderten Umständen angepasst wurden, genügt als Gegenleistung für die Erhöhung der Zahlungspflicht des Gläubigers.202 Die aufgrund der häufigen Abbedingung der gesetzlichen Rechtsfolgen spärliche Rechtsprechung zum LR(FC)A 1943 gibt also nicht umfassend Aufschluss über dessen Interpretation. Insbesondere die Identifikation des benefit im Produkt der Tätigkeit des Schuldners durch Justice Goff ist bis heute vehementer Kritik ausgesetzt: So wendet Dickson ein, dass angesichts der subjektiven Bewertung des benefit im Zeitpunkt vor Unmöglichkeitseintritt kein Grund dafür ersichtlich sei, den Umstand, dass der Gläubiger für eine gewisse Dauer von der Tätigkeit des Schuldners als solcher profitiert habe, nicht in die Bewertung einzustellen.203 Birks stellt fest, dass das Abstellen auf das Produkt der Tätigkeit des Schuldners zu „ridiculous inventiveness“ bei der Suche nach Endprodukten führe – so könne etwa das leere Regale als das Endprodukt eine Bücherverbrennung betrachtet werden.204 Deswegen solle bei Tätigkeiten des Schuldners, die nicht zu einem Endprodukt führen, auf die Tätigkeit selbst als valuable benefit abgestellt werden205 – ein Ansatz, der dem deutschen Konzept von Wertersatz gem. § 818 Abs. 2 BGB ähnelt. Vor diesem Hintergrund folgert Burrows, dass es letztlich nur darauf ankomme, ob der Gläubiger in den Genuss der Tätigkeit des Schuldners gekommen sei oder nicht – das Produkt dieser Tätigkeit sei bereicherungsrechtlich irrelevant.206 201 Eine solche Präferenz der renegotiation bestätigt die Studie von Beale/Dugdale, Brit. JL & Soc'y 2 (1975), 45–60, 58. 202 Williams v Roffey Bros & Nicholls [1991] 1 Q.B. 1, 19; zustimmend zu dieser nicht allzu strengen Handhabung des consideration-Erfordernisses Adams/Brownsword, MLR 53 (1990), 536–542. 203 Dickson, N. Ir. Legal Q. 34 (1983), 106–124, 114. 204 Birks, An Introduction to the Law of Restitution, 1989, 252. 205 Ebd; diesen Ansatz vertritt Birks auch für das allgemeine Common LawBereicherungsrecht, vgl. Birks, Legal Studies 5 (1985), 67–76 76. Insofern stellt die Interpretation von s. 1(3) im Sinne von Justice Goff eine Abweichung vom allgemeinen Bereicherungsrecht des Common Law dar; vgl. hierzu auch McKendrick, in: Burrows, Essays on the Law of Restitution, 1991, 147–170, 161. 206 Burrows, The Law of Restitution, 2011, 370; ganz anders das zweistufige System von erlangtem Etwas gem. § 812 Abs. 1 BGB auf erster Ebene und Wertersatz gem. § 818
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Obwohl der Court of Appeal die Identifizierung des benefit und seine Bewertung im Sinne Justice Goffs aufrechterhielt, stimmte er Goffs Auffassung von der Verhinderung ungerechtfertigter Bereicherung als Richtschnur für die just sum nicht zu: 207 Just sei – so der relativistische Iudex-Mensura-Ansatz des Court of Appeal –, was der Richter in der Tatsacheninstanz als just erachte, denn “[t]he concept of what is just is not an absolute one. Opinions among right thinking people may, and probably will, differ as to what is just in a particular case“.208 Auch unter Zuhilfenahme der Vorgaben der Rechtsprechung verbleibt der Gesetzesanwender daher in Unsicherheit über Entstehen und Höhe der Forderung aus s. 1(3) des LR(FC)A 1943, was wiederum das Bedürfnis nach einer Abbedingung der Norm erhöht. Allerdings ist es trotz der damit verbundenen Unsicherheiten nicht untypisch, dass der LR(FC)A 1943 als Rechtsfolge von frustration gerichtliches Ermessen vorsieht. Der Grund dafür wird klar, wenn man andere das Fallrecht ergänzende gesetzliche Regelungen betrachtet, die dem Gericht ebenfalls Ermessen einräumen. Beispiele sind etwa s. 1(1) Law Reform (Contributory Negligence) Act 1945, s. 2(2) Misrepresentation Act 1967 und s. 2(1) und (2) Civil Liability (Contribution) Act 1978. Die Entstehungsgeschichte dieser Gesetze ist der des LR(FC)A 1943 ähnlich: Es gab eine Rechtslage gemäß den Präzedenzfällen, welche zwar als unbefriedigend empfunden wurde, von der Rechtsprechung aber aus eigenem Antrieb nicht bzw. nur sehr schwer geändert werden konnte, so dass der Gesetzgeber tätig werden musste. So galt etwa vor Verabschiedung des Law Reform (Contributory Negligence) Act 1945, dass bei einem Schadensereignis, an dem zwei Parteien Schuld tragen, grundsätzlich keine Partei von der anderen auch nur einen Teil ihres Schadens ersetzt bekommen konnte209 – ein unbefriedigendes Ergebnis, wenn der Schaden der einen Partei wesentlich größer ist als der der anderen oder wenn die Verursachungsbeiträge ungleich verteilt sind. Diesem durch die strikte Regel des Fallrechts verursachten Defizit half der Law ReAbs. 2 BGB auf zweiter Ebene, vgl. hierzu Staudinger-Lorenz § 812 Rn. 65. Die Diskussion um die Identifikation des benefit in s. 1(3) LR(FC)A 1943 kann als Ausdruck der allgemeinen Unsicherheit gesehen werden, die im englischen Bereicherungsrecht dahingehend besteht, was die Bereicherung des Schuldners einer restitution-Forderung ist, vgl. hierzu etwa Edelman, in: Chambers/Mitchell/Penner, Philosophical Foundations of the Law of Unjust Enrichment, 2009, 211–241, 211, der angesichts der Komplexität in Jargon und Inhalt das Prinzip des Occamschen Rasiermessers anzuwenden sucht, ebd. 212. 207 [1982] 1 All ER 925, 983. 208 [1982] 1 All ER 925, 980; in der Literatur wird die Verhinderung von ungerechtfertigter Bereicherung aber dennoch weiterhin als telos des Gesetzes betrachtet, vgl. etwa Stewart/Carter, CLJ 51 (1992), 66–112 87; letztlich bleibt das Ziel des Gesetzes allerdings noch heute im Dunkeln, siehe McKendrick, in: Beale, Chitty on Contracts, Band 1, 2015, 1671–1729, 1718. 209 Williams, MLR 9 (1946), 105–136, 106–109.
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form (Contributory Negligence) Act 1945 ab, dessen s. 1(1) vorsieht, dass die wechselseitigen Forderungen auf Schadensersatz nicht mehr erlöschen, sondern statt dessen nach dem Ermessen des Gerichts reduziert werden. Auch s. 2(2) Misrepresentation Act 1967 flexibilisiert eine bisher strikte Regel des Common Law, welche die vollständige Rückabwicklung von Verträgen auch bei kleineren Falschangaben verlangte.210 Nach s. 2(2) Misrepresentation Act 1967 kann das Gericht nach seinem Ermessen anstatt der Rückabwicklung den Vertrag als fortbestehend erklären und Schadensersatz gewähren. Der Civil Liability (Contribution) Act 1978 diente schließlich ebenfalls der Beseitigung von Härten des Fallrechts: Bis zur Verabschiedung des Gesetzes konnten Mitverursacher eines gemeinsamen Schadens untereinander nur dann Regress bzgl. der Schadensersatzforderung des Verletzten nehmen, wenn ihre Haftung auf einem identischen Haftungsgrund beruhte.211 S. 2(1) und (2) i.V.m. s. 1(1) Civil Liability (Contribution) Act 1978 lassen dagegen zu, dass die Gerichte auch bei auf verschiedenen Haftungsgründen beruhender Mitverantwortung dem in Anspruch genommenen Schädiger gegen den Mitschädiger eine Regressforderung nach ihrem Ermessen zubilligen. Diese Gesetze, welche den Gerichten einen Ermessensspielraum einräumen, sind also alle entstanden, um strikte Regeln des Fallrechts, deren Ergebnisse als unbefriedigend empfunden wurden, zu flexibilisieren. Dabei fügen sie sich in das bestehende Fallrecht ein, indem sie ihren Anwendungsbereich an dessen Regeln anknüpfen.212 So ist der LR(FC)A 1943 gem. s. 1 (1) nur dann anwendbar, wenn nach dem Fallrecht ein Fall von frustration gegeben ist. Ist der Anwendungsbereich der jeweiligen Gesetze eröffnet, kommt anstelle der bisher geltenden strengen Common Law-Regel das Ermessen des Richters zum Zug. Bei der Ausübung dieses Ermessens muss der Richter die vom Gesetz vorgesehenen Anhaltspunkte für die Ermessensausübung beachten.213 Hält der erstinstanzliche Richter die gesetzlichen Vorgaben für die Ermessensentscheidung ein, steht ihm eine durch das Berufungsgericht nur begrenzt nachprüfbare Kompetenz zur Findung eines gerechten Ergebnisses zu. Nur ausnahmsweise wird ein Berufungsgericht die Ermessensentscheidung eines erstinstanzlichen Richters abändern,214 wie etwa bei einem offen210
Atiyah/Treitel, MLR 30 (1967), 369–388, 375. Dugdale, MLR 42 (1979), 182–191, 182. 212 Atiyah, MLR 48 (1985), 1–28, 2. 213 Zu diesem Erfordernis bei der Ausübung von Ermessen unter dem LR(FC)A 1943 McNair, LQR 59 (1943), 160–174, 165: „[T]he statute does not give the Court carte blance to make whatever adjustment seems to be just and equitable, that is, to act ex aequo et bono; it states certain principles and imposes certain limits.“ 214 McNair, LQR 59 (1943), 160–174, 174. Exemplarisch hierzu Lord Hoffmann in der Entscheidung Cooperative Insurance Society Ltd. v Argyll Stores (Holdings) Ltd. [1998] 211
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2. Kapitel: Englisches Recht
sichtlichen Fehler. Dem erstinstanzlichen Richter wird also aufgrund der das Fallrecht abmildernden Gesetze die Funktion zugewiesen, durch eigene Ermessensentscheidung ein gerechteres Ergebnis zu finden, als es ihm die Anwendung der bisher geltenden strikten Regel ermöglicht hätte. Diese Entscheidung nimmt der Gesetzgeber nicht vorweg,215 sondern öffnet der Rechtsprechung vielmehr nur ein bisher durch eine Fallrechtsregel verschlossenes Tor216 – an die Stelle einer strikten Regel tritt das Judiz des Richters. In dieser Funktion als Toröffner zu gerichtlichem Ermessen stellt der LR(FC)A 1943 im Ergebnis eine Verbesserung der Rechtslage bzgl. der Folgen unmöglich gewordener Verträge gegenüber dem „Einfrieren“ des Vertrags nach der frustration-Doktrin dar. Zwar wird die Preisgefahr weder abschließend noch vorhersehbar verteilt, jedenfalls wird aber die Härte des Fallrechts durch eine flexiblere Antwort auf Unmöglichkeit abgemildert.217 Wird der Schuldner aufgrund von Unmöglichkeit von seiner Hauptleistungspflicht frei, so dass der Gläubiger die Sachgefahr trägt, entscheidet letztlich der erstinstanzliche Richter durch Ausfüllung seiner ihm durch den LR(FC)A 1943 eingeräumten Ermessenspielräume über die Verteilung der Preisgefahr. Zugleich bleibt allerdings festzuhalten, dass es in der Praxis selten zu solchen Ermessensentscheidungen der Gerichte kommt, weil die Parteien gerade bei großen Verträgen regelmäßig force majeur-Klauseln vorsehen, welche die Unmöglichkeitsfolgen privatautonom festlegen. II. S. 7 Sale of Goods Act 1979 Eine zur frustration-Doktrin spezielle Regelung enthält s. 7 Sale of Goods Act (SGA) 1979, die fast wörtlich s. 7 SGA 1893 entspricht: A.C. 1, 19, in der er die Ermessensentscheidung des erstinstanzlichen Richters hinsichtlich der Gewährung von specific performance entgegen der Berufungsentscheidung des Court of Appeal wiederherstellte: „I think that no criticism can be made of the way in which Judge Maddocks exercised his discretion. All the reasons which he gave were proper matters for him to take into account. In my view the Court of Appeal should not have interfered and I would allow the appeal and restore the order which he made.“ Zur Respektierung des mittlerweile in s. 40 Partnership Act 1890 geregelten Ermessensspielraums durch das Berufungsgericht auch schon Jessel MR in Lyon v Tweddell (1881) 17 Ch. D. 529, 531. 215 Skeptisch gegenüber dieser gesetzgeberischen Zurückhaltung und gleichzeitigen Zurücknahme der Kontrolldichte durch die Berufungsgerichte Atiyah, MLR 48 (1985), 1– 28, 5. 216 Zur Ergänzungs- und Abhilfefunktion der Gesetzgebung im englischen Common Law vgl. auch Schillig, Konkretisierungskompetenz und Konkretisierungsmethoden im europäischen Privatrecht, 2009, 126–127 sowie Lando, European Review of Private Law 2006, 475–485, 476. 217 Siehe auch McKendrick, in: Burrows, Essays on the Law of Restitution, 1991, 147–170, 165.
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„Where there is an agreement to sell specific goods and subsequently the goods, without any fault on the part of the seller or buyer, perish before the risk passes to the buyer, the agreement is avoided.“
Bei einem Kaufvertrag über specific goods, d.h. über bei Vertragsschluss eindeutig identifizierbare Gegenstände,218 bei dem die Gegenstände nach Vertragsschluss, aber vor Eigentums-219 und Gefahrübergang ohne Verschulden der Parteien untergehen, wird der Vertrag avoided, wodurch die Parteien von allen noch ausstehenden Verpflichtungen befreit werden.220 Diese Rechtsfolge ist identisch mit der von frustration ohne Eingreifen des LR(FC)A 1943 – der Vertrag wird im Zeitpunkt des Unmöglichkeitseintritts „eingefroren“. Bei einem Kaufvertrag über noch nicht bei Vertragsschluss, sondern erst später identifizierbare Gegenstände, also etwa über erst nach Vertragsschluss hergestellte Gegenstände oder über eine der Gattung nach bestimmte Sache, die erst später konkretisiert wird, werden die Rechtsfolgen des Untergangs der Kaufsache nicht von s. 7 SGA 1979, sondern durch die frustration-Doktrin bzw. den LR(FC)A 1943 bestimmt. Die von s. 7 SGA 1979 aufgestellte Voraussetzung, dass die Kaufgegenstände untergangen sein müssen, erfordert nicht, dass sie vollständig zerstört wurden. Vielmehr genügt es, wenn sie derart verändert wurden, dass sie nicht mehr als die im Kaufvertrag beschriebenen Gegenstände angesehen werden und vernünftigerweise nicht mehr Gegenstand eines Kaufvertrags sein können.221 Das Kriterium ähnelt der Frage nach der radikalen Veränderung der Verpflichtung bei der frustration-Doktrin. Dabei ist zweifelhaft, ob es genügt, 218
Definition in s. 61(1) SGA 1979 = s. 62(1) SGA 1893. Das betrifft nach deutscher Terminologie Stückkäufe. 219 Dass s. 7 SGA 1979 nur vor dem Eigentumsübergang anwendbar ist, ergibt sich daraus, dass darin von einem agreement to sell die Rede ist, also von einem Kaufvertrag, bei dem das Eigentum erst nach Vertragsschluss übergehen soll (s. 2(5) SGA 1979). Mit dem Eigentumsübergang wird aus dem agreement to sell ein sale (s. 2(4) SGA 1979). Die Verkäuferpflichten daraus sind dann erfüllt und schon infolgedessen erloschen; vgl. hierzu auch Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 131–164, 133. 220 Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 9. Aufl. 2014, 336; Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 131–164, 138. Vgl. auch in vergleichender Betrachtung mit dem amerikanischen Recht (s. 2–613 (a) UCC) Treitel, Unmöglichkeit, „Impracticability“ und „Frustration“ im anglo-amerikanischen Recht, 1991, 22–24. 221 Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 334; Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 131–164, 135; der Test ist identisch mit dem im Versicherungsrecht für total loss verwendeten Test, zu diesem Test Lord Esher in Asfar & Co. v Blundell [1896] 1 Q.B. 123, 128: „But if the nature of the thing is altered, and it becomes for business purposes something else, so that it is not dealt with by business people as the thing which it originally was, the question for determination is whether the thing […] has become a total loss. If it is so changed in its nature […] as to become an unmerchantable thing, which no buyer would buy and no honest seller would sell, then there is a total loss.“
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2. Kapitel: Englisches Recht
wenn eine von mehreren Kaufsachen, insbesondere Teile einer größeren Menge, zerstört bzw. verändert wurden,222 oder ob bei teilweiser Zerstörung der Kaufsachen die Rechtsfolge vielmehr dem Vertrag selbst durch Auslegung entnommen werden sollte.223 Dieses Problem ist aber von geringer Bedeutung, weil bei Kaufverträgen über eine größere Menge Sachen die gekaufte Menge vor Gefahrübergang meist ohnehin nicht identifizierbar und daher nicht specific i.S.v. s. 7 SGA 1979 sein wird. Tritt also ein Untergang der Kaufgegenstände oder deren grundlegende Veränderung vor Gefahrübergang ein, ohne dass eine Ursache hierfür durch ein Verschulden der Parteien gesetzt wurde, erlöschen die noch nicht erfüllten Vertragspflichten. Das kann etwa geschehen, wenn die Lieferung der Kaufgegenstände durch Verschulden des Verkäufers verzögert wurde, deswegen der Gefahrübergang gem. s. 20(2) SGA 1979 noch nicht stattgefunden hat und die Kaufsache dann durch ein externes Ereignis, etwa durch ein Unwetter, zerstört wird. Dann erlöschen die Verpflichtung des Verkäufers zur Übereignung der Kaufsache und die Verpflichtung des Käufers zur Zahlung. Ein Problem ergibt sich allerdings, wenn der Käufer zu diesem Zeitpunkt den Kaufpreis bereits gezahlt hat. Er kann seine Zahlung in diesen Fällen nicht gem. s. 1(2) Unterabs. 1 LR(FC)A 1943 zurückfordern, weil dieses Gesetz gem. s. 2(5) lit. c nicht auf Kaufverträge über specific goods anwendbar ist. Der Käufer ist daher der Rechtslage ausgesetzt, die vor Verabschiedung des LR(FC)A 1943 auch im frustration-Recht galt: Hat er vom Verkäufer gar keine Gegenleistung erhalten, kann er gegen ihn eine bereicherungsrechtliche Forderung aufgrund des unjust factor des total failure of consideration geltend machen. Hat er einen Teil der Gegenleistung erhalten, steht ihm diese Forderung nach der orthodoxen Regel, dass die consideration völlig fehlen muss, eigentlich nicht zu. Allerdings gibt es vermehrt Stimmen, die dem Käufer dann, wenn der Preis der bereits erhaltenen Gegenleistung schätzbar ist, dennoch eine Rückforderung hinsichtlich des zu viel geleisteten Teils der Gegenleistung zubilligen wollen.224 Zumindest in einem Fall, in dem die Gegenleistung klar teilbar war (der Preis für 1/5 von 500 Tonnen Stahlblech), wurde das von der Rechtsprechung auch schon so praktiziert.225 Gegen eine Forderung des Käufers auf Kaufpreisrückzahlung steht dem Verkäufer im Gegensatz zu s. 1(2) Unterabs. 2 LR(FC)A 1943 keine Einwendung hinsichtlich seiner Aufwendungen zur Vertragsdurchführung zu. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn sich die Aufwendungen in Kategorien des seit 222 Für ein vollständiges Erlöschen der Verpflichtungen auch in diesen Fällen Barrow Lane & Ballard Ltd. v Phillip Phillips & Co. Ltd. [1929] 1 K.B. 574, 583. 223 So Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 131–164, 137. 224 Atiyah/Adams/MacQueen, The Sale of Goods, 11. Aufl. 2005 367; Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 131–164, 138. 225 Ebrahim Dawood Ltd. v Health Ltd. [1961] 2 Lloyd’s Rep. 512, 520.
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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Lipkin Gorman v Karpnale Ltd.226 anerkannten change of position-Einwands fassen lassen und dergestalt der bereicherungsrechtlichen Forderung entgegengehalten werden können. Jenseits dieses Einwands hat der Verkäufer keine Forderung wegen eines bereits auf den Käufer übertragenen Vorteils, wie sie ihm in s. 1(3) LR(FC)A 1943 nach dem Ermessen des Richters eingeräumt wird. Die Parteien eines Kaufvertrags können s. 7 SGA 1979 zwar nicht abbedingen. Allerdings können sie vertraglich den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs regeln227 oder durch Bestimmung des Vertragszwecks Einfluss darauf nehmen, ob die Kaufgegenstände wegen einer grundlegenden Veränderung als perished gelten.228 S. 7 SGA 1979 erhält für Kaufverträge über specific goods, deren Vertragsgegenstand vor Gefahrübergang untergegangen ist, also im Wesentlichen die Rechtslage vor dem LR(FC)A 1943. Die Vorschrift bedeutete im SGA 1893 einen Fortschritt im Unmöglichkeitsrecht, weil sie die Voraussetzungen und in Teilen auch die Rechtsfolgen von Unmöglichkeit klarer als das damals geltende Fallrecht regelte. Es ist aber unverständlich, warum s. 7 und s. 2(5) lit. c LR(FC)A 1943 bei der Reform des Kaufrechts 1979 beibehalten wurden – die unterschiedliche Behandlung von Unmöglichkeit bei Kaufverträgen über specific goods und Kaufverträgen über andere Sachen entbehrt einer Rechtfertigung.229 Selbst wenn man einen Grund für den Ausschluss der Anwendung des LR(FC)A 1943 für Kaufverträge darin sehen mag, dass die Ermessensspielräume des erstinstanzlichen Richters nicht die im Handelsverkehr erforderliche Vorhersehbarkeit von Entscheidungen ermöglichen,230 wird auch durch s. 7 SGA 1979 mit seinen allgemeinen bereicherungsrechtlichen Folgen eine solche Vorhersehbarkeit der Ergebnisse nicht erreicht. III. Sach- und Preisgefahr bei frustration Sowohl nach der frustration-Doktrin als auch gem. s. 7 SGA 1979 gilt: Der Schuldner, dem seine Leistung ohne sein Verschulden unmöglich wurde, wird von seiner Pflicht zur Leistung befreit und verliert zugleich den Anspruch auf die Gegenleistung – er trägt die Preisgefahr und der Gläubiger die Leistungsgefahr. Weil das Erlöschen der wechselseitigen Ansprüche der Parteien lediglich ex nunc erfolgt, kann es bei Vorleistungen zu zufälligen Verschiebungen der 226
[1991] 2 A.C. 548. Vgl. dazu unten B.III.1. 228 Brown, Lloyd's Maritime and Commercial Law Quarterly 2000, 12–16, 14. 229 So Atiyah/Adams/MacQueen, The Sale of Goods, 2005, 368. Vgl. auch Williams, MLR 7 (1944), 66–69, 69; Burrows, The Law of Restitution, 2011, 361, Fn. 86. 230 So Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014, 632. 227
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2. Kapitel: Englisches Recht
Verlustzuweisung kommen. Diese Verschiebungen werden teilweise bereicherungsrechtlich ausgeglichen. Dabei werden die von einer gewissen Zufälligkeit geprägten bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen außerhalb von s. 7 SGA 1979 durch den LR(FC)A 1943 modifiziert. Nach diesem Gesetz ist die Preisgefahrverteilung weitgehend richterlichem Ermessen überlassen.
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln Während die frustration-Doktrin zu einer Risikoaufspaltung zwischen den Parteien führt, indem sie grundsätzlich dem Käufer die Sachgefahr und dem Verkäufer die Preisgefahr auferlegt, löst der Gefahrübergang eine einseitige Risikozuweisung aus: Der Käufer trägt ab diesem Zeitpunkt Sachgefahr und Preisgefahr. Der Gefahrübergang ist also Preisgefahr-Übergang, weil – außer bei Gattungsschulden231 – die Sachgefahr schon zuvor beim Käufer lag. Diese spezielle kaufrechtliche Gefahrtragung betrifft den Zeitraum, in dem die Erfüllung des Vertrags in der Schwebe ist, also die Zeitspanne zwischen Vertragsschluss und Erfüllung. Nach Erfüllung des Vertrags ist die Leistungspflicht des Schuldners durch die Erfüllung erloschen, so dass die Gegenleistungspflicht in jedem Fall besteht.232 Eine Beeinträchtigung der Integrität des Vertragsgegenstandes vor Vertragsschluss kann dagegen zur anfänglichen Nichtigkeit des Vertrags wegen gemeinsamen Irrtums der Parteien führen.233
231 Bei Gattungsschulden gelten Besonderheiten für die Sachgefahr, weil hier frustration nur nach eindeutiger Zuordnung einer Kaufsache zum Vertrag eintreten kann. Vorher trägt der Käufer Sach- und Preisgefahr. Zur Zuordnung der Kaufsache zum Vertrag bei Gattungsschulden vgl. unten, Text bei Fn. 414 bis 435. Zum Gefahrübergang beim Gattungskauf vgl. unten, B.III.2.b). 232 Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014, 76. Anderes kann nur bei der Lieferung einer mangelhaften Kaufsache gelten, vgl. dazu unten B.III.2.c)aa). 233 Der Irrtum über die Integrität oder Existenz des Vertragsgegenstandes ist ein derart weitreichender Irrtum, dass er in die Kategorie fundamentaler Irrtümer fällt, für die anerkannt ist, dass sie zur Nichtigkeit des Vertrags führen. Vgl. zur Nichtigkeit bei fundamentalem Irrtum nach Common Law und (parallel dazu) nach Equity Bell v Lever Bros. Ltd. [1932] A.C. 161, 206. Allerdings greift die Nichtigkeitsfolge nicht, wenn die Parteien sich bei Vertragsschluss besonderer Risiken bzgl. der Integrität des Vertragsgegenstandes bewusst waren und etwas anderes vereinbart haben, wie etwa in einem Fall aus dem Jahr 1856, in dem die Parteien einen Kaufvertrag über eine Schiffsladung Getreide aus dem Ausland geschlossen hatten, welche zu diesem Zeitpunkt wegen Überhitzung bereits frühzeitig entladen und verkauft worden war. Die Richter befanden, dass die Parteien nicht sicher von der unversehrten Existenz des Getreides ausgehen konnten, sondern „that the purchaser of a cargo on a voyage would take upon himself the chance of what its condition
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
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I. Zufälligkeit des Untergangs Der Untergang der Kaufsache ist dann zufällig im Sinne einer Realisation von Gefahr, wenn er nicht auf fault einer Vertragspartei beruht. Fault ist jedes objektiv vertragsbrüchige Verhalten der Parteien.234 Wird also die Integrität der Kaufsache deswegen tangiert, weil eine Partei eine vertragliche Pflicht verletzt, ist die dadurch ausgelöste Beschädigung der Kaufsache nicht Realisierung der Gefahr bzw. sind die aus der jeweiligen Pflichtverletzung resultierenden Risiken vom Gefahrübergang ausgeschlossen. Damit ist der Gefahrbegriff im englischen Recht weiter als im deutschen, wo nur von den Parteien zu vertretende Verluste nicht mehr Realisation der Gefahr des zufälligen Untergangs sind.235 Einen Spezialfall der Realisation eines aus fault resultierenden Risikos regelt s. 20(2) SGA 1979: „But where delivery has been delayed through the fault of either buyer or seller the goods are at the risk of the party at fault as regards any loss which might not have occurred but for such fault.“
Die Norm betrifft Fälle, in denen die delivery, also die freiwillige Übertragung des Besitzes an der Kaufsache,236 durch fault auf Seiten einer der Parteien verzögert wurde,237 in denen also eine der Vertragsparteien durch diese Verzögerung vertragsbrüchig geworden ist. Infolge der Verzögerung trifft nach s. 20(2) SGA 1979 die vertragsbrüchige Partei das Risiko solcher Verschlechterungen der Kaufsache, „which might not have occured but for such fault“, die also auf die vertragswidrige Verzögerung der Besitzübertragung zurückzuführen sind. Die Verzögerung bewirkt demnach nicht eine umfassende Gefahrtragung dieser Partei, sondern überträgt auf sie nur das Risiko für Verluste, die der Verzögerung der Besitzübertragung zuzurechnen sind. Weil es sich nicht um einen Gefahrübergang i.S. einer zufälligen Beschädigung der Kaufsache, sondern um den Übergang durch die Pflichtverletzung hervorgerufener Risiken handelt, ist es sinnvoll, hier nicht von „Gefahrübergang“, sondern von „Risikoübergang“ zu sprechen. at the time of purchase might be“ (Couturier and others v Hastie and others [1843–60] All ER Rep 280, 283; hierzu Sealy, CLJ 31 (1972), 225–247, 233). 234 Sealy, CLJ 31 (1972), 225–247, 230, 247. Vgl. auch Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 107–130, 129. Dies geht über die Definition in s. 61 (1) SGA 1979 hinaus. Dieses weite Verständnis von fault ist möglich, weil der Begriff der Gefahr im SGA nicht definiert ist und daher fault im Sinne der Gefahrtragung nicht der fault-Definition im SGA entsprechen muss. 235 Vgl. unten, Kapitel 3, Text bei Fn. 526. 236 S. 60(1) SGA 1979. 237 Es kommt also auf eine Verzögerung der Besitzübertragung, nicht der Eigentumsübertragung an; anders die allgemeine Regel in s. 20 (1), vgl. dazu unten B.III.
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2. Kapitel: Englisches Recht
Dies wurde in Demby Hamilton & Co. Ltd. v Barden238 bestätigt. In dem Fall hatten der Kläger und der Beklagte einen Gattungskauf über 30 Tonnen Apfelsaft in geschmacklicher Übereinstimmung mit einer Saftprobe geschlossen. Der Saft sollte in mehreren Tranchen geliefert werden. Der Verkäufer presste die Äpfel zur Sicherstellung der Übereinstimmung des Geschmacks mit der Saftprobe sofort und füllte den Saft in Fässer. Nachdem 20,5 Tonnen geliefert worden waren, nahm der Käufer trotz entsprechenden Erbietens des Verkäufers keinen Saft mehr an. Der Saft in den restlichen Fässern vergor und musste entsorgt werden. Das Gericht entschied, dass s. 20(2) SGA eine Zuordnung nur solcher Verluste vornimmt, die auf die schuldhafte Verzögerung der Übergabe durch den Käufer zurückzuführen sind; ferner, dass das Vergären des Saftes ein solcher auf die Verzögerung zurückzuführender Verlust war.239 Der Zusammenhang des Vergärens mit der Verzögerung sei nämlich nicht dadurch aufgehoben worden, dass der Verkäufer den Saft anderweitig hätte verwerten können. Denn wegen der vereinbarten Übereinstimmung des Geschmacks mit dem der Saftprobe hätte der Verkäufer seinen Vertrag mit dem Käufer nicht durch später gepressten Saft erfüllen können und habe daher die in Rede stehenden Fässer für den Käufer aufbewahren müssen.240 Dabei ist bei der Beurteilung der Frage, ob das Verlustereignis auf die Verzögerung zurückzuführen ist, eine Zuordnungsentscheidung unter umfassender Betrachtung aller Umstände des Falls vorzunehmen.241 Eine Zuordnung scheidet etwa aus, wenn der Verkäufer nach der Verzögerung die Güter anders hätte sinnvoll verwerten können, ohne dadurch seine Erfüllungsbereitschaft zu gefährden.242 Die Zuordnungsentscheidung identifiziert solche Ereignisse, die adäquat kausal auf der Verzögerung beruhen – nicht erfasst sind demnach etwa die Zerstörung von Gütern durch einen Blitzschlag, die sich infolge der verspäteten Übergabe noch beim Verkäufer befinden, oder die Beschädigung des vertragsgegenständlichen Kraftfahrzeugs durch Dritte.243 Mit dem Risikoübergang in s. 20(2) SGA 1979 wurde ein obiter dictum von Blackburn in Martineau v Kitching kodifiziert, in dem er die Regel des
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Demby Hamilton & Co. Ltd. v Barden [1949] 1 All ER 435. [1949] 1 All ER 435, 437–438. 240 [1949] 1 All ER 435, 438. 241 [1949] 1 All ER 435, 437–438. 242 Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 329; vgl. auch Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 107–130, 126 243 Poole v Smith’s Car Sales (Balham) Ltd. [1962] 1 W.L.R. 744, 753. Auch Verluste, die zwar auf eine Verzögerung der Besitzübertragung zurückzuführen sind, bei denen diese Verzögerung aber nicht auf einem Vertragsbruch beruht, sind weiter vom Begriff der Gefahr erfasst und unterfallen nicht der Risikozuordnung aus s. 20(2) SGA 1979, vgl. Sealy, CLJ 31 (1972), 225–247, 229. 239
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
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Civil Law wiedergibt, dass Gläubigerverzug den Gefahrübergang bewirkt.244 Im römischen Recht galt die Regel allerdings für das Risiko jeglichen vom Verkäufer nicht verschuldeten Untergangs der Kaufsache und nicht nur für auf den Verzug zurückzuführende Risiken.245 Genauso weist auch das deutsche Recht dem Gläubiger im Verzug gem. § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB die gesamte Gefahr des zufälligen Untergangs der Kaufsache zu.246 Der Übergang nur verzögerungsspezifischer Risiken in s. 20(2) SGA 1979 ist also eine Verengung der Civil Law-Regel, die aus einer allgemeinen Sanktion für Verzug eine situationsspezifische Risikoverteilung machte. Jenseits dieser besonderen Risikozuweisung bleibt es bei der oben umrissenen Gefahrdefinition: Zufällig im Sinne der Gefahrtragung ist die Realisation solcher Risiken, die nicht auf Pflichtverletzungen der Parteien zurückzuführen sind. Gem. s. 20(1) SGA geht die Gefahr der Realisation solcher Risiken grundsätzlich mit der property an der Kaufsache auf den Käufer über: „S. 20 SGA 1979: Passing of Risk (1) Unless otherwise agreed, the goods remain at the sellerʼs risk until the property in them is transferred to the buyer, but when the property in them is transferred to the buyer the goods are at the buyerʼs risk whether delivery has been made or not.“
II. Historische Entwicklung Die in s. 20(1) SGA 1979 kodifizierte Verknüpfung von property und Gefahrübergang ist aus heutiger Perspektive so selbstverständlich, dass teilweise der Eindruck entsteht, sie habe schon in den ältesten Entscheidungen so bestanden247 und sei ohne weitere Diskussion angewandt worden. 248 Dies trifft indes nicht zu. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, ist die Verknüpfung
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[1872] L.R. 7 Q.B. 436, 456. Vgl. dazu Chalmers, The Sale of Goods Act 1893, 1894, 77, Fn. 3. 245 D. 18, 6, 5 (Paul. 5 ad Sab.), vgl. hierzu Pennitz, Das periculum rei venditae: ein Beitrag zum „aktionenrechtlichen Denken“ im römischen Privatrecht, 2000, 88 sowie Seckel/Levy, ZRG (RA) 47 (1927), 117–263, 253–254 (insbes. zur Beendigung der custodia-Haftung des Verkäufers durch den Verzug); D. 18, 6, 13 (Paul 3 ad Alf.), wonach der Käufer im Verzug insbes. das Risiko der Zerstörung der Kaufsache durch einen Hoheitsakt trägt, vgl. hierzu Pennitz ebd. S. 368 f., der betont, dass dies unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Hoheitsakts gilt; siehe auch D. 30, 47, 6 (Ulp. 22 ad Sab.): Untergang eines Grundstücks durch Erdrutsch nach Eintritt des Gläubigerverzugs, dazu Zimmermann, The Law of Obligations. Roman Foundations of the Civilian Tradition, 1990, 790. Zur uneingeschränkten Zufallshaftung bei Verzug im Rahmen von bonae fidei iudicia vgl. auch Kaser, SDHI 46 (1980), 87–146, 141–142. 246 Vgl. unten, Kapitel 3, Text bei Fn. 381–385. 247 So Sealy, CLJ 31 (1972), 225–247, 234. 248 So Williston, Harv. L. Rev. 9 (1895), 106–130, 106–107.
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von property und Gefahrübergang vielmehr der Endpunkt einer längeren Entwicklung, in deren Verlauf sich die Verbindung erst allmählich etablierte. 1. Verschiebung des Gefahranknüpfungspunkts vom Besitz zum Eigentum Ursprünglich war im Common Law die Gefahr demjenigen zugewiesen, der die Sache in seinem Besitz hatte. So schrieb um 1188 Glanville in seinem Tractatus de legibus et consuetudinibus regni Angliae zum Kaufrecht: „Periculum autem rei empte et vendite illum generaliter respicit qui eam tenet, nisi aliter convenerit“249 – die Preisgefahr beim Kauf trägt in Ermangelung abweichender Vereinbarungen der Besitzer der Sache. Das bedeutet: Solange der Verkäufer die Kaufsache noch besitzt, verliert er bei Untergang der Sache seinen Anspruch auf Kaufpreiszahlung – sobald der Käufer die Sache besitzt, muss er den Kaufpreis jedenfalls zahlen. Demnach knüpfte das englische Recht im 12. Jahrhundert die Gefahr an das leicht erkennbare Kriterium Besitz an. Knapp hundert Jahre später gibt Bracton die Regel Glanvilles von der Verknüpfung von Sachgefahr und Besitz zwar wieder, führt aber zusätzlich eine eigentumsrechtliche Erklärung hierfür an: „Cum emptio et venditio contracta fuerit […] periculum rei emptae et venditae illum generaliter respicit qui eam tenet, nisi alter ab initio convenerit, quia re vera qui rem emptori nondum tradidit adhuc ipse dominus erit.“250 Die Gefahr sei also an den Besitz geknüpft, weil mit dem Besitz auch das Eigentum übergehe. Diese Erklärung des Gefahrübergangs mit dem Eigentum tritt bei Bracton erstmals in den englischen Quellen auf. Besitzübergang und Eigentumsübergang gleichzusetzen war für Bracton möglich, weil zu seiner Zeit im Kaufrecht noch das Traditionsprinzip galt und das Eigentum an der Kaufsache daher bei deren Übergabe auf den Käufer überging.251 Mit der zusätzlichen Erklärung des Gefahrübergangs mit dem Eigentum verlässt Bracton die faktische Ebene des bloßen tenere, des „Haltens“ des Kaufgegenstands, und eröff-
249
De Glanvilla, The Treatise on the Laws and Customs of the Realm of England, übersetzt und herausgegeben von G. D. G. Hall, 1965, 130 (Kapitel X, Abschnitt 14 a.E.). Der Tractatus wird Glanville zugeschrieben, wobei nicht sicher ist, ob er von ihm selbst oder von einem anderen Richter am königlichen Court of Exchequer geschrieben wurde, Baker, An Introduction to English Legal History, 2002, 175. 250 Bracton, Bracton on the Laws and Customs of England, übersetzt und herausgegeben von Samuel E. Thorne, Band 2, 1968, 183. Auch bei diesem Werk ist die Urheberschaft nicht abschließend geklärt, doch es erscheint wahrscheinlich, dass der Kleriker und Jurist Bracton zumindest einer der Verfasser war, Baker, An Introduction to English Legal History, 2002, 176. 251 Zum Eigentumsübergang und der Entwicklung vom Traditions- zum Konsensualprinzip im Kaufrecht vgl. unten, B.III.1.b).
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net mit der Frage nach dem dominus die rechtliche Dimension.252 Es fällt auf, dass der mittlere Satzteil fast wörtlich mit Glanville übereinstimmt. Dies ist umso bemerkenswerter, als sich der einleitende Satzteil ebenfalls fast wörtlich mit Just. Inst. 3, 23, 3253 deckt, die römische Fortsetzung des Satzes („periculum rei venditae statim ad emptorem pertinet“) allerdings nicht übernimmt, sondern mit der Wiedergabe der Regel Glanvilles (Verknüpfung von Sachgefahr und Besitz) fortfährt. Diese eigenwillige Kombination der Quellen254 erhellt, dass Bracton nicht das römische Recht darstellen, sondern die Common Law-Regel plausibilisieren wollte und sich dabei seiner römischen Quellen und des Werks Glanvilles nach Bedarf bediente.255 Nach der Erklärung des Gefahrübergangs mit dem Eigentumsübergang durch Bracton blieb die Gefahr auch nach der Ablösung des Traditionsprinzips durch das Konsensualprinzip256 an das Eigentum geknüpft. Dabei trat das dogmatische Konzept der Gefahrtragung in den Hintergrund und die Gefahr wurde lange Zeit ohne Erklärung dem Eigentümer zugewiesen.257 Die These Sealys und Willistons,258 dass die Gefahr von jeher an das Eigentum geknüpft 252
So auch Murray, Wis. L. Rev. 1962, 93, 99, der die Entwicklung als „gradual transition from a physical fact to a juridical postulate“ beschreibt. Siems, in: Helmholz/Mikat/Müller/Stolleis, Grundlagen des Rechts. Festschrift für Peter Landau, 2000, 715–738, 716 spricht von einer „dogmatischen Vertiefung“. Dass mit tenere nur die faktische Ebene angesprochen ist, wird dadurch gestützt, dass Bracton für das Besitzen im nicht nur faktischen, sondern rechtlichen Sinne nicht das Wort tenere, sondern das Verb possidere verwendet, vgl. Bracton, Bracton on the Laws and Customs of England, übersetzt und herausgegeben von Samuel E. Thorne, Band 2, 1968, 122. 253 Vgl. unten, Text bei Fn. 276. 254 Vgl. dazu auch Siems, in: Helmholz/Mikat/Müller/Stolleis, Grundlagen des Rechts. Festschrift für Peter Landau, 2000, 715–738, 716. 255 Woodbine, YLJ 31 (1922), 827–847, 846. Dies spiegelt den kompilatorischen Charakter von Bractons Traktat wider, vgl. dazu Vinogradoff, YLJ 32 (1922), 751–756. 256 Zur Entwicklung vom Traditions- zum Konsensualprinzip im Kaufrecht vgl. unten, B.III.1.b). 257 Vgl. etwa Noy, Maxims of the laws of England, 1641, kommentierte Ausgabe von John Munsell 1870, 104 (Kapitel XLII) aus Sicht der Verkäufers eines Pferdes: „And if the Horse die in my Stable between the bargain and the delivery, I may have an Action of Debt for my money, because by the bargain the property was in the Buyer.“ Dies im Wesentlichen wiedergebend Wood, An Institute of the Laws of England; or, the Laws of England in their Natural Order, according to Common Use, 2. Aufl. 1722, 316 (Kapitel VI, Abschnitt III) und Blackstone, Commentaries on the Laws of England (1765–69) in four books: kommentiert von G. Sweet, Band 2, 1852, 448 (Kapitel XXX Abschnitt 1). Ähnliche, kommentarlos an das Eigentum anknüpfende Aussagen finden sich auch noch in der Rechtsprechung zu Beginn des 19. Jahrhunderts: Rugg v Minett (1809) 11 East, 210, 217; Fragano v Long (1825) 4 B. & C. 219, 223; Logan v Le Mesurier (1847) 6 Moo. P.C. 116, 134–135. 258 Vgl. oben Fn. 247 und 248.
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war, trifft daher für die Zeit nach Bracton zwar zu, trägt allerdings nicht der Genese des Gefahrübergangs weg vom Besitz und hin zum Eigentum Rechnung. Im Ergebnis hatte man es aber spätestens ab dem 17. Jahrhundert im Common Law tatsächlich mit einem nicht mehr in Frage gestellten Gleichlauf von Gefahr und kraft Konsenses übergehendem Eigentum zu tun. Diese Verknüpfung von Gefahr- und Eigentumsübergang erscheint vor dem Hintergrund systemgerecht, dass nach der Eigentumsübertragung – auch schon bei Vertragsschluss und vor Übergabe der Kaufsache – dem Verkäufer bereits endgültig (und nicht Zug um Zug gegen Übergabe der Sache) die Kaufpreisklage (action of debt) zustand,259 was nur nach Gefahrübergang erklärbar ist. Die Regel vom Gefahrübergang bei Eigentumsübergang wurde 1845 von Blackburn in sein Kaufrechtslehrbuch übernommen260 und einige Jahre später in Taylor v Caldwell als Ausnahme zur doctrine of absolute contracts aufgeführt.261 2. Rezeption römischen Rechts in Martineau v Kitching Den Endpunkt der Entwicklung bildet das Urteil Martineau v Kitching, in dem Judge Blackburn den Gefahrübergang mit Eigentumsübergang dogmatisch zu begründen sucht, indem er ihn aus dem römischen Recht ableitet.262 Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Kläger, Betreiber einer Zuckerraffinerie, hatten dem Beklagten vier Raffinier-Einheiten Zucker, bestehend aus jeweils ca. 300 Zuckerhüten, verkauft. Die Parteien hatten entsprechend einer zwischen ihnen wiederholt praktizierten Vorgehensweise vereinbart, dass die im Lager der Kläger jeweils besonders gekennzeichneten Zuckerhüte einen Monat nach Vertragsschluss abholbar sein sollten, dabei aber zwei Monate nach Vertragsschluss weiterhin auf Gefahr der Kläger in deren Lager verbleiben konnten. Der Kaufpreis wurde entsprechend der Praxis der Parteien bereits einen Monat nach Vertragsschluss gezahlt. Wenn die Zuckerhüte zu diesem Zeitpunkt noch nicht aus dem Lager der Kläger geholt wurden, zahlte der Beklagte einen Schätzpreis für die Zuckerhüte. So erfolgte zunächst auch die Abwicklung des in Rede stehenden Kaufvertrags: Ein Schätzpreis wurde gezahlt und die Zuckerhüte verblieben im Lager der Kläger. Zwei Monate nach Vertragsschluss hatte der Beklagte noch immer nicht alle Zuckerhüte aus dem Lager geordert. Daraufhin sandten die Kläger dem Beklagten eine Aufforderung, die verbleibenden Zuckerhüte, die nun auf 259 Hager, Gefahrtragung beim Kauf, 1982, 58–59; zur action of debt des Verkäufers schon nach Vertragsschluss vgl. Milsom, LQR 77 (1961), 257–284, 271–272. Ibbetson, LQR 107 (1991), 481–499, 497. 260 Blackburn, A Treatise on the Effect of the Contract of Sale, 1845, 152. 261 (1863) 3 B. & S. 826, 837; vgl. dazu oben, Text bei Fn. 77–78. 262 (1872) L.R. 7 Q.B. 436, 453–454.
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Risiko des Beklagten bei ihnen lagerten, aus dem Lager zu entfernen. Nachdem der Beklagte diese Nachricht erhalten hatte, brach auf dem Gelände der Kläger ein von ihnen nicht verschuldeter Brand aus, der die verbleibenden Zuckerhüte vernichtete. Daraufhin vereinbarten die Parteien zunächst, dass der auf die vernichteten Zuckerhüte entfallende Teil des Schätzpreises als Erfüllung anderer offener Forderungen der Kläger gegen den Beklagten gelten solle. Später sahen sich die Kläger aber doch berechtigt, den Kaufpreis für die vernichteten Zuckerhüte zu verlangen und nahmen den Beklagten dahingehend gerichtlich in Anspruch. Die beiden Hauptfragen der Entscheidung waren einerseits eine hier nicht relevante Versicherungsthematik und andererseits das Problem, welche Partei das Risiko des zufälligen Untergangs der Zuckerhüte zum Zeitpunkt des Brands trug. In der Entscheidung gibt zunächst Judge Cockburn seine opinion ab. Zur Bestimmung, wer das Risiko des Untergangs der Zuckerhüte trägt, stellt er auf das Eigentum an den Zuckerhüten ab, denn es gelte: „The thing perishes to the dominus.“263 Dabei kommt er zu dem Schluss, dass der Beklagte ab Zahlung des Schätzpreises Eigentümer der Zuckerhüte gewesen sei. Dies entspreche dem Parteiwillen, da die Parteien sonst keine Vereinbarung über die Gefahrtragung hätten treffen müssen.264 Es stehe dem nicht entgegen, dass sich die Zuckerhüte noch im Lager der Kläger befunden hätten, denn die gekennzeichneten Zuckerhüte seien keine noch zu konkretisierenden, sondern bereits bestimmte Gegenstände.265 Als Eigentümer der Zuckerhüte habe der Beklagte die Gefahr deren zufälligen Untergangs zu tragen. Als Zweiter äußert sich Judge Blackburn.266 Zwar weist auch er dem Kläger das Risiko des zufälligen Untergangs der Zuckerhüte zu, stellt aber nicht primär auf das Eigentum an ihnen, sondern vorrangig auf die Vereinbarung zwischen den Parteien ab. Diese weise dem Kläger für nur zwei Monate nach Vertragsschluss die Gefahrtragung an den Zuckerhüten zu, so dass das Risiko des zufälligen Untergangs nach Ablauf dieser Frist beim Beklagten liege, der deswegen den Kaufpreis für die Zuckerhüte zahlen müsse.267 Infolgedessen komme es gar nicht auf die Common Law-Regel an, dass der Eigentümer die Gefahr an der Sache trage, so dass die Eigentumslage an den Zuckerhüten nicht relevant sei.268 Dennoch nutzt Blackburn die Gelegenheit, die Common Law-Regel von der Verknüpfung von Eigentum und Gefahr aus dem Civil
263 264 265 266 267 268
(1872) L.R. 7 Q.B. 436, 451. Ebd. (1872) L.R. 7 Q.B. 436, 449–450. Zu dessen biographischem Hintergrund vgl. oben, Text bei Fn. 32–36. (1872) L.R. 7 Q.B. 436, 454–455. Vgl. (1872) L.R. 7 Q.B. 436, 453–454.
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Law herzuleiten: Sie sei auf den römischrechtlichen Grundsatz res perit domino zurückzuführen.269 Diese Herleitung aus dem römischen Rechtssatz res perit domino scheint im Kontext des Kaufrechts prima facie falsch zu sein. Dies stellte schon 1894 Chalmers bei seiner ersten Kommentierung von s. 20(1) SGA 1893 fest, in der er Blackburns Herleitung als „a little misleading as to the Roman law“ bezeichnete.270 Im römischen Kaufrecht gelte nicht der allgemeine Grundsatz, dass die Gefahr des zufälligen Untergangs den Eigentümer treffe, vielmehr sei die Gefahr schon ab der Perfektion des Kaufvertrags dem Käufer zuzuordnen.271 Dieser Grundsatz periculum est emptoris wurde als Widerspruch zu der allgemeinen Regel res perit domino oder casum sentit dominus272 empfunden.273 Die Anstoßnahme an diesem Widerspruch führte dazu, dass zu Hochzeiten der Interpolationenkritik einige Romanisten das Prinzip periculum est emptoris für unklassisch und durch die Kompilatoren in das Corpus Iuris Civilis eingefügt hielten. Sie versuchten durch ihre Textkritik diesen „Fleck von dem wissenschaftlichen Ehrenschild jener größten, unerreichbaren Meister [der römischen Juristen] endgültig auszutilgen“.274 269 (1872) L.R. 7 Q.B. 436, 454. In A Treatise on the Effect of the Contract of Sale, 1845, 174 hatte Blackburn bereits eine Überlieferung dieser Regel durch Pothier wiedergegeben. 270 Chalmers, SGA 1893, 1894, 47. Ebenfalls kritisch in Hinblick auf die inhaltsgleiche Begründung mit dem Satz casum sentit dominus Rabel, Das Recht des Warenkaufs, Band 2, 1958, 294. 271 Ebd. unter Wiedergabe von Just. Inst. 3, 23, 3. 272 Diese Maxime liegt etwa D. 50, 17, 23 (Ulp. 29 ad Sab.) zu Grunde, lässt sich aber nicht in Reinform im römischen Recht belegen, vgl. Harke, OIR 9 (2004), 33–53. Dagegen Peters, der zwar einräumt, dass der Satz den Quellen fremd ist, ihm aber „natürlich klassischen Gehalt“ zuschreibt, Peters, in: Benöhr/Hackl/Knütel/Wacke, Iuris professio. Festgabe für Max Kaser zum 80. Geburtstag, 1986, 221–232, 223. 273 Vgl. etwa De Zulueta, The Roman Law of Sale, 1957, 34: „Periculum emptoris offends against the principle res perit domino.“ 274 Haymann, ZRG (RA) 41 (1920), 44–185, 49. Diese These von der späteren Einfügung von periculum est emptoris nochmals bekräftigend Haymann, ZRG (RA) 48 (1928), 314–418. In diesem Sinne auch Beseler, TVR 8 (1928), 279–313, 281: „[I]st vorstellbar, dass ein Verfasser von Sätzen, die durch die Schärfe, Klugheit und Tiefe ihrer Gedanken und durch ihre reine und schlichte Sprache unsere höchste Bewunderung hervorrufen, diesen Sätzen andere Sätze eingestreut hat, die sich durch Unklarheit, Unweisheit und Untiefe ihrer Gedanken und durch eine entartete und schwülstige Sprache auszeichnen?“. Differenzierter und für eine einzelfallorientierte Betrachtung Rabel, ZRG (RA) 42 (1921), 543–564. Zum erbitterten Streit der Interpolationenkritiker über die Klassizität von periculum est emptoris vgl. auch Rodger, TVR 50 (1982), 337–350, 348. Mittlerweile ist die Klassizität der die Regel periculum est emptoris stützenden Texte anerkannt: Ernst, ZRG (RA) 99 (1982), 216–248, 216; Kaser, Das Römische Privatrecht: Erster Abschnitt. Das Altrömische, das Vorklassische und klassische Recht, 2. Aufl. 1971,
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Im Folgenden soll anhand einer Untersuchung dreier Quellen aus dem Corpus Iuris Civilis gezeigt werden, dass der Widerspruch zwischen res perit domino und periculum est emptoris nur ein scheinbarer ist. Die Auflösung dieses Widerspruchs wird zeigen, dass Blackburns Bezugnahme auf res perit domino zur Erklärung des englischen Gefahrübergangsrechts hilfreicher ist, als es auf den ersten Blick scheint. Auch zum Verständnis des Gefahrübergangs nach dem SGA wird die Kenntnis des römischen Gefahrübergangsrechts weiterführend sein. Die erste Stelle ist das Paulus-Fragment D. 18, 6, 8, pr. (Paul. 33 ad ed.): „Necessario sciendum est, quando perfecta sit emptio: tunc enim sciemus, cuius periculum sit: nam perfecta emptione periculum ad emptorem respiciet. Et si id quod venierit appareat quid quale quantum sit, sit et pretium, et pure venit, perfecta est emptio: quod si sub condicione res venierit, si quidem defecerit condicio nulla est emptio, sicuti 275 nec stipulatio […].“
Die zweite Stelle ist die schon von Chalmers zitierte Passage aus den Institutionen des Justinian (Just. Inst. 3, 23, 3 und 3a): „3. Cum autem emptio et venditio contracta sit […], periculum rei venditae statim ad emptorem pertinet, tametsi adhuc ea res emptori tradita non sit. itaque si homo mortuus sit vel aliqua parte corporis laesus fuerit, aut aedes totae aut aliqua ex parte incendio consumptae fuerint, aut fundus vi fluminis totus vel aliqua ex parte ablatus sit, sive etiam inundatione aquae aut arboribus turbine deiectis longe minor aut deterior esse coeperit, emptoris damnum est, cui necesse est, licet rem non fuerit nactus, pretium solvere. quidquid enim sine dolo et culpa venditoris accidit, in eo venditor securus est. sed et si post emptionem fundo aliquid per alluvionem accessit, ad emptoris commodum pertinet: nam et commodum eius esse debet cuius periculum est. 3a. Quod si fugerit homo qui veniit aut subreptus fuerit, ita ut neque dolus neque culpa venditoris interveniat, animadvertendum erit, an custodiam eius usque ad traditionem
552, sowie bereits in der Erstauflage (1955) S. 460 f.; Krückmann, ZRG (RA) 60 (1940), 1–79, 3–5; Pennitz, Das periculum rei venditae, 2000, 488–496; Peters, in: Benöhr/Hackl/Knütel/Wacke, Iuris professio. Festgabe für Max Kaser zum 80. Geburtstag, 1986, 221–232,222; Schulz, Classical Roman Law, 1951, 532–533; Seckel/Levy, ZRG (RA) 47 (1927), 117–263, insbes. 262–263; Zimmermann, The Law of Obligations. Roman Foundations of the Civilian Tradition, 1990, 282 f. 275 „Es ist für uns notwendig zu wissen, wann der Kaufvertrag ‚perfekt’ ist; denn dann wissen wir, wer die Gefahr trägt; mit dem perfekten Kaufvertrag trifft nämlich die Gefahr den Käufer. Und wenn das, was verkauft werden soll, nach Gegenstand, Beschaffenheit und Menge feststeht, auch ein Preis vereinbart ist und der Kaufvertrag nicht bedingt ist, ist der Kaufvertrag perfekt. Ist aber die Sache unter einer Bedingung verkauft, dann ist, wenn die Bedingung fällt, der Kaufvertrag nichtig, so wie auch eine Stipulation nichtig wäre.“ Übersetzung aus Behrends/Knütel/Kupisch/Seiler, Corpus Iuris Civilis, Band 3 Digesten 11–20, 1999, 505.
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venditor susceperit. sane enim, si susceperit, ad ipsius periculum is casus pertinet: si non 276 susceperit, securus erit.[…].“
Eine dritte Belegstelle entstammt dem Codex Iustinianus (C. 4, 48, 4 und 5): „4. Cum inter emptorem et venditorem contractu sine scriptis inito de pretio convenit moraque venditoris in traditione non intercessit, periculo emptoris rem distractam esse in dubium non venit. 5. Cum speciem venditam per violentiam ignis absumptam dicas, si venditionem nulla 277 condicio suspenderat, amissae rei periculum te non adstringit.“
Paulus gibt in dem uns überlieferten Fragment aus dem Ediktenkommentar die Regel wieder, dass der Käufer das periculum ab dem Zeitpunkt trägt, in dem der Kauf „perfekt“ ist. Dabei lässt er uns zugleich wissen, dass die Perfektion des Kaufs dann eintritt, wenn Qualität und Quantität sowie der Preis der Kaufsache bestimmt sind und der Kaufvertrag unbedingt ist.278 Ausgehend von der Definition des Paulus in D. 18, 6, 8, pr. (Paul. 33 ad ed.) ist der
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„3. Wenn aber ein Kauf zustande gekommen […], trifft die Gefahr hinsichtlich der verkauften Sache sogleich den Käufer, auch wenn die Sache dem Käufer noch nicht übergeben worden ist. Wenn daher der Sklave stirbt oder an irgendeinem Körperteil verletzt wird, ein Haus ganz oder zum Teil durch Feuer vernichtet wird oder ein Grundstück durch die Gewalt eines Flusses ganz oder teilweise weggeschwemmt wird oder auch durch Überschwemmung oder durch Bäume entwurzelnde Wirbelstürme erheblich kleiner oder schlechter wird, dann ist das der Schaden des Käufers, der den Preis zahlen muss, obgleich er die Sache nicht [oder nicht vollständig] erlangt. Denn in allem, was ohne Vorsatz und Fahrlässigkeit des Verkäufers geschieht, ist der Verkäufer vor Ansprüchen sicher. Wenn aber nach Abschluss des Kaufvertrags dem Grundstück etwas durch Anschwemmung anwächst, gebührt der Vorteil dem Käufer, denn wer die Gefahr trägt, der muss auch den Vorteil haben. 3a. Wenn aber der Sklave, der verkauft worden ist, flieht oder gestohlen wird und zwar ohne dass Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Verkäufers im Spiel ist, dann muss untersucht werden, ob der Verkäufer bis zur Übergabe die Bewachung übernommen hat, dann geht dieser Zufall freilich auf seine Gefahr: hat er sie nicht übernommen, ist er vor Ansprüchen sicher. […].“ Übersetzung aus Knütel/Kupisch/Lohsse/Rüfner, Corpus Iuris Civilis. Die Institutionen, 4. Aufl. 2013, 193–194. 277 „4. Wenn der Käufer und Verkäufer, bei einem nicht schriftlichen Contracte, über den Preis einig geworden sind und vom Verkäufer kein Verzug in der Uebergabe verhängt worden ist, so leidet es keinen Zweifel, dass die Sache auf Gefahr des Verkäufers verkauft worden ist. 5. Da Du anführst, dass eine verkaufte einzelne Sache von der Gewalt des Feuers verzehrt worden sei, so geht, dafern nicht der Kauf noch von einer Bedingung abhing, der Schaden des Verlusts dieser Sache Dich nichts an.“ Übersetzung aus Otto/Schilling/Sintenis, Das Corpus Iuris Civilis (Romani), Band 5, Codex Buch 1–6, 1832, Neudruck 1984, 648. 278 Die Perfektion ist also nicht mit dem Abschluss des Vertrags gleichzusetzen, wie es bisweilen in der Literatur geschieht, vgl. etwa Bernstorff, RIW 2012, 657–661, 658–659.
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Zeitpunkt der Perfektion des Kaufs als Moment des Gefahrübergangs genauer zu umreißen. Während das Erfordernis der Bestimmtheit der Kaufsache zunächst den Eindruck macht, als müssten sich die Vertragsparteien lediglich auf die essentialia negotii geeinigt haben, geht die Bestimmtheit als Voraussetzung der Perfektion weiter: Indem der römische Kaufvertrag, die emptio venditio, nicht nur Verpflichtungsgeschäft, sondern zugleich Rechtsgrund (iusta causa) für die bei Übergabe erfolgende Eigentumsübertragung ist,279 setzt er die 279 Just. Inst. 2, 1, 41; Harke, Römisches Recht, 2008, 119, 239; Peters, ZRG (RA) 96 (1979), 173–203, 184–185; vgl. auch Jahr, ZRG (RA) 80 (1963), 141–174, 169. Anders zur iusta causa traditionis Laborenz, Solutio als causa: die Frage des Abstraktionsprinzips im römischen Recht, 2014, der zwar auch davon ausgeht, dass zur Wirksamkeit der traditio als Übereignungsakt deren Bezogenheit auf eine causa erforderlich ist, der aber als kausale Motivation der Übereignung einen Solutionskonsens der Parteien (causa solvendi) ausreichen lässt. Danach bedarf die traditio nicht des Bestands einer zu Grunde liegenden Verpflichtung zum dare wie der emptio venditio, sondern es genügt der Konsens der Parteien, eine in ihren Augen bestehende Verpflichtung zu tilgen. Somit würde es genügen, wenn die Kaufsache erst bei der traditio identifizierbar ist. Für den Kauf, dem Laborenz selbst eine Sonderstellung unter den Kausalgeschäften einräumt (263–277), ist das jedoch in Zweifel zu ziehen. Insbesondere kann die von Laborenz versuchte Entkräftung einer Parallelargumentation aus dem Ersitzungsrecht, die auf eine wirksame emptio venditio als causa schließen lässt, nicht völlig überzeugen: Laborenz ist der Ansicht, dass die in D. 41, 4, 2 pr. (Paul. 54 ad ed.) von Paulus für die usucapio pro emptore vorausgesetzte Wirksamkeit der emptio venditio als causa der usucapio sich nicht auf den Eigentumserwerb beim Kauf durch traditio übertragen lasse, weil das Erfordernis des wirksamen Kaufes für die usucapio in erster Linie als maßgeblicher Zeitpunkt zum Beginn der für die Ersitzung erforderlichen Gutglaubensperiode diene. Da für den Eigentumserwerb durch Kauf kein guter Glauben erforderlich sei, lasse das Ersitzungsrecht keine Schlüsse auf die Erforderlichkeit einer wirksamen emptio venditio als causa für die traditio beim Kauf zu (265–269). Dies kann nicht überzeugen, weil nicht ersichtlich ist, warum zu Beginn der Ersitzungsperiode ausgerechnet ein wirksames Rechtsgeschäft stehen muss – hierfür würde auch die bloße Faktizität eines (unwirksamen) Vertragsschlusses genügen. Dass für die Ersitzung dennoch – wie etwa auch die doppelte Beschreibung einer Schenkung als causa einer usucapio mit donasset (Faktizität) und valuisse donationem (rechtlicher Tatbestand) in D. 6, 2, 12 (Paul. 19 ad ed.) zeigt – ein wirksames Grundgeschäft erforderlich ist, während das bei der traditio im Rahmen des Kaufs nicht der Fall sein soll, lässt sich nicht erklären. Die im Vergleich zum Eigentumserwerb vom Berechtigten durch traditio beim Kauf zusätzliche Voraussetzung der Ersitzungsfrist bei der usucapio dient dem Schutz des Dritteigentümers (Wubbe, TVR 32 (1964), 558–576, 569). Die zusätzliche Voraussetzung der Gutgläubigkeit des Ersitzenden ist Sanktion für den Erwerber, der weiß, dass ihm die erworbene Sache nicht gehört (ebd. 570). Das Erfordernis der Wirksamkeit des Kaufs bei der usucapio ist dagegen nur Fortschreibung des „normalen“ Zustands beim Kauf vom Berechtigten: Die usucapio kompensiert den Mangel des fehlenden Eigentums des Verkäufers, der dazu führt, dass die traditio beim Kauf nicht zur Erfüllung führt (vgl. auch Jahr, ZRG (RA) 80 (1963), 141–174, 142). Gerade deswegen setzt sie einen wirksamen Kauf voraus. Aus dem Erfordernis des wirksamen Grundgeschäfts bei der Ersitzung darauf zu
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eindeutige Identifizierbarkeit der zu verkaufenden und zu übereignenden Sache bereits bei Vertragsschluss voraus.280 Es konnte somit nur ein Gegenstand verkauft werden, welcher den Parteien konkret vor Augen stand, nicht aber eine nur der Gattung nach bestimmte Sache – das „Sollen“ kann bei der emptio venditio nicht vom „Sein“ getrennt werden.281 Müssen die verkauften Gegenstände etwa erst noch durch Wiegen, Messen oder Zählen identifiziert werden, ist der Kaufvertrag erst im Moment des Wiegens, Messens oder Zählens perfekt.282 Aufgrund dieses Erfordernises des Verkaufs bestimmter Gegenstände war es etwa nicht möglich, einen perfekten Kaufvertrag über „100 Krüge Wein aus einem bestimmten Keller“ abzuschließen,283 wohl aber war ein Kaufvertrag perfekt, in dem der gesamte in einem bestimmten Keller lagernde Wein verkauft wird.284 Damit war die emptio venditio Stückkauf und für die Verpflichtung zur Veräußerung nur der Gattung nach bestimmter Gegenstände nicht geeignet,285 das römische Recht kannte somit keinen reinen Gattungskauf.286 Dieser Ausschluss des Gattungskaufs im römischen Recht lässt sich nicht nur dogmatisch mit der Funktion der emptio venditio als iusta causa für die traditio erklären, sondern auch historisch durch die Entstehung des schließen, dass auch bei der traditio im Rahmen des Kaufs ein wirksames Grundgeschäft erforderlich ist, ist daher alles andere als fernliegend. 280 Vgl. auch Ernst, ZRG (RA) 114 (1997), 272–344, 335: „Die emptio venditio als objektbezogener Zuordnungsakt kommt nur als Geschäft über eine bestimmte Sache in Frage.“. 281 B. Forschner, in: Mattiangeli, Emptio-Venditio: Europäische Studien zur Geschichte des Kaufvertrags, 2014, 199–222, 203. 282 Gaius (10 ad ed.) D. 18, 1, 35, 5; dazu Pennitz, Das periculum rei venditae, 2000, 280–287; Peters, in: Benöhr/Hackl/Knütel/Wacke, Iuris professio. Festgabe für Max Kaser zum 80. Geburtstag, 1986, 221–232, 227–228. 283 Paul. (5 ad Sab.) D. 18, 6, 5; dazu Pennitz, Das periculum rei venditae, 2000, 89 f.; Zimmermann, The Law of Obligations. Roman Foundations of the Civilian Tradition, 1990, 236. 284 Gaius (10 ad ed.) D. 18, 1, 35, 5. 285 Wolf, TVR 45 (1977), 1–25, 13. 286 Seckel/Levy, ZRG (RA) 47 (1927), 117–263, 123, 129. Zimmermann, The Law of Obligations. Roman Foundations of the Civilian Tradition, 1990, 236–237. Ähnlich Pennitz, Das periculum rei venditae, 2000, 340. Zweifelnd in Hinblick darauf, dass sich zwar keine Belege für, aber auch keine sicheren Belege gegen den Gattungskauf finden lassen Laborenz, Solutio als causa: die Frage des Abstraktionsprinzips im römischen Recht, 2014, 273, der darin auch einen Hinweis auf die von ihm postulierte fehlende dingliche Funktion der emptio venditio sieht. Auch Bessenyö, in: Jakab/Ernst, Kaufen nach Römischem Recht: antikes Erbe in den europäischen Kaufrechtsordnungen, 2008, 1–51 hält vor dem Hintergrund der unklaren Quellenlage einen Gattungskauf für grundsätzlich möglich, indem er zwischen der emptio venditio als causa emptionis und als causa contractus differenziert, benennt dafür aber keine überzeugende Quelle.
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Konsensualvertrags der emptio venditio. Die emptio venditio wurde nämlich als bona fidei iudicium eingeführt, um die Schwierigkeiten zu beheben, die entstanden, wenn die Transaktion des Kaufs durch einzelne formgebundene Stipulationen bewältigt werden musste.287 Diese Schwierigkeiten kamen im alltäglichen Geschehen auf den Märkten auf – insofern war die emptio venditio im ursprünglichen Sinne ein Barkauf, also direkter Austausch von Ware und Geld.288 Ein solcher Austausch wiederum konnte nur mit konkreten und nicht mit nur der Gattung nach bestimmten Sachen stattfinden.289 Zur Perfektion des Kaufs musste die Kaufsache also in dem Sinne bestimmt sein, dass sie den Parteien konkret vor Augen stand, eine bloße Konkretisierungsmöglichkeit oder sonstige spätere Bestimmbarkeit genügten dem nicht. Daher ist für die Gefahrtragung festzuhalten, dass der Käufer die Gefahr ab dem Zeitpunkt zu tragen hat, in dem – abgesehen von der späteren traditio – der Boden für die Übereignung der Kaufsache an den Käufer aufgrund der Identifikation einer konkreten Sache hinreichend bereitet ist. Obwohl somit nach der Perfektion des Kaufs und vor der traditio eine Divergenz der Regeln periculum est emptoris und casum sentit dominus vorliegt, weil der Käufer noch nicht im eigentlichen Sinne Eigentümer der Kaufsache ist, steht die Gefahrtragung ab Perfektion des Kaufvertrags nicht in starkem Kontrast zur Grundregel der Gefahrtragung durch den Eigentümer: Die Parteien haben nämlich bei Perfektion des Kaufs bereits alle Voraussetzungen für den Eigentumsübergang geschaffen, der nur noch davon abhängt, dass der Käufer die Sache in Besitz nimmt. Ebenso wie die Kaufsache muss nach Paulus zur Perfektion des Kaufs der Preis bestimmt sein. Dies wird in der oben aufgeführten Gefahrübergangsregel im Codex Iustinianus (C. 4, 48, 4) betont. Sehr anschaulich ergibt sich das Erfordernis der Preisbestimmtheit auch aus D. 18, 1, 35, 6 (Gai. 10 ad ed.):290 Gaius beschreibt den Verkauf einer Schafherde in ihrer Gesamtheit unter Vereinbarung eines Preises pro Schaf. Nachdem die Herde als Ganzes ver287
De Zulueta, The Roman Law of Sale, 1957, 2–6. Zimmermann, The Law of Obligations. Roman Foundations of the Civilian Tradition, 1990, 237–238. So auch noch für die klassische emptio venditio: Wolf, TVR 45 (1977), 1–25, 13–14. Das ist auch an der Wortbedeutung von emere, die sowohl „kaufen“ als auch „nehmen“ ist, erkennbar, vgl. auch Cannata, in: Vacca, Vendita e trasferimento della proprietà nella prospettiva storico-comparatistica, Band 2, 1991, 413–432, 422–423. 289 Zutreffend weist Pennitz, Das periculum rei venditae, 2000, 194 darauf hin, dass auch bei Käufen, die nicht als Barkauf abgewickelt wurden, diese Konkretheit der Kaufsache erst die Klagbarkeit des Vertragsgegenstandes gewährleistete. 290 Gaius (10 ad ed.) D. 18, 1, 35, 6; dazu Ernst, ZRG (RA) 114 (1997), 272–344, 315; Pennitz, Das periculum rei venditae, 2000, 286; Thomas, TVR 35 (1967), 77–89, 85. Das Gaiusfragment gibt die herrschende sabinianische Lehre wieder, Kaser, Das Römische Privatrecht: Erster Abschnitt. Das Altrömische, das Vorklassische und klassische Recht, 1971, 553. 288
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kauft wurde, ist die Konkretisierung der Kaufsache unproblematisch. Die Bestimmung des Kaufpreises ist aber noch davon abhängig, dass die Schafe dem Käufer zugezählt werden. Vor dieser Zählung ist der Kauf nach Gaius noch nicht perfekt. Derartige Fälle eines wegen eines Zumessungserfordernisses unbestimmten Preises sind bisweilen nicht leicht von solchen Fällen zu unterscheiden, in denen es an der Konkretheit der Kaufsache fehlt. Mit Thomas ist zwischen drei Konstellationen zu differenzieren: erstens der Kauf einer identifizierten Gesamtheit zu einem Preis pro Einheit, ohne dass die Anzahl der Einheiten feststeht; zweitens der Kauf einer bestimmten Anzahl von Einheiten einer Sachgesamtheit zu einem Preis pro Einheit; und drittens der Kauf von Teilen einer Sachgesamtheit zu einem Pauschalpreis. 291 Im ersten Fall wird die Perfektion des Kaufs durch die fehlende Bestimmtheit des Preises gehindert, in den letzteren beiden Fällen durch die fehlende Konkretheit der Kaufsachen.292 Der Kauf der Schafherde ist ein Beispiel für die erste Konstellation, in der es an der Bestimmtheit des Preises fehlt. Die Erklärung der ratio legis des Erfordernisses der Preisbestimmtheit fällt vor dem Hintergrund schwer, dass die Übereignung des Kaufpreises nicht einer wirksamen emptio venditio als iusta causa bedurfte, sondern für die Geldübereignung die Übergabe causa solvendi, also zur Erfüllung einer Schuld unabhängig von deren Bestehen, genügte,293 was dem Bedürfnis entgegenkam, den Geldverkehr nicht durch rechtliche Schranken zu hemmen.294 Deswegen erforderte nicht schon die Funktion der emptio venditio als iusta causa die Bestimmtheit des Preises bei Perfektion des Kaufs. Allerdings lässt sich das Erfordernis der Preisbestimmtheit mit der Funktion der Perfektion als Gefahrübergangszeitpunkt erklären: Wie schon bzgl. der Konkretheit der Kaufsache herausgearbeitet wurde, rechtfertigt sich der Gefahrübergang bei Perfektion damit, dass der Käufer bereits eine starke Position innehat, in welcher der Eigentumsübergang nur noch von seiner Inbesitznahme der Kaufsache abhängt. Muss der Verkäufer noch ein Zählen, Messen oder sonstige Akte zur Kaufpreisbestimmung vornehmen, kann der Käufer die Sache noch nicht in seinen Besitz nehmen, so dass seine Position noch nicht stark genug ist. Die Perfektion des Kaufvertrags kann daher erst im Moment der
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Thomas, TVR 35 (1967), 77–89, 86. Ebd. 293 Vgl. etwa D. 18, 1, 41, 1, wo Julian nach Zahlung auf einen wegen beiderseitigen Irrtums nichtigen Kaufvertrag die Möglichkeit einer condictio des Kaufpreises annimmt und damit von einer wirksamen Übereignung des Geldes ausgeht, dazu Kaser, TVR 29 (1961), 169–229, 219; Laborenz, Solutio als causa: die Frage des Abstraktionsprinzips im römischen Recht, 2014, 173–174. 294 Kaser, TVR 29 (1961), 169–229, 228. 292
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Preisbestimmung eintreten.295 Dies wird durch eine aktionenrechtliche Betrachtung bestätigt: Wenn dem Verkäufer ab dem Zeitpunkt des Gefahrübergangs die actio venditi zusteht,296 muss zu diesem Zeitpunkt auch der Preis bestimmt sein. Das dritte von Paulus aufgestellte Erfordernis für die Perfektion des Kaufes ist et pure venit, der Kauf muss demnach unbedingt sein. Das kommt auch in C. 4, 48, 5 zum Ausdruck, indem die an den Verkäufer gerichtete Aussage, ihn treffe der nach Vertragsschluss eingetretene Schaden durch das Verbrennen der Kaufsache nicht, durch den Konditionalsatz eingeschränkt wird, dass dies nicht gelte, wenn der Kauf bedingt ist.297 Diese abweichende Gefahrtragung beim bedingten Kauf lässt sich mit den in dem Paulus-Fragment behandelten Grundsätzen erklären: Vor Bedingungseintritt ist der Kauf noch nicht perfekt. Tritt die Bedingung endgültig nicht ein, gilt, wie uns Paulus mitteilt, nulla est emptio – der Kauf ist nichtig. In den Fällen des Bedingungsausfalls sind die Parteien daher so zu behandeln, als habe nie ein Kaufvertrag existiert: Vor Bedingungsausfall war das Rechtsgeschäft noch nicht perfekt, so dass es noch keinen gültigen Kaufvertrag gab, 298 mit Bedingungsausfall wurde der bisher nicht gültige Kaufvertrag nichtig. Daher bleibt es bei der Gefahrtragung des Verkäufers als Ausprägung von casum sentit dominus. Tritt die Bedingung dagegen ein, war unter den römischen Juristen streitig, ob der Kauf dann rückwirkend ab Vertragsschluss oder erst ab Bedingungseintritt perfekt ist.299 Davon hängt ab, ob der Käufer die Gefahr erst ab Bedingungs295 Ähnlich Nicholas, in: Clark, Comparative and Private International Law: Essays in Honor of John Henry Merryman on his Seventieth Birthday, 1990, 247–255, 249. Zimmermann, The Law of Obligations. Roman Foundations of the Civilian Tradition, 1990, 254 stellt primär darauf ab, dass die römischen Juristen die Anerkennung vollkommener Kaufverträge vermeiden wollten, wo die Transaktion noch am Ausbleiben der Preisbestimmung oder an der Unbestimmbarkeit des Preises scheitern konnte. Ob die Perfektion in Fällen, in denen die Kaufsache vor der Preisbestimmung nicht untergeht, sondern nur beschädigt wird, rückwirkend möglich ist oder ex nunc erfolgt, lassen die überlieferten Quellen nicht erkennen, Ernst, ZRG (RA) 99 (1982), 216–248, 236. 296 Vgl. dazu Pennitz, Das periculum rei venditae, 2000, 69–98, insbes. 96. 297 Vgl. dazu auch Ernst, ZRG (RA) 99 (1982), 216–248, 220–221 sowie Pennitz, Das periculum rei venditae, 2000, 137–138. 298 Ernst, ZRG (RA) 99 (1982), 216–248, 225–226. Zimmermann, The Law of Obligations. Roman Foundations of the Civilian Tradition, 1990, 284. Dagegen stellt Pennitz, Das periculum rei venditae, 2000, 196–207 in diesem Kontext zumindest für die Zeit ab der Spätklassik nicht auf die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts ab, sondern nimmt eine prozessuale Perspektive ein: Die Perfektion des Kaufvertrags beim aufschiebend bedingten Kauf sei der Zeitpunkt, ab dem die actiones empti und venditi zur Durchsetzung der Primärpflichten der Parteien aus dem Kauf geltend gemacht werden können. 299 Für eine Perfektion erst ab Bedingungseintritt Paulus D. 16,6,8, pr, dagegen für eine rückwirkende Perfektion die von ihm dort zitierten Juristen Proculus, Octavenus und Pomponius. Zu dem Streitstand vgl. Ernst, ZRG (RA) 99 (1982), 216–248, 227–229;
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eintritt oder ex tunc schon ab Vertragsschluss trägt. Für die hier vorzunehmende Bestimmung des Verhältnisses von periculum est emptoris zu casum sentit dominus genügt es festzustellen, dass beim bedingten Kauf im Falle des Bedingungsausfalls zu keinem Zeitpunkt ein vollkommener Kaufvertrag existiert, so dass kein Gefahrübergang und mangels iusta causa traditionis auch kein Eigentumsübergang stattfindet – periculum est emptoris und casum sentit dominus laufen daher vollständig parallel. Tritt die Bedingung des Kaufvertrags dagegen ein, trägt der Käufer jedenfalls ab Bedingungseintritt auch schon vor dem Zeitpunkt der traditio die Gefahr des zufälligen Untergangs der Kaufsache – zumindest für diesen Zeitraum kommt es daher zu einer Divergenz zwischen periculum est emptoris und casum sentit dominus. Diese Divergenz ist – genau wie im Kontext der Konkretheit der Kaufsache – dadurch erklärbar und zugleich relativiert, dass aufgrund des Bedingungseintritts bis auf die faktische traditio alle Voraussetzungen des Eigentumsübergangs vorliegen und dieser nur noch davon abhängt, dass die Kaufsache in den Besitz des Käufers übergeht. Weil der Käufer schon eine so starke Position hat, trägt er die Gefahr des zufälligen Untergangs der Sache. Die Streitfrage, ob die Perfektion ex tunc oder ex nunc eintreten soll, macht für die Relativierung der Divergenz keinen Unterschied, weil jedenfalls zugleich die starke Position des Käufers entsteht. Einen Erklärungsansatz zur Beantwortung der Frage könnte man vielleicht finden, indem man danach differenziert, ob man einen subjektiven oder objektiven Standpunkt einnimmt: Vom subjektiven Standpunkt der Parteien aus betrachtet steht erst ab dem Zeitpunkt des Bedingungseintritts die starke Position des Käufers fest, so dass die Perfektion erst ex nunc eintreten kann. Aus einer objektiven Perspektive ist bereits ab Vertragsschluss der Eigentumsübergang nur noch von Umständen abhängig, die außerhalb des eigentlichen Kaufkonsenses liegen. Wenn mit Bedingungseintritt feststeht, dass keine Nichtigkeit dieses Konsenses eintreten wird, erstarkt dieser Konsens als solcher ab dem Zeitpunkt seiner Entstehung zur Vollwirksamkeit, so dass die Perfektion schon ex tunc eintreten muss. Sind die drei Voraussetzungen der Konkretheit der Kaufsache, der Bestimmtheit des Kaufpreises und der Unbedingtheit des Kaufes bzw. des Bedingungseintritts gegeben, tritt nach Paulus die Perfektion des Kaufs ein. Ab diesem Zeitpunkt trifft den Käufer das periculum – ein juristisches Stenogramm dafür, dass er ab diesem Zeitpunkt jedenfalls den Kaufpreis zahlen Pennitz, Das periculum rei venditae, 2000, 207–220 identifiziert bzgl. des Untergangs der Kaufsache eine spätklassische Entwicklung von der rückwirkenden Perfektion des Kaufs zu einer Perfektion erst mit Bedingungseintritt, wobei er dies mit einer Fokussierung auf die Abhängigkeit der Perfektionsmöglichkeit von der Existenz der Kaufsache erklärt; Peters, in: Benöhr/Hackl/Knütel/Wacke, Iuris professio. Festgabe für Max Kaser zum 80. Geburtstag, 1986, 221–232, 231; Seckel/Levy, ZRG (RA) 47 (1927), 117–263, 164–166.
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muss, auch wenn die Kaufsache beschädigt wird oder untergeht.300 Aus einer prozessualen Perspektive steht ab diesem Zeitpunkt fest, dass dem Verkäufer die actio venditi auf den Kaufpreis zusteht – die actio empti auf Übergabe der Kaufsache bzw. auf eine entsprechende Geldverurteilung (condemnatio pecuniaria) stand dagegen dem Käufer zwar ebenfalls ab Perfektion des Kaufs zur Verfügung, konnte aber bei Untergang der Kaufsache nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden.301 Aus Just. Inst. 3, 23, 3 können wir entnehmen, dass als solche die actio empti vereitelnden Untergangsereignisse etwa der Tod oder die Verletzung eines Sklaven, der Brand eines Hauses oder die Verwüstung eines Grundstücks durch Naturgewalt gelten. Die Vereitelung der actio empti vor traditio durch die Verwirklichung des periculum wirkte sich für den Käufer im Ergebnis aber nicht in allen Fällen nachteilig aus. Eine Abmilderung erfuhr das periculum nämlich dadurch, dass der Verkäufer bis zur Übergabe der Kaufsache wie ein Entleiher für die Bewachung der Sache haftete.302 Diese custodia-Haftung des Verkäufers303 wies jenem weiterhin die Gefahren solcher Ereignisse zu, die sich durch eine ordnungsgemäße Bewachung der Sache hätten vermeiden lassen. Dazu zählen etwa der Diebstahl der Sache,304 die Flucht eines Sklaven,305 die Zerstörung einer auf einer öffentlichen Straße abgestellten Kaufsache durch den für den Straßenverkehr verantwortlichen Ädil306 und die Beschädigung der Sache durch Tiere.307 Dagegen hafteten Entleiher bzw. Verkäufer aus custodia nicht für höhere Gewalt, also für Ereignisse wie den unverschuldeten Tod eines Sklaven, einen Schiffbruch oder einen Brand.308 War die Kaufsache nach 300
So anschaulich MacCormack, ZRG (RA) 96 (1979), 129–172, 171–172. Pennitz, Das periculum rei venditae, 2000, 70–72, 96–98. Vor dem Hintergrund des aktionenrechtlichen Denkens der römischen Juristen ist diese Beschreibung von periculum als Prozessgefahr treffend. Zur condemnatio pecuniaria vgl. Kaser/Hackl, Das römische Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 1996, 372–374. 302 D. 18, 6, 3 (Paul. 5 ad. Sab.). Dazu Kaser, ZRG (RA) 96 (1979), 89–128, 115; Pennitz, Das periculum rei venditae, 2000, 401–402. 303 Vgl. dazu auch D. 19, 1, 31, pr. Die Beispiele vom Weinverkauf in D. 18, 6, 1 (Ulp. 8 ad Sab.) stehen der Annahme des Bestehens der custodia-Haftung des Verkäufers bis zur traditio nicht entgegen, wenn man beachtet, dass die Zumessung des Weines in Anwesenheit des Käufers erfolgte und damit gleichzeitig die traditio darstellte, vgl. etwa D. 18, 6, 1, 3 e contrario. 304 Gai. 3, 205–207. 305 Just. Inst. 3, 23, 3a; differenzierend zur Flucht von Sklaven Kaser, ZRG (RA) 96 (1979), 89–128, 109–111. 306 D. 18, 6, 15 (Paul. 3 Alf.); vgl. dazu Thielmann, ZRG (RA) 106 (1989), 292–326, 301–315; Zimmermann, The Law of Obligations. Roman Foundations of the Civilian Tradition, 1990, 289. 307 D. 9, 1, 2, pr. (Paul. 22 ad ed.). 308 D. D. 13, 6, 18 pr. (Gai. 9 ad ed.). 301
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Perfektion des Kaufs und vor Übergabe aufgrund eines Ereignisses untergegangen, für das der Verkäufer aus custodia haftete, musste der Käufer dem Verkäufer zwar weiter den Kaufpreis leisten und konnte ggf. im Rahmen der actio venditi darauf in Anspruch genommen werden. Dem stand jedoch ein Anspruch des Käufers auf Ersatz des durch das Untergangsereignisses entstandenen Schadens gegenüber – praktisch wurden diese Ansprüche wohl verrechnet.309 Damit kam der custodia-Haftung des Verkäufers letztlich eine Komplementärfunktion im Verhältnis zum periculum emptoris zu: Dem Käufer fielen aufgrund des periculum emptoris im Ergebnis nur solche Risiken zur Last, für die der Verkäufer nicht aus custodia einstehen musste. Diese komplementäre Risikoverteilung trug der Interessenlage ab Perfektion des Kaufs Rechnung.310 Dem Verkäufer, der noch im Besitz der Sache war, fielen solche Risiken zur Last, welche mit der Bewachung der Kaufsache in Zusammenhang standen und somit der Sphäre des Besitzers zuzuordnen waren. Der Käufer, für dessen Eigentumserwerb im Zeitpunkt der Perfektion des Kaufs der Boden hinreichend bereitet war, trug die Risiken höherer Gewalt, welche der Sphäre des Eigentümers zuzuordnen sind. Dieser Sphärengedanke wird auch dadurch bestätigt, dass dem Käufer schon ab Perfektion des Kaufs die Früchte bzw. Vorteile der Kaufsache zustanden. Dies teilt uns Justinian in Just. Inst. 3, 23, 3 a.E. mit: „Commodum eius esse debet cuius periculum est.“ Papinian beschreibt in D. 22, 1, 4, 1 (Pap. 27 quaest.)311 den Sonderfall einer im Rahmen eines durch Stipulation novierten Kaufvertrags verkauften Sklavin, die vor der Novation ein Kind gebiert: Das Kind der Sklavin gebührt dem Käufer.312 Diese Zuordnung der Vorteile der Kaufsache an den Käufer ist ein Korrelat dessen, dass der Käufer ab Perfektion des Kaufs auch die Risiken der Eigentümersphäre trägt. Das Komplementärverhältnis von periculum emptoris und custodia als Sphärengrenze zwischen eigentümerähnlicher Stellung und Besitz erfuhr in der nachklassischen Zeit eine Verschiebung. Wie uns die oben aufgeführte Stelle Just. Inst. 3, 23, 3a zeigt, musste der Verkäufer dann ausdrücklich die custodia an der Kaufsache übernommen haben, damit ihn die Haftung für durch Bewachung vermeidbare Schäden trifft. Der Inhalt der Bewachungshaf309 Thielmann, ZRG (RA) 106 (1989), 292–326, 322. Zimmermann, The Law of Obligations. Roman Foundations of the Civilian Tradition, 1990, 287. 310 Schulz, Classical Roman Law, 1951, 533 spricht daher von „an ideal solution to the problem“. 311 Hierzu Weyand, TVR 51 (1983), 225–269, 231–232. 312 Bei den Kindern von Sklavinnen galten allerdings insofern Besonderheiten, als sie nicht generell, sondern nur in bestimmten Bereichen als Früchte ihrer Mutter angesehen wurden, so dass Kind und Mutter in der Regel nicht getrennt wurden (partus ancillae in fructu non est), vgl. dazu Kaser, ZRG (RA) 75 (1958), 156–200.
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tung war ab der Zeit Justinians ebenfalls verengt worden und erfasste nur noch Beschädigungen der Kaufsache aufgrund von Verschulden (culpa in custodiendo).313 Im Grunde genommen blieb es aber dabei, dass das periculum emptoris im Ergebnis nur solche Verluste erfasste, für die der Verkäufer nicht – ggf. aufgrund besonderer Vereinbarung – aus custodia haftete. Die Untersuchung von periculum est emptoris zeigt also, dass die damit beschriebene Risikozuordnung kein Widerspruch zu casum sentit dominus ist. Das periculum geht nämlich nicht schon bei Vertragsschluss auf den Käufer über, sondern erst, wenn der Kauf perfekt ist. Die Perfektion wiederum tritt erst dann ein, wenn der Boden für den Eigentumserwerb des Käufers so weit bereitet ist, dass hierfür nur noch die traditio, die Inbesitznahme der Sache durch den Käufer, erforderlich ist. Ab diesem Zeitpunkt kommt dem Käufer eine so starke Position bzgl. seines künftigen Eigentums zu, dass ihm auch die Vorteile der Kaufsache bereits zustehen. Als Korrelat dieser vorteilhaften starken Position trägt der Käufer ab dem Perfektionszeitpunkt solche Risiken bzgl. der Kaufsache, die in der Sphäre des Eigentümers wurzeln, also insbesondere das Risiko zufälliger Untergangs- und Schadensereignisse. Verwirklicht sich dagegen ein Risiko, das mit dem Besitz der Kaufsache in Zusammenhang steht, wird dies im Wege der custodia-Haftung dem Verkäufer zugewiesen, der insofern einem Entleiher, also einem Fremdbesitzer der Kaufsache, gleichgestellt wird.314 Diese Risikoverteilung rechnet die Kaufsache bereits dem Vermögen des Käufers zu.315 Jene vor den Eigentumsübergang verlagerte Vermögenszurechnung wird zwar auf rein schuldrechtlicher Ebene bewirkt,316 ist aber so umfassend, dass man im Verhältnis der Kaufvertragsparteien bereits den Käufer als Eigentümer der Sache ansehen kann – der traditio bedarf es nur noch, um dem Erwerb des Käufers Rechtswirksamkeit
313
Ernst, ZRG (RA) 99 (1982), 216–248, 217; Kaser, Das römische Privatrecht: Zweiter Abschnitt. Die nachklassischen Entwicklungen, 1971, 388; vgl. auch Harke, Römisches Recht, 2008, 124. 314 Vgl. auch Ernst, ZRG (RA) 99 (1982), 216–248, 243. 315 So im Zuge seiner Entäußerungstheorie schon Windscheid, Kritische Zeitschrift für die gesamte Rechtswissenschaft 2 (1855), 137 und Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Band 2, 8. Aufl. 1900, 616–617; Weyand, TVR 51 (1983), 225–269, 269 spricht von einem „bereits eingetretenen Wechsel in der Vermögenzuständigkeit bzgl. der Kaufsache“. Für eine funktionale Betrachtung in Hinblick auf den teilexekutorischen Charakter des Vertragsschlusses vgl. konzise B. Forschner, in: Mattiangeli, EmptioVenditio: Europäische Studien zur Geschichte des Kaufvertrags, 2014, 199–222, 211. 316 Vgl. dazu auch Wolf, TVR 45 (1977), 1–25, 14. Bessenyö, in: Jakab/Ernst, Kaufen nach Römischem Recht: antikes Erbe in den europäischen Kaufrechtsordnungen, 2008, 1–51, 48–49 wendet sich wegen dieser nur schuldrechtlichen Wirkungen der Perfektion des Kaufs gegen eine Betrachtung, die auf die Zuordnung der Kaufsache zum Vermögen des Käufers abstellt.
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auch gegenüber Dritten zu verleihen.317 Periculum est emptoris gilt also während eines Zeitraums, in dem der Verkäufer wirtschaftlich nicht mehr Eigentümer der Kaufsache ist,318 sondern seine Position der eines Entleihers ähnelt. Damit ist periculum est emptoris nicht Gegenteil der Grundregel casum sentit dominus, sondern deren logische Fortschreibung für die Zeitspanne zwischen Perfektion des Kaufs und Übergabe der Kaufsache.319 Somit ist in Hinblick auf Martineau v Kitching festzuhalten: Der Irrtum, der Blackburn bei der Herleitung der Verknüpfung von Eigentum und Gefahr unterlief, ist nur auf den ersten Blick ein Fehler, weil periculum est emptoris kein Widerspruch, sondern gleichsam eine Fortschreibung von res perit domino im Kaufrecht ist. Mit der Anknüpfung der Gefahr an die starke Käuferposition nach Perfektion des Kaufs im römischen Recht lässt sich daher auch die Anknüpfung der Gefahr an das Eigentum im englischen Recht illustrieren. Darüber hinaus liegt hinter dem vermeintlichen Irrtum eine tiefere Wahrheit: Zwar war im römischen Recht die Gefahrtragung beim Kauf nicht direkt an das Eigentum geknüpft, doch entspricht der Gleichlauf von Perfektion des Kaufs und periculum fast noch besser der Rechtslage im englischen Recht. Denn die starke Position des Käufers gegenüber dem Verkäufer, aber noch nicht gegenüber Dritten ab Perfektion der emptio venditio ist vergleichbar mit der Lage nach der Übertragung der property an der Kaufsache vom Verkäufer an den Käufer,320 was wiederum der Eigentumsaspekt ist, an den im englischen Recht die Gefahr anknüpft.321 3. Kodifikation im Sale of Goods Act 1893 Diese in der Rechtsprechung etablierte und mit römischem Recht zusätzlich fundierte Verknüpfung von Eigentum und Gefahr wurde 1893 im SGA kodi317
So Ernst, ZRG (RA) 99 (1982), 216–248, 245. Vgl. auch Pichonnaz, in: Jakab/Ernst, Kaufen nach Römischem Recht, 2008, 183–201, 195. 319 Bauer, Periculum emptoris – eine dogmengeschichtliche Untersuchung zur Gefahrtragung beim Kauf, 1998, 77–78 bezeichnet periculum est emptoris noch weitergehend als „kaufspezifische Ausformung“ von casum sentit dominus. 320 Vgl. dazu unten, B.III.1.a). 321 Vor diesem Hintergrund kann für die Rechtslage ab dem 17. Jahrhundert (Verknüpfung von Gefahr und Eigentum) Zimmermann, The Law of Obligations. Roman Foundations of the Civilian Tradition, 1990, 292 dahingehend beigepflichet werden, dass der Gefahrübergang nach römischem und englischem Recht im Ergebnis nicht verschieden ist. Allerdings ist für die Frage des Gefahrübergangszeitpunkts festzuhalten, dass dieser im englischen Recht gerade nicht in seinem Ursprung auf Roman foundations gründet, sondern sich durch Wegentwicklung von einer genuinen Verknüpfung von Gefahr und Besitz hin zur Verknüpfung von Gefahr und Eigentum erst allmählich an die römische Rechtslage anglich, vgl. oben, B.II.1. 318
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fiziert. Der SGA wurde in dem Vierteljahrhundert zwischen 1882 und 1908 verabschiedet, in dem mit dem Bills of Exchange Act 1892, dem Partnership Act 1890, dem SGA, dem Marine Insurance Act 1906 und dem Companies (Consolidation) Act 1908 mehrere wirtschaftlich relevante Rechtsgebiete gesetzlich geregelt wurden. Daher wurde diese Periode später auch als das „age of commercial codification“ bezeichnet.322 Geistiger Vater des ersten, dritten und vierten dieser fünf Gesetze war Sir Mackenzie Chalmers. Der am Kingʼs College, London, und Trinity College, Oxford, ausgebildete Jurist war zunächst als barrister an den chambers des späteren Lord Chancellors Herrschel und danach als Richter tätig.323 Angeregt und unterstützt von Herrschel suchte er das geltende Case Law in Gesetzesentwürfen zu systematisieren, die mit Unterstützung Herrschels vom Parlament verabschiedet wurden.324 Diese Projekte waren von der Motivation getragen, dass eine Zusammenfassung der verstreuten Case Law-Regeln der jeweiligen Rechtsgebiete zu erheblich größerer Rechtssicherheit führen und so einen Fortschritt für das Rechts- und Wirtschaftsleben darstellen würde.325 In diesem Motiv lebte eine Idee wieder auf, die schon hundert Jahre zuvor von dem Utilitaristen Bentham verfochten worden war: Bentham hielt das Common Law unter dem Utilitätsgesichtspunkt für unbrauchbar, weil es ein letztlich nur imaginäres Regelsystem sei, das in Ermangelung autoritativer Formulierung zu einem Zustand größter Rechtsunsicherheit führe.326 Wäre das Common Law hingegen in Gesetzen geordnet, würde das die Möglichkeit erleichtern, vom geltenden Recht Kenntnis zu nehmen, und würde so die Effektivität des Rechtssystems erhöhen.327 Auch unter Demokratiegesichtspunkten sei eine Kodifikation erforderlich: Denn solange die Richter die Rechtsgestaltungsmacht besäßen, sei ein Teil der Hoheitsgewalt des Parlaments, an der das Volk zumindest durch Wahlen einen gewissen Anteil habe, auf einen Kreis von durch die Krone ernannten Männern übertragen, auf deren Wahl das Volk keinerlei Einfluss habe.328
322
Gutteridge, LQR 51 (1935), 91–141, 117. Hedley, ‘Chalmers, Sir Mackenzie Dalzell (1847–1927)’, Oxford Dictionary of National Biography, Oxford University Press, 2004 . 324 Vgl. Arden, CLJ 56 (1997), 516–536, 518–519 sowie Chalmers, SGA 1893, 1894, iii- iv. 325 Chalmers, Journal of the Institute of Bankers 1881, 11–21, 11–14. 326 Lieberman, The Province of Legislation Determined: Legal Theory in EighteenthCentury Britain, 1989, 236. 327 Lieberman, The Province of Legislation Determined, 1989, 243. 328 Bentham, A Fragment on Government, 1823, 119. 323
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2. Kapitel: Englisches Recht
Der Gedanke der Notwendigkeit einer Kodifikation aus Gründen der Rechtssicherheit und Effektivität wurde nun von Chalmers wiederaufgegriffen. Das geht etwa aus einer Stellungnahme im Vorfeld der Verabschiedung des SGA hervor, in der er gegenüber den dort versammelten Bankiers in Hinblick auf den bereits geltenden Bills of Exchange Act bemerkte: „I trust that you as men of business, find the Act a distinct advance on the previous state of the law, when the rules as to bills, notes and cheques were contained in some 1.500 reported cases interspersed with some seventeen heterogeneous statutory enactments, scattered up and down the common law rules like the plums in a plum cake.“329 Dabei war man insbesondere ökonomisch motiviert („legislation is cheaper than litigation“330). Der mit der Gesetzgebung angestrebte Fortschritt wurde teilweise sogar als nötiges „Aufholen“ gegenüber dem mittlerweile durch Gesetzesrecht geprägten europäischen Kontinent gesehen: „All civilised nations, with the exception of the Englishspeaking races have now codified their laws, and though codes have been frequently amended or re-enacted, no nation which has had a code has ever dreamed of repealing it or reverting to the old state of things.“331 Die Begeisterung und der Fortschrittsglaube, die im „age of commercial codification“ die Gesetzgebungsprojekte trugen, traten in der Folge so nicht wieder auf. Vielmehr wurde aus der Perspektive des Common Law wieder eine Position des Misstrauens gegenüber dem Gesetzgeber eingenommen, dem nicht dieselbe Anpassungsfähigkeit und Vollständigkeit zugetraut wird wie dem Case Law.332 Dass das Recht durch Gesetzgebung leichter zugänglich werden könnte als es als das Case Law ist,333 trat demgegenüber wieder in den Hintergrund. Insofern fiel die Verabschiedung des SGA in eine Ausnahmezeit der englischen Rechtsgeschichte. Ziel der Gesetzgebungsprojekte dieser Zeit war nicht, das Recht inhaltlich zu reformieren, sondern „to reproduce as exactly as possible the existing 329
Chalmers, Journal of the Institute of Bankers 1881, 11–21, 12. Chalmers Rede fand ein begeistertes Echo bei den Zuhörern aus dem Bankgeschäft, vgl. Discussion of Lord Chalmers’ Paper, Journal of the Institute of Bankers 12, 1881, 37–45. 330 Chalmers, Journal of the Institute of Bankers 1881, 11–21, 14. 331 Chalmers, Journal of the Institute of Bankers 1881, 11–21, 12. 332 Diamond, MLR 31 (1968), 361–385, 879. Beispielhaft hierfür auch der Oxforder Professor und ehemalige Law Commissioner Burrows, Edin. LR 1 (1996), 155–179, 156: „I am not a great fan of legislative reform of the non-criminal common law. I have too much faith in the judiciary, and too much love of the deductive technique of common law development to wish to see the law frozen by widespread legislative intervention.“ Vgl. in diese Richtung auch schon Blackstone, Commentaries on the Laws of England in four books; kommentiert von E. Hovenden, Band 1, 1836, 126: „The idea and practice of this political and civil liberty flourish […] and can only be lost or destroyed by the folly or demerits of its owner: the legislature. “ 333 Vgl. empirisch Diamond, MLR 31 (1968), 361–385, insbes. 368.
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law“.334 Bei der Kodifikation des Kaufrechts gab es daher nur geringe Änderungen gegenüber dem Case Law,335 und der Gefahrübergang wurde in s. 20 SGA 1893 so geregelt, wie er zuvor im Case Law praktiziert worden war. Daher wurden zur Erklärung von s. 20 SGA 1893 von Chalmers im ersten Kommentar des SGA auch Martineau v Kitching336 und die Ausführungen Blackburns angeführt.337 In der Folge trat das Problem auf, wie sich das Verhältnis von neuem Gesetz und zuvor getroffenen Gerichtsentscheidungen ausgestaltete. Teilweise wurde die Position eingenommen, dass das alte Case Law in den gesetzlich geregelten Bereichen gar nicht mehr herangezogen werden dürfe, so etwa von Richter Cozens-Hardy: „The object and intent of the statute of 1893 [SGA] was, no doubt, simply to codify the unwritten law applicable to the sale of goods, but in so far as there is an express statutory enactment, that alone must be looked at and must govern the rights of the parties, even though the section may to some extent have altered the prior common law.“338 Diese strikte Handhabung der Gesetze lässt teilweise außer Acht, dass die jeweiligen Vorschriften in das Gesamtsystem des Zivilrechts eingebettet sind, das im Übrigen weiter aus Case Law besteht. Das geht auch aus dem Gesetz hervor, vgl. s. 61(2) SGA 1893:339 „The rules of the common law, including the law merchant, save in so far as they are inconsistent with the express provisions of this Act, and in particular the rules relating to the law of principal and agent and the effect of fraud, misrepresentation, duress or coercion, mistake, or other invalidating cause, shall continue to apply to contracts for the sale of goods.“
Diese Einbettung in das Rechtssystem verlangt nach einer kontextorientierten Betrachtung, in der auch die Entscheidungen, deren Ergebnisse im SGA kodi-
334 Chalmers, SGA 1893, 1894, iv; genauso auch schon Chalmers, Journal of the Institute of Bankers 1881, 11–21, 18. 335 Chalmers, SGA 1893, 1894, v. 336 (1872) L.R. 7 Q.B. 436, 453–454. 337 Chalmers, SGA 1893, 1894, 46–47. 338 Bristol Tramway v Fiat [1910] K.B. 831, 836; ähnlich bzgl. des Bill of Exchange Act, Lord Herrschel in Bank of England v Vagliano Bros [1891] A. C. 107, 144–145: „I think the proper course is in the first instance to examine the language of the statute and to ask what is its natural meaning, uninfluenced by any considerations derived from the previous state of the law, and not to start with inquiring how the law previously stood, and then, assuming that it was probably intended to leave it unaltered, to see if the words of the enactment will bear an interpretation in conformity with this view.“ Vgl. dazu auch Gutteridge, LQR 51 (1935), 91–141, 117. 339 = s. 62(2) SGA 1979.
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2. Kapitel: Englisches Recht
fiziert wurden, als Auslegungshilfe eine Rolle spielen können.340 Eine solche Sichtweise setzte sich letztlich durch: Das vor der Kodifikation existierende Case Law wurde zur Erläuterung und Auslegung des SGA genauso herangezogen wie später ergangene Entscheidungen.341 Zusammen mit den neuen, zum SGA ergangenen Entscheidungen existiert eine umfangreiche Rechtsprechung, die jedenfalls ab 1893 für die Auslegung des SGA bindend ist.342 III. Voraussetzungen und Folgen des Gefahrübergangs Nachdem die historische Entwicklung der Verknüpfung von Eigentum und Gefahr in s. 20 SGA 1979 skizziert worden ist, soll nun deren Wirkungsweise im geltenden Recht untersucht werden. S. 20 SGA 1979 differenziert seit dem Jahr 2003 zwischen dem Gefahrübergang bei Verträgen, bei denen der Käufer als Verbraucher handelt (s. 20(4), abgelöst seit 1.10.2015 durch s. 29 Consumer Rights Act 2015), und anderen Verträgen (s. 20(1)-(3)). Zunächst soll der Kauf, bei dem der Käufer nicht Verbraucher ist, betrachtet werden, weil die Regeln hierfür Kodifikation der ursprünglichen Common Law-Doktrin sind. Die Regeln in S. 20(1)-(3) SGA 1979 kommen für Käufe durch Unternehmer gem. s. 20(1) SGA 1979 nur dann zur Anwendung, wenn die Parteien den Gefahrübergang nicht vertraglich geregelt haben.343 Liegt keine Vereinbarung über den Gefahrübergang vor, geht die Preisgefahr gem. s. 20(1) SGA 1979 grundsätzlich mit der property an der Kaufsache auf den Käufer über. Daher soll zunächst untersucht werden, wann der Käufer die property an der Kaufsache erlangt. 1. Der Übergang des Eigentums beim Mobiliarkauf Ausgangspunkt der Untersuchung des Eigentumsübergangs beim Kauf beweglicher Sachen (goods344) ist, was Lord Justice Auld in folgende Worte 340
So auch Stephens, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 1–55, 5–6: „The rules of law have not grown in a vaccum and cannot be developed in a vacuum.“ 341 Vgl. etwa Carlos Federspiel & Co. SA v Charles Twigg & Co. Ltd. [1957] 1 Lloyd’s Rep. 240, wo auf S. 244 die Entscheidung Mirabita v Imperial Ottoman Bank (1878) 3 Ex.D. 164 zur Auslegung von s. 18 SGA 1893 herangezogen wird, oder Poole v Smith’s Car Sale [1962] 1 W.L.R. 744, wo auf S. 753 die Entscheidung Elphick v Barnes (1880) 5 C.P.D. 321 als Auslegungshilfe verwendet wird. Zur fortbestehenden Relevanz des alten Case Law vgl. auch Diamond, MLR 31 (1968), 361–385, 379; Gutteridge, LQR 51 (1935), 91–141, 117. 342 Lakonisch hierzu Diamond, MLR 31 (1968), 361–385, 384: „This is unavoidable. Neither judicial nor academic commentary on the code can be prevented.“ 343 Zu von s. 20 SGA 1979 abweichenden Vereinbarungen vgl. unten, III.2.d). 344 Goods umfasst alle beweglichen Sachen (chattels) außer chattels real, also bestimmte, als beweglich angesehene Rechte an unbeweglichen Sachen. Der Begriff chattel wurzelt etymologisch im lateinischen catalla, während goods keine lateinische Wurzel hat,
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fasste: „[T]he English law of ownership and possession, unlike that of Roman Law, is not a system of identifying absolute entitlement but of priority of entitlement“.345 Das englische Recht kennt demnach keinen absoluten Eigentumsbegriff. Es verfolgt vielmehr ein relatives Konzept von Eigentum an beweglichen Sachen, wonach der wahre Eigentümer einer Sache derjenige ist, der die vergleichsweise beste Berechtigung an dieser Sache hat.346 Dabei wird diese vergleichsweise beste Berechtigung in der Regel aus einem Bündel von Rechten bestehen, wie etwa dem Recht zum ständigen Besitz einer Sache, dem Recht zur Nutzung einer Sache und dem Recht zur Übertragung, Dereliktion oder Zerstörung einer Sache.347 Eine klare Abgrenzung dahingehend, dass im Gegensatz zu anderen Verträgen wie etwa der Miete oder Leihe beim Kaufvertrag ein Eigentumsübergang zwischen Verkäufer und Käufer stattzufinden habe, erfolgte deutlich erst im SGA 1893;348 zuvor hatte man es in diesem Bereich vielmehr mit einem seamless law zu tun, das die verschiedenen Verträge über das Zurverfügungstellen von beweglichen Sachen nicht systematisch trennte.349 Obwohl nach der Kodifikation des Kaufrechts in s. 2(1) SGA 1979 eine ausdrückliche Pflicht zur Eigentumsübertragung besteht, bleibt das Konzept von Eigentum relativ. Unabhängig von den Problemen, die sich aus dem relativen Eigentumskonzept ergeben können, differenziert das Common Law aber zwischen einem Recht an einer Sache (ius in re) und einer Forderung auf Übertragung eines Rechts an einer Sache (ius ad rem) – „I own property; I am owed performance of a transfer obligation“.350 Demzufolge muss der Verkäufer dem Käufer aufgrund des Kaufvertrags ein Recht an der Sache einräumen; gemeint ist dabei ein solches Recht an der Sache, das nicht dem besseren Recht eines Dritten weichen muss. dabei aber den bona im römischen Recht entspricht, vgl. Baker, An Introduction to English Legal History, 2002, 380. Die unbeweglichen Sachen sind dagegen durch die Spezialmaterie des land law geregelt, das Eigentum an Grundstücken sowie dessen Übertragung unter Lebenden und von Todes wegen bestimmt, Bridge, Personal Property Law, 2002, 2. Dabei wurde durch den Land Registration Act 2002 bzgl. der Rechte an Grundstücken das relative Eigentumskonzept zu Gunsten eines absoluten, kraft Registers vermittelten Eigentums aufgegeben, vgl. Gray/Gray, Elements of Land Law, 5. Aufl. 2009, 182–183. 345 Waverley Borough Council v Fletcher [1996] Q.B. 334, 345. 346 Bridge, in: Mckendrick/Palmer, Interest in Goods, 2. Aufl. 1998, 303–327, 304. 347 Bridge, Personal Property Law, 2002, 30. 348 S. 1(1) SGA 1893; genauso s. 2(1) SGA 1979. 349 Bridge, in: Mckendrick/Palmer, Interest in Goods, 1998, 303–327, 304; vgl. auch Parke in Morley v Attenborough (1849) 3 Ex. 500, 510: “[T]he result of the older authorities is, that there is by the law of England no warranty of title in the actual contract of sale, any more than there is of quality.“ 350 Goode, LQR 103 (1987), 433–459, 433.
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a) Property und title Zur Untersuchung des Eigentumsübergangs beim Kauf nach englischem Recht genügt es nicht, das Vorverständnis vom absoluten Eigentum zu überwinden. Vielmehr kommt noch eine terminologische Komplikation hinzu: Zur Beschreibung des zu übertragenden Rechts an der Sache werden im SGA zwei verschiedene Worte, property und title, verwendet. Eine präzise Übersetzung dieser beiden Worte ist nicht möglich, da sie sich beide auf eine Rechtsposition beziehen, die im weitesten Sinne dem Eigentum zuzuordnen ist, sich aber nicht in der Bedeutung „Eigentum“ erschöpft. Die rechtsvergleichende Betrachtung sieht sich also mit dem Problem konfrontiert, dass die Bedeutung von Rechtsbegriffen jeweils auf eine bestimmte Rechtsordnung bezogen ist und nicht auf eine objektive juristische Wirklichkeit.351 Eine Beschreibung der Bedeutung von Rechtsbegriffen ohne den konkreten Kontext in der jeweiligen Rechtsordnung ist also nicht möglich. Daher werden die Worte property und title im Folgenden in ihrem Kontext, dem SGA, untersucht. Dabei sollen sie nicht als Begriffe mit absoluter Bedeutung eingegrenzt werden, sondern es soll als Voraussetzung des Gesetzesverständnisses ihre Funktion bei der Beschreibung des Eigentumsübergangs herausgearbeitet werden. Property wird in s. 61(1) SGA 1979 als „general property“ nur ansatzweise, title gar nicht definiert.352 S. 61(1) SGA 1979 beschreibt property als „general property“ im Gegensatz zur „special property“: Property im Sinne des SGA ist deswegen general, weil sie die Gesamtheit der Rechte des Verkäufers an der Sache erfasst. Property i.S.d. SGA ist die konkrete eigentumsrechtliche Position des Verkäufers, die dieser auf den Käufer überträgt, also die Gesamtheit der Rechte des Verkäufers an der Sache. Property beschreibt damit die Rechtsmenge, die der Verkäufer aufgeben muss, um die Sache an den Käufer zu veräußern.353 Insofern betrifft property zunächst nur das Verhältnis zwischen den Parteien.354 Das zeigt auch die Überschrift von s. 16– 20B: „Transfer of property as between seller and buyer“.355 Die Funktion des 351
Kjær, in: Kjær/Kromann, Von der Allgegenwart der Lexikologie. Kontrastive Lexikologie als Vorstufe zur zweisprachigen Lexikographie, 1995, 39–57, 45. 352 Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass in der Rechtsprechung bisweilen ungenau mit den Begriffen gearbeitet wird; vgl. hierzu Ho, CLJ 56 (1997), 571–598, 593–594. 353 Vgl. Ho, CLJ 56 (1997), 571–598, 578. 354 Dies betont auch Rüfner, in: Jakab/Ernst, Kaufen nach Römischem Recht: antikes Erbe in den europäischen Kaufrechtsordnungen, 2008, 233–252, 251–252, der diesbzgl. eine Parallele zum französischen Recht (Art. 1583 Code civil) zieht. Hager, Gefahrtragung beim Kauf, 1982, 49, Fn. 9 identifiziert die Konstruktion des kaufrechtlichen Eigentumsübergangs inter partes auch bei Windscheid. 355 Battersby/Preston, MLR 35 (1972), 268–288, 276.
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Begriffs property ist jedoch nicht auf das Innenverhältnis der Parteien beschränkt. Vielmehr hat der Übergang von property vom Verkäufer auf den Käufer auch bestimmte Wirkungen gegenüber Dritten: Er bewirkt, dass der Käufer eine insolvenzfeste Position bzgl. der Sache hat und dass er wegen Beschädigung oder Zerstörung der Sache Schadensersatz von Dritten verlangen kann.356 Die Gesamtheit der Wirkungen eines Rechts an einer Kaufsache gegenüber Dritten beschreibt jedoch erst der title an der Sache. Ein title ist die Berechtigung einer Person, ihre Eigentümerstellung (absolute title) oder Besitzerstellung (possessory title) selbst zu genießen, gegenüber jedem Dritten die sich aus ihr ergebenden Rechte geltend zu machen und sie zu übertragen. Dabei hat der Begriff title seinen Schwerpunkt auf der Beweisbarkeit und Übertragbarkeit dieser Rechtsstellung.357 Gerade auch diese Rechtsstellung ist relativ gegenüber stärkeren derartigen Berechtigungen Dritter.358 S. 21–26 des SGA regeln zusätzlich zum in s. 16–20B geregelten „transfer of property“ den „transfer of title“ und bestimmen, wann in Ausnahme zu Regel nemo dat quod non habet359 ein Käufer von einem Verkäufer, der nicht Eigentümer der Sache ist, dennoch eine eigentumsrechtliche Position erwerben kann. Ein title ist daher zwar bei einem Verkäufer, der gleichzeitig auch Eigentümer ist, mit dessen property gleichzusetzen.360 Beim Verkauf durch einen NichtEigentümer ist der title allerdings ein stärkeres Konzept als die property, weil die property des Verkäufers nicht notwendigerweise einen title darstellt361 und ein title gem. s. 21–26 SGA 1979 auch vom Nicht-Eigentümer erworben werden kann.362
356
Vgl. nur Atiyah/Adams/MacQueen, The Sale of Goods, 2005, 318–319. Vgl. etwa die Formulierung „a good root of title“ für die Legitimationskette eines Berechtigten; siehe auch „Title“, Collins Dictionary of Law [London] 2006: . 21.02.2015. 358 Ho, CLJ 56 (1997), 571–598, 576; Battersby/Preston, MLR 35 (1972), 268–288, 269. 359 Vgl. zu nemo dat quod non habet und zum grundsätzlichen Vorrang des Bewahrungsinteresses des Eigentümers vor dem Verkehrsinteresse Bridge, Personal Property Law, 2002, 116–117. 360 Vgl. etwa Lord Brandon in Leigh & Sillivan v Aliakmon Shipping Co. Ltd. [1986] A.C. 785, 812. 361 McClure/Stebbings/Goldberg, Denning LJ 7 (1992), 103–136, 119. 362 Kritisch gegenüber dieser Differenzierung Battersby/Preston, MLR 35 (1972), 268– 288, 280; unter Ablehnung dieser Kritik differenzierend McClure/Stebbings/Goldberg, Denning LJ 7 (1992), 103–136, 112: Title betreffe das Recht als solches, während property in das Verhältnis zwischen den Parteien gehöre; ähnlich Ho, CLJ 56 (1997), 571–598, 592: Property sei ein transaktionsspezifischer Begriff, title sei dagegen allein zeit- und rechtssubjektbezogen; nach dieser Kritik zumindest in Hinblick auf die Ausnahmen zu nemo dat 357
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2. Kapitel: Englisches Recht
Der SGA integriert die Pflicht zur Einräumung eines absolute title an der Sache ins kaufrechtliche Rechtsfolgenregime: Gem. s. 12(1), (5A) SGA 1979363 enthält in Ermangelung abweichender Vereinbarungen jeder Kaufvertrag eine implied condition dahingehend, dass der Verkäufer bzgl. des Kaufgegenstands ein right to sell hat. Dabei differenziert s. 12(1) SGA 1979 zwischen einem sale, einem Kaufvertrag, bei dem das Eigentum sofort vom Verkäufer auf den Käufer übergehen soll (s. 2(4) SGA 1979), und einem agreement to sell, einem Kaufvertrag, bei dem das Eigentum erst in Zukunft übergehen soll (s. 2(5) SGA 1979). Es ist jeweils der Übergang des Eigentums im Sinne von property gemeint, also die konkrete vom Verkäufer auf den Käufer übergehende Position. Gem. s. 12(1), (5A) SGA 1979 muss nach der implied condition der Verkäufer bei Übertragung der property ein right to sell haben. Das bedeutet, dass sein Recht an der Sache besser sein muss als das aller anderen364 oder dass er mit Hilfe eines Dritten dem Käufer ein besseres Recht an der Sache einräumen kann.365 Der Verkäufer muss dem Käufer also einen absolute title an der Kaufsache verschaffen können.366 Dass das Erfordernis einer Berechtigung des Verkäufers im Zeitpunkt des Übergangs der property als implied condition ausgestaltet ist, macht noch einmal deutlich, dass die property allein den Verkäufer noch nicht zum Berechtigten macht. Ein Beispiel dafür ist der Fall eines Finders, der an der Fundsache zunächst nur Besitz erwirbt. Dieser Besitz gibt ihm – relativ zu besseren Rechten anderer – einen possessory title an der Fundsache, aber keinen absolute title, der ihm ein right to sell geben würde. Verkauft der Finder die Fundsache an einen Dritten, geht daher sein bestehendes Recht an der Sache, die property, auf den Käufer über. Da diese aber nur in einem possessory title
quod non habet ebenfalls eine Unterscheidung zulassend Battersby, Journal of Business Law 2001, 1–13, 9–11. 363 = s. 12(1) SGA 1893. 364 Bridge, in: Mckendrick/Palmer, Interest in Goods, 1998, 303–327, 316. 365 Lord Mustill in Karlshamns Oljefabriker A/B v Eastport Navigation Corp (The Elafi) [1981] 2 Lloyd’s Rep. 679: „This [implied condition in s. 12(1)] involves no promise about the seller’s own proprietary rights; only that he will be able to create the appropriate rights in the buyer“; vgl. auch Mark/Mance, Chalmer's Sale of Goods Act, 1979, 18. Aufl. 1981, 115: „The right to sell is wider than the right to pass property.“ 366 Die Ausgestaltung der Titelübertragung im SGA als implied condition war eine Neuerung gegenüber der bisher etablierten Rechtslage, vgl. etwa Justice Parke in Morley v Attenborough (1849) 3 Ex. 500, 512: „From the authorities in our law […] it would seem that there is no implied warranty of title on the sale of goods, and that if there be no fraud, a vendor is not liable for a bad title, unless there is an express warranty“; anders aber schon Blackstone, Commentaries on the Laws of England (1765–69) in four books: kommentiert von G. Sweet, Band 2, 1852 451: „[I]n our law, a purchasor of goods and chattels may have a satisfaction from the seller, if he sells them as his own, and the title proves deficient, without any express warranty for that purpose.“
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besteht und der Verkäufer somit kein right to sell hat, verletzt er die implied condition 367 gem. s. 12(1), (5A) SGA 1979 und haftet dem Käufer auf Schadensersatz.
Ist die implied condition, dass der Verkäufer ein right to sell hat, zum Zeitpunkt des beabsichtigten Eigentumsübergangs nicht erfüllt, kann der Käufer die weitere Vertragsdurchführung abbrechen und verschuldensunabhängig vom Verkäufer Schadensersatz verlangen.368 In den Fällen, in denen der Verkäufer zwar nicht Berechtigter ist, dem gutgläubigen Käufer aber dennoch – etwa aufgrund s. 21–26 SGA 1979 – einen absolute title an der Sache verschafft, ist die implied condition hinsichtlich des right to sell trotz des Erhalts des absolute title durch den Käufer nicht erfüllt. Der Käufer wird zwar in der Regel in diesen Fällen keinen Schaden erleiden. Muss er aber zum Nachweis seines title gegenüber dem ursprünglichen Eigentümer Aufwendungen tätigen, kann er diese im Wege des Schadensersatzes gegenüber dem Verkäufer geltend machen.369 Der Zeitpunkt des passing of property ist also sowohl für den Gefahrübergang als auch für die Berechtigung des Verkäufers und für die an die fehlende Berechtigung anknüpfende Schadensersatzpflicht entscheidend. Die property geht gem. s. 17(1) SGA 1979370 aufgrund des Kaufvertrags zu dem Zeitpunkt über, zu dem die Parteien die Übertragung beabsichtigen. „Property passes when intended to pass. (1) Where there is a contract for the sale of specific or ascertained goods the property in them is transferred to the buyer at such time as the parties to the contract intend it to be transferred. (2) For the purpose of ascertaining the intention of the parties regard shall be had to the terms of the contract, the conduct of the parties and the circumstances of the case.“
Anders als nach dem deutschen Abstraktionsprinzip und als in den Rechtsordnungen mit Traditionsprinzip genügt beim Mobiliarkauf im englischen Recht somit die vertragliche Einigung für den Übergang der property.371
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Vgl. zu dieser Konstellation Battersby, Journal of Business Law 2001, 1–13, 2. Der Schadensersatz umfasst dabei insbesondere den Haftungsschaden, der dadurch entsteht, dass der an der Sache besser Berechtigte den Käufer in Anspruch nimmt. 368 Worthington, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 57–105, 58. 369 Mark/Mance, Chalmer's Sale of Goods Act, 1979, 1981, 116. 370 Genauso s. 17(1) SGA 1893. 371 Ein konziser Überblick über die weiteren Formen der Übereignung von beweglichen Sachen außerhalb des Kaufrechts (durch „delivery“ oder „deed“) findet sich bei Häcker, ZEuP 2011, 335–365, 340–343. Die weiteren Übereignungsformen sind auch bei der Beurteilung kaufrechtlicher Fälle im Blick zu behalten. Sind nämlich neben der Durchführung des Kaufvertrags die Erfordernisse einer weiteren Übereignungsform erfüllt, tangiert die Unwirksamkeit des Kaufvertrags ausnahmsweise nicht die Wirksamkeit der Übereignung, Swadling, LQR 121 (2005), 123–153, 142.
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2. Kapitel: Englisches Recht
b) Genese des Konsensualprinzips Die Kodifikation dieses Eigentumsübergangs kraft Konsenses war keine Neuerung im englischen Recht. Zwar galt im England des 13. Jahrhunderts beim Kauf noch das Traditionsprinzip.372 Es wurde aber im 14. Jahrhundert oder spätestens Mitte des 15. Jahrhunderts373 aufgegeben. Dass die Rechtsprechung von da an den Übergang des Rechts an der Sache beim Kauf von specific goods bereits bei Vertragsschluss annahm, ergibt sich daraus, dass dem Käufer in den Urteilen jener Zeit bereits nach Vertragsschluss gegen den Verkäufer der writ of detinue zustand.374 Dieser writ setzte voraus, dass das Recht des Verkäufers an der Sache bereits auf den Käufer übergegangen war. So stellt Gower im Jahrbuch des 30. Regierungsjahres Edwards III fest: „[C]ar acció de Detenue suppose possessió precedét“375 – der writ of detinue setzt voraus, dass der Kläger bereits „Besitz“ an der Sache hat. Dass Gower auf die „possessió“ abstellt, macht deutlich, dass es nur um eine Rechtsposition an der Sache ging und sich noch kein Eigentumskonzept entwickelt hatte. Stand dem Käufer einer beweglichen Sache der writ of detinue schon nach dem Kaufvertragsschluss und nicht erst nach Übergabe zu, musste er bereits bei Vertragsschluss eine Rechtsposition an der Sache erlangt haben.376 Dies stand in starkem Kontrast zum im römischen Recht wurzelnden377 und außerhalb des Kaufrechts weitgehend fortgeltenden Traditionsprinzip. Milsom hat durch Analyse der Entscheidungsbegründungen in den Jahrbü372
Bracton, Bracton on the Laws and Customs of England, übersetzt und herausgegeben von Samuel E. Thorne, Band 2, 1968, 181 (fol. 61): „sine traditione non transferuntur rerum dominia“. 373 Für eine Datierung der Etablierung des Konsensualprinzips beim Kauf im 14. Jahrhundert Ibbetson, LQR 107 (1991), 481–499, 490; eine Datierung erst Mitte des 15. Jahrhunderts vertritt dagegen Milsom, LQR 77 (1961), 257–284, 275. 374 Ibbetson, LQR 107 (1991), 481–499, 493; Fallbeispiele aus den Jahrbüchern bei Milsom, LQR 77 (1961), 257–284, 274. 375 De termino Michaelis anno xxx regis Edwardi tertii post conquestum [1342] fol. 25; zum Gebrauch des Law French in den Jahrbüchern vgl. Woodbine, Speculum 18 (1943), 395–436, 431. 376 So auch Hager, Gefahrtragung beim Kauf, 1982, 58–59, der betont, dass ab dem Zeitpunkt, in dem der Käufer die action of detinue hatte, dem Verkäufer im Gegenzug die action of debt bzgl. des Kaufpreises zustand, auch wenn die Sache noch nicht geliefert worden war. 377 Wie oben unter B.II.2 dargestellt, erfolgte die Übereignung im römischen Recht durch eine von einer iusta causa getragene traditio. Umfassend zum Traditionsprinzip im römischen Recht und der wörtlichen Übernahme der Konstitutionsstelle Diocl. et Maxim. C, 2, 3, 20 durch Bracton in fol. 62 vgl. Rüfner, in: Jakab/Ernst, Kaufen nach Römischem Recht: antikes Erbe in den europäischen Kaufrechtsordnungen, 2008, 233–252, 234–235, 240.
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chern des 14. und 15. Jahrhunderts herausgearbeitet, dass die Etablierung der neuen Position möglich wurde, indem man zunächst mit der Konstruktion einer fiktiven Übergabe der Kaufsache an den Käufer bei Vertragsschluss und einer anschließenden vorläufigen Rückgabe an den Verkäufer als Verwahrer arbeitete.378 Die Überwindung des Übergabeerfordernisses mittels dieses constructive bailment weist starke Ähnlichkeit mit dem im römischen Recht entwickelten379 und im deutschen Recht gem. § 930 BGB fortgeltenden Besitzkonstitut auf – freilich lässt sich ob der spärlichen Quellenlage ein kontinentaleuropäischer Einfluss auf das Common Law in diesem Punkt nicht dartun.380 Ein letztes Hindernis bei der Etablierung des reinen Konsensualprinzips stellte die Frage nach der Kaufpreiszahlung dar. Während die Nicht-Zahlung des Kaufpreises schon lange eine Einrede gegen den writ des Käufers darstellte, legen Fälle aus dem 15. Jahrhundert nahe, dass die Kaufpreiszahlung zeitweise als Voraussetzung des Eigentumsübergangs behandelt wurde,381 etwa als aufschiebende Bedingung der Einigung.382 Der Eigentumsübergang konnte aber auch nach der Rechtsprechung dieser Zeit jedenfalls dann schon im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erfolgen, wenn die Parteien ein konkretes Zahlungsdatum vereinbart hatten.383 Spätestens mit dem Kaufrechtslehrbuch Blackburns im 19. Jahrhundert setzte sich dann aber die auch schon früher vertretene Ansicht384 durch, dass die noch nicht erfolgte Kaufpreiszahlung den Eigentumsübergang nicht hindert, sondern dem Verkäufer nur ein Zurückbehaltungsrecht kraft einer Art gesetzlichen Pfandrechts an der Sache (lien) gibt.385 378
Milsom, LQR 77 (1961), 257–284, 274–275. Vgl. nur D. 41, 2, 18 pr (Celsus 23 dig.): „Quod meo nomine possideo, possum alieno nomine possidere.“ 380 Rüfner, in: Jakab/Ernst, Kaufen nach Römischem Recht: antikes Erbe in den europäischen Kaufrechtsordnungen, 2008, 233–252, 244. 381 Genauso das vorklassische römische Recht, das die Kaufpreiszahlung neben traditio und iusta causa als Übereignungsvoraussetzung behandelte, vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht: Erster Abschnitt. Das Altrömische, das Vorklassische und klassische Recht, 1971, 418. 382 Milsom, LQR 77 (1961), 257–284, 275; zur parallelen Rechtslage im römischen Recht vgl. Rüfner, in: Jakab/Ernst, Kaufen nach Römischem Recht: antikes Erbe in den europäischen Kaufrechtsordnungen, 2008, 233–252, 235–236, 249–250. 383 Milsom, LQR 77 (1961), 257–284, 276; Ibbetson, LQR 107 (1991), 481–499, 496. 384 Vgl. im Jahr 1479 Justice Brian in der ersten plea des Jahrbuchs De termino Hilarii anno xviii regis Edwardi quarti fol. 23; im Jahr 1641 Noy, Maxims of the laws of England, 1641, kommentierte Ausgabe von John Munsell 1870, 104; Ende des 18. Jahrhunderts Blackstone, Commentaries on the Laws of England (1765–69) in four books: kommentiert von G. Sweet, Band 2, 1852, 448. 385 Blackburn, A Treatise on the Effect of the Contract of Sale, 1845, 200. 379
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Damit galt das Konsensualprinzip zumindest in seiner Grundform schon im Mittelalter und s. 17(1) SGA kodifizierte insofern bereits geltendes Recht. Allerdings erfolgt dieser Rechtsübergang kraft Konsenses wie schon nach der mittelalterlichen Regel386 gem. s. 17(1) SGA 1979 nur, wenn der Kaufgegenstand specific, also zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits eindeutig identifizierbar,387 oder ascertained ist, d.h. zwar nicht zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, aber nachträglich eindeutig identifizierbar.388 c) Der Eigentumsübergang nach dem Sale of Goods Act 1979 Zur Bestimmung des Eigentumsübergangszeitpunkts nach s. 17(1) SGA ist die Absicht der Parteien zu ermitteln. S. 17(2) SGA 1979389 gibt vor, dass hierzu der Vertrag mit Rücksicht auf das Verhalten der Parteien und die Umstände des Falles auszulegen ist. Lässt sich so kein Zeitpunkt ermitteln, stellt s. 18 SGA 1979390 fünf widerlegliche Vermutungen auf, wann der Eigentumsübergang stattfinden soll. „S. 18 Rules for ascertaining intention. Unless a different intention appears, the following are rules for ascertaining the intention of the parties as to the time at which the property in the goods is to pass to the buyer. Rule 1. Where there is an unconditional contract for the sale of specific goods in a deliverable state the property in the goods passes to the buyer when the contract is made, and it is immaterial whether the time of payment or the time of delivery, or both, be postponed. Rule 2. Where there is a contract for the sale of specific goods and the seller is bound to do something to the goods for the purpose of putting them into a deliverable state, the property does not pass until the thing is done and the buyer has notice that it has been done. Rule 3. Where there is a contract for the sale of specific goods in a deliverable state but the seller is bound to weigh, measure, test, or do some other act or thing with reference to the goods for the purpose of ascertaining the price, the property does not pass until the act or thing is done and the buyer has notice that it has been done. Rule 4. When goods are delivered to the buyer on approval or on sale or return or other similar terms the property in the goods passes to the buyer: (a) when he signifies his approval or acceptance to the seller or does any other act adopting the transaction; (b) if he does not signify his approval or acceptance to the seller but retains the goods without giving notice of rejection, then, if a time has been fixed for the return of the goods, 386
War die Kaufsache nicht specific, sondern etwa generic, stand dem Käufer nur der writ of debt zu, vgl. Ibbetson, LQR 107 (1991), 481–499, 493. 387 Definition in s. 61(1) SGA 1979 = s. 62(1) SGA 1893. 388 Re Wait [1927] 1 Ch. 606, 630. Dann erfolgt der Eigentumsübergang bei ascertainment. 389 = s. 17(2) SGA 1893; hierzu Justice Channell in Varley v Whipp [1900] 1 Q.B. 513: „It is impossible to imagine a clause more vague than this.“ 390 = s. 18 SGA 1893.
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on the expiration of that time, and, if no time has been fixed, on the expiration of a reasonable time. Rule 5. (1) Where there is a contract for the sale of unascertained or future goods by description, and goods of that description and in a deliverable state are unconditionally appropriated to the contract, either by the seller with the assent of the buyer or by the buyer with the assent of the seller, the property in the goods then passes to the buyer; and the assent may be express or implied, and may be given either before or after the appropriation is made. (2) Where, in pursuance of the contract, the seller delivers the goods to the buyer or to a carrier or other bailee or custodier (whether named by the buyer or not) for the purpose of transmission to the buyer, and does not reserve the right of disposal, he is to be taken to have unconditionally appropriated the goods to the contract.“
Die Vermutungen sind von großer praktischer Bedeutung. Wenn die Parteien den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs nicht ausdrücklich regeln, wird nämlich nur sehr selten ein bestimmter beabsichtigter Eigentumsübergangszeitpunkt beweisbar sein.391 Insbesondere kann eine nachträgliche ausdrückliche Vereinbarung der Parteien den Eigentumsübergang, der bereits nach den Vermutungen stattgefunden hat, nicht mehr rückgängig machen.392 aa) S. 18 Regel 1–3 Sale of Goods Act 1979 Die ersten drei Vermutungen beziehen sich auf specific goods, also zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eindeutig identifizierbare Gegenstände, s. 61(1) SGA 1979. Die erste Regel besagt, dass bei unbedingten Kaufverträgen über specific goods in einem lieferbaren Zustand vermutet wird, dass die property bei Vertragsschluss auf den Käufer übergeht. Ein lieferbarer Zustand liegt dann vor, wenn der Käufer die Sache annehmen muss, s. 61(5) SGA 1979. Das ist der Fall, wenn die Sache in einer physischen Verfassung ist, in welcher der Käufer sie aufgrund des Vertrags übernehmen muss.393 Auf die Einhaltung aller conditions bzgl. der Kaufsache kommt es dagegen nicht an.394 Sofern sich die Kaufsache in einem lieferbaren Zustand befindet, geht das Eigentum an ihr nach der ersten Vermutung schon bei Vertragsschluss über. Diese Regel erscheint intuitiv nur für Barkäufe angemessen zu sein.395 Nach dem Gesetzeswortlaut gilt sie aber auch, wenn Zahlung oder Lieferung 391
Vgl. etwa Lord Wright in Smyth & Co. Ltd. v TD Bailey Son & Co. (1940) 67 Lloyd’s Rep. 147, 156: „The intention in this regard by the parties is seldom or never capable of proof.“ 392 Atiyah/Adams/MacQueen, The Sale of Goods, 2005, 321. 393 Underwood Ltd. v Burgh Castle Brick & Cement Syndicate [1922] 1 B.B. 343, 345. 394 A.A. Atiyah, MLR 19 (1956), 315–318, 317; dagegen unter Aufgabe dieser abweichenden Meinung Atiyah/Adams/MacQueen, The Sale of Goods, 2005, 324. 395 So auch Worthington, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 57–105, 62.
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der Kaufsache erst später stattfinden. Der Intuition folgend, dass dies nicht stets passend ist, hat die Rechtsprechung den Anwendungsbereich der Vermutung unter Rückgriff auf den gem. s. 17 SGA 1979 maßgeblichen Willen der Parteien erheblich reduziert. Die Gerichte sehen die Vermutung trotz aller Beweisschwierigkeiten schon aufgrund geringer Anhaltspunkte im Vertrag als widerlegt an und nehmen einen vereinbarten späteren Übertragungszeitpunkt an.396 Die zweite Regel bestimmt, dass bei Käufen von specific goods, bei denen der Verkäufer noch weitere Schritte unternehmen muss, um den Kaufgegenstand in einen lieferbaren Zustand zu versetzen, das Eigentum nicht übergeht, bevor der Verkäufer diese Schritte unternommen hat und der Käufer hiervon benachrichtigt wird. Diese Regel galt auch schon vor dem SGA.397 Sie wurde damit erklärt, dass der zum Gefahrübergang führende und daher für den Verkäufer vorteilhafte Eigentumsübergang erst stattfinden dürfe, wenn dieser seine Pflichten erfüllt hat.398 Ob das der Fall ist, ist Auslegungsfrage.399 Dabei ist das im SGA aufgestellte Benachrichtigungserfordernis zu beachten. Allerdings muss der Käufer nicht explizit vom Verkäufer kontaktiert werden – vielmehr genügt es, wenn der Käufer aus irgendeinem Grund weiß, dass die erforderlichen Schritte abgeschlossen sind.400 Diese weite Auslegung des Erfordernisses der Käuferbenachrichtigung als Erfordernis der bloßen Kenntnis des Käufers wird dem telos dieses Erfordernisses hinreichend gerecht. Die Benachrichtigung soll nämlich verhindern, dass Eigentum und damit auch Gefahr auf den Käufer übergehen, ohne dass er davon weiß – ein Gefahrübergang ohne Kenntnis des Käufers wurde im Gesetzgebungsverfahren als unfair empfunden.401 Diesem Anliegen wird aber auch bei bloßer Kenntnis des Käufers von den weiteren Schritten Genüge getan. Nach der dritten Regel geht das Eigentum an specific goods, für die der Verkäufer erst noch den Preis bestimmen muss (etwa durch Wiegen oder Messen), nicht auf den Käufer über, ehe der Verkäufer die Preisbestimmung vorgenommen hat und der Käufer davon benachrichtigt wird. Auch diese
396 So stellte Lord Diplock bzgl. der Widerlegung der ersten Vermutung in s. 18 SGA 1979 fest: „[I]n modern times very little is needed to give rise to the inference that the property in specific goods is to pass only on delivery or payment“ (Ward (R V) Ltd. v Bignall [1967] 1 Q.B. 534, 545). 397 Vgl. etwa Rugg v Minett (1809) 11 East, 210, 219. 398 Vgl. Blackburn, A Treatise on the Effect of the Contract of Sale, 1845, 152. 399 Worthington, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 57–105, 65. 400 Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014 227; unter Hinweis auf mit dieser Auslegung verbundene praktische Schwierigkeiten Worthington, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 57–105, 66. 401 Mark/Mance, Chalmer's Sale of Goods Act, 1979, 1981, 149.
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Regel galt bereits vor dem SGA.402 Dabei bezog sich das entsprechende Prinzip des Common Law auf jegliche Preisbestimmung, also nicht nur auf die durch den Verkäufer. Blackburn erklärte diese umfassende Regel mit einer „hastigen“ Rezeption des römischen Rechts, die den Besonderheiten der emptio venditio nicht Rechnung trage.403 Wie oben gezeigt wurde,404 hing im römischen Recht die Perfektion der emptio venditio davon ab, dass der Preis bestimmt war. War zur Preisbestimmung noch eine Zumessung der Kaufsache erforderlich, trat die Perfektion des Kaufs erst nach der Zumessung ein. Blackburn hält die Rezeption dieser Grundsätze deswegen für hastig, weil im Common Law für die vollständige Wirksamkeit eines Kaufvertrags nicht die Bestimmtheit des Preises erforderlich ist.405 Obwohl also auch Kaufverträge mit unbestimmtem Kaufpreis gültig sein konnten und kraft dieser Verträge grundsätzlich das Eigentum vom Verkäufer auf den Käufer hätte übergehen können, wurde das der Preisbestimmung dienende Zumessungserfordernis des römischen Rechts als Voraussetzung des Eigentums- und damit auch Gefahrübergangs übernommen. Indes ist in Erinnerung zu rufen, dass die Perfektion des Kaufvertrags nach römischem Recht dann erfolgte, wenn der Käufer eine so starke Stellung erlangt hatte, dass der Eigentumsübergang nur noch von der traditio abhing. Bei der Perfektion ging es daher weniger um die Wirksamkeit des Vertrags als um das endgültige Entstehen der iusta causa für die spätere traditio. Daher erscheint es nicht fernliegend, Erfordernisse der Perfektion des Kaufs im Kontext des Eigentumsübergangs kraft Kaufvertrags zu rezipieren. Das Zumessungs- bzw. Preisbestimmungserfordernis wurde in der Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts in seinem Anwendungsbereich auf Verträge beschränkt, in denen der Verkäufer die Zumessungshandlung vorzunehmen hatte.406 Diese Beschränkung stimmt aus englischer Perspektive in seiner ratio mit dem Grundgedanken der zweiten Regel überein: Der durch den Eigentumsübergang ausgelöste, für den Verkäufer vorteilhafte Gefahrübergang soll erst stattfinden, wenn der Verkäufer alles getan hat, was ihm oblag, also auch eine durch ihn vorzunehmende Zumessung durchgeführt hatte. Mit diesem beschränkten Anwendungsbereich wurde die Regel im SGA 1893 kodifiziert. Ist die Preisbestimmung vom Käufer oder einer dritten Partei vorzunehmen, so ist die Regel nicht anwendbar – vielmehr muss auf die allgemeine Absichten-Regel in s. 17 SGA 1979 zurückgegriffen werden.407 Das Erfordernis der Käuferbenachrichtigung ist parallel zum Benachrichtigungs402 403 404 405 406 407
Vgl. etwa Hanson v Meyer (1805) 6 East 614, 625. Blackburn, A Treatise on the Effect of the Contract of Sale, 1845, 153. Vgl. Text bei Fn. 290 bis 296. Blackburn, A Treatise on the Effect of the Contract of Sale, 1845, 153. Vgl. etwa Turley v Bates (1863) 2 Hurlstone and Coltman 200, 211. Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 227–228.
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erfordernis in der zweiten Regel auszulegen: Es genügt, wenn der Käufer auf irgendeinem Wege davon Kenntnis erlangt hat, dass die Zumessungshandlung stattgefunden hat.408 bb) S. 18 Regel 4 Sale of Goods Act 1979 Die vierte Vermutung in s. 18 SGA 1979 betrifft den Kauf on approval, on sale or return und ähnliche Vereinbarungen. Was damit gemeint ist, wird im Gesetz nicht definiert. Es besteht Einigkeit, dass die Vermutung solche Fälle erfasst, in denen der Käufer unter bestimmten, vorher festgelegten Umständen den Vertrag im Nachhinein wirksam werden lassen kann.409 Damit geht es bei der vierten Regel in s. 18 SGA 1979 letztlich um bedingt abgeschlossene Kaufverträge, wobei die aufschiebende Bedingung die Akzeptanz der Kaufsache durch den Käufer ist. Diese Verträge sind von solchen Vereinbarungen abzugrenzen, nach denen der Kaufvertrag sofort wirksam sein, aber unter der auflösenden Bedingung stehen soll, dass der Käufer die Kaufsache zurückgibt, oder nach denen der Käufer vom Verkäufer den Rückkauf der Kaufsache verlangen kann.410 Für die beschriebenen aufschiebend bedingten Kaufverträge bestimmt die vierte Regel in s. 18 SGA 1979, dass das Eigentum an der Kaufsache auf den Käufer übergeht, wenn er dem Verkäufer mitteilt, dass er die Kaufsache akzeptiert oder das Geschäft anderweitig bestätigt oder wenn er die Kaufsache behält, ohne sie innerhalb eines vereinbarten oder angemessenen Zeitraums zurückzuweisen. Eine Bestätigung des Geschäfts ist ein Käuferverhalten, das der Eigentümerstellung des Verkäufers widerspricht bzw. der Eigentümerstellung des Käufers entspricht, wie etwa der Weiterverkauf der Kaufsache.411 Der angemessene Zeitraum zur Zurückweisung der Kaufsache ist anhand der Umstände des Falls zu bestimmen.412 Damit konkretisiert die vierte Regel in s. 18 SGA 1979 nur, wann bei Kaufverträgen on approval oder on sale or return der Vertrag durch Eintritt der aufschiebenden Bedingung wirksam wird. Es handelt sich daher um eine Regel, die den Vertragsschluss und nicht den Eigentumsübergang betrifft. Nachdem die Kaufsachen in den Verträgen on approval oder on sale or return specific goods sind, die nicht nur in einem lieferbaren Zustand, sondern sogar lieferbar sind, wären die entsprechenden Fälle bei Eintritt der Bedingung bereits hinreichend durch die erste Regel in s. 18 SGA 1979 abgedeckt: Mit der Akzeptanz der Kaufsache tritt die auf408
Mark/Mance, Chalmer's Sale of Goods Act, 1979, 1981, 150. Worthington, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 57–10568; Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014 230; ähnlich bereits Brown, Jurid. Rev. 17 (1905), 221, 222 und 224. 410 Vgl. etwa The Vesta [1921] 1 A.C. 774, 784. 411 Worthington, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 57–105, 69. 412 Poole v Smith’s Car Sales (Balham) Ltd. [1962] 1 W.L.R. 744, 749. 409
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schiebende Bedingung ein, der Vertrag wird wirksam und in diesem Zeitpunkt des Wirksamswerdens geht das Eigentum an der Kaufsache über.413 Man müsste allein das Wort unconditional aus der ersten Regel streichen, um deren Anwendungsbereich für diese Konstellation zu öffnen. cc) S. 18 Regel 5 Sale of Goods Act 1979 Die fünfte und letzte widerlegliche Vermutung zum Eigentumsübergang in s. 18 SGA 1979 betrifft Kaufsachen, die nicht specific, sondern unascertained sind. Unascertained ist im SGA 1979 nicht definiert. In Abgrenzung zu specific goods, also bei Vertragsschluss identifizierbaren Gegenständen (s. 61(1) SGA 1979), fasst man in dieser Kategorie einerseits vom Verkäufer noch herzustellende Gegenstände und andererseits Gattungs- und Vorratsschulden zusammen.414 Specific i.S.v. s. 61(1) SGA 1979 und somit nicht unascertained sind auch Anteile an einer ungeteilten Menge eindeutig identifizierbarer Gegenstände, die als Bruch oder Prozentsatz von dieser Menge angegeben werden.415 Denn hier soll nicht eine Menge von einzelnen Gegenständen veräußert werden, sondern es sollen gerade Anteile an einer Menge verkauft werden und das Verhältnis der Anteilseigner nach deren Vereinbarung oder den allgemeinen Common Law-Regeln bestimmt werden.416 Dies betrifft auch Anteile an einem einzigen unteilbaren Gegenstand, wie etwa einem Pferd.417 Daher sind Gattungs- und Vorratsschulden stets vom Kauf von Bruchteilen einer identifizierten Menge zu unterscheiden. Bei den Kaufverträgen über unascertained goods handelt es sich um agreements to sell im Sinne von s. 2(5) SGA 1979, weil der Eigentumsübergang ja erst in der Zukunft stattfinden soll, wenn der Kaufgegenstand identifiziert ist.418 Ausgangspunkt für den Eigentumsübergangs an unascertained goods ist, dass gem. s. 16 SGA 1979 das Eigentum an der Kaufsache nicht übergehen kann, bevor diese identifiziert ist. Die Identifikation der Kaufsache bewirkt also den Eigentumsübergang und ist zugleich Konkretisierung in dem Sinne, dass sich das Schuldverhältnis auf die identifizierte Kaufsache be-
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So auch schon Brown, Jurid. Rev. 17 (1905), 221, 224. Vgl. hierzu nur Atiyah/Adams/MacQueen, The Sale of Goods, 2005, 85. 415 Diese Erweiterung wurde erst 1995 in s. 61(1) SGA 1979 aufgenommen, um den Bedürfnissen der Praxis Rechnung zu tragen, die bis dahin dem Käufer von Anteilen an einer ungeteilten Menge keine insolvenzfeste Position gegenüber dem Verkäufer einräumen konnte, vgl. Burns, MLR 59 (1996), 260–271, 261. Zu der Reform vgl. auch unten, Text bei Fn. 429 bis 435. 416 Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 4. Aufl. 2009, 245–246. 417 Vgl. dazu Report of the Law Commission, Sale of Goods forming Part of a Bulk (Law Com No. 215), 1993, 30. 418 Preston v Albuery [1964] 2 Q.B.796, 804. 414
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schränkt.419 Auch die Regel in s. 16 SGA ist eine Kodifikation des bereits vor 1893 geltenden Common Law.420 Die Identifizierung der Kaufsache erfordert, dass ein konkreter Gegenstand dem Kaufvertrag in Übereinstimmung mit dessen Bedingungen zugeordnet wird.421 Erfolgt eine solche Zuordnung durch den Verkäufer oder den Käufer und ist diese unbedingt und die Kaufsache in einem lieferbaren Zustand, geht die property an der Kaufsache gem. s. 18 Regel 5(1) SGA 1979 im Moment der Zuordnung auf den Käufer über. Die Zuordnung ist dann unbedingt, wenn sie unwiderruflich erfolgt und der Verkäufer damit seine letzte vertragliche Hauptpflicht erfüllt hat.422 Was genau für eine unbedingte Zuordnung erforderlich ist, hängt also vom konkreten Kaufvertrag ab. So geht etwa das Eigentum an einer Flasche Bier, die der Besucher eines Clubs an der Theke kauft, in dem Moment auf den Besucher über, in dem der Barkeeper eine bestimmte Flasche aus seinem Vorrat auswählt und dem Vorrat entnimmt.423 Keine unwiderrufliche Zuordnung unter abschließender Pflichterfüllung erfolgt dagegen, wenn sich der Verkäufer Rechte an der Kaufsache vorbehält, wie etwa gem. s. 19(1) SGA 1979. Einen Spezialfall der unbedingten Zuordnung enthält s. 18 Regel 5(2) SGA 1979. Wenn noch keine vorherige unbedingte Zuordnung erfolgt ist und die Absicht der Parteien dem nicht entgegensteht, gelten nach dieser Vorschrift die Lieferung der Kaufsache an den Käufer oder die Übergabe an eine Transportperson, die auf Seiten des Käufers agiert,424 als unbedingte Zuordnung der Kaufsache zum Vertrag.425 419
Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 245–246; vgl. dazu ausführlich unten B.III.2.b). 420 Vgl. etwa Lord Cotton in Mirabita v Imperial Ottoman Bank (1878) 3 Ex. D. 164, 172: „Under a contract for sale of chattels not specific the property does not pass to the purchaser unless there is afterwards an appropriation of the specific chattels to pass under the contract.“ 421 Vgl. Lord Atkin in Re Wait [1927] 1 Ch. 606, 630. Es reicht nicht, dass der Verkäufer dem Käufer versichert, dass eine solche Zuordnung erfolgt ist; diese muss vielmehr tatsächlich stattgefunden haben, vgl. Re Goldcorp Exchange Ltd. [1995] 1 A.C. 74, 92; dazu Sealy, CLJ 53 (1994), 443–446. 422 Carlos Federspiel & Co. SA v Charles Twigg & Co. Ltd. [1957] 1 Lloyd’s Rep. 240, 255–256; ähnlich auch schon vor Geltung des SGA Lord Cotton in Mirabita v Imperial Ottoman Bank (1878) 3 Ex. D. 164, 172. Dies weist Parallelitäten zur Leistung des „seinerseits Erforderlichen“ durch den Schuldner gem. § 243 Abs. 2 BGB auf. 423 R. (on the application of Valpak Ltd.) v Environment Agency [2002] Env. L.R. 36, Rn. 33. 424 Zum Erfordernis des Agierens auf Seiten des Käufers vgl. Badische Anilin und Soda Fabrik v Basle Chemical Work [1898] A.C. 200, 206–207. 425 Das gilt ungeachtet s. 32(4), 1 SGA 1979, die den Verbraucher nur vor einem Gefahr-, nicht aber vor einem Eigentumsübergang schützen sollen, vgl. Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 262.
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Gem. s. 18 Regel 5(1) SGA 1979 löst die unbedingte Zuordnung der Kaufsache zum Vertrag den Eigentumsübergang nur aus, wenn sie mit Zustimmung der jeweils anderen Partei erfolgt. Die Zustimmung kann auch im Voraus erteilt werden.426 Erfolgt die Zustimmung nachträglich, geht das Eigentum an der Kaufsache erst im Moment der Zustimmung über. Dabei kann die Zustimmung auch konkludent erklärt werden, etwa indem die Kaufsache von einem Vertreter des Käufers verladen wird.427 Das Zustimmungserfordernis in s. 18 Regel 5(1) spiegelt letztlich wider, dass der Eigentumsübergang aufgrund des Konsenses der Parteien erfolgt.428 Nach der ursprünglichen Fassung des SGA 1893 und auch des SGA 1979 konnte die Kaufsache nicht als Teilmenge einer größeren, einheitlichen Menge, sondern nur als Menge bestimmter Gegenstände identifiziert werden. Dies führte wie auch nach dem deutschen sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz dazu, dass beim Gattungskauf der Käufer erst nach der Individualisierung der Kaufsache Eigentum erwerben konnte. So etwa hatte in Re Wait429 der Käufer von 500 Tonnen Weizen, die sich auf einem Schiff befanden, das insgesamt 1000 Tonnen Weizen geladen hatte, gegen den vor dem Entladen des Schiffes insolvent gewordenen Verkäufer kein Aussonderungsrecht: Da seine 500 Tonnen in der Gesamtheit der 1000 Tonnen nicht identifizierbar waren, war er nicht Eigentümer der 500 Tonnen aus dem Vorrat geworden, obwohl er im Besitz der Ladepapiere war und den Kaufpreis bereits gezahlt hatte. Dem Käufer bei Gattungs- oder Vorratskauf standen zudem vor Identifizierung als Nichteigentümer auch keine Schadensersatzforderungen wegen Beschädigung der Kaufsache zu.430 Diese schwache Position des Käufers beim Gattungs- und Vorratskauf brachte neben dem Insolvenzrisiko des Verkäufers für den Käufer mit sich, dass ihm die Kaufsache vor deren Identifizierung nicht als Sicherungsgut gegenüber seinen Kreditgebern zur Verfügung stand.431 426 So erklärte etwa in Pletts v Beattie der Käufer bei einer Bierbestellung per Postkarte gegenüber der Brauerei: „I assent to the appropriation by you to this order at your brewery of goods of the above description and in a deliverable state” ([1896] 1 Q.B. 519, 520). Die Zustimmung führte zum Eigentumsübergang im Moment der Adressierung und Verpackung der Bierflaschen in der Brauerei, also im Zuordnungszeitpunkt. 427 Wardar’s (Import & Export) Co. Ltd. v W Norwood & Sons Ltd. [1968] 2 Q.B. 663, 673. 428 Vgl. Worthington, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 57–105, 74; allerdings erfordert dieser Zuordnungskonsens keine Einigung im klassischen Sinne von Angebot und Annahme, Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 248. 429 [1927] 1 Ch. 606 430 Leigh & Sillivan Ltd. v Aliakmon Shipping Co. Ltd. (The Aliakmon) [1986] A.C. 785, 809, auch nicht aus Deliktsrecht, vgl. Burns, MLR 59 (1996), 260–271, 261. 431 Burns, MLR 59 (1996), 260–271, 261.
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Als Antwort auf diese Schwierigkeiten und um den Bedürfnissen der Praxis Rechnung zu tragen, wurden die Regeln zum Eigentumsübergang an Anteilen einer ungeteilten Menge durch den Sale of Goods (Amendment) Act 1995 geändert: Zum einen wurde die bereits erwähnte Erweiterung der Definition von specific goods in s. 61(1) des SGA vorgenommen, so dass Bruchteile einer ungeteilten Menge als specific gelten.432 Falls also Mengenanteile und nicht eine Menge einzelner Gegenstände verkauft werden sollen, kann daher das Eigentum an den Bruchteilen der ungeteilten Menge, die dann deliverable ist, gem. s. 18 Regel 1 SGA 1979 schon bei Vertragsschluss auf den Käufer übergehen.433 Zum anderen wurde s. 16 SGA 1979, der den Eigentumsübergang an unascertained goods verhindert, abgemildert: Erstens sehen s. 18(3) und (4) SGA 1979 nunmehr vor, dass ein Käufer, der als einziger eine Teilmenge eines größeren identified bulk gekauft hat, in dem Moment Eigentümer der Teilmenge wird, in dem das bulk auf die Größe der Teilmenge oder darunter reduziert wird. Bulk wird in s. 61(1) SGA definiert als „mass or collection of goods of the same kind which (a) is contained in a defined space or area; and (b) is such that any goods in the bulk are interchangeable with any other goods therein of the same number or quantity“. Der bulk ist identifiziert, wenn aus der Vereinbarung der Parteien ersichtlich ist, welche Sachen auf welchem Raum vom Vertrag erfasst sind. Haben mehrere Käufer Teilmengen eines identified bulk gekauft und den Kaufpreis hierfür jeweils bereits entrichtet,434 bestimmt zweitens s. 20A SGA 1979, dass die Käufer und – sofern nicht alle Elemente der Menge verkauft sind – der Verkäufer Miteigentümer nach Bruchteilen daran werden. Das Verhältnis der Miteigentümer wird durch s. 20B SGA 1979 ausgestaltet. Die Gesetzesänderungen halfen den praktischen Problemen des Gattungs- und Vorratskaufs ab. Denn sie bewirkten, dass der Käufer bei Gattungs- und Vorratsschulden schon vor Identifizierung des Kaufgegenstands eine insolvenzfeste Position gegenüber dem Verkäufer haben kann.435
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Vgl. oben, Text bei Fn. 415–417. Ähnlich im deutschen Recht, wo ziffernmäßig bestimmte Anteile an einer ungeteilten Menge gem. § 1008 BGB als Miteigentum an einer Sache ohne Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz übertragen werden können, vgl. Staudinger-Gursky, § 1008 Rn. 2; Bunte/Schimansky/Bruchner, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 95 Rn. 44. 433 Worthington, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 57–105, 65. 434 Geht der Käufer hinsichtlich des Kaufpreises nicht in Vorleistung, bleibt es bei der Position, dass er bis zur Identifikation seiner Teilmenge kein Eigentumsrecht daran erwirbt, Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2009, 242–243. 435 Burns, MLR 59 (1996), 260–271, 270.
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dd) Eigentumsübergang zum (vermuteten) vereinbarten Zeitpunkt Abschließend sei betont, dass alle Vermutungen in s. 18 SGA 1979 widerleglich sind. Haben die Parteien sich auf einen von den Vermutungen abweichenden Übergang der property geeinigt, ist dieser Zeitpunkt maßgeblich. Eine solche abweichende Vereinbarung liegt insbesondere vor, wenn sich der Verkäufer gem. s. 19(1) SGA 1979 das Verfügungsrecht an der Sache vorbehält. „S. 19 Reservation of right of disposal (1) Where there is a contract for the sale of specific goods or where goods are subsequently appropriated to the contract, the seller may, by the terms of the contract or appropriation, reserve the right of disposal of the goods until certain conditions are fulfilled; and in such a case, notwithstanding the delivery of the goods to the buyer, or to a carrier or other bailee or custodier for the purpose of transmission to the buyer, the property in the goods does not pass to the buyer until the conditions imposed by the seller are fulfilled.“
Die Vorschrift konkretisiert den gem. s. 17 SGA vorrangigen Parteiwillen436 und bestimmt, dass die property dann, wenn sich der Verkäufer das Verfügungsrecht über die Sache bis zum Eintritt bestimmter Bestimmungen vorbehält, nicht vor Eintritt dieser Bedingungen übergeht. Ein typisches Beispiel für eine solche Vereinbarung ist eine im Fall Romalpa437 in Rede stehende Klausel, welche lautet: „The ownership of the material to be delivered by A.I.V. [den Klägern] will only be transferred to purchaser when he has met all that is owing to A.I.V., no matter on what grounds. […] A.I.V. and purchaser agree that, if purchaser should make (a) new object(s) from the material, mixes this material with (an)other object(s) or if this material in any way whatsoever becomes a constituent of (an)other object(s) A.I.V. will be given the ownership of this (these) new object(s) as surety of the full payment of what purchaser owes A.I.V.“438 Diese Klausel erfüllt den wirtschaftlichen Zweck, ihren Verwender so weit wie möglich gegen das Risiko des Zahlungsausfalls nach Besitzverlust an der Kaufsache zu sichern, und das auch dann, wenn die Kaufsache weiterverarbeitet wird.439 Nach der Verarbeitung der Güter entsteht ein Treuhandverhältnis, durch das der Käufer trustee der Kaufsache wird und dem Verkäufer als beneficial owner der Nutzen der Kaufsache und insbesondere der Erlös aus deren Verarbeitung zusteht.440 Damit entspricht sie einem verlängerten Eigentumsvorbehalt mit Verarbeitungsklausel nach deutschem Recht. Weil das englische 436
Zum Verhältnis von s. 19 zu s. 17 SGA 1979 Bridge, The Sale of Goods, 1997, 98. Aluminium Industrie Vaassen B.V. v Romalpa Aluminium Ltd. [1976] W.L.R. 676. 438 Zu der Klausel und ihrer Auslegung durch Lord Roskill vgl. [1976] W.L.R. 676, 685–691. 439 [1976] W.L.R. 676, 688. 440 [1976] W.L.R. 676, 687–688. 437
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Recht aber kein Trennungsprinzip kennt, wird nicht das Eigentum selbst gesondert (also bedingt) übertragen, sondern im Kaufvertrag ein Verfügungsrecht vorbehalten, woran das Gesetz in s. 19 SGA 1979 dann in Widerlegung der Vermutungen in s. 18 SGA 1979 den verzögerten Eigentumsübergang knüpft. Die Klausel ist insbesondere deswegen vorteilhaft, weil sie dem Verkäufer im Vergleich zum Eigentumsübergang nach den Vermutungen in s. 18 SGA 1979 eine bessere Position im Insolvenzfall verschafft, indem die Kaufsache bei Eingreifen der Klausel nicht in die Insolvenzmasse fällt.441 Nachdem das House of Lords die Klausel in der Romalpa-Entscheidung für wirksam befunden und ihr die weitreichende Wirkung eines Treuhandverhältnisses beigemessen hatte, ist sie als Romalpa clause zur Standardklausel in Verkaufsbedingungen geworden.442 Bei Vorbehalt des Verfügungsrechts über die Kaufsache sind also die Vermutungen in s. 18 SGA 1979 widerlegt und property und Preisgefahr gehen erst nach Erfüllung aller Bedingungen des Vorbehalts über. Hat sich der Verkäufer keine Rechte an der Sache vorbehalten und ist das Eigentum nach den Vermutungen in s. 18 SGA 1979 bereits übergegangen, kann der Verkäufer die Kaufsache aber dennoch – wie vor dem SGA443 – gem. s. 39(1) lit. a SGA 1979 aufgrund eines gesetzlichen Sicherungspfandrechts (lien) bis zur Kaufpreiszahlung in seinem Besitz behalten – das Eigentum des Käufers an der Kaufsache berechtigt ihn in dieser Konstellation noch nicht zu deren Besitz. Ein solches lien gibt dem Verkäufer aber kein Eigentumsrecht an der Sache,444 so dass der Übergang von property und Preisgefahr davon unberührt bleibt. Der Verkäufer hat in diesen Fällen im Insolvenzverfahren dennoch eine recht sichere Position: Obwohl die property schon auf den Käufer übergegangen ist, kann er die Kaufsache so lange zurückbehalten, bis der trustee in bankruptcy des Käufers den Kaufpreis zahlt, wenn dieser Vertragserfüllung wählt.445 In Hinblick auf den Gefahrübergangszeitpunkt ist zum Übergang der property an der Kaufsache festzuhalten: Der Übergang der property beim Mobiliarkauf erfolgt nach dem Konsensualprinzip, also aufgrund des Vertrags zu dem von den Parteien beabsichtigten Zeitpunkt. Lässt sich dieser Zeitpunkt nicht durch eine – von der Rechtsprechung im Sinne einer Verzögerung des Übergangs regelmäßig sehr großzügig vorgenommenen – Auslegung des Kaufvertrags ermitteln und hat sich der Verkäufer insbesondere nicht das 441
Bridge, The Sale of Goods, 1997, 104. Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 288; vgl. auch Bridge, The Sale of Goods, 1997, 104. 443 Vgl. oben, Text bei Fn. 385. 444 Atiyah/Adams/MacQueen, The Sale of Goods, 2005, 453. 445 Merrett, in: Beale, Chitty on Contracts, Band 2, 32. Aufl. 2015, 1929–2165, 2073–2074. 442
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Verfügungsrecht an der Kaufsache vorbehalten, ist der Übergangszeitpunkt anhand der widerleglichen Vermutungen in s. 18 SGA 1979 zu ermitteln. Dabei erfordert der Eigentumsübergang grundsätzlich eine Individualisierung der Kaufsache zumindest als Bruchteil einer individualisierten Menge. 2. Die Gefahrtragung nach dem Sale of Goods Act 1979 An den Übergang der property knüpft die Grundregel zum Gefahrübergang in s. 20(1) SGA 1979 an. Die Funktionsweise dieser Anknüpfung soll im Folgenden beleuchtet werden, indem für verschiedene Konstellationen des Kaufs der Gefahrübergangszeitpunkt nach dem SGA 1979 ermittelt wird. Dabei werden zunächst störungsfrei abgewickelte Kaufverträge und danach die Auswirkungen von Pflichtverletzungen der Parteien betrachtet. a) Spezieskauf Zunächst sollen Varianten des Spezieskaufs untersucht werden. Beim Spezieskauf geht es grundsätzlich nur um den Übergang der Preisgefahr, weil nach Unmöglichkeitsrecht die Sachgefahr schon ab Vertragsschluss den Käufer trifft.446 aa) Übergabe der Kaufsache am Sitz des Verkäufers Ausgangspunkt ist der Kaufvertrag, nach dem der Käufer verpflichtet ist, die im Vertrag identifizierte Ware beim Verkäufer abzuholen. Letzteres ist in Ermangelung abweichender Vereinbarungen regelmäßig der Fall, denn gem. s. 29(1) und (2) SGA 1979 liegt der Übergabeort der Ware am Geschäftsbzw. Wohnsitz des Verkäufers, sofern im Vertrag nichts anderes geregelt wurde. In diesen Fällen geht die Preisgefahr – sofern die Parteien nicht einen anderen Gefahrübergangszeitpunkt vereinbart haben – gem. s. 20(1) SGA 1979 mit der property auf den Käufer über. Die property wiederum geht gem. s. 17(1) SGA 1979 zum von den Parteien beabsichtigten Zeitpunkt über. Lässt sich ein solcher Zeitpunkt nicht ermitteln, greifen die widerleglichen Vermutungen in s. 18 SGA 1979 ein. Danach gilt Folgendes: Handelt es sich um einen unbedingt abgeschlossenen447 Kaufvertrag, bei dem sich die Sache in einem lieferbaren Zustand befindet, geht die Preisge446
Vgl. auch oben, Text bei Fn. 231. Beim aufschiebend bedingten Kauf geht die Gefahr frühestens bei Eintritt der Bedingung über, allerdings wird in der Regel parallel ein Verwahrungsverhältnis mit einer entsprechenden Haftung des Käufers vereinbart, Sealy, CLJ 31 (1972), 225–247, 240. Beim auflösend bedingten Kauf geht die Gefahr nach den allgemeinen Regeln über und trifft bis zum späteren Bedingungseintritt zunächst den Käufer, es sei denn, die Parteien 447
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fahr schon mit Vertragsschluss auf den Käufer über, s. 18 Regel 1 SGA 1979. Belässt der Käufer die Kaufsache nach Vertragsschluss noch beim Verkäufer, geschieht das auf seine Gefahr. Das erscheint insofern interessengerecht, als die Kaufsache in einem lieferbaren Zustand und damit auch abholbar ist, so dass es allein in der Macht des Käufers liegt, sich den Besitz an der Sache zu verschaffen. Damit trägt die Gefahrtragung dem Zurechnungskriterium Rechnung, dass alle jetzt noch eintretenden Verzögerungen der Vertragsabwicklung aus der Sphäre des Käufers stammen. Muss der Verkäufer die Abholung der Kaufsache erst noch ermöglichen, indem er sie in einen lieferbaren Zustand versetzt oder ein der Preisbestimmung dienendes Zumessungserfordernis erfüllt, verschiebt sich der Übergang von property und Gefahr gem. s. 18 Regel 2 bzw. 3 SGA 1979 dementsprechend nach hinten. In diesen Fällen liegt es noch nicht allein in der Macht des Käufers, sich den Besitz an der Sache zu verschaffen, so dass es nach Zurechnungsgesichtspunkten gerechtfertigt ist, die Preisgefahr bis zur Vornahme der erforderlichen Handlungen noch beim Verkäufer zu belassen. Hat sich der Verkäufer das Verfügungsrecht an der Kaufsache vorbehalten, sind die Vermutungen aus s. 18 SGA 1979 widerlegt und property und Gefahr gehen gem. s. 19(1) SGA 1979 erst bei Eintritt aller vom Verkäufer gestellten Bedingungen über. Damit geht die Gefahr in dieser Konstellation später über als im deutschen Recht, wo der Gefahrübergang gem. § 446 S. 1 BGB auch beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt bereits mit der Übergabe erfolgt.448 Allerdings trägt auch das englische Recht der besonderen Interessenlage beim Eigentumsvorbehalt Rechnung: Der Käufer, auf den aufgrund eines Vorbehalts des Verfügungsrechts durch den Verkäufer noch nicht die Preisgefahr übergegangen ist, haftet gegenüber dem Verkäufer in der Regel als Verwahrer (bailee) der Kaufsache (s. 20(3) SGA 1979).449 Die – u.U. durch das bailment abgemilderte – fortgesetzte Gefahrtragung des Vorbehaltsverkäufers im englischen Recht ist Kehrseite seiner insolvenzfesten Position, in der er bei Bestehen eines Treuhandverhältnisses auch von den Vorteilen der Kaufsache profitiert.450 Dagegen hat das lien des hinsichtlich des Kaufpreises noch nicht befriedigten Verkäufers (s. 39, 41 SGA 1979) keine Auswirkungen auf den Übergang von property und Gefahr, obwohl es dem Verkäufer auch eine sichere Position in der Insolvenz verschafft.451 Es ist für den Verkäufer daher mit Blick auf die Preisgefahr günstiger, die Sache in seinem Besitz zu behalten und von seinem lien Gebrauch zu machen, als sich wollen die Wirkungen des Bedingungseintritts auf den Vertragsschluss zurückbeziehen, Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 317–318. 448 Vgl. unten, Kapitel 3, Text bei Fn. 560–566. 449 Vgl. Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 107–130, 126. 450 Vgl. hierzu oben B.III.1.c)dd). 451 Ebd.
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das Verfügungsrecht an der Sache vorzubehalten. Allerdings würde dies den wirtschaftlichen Bedürfnissen beim Kauf nicht gerecht, da der Käufer meist möglichst bald mit der Kaufsache wirtschaften möchte und sich dazu in deren Besitz befinden muss. Bei Kaufverträgen mit Leistungsort am Sitz des Verkäufers geht also in Ermangelung abweichender Vereinbarungen die Gefahr regelmäßig bei Vertragsschluss auf den Käufer über – bei späterer Abholbarkeit der Kaufsache erfolgt der Gefahrübergang bei Eintritt derselben und bei Vorbehalt des Verfügungsrechts über die Sache durch den Verkäufer bei Eintreten der entsprechenden Bedingungen. Ab diesem Zeitpunkt muss der Käufer den Kaufpreis jedenfalls zahlen, auch wenn er die Kaufsache nicht in Händen hält. bb) Transport der Kaufsache zum Käufer Haben sich die Parteien eines Spezieskaufs geeinigt, dass die Kaufsache zum Käufer transportiert werden soll (s. 29(1) SGA 1979), und haben sie dabei zur Gefahrtragung nichts vereinbart, gelten prima facie dieselben Regeln wie bei Kaufverträgen mit Leistungsort am Sitz des Verkäufers. Demnach gehen property und Gefahr grundsätzlich bei Vertragsschluss (s. 20(1) i.V.m. s. 18 Regel 1 SGA 1979) und bei späterem Eintritt eines lieferbaren Zustands der Kaufsache dementsprechend später über. Genauso verschiebt sich bei Vorbehalt des Verfügungsrechts an der Kaufsache durch den Käufer der Zeitpunkt des Gefahrübergangs gem. s. 19(1) SGA 1979 nach hinten. Übergang der property und Gefahrübergang sind also grundsätzlich unabhängig vom Leistungsort.452 Allerdings kann sich aus der Vereinbarung der Parteien über den Transport ausdrücklich oder konkludent ergeben, dass die Kaufsache auf Gefahr des Käufers versandt wird. Eine konkludente Übernahme der Gefahr durch den Käufer während des Transports erfolgt etwa bei Kaufverträgen von Ware, die ex ship453 geliefert wird,454 oder bei Vereinbarung einer Bringschuld (arrival contract).455 Dagegen kann aus dem Umstand, dass die Zahlung des Kaufpreises erst im Zeitpunkt des Eintreffens der Ware beim Käufer geschuldet ist, nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass der Verkäufer während des 452 Vgl. dazu Lord Bankes in Underwood Ltd. v Burgh Castle Brick & Cement Syndicate [1922] 1 K.B. 343, 344–345: „A man may select and agree to buy a hat and the shopman may agree to deliver it at the buyer’s house. There notwithstanding the obligation to deliver the hat, the property passes at the time of the contract.” 453 Incoterm-Code (2000) DES. 454 Treitel, in: Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 9. Aufl. 2014, 1893–1982, 1903. Vgl. auch The North of England Pure Oil-Cake Company v The Archangel Maritime Insurance Company (1875) L.R. 10 Q.B. 249, 254. 455 Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 327.
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Transports noch die Preisgefahr trägt. Um aus der Vereinbarung eines Zahlungszeitpunkts eine Übernahme der Transportgefahr durch den Verkäufer ableiten zu können, müssen nach der Rechtsprechung vielmehr weitere Umstände hinzukommen, wie die Vereinbarung, dass der Preis überhaupt nur dann geschuldet ist, wenn die Ware jemals beim Käufer eintrifft.456 Hat der Verkäufer die Gefahr während des Transports übernommen und liegt sie aus anderen Gründen – etwa weil die Kaufsache während des Transports noch nicht in lieferbarem Zustand ist457 – für die Dauer des Transports noch bei ihm, greift s. 33(1) SGA 1979 ein.458 Die Vorschrift lautet: „Where the seller of goods agrees to deliver them at his own risk at a place other than that where they are when sold, the buyer must nevertheless (unless otherwise agreed) take any risk of deterioration in the goods necessarily incident to the course of transit.“
Demnach trägt der Käufer trotz der fortbestehenden Verkäufergefahrtragung solche Risiken, die dem Transport notwendigerweise innewohnen. Die Vorschrift basiert auf einer Entscheidung aus dem Jahr 1854,459 die folgenden Grundsatz aufstellte: „A manufacturer who contracts to deliver a manufactured article at a distant place must, indeed, stand the risk of any extraordinary or unusual deterioration; but we think that the vendee is bound to accept the article, if only deteriorated to the extent that it is necessarily subject to in its course of transit from the one place to the other.“ Diese Risikozuweisung notwendiger Transportrisiken an den Käufer wird verständlich, wenn man sie im Zusammenhang mit der Entscheidung Beer v Walker460 betrachtet.461 In dem Fall waren verkaufte Hasen von London nach Brighton versandt worden. Die Hasen waren in London noch zum menschlichen Verzehr geeignet gewesen, in Brighton jedoch verfault und wertlos eingetroffen. Daher stand die Frage im Raum, wer die Verluste aus dem Verderb der Hasen zu tragen hatte. In diesem Fall war entschieden worden, dass der Verkäufer aufgrund einer implied warranty verpflichtet sei, die Ware so transportfertig zu machen, dass sie bei normalem Transportverlauf in marktüblichem Zustand – also im Falle der Hasen in verzehrbarem Zustand – beim 456
Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 326. Zu dieser Konstellation vgl. Underwood Ltd. v Burgh Castle Brick & Cement Syndicate [1922] 1 K.B. 343, wo die Kaufsache während des Transports in Einzelteile zerlegt war. 458 Zum Eingreifen dieser Vorschrift auch bei gesetzlicher Zuweisung der Transportgefahr an den Käufer vgl. Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 107–130, 129, Fn. 184 und Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 327–328. 459 Bull v Robison (1854) 10 Exchequer Reports 342; zur Kommentierung von s. 33 SGA 1893 herangezogen von Chalmers, SGA 1893, 1894, 66. 460 (1877) 46 L.J.Q.B. 677. 461 Zu diesem Zusammenspiel der Regeln vgl. Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 328 und Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2009, 278. 457
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Käufer ankommt.462 Unter Beachtung dieser Entscheidung sind solche notwendigen Transportrisiken von der Gefahrzuweisung an den Käufer in s. 33 SGA 1979 ausgenommen, die darauf zurückzuführen sind, dass der Verkäufer die Ware nicht der Regel in Beer v Walker entsprechend transportfertig gemacht hat. Das führt dazu, dass der Käufer letztlich nur die Gefahr von Verschlechterungen trägt, die auf solche dem Transport innewohnende Risiken zurückzuführen sind, die aufgrund für den Verkäufer nicht vorhersehbarer, außergewöhnlicher Umstände eintreten.463 Solche Umstände sind aufgrund der im Vergleich zum 19. Jahrhundert heute erheblich verbesserten Transportmöglichkeiten selten, man mag aber etwa an die Explosion von entzündlichem Material trotz Anwendung aller möglichen Sorgfalt oder die schuldlose Verwicklung eines Lastkraftwagens in einen Unfall denken.464 Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass sich der Gefahrübergang beim Kauf von zum Käufer zu transportierender Ware nach den allgemeinen Regeln richtet, also bei Vertragsschluss stattfindet bzw. bei erst später eintretendem lieferbaren Zustand der Ware oder bei Vorbehalt des Verfügungsrechts durch den Verkäufer dementsprechend später erfolgt. Liegt die Preisgefahr wegen eines solchen späteren gesetzlichen Gefahrübergangs oder aufgrund einer Vereinbarung der Parteien während des Transports noch beim Verkäufer, trägt gem. s. 33(1) SGA 1979 der Käufer trotzdem das Risiko solcher Verschlechterungen der Kaufsache, die dem Transport notwendigerweise innewohnen und nicht darauf zurückzuführen sind, dass der Verkäufer die Kaufsache nur unzureichend transportfähig gemacht hat. b) Gattungs- und Vorratskauf Beim Gattungskauf trägt nach Vertragsschluss zunächst der Verkäufer Sachund Preisgefahr: Der Untergang einzelner Sachen aus der Gattung befreit ihn nach der frustration-Doktrin nicht von seiner Pflicht, dem Käufer eine der verbliebenen Sachen der Gattung zu übereignen. Ebenso wenig ist der Käufer verpflichtet, für eine der untergegangenen Sachen aus der Gattung den Kaufpreis zu entrichten. Erst später, wenn sich das Schuldverhältnis auf eine Sache beschränkt, geht die Sachgefahr hinsichtlich dieser Sache auf den Käufer über. Wie sogleich zu zeigen sein wird, fällt mit diesem Konkretisierungszeitpunkt regelmäßig der Übergang der Preisgefahr zusammen. Lediglich bzgl. des Untergangs der ganzen Gattung bzw. des gesamten Vorrats trägt der Käufer auch beim Gattungs- und Vorratskauf schon ab Ver462
(1877) 46 L.J.Q.B. 677, 678. Bestätigt in Mash & Murrell Ltd. v Joseph I. Emanuel Ltd. [1961] 1 W.L.R. 862, die Entscheidung wurde aus anderen Gründen aufgehoben vom Court of Appeal in [1962] 1 W.L.R. 16 463 Mash & Murrell Ltd. v Joseph I. Emanuel Ltd. [1961] 1 W.L.R. 862, 871–872. 464 Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2009, 278.
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tragsschluss die Sachgefahr. Das ergibt sich nicht aus s. 7 SGA 1979, der einen Vertrag über specific goods voraussetzt und daher auf Gattungskäufe nicht anwendbar ist, sondern aus der frustration-Doktrin.465 Präzedenzfall hierfür ist Howell v Coupland.466 In diesem Fall hatte der Beklagte dem Kläger im März des Jahres 1872 200 Tonnen der Kartoffelernte verkauft, die er im Laufe des Sommers auf seinem Land in Whaplode anbauen und im September und Oktober ernten wollte. Im August kam es ohne Verschulden des Beklagten aufgrund einer Kartoffelkrankheit zu einem Ernteausfall, so dass insgesamt nur noch weniger als 80 Tonnen Kartoffeln geerntet werden konnten, die der Beklagte dem Kläger lieferte. Der Kläger nimmt den Beklagten daraufhin auf Schadensersatz wegen Nichtlieferung der restlichen 120 Tonnen Kartoffeln in Anspruch. Ein solcher Schadensersatzanspruch kommt nur dann in Betracht, wenn der Primäranspruch auf Lieferung der verbleibenden Kartoffeln nicht erloschen ist. Dieser Anspruch ist nicht auf bei Vertragsschluss existierende und identifizierbare Kartoffeln gerichtet, sondern auf Kartoffeln aus einem noch zu produzierenden Vorrat, nämlich dem Vorrat der auf dem Land in Whaplode im Sommer 1872 anzubauenden Kartoffeln. Dieser Vorrat ist wegen des Ernteausfalls teilweise nicht zur Entstehung gelangt. Das befreit den Beklagten nach Ansicht des Gerichts aufgrund der frustration-Doktrin von seiner Pflicht zur Leistung der noch ausstehenden Kartoffeln. Nachdem der Vorrat klar umrissen war und als solcher wegen des Ernteausfalls nicht in einer zur Befriedigung des Klägers ausreichenden Menge entstand, sei der Vertrag als Kaufvertrag über quasi-spezifische Sachen zu behandeln und es greife eine implied condition ein, dass der Beklagte wegen des unverschuldeten Ausfalls des Vorrats nicht mehr leisten müsse als die vorhandenen Kartoffeln.467 Lord Mellish wandte noch die in Taylor v Caldwell entwickelte Technik an, bei frustration mittels einer implied condition zu einer Befreiung der Parteien von ihren Leistungspflichten zu kommen. Hierzu bediente er sich ders dogmatischen Hilfsmittels einer quasi-spezifischen Sache. Aber auch das moderne Kriterium der radikalen Änderung der Verpflichtung468 führt bei Untergang der gesamten Gattung oder des gesamten Vorrats zu einer Befreiung des Verkäufers von seiner Leistungspflicht und damit zur Zuweisung der Sachgefahr an den Käufer: Denn der unverschuldete Untergang des bei Vertragsschluss in Bezug genommenen Vorrats macht die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung des Verkäufers zu einem Unterfangen, das sich grundle465 Zum Eingreifen der frustration-Doktrin bei Nichtverfügbarkeit der im Vertrag vereinbarten Bezugsquelle der Leistung vgl. auch Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014, 173–177 und Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2009, 268–269. 466 [1876] 1 Q.B.D. 258. 467 Lord Mellish [1876] 1 Q.B.D. 258, 262. 468 Vgl. dazu oben, A.I.2.a).
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gend von dem unterscheidet, zu dem er sich bei Vertragsschluss verpflichtet hat. Die Sachgefahr bzgl. des von keiner der Parteien verschuldeten Untergangs der gesamten Gattung trägt also der Käufer.469 Die Preisgefahr trägt dagegen der Verkäufer, weil der Eintritt von frustration auch den Käufer von seiner Pflicht zur Kaufpreiszahlung befreit. Abgesehen vom Untergang der ganzen Gattung oder des gesamten Vorrats ist jedoch der Zeitpunkt der Konkretisierung (appropriation) der Moment, in dem die Sachgefahr auf den Käufer übergeht. Im Folgenden soll die Funktion des appropriation-Zeitpunkts für den Übergang der Sachgefahr beleuchtet und untersucht werden, in welchem Verhältnis dieser Zeitpunkt zum Moment des Übergangs der Preisgefahr steht. aa) Sach- und Preisgefahrübergang bei Konkretisierung Unter welchen Voraussetzungen sich das Schuldverhältnis auf eine bestimmte Sache konkretisiert, ist im SGA 1979 im Zusammenhang mit den Vermutungen zum Übergang der property geregelt, nämlich in s. 18 Regel 5. Nach s. 18 Regel 5(1) muss hierzu eine unbedingte Zuordnung einer Sache zum Kaufvertrag (unconditional appropriation) durch eine der beiden Vertragsparteien mit Zustimmung der jeweils anderen Partei erfolgen.470 Ist dies geschehen, so ist der Verkäufer gebunden, genau diese dem Vertrag zugeordnete Sache an den Käufer zu liefern.471 Geht diese Sache unter, wird der Verkäufer zwar mangels Kaufvertrags über specific goods nicht gem. s. 7 SGA 1979, wohl aber nach der frustration-Doktrin von seiner Pflicht zur Leistung dieser dem Vertrag zugeordneten Sache befreit;472 die Sachgefahr geht somit im Moment der Zuordnung auf den Käufer über.473 469 Dagegen ist es strittig, was gilt, wenn nicht der gesamte Vorrat untergeht, sondern der Vorrat infolge eines teilweisen zufälligen Untergangs nicht zur Befriedigung mehrerer Gläubiger ausreicht. Während im deutschen Recht grundsätzlich eine Pflicht des Gläubigers zur Repartierung des restlichen Vorrats unter den Gläubigern angenommen wird (vgl. Kapitel 3, Text bei Fn. 312–331), wird im englischen Recht sowohl eine freie Wahlmöglichkeit des Schuldners zur Befriedigung einzelner Gläubiger als auch der Ausschluss jeglicher Befreiungswirkung aufgrund von frustration diskutiert, vgl. nur Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 344–345. 470 Vgl. dazu oben, Text bei Fn. 419 bis 428. 471 Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014, 93. Anders als im deutschen Recht gem. § 243 Abs. 2 BGB muss der Schuldner also über diese unwiderrufliche Zuordnung hinaus keine weiteren Pflichten erfüllt haben. 472 Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014, 93. 473 Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Vertrag ausnahmsweise so auszulegen ist, dass der Verkäufer eine erneute Zuordnung einer Sache zum Vertrag vornehmen darf und muss und der Käufer daher noch nicht die Sachgefahr trägt, Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014, 94–96.
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Haben die Parteien keine abweichende Vereinbarung zum Eigentums- oder Gefahrübergang getroffen, markiert der appropriation-Zeitpunkt auch den Übergangszeitpunkt für die Preisgefahr: Diese knüpft gem. s. 20(1) SGA 1979 an den Übergang der property an, die in Ermangelung eines abweichenden Parteiwillens gem. s. 18 Regel 5(1) mit der unbedingten Zuordnung einer Sache zum Vertrag auf den Käufer übergeht. Daher schuldet der Käufer ab dem Zeitpunkt der appropriation unabhängig vom weiteren Schicksal der Kaufsache dem Verkäufer die Zahlung des Kaufpreises. Besonderheiten ergeben sich, wenn die Kaufsache nicht am Sitz des Verkäufers übergeben wird, sondern zum Käufer transportiert wird. In der Regel wird die Konkretisierung dann nämlich nicht durch einen gesonderten Zuordnungsakt nach s. 18 Regel 5(1) SGA 1979, sondern uno actu mit der Übergabe an den Beförderer erfolgen. Hierfür trifft s. 18 Regel 5(2) SGA 1979 eine Regelung: „(2) Where, in pursuance of the contract, the seller delivers the goods to the buyer or to a carrier or other bailee or custodier (whether named by the buyer or not) for the purpose of transmission to the buyer, and does not reserve the right of disposal, he is to be taken to have unconditionally appropriated the goods to the contract.“
Demnach gilt nicht nur die Lieferung der Kaufsache an den Käufer, sondern auch die Übergabe an eine Transportperson oder an eine Person, welche die Kaufsache für den Käufer verwahrt, als Konkretisierung des Schuldverhältnisses, sofern sich der Verkäufer kein Recht an der Sache vorbehält. Ratio dessen ist, dass die Transportperson oder der Verwahrer für den Zweck der Übergabe als Vertreter des Käufers angesehen werden, so dass durch die Übergabe der Kaufsache an sie eine appropriation erfolgen und die property auf den Käufer übergehen kann.474 Wenn allerdings die Transportperson in einer besonderen Beziehung zum Verkäufer steht, so dass sie als dessen Vertreter angesehen werden kann, erfolgt in aller Regel noch keine appropriation und kein Übergang der property im Moment der Übergabe der Kaufsache an sie.475 Dies wird indes der Ausnahmefall sein; vor allem vor dem Hintergrund, dass s. 18 Regel 5(2) SGA 1979 im Zusammenhang mit s. 32 SGA 1979 zu lesen ist, die lautet: „(1) Where, in pursuance of a contract of sale, the seller is authorised or required to send the goods to the buyer, delivery of the goods to a carrier (whether named by the buyer or not) for the purpose of transmission to the buyer is prima facie deemed to be a delivery of the goods to the buyer.
474
Wait and another v Baker (1849) 2 Exch. 1, 7; vgl. dazu auch Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 262. 475 Lord Herschell in Badische Anilin und Soda Fabrik v Basle Chemical Works [1898] A.C. 200.
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(2) Unless otherwise authorised by the buyer, the seller must make such contract with the carrier on behalf of the buyer as may be reasonable having regard to the nature of the goods and the other circumstances of the case; and if the seller omits to do so, and the goods are lost or damaged in course of transit, the buyer may decline to treat the delivery to the carrier as a delivery to himself or may hold the seller responsible in damages.“
Nach s. 32(1) SGA 1979 ist bei einem Versendungskauf die Übergabe der Ware an eine Transportperson nicht nur im Kontext von s. 18 SGA 1979, sondern im Allgemeinen als Übergabe an den Käufer anzusehen. Diese weitreichende Risikozuweisung an den Käufer wird durch s. 32(2) SGA 1979 eingeschränkt: Danach gilt die Fiktion der Lieferung an den Käufer durch Übergabe an die Transportperson nur, wenn der Verkäufer mit der Transportperson einen solchen Beförderungsvertrag abgeschlossen hat, der angesichts der Art der Ware und der übrigen Umstände angemessen erscheint. Ob das der Fall ist, muss anhand einer Einzelfallbetrachtung unter Beachtung von Handelsbräuchen entschieden werden.476 In manchen Fällen tritt die Unangemessenheit offen zu Tage, so etwa in einem Fall,477 in dem der Verkäufer einen Transportvertrag über die Beförderung der Ware auf Gefahr des Käufers abgeschlossen hatte, obwohl er zum selben Preis einen Transportvertrag auf Gefahr des Transporteurs hätte abschließen können. Ein für die Beurteilung der Angemessenheit des Transportvertrags relevanter Aspekt ist nämlich, inwiefern der Käufer Ansprüche gegen den Transporteur bei Beschädigung der Ware hat. Angesichts der Sicherung der Käuferinteressen gem. s. 32(2) SGA 1979 wird der Transporteur nur in besonderen Ausnahmefällen als Vertreter des Verkäufers einzuordnen sein, so dass die Übergabe der Kaufsache an ihn in aller Regel auch als Übergabe an den Käufer gelten wird. Beim Versendungskauf erfolgt also die Konkretisierung des Schuldverhältnisses auf eine Sache und damit der Übergang der Sachgefahr gem. s. 18 Regel 5(2) SGA 1979 mit der Übergabe der Ware an die Transportperson, es sei denn, dass der vom Verkäufer abgeschlossene Transportvertrag der Art der Ware und den Umständen nicht angemessen ist, s. 32(2) SGA 1979. In Ermangelung einer abweichenden Vereinbarung der Parteien geht in diesem Moment der Übergabe der Kaufsache an die Transportperson gem. s. 17, 18 Regel 5(2) SGA 1979 auch die property und damit gem. s. 20(1) SGA 1979 auch die Preisgefahr auf den Käufer über. Zusätzlich ist allerdings die Regel aus Beer v Walker478 zu beachten, wonach der Verkäufer aufgrund einer implied warranty verpflichtet ist, die Ware so transportfertig zu machen, dass sie bei normalem Transportverlauf in marktüblichem Zustand beim Käufer 476
Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2009, 279. Thomas Young & Sons v Hobson and Partner (1949) 65 T.L.R. 365; vgl. dazu Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 431. 478 (1877) 46 L.J.Q.B. 677; vgl. zu der Regel oben, Text bei Fn. 460 bis 464. 477
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ankommt. Verluste, die aus einer Beschädigung der Kaufsache aufgrund unzureichender Vorbereitetung der Ware für den Transport durch den Verkäufer resultieren, sind daher von diesem zu tragen und somit nicht vom Übergang der Preisgefahr auf den Käufer erfasst. Eine letzte Art der Konkretisierung des Schuldverhältnisses auf eine bestimmte Ware ist die Zuordnung der Ware zu einem Vorratskaufvertrag durch Reduktion des Vorrats auf die verkaufte Menge oder darunter (s. 18 Regel 5 (3–4) SGA 1979).479 Ist keine abweichende Regelung zwischen den Parteien getroffen, gehen in diesem Moment der Reduktion des Vorrats die Sachgefahr und die property sowie gem. s. 20 (1) SGA 1979 die Preisgefahr auf den Käufer über. Im Regelfall gehen beim Gattungskauf also Sach- und Preisgefahr im Moment der Konkretisierung auf den Käufer über. Diese erfolgt durch gesonderten unbedingten Zuordnungsakt oder durch Übergabe der Sache an einen Transporteur oder durch Reduktion eines Vorrats auf die verkaufte Menge. bb) Gefahrtragung des Käufers schon vor Konkretisierung Die Parteien können vereinbaren, dass Sach- und Preisgefahr schon vor Konkretisierung durch den Käufer getragen werden sollen. Präzedenzfall hierfür ist Sterns v Vickers:480 Die Beklagten hatten den Klägern 120.000 Tonnen Terpentinersatz aus einem Vorrat von 200.000 Tonnen verkauft, den sie im Ganzen in einem Tank eines Lagerhalters eingelagert hatten. Die Kläger schlossen wenige Tage später einen Kaufvertrag über diesen Terpentinersatz mit einem Abnehmer. Der Lagerhalter stellte den Beklagten einen Abholberechtigungsschein für den Terpentinersatz aus, den diese an die Kläger und die Kläger an ihren Abnehmer weiterreichten. Der Abnehmer wünschte aber nicht, den Terpentinersatz abzuholen, sondern vereinbarte mit dem Lagerhalter die weitere Lagerung des Terpentinersatzes in dem Tank gegen eine Lagergebühr. In der Folge verlor der Terpentinersatz durch Verdunstung an Qualität und Wert und entsprach bei Abholung durch den Abnehmer nach einigen Monaten nicht mehr der in den Kaufverträgen zwischen Beklagten und Klägern und zwischen Klägern und Abnehmer vereinbarten Qualität. Nachdem der Abnehmer die Kläger auf Schadensersatz in Anspruch genommen hatte, machten diese Ersatz ihres Haftungsschadens gegenüber den Beklagten geltend. Entscheidend für den Erfolg der Klage war, ob die Kläger oder die Beklagten das Risiko der Verschlechterung des Terpentinersatzes trugen. Die Richter waren sich einig, dass unabhängig von der erst später erfolgten Aussonderung der 120.000 Tonnen Terpentinersatz aus dem Tank das Risiko dessen 479 480
Vgl. dazu oben, Text bei Fn. 433. [1923] 1 K.B. 78; dazu D. E. P. E., CLJ 2 (1924), 80–82.
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Verschlechterung bereits ab Erhalt des Abholberechtigungsscheins bei den Klägern gelegen habe.481 Zwar konnte die property an dem Terpentinersatz mangels Konkretisierung des Schuldverhältnisses auf bestimmtes Terpentin aus dem Tank noch nicht auf die Kläger übergehen.482 Allerdings hätten die Beklagten bei Übergabe des Abholberechtigungsscheins an die Kläger ihre kaufvertraglichen Verpflichtungen vollständig erfüllt, weil die Kläger den Terpentinersatz jederzeit hätten abholen können.483 Daher sei auch schon die Gefahr der Verschlechterung des Terpentinersatzes mit der Übergabe des Abholberechtigungsscheins auf die Kläger übergegangen.484 Dieses Ergebnis erscheint zwar insofern interessengerecht, als die Kläger mit dem Abholberechtigungsschein das Recht zum Besitz des Terpentinersatzes erworben hatten485 und weitere Entscheidungen über dessen Verbleib in ihrer Hand lagen. Allerdings entspricht diese Lösung nicht s. 20 SGA 1979. Die entsprechende Abweichung von s. 20 SGA 1979 muss daher durch eine konkludente Vereinbarung der Parteien begründet werden,486 wobei die Schwelle zur Annahme einer solchen Vereinbarung angesichts der sie indizierenden Interessenlage in den Augen der Gerichte gering ist. Den Richtern genügen als Anhaltspunkte die Übergabe des Abholberechtigungsscheins und die Tatsache, dass der Terpentinersatz auf Wunsch der Kläger bzw. deren Abnehmer nicht aus dem Tank ausgesondert wurde und diese Verzögerung der Aussonderung den gesetzlichen Gefahrübergang verhinderte.487 Die Parteien können sich demnach auch konkludent darauf einigen, dass der Käufer schon vor Konkretisierung der Kaufschuld Sach- und Preisgefahr tragen soll. Dies führt aber nur dann zu einer eindeutigen Risikotragung, wenn sich der gesamte Vorrat verschlechtert oder untergeht. Probleme ergeben sich, wenn die Verschlechterung nur einen Teil des Vorrats betrifft: Ist der Verkäufer dann verpflichtet, den Käufer aus dem noch intakten Teil des Vorrats zu befriedigen? Oder muss der Käufer wegen der Vereinbarung über den Gefahrübergang vor Konkretisierung gerade den verschlechterten Teil des Vorrats als Erfüllung annehmen? Soweit ersichtlich, gibt es zu dieser Situation noch keinen Präzedenzfall. Vor dem Hintergrund, dass der Käufer 481
[1923] 1 K.B. 78, 83 (Lord Bankes), 85 (Lord Scrutton). S. 16 SGA 1979 (genauso 1893). 483 [1923] 1 K.B. 78, 85. 484 Ebd. 485 Atiyah/Adams/MacQueen, The Sale of Goods, 2005, 355. 486 Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2009, 270. 487 Nicol, MLR 42 (1979), 129–142, 134; vgl. zur Auslegung des Parteiverhaltens bei der Vetragsabwicklung auch Lord Normand in Comptoir d’Achat et de Vente du Boerenbond Belge SA v Luis de Ridder Limitada (The Julia) [1949] A.C.293, 319: „[T]he buyer rather than the seller was seen to have an immediate and practical interest in the goods.“ 482
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mit der Vereinbarung über den verfrühten Gefahrübergang zwar das Risiko der Verschlechterung des von ihm gekauften Teils eines Vorrats, aber nicht das Risiko der Verschlechterung des ganzen Vorrats übernommen hat, erscheint es angemessen, dieser nur teilweisen Risikoübernahme dadurch Rechnung zu tragen, dass der Verkäufer den Käufer jeweils anteilig aus intaktem und verschlechtertem Vorrat befriedigt – also etwa bei Verschlechterung eines Viertels des gesamten Vorrats zu einem Viertel aus dem verschlechterten Vorrat und zu drei Vierteln aus dem intakten Vorrat.488 Dasselbe Problem der Gefahrtragung bei Verschlechterung eines Teils des Vorrats stellt sich, wenn mehrere Käufer Teilmengen eines bestimmten Vorrats gekauft und den Kaufpreis hierfür jeweils bereits entrichtet haben. Für diese Situation regelt s. 20A SGA 1979, dass die Käufer und – sofern nicht alle Elemente der Menge verkauft sind – der Verkäufer Miteigentümer des bestimmten Vorrats nach Bruchteilen werden.489 Die Käufer haben somit nach Kaufpreiszahlung property an einem ungeteilten Anteil des Vorrats. Prima facie geht in dieser Konstellation bei Anwendung von s. 20(1) SGA 1979 mangels abweichender Vereinbarung mit der property und der Sachgefahr an dem ungeteilten Anteil des Vorrats auch die Preisgefahr an dem Anteil auf den Käufer über. Dies führt bei Verschlechterung oder Untergang des ganzen Vorrats dazu, dass dem Verkäufer ein unveränderter Kaufpreisanspruch zusteht, während der Käufer das entsprechende Verschlechterungsoder Untergangsrisiko trägt. Bei Verschlechterung oder Untergang nur eines Teils des Vorrats stellt sich die gleiche Risikoverteilungsproblematik wie beim von den Parteien vereinbarten Gefahrübergang vor Konkretisierung. Das führt zu der Frage, ob die Problematik in diesem Kontext genauso gelöst werden kann wie beim vereinbarten Gefahrübergang vor Konkretisierung. Allerdings ist zunächst zweifelhaft, ob s. 20(1) SGA 1979 in der von s. 20A SGA 1979 geregelten Konstellation überhaupt anwendbar ist. Denn erstens gibt s. 20A SGA 1979 dem Käufer nicht endgültige property an bestimmter Ware, sondern nur ein temporäres Eigentumsrecht an einem ungeteilten Anteil, auf das sich s. 20(1) SGA 1979 möglicherweise gar nicht bezieht.490 Zweitens soll die Einräumung dieses temporären Eigentumsrechts den Käufer begünstigen und gem. s. 20B(3)(c) SGA 1979 die Rechte des 488 Ebenso, aber ohne Begründung Atiyah/Adams/MacQueen, The Sale of Goods, 2005, 355. Burns, MLR 59 (1996), 260–271, 268–269 leitet diese Lösung aus der Qualitätsbestimmung für den Miteigentumsanteil der Käufer in s. 20A(3) SGA 1979 her, welche die Qualität bei Übergang des Miteigentums in Bezug nimmt. Eine solche anteilige Gefahrtragung gilt aber nur, wenn eine Risikotragung des Käufers bereits vor Konkretisierung vereinbart wurde, i.Ü. kennt das englische Recht keine Repartierungspflicht des Schuldners, vgl. dazu oben, Fn. 469. 489 Vgl. dazu oben, Text bei Fn. 434. 490 Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2009, 280.
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Käufers aus dem Kaufvertrag unberührt lassen,491 weswegen man bzgl. des Gefahrübergangs die nach s. 20A SGA 1979 übergegangene property außen vor lassen könnte.492 Andererseits erscheint es merkwürdig, dass ein Verkäufer, der die property an der Kaufsache bereits an seine Käufer verloren und den Kaufpreis hierfür erhalten hat, weiter die Gefahr des zufälligen Untergangs der Kaufsache tragen soll. Die Frage wurde von der Rechtsprechung noch nicht entschieden. Die Literatur hält verschiedene Lösungsvorschläge dafür bereit: Einerseits wird vorgeschlagen, in Hinblick auf das allgemeine Prinzip res perit domino s. 20(1) SGA 1979 auf die property an dem ungeteilten Anteil gem. s. 20A SGA 1979 analog anzuwenden und so ohne Schwierigkeiten mit dem Gesetzeswortlaut zu einer Gefahrtragung ab Erwerb des Miteigentums durch die Käufer zu kommen.493 Andererseits wird vertreten, dass der Verkäufer erst dann nicht mehr die Gefahr der Verschlechterung des Vorrats tragen soll, wenn er den gesamten Vorrat verkauft hat, weil er sich erst dann all seiner Rechte daran begeben hat.494 Schließlich wird darauf abgestellt, dass die Gefahrtragung nicht die Rechte des Käufers aus dem Vertrag im eigentlichen Sinne betrifft, so dass es keinen Konflikt mit s. 20B(3)(c) SGA 1979 gibt und die Gefahr unter direkter Anwendung von s. 20(1) SGA 1979 im Moment des Erwerbs des Miteigentums auf den Käufer übergehen kann, was auch mit den Wertungen aus Stern v Vickers hinsichtlich der verspäteten Aussonderung im Interesse des Käufers übereinstimme.495 Mit der auf Martineu v Kitching und res perit domino fußenden Wertung von s. 20(1) SGA 1979, dass grundsätzlich Gefahr und property verknüpft sind, ist es jedenfalls unvereinbar, einem Verkäufer, der die property an der Kaufsache bereits verloren hat, die Gefahr nur deswegen zuzuweisen, weil die property des Käufers noch nicht ihre endgültige Form angenommen hat, sondern bisher nur in Miteigentum an einem ungeteilten Anteil besteht. Denn der Verkäufer hat seine property endgültig verloren, unabhängig von der Form der property der Käufer. Ebenso wenig überzeugend erscheint es, die Gefahr erst in dem Moment auf alle Käufer übergehen zu lassen, in dem der letzte Teil des Vorrats unter sofortiger Kaufpreiszahlung an den letzten Käufer verkauft wurde und daher der Verkäufer die property an dem gesamten Vorrat verloren hat. Dieser Zeitpunkt ist für alle vorherigen Käufer zufällig. Eine angemessene Lösung des Problems liegt vielmehr darin, die Gefahr an dem Vorrat zwar unter direkter oder analoger Anwendung von s. 20(1) SGA 491 Vgl. dazu Report of the Law Commission, Sale of Goods forming Part of a Bulk (Law Com No. 215), 1993, 28. 492 Vgl. dazu auch Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 315. 493 Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2009, 280. 494 Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 107–130, 115. 495 Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 315–316.
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1979 schon mit Erwerb des Miteigentums durch die Käufer übergehen zu lassen, dabei aber besondere Regeln bei teilweisem Untergang oder teilweiser Verschlechterung des Vorrats anzuwenden, wenn noch nicht der gesamte Vorrat verkauft ist: Weil die Käufer nämlich nicht aufgrund gesonderter Vereinbarung die Gefahr der Verschlechterung oder des Untergangs der verkauften Ware schon vor Konkretisierung übernommen haben, ist es nicht angebracht, sie in dieser Situation bereits anteilig die Gefahr tragen zu lassen. Vielmehr hat primär der Verkäufer mit dem noch nicht verkauften Anteil des Vorrats die Gefahr zu tragen; nur dann, wenn der Verlust oder die Verschlechterung diesen Anteil übersteigt, trifft die Käufer der restliche Verlust zu gleichen Teilen.496 Das stimmt auch mit der Empfehlung der Law Commision zu s. 20A SGA 1979 überein, dass die Gefahr des teilweisen Untergangs des Vorrats insoweit allein vom Verkäufer getragen werden solle, wie der betroffene Anteil den im Eigentum des Verkäufers verbleibenden Anteil an dem Vorrat nicht übersteige.497 So werden die Käufer soweit wie möglich vor der Tragung der nicht ausdrücklich übernommenen Gefahr der Verschlechterung oder des Untergangs der Kaufsache geschützt, ohne dass es zu Wertungswidersprüchen mit s. 20(1) SGA 1979 oder zu einer übermäßigen Belastung des Verkäufers käme.498
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So auch Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2009, 281. Report of the Law Commission, Sale of Goods forming Part of a Bulk (Law Com No. 215, 1993), 21. 498 Der Gefahrübergang gem. 20(1), 20A SGA 1979 ist zu unterscheiden vom Gefahrübergang beim Kauf von Anteilen an einer ungeteilten Menge eindeutig identifizierbarer Gegenstände, die als Bruch oder Prozentsatz an dieser Menge an Gegenständen angegeben werden. Solche Anteile gelten gem. s. 61(1) SGA 1979 als specific goods (vgl. oben, Text bei Fn. 415 bis 417), so dass unabhängig vom Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung property (i.S.v. Miteigentum, vgl. Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 316), Sachgefahr und Preisgefahr gem. s. 16, 17, 20(1) SGA 1979 zum von den Parteien beabsichtigten Zeitpunkt übergehen. Das wird gem. s. 18 Regel 1 SGA 1979 oft schon bei Vertragsschluss der Fall sein. Dieser Gefahrübergangszeitpunkt ist dadurch zu erklären, dass nicht eine Menge bestimmter Gegenstände, sondern Anteile an einer Menge verkauft werden und somit die Risiken an diesen Anteilen bereits bei Vertragsschluss übergehen können. Zu den Auswirkungen des Untergangs oder der Verschlechterung eines Teils der anteilig verkauften Menge gibt es ebenfalls keinen Präzedenzfall (Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014, 97). Die Situation unterscheidet sich von dem Kauf von Teilmengen eines bestimmten Vorrats gem. s. 20A SGA 1979 dadurch, dass die property bereits in ihrer endgültigen Form auf den Käufer übergegangen ist. Daher ist es hier nicht angebracht, den Käufer teilweise vor Verlustrisiken zu schützen, indem der Verkäufer diese primär mit dem ihm verbliebenen Anteil an der Menge trägt. Vielmehr ist der Verlust schon ab Übergang der property und der Gefahr anteilig zwischen allen Anteilseigentümern zu verteilen, so im Ergebnis auch Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 317. 497
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cc) Preisgefahrübergang erst nach Konkretisierung Die Preisgefahr kann beim Gattungskauf bei entsprechender Vereinbarung der Parteien auch erst nach der appropriation auf den Käufer übergehen. Zwar trifft ab dem appropriation-Zeitpunkt den Käufer regelmäßig bereits die Sachgefahr. Denn nach Zuordnung einer Sache zum Vertrag bringt die frustration-Doktrin499 bei Untergang dieser Sache die Hauptpflicht des Verkäufers mangels abweichender vertraglicher Regelung zum Erlöschen. Davon unabhängig können die Parteien aber vereinbaren, dass die Preisgefahr erst nach appropriation auf den Käufer übergehen soll. Dies wird etwa dann interessengerecht sein, wenn die Kaufsache nach der appropriation auf Wunsch des Verkäufers noch in dessen Besitz verbleibt. Eine typische Konstellation des Übergangs der Preisgefahr erst nach der appropriation ist zudem in s. 19(1) SGA 1979 geregelt:500 Behält sich der Verkäufer ein Verfügungsrecht an der Kaufsache bis zum Eintritt bestimmter Bedingungen vor, geht bis zum Eintritt dieser Bedingungen die property nicht auf den Käufer über. In Ermangelung anderer Vereinbarungen verbleibt gem. s. 20(1) SGA 1979 bis dahin auch die Preisgefahr beim Verkäufer. dd) Ergebnis zum Gefahrübergang beim Gattungskauf Zusammenfassend ist festzuhalten, dass beim Gattungskauf regelmäßig der appropriation-Zeitpunkt den Übergang der Sachgefahr und – mit dem Übergang der property – auch der Preisgefahr auf den Käufer markiert. Allerdings kann der Übergang von Sach- und Preisgefahr schon eher erfolgen, wenn die Parteien dies ausdrücklich oder konkludent vereinbaren. Dabei nehmen die Gerichte regelmäßig bereits aufgrund schwacher Anhaltspunkte konkludente Parteivereinbarungen an, wenn dies zu einer interessengerechten Gefahrverteilung führt. Ein Preisgefahrübergang vor der appropriation erfolgt daneben dann, wenn der Käufer schon mit Kaufvertragsschluss und Kaufpreiszahlung Miteigentum an einem bestimmten Vorrat nach s. 20A SGA 1979 erwirbt. In diesen Konstellationen treten Probleme auf, wenn sich nur ein Teil des Vorrats verschlechtert, die bei vereinbarter Gefahrtragung anders zu lösen sind als bei Gefahrtragung gem. s. 20(1), 20A SGA 1979. Schließlich können die Parteien auch vereinbaren, dass die Preisgefahr erst nach dem appropriation-Zeitpunkt und dem damit verbundenen Übergang der Sachgefahr auf den Käufer übergehen soll. Den gleichen Effekt hat gem.
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Weil es sich nicht um den Kauf von specific goods handelt, greift s. 7 SGA 1979 nicht ein. 500 Vgl. dazu oben, Text bei Fn. 436 bis 442. Dieses Ergebnis wird allerdings regelmäßig durch ein bailment abgemildert, vgl. Text bei Fn. 449.
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2. Kapitel: Englisches Recht
19(1) SGA 1979 der Vorbehalt des Verfügungsrechts über die Kaufsache durch den Verkäufer. c) Auswirkungen von Pflichtverletzungen Nachdem die Funktionsweise der Verknüpfung von Gefahr und property bei störungsfrei abgewickelten Spezies- und Gattungskäufen dargestellt worden ist, kann nun untersucht werden, wie sich Pflichtverletzungen der Parteien auf den Gefahrübergang auswirken. Dabei sind nur solche Pflichtverletzungen Gegenstand der Betrachtung, die nicht selbst den Untergang oder die Verschlechterung der Kaufsache auslösen. Denn ein von den Parteien herbeigeführter Verlust ist keine Realisierung der Gefahr eines zufälligen Untergangs der Kaufsache. Vielmehr führt eine den Untergang der Kaufsache auslösende Pflichtverletzung des Verkäufers zu einer wrongful non-delivery, die auch noch nach Übergang der property auf den Käufer einen Schadensersatzanspruch des Käufers gegen den Verkäfer nach s. 51(1) SGA 1979 auslöst.501 Führt der Käufer nach Übergang der property den Untergang der Kaufsache herbei, steht dem Verkäufer dessen ungeachtet nach s. 49(1) SGA 1979 die Kaufpreisklage zu. Löst der Käufer vor Übergang der property den Untergang der Kaufsache aus, hat der Verkäufer einen Schadensersatzanspruch gegen ihn.502 Fraglich ist somit allein, wie sich solche Pflichtverletzungen auf den Gefahrübergang auswirken, die nicht unmittelbar zum Untergang der Kaufsache führen. aa) Pflichtverletzungen des Verkäufers Derartige Pflichtverletzungen des Verkäufers können die Leistungszeit oder den Leistungsgegenstand betreffen. Sie können daher in der Verzögerung der Verschaffung der Kaufsache oder in Mängeln der Kaufsache bestehen. i. Verzögerung Verschafft der Verkäufer dem Käufer die Kaufsache mit Verzögerung, so verschiebt dies in der Regel auch den Gefahrübergang auf einen späteren Zeitpunkt. Beim Gattungskauf betrifft das die Sach- und Preisgefahr und ergibt sich daraus, dass eine verzögerte Zuordnung der Kaufsache zum Vertrag gem. s. 18 Regel 5 SGA 1979 in Ermangelung abweichender Vereinbarungen sowohl den Übergang der Sachgefahr gem. der frustration-Doktrin als auch den Übergang der property und damit gem. s. 20(1) SGA 1979 den Preisgefahrübergang auf einen späteren Zeitpunkt verschiebt. 501
Dawson, in: Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 9. Aufl. 2014, 1067–1157, 1168. Vgl. zu den Ansprüchen des Verkäufers Atiyah/Adams/MacQueen, The Sale of Goods, 2005, 481–482. 502
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Beim Spezieskauf treffen bei Verzögerung der Übergabe der Kaufsache trotz des in der Regel bereits mit Vertragsschluss erfolgten Eigentums- und Gefahrübergangs (s. 18 Regel 1, 20(1) SGA 1979) gem. s. 20(2) SGA 1979 die Risiken solcher Verluste, die auf die schuldhafte Verzögerung der Besitzübertragung zurückzuführen sind, den Verkäufer.503 S. 20(2) SGA 1979 führt somit zu einem teilweisen Zurückspringen des Risikos auf den Verkäufer. Beim Gattungskauf werden durch eine verzögerte Übergabe der Kaufsache also in der Regel der Übergang der Sachgefahr und der Preisgefahrübergang im Ganzen verzögert, beim Spezieskauf dagegen nur der Übergang von spezifischen Verzögerungsrisiken. ii. Mangelhafte Kaufsache Komplexer sind die Auswirkungen der Mangelhaftigkeit der Kaufsache auf den Gefahrübergang. Sie hängen davon ab, welche Mängelrechte der Käufer ausübt. Für die dem Käufer zustehenden Mängelrechte ist entscheidend, ob der Sachmangel in einem Verstoß gegen eine warranty oder eine condition besteht. Unter einer condition ist eine besonders wichtige Vertragsbestimmung zu verstehen, die – im Gegensatz zur warranty – bei ihrer Verletzung nicht nur zum Schadensersatz, sondern auch zur Vertragsauflösung berechtigt.504 Der Käufer hat unter Beachtung dieser Differenzierung außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs505 bei Mangelhaftigkeit der Kaufsache folgende Möglichkeiten: (1) Verstößt der Verkäufer bei Verschaffung der Kaufsache nur gegen eine warranty, kann der Käufer (a) den Kaufpreis reduzieren, s. 53(1)(a) SGA 1979, oder (b) gem. s. 53(1)(b) SGA 1979 verschuldensunabhängig hinsichtlich des Minderwerts der Kaufsache und etwaiger Folgeschäden Schadensersatz verlangen. Gleiches gilt beim Verstoß gegen eine condition, wenn der Käufer sich entscheidet, diesen nur wie einen Verstoß gegen eine warranty zu behandeln, s. 53(1) SGA 1979. (2) Resultiert die Mangelhaftigkeit der Kaufsache aus einem Verstoß gegen eine condition, kann der Käufer statt des Schadensersatzverlangens wegen Mangelhaftigkeit oder der Preisreduktion nach s. 53(1) SGA 1979 die Kaufsache zurückweisen (reject the goods) und den Vertrag beenden (s. 11(3) SGA 1979) sowie zusätzlich verschuldensunabhängig Schadensersatz wegen Nichtlieferung gem. s. 51 SGA 1979 verlangen.506
503
Zu s. 20(2) SGA 1979 vgl. oben, Text bei Fn. 236–245. Vgl. McKendrick, in: Beale, Chitty on Contracts, Band 1, 2015, 1013–1093, 1023, 1026–1027, 1030. 505 Vgl. dazu unten B.III.3.e). 506 Dawson, in: Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 1067–1157, 1145. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Verstoß gegen die condition so geringfügig ist, dass eine rejec504
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2. Kapitel: Englisches Recht
(3) Dagegen kann der Käufer außerhalb des Verbrauchsgüterkaufrechts nicht Nachbesserung oder Nachlieferung geltend machen.507
Die Kaufpreisreduktion und das Schadensersatzverlangen nach s. 53(1) SGA 1979 werfen keine Gefahrtragungsprobleme auf: Verstößt der Verkäufer nur gegen eine warranty oder behandelt der Käufer den Verstoß gegen eine condition als Verstoß gegen eine warranty, kann der Käufer zwar den Kaufpreis reduzieren oder Schadensersatz verlangen, muss die Kaufsache aber bei sich behalten, s. 11(3), 53(1) SGA 1979. Daher bleibt die Abwicklung des Kaufs bei dieser Vorgehensweise von der Mangelhaftigkeit der Kaufsache unberührt, so dass sich keine Änderungen für die Gefahrtragung ergeben. Problematisch sind die Folgen der Verletzung einer condition. Eine Kaufsache ist mangelhaft aufgrund Nichterfüllung einer condition, wenn sie nicht ihrer vertraglichen Beschreibung (s. 13 SGA 1979) entspricht oder nicht für den bei Vertragsschluss ins Auge gefassten Verwendungszweck geeignet ist (s. 14(3) SGA 1979), da Beschreibung und Verwendungszweckvereinbarung jeweils eine condition darstellen (s. 13(1A) und 14(6) SGA 1979). Handelt der Verkäufer in the course of a business,508 also bei B2B und B2CGeschäften,509 wird in den Kaufvertrag gem. s. 14(2), (6) SGA 1979 zudem eine implied condition des Inhalts hineingelesen, dass die Kaufsache eine satisfactory quality (s. 14(2A) SGA 1979) hat.510 Dem Käufer steht bei Mangelhaftigkeit der Kaufsache i.S.d. conditions gem. s. 11(3) SGA 1979 ein right to reject zu.511 Das right to reject kann durch ausdrückliche oder konkludente Erklärung der Zurückweisung der Kaufsache ausgeübt werden.512 Die rejection kann dabei nur erklärt werden, wenn der Käufer zuvor nicht ausdrücklich oder konkludent die Annahme der Kaufsache als Erfüllung gegenüber dem Käufer erklärt hat (acceptance, s. 35 tion für den Käufer unreasonable wäre und daher der Verstoß gegen die condition nur als warranty-Verstoß gelten kann, s. 15A SGA 1979. 507 Der Rechtsbehelf specific performance gem. s. 52 SGA 1979 ermöglicht u.U. die Erzwingung der delivery der Kaufsache (bei bisheriger Nichtleistung), nicht aber die Durchsetzung von deren Reparatur oder Austausch, vgl. dazu Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2009 393–394. 508 Vgl. dazu unten, Text bei Fn. 578–583. 509 Allerdings nicht bei unter den Consumer Rights Act (CRA) 2015 fallenden Geschäften, CRA 2015, Schedule 1, Amendments Consequential on Part 1, s. 13(3), vgl. dazu unten, B.III.3e). 510 Einzelne Aspekte von quality sind zudem definiert in s. 14(2B) SGA 1979, vgl. dazu Arnold/Unberath, ZEuP 2004, 366–385, 371. 511 Atiyah/Adams/MacQueen, The Sale of Goods, 2005, 90–91, 499; Goode/ McKendrick, Goode on Commercial Law, 2009, 138, 367; Reynolds, in: Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 9. Aufl. 2014, 605–685, 618, 622–623. 512 Vgl. Graanhandel T Vink BV v European Grain and Shipping Ltd. [1989] 2 Lloyd’s Rep 531, 533.
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SGA 1979).513 Die acceptance stellt eine Aufgabe eines etwaigen right to reject dar und verhindert, dass sich die Mangelhaftigkeit der Kaufsache auf den Gefahrübergang auswirken kann. Zudem kann die rejection nur innerhalb einer angemessenen Zeit nach der Lieferung der Ware erfolgen, welche durch Abwägung der Interessen von Verkäufer und Käufer zu bestimmen ist.514 Mit Ablauf dieser Zeitspanne ist die rejection ausgeschlossen, so dass der Gefahrübergang unberührt bleibt. Nur eine rechtzeitige rejection ohne vorherige acceptance der Kaufsache kann somit Rechtsfolgen zeitigen. Die Rechtsfolgen der rejection sind im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt.515 Zwar bestimmt s. 11(3) SGA 1979, dass es dem Käufer bei Verletzung einer condition im Gegensatz zur Verletzung einer warranty freisteht, die Kaufsache zurückzuweisen (reject) und den Vertrag nicht anzuerkennen (treat the contract as repudiated). Die rejection führt aber nicht ohne weiteres zur repudiation des Vertrags. Vielmehr bewirkt sie nur, dass die konkrete Lieferung der Kaufsache nicht als Vertragserfüllung gilt, so dass der Verkäufer, sofern die Leistungszeit noch nicht überschritten ist, dem Käufer eine andere oder die reparierte Kaufsache als Vertragserfüllung anbieten kann.516 Der Käufer muss dem Verkäufer die zurückgewiesene Ware nicht zurückbringen (s. 36 SGA 1979), muss sie aber unentgeltlich für diesen aufbewahren.517 Erst wenn die Leistungszeit überschritten oder das Vertrauensverhältnis zwischen Käufer und Verkäufer zerstört ist, führt die rejection auch zur repudiation des Kaufvertrags.518 Nach repudiation des Kaufvertrags kann der 513 S. 35(1)(b) SGA 1979, Graanhandel T Vink BV v European Grain and Shipping Ltd. [1989] 2 Lloyd’s Rep 531, 533. 514 Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2009, 568; Reynolds, in: Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 605–685, 640. Jedenfalls muss der Käufer Zeit zur Untersuchung der Kaufsache haben, s. 34 SGA 1979. 515 Angesichts der Komplexitäten bei der Bestimmung der Rechtsfolgen der rejection anhand der Präzedenzfälle bemerkte Judge Evans in Graanhandel T Vink BV v European Grain and Shipping Ltd. [1989] 2 Lloyd’s Rep 531, 533: „[T]he position of a buyer who does reject goods on grounds of misdescription or otherwise is a delicate one.“ Zu Unklarheiten beim Wortgebrauch von rejection im SGA 1979 vgl. auch Clive, in: Gullifer/Vogenauer, English and European Perspectives on Contract and Commercial Law: Essays in Honour of Hugh Beale, 2014, 131–150, 135–142. 516 Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2009, 371; Reynolds, in: Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 605–685, 624. Damit ist die rejection nicht mit dem Rücktrittsrecht nach deutschem Recht vergleichbar. Dem Rücktrittsrecht entspricht allerdings das final right to reject des Verbrauchers aus s. 24 CRA 2015, vgl. dazu unten B.III.3.e). 517 Reynolds, in: Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 605–685, 649. 518 Reynolds, in: Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 605–685, 624. In den meisten Fällen wird aber schon die erste vertragswidrige Lieferung einen vertrauenszerstörenden Vertragsbruch darstellen, der die repudiation rechtfertigt, vgl. Atiyah/Adams/ MacQueen, The Sale of Goods, 2005, 505.
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2. Kapitel: Englisches Recht
Käufer den Kaufpreis entweder im Wege des Schadensersatzes oder bereicherungsrechtlich zurückfordern.519 Unabhängig von der Frage, wann die rejection der Kaufsache auch zur repudiation des gesamten Vertrags führt, stellt sich hinsichtlich der Gefahrtragung das Problem, ob der Käufer trotz zufälliger Verschlechterung oder trotz Untergangs der konkreten gelieferten Kaufsache die rejection erklären darf und ob er etwaige Wertverluste der konkreten gelieferten Kaufsache ersetzen muss. Bei der Lösung dieses Problems stößt man auf einen „surprising lack of authority“,520 denn es gibt keinen Präzedenzfall, der diese Frage umfassend entscheidet.521 In den darüber in der Literatur geführten Diskussionen wird – wie auch bzgl. § 350 BGB a.F.522 – nur zwischen alles oder nichts, also zwischen rejection oder keine rejection, gestritten – die Frage einer etwaigen Wertersatzpflicht spielt, wohl auch mangels entsprechender gesetzlicher Reglung im SGA 1979, in der Debatte kaum eine Rolle. Dabei stehen drei Lösungen für das Problem der rejection bei Verschlechterung oder Untergang der Kaufsache zur Diskussion:523 (1) Die property und die Preisgefahr verbleiben bis zur acceptance oder rejection der Kaufsache beim Verkäufer. (2) Die property geht vorläufig auf den Käufer über und fällt bei rejection an den Verkäufer zurück. Die Preisgefahr verbleibt beim Verkäufer bzw. springt bei rejection rückwirkend auf diesen zurück. (3) Die property geht vorläufig auf den Käufer über, die Preisgefahr geht auch über und springt bei rejection nicht zurück.
Nach Lösung (1) und (2) kann der Käufer die Kaufsache auch noch bei deren Verschlechterung oder Untergang zurückweisen und bei repudiation den 519 Reynolds, in: Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 605–685, 650; die bereicherungsrechtliche Rückforderungsmöglichkeit wird ausdrücklich durch s. 54 SGA 1979 vorbehalten. 520 Reynolds, in: Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 605–685, 644. 521 Vgl. auch Report of the Law Commission about Sale and Supply of Goods (Law Com. No. 160, Mai 1987), Punkt 5.39: „The law neither of England and Wales nor of Scotland is entirely clear as to whether a buyer may reject goods that are no longer in substantially the same condition on rejection as on delivery.“ Dennoch sieht die Law Commission in Punkt 5.40 des Report bewusst von einer Empfehlung für eine Regelung der rejection nach Verschlechterung der Kaufsache ab, um die Rechtsposition der Käufer nicht durch ausdrücklichen Ausschluss der rejection in bestimmten Situationen zu verschlechtern. 522 Vgl. dazu unten, Kapitel 3, Text bei Fn. 682–684. 523 Diese Dreiteilung wird erstmals vorgenommen von Sealy, CLJ 31 (1972), 225–247, 243; sie wird im Wesentlichen übernommen von Hudson, in: Feldman/Meisel, Corporate and Commercial Law, 1996, 207–223, 208–211 und Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 107–130, 119.
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Kaufpreis zurückfordern, weil die Gefahr den Verkäufer trifft.524 Nach Lösung (3) ist dem Käufer die rejection bei Verschlechterung oder Untergang der Kaufsache verwehrt – er trägt die Preisgefahr, indem er bei Untergang der Kaufsache den Kaufpreis nicht zurückfordern kann.525 Nach gegenwärtiger Rechtslage entscheidet sich der Streit im Wesentlichen zwischen Lösung (2) und (3). Lösung (1), wonach property und Gefahr beim Verkäufer verbleiben, widerspricht den Regeln zum Übergang der property (s. 17 ff. SGA 1979). Die Lösung stammt aus der Zeit, als gem. s. 11(1)(c) SGA 1893 der Übergang der property an der Kaufsache auf den Käufer die rejection der Sache wegen Verletzung einer condition ausschloss.526 Um dem Käufer auch beim Spezieskauf, bei dem die property oft schon bei Vertragsschluss übergeht (s. 17, 18 Regel 1 SGA 1979), die rejection der Kaufsache dennoch zu ermöglichen, nahm man eine eigenwillige Interpretation von s. 18 Regel 1 SGA 1979 vor: Die Norm setzt einen „unconditional contract for the sale of specific goods“ voraus, wobei unconditional hier das Fehlen von aufschiebenden und auflösenden Bedingungen bedeutet.527 In einer erweiterten Auslegung von unconditional sah man aber auch promissory conditions i.S.v. zentralen Vertragsbedingungen (in Abgrenzung zu warranties) als Vereinbarungen an, die einen Kaufvertrag conditional i.S.v. s. 18 Regel 1 SGA 1979 werden lassen und damit den Übergang der property verhindern.528 Man kam also in der Rechtsprechung regelmäßig zu dem Ergebnis, dass die property an mangelhaften Kaufsachen nicht auf den Käufer übergeht.529 Diese ergebnisorientierte Auslegung von unconditional in s. 18 Regel 1 SGA ist mit dem telos der Regel, allein Verträge auszuschließen, bei denen noch eine Bedingung eintreten muss, um die Wirkungen des Vertrags endgültig auszulösen,530 nur schwer zu vereinbaren. Sie kann daher nach der Abschaffung von s. 11(1)(c) SGA 1893 durch s. 4(1) Misrepresentation Act 1967 nicht mehr aufrechterhalten werden.
524
Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 107–130, 119. Vgl. Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 107–130, 121. 526 Vgl. Hudson, in: Feldman/Meisel, Corporate and Commercial Law, 1996, 207–223, 208–209; Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 107–130, 119. 527 Chalmers, SGA 1893, 1894, 38 (Fn. 5), 5–6. Hinsichtlich auflösender Bedingungen ist das streitig, Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2009, 252–253. 528 Varley v Whipp [1900] 1 Q.B. 513, 516–517; vgl. zu dieser Auslegung Hudson, in: Feldman/Meisel, Corporate and Commercial Law, 1996, 207–223, 209 sowie Atiyah/ Adams/MacQueen, The Sale of Goods, 2005, 507. Kritisch bzgl. dieser Auslegung bereits Smith, MLR 14 (1951), 178–181. 529 Vgl. auch Vigers Brothers v Sanderson Brothers [1901] 1 Q.B. 608, 612 und Ollett v Jordan [1918] 2 K.B. 41, 47. 530 Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2009, 253. 525
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2. Kapitel: Englisches Recht
Damit ist klar, dass die property an der Kaufsache unabhängig von deren Mangelhaftigkeit auf den Käufer übergeht und bei rejection der Kaufsache an den Verkäufer zurückfällt.531 Die Frage nach der Gefahrtragung bei Mangelhaftigkeit entscheidet sich demnach zwischen Lösung (2) und (3), also anhand dessen, ob die Gefahr hinsichtlich einer mangelhaften Kaufsache beim Verkäufer verbleibt bzw. auf diesen zurückspringt, oder ob die Gefahr des Untergangs der mangelhaften Kaufsache vom Käufer zu tragen ist. Im ersten Fall kann der Käufer trotz Verschlechterung oder Untergangs der Kaufsache noch rejection erklären, im zweiten Fall nicht. Zugunsten des ersten Falls, also für Lösung (2), lässt sich ein vor Erlass des SGA 1893 entschiedener Präzedenzfall anführen, nämlich Head v Tattersall:532 Der Kläger hatte vom Beklagten ein Pferd gekauft, wobei der Kaufvertrag eine warranty enthielt, dass das Pferd bereits mit BicesterJagdhunden gejagt habe und zugleich eine condition beinhaltete, dass der Käufer das Pferd bis 17 Uhr am nächsten Mittwoch zurückgeben könne, wenn es nicht der vertraglichen Beschreibung entspreche und es ansonsten mit allen Mängeln behalten müsse. Nachdem der Kläger vom Stallburschen erfahren hatte, dass das Pferd noch nie mit Bicester-Hunden gejagt hatte, gab er es innerhalb der vereinbarten Frist an den Beklagten zurück. Allerdings hatte sich das Pferd zuvor bei einem zufällig eingetretenen Unfall verletzt. Mit seiner Klage verlangt der Kläger dennoch den vollen für das Pferd gezahlten Kaufpreis zurück. Die Richter sind sich einig, dass dem Kläger die Forderung auf Rückzahlung des ganzen Kaufpreises zusteht. Hinsichtlich des vom Käufer nicht verschuldeten Verschlechterungsereignisses sei die Sache so zu behandeln, wie wenn sie beim Verkäufer verblieben wäre – das hätte sogar dann gegolten, wenn das Pferd beim Käufer verstorben wäre.533 Die 531 Tradax Export S.A. v European Grain & Shipping Ltd. [1983] 2 Lloyd’s Rep 100, 107. Man kann dies dogmatisch als einen durch die Erklärung einer rejection auflösend bedingten Übergang der property betrachten, bei dem dem Verkäufer noch ein revisionary interest für den Fall des Bedingungseintritts verbleibt, Kwei Tek Chao and Others (Trading as Zung Fu Co.) v British Traders and Shippers Ltd. [1954] 2 Q.B. 459, 487. 532 (1871–72) L.R. 7 Ex. 7. 533 (1871–72) L.R. 7 Ex. 7, 13. Mit der Parallele zum verstorbenen Pferd ist das mortuus redhibetur-Problem aufgeworfen. Das Stichwort entstammt dem römischen Recht, nämlich der actio redhibitoria. Mit diesem ädilizischen Rechtsbehelf wurde es dem Käufer eines Sklaven ermöglicht, beim Auftreten vom Verkäufer trotz einer Offenbarungspflicht verschwiegener Mängel des Sklaven oder beim Abweichen der Eigenschaften des Sklaven von einer ausdrücklichen Zusicherung innerhalb weniger Monate nach Vertragsschluss den Kauf rückabzuwickeln und den Kaufpreis zurückzuerhalten, Mader, ZRG (RA) 101 (1984), 206–233, 213. Diese actio redhibitoria stand dem Käufer auch noch dann zu, wenn der Sklave zwischenzeitlich verstorben war, D. 21,1,47 (Paul. 11 ad Sab.). Dies galt aber nur dann, wenn der Tod nicht vom Käufer verschuldet war. Bei unverschuldetem Tod des Sklaven wurde der Kauf so rückabgewichelt, wie wenn der Sklave noch leben würde,
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Zuweisung des Verlusts aus dem zufälligen Unfall an den Verkäufer sei dadurch zu erklären, dass die property an dem Pferd zwar aufgrund des Kaufvertrags auf den Käufer übergegangen, im Moment der Rückgabe aber an den Verkäufer zurückgefallen sei. Somit sei der Verkäufer derjenige, dem letztlich die property an dem Pferd zustehe – er habe daher auch die Gefahr von dessen Verschlechterungen zu tragen.534 Ob die Gefahr dabei rückwirkend auf den Verkäufer zurückgesprungen ist oder von vornherein bei ihm verblieben ist, bleibt im Urteil offen. Jedenfalls aber streitet die Entscheidung für die Lösung, dass im Ergebnis zwar zeitweise die property, nicht aber die Gefahr bzgl. der mangelhaften Kaufsache auf den Käufer übergeht. Allerdings bezieht sich Head v Tattersall auf einen Fall, in dem der Käufer aufgrund einer condition ein Rückgaberecht für den Fall der Verletzung von warranties hatte und damit letztlich auf die Auslegung einer ganz bestimmten, vom Standardregime des SGA abweichenden Vertragsbedingung.535Andererseits handelte es sich nichtsdestoweniger um einen Fall zur rejection der Kaufsache, so dass man eine Übertragung der in dem Fall aufgestellten Grundsätze auf die rejection in anderen Fällen vertreten kann.536 Für Lösung (3), also den endgültigen Übergang der Gefahr auf den Käufer und den dadurch resultierenden Ausschluss der rejection bei Untergang der Kaufsache, lässt sich ins Feld führen, dass diese Lösung am besten dem in s. 20(1) SGA 1979 verankerten Grundsatz risk follows property entspricht537 und der Käufer als Eigentümer daher für die Unversehrtheit der Kaufsache einzustehen hat. 538 Zudem weist diese Lösung Parallelen zu dem Prinzip auf, dass die Anfechtung (rescission) eines Vertrags in der Regel nur dann möglich ist, wenn das Erhaltene zurückerstattet werden kann, also eine restitutio
D. 21, 1, 31, 11 (Ulp. 1 ad. ed.). Dies folgt aus dem Leitgedanken der actio redhibitoria, dass die Parteien so zu stellen sind, als ob der Kauf nie vollzogen worden wäre, vgl. Mader, ZRG (RA) 101 (1984), 206–233, 216. Damit trägt während der Schwebephase bis zur Erhebung der actio redhibitoria im Ergebnis der Verkäufer die Gefahr des zufälligen Todes des Sklaven, als ob dieser bei ihm verblieben wäre. Genauso wurde in Head v Tattersall die Zuweisung auch des Verlusts durch einen etwaigen Tod des Pferdes erklärt. 534 (1871–72) L.R. 7 Ex. 7, 13. 535 Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 107–130, 120. 536 Reynolds, in: Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 605–685, 644–645, allerdings zweifelnd. Treitel, Remedies for Breach of Contract. A Comparative Account, 1988 hält die Frage der Übertragbarkeit der Ergebnisse aus Head v Tattersall auf die allgemeine rejection für eine „open question“. Für die Übertragbarkeit der Ergebnisse wohl Hager, Gefahrtragung beim Kauf, 1982, 170.537 Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 107–130, 122. 537 Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 107–130, 122. 538 Reynolds, in: Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 605–685, 645.
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in integrum möglich ist.539 Unter Berufung auf solche Aspekte sprechen sich Reynolds,540 Gullifer541 und Merrett542 für eine Gefahrtragung des Käufers und damit für Lösung (3) aus. Allerdings bringt Gullifer auch ein gewichtiges Gegenargument, das für eine Gefahrtragung des Käufers bzw. ein Zurückspringen der Gefahr spricht: Es ist nämlich der Verkäufer und nicht der Käufer, der mit der Lieferung der Kaufsache eine Pflichtverletzung begangen hat. Warum sollte also der vertragstreue Käufer anstelle des vertragsuntreuen Verkäufers die Gefahr des zufälligen Untergangs der Kaufsache tragen?543 Diesen Zurechnungsgedanken entwickelt auch Sealy und spricht sich auf dieser Grundlage für eine Gefahrtragung des Verkäufers aus, obwohl er einräumt, dass kommerzielle Käufer die entsprechenden Risiken mit höherer Wahrscheinlichkeit versichert haben als ihre jeweiligen Verkäufer.544 Eine Gefahrtragung des Verkäufers bzgl. der mangelhaften Kaufsache und damit Lösung (2) vertreten auch Atiyah,545 Goode546 und Hudson.547 Auch der Synallagmagedanke legt eine Verkäufergefahrtragung nahe:548 Der Verkäufer hat mit der vertragswidrigen Lieferung das Vertragsinteresse des Käufers noch nicht endgültig befriedigt und hat sich daher auch den Kaufpreis noch nicht endgültig verdient, so dass ihn die Gefahr treffen soll. Trotz der für Lösung (2) sprechenden Zurechnungs- und Synallagmaargumente verbleiben Zweifel, ob dieser Weg dogmatisch gangbar ist. Nachdem unklar ist, ob die Ergebnisse aus Head v Tattersall verallgemeinert werden können, und es weder eine gesetzliche Regelung noch einen Präzedenzfall gibt, ist es auch vertretbar, nach dem Wortlaut von s. 20(1) SGA 1979 mit der property die Gefahr auf den Käufer übergehen zu lassen, der die Kaufsache dann nach deren Untergang nicht mehr zurückweisen kann. Angesichts der 539 Zu diesem Prinzip vgl. Virgo, Principles of the Law of Restitution, 1999, 32. Diese Parallele ziehen Hudson, in: Feldman/Meisel, Corporate and Commercial Law, 1996, 207–223, 210–211 und Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 107–130, 121. 540 Reynolds, in: Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 605–685, 645. 541 Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 107–130, 122, die allerdings bei bloßer Verschlechterung der Kaufsache die Möglichkeit eines Wertersatzanspruchs in den Raum stellt. 542 Merrett, in: Beale, Chitty on Contracts, Band 2, 2015, 1929–2165, 2064. 543 Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 107–130, 119. 544 Sealy, CLJ 31 (1972), 225–247, 244. 545 Atiyah/Adams/MacQueen, The Sale of Goods, 2005, 356, die von einem Zurückspringen der Gefahr auf den Verkäufer ausgehen. 546 Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2009 547 Hudson, in: Feldman/Meisel, Corporate and Commercial Law, 1996, 207–223, 212, der das Zurückspringen der Gefahr auf den Verkäufer mit einer Parallele zum CISG begründet. 548 Hager, Gefahrtragung beim Kauf, 1982, 185.
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Gründe für beide Lösungen und der Gespaltenheit der Literatur bleibt die Auswirkung der Mangelhaftigkeit der Kaufsache bei deren rejection auf die Gefahrtragung letztlich eine offene Frage. bb) Pflichtverletzungen des Käufers Der Käufer kann die Abwicklung des Kaufvertrags dadurch stören, dass er die Kaufsache pflichtwidrig nicht annimmt oder die appropriation beim Gattungskauf verzögert. Beide Konstellationen werden durch die Risikozuweisung in s. 20(2) SGA 1979 gelöst.549 Im Einzelnen gilt Folgendes: Gem. s. 27 SGA 1979 ist der Käufer zwar zur acceptance der Kaufsache verpflichtet. Damit ist jedoch nicht die körperliche Entgegennahme der Kaufsache gemeint, sondern die „Abnahme“ i.S.d. Billigung der vertragsgemäßen Kaufsache.550 Zur körperlichen Entgegennahme der Kaufsache ist der Käufer dagegen nicht verpflichtet. Allerdings werden an das Ausbleiben der Entgegennahme der Kaufsache durch den Käufer negative Folgen geknüpft:551 Erstens macht sich der Käufer gem. s. 37 SGA 1979 u.U. schadensersatzpflichtig gegenüber dem Verkäufer; zweitens greift die Risikozuweisung gem. s. 20(2) SGA 1979 ein.552 Dies wirkt sich dann auf die Gefahrtragung aus, wenn die Gefahr bisher noch nicht auf den Käufer übergegangen ist, also etwa bei einem Spezieskauf, bei dem die Sache noch nicht in lieferbarem Zustand ist (s.18 Regel 2, 20(1) SGA 1979), oder bei einem Gattungskauf, bei dem noch keine appropriation erfolgt ist (s. 18 Regel 5, 20(1) SGA 1979). Liegt die Gefahr noch beim Verkäufer, weist s. 20(2) SGA 1979 bei pflichtwidriger Nichtentgegennahme der Kaufsache dem Käufer solche Risiken zu, die auf die schuldhafte Verzögerung der Besitzübertragung zurückzuführen sind.553 Damit erfolgt kein Gefahrübergang im eigentlichen Sinne. Es werden vielmehr nur die der Verzögerung zurechenbaren Risiken auf den Käufer übertragen. S. 20(2) SGA 1979 greift nicht nur bei pflichtwidriger Nichtentgegennahme der Kaufsache, sondern auch schon dann ein, wenn der Käufer den Übergang des Besitzes an der Kaufsache auf andere Weise verzögert. Das ist etwa der Fall, wenn der Käufer seine Zustimmung zur appropriation nicht erteilt und damit die Konkretisierung beim Vorratskauf verhindert (s. 18 Regel 5(1) 549
Zu s. 20(2) SGA 1979 im Allgemeinen vgl. oben, Text bei Fn. 236–245. Als Rechtsfolge dieser Billigung der Kaufsache entfallen etwaige Gegenrechte des Käufers zum Kaufpreiszahlungsanspruch, Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 482. 551 Nach deutscher Terminologie könnte man von einer Obliegenheit zur körperlichen Entgegennahme der Kaufsache sprechen. 552 Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 482, 484. 553 Zu s. 20(2) SGA 1979 als spezieller Risikozuweisungsnorm vgl. oben, Text bei Fn. 236–245. 550
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SGA 1979). Verschlechtert sich dann der Vorrat verzögerungsbedingt – etwa bei verderblichen Lebensmitteln – ist dieses Risiko gem. s. 20(2) SGA 1979 vom Käufer zu tragen. Die Risikozuweisung an den Käufer gem. s. 20(2) SGA 1979 berührt aber nicht die Haftung des Verkäufers, der aufgrund einer Vereinbarung mit dem Käufer für eine bestimmte Zeit die Verwahrung der Kaufsache (bailment) übernommen hat. Wie s. 20(3) SGA klarstellt, bleibt nämlich die Haftung wegen Verwahrung aus Common Law durch die Gefahrübergangsregeln unberührt. Dabei handelt es sich um eine strenge Haftung für alle Umstände, hinsichtlich derer der Verwahrer (bailee) nicht nachweisen kann, dass sie auch bei Einhaltung aller Sorgfaltspflichten aus dem bailment eingetreten wären.554 Diese Haftung kann bei Ereignissen, die nicht nachweisbar zufällig eingetreten sind und bei denen also nicht bewiesen werden kann, dass sie auch bei Beachtung aller Sorgfaltspflichten aus dem bailment eingetreten wären, die Gefahrtragungsregeln überlagern. Allerdings ist dies ausschließlich dann der Fall, wenn zwischen den Parteien nachweislich ein bailment vereinbart wurde. Pflichtverletzungen des Käufers, die durch eine Verzögerung der Entgegennahme oder durch Nichtentgegennahme der Kaufsache die Vertragsabwicklung stören, beeinflussen also nicht die Gefahrtragung im Ganzen, sondern nur die Zuweisung verzögerungsbedingter Risiken gem. s. 20(2) SGA. Will der Verkäufer der weiteren Gefahrtragung bzgl. der nicht verzögerungsbedingten Risiken entgehen, kann er, sofern die unberechtigte Verweigerung der Entgegennahme der Kaufsache eine essentielle Vertragsverletzung des Käufers und damit eine Nichtanerkennung (repudiation) des Kaufvertrags darstellt, diese repudiation akzeptieren.555 Das führt dazu, dass er dem Käufer nicht mehr die Übereignung der Kaufsache schuldet und deswegen zwar nicht mehr den Kaufpreis, unter Umständen jedoch Schadensersatz gem. s. 50 SGA 1979 verlangen kann.556 Außerhalb der repudiation kann der Verkäufer allerdings der Gefahrtragung hinsichtlich nicht verzögerungsbedingter Risiken nicht entgehen. Bei Pflichtverletzungen des Käufers trägt somit nicht generell der vertragsuntreue Käufer die Gefahr. Vielmehr erfolgt der Gefahrübergang nach allgemeinen Regeln mit Ausnahme der verzögerungsbedingten Risiken, die gem. s. 20(2) SGA 1979 den die Besitzübertragung verzögernden Käufer treffen. 554 Vgl. etwa Lord Denning in Edwards v Newland & Co. [1950] 2 K.B. 534, 542. Zur neben der kaufvertraglichen Risikoverteilung bestehenden bailment-Haftung vgl. auch Atiyah/Adams/MacQueen, The Sale of Goods, 2005, 359; Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 330–332; Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 107–130, 124–126. 555 Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 486, 491–492. 556 Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 491–492.
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
d)
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Abweichende Vereinbarungen
Die Verknüpfung von property und Gefahr, die beim Spezieskauf regelmäßig dazu führt, dass die Gefahr bei Vertragsschluss übergeht, und beim Gattungskauf den Gefahrübergang in der Regel bei appropriation auslöst, ist – wie im Wortlaut von s. 20(1) SGA 1979 angelegt („unless otherwise agreed“) – abdingbar. Eine solche von s. 20(1) SGA 1979 abweichende Vereinbarung kann ausdrücklich im Vertrag getroffen werden oder sich aus den Umständen ergeben,557 wobei die Schwelle zur Annahme konkludenter Vereinbarungen – wie oben dargestellt wurde558 – bei entsprechender Interessenlage in den Augen der Gerichte sehr niedrig ist. Neben solchen konkludenten Vereinbarungen über den Gefahrübergang werden von s. 20(1) SGA 1979 abweichende Vereinbarungen auch häufig ausdrücklich getroffen.559 So geht etwa bei C.I.F.-Verträgen560 die property erst bei Übergabe der Ladepapiere an den Käufer oder seine Vertreter über, die Gefahr hingegen bereits bei Verschiffung der Ware, die der Verkäufer für den Käufer versichern muss.561 Insbesondere beim Eigentumsvorbehalt, bei dem zwar der Besitz, dagegen gem. s. 19(1) SGA 1979 zunächst noch nicht die property und damit auch nicht die Gefahr auf den Käufer übergehen, liegt es oft im Interesse der Parteien, eine Vereinbarung zu treffen, wonach der Käufer bereits ab Übergabe die Gefahr trägt.562 Ein Grund für die Abbedingung der Verknüpfung von property und Gefahr zu Gunsten einer Gefahrtragung des Besitzers ist die bessere Beherrschbarkeit der Risiken für die Kaufsache durch ihn. So ist es für den Besitzer beispielsweise einfacher und regelmäßig günstiger, die Sache gegen deren zufälligen Untergang zu versichern563 bzw. seine Sphäre tatsächlich optimal vor äußeren Einwirkungen zu schützen. Zudem vollzieht sich der Wechsel des Besitzes in der Regel mit Kenntnis der Parteien,564 während der Übergang der 557
Comptoir d’Achat et de Vente du Boerenbond Belge SA v Luis de Ridder Limitada (The Julia) [1949] A.C. 293, 319; vgl. dazu auch Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 313. 558 Vgl. bspw. Text bei Fn. 480–487. 559 Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 107–130, 110: Wegen der Häufigkeit abweichender Vereinbarungen könne man s. 20 SGA 1979 auch als residual rule betrachten. Vgl. auch Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014, 77. 560 Incoterms: Cost, Insurance, Freight. 561 Vgl. Treitel, in: Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 1547–1768, 1628–1633, 1638–1641. 562 Etwa im Rahmen einer Ratenkaufvereinbarung, Goode/McKendrick, Goode on Commercial Law, 2009, 280. Eine solche Regelung kann auch konkludent oder durch Handelsbrauch getroffen werden, Sealy, CLJ 31 (1972), 225–247, 235. 563 Vgl. Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 107–130, 112. 564 Vgl. Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 107–130, 113.
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property an rechtliche Kriterien (Vertragsschluss, appropriation etc.) anknüpft, die sich oft der Kenntnis der Parteien entziehen, was zu Unklarheiten über die Verantwortlichkeit für die Sache führen kann. Aus einer ökonomischen Perspektive sprechen diese Gesichtspunkte dafür, die Gefahr an den Besitz der Sache zu knüpfen. Für die in s. 20 SGA 1979 kodifizierte Verknüpfung von property und Gefahr streitet dagegen die Wertung, dass zufällige Verschlechterungen einer Sache die Sphäre ihres – auch von deren Wertsteigerung profitierenden – Eigentümers betreffen, und der Gedanke, dass der Verkäufer mit der Übertragung der property bereits seine vertragliche Hauptpflicht gem. s. 2(1) SGA 1979 erfüllt hat. Angesichts der Fall- und Praxisbezogenheit des Common Law ist es erstaunlich, dass sowohl die Präzedenzfälle bis ins 19. Jahrhundert als auch die spätere gesetzliche Regelung des englischen Rechts bei der Frage des Gefahrübergangs abstrakten Sphären- und Synallagmagedanken und nicht dem Beherrschbarkeitsprinzip folgen. Aus dem Blickpunkt einer rein ökonomisch motivierten Vertragstheorie565 böte sich als dispositive default rule, auf welche die Parteien mangels abweichender Vereinbarungen zurückfallen, vielmehr eine Verknüpfung von Gefahrtragung und Besitz an. Freilich blendet eine solche Theorie aus, dass die Transaktionskosten der Parteien nicht der einzig maßgebende Faktor für die Gestaltung solcher default rules sind. Eine Erwägung, welche für die Annahme von besonders weitreichenden default rules wie die Anordnung des Gefahrübergangs schon in einem sehr frühen Stadium spricht, ist etwa, dass solche Regeln die Parteien in höherem Maße dazu veranlassen und es ihnen verhandlungsstrategisch erleichtern, die default rule abzubedingen und im Einzelfall angemessene Individualvereinbarungen über die betreffende Frage auszuhandeln.566 Allerdings ergibt sich aus der oben skizzierten Entwicklung des englischen Gefahrtragungsrechts, dass die Gestalt der default rule in s. 20 (1) SGA 1979 und ihrer Vorgängernorm aus dem Jahr 1893 weniger in rechtsökonomischen und verhandlungsstrategischen Erwägungen als tatsächlich darin begründet ist, dass im 13. Jahrhundert Bracton die damals in der Rechtspraxis geltende 565 Von Johnston, YLJ 100 (1990), 615–664, 618 plastisch als „Coasean Contractual Theory” bezeichnet; zu Coase vgl. oben, Kapitel 1, Fn. 21. 566 Vgl. Johnston, YLJ 100 (1990), 615–664, 626–649. Dieses Ziel wird allerdings nicht erreicht, wenn – wie in der englischen Rechtsprechung – die Gerichte schon bei geringen Anhaltspunkten in weitem Umfang eine konkludente Abbedingung der default rule annehmen. Zur Erzielung möglichst detaillierter Individualvereinbarungen kann man sich freilich auch auf den Standpunkt stellen, default rules seien nicht vom Gesetzgeber zur Verfügung zu stellen, sondern in jedem Einzelfall durch Vertragsauslegung zu konstruieren, bzw. in Ermangelung einer solchen Konstruktionsmöglichkeit sei die Vertragsdurchsetzung durch die Gerichte zu verweigern; für einen solchen Vorschlag vgl. Schwartz/Scott, YLJ 113 (2003), 541–619, 594–609.
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Verknüpfung von Gefahr und Besitz unter Geltung des Traditionsprinzips in Kategorien des Eigentums erklärte und damit den Weg zur Verknüpfung von Gefahr und Eigentum auch unter Geltung des Konsensualprinzips vorzeichnete.567 Diese Verknüpfung wurde von der Rechtsprechung in den Präzedenzfällen so beibehalten und dann im Sale of Goods Act als status quo festgehalten.568 3. Verbrauchsgüterkauf Das Gefahrübergangsregime des Sale of Goods Act, das an den Übergang der property anknüpft, wird seit 2002 durch spezielle Gefahrübergangsregeln für Verbraucher überlagert. Diese Änderungen des Kaufrechts wurden durch die Notwendigkeit ausgelöst, die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (1999/44/EG) umzusetzen. Die Verbraucherrechterichtlinie (2011/83/EU) machte weitere Anpassungen erforderlich. In den letzten fünfzehn Jahren wurde das Verbrauchsgüterkaufrecht daher drei größeren Änderungen unterzogen. Mit dem bevorstehenden Austritt Großbritanniens aus der EU steht einerseits fest, dass es ab dem Austritt keine europäisch veranlassten Änderungen des englischen Verbrauchsgüterkaufrechts mehr geben wird, sofern keine dahingehenden staatsvertraglichen Vereinbarungen getroffen werden. Andererseits erscheint es zugleich unwahrscheinlich, dass man nach dem Austritt versuchen wird, das Verbrauchsgüterkaufrecht auf den Status vor 1999 zurückzusetzen. Denn dadurch sänke nicht nur das Verbraucherschutzniveau ganz erheblich, sondern es entstünden auch Friktionen der Rechtsanwendung: Eine fast zwanzig Jahre unterbrochene Common Law-Tradition in einem so lebendigen Rechtsgebiet wie dem Kaufrecht kann schwerlich einfach wieder aufgenommen werden.569 Behält England das europäisch überformte Verbrauchsgüterkaufrecht bei, können Entscheidungen des EuGH hierzu aber allenfalls noch persuasive authority für die Auslegung der entsprechenden Bestimmungen des englischen Rechts haben.570 a) Sale and Supply of Goods to Consumers Regulations 2002 Die Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in das englische Recht erfolgte nach einem fast zweijährigen Diskussionsprozess über das Internet 567
Vgl. dazu oben, Text bei Fn. 250–255. Vgl. dazu oben, Text bei Fn. 334–342. 569 Vgl. Giliker, The Consumer Rights Act 2015 – a bastion of European consumer rights?, Legal Studies 2016, 25. 570 Giliker, The Consumer Rights Act 2015 – a bastion of European consumer rights?, Legal Studies 2016, , 16, 25 spricht sich für eine fortgesetzte Berücksichtigung europäischer Vorgaben auf diesem Wege aus (unter Referenz auf legal transplants, für welche die Spenderrechtsordnung auch weiterhin Referenzpunkt sei). 568
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im sog. open government-Verfahren571 mittels der Sale and Supply of Goods to Consumers Regulations 2002 (SSGCR 2002).572 Dabei handelt es sich um eine ministerielle Verordnung, durch die der SGA 1979 geändert wurde.573 Die Gesetzesänderung des SGA durch ministerielle Verordnung war möglich, weil s. 2(2) European Communities Act 1972 die Königin und die Minister zur Umsetzung europäischer Verpflichtungen des Vereinigten Königreichs durch Verordnung ermächtigt.574 Die meisten europäischen Vorgaben sind im englischen Recht nicht durch Gesetze, sondern mittels des schnellen und weniger transparenten Verordnungserlasses umgesetzt worden.575 Dabei gelten für die gem. s. 2(2) European Communites Act erlassenen regulations andere Auslegungsregeln als für Gesetze.576 Die SSGCR 2002 traten am 31. März 2003 in Kraft.577 571
Dazu Mansel, AcP 204 (2004), 396–456, 441. Vgl. zum Gesetzgebungsverfahren Bradgate/Twigg-Flesner, Blackstone's Guide to Consumer Sales and Associated Guarantees, 2003, 8–9. Zur Umsetzung der Richtlinie vgl. insbes. Arnold/Unberath, ZEuP 2004, 366–385. 573 Dass zu diesem Zeitpunkt keine umfassende Gesetzesreform stattfand, sondern nur einzelne Vorschriften in verschiedenen Gesetzen geändert wurden, wird auf dem Kontinent als Ausdruck einer „punktuellen“ englischen Gesetzgebungstechnik wahrgenommen, Sobich, RIW 2003, 740–745, 740, siehe auch Mansel, AcP 204 (2004), 396–456, 442. 574 Wegen dieser Möglichkeit der Gesetzesänderung am Parlament vorbei wird s. 2(2) European Communities Act 1972 bisweilen als „Henry VIII clause“ bezeichnet, vgl. Thoburn v Sunderland City Council [2003] Q.B. 151, 180–181. Allerdings kann eine solche Verordnung 40 Tage nach ihrem Erlass u.U. vom Parlament außer Kraft gesetzt werden, was jedoch wegen der Kürze der Zeitspanne selten geschieht, vgl. dazu Jack, Internationales Handelsrecht 2004, 54–57, 54 Fn. 4. 575 Thomas/Lynch-Wood, European Public Law 2008, 177–211, 184. 576 So sind etwa die Erklärungen der Regierung vor Erlass der regulation bei der Auslegung zu beachten (Bennion, Statutory Interpretation, 2. Aufl. 1992, 458), während bei der Auslegung von Parlamentsgesetzen bis in die 1990er-Jahre der Rückgriff auf die Gesetzgebungsmaterialien gänzlich unzulässig war (sog. exclusionary rule) und erst in Pepper v Hart [1992] 3 W.L.R. 1032 vom House of Lords in beschränktem Umfang zugelassen wurde. Grund für die Zurückhaltung bei der Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien von Parlamentsgesetzen ist, dass nur das Ergebnis des Gesetzgebungsprozesses – also das Gesetz als solches – als demokratisch legitimierte Entscheidung angesehen wird und die Berücksichtigung von Äußerungen in den Debatten, die teilweise auch von Vertretern der Exekutive abgegeben werden, als Unterwanderung der parlamentarischen Souveränität gilt, vgl. hierzu Styles, OJLS 14 (1994), 151–158. Diese ratio des Schutzes der parlamentarischen Souveränität gilt bei den ministeriellen Verordnungen nicht. Zur exclusionary rule vgl. auch Vogenauer, Die Auslegung von Gesetzen in England und auf dem Kontinent, 2001, Band 2, 967–973. In Band 2, 1318–1319 schätzt Vogenauer den Einfluss der Europäisierung des Rechts bei der Aufgabe der exclusionary rule als eher gering ein, die Entwicklung sei vielmehr hauptsächlich aus Gründen des nationalen Rechts angestoßen worden. 577 Regulation 1(1) SSGCR 2002. 572
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Durch Regulation 4 SSGCR 2002 wurden die Regeln im SGA zum Gefahrübergang bei Verbrauchsgüterkauf geändert. Regulation 4 lautet: „(1) Section 20 of the Sale of Goods Act 1979 is amended as follows. For the marginal note there is substituted „Passing of risk“. (2) After subsection (3) there is inserted – “(4) In a case where the buyer deals as consumer or, in Scotland, where there is a consumer contract in which the buyer is a consumer, subsections (1) to (3) above must be ignored and the goods remain at the sellerʼs risk until they are delivered to the consumer.“. (3) In section 32 of the Sale of Goods Act 1979, after subsection (3) there is inserted – ‚(4) In a case where the buyer deals as consumer or, in Scotland, where there is a consumer contract in which the buyer is a consumer, subsections (1) to (3) above must be ignored, but if in pursuance of a contract of sale the seller is authorised or required to send the goods to the buyer, delivery of the goods to the carrier is not delivery of the goods to the buyer.‘.“
Regulation 4(1) ändert die amtliche Gesetzesüberschrift von s. 20 SGA 1893 und 1979 („Risk prima facie passes with property“) in ein allgemeiner gefasstes „Passing of risk“. Regulation 4(2) und (3) ändern s. 20 und 32 SGA 1979. Nach s. 20(4) SGA 1979 n.F. geht die Gefahr beim Verbrauchsgüterkauf erst mit Lieferung der Sache an den Verbraucher auf diesen über. S. 32(4) SGA 1979 n.F. bewirkt, dass dabei nicht die Lieferungsfiktion bei Übergabe an eine Transportperson aus s. 32(1) SGA 1979 gilt. Der Verbrauchsgüterkauf (buyer dealing as a consumer) wird in s. 61(5A) SGA unter Bezugnahme auf Teil 1 Unfair Contract Terms Act (UCTA) 1977 definiert. Nach s. 12 UCTA 1977 gilt: „(1) A party to a contract „deals as consumer“ in relation to another party if– (a) he neither makes the contract in the course of a business nor holds himself out as doing so; and (b) the other party does make the contract in the course of a business; and (c) in the case of a contract governed by the law of sale of goods or hire-purchase, or by section 7 of this Act, the goods passing under or in pursuance of the contract are of a type ordinarily supplied for private use or consumption. (1A) But if the first party mentioned in subsection (1) is an individual paragraph (c) of that subsection must be ignored. […] (3) Subject to this, it is for those claiming that a party does not deal as consumer to show that he does not.“
Nach s. 12(1)(a)-(b) UCTA 1977 ist ein Verbrauchergeschäft ein Geschäft zwischen einer Person, die den Vertrag weder in the course of a business abschließt noch vorgibt, ihn in the course of a business abzuschließen, und einer anderen Person, die den Vertrag in the course of a business abschließt. Offen bleibt, wann jemand in the course of a business handelt. Bei Käufen zu rein privaten Zwecken ist das eindeutig nicht der Fall. Probleme ergeben sich, wenn jemand zwar geschäftlich tätig ist, aber einen Kaufvertrag abschließt, der nicht Teil seiner eigentlichen geschäftlichen Tätigkeit ist, also ein außergewöhnliches Geschäft im Rahmen dieser Tätigkeit
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2. Kapitel: Englisches Recht
darstellt oder teilweise privaten Zwecken dient. Ausgehend vom Schutzzweck von s. 12 UCTA 1977 kann man darauf abstellen, ob der Käufer besonderes Wissen in dem jeweiligen Geschäftsbereich des abgeschlossenen Kaufvertrags hat und daher nicht in besonderer Weise schutzbedürftig ist.578 Eine solch enge Auslegung von in the course of a business wurde im Präzedenzfall zu der Norm579 vorgenommen: Ein Käufer handele nur in the course of a business, wenn das Geschäft entweder integraler Anteil seiner Tätigkeit sei oder, falls es nur bei Gelegenheit der Tätigkeit vorgenommen werde, zumindest mit einer gewissen Regelmäßigkeit auftrete.580 Danach war in dem Fall der Kauf eines Geschäftswagens, der in der Tätigkeit eines seit sechs Jahren bestehenden Schiffsfrachtunternehmens erstmals auftrat, kein Geschäft in the course of a business.581 Diese in s. 12(1)(a) UCTA 1977 dem Verbraucherschutz dienende enge Definition von in the course of a business würde aber bei der Unternehmerdefinition in s. 12(1)(b) UCTA 1977 den Verbraucherschutz aushöhlen, wenn Unternehmer nur sein kann, wer ein Geschäft als integralen oder regelmäßigen Bestandteil seiner Tätigkeit abschließt. Um eine solch enge Unternehmerdefinition zu vermeiden, wich der Court of Queenʼs Bench in einem Fall zur Auslegung von dealing in the course of a business im Kontext von implied conditions eines Kaufvertrags (s. 14(2) SGA 1977) von Customs Brokers v United Dominions ab: Es ordnete einen Fall, in dem ein eigentlich als Fischer tätiger Geschäftsmann sein Boot verkaufte, unter ausnahmsweisem Rückgriff auf die Gesetzgebungsgeschichte als dealing in the course of a business ein.582 Es ist wahrscheinlich, dass zur Gewährleistung eines umfassenden Verbraucherschutzes auch in einem künftigen Präzedenzfall zu s. 12(1)(b) UCTA 1977 von Customs Brokers v United Dominions unterschieden werden wird, so dass man zu einem weiten Unternehmerbegriff kommen wird.583 Beim Verbrauchsgüterkauf mit einem Käufer, der keine natürliche Person ist, kommt gem. s. 12(1)(c) i.V.m. (1A) UCTA 1977 das Erfordernis hinzu, 578
So auch Reynolds, in: Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 687–760, 737. Customs Brokers Co. Ltd. v United Dominions Trust Ltd. [1988] 1 W.L.R. 321. 580 [1988] 1 W.L.R. 321, 330. 581 [1988] 1 W.L.R. 321, 331. 582 Stevenson v Rogers [1999] Q.B. 1028, unter Berufung auf Pepper v Hart zur Zulässigkeit der historischen Auslegung (1034). Dazu De Lacy, MLR 62 (1999), 776–791; Sealy, CLJ 58 (1999), 276–278. 583 Zweifelnd Reynolds, in: Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 687–760, 738; für eine grundsätzliche Revision der Auslegung von in the course of a business im Kontext des UCTA 1977 unter Anpassung an Stevenson v Rogers argumentiert De Lacy, MLR 62 (1999), 776–791. Kritisch hinsichtlich der Friktionen zwischen UCTA 1977 und SGA 1979 bei der Auslegung auch Bradgate/Twigg-Flesner, Blackstone's Guide to Consumer Sales and Associated Guarantees, 2003, 28. 579
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dass Vertragsgegenstand solche Güter sein müssen, die normalerweise für den privaten Ge- und Verbrauch verwendet werden. Unter dieser Voraussetzung können Verbraucher in Erweiterung zur der Richtlinie584 auch juristische Personen sein.585 S. 12(3) UCTA 1977586 legt schließlich dem Verkäufer die Beweislast dafür auf, dass es sich bei dem Vertrag nicht um einen Verbrauchsgüterkauf handelt. Für Verbraucher im Sinne dieser Vorschriften wird der Gefahrübergang durch s. 20(4) und 32(4) SGA 1979 n.F. auf den Lieferungszeitpunkt gelegt. Hintergrund dieses neuen Verbrauchergefahrübergangsrechts war, dass die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zwar keine Vorgaben zum Gefahrübergang beim Kauf macht,587 aber eine Verpflichtung des Verkäufers, dem Käufer vertragsgemäße Güter zu liefern, konstituiert (Art. 2 Abs. 1 RL 1999/44/EG) und eine Haftung des Verkäufers für Vertragswidrigkeiten bei Lieferung des Verbrauchsguts begründet (Art. 3 Abs. 1 RL 1999/44/EG). Nach bisherigem englischen Recht war die Vertragsgemäßheit der Kaufsache im Zeitpunkt des Gefahrübergangs zu bestimmen.588 Nachdem die Richtlinie gem. Erwägungsgrund 14 den Gefahrübergang nicht regelte, war die Vertragsgemäßheit der Kaufsache zwar wohl weiter im Gefahrübergangszeitpunkt nach nationalem Recht zu beurteilen.589 Der Wortlaut der Richtlinie deutete aber darauf hin, dass der für die vertragsgemäße Lieferung relevante Zeitpunkt der Moment der Lieferung als solcher sein könnte,590 und stellt damit im Widerspruch zu Erwägungsgrund 14 RL 1999/44/EG den Gefahrübergangszeitpunkt nach nationalem Recht in Frage. Diese Friktion war dem europäischen Gesetzgeber bewusst. So stellt Teil I Punkt 4 der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 24. April 2007 über die Anwendung der 584
Art. 1 Abs. 2 lit a RL 1999/44/EG. Vgl. dazu Shears, EBLR 2013, 437–458, 447. 586 Genauso s. 61(5A) SGA 1979. 587 Erwägungsgrund 14 RL 1999/44/EG: „Die Bezugnahmen auf den Zeitpunkt der Lieferung bedeuten nicht, dass die Mitgliedstaaten ihre Vorschriften über den Gefahrübergang ändern müssen.“ 588 Das ist nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, ergibt sich aber daraus, dass die Ware in diesem Zeitpunkt in der Regel dem Vertrag zugeordnet ist und von der Risikosphäre des Verkäufers in die des Käufers wechselt, Bradgate/Twigg-Flesner, Blackstone's Guide to Consumer Sales and Associated Guarantees, 2003, 68. Allerdings gibt es hierzu keinen Präzedenzfall, Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 107–130, 123. 589 Magnus in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, 40. Aufl. 2009, Art. 2 RL 1999/44/EG Rn. 18; vgl. auch Zerres, Die Bedeutung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie für die Europäisierung des Vertragsrechts: Eine rechtsvergleichende Untersuchung am Beispiel des deutschen und englischen Kaufrechts, 2007, 244, der dies auch mit einem Vergleich mit Art. 31 CISG begründet. 590 Bradgate/Twigg-Flesner, Blackstone's Guide to Consumer Sales and Associated Guarantees, 2003, 71; Twigg-Flesner, GPR 2003, 12–21, 15. 585
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Richtlinie 1999/44/EG591 fest, dass die Richtlinie an die Vertragswidrigkeit bei Lieferung anknüpft, ohne den Gefahrübergang zu regeln, und dass die mitgliedstaatlichen Haftungsklauseln wegen der unterschiedlichen Gefahrübergänge hinsichtlich des Zeitpunkts der Vertragswidrigkeit teilweise von der Richtlinie abweichen, so dass zu klären bleibe, ob derlei begriffliche Konzepte der Richtlinie entsprächen.592 Das englische Recht hat vor diesem Hintergrund ein von der Richtlinie abweichendes begriffliches Konzept von vornherein vermieden. Weil der Gefahrübergangszeitpunkt wegen der Regelanknüpfung an die property nur selten mit dem Lieferzeitpunkt zusammenfällt und der Gefahrübergang oft schon vor der Lieferung stattfindet, hielt man es bei der Richtlinienumsetzung für notwendig, das Gefahrübergangsrecht der Richtlinie anzupassen und verbraucherfreundlicher zu gestalten.593 Dieses Ergebnis sollte mit Regulation 4 SSGCR 2002 erreicht werden. Das dadurch eingeführte Verbrauchergefahrübergangsrecht führt zu folgender Vertreilung von Preisgefahr und Sachgefahr: Beim Kauf mit Übergabe der Kaufsache am Sitz des Verkäufers geht die Preisgefahr nicht schon bei Vertragsschluss bzw. zum von den Parteien beabsichtigten Zeitpunkt (s. 20(1), 17, 18 Regel 1 SGA 1979), sondern nach s. 20(4) SGA unabhängig vom Übergang der property erst im Moment der delivery, also der Übergabe der Kaufsache, auf den Käufer über. Für die Sachgefahr gelten die allgemeinen Regeln: Beim Spezieskauf liegt die Sachgefahr von Anfang an beim Käufer, beim Gattungskauf trägt bis zur appropriation der Verkäufer und danach der Käufer die Sachgefahr, weil hinsichtlich der Kaufsache außer bei Untergang des ganzen Vorrats keine frustration eintreten kann. Eine delivery kann nicht nur durch tatsächliche Übergabe der Sache stattfinden, sondern auch dadurch, dass der Verkäufer mit dem Käufer vereinbart, die Kaufsache künftig für diesen als bailee zu verwahren.594 Diese sog. constructive delivery wird als fiktive Übergabe an den Käufer gefolgt von sofortiger fiktiver Rückübergabe an den Verkäufer konstruiert.595 Genauso kann eine (constructive) delivery dadurch erfolgen, dass eine dritte Partei 591
KOM/2007/0210 endgültig. KOM/2007/0210 endgültig, Teil I Punkt 4. 593 Bradgate/Twigg-Flesner, Blackstone's Guide to Consumer Sales and Associated Guarantees, 2003, 81; Twigg-Flesner, GPR 2003, 12–21, 15; Willett/Morgan–Taylor/ Naidoo, Journal of Business Law 2004, 94–119, 107–108. Vgl. auch Arnold/Unberath, ZEuP 2004, 366–385, 376 sowie Lawson, Business Law Review 2003, 114–115, 115. 594 Michael Gerson (Leasing) Ltd. v Wilkinson [2001] Q.B. 514, 526. 595 Michael Gerson (Leasing) Ltd. v Wilkinson [2001] Q.B. 514, 526. Zur constructive delivery vgl. auch Dublin City Distillery Ltd. v Doherty [1914] A.C. 823, 843–844 sowie Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 427. 592
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anerkennt, die Kaufsache ab jetzt nicht mehr für den Verkäufer, sondern für den Käufer zu besitzen, s. 29(4) SGA 1979. Diese Übergabesurrogate sind keine Übertragung des unmittelbaren Besitzes an der Sache, so dass diese nicht im eigentlichen Sinne der Kontrolle des Verbrauchers untersteht. In Hinblick auf den Zweck der Reformen, den Verbraucherschutz zu erhöhen, wurde daher vertreten, dass das Wort delivery in s. 20(4) SGA 1979 als actual delivery, also Übertragung unmittelbaren Besitzes, auszulegen sei,596 so dass der Gefahrübergang nur dann stattfindet, wenn der Verbraucher die Sache tatsächlich in Händen hält. Dies ist aber mangels ausdrücklicher abweichender Definition von delivery in s. 20(4) SGA 1979 nicht eindeutig.597 Falls man annimmt, dass die Richtlinie die Beurteilung der Vertragsgemäßheit der Kaufsache im Moment der tatsächlichen Übergabe verlangt, kann eine Auslegung von delivery auch im Sinne einer contructive delivery zu Ergebnissen führen, die der Richtlinie widersprechen. Das Problem wurde aber dadurch entschärft, dass ein Großteil der Fälle von constructive delivery beim Verbrauchsgüterkauf Versendungskäufe sind, bei denen die Transportperson die Kaufsache für den Käufer besitzt.598 In diesen Fällen greift s. 32(4) SGA 1979 n.F. ein, so dass die Übergabe der Kaufsache an die Transportperson nicht gem. s. 32(1) SGA 1979 als Übergabe an den Käufer gilt und keine constructive delivery eintreten kann. Dann bleibt es dabei, dass die Sache erst mit der eigentlichen delivery der Sphäre des Käufers zugerechnet wird und gem. s. 20(4) SGA auch die Gefahr erst dann auf den Käufer übergeht.599 Somit ging nach dem durch die SSGCR 2002 geänderten SGA 1979 die Preisgefahr grundsätzlich dann auf den Käufer über, wenn dieser unmittelbaren Besitz an der Kaufsache erlangt. Das galt auch beim Versendungskauf, bei dem die Lieferungsfiktion aus s. 32(1) SGA 1979 gem. s. 32(4) SGA 1979 nicht anzuwenden ist. Ein Gefahrübergang vor Übergang des tatsächlichen Besitzes an den Käufer war nur in Fällen der Begründung eines bailment durch den Verkäufer oder der Übergabe an eine dritte Person als bailee denkbar, wenn diese nicht Transportperson im Sinne von s. 32 SGA 1979 ist. Das galt aber nur, wenn man s. 20(4) SGA 1979 so auslegte, dass delivery im Sinne der Vorschrift auch eine constructive delivery ist, was zwar der Ge596 Twigg-Flesner, GPR 2003, 12–21, 16; so auch Mansel, AcP 204 (2004), 396–456, 446 und Zerres, Die Bedeutung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, 2007, 246; vage insoweit Sobich, RIW 2003, 740–745, 745. 597 So gehen Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 319–320 und Bradgate/TwiggFlesner, Blackstone's Guide to Consumer Sales and Associated Guarantees, 2003, 82 davon aus, dass grundsätzlich auch die constructive delivery unter s. 20(4) SGA 1979 fällt. 598 Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 320 Fn. 78. 599 Vgl. auch Bradgate/Twigg-Flesner, Blackstone's Guide to Consumer Sales and Associated Guarantees, 2003, 81.
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setzessystematik, aber wohl nicht den Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie entsprach. Insoweit sie der Umsetzung von Richtlinienvorgaben dienten, waren die neuen Regeln nicht zum Nachteil des Verbrauchers abdingbar.600 Dieses Ergebnis konnte durch richtlinienkonforme Auslegung von s. 20(4) SGA 1979 erreicht werden, sofern sich die Unwirksamkeit nicht schon aus der unreasonableness der Klausel im Sinne von s. 3 UCTA 1977 ergab.601 b) Consumer Contracts Regulations 2013 Das Verbrauchergefahrübergangsrecht wurde 2014 zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie (2011/83/EU) modifiziert. Während die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (1999/44/EG) den Gefahrübergang zumindest nicht ausdrücklich regelte,602 sieht Art. 20 Verbraucherrechterichtlinie (2011/83/EU) einen einheitlichen Gefahrübergang beim Versendungskauf vor: „Artikel 20 Risikoübergang Bei Verträgen, bei denen der Unternehmer die Waren an den Verbraucher versendet, geht das Risiko für einen Verlust oder eine Beschädigung der Waren auf den Verbraucher über, wenn er oder ein vom Verbraucher benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, die Waren in Besitz genommen hat. Unbeschadet der Rechte des Verbrauchers gegenüber dem Beförderer geht das Risiko mit der Übergabe an den Beförderer jedoch auf den Verbraucher über, wenn der Beförderer vom Verbraucher mit der Beförderung der Waren beauftragt wurde und diese Option nicht vom Unternehmer angeboten wurde.“
Dies entspricht – abgesehen vom Problem der constructive delivery – weitgehend dem Gefahrübergangsrecht gem. s. 20(4) und s. 32(4) SGA 1979. Dennoch wurde Art. 20 RL 2011/83/EU durch die Consumer Contracts (Information, Cancellation and Additional Charges) Regulations 2013 (CCR 2013) gesondert umgesetzt in Regulation 43, die seit 13. Juli 2014 gilt:603 „Passing of risk (1) A sales contract is to be treated as including the following provisions as terms. (2) The goods remain at the traderʼs risk until they come into the physical possession of– (a) the consumer, or (b) a person identified by the consumer to take possession of the goods. (3) Paragraph (2) does not apply if the goods are delivered to a carrier who– (a) is commissioned by the consumer to deliver the goods, and (b) is not a carrier the trader named as an option for the consumer. (4) In that case the goods are at the consumerʼs risk on and after delivery to the carrier. 600
Art. 7 Abs. 1 S. 1 RL 1999/44/EG. Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014, 81–82. Vgl. auch Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 322. 602 Erwägungsgrund 14 RL 1999/44/EG, vgl. oben Text bei Fn. 587 bis 590. 603 Regulation 1(1) CCR 2013, also ab dem in Art. 28 Abs. 1 RL 2011/83/EU geregelten Datum. 601
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(5) Paragraph (4) does not affect any liability of the carrier to the consumer in respect of the goods.“
Bei einem sales contract wird demnach eine Vertragsbedingung postuliert, wonach die Gefahr erst auf den Verbraucher übergeht, wenn dieser oder eine von ihm dazu ermächtigte Person die Kaufsache in Besitz nimmt (Regulation 43(1) und (2)). Etwas anderes gilt nur, wenn die Sache von einer Transportperson befördert wird, die vom Verbraucher beauftragt wurde, ohne dass das vom Verkäufer vorgeschlagen wurde (Regulation 43(3)). Ein sales contract ist nach Regulation 5 ein Vertrag, in dem ein Händler Eigentum an Gütern auf einen Verbraucher überträgt oder sich dazu verpflichtet und der Käufer hierfür einen Kaufpreis zahlt oder sich dazu verpflichtet. Regulation 4 definiert Verbraucher und Unternehmer. Verbraucher ist danach jede natürliche Person,604 die zu Zwecken handelt, die ganz oder hauptsächlich außerhalb seines Geschäfts, Handwerks oder Berufs liegen, und Unternehmer ist, wer zu Zwecken handelt, die mit dem Geschäft, Handwerk oder Beruf in Beziehung stehen, unabhängig davon, ob er selbst oder durch Vertreter handelt. Mit der Regelung hängt die Definition von „Verbraucher“ und „Unternehmer“ nicht mehr von der unklaren Rechtsprechung zu in the course of a business im Sinne von s. 12 UCTA und s. 14 SGA 1979 ab.605 Regulation 43(2) und (3) sind eine nur teilweise im Wortlaut abgeänderte Kopie von Art. 20 der englischen Version von RL 2011/83/EU und in Regulation 4 und 5 wurde die Unternehmer- und Verbraucherdefinition sowie die Definition des sales contract fast wörtlich aus Art. 2 Abs. 1, 2 und 5 der englischen Version von RL 2011/83/EU übernommen. Dieser copy out-Ansatz entspricht den vom Department for Business, Innovation & Skills der britischen Regierung ausgearbeiteten Guiding Principles for EU Legislation,606 die in General Principle 5d ausdrücklich ein copying out vorschreiben, sofern dies nicht ausnahmsweise nationalen Interessen widerspricht. Hintergrund dieses „Kopiergebots“ war das Bestreben, eine überschießende Umsetzung von Richtlinien zu vermeiden. Eine 2006 im Auftrag der britischen Regierung durchgeführte Untersuchung zur Umsetzung von EU-Recht hatte nämlich ergeben, dass es bei der Umsetzung zu unnötigen Belastungen des privaten und öffentlichen Sektors kam, weil die europäischen Vorgaben
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Anders als im Rahmen von s. 12 UCTA 1977 kann also eine juristische Person kein Verbraucher mehr sein. Der Unternehmer kann dagegen juristische oder natürliche Person sein, 605 Vgl. dazu oben, Text bei Fn. 531–536. Die führt zu mehr Rechtssicherheit für die Verbraucher, vgl. Marson/Ferris, Business Law, 4. Aufl. 2015, Additional Chapter: The Consumer Rights Bill, 4. 606 BIS/13/774.
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regelmäßig „überumgesetzt“ wurden.607 Die Überumsetzung bestand einerseits in einer „Vergoldung“ (gold-plating) der Richtlinien, indem bei der Umsetzung deren Anwendungsbereich erweitert wurde, und andererseits auch in einer „Doppelbesetzung“ (double-banking) bestimmter Rechtsgebiete, indem nationales englisches Recht und europäisches Recht zu einer bestimmten Frage nebeneinander zur Geltung kamen.608 Diese Effekte verursachen erhebliche Mehrkosten.609 Um unnötiges gold-plating zu vermeiden, schreiben daher die Guiding Principles das copying out aus den Richtlinien vor.610 Während die Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (1999/44/EG) durch Integration der Richtlinienvorgaben in den existierenden SGA 1979 noch double-banking vermieden hatte, dabei aber etwa durch einen gegenüber der Richtlinie erweiterten Verbraucherbegriff zu einem gold-plating geführt hatte,611 traten die CCR 2013 in fast wortlautgetreuer Umsetzung der Richtlinie neben das bereits existierende Kaufrecht und vermieden durch den copying out-Ansatz ein gold-plating. Das Nebeneinander von bereits existierendem Kaufrecht und den Consumer Contracts Regulations 2013 führt allerdings zum ebenfalls in der Davidson Review kritisierten double-banking. Dabei tritt nicht nur eine Dopplung von Regelungen zum Verbrauchsgüterkauf ein – die fast wörtliche Übernahme der Richtlinie mit ihrer eher generellen Formulierungsweise führt auch zu einem Stilbruch mit dem sonst eher detaillierten und kasuistischen Gesetzgebungsstil in England.612 Dennoch wurde einfachheitshalber die Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie durch die CCR 2013 neben dem bestehenden Recht einer Anpassung der geltenden Regelungen in den verschiedenen Bereichen vorgezogen.613 Die CCR 2013 sind also eine Parallelregelung zum SGA 1979. Das führt zu folgenden Ergebnissen: Nach Regulation 43(2) geht bei einem Verbrauchsgüterkauf die Gefahr erst bei Übergang des unmittelbaren Besitzes an der Kaufsache auf den Käufer oder eine von ihm bestimmte Person 607 Davidson Review, Final Report (HMSO, 2006); kritisch zu den Ergebnissen dieser Untersuchung Voermans, in: Snijders/Vogenauer, Content and Meaning of National Law in the Context of Transnational Law, 2008, 79–88, insbes. 84–86. 608 Davidson Review, 3. 609 Davidson Review, 5. 610 Einleitungssatz zu den Guiding Principles; vgl. dazu auch Giliker, European Review of Private Law 2015, 5–28, 9–10. 611 Davidson Review, 39. 612 Giliker, European Review of Private Law 2015, 5–28, 13. Zur Detailfreudigkeit der Common Law-Gesetzgebung vgl. auch Vogenauer, The Drafting of the CESL: an Assessment and Suggestions for Improvement, 2012, 9. Zum Einfluss der europäischen Rechtsvereinheitlichung auf das Common Law im Allgemeinen vgl. Häcker, LQR 131 (2015), 424–453, 450–452. 613 Giliker, European Review of Private Law 2015, 5–28, 17.
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über.614 Damit ist der Gefahrübergang auch bei constructive delivery der Moment der tatsächlichen Besitzerlangung. Für den Verbraucher ist dies eine im Vergleich zu der weiterhin geltenden s. 20(4) SGA 1979 vorteilhafte Regelung, da unter dem SGA außerhalb des Versendungskaufs (s. 32(4) SGA 1979) u.U. gem. s. 20(4) SGA 1979 schon ein Gefahrübergang mit Begründung eines Verwahrungsverhältnisses erfolgen konnte. Vorteile für den Verbraucher können sich auch dann ergeben, wenn ein Unternehmer zwar nicht in the course of a business i.S.v. s. 20(4), 61(5A) SGA 1979, 12(1) UCTA 1977 handelt, aber dennoch unter die Definition von trader in Regulation 4 fällt, so dass Regulation 43 zum Gefahrübergang Anwendung findet. Eine Schwäche von Regulation 43 liegt allerdings darin, dass die CCR 2013 den Begriff der physical possession nicht definieren. Das kann insbesondere zum Problem werden, wenn die Sache vom Verkäufer in einen Bereich gegeben wird, von dem unklar ist, ob er zum Machtbereich des Käufers gehört, wie etwa bei Abgabe eines für den Käufer bestimmten Pakets an den Nachbarn in dessen Wohnung.615 In Hinblick auf den angestrebten starken Verbraucherschutz ist physical possession aber wohl eng auszulegen, so dass der Verbraucher erst besitzt, wenn er die Sache tatsächlich in Händen hält.616 Dieser Verbraucherschutz durch einen möglichst späten Gefahrübergang ist zwingend, jedenfalls solange Großbritannien noch Teil der EU ist: Auch wenn die Unabdingbarkeitsvorschrift in Art. 25 RL 2011/83/EU nicht in die CCR 2013 umgesetzt wurde, ist jedenfalls bis zum Austritt aus der EU durch europarechtskonforme Auslegung zu gewährleisten, dass von Regulation 43 nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden kann.617 Ungeachtet der wegen der Dopplung von CCR 2013 und Verbraucherschutzrecht im SGA unübersichtlichen Gesetzeslage führen die CCR durch das Abstellen auf den unmittelbaren Besitz und durch die Definition von „Verbraucher“ und „Unternehmer“ zu klarer bestimmbarem Verbraucherschutz beim Gefahrübergang beim Kauf. c) Consumer Rights Act 2015 Das Nebeneinander von Verbraucherschutz im SGA 1979 und den CCR 2013 wurde am 1. Oktober 2015618 schließlich vom Consumer Rights Act (CRA) 2015 überlagert. Dieses Gesetz ist das Ergebnis eines fast zehnjährigen Pro614
Vgl. auch Marson/Ferris, Business Law, 2015, 209. Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 321. 616 So im Ergebnis auch Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 321, der zur Begründung auf den sonst fehlenden tatsächlichen Herrschaftswillen des Verbrauchers abstellt. 617 A.A. wegen des Fehlens einer Unabdingbarkeitsnorm in den Consumer Contracts Regulations 2013 Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 323. 618 S. 1 The Consumer Rights Act 2015 (Consequential Amendments) Order 2015. 615
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2. Kapitel: Englisches Recht
zesses, in dem Parlament und Regierung im Dialog mit der Law Commission das Verbraucherschutzrecht zu vereinfachen suchten.619 Das geltende Verbraucherschutzrecht wurde wegen seiner Fragmentierung und der Überlagerungen durch das Unionsrecht als unnötig komplex empfunden.620 Dem sollte durch das neue, umfassende Gesetz abgeholfen werden. In den Entwicklungsprozess des Gesetzes fiel die Verabschiedung der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU. Daher setzte der CRA 2015 auch einige Vorschriften der Richtlinie um.621 Allerdings ist er keine umfassende Transformation der Richtlinie in ein Parlamentsgesetz – vielmehr gelten in den vom CRA 2015 nicht geregelten Bereichen die zur Umsetzung der Richtlinie erlassenen CCR 2013 weiter.622 Das Problem des Nebeneinanders verschiedener Verbraucherschutzregime ist also nicht gelöst worden. Der Gefahrübergang beim Kauf beweglicher Sachen wurde im Ersten Teil des CRA 2015 (Consumer Contracts for Goods, Digital Content and Services) in Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie aber umfassend neu geregelt. Die Neuregelung ersetzt s. 20(4) und 32(4) SGA 1979623 sowie Regulation 43 CCR 2013. S. 29 CRA 2015 zum Gefahrübergang lautet: „(1) A sales contract is to be treated as including the following provisions as terms. (2) The goods remain at the traderʼs risk until they come into the physical possession of– (a) the consumer, or (b) a person identified by the consumer to take possession of the goods. (3) Subsection (2) does not apply if the goods are delivered to a carrier who– (a) is commissioned by the consumer to deliver the goods, and (b) is not a carrier the trader named as an option for the consumer. (4) In that case the goods are at the consumerʼs risk on and after delivery to the carrier. (5) Subsection (4) does not affect any liability of the carrier to the consumer in respect of the goods. (6) See section 2(5) and (6) for the application of this section where goods are sold at public auction.“
S. 29(1)-(5) CRA 2015 entsprechen der bisherigen Regulation 43 der CCR 2013. S. 29(6) i.V.m. s. 2(5) und (6) CRA 2015 ordnen an, dass der besondere Gefahrübergangszeitpunkt auch für Verkäufe gebrauchter Sachen in Auktionen gilt, die i.Ü. nicht dem Verbraucherschutzregime unterliegen. Nicht 619
Marson/Ferris, Business Law, 2015, Additional Chapter: The Consumer Rights
Bill, 2. 620
CRA 2015, Explanatory Note 5. Vgl. dazu CRA 2015, Explanatory Note 9. 622 CRA 2015, Explanatory Note 9. Vgl. auch Giliker, European Review of Private Law 2015, 5–28, 23–24. 623 CRA 2015, Schedule 1, Amendments Consequential on Part 1, s. 17 und 21. Vgl. hierzu Giliker, The Consumer Rights Act 2015 – a bastion of European consumer rights?, Legal Studies 2016, 7. 621
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nur s. 29(1)-(5) CRA 2015, sondern auch die Definition des sales contract in s. 5(1) CRA 2015 und die Definition von Unternehmer und Verbraucher in s. 2(2) und (3) CRA 2015 wurden aus den CCR 2013 übernommen, deren jeweilige Regelungen wiederum ein copy out aus der Verbraucherrechterichtlinie sind. Damit wurde im Bereich des Gefahrübergangs dem in Explanatory Note 13 CRA 2015 erläuterten Ansatz gefolgt, das neue Gesetz so weit wie möglich kohärent mit der Verbraucherrechterichtlinie zu gestalten. Mit dem CRA 2015 gilt für den Verbrauchsgüterkauf also ein einheitliches Gefahrübergangsregime, das in dem vom CRA 2015 erfassten Regelungsbereich die allgemeinen Gefahrübergangsregeln des SGA 1979 verdrängt. Nach s. 29 CRA 2015 geht wie schon gem. Regulation 43 CCR 2013 die Gefahr bei einem sales contract (s. 5(1) CRA 2015) zwischen einen consumer und einem trader im Sinne von s. 2(2) und (3) CRA erst mit Erlangung der physical possession durch den Verbraucher oder eine von ihm benannte Person auf den Verbraucher über. Etwas anderes gilt gem. s. 29(3) CRA nur – wie schon gem. Regulation 43 – bei Übergabe an eine Transportperson, die vom Verbraucher ohne vorhergehenden Vorschlag des Unternehmers benannt wurde. Bis auf etwaige Probleme im Zusammenhang mit dem Begriff der physical possession624 ist damit eine sowohl hinsichtlich des Verbraucher- und Unternehmerbegriffs als auch hinsichtlich des Gefahrübergangszeitpunkts klare Regelung geschaffen worden, die eine deutliche Verbesserung gegenüber s. 20(4) und 32(4) SGA 1979 darstellt. Diese Regelung ist gem. s. 31(1)(l) CRA 2015 nicht zum Nachteil des Verbrauchers abdingbar.625 d) Gefahrübergang mit Übergang der physical possession Die Betrachtung der drei Instrumente zum Verbraucherschutz, die in den vergangenen 15 Jahren erlassen wurden, ergibt folgendes Bild: Seit 31. März 2003 gilt für Verbrauchsgüterkäufe ein spezielles Gefahrübergangsregime. Durch die SSGCR 2002 wurde in Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie der SGA 1979 bzgl. des Gefahrübergangs geändert, was allerdings mit Unsicherheiten über den Begriff der delivery verbunden war. Zudem bestanden in der Rechtsprechung Unklarheiten bzgl. des unter Bezug auf s. 12 UCTA 1977 definierten Verbraucher- und Unternehmerbegriffs des SGA 1979. Diese Rechtslage wurde mit den CCR 2013 um einfachere Regelungen erweitert. Regulation 43 knüpfte im Wege eines copy out aus Art. 20 RL 2011/83/EU den Gefahrübergang an die gegenüber der delivery klarer definierbare physical possession. Die Regelung galt neben dem SGA 1979. Dieses Nebeneinander verschiedener Verbraucherschutzregeln wurde durch den 624
Vgl. oben, Text bei Fn. 615–616. Vgl. auch Whittaker, in: Beale, Chitty on Contracts, Band 2, 32. Aufl. 2015, 883–1290, 1252. 625
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Geltungsbeginn von s. 29 CRA 2015 am 1. Oktober 2015 beendet. S. 29 CRA 2015 übernimmt die Regeln aus Regulation 43 CCR 2013 und der Verbraucherrechterichtlinie in ein Parlamentsgesetz – das Gefahrübergangsregime des SGA 1979 wird hierdurch verdrängt. Bei Verbrauchsgüterkäufen ist der Gefahrübergang damit nicht mehr an die property geknüpft, sondern an die physical possession an der Kaufsache. e) Auswirkungen von Pflichtverletzungen aa) Pflichtverletzungen des Verkäufers Stört der Verkäufer die Vertragsabwicklung, indem er die Übergabe der Sache verzögert, führt die Verknüpfung von Gefahr und Besitz (s. 29 CRA 2015) bereits ohne Eingreifen besonderer Vorschriften dazu, dass die gesamte Gefahr des zufälligen Untergangs der Kaufsache bis zur Übergabe beim Verkäufer verbleibt. Dem die Lieferung verzögernden Verkäufer werden daher alle Zufallsrisiken und nicht nur verzögerungsspezifische Risiken (s. 20(2) SGA 1979) zugewiesen. Die Auswirkungen der Mangelhaftigkeit der Kaufsache auf die Gefahrtragung hängen auch beim Verbrauchsgüterkauf von der Art des ausgeübten Mängelrechts ab. In Umsetzung von RL 1999/44/EG wurden die darin vorgeschriebenen Rechtsbehelfe des Verbrauchers (Nachbesserung, Nachlieferung, Minderung und Vertragssauflösung, Art. 3 RL 1999/44/EG) neu eingeführt. Daneben stehen dem Verbraucher die allgemeinen Mängelrechte626 zu.627 Die Mangelhaftigkeit der Kaufsache richtete sich bis zur Einführung des CRA 2015 nach s. 13–15 SGA 1979,628 insbesondere galt die implied condition hinsichtlich der satisfactory quality (s. 14(2) SGA 1979). Bei Mangelhaftigkeit der Kaufsache i.S.v s. 13–15 SGA 1979 standen dem Käufer abhängig von der Art der verletzten Vertragsbedingung – condition oder warranty – die jeweiligen allgemeinen Mängelrechte zu. Vor Geltung des CRA 2015 konnte er gem. s. 48A SGA 1979 zusätzlich die speziellen europäischen Mängelrechte Nachbesserung, Nachlieferung, Minderung und Vertragsauflösung ausüben. Der CRA 2015 differenziert dagegen bzgl. der Mangelhaftigkeit der Kaufsache nicht mehr zwischen conditions und warranties und führt stattdessen 626
Vgl. dazu oben, B.III.2.c)aa). S. 19(9)-(11) CRA 2015, sowie zuvor s. 48D SGA 1979, der lediglich die rejection für eine reasonable time nach einem Nacherfüllungsverlangen ausschließt. Vgl. auch Lowe v W Machell Joinery Ltd. [2011] EWCA Civ 795, para 52: „If, however, the buyer does not seek to use the new remedies, there is nothing in these provisions which affects the exercise of the common law right to reject the goods and to terminate the contract for breach of condition.“ 628 Vgl. dazu oben, Text bei Fn. 508–510. 627
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
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einen einheitlichen Begriff des term ein. In s. 9–14 CRA 2015 werden verschiedene Anforderungen an die Qualität und Vertragskonformität der Kaufsache aufgestellt, die jedem Verbrauchsgüterkaufvertrag als term inhärent sind. Bei Verletzung dieser terms stehen dem Käufer gem. s. 19(3) CRA 2015 die europäischen Mängelrechte und daneben gem. s. 19(9)–(11) CRA 2015 die allgemeinen Mängelrechte zu.629 Bzgl. der allgemeinen Mängelrechte gilt für die Gefahrtragung beim Verbrauchsgüterkauf Folgendes: Der Käufer kann die Sache behalten und gem. s. 53(1) SGA 1979 den Kaufpreis reduzieren oder Schadensersatz verlangen. Dadurch wird die Vertragsabwicklung nicht modifiziert und es ergeben sich keine Änderungen der Besitzverhältnisse. Daher hat das Vorgehen nach s. 53(1) SGA 1979 auch keine Auswirkungen auf den Gefahrübergang. Übt der Käufer bei Bruch eines term nach dem CRA 2015 sein right to reject630 aus, stellt sich die Gefahrtragung wie folgt dar: Mit Besitzergreifung des Käufers an der Kaufsache ist unabhängig von der property die Gefahr auf ihn übergegangen. Fraglich ist, ob dies endgültig ist und der Käufer daher bei zufälligem Untergang der Kaufsache keine rejection mehr durchführen kann oder ob bei rejection der Kaufsache die Gefahr rückwirkend auf den Verkäufer zurückspringt, so dass der Käufer auch bei zufälligem Untergang der Kaufsache weiter sein right to reject ausüben kann. Dabei handelt es sich im Ergebnis um dieselbe Streitfrage wie bei der Diskussion der Auswirkungen der rejection auf den Gefahrübergang nach s. 20(1) SGA 1979,631 die durch die Rechtsprechung ungeklärt ist. Beim Verbrauchsgüterkauf weisen die Wertungen jedoch deutlicher in Richtung eines Zurückspringens der Gefahr auf den Verkäufer: Die Argumentation wird nämlich nicht durch den Grundsatz risk follows property bestimmt, sondern nimmt an der Verknüpfung von Gefahr und physical possession ihren Ausgangspunkt. Auch zu dieser Verknüpfung gibt es zwar keine ausdrückliche 629
Teil 5A des SGA 1979 (s. 48A-48F) zu den europäischen Mängelrechten wird durch CRA 2015, Schedule 1, Amendments Consequential on Part 1, s. 27 aufgehoben. Vgl. auch Whittaker, in: Beale, Chitty on Contracts, Band 2, 2015, 883–1290, 1237. Giliker, The Consumer Rights Act 2015 – a bastion of European consumer rights?, Legal Studies 2016, 11 wagt die Prognose, dass die neuen Verbrauchermängelrechte auch nach einem Austritt Großbritanniens aus der EU so erhalten bleiben werden. 630 Das allgemeine right to reject bei Verstoß gegen eine condition wurde im CRA 2015 modifiziert: Bei Bruch eines term kann der Verbraucher-Käufer weiterhin die Kaufsache ohne weitere Voraussetzungen zurückweisen (short time right to reject, s. 19(3), 20, 22 CRA 2015), allerdings wurde die nicht ganz klare Voraussetzung der rejection innerhalb einer reasonable time durch ein klares Zeitlimit von 30 Tagen ersetzt, s. 22(3) CRA 2015. Zur Beibehaltung des right to reject vgl. Report of the Law Commission about Consumer Remedies for Faulty Goods (Law Com. No. 317, Nov 2009), 21–28; zur Einführung eines Zeitlimits Shears, EBLR 2013, 437–458, 450–451. 631 Vgl. dazu oben, Text bei Fn. 508–510.
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2. Kapitel: Englisches Recht
gesetzliche Ausnahme für den Fall der rejection. Allerdings dient diese Verbrauchergefahrtragungsregel dem Schutz des Käufers und kann daher teleologisch reduziert werden, wenn der Käufer trotz Verschlechterung der Kaufsache innerhalb des Zeitlimits (within reasonable time oder 30 Tage nach s. 22(3) CRA 2015) sein right to reject ausüben will. Dies entspricht der tatsächlichen Gegebenheit, dass die Kaufsache beim Verbraucher-Käufer mit wesentlich geringerer Wahrscheinlichkeit versichert ist als beim kommerziellen Käufer.632 Daher springt bei (short time) rejection der Kaufsache durch den Verbraucher-Käufer die Gefahr auf den Verkäufer zurück. Von den speziellen europäischen Mängelrechten können sich – im Gegensatz zur Minderung, bei der die Kaufsache beim Käufer verbleibt – Nacherfüllung und Vertragsauflösung auf die Vertragsabwicklung und daher auf die Gefahrtragung auswirken, weil die Kaufsache ihren Besitzer wechselt. Allerdings gibt es dazu keine Präzedenzfälle und kaum Diskussionen in der Literatur. Das liegt daran, dass die europäischen Mängelrechte neben den allgemeinen Common Law-Mängelrechten stehen und der Weg der Vertragsbeendigung und des Schadensersatzes nach dem Common Law für den Käufer der einfachere und bei einer aufgrund eines Sachmangels gestörten Vertragsbeziehung naheliegender ist als die Geltendmachung der europäischen Mängelrechte.633 Dennoch können aus den allgemeinen Wertungen Regeln für die Gefahrtragung bei Nacherfüllung und Vertragsauflösung abgeleitet werden: Bei der Nacherfüllung (s. 48A(2)(a), 48B SGA 1979, abgelöst durch s.19(3), 23 CRA 2015) folgt aus der Verknüpfung von Gefahr und Besitz, dass der Verkäufer die Gefahr des zufälligen Untergangs der Kaufsache trägt, während sich diese zum Zwecke der Nacherfüllung in seinem Besitz befindet. Unklar ist allerdings, welche Regeln für die Zeit des Transports der zu reparierenden oder reparierten Kaufsache durch einen Dritten und für die Zeit vor dem Nacherfüllungsverlangen gelten. Einerseits kann man aufgrund der Wertung, dass der Verkäufer die Kosten der Nacherfüllung zu tragen hat (s. 48B(2)(b) SGA 1979, abgelöst durch s. 23(2)(b) CRA 2015), davon ausgehen, dass mit dem Nacherfüllungsverlangen ähnlich wie wohl beim (short term) right to reject die Gefahr auf den Verkäufer zurückspringt, bis der Käu-
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Hudson, in: Feldman/Meisel, Corporate and Commercial Law, 1996, 207–223, 222; Gullifer, in: McKendrick, Sale of Goods, 2000, 107–130, 121. 633 Vgl. Bradgate/Twigg-Flesner, Blackstone's Guide to Consumer Sales and Associated Guarantees, 2003, 83, der einräumt, dass damit im englischen Recht im Gegensatz zum Civil Law nur ein „Lippenbekenntnis“ zu pacta sunt servanda abgelegt werde. Zu den Vorzügen des allgemeinen Mängelrechts Schadensersatz für den Verbraucher vgl. auch Report of the Law Commission about Consumer Remedies for Faulty Goods (Law Com. No. 317, Nov 2009), 45.
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
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fer die Kaufsache wieder in Händen hält.634 Andererseits könnte man aber auch die Gegenmeinung vertreten, dass solche Risiken, die nicht aus der Mangelhaftigkeit der Kaufsache resultieren, dem Käufer ab dem ursprünglichen Gefahrübergangszeitpunkt endgültig zugewiesen sind.635 Hierfür spräche, dass ein Nacherfüllungsverlangen wesentlich länger nach Übergabe der Kaufsache möglich ist als die (short term) rejection und daher eine fortgesetzte Gefahrtragung des Verkäufers für diese längere Zeit nicht gerechtfertigt ist. Dennoch erscheint wegen des Schutzzwecks des Verbrauchergefahrübergangsrechts die Lösung anhand des Zurückspringens der Gefahr auf den Verkäufer vorzugswürdig. Bzgl. der Vertragsauflösung herrscht dagegen die verbraucherunfreundliche Lösung vor: Die Vertragsauflösung, die im SGA 1979 als rescission (s. 48A(2)(b)(ii), 48C) ausgestaltet war und im CRA 2015 als final right to reject (s. 19(3), 24)636 firmiert, ist im englischen Recht ohne materielles Zeitlimit möglich und wird erst durch eine potentielle limitation of action nach sechs Jahren gehindert.637 Angesichts dieser langen Vertragsauflösungsmöglichkeit zieht die Literatur ein Zurückspringen der Gefahr auf den Verkäufer bei Vertragsauflösung richtigerweise nicht in Betracht, sondern hält die Vertragsauflösung bei zufälligem Untergang der Kaufsache für unmöglich.638 Bzgl. der Vertragsbeendigung infolge Mangelhaftigkeit der Kaufsache könnte es bei Fernabsatzgeschäften zu einer Änderung der Gefahrtragung kommen, falls die von der Kommission am 9.12.2015 vorgeschlagene Richtlinie zum Online- und Versandhandel mit Waren639 vom Europäischen Parlament noch rechtzeitig vor dem Austritt Großbritanniens aus der EU verabschiedet werden sollte. Der Richtlinienentwurf sieht nämlich in Art. 13 Abs. 3 lit. c mit vollharmonisierender Wirkung (Art. 3) vor, dass der Ver634 Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 323–324; Bradgate/Twigg-Flesner, Blackstone's Guide to Consumer Sales and Associated Guarantees, 2003, 98. 635 Reynolds, in: Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 605–685, 660. 636 Zu den terminologischen Ungenauigkeiten im Gebrauch des Worts rejection im SGA 1979 und CRA 2015 vgl. Clive, in: Gullifer/Vogenauer, English and European Perspectives on Contract and Commercial Law: Essays in Honour of Hugh Beale, 2014, 131–150, insbes. 142–143. 637 Reynolds, in: Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 605–685, 671–672. Die Vertragsauflösung setzt gem. s. 48C(2) SGA 1979, abgelöst durch s. 24(5) CRA 2015 nur voraus, dass dem Käufer kein Nacherfüllungsanspruch wegen eines Sachmangels zusteht oder der Käufer erfolglos die Nacherfüllung verlangt hat, weil sie der Verkäufer verweigert hat oder weil sie fehlgeschlagen ist. 638 Bradgate/Twigg-Flesner, Blackstone's Guide to Consumer Sales and Associated Guarantees, 2003, 102–103; Reynolds, in: Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 605–685, 666. A.A. dagegen wohl Zerres, Die Bedeutung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, 2007, 329. 639 COM(2015) 635 final.
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2. Kapitel: Englisches Recht
braucher auch bei Zerstörung bzw. Untergang der Kaufsache den Vertrag beenden darf, dabei aber für die Kaufsache Wertersatz leisten muss, sofern der Untergang nicht auf einen Sachmangel zurückzuführen ist. In Umsetzung dessen müsste das englische Recht bzgl. der Vertragsbeendigung beim Verbrauchsgüterkauf auf eine ihm bisher fremde Rückabwicklung dem Werte nach umstellen, im Rahmen derer die Gefahr des zufälligen Untergangs den Verbraucher trifft. Nach derzeit geltendem englischen Recht springt aber die Gefahr des zufälligen Untergangs der mangelhaften Sache bei Ausübung eines (short time) right to reject und bei einem Nacherfüllungsverlangen des Käufers auf den Verkäufer zurück und verbleibt ansonsten beim Käufer. bb) Pflichtverletzungen des Käufers Stört der Verbraucher-Käufer die Vertragsabwicklung, indem er die Übergabe oder appropriation der Sache verzögert, hat dies keine Auswirkungen auf den Gefahrübergang: Während die verzögerungsbedingten Risiken gem. s. 20(2) SGA 1979 außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs den die Übergabe verzögernden Käufer treffen,640 ist diese Norm beim Verbrauchsgüterkauf nicht anwendbar. Das ergab sich seit 2003 aus s. 20(4) SGA 1979, die s. 20(2) SGA 1979 ausschloss. Seit Geltung des CRA 2015 folgt aus s. 29 CRA 2015, die keine Ausnahme für delay enthält, dass auch bei vertragswidriger Verzögerung der Besitzübertragung keine Risiken auf den Käufer übergehen. Dies mag unbillig erscheinen, weil bei der Verwirklichung verzögerungsbedingter Risiken der Käufer den Verlust der Kaufsache pflichtwidrig herbeigeführt hat.641 Allerdings hat der Verkäufer zumindest bei pflichtwidriger Verweigerung der Entgegennahme der Kaufsache auch gegen einen Verbraucher-Käufer einen Schadensersatzanspruch aus s. 50 SGA 1979. Jedenfalls führt de lege lata kein Weg daran vorbei, nach s. 20(4) SGA 1979 bzw. s. 29 CRA 2015 auch bei pflichtwidriger Verzögerung der Übergabe der Kaufsache durch den Käufer dem Verkäufer die Gefahr ihres zufälligen Untergangs zuzuweisen.642
640
Vgl. dazu oben, B.III.2.c)bb). Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 330. Merrett, in: Beale, Chitty on Contracts, Band 2, 2015, 1929–2165, 1552. 642 A.A. zu s. 20(2),(4) SGA 1979 Bridge, Benjamin's Sale of Goods, 2014, 330. 641
Kapitel 3
Deutsches Recht Das Schicksal der vertraglichen Hauptleistungspflichten bei Untergang oder Beschädigung der Kaufsache wird auch im deutschen Recht ab Vertragsschluss und bis zum Gefahrübergang durch die Regeln zur nachträglichen Unmöglichkeit bestimmt, die ab dem Gefahrübergang von den speziellen kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln überlagert werden.
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit Das BGB bestimmt in seiner geltenden Fassung für die Unmöglichkeit der Leistung in §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 BGB, dass sowohl Leistungs- als auch Gegenleistungspflicht erlöschen. Eine bereits erbrachte Gegenleistung kann gemäß § 326 Abs. 4 BGB nach dem Rücktrittsfolgenrecht zurückgefordert werden. Wenn es sich bei der Unmöglichkeit um eine Realisierung der Leistungsgefahr handelt und der Schuldner die Unmöglichkeit nicht zu vertreten hat, steht dem Gläubiger neben dieser Möglichkeit zur Rückforderung seiner Gegenleistung kein Schadensersatzanspruch gegen den Schuldner der unmöglich gewordenen Leistung zu (§§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB). Vor dem Gefahrübergangszeitpunkt sind also nach geltendem deutschen Recht wie auch im geltenden englischen Recht die Risiken zwischen Schuldner und Gläubiger aufgespalten: Der Gläubiger trägt die Leistungsgefahr und der Schuldner die Preisgefahr. Diese Risikoaufspaltung geht im deutschen Recht historisch auf zwei Ideenstränge zurück: einen römischrechtlichen Strang und einen scholastisch-naturrechtlichen Strang. Das BGB in der Form von 1900 knüpft an beide Ideenstränge an; mit der Schuldrechtsreform wurde diese Anknüpfung weitgehend durchtrennt. I. Historische Entwicklung Die europäische Rechtstradition war ursprünglich vom römischen Unmöglichkeitsrecht geprägt. Ab dem 16. Jahrhundert entwickelte sich zugleich der scholastisch-naturrechtliche Ideenstrang, der um 1800 bei Verabschiedung der Naturrechtsgesetzbücher die deutsche Rechtswissenschaft dominierte. Im
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3. Kapitel: Deutsches Recht
19. Jahrhundert gewann wieder die römischrechtliche Tradition an Bedeutung, ehe im BGB Gedanken aus beiden Ideensträngen kodifiziert wurden. 1. Ius Commune: Glossatoren, Kommentatoren und Humanismus In Kontinentaleuropa galt zunächst das römische Unmöglichkeitsrecht in seiner rezipierten Form. Nach der Wiederentdeckung des Corpus Iuris Civilis im 11. Jahrhundert war bei den Glossatoren und Kommentatoren die Tendenz zu beobachten, aus den in den Digesten kompilierten Einzelfällen allgemeine Regeln abzuleiten, die in der Gerichtspraxis Anwendung finden konnten.1 Insofern war der Rezeptionsprozess mit einer Generalisierung der in den Digesten anhand von Einzelfällen festgehaltenen Rechtsanwendungsergebnisse verbunden. Das war auch bei der Rezeption des Unmöglichkeitsrechts der Fall, indem einzelne Aspekte des römischen Rechts aufgegriffen und in ihrem Anwendungsbereich ausgeweitet wurden. Das römische Recht kannte kein eigenes Institut der nachträglichen Leistungsunmöglichkeit.2 Vielmehr galten verschiedene Regeln für Verbal- und Konsensualkontrakte:3 War ein Verbalkontrakt auf Verschaffung eines bestimmten Gegenstands (certam rem dare) gerichtet und ging dieser Gegenstand unter, befreite der Sachuntergang den Schuldner „auf natürlichem Weg“ von seiner Pflicht zur Verschaffung der certa res,4 außer wenn eine perpetuatio obligationis eingriff, weil die Unmöglichkeit dem Schuldner zurechenbar war.5 Dabei war die Unmöglichkeit kein genereller Be1
Stein, Regulae Iuris: From Juristic Rules to Legal Maxims, 1966, 131–148, 162–170. Zur damit verbundenen Gefahr von Missverständnissen vgl. Lange, ZRG (RA) 72 (1955), 211–244, 236–237. Die Kategorisierung in Glossatoren und Kommentatoren sowie später Humanisten (vgl. etwa exemplarisch Lange/Kriechbaum, Römisches Recht im Mittelalter, Band 2, 2007, 1–10) ist ein verbreitetes Mittel zur Ordnung der mittelalterlichen Quellen, weist aber insbesondere an ihren Grenzen Unschärfen auf. Zu den Schwächen solcher Kategorien am Beispiel des Humanismus Du Plessis/Cairns, Reassessing Legal Humanism and its Claims – Petere Fontes?, 2016, insbesondere die Einleitung von Cairns (1–7) und der Beitrag von Wijffels (11–40). 2 HKK-Schermaier, § 275 Rn. 20. 3 Vgl. dazu bereits oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 50–57. 4 D, 46, 3, 107 (Pomp. 2 Ench.): „Verborum obligatio aut naturaliter resolvitur aut civiliter: naturaliter veluti solutione aut cum res in stipulationem deducta sine culpa promissoris in rebus humanis esse desiit.“ Das Erlöschen der Verpflichtung trotz grundsätzlicher Möglichkeit einer condemnatio pecuniaria ist wohl dadurch zu erklären, dass bei Untergang des Vertragsgegenstandes dessen Wert nicht mehr geschätzt werden kann, Medicus, ZRG (RA) 86 (1969), 67–104, 75–80. Ihm folgend Feenstra, in: Daube/Watson, Daube Noster: Essays in Legal History for David Daube, 1974, 77–104, 78. 5 Feenstra, in: Daube/Watson, Daube Noster: Essays in Legal History for David Daube, 1974, 77–104, 77–78; Zimmermann, The Law of Obligations. Roman Foundations of the Civilian Tradition, 1990, 784–785. Nur die Fiktion des Fortbestehens der Verpflich-
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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freiungsgrund; vielmehr brachte der konkrete Störungstatbestand des Sachuntergangs die Verpflichtung zum certam rem dare zum Erlöschen.6 Bei den Konsensualkontrakten, deren Erfüllung bona fide nur mit Ermessensspielräumen der Geschworenen klagbar war,7 also auch beim Kauf, führte die nachträgliche Unmöglichkeit der Erfüllung dagegen nicht zur Befreiung des Schuldners. Vielmehr musste anstelle des Vertragsgegenstandes das id quod interest erbracht werden.8 Dabei handelte es sich um eine Schadensersatzverpflichtung, die im Wesentlichen an die Nichterfüllung und nicht speziell an die Unmöglichkeit anknüpfte.9 Bei der Frage des Bestehens und der Höhe dieser Verpflichtung war entscheidend, ob der Schuldner der untergegangenen Sache seinen durch die bona fides bestimmten Pflichten genügt hatte.10 Im Rahmen des bonae fidei iudicium zog das Gericht alle Umstände in Betracht und konnte Einwendungen berücksichtigen.11 Dies führte dazu, dass der Schuldner bei Untergang des Vertragsgegenstandes im Ergebnis nur haftete, wenn er aufgrund der bona fides bestehende vertragliche Verhaltenspflichten verletzt hatte.12 Somit haftete bei unverschuldeter Unmöglichkeit der Erfüllung eines Konsensualkontrakts der Schuldner nicht. Im Rahmen der bona fides entfiel dann vor Gefahrübergang auch die Pflicht des Gläubigers zur Gegenleistung.13 Das ergibt sich daraus, dass bei den Austauschverträgen im Zuge der bona fides ein Gegenseitigkeitsverhältnis von Leistung und Gegenleistung bestand,14 so dass die vorherige Erbringung der Leistung Voraussetzung der Klage auf die Gegenleistung war. Das römische Recht kannte somit einerseits das Scheitern von actiones zur Durchsetzung von Verpflichtungen aus Verbalkontrakten bei unverschuldetem Untergang des geschuldeten Gegenstands. Andererseits hatten nach rötung nach Sachuntergang ermöglichte es, den für den Sachuntergang verantwortlichen Schuldner im Prozess überhaupt noch zu verurteilen, Kaser, SDHI 46 (1980), 87–146, 88. 6 Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970, 38 mit weiteren Quellenbeispielen. 7 Harke, Römisches Recht, 2008, 44; vgl. auch Wieacker, ZRG (RA) 80 (1963), 1–41. 8 D. 19, 1, 1, pr. (Ulp. 28 ad. Sab.): „Si res vendita non tradatur, in id quod interest agitur, hoc est quod rem habere interest emptoris.“ 9 Medicus, ZRG (RA) 86 (1969), 67–104, 99. 10 Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970, 36. 11 Schermaier, in: Zimmermann/Whittaker, Good Faith in European Contract Law, 2000, 63–92, 84–85. 12 Medicus, ZRG (RA) 86 (1969), 67–104, 99–100; Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970, 36; Zimmermann, The Law of Obligations. Roman Foundations of the Civilian Tradition, 1990, 807. 13 HKK-Schermaier, vor § 275 Rn. 24. 14 Dies kommt etwa im Bestehen von Zurückbehaltungsrechten vor Erbringung der Gegenleistung zum Ausdruck, vgl. beispielsweise D. 21, 1, 31, 8 (Ulp. 1 ad ed.): „Nam venditor pignoris loco quod vendidit retinet, quoad emptor satisfaciat.“
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3. Kapitel: Deutsches Recht
mischem Recht actiones auf Schadensersatz- bzw. Gegenleistung aus Konsensualkontrakten keinen Erfolg, wenn die Erfüllung der Vertragspflicht dem Schuldner nicht möglich war, ohne dass er eine Pflicht aus der bona fides verletzt hatte. An diesem Punkt nahmen die Überlegungen der europäischen Juristen des Mittelalters ihren Anfang. Da das Prozessrecht nicht mehr dem römischen Aktionensystem folgte, war die Unterscheidung von Verbal- und Konsensualkontrakten irrelevant geworden. Dies führte dazu, dass in erster Linie die Rechtssätze zu den bonae fidei iudicia rezipiert wurden, weil sie dem nun flexibleren Prozessrecht besser Rechnung trugen.15 Auch im Rahmen dieser Rezeption entwickelte sich allerdings kein einheitliches Konzept von Unmöglichkeit als Befreiungsgrund – die Folgen von Unmöglichkeit gingen vielmehr in den Regeln zu Obligationsverletzungen im Allgemeinen auf.16 Der Schuldner haftete im mittelalterlichen Gemeinen Recht für Obligationsverletzungen, die auf dolus oder culpa beruhten, nicht aber bei casus und vis maior.17 Casus und vis maior waren unvorhersehbare, für den jeweiligen Schuldner18 unwiderstehliche Ereignisse.19 War die nachträgliche Unmöglichkeit auf solche Ereignisse zurückzuführen, so dass es an dolus oder culpa fehlte, haftete der Schuldner nicht wegen der Nichterfüllung seiner Leistungspflicht. In diesen Fällen folgte aus dem fehlenden Verschulden die Befreiung des Schuldners von seiner Vertragspflicht und seiner Pflicht zur Ersatzleistung.20 Aufgrund des Gegenseitigkeitsverhältnisses von Leistung und Gegenleistung21 fehlte dem Schuldner dann wiederum eine Voraussetzung seiner Gegenleistungsklage, so dass im Ergebnis auch die Pflicht zur Gegenleistung nicht mehr wirksam bestand. Der unverschuldete Untergang des Vertragsgegenstandes vor Gefahrübergang führte somit auch im Gemeinen Recht zwar nicht als eigenständiger 15
Zimmermann, The Law of Obligations. Roman Foundations of the Civilian Tradition, 1990, 807. Zur Ausdehnung des Anwendungsbereichs der im Rahmen der bonae fidei iudicia geltenden Institutionen auf andere Rechtsakte vgl. auch Lange, ZRG (RA) 71 (1954), 319–347, 343. 16 Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970, 40; HKK-Schermaier, vor § 275 Rn. 27; Zimmermann, The Law of Obligations. Roman Foundations of the Civilian Tradition, 1990, 808. 17 Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970, 40; Dilcher, Die Theorie der Leistungsstörungen bei Glossatoren, Kommentatoren und Kanonisten, 1960, 91–92. 18 Teilweise schwankten die mittelalterlichen Juristen zwischen subjektiver und objektiver Beurteilung des casus, HKK-Schermaier, vor § 275 Rn. 27. 19 Dilcher, Leistungsstörungen bei Glossatoren, Kommentatoren und Kanonisten, 1960, 90–91. 20 Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970, 40, 43. 21 Vgl. etwa D. 21, 1, 31, 8 (Ulp. 1 ad ed.).
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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Befreiungsgrund, aber dennoch als Ergebnis der Einordnung des Verlustereignisses in das Recht der Obligationsverletzungen zum Erlöschen der Vertragsverpflichtung des Schuldners und der damit korrespondierenden Gegenleistungspflicht. Dies spiegeln die Glossen und Kommentare zum Codex Iuris Civilis wider: So stellte der Bologneser Glossator Azo schon um das Jahr 120922 in seiner Summa Codicis zu C. 8, 42 (De solutionibus et liberationibus) fest, dass der weder vom Schuldner zu vertretende noch im Verzug eingetretene Sachuntergang bei Speziesschulden zur Befreiung des Schuldners von seiner Verpflichtung führe.23 Hundert Jahre später schreibt Cinus von Pistoia in seinem Codexkommentar, dass der schuldlose Sachuntergang bei Speziesschulden den Schuldner befreie: „Obligatione speciei, qua perempta vel diminuta sine culpa debitor eius liberatur.“24 Wegen des oben beschriebenen Gegenseitigkeitsverhältnisses von Leistung und Gegenleistung bei bona fides-Austauschverträgen konnte der Schuldner dann auch nicht die Gegenleistung verlangen. Hatte der Gläubiger die Gegenleistung bereits erbracht, gestand man ihm bei Eintritt der Unmöglichkeit vor Gefahrübergang im Gegenzug ein Recht zu, sich wegen der Nichterfüllung im Rahmen eines Reuerechts (poenitentia) vom Vertrag zu lösen, und gab ihm aufgrund dessen eine condictio ex capite poenitentiae auf das Geleistete, so dass der Schuldner die Preisgefahr zu tragen hatte.25 Der Kommentator Cinus führt im Kontext der Befreiungswirkung des Sachuntergangs die Gefahrtragung nach Gefahrübergang beim Kauf als Ausnahme zum Erlöschen der Gegenleistungspflicht bei nachträglicher Unmöglichkeit an: „Pone quod emi a te alias tuum, et solvi bonam monetam pro precio eius, et periit alias apud te sine culpa tua, certe periculum
22
Kantorowicz/Buckland, Studies in the Glossators of the Roman Law, 1938, 147. Azo, Summa super Cod. Institt. Pand. et Nov., hrsg. von Giganti 1533, Fol. cccxxvii, Rn. 2–3: „Videamus ergo quibus modis liberetur quis ab obligatione ut extignuator ipso iure. Quidem per novationem […] item per interitum speciei que erat in obligatione nec precesserit mora nec debitor occidit.“ Vgl. hierzu Dilcher, Leistungsstörungen bei Glossatoren, Kommentatoren und Kanonisten, 1960, 187 sowie Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970, 42–43. 24 Cinus, In Codicem et aliquot titulos primi Pandectorum tomi, id est, Digesti veteris, doctissima commentaria, hrsg. von Kistner 1964, 104A (zu C. 2, 41, 3 Rn. 15). Vgl. zu diesem Satz Dilcher, Leistungsstörungen bei Glossatoren, Kommentatoren und Kanonisten, 1960, 188. 25 Azo, Summa super Cod. Institt. Pand. et Nov., hrsg. von Giganti 1533, Fol. cxviii, Rn. 14 (zu C. 4, 6): „Circam deficientem causam possibilem cuis qui debuit dare vel facere impedit casu fortuito nulla mora vel culpa sua precedente queri potest: an locu habeat condictio.“ Sowie Rn. 15: „Item inducit hanc actionem penitentia.“ Vgl. Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970, 61. 23
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3. Kapitel: Deutsches Recht
pertinebit ad me.“26 Diese Zuweisung der Leistungsgefahr an den Gläubiger und der Preisgefahr an den Schuldner vor Gefahrübergang galt aber nur, wenn die konkret geschuldete Sache unterging, also bei Speziesschulden und konkretisierten Gattungsschulden. So abstrakt wurde dies erst später von Donellus formuliert. Donellus wirkte neben Cujas im 16. Jahrhundert an der Universität von Bourges27 und war prominenter Vertreter des juristischen Humanismus in Frankreich.28 Die Humanisten waren bestrebt, im Zuge einer textkritischen Betrachtung der Quellen das römische Recht in seiner Form vor der Kompilation unter Justinian zu verstehen.29 So war es auch Donellusʼ Ziel, angesichts von Vermengungen und Brüchen in der Ordnung des Corpus Iuris Civilis30 eine neue Systematik zu schaffen, um das römische Recht in seiner Gesamtheit zu erfassen.31 In seinen Commentarii de Iure Civili (1589–1590) führt Donellus in Buch XVI, Kapitel I unter dem Titel Interitus rei debitae verschiedene Regeln zum Untergang des Vertragsgegenstandes zusammen. Danach ist der Untergang der Sache nur ein Befreiungsgrund für den Schuldner, wenn es sich bei der res debita um eine certa species aut quantitas certa handelt, nicht aber bei incertae res.32 Zudem darf der interitus rei nicht durch culpa verursacht worden sein, weil dann eine perpetuatio obligationis eingreift.33 Zugleich gestand Donellus dem Gläubiger, der die Gegenleistung bereits erbracht hatte, eine condictio ob causam non secutam zur Rückforderung des Geleisteten zu, die er einheitlich für alle Fälle der Vorleistung bei anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit und unabhängig davon anwendete, ob 26
Cinus, In Codicem et aliquot titulos primi Pandectorum tomi, hrsg. von Kistner 1964, 104A (zu C. 2, 41, 3 Rn. 15). 27 Zur Konkurrenz zwischen Donellus und Cujas vgl. Eyssell, Doneau, sa vie et ses ouvrages, 1860, 78–83. Cujas handelte die nachträgliche Unmöglichkeit in seinem Digestenkommentar als Befreiungsgrund für Verbalobligationen ab, der bei unverschuldetem Eintritt der Unmöglichkeit außerhalb von Verzug eingreift, Cujas, Commentarii in Tit. Pandectarum de verborum obligationibus, 1562, Abschnitt LXIX: „Sed et si homo sisti vel dari promissus interierit ante moram sine dolo et culpa promissoris, promissor ab utraque liberatur.“ 28 Meder, Rechtsgeschichte, 5. Aufl. 2014, 217. 29 Meder, Rechtsgeschichte, 2014, 217. Zur Problematik der Begriffsbildung „Humanisten“ Du Plessis/Cairns, Reassessing Legal Humanism and its Claims – Petere Fontes?, 2016 30 Vgl. Donellus, Commentarii de iure civili, Band 1, hrsg. von Osvaldo Hiligero, Jena, 1611, 2 (Buch I Kapitel I). 31 Avenarius, TVR 74 (2006), 61–93, 70–71, 79. 32 Donellus, Commentarii de iure civili, Band 1, hrsg. von Osvaldo Hiligero, Jena, 1611, 1450 (Buch XVI Kapitel I). 33 Donellus, Commentarii de iure civili, Band 1, hrsg. von Osvaldo Hiligero, Jena, 1611, 1450.
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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der Empfänger der Gegenleistung (also der Schuldner der Hauptleistung) die Unmöglichkeit der Hauptleistung verschuldet hatte.34 War die Gegenleistung noch nicht erbracht worden, war eine solche Konstruktion nicht notwendig, weil dann wegen des Gegenseitigkeitsverhältnisses von Leistung und Gegenleistung35 letztere nicht mehr geschuldet war. Donellus kommt also das Verdienst einer ersten Systematisierung des Unmöglichkeitsrechts zu, wodurch der römische Ideenstrang auf ein höheres Abstraktionsniveau gehoben wurde. Zugleich führt er die generelle Rückforderungsmöglichkeit über die condictio ob causam non secutam ein, die zumindest im Kontext von Verpflichtungen auf dare von verschiedenen Autoren wieder aufgegriffen wurde.36 Als Gesamtbild ist festzuhalten, dass im Gemeinen Recht das unverschuldete nachträgliche Unmöglichwerden der Hauptleistung außerhalb von Verzug den Schuldner von seiner Leistungspflicht und den Gläubiger von seiner Pflicht zur Gegenleistung befreite. Die Modalitäten der Rückforderung etwaiger Vorleistungen waren nicht abschließend geklärt. Die Rechtslage entsprach damit in etwa dem in England bis ins 15. Jahrhundert hinein anzutreffenden Rechtszustand, demzufolge der Beklagte einer action of covenant bei höherer Gewalt nicht haftbar war.37 Mit der Loslösung der action of covenant von Verfehlungen des Beklagten und der späteren Entwicklung der doctrine of absolute contracts38 nahm das englische Recht im 16. und 17. Jahrhundert aber eine andere Entwicklung als das kontinentale Gemeine Recht. 2. Einfluss des Naturrechts und erste Kodifikationen Die weitere Entwicklung des Rechts auf dem europäischen Kontinent wurde im 17. Jahrhundert entscheidend durch das Wiederaufkeimen der Naturrechtsidee beeinflusst, welches eine Loslösung des Rechtsdenkens von den römischen Quellen ermöglichte.
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Donellus, Commentarii de iure civili, Band 1, hrsg. von Osvaldo Hiligero, Jena, 1611, 1204–1205 (Buch XIV Kapitel XXI): „Non secuta caussa dicitur dupliciter: aut qui a nec sequi possit sive ab initio, sive postea sequi posse desiit […] vel accipientis culpa […] vel casu.“ Vgl. hierzu Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970 64, 67 sowie HKK-Schermaier vor §§ 275 Rn. 33. 35 Vgl. etwa zum Kauf Donellus, Commentarii de iure civili, Band 1, hrsg. von Osvaldo Hiligero, Jena, 1611, 1068 (Buch XIII, Kapitel V). 36 Etwa von dem sächsischen Juristen Struve, Syntagma iuris civilis, Band 1, 1672 Exerc. 18 Thes. 9. Siehe hierzu Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970, 66, 69, 72. 37 Vgl. oben Kapitel 2, Text, bei Fn. 11–13. 38 Vgl. oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 14–28.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
a) Ideentransfer in der Spätscholastik Der Gedanke, dass sittliche und rechtliche Normen jenseits der gesetzten und überlieferten Gebote aus der Natur abgeleitet werden können, ist in der antiken und in der christlichen Tradition begründet. So gingen bereits die Stoiker davon aus, dass der Mensch aus sich heraus durch Wahrnehmung seiner eigenen und der ihn umgebenden Natur einen Vorbegriff des sittlich Guten entwickeln könne.39 Thomas von Aquin rezipierte im 13. Jahrhundert antike Tugend- und Gerechtigkeitslehren in seiner Summa Theologiae. Er behandelt das Recht in deren zweitem Teil zur Morallehre. Das Recht ist für ihn Teil der Morallehre, weil die (moralischen) Rechte und Pflichten eines Individuums vor Gott nur durch die Gesamtheit weltlicher und göttlicher Normen bestimmt werden können40 – eine Perspektive, die dem weltlichen Recht einerseits Autorität zuerkennt, es aber andererseits als bloßen Teil einer Gesamtordnung relativiert. Thomas von Aquin sieht die Gerechtigkeit in antiker Tradition als eine dem Menschen von Gott geschenkte und in der Folge natürlicherweise eigene Tugend an.41 Aufgrund seiner natürlichen Neigungen kann der Mensch mittels seiner Vernunft aus der Schöpfungsordnung ein natürliches praktisches Gesetz ableiten (lex naturalis), das Realisation des dem Menschen auf Erden als solches nicht einsichtigen, ewigen göttlichen Vernunftgesetzes (lex aeterna) und Ausdruck der gottgewollten Ordnung ist.42 Die Erfüllung von Versprechen ist im Rahmen dieser Vernunftordnung als Realisation der Ausgleichsgerechtigkeit zwischen Menschen nur durch das menschliche Gesetz, gegenüber Gott aber durch die Tugend selbst geboten.43 In der Quaestio zum Gelübde, also zum Versprechen gegenüber Gott (votum, per quod aliquid Deo promittitur), setzt sich Thomas von Aquin mit der 39
Zu dieser οἰκείωσις-Lehre vgl. M. Forschner, Die stoische Ethik, 2. Aufl. 1995, 142–159. 40 Vgl. Decock, Theologians and Contract Law: The Moral Transformation of the Ius Commune (ca. 1500–1650), 2012, 26–27 sowie Decock, Rechtsgeschichte 2011, 12–34, 15–19. 41 Thomas von Aquin, Summa totius theologiae, Band I 2, 1736, 523 (Quaestio 100, Artikel 1): „Iustitia autem originalis, in qua primus homo conditus fuit, fuit accidens naturae speciei; non quasi ex principiis speciei causatum, sed tantum sicut quoddam donum divinitus datum toti naturae.“ 42 Daher die Definition in Thomas von Aquin, Summa totius theologiae, Band II 1, 1736, 398 (Quaestio 91, Artikel 2): „[T]alis participatio legis aeternae in rationali creatura lex naturalis dicitur.“ Vgl. hierzu M. Forschner, Thomas von Aquin, 2006, 126–127 sowie zum Verhältnis von lex aeterna und lex naturalis auch Kluxen, Philosophische Ethik bei Thomas von Aquin, 2. Aufl. 1980, 234–237. 43 Thomas von Aquin, Summa totius theologiae, Band II 2, 1722, 307, 311 (Quaestio 88, Artikel 3, 1 und 5,1).
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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nachträglichen Unmöglichkeit der Erfüllung auseinander. Ein Gelübde ist nach seiner Konzeption ein Willensakt (propositum), der durch ein von der Vernunft getragenes Versprechen (promissio)44 gegenüber Gott als Verpflichtung (obligatio) bindend wird.45 Der Wille kann für Thomas von Aquin nur Mögliches zum Gegenstand haben.46 Die Bindungswirkung des Gelübdes wird daher durch dessen spätere Unausführbarkeit aufgehoben: „Nullus obligatur ad impossibile.“47 Das gilt aber nur bei unverschuldeter Unmöglichkeit, dagegen zwingt die schuldhaft herbeigeführte Unausführbarkeit des Gelübdes in fortgesetzter Bindungswirkung zur Buße (poenitentia) für die Herbeiführung der Unmöglichkeit und zur fortdauernden Anstrengung in Zukunft.48 Thomas von Aquin grenzt das Gelübde von einem Versprechen gegenüber einem anderen Menschen ab; letzteres sei lediglich secundum honestatem verpflichtend.49 Eine solche Verpflichtung aus der honestas hat nach Thomas als debitum morale nur eine abgeschwächte Bindungswirkung, indem es anders als etwa ein debitum legale lediglich Ausfluss der nachrangigen Tugend der Wahrhaftigkeit und nicht der Kardinaltugend der Gerechtigkeit ist.50 44
Thomas von Aquin, Summa totius theologiae, Band II 2, 1722, 303 (Quaestio 88, Artikel 1, 2): „Sed propositum est actus voluntatis, promissio autem rationis. Ergo votum in solo actu voluntatis constitit.“ 45 Thomas von Aquin, Summa totius theologiae, Band II 2, 1722, 303 (Quaestio 88, Artikel 1, 3): „Respondeo dicendum, quod votum quamdam obligationem importat ad aliquid faciendum vel dimittendum.“ 46 Thomas von Aquin, Summa totius theologiae, Band II 2, 1722, 307 (Quaestio 88, Artikel 3, 2). Vgl. Wollschläger, in: Liebs, Sympotica Franz Wieacker, 1970, 154–179, 161–162; Caytas, Der unerfüllbare Vertrag, 1984, 12 und allgemeiner auch Gordley, Am. J. Comp. L. 52 (2004), 513–530, 519. 47 Thomas von Aquin, Summa totius theologiae, Band II 2, 1722, 307 (Quaestio 88, Artikel 3, 2). Vgl. Wollschläger, in: Liebs, Sympotica Franz Wieacker, 1970, 154–179, 162. Dabei war Thomas wohl von der römischrechtlichen Regel zur anfänglichen Unmöglichkeit (impossibilitas nulla obligatio est, D. 50, 17, 185 (Celsus 8 dig.)) inspiriert und dehnte diese auf Fälle nachträglicher Unmöglichkeit aus, vgl. Feenstra, in: Daube/Watson, Daube Noster: Essays in Legal History for David Daube, 1974, 77–104, 79. 48 Thomas von Aquin, Summa totius theologiae, Band II 2, 1722, 308 (Quaestio 88, Artikel 3, 3) anhand des Beispiels eines Jungfräulichkeitsgelübdes einer Frau.: „Si vero incidit in impossibilitatem implendi votum ex propria culpa, tenetur insuper de propria culpa praeterita poenitentiam agere: Sicut mulier, quae vovit virginitatem, si postea corrumpatur, non solum debet servare quod potest, scilicet perpetuam continentiam, sed etiam de eo, quod amisit peccando, poenitere.“ Vgl. Wollschläger, in: Liebs, Sympotica Franz Wieacker, 1970, 154–179, 163–164. 49 Thomas von Aquin, Summa totius theologiae, Band II 2, 1722, 308 (Quaestio 88, Artikel 3, 3). Vgl. auch Diesselhorst, Die Lehre des Hugo Grotius vom Versprechen, 1959, 10–11. 50 Thomas von Aquin, Summa totius theologiae, Band II 2, 1722, 217 (Quastio 80, Artikel 1, 5). Vgl. auch Decock, Theologians and Contract Law, 2012, 197–199.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
Während der Bruch eines Gelübdes eine schwere Sünde darstellt,51 gilt der Bruch eines zwischenmenschlichen Versprechens demnach nur als unehrenhaft und somit als lässliche Sünde;52 die Kategorien von Aufhebung der Bindungswirkung oder Buße sind somit auf menschliche Versprechen nicht übertragbar. Vielmehr ist der Bruch von zwischenmenschlichen Versprechen dann entschuldigt (aber das Versprechen nicht erloschen), wenn sich die conditiones personarum et negotiorum seit dem Versprechen geändert haben.53 Letzteres entspricht im weiteren Sinne der Situation, die heute als Störung der Geschäftsgrundlage bezeichnet wird – bei Thomas von Aquin erfasst diese die nachträgliche Unmöglichkeit menschlicher Versprechen. Die in der antiken Tradition stehende Naturrechtslehre des Thomas von Aquin wurde im 16. Jahrhundert von den spanischen Spätscholastikern, die meist zugleich Theologen und Juristen waren, wiederaufgenommen und aus dem Blickwinkel aktueller moraltheologischer Fragen neu interpretiert.54 Der theologische Blickwinkel auf das weltliche Recht als bloßen Teil einer Gesamtordnung ermöglichte es den Spätscholastikern, stärker als ihre rein juristischen Kollegen von der Systematik des römischen Rechts abzuweichen. Die Versprechenslehre Thomas von Aquins wurde von Luis de Molina aufgegriffen und in De Justitia et Jure (1593–1600) erweitert.55 In dem Traktat stellt Molina das römische und kanonische Recht dar und unterlegt es mit dem Naturrecht als im Hintergrund geltendes „Rahmenrecht“, um ein Rechtshandbuch für die theologische Praxis zu schaffen.56 Molina misst auch zwischenmenschlichen Versprechen umfassende Bindungswirkung bei und sieht deren Bruch oder ihre Abgabe ohne Erfüllungsabsicht als Sünde an, ohne dabei zwischen lässlichen und schweren Sünden zu differenzieren.57 Denn indem sich der Mensch gegenüber einem Mitmenschen durch ein Versprechen bindet, übt er nach Molina anders als bei Thomas von Aquin auch bei einem zwischenmenschlichen Austauschvertrag die Kardinaltugend der Ge51 Thomas von Aquin, Summa totius theologiae, Band II 2, 1722, 316 (Quaestio 88, Artikel 7, 3). 52 Vgl. insbes. den Thomas-Kommentar des Cajetan, In secundam secunde sanctissimi, ac preclarissimi doctoris Thome Aquinatis, 1519, cclxii-iii (ad Quastio 113 Art. 2); dazu Decock, Theologians and Contract Law, 2012, 199–200. 53 Thomas von Aquin, Summa totius theologiae, Band II 2, 1722, 520–521 (Quaestio 110, Artikel 3, 6). Vgl. auch Feenstra, in: Daube/Watson, Daube Noster: Essays in Legal History for David Daube, 1974, 77–104, 83, der hervorhebt, dass Thomas die Veränderung der Umstände ausschließlich in Bezug auf die menschlichen Versprechen abhandelt. 54 Schlosser, Neuere Europäische Rechtsgeschichte, 2. Aufl. 2014, 153. 55 Thieme, ZRG (GA) 70 (1953), 230–266, 254. 56 Krause, Naturrechtler des sechzehnten Jahrhunderts, 1982, 48–49. 57 Molina, De Justitia et Jure, Band II, 1659, 47–48 (Disputatio 263, 1). Vgl. Diesselhorst, Die Lehre des Hugo Grotius vom Versprechen, 1959, 25.
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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rechtigkeit aus.58 Damit ist die Differenzierung der Bindungswirkungen im Verhältnis Mensch-Gott und Mensch-Mensch, die das Werk Thomas von Aquins prägte, bei Molina aufgehoben. Diese umfassende Bindungswirkung menschlicher Versprechen kann als Beispiel für die Neuinterpretation der alten Lehren im Licht der Erfordernisse der Gegenwart interpretiert werden: Die zunehmend komplexere Wirtschaftsordnung im Spanien des 16. Jahrhunderts hätte ohne die Möglichkeit der Begründung gültiger Verbindlichkeiten zwischen Menschen wohl nicht funktionieren können. Molina geht wie Thomas von Aquin davon aus, dass das Versprechen durch die Unmöglichkeit seiner Erfüllung aufgehoben wird: „Ut promissio obliget, necesse est, possibile sit quod promittitur, ad impossibile namque nullus obligatur […] si quis promittat re aliqam determinate in singulari, quae perierat quando promissio est facta, aut quae antequam tempus solutionis adveniret periit, nulla est talis promissio quia impossibilis est impleri, quod promissum est.“59 Wie Thomas von Aquin nimmt Molina also an, dass ein Versprechen sowohl durch dessen anfängliche als auch durch dessen nachträgliche Unausführbarkeit aufgehoben, ja sogar nichtig wird – allerdings gilt das bei ihm auch für das Versprechen zwischen Menschen. Demnach ist es erlaubt, ein von einem anderen angenommenes bindendes menschliches Versprechen, also einen Vertrag, nicht zu erfüllen, wenn die Erfüllung unmöglich geworden ist,60 wie beim Untergang einer versprochenen Speziessache. Damit greift Molina den Gedanken Thomas von Aquins zum Gelübde auf, dass niemand zu Unmöglichem verpflichtet wird, und wendet ihn auf Versprechen zwischen Menschen an. Mit dem Spanier Molina stand der belgische Theologe und Jurist Leonard Lessius in regem Briefwechsel und wurde von dessen naturrechtlichen Lehren beeinflusst.61 Aus der Unterrichtstätigkeit Lessiusʼ entstand sein Werk De Justitia et Jure.62 Eine Besonderheit dieses Werks ist, dass die Vertragslehre insofern systematisiert wird, als den Kapiteln über spezielle Verträge ein 58
Molina, De Justitia et Jure, Band II, 1659, 2–4 (Disp. 252); vgl. Gordley, The Philosophical Origins of Modern Contract Doctrine, 1991, 72. Zur kommutativen Gerechtigkeit Aristoteles, Nikomachische Ethik, 4. Aufl. 1985, 5. Buch, Kapitel 3; zur Freigiebigkeit 4. Buch, Kapitel 1. Zum Rekurs Molinas auf aristotelische bzw. thomistische Tugendund Gerechtigkeitsbegriffe siehe auch Kaltenborn, Die Vorläufer des Hugo Grotius auf dem Gebiete des Ius naturae et gentium sowie der Politik im Reformationszeitalter, 1848, 146–148. 59 Molina, De Justitia et Jure, Band II, 1659, 78 (Disputatio 271, 1). Vgl. Wollschläger, in: Liebs, Sympotica Franz Wieacker, 1970, 154–179, 170. 60 Molina, De Justitia et Jure, Band II, 1659, 82 (Disputation 272, 2). Vgl. dazu Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970, 82. 61 Krause, Naturrechtler des sechzehnten Jahrhunderts, 1982, 66–67. 62 Krause, Naturrechtler des sechzehnten Jahrhunderts, 1982, 67.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
Kapitel De contractibus in genere, also eine Art „Allgemeiner Teil des Schuldrechts“, vorangestellt wird.63 Demnach kommt ein Vertrag durch Konsens der Parteien zustande;64 der Konsens kann dabei insbesondere durch Annahme eines zunächst einseitigen Versprechens eines anderen entstehen.65 Sobald ein Konsens von geschäftsfähigen Parteien besteht, bringt dieser eine natürliche Verpflichtung hervor, an welche die Parteien gebunden sind.66 Diese Bindungswirkung leitet Lessius wie Molina auch bei Versprechen zwischen Menschen aus der Tugend der Gerechtigkeit her.67 Die Bindungswirkung des Vertrags legitimiert sich hiernach primär aus dem Willen der Vertragsschließenden,68 wodurch das forum internum eine gegenüber dem forum externum weit tragendere Rolle zugewiesen bekommt als im stärker an äußeren Formen orientierten römischen Recht, in dem die Relevanz der äußeren Form etwa an der Unterscheidung von Verbal- und Konsensualvertrag zu Tage trat. Auch das noch nicht angenommene Versprechen gegenüber einem anderen ist nach Lessius bindend: Der innere Wille des Versprechenden genügt hierfür;69 allerdings kann das Versprechen bis zu seiner Annahme noch zurückgezogen werden.70 Das nach der Annahme unwiderruflich bindende Versprechen verliert diese Bindungswirkung, wenn das Versprochene unmöglich wird (res promissa fiat impossibilis).71 Dies gilt aber nicht, wenn der Schuldner sich im Verzug befindet oder sonst schuldhaft nicht erfüllt hat, obwohl es ihm zunächst möglich war;72 dann überlagert dieses Verschulden den ursprünglichen, nun auf Unmögliches gerichteten Willen. Lessius stellt hierbei die Unmöglichkeit als gesonderten Befreiungsgrund neben die danach abgehandelte Veränderung der Umstände.73 Dies ist eine Differenzierung gegenüber Thomas von Aquin, der für das allein im Rahmen der honestas bindende menschliche Versprechen nur einen allgemeinen Befreiungsgrund der Veränderung der conditiones personarum et negotiorum
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Vgl. Decock, Forum Historiae Iuris 2013, , Rn. 11. 64 Lessius, De Iustitia et Iure, Band 2, 1612, 195 (Kapitel 17, Dubiatio 1 – Rn. 2). 65 Lessius, De Iustitia et Iure, Band 2, 1612, 195 (Kapitel 17 Dubitatio 1 – Rn. 4–5). 66 Lessius, De Iustitia et Iure, Band 2, 1612, 195 (Kapitel 18 Dubitatio 4,1 – Rn. 19). 67 Lessius, De Iustitia et Iure, Band 2, 1612, 224 (Kapitel 18, Dubiatio 8 – Rn. 55). 68 Vgl. Decock, Forum Historiae Iuris 2013, , Rn. 17. 69 Lessius, De Iustitia et Iure, Band 2, 1612, 219 (Kapitel 18, Dubitatio 5 – Rn. 28). 70 Lessius, De Iustitia et Iure, Band 2, 1612, 219 (Kapitel 18, Dubitatio 6 – Rn. 24). 71 Lessius, De Iustitia et Iure, Band 2, 1612, 226 (Kapitel 18, Dubitatio 10 – Rn. 70). 72 Lessius, De Iustitia et Iure, Band 2, 1612, 227 (Kapitel 18, Dubitatio 10 – Rn.74) 73 Lessius, De Iustitia et Iure, Band 2, 1612, 227 (Kapitel 18, Dubitatio 10 – Rn. 71). Vgl. Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970, 82 sowie Feenstra, in: Daube/Watson, Daube Noster: Essays in Legal History for David Daube, 1974, 77–104, 87.
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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kannte.74 Die Position des Lessius steht hinsichtlich der Befreiungswirkung von nachträglicher Unmöglichkeit inhaltlich mit den Positionen Thomas von Aquins und Molinas in Einklang; Lessius erbringt dabei aber eine zusätzliche Systematisierungs- und Differenzierungsleistung. Aus der moraltheologischen Perspektive der Spätscholastiker stellte sich die nachträgliche Unmöglichkeit folglich als Problem der Bindungswirkung von Versprechen dar. In einer Neuinterpretation thomistischen Gedankenguts unter Betonung der Relevanz des individuellen Willens maßen die Spätscholastiker auch zwischenmenschlichen Versprechen umfassende Bindungswirkung bei. Bei unverschuldeter nachträglicher Unmöglichkeit der Versprechenserfüllung entfiel allerdings diese Bindung, weil das durch den Willen motivierte Versprechen nicht auf Unmögliches und daher dem Willen nicht Unterworfenes gerichtet sein kann. Nach Lessius ist die Unmöglichkeit von dem durch Veränderung der Umstände Erschwerten zu unterscheiden. Durch diese systematische Einordnung und Analyse der Unmöglichkeitsfolgen jenseits der römischen Quellen gaben die Spätscholastiker Impulse für die weitere Entwicklung des Unmöglichkeitsrechts. b) Hugo Grotius und seine Nachfolger Diese Impulse wurden zu Beginn des 17. Jahrhundert von Hugo Grotius aufgenommen. Grotius begann 1594 mit elf Jahren ein Studium der Theologie, der Philologie und der Rechtswissenschaft an der Universität Leiden, das er drei Jahre später mit zwei Disputationen abschloss.75 Als Theologe und als Philologe war Grotius mit der Philosophie der klassischen Antike und der Moraltheologie der Scholastiker wie auch der Spätscholastiker vertraut und konnte aus diesen Quellen schöpfen.76 Dass sich Grotius mit den Werken der
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Vgl. oben, Text bei Fn. 53. Schneider, in: Schobinger, Ueberweg – Die Philosophie des 17. Jahrhunderts. Band 2: Frankreich und Niederlande, 1993, 91–112, 96. 76 Schiedermair, in: Börner/Jahrreiß/Stern, Einigkeit und Recht und Freiheit. Festschrift für Karl Carstens, 1984, 477–496, 469; Thieme, ZRG (GA) 70 (1953), 230–266 235–236; vgl. auch Decock, Theologians and Contract Law, 2012, 209: „A restless traveller and an intellectual polymath, Grotius was exposed to many different strands of thought. […] Still, the fact that Grotius was not afraid of being inspired by his scholastic sources seems almost undeniable.“ Die Manuskripte zu Grotius’ Schriften lassen zwar Schlüsse darauf zu, dass er ihm schwer zugängliche Werke regelmäßig nur aufgrund Exzerpten seiner Bekannten zitierte oder – wie es damals nicht unüblich war – als Blind-Zitate aus anderen Schriften übernahm, Ittersum, in: Du Plessis/Cairns, Reassessing Legal Humanism and its Claims – Petere Fontes?, 2016, 154–193, insbes. 165–168 und 176–178. Doch auch wenn Grotius nicht alle von ihm zitierten Werke vollständig gelesen hat, war er dennoch mit entscheidenden Gedanken daraus vertraut, die den Diskurs bestimmten, vgl. etwa 75
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3. Kapitel: Deutsches Recht
spanischen Spätscholastiker befasst hat, ergibt sich insbesondere aus einem 1631 von ihm verfassten Gutachten, in dem er neben Covarruvias, Navarra und Toletus auch Molina als Beleg anführt.77 An einigen Argumentationsmustern in De Iure Belli ac Pacis scheint zudem auf, dass Grotius auch vom Werk Lessiusʼ inspiriert war.78 Grotius weicht aber von den Spätscholastikern ab, indem er das Naturrecht nicht als Manifestation des göttlichen Rechts betrachtet, sondern Naturrecht und göttliches Recht voneinander trennt.79 Für das Vertragskonzept Grotiusʼ und die Auswirkungen nachträglicher Unmöglichkeit darauf sind zwei seiner Werke von zentraler Bedeutung: zum einen die Inleidinge tot de Hollandesche Rechtswissenschaft, die Grotius während einer politisch-religiös motivierten Festungshaft fast ohne Literatur aus dem Gedächtnis verfasste;80 zum anderen sein dreibändiges Hauptwerk De Iure Belli ac Pacis, das er vollendete, nachdem er 1621 mit Hilfe seiner Ehefrau in einer Bücherkiste versteckt der Haft entkommen war.81 In De Iure Belli ac Pacis verknüpft Grotius Völkerrecht und Privatrecht, indem er unter dem Eindruck des Dreißigjährigen Krieges nicht nur die Frage nach dem gerechten Krieg beantwortet (Buch I) und die im Kriegszustand geltenden Regeln behandelt (Buch III), sondern zugleich im zweiten Buch über die gerechtfertigten Kriegsursachen die Staaten wie Private agieren lässt, die Eigentum haben, Verträge schließen und zur Durchsetzung ihrer Ansprüche Krieg führen.82 Grotius stellt in De Iure Belli ac Pacis kein geltendes innerstaatliches Recht dar,83 sondern beschreibt vielmehr das „Recht, das angemessenerweise exemplarisch zur Durchsetzung des Naturrechts Straumann, Roman Law in the State of Nature: The Classical Foundations of Hugo Grotius' Natural Law, 2015, 206–220. 77 Kohler, ARWP 10 (1917), 235–263, 243. Kohler hat als Erster die befruchtende Wirkung der Spätscholastik auf das Naturrecht untersucht, Thieme, ZRG (GA) 70 (1953), 230–266, 230–231. 78 Vgl. hierzu Decock, Theologians and Contract Law, 2012, 210–211; Diesselhorst, Die Lehre des Hugo Grotius vom Versprechen, 1959, 45–46 (Fn. 20), 91, 127 (Fn. 1). 79 Grotius, Inleidinge tot de Hollandsche Rechtsgeleerdheid – The Jurisprudence of Holland. Text translated with brief notes and a commentary by Robert Warden Lee, Band 1, Nachdruck der 2. Aufl. 1977, 4 und 6 (Buch I Kapitel II 4, 5, 7 und 8). Die Scheidung von Naturrecht und göttlichem Recht betont auch Krause, Naturrechtler des sechzehnten Jahrhunderts, 1982, 150. Vgl. auch Straumann, Roman Law in the State of Nature, 2015, 45–47 sowie Straumann, Hugo Grotius und die Antike: römisches Recht und römische Ethik im frühneuzeitlichen Naturrecht, 2007, 89–90. 80 Schneider, in: Schobinger, Ueberweg – Die Philosophie des 17. Jahrhunderts. Band 2: Frankreich und Niederlande, 1993, 91–112, 98. 81 Schneider, in: Schobinger, Ueberweg – Die Philosophie des 17. Jahrhunderts. Band 2: Frankreich und Niederlande, 1993, 91–112, 98. 82 Voppel, Der Einfluß des Naturrechts auf den Usus modernus, 1996, 83. 83 Voppel, Der Einfluß des Naturrechts auf den Usus modernus, 1996, 84.
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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als Recht bezeichnet wird“ und das der Besorgnis um die Gemeinschaft entspringt, welche den Menschen als Vernunftwesen umtreibt.84 Entscheidend für die Erkenntnis dieses „angemessenerweise als Recht bezeichneten Rechts“ – des Naturrechts – ist die von Grotius als appetitus societatis85 bezeichnete Eigenschaft des Menschen als Gemeinschaftswesen. Neben dem appetitus societatis steht dem Menschen als Erkenntnisquelle des Naturrechts sein iudicium ad aestimanda quae delectant aut nocent, also seine Einsicht in den Unterschied zwischen Erfreulichem und Schädlichem, zur Verfügung, weil das, was dieses iudicium zurückweist, dem Naturrecht widerspricht.86 Der appetitus societatis und das iudicium dienen dem Menschen als Quellen des Naturrechts nach Grotius auch dann, wenn man annähme, dass es keinen Gott gäbe.87 Diese von Gott unabhängige Begründung des Rechts aus der menschlichen Natur legitimiert das Recht mit einer Autorität, die von allen Menschen als neutraler Gesetzgeber akzeptiert werden kann, was es wiederum ermöglicht, dass das so legitimierte Recht nicht nur politischen, sondern auch religiösen Frieden gewährleistet.88 Dass der Theologe und Christ Grotius, der für die Wiedervereinigung der Kirche stritt,89 das Naturrecht unabhängig von der Existenz Gottes begründete, ist insofern kein Akt der Säkularisation, sondern Mittel zur Gewährleistung des religiösen Friedens, in dem sich die christlichen Kirchen möglicherweise wiedervereinigen können.90 Daneben postuliert Grotius als Quelle des Naturrechts die voluntas
84 Grotius, De iure belli ac pacis libri tres, hrsg. von Kanter van Hettinga Tromp 1939, 9 (Prolog. 8): „Haec […] custodia humano intellectui conveniens, fons est eius iuris, quod proprie tali nomine appelatur.“ 85 Grotius, De iure belli ac pacis libri tres, hrsg. von Kanter van Hettinga Tromp 1939, 7 (Prolog. 6). 86 Grotius, De iure belli ac pacis libri tres, hrsg. von Kanter van Hettinga Tromp 1939, 9 (Prolog. 9). Mit seinem Postulat der empirischen Zugänglichkeit des Naturrechts für den Menschen als Vernunftwesen steht Grotius in der antiken Tradition Aristoteles’, der Stoa und Ciceros, vgl. dazu Straumann, Roman Law in the State of Nature, 2015, insbes. 46–50, 83–129. 87 Diese hypothetische Erwägung stellt Grotius mit dem caveat an, dass die Annahme der Nichtexistenz Gottes ein schweres Verbrechen wäre, Grotius, De iure belli ac pacis libri tres, hrsg. von Kanter van Hettinga Tromp 1939, 10 (Prolog. 11). 88 Schiedermair, in: Börner/Jahrreiß/Stern, Einigkeit und Recht und Freiheit. Festschrift für Karl Carstens, 1984, 477–496, 490. 89 Schneider, in: Schobinger, Ueberweg – Die Philosophie des 17. Jahrhunderts. Band 2: Frankreich und Niederlande, 1993, 91–112, 104. 90 Schiedermair, in: Börner/Jahrreiß/Stern, Einigkeit und Recht und Freiheit. Festschrift für Karl Carstens, 1984, 477–496, 490.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
Dei, weil es erst der Wille Gottes sei, dass der Mensch existiere.91 Damit steht Grotiusʼ Naturrecht auf einem zweiten christlichen Fundament. Im zweiten Buch von De Iure Belli ac Pacis entwickelt Grotius ein naturrechtliches Konzept von Versprechen und Verträgen, das anders als antike Vertragslehren nicht in der Objektivität des Konsenses, sondern in der Autonomie der Person und deren Fähigkeit zur Selbstbindung begründet ist.92 Mit diesem Fokus auf das forum internum knüpft Grotius an die Versprechenslehre Lessiusʼ an93 und beschreitet den Weg in Richtung Willenstheorie. Nach diesem Vertragsmodell konstituiert sich ein Vertrag in drei Stufen: Zunächst bildet jemand einen Willen und äußert diesen („assertio explicans de futuro animo“).94 Danach entscheidet er, in Zukunft an diesen Willen gebunden sein zu wollen und äußert eine dahingehende pollicitatio; dieses Versprechen im engeren Sinne erzeugt eine einseitige Selbstbindung des Versprechenden, die ihn zwar verpflichtet, aber nullum ius in alio verleiht, also nicht erzwingbar ist. 95 Auf der dritten Stufe wird der Vertrag wirksam, indem dem Versprechensempfänger ein Recht übertragen wird, die Erfüllung des Versprechens zu fordern, wodurch das Versprechen vollkommen wird („perfecta promissio est“).96 Die Übertragung dieses Rechts wird von Grotius anschaulich als Veräußerung eines Teils der eigenen Freiheit dargestellt („alienatio particulae cuiusdam nostrae libertatis“).97 Kern der Vertragsbindung ist aber unbeschadet dieses Übertragungsakts die pollicitatio, die Bindung an das eigene Wort aus freien Stücken, die nach ihrem Wesen als Versprechen nach dem Naturrecht bindend ist („promissa praestentur venire ex natura immutabilis iustitiae“).98 Grund der Bindungswirkung ist die Freiheit des Versprechenden, welche auch die Freiheit zur Bindung umfasst.99 Daher be-
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Grotius, De iure belli ac pacis libri tres, hrsg. von Kanter van Hettinga Tromp 1939 10 (Prolog. 12). Zum doppelten Rechtsursprung vgl. Hartung, Die Naturrechtsdebatte. Geschichte der Obligatio vom 17. bis 20. Jahrhundert, 1999, 55. 92 Diesselhorst, Die Lehre des Hugo Grotius vom Versprechen, 1959, 34. 93 Vgl. dazu oben, Text bei Fn. 64 bis 68. 94 Grotius, De iure belli ac pacis libri tres, hrsg. von Kanter van Hettinga Tromp 1939, 328–329 (Buch 2, Kapitel 11, § 2). 95 Grotius, De iure belli ac pacis libri tres, hrsg. von Kanter van Hettinga Tromp 1939, 329 (Buch 2, Kapitel 11, § 3). 96 Grotius, De iure belli ac pacis libri tres, hrsg. von Kanter van Hettinga Tromp 1939, 329 (Buch 2, Kapitel 11, § 4). 97 Ebd. Zu modernen Ansätzen, welche die Vertragstheorie an einen Transferakt zwischen Schuldner und Gläubiger anknüpfen, vgl. Unberath, Die Vertragsverletzung, 2007, 75–80. 98 Ebd. 99 Vgl. Diesselhorst, Die Lehre des Hugo Grotius vom Versprechen, 1959, 52.
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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darf das Versprechen nach Grotius auch keiner besonderen Form wie etwa die Stipulation im römischen Recht.100 Die beiden Stufen der assertio explicans de futuro animo und der pollicitatio weisen Ähnlichkeit auf mit dem propositum und der promissio in den Ausführungen des Thomas von Aquin zum Gelübde,101 wobei sich Grotius allerdings nicht ausdrücklich auf diese beruft.102 In den Stufen formiert sich bei Grotius aber kein Gelübde gegenüber Gott, sondern ein Versprechen gegenüber einem anderen Menschen, das kraft eines Übertragungsaktes in einen Vertrag münden kann. Innerhalb der Theorie des Versprechensvertrags stellt sich auch bei Grotius die nachträgliche Unmöglichkeit als ein Problem der Bindungswirkung des Versprechens dar. Zur Lösung rekurriert Grotius auf zwei Gedankenstränge: Einerseits bedient er sich der scholastischen Idee, dass sich niemand zu Unmöglichem verpflichten kann, weil der dem Versprechen zu Grunde liegende Wille nicht auf Unmögliches gerichtet sein kann.103 Diese Idee gibt er in der Inleidinge im Kontext der Natur und Wirkung von Verpflichtungen wieder: Weil eine Verpflichtung der Gebrauch des freien Willens eines Menschen sei („de verbintenisse is een gebruick van eens mensches vrije macht“), könne sich nach dem Recht, das mit uns geboren wird, – dem Naturrecht – niemand zu etwas verpflichten, das ihm unmöglich ist.104 In De Iure Belli ac Pacis nimmt Grotius den Gedanken im Kontext des Versprechens wieder auf und stellt den Grundsatz auf, dass ein Versprechen nur dann wirksam sein könne, wenn das Versprochene in der Rechtsmacht des Versprechenden stehe.105 Auch ein Eid könne nicht zu Unmöglichem verpflichten.106 Der Gedanke, dass es kein Versprechen geben kann, Unmögliches zu tun, betrifft zum einen die anfängliche Unmöglichkeit der Erfüllung eines Versprechens. Zum anderen greift er aber ebenfalls bei nachträglicher Unmöglichkeit der 100
Grotius, De iure belli ac pacis libri tres, hrsg. von Kanter van Hettinga Tromp 1939, 331 (Buch 2, Kapitel 11, § 4). 101 Vgl. dazu oben, Text bei Fn. 44–46. 102 Vgl. hierzu und im Einzelnen zum Rezeptionsweg über die Spätscholastiker Diesselhorst, Die Lehre des Hugo Grotius vom Versprechen, 1959, 44–49. 103 Vgl. oben zu Thomas (Text bei Fn. 44– 47) sowie zu Molina (Text bei Fn. 59–60) und zu Lessius (Text bei Fn. 71). 104 Grotius, Inleidinge, Band 1, 1977, 296 (Buch III, Kapitel I, 14–20). Vgl. Wollschläger, in: Liebs, Sympotica Franz Wieacker, 1970, 154–179, 171 und Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970, 77. 105 Grotius, De iure belli ac pacis libri tres, hrsg. von Kanter van Hettinga Tromp 1939, 333 (Buch 2, Kapitel 11, § 8). Vgl. Wollschläger, in: Liebs, Sympotica Franz Wieacker, 1970, 154–179, 171. 106 Grotius, De iure belli ac pacis libri tres, hrsg. von Kanter van Hettinga Tromp 1939, 367 (Buch 2, Kapitel 13, § 8). Vgl. Wollschläger, in: Liebs, Sympotica Franz Wieacker, 1970, 154–179, 171.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
Versprechenserfüllung ein. Das zeigt sich etwa in dem Abschnitt der Inleidinge, in dem sich Grotius dem Erlöschen von Verpflichtungen widmet und die Regel aufstellt, dass eine Speziesverpflichtung durch den nicht vom Schuldner zu vertretenden Untergang des geschuldeten Gegenstands untergeht.107 Dies konkretisiert Grotius für den Kaufvertrag: Dieser werde beendet, wenn die verkaufte Sache vor Perfektion des Kaufs untergehe.108 Neben seiner Umsetzung des Grundsatzes von der Unwirksamkeit des Versprechens, etwas Unmögliches zu tun, rekurriert Grotius andererseits auf Ebene der Vertragsauslegung auf die Idee, dass die nachträgliche Veränderung der Umstände sich lockernd auf die Vertragsbindung auswirken kann109 – ebenfalls ein Gedanke scholastischer Provenienz.110 Bei einem Widerstreit zwischen „Ausführung und Absicht“ (emergentis cum voluntate) sei es zweckmäßig, angesichts der Unvorhersehbarkeit aller möglichen Fälle bei Vertragsschluss eine gewisse Freiheit für solche Fälle zuzulassen, die der Versprechende, wenn er sie bedacht hätte, aus dem Versprechen ausgenommen hätte.111 Darunter versteht Grotius u.a. solche Situationen, in denen die Vertragserfüllung unerlaubt ist (illicita)112 oder allzu schwer und unerträglich („nimis grave atque intolerabile“)113 wird. In solchen Fällen sei das Versprechen nur unter der Bedingungen gegeben, dass nichts außerhalb der vertraglichen Sphäre der Erfüllung entgegenstehe114 – eine Konstruktion, die Assoziationen mit der Lehre von der implied condition im englischen Recht hervorruft115 und der heutigen Doktrin vom Wegfall der Geschäftsgrundlage entspricht.116 107
Grotius, Inleidinge, Band 1, 1977, 502 (Buch III Kapitel XLVII, 1). Grotius, Inleidinge, Band 1, 1977, 502 (Buch III Kapitel XVII, 2) 109 Grotius, De iure belli ac pacis libri tres, hrsg. von Kanter van Hettinga Tromp 1939, 422–425 (Buch 2, Kapitel 16, §§ 26–29) 110 Vgl. oben zu Thomas von Aquin (Text bei Fn. 53) sowie zu Lessius (Text bei Fn. 73). 111 Grotius, De iure belli ac pacis libri tres, hrsg. von Kanter van Hettinga Tromp 1939, 422 (Buch 2, Kapitel 16, § 26). Vgl. dazu Diesselhorst, Die Lehre des Hugo Grotius vom Versprechen, 1959, 136; Feenstra, in: Daube/Watson, Daube Noster: Essays in Legal History for David Daube, 1974, 77–104, 88–89. 112 Grotius, De iure belli ac pacis libri tres, hrsg. von Kanter van Hettinga Tromp 1939, 422 (Buch 2, Kapitel 16, § 26). 113 Grotius, De iure belli ac pacis libri tres, hrsg. von Kanter van Hettinga Tromp 1939, 423 (Buch 2, Kapitel 16, § 27). 114 Grotius, De iure belli ac pacis libri tres, hrsg. von Kanter van Hettinga Tromp 1939, 424 (Buch 2, Kapitel 16, § 29, 1). 115 Vgl. oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 47–49. 116 Diesselhorst, Die Lehre des Hugo Grotius vom Versprechen, 1959, 142 (Fn. 2) sowie Feenstra, in: Daube/Watson, Daube Noster: Essays in Legal History for David Daube, 1974, 77–104, 90. 108
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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Die Frage nach der Gefahrtragung betrifft die Wirkungen von Untergang und Verschlechterung des Vertragsgegenstandes und damit Unmöglichkeitsereignisse innerhalb der vertraglichen Sphäre, so dass sie bei Grotius durch den Grundsatz der Unwirksamkeit von unmöglich gewordenen Versprechen beantwortet wird. Der Gedanke der Unwirksamkeit von unmöglichen Versprechen ist zwar auf ähnlichem Abstraktionsniveau wie bei Grotius bereits von den Spätscholastikern formuliert worden. Grotius kommt aber das Verdienst zu, ihn aus dem moraltheologischen Kontext gelöst zu haben. Auch wenn die Bewertung der Leistung Grotiusʼ auf juristischem Gebiet umstritten ist117 und man nicht so weit gehen möchte wie manche, welche die Bedeutung der Spätscholastiker herunterspielen oder leugnen,118 kann man in Grotius wegen seiner Vermittlungsleistung zwischen Moraltheologie und weltlichem Recht dennoch einen Vater des natürlichen Privatrechts sehen.119 In der vom römischen Recht losgelösten Behandlung rechtlicher Fragen jenseits der theologischen Sphäre folgt auf Grotius gut 50 Jahre später Samuel Pufendorf nach, der den ersten deutschen Lehrstuhl für Naturrecht an der Universität Heidelberg bekleidete.120 Pufendorf begründet sein Naturrecht ähnlich wie Grotius mit der natürlichen socialitas des Menschen, seiner Schwäche (imbecillitas) und seiner Angewiesenheit auf andere.121 Pufendorf löst das Naturrecht aber insofern weiter von der Theologie, als er die socialitas aus der zwar gottgeschaffenen, nunmehr allerdings als anthropologische Qualität verstandenen Geschöpflichkeit des Menschen ableitet, die ihm die Einsicht in das Naturrecht ermöglicht, und für dessen Begründung nicht mehr hilfsweise auf den Schöpferwillen als solchen rekurriert.122 Das Vertragsrecht steht bei Pufendorf, anders als bei Grotius, nicht mehr in völ117
Vgl. Voppel, Der Einfluß des Naturrechts auf den Usus modernus, 1996, 79 m. w. Nachw. 118 Kaltenborn, Die Vorläufer des Hugo Grotius, 1848, 188: „Hugo Grotius und seine unmittelbaren Nachfolger gaben nun der Wissenschaft des Natur- und Völkerrechts einen so bedeutenden Umschwung, dass dem gegenüber diese katholischen Theorien [der Spätscholastiker] in jeder Beziehung bedeutungslos sind.“ 119 Thieme, Ideengeschichte und Rechtsgeschichte. Gesammelte Schriften, Band 2, 1986, 835. Vgl. auch Straumann, Roman Law in the State of Nature, 2015, 13 („crucial contribution to the development of a modern, rights based natural law“) sowie das Vorwort bei Haggenmacher, Grotius et la doctrine de la guerre juste, 2014 . Vgl. ferner Haakonssen, Political Theory 1985, 239–265, 239 und Scherner, Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung: Untersuchungen zur deutschen Privatrechtslehre der Neuzeit, 1965, 92. Die Eigenleistung Grotius’ gegenüber den Spätscholastikern betont auch Decock, Theologians and Contract Law, 2012, 209. 120 Meder, Rechtsgeschichte, 2014, 269. 121 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl. 1967, 307. 122 Pufendorf, De Jure Naturae Et Gentium Libri Octo, 1672, 37 (Liber I, Kapitel III § 11). Vgl. auch Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1967, 307.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
kerrechtlichem Kontext, sondern ist Teil seiner in De Jure Naturae et Gentium entwickelten allgemeinen Rechtstheorie,123 welche in ihrem Aufbau wegweisend für das moderne Pandektensystem wurde.124 In seiner Vertragstheorie spinnt Pufendorf die Idee fort, dass sich niemand zu etwas verpflichten kann, was außerhalb seiner Macht steht,125 womit er – wie auch mit anderen Inhalten seines Naturrechts126 – in der Tradition Grotiusʼ und mittelbar der Spätscholastiker steht. Allerdings differenziert Pufendorf noch deutlicher als Grotius zwischen anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit. Werde die Erfüllung eines Vertrags nachträglich unmöglich, verschwinde dieser Vertrag („evanescit pactum“), wenn die Unmöglichkeit unverschuldet, also zufällig, eingetreten sei.127 Habe der Gläubiger schon etwas geleistet, sei ihm dies zurückzugeben128 – Konsequenz eines synallagmatischen Denkens, das in der Gewährung der condictio causa data causa non secuta bei Donellus bereits angelegt war.129 Daher erscheint es plausibel, mit Wollschläger anzunehmen, dass die dogmatische Konstruktion des Donellus von Pufendorf verallgemeinert wurde.130 Für den zufälligen Untergang des Vertragsgegenstandes vor Gefahrübergang entwickelt Pufendorf damit auf abstrakter Ebene die im römischen Recht aus Einzelfällen schon im Ansatz ableitbare Risikoaufspaltung, nach welcher der Gläubiger die Leistungsgefahr und der Schuldner die Preisgefahr trägt. So wurde in der Vertragstheorie Pufendorfs die nachträgliche Unmöglichkeit als objektiver Befreiungsgrund für die vertraglichen Verpflichtungen von Schuldner und Gläubiger abstrakt dogmatisch begründet.131
123
Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1967, 309. Schwarz, ZRG (RA) 42 (1921), 578–610, 584–585. 125 Pufendorf, De Jure Naturae Et Gentium Libri Octo, 1672, 356 (Buch III, Kapitel VII § 1). Vgl. Wollschläger, in: Liebs, Sympotica Franz Wieacker, 1970, 154–179, 177. 126 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1967, 311. 127 Pufendorf, De Jure Naturae Et Gentium Libri Octo, 1672, 357 (Buch II, Kapitel VII § 3). Vgl. Harting, Die „positiven Vertragsverletzungen“ in der neueren deutschen Privatrechtsgeschichte, 1967, 72 sowie Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970, 84. Dass nur der zufälligen, nicht aber der verschuldeten Unmöglichkeit Befreiungswirkung beigemessen wird, ist ein Relikt aus den moraltheologischen Diskussionen um die Sünde bei Bruch eines Gelübdes bzw. Versprechens und erscheint im säkularisierten Kontext nicht mehr selbstverständlich, vgl. Wollschläger, in: Liebs, Sympotica Franz Wieacker, 1970, 154–179, 177–178. 128 Ebd. 129 Vgl. oben, Text bei Fn. 34 130 Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970, 85. 131 Vgl. auch Harting, Positive Vertragsverletzungen, 1967, 73. 124
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
161
Die Vertragstheorie Pufendorfs wurde durch dessen Schüler Christian Wolff rezipiert.132 Das Werk beider beeinflusste Inhalt und Aufbau des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten (ALR).133 Eine wichtige Vorbedingung für das ALR war die Emanzipation von den römischen Quellen, welche durch die Schriften der Naturrechtsgelehrten, insbesondere Grotiusʼ und seiner Nachfolger, ermöglicht wurde. Der zunehmende Abstraktionsgrad der Kodifikationen von den römischen Quellen wird bei einer Betrachtung von Codex Maximilianeus Bavaricus und ALR offenbar. c) Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis Noch sehr eng am römischen Recht orientierte sich der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (CMBC). Das 1756 promulgierte Gesetz war von Kurfürst Maximilian III. Joseph bei seinem geheimen Staatskanzler Wiguläus Aloys Freiherr von Kreittmayr in Auftrag gegeben worden, um nicht hinter dem 1746 von Friedrich dem Großen durch eine Kabinettsordre angestoßenen preußischen Kodifikationsprojekt zurückzustehen.134 Der CMBC trägt die Regeln des gemeinen Privatrechts seiner Zeit zusammen135 und ist daher – obwohl von einem aufgeklärten Ideal getragen – weniger Reformprojekt als „Repräsentant des civilistischen Geistes der Deutschen bis Mitte des vorigen [18.] Jahrhunderts“.136 Kreittmayr anerkennt zwar die Existenz und Wichtigkeit des Naturrechts,137 ist aber überzeugt, dass man ohne das überlieferte Ius Civilis und das positive Recht „in der Welt nicht fortkomme“.138 Daher orien132
Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1967, 318. In Hinblick auf die Unmöglichkeit reduzierte Wolff allerdings das Abstraktionsniveau wieder und behandelte nur den unverschuldeten Untergang des Vertragsgegenstands, Wolff, Institutiones iuris naturae et gentium, 1763, 211 (§ 420). Vgl. Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970, 85. Für die Traditionslinie Grotius-Pufendorf-Wolff am Beispiel des Dienstertrags vgl. Rückert, Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte 1984, 40–71, 58–60. 133 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1967, 332–333. 134 Schlosser, Neuere Europäische Rechtsgeschichte, 2014, 202–203. 135 Dölemeyer, in: Cordes/Haferkamp/Lück/Werkmüller/Schmidt-Wiegand, Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (HRGdigital), Stand 29.01.2016, . 136 Maurenbrecher, Lehrbuch des gesammten heutigen gemeinen deutschen Privatrechts, Band 1, 1840, 168. In diesem Sinne auch Gagner, in: Rückert/Stolleis/Kriechbaum, Abhandlungen zur Europäischen Rechtsgeschichte, 1974, 213–346, 220, der in der Konzeption des CMBC angedeutet sieht, dass „Kreittmayr gewissermaßen als Nachzügler der Gemeinrechtswissenschaft einer früheren Epoche seine Tätigkeit in Bayern entfaltet.“ 137 Kreittmayr, Anmerkungen über den Codicem Maximilianeum Bavaricum Civilem, Band 1, 1758, 21 (Erster Teil, Zweites Kapitel § V): „Was seynd unsere meiste Leges Civiles anders als lauter kleine Stück und zerstümmlete Ausbruch von diesem ungeschriebenen großen Gesetz?“. 138 Ebd.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
tiert sich Kreittmayr auch bei der Regelung der Leistungsstörungen eng am Gemeinen Recht. Das Recht der nachträglichen Unmöglichkeit kommt im CMBC in römischer Manier nur im Kontext des Untergangs des Vertragsgegenstandes vor. Im vierten Gesetzesteil zum Obligationenrecht stellt Kreittmayr zwar klar, dass kein Unterschied zwischen bonae fidei iudicia und Verpflichtungen strengen Rechts bestehe, sondern alle Verträge bonae fidei seien.139 Dennoch orientieren sich die Rechtsfolgen nachträglicher Unmöglichkeit an der römischen strengrechtlichen Stipulation,140 indem im Kapitel zu den Gründen für das Erlöschen von Obligationen der Untergang der geschuldeten Speziessache als Befreiungsgrund aufgeführt wird, der allerdings nur dann eingreife, wenn „der Untergang weder ex Mora noch Culpa, oder sonst ex Facto Debitoris“ erfolgt.141 Letzteres sind genau die Fälle, in denen im römischen Recht ein Stipulationsversprechen auf certam rem dare nicht durch den Sachuntergang erlosch, sondern die perpetuatio obligationis eingriff.142 Im CMBC ist also der unverschuldete nachträgliche Sachuntergang außerhalb des Verzugs ein Befreiungsgrund für die zu Grunde liegende Verpflichtung. Damit bewegt sich der CMBC nah an den römischen Quellen und nicht auf dem höheren Abstraktionsniveau des Naturrechts.143 Eine bereits erbrachte Gegenleistung kann nach dem CMBC mit der condictio causa data causa non secuta zurückgefordert werden.144 Kreittmayrs Position steht demnach bzgl. der Rückabwicklung nach Eintritt der Unmöglichkeit in der humanistischen Tradition von Donellus und Struve,145 die mit der Gewährung der condictio einen ersten Schritt weg von den römischen 139
CMBC, 4. Teil, 1. Kapitel § 4 a.E. So auch Harting, Positive Vertragsverletzungen, 1967, 79 sowie Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970, 102 (Fn. 48). 141 CMBC, 4. Teil, 15. Kapitel § 12. Bei culpa oder mora haftet der Schuldner auf das Interesse und Indemnation, Kreittmayr, Anmerkungen über den Codicem Maximilianeum Bavaricum Civilem, Band 4, 1765, 726 (Viertel Teil, Fünfzehntes Kapitel, § XII). 142 D. 45, 1, 91, 3 (Paul. 17 ad Plaut.). Vgl. Kaser, SDHI 46 (1980), 87–146, 91. 143 Allerdings findet sich in den Anmerkungen Kreittmayrs zur Generalklausel der vertraglichen Haftung in CMBC, 4. Teil, Erstes Kapitel § 20 eine abstrakte Definition des casus fortuiti, also eines nicht auf culpa zurückzuführenden Ereignisses: „Casus fortuitus vel improvisus […] bedeutet einen solchen Zufall, welcher durch all menschlichen Fleiß von dem, der solchen erlitten hat, nicht zu verhütten gewest.“, Kreittmayr, Anmerkungen, Band 4, 1765, 71. 144 CMBC, 4. Teil, 13. Kapitel, § 7: „Die sogenannte Condictio Causa data, Causa non secuta […] hat nur unter folgenden Requisiten statt. […] Fehlt es […] an der Macht, entweder weil die Causa gleich anfänglich auf der Unmöglichkeit beruhet hat, oder aber erst hernach unmöglich geworden ist“. Vgl. Scherner, Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung, 1965, 125. 145 Vgl. oben, Text bei Fn. 34–36. 140
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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Vorbildern taten. Im CMBC wurde somit ausschließlich für Fälle des Sachuntergangs systematisch geregelt, dass der Gläubiger die Sachgefahr und der Schuldner die Preisgefahr trägt. d) Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten Kurz nach Promulgation des CMBC kam in Preußen das durch Friedrich den Großen angestoßene Gesetzgebungsprojekt, das ebenfalls als Kompilation existierenden Gemeinen Rechts entworfen wurde, aufgrund des Siebenjährigen Kriegs zum Erliegen.146 Nach dem Wiederaufbau erließ Friedrich der Große im Jahre 1780 erneut eine Cabinetsordre für ein Allgemeines Landrecht,147 in der er Anweisungen für die Kodifikation gab: Sie solle auf Deutsch verfasst sein, denn es sei „sehr unschicklich, dass solche [die Gesetze] größtenteils in einer Sprache geschrieben sind, welche diejenigen nicht verstehen, denen sie doch zu ihrer Richtschnur dienen sollen.“148 Inzwischen sei bekannt, dass das Corpus Iuris Civilis „grösstentheils nur eine Sammlung der Meinungen und Entscheidungen der Rechts-Gelehrten in einzelnen Fällen enthält; sich vielfältig auf die alten und jetzt gar nicht mehr passenden Römischen Verfassungen und Formalitäten bezieht; auch mit vielen Widersprüchen behaftet ist.“149 Daher müsse „das Wesentliche mit dem Natur-Gesetz und der heutigen Verfassung übereinstimmende aus demselben abstrahirt, das Unnütze weggelassen“ werden. Friedrich der Große befahl damit die Emanzipation vom römischen Recht und gab eine Anknüpfung an den scholastischnaturrechtlichen Ideenstrang vor. Das von Svarez und Klein nach der Ordre entworfene Gesetz trat 1794 in Kraft.150 Das ALR enthält in Teil 1, Titel 5 („Von Verträgen“) einen eigenen Abschnitt zur nachträglichen Unmöglichkeit der Vertragserfüllung. Darin wird wie bei den Moraltheologen und Naturrechtsgelehrten und im römischen Stipulationsrecht zwischen schuldhaft herbeigeführter Unmöglichkeit (§§ 360–363) und zufälliger Unmöglichkeit (§§ 364–368) unterschieden und getrennt davon die Veränderung der dem Vertrag zu Grunde liegenden Umstände abgehandelt (§§ 377–384). Die Vorschriften zur zufälligen Unmöglichkeit lauten: „§ 364. Entsteht die Unmöglichkeit, den geschloßenen Vertrag zu erfüllen, durch einen Zufall, oder durch unabwendbare Gewalt und Uebermacht, so wird der Vertrag für aufgehoben angesehn. 146
Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1967, 328–329. Cabinetsordre vom 14. April 1780, Text bei Stobbe, Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Band 2, 1864, 458–459. 148 Cabinetsordre vom 14. April 1780. 149 Ebd. 150 Umfassend zum Beitrag Svarez’: Karst, ZRG (GA) 120 (2003), 180–199, 192. 147
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3. Kapitel: Deutsches Recht
§ 365. Alsdann muss jeder Theil dasjenige, was ihm von dem anderen in Erwartung der gegenseitigen Erfüllung gegeben oder geleistet worden, zurückgeben oder vergüten. § 366. Dabey ist der Zurückgebende als ein redlicher Besitzer anzusehen. § 367. Doch kann kein Theil durch einen solchen Zufall mit dem Schaden des anderen etwas gewinnen. § 368. Der also, welcher die Sache zurückgiebt, muß dem anderen so viel vergüten, als er daraus in seinem Nutzen wirklich verwendet hat.“
Anders als die schuldhaft herbeigeführte Unmöglichkeit, die gem. § 360 eine Haftung des Schuldners auf das Interesse auslöst, führt die zufällige Unmöglichkeit also gem. § 364 zur Aufhebung des – gesamten151 – Vertrags und begrenzt so die Haftung des Schuldners. Als Zufall war nach der Rechtsprechung jedes Ereignis anzusehen, das unabhängig vom Willen der Parteien eintritt.152 In der Abstraktheit dieser Regel unterscheidet sich § 364 vom römischen bzw. Gemeinen Recht und erinnert an die Ausführungen Pufendorfs, der bei nachträglicher zufälliger Unmöglichkeit generell „evanescit pactum“ angeordnet hatte.153 Bei der Rückabwicklungsvorschrift in § 365 handelt es sich um eine Form der condictio causa data causa non secuta. Das zeigt ein Blick in Teil 1, Titel 16 § 199 ALR, wo im Kontext der „Rückforderung geleisteter Zahlungen, wenn das, wofür sie geschehen sind, nicht erfolgt“ bzgl. der nachträglichen Unmöglichkeit auf Teil 1, Titel 15 §§ 360 ff. ALR zurückverwiesen wird.154 Mit der Gewährung dieser condictio zur Rückforderung einer Vorleistung bei nachträglicher Unmöglichkeit entsprechen das ALR wie auch der CMBC der Position von Donellus und Struve.155 Im Vergleich zum CMBC hat sich das ALR stärker vom römischen Recht gelöst und regelt generell für nachträgliche Unmöglichkeit der Erfüllung, dass der Gläubiger die Sachgefahr und der Schuldner die Preisgefahr trägt. 151
Harting, Positive Vertragsverletzungen, 1967, 83. Rönne, Ergänzungen und Erläuterungen des Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten durch Gesetzgebung und Wissenschaft, Band 1, 7. Aufl. 1885, 288 (§ 364 Nr. 1). 153 Vgl. oben, Text bei Fn. 127. Vgl. Harting, Positive Vertragsverletzungen, 1967, 82 sowie Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970, 106. Zur Bedeutung des Unmöglichkeitsbegriffs des ALR siehe ferner Luig, AcP 194 (1994), 521–542, 533. 154 Vgl. Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970, 107, der darin eine „dogmengeschichtliche Wegscheide“ sieht, an der sich das Institut der condictio causa data causa non secuta in einen bereicherungsrechtlichen und einen vertragsrechtlichen Zweig spaltet. Die Gewährung der Kondiktion verwirklicht den in § 367 ALR ausgedrückten Gedanken, dass keine Vertragspartei aufgrund eines Zufalls auf Kosten eines anderen etwas gewinnen soll. Anders das englische Recht bis zum LR(FC)A 1943, vor dessen Verabschiedung noch the loss lies where it falls galt, vgl. oben Text bei Fn. 153–159. 155 Vgl. oben, Text bei Fn. 34–36. 152
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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3. Historische Rechtsschule und Pandektenwissenschaft Nach der Verabschiedung des ALR, des Code civil (1804) und des ABGB (1812) endete die Phase der vom Naturrecht inspirierten Kodifikationen. Während der Restauration war der Glaube an den übernationalen Geltungsgrund des Naturrechts erschüttert worden – an seine Stelle trat die Überzeugung, dass der Inhalt des Rechts durch kulturelle und insbesondere nationale Traditionen vorgegeben sei.156 Diese Überzeugung manifestierte sich insbesondere in der Volksgeistlehre Savignys, welche stärker die Relevanz von Gemeinschaft und Volk für das Recht betonte und weniger das Individuum in den Blick nahm.157 Damit ging nicht nur eine Aufwertung des Politischen einher, sondern die Volksgeistlehre diente auch der Abwehr von Kodifikationen und der Verteidigung der Rolle der Rechtswissenschaft bzw. des geltenden römischen Rechts.158 In seiner im Kodifikationsstreit mit Thibaut erschienenen Schrift „Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft“ (1814) distanzierte sich Savigny von den Naturrechtskodifikationen: „Man verlangte neue Gesetzbücher, die durch ihre Vollständigkeit der Rechtspflege eine mechanische Sicherheit gewähren sollten […] zugleich sollten sie sich aller historischen Eigenthümlichkeit enthalten, und in reiner Abstraction für alle Völker und alle Zeiten gleiche Brauchbarkeit haben […]. Vergleichen wir mit diesen vergangenen Zuständen die gegenwärtige Zeit, so dürfen wir uns freuen. Geschichtlicher Sinn ist überall erwacht, und 159 neben diesem hat jener bodenlose Hochmuth keinen Raum.“
Ausfluss des neuen „geschichtlichen Sinns“ war die historische Methode der Rechtswissenschaft, welche das Ziel hatte, den „gegenwärtigen Zustand des Rechts allmählich von demjenigen zu reinigen, was durch bloße Unkunde und Dumpfheit literarisch schlechter Zeiten, ohne alles wahrhaft praktische Bedürfnis, hervorgebracht worden ist.“160 156
Vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1967, 371–372. Vgl. Nörr, Savignys Philosophische Lehrjahre, 1994, 289. Dabei ist das Recht für Savigny zwar einerseits als objektives Ganzes Manifestation des Volksgeists, dient aber insofern dem einzelnen Menschen, als er sich innerhalb dieses Ganzen kraft subjektiver Rechte in seiner Freiheitssphäre entfalten kann, vgl. Thomale, in: Gröschner/Kirste/ Lembcke, Person und Rechtsperson, 175–187, 178–181. 158 Nörr, Savignys Philosophische Lehrjahre, 1994, 284, 325. Dabei wurde allerdings kein Monopol der Wissenschaft postuliert, vielmehr wurde auch dem Gesetzgeber eine – wenn auch beschränkte – Funktion für die Rechtsentwicklung zugestanden, Jakobs, Wissenschaft und Gesetzgebung im bürgerlichen Recht nach der Rechtsquellenlehre des 19. Jahrhunderts, 1983, 33–35. 159 Savigny, Vom Beruf unserer Zeit fuer die Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 1828, 5–6. 160 Savigny, Vom Beruf unserer Zeit fuer die Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, 1828, 119. Zu Entstehung und theoretischer Begründung der historischen Rechtsschule vgl. 157
166
3. Kapitel: Deutsches Recht
In seiner Pandektenvorlesung der Jahre 1824/1825 lehrte Savigny zur nachträglichen Unmöglichkeit aufgrund von Quellen zu Stipulation und Kauf, dass bei auf dare gerichteten Verpflichtungen die Gefahr der zufälligen Unmöglichkeit der Leistung den Gläubiger treffe.161 Zugleich weist Savigny dem Gläubiger bei allen dare-Verpflichtungen auch die Preisgefahr zu, weil der Eintritt der Unmöglichkeit als Erfüllung gelte (Erfüllungsfiktion).162 Das lässt sich aus den kaufrechtlichen Quellen freilich nur deshalb ableiten, weil die Gefahr schon mit Perfektion des Kaufs auf den Käufer übergegangen ist. Savigny will dies jedoch allgemein gelten lassen, weil der Kauf das römische „Normalgeschäft“ gewesen sei, der für andere Verträge als Maßstab gedient habe.163 Er unterscheidet die Schwierigkeit der Erfüllung164 von natürlicher und rechtlicher,165 objektiver und subjektiver166 sowie absoluter und relativer Unmöglichkeit.167 Friedrich Puchta, der Lehrstuhlnachfolger Savignys, war zwar ein weniger dezidierter Kodifikationsgegner als sein Vorgänger, lehnte aber zumindest eine abschließende Privatrechtskodifikation ebenfalls ab.168 In seinem Lehrbuch der Pandektenwissenschaft vertritt er wie Savigny, dass der Eintritt nachträglicher Unmöglichkeit zwar die Leistungspflicht des Schuldners zum Erlöschen bringe,169 der Gläubiger also die Sachgefahr trage, dass aber bei Verpflichtungen auf Verschaffung einer Speziessache der Schuldner dennoch
daneben Rückert, TVR 61 (1993), 65–95 sowie auch Dilcher/Kern, ZRG (GA) 101 (1984), 1–46, 5–11 und Jakobs, Wissenschaft und Gesetzgebung, 1983, 26–33. Vor der Entstehung der historischen Rechtsschule wurde die Entwicklung insbesondere durch den Erlanger Juristen Glück geprägt. Nachdem Glück, Ausführliche Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld, ein Commentar, 4. Theil, 2. Abtheilung, 2. Aufl. 1843, 312 (Buch 2 Titel 14 § 317), die Unmöglichkeit der Vertragserfüllung nur in einer kurzen Einleitung zum Schadensersatz anspricht und dagegen ausführliche Erwägungen zur kaufrechtlichen Gefahrtragung anstellt, wird sein Werk unten in diesem Kontext behandelt (vgl. Text bei Fn. 472–479). 161 Savigny, Pandektenvorlesung, 1824/25, hrsg. von Horst Hammen 1993, 220. 162 Savigny, Pandektenvorlesung, 1824/25, hrsg. von Horst Hammen 1993, 220, 288. Diese Erfüllungsfiktion bei unverschuldeter Unmöglichkeit postuliert auch Fuchs, AcP 34 (1851), 106–120, 112–118, wobei auch seine Begründung primär auf Stellen zur emptio venditio beruht. 163 Vgl. Savigny, Pandektenvorlesung, 1824/25, hrsg. von Horst Hammen 1993, 220. 164 Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Band 3, 1840, 165. 165 Savigny, Das Obligationenrecht als Theil des heutigen römischen Rechts, Band 1, 1851, 383. 166 Savigny, Obligationenrecht, Band 1, 1851, 384. 167 Savigny, Obligationenrecht, Band 1, 1851, 383; Savigny, Pandektenvorlesung, 1824/25, hrsg. von Horst Hammen 1993, 219; Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Band 3, 1840, 164. 168 Vgl. Mecke, Begriff und System des Rechts bei Georg Friedrich Puchta, 2009, 346. 169 Puchta, Lehrbuch der Pandekten, 1838, 313–314 (§ 287).
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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die Gegenleistung erhalte170 und der Gläubiger folglich auch die Preisgefahr trage. Letzterer Schluss wird wie bei Savigny mit kaufrechtlichen Quellen nach Perfektion des Kaufs begründet.171 Die mit dieser Gefahrtragung einhergehende Zuweisung eines „doppelten Nachteils“ an den Gläubiger wurde schon von Zeitgenossen Savignys und Puchtas aus Gründen der aequitas kritisiert.172 Gegen die generelle Anwendung der kaufrechtlichen Gefahrverteilung nach Gefahrübergang wandte sich etwas später auch Friedrich Mommsen.173 Mommsen knüpft an die verschiedenen Unmöglichkeitskategorien Savignys an174 und untersucht die Rechtsfolgen anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit getrennt. Mommsen subsumiert auch „Ereignisse, welche sich auf das Verhältnis des Schuldners zu der zu leistenden Sache“ beziehen, wie etwa Raub und Diebstahl der Sache durch Dritte, unter die nachträgliche subjektive Unmöglichkeit175 und ordnet sie als beachtliche „wahre“ Unmöglichkeit ein.176 Die nachträgliche wahre Unmöglichkeit befreit nach Mommsen den Schuldner nur dann von seiner Leistungspflicht, wenn sie unverschuldet – als casus – eintritt,177 nicht aber, wenn sie auf dolus oder culpa des Schuldners beruht, da sonst das Bestehen der Verpflichtung von der Willkür der Schuldners abhänge.178 Mit der
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Puchta, Lehrbuch der Pandekten, 1838, 279 (§ 259). Ebd. Fn. l. 172 Vgl. etwa Hepp, Zurechnung auf dem Gebiete des Civilrechts insbesondere die Lehre von den Unglücksfällen nach den Grundsätzen des römischen und deutschen Rechts und der neueren Legislationen dargestellt, 1838, 43. 173 Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht: Erste Abtheilung: Die Unmöglichkeit der Leistung in ihrem Einfluss auf obligatorische Verhältnisse, 1853, 396. 174 Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht 1, 1853, 3–6 175 Der Dritte könnte ja schließlich leisten, nur der Schuldner kann das nicht. 176 Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht 1, 1853, 29. Vgl. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969, 137–138. Nach Savigny, Obligationenrecht, Band 1, 1851, 384 sollte die subjektive Unmöglichkeit dagegen noch gänzlich unbeachtlich sein. 177 Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht 1, 1853, 232–233. Genauso wenig kommt der auf mora beruhenden Unmöglichkeit nach Mommsen Befreiungswirkung zu (268). Hiermit werden bei Verzug wie auch im englischen Recht (vgl. oben, Text bei Fn. 236–243) nur solche Risiken von der Gläubigergefahr ausgenommen, die gerade der Verzögerung zuzurechnen sind. 178 Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht 1, 1853, 228. Bei verschuldeter Unmöglichkeit besteht die Verpflichtung des Schuldners unverändert fort und wird nur durch die Leistung des Interesses aufgehoben (229–230). Auch bei Mommsen ist also das Verhältnis von Unmöglichkeit und Willen des Schuldners entscheidend, Harting, Positive Vertragsverletzungen, 1967, 108 sowie Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969, 122–123, insbes. 123: „[N]iemand [kann] von einer Pflicht frei werden […], indem er sie verletzt.“ 171
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3. Kapitel: Deutsches Recht
Befreiungswirkung unverschuldeter Unmöglichkeit ist die Sachgefahr dem Gläubiger zugewiesen. Die Preisgefahr trägt nach Vertragsschluss zunächst der Schuldner, wobei Mommsen den Gefahrübergang beim Kauf mit Perfektion annimmt und nur bei davor eintretender Unmöglichkeit die Zahlungsverpflichtung des Käufers erlöschen lässt.179 Unter Berufung auf Donellus gesteht er dem Gläubiger, der seine Gegenleistung für die unmöglich gewordene Leistung schon erbracht hat, ein Rückforderungsrecht zu.180 Auch wenn sich Mommsen zur Begründung seiner Rechtssätze primär auf römische Quellen beruft, befindet er mit seiner generell getroffenen Unterscheidung zwischen verschuldeter und unverschuldeter Unmöglichkeit daneben auch auf in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Naturrechts, das wiederum von der spätscholastischen Idee geprägt war, dass nur die unverschuldete Unmöglichkeit der Versprechenserfüllung nicht sündhaft sei.181 Somit steht Mommsen auf den Schultern sowohl von Pandektenwissenschaft und älterer Gemeinrechtslehre182 als auch von Naturrecht und Spätscholastik.183 4. Nachträgliche Unmöglichkeit im BGB Die Unmöglichkeitslehre Mommsens griff Windscheid, der Mitglied der Ersten Kommission zur Ausarbeitung des BGB (1881) war,184 in seinem Pandektenrecht auf.185 a) Nachträgliche Unmöglichkeit im BGB von 1900 Die Normierung der nachträglichen Unmöglichkeit im Ersten Entwurf des BGB (EI) lässt die Handschriften Mommsens und Windscheids erkennen.186 Die Folgen nachträglicher Unmöglichkeit regelte § 237 EI, der lautete: 179
Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht 1, 1853, 330–331, 337. Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht 1, 1853, 390. 181 Wollschläger, Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970, 159 spricht von einer „unbewussten Übernahme“ der Dogmatik aus dem Vernunftrecht. Diese lässt sich allerdings nur an einer Übereinstimmung im Ergebnis festmachen. Mommsen selbst beruft sich zur Begründung der Unterscheidung auf die naturalis ratio, die er etwa in D. 46, 3, 107 zum „natürlichen“ Erlöschen einer Stipulationsverpflichtung angelegt sieht, Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht 1, 1853, 252. Vgl. zu d D. 46, 3, 107 oben, Text bei Fn. 4. 182 Vgl. auch Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969, 117. 183 Rabel, in: Bernhöft, Aus römischem und bürgerlichem Recht. Festschrift für E. I. Bekker, 1907, 171–237, 174 sieht dagegen in Mommsen den genuinen Schöpfer der Unmöglichkeitslehre. 184 Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1967, 469. 185 Vgl. zur Befreiungswirkung nachtäglicher unverschuldeter Unmöglichkeit Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, Band 2, 3. Aufl. 1870, 51 (§ 264) Fn. 5 u. 6 (Mommsen-Zitate). 180
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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„§ 237. Der Schuldner ist zur Leistung nicht verpflichtet, solange die Leistung in Folge eines nach Entstehung des Schuldverhältnisses eingetretenen, von ihm nicht zu vertretenden Umstandes unmöglich ist; soweit die Leistung dauernd unmöglich geworden ist, wird der Schuldner von seiner Verbindlichkeit befreit. Dasselbe gilt, wenn der Schuldner, welcher einen in sich bestimmten Gegenstand zu leisten hat, diesen in Folge eines von ihm nicht zu vertretenden Umstandes zu leisten außer Stand gesetzt worden ist.“
In § 237 Abs. 1 EI wird eine Befreiungswirkung normiert, die den Schuldner bei dauernder Unmöglichkeit nicht nur von der Primärleistungspflicht, sondern auch von der Haftung wegen Nichterfüllung gem. § 240 EI bzw. §§ 236 E2/280 BGB entbindet. Diese Befreiungswirkung kommt nur der nicht zu vertretenden Unmöglichkeit zu.187 Dies deckt sich mit der Regel in § 364 Teil 1 Titel 5 ALR und entspricht sowohl dem römischen als auch dem scholastisch-naturrechtlichen Ideenstrang: Nach dem römischen Stipulationsrecht griff nur bei unverschuldetem Untergang der certa res keine perpetuatio obligationis ein und nur bei unverschuldeter Nichterfüllung eines Konsensualvertrags entfiel die entsprechende Haftung nach bona fides. Nach spätscholastisch-naturrechtlichem Gedankengut machte nur die unverschuldete Unmöglichkeit die Nichterfüllung eines Versprechens nicht sündhaft, so dass nach Molina und Lessius diese die Grenze der Bindungswirkung markiert – nach Grotius kann es keinen Gebrauch des Willens in Bezug auf Unmögliches geben, so dass der Vertrag deswegen nicht mehr verpflichtet. § 237 Abs. 2 EI liegt die Mommsenʼsche Ansicht zur subjektiven Unmöglichkeit zu Grunde:188 Unter Unmöglichkeit soll zwar ausschließlich die objektive Unmöglichkeit zu verstehen sein;189 einem Unvermögen des Schuldners, also subjektiver Unmöglichkeit, soll dabei kein Einfluss auf die Verbindlichkeit zukommen.190 Um aber die Fälle zu erfassen, die Mommsen als 186
Vgl. auch Huber, Leistungsstörungen, Band 1, 1999, 77. Dagegen bestand bei vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit dessen Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger als Schadensersatzpflicht fort; zu diesem Verpflichtungskontinuum vgl. Protokolle der Beratungen der Ersten Kommission in Jakobs/ Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse, Band 1, 1978, 261. Zur Befreiungswirkung der nicht zu vertretenden Unmöglichkeit vgl. auch Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Band 2, 1888, 45, wo in Fn. 1 auf Windscheids Pandekten und auf das ALR Bezug genommen wird. Die erst nach den Beratungen der Ersten Kommission ausgearbeiteten Motive bezeugen die Motivationslage der Kommissionsmitglieder freilich weniger authentisch als die Beratungsprotokolle. 188 Vgl. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969, 146–147. 189 Protokolle der Ersten Kommission in Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse, Band 1, 1978, 213; Motive, Band 2, 1888, 44. 190 Motive, Band 2, 1888, 45. 187
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3. Kapitel: Deutsches Recht
beachtliche nachträgliche subjektive Unmöglichkeit aufgrund des Verhältnisses des Schuldners zu der zu leistenden Sache kategorisiert hat, wie etwa die Entwendung des Vertragsgegenstandes, wird das Außerstandegesetztsein des Schuldners zur Leistung eines „individuell bestimmten Gegenstandes“ als Sonderfall des nachträglichen Unvermögens in § 237 Abs. 2 EI der objektiven Unmöglichkeit gleichgestellt.191 Der Erste Entwurf des BGB weist somit die Sachgefahr umfassend dem Gläubiger zu, indem er den Schuldner gem. § 237 Abs. 1 EI bei objektiver Unmöglichkeit frei werden lässt und zudem die Fallgruppe der Sachentwendung in § 237 Abs. 2 EI der objektiven Unmöglichkeit gleichstellt. Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis wurde im Zweiten Entwurf (EII) umgekehrt: Neben der Befreiung des Schuldners bei objektiver Unmöglichkeit in § 232 EII ordnet § 235 S. 1 EII eine Gleichstellung von Unmöglichkeit und Unvermögen an, die in § 235 S. 2 EII nur ausnahmsweise für Gattungsschulden aufgehoben wird, indem das Unvermögen bei Gattungsschulden stets als ein zu vertretendes angesehen wird. Diese Änderungen durch die Redaktionskommission entsprechen nicht dem Beratungsergebnis der Zweiten Kommission:192 Die Mehrheit der Kommission ging nämlich davon aus, dass § 237 Abs. 2 EI eine ausnahmsweise Gleichstellung der subjektiven mit der objektiven Unmöglichkeit anordnet193 und in allen übrigen Fällen der subjektiven Unmöglichkeit nicht die gleiche Wirkung zukommt.194 § 237 Abs. 2 EI enthielt also nach Meinung der Zweiten Kommission eine Ausnahmevorschrift, welche die Sachgefahr solcher Ereignisse, bei denen nicht die Sache selbst untergeht, sondern der Schuldner die Macht über sie endgültig verliert, dem Gläubiger zuweist. Indem § 235 S. 1 EII bzw. § 275 Abs. 2 BGB (1900) die subjektive Unmöglichkeit der objektiven gleichstellen und nur bei Gattungsschulden die Fiktion des Vertretenmüssens in § 235 S. 2 EII bzw. § 279 BGB (1900) die Befreiungswirkung verhindert, wird dem Gläubiger die Gefahr nicht nur der speziellen Sachentwendungsereignisse, sondern das ganze Risiko unverschuldeter persönlicher Leistungsunfähigkeit des Schuldners zugewiesen, die etwa auch vorliegen kann, wenn der Schuldner nicht 191 Protokolle der Ersten Kommission in Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse, Band 1, 1978, 213; Motive, Band 2, 1888, 46. Vgl. hierzu auch Rabel, in: Bernhöft, Aus römischem und bürgerlichem Recht. Festschrift für E. I. Bekker, 1907, 171–237, 214–215. 192 Vgl. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969, 148. A.A. Huber, in: Schilken/Becker-Eberhard/Gerhardt, Festschrift für Hans Friedhelm Gaul zum 70. Geburtstag, 1997, 217–248, 230–231, der sich auf die Minderheitsmeinung in der Zweiten Kommission zu § 237 Abs. 2 EI beruft. 193 Achilles/Spahn/Gebhard, Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Band 1, 1897, 315. 194 Achilles/Spahn/Gebhard, Protokolle, Band 1, 1897, 316.
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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über die zur Erfüllung einer Stückschuld erforderlichen Finanzmittel verfügt.195 Die Vorschriften im BGB (1900) lauten: „§ 275 BGB (1900) (1) Der Schuldner wird von der Verpflichtung zur Leistung frei, soweit die Leistung infolge eines nach der Entstehung des Schuldverhältnisses eintretenden Umstandes, den er nicht zu vertreten hat, unmöglich wird. (2) Einer nach der Entstehung des Schuldverhältnisses eintretenden Unmöglichkeit steht das nachträglich eintretende Unvermögen des Schuldners zur Leistung gleich. § 279 BGB (1900) Ist der geschuldete Gegenstand nur der Gattung nach bestimmt, so hat der Schuldner, solange die Leistung aus der Gattung möglich ist, sein Unvermögen zur Leistung auch dann zu vertreten, wenn ihm ein Verschulden nicht zur Last fällt.“
Die ursprüngliche Regel, dass das Unvermögen des Schuldners keine Befreiungswirkung hat, lebte in § 279 BGB (1900) somit nur als Ausnahme fort. Um unsachgerechte Risikozuweisungen zu vermeiden, wurde in der Folge an auf Geldmangel beruhendes Unvermögen ein strenger Verschuldensmaßstab („Geld muss man haben“) angelegt, so dass der Schuldner in diesen Fällen nicht frei wurde und die Gefahr dieses Leistungshindernisses nicht den Gläubiger traf.196 Im Rahmen von §§ 275, 279 BGB trägt also der Gläubiger die Sachgefahr bei Speziesschulden. Bei noch nicht konkretisierten Gattungsschulden trifft die Gefahr des Unvermögens aufgrund der Verschuldensfiktion in § 279 BGB den Schuldner. Die Konkretisierung wurde dabei im Einklang mit der Lieferungstheorie Jherings197 in § 214 EI und noch deutlicher 195
Dazu bereits Titze, Unmöglichkeit der Leistung, 1900, 93. Medicus, AcP 188 (1988), 489–510, insbes. 509–510; vgl. auch Palandt/ Danckelmann, 14. Aufl. 1955, § 275 Rn. 2 sowie Huber, Leistungsstörungen, Band 1, 1999, 105. Jakobs, Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969, 161–162 will § 275 Abs. 2 BGB (1900) einschränkend nur mit dem Inhalt von § 237 Abs. 2 EI auslegen. Ebenfalls für eine einschränkende Auslegung, aber in geringerem Umfang, Meincke, AcP 171 (1971), 19–43, 21. Huber, Leistungsstörungen, Band 1, 1999, 71, hält die Fassung von § 275 Abs. 2 BGB (1900) vorzugswürdig gegenüber § 237 Abs. 2 EI. Zu den Schwierigkeiten einer Ausdehnung von § 279 BGB (1900) auf Geldschulden vgl. Rabel, in: Bernhöft, Aus römischem und bürgerlichem Recht. Festschrift für E. I. Bekker, 1907, 171–237, 224. 197 Vgl. Jhering, Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts 4 (1861), 366–438, der die bis dahin geltende Ausscheidungstheorie (Konkretisierung auch bei Bring- und Schickschulden schon mit Identifikation der Sache) angriff und für eine Anknüpfung der Konkretisierung an die Lieferung bzw. Erfüllung der jeweils vereinbarten Pflichten (Hol-, Bring- oder Schickschuld) argumentierte, weil dies dem Verkehrsinteresse besser entspreche und dem Inhalt des jeweiligen Schuldverhältnisses Rechnung trage; insbes. 420: Der Verkäufer müsse „[a]lles, was und wie es ihm (sei es nach dem ursprünglichen Contracte oder nach späterer Vereinbarung) oblag“ getan haben. Die Motive, Band 2, 1888, 12 nehmen auf die Lieferungstheorie als „Erfüllungstheorie“ Bezug. Zur Kodifikation der „Konkretisierung“ von Gattungsschulden im BGB vgl. insbe196
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3. Kapitel: Deutsches Recht
in §§ 207 E2, 243 BGB (1900) an die Vornahme der Leistungshandlung durch den Schuldner geknüpft. Bzgl. der Preisgefahr entschieden sich die Väter des BGB wie schon Mommsen198 gegen die Ansicht Savignys, Fuchsʼ und Puchtas, die ausgehend von der Gefahrtragung im römischen Kaufrecht den Eintritt der Unmöglichkeit als fingierte Erfüllung behandelte und so dem Gläubiger auch die Preisgefahr schon ab Vertragsschluss zuwies.199 Vielmehr folgten sie dem Synallagmagedanken wie er von Donellus aus den bonae fidei iudicia abstrahiert,200 von Pufendorf naturrechtlich begründet201 und in § 365 Teil 1 Titel 5 des ALR kodifiziert worden war. Nach §§ 368 Abs. 1 EI, 274 Abs. 1 EII, 323 Abs. 1 BGB (1900) erlischt bei Befreiung des Schuldners von der Leistungspflicht aufgrund nachträglicher unverschuldeter Unmöglichkeit auch sein Anspruch auf die Gegenleistung bzw. er mindert sich bei teilweiser Unmöglichkeit ex lege nach den Vorschriften zur kaufrechtlichen Minderung. Zudem enthalten §§ 368 Abs. 1 E1, 274 Abs. 3 E2, 323 Abs. 3 BGB (1900) eine Rechtsfolgenverweisung202 auf das Bereicherungsrecht, um die Rückforderung etwaiger Vorleistungen zu ermöglichen. Dieser Rückforderungsweg entspricht dem von Donellus aus den Quellen abstrahierten römischen Ideenstrang, in Unmöglichkeitsfällen eine condictio causa data non secuta zu gewähren.203 Die BGB-Vorschrift lautet: „§ 323 BGB (1900) (1) Wird die aus einem gegenseitigen Vertrage dem einen Teile obliegende Leistung infolge eines Umstandes unmöglich, den weder er noch der andere Teil zu vertreten hat, so verliert er den Anspruch auf die Gegenleistung; bei teilweiser Unmöglichkeit mindert sich die Gegenleistung nach Maßgabe der §§ 472, 473. […] (3) Soweit die nach diesen Vorschriften nicht geschuldete Gegenleistung bewirkt ist, kann das Geleistete nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückgefordert werden.“
sondere auch Schermaier, in: Hoyer/Hattenhauer/Meyer-Pritzl/Schubert, Gedächtnisschrift für Jörn Eckert, 2008, 759–789. 198 Vgl. oben, Text bei Fn. 173. 199 Vgl. oben, Text bei Fn. 162–163 und 170–171. Die Abwendung von den Gefahrtragungsregeln des Gemeinen Rechts bei Entäußerungsverträgen betont auch Buchka, Vergleichende Darstellung des Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich und des Gemeinen Rechts, 1897, 69. 200 Vgl. oben, Text bei Fn. 34. 201 Vgl. oben, Text bei Fn. 128–130. 202 RGZ 139, 17, 22; vgl. auch Palandt/Danckelmann, 14. Aufl. 1955, § 323 Rn. 6. 203 Vgl. oben, Text bei Fn. 34.
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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Die Zuweisung der Preisgefahr an den Schuldner in § 323 Abs. 1 BGB (1900) wird in den Motiven mit Gesichtspunkten der Einfachheit, Klarheit und Rechtssicherheit sowie mit der „Natur der vertragsgemäßen gegenseitigen Verbindlichkeiten“ begründet.204 In der Diskussion fand die neue Regelung der Preisgefahr Zustimmung: Die anwaltliche Praxis erkannte darin eine Folge des Abstraktionsprinzips, das Vertragsschluss und Erfüllung auseinanderfallen lässt,205 und die Zweite Kommission sah keine Veranlassung zu inhaltlichen Änderungen des ersten Entwurfs,206 so dass die Preisgefahrtragung durch den Schuldner Eingang in § 323 Abs. 1 BGB (1900) fand. Hauptmotiv für die Abkehr von der pandektistischen Ausweitung der Preisgefahrtragung durch den Gläubiger ab Vertragsschluss war der in „Natur der vertragsgemäßen Verbindlichkeiten“207 angedeutete Gesichtspunkt des konditionellen Synallagmas, also die Wertung, dass mit dem Untergang der einen Forderung auch der Bestand der Gegenforderung enden sollte.208 Das Synallagma ließ es notwendig und natürlich erscheinen, dass mit dem Fortfall der Leistungspflicht auch die Gegenleistungspflicht erlischt.209 Die Zuweisung der Preisgefahr an den Schuldner auch nach Vertragsschluss trug insofern der im Synallagma begründeten Einheit des Schuldverhältnisses Rechnung.210 Allerdings ist die Zuweisung der Preisgefahr an den Schuldner im BGB von 1900 dadurch eingeschränkt, dass der Gläubiger eine bereits erbrachte Gegenleistung gem. § 323 Abs. 3 BGB (1900) lediglich nach Bereicherungsrecht zurückfordern kann. Der Gläubiger kann die Gegenleistung demnach nur in dem Ausmaß abschöpfen, in dem der Schuldner noch durch sie bereichert ist (§ 818 Abs. 3 BGB). Daher trägt der Schuldner die Gefahr der Gegenleistung nur insoweit, als er sie nach Bereicherungsrecht zurückerstatten muss.211 Diese Beschränkung der Preisgefahrtragung durch den Schuldner 204
Motive, Band 2, 1888, 206–207. Deutscher Anwaltverein, Gutachten aus dem Anwaltstande über die erste Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, 1890, 122–123. 206 Achilles/Spahn/Gebhard, Protokolle, Band 1, 1897, 638. 207 Motive, Band 2, 1888, 206. 208 HKK-Schermaier, § 326 Rn. 1, 14–15; Benöhr, Das sogenannte Synallagma in den Konsensualkontrakten des klassischen römischen Rechts, 1965, 71. Zur Bedeutung des Wortes συνάλλαγμα vgl. ebd., 8. 209 Denkschrift zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, 5. Aufl. 1896, 74; Kleineidam, Unmöglichkeit und Unvermögen, 1900, 128. Vgl. auch Kisch, Die Wirkungen der nachträglich eintretenden Unmöglichkeit der Erfüllung bei gegenseitigen Verträgen, 1900, 45–46. 210 Hoffmann-Burchardi, Die geschichtlichen Grundlagen der Vorschriften des BGB über Leistungsstörungen bei gegenseitigen Verträgen: §§ 323–327, 1974, 56–57. 211 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band I, 13. Aufl. 1982, 287–288. Vgl. hierzu auch Protokolle der Ersten Kommission in Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse, Band 2, 1980, 81. 205
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3. Kapitel: Deutsches Recht
entspricht im Grundsatz der Lage im englischen Recht unter Geltung von S. 1(2) Unterabs. 1 LR(FC)A 1943 und des bereicherungsrechtlichen change of position-Einwands.212 Die Anwendung von § 818 Abs. 3 BGB zur Rückabwicklung von Vorleistungen bei nachträglicher Unmöglichkeit geriet in der deutschen Literatur in die Kritik. So merkte schon 1905 Dernburg an, dass die Anwendung von § 818 Abs. 3 BGB in Fällen der nachträglichen Unmöglichkeit hart sein könne, etwa wenn der Schuldner die Gegenleistung verspielt habe.213 Später stellte Meincke die Anwendung von § 818 Abs. 3 BGB im Kontext nachträglicher Unmöglichkeit umfassend in Frage:214 Die Motive ließen darauf schließen, dass der Kommission die Frage der Entreicherung beim Entwurf von § 323 Abs. 3 BGB gar nicht vor Augen gestanden habe; darüber hinaus sei die Anwendung des Ausnahmetatbestandes des § 818 Abs. 3 BGB im Kontext der nachträglichen Unmöglichkeit meist nicht gerechtfertigt,215 was sich u.a. aus folgenden Gesichtspunkten ergebe: Die Vorleistung des Gläubigers werde unter dem Vorbehalt der Gegenleistung erbracht und sei daher ihrem Charakter nach vorläufig, so dass der Empfänger der Vorleistung nicht auf den Fortbestand der Rechtsänderung vertrauen dürfe und § 818 Abs. 3 BGB nicht eingreifen könne, sondern vielmehr die wegen ungewissen Erfolgseintritts verschärfte Haftung aus § 820 BGB zur Anwendung kommen müsse.216 Zudem widerspreche die Anwendung von § 818 Abs. 3 BGB auch der Wertung des § 323 Abs. 1 BGB, weil der Wegfall der Bereicherung u.U. auch aus dem Untergang des Leistungsgegenstands selbst hergeleitet werden könne.217 Die Unbegründbarkeit der Heranziehung von § 818 Abs. 3 BGB bestätige auch ein Vergleich mit anderen Rückgewährschuldverhältnissen.218 Daher dürfe sich der Rückgewährschuldner bei nachträglicher Unmöglichkeit aufgrund einer Anwendung des haftungsverschärfenden § 820 Abs. 1 BGB regelmäßig nicht auf den Fortfall der Bereicherung berufen.219 Die Anwendung von § 820 Abs. 1 BGB im Kontext der nachträglichen Unmöglichkeit war in einer Konstellation bereits anerkannt. Denn das Reichsgericht hatte 1929 entschieden, dass in Fällen, in denen dem Schuldner bewusst ist, dass mit der Vorleistung des Gläubigers ein Erfolg bezweckt wird, der nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als ungewiss angesehen wird, 212
Vgl. oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 176–186 sowie 226. Dernburg, Die Schuldverhältnisse nach dem Recht des Deutschen Reichs und Preußens, Band 1, 3. Aufl. 1905, 230, dort insbes. auch Fn. 6. 214 Meincke, AcP 171 (1971), 19–43, 38–43. 215 Meincke, AcP 171 (1971), 19–43, 38–39. 216 Meincke, AcP 171 (1971), 19–43, 39–40. 217 Meincke, AcP 171 (1971), 19–43, 41. 218 Meincke, AcP 171 (1971), 19–43, 41. 219 Meincke, AcP 171 (1971), 19–43, 43. 213
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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in denen also die Parteien mit der nachträglichen Unmöglichkeit der Vertragserfüllung rechnen, die Haftung des Schuldners nach § 820 Abs. 1 BGB verschärft sei.220 Nur für diesen besonderen Fall, dass die Parteien mit nachträglicher Unmöglichkeit rechneten, fand die Reichsgerichtsentscheidung Zustimmung.221 Es war richtig, die Anwendung von § 820 Abs. 1 BGB auf diese Situation zu beschränken. Denn insoweit den Parteien der Eintritt der Unmöglichkeit nicht konkret vor Augen stand und der Gläubiger in Vorleistung gegangen ist, hat er sich dadurch bewusst der ihm beim gegenseitigen Vertrag aus dem „Zug-um-Zug-Prinzip“ zukommenden Sicherheit begeben und muss die damit verbundene Abschwächung der Preisgefahr des Schuldners in Kauf nehmen.222 Auch wenn dem Vorleistenden kein the risk lies where it falls-Prinzip wie im englischen Recht vor dem LR(FC)A 1943 zugemutet wird,223 ist die vom Gläubiger erbrachte Vorleistung als Teil des Vermögens des Schuldners zu behandeln, der – abgesehen vom Ausnahmefall der konkret vor Augen stehenden Unmöglichkeit – an dessen Vermögensentwicklung teilhat224 und daher auch einer Entreicherung zum Opfer fallen kann. Diesen Ausschnitt der Preisgefahr, den man als bereicherungsrechtliches Leistungsbestands- oder Rückholrisiko bezeichnen kann,225 trägt daher grundsätzlich nicht der Schuldner, sondern der Gläubiger. Das BGB (1900) spaltet demnach in §§ 275, 323 die Sach- und Preisgefahr zwischen Gläubiger und Schuldner auf. Der Gläubiger trägt dabei nach § 275 Abs. 2 BGB auch die Sachgefahr von Ereignissen, die nicht die Sache selbst, sondern das Verhältnis des Schuldners zu ihr betreffen. Hat der Gläubiger vor Unmöglichkeitseintritt vorgeleistet, kann er seine Zahlung gem. § 323 Abs. 3 BGB nach Bereicherungsrecht zurückfordern, trägt aber nach § 818 Abs. 3 BGB das Risiko des Leistungsbestands, sofern nicht ausnahmsweise die Haftungsverschärfung in § 820 Abs. 1 BGB eingreift. Der Regelungsgehalt von § 275 BGB wurde im Rahmen der Vorbereitungen der Akademie für Deutsches Recht für ein „Volksgesetzbuch“ in Frage gestellt. In einer Denkschrift des Ausschusses für Personen-, Vereins- und Schuldrecht kritisierte Stoll die zentrale Rolle der Unmöglichkeit im BGB.226 Die Kategorie der Unmöglichkeit sei als Haftungsgrund entbehrlich,227 so 220
RGZ 123, 401, 406. Palandt/Danckelmann, 14. Aufl. 1955, § 323 Rn. 6; BGB-RGRK/Ballhaus, 12. Aufl. 1976, § 323 Rn. 12 a.E. 222 Larenz, Schuldrecht, Band I, 1982, 287. 223 Vgl. dazu oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 153–159. 224 So ist ja nach § 818 Abs. 1 BGB auch der Ersatz von Nutzungen geschuldet. 225 Beuthien, JZ 1969, 570–571, 570. 226 Stoll, Die Lehre von den Leistungsstörungen, 1936, 31. 227 Stoll, Die Lehre von den Leistungsstörungen, 1936, 31. 221
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3. Kapitel: Deutsches Recht
dass der Unmöglichkeitsbegriff „ausgemerzt“ werden müsse, und die Haftung stattdessen allein an schuldhafte Pflichtverletzungen des Schuldners angeknüpft werden solle.228 Diese Reformbestrebungen, die aus dem Blickwinkel der Schuldrechtsmodernisierung nicht fremd erscheinen, wurden mit der Stilllegung der Arbeiten der Akademie für Deutsches Recht ad acta gelegt. Der daher zunächst unangetastete § 275 BGB (1900) trifft die negative Aussage, dass der Schuldner aus dem Vertrag nicht haftet. Dieses Negativum zielt auch auf die Primärleistungspflicht, aber der wesentliche – weil nicht selbstverständliche – Aussagegehalt betrifft die weiteren Folgen: Es ist auch kein Wert- und kein Schadensersatz geschuldet.229 Diese wesentliche haftungsausschließende Funktion der unverschuldeten Unmöglichkeit trat im Laufe des 20. Jahrhunderts in den Hintergrund, während die sich eigentlich „von selbst ergebende“230 Befreiung von der Primärleistungspflicht in den Fokus geriet. So kam es zu einem neuen Blick auf § 275 BGB (1900) und § 280 BGB (1900). Während die Väter des BGB noch kein Problem mit der Aussage hatten, dass im Falle zu vertretender Unmöglichkeit die Obligation zwar fortdauere, mit der Verbindlichkeit zum Schadensersatz aber einen anderen Gegenstand habe, und bewusst den pauschalen Ausdruck der „Verwandlung der ursprünglichen Obligation“ vermieden, um nicht den Anschein einer das Fortbestehen von Sicherheiten verhindernden Novation zu erwecken,231 störten sich Rechtswissenschaftler des 20. Jahrhunderts zunehmend an § 280 BGB (1900), der bei verschuldeter Unmöglichkeit einen Sekundäranspruch begründete, ohne gleichzeitig gesondert das Erlöschen der Primärobligation anzuordnen. So schrieb Fikentscher 1969, dass sich das Erlöschen der Primärobligation auch bei zu vertretender Unmöglichkeit aus einem Vergleich von § 280 BGB (1900) mit § 275 BGB (1900) ergebe, so dass man die
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Stoll, Die Lehre von den Leistungsstörungen, 1936, 32. Titze, Unmöglichkeit der Leistung, 1900, 101. Vgl. auch Huber, in: Schilken/ Becker-Eberhard/Gerhardt, Festschrift für Hans Friedhelm Gaul zum 70. Geburtstag, 1997, 217–248, 224–225. sowie Rabel, in: Bernhöft, Aus römischem und bürgerlichem Recht. Festschrift für E. I. Bekker, 1907, 171–237, 178: Es gehe nicht darum, ob man leisten werde, sondern darum, ob man noch etwas schuldig sei. A.A. unter Hinweis darauf, dass keine Befreiungswirkung bzgl. einer nie entstandenen Sekundärpflicht eintreten könne, Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 223–233, 225 und Finn, Erfüllungspflicht und Leistungshindernis: die Bestimmung der Grenzen vertraglicher Primärpflichten nach §§ 275 Abs. 1 und 2, 313 BGB, 2007, 41. 230 Achilles/Spahn/Gebhard, Protokolle, Band 1, 1897, 315. 231 Motive, Band 2, 1888, 50. Vgl. dazu auch Wieling, in: Gerkens/Peter/TrenkHinterberger/Vigneron, Mélanges Fritz Sturm, Band 2, 1999, 1135–1147, 1141–1142 sowie Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, 772–773, der auf die den Motiven zu Grunde liegenden Ausführungen bei Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht 1, 1853, 229–230 und Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, Band 2, 1870, 51–52 verweist. 229
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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Worte „den er nicht zu vertreten hat“ letztlich aus § 275 BGB (1900) streichen könne.232 Dieser brachiale Umgang mit § 275 BGB (1900) wäre nicht nötig gewesen; vielmehr ist das Fortbestehen der Verpflichtung bei zu vertretender Unmöglichkeit prozessual interessengerecht zu bewältigen: Ist infolge der Unmöglichkeit die Verurteilung zur Leistung sinnlos, wird der Schuldner, der die Unmöglichkeit zu vertreten hat, nicht zur Leistung, sondern stattdessen gem. § 264 Nr. 3 ZPO zur Leistung des Interesses nach § 280 BGB verurteilt.233 Einer (analogen) Anwendung von § 275 BGB bedarf es hierfür nicht.234 Die Verurteilung zum Ersatz des Interesses ist bei zu vertretender Unmöglichkeit gerade deswegen zulässig, weil der negative Regelungsgehalt von § 275 BGB (1900), der die Haftung des Schuldners ausschließen würde, nicht zum Tragen kommt – §§ 275 und 280 BGB (1900) sind insofern „Komplementärvorschriften“.235 Der Anspruch ist erst erschöpft, wenn der Schuldner weder auf die Primärleistung noch auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann.236 Dennoch hielt sich die Lehre von der Überflüssigkeit des Vertretenmüssens in § 275 BGB (1900),237 was zu einem Bedeutungswandel der Unmöglichkeit in § 275 BGB (1900) führte: Die Rechtsfolge der Norm wurde nicht mehr als – von ihr im Wesentlichen bezweckte – Haftungsbegrenzung, sondern als Leistungsbefreiung verstanden.238 Dieser gewandelte Unmöglich-
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Fikentscher, Schuldrecht, 2. Aufl. 1969, 217. Auch Braun, JuS 1988, 215 Fn. 5 hält § 275 BGB (1900) für „zu weit gefasst“. Zum Streit um die Anwendung von § 275 BGB (1900) auch auf die vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit vgl. auch Mitzkait, Leistungsstörung und Haftungsbefreiung: ein Vergleich der Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts mit dem reformierten deutschen Recht, 2008, 34–35 m. w. Nachw. 233 Eine nicht vollstreckbare und daher sinnlose Verurteilung kann nicht erfolgen, BGH NJW 1972, 152 sowie BGH NJW 1986, 1676. Vgl. Huber, in: Schilken/BeckerEberhard/Gerhardt, Festschrift für Hans Friedhelm Gaul zum 70. Geburtstag, 1997, 217–248, 239. Ein weiteres Beispiel für die Beschränkung materiellrechtlicher Pflichten auf der Ebene ihrer prozessualen Durchsetzbarkeit ist die prozessrechtliche limitation of action im angloamerikanischen Rechtsraum, welche funktional wie die materiellrechtliche Verjährung wirkt, vgl. etwa BGH NJW 1960, 1720. Zur prozessrechtlichen Lösung der Unmöglichkeit in der Rspr. auch Finn, Erfüllungspflicht und Leistungshindernis, 2007, 42–45. Zu materiellrechtlichen Lösungsvorschlägen vgl. idem, 45–58. 234 Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, 780. 235 Harke, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2001, 29–59, 50. Larenz, Schuldrecht, Band I, 1982, 285 spricht von „korrespondierenden Vorschriften“. 236 Vgl. Stoll, JZ 2001, 589–597, 590. 237 Dazu auch Wieling, in: Gerkens/Peter/Trenk-Hinterberger/Vigneron, Mélanges Fritz Sturm, Band 2, 1999, 1135–1147, 1135–1140. 238 HKK-Schermaier, § 275 Rn. 60.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
keitsbegriff wurde durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (SMG) mit Wirkung zum 1.1.2002 im BGB kodifiziert. b) Änderungen durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz Die Reform des Schuldrechts begann 1979 mit einem vom Bundesministerium der Justiz in Auftrag gegebenen Gutachten zur Überarbeitung des Schuldrechts. In seinem Gutachten zum Leistungsstörungsrecht erkennt Huber die Eigenschaft von § 275 BGB (1900) als haftungsbegrenzende Norm im Unterschied zu dem die Sekundärhaftung begründenden § 280 BGB (1900) zwar an, konstatiert jedoch, dass die rechtspolitische Funktion der Unmöglichkeitsregelungen „im Dunkeln“ bleibe239 und vermutet, dass die Verfasser des BGB beim Leistungsstörungsrecht auf eine „wissenschaftlich nicht hinreichend aufgearbeitete Materie stießen“.240 Das trifft angesichts der vielfältigen Fundierung des Unmöglichkeitsrechts in der römischrechtlichen und scholastisch-naturrechtlichen Tradition nicht zu.241 Angesichts der von ihm vermeintlich identifizierten Mängel des Unmöglichkeitsrechts war Huber in seinem Vorschlag bestrebt, das Leistungsstörungsrecht durch eine übergeordnete Begriffsbildung zu vereinfachen und so – im Sinne Stolls242 – die Unmöglichkeit als eigene Leistungsstörungskategorie entbehrlich zu machen.243 Eine Vereinfachung des Unmöglichkeitsrechts war drei Jahre später auch für Justizminister Engelhard einer der zentralen Aufgaben der von ihm nach der Veröffentlichung der Gutachten eingesetzten Kommission für die Überarbeitung des Schuldrechts (Schuldrechtskommission).244 Im Zeichen des Bedeutungswandels der Unmöglichkeit von der Haftungs- zur Leistungsbefreiung empfand auch die Schuldrechtskommission § 275 BGB (1900) als „insofern missglückt, als er die Frage nach der Befreiung des Schuldners mit dem Vertretenmüssen verknüpft“245 und störte sich an der zentralen Funktion der
239 Huber, in: Bundesminister der Justiz, Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band 1, 1981, 647–909, 758. 240 Huber, in: Bundesminister der Justiz, Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band 1, 1981, 647–909, 771. 241 Schermaier, JZ 2006, 330–339, 336 bezeichnet die Vermutung Hubers als „Gerücht“. Anders als im Gutachten zum Leistungsstörungsrecht ist sich Huber, in: Schilken/Becker-Eberhard/Gerhardt, Festschrift für Hans Friedhelm Gaul zum 70. Geburtstag, 1997, 217–248, 237–238 der historischen Traditionslinien durchaus bewusst. 242 Vgl. oben, Text bei Fn. 226–228. 243 Huber, in: Bundesminister der Justiz, Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Band 1, 1981, 647–909, 700. 244 Engelhard, NJW 1984, 1201–1206, 1204. 245 Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Abschlußbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, 1992, 118.
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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Unmöglichkeit im Leistungsstörungssrecht.246 Die Befreiung von Sekundärpflichten erkannte die Schuldrechtskommission nicht als relevanten Regelungsgehalt von § 275 BGB (1900) an, weil nach § 281 BGB (1900) zumindest eine Surrogatherausgabepflicht bestehe247 – ein Argument, das nicht verfängt, weil diese Pflicht eine von der ursprünglichen Hauptleistungspflicht verschiedene Leistungspflicht ist, die mit dem ursprünglichen Leistungsgegenstand nichts zu tun hat, bzgl. derer keine akzessorischen Sicherungsrechte fortbestehen und die daher der Aussage, dass der Schuldner von ursprünglichen Primär- und Sekundärobligationen frei wird, nicht im Weg steht.248 Dennoch war der Kommission die scheinbar widersprüchliche Fassung von § 275 BGB (1900) bzgl. der Primärleistungspflicht ein Dorn im Auge.249 Man wird nicht so weit gehen wollen wie Wieling, welcher der Kommission wegen der von ihr geforderten Irrelevanz des Vertretenmüssens für die Unmöglichkeit attestiert, dass sie das Gesetz gründlich missverstanden habe.250 Dennoch bleibt festzuhalten, dass mit der forcierten Trennung von Unmöglichkeit und Vertretenmüssen die dem BGB zu Grunde liegende römischrechtliche Traditionslinie des Stipulationsrechts und der durch das Naturrecht vermittelte scholastische Gedankenstrang von der Sündhaftigkeit nur des verschuldeten Versprechensbruchs – wohl weitgehend unbewusst – verlassen wurden. Die Schuldrechtsreform hat diese Traditionslinien abgebrochen. Der Weg für die neue Funktion der Unmöglichkeit als Befreiungstatbestand nur von der Primärleistungspflicht und unabhängig vom Vertretenmüssen war frei. Das im Kontext der Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (1999/44/EG) wiederaufgegriffene Schuldrechtsreformprojekt knüpfte an den Abschlussbericht von 1992 an. Der Diskussionsentwurf (DiskE SMG) übernahm die Kritik der Schuldrechtskommission an § 275 BGB (1900).251 Daher wollte man mit § 275 DiskE SMG die Verpflichtung des Schuldners nicht 246
Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Abschlußbericht, 1992, 16–17. Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Abschlußbericht, 1992, 118. 248 Wieling, in: Gerkens/Peter/Trenk-Hinterberger/Vigneron, Mélanges Fritz Sturm, Band 2, 1999, 1135–1147, 1145, der auch darauf hinweist, dass dieser Einwand bereits in Achilles/Spahn/Gebhard, Protokolle, Band 1, 1897, 634 als „sophistisch“ bezeichnet wurde. 249 Kommissionsmitglied Rolland betonte etwa, dass das Beharren auf einer Leistungspflicht, die erkennbar nicht erbracht werden kann, konstruiert wirke und dass deshalb das Vertretenmüssen für das Fortbestehen der Primärleistungspflicht keine Rolle spielen dürfe, Rolland, NJW 1992, 2377–2384, 2381. 250 Wieling, in: Gerkens/Peter/Trenk-Hinterberger/Vigneron, Mélanges Fritz Sturm, Band 2, 1999, 1135–1147, 1142. Ähnlich kritisch Ernst, JZ 1994, 801–809, 805: „Die Kommission baut eklektisch auf eine von ihr nicht bewältigte Streitlage aus inkompatiblen Schulrichtungen auf“. 251 Diskussionsentwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (DiskE SMG), 4.8.2000, 307. 247
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3. Kapitel: Deutsches Recht
mehr durch „Unmöglichkeit“, sondern durch die nach dem Schuldverhältnis geschuldeten Anstrengungen begrenzen und damit die Unmöglichkeit weitgehend vom Vertretenmüssen entkoppeln.252 Bzgl. der Wirkungen der Unmöglichkeit auf die Gegenleistung störte man sich an der „außerordentlichen Vielfalt der Voraussetzungen der Vertragsaufhebung, der sie bewirkenden Faktoren und der Unterschiede in den Abwicklungsregelungen“253 und wollte daher in § 323 DiskE SMG eine Vertragsauflösung bei Pflichtverletzungen jeder Art durch Rücktritt ermöglichen und damit auch die bisher ipso iure eintretende Befreiung bei unverschuldeter nachträglicher Unmöglichkeit gem. § 323 Abs. 1 BGB (1900) abdecken.254 Dieser Vorschlag einer Eliminierung der Unmöglichkeit als eigenen Befreiungstatbestand stieß auf Kritik. So konstatierte schon kurz nach Veröffentlichung des Entwurfs Huber, § 275 DiskE SMG sei „naiv und lebensfremd“ und eine „Leerformel“, wenn er von „Anstrengungen“ des Schuldners spreche, weil es im Wirtschaftsleben nicht um „Anstrengungen“, sondern um finanzielle Aufwendungen gehe.255 Flume diagnostizierte schon im Kommissionsbericht 1992 eine unberechtigte „Perhorreszierung“ des Unmöglichkeitsbegriffs durch die Kommission, als ob es den Tatbestand der Unmöglichkeit gar nicht gäbe.256 Dogmatisch wurde kritisiert, dass die Grenze des neuen Befreiungstatbestands zum Wegfall der Geschäftsgrundlage unklar sei257 und nicht sicher sei, ob eindeutige Unmöglichkeitsfälle wie der für die Gefahrtragung relevante Untergang des Vertragsgegenstands immer unter § 275 DiskE SMG subsumiert werden könnten,258 so dass die Sachgefahrtragung nach dem DiskE SMG letztlich im Unklaren bleibe.259 Überwiegend260 252
DiskE SMG, 4.8.2000, 309. DiskE SMG, 4.8.2000, 388. Diese Verstörung bestand ungeachtet dessen, dass ein im DiskE vorgenommener Rechtsvergleich eine vergleichbare Vielfalt auch in anderen Rechtsordnungen vorfand, wie etwa die unterschiedlichen Folgen der Verletzung von conditions und warranties im englischen Recht, ebd. 389–390. 254 DiskE SMG, 4.8.2000, 391–392. 255 Huber, in: Zimmermann/Ernst, Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, 31–183, 72; Huber, ZIP 2000, 2137–2151, 2146. Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 223–233, 231 bezeichnen §§ 275–282 DiskE als in der Formulierung der Voraussetzungen „tautologisch-zirkulär“. 256 Flume, ZIP 1994, 1497–1501, 1497. 257 Canaris, in: Schulze/Schulte-Nölke, Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, 2001, 43–66, 47–48; Huber, in: Zimmermann/Ernst, Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, 31–183, 79–80, 143; Huber, ZIP 2000, 2137–2151, 2148. 258 Canaris, in: Schulze/Schulte-Nölke, Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, 2001, 43–66, 46. 259 Motsch, JZ 2001, 428–433, 431. In diesem Sinne schon kritisch zum Entwurf der Schuldrechtskommission 1992, Ernst, JZ 1994, 801–809, 804. 253
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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befürwortet wurde allerdings die Trennung von Unmöglichkeit und Vertretenmüssen; sie sei „folgerichtig“261 und diene der Beseitigung von Unverständlichkeiten, die sich ohne die (im Zuge der einheitlichen Anknüpfung an die Pflichtverletzung abzuschaffende) Komplementärvorschrift des § 280 BGB (1900) nicht auflösen ließen.262 Die Ersetzung des ipso iureWegfalls der Gegenleistungspflicht durch ein Rücktrittsrecht wurde dagegen angesichts der eigentlichen Alternativlosigkeit der Vertragsbeendigung als unangemessen empfunden.263 Die Kritik wurde vom Gesetzgeber umgesetzt: § 275 Abs. 1 BGB knüpfte die Befreiung von der Primärleistungspflicht ipso iure wieder an das Vorliegen von subjektiver oder objektiver Unmöglichkeit an – es wurde als notwendig erachtet, die Unmöglichkeit namentlich anzusprechen, wo dies sachlich angebracht sei, um die Aussagen des Gesetzes verständlich zu machen.264 Unmöglichkeit und Vertretenmüssen wurden getrennt, weil sich § 275 Abs. 1 BGB n.F. nur auf die Primärleistungspflicht des Schuldners bezieht und nicht geschuldet sein könne, was nicht geleistet werden könne;265 es sei sinnlos, dem Schuldner einen weder erfüllbaren noch vollstreckbaren Anspruch zu geben.266 § 275 Abs. 1 BGB (2002) ist also keine Haftungsbegrenzungsnorm – die Haftung richtet sich nach §§ 275 Abs. 4, 280 ff. BGB – sondern ausschließlich Befreiungstatbestand von der Primärleistungspflicht.267 Dies mag angesichts der Undenkbarkeit eines Anspruchs bei Unmöglichkeit als „Ridikulität“ erscheinen,268 sorgt aber insofern für Klarheit, als zwischen den beiden Funktionen der Unmöglichkeit (Befreiungsgrund 260
Gegen die Trennung Huber, ZIP 2000, 2137–2151, 2147; Huber, in: Zimmermann/Ernst, Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, 31–183, 55–56, 75–79, 142–143. 261 Canaris, in: Schulze/Schulte-Nölke, Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, 2001, 43–66, 52. 262 Harke, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 2001, 29–59, 56. 263 Canaris, in: Schulze/Schulte-Nölke, Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, 2001, 43–66, 54; Wilhelm/Deeg, JZ 2001, 223–233, 232. 264 BT-Drucks. 14–6040 (Regierungsbegründung, identisch mit Begründung der SPD und der Grünen), 127. Dies begrüßen etwa Canaris, ZRP 2001, 329–336, 330 und KompaktKomm-BGB/Willigmann-Hirse, § 275 Rn. 4. 265 BT-Drucks. 14–6040, 127. Zustimmend Canaris, JZ 2001, 499–524, 500: Ein nicht erfüllbarer Anspruch sei „sinnlos“; vgl. auch Canaris, ZRP 2001, 329–336, 330: Es werde eine „störende Ungereimtheit“ beseitigt 266 BT-Drucks. 14–6040, 128. Dies spielt auf die prozessrechtliche Lösung der zu vertretenden Unmöglichkeit im alten Schuldrecht an, vgl. dazu oben, Text bei Fn. 233. 267 Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, 2002, 158–159; KompaktKommBGB/Willigmann-Hirse, § 275 Rn. 12. 268 Wilhelm, JZ 2001, 861–869, 866. Ähnlich Schermaier, JZ 2006, 330–339, 336, der § 275 BGB als „Fremdkörper“ im Leistungsstörungsrecht bezeichnet.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
und Grundlage eines Schadensersatzanspruchs) deutlich differenziert wird.269 Als Befreiungstatbestand nur von der Primärleistungspflicht unterscheidet § 275 Abs. 1 BGB n.F. richtigerweise nicht mehr zwischen zu vertretender und nicht zu vertretender Unmöglichkeit.270 In § 326 Abs. 1 BGB wurde auf die Kritik hin271 der ipso iure-Wegfall der Gegenleistungspflicht bei Unmöglichkeit wieder eingeführt und auf Fälle der zu vertretenden Unmöglichkeit erstreckt. Parallel dazu wurde dem Gläubiger bei Unmöglichkeit auch ein Rücktrittsrecht eingeräumt (§ 326 Abs. 5 BGB). Ein Rücktritt nach § 326 Abs. 5 BGB kann insbesondere dann erforderlich sein, wenn der Vertrag außer den Verpflichtungen zu Leistung und Gegenleistung noch weitere Pflichten konstituiert oder wenn der Gläubiger Streit über Unmöglichkeitseintritt vermeiden will;272 ferner, wenn der Gläubiger den genauen Grund für die Nichtleistung des Schuldners nicht kennt.273 Bei feststehender vollständiger Unmöglichkeit der Leistung ist ein Rücktritt nach § 326 Abs. 5 BGB in Hinblick auf die Gegenleistungspflicht wegen § 326 Abs. 1 S. 1 BGB freilich funktionslos.274 Die Rückabwicklung bereits erbrachter Leistungen erfolgt sowohl bei reinem ipso iure-Wegfall der Gegen269 Canaris, Schuldrechtsmodernisierung 2002, 2002, XI. Ähnlich Däubler-Gmelin, NJW 2001, 2281–2289, 2287. Positiv zum dualistischen System von Leistungsbefreiung und Schadensersatz auch Canaris, JZ 2004, 214–225, 224 und Unberath, Die Vertragsverletzung, 2007, 198–200, 271–272. Unberath bezeichnet die Relevanz der Unmöglichkeit für die Leistungsbefreiung als ontologischen Unmöglichkeitsaspekt und die Rolle der Unmöglichkeit bzgl. des Anspruchs auf Schadensersatz als Zurechnungsaspekt der Unmöglichkeit. Das verdeutlicht, dass § 275 BGB n.F. als reiner Primärleistungsbefreiungstatbestand nur den ontologischen Aspekt der Unmöglichkeit betrifft und daher unabhängig vom Vertretenmüssen eingreift. Zur mit damit einhergehenden Bildung klarer Kategorien auch im Schadensersatzrecht Lorenz, JZ 2001, 742–745, 742–743. 270 In diesem Sinne auch Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland, Das neue Schuldrecht, 2002, 91. A.A. Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, 249–256, der durch eine korrigierende Auslegung von § 275 Abs. 1 BGB bei zu vertretender Unmöglichkeit zu einem Anspruch des Schuldners auf Naturalrestitution kommen möchte, der sich also inhaltlich von §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB unterscheidet. Dagegen Finn, Erfüllungspflicht und Leistungshindernis, 2007, 132–133, der betont, dass bei Unmöglichkiet gem. § 275 Abs. 1 BGB auch keine Naturalleistung auf anderem Wege wie etwa durch ein anderes Gattungsstück bei der konkretisierten Gattungsschuld geschuldet sei. Gegen die Gleichstellung von zu vertretender und nicht zu vertretender Unmöglichkeit wenden sich aus prozessualen Gründen Knütel, JR 2001, 353–355, 355 und Kohler, AcP 205 (2005), 93–126, 112–116, 118–120. Dagegen Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, 223–224. 271 BT-Drucks. 14–6040, 188. 272 Harke, Allgemeines Schuldrecht, 2010, 240. Vgl. auch Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung. Einführung in das neue Recht, 2002, 199–201. 273 BT-Drucks. 14–7052, 193. 274 Vgl. Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, 2002, 161.
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leistungspflicht gem. § 326 Abs. 4 BGB als auch bei parallel erklärtem Rücktritt nach dem Rücktrittsfolgenrecht. Die Gefahrtragung beim Kauf vor Gefahrübergang hat sich infolge des SMG insofern nicht verändert, als gem. § 275 Abs. 1 Alt. 2 BGB der Schuldner nach wie vor die Sachgefahr bei objektiver Unmöglichkeit trägt und § 326 Abs. 1 BGB die Preisgefahr weiterhin dem Gläubiger zuweist. Änderungen ergeben sich aber hinsichtlich der Sachgefahrtragung bei subjektiver Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 Alt. 1, Abs. 2 BGB) und bzgl. der Preisgefahrtragung bei Rückabwicklung einer bereits erbrachten Gegenleistung (§§ 326 Abs. 4, 346–348 BGB): Bei der Sachgefahrtragung ist der Begriff der subjektiven Unmöglichkeit in § 275 Abs. 1 Alt. 1 BGB enger als der des Unvermögens in § 275 Abs. 2 BGB (1900). Die Befreiungswirkung des § 275 Abs. 1 BGB erfasst zwar ausdrücklich auch die subjektive Unmöglichkeit und deckt damit weiterhin die Unmöglichkeit aufgrund des Verhältnisses des Schuldners zum Leistungsgegenstand ab, wie Fälle von Dritteigentum oder Sachdiebstahl.275 Da § 275 Abs. 1 BGB aber nur die wirkliche und nicht die in § 275 Abs. 2 BGB geregelte faktische Unmöglichkeit erfasst,276 greift § 275 Abs. 1 BGB bei nicht im Eigentum des Schuldners stehenden oder von Dritten entwendeten Sachen nur dann ein, wenn feststeht, dass der Schuldner die Verfügungsmacht bzw. den Besitz an der Sache nicht erlangen und zur Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs nicht auf die Sache einwirken kann.277 Die Leistung ist also nicht subjektiv unmöglich, wenn der Schuldner das Hindernis beheben und damit seine Leistungsfähigkeit (wieder-)herstellen kann.278 Ist es dem Schuldner zwar tatsächlich möglich, die Sache (wieder) zu 275 Canaris, JZ 2001, 499–524, 499. Vgl. auch Medicus/Lorenz, Schuldrecht I. Allgemeiner Teil, 21. Aufl. 2015, Rn. 408 sowie Harke, Allgemeines Schuldrecht, 2010, 206. 276 BT-Drucks. 14–6040, 129. 277 BGH NJW 2014, 782, 785; vgl. auch Medicus/Lorenz, SAT, 2015, Rn. 408; Bamberger/Roth-Unberath, § 275 Rn. 44; Staudinger-Caspers § 275 Rn. 71. Daher ist die Unmöglichkeit bei Geldsummenschulden ausgeschlossen, Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, 2002, 157. Im alten Schuldrecht war die Behandlung der subjektiven faktischen Unmöglichkeit streitig. Während einige den Schuldner, der gegenwärtig nicht über den Leistungsgegenstand verfügen kann und das nicht zu vertreten hatte, unabhängig von etwaigen Möglichkeiten, die Verfügungsgewalt über die Sache zurückzugewinnen, befreien wollten (vgl. Brehm, JZ 1987, 1089–1093, 1093; Huber, in: Zimmermann/Ernst, Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, 31–183, 57, 86; Wagner, JZ 1998, 482–494, 490), bezog die neuere h.M. zum alten Schuldrecht bei der Beurteilung des Vorliegens subjektiver Unmöglichkeit die Behebungsmöglichkeiten für das Unvermögen mit ein (vgl. BGH NJW 1982, 2552, 2553; BGH NJW 1988, 699, 700; StaudingerLöwisch, 13. Bearb. 1995, § 275 Rn. 50; MüKo-Emmerich, 4. Aufl. 2001, § 275 Rn. 73). 278 BT-Drucks. 14–6040, 129; BGH NJW 2010, 1074, 1075; BGH, Urteil vom 1.7.2011 – V ZR 84/10, Rn. 21; BGH NJW 2015, 1516, 1518; Finn, Erfüllungspflicht und Leis-
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beschaffen, steht der Aufwand hierfür aber in einem groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Gläubigers, kann der Schuldner durch Erhebung der Einrede der Unzumutbarkeit der Leistung gem. § 275 Abs. 2 BGB frei werden.279 Nachdem somit im Rahmen von § 275 Abs. 1 BGB der Beschaffungsaufwand keine Rolle spielt,280 ist der Anwendungsbereich von § 275 Abs. 1 BGB bei Abhandenkommen des Gegenstands äußerst klein.281 Demnach trägt der Gläubiger der Sachleistung die Sachgefahr bzgl. in der Person des Schuldners begründeter Hindernisse wie des Verlusts der Verfügungsmacht nur für unüberwindliche Hindernisse (§ 275 Abs. 1 Alt. 1 BGB) und für Hindernisse, die nur mit einem Aufwand zu beheben sind, der in grobem Missverhältnis zu seinem Leistungsinteresse steht (§ 275 Abs. 2 BGB).282 Bei subjektiv unmöglichen Gattungsschulden ist eine die Primärleistungspflicht erhaltende Vertretenmüssensfiktion (§ 279 BGB (1900)) nicht mehr erforderlich, weil die Sekundärhaftung gem. § 275 Abs. 4 BGB unabhängig vom Bestehen der Primärleistungspflicht ist. Gem. § 275 Abs. 1 Alt. 2 BGB wird der Schuldner bei Untergang der gesamten Gattung und bei Untergang der Sache nach Konkretisierung wegen objektiver Unmöglichkeit befreit.283 Steht der Beschaffungsaufwand des Schuldners in grobem Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Gläubigers, kann ersterer die Einrede der faktischen subjektiven Unmöglichkeit aus § 275 Abs. 2 erheben.284 § 276 Abs. 1 S. 1 BGB sieht dabei die Übernahme eines Beschaffungsrisikos als haftungsverschärfenden Umstand vor, der über § 275 Abs. 2 S. 2 BGB bei der Beurtungshindernis, 2007, 141; Looschelders, in: Artz/Gsell/Lorenz, Zehn Jahre Schuldrechtsmodernisierung, 2014, 213–235, 216–217; Unberath, Die Vertragsverletzung, 2007, 273. 279 BT-Drucks. 14–6040, 129; Bamberger/Roth-Unberath, § 275 Rn. 44, 54; MüKoErnst, § 275 Rn. 53; Freytag, Grundstrukturen des Kaufvertrages: Auswirkungen der Schuldrechtsmodernisierung auf die Pflichtenstellung des Verkäufers, 2007, 226; Medicus/Lorenz, SAT, 2015, Rn. 408, 415; Schwarze, Das Recht der Leistungsstörungen, 2008, 29. Ein Bsp. für diese Konstellation ist der klassische Fall vom Ring auf dem Grund des Sees, BT-Drucks. 14–6040, 129–130. 280 Vgl. auch Freytag, Grundstrukturen des Kaufvertrages, 2007, 228. 281 Finn, Erfüllungspflicht und Leistungshindernis, 2007, 145; Maier-Reimer, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Das neue Schuldrecht in der Praxis, 2003, 291–311, 292; Riehm, Naturalerfüllung, 2015, 313; Schwarze, Leistungsstörungen, 2008, 47. 282 Auch wenn die meisten Fälle von Sachuntergang und Abhandenkommen unter § 275 BGB fallen, kann man angesichts der verbleibenden, nicht erfassten Fälle davon sprechen, dass die Leistungsgefahr zwischen Schuldner und Gläubiger geteilt ist, weil letzterer das Risiko von Ereignissen, die § 275 BGB unterfallen und ersterer das Risiko aller sonstigen Ereignisse zu tragen hat, MüKo-Ernst § 275 Rn. 26 und Picker, JZ 2003, 1035–1048, 1037. Zur Kritik Pickers an dieser gesetzlichen Risikoverteilung und ihrer Erwiderung vgl. unten, A.II.1.b). 283 Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, 2002, 156–157. 284 Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, 2002, 156. Ein Gegenbeispiel findet sich bei Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 2002, 51 (Beispiel 6).
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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teilung des Vorliegens der faktischen subjektiven Unmöglichkeit eine Rolle spielt.285 Die Preisgefahrtragung vor Gefahrübergang änderte sich durch das SMG, weil §§ 326 Abs. 4, 346–348 BGB das Leistungsbestandsrisiko in größerem Maße dem Schuldner auferlegen als es bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung gem. § 323 Abs. 3 BGB (1900) der Fall war.286 Denn der Schuldner kann sich nicht auf Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen, sondern muss gem. §§ 346 Abs. 2 Nr. 2 BGB für die verbrauchte Gegenleistung Wertersatz leisten, ohne dass ein Befreiungstatbestand von der Wertersatzpflicht aus § 346 Abs. 3 BGB eingreift;287 etwas anderes kann allenfalls gelten, wenn die Vorleistung des Gläubigers nicht in Geld besteht.288 Mit der insofern verschärften Rückgewährhaftung des Schuldners wurde die Wertung aufgegeben, dass sich der Gläubiger mit seiner Vorleistung der ihm aus dem „Zug-um-Zug-Prinzip“ zukommenden Sicherheit begeben hat und deswegen das Leistungsbestandsrisiko trägt.289 Nunmehr vorherrschende Wertung ist die Eigenverantwortung des Schuldners für vor Gefahrübergang eintretende und daher seiner Sphäre zugeordnete Hindernisse.290 Das Leistungsbestandsrisiko trägt bei Verträgen, deren Gegenleistung in Geld besteht und somit auch beim Kauf nach §§ 326 Abs. 4, 346–348 BGB nunmehr der Schuldner.291 Das SMG hat die Wirkungen des Befreiungstatbestands bei nachträglicher Unmöglichkeit auf die Primärleistung begrenzt und so die Differenzierung zwischen zu vertretender und nicht zu vertretender Unmöglichkeit obsolet gemacht. Mit dieser Trennung von Unmöglichkeit und Verschulden hat es die Traditionslinien des römischrechtlichen und des scholastisch-naturrechtlichen Ideenstrangs durchtrennt. Bzgl. der Gefahrtragung, die nur die Risiken zufäl285
Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, 2002, 93, 156. Die Rückabwicklung nach Rücktrittsrecht ist gem. der Regierungsbegründung besser auf die Rückabwicklung fehlgeschlagener Verträge zugeschnitten als das Bereicherungsrecht, BT-Drucks. 14–6040, 189. Vgl. auch KompaktKomm-BGB/Willigemann/Hirse, § 326 Rn.16. 287 Bamberger/Roth-Unberath, § 326 Rn. 11; MüKo-Ernst, § 326 Rn. 104. 288 Staudinger-Schwarze § 326 Rn. E 11: § 346 Abs. 3 BGB kann dem rückgewährpflichtigen Schuldner zugutekommen, wenn er seinerseits zum Rücktritt wegen eines Mangels der Gegenleistung berechtigt gewesen ist, etwa beim Tausch. In diesen Fällen trifft § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, S. 2 BGB eine mit der alten Rechtslage insofern vergleichbare Regelung als der Schuldner dem Gläubiger nur eine verbleibende Bereicherung herausgeben muss, Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, 2002, 161. 289 Vgl. dazu oben, Text bei Fn. 222. 290 Vgl. Lorenz, in: Lorenz, Karlsruher Forum 2005, 2006, 5–138, 25. Zum Sphärengedanken auch Canaris, JZ 2001, 499–524, 509. 291 Zur Preisgefahrtragung nach dem geltenden Schuldrecht im Einzelnen vgl. unten, A.II.2. 286
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3. Kapitel: Deutsches Recht
lig eintretender Ereignisse erfasst, haben sich aber kaum Änderungen ergeben. Im Grundsatz trägt gem. § 275 Abs. 1, 2 BGB weiterhin der Gläubiger die Sachgefahr und gem. § 326 Abs. 1, 4 BGB der Schuldner die Preisgefahr. Lediglich die Sachgefahrtragung bei subjektiver Unmöglichkeit und das Leistungsbestandsrisiko als Aspekt der Preisgefahrtragung haben sich aufgrund des SMG verschoben. II. Voraussetzungen und Rechtsfolgen nachträglicher Unmöglichkeit Im Einzelnen ergibt sich nach dem geltenden Schuldrecht vor Gefahrübergang folgendes Bild der Leistungsbefreiung aufgrund nachträglicher Unmöglichkeit: 1. Sachgefahr Die Sachgefahrtragung wird durch § 275 Abs. 1–3 BGB bestimmt, der dem Gläubiger die Gefahr der dort genannten Leistungshindernisse zuweist. Diese Leistungshindernisse beruhen auf Unmöglichkeit der Leistung für jedermann (a) oder nur für den Schuldner (b) oder auf Unzumutbarkeit der Leistung wegen eines groben Missverhältnisses von Schuldneraufwand und Gläubigerinteresse (c). a) Sachgefahr bei objektiver Unmöglichkeit § 275 Abs. 1 Alt. 2 BGB erlegt dem Gläubiger vor Gefahrübergang das Risiko solcher Leistungshindernisse auf, durch welche die Leistung objektiv „wirklich“ unmöglich wird, also von niemandem erbracht werden kann.292 Mit dieser Anknüpfung an objektive Gegebenheiten folgt § 275 Abs. 1 Alt. 2 BGB einem gegenständlichen Unmöglichkeitsbegriff.293 Dieser objektiv-gegenständliche Unmöglichkeitsbegriff im Rahmen von § 275 Abs. 1 Alt. 2 BGB ist allerdings mit demselben Problem behaftet wie im englischen Recht das objektive frustration-Kriterium der radikalen Änderung der Verpflichtung:294 Um zu bestimmen, ob die Leistung objektiv „wirklich“ unmöglich geworden ist oder ob die veränderten Umstände die Erfüllung zu einem Unterfangen machen, das sich grundlegend von der vertraglichen Verpflichtung unterscheidet, muss zunächst durch Auslegung des vertraglichen Pflich-
292 BT-Drucks. 14–6040, 129; vgl. auch Staudinger-Caspers, § 275 Rn. 12, 38; MüKoErnst § 275 Rn. 36; Palandt-Grüneberg § 275 Rn. 13; Bamberger/Roth-Unberath, § 275 Rn. 21–22, 25. 293 HKK-Schermaier § 275 Rn. 37–40; Looschelders, in: Artz/Gsell/Lorenz, Zehn Jahre Schuldrechtsmodernisierung, 2014, 213–235, 215. 294 Vgl. dazu oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 137–149.
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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tenprogramms der geschuldete Leistungsgegenstand ermittelt werden.295 Auch wenn § 275 Abs. 1 Alt. 2 BGB von einem gegenständlicheren Unmöglichkeitsbegriff ausgeht als das Naturrecht in seiner Fixierung auf das Versprechen und als die normativ am Vertrag orientierten Theorien der Pandektenwissenschaft,296 kann auch die scheinbar objektive Regel in § 275 Abs. 1 Alt. 2 BGB nicht ohne Ermittlung der geschuldeten Leistung anhand des Parteiwillens operieren. Daher können auch bei objektiver Unmöglichkeit keine abstrakten Aussagen über die Sachgefahrtragung getroffen werden.297 Unter Beachtung dieses Primats des Parteiwillens kann für die Sachgefahr formuliert werden: § 275 Abs. 1 Alt. 2 BGB weist dem Gläubiger die Gefahr solcher objektiver Leistungshindernisse zu, welche die Leistung, wie sie durch den vertraglich fixierten Parteiwillen umrissen ist, unmöglich machen. Dieser Wirkung objektiver Unmöglichkeit als Befreiungstatbestand von der vertraglich umrissenen Primärleistungspflicht schreibt Canaris eine „geradezu apriorische Überzeugungskraft“ zu.298 Indes bedarf es zur Begründung dieser Rechtsfolge keiner Überzeugungskraft: Trennt man die Wirkung der Unmöglichkeit auf die ursprüngliche Leistungspflicht des Schuldners von der Frage, ob die Unmöglichkeit dem Schuldner zugerechnet werden kann und dieser also haftet – oder mit Unberath: trennt man den ontologischen Aspekt der Unmöglichkeit von deren Zurechnungsaspekt299 –, so sind alle normativen 295
Staudinger-Caspers, § 275 Rn. 12; MüKo-Ernst § 275 Rn. 34. Zur Beurteilung des Vorliegens objektiver Unmöglichkeit bei Verträgen über den Einsatz magischer Fähigkeiten und der Abgrenzung des entsprechenden (objektiv unmöglichen) vertraglichen Pflichtenprogramms gegenüber (möglicher) jahrmarktähnlicher Unterhaltung oder Lebensberatung durch Auslegung vgl. BGH NJW 2011, 756, 757, dazu Pfeiffer LMK 2011, 314413 und Bamberger/Roth-Unberath § 275 Rn. 22. Vgl. auch Unberath, Die Vertragsverletzung, 2007, 272–273: Entscheidender Gesichtspunkt für die Beurteilung des Vorliegens von Unmöglichkeit sei, ob die Kausalität der Willkür des Schuldners existiere, die Leistung zu bewirken. Dabei sei der relevante Ausschnitt aus der Willkür der Person des Schuldners anhand des Vertrags zu bestimmen. Dieses Konzept fußt auf der Kant’schen Idee vom Vertrag als Rechtmacht, mittels welcher der intelligible Besitz der Willkür des Schuldners erworben wird, ebd. 35–41. Huber, AcP 210 (2010), 319–353, 329–330 betont, dass Primärleistungsanspruch und Haftungsumfang beim Schadensersatzes statt der Leistung gleichermaßen durch das vertragliche Pflichtenprogramm beschränkt seien. Vgl. daneben Bartels/Sajnovits, JZ 2014, 322–330, 324. 296 Etwa Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht 1, 1853, 247–248. Zur Abkehr vom normativen Unmöglichkeitsbegriff zu Gunsten eines gegenständlichen Unmöglichkeitsbegriffs vgl. nur HKK-Schermaier § 275 Rn. 37–40. 297 Unberath, Die Vertragsverletzung, 2007, 274 will daher mit seinen Überlegungen zum Unmöglichkeitsrecht auch nur „Instrumente für die Analyse zu Verfügung stellen“, um die Grenzen der Leistungspflicht nach der Parteivereinbarung zu ermitteln. 298 Canaris, in: Schulze/Schulte-Nölke, Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, 2001, 43–66, 49. 299 Unberath, Die Vertragsverletzung, 2007, 198–200.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
Faktoren, welche einer Haftungsbefreiung des Schuldners entgegenstehen könnten, dem Zurechnungsaspekt der Unmöglichkeit zuzuordnen und somit aus der Frage nach der Leistungsbefreiung ausgelagert. Dass diese dann in jedem Fall objektiver Unmöglichkeit eintritt, ist nur folgerichtig.300 Die fortgesetzte Bindungswirkung von Verträgen, deren Erfüllung unmöglich geworden ist, ist nämlich nur dann erforderlich, wenn mit dieser Bindungswirkung die Sekundärhaftung des Schuldners steht und fällt (wenn also der ontologische Unmöglichkeitsaspekt und der Zurechnungsaspekt miteinander verknüpft sind), wie es etwa im englischen Recht bei der verschuldensunabhängigen Nichterfüllungshaftung aufgrund der doctrine of absolute contracts301 oder im römischen Recht bei der Stipulationshaftung aufgrund der perpetuatio obligationis302 der Fall war. Im BGB wird dagegen der Zurechnungsaspekt der nachträglichen Unmöglichkeit gesondert in §§ 275 Abs. 4, 280 Abs. 1, 3, 283 BGB erfasst, welche dem Gläubiger nur dann einen Schadensersatzanspruch geben, wenn der Schuldner die Unmöglichkeit zu vertreten hat, also nicht bei Ereignissen, in denen sich mit der Sachgefahr ein Zufallsrisiko niederschlägt. Der Gläubiger trägt folglich gem. § 275 Abs. 1 Alt. 2 BGB die Sachgefahr bzgl. solcher Hindernisse, welche zur objektiv-gegenständlichen Unmöglichkeit der im Vertrag definierten Leistung führen. Das bedeutet für die kaufrechtliche Gefahrtragung: Beim Stückkauf, bei dem sich das vertraglich geschuldete Pflichtenprogramm auf die Verschaffung einer bestimmten Sache beschränkt, wird der Schuldner nach § 275 Abs. 1 Alt. 2 BGB von seiner Verpflichtung frei, wenn der geschuldete Gegenstand untergeht. Denn in diesem Fall kann niemand mehr dem Gläubiger die konkret geschuldete Sache verschaffen. Damit trägt beim Stückkauf der Käufer die Gefahr des Untergangs der Sache schon ab Vertragsschluss. Anderes gilt für die Sachgefahrtragung beim Gattungskauf: Hat sich das Schuldverhältnis noch nicht gem. § 243 Abs. 2 BGB auf eine bestimmte Sache konkretisiert,303 was die Geltung der gleichen Regeln wie bei Stückschulden (d.h. die Sachgefahrtragung des Gläubigers gem. § 275 Abs. 1
300
Allenfalls denkbar wäre statt dessen eine rein vollstreckungsrechtliche Berücksichtigung der Unmöglichkeit der Leistung (vgl. dazu oben, Text bei Fn. 233), welche aber in einem dualistischen Unmöglichkeitssystem, wie es das BGB seit dem SMG verfolgt, einen der beiden Unmöglichkeitsaspekte im materiellen Recht obsolet werden ließe und daher wenig sinnvoll erscheint, vgl. auch Looschelders, in: Artz/Gsell/Lorenz, Zehn Jahre Schuldrechtsmodernisierung, 2014, 213–235, 216. 301 Vgl. oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 14–28. 302 Vgl. oben, Text bei Fn. 5. 303 Zum Konkretisierungszeitpunkt im Einzelnen und dessen Verhältnis zum Zeitpunkt des Übergangs der Preisgefahr vgl. unten, B.II.b).
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
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Alt. 2 BGB) auslöst,304 und ist die Sachgefahr nicht schon vor Konkretisierung ausnahmsweise gem. § 300 Abs. 2 BGB übergegangen,305 bleibt der Schuldner auch bei Untergang einzelner Stücke so lange zu Leistung verpflichtet, wie die Leistung aus der Gattung überhaupt möglich ist, also noch Stücke aus der Gattung vorhanden sind.306 Wie im englischen Recht307 trägt also der Käufer beim Gattungskauf ab Vertragsschluss die Gefahr des Untergangs der gesamten Gattung bzw. des gesamten Vorrats,308 nicht aber die Gefahr des Untergangs einzelner Stücke aus der Gattung.309 Ob die gesamte Gattung untergegangen ist, hängt von der Parteivereinbarung ab, nämlich davon, wie die Parteien den Umfang der Gattung bestimmt haben.310 So wird der Schuldner bei einer Vorratsschuld, bei der sich die
304 MüKo-Emmerich § 243 Rn. 22; Palandt-Grüneberg § 243 Rn. 7; StaudingerSchiemann § 243 Rn. 38; Bamberger/Roth-Sutschet § 243 Rn. 17; vgl. insbes. auch Lorenz, ZGS 2003, 421–423, 421. 305 Zu den wenigen Anwendungsfällen von § 300 Abs. 2 BGB, in denen die Sachgefahr vor Konkretisierung gem. § 243 Abs. 2 BGB übergeht vgl. Bamberger/Roth-Unberath, § 300 Rn. 6 sowie Biederbeck, Gefahrübergang bei Säumnis des Käufers im deutschen und amerikanischen Recht, 1982, 34. Im Vorentwurf zum BGB aus der Feder von von Kübel bezog sich § 300 Abs. 2 BGB noch auf die Preisgefahr und wurde erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens im Zusammenhang mit § 243 Abs. 2 BGB als Regelung der Leistungsgefahr interpretiert, Schermaier, in: Hoyer/Hattenhauer/Meyer-Pritzl/Schubert, Gedächtnisschrift für Jörn Eckert, 2008, 759–789, 778–780. 306 Staudinger-Caspers, § 275 Rn. 20; MüKo-Emmerich § 243 Rn. 15; Canaris, in: Bucher/Canaris/Honsell/Koller, Norm und Wirkung. Festschrift für Wolfgang Wiegand zum 65. Geburtstag, 2005, 188; Bamberger/Roth-Unberath § 275 Rn. 46; Erman/Westermann § 243 Rn. 6. 307 Vgl. oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 466–469. 308 RGZ 57, 116, 118; Staudinger-Caspers, § 243 Rn. 20; MüKo-Emmerich § 243 Rn. 15; Bamberger/Roth-Schutschet § 243 Rn. 10. 309 OLG München NJW 1957, 1801; MüKo-Emmerich § 243 Rn. 15; StaudingerSchiemann § 243 Rn. 27. 310 RGZ 91, 312; BGH NJW 1989, 218, 219 (zur Bestimmung der geschuldeten Leistung im Rahmen eines Kaufvertrags über eine bestimmte Anzahl Flaschen St. Georgener Auslese einer bestimmten Lage): „Welche Gattung konkret geschuldet ist, bestimmt sich unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung in erster Linie nach der Parteivereinbarung […]. Die Vertragspartner haben es danach weitgehend in der Hand, durch genaue Bestimmung der für die zu liefernden Waren maßgeblichen Eigenschaften eng begrenzte Warengattungen festzulegen.“ Gsell, Beschaffungsnotwendigkeit und Leistungspflicht: die Haftung des Gattungsverkäufers beim Eintritt nachträglicher Erfüllungshindernisse, 1998, 143 weist darauf hin, dass dieser subjektive Gattungsbegriff notwendig aus der Privatautonomie folge. Vgl. hierzu auch Canaris, in: Bucher/Canaris/Honsell/Koller, Norm und Wirkung. Festschrift für Wolfgang Wiegand zum 65. Geburtstag, 2005, 191; MüKoEmmerich, § 243 Rn. 6. Staudinger-Caspers, § 275 Rn. 21 sowie Unberath, Die Vertragsverletzung, 2007, 274.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
geschuldete Gattung auf eine bestimmte Menge vorhandener Stücke beschränkt, bereits bei Untergang dieses Vorrats frei.311 Reicht bei einer auf einen Vorrat beschränkten Gattungsschuld der Vorrat infolge vom Schuldner nicht zu vertretender Umstände nicht zur Befriedigung aller Gläubiger aus, ist fraglich, ob das Prioritätsprinzip gilt und daher die früheren Gläubiger keine Sachgefahr und die späteren Gläubiger die gesamte Sachgefahr tragen,312 oder der Schuldner nach Treu und Glauben zur anteiligen Befriedigung der Gläubiger (Repartierung) verpflichtet ist und diese somit anteilig die Sachgefahr tragen.313 Die Frage ist relevant, weil der Schuldner bei Verstoß gegen den angemessenen Verteilungsmodus gegenüber den (teilweise) leer ausgegangenen Gläubigern die Nichtleistung aufgrund der mit der Erschöpfung des Vorrats eintretenden objektiven Unmöglichkeit zu vertreten hat und ihnen dann gem. §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB trotz der Zufälligkeit der Vorratsverkleinerung auf Schadensersatz haftet. Eine Repartierungspflicht des Schuldners bzgl. des zu geringen Vorrats wurde 1914 vom Reichsgericht befürwortet:314 In dem Fall hatte ein Zuckerrübensamenzüchter bereits im Jahr 1909 Kaufverträge über die von ihm 1910–1912 zu produzierenden Samen abgeschlossen. Wegen einer Trockenheit produzierte er im Jahr 1911 nur einen Bruchteil der bei gewöhnlichen Wetterverhältnissen zu erwartenden Samen und befriedigte seine Käufer daraus anteilig. Auf die Klage einer so nur teilweise befriedigten Käuferin hin entschied das Reichsgericht: Bei dem Kaufvertrag handele es sich um einen 311 Canaris, in: Bucher/Canaris/Honsell/Koller, Norm und Wirkung. Festschrift für Wolfgang Wiegand zum 65. Geburtstag, 2005, 195; Staudinger-Caspers, § 243 Rn. 21–22; MüKo-Emmerich § 243 Rn. 15; Bamberger/Roth-Schutschet § 243 Rn. 19. Vgl. auch den deutschen Parallelfall zu Howell v Coupland: RG v. 16.1.1924 – I 167/23, JW 1924, 807. Bei einem Kaufvertrag über Ware aus einem Vorrat ist allerdings zu unterscheiden, ob die Beschränkung auf den Vorrat nur aus Qualitätsgründen bzw. aus anderen außerhalb des Beschaffungsrisikos liegenden Erwägungen getroffen wurde und der Verkäufer daher nicht nur zu Leistung aus dem aktuellen eigenen Vorrat, sondern auch zur Leistung von dem Vorrat entstammenden oder entsprechenden Stücken in den Händen Dritter verpflichtet ist oder ob die Schuld tatsächlich auf den beim Schuldner aktuell vorhandenen Vorrat beschränkt ist, so dass der Verkäufer bei Untergang oder Erschöpfung des Vorrats frei wird, Gsell, Beschaffungsnotwendigkeit und Leistungspflicht, 1998, 144–157. 312 So Staudinger-Caspers, § 275 Rn. 23 und MüKo-Ernst § 243 Rn. 17. Wolf JuS 1962, 103–104 vertritt zu § 275 Abs. 1 BGB (1900), dass der Schuldner eine Wahlrecht hat, welchen Gläubigern er aus dem zu geringen Vorrat befriedigen wolle, da zwischen den Gläubigern keine eine Repartierung rechtfertigende Interessengemeinschaft bestehe, sondern ihre Interessen gegensätzlich seien. Das Prioritätsprinzip favorisierte in Bezug auf § 275 Abs. 1 BGB (1900) OLG Dresden JW 1917, 978. 313 So RGZ 84, 125; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 24. Aufl. 2013, 128; genauso Bamberger/Roth-Sutschet, § 243 Rn. 20; Erman-Westermann § 243 Rn. 12. Für eine Ausgestaltung als „Solidaritätseinrede“ Schwarze, Leistungsstörungen, 2008, 36. 314 RGZ 84, 125.
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Gattungskauf, bei dem die Gattung auf die vom Beklagten auf seinem Grund gezogenen Samen beschränkt sei.315 Der Ernteausfall eines großen Teils dieser Samen infolge Trockenheit sei nicht zu vertretende höhere Gewalt.316 Bei der Beurteilung der Befreiung des Beklagten wegen Unmöglichkeit sei zu berücksichtigen, dass bei Verkauf des gesamten Samenvorrats an einen einzigen Käufer jedenfalls eine Befreiung wegen teilweiser Unmöglichkeit der Leistung eingetreten wäre.317 Im Ergebnis sei daher auch bei mehreren Käufern keine andere Gefahrtragung gerechtfertigt.318 Angesichts dessen, dass es neben der Klägerin weitere Käufer gegeben habe, deren Position an sich nicht schlechter gewesen sei als die der Käuferin, sei es gerechtfertigt, dass die Käufer als Interessengemeinschaft die Gefahr anteilig trügen.319 Dies entspräche § 242 BGB, der es den einzelnen Käufern verwehre, vom Verkäufer volle Befriedigung zu verlangen, wenn er sich infolgedessen mit Ersatzansprüchen der anderen Käufer belaste.320 Der in der Reichsgerichtsentscheidung entwickelte Gedanke einer Interessengemeinschaft oder auch Gefahrengemeinschaft zwischen den Gläubigern, welche eine jeweils anteilige Aufgabe ihrer Lieferungsansprüche rechtfertigt, wird auch heute noch als Grund für die Repartierungspflicht des Schuldners angeführt.321 Die Annahme einer Gefahrengemeinschaft der Gläubiger erscheint aber angesichts des Prinzips, dass die Wirkungen von Verträgen grundsätzlich auf die jeweiligen Parteien beschränkt sind, problematisch.322 Wegen des Interessenwiderstreits der Gläubiger, deren Interesse auf volle Befriedigung jeweils der vollen Befriedigung der anderen entgegensteht,323 kann kein Solidaritätsverhältnis durch eine Interessengemeinschaft begründet werden. Entgegen dem Reichsgericht folgt auch aus § 242 BGB nicht die Notwendigkeit einer Repartierung des Vorrats unter den Gläubigern, um den Schuldner nicht zur Selbstbelastung mit Ersatzansprüchen anderer Gläubiger zu zwingen. Vielmehr ist es genauso vertretbar, aus § 242 BGB eine prioritäre Befriedigung der Gläubiger zu begründen, wenn man als maßgeblichen
315
RGZ 84, 125, 126. RGZ 84, 125, 129. 317 RGZ 84, 125, 128. 318 RGZ 84, 125, 128. 319 RGZ 84, 125, 128. 320 RGZ 84, 125, 129. 321 Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 2013, 128. 322 Vgl. Gsell, Beschaffungsnotwendigkeit und Leistungspflicht, 1998, 171. 323 Wolf JuS 1962, 103–104; Gsell, Beschaffungsnotwendigkeit und Leistungspflicht, 1998, 172. 316
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Verteilungsmaßstab das Prioritätsprinzip ansieht – die Argumentation mit § 242 BGB ist daher ein Zirkelschluss.324 In der Entscheidung des Reichsgerichts ist aber daneben ein überzeugendes Argument für eine Repartierung des Vorrats angelegt, nämlich der Umstand, dass die Rechte der verschiedenen Abnehmer des Vorrats „an sich nicht schlechter waren als die ihrigen [der Klägerin], und mangels anderweitiger Abmachung nicht etwa dadurch bestimmt werden konnten, wer zuerst gekauft hatte oder wer künftig von dem Verkäufer zuerst die Lieferung fordern werde.“325 Dieser einer Gefahrengemeinschaft entgegenstehende Gedanke der Relativität der Schuldverhältnisse kann – wie Gsell gezeigt hat326 – im Rahmen eines problemorientierten Lösungsansatzes aus sich heraus eine Repartierung des Vorrats rechtfertigen: Ausgangspunkt ist – wie bereits vom Reichsgericht postuliert wurde –, dass der Schuldner eines zu knappen Vorrats gegenüber mehreren Gläubigern nicht schlechter stehen darf als gegenüber einem einzigen Gläubiger.327 Daher muss zur Bewertung der Nichterfüllung gegenüber einem der Gläubiger ausnahmsweise trotz der Relativität der Schuldverhältnisse die Existenz von Verpflichtungen gegenüber weiteren Gläubigern herangezogen werden.328 Ein anteiliger Befriedigungsmodus ist dabei die Lösung, bei der die Verpflichtungen gegenüber den anderen Gläubigern jeweils in möglichst geringem Maße tangiert werden, also die kleinste mögliche Ausnahme zum Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse.329 Ein Prioritätsprinzip würde dagegen manche Gläubiger mehr und andere weniger betreffen, was der grundsätzlichen Unabhängigkeit der Schuldverhältnisse nicht entspricht.330 Das für das Prioritätsprinzip streitende Argument, dass bei einer Repartierungspflicht das Recht des früheren Gläubigers von späteren Verkäufen abhängig sei, auf die er keinen Einfluss hat, wurde bereits vom Reichsgericht mit dem Argument widerlegt, dass diese Abhängigkeit nur insoweit besteht, als der Verkäufer mit seinen späteren Vertragsabschlüssen nicht über die Grenze zufälliger Vorratsbeschränkungen hinausgegangen ist und es sich somit bei diesem Risiko nur um die allgemeine Leistungsgefahr handele, die dem Verkäufer vor Gefahrübergang nicht aufgebürdet werden soll.331 Anders als bei Verfügungsgeschäften, im Rahmen derer 324
De Boor, Die Kollision von Forderungsrechten, 1928, 140; Gsell, Beschaffungsnotwendigkeit und Leistungspflicht, 1998, 173; Wolf JuS 1962, 104–105. 325 RGZ 84, 125, 128. 326 Gsell, Beschaffungsnotwendigkeit und Leistungspflicht, 1998, 175–180. 327 Vgl. RGZ 84, 125, 128 sowie Gsell, Beschaffungsnotwendigkeit und Leistungspflicht, 1998, 177. 328 Gsell, Beschaffungsnotwendigkeit und Leistungspflicht, 1998, 177. 329 Gsell, Beschaffungsnotwendigkeit und Leistungspflicht, 1998, 178–179. 330 Vgl. Gsell, Beschaffungsnotwendigkeit und Leistungspflicht, 1998, 182–183. 331 Vgl. RGZ 84, 125, 129.
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sich der Schuldner mit der Verfügung seiner Rechtsmacht begibt und bei denen daher das Prioritätsprinzip gelten muss, lassen Verpflichtungsgeschäfte vor Erfüllung Spielraum für Wertungen wie das Prinzip der Relativität der Schuldverhältnisse. Diesem Prinzip trägt eine anteilige Sachgefahrtragung der Gläubiger Rechnung.332 Für die Sachgefahrtragung bei objektiver Unmöglichkeit der Erfüllung eines Kaufvertrags gilt demnach: Bei objektiver Unmöglichkeit der vertraglich definierten Leistung vor Gefahrübergang trägt der Gläubiger die Sachgefahr. Das gilt uneingeschränkt beim Stückkauf ab Vertragsschluss und bei Gattungsschulden ab Konkretisierung. Bei nicht konkretisierten Gattungsschulden trägt der Gläubiger dagegen nur die Gefahr des Untergangs der gesamten (auf einen Vorrat beschränkten) Gattung bzw. anteilig die Gefahr eines verkleinerten Vorrats. b) Sachgefahr bei subjektiver Unmöglichkeit § 275 Abs. 1 Alt. 1 BGB erlegt dem Gläubiger vor Gefahrübergang die Gefahr solcher Leistungshindernisse auf, aufgrund derer die Leistung subjektiv „wirklich“ unmöglich wird, also zwar von Dritten, aber nicht vom Schuldner selbst erbracht werden kann.333 Wie oben gezeigt wurde,334 erfasst die Vorschrift nur die wirkliche und nicht die in § 275 Abs. 2 BGB geregelte faktische Unmöglichkeit, so dass § 275 Abs. 1 Alt. 1 BGB nicht eingreift, wenn der Schuldner das Leistungshindernis beheben und damit seine Leistungsfähigkeit (wieder-)herstellen kann. Die für die Sachgefahrtragung beim Kauf relevanten Fälle subjektiver Unmöglichkeit betreffen also solche Situationen, in denen gerade der Schuldner die nach dem vertraglichen Pflichtenprogramm bestimmte Leistung endgültig nicht mehr erbringen kann. Demnach scheiden aus dem Anwendungsbereich von § 275 Abs. 1 Alt. 1 BGB Fälle des Sachuntergangs aus, bei denen jeder die Leistung nicht mehr erbringen kann. In den Anwendungsbereich von § 275 Abs. 1 Alt. 1 BGB fallen Situationen, in denen der Schuldner die Verfügungsmacht über die dem Gläubiger zu verschaffende Sache verliert und sie definitiv nicht wiedererlangen kann,335 etwa wenn der verfügungsberechtigte Dritte 332
Das englische Recht kennt dagegen keine Repartierungspflicht, vgl. dazu oben, Kapitel 2, Fn. 469. 333 BT-Drucks. 14–6040, 129; Staudinger-Caspers, § 275 Rn. 64; MüKo-Ernst § 275 Rn. 52; Palandt-Grüneberg, § 446 Rn. 23; Finn, Erfüllungspflicht und Leistungshindernis, 2007, 141; Bamberger/Roth-Unberath, § 275 Rn. 42. 334 Vgl. Text bei Fn. 275 bis 281. 335 BGH NJW 2010, 1074, 1075; Staudinger-Caspers, § 275 Rn. 71; MüKo-Ernst § 275 Rn. 53; Bamberger/Roth-Unberath, § 275 Rn. 44. Vgl. auch Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, 56–58, der darin einen Widerspruch zu § 275 Abs. 1 Alt. 2 BGB sieht, bei dem die Überwindbarkeit eines Hindernisses nicht die gleiche
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seine Mitwirkung endgültig verweigert hat.336 Dagegen steht es nicht fest, dass die Sache nicht wiederbeschafft werden kann, wenn der Dritte unauffindbar ist, denn damit ist nicht ausgeschlossen, dass der Dritte wieder auftaucht und später an der Verschaffung der Sache an den Gläubiger mitwirkt.337 Wie oben dargestellt wurde,338 spielt im Rahmen von § 275 Abs. 1 Alt. 1 BGB der (Wieder-)Beschaffungsaufwand des Schuldners für die Leistung keine Rolle, so dass es auch in Fällen, in denen die Sache nur unter absurden Anstrengungen wiedererlangt werden kann (z.B. Ring auf dem Grund des Sees), nicht zu einer Befreiung des Schuldners wegen subjektiver Unmöglichkeit kommt. Daher trägt der Gläubiger die Sachgefahr subjektiver Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 Alt. 1 BGB nur in der seltenen Konstellation, in welcher der Schuldner die Verfügungsmacht über die Sache verloren hat, und in der feststeht, dass die Sache unter keinen Umständen wiederbeschaffbar ist. c) Sachgefahr bei Unzumutbarkeit Bei erheblich erschwerter Wiederbeschaffbarkeit der Kaufsache kommt ein Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners wegen groben Missverhältnisses von Schuldneraufwand und Gläubigerinteresse in Betracht (§ 275 Abs. 2 S. 1 BGB). Der Schuldner hat danach eine Einrede bei faktischer Unmöglichkeit, also wenn ihm die Behebung des Leistungshindernisses zwar theoretisch möglich wäre, dies aber kein Gläubiger ernsthaft erwarten kann, wie etwa bei dem auf den Grund eines Sees gefallenen geschuldeten Ring.339 Macht der Schuldner das Leistungsverweigerungsrecht geltend, ist er endgültig nicht mehr zur Leistung verpflichtet.340 Rolle spiele. Das von ihm gegebene Beispiel der Überwindbarkeit des Untergangs des Leistungsgegenstands bei einer konkretisierten Gattungsschuld kann nicht überzeugen, da nach Konkretisierung nur noch das eine Stück geschuldet ist, dessen Untergang aufgrund der Konkretisierung gerade nicht überwindbar ist. 336 MüKo-Ernst § 275 Rn. 53; Ernst, in: Lorenz/Trunk/Eidenmüller/ Wendehorst/Adolff, Festschrift für Andreas Heldrich zum 70. Geburtstag, 2005, 113–142, 135; Schwarze, Leistungsstörungen, 2008, 47. 337 Vgl. Finn, Erfüllungspflicht und Leistungshindernis, 2007, 145. 338 Vgl. Text bei Fn. 281. 339 BT-Drucks. 14/6040, 129. 340 Es handelt sich bei § 275 Abs. 2 S. 1 BGB nach der üblichen Terminologie um eine peremptorische Einrede, vgl. MüKo-Ernst § 275 Rn. 97; MüKo-Schwab § 813 Rn. 7; Staudinger-Caspers § 275 Rn. 116. A.A. mit Blick auf die Anwendbarkeit von § 326 Abs. 1 S. 1 BGB und die Nichtanwendbarkeit von § 813 BGB Freitag, NJW 2014, 113– 117, 114–115: Die Berufung auf § 275 Abs. 2 sei die Ausübung eines Gestaltungsrechts. Diese terminologischen Schwierigkeiten werden aufgehoben, wenn man mit Thomale, AcP 212 (2012), 920–970 von einer Wesensgleichheit von Einreden und Gestaltungsrechten ausgeht und diese allein nach dem durch deren Ausübung betroffenen Gestaltungsgegen-
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Ob ein grobes Missverhältnis zwischen dem Leistungsinteresse des Gläubigers und dem vom Schuldner zu erbringenden Aufwand besteht, ist nach dem Wortlaut der Norm anhand dreier Kriterien zu entscheiden: anhand des Inhalts des Schuldverhältnisses (§ 275 Abs. 2 S. 1 BGB), anhand von Treu und Glauben (§ 275 Abs. 2 S. 1 BGB) und anhand dessen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat (§ 275 Abs. 2 S. 2 BGB). Der Inhalt des Schuldverhältnisses bestimmt das vertragliche Pflichtenprogramm, das Orientierungspunkt dafür ist, welche Risiken die Parteien übernommen haben.341 Im Rahmen von Treu und Glauben wird die Abwägung für Umstände außerhalb des eigentlichen Vertrags geöffnet342 – wie etwa dafür, ob der Gläubiger das Missverhältnis verursacht hat,343 und ob sich dieser die Leistung problemlos anderweitig beschaffen kann.344 Dabei spielt auch eine Rolle, ob das Gläubigerinteresse durch die Ausübung von Sekundärrechten wie Rücktritt oder Nacherfüllung ausreichend gewahrt werden kann.345 Treu und Glauben öffnen die Abwägung zudem für normative Gesichtspunkte: So entschied der Bundesgerichthof im Kontext der Vergabe einer Internetdomain, über die zwei sukzessive Verträge mit zwei verschiedenen Personen geschlossen worden waren, dass bei der Frage, ob der Domainvergabestelle die Leistung gegenüber einem der Vertragspartner wegen der drohenden wechselweisen Inanspruchnahme auf Erfüllung durch beide Vertragspartner unzumutbar i.S.v. § 275 Abs. 2 BGB ist, das domainrechtliche Prioritätsprinzip eine Rolle spiele, so dass die Einrede nur gegenüber dem späteren Vertragspartner erhoben werden könne.346 Das Vertretenmüssen ist schließlich ein Indiz dafür, dass sich die Grenze des vom Schuldner zu erbringenden Aufwands nach oben verschiebt347 – wer das Missverhältnis zu vertreten hat, muss seine Folgen in größerem Maße ertragen. stand unterscheidet. Dies ermöglicht es, der Ausübung des Rechts aus § 275 Abs. 2 BGB ohne systematische Brüche forderungsgestaltende Wirkung beizumessen, vgl. Thomale, AcP 212 (2012), 920–970, 934–935. 341 Löhnig, ZGS 2005, 459–462, 461; Bamberger/Roth-Unberath, § 275 Rn. 55. Vgl. auch Canaris, in: Lorenz, Karlsruher Forum 2002, 2003, 5–100, 20 sowie Looschelders, JuS 2010, 849–856, 852. 342 Kritisch zu dieser Offenheit Picker, JZ 2003, 1035–1048, 1037, vgl. dazu sogleich. 343 MüKo-Ernst, § 275 Rn. 89; Löhnig, ZGS 2005, 459–462, 462. 344 Staudinger-Caspers, § 275 Rn. 96 345 BGH NJW 2005, 2852, 255: In dem Fall ging es um die Unzumutbarkeit der Mängelbehebung an einem Hund mit körperlichen Defekten, den der Käufer gegen Erstattung des Kaufpreises wieder zurückgenommen hätte. Dazu Keilmann, NJW 2006, 2526. 346 BGH NJW 2013, 152, 154, dazu Marly, LMK 2013, 341733. 347 BT-Drucks. 14/6040, 131; Staudinger-Caspers, § 275 Rn. 107; BambergerRoth/Unberath § 275 Rn. 56; im Ergebnis auch Finn, Erfüllungspflicht und Leistungshindernis, 2007, 346–347. Riehm, Naturalerfüllung, 2015, 338–339 misst der Erhöhung des vom Schuldner zu erbringenden Aufwands durch § 275 Abs. 2 S. 2 BGB Sanktionscharak-
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§ 275 Abs. 2 BGB gibt nicht vor, ob die nach diesen Gesichtspunkten vorzunehmende Abwägung primär aufgrund wirtschaftlicher Gegebenheiten zwischen den Vertragsparteien (Kosten-Nutzen-Kalkül) zu erfolgen hat,348 oder ob auch Drittinteressen zu berücksichtigen sind.349 Nachdem das Gesetz als abzuwägende Gesichtspunkte Gläubigerinteresse und Schuldneraufwand nennt, können nur solche Drittinteressen ins Gewicht fallen, die das Gläubigerinteresse berühren, etwa weil sie Schadensersatzansprüche gegen den Gläubiger auslösen.350 Das Gesetz begrenzt das Gläubigerinteresse (anders als z.B. § 253 Abs. 1 BGB) nicht auf ein materielles Interesse, so dass auch ein immaterielles Interesse an der Leistung (wie etwa das Affektionsinteresse an einem Liebhaberstück) in Betracht gezogen werden kann.351 § 275 Abs. 2 BGB weist danach dem Schuldner die Sachgefahr so lange zu, wie der von ihm zu erbringende Aufwand unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses, der Gebote von Treu und Glauben und seines Vertretenmüssens noch nicht in grobem Missverhältnis zum materiellen oder immateriellen Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Sobald die Grenze dieses Missverhältnisses erreicht ist, trägt gem. § 275 Abs. 2 BGB der Gläubiger die gesamte Sachgefahr, sofern sich der Schuldner auf das Missverhältnis beruft. Nach § 275 Abs. 2 BGB schlägt die Gefahrtragung also an der Grenze der Unverhältnismäßigkeit vom Schuldner auf den Gläubiger um. Hiervon zu unterscheiden sind Fälle, in denen die Leistung für den Schuldner zwar erschwert ist, dem aber ein entsprechend gesteigertes Gläubigerinteresse gegenübersteht. Ein Beispiel sind unerwartete Preissteigerungen für Güter, für die der Schuldner zwar einen erhöhten Beschaffungsaufwand ter bei und fordert aus diesem Grund eine Berücksichtigung des Maßes des Vertretenmüssens. MüKo-Ernst, § 275 Rn. 73–74 ordnet § 275 Abs. 2 S. 2 BGB dagegen als Absenkung der Befreiungsschwelle für den „schuldlosen“ Schuldner ein. Der Ausgangspunkt für die Schwellenbestimmung sei nämlich der Leistungsaufwand, den kein vernünftiger Mensch betreiben würde. 348 So MüKo-Ernst, § 275 Rn. 70, wobei allerdings in Rn. 81 die Berücksichtigung auch ideeller Interessen zugelassen wird. Für ein Kosten-Nutzen-Kalkül auch Eidenmüller, JZ 2005, 216–224, 222: Aus Perspektive der ökonomischen Analyse diene die Norm der Überwindung kognitiver und strategischer Verhandlungshindernisse bei einem klaren Missverhältnis von Kosten und Nutzen, bei dessen Vorliegen die Parteien den Vertrag eigentlich freiwillig auflösen müssten. 349 So berücksichtigt BGH NJW 2010, 2341, 2343 auch „das Maß der für die Umwelt hervorgerufenen Gefahren und das daraus folgende Risiko einer Inanspruchnahme des Ersatzberechtigten seitens Dritter“. 350 Dadurch ist die Entscheidung BGH NJW 2010, 2341 erklärbar; kritisch hierzu MüKo-Ernst, § 275 Rn. 70. 351 Staudinger-Caspers, § 275 Rn. 97; MüKo-Ernst § 275 Rn. 81; Finn, Erfüllungspflicht und Leistungshindernis, 2007, 296–297; Riehm, Naturalerfüllung, 2015, 335; Palandt-Grüneberg, § 275 Rn. 28; Bamberger/Roth-Unberath, § 275 Rn. 54.
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erbringen muss, an denen der Gläubiger aber auch ein entsprechend gesteigertes finanzielles Interesse hat. Die Vertragsdurchführung ist dann wegen des ebenfalls gesteigerten Gläubigerinteresses nicht unwirtschaftlich, sondern lediglich mit besonderen Härten für den Schuldner verbunden. Bei derartigen „Parallelverschiebungen“ kann der Schuldner u.U. gem. § 313 Abs. 1 BGB Vertragsanpassung verlangen oder gem. § 313 Abs. 3 S. 1 BGB ausnahmsweise vom Vertrag zurücktreten;352 § 275 Abs. 2 BGB ist mangels Missverhältnisses zwischen Schuldneraufwand und Gläubigerinteresse aber nicht einschlägig. Dagegen hat § 275 Abs. 2 BGB in seinem Anwendungsbereich nach dem Willen des Reformgesetzgebers Vorrang vor § 313 BGB:353 Wird der Schuldner von seiner Leistungspflicht frei, indem er sich auf sein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 275 Abs. 2 BGB beruft, ist für eine Vertragsanpassung kein Raum mehr. Die Sachgefahrtragung des Schuldners bis zur Schwelle der Unverhältnismäßigkeit wird teilweise als unangemessen empfunden: Picker und Lobinger sehen in § 275 Abs. 2 BGB die Begründung einer aus dem Vertrag nicht ableitbaren und nicht auf vorhersehbare Weise quantifizierbaren Mehrleistungspflicht, welche die vertragliche Risikoverteilung ignoriere.354 Das illustriert Picker anhand der Entwendung eines im Rahmen einer Speziesschuld geschuldeten Gegenstands, der wiederaufgefunden wird und nur unter großem Aufwand zurücktransportiert werden kann (Cabrio in Murmansk).355 Bei derart erschwerter Erfüllbarkeit der Hauptforderung spalte § 275 Abs. 2 BGB die Leistungsgefahr unsachgerecht auf, weil der Mehraufwand bis zur Grenze der Unverhältnismäßigkeit vollständig den Schuldner treffe und jenseits dieser Grenze ausschließlich der Gläubiger das Nachsehen habe.356 Der Verlauf dieser Alles-oder-Nichts-Grenze sei dabei völlig unvorhersehbar, was zu
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MüKo-Finkenauer, § 313 Rn. 161; Finn, Erfüllungspflicht und Leistungshindernis, 2007, 468–469; Riehm, Naturalerfüllung, 2015, 328–329. Vgl. auch Medicus/Lorenz, SAT, 2015, Rn. 415; Schwarze, Leistungsstörungen, 2008, 54; BT-Drucks. 14/6040, 130; Unberath, Die Vertragsverletzung, 2007, 281–282. 353 BT-Drucks. 14/6040, 176. 354 Picker, JZ 2003, 1035–1048, 1036–1037, dabei vorwegnehmend Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, 218–221 (vgl. den Hinweis bei Picker, 1036, Fn. 4 a.E.); Picker, in: Artz/Gsell/Lorenz, Zehn Jahre Schuldrechtsmodernisierung, 2014, 3–53, 10–13. 355 Picker, JZ 2003, 1035–1048, 1036. Ähnlich Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, 156 unter Heranziehung des Beispiels einer unterschlagenen und weiterveräußerten Sache, die der Erwerber nur gegen einen hohen Preis zurückzugeben bereit ist. 356 Picker, JZ 2003, 1035–1048, 1036–1037. Ähnlich Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, 61–62.
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willkürlichen Ergebnissen führe.357 Schließlich sei § 275 Abs. 2 BGB auch systemwidrig, weil die Norm dem Schuldner bei subjektiver Unmöglichkeit die Beseitigung des Hindernisses bis zur Zumutbarkeitsgrenze abverlange, während er beim Eintritt objektiver Unmöglichkeit sofort frei werde, so dass das Verhältnis von § 275 Abs. 1 Alt. 2 BGB zu § 275 Abs. 1 Alt. 1, Abs. 2 BGB letztlich paradox sei.358 Der Kritik widersetzt sich Canaris.359 § 275 Abs. 2 BGB durchbreche die vertragliche Risikoverteilung nicht, weil die Norm vertraglich abdingbar sei und zudem die Berücksichtigung des Inhalts des Schuldverhältnisses vorschreibe, so dass privatautonome Wertungen zum Tragen kämen.360 Die Aufspaltung der Leistungsgefahr nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip, das an der Grenze der Unverhältnismäßigkeit umschlägt, sei in der Sachstruktur der Leistungserschwerung begründet und durch die besondere Stellung des Primärleistungsanspruchs als in der Regel vollstreckbare Schuldnerpflicht (specific performance) im deutschen Recht gerechtfertigt:361 Wegen dieser Grundwertung sei es nicht systemwidrig, den Schuldner bei der Durchführung des Vertrags stärker zu belasten als bei dessen Scheitern.362 Letzterem Argument ist zwar insofern beizupflichten, als die Erzwingbarkeit der Erfüllung der Primärleistungspflicht in natura in der Tat nicht selbstverständlich ist – so ist die Gewährung des Rechtsbehelfs der specific performance im englischen Recht die Ausnahme.363 Allerdings zieht § 275 Abs. 2 BGB nicht nur eine Grenze für die Primärleistungspflicht des Schuldners, sondern verhindert bei einem vom Schuldner nicht zu vertretenden Missverhältnis zwischen Schuldneraufwand und Gläubigerinteresse auch, dass der Gläubiger gegen den Schuldner einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB hat; vielmehr kann der Gläubiger nunmehr nur noch unter den besonderen Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB Schadensersatz wegen Unmöglichkeit verlangen. Genauso steht bei radikaler Veränderung der vertraglichen Verpflichtung die frustration der strengen damages-Haftung des Schuldners im englischen Recht entgegen. Die Funktionen der Befreiungswirkung von Unmöglichkeit 357 Picker, JZ 2003, 1035–1048, 1038–1039. Picker, in: Artz/Gsell/Lorenz, Zehn Jahre Schuldrechtsmodernisierung, 2014, 3–53, 23–26. 358 Picker, JZ 2003, 1035–1048, 1040, dabei vorwegnehmend Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, 61, 156–157; Picker, in: Artz/Gsell/Lorenz, Zehn Jahre Schuldrechtsmodernisierung, 2014, 3–53, 26–27. 359 Canaris, JZ 2004, 214–225. 360 Vgl. Canaris, JZ 2004, 214–225, 220. 361 Canaris, JZ 2004, 214–225, 221. 362 Ebd. 363 Vgl. nur Co-Operative Insurance Society Ltd. Respondents v Argyll Stores Ltd. [1998] A.C. 1, 11.
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sind in Rechtsordnungen mit starker und schwacher specific performanceVerpflichtung somit nur teilweise verschieden. Das entscheidende Argument gegen die Kritik an § 275 Abs. 2 BGB ist daher nicht die Erzwingbarkeit der Primärleistungspflicht im deutschen Recht, sondern dass dem Eingreifen der Norm der Parteiwille vorgelagert ist.364 Nur wenn nach der vertraglichen Risikoverteilung das sich in der Leistungserschwerung realisierende Risiko vom Schuldner übernommen wurde, existiert überhaupt eine Leistungspflicht, gegen die dem Schuldner u.U. unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses die Einrede aus § 275 Abs. 2 S. 1 BGB gewährt wird.365 Insofern ist § 275 Abs. 2 BGB weniger Grund als Grenze für etwaige Mehrleistungspflichten des Schuldners.366 § 275 Abs. 2 BGB begrenzt also die Sachgefahrtragung des Schuldners, sobald die Schwelle des groben Missverhältnisses von Schuldneraufwand und Gläubigerinteresse erreicht ist. Diese Grenze ist bei Stückschulden anhand des Sachwerts unter Beachtung immaterieller Gläubigerinteressen zu bestimmen367 und kann bei einem den Sachwert erheblich übersteigendem Schuldneraufwand erreicht werden. Nur selten wird § 275 Abs. 2 BGB bei Gattungsschulden eingreifen, weil bei der Gattung nach bestimmten Vertragsgegenständen einem erhöhten Schuldneraufwand zur Beschaffung eines Gattungsstücks in der Regel auch ein entsprechend erhöhter Gläubigeraufwand gegenüberstehen wird, so dass allenfalls § 313 BGB zur Anwendung kommen kann.368 2. Preisgefahr An die Sachgefahrzuweisung nach § 275 Abs. 1 BGB knüpft die Preisgefahrverteilung gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB an: Wird der Schuldner nach § 275 BGB von seiner Leistungspflicht frei und trägt deswegen der Gläubiger die Sachgefahr, weist § 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BGB dem Schuldner die Preisgefahr zu: Diesen trifft das Risiko, wegen des zufälligen Leistungshindernis364
Vgl. Canaris, JZ 2004, 214–225, 220; Lorenz, Neues Leistungsstörungs- und Kaufrecht: Eine Zwischenbilanz, 2004, 10; Lorenz, in: Lorenz, Karlsruher Forum 2005, 2006, 5–138, 134. Vgl. auch MüKo-Ernst, § 275 Rn. 31 sowie Unberath, Die Vertragsverletzung, 2007, 276–277. 365 Siehe Grigoleit, in: Artz/Gsell/Lorenz, Zehn Jahre Schuldrechtsmodernisierung, 2014, 55–105, 61. 366 Vgl. auch Unberath, Die Vertragsverletzung, 2007, 279. 367 Löhnig, ZGS 2005, 459–462. 368 Vgl. Canaris, in: Bucher/Canaris/Honsell/Koller, Norm und Wirkung. Festschrift für Wolfgang Wiegand zum 65. Geburtstag, 2005, 197, der insbes. darauf hinweist dass der Porsche-Homologationsmodell-Fall (BGH NJW 1994, 515) nach neuem Schuldrecht nicht über § 275 Abs. 2 BGB lösbar wäre (sondern weiterhin nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage bzw. § 313 BGB).
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ses den Anspruch auf die Gegenleistung einzubüßen.369 Das bedeutet, dass er den Vertragsgegenstand ohne Ausgleich verliert.370 Der Gläubiger, der infolge der Preisgefahrzuweisung an den Schuldner kein Entgelt leisten muss, kann die ersparte Summe dagegen regelmäßig zum Erwerb eines gleichartigen Gegenstands nutzen371 und büßt nur einen etwaigen Gewinn aus dem Vertrag mit dem Schuldner ein. Damit treffen die wirtschaftlichen Folgen des Sachuntergangs bis zur Erfüllung letztlich den Schuldner,372 sofern die Preisgefahr nicht ausnahmsweise eher auf den Gläubiger übergeht, wie etwa nach §§ 446, 447 oder 326 Abs. 2 BGB. Steht nur einem Teil der Leistung ein Hindernis i.S.v. § 275 BGB entgegen, erlischt die Gegenleistungspflicht anteilig gem. §§ 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 2, 441 Abs. 3 BGB. Das gilt gem. § 326 Abs. 1 S. 2 BGB e contrario aber nur bei quantitativen Teilleistungen,373 also im Rahmen von teilbaren Leistungspflichten, etwa bei Sach- und Dienstleistungen, die nach Mengeneinheiten oder Zeitabschnitten geschuldet sind,374 oder bei Unmöglichkeit der Erfüllung nur einer von mehreren Hauptleistungspflichten.375 Bei unteilbaren Leistungen erlöschen die Hauptpflichten nach §§ 275, 326 Abs. 1 S. 1 BGB dagegen vollständig.376
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Staudinger-Schwarze, § 326 Rn. B2; Bamberger-Roth/Unberath, § 326 Rn. 1. Anders als nach der englischen frustration-Doktrin erlischt nur der Gegenleistungsanspruch und nicht das gesamte Schuldverhältnis, OLG München NJW-RR 1996, 48. 370 Besteht der aus Sicht der Parteien „zufällige“ Untergang des Vertragsgegenstands allerdings in dessen schuldhafter Zerstörung durch einen Dritten, hat der Schuldner als Ersatz für den Verlust einen Anspruch gegen den Dritten. 371 Koller, Die Risikozurechnung bei Vertragsstörungen im Austauschverträgen, 1979, 10. 372 Schwarze, Leistungsstörungen, 2008, 146. Koller, Risikozurechnung, 1979, 10–11 will diese Risikoverteilung aus der psychologischen Perspektive des Gläubigers erklären: Er verpflichte sich nur zur Gegenleistung, um die Hauptleistung zu erhalten, und diese Äquivalenzentscheidung werde durch das Leistungshindernis durchkreuzt. Larenz, Schuldrecht, Band I, 1982, 287 Fn. 14 wendet sich gegen diese psychologische Betrachtungsweise: Die synallagmatische Verknüpfung der Vertragspflichten reiche zur Rechtsfertigung der Verlustzuweisung aus. 373 Bei unbehebbar mangelhafter Leistung (qualitative Unmöglichkeit der Leistung, Begriffsbildung Lorenz, JZ 2001, 742–745, 744) erhält § 326 Abs. 1 S. 2 BGB die Gegenleistungspflicht, um eine automatische Minderung zu verhindern und dem Gläubiger dadurch die Ausübung anderer Mängelrechte zu ermöglichen, vgl. auch Medicus/Lorenz, SAT, 2015, Rn. 439. 374 Staudinger-Schwarze, § 326 Rn. B48. 375 MüKo-Ernst, § 326 Rn. 21. 376 Staudinger-Schwarze, § 326 Rn. B44.
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Die Gegenleistungspflicht erlischt nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB immer dann, wenn die Leistungspflicht nach § 275 BGB wegfällt.377 Beruht der Wegfall der Leistungspflicht darauf, dass der Schuldner die Einrede aus § 275 Abs. 2 BGB erhoben hat, gilt die Gegenleistungspflicht rückwirkend bereits in dem Zeitpunkt als erloschen, in dem die Unverhältnismäßigkeit von Schuldneraufwand und Gläubigerinteresse eingetreten ist,378 so dass auch eine Verzinsungspflicht bzw. sonstige Ersatzpflicht des Gläubigers aus § 286 BGB für diese Zeit wegfällt. Das ist folgerichtig, weil es dem Schuldner bereits ab Unverhältnismäßigkeitseintritt möglich war, sich von seiner Leistungspflicht zu befreien, und er dann, wenn er später von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, aus der Verzögerung keinen Vorteil haben soll. Der Wegfall der Leistungspflicht gem. § 275 BGB führt also im gegenseitigen Vertrag nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich zum Erlöschen des Gegenleistungsanspruchs.379 Die Gegenleistungspflicht bleibt nach § 326 Abs. 2 S. 1 BGB ausnahmsweise bestehen, wenn der Gläubiger für das unmöglichkeitsauslösende Ereignis allein oder weit überwiegend verantwortlich ist (§ 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB)380 oder das vom Schuldner nicht zu vertretende Ereignis während eines Zeitraums eintritt, in dem sich der Gläubiger in Annahmeverzug befindet (§ 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB). § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB ist eine spezielle Risikoübergangsvorschrift und § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB ist eine Gefahrübergangsvorschrift im eigentlichen Sinne. § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB ist eine Gefahrübergangsvorschrift, weil sie mit Eintritt des Annahmeverzugs dem Gläubiger jegliches Zufallsrisiko aufbürdet.381 Manche wollen zwar auf diese Preisgefahrzuweisung § 287 S. 2 Hs. 2 BGB analog anwenden, so dass der Gläubiger nur das Risiko des Sachuntergangs trägt, der nicht auch dann eingetreten wäre, wenn er bei der Annahme der Leistung ordnungsgemäß mitgewirkt hätte.382 Dies soll dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, der bei den Vorbereitungsarbeiten zum 377
Staudinger-Schwarze, § 326 Rn. B7, B10 spricht daher von einer „Akzessorietät“ von § 326 Abs. 1 S. 1 BGB zu § 275 BGB. 378 NK/Dauner-Lieb, § 326 Rn. 7; MüKo-Ernst, § 326 Rn. 8; Staudinger-Schwarze, § 326 B23; Schwarze, Leistungsstörungen, 2008, 146. A.A. Bamberger-Roth/Grothe, § 326 Rn. 5: ex-nunc-Wirkung. 379 MüKo-Ernst § 326 Rn. 10 bezeichnet das als „automatische Vertragsstornierung“. 380 Die alleinige und die weit überwiegende Verantwortlichkeit werden einheitlich als „zumindest überwiegende“ Gläubigerverantwortlichkeit behandelt, weil sich bzgl. der Gefahrtragung keine Unterschiede ergeben. 381 Bamberger-Roth/Grothe, § 326 Rn. 13. Vgl. auch Dötterl, Wann ist der Gläubiger für die Unmöglichkeit verantwortlich?, 2008, 95; MüKo-Ernst § 326 Rn. 73. Vgl. zu § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB auch unten, B.II.1c)0. 382 Dötterl, Wann ist der Gläubiger für die Unmöglichkeit verantwortlich?, 2008, 98.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
BGB nur eine Gleichstellung des Gläubigerverzugs mit der Situation, in welcher der Vertrag schon wirklich erfüllt worden ist, habe herstellen wollen.383 Dieses auf die beabsichtigte Gleichstellung von Annahmeverzug und Vertragserfüllung gestützte Argument überzeugt aber nicht, weil sich die Kaufsache auch bei ordnungsgemäßer Annahme in Händen des Gläubigers befunden hätte, der dann zwar nicht das eingetretene Zufallsrisiko, das sich ohne die Verzögerung der Annahme nicht realisiert hätte, wohl aber das allgemeine Zufallsrisiko bzgl. der Sache getragen hätte, ohne noch von der Gegenleistungspflicht befreit werden zu können.384 Somit ist durch § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB eine Gleichstellung mit der ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrags schon verwirklicht. Deswegen ist nicht von einer planwidrigen Regelungslücke in § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB auszugehen und die Norm mit der herrschenden Meinung385 als Gefahrtragungsnorm auszulegen, die dem Gläubiger die gesamte Gefahr des zufälligen Untergangs der Sache aufbürdet, unabhängig von einem Zusammenhang mit dem Annahmeverzug. Die Risikokategorie des zufälligen Untergangs ist sogar weiter zu fassen als gewöhnlich, weil der Schuldner während des Annahmeverzugs gem. § 300 Abs. 1 BGB leichte Fahrlässigkeit nicht zu vertreten hat und der von ihm leicht fahrlässig verursachte Sachuntergang daher als zufällig gilt. Diese erweiterte Risikozuweisung tritt mit Annahmeverzug und unabhängig davon ein, ob der Gläubiger die Nichtannahme zu vertreten hat. Als verschuldensunabhängige und die gesamte Gefahr erfassende Norm ist § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB weiter gefasst als s. 20(2) SGA 1979 im englischen Recht, die als spezielle Risikoübergangsnorm nur die der Verzögerung der Besitzübertragung zurechenbaren Risiken der Partei zuweist, welche die Verzögerung verschuldet hat.386 Eine spezielle Risikoübergangsnorm enthält § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB, der dem Gläubiger, der für das Leistungshindernis weit überwiegend verantwortlich ist, das Risiko dieses Hindernisses zuweist. Neben der vom Gläubiger vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführten und somit im engeren Sinne zu vertretenden Unmöglichkeit, die nicht Gegenstand der Gefahrtragung ist, erfasst § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB solche Fälle, in denen der Gläubiger das sich im Leistungshindernis verwirklichende (Zufalls-)risiko vertraglich über-
383
Dötterl, Wann ist der Gläubiger für die Unmöglichkeit verantwortlich?, 2008,
95, 98. 384
Vgl. auch Schwarze, Leistungsstörungen, 2008, 479, der die Relevanz allein der zeitlichen Abfolge von Annahmeverzugseintritt und Leistungshindernis betont. 385 NK-Dauner-Lieb, § 326 Rn. 20; MüKo-Ernst, § 326 Rn. 73; Bamberger/RothGrothe, § 326 Rn. 18; Staudinger-Schwarze, § 326 Rn. C76. 386 Vgl. dazu oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 236–243.
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
203
nommen hat.387 Insofern ist § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB auch Gefahrtragungsnorm.388 Ein Beispiel für ein vertraglich übernommenes Risiko beinhaltet die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in NJW-RR 2011, 916: Der Kläger schloss mit der Beklagten einen Vertrag über die Zurverfügungstellung eines DSL-Anschlusses für zwei Jahre und zog nach wenigen Monaten in einen Ort ohne DSL-fähige Leitungen um. Der Bundesgerichtshof hielt dafür, dass die Beklagte ihren Anspruch auf die Gegenleistung gem. § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB nach dem Umzug behalten hat, weil der Kläger aufgrund der niedrigen Grundgebühr bei langer Vertragslaufdauer im Vertrag das Verwendungsrisiko für den DSL-Anschluss übernommen hatte und der Umzug eine Realisation eben dieses Risikos sei.389 Allerdings beschränkt sich die Zuweisung der Preisgefahr an den Gläubiger nach § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB auf die Hindernisse, die dem von ihm übernommenen Risiko zuzuordnen sind. Daher ist § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB nicht Gefahrtragungsnorm im umfassenden Sinne, sondern wie auch s. 20(2) SGA 1979 im englischen Recht spezielle Risikoübergangsnorm. Außerhalb des Anwendungsbereichs von § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 und 2 BGB390 kann der Gläubiger die Gegenleistungspflicht gem. §§ 326 Abs. 5, 323 BGB auch durch Rücktritt vom Vertrag zum Erlöschen bringen. Dieser kann parallel zum Wegfall der Gegenleistungspflicht nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB erfolgen391 oder im Rahmen von § 326 Abs. 1 S. 2 BGB alleiniger Auslöser deren Wegfalls sein. Unabhängig davon, ob die Gegenleistungspflicht gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB ipso iure weggefallen ist oder durch Rücktritt gem. §§ 326 Abs. 5, 323 BGB erloschen ist, kann der Gläubiger, der seine Gegenleistung bereits erbracht hat, diese gem. § 326 Abs. 4 BGB nach §§ 346–348 BGB zurückfordern. § 326 Abs. 4 BGB spricht demnach infolge der Unmöglichkeit eine Rechtsfolgenverweisung auf das Rücktrittsfolgenrecht aus,392 die mangels Berufungsmöglichkeit auf Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) für den Rück-
387 MüKo-Ernst, § 326 Rn. 56; Bamberger/Roth-Grothe, § 326 Rn.14; StaudingerSchwarze, § 326 C28-C29; enger: NK-Dauner-Lieb, § 326 Rn. 13. 388 Vgl. auch Dötterl, Wann ist der Gläubiger für die Unmöglichkeit verantwortlich?, 2008, 35. 389 BGH NJW-RR 2011, 916, 917. 390 Im Anwendungsbereich von § 326 Abs. 2 S. 1 BGB ist der Rücktritt gem. §§ 326 Abs. 5, 323 Abs. 6 BGB ausgeschlossen. 391 Zu den verbleibenden Zwecken des Rücktritts in dieser Konstellation vgl. oben, Text bei Fn. 272–274. 392 Bamberger/Roth-Grothe, § 326 Rn. 11; Staudinger-Schwarze, § 326 Rn. E2; ErmanWestermann § 326 Rn. 18.
204
3. Kapitel: Deutsches Recht
gewährschuldner strenger ist als die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nach altem Schuldrecht.393 Der Verweis auf §§ 346–348 BGB gilt auch dann, wenn der Gläubiger die Gegenleistung erst nach Wegfall seiner Pflicht hierzu gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB erbracht hat.394 Die Gegenmeinung, die dem Gläubiger die Rückforderung einer erst nach Erlöschen der Gegenleistungspflicht erbrachten Gegenleistung ausschließlich nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB ermöglichen will,395 findet keine Stütze im Gesetz und macht die Schärfe der Rückgewährhaftung von der in der Regel zufälligen Abfolge von Unmöglichkeitseintritt und Erbringung der Gegenleistung abhängig.396 Anders als im englischen Recht, wo s. 1(2) Unterabs. 1 LR(FC)A 1943 ausdrücklich zwischen Leistungen vor und nach Erlöschen der Gegenleistungspflicht differenziert und nur für erstere Rechtsfolgen anordnet,397 unterscheidet § 326 Abs. 4 BGB jedoch nicht danach, wann die Gegenleistung erbracht wurde. Es erfolgt vielmehr eine einheitliche Abwicklung nach Rücktrittsrecht. Das bedeutet für den Schuldner, dass er gem. § 346 Abs. 1 BGB die erhaltene Gegenleistung zurückerstatten muss bzw. gem. § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB bei deren Verbrauch Wertersatz leisten muss. Für den Rückgewährschuldner des Kaufpreises kommt dabei keiner der Befreiungstatbestände von der Wertersatzpflicht gem. § 346 Abs. 3 BGB in Betracht.398 Hat der Schuldner trotz Unmöglichkeitseintritts bereits eine Leistung erbracht (etwa bei vollständigem Unmöglichkeitseintritt bzgl. unteilbarer Leistungen, bei denen keine Teilunmöglichkeit eintritt), stellt sich die Frage nach deren Rückgewähr. Während das englische Recht in s. 1(2) Unterabs. 2 LR(FC)A 1943 dem Schuldner ausdrücklich eine Einwendung gegen den Rückzahlungsanspruch des Gläubigers bzgl. solcher Leistungen gibt,399 trifft das deutsche Recht keine Regelung für diese Fälle. Angesichts dieser Regelungslücke und der Vergleichbarkeit der Interessenlage mit der Situation des vorleistenden Gläubigers ist § 326 Abs. 4 BGB analog anzuwenden, so dass der Schuldner eine solche Leistung nach Rücktrittsfolgenrecht zurückfordern kann, ggf. Zug um Zug gegen Rückgabe einer Vorleistung des Gläubigers
393
Vgl. dazu oben, Text bei Fn. 286–291. Bamberger/Roth-Grothe, § 326 Rn. 11; Lorenz, in: Lorenz, Karlsruher Forum 2005, 2006, 5–138, 25 Fn. 58, Staudinger-Schwarze, § 326 Rn. E3. Unentschieden NK-DaunerLieb, § 326 Rn. 29. 395 MüKo-Ernst, § 326 Rn. 103; Erman-Westermann § 326 Rn. 18. 396 Staudinger-Schwarze, § 326 Rn. E3. Lorenz, in: Lorenz, Karlsruher Forum 2005, 2006, 5–138, 25 Fn. 58. 397 Vgl. dazu oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 176–178. 398 Vgl.MüKo-Ernst, § 326 Rn. 104. 399 Vgl. oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 179. 394
A. Leistungsbefreiung bei nachträglicher Unmöglichkeit
205
(§§ 326 Abs. 4 analog, 348, 320 BGB).400 Kann die vom Schuldner erbrachte Leistung nicht in natura zurückgegeben werden, kommt Wertersatz gem. § 346 Abs. 2 BGB in Betracht. Dabei wird die Leistung des Schuldners angesichts des Unmöglichkeitseintritts (und ggf. der Unteilbarkeit des ursprünglichen Vertragsgegenstands) allerdings in der Regel nur einen geringen wirtschaftlichen Wert haben, wenn nicht sogar wertlos sein. § 326 Abs. 1 BGB weist somit bis zur Erfüllung bzw. bis zum Gefahrübergang dem Schuldner die Preisgefahr zu. Eine bereits erhaltene Gegenleistung muss er gem. §§ 326 Abs. 4, 346 ff. BGB zurückgeben, ohne Entreicherung geltend machen zu können. Ausnahmsweise können vom Schuldner schon erbrachte Leistungen analog §§ 326 Abs. 4, 346 BGB die Preisgefahrtragung modifizieren. 3. Modifikation durch §§ 285 Abs. 1, 326 Abs. 3 BGB Die Regelung der §§ 275, 326 BGB, die dem Schuldner die Sachgefahr und dem Gläubiger die Preisgefahr zuweist, kann durch § 285 Abs. 1 BGB modifiziert werden. Die Vorschrift räumt dem Gläubiger beim Eingreifen von § 275 BGB die Möglichkeit ein, vom Schuldner einen als Ersatz für die unmöglich gewordene Leistung erhaltenen Vermögenswert herauszuverlangen. Macht der Schuldner davon Gebrauch, wird die Gegenleistungspflicht gem. § 326 Abs. 3, 441 Abs. 3 BGB im Verhältnis des Werts des Surrogats zum Wert der eigentlich geschuldeten Leistung aufrechterhalten. Damit wird dem Gläubiger bei für ihn vorteilhaften Geschäften ermöglicht, sich den Gewinn aus dem Geschäft teilweise zu erhalten, indem er einen Ersatzanspruch gegen einen Dritten oder ein anderes Surrogat herausverlangt, anstatt von der (niedrigeren) Gegenleistungspflicht frei zu werden.401 Dies mildert die Sachgefahrzuweisung an den Gläubiger und reduziert zugleich die sich beim Schuldner gem. § 326 Abs. 1 BGB realisierende Preisgefahr.
400
So auch Staudinger-Schwarze, § 326 Rn. E20. Der BGH sieht darin den Ausgleich einer (wohl angesichts der vertraglichen Verteilungsmaßgabe) unrichtigen Zuordnung von Vermögenswerten, vgl. etwa BGH NJW-RR 2006, 736, 738; so auch Bamberger/Roth-Unberath, § 285 Rn. 1. Staudinger-Caspers, § 275 Rn. 3 erblickt in § 285 BGB eine Parallele zum Institut der Vorteilsausgleichung. Andere kategorisieren § 285 BGB wegen seiner Verwandtschaft mit § 816 BGB als bereicherungsrechtliche Regelung, die bei relativen Rechten für dieselbe „vermögensmäßige Verlängerung“ der verlorenen Rechtsposition sorgt, die § 816 BGB bei absoluten Rechten gewährleistet, Picker, AcP 183 (1983), 369–520, 512, in diesem Sinne umfassend Hartmann, Der Anspruch auf das stellvertretende commodum, 2007, insbes. 82–83. 401
206
3. Kapitel: Deutsches Recht
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln Die Zuweisung der Preisgefahr an den Verkäufer gem. § 326 Abs. 1 S.1 BGB endet, sobald kaufrechtliche Normen die Preisgefahr dem Käufer aufbürden. Während das englische Recht diesen Gefahrübergangszeitpunkt an den Übergang der property auf den Käufer knüpft, legt ihn das deutsche Recht nach § 446 S. 1 BGB grundsätzlich auf den Moment der Übergabe der Kaufsache an den Käufer und verbindet damit Gefahrtragung und Besitz miteinander. I. Historische Entwicklung § 446 S. 1 BGB ist das Ergebnis einer schrittweisen Abkehr vom römischen Grundsatz periculum est emptoris. Diese Entwicklung soll im Folgenden zum besseren Verständnis des kaufrechtlichen Gefahrübergangs skizziert werden. 1. Ius Commune In Kontinentaleuropa wurde das römische Gefahrübergangsrecht genauso wie auch das Unmöglichkeitsrecht nach Wiederentdeckung der Digesten im 11. Jahrhundert rezipiert. Wie oben im Kontext der Entscheidung Martineau v Kitching dargestellt wurde,402 ging im römischen Recht die Gefahr nach der Regel periculum est emptoris bereits mit Perfektion der emptio venditio auf den Käufer über. Die Interpretation der kaufrechtlichen Quellen hat ergeben, dass die Perfektion der emptio venditio dann eintritt, wenn der Boden für den Eigentumserwerb des Käufers so weit bereitet ist, dass zum Eigentumsübergang nur noch die traditio erforderlich ist. Das setzt die Bestimmtheit von Kaufsache und Kaufpreis sowie die Unbedingtheit des Kaufvertrags voraus. Dies rezipierten die Glossatoren: In der Glossa ordinaria des Accursius (1240–1260)403 wird zu D. 18, 6, 8 angemerkt, dass der Kauf unbedingt geschlossen und die Kaufsache bestimmt sein müsse, damit die Gefahr von Verschlechterungen der Kaufsache oder des Sachuntergangs auf den Käufer übergehe.404 In Lo Codi, einer provenzalischen Digestensumme aus dem 12. Jahrhundert,405 wird das Erfordernis der Preisbestimmtheit herausgestellt: Habe man sich über den Preis geeinigt, müsse auch ein Käufer, der sich nicht im Besitz der Kaufsache befinde, den Schaden aus Verlust oder Zerstörung der Kaufsache tragen, indem er dennoch den Kaufpreis entrichten müsse – 402
Vgl. oben, Kapitel 2, B.II.2. Dilcher, Leistungsstörungen bei Glossatoren, Kommentatoren und Kanonisten, 1960, 10. 404 Accursius, Digesta seu pandectae/1. Digestum vetus, 1550, 1463. 405 Derrer, Lo Codi, 1974, 7. 403
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
207
ihm kämen ab diesem Zeitpunkt im Gegenzug Wertsteigerungen der Kaufsache zugute.406 Ebenso gibt Azo um 1209407 in seiner Summa Codicis zu C. 4, 48 (De periculo et comodo rei venditae) den Perfektionszeitpunkt als Gefahrübergangszeitpunkt mit den Voraussetzungen der Unbedingtheit und Bestimmtheit des Kaufs an.408 Bzgl. der Bestimmtheit der Kaufsache ist bei den Glossatoren eine Öffnungstendenz erkennbar: Während die als Barkauf entwickelte emptio venditio Stückkauf und als iusta causa der traditio für die Verpflichtung zur Veräußerung nur der Gattung nach bestimmter Gegenstände ungeeignet war, geht Azo von der Zulässigkeit eines reinen Gattungskaufs aus: In seiner Summe zu C. 4, 48 unterscheidet er zwischen einem geschuldeten incertum de incertis, einer reinen Gattungsschuld, und einem incertum de certis, einer Vorratsschuld.409 Beim reinen Gattungskauf treffe die Gefahr niemals den Käufer, da das der Gattung nach Geschuldete nicht untergehen könne.410 Diese Aussage bezieht sich auf den Zeitraum bis zur traditio,411 weil danach das übergebene Stück untergehen kann. Azo geht beim reinen Gattungskauf also von einer Leistungs- und Preisgefahrtragung des Verkäufers bis zur Erfüllung aus. Dabei bezeichnet Azo sowohl Leistungs- als auch Preisgefahr als periculum, was als Anzeichen dafür interpretiert werden kann, dass das Aufbrechen des Stückkaufcharakters der emptio venditio mit dem Folgeproblem der Leistungsgefahr wohl unbewusst erfolgte.412 Beim Vorratskauf stellt Azo anhand des Beispiels eines Kaufvertrags über „einen meiner Sklaven“ fest, dass der Verkäufer bei Untergang des gesamten Vorrats, also aller seiner Sklaven, frei werde und der Käufer den nun rechtsgrundlos beim Verkäufer liegenden Kaufpreis zurückfordern könne.413 So weist er beim Vorratskauf dem Käufer 406
Fitting, Lo Codi. In der lat. Übersetzung des Pisanus, 1906, 124 (IV, 58, 8 und 10). Kantorowicz/Buckland, Studies in the Glossators of the Roman Law, 1938, 147. 408 Azo, Summa super Cod. Institt. Pand. et Nov., hrsg. von Giganti 1533, Fol. clxvii, Rn. 1 und 2. Vgl. Dilcher, Leistungsstörungen bei Glossatoren, Kommentatoren und Kanonisten, 1960, 193. 409 Azo, Summa super Cod. Institt. Pand. et Nov., hrsg. von Giganti 1533, Fol. clxvii, Rn. 3. Vgl. Bauer, Periculum emptoris, 1998, 99–100 sowie Ernst, in: Schön/Flume, Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, 1997, 49–110, 58. 410 Azo, Summa super Cod. Institt. Pand. et Nov., hrsg. von Giganti 1533, Fol. clxvii, Rn. 3: „numquam spectat periculum ad emptorem […] quia quod in genere debetur perire non potest.“ Vgl. Bauer, Periculum emptoris, 1998, 100. 411 Bauer, Periculum emptoris, 1998, 100 Fn. 35: Azo nimmt auf D. 18, 6, 15 und damit mittelbar auf die traditio Bezug. 412 Bauer, Periculum emptoris, 1998, 102. 413 Azo, Summa super Cod. Institt. Pand. et Nov., hrsg. von Giganti 1533, Fol. clxvii, Rn. 3: „tunc enim liberor si omnes servi mei perierint. […] emptor […] repetit pretium quod dedit quia sine causa est apud venditorem.“ Vgl. Bauer, Periculum emptoris, 1998, 103–104. 407
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3. Kapitel: Deutsches Recht
die Sachgefahr bzgl. des Untergangs des ganzen Vorrats und dem Verkäufer die Preisgefahr zu; dadurch nähert er den Vorratskauf dem Gattungskauf mit dessen Verkäuferpreisgefahrtragung bis zur Erfüllung an.414 Auch die Kommentatoren anerkennen den Gefahrübergang mit Perfektion des Spezieskaufs und lassen daneben den reinen Gattungskauf zu. So nennt Anfang des 14. Jahrhunderts Cinus in seinen Lectura super Codice die Voraussetzungen der Perfektion des Kaufs und damit des Gefahrübergangs: Der Kauf müsse pure, also unbedingt, und über eine certa species geschlossen sein, damit der Käufer die Gefahr von Ereignissen, die nicht auf culpa oder mora des Verkäufers beruhen, trage.415 Gleichzeitig erwähnt er den Gattungskauf und die dann bestehende Sach- und Preisgefahrtragung des Verkäufers, weil die ganze Gattung nicht untergehen könne.416 Ist die Gattung jedoch auf eine bestimmte Menge beschränkt, stellt Cinus den Gattungsverkäufer anders als Azo bzgl. des Untergangs des ganzen Vorrats dem Speziesverkäufer gleich: Er werde frei, ohne dass eine Kaufpreisrückforderung im Raum stünde, weil eine beschränkte Gattung untergehen könne und daher dieselbe ratio gelte wie beim Spezieskauf.417 Bei Cinus gilt also periculum est emptoris, soweit der Kauf sich auf eine Speziessache bezieht oder der Untergang eines gesamten Vorrats im Raum steht. Beim reinen Gattungskauf kommt Cinus zu einer Verkäufergefahrtragung bis zur Erfüllung. Die Begründung für die fortgesetzte Verkäufergefahrtragung bis zur Erfüllung beim Gattungskauf war streitig. Während einige den Kauf bis zur Erfüllung oder Zumessung als wegen Unbestimmtheit imperfekt ansahen und die Gefahr deswegen beim Verkäufer beließen, hielten andere den Kauf für durch die Zuordnung eines Gegenstands zum Vertrag bedingt.418 In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts finden sich die Perfektionsvoraussetzungen des Kaufs auch bei Baldus wieder, der in seinem Kommentar zu D. 18, 6, 8 (Paul. 33 ad ed.) die Funktion
414
Vgl. Bauer, Periculum emptoris, 1998, 104. Cinus, Lectura super Codice P. 1–2, 1, In Cod. I–V, 1476, Rubrica de periculo et comodo rei (C. 4, 48). Vgl. Dilcher, Leistungsstörungen bei Glossatoren, Kommentatoren und Kanonisten, 1960, 196. 416 Cinus, Lectura super Codice, 1476, Rubrica de periculo et comodo rei (C. 4, 48): „si generis esset dicta venditio illud perire non possit.“ 417 Cinus, Lectura super Codice, 1476, Rubrica si certum petatur (C. 4, 2, 11): „Aut est debitor generis subalterni, ut quia debet unum ex servis suis in genere vel unum ex equis suis […] tunc quia tale genus perire potest si ante moram pereat liberatur debitor sicut est quando est debitor speciei cum eadem sit ratio ergo idem ius.“ Vgl. Dilcher, Leistungsstörungen bei Glossatoren, Kommentatoren und Kanonisten, 1960, 197. 418 Vgl. Ernst, in: Schön/Flume, Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, 1997, 49–110, 62–63. 415
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
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des Perfektionszeitpunkts einerseits für den Gefahrübergang und andererseits für die Entstehung der actio venditi betont.419 Die Geltung von periculum est emptoris wurde erst im 16. Jahrhundert von dem Humanisten Cujas in Frage gestellt, der mit seinem quellenkritischen Ansatz das römische Recht vor der Kompilation durch Justinian rekonstruieren wollte.420 In seinem Kommentar zum achten Traktat des African (D. 19, 2, 33, Afr. 8 quaest.) kommt er in Abweichung von periculum est emptoris zu einer Gefahrzuweisung an den Verkäufer. In D. 19, 2, 33 (Afr. 8 quaest.) behandelt African die publicitatio eines Grundstücks nach dessen Verkauf. Im Allgemeinen wird unter publicitatio die Konfiskation einer Sache verstanden.421 African gibt dem Käufer des von der publicitatio betroffenen Grundstücks einen Anspruch auf Kaufpreisrückzahlung, was periculum est emptoris widerspräche, wenn man die publicitatio als höhere Gewalt auffasste. Dies veranlasste Cujas zu dem Postulat, dass vor der traditio die Gefahr den Verkäufer und nicht den Käufer treffe.422 Der Quellenbeleg für Cujasʼ Argumentation kann zwar entkräftet werden, weil man D. 19, 2, 33 (Afr. 8 quaest.) im Einklang mit periculum est emptoris interpretieren kann: Bei der publicitatio des Grundstücks handelt es sich nämlich im konkreten Kontext nicht um eine Enteignung, sondern um den formell freien, faktisch jedoch unter politischem Druck stattfindenden Verkauf des Grundstücks für öffentliche Zwecke.423 Eigentlich ist die publicitatio daher vom Verkäufer zu verantworten und nicht eine Realisation von casus; lediglich wegen des faktischen Verkaufsdrucks gegenüber dem Magistrat gewährt African dem Käufer keinen Schadensersatzanspruch, sondern nur Kaufpreisrestitution.424 Dennoch setzte Cujas mit dem Postulat von der Verkäufergefahrtragung einen Meilenstein in der Geschichte des Gefahrtragungsrechts,425 indem er periculum est emptoris erstmals grundsätzlich in Frage stellte. Dieser Zweifel an der Regel machte für die Juristen nach ihm deren argumentative Absicherung erforderlich.426 Die Entwicklung im älteren Gemeinen Recht war also geprägt von einer grundsätzlichen Anerkennung von periculum est emptoris unter gleichzeitiger 419
Baldus, Baldi Ubaldi Perusini iuris consulti in secundam Digesti veteris partem, 1599, 137: „perfectio est quando nascitur obligatio et transit periculum.“ 420 Prévost, Jacques Cujas (1522–1590): jurisconsulte humaniste, 2015, 139–231. 421 Ankum, ZRG (RA) 97 (1980), 157–180, 165. 422 Cujas, Opera ad parisiensem fabrotianam editionem diligentissime exacta auctiora atque emendatiora in tomos X, Band V I,1, 1859, Ad Africanum Tractatus VIII (Sp. 602): „ante traditionem periculum esse venditoris, non emptoris.“ 423 Ankum, ZRG (RA) 97 (1980), 157–180, 175. 424 Ankum, ZRG (RA) 97 (1980), 157–180, 177. 425 Bauer, Periculum emptoris, 1998, 123. 426 Siems, in: Helmholz/Mikat/Müller/Stolleis, Grundlagen des Rechts. Festschrift für Peter Landau, 2000, 715–738, 722; vgl. auch Bauer, Periculum emptoris, 1998, 126–127.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
Öffnung der emptio venditio hin zum Gattungskauf. Die damit verbundene Frage der Sachgefahrtragung beim Gattungskauf wurde zusammen mit der Frage der Preisgefahr bis zur traditio oder Zumessung der Sache – also meist bis zu Erfüllung – zu Lasten des Verkäufers beantwortet. Dies wurde entweder mit der Unbestimmtheit des Kaufs oder mit dessen Bedingtheit erklärt. Erst im 16. Jahrhundert kamen mit Cujas Zweifel an der Regel periculum est emptoris auf. 2. Spätscholastik und Naturrecht Für die weitere Entwicklung des Gefahrübergangsrechts spielten wie für das Unmöglichkeitsrecht die Spätscholastiker mit ihrer Abstraktion von den Quellen eine wichtige Rolle. Dies gilt insbesondere in Hinblick auf den Einfluss, den ihre Werke auf die Naturrechtsgelehrten ausübten.427 Ende des 16. Jahrhunderts widmete sich Molina dem Gefahrübergang beim Kauf.428 Ausgehend von periculum est emptoris, aber weitgehend losgelöst von den römischen Quellen, entwickelt er sein System der Gefahrtragung: Nach der traditio der Kaufsache treffe das periculum jedenfalls den Käufer, weil dieser dann Eigentümer sei und als solcher die Gefahr trage.429 Vor der traditio sei zu unterscheiden, ob ein Spezieskauf („vel est venditum aliquid determinatum in individuo“) oder ein Gattungs- bzw. Vorratskauf vorliege wie etwa beim Kauf von zehn Eiern („vel venditum est aliquid indeterminatum in individuo, ut […] decem oves“).430 In letzterem Fall treffe das Risiko des Untergangs oder der Verschlechterung von Teilen der Gattung den Verkäufer, denn der Käufer habe „nur ein Recht gekauft, dass ihm eine Sache solcher Art und Qualität übergeben werde [wie vereinbart]“ („solum jus comparavit, ut traderetur sibi res talis speciei et qualitatis“).431 Sei die Gattung aber auf einen bestimmten Vorrat beschränkt, der untergehen könne, werde der Verkäufer durch den Untergang des Vorrats frei, müsse aber den erhaltenen Kaufpreis zurückzahlen.432 Wie schon Azo433 behandelt Molina den Vorratskauf also als Gattungskauf mit Preisgefahrtragung des Verkäufers. Die Zuweisung der Preisgefahr an den Verkäufer beim Gattungskauf bis zur mensura oder traditio erklärt Molina damit, dass derartige Käufe still427
Vgl. dazu bereits oben, Text bei Fn. 76–78 und 125–126. Molina, De Justitia et Jure, Band II, 1659, 280–284 (Disputatio 366). Zu De Justitia et Jure vgl. oben, Text bei Fn. 56–58. 429 Molina, De Justitia et Jure, Band II, 1659, 280 (Disputatio 366, 1). Damit sucht Molina für den Zeitraum nach der traditio die Friktion zwischen casum sentit dominus und periculum est emptoris aufzulösen. 430 Molina, De Justitia et Jure, Band II, 1659, 280 (Disputatio 366, 2). 431 Molina, De Justitia et Jure, Band II, 1659, 281 (Disputatio 366, 3). 432 Molina, De Justitia et Jure, Band II, 1659, 281 (Disputatio 366, 4). 433 Vgl. oben, Text bei Fn. 413–414. 428
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
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schweigend durch die traditio oder mensura bedingt seien und erst bei Bedingungseintritt der Kaufpreisanspruch endgültig entstehe.434 Beim Spezieskauf gehe dagegen die Preisgefahr schon mit der Perfektion des Kaufs über und zwar nicht, weil der Käufer dann schon Eigentümer wäre, sondern weil der Verkäufer nur eine einzelne bestimmte Sache schulde und bei deren Untergang frei werde.435 Damit rekurriert Molina beim Spezieskauf auf den Grundsatz der Schuldnerbefreiung bei Untergang des Vertragsgegenstands, der die Sachgefahrtragung des Käufers erklärt, freilich ohne etwas zur Rechtfertigung für die Preisgefahrzuweisung an denselben zu sagen.436 Dennoch kommt ihm das Verdienst zu, verschiedene Konstellationen des kaufrechtlichen Gefahrübergangs ausdifferenziert zu haben. An diese Differenzierungen knüpfte im Jahre 1605 Lessius in De Iustitia et Iure an und ergänzte sie um eine Begründung zur Preisgefahrtragung beim Spezieskauf:437 Wie Molina weist Lessius nach der traditio das periculum dem Käufer als Eigentümer zu.438 Für die Zeit vor der traditio übernimmt er die Differenzierung zwischen Gattungs- und Spezieskauf. Beim Gattungskauf weist Lessius dem Verkäufer die Sach- und Preisgefahr zu und erklärt dies ebenfalls mit einer stillschweigenden Bedingtheit des Kaufvertrags durch die traditio.439 Die Gefahrtragung beim Spezieskauf löst auch Lessius mit periculum est emptoris, so dass der Käufer die Gefahr ab Perfektion des Kaufs trägt.440 Dies erklärt er mit der bei Molina angedeuteten, aber noch abgelehnten ratio der eigentümergleichen Stellung des Käufers: Nach dem ius gentium sei der perfekte Kaufvertrag hinreichende Voraussetzung des Eigentumsübergangs; dass das römische Recht zusätzlich eine traditio verlange, verhindere nicht, dass der Käufer die Gefahr trage „wie wenn das Eigentum auf ihn übergegangen wäre“ („perinde ac si dominium translatum esset“)441 – der
434
Molina, De Justitia et Jure, Band II, 1659, 282 (Disputatio 366, 6). Molina, De Justitia et Jure, Band II, 1659, 282 (Disputatio 366, 11). 436 Siems, in: Helmholz/Mikat/Müller/Stolleis, Grundlagen des Rechts. Festschrift für Peter Landau, 2000, 715–738, 731–732. 437 Lessius, De Iustitia et Iure, Band 2, 1612, 285–286 (Kapitel 21 Dubitatio 12). Zu Lessius’ Werk vgl. oben, Text bei Fn. 61–63. 438 Lessius, De Iustitia et Iure, Band 2, 1612, 285 (Kapitel 21 Dubitatio 12, Rn. 95). 439 Lessius, De Iustitia et Iure, Band 2, 1612, 286 (Kapitel 21 Dubitatio 12, Rn. 97). 440 Lessius, De Iustitia et Iure, Band 2, 1612, 285–286 (Kapitel 21 Dubitatio 12, Rn. 96). 441 Lessius, De Iustitia et Iure, Band 2, 1612, 286 (Kapitel 21 Dubitatio 12, Rn.96). Vgl. Siems, in: Helmholz/Mikat/Müller/Stolleis, Grundlagen des Rechts. Festschrift für Peter Landau, 2000, 715–738, 732. Diese Erklärung des Gefahrübergangs mit eigentumsrechtlichen Aspekten erinnert an Bracton (vgl. dazu oben, Text bei Fn. 250), wobei dieser freilich nicht periculum est emptoris, sondern die Anknüpfung der Gefahr an den Besitz erklärte. 435
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3. Kapitel: Deutsches Recht
Gefahrübergang beim Spezieskauf soll durch die Stellung des Käufers als Fast-Eigentümer der Kaufsache erklärt werden. In dieser Erklärung von periculum est emptoris in Kategorien des Eigentums liegt einer der für die Spätscholastik charakteristischen Schritte weg von den römischen Quellen. Dort stellte die kaufrechtliche Gefahrtragung wegen der starken Käuferstellung nach Perfektion zwar eine inhaltliche Fortschreibung von casum sentit dominus dar, war jedoch systematisch eine Ausnahme hierzu.442 Diesen Weg der Emanzipation von den Quellen ging Grotius weiter, indem er den Eigentumsübergang von seinen römischrechtlichen Wurzeln löste:443 Beim Kauf könne das Eigentum auch ohne Übergabe bei Vertragsschluss übertragen werden, und wenn sich der Verkäufer das Eigentum an der Kaufsache vorbehalten habe, habe er auch weiter das periculum zu tragen.444 Periculum est emptoris sei dagegen ein „Einfall“ des römischen Rechts, der mitnichten überall beachtet werde, vielmehr knüpften viele Rechtsordnungen die Gefahrtragung an die Übergabe der Kaufsache an.445 Grotius führte damit zwei Alternativlösungen zu periculum est emptoris an: die Anknüpfung der Gefahr an das Eigentum und die Anknüpfung an den Besitz.446 Da Grotius für einen Eigentumsübergang mit Vertragsschluss plädiert, ergeben sich außerhalb des Eigentumsvorbehalts allerdings keine Unterschiede zwischen periculum est emptoris und einer Anknüpfung der Gefahr an das Eigentum.447 Dennoch zieht Grotius durch seine Alternativlösungen die Regel periculum est emptoris erheblich in Zweifel.
442
Vgl. oben, Kapitel 2, B.II.2, insbes. Text bei Fn. 314–319. Zu Grotius’ Leben und Werk vgl. oben, Text bei Fn. 75–91. 444 Grotius, De iure belli ac pacis libri tres, hrsg. von Kanter van Hettinga Tromp 1939, 349 (Buch 2, Kapitel 12, § 15). 445 Grotius, De iure belli ac pacis libri tres, hrsg. von Kanter van Hettinga Tromp 1939, 349 (Buch 2, Kapitel 12, § 15): „item quod res periculo est emtoris […] commenta sunt iuris civilis, quod nec ubique observatur: imo plerisque legum conditoribus placuissse, ut ad traditionem usque res commodo et periculo venditoris sit.“ Der gleiche, leicht pejorative Wortgebrauch von commentum findet sich etwa bei Pufendorf, De Jure Naturae Et Gentium Libri Octo, 1672 (Buch I, Kapitel I § 17: „Numae commenta“). Weitere Beispiele für diesen Wortgebrauch bei Maclean, Interpretation and Meaning in the Renaissance: the Case of Law, 1992, 183 Fn. 176. 446 Siems, in: Helmholz/Mikat/Müller/Stolleis, Grundlagen des Rechts. Festschrift für Peter Landau, 2000, 715–738, 718 wertet das als „Undurchsichtigkeit“; freilich kann darin auch eine Bezweiflung von periculum est emptoris mit verschiedenen Mitteln gesehen werden. 447 Hager, Gefahrtragung beim Kauf, 1982, 40; Reinhardt, Die Gefahrtragung beim Kauf unter besonderer Berücksichtigung der Regelungsvorschläge des Schuldrechtsreformentwurfs, 1998, 23. 443
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
213
Ähnliche Zweifel veranlassten Pufendorf, neue Gefahrtragungsregeln aus der Perspektive der aequitas naturalis aufzustellen:448 Pufendorf geht mit dem Ius Commune von den Perfektionsvoraussetzungen der Unbedingtheit des Kaufs sowie der Bestimmtheit von Kaufsache und Kaufpreis aus.449 Während sich bei einem im Perfektionszeitpunkt schon vollzogenen Kauf keine Gefahrtragungsprobleme ergäben, sei es bei einem erst nach Perfektion zu vollziehenden Kauf fraglich, wen bis zum Vollzug die Gefahr treffe.450 Pufendorf gibt die Regel periculum est emptoris wieder, fragt dann aber, wie die Gefahr des Untergangs einer Sache den Käufer treffen könne, der noch gar nicht deren Eigentümer ist.451 Um über die Gefahrtragung gemäß der aequitas naturalis zu entscheiden, sei vielmehr danach zu fragen, woraus die Verzögerung zwischen Perfektion des Kaufs und Vertragsvollzug resultiere.452 Sei sie durch die Belegenheit der Sache bedingt, wie etwa beim Kauf von Vieh auf fernen Weiden, treffe die Gefahr den Verkäufer, der dem Käufer die Sache erst zuführen müsse.453 Gleiches gelte, wenn es der Verkäufer versäume, die Sache rechtzeitig zu übergeben.454 Sei die Verzögerung der Übergabe dagegen auf den Käufer zurückzuführen, habe dieser die Gefahr zu tragen.455 Pufendorf entscheidet über die Gefahrtragung also nach Zurechnungsgesichtspunkten: Der Vertragsteil, der die Abweichung vom sofortigen Vertragsvollzug verursacht, muss zwischenzeitlich das Risiko tragen.456 Die Regel periculum est emptoris war damit von ihrem ehernen Sockel gestoßen: Beginnend mit der Kritik Cujasʼ, befördert durch die Abstraktions448 Pufendorf, De Jure Naturae Et Gentium Libri Octo, 1672, 647–649 (Buch V, Kapitel V § 3). 449 Pufendorf, De Jure Naturae Et Gentium Libri Octo, 1672, 647 (Buch V, Kapitel V § 3). 450 Pufendorf, De Jure Naturae Et Gentium Libri Octo, 1672, 647 (Buch V, Kapitel V § 3). 451 Pufendorf, De Jure Naturae Et Gentium Libri Octo, 1672, 647 (Buch V, Kapitel V § 3). Pufendorf geht zwar im Grundsatz von einem Gefahrübergang mit Vertragsschluss nach dem Naturrecht aus (528 (Buch IV, Kapitel IX, § 4)), argumentiert aber vor dem Hintergrund, dass nach dem ius civile der Verkäufer auch nach Vertragsschluss noch Eigentümer ist (647: „licet res nondum sit tradita, ac venditor adhuc dominus est“). Ähnlich wohl auch Siems, in: Helmholz/Mikat/Müller/Stolleis, Grundlagen des Rechts. Festschrift für Peter Landau, 2000, 715–738, 720. Anders zum Eigentumsübergang Bauer, Periculum emptoris, 1998, 134. 452 Pufendorf, De Jure Naturae Et Gentium Libri Octo, 1672, 648 (Buch V, Kapitel V § 3). 453 Pufendorf, De Jure Naturae Et Gentium Libri Octo, 1672, 648 (Buch V, Kapitel V § 3). 454 Pufendorf, De Jure Naturae Et Gentium Libri Octo, 1672, 649 (Buch V, Kapitel V § 3). 455 Pufendorf, De Jure Naturae Et Gentium Libri Octo, 1672, 649 (Buch V, Kapitel V § 3). Pufendorf bezeichnet die Verzögerung als mora, meint damit aber nicht nur den Annahmeverzug im engeren Sinne, sondern auch den schlichten Aufschub des Vollzugs, Siems, in: Helmholz/Mikat/Müller/Stolleis, Grundlagen des Rechts. Festschrift für Peter Landau, 2000, 715–738, 722–723; anders Bauer, Periculum emptoris, 1998, 134. 456 Siems, in: Helmholz/Mikat/Müller/Stolleis, Grundlagen des Rechts. Festschrift für Peter Landau, 2000, 715–738, 721.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
leistung der Spätscholastiker und besiegelt durch die Relativierung durch Grotius sowie durch den neuen Vorschlag Pufendorfs war die Gefahrtragung nun nicht mehr römischrechtlich vorgezeichnet. 3. Kodifikationen des 18. Jahrhunderts Obwohl die Geltung der Regel periculum est emptoris zu diesem Zeitpunkt bereits erschüttert war, hing ihr Kreittmayr bei der Kodifikation des kaufrechtlichen Gefahrübergangs im CMBC weiterhin an. Dies entspricht seinem Konzept, das in Bayern geltende Gemeine Recht in Gesetzesform zu gießen.457 Nach CMBC, 4. Teil, 3. Kapitel § 11 trägt der Käufer ab Vertragsschluss die Gefahr des Untergangs der Sache, obwohl er erst mit der Übergabe der Kaufsache deren Eigentümer wird. In seinen Anmerkungen begründet Kreittmayr diese Risikoverteilung mit der – eigentlich nur die Sachgefahrtragung rechtfertigenden – Regel, dass der Verkäufer beim Spezieskauf bei Sachuntergang befreit wird, und führt neben zwei Kritikern der Regel drei Autoren an, die daran „nichts [finden], was nicht mit dem Recht der Vernunft vollkommen einstimmig ist.“458 Damit grenzte sich Kreittmayr nur sehr pauschal von der naturrechtlichen Kritik an periculum est emptoris ab. In CMBC, 4. Teil, 3. Kapitel § 12 sind Ausnahmen zur Gefahrtragung des Käufers ab Vertragsschluss aufgeführt: Danach trägt der Verkäufer die Gefahr von durch ihn schuldhaft herbeigeführten Verlusten und von aus Mängeln resultierenden Schäden. Dabei handelt es sich freilich nicht um Fälle der Gefahrtragung, weil das Untergangsereignis hier dem Verkäufer zurechenbar ist. Zudem trägt nach der Norm der Verkäufer die Gefahr im Schuldnerverzug und wenn er sie ausdrücklich übernommen hat. Schließlich sind dem Verkäufer gem. CMBC, 4. Teil, 3. Kapitel § 12 auch Verluste vor Perfektion des Kaufs und der Verlust von Teilen einer Gattung im Rahmen der Genusschuld zuzurechnen. Kreittmayr führt mit Schuldnerverzug und Gattungskauf die im Gemeinen Recht anerkannten Ausnahmen zu periculum est emptoris auf. Somit hat die römische Regel im CMBC eine letzte Bestätigung erfahren. Im ALR wurde der kaufrechtliche Gefahrübergang dagegen abweichend von periculum est emptoris geregelt. In Teil 1, Titel 11 ALR werden zum Gefahrübergang beim Kauf folgende Regelungen getroffen: „§ 95. So lange der Verkäufer dem Käufer die Sache noch nicht übergeben hat, bleibt bey allen freywilligen Verkäufen, wenn sie nicht in Pausch und Bogen geschlossen, oder sonst ein Anderes ausdrücklich vereinbart worden, Gefahr und Schade dem Verkäufer zur Last. § 96. Dies findet statt, selbst wenn die Uebergabe durch bloßen Zufall verzögert wird. 457
Vgl. dazu oben, Text bei Fn. 135. Kreittmayr, Anmerkungen, Band 4, 1765, 180–181 (Viertel Teil, Drittes Kapitel § XI. XII). 458
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
215
§ 100. Wird die verkaufte Sache noch vor der Uebergabe durch einen Zufall gänzlich zerstört oder vernichtet, dergestalt, daß gar keine Uebergabe erfolgen kann, so wird der Contract für aufgehoben geachtet. (Tit. V, § 364 et sqq.) § 102. Hat der Käufer durch seine Schuld die Uebernahme verzögert, so kann der Verkäufer Schadloshaltung fordern. § 103. Zu dieser Schadloshaltung gehört auch die Bezahlung des bedungenen Kaufpreises, sobald der Käufer, auch nur durch ein mäßiges Versehen, Schuld daran ist, daß die Sache nicht zur gehörigen Zeit von ihm übernommen worden. § 128. Unter Abwesenden ist die Uerbergabe beweglicher Sachen vollzogen, sobald die Sache dem Bevollmächtigten des Käufers ausgehändigt, oder auf die Post gegeben, oder dem Fuhrmanne oder Schiffer überliefert worden. § 129. Doch muß die Uebrmachung entweder nach der Anweisung des Käufers geschehen, oder von diesem die Art derselben dem Gutfinden des Verkäufers, ausdrücklich oder stillschweigend, überlassen worden seyn.“
Nach §§ 95, 96 verbleibt die Gefahr bis zur Übergabe beim Verkäufer. Das bedeutet nach der Rechtsprechung des Obertribunals, „daß der Verkäufer, da ihn als noch Eigenthümer der Sache auch die Beschädigung trifft, den Käufer nicht anhalten kann um den verabredeten Preis die beschädigte Sache zu übernehmen“,459 dass der Verkäufer also das Risiko des Kaufpreisausfalls bei Untergang oder Beschädigung der Kaufsache trägt. Nach Übergabe und Gefahrübergang muss dagegen der Käufer den Kaufpreis in jedem Fall zahlen. Somit entscheidet sich das ALR grundsätzlich für eine Anknüpfung der Gefahr an den Besitz und damit für das Traditionsprinzip. Nachdem im ALR die Übergabe auch zur Eigentumsverschaffung erforderlich war,460 bedeutete dies in der Regel zugleich eine Verknüpfung des Gefahrübergangs auch mit dem Übergang des Eigentums.461 Für den Untergang der Kaufsache vor Übergabe verweist § 100 auf Teil 1, Titel 5 §§ 364 ff.462 und stellt damit noch einmal den Bezug zum vor Gefahrübergang geltenden Unmöglichkeitsrecht her. Für zwei Situationen wird das Traditionsprinzip ergänzt: §§ 102–103 enthalten eine besondere Gefahrübergangsregel für den schuldhaften Annahmeverzug des Käufers:463 Wenn der Käufer schuldhaft die Übergabe verzögert, kann der Verkäufer jedenfalls den Kaufpreis verlangen, auch wenn er die
459
Ob.Trib. 27.9.1844, Präj. Nr. 1488, vgl. Rönne, Ergänzungen und Erläuterungen des ALR, Band 1, 1885, 747 (§ 95 Nr. 2). 460 ALR, Teil 1, Titel 10, § 1. 461 HKK-Ernst, § 446 Rn. 3. 462 Vgl. dazu oben, Text bei Fn. 151–155. 463 Vgl. dazu Rönne, Ergänzungen und Erläuterungen des ALR, Band 1, 1885, 748 (§§ 102–104).
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3. Kapitel: Deutsches Recht
Sache nicht mehr übergeben kann.464 Für den Versendungskauf fingieren §§ 128, 129 die Übergabe der Kaufsache im Moment von deren Überlassung an die Transportperson auf Anweisung des Käufers oder mit dessen generellem Einverständnis. Weil man trotz der Abkehr von periculum est emptoris bei der „allgemein bekannten, tagtäglich ins Leben eingreifenden Ansicht, daß die Übersendung einer verkauften Sache auf Gefahr des Käufers erfolge“ bleiben wollte, war diese Fiktion erforderlich, um die Gefahrtragung des Käufers als Ausnahme zum Traditionsprinzip sicherzustellen.465 Die Kodifikation des Traditionsprinzips im ALR war eine bewusste Abkehr von periculum est emptoris. In den amtlichen Vorträgen zur Schlussrevision des ALR wandte sich Svarez entschieden gegen die römische Regel: Sie verdiene „gewiss weniger, als irgend eine andere [Vorschrift], beibehalten zu werden“.466 Sie widerspreche casum sentit dominus, weil das Eigentum erst mit der Tradition auf den Käufer übergehe.467 Darüber hinaus beruhe sie auf der „bloßen Spitzfindigkeit“, dass man dem Verkäufer die Klage auf Kaufpreiszahlung erhalte, obwohl der Käufer seine Klage auf Übergabe nach Untergang der Kaufsache verloren habe.468 Schließlich sei periculum est emptoris wider die natürliche Billigkeit, da der Käufer, der sich noch nicht im Besitz der Sache befinde, keine Vorkehrungen zu deren Erhaltung treffen und auch keinen Nutzen aus ihr ziehen könne.469 Dagegen entspreche die neue Regel der Natur der Sache und des Geschäfts sowie der natürlichen Billigkeit und verdiene daher den Vorzug vor periculum est emptoris.470 Neben dem in der Begründung von Svarez in den Vordergrund gerückten Billigkeitsaspekt dürfte die Entscheidung zu Gunsten des Traditionsprinzips auch aus Gründen der Vereinfachung und Praktikabilität der Vertragsabwicklung getroffen worden sein.471 Indem das ALR das Traditionsprinzip zu geltendem Recht gemacht hatte, war in Preußen die Regel periculum est emptoris Ende des 18. Jahrhunderts endgültig überwunden worden. 464
Zusätzlich zur abweichenden Gefahrtragung beim Annahmeverzug wurde in § 99 eine Möglichkeit der Hinterlegung der Kaufsache mit Wirkung der Übergabe geschaffen, vgl. dazu Rückert, Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte 1984, 40–71, 44. 465 Rönne, Ergänzungen und Erläuterungen des ALR, Band 1, 1885, 752 (§§ 128–134 Nr. 1). 466 Svarez, Jahrbücher für die preußische Gesetzgebung, Wissenschaft und Rechtsverwaltung 41 (1833), V-208, 17. 467 Ebd. In dieser Pauschalität geht der Vorwurf allerdings fehl, vgl. oben, Text bei Fn. 314–319. 468 Svarez, Jahrbücher für die preußische Gesetzgebung, Wissenschaft und Rechtsverwaltung 41 (1833), V-208, 17. 469 Ebd; dem liegt das Grundprinzip der Beherrschbarkeit zu Grunde. 470 Svarez, Jahrbücher für die preußische Gesetzgebung, Wissenschaft und Rechtsverwaltung 41 (1833), V-208, 18. 471 Rückert, Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte 1984, 40–71, 44.
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
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4. Historische Rechtsschule und Pandektenwissenschaft Außerhalb Preußens galt die Regel periculum est emptoris gut hundert Jahre länger, weil sie von historischer Rechtsschule und Pandektenwissenschaft akzeptiert wurde. Angesichts der von Cujas, im Naturrecht und in der Begründung zum ALR geäußerten Zweifel suchte man aber verstärkt nach einer überzeugenden Begründung dafür. An der Schwelle zwischen Naturrecht und historischer Schule wirkte als letzter Repräsentant des usus modernus der Erlanger Jurist Glück.472 Kurz nach Promulgation des ALR verfasste er in akribischer Detailarbeit einen umfangreichen Pandektenkommentar, von dem er 34 Bände mit insgesamt 16.950 Seiten vollendete.473 Das Naturrecht ist für Glück zumindest subsidiäre Rechtsquelle: Lasse sich aus den geltenden Regeln des Privatrechts keine Lösung finden, sei auf das Naturrecht als „letzte Zuflucht“ zu rekurrieren.474 Im Kaufrecht war ein solcher Rekurs in den Augen Glücks allerdings nicht erforderlich: In seinem Kommentar verknüpft er den Gefahrübergang beim Kauf mit dem „zur Richtigkeit gekommenen Kaufvertrag“, der eine Zahlungspflicht des Käufers auch bei Untergang der Sache vor Übergabe zur Folge habe, und belegt dies insbesondere mit Just. Inst. 3, 23, 3.475 Glück hält die Regel periculum est emptoris für problematisch, da aus dem zufälligen Untergang der bestimmten Kaufsache nur folge, dass der Verkäufer als Speziesschuldner nicht auf Schadensersatz hafte. Dagegen sei es unerklärlich, weswegen der Käufer, dem die Sache nicht übergeben wurde, im Rahmen des Synallagmas den Preis trotzdem zahlen müsse.476 Angesichts dieser Unstimmigkeit referiert er die Gefahrtragungslehre Cujasʼ, der anhand von D. 19, 2, 33 (Afr. 8 quaest.) zu einem periculum venditoris gekommen war.477 Dennoch bleibt Glück der Regel periculum est emptoris treu: Nachdem er einige Versuche anderer Autoren wiedergeben hat, D. 19, 2, 33 (Afr. 8 quaest.) als 472
Hirata, ZRG (RA) 123 (2006), 330–343, 336. Hirata, ZRG (RA) 123 (2006), 330–343, 333. An diesem opus magnum beeindruckt insbesondere die Literaturverwertung Glücks, der auch entlegenste Schriften eingearbeitet hat, was ihm aufgrund seiner schier unerschöpflichen eigenen Literaturbestände möglich war – allein das Verzeichnis der seinem Nachlass zugehörigen Bücher erfasste 182 Druckseiten, vgl. Spengler, in: B. Forschner/Willems, Acta diurna. Beiträge des IX. Jahrestreffens Junger Romanisten, 2017, 1–30, 22. 474 Glück, Ausführliche Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld, ein Commentar, 1. Theil, 2. Aufl. 1797, 424–425 (Buch 1 Titel 2 § 81). 475 Glück, Ausführliche Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld, ein Commentar, 17. Theil, 1. Abtheilung, 2. Aufl. 1844, 128–130 (Buch 18, Titel 6 § 1033). 476 Glück, Pandecten, 17. Theil, 1. Abtheilung, 1844, 130–131 (Buch 18, Titel 6 § 1033). 477 Glück, Pandecten, 17. Theil, 1. Abtheilung, 1844, 134 (Buch 18, Titel 6 §1033). Zur Verkäufergefahrtragung bei Cujas vgl. oben, Text bei Fn. 420–425. 473
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3. Kapitel: Deutsches Recht
Ausnahme zu deuten,478 hält er periculum est emptoris für jedenfalls in anderen Quellentexten deutlich belegt, ohne dabei aber eine übergreifende ratio für die Käufergefahrtragung ausmachen zu können.479 Während Glück die Regel vom Gefahrübergang mit Perfektion zwar in den Quellen bestätigt sah, ihr mangels nachvollziehbarer ratio aber kritisch gegenüberstand und sie auf das Kaufrecht beschränkte,480 versuchten die Pandektisten, eine übergreifende ratio für periculum est emptoris zu finden. Dabei weiteten sie die Regel teilweise auf andere Vertragstypen aus. Im Folgenden sollen Beispiele pandektistischer Rationalisierungsversuche von periculum est emptoris gegeben werden. Ein Begründungsversuch der Pandektisten für den Gefahrübergang bei Perfektion des Kaufs ist die Theorie der fingierten Erfüllung: Savigny wies in seiner Pandektenvorlesung nicht nur dem Käufer, sondern ausgehend vom Kauf als „Normalgeschäft“ jeglichem Gläubiger einer sofort zu erfüllenden dare-Forderung die Preisgefahr zu, weil der zufällige Eintritt der Unmöglichkeit als Erfüllung gelte.481 Fuchs griff diesen Gedanken auf: Die Verpflichtung, eine Handlung vorzunehmen, gelte als erfüllt, wenn deren Vornahme ohne Schuld des Verpflichteten unmöglich geworden sei.482 Diese Erfüllungsfiktion erkläre nicht nur die Gefahrtragung ab Perfektion des Kaufs und damit die Regel periculum est emptoris, sondern sei auch auf andere Verträge übertragbar.483 Gegen eine Übertragung der Erfüllungsfiktion auf andere Verträge wandte sich Mommsen:484 Die Erfüllungsfiktion sei nur deswegen geeignet, den Gefahrübergang beim perfekten Kauf zu erklären, weil der perfekte Kauf nach seiner Natur eigentlich sofort erfüllt werden könne.485 Der Aufschub der Erfüllung sei also zufällig und solle auch bei Untergang der Kaufsache auf die Rechtslage keinen Einfluss haben, so dass periculum est emptoris gelten müsse.486 Dies treffe jedoch nicht auf andere Verträge wie den imperfekten Kauf und die Sachmiete zu, so dass die Erfüllungsfiktion hier keine Anwendung finden dürfe.487 In der Tradition der auf den perfekten Kauf beschränkten Erfüllungsfiktion steht auch Windscheids Entäußerungstheorie: Danach 478
Glück, Pandecten, 17. Theil, 1. Abtheilung, 1844, 135–143 (Buch 18, Titel 6 § 1033). Glück, Pandecten, 17. Theil, 1. Abtheilung, 1844, 143–151 (Buch 18, Titel 6 § 1033). 480 Vgl. auch Rückert, Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte 1984, 40–71, 43. 481 Savigny, Pandektenvorlesung, 1824/25, hrsg. von Horst Hammen 1993, 220; vgl. dazu auch oben, Text bei Fn. 161–163. 482 Fuchs, AcP 34 (1851), 106–120, 112, 115–120. 483 Fuchs, AcP 34 (1851), 385–411, 397–399, 410–411. 484 Zur Gefahrtragung bei Mommsen vgl. auch oben, Text bei Fn. 177–182. 485 Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht 1, 1853, 349–350. 486 Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht 1, 1853, 350. 487 Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht 1, 1853, 350–351. 479
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
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hat der Käufer die Sache mit Perfektion des Kaufs als Entäußerungsvertrag schon in seinem Vermögen und trägt daher auch die Gefahr.488 Die Erfüllungsfiktion bei Unmöglichkeitseintritt gibt zwar eine dogmatische Erklärung für das Fortbestehen der Gegenleistungspflicht. Unabhängig vom konkreten Umfang ihres Anwendungsbereichs verlagert die „Theorie von der fingierten Erfüllung“489 das Problem der Erklärung des Gefahrübergangs jedoch nur, weil sie nicht beantwortet, warum der Eintritt der Unmöglichkeit fiktiv der Vertragserfüllung gleichgestellt wird.490 Einzig Mommsen hat mit dem Gedanken des zufälligen Erfüllungsaufschubs beim perfekten Kauf491 eine Erklärung gegeben, die aber nicht aufzeigt, warum ausgerechnet der Käufer die Nachteile dieses zufälligen Aufschubs tragen soll. Ein weiterer Rationalisierungsversuch will die Friktionen zwischen casum sentit dominus und periculum est emptoris auflösen: Casum sentit dominus sei eine bloße Zusatzbegründung für Fälle, in denen Gefahr und Eigentum parallel laufen – der Grund für die Gefahrtragung sei dagegen allein das Freiwerden des Schuldners bei Unmöglichkeit unter Ausblendung der Gegenseitigkeit der Forderungen.492 Diese Erklärung ist allerdings insoweit unbefriedigend, als sie in ihrem singulären Abstellen auf die Verkäuferpflicht der synallagmatischen Natur von Austauschverträgen nicht gerecht wird.493
488
Windscheid, Kritische Zeitschrift für die gesamte Rechtswissenschaft 2 (1855), 137 und Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, Band 2, 1900, 616–617. Vgl. dazu auch oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 314-319 sowie Bessenyö, in: Jakab/Ernst, Kaufen nach Römischem Recht: antikes Erbe in den europäischen Kaufrechtsordnungen, 2008, 1–51, 44–45, Ernst, ZRG (RA) 99 (1982), 216–248, 244, Pennitz, Das periculum rei venditae, 2000, 19–20, Regelsberger, Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 13 (1871), 90–118, 94–96. 489 So Regelsberger, Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 13 (1871), 90–118, 93. 490 Vgl. bereits Regelsberger, Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 13 (1871), 90–118, 93 und Jhering, Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts 3 (1859), 449–488, 462–463 sowie Pennitz, Das periculum rei venditae, 2000, 16–17. 491 Vgl. Text bei Fn. 485–486. 492 Wächter, AcP 15 (1832), 97–138, 116–117, 119. Regelsberger, Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 13 (1871), 90–118, 93 nennt dies „Impossibilitätstheorie“. 493 Vgl. bereits Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht 1, 1853, 347–348, Jhering, Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts 3 (1859), 449–488, 462 und Windscheid, Kritische Zeitschrift für die gesamte Rechtswissenschaft 2 (1855), 136; sowie Hager, Gefahrtragung beim Kauf, 1982, 48 und Pennitz, Das periculum rei venditae, 2000, 11–12. Kritisch auch Regelsberger, Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 13 (1871), 90–118, 92–93. Das funktionelle Synallagma war in der Pandektistik anerkannt, vgl. etwa Savigny, Das Obligationenrecht als
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Eine dritte Erklärung stammt von Jhering, der die Regel periculum est emptoris darauf zurückführt, dass der Käufer in der Regel den Aufschub der Erfüllung gegenüber dem „natürlich-einfachen“ Barkauf verschuldet habe.494 Das erinnert an die Gefahrtragung nach Zurechnungsgesichtspunkten bei Pufendorf.495 Allerdings räumt Jhering selbst ein, dass periculum est emptoris auch in verschiedenen Konstellationen des Erfüllungsaufschubs im Interesse des Verkäufers gilt.496 Auch wenn er dies mit prozessökonomischen Erklärungen zu rechtfertigen sucht,497 kann er periculum est emptoris so nicht begründen. Einen wichtigen Impuls gab Jhering für den Gattungskauf, indem er die bisherige Auffassung von der Umwandlung der Gattungsschuld in eine periculum est emptoris unterfallende Speziesschuld schon bei Individualisierung angriff und für eine Anknüpfung der Konkretisierung an die Lieferung bzw. Erfüllung der jeweiligen Hauptleistungspflichten stritt. Dies begründete er damit, dass dies dem Inhalt des jeweiligen Schuldverhältnisses Rechnung trage.498 Obwohl die Pandektisten kreative Erklärungsversuche zu periculum est emptoris unternahmen, fanden auch sie keine umfassend überzeugende Begründung für die Käufergefahrtragung bereits ab Perfektion. Daher verspürte man das Bedürfnis, diesen „dem modernen Rechtsbewusstsein widersprechenden“ und „singulären“ Satz durch einen neuen zu ersetzen.499 5. Gefahrübergang im BGB Diesem Bedürfnis folgend entschied sich die Erste Kommission in einem Vorbeschluss zur Ausarbeitung des BGB am 22.9.1876 mit 7 zu 4 Stimmen gegen die Beibehaltung von periculum est emptoris und für das Traditions-
Theil des heutigen römischen Rechts, Band 2, 1853, 12–13; dazu HKK-Schermaier § 326 Rn. 12. 494 Jhering, Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts 3 (1859), 449–488, 436–465. Vgl. Hager, Gefahrtragung beim Kauf, 1982, 49; Pennitz, Das periculum rei venditae, 2000, 18; Regelsberger, Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 13 (1871), 90–118, 94. 495 Vgl. dazu oben, Text bei Fn. 448–456. 496 Jhering, Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts 3 (1859), 449–488, 464–465. 497 Jhering, Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts 3 (1859), 449–488, 465. 498 Jhering, Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts 4 (1861), 366–438, insbes. 399–433 . Vgl. auch oben, Fn. 197 sowie Ernst, in: Schön/Flume, Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, 1997, 49–110, 69–73. 499 Hofmann, Ueber das periculum beim Kaufe, 1870, 38–39.
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prinzip.500 Dabei folgte sie dem Entwurf des Redaktors Kübel, der sich gegen eine Beibehaltung der römischen Regel ausgesprochen hatte.501 Infolgedessen fand das Traditionsprinzip Eingang in § 463 Abs. 1 EI: „§ 463. Der Verkäufer trägt die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung sowie die Lasten der verkauften Sache bis zur Uebergabe der letzteren an den Käufer. […]“
Angesichts der Versuche der Pandektisten, den Gefahrübergang bei Perfektion auf andere Verträge als den Kauf auszuweiten, stand die Entscheidung für das Traditionsprinzip beim Kauf in engem Zusammenhang mit der Entscheidung, den Schuldner im Allgemeinen die Preisgefahr bis zur Erfüllung tragen zu lassen (§§ 368 Abs. 1 EI, 323 Abs. 3 BGB (1900)).502 Dieses allgemeine Prinzip wird in § 463 EI für den Kauf besonders ausgesprochen.503 Die Motive zu § 368 EI weisen ausdrücklich auf das seit dem Naturrecht offenbar gewordene Begründungsdefizit von periculum est emptoris hin: „Die Erklärung und Begründung der römischen Gefahrverteilung beim Kaufe, wonach die Gefahr der verkauften Sache perfecta emptione […] sofort auf den Käufer übergeht, hat den Juristen bis zum heutigen Tag viel zu schaffen gemacht.“504 Zudem war die Entscheidung für das Traditionsprinzip durch
500
Protokolle der Ersten Kommission in Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse, Band 2, 1980, 77. 501 Kübel in Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren für die Erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Recht der Schuldverhältnisse, Band 3, 1980, 1041–1048 (mit kritischer Darstellung der pandektistischen Erklärungsversuche), 1065–1069 (insbes. 1065: „Entscheidend ist, dass der deutschrechtliche Satz [der Gefahrübergang mit Übergabe] als innerlich begründet, als gerecht und billig, sowie als zweckmäßig erkannt werden muss.“); Band 2, 1980, 25–26. Nach dem Vorbeschluss notierte Kübel in einer Zusammenfassung der Beratungsergebnisse der Ersten Kommission 1876 triumphierend: „Hiermit ist das Prinzip des römischen Rechts verworfen und, im Anschluß an das preußische und österreichische Recht […] das deutschrechtliche Prinzip adoptirt.“, Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse, Band 2, 1980, 81. 502 Zur Preisgefahrtragung im Ersten Entwurf vgl. auch oben, Text bei Fn. 204–210. 503 Motive, Band 2, 1888, 205. Trotz dieser in den Motiven insinuierten Spezialität des kaufrechtlichen Gefahrübergangs zur allgemeinen Gläubigergefahr bis zur Erfüllung ist aber zum kaufrechtlichen Gefahrübergang kein Übergang des Eigentums an der Kaufsache erforderlich, vgl. unten, Text bei Fn. 561–568 und Hager, Gefahrtragung beim Kauf, 1982, 54, der von einer „Verzahnung“ von Traditionsprinzip und synallagmatischem Prinzip spricht. 504 Motive, Band 2, 1888, 206. Auch die Protokolle der Ersten Kommission konstatieren, dass „der römische Satz dasselbe [das Recht] complicire“, Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse, Band 2, 1980, 78.
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das schon von früheren Kritikern vorgebrachte505 synallagmatische Argument motiviert, dass periculum est emptoris der Natur gegenseitiger vertraglicher Verbindlichkeiten und der Rechtslogik widerstrebe.506 Angesichts dieser Probleme des Gefahrübergangs mit Perfektion und auch aus Gründen der Einfachheit, Klarheit und Rechtssicherheit sei das bereits im ALR verwirklichte Traditionsprinzip vorzugswürdig.507 Es wurde daher in § 463 EI niedergelegt. Daneben wurde beim Versendungskauf in § 465 EI dem Verkäufer die Transportgefahr abgenommen: „§ 465. Wenn der Verkäufer die verkaufte Sache auf Verlangen des Käufers an einen anderen Ort als denjenigen versendet, an welchem dieselbe nach dem Vertrage zu übergeben ist, so trägt der Käufer die Gefahr von dem Zeitpunkte an, in welchem der Verkäufer die Sache dem Spediteure, dem Frachtführer oder der sonst zur Ausführung des Transportes bestimmten Person ausgeliefert hat.“
Diese explizite Ausnahme zum Traditionsprinzip wurde gegenüber der Übergabefiktion in §§ 128–129 ALR bevorzugt, weil diese auf „künstlichen, im praktischen Leben keineswegs begründeten Unterstellungen“ beruhe.508 Die Zuweisung der Transportgefahr an den Käufer sollte nicht nur wie bisher im Handelsrecht gelten,509 sondern wurde auch für den übrigen Rechtsverkehr als dem mutmaßlichen Parteiwillen entsprechend angesehen, weil der Verkäufer mit der Verpflichtung zur Versendung eine weitere Verbindlichkeit übernehme, die das übrige vertragliche Pflichtenprogramm nicht verändere.510
505
Pufendorf, vgl. Text bei Fn. 451; Svarez, vgl. Text bei Fn. 469; Glück, vgl. Text bei Fn. 476. 506 Protokolle der Ersten Kommission in Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse, Band 2, 1980, 78; Motive, Band 2, 1888, 206. 507 Protokolle Ersten Kommission in Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse, Band 2, 1980, 78; Motive, Band 2, 1888, 206–207. 508 Kübel in Schubert, Die Vorlagen der Redaktoren für die Erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, Recht der Schuldverhältnisse, Band 2, 1980, 36; Motive, Band 2, 1888, 326–327. 509 Die Übereinstimmung mit dem bisher geltenden Handelsrecht bestimmte die Beratung der Ersten Kommission zum Gefahrübergang beim Versendungskauf, Jakobs/ Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse, Band 2, 1980, 80. 510 Motive, Band 2, 1888, 327–328. Vgl. auch Jakubezky, Bemerkungen zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, 1892, 114, der betont, dass § 465 E1 nicht historisch, sondern nur durch den Parteiwillen erklärbar sei, weil der Schuldner nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses nur das Verschicken der Sache und nicht die Transportgefahr übernommen habe. Ähnlich Rabel, Das Recht des Warenkaufs, Band 2, 1958: „Gefälligkeitstransport“.
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Diese grundsätzliche Entscheidung für das Traditionsprinzip erfuhr Kritik aus zwei Richtungen: Einerseits gab es Stimmen, welche periculum est emptoris mit den von der Pandektistik hierfür entwickelten Begründungen verteidigten.511 Andere befürworteten dagegen die Abkehr von periculum est emptoris, störten sich aber an der Anknüpfung des Gefahrübergangs an die Übergabe: Diese sei eine sekundäre Pflicht aus dem Kauf, der als Veräußerungsvertrag primär auf die Eigentumsverschaffung gerichtet sei, so dass die Gefahr besser an die Übertragung des Eigentums als Erfüllungsakt geknüpft werden solle.512 Letztere Kritiker plädierten also im dogmatischen Ergebnis für die Lösung des englischen Rechts. Wegen des im deutschen Recht geltenden Abstraktionsprinzips hätte diese Lösung allerdings zu einem Gefahrübergang erst nach Einigung und Übergabe (§ 929 BGB) bzw. Übergabesurrogat (§§ 930–931 BGB) und damit zu einem späteren Zeitpunkt als in England unter Geltung des Konsensualprinzips geführt. Trotz dieser Kritik behielt die Zweite Kommission die Regeln zur kaufrechtlichen Gefahrtragung bei.513 Während sie die Entscheidung für die Abkehr von der Regel periculum est emptoris nach dem Vorbeschluss der Ersten Kommission nicht nochmals rechtfertigte, verteidigte sie das Traditionsprinzip gegenüber der möglichen Verknüpfung von Gefahr- und Eigentumsübergang: Die Übergabe bewirke den Gefahrübergang nicht nur, weil mit ihr regelmäßig zugleich das Eigentum auf den Käufer übertragen werde.514 Ausschlaggebend sei vielmehr der Gesichtspunkt, dass es unbillig gegen den Verkäufer wäre, diesen auch dann noch die Gefahr tragen zu lassen, wenn er (als Folge der Übergabe) nicht mehr in der Lage sei, für die Sicherheit der Sache Sorge zu tragen.515 Damit brachte die Zweite Kommission den Beherrschbarkeitsgedanken als Rechtfertigung des Gefahrübergangs mit Besitzübergang ins Spiel. Mit dieser Begründung fand das Traditionsprinzip Eingang in § 446 Abs. 1 S. 1 BGB (1900), flankiert von der Sonderregel für den Versendungskauf (§ 447 Abs. 1 BGB (1900)). Diese Vorschriften wurden 2002 in § 446 S. 1 BGB und § 447 Abs. 1 BGB beibehalten. Zwar wurde im DiskE SMG erwogen, § 447 Abs. 1 BGB aus Gründen der Beherrschbarkeit und Vereinfachung zu streichen.516 Der Verkäufer könne das Transportrisiko durch Organisation des Transports nicht nur 511
Hartmann, AcP 73 (1888), 309–407, 385–392. Deutscher Anwaltverein, Gutachten aus dem Anwaltstande, 1890, 123. Vgl. auch Laband, AcP 74 (1889), 299–336, 317. 513 Achilles/Spahn/Gebhard, Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Band 2, 1898, 60. 514 Achilles/Spahn/Gebhard, Protokolle, Band 2, 1898, 61. 515 Achilles/Spahn/Gebhard, Protokolle, Band 2, 1898, 61–62. 516 DiskE SMG, 4.8.2000, 440–442 sowie bereits 1992 Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Abschlußbericht, 1992, 235. 512
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besser beherrschen, sondern auch besser versichern und sei Inhaber etwaiger vertraglicher Schadensersatzansprüche gegen den Transporteur, die bisher nur mittels einer Drittschadensliquidation bewältigt werden könnten.517 Dies spreche dafür, ihm die Transportgefahr aufzubürden.518 Auch diese Argumente fußen auf dem Prinzip der Beherrschbarkeit: Geht man davon aus, dass mit der Versendung der Ware auch deren Transport in die Sphäre des Verkäufers fällt, muss man nach diesem Prinzip dem Verkäufer die Transportgefahr aufbürden.519 Die geplante Streichung von § 447 Abs. 1 BGB wurde kritisiert: Dem Versendungskauf sei gerade keine Risikoübernahme des Verkäufers für den Transport zu entnehmen – dieser sei nach dem Inhalt eines Versendungskaufs vielmehr Sache des Käufers.520 Deswegen kann das Beherrschbarkeitsargument gegen § 447 Abs. 1 BGB nicht verfangen: Der Transport der Ware mag zwar vom Verkäufer steuerbar sein, wird aber im Interesse des Käufers zusätzlich zu den kaufvertraglichen Hauptpflichten ausgeführt, so dass der Käufer auch hierfür das Risiko tragen soll. Tatsächlich befindet sich die Sache auf dem Transport im Rahmen einer Schickschuld weder im Verantwortungsbereich des Käufers noch des Verkäufers, sondern in der Sphäre eines Dritten. Im Übrigen käme man wegen der Vereinbarung der Verschickung zusätzlich zu den kaufvertraglichen Hauptpflichten auch bei einer Abschaffung von § 447 Abs. 1 BGB oft zu einer Transportgefahrtragung des Käufers kraft (konkludenter) vertraglicher Übernahme.521 Als weitere Argumente gegen die Streichung von § 447 Abs. 1 BGB wurden die Üblichkeit der Transportgefahrtragung durch den Käufer im kaufmännischen Verkehr und die durch die Streichung der Norm entstehende Diskrepanz zum CISG und zu Nachbarrechtsordnungen angeführt.522 Auf diese Kritik hin wurde die Transportge517
DiskE SMG, 4.8.2000, 441. DiskE SMG, 4.8.2000, 441. 519 Hager, Gefahrtragung beim Kauf, 1982, 106–107; vgl. auch Reinhardt, Gefahrtragung beim Kauf, 1998, 45; a.A. Koller, Risikozurechnung, 1979, 173–175, der die Zuweisung des Transportrisikos an den Käufer aus dem Blickpunkt der abstrakten Beherrschbarkeit damit erklärt, dass es der Verkäufer nur schwer kalkulieren könne und dessen Deckung in der Regel nicht in den Kaufpreis einberechne. Diese Argumentation ist aber insofern zirkulär, als der Verkäufer u.U. gerade deswegen das Transportrisiko nicht in den Kaufpreis einberechnet, weil er nicht die Transportgefahr trägt, vgl. dazu unten, Text bei Fn. 631. Allgemein zur Berücksichtigung nicht abwehrbarer Risiken bei der subjektiven Äquivalenzentscheidung Koller, Risikozurechnung, 1979, 80–81. 520 Ernst, ZIP 1993, 481–490, 482–483; Reinhardt, Gefahrtragung beim Kauf, 1998, 142–143. 521 Reinhardt, Gefahrtragung beim Kauf, 1998, 144–145. 522 Ernst, ZIP 1993, 481–490, 482; Westermann, JZ 2001, 530–542, 536; unentschieden Zimmer, in: Ernst/Zimmermann, Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, 202–203. 518
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fahrtragung gem. § 447 Abs. 1 BGB nicht geändert und richtigerweise lediglich eine Ausnahme für Verbrauchsgüterkäufe eingeführt (§§ 474 Abs. 2 BGB (2002)), um der in diesem Bereich herrschenden Verkehrsauffassung Rechnung zu tragen und um Streitfragen über Erfüllungsort und Versendung auf Verlangen des Käufers zu vermeiden.523 Zu einer Änderung der Ausnahmeregel für den Verbrauchsgüterkauf kam es im Juni 2014 in Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie (2011/83/EU). Art. 20 S. 1 RL 2011/83/EU sieht für den Verbrauchsgüterkauf einen einheitlichen Gefahrübergang beim Versendungskauf mit Inbesitznahme der Ware durch den Verbraucher oder einen von ihm bestimmten Dritten vor.524 Nur wenn der Verbraucher selbst den Beförderer mit dem Warentransport beauftragt, ohne dass diese Option vom Unternehmer angeboten wurde, legt Art. 20 S. 2 RL 2011/83/EU den Gefahrübergangszeitpunkt bereits auf den Moment der Übergabe auf den Beförderer. Dies wurde in § 474 Abs. 4 BGB umgesetzt, indem die Anwendung von § 447 Abs. 1 BGB für die entsprechenden Verbrauchsgüterkäufe ausgeschlossen wurde. Damit erfolgt beim Verbrauchsgüterkauf der Gefahrübergang in der Regel mit Übergabe gem. § 446 S. 1 BGB. In § 446 S. 1 BGB fand so der lange Weg der Abkehr von der Regel periculum est emptoris sein Ende – auch außerhalb Preußens. Seitdem bestimmt das Traditionsprinzip den Gefahrübergang im deutschen Kaufrecht. II. Voraussetzungen und Folgen des Gefahrübergangs Im Folgenden soll die Funktionsweise des Traditionsprinzips durch Ermittlung des Gefahrübergangszeitpunkts in den schon aus der Perspektive des englischen Rechts beleuchteten verschiedenen Konstellationen des Kaufs untersucht werden. 1. Gefahrübergang nach allgemeinem Kaufrecht Zunächst soll die Abwicklung eines Kaufvertrags, der keinen Verbrauchsgüterkauf betrifft, Gegenstand der Untersuchung sein.
523
BT-Drucks. 14–6040, 240, 243–244. Zur Gefahrtragung beim Verbrauchsgüterkauf vgl. ausführlich unten, B.II.2. Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie erforderte gem. Erwägungsgrund 14 dagegen keine Änderung des mitgliedstaatlichen Gefahrübergangsrechts, vgl. auch oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 587. 524 Vgl. dazu bereits Kapitel 2, Text bei Fn. 602.
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a) Spezieskauf Wie oben im Kontext der Unmöglichkeit gezeigt wurde,525 liegt beim Spezieskauf die Sachgefahr schon ab Vertragsschluss beim Käufer. Die Preisgefahr trägt dagegen gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB der Verkäufer, bis sie gem. §§ 446 S. 1, 3 oder 447 Abs. 1 BGB auf den Käufer übergeht. Nachdem §§ 446, 447 BGB Ausnahmeregelungen zu § 326 Abs. 1 S. 1 BGB sind, erfassen auch sie die Gefahr des in dem Sinne zufälligen Untergangs, dass der Verlust von keiner der Vertragsparteien zu vertreten ist.526 aa) Übergabe der Kaufsache am Sitz des Verkäufers Ausgangspunkt der Betrachtung ist der Kaufvertrag, in dem keine Vereinbarung über den Leistungsort oder den Transport der Ware getroffen wurde, so dass die Kaufsache gem. § 269 Abs. 1, 2 BGB am Ort der Niederlassung des Verkäufers bzw. an dessen Wohnsitz an den Käufer zu übergeben ist. Erfolgt diese Übergabe zum Zweck der Erfüllung eines wirksamen Kaufvertrags, geht gem. § 446 S. 1 BGB bei Übergabe nicht nur der Besitz an der Kaufsache, sondern auch die Preisgefahr auf den Käufer über. Das bedeutet Folgendes für den zufälligen Untergang der Kaufsache: Während bei Untergang der Kaufsache vor Übergabe der Verkäufer gem. §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 BGB den Anspruch auf Kaufpreiszahlung verliert, muss bei Untergang der Kaufsache nach Übergabe der Käufer den Kaufpreis zahlen, auch wenn er dann nicht mehr in den Genuss der Kaufsache kommt.527 Bzgl. Verschlechterungen der Kaufsache, die per se einen Sachmangel i.S.v. § 434 BGB darstellten, bewirkt der Übergang der Preisgefahr, dass nach dem Gefahrübergang neu entstandene Defekte gem. §§ 437, 434 Abs. 1 BGB (Sachmangel „bei Gefahrübergang“) keine Mängelrechte mehr begründen.528 Etwas anderes gilt nur für nachträgliche Verschlechterungen, die eine Intensivierung eines schon bei Gefahrübergang vorhandenen Mangels darstellen – hier lässt die nachträgliche Verschlechterung den Bestand der kaufrechtlichen
525
Vgl. oben, A.II.1. Vgl. nur Staudinger-Beckmann, § 446 Rn. 36. Der Begriff der Zufälligkeit ist im deutschen Recht weiter als im englischen, weil dort auch schon solche Ereignisse nicht zufällig sind, die zwar nicht von den Parteien zu vertreten sind, aber auf Pflichtverletzungen der Parteien beruhen, vgl. oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 234. 527 In dieser Weise klarstellend zum „Übergang der Preisgefahr“ Leenen, JuS 2008, 577–583, 582. 528 Staudinger-Beckmann, § 446 Rn. 35; Erman-Grunewald, § 446 Rn. 9; MüKoWestermann, § 446 Rn. 11. Zum Zeitpunkt des Übergangs zum Gewährleistungsrecht vgl. auch Fn. 574. 526
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Gewährleistungsrechte für den im Ursprung schon bei Gefahrübergang bestehenden Mangel unberührt.529 i. Wirksamer Kaufvertrag Die in § 446 S. 1 BGB angeordnete besondere Gefahrverteilung ist unabhängig von ihrer ratio im Einzelnen530 nur gerechtfertigt, weil die Parteien einen wirksamen Kaufvertrag geschlossen haben, der zwischen ihnen das kaufrechtliche Rechtsfolgenregime zur Anwendung bringt. Besteht kein wirksamer Kaufvertrag, entsteht kein Anspruch des Verkäufers auf Kaufpreiszahlung und es kommt auch nicht zum Übergang der Preisgefahr auf den Käufer.531 Der Käufer kann dann einen bereits entrichteten Kaufpreis nach Bereicherungsrecht (§§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 BGB) mit den Einschränkungen der Saldotheorie bei Untergang der Kaufsache zurückfordern.532 Problematisch ist die Rechtslage, wenn ein zunächst unwirksamer Kaufvertrag geheilt wird und sich die Gefahr bereits vor der Heilung des Vertrags, aber nach der Übergabe im Untergang der Sache realisiert hat. Nachdem das Eingreifen der Rechtsfolgen eines Kaufs während ihres gesamten Anwendungszeitraums durch den Bestand eines wirksamen Kaufvertrags gerechtfertigt sein muss, kommt es für die Anwendbarkeit von § 446 S. 1 BGB beim geheilten Kauf darauf an, ob die Heilung ex nunc oder ex tunc erfolgt ist: Die Heilung ex nunc, wie etwa bei Erfüllung eines formnichtigen Geschäfts (z.B. gem. §§ 311b Abs. 1 S. 2 BGB oder § 15 Abs. 4 S. 2 GmbHG), bringt den Kaufvertrag erst ab dem Zeitpunkt der Heilung zur Entstehung und kann daher § 446 S. 1 BGB nicht rückwirkend zur Anwendung bringen.533 Dagegen kommt bei einer Heilung des Vertrags ex tunc, wie etwa bei der Genehmigung eines schwebend unwirksamen Geschäfts (§ 184 Abs. 1 BGB), auch die Gefahrübergangsnorm des § 446 S. 1 BGB ex tunc zur Anwendung und weist dem Käufer die Gefahr des vor der Heilung eingetretenen Untergangsereignisses zu.534
529
Staudinger-Beckmann, § 446 Rn. 35; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 8. Aufl. 2009, 147: Es sei ausreichend, dass „der Mangel zur Zeit des Übergangs der Gefahr im Keim vorhanden war.“ 530 Vgl. dazu unten in der Zwischenbilanz (iv.). 531 BGHZ 138, 195, 206. A.A. unter Berufung auf den Sphärengedanken Honsell, in: Lobinger, Festschrift für Eduard Picker zum 70. Geburtstag, 2010, 363–376, 368: Gefahrübergang auch bei unwirksamem Kauf. 532 Staudinger-Beckmann, § 446 Rn. 14; Erman-Grunewald, § 446 Rn. 4. 533 BGHZ 138, 195, 206–207; PKK-Schmidt, § 446 Rn. 10; MüKo-Westermann, § 446 Rn. 5. A.A. wegen einer regelmäßig anzunehmenden Absprache der Parteien ErmannGrunewald § 446 Rn. 4. 534 Staudinger-Beckmann, § 446 Rn. 18; MüKo-Westermann, § 446 Rn. 5.
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Auch die Gefahrtragung beim bedingten Kauf lässt sich anhand der Richtschnur lösen, dass nur ein wirksamer Kaufvertrag die Anwendung von § 446 S. 1 BGB rechtfertigen kann. Beim aufschiebend bedingten Kauf gilt daher Folgendes: Fällt die Bedingung für den Kauf endgültig aus, bestand nie ein wirksamer Kaufvertrag, der die Anwendung von § 446 S. 1 BGB hätte auslösen können,535 so dass der Käufer auch nach zufälligem Untergang der Kaufsache den Kaufpreis nach §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 BGB zurückfordern kann. Die Saldotheorie kommt nicht zur Anwendung, da der Verkäufer weiß, dass er bis zum etwaigen Bedingungseintritt keinen Rechtsgrund zum Behaltendürfen des Kaufpreises hat (§ 819 Abs. 1 BGB).536 Tritt die aufschiebende Bedingung dagegen ein, kommt es darauf an, ob die Parteien eine Rückbeziehung der schuldrechtlichen Wirkungen des Bedingungseintritts (§ 159 BGB) vereinbart haben oder nicht.537 Nur eine Rückbeziehung der Wirkungen des Kaufs rechtfertigt die Anwendung von § 446 S. 1 BGB schon vor Bedingungseintritt, so dass nur dann der Käufer die Gefahr des Untergangs der Sache vor diesem Zeitpunkt trägt.538 Eine solche Vereinbarung über die Rückbeziehung der schuldrechtlichen Wirkungen kann auch konkludent in der Übergabe der Kaufsache im Bewusstsein des Schwebelage vor Bedingungseintritt liegen,539 weil die dem Käufer durch die vorweggenommene Erfüllung erwachsenden Vorteile den Eintritt auch der entsprechenden schuldrechtlichen Nachteile rechtfertigen.540 Ist der Kaufvertrag unter einer auflösenden Bedingung geschlossen worden, ergeben sich keine Probleme bei Bedingungsausfall: § 446 S. 1 BGB kommt dann ab Vertragsschluss ohne spätere Änderung zur Anwendung, so 535 BGH NJW 1975, 776, 777–778; Staudinger-Beckmann, § 446 Rn. 16; Brox, JuS 1975, 1–8, 3; NK-Büdenbender, § 446 Rn. 6; Filios, Die Gefahrtragung beim Kauf (§ 446 BGB) im Rahmen des Synallagmas, 1964, 75–76; Erman-Grunewald, § 446 Rn. 4; PWWSchmidt, § 446 Rn. 7; Palandt-Weidenkaff, § 446 Rn. 11; MüKo-Westermann, § 446 Rn. 6. 536 Staudinger-Beckmann, § 446 Rn. 16; 537 BGH NJW 1975, 776, 778; BGHZ 138, 195, 206–207. 538 Gegen die Möglichkeit der Rückbeziehung der Wirkungen des Gefahrübergangs im Fall des Untergangs der Kaufsache dagegen Wetzmüller, Der Uebergang der Gefahr beim aufschiebend und auflösend bedingten Kauf, sowie beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt, 1931, 45: Der Kauf könne bei Untergang der Kaufsache nicht wirksam werden, so dass gelte „wo keine Wirkung, da keine Rückwirkung“. Allerdings leuchtet auch unter Geltung von § 306 BGB (1900) nicht ein, warum der Kauf bei Bedingungseintritt nach Untergang der Kaufsache nicht wirksam werden können soll, weil der Vertrag bei seinem Abschluss noch auf eine mögliche Leistung gerichtet war. 539 Staudinger-Beckmann, § 446 Rn. 16; NK-Büdenbender, § 446 Rn. 6; PWWSchmidt, § 446 Rn. 7; Palandt-Weidenkaff, § 446 Rn. 11; MüKo-Westermann, § 446 Rn. 6; genauso wohl auch Erman-Grunewald, § 446 Rn. 4. 540 Vgl. auch Filios, Gefahrtragung beim Kauf, 1964, 82–83 und Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band II 1, 13. Aufl. 1986, 99.
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dass der Käufer ab Übergabe die Preisgefahr trägt.541 Problematisch sind die Rechtsfolgen bei Eintritt der auflösenden Bedingung. Auch hier kommt es wieder darauf an, ob die Parteien eine schuldrechtliche Rückwirkung der Rechtsfolgen des Bedingungseintritts vereinbart haben, § 159 BGB.542 Sollen die Rechtsfolgen der Auflösung nicht zurückwirken, endet richtigerweise die Existenz des Kaufvertrags erst mit Bedingungseintritt, weswegen zuvor die Anwendung von § 446 S. 1 BGB und eine Gefahrtragung des Käufers nach Übergabe der Kaufsache gerechtfertigt ist.543 Bei schuldrechtlicher Rückwirkung des Bedingungseintritts besteht bereits ab Vertragsschluss kein Anspruch des Verkäufers auf Kaufpreiszahlung, der eine Preisgefahrtragung des Käufers gem. § 446 S. 1 BGB rechtfertigen könnte; bei fehlender Rückwirkung existiert der Anspruch dagegen erst ab Eintritt der Bedingung gem. § 158 Abs. 2 BGB nicht mehr.544 Damit ist die Rechtslage parallel zum bedingten Kauf nach englischem Recht, wo die Preisgefahr ebenfalls grundsätzlich erst ab Eintritt der auflösenden Bedingung den Käufer trifft, außer wenn Rückwirkung beabsichtigt ist.545 Die Modalitäten der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eines bei Eintritt der auflösenden Bedingung bereits entrichteten Kaufpreises sind umstritten: Während einige dem Verkäufer eine verschärfte Haftung gem. § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1, 820 Abs. 1 S. 2 BGB auferlegen, weil ihm der mögliche Wegfall des Rechtsgrunds bewusst war,546 berücksichtigen andere im Rahmen der Saldotheorie wegen der dem Käufer für die Zeit vor Bedingungseintritt verbleibenden Nutzungen und sonstigen Vorteile die Wertung des § 446 S. 1 BGB zu Lasten des Käufers bei der Rückabwicklung.547 Nachdem dies freilich nur für die Zeit gelten soll, in welcher der Gefahrübergang aufgrund des damals noch wirksamen Kaufvertrags gem. § 446 S. 1 BGB bereits herbeige-
541
Filios, Gefahrtragung beim Kauf, 1964, 84–85; Palandt-Weidenkaff, § 446 Rn. 10; MüKo-Westermann, § 446 Rn. 6. 542 NK-Büdenbender, § 446 Rn. 6. 543 NK-Büdenbender, § 446 Rn. 6; ähnlich Larenz, Schuldrecht, Band II 1, 1986, 100: Eine rückwirkende Unanwendbarkeit von § 446 S. 1 BGB widerspräche § 158 Abs. 2 BGB und der endgültigen Zuweisung der Nutzungen der Kaufsache an den Käufer. Dagegen sprechen sich andere wohl für eine rückwirkende Unanwendbarkeit von § 446 S. 1 BGB bei Eintritt der auflösenden Bedingung aus: Staudinger-Beckmann, § 446 Rn. 17; ErmanGrunewald, § 446 Rn. 4; Palandt-Weidenkaff § 446 Rn. 10; MüKo-Westermann, § 446 Rn. 6. 544 NK-Büdenbender § 446 Rn. 6; ohne die Differenzierung nach der schuldrechtlichen Rückwirkung Staudinger-Beckmann, § 446 Rn. 17; PKK-Schmidt, § 446 Rn. 9; MüKoWestermann, § 446 Rn. 6. 545 Vgl. oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 447. 546 Brox, JuS 1975, 1–8, 4; Filios, Gefahrtragung beim Kauf, 1964, 86. 547 Staudinger-Beckmann, § 446 Rn. 16; Erman-Grunewald, § 446 Rn. 4.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
führt worden war,548 kann man diese Komplikationen bei der Rückabwicklung mit der hier vertretenen Lösung vermeiden: Vor Bedingungseintritt ist in Ermangelung einer schuldrechtlichen Rückbeziehung desselben § 446 S. 1 BGB anzuwenden und dem Käufer die Rückabwicklung des Kaufpreises gänzlich zu verwehren. Haben die Parteien dagegen eine schuldrechtliche Rückwirkung des Bedingungseintritts vereinbart oder geht die Kaufsache erst nach Bedingungseintritt unter, greift § 446 S. 1 BGB nicht ein. Dem Käufer steht dann gegen den Verkäufer ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB zu, der bei einem Bewusstsein des möglichen Ausfalls der Bedingung in der Person des Verkäufers auch zu der verschärften Haftung gem. § 820 Abs. 1 S. 2 BGB führen kann. Die Rechtslage vor Eintritt einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung hängt also davon ab, ob die Parteien die Wirkungen des Bedingungseintritts zurückbeziehen wollen. Die Rückbeziehung rechtfertigt die Anwendung von § 446 S. 1 BGB bei Übergabe vor Bedingungseintritt beim aufschiebend bedingten Kauf und verhindert das Eingreifen von § 446 S. 1 BGB bei Übergabe vor Bedingungseintritt beim auflösend bedingten Kauf, sofern die Bedingung eintritt. Das Fehlen einer Rückbeziehung steht der Anwendung von § 446 S. 1 BGB beim aufschiebend bedingten Kauf bei Übergabe vor Bedingungseintritt entgegen und löst die Anwendung von § 446 S. 1 BGB beim auflösend bedingten Kauf bei Übergabe vor Bedingungseintritt aus. ii. Übergabe Neben dem Bestehen eines wirksamen Kaufvertrags setzt § 446 S. 1 BGB die Übergabe der verkauften Sache an den Käufer voraus. Die Norm ist nur dann von Bedeutung, wenn die Übergabe nicht gleichzeitig mit der Übereignung erfolgt. Denn nach Übergabe und Übereignung hat der Verkäufer den Kaufvertrag erfüllt (§§ 433 Abs. 1 S. 1, 362 Abs. 1 BGB), weswegen ihm jedenfalls der Kaufpreis zusteht und sich damit die Frage nach der Preisgefahrtragung erledigt hat.549 Übergabe und Übereignung können in zwei Varianten auseinanderfallen: Erstens kann die Übergabe der Kaufsache vor der Übereignung stattfinden, wie bei Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts (§ 449 Abs. 1 BGB). Zweitens kann die körperliche Sachübergabe nach der Übereignung erfolgen, wenn das Eigentum kraft eines Übergabesurrogats (§§ 930, 931 BGB) übertragen wurde.
548 549
Vgl. Erman-Grunewald, § 446 Rn. 4. Larenz, Schuldrecht, Band II 1, 1986, 97.
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Übergabe nach Übereignung Zur Bedeutungsbestimmung von „Übergabe“ i.S.v. § 446 S. 1 BGB soll zunächst beleuchtet werden, wie der Gefahrübergang erfolgt, wenn die körperliche Übergabe der Kaufsache erst nach der Übereignung stattfindet. Das ist einerseits denkbar, wenn der Verkäufer dem Käufer die Kaufsache per Besitzkonstitut nach § 930 BGB übereignet, indem er ihm den Besitz an der Kaufsache etwa im Rahmen eines Miet- oder Verwahrungsverhältnisses mittelt. Andererseits kann die Übereignung nach § 931 BGB auch durch Abtretung eines Herausgabeanspruchs an den Käufer erfolgen, wenn sich ein Dritter im Besitz der Kaufsache befindet. Da die nach § 929 S. 1 BGB für die Übereignung erforderliche Übergabe nach §§ 930 f. BGB durch ein Besitzkonstitut bzw. die Abtretung des Herausgabeanspruchs ersetzt wird, steht die Frage im Raum, ob damit auch die „Übergabe“ gem. § 446 S. 1 BGB als erfolgt gilt. Diese Frage stellt sich aber nur, wenn mit der Übereignung der Vertrag noch nicht vollständig erfüllt ist, weil noch weitere Leistungen wie die körperliche Übergabe der Kaufsache oder Nebenleistungen zu erbringen sind. Ist nämlich mit der Übereignung der Vertrag vollständig erfüllt, kann der Verkäufer ohnehin den Kaufpreis verlangen.550 Bei der Beantwortung der Frage, wie sich eine Übereignung gem. §§ 930 f. BGB auf die Gefahrtragung auswirkt, ist Richtschnur, dass der Gefahrübergang gem. § 446 S. 1 BGB ein schuldrechtliches und kein sachenrechtliches Phänomen ist.551 Daher können sachenrechtliche Wertungen nicht ohne weiteres herangezogen werden. Eine grammatische und systematische Auslegung von § 446 S. 1 BGB in der Zusammenschau mit §§ 433 Abs. 1 S. 1, 438 Abs. 2, 447 BGB ergibt, dass die Übergabe Komplementärpflicht zur Übereignung gem. § 433 Abs. 1 S. 1 BGB ist und von letzterer unterschieden werden muss: Wie der Vergleich mit § 438 Abs. 2 BGB, der auf die „Ablieferung“ der Sache abstellt, und § 447 Abs. 1 BGB, der auf die „Auslieferung“ Bezug nimmt, zeigt, kommt es bei der Übergabe i.S.v. § 446 S. 1 BGB nicht auf die Entlassung der Sache aus der Verfügungsgewalt des Verkäufers, sondern entscheidend auch auf die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache durch den Käufer an. Zudem schuldet der Verkäufer dem Käufer gem. § 433 Abs. 1 S. 1 BGB in Ermangelung einer abweichenden Vereinbarung die Übertragung unmittelbaren Besitzes an der Kaufsache.552 Die Übergabe betrifft keine eigentumsrechtlichen Aspekte, sondern ein „Geben“ im wörtlichen Sinne. Damit legt die grammatische und systematische Auslegung nahe, dass „Übergabe“ in § 446 S. 1 BGB die Übertragung des unmittelbaren Besitzes an der Kaufsache auf den Käufer bedeutet. 550 551 552
Vgl. Staudinger-Beckmann, § 446 Rn. 24; MüKo-Westermann, § 446 Rn. 7. Vgl. auch Soergel-Huber, § 446 Rn. 23. Bamberger/Roth-Faust, § 433 Rn. 33; MüKo-Westermann, § 433 Rn. 43.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
Von diesem Ausgangspunkt aus können sachenrechtliche Wertungen in den Blick genommen werden. Dabei muss beachtet werden, dass § 446 S. 1 BGB, wie soeben festgestellt wurde, nicht das Eigentum, sondern den Besitz betrifft. Im Recht des Besitzes ist das einzig mögliche Surrogat für die körperliche Übergabe einer Sache durch Übertragung der tatsächlichen Gewalt über sie (§ 854 Abs. 1 BGB) der Besitzerwerb durch Einigung gem. § 854 Abs. 2 BGB; dagegen stehen die Traditionssurrogate gem. § 930 f. BGB der Verschaffung unmittelbaren Besitzes nur zum Zwecke der Eigentumsübertragung gleich.553 § 854 Abs. 2 BGB verlangt zur Besitzübertragung an Sachen, über die der Erwerber ohne weiteres die tatsächliche Gewalt ausüben kann (wie etwa an einem frei zugänglichen Holzstoß im Wald), nur eine Einigung zwischen bisherigem und neuem Besitzer. Denn damit wird dem Erwerber unter Besitzaufgabe des Veräußerers umfassend die tatsächliche Gewalt über die Sache und somit der unmittelbare Besitz an ihr eingeräumt. Mit der Einräumung des unmittelbaren Besitzes an der Sache wird aber zugleich das Kriterium der „Übergabe“ in § 446 S. 1 BGB erfüllt. Unter dem Gesichtspunkt des § 854 Abs. 2 BGB ist daher beim Kauf von Sachen, über die der Käufer ohne gesonderte Mitwirkung des Verkäufers die tatsächliche Gewalt ausüben kann, anzunehmen, dass eine Einigung zwischen Verkäufer und Käufer über den Besitzübergang (§ 854 Abs. 2 BGB) auch die Übergabe i.S.v. § 446 S. 1 BGB bewirkt.554 Anders ist dies bzgl. der eigentumsrechtlichen Traditionssurrogate in §§ 930 f. BGB zu beurteilen: Mit der Begründung eines Besitzkonstituts (§ 930 BGB) oder der Abtretung eines Herausgabeanspruchs (§ 931 BGB) überträgt der Verkäufer dem Käufer nur den mittelbaren Besitz an der Kaufsache. Die Übertragung des mittelbaren Besitzes gem. §§ 868, 870 BGB ist vom Erwerb des unmittelbaren Besitzes gem. § 854 BGB zu unterscheiden. Weder dem Wortlaut des § 446 S. 1 BGB noch der Gesetzessystematik ist zu entnehmen, dass die Einräumung mittelbaren Besitzes für die Zwecke der Übergabe der Übertragung des unmittelbaren Besitzes gleichgestellt wird.555 553
Boettge, Die Gefahrtragung beim Mobiliarkauf im Falle der Übergabe der verkauften Sache durch die Traditionssurrogate der §§ 929 II, 930, 931 BGB, 1930, 56. 554 Vgl. Staudinger-Beckmann, § 446 Rn. 21; Bamberger/Roth-Faust, § 446 Rn. 6; Soergel-Huber, § 446 Rn. 14. Dagegen wollen Filios, Gefahrtragung beim Kauf, 1964, 63 und Hugo, Die Bedeutung des Eigentumsübergangs im Kaufrecht: Gefahrtragung, Erfüllungsklagen und versicherbares Interesse von Verkäufer und Käufer nach Uniform Sales Act, Uniform Commercial Code und deutschem Recht, 1969, 38 die Regel des § 446 S. 1 BGB in dieser Situation nur analog anwenden. 555 A.A. noch Crome, System des Deutschen Bürgerlichen Rechts, 1902, 416, Kisch, Wirkungen der nachträglichen Unmöglichkeit, 1900,62 und Titze, Unmöglichkeit der Leistung, 1900, 257, die im Rahmen von § 446 BGB den mittelbaren Besitz dem unmittelbaren Besitz gleichstellten.
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Vielmehr ist der Verkäufer gem. § 433 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich zur Einräumung des unmittelbaren Besitzes an den Käufer verpflichtet556 und § 446 S. 1 BGB nimmt auf die Erfüllung dieser Pflicht Bezug. Somit ist nach § 446 S. 1 BGB keine Surrogation der Einräumung unmittelbaren Besitzes durch Übertragung des mittelbaren Besitzes möglich. Nachdem § 446 S. 1 BGB gerade auf den Besitz an der Sache und nicht auf die Übertragung des Eigentums abstellt, besteht auch keine Rechtfertigung dafür, die Surrogation des unmittelbaren durch den mittelbaren Besitz in §§ 930 f. BGB auf § 446 S. 1 BGB zu übertragen.557 Somit genügt die Übertragung mittelbaren Besitzes auf den Käufer gem. §§ 930 f. BGB nicht den Erfordernissen einer „Übergabe“ i.S.v. § 446 S. 1 BGB. Das wird durch teleologische Erwägungen bestätigt: Unabhängig davon, ob man § 446 S. 1 BGB durch das Beherrschbarkeitsprinzip, das Synallagma oder durch eine Stellung des Käufers als wirtschaftlichen Eigentümer gerechtfertigt sieht,558 kommt dem Käufer die entsprechende Überwachungsmöglichkeit der Kaufsache, die Erfüllung seines Anspruchs aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB bzw. die Stellung als wirtschaftlicher Eigentümer grundsätzlich erst dann zu, wenn er den unmittelbaren Besitz über die Sache innehat und sich diese nicht mehr in der Sphäre eines Dritten befindet. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Parteien im Kaufvertrag eine abweichende Vereinbarung getroffen haben. Schuldet nämlich der Verkäufer nach dem Kaufvertrag in Abweichung von § 433 Abs. 1 S. 1 BGB ausnahmsweise nur die Einräumung mittelbaren Besitzes an den Käufer, wie etwa beim Verkauf einer bereits vermieteten Sache nach § 931 BGB oder im Rahmen einer Sale and lease back-Vereinbarung (§ 930 BGB), haben die Parteien die §§ 433 Abs. 1 S. 1, 446 S. 1 BGB dergestalt vertraglich modifiziert, dass der Gefahrübergang bereits mit der Verschaffung des mittelbaren Besitzes an den Käufer eintritt.559 Der Gefahrübergang findet dann schon bei Übertragung mittelbaren Besitzes aufgrund einer vertraglichen Modifikation von § 446
556
Bamberger/Roth-Faust, § 433 Rn. 33 MüKo-Westermann, § 433 Rn. 43. Vgl. auch Boettge, Gefahrtragung beim Mobiliarkauf 1930, 61 und 66 sowie Staudinger-Beckmann, § 446 Rn. 25. 558 Dazu eingehend unten in der Zwischenbilanz (iv.). 559 Vgl. Soergel-Huber, § 446 Rn. 17, 23. Genauso wohl auch Staudinger-Beckmann, § 446 Rn. 24 und MüKo-Westermann, § 446 Rn. 7. Filios, Gefahrtragung beim Kauf, 1964, 66 will in jedem Besitzkonstitut eine abweichende Vereinbarung zu § 446 S. 1 BGB aufgrund einer Änderung des Kaufvertrags sehen. Dies lässt freilich außer Acht, dass die dingliche Einigung im Rahmen von § 930 BGB nicht ohne weiteres schuldrechtliche Wirkungen hat. Zur Begründung solcher Wirkungen bedarf es vielmehr eines über den Inhalt von § 930 BGB hinaus gehenden Parteiwillens. 557
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S. 1 BGB statt. Deswegen bedarf es entgegen einer verbreiteten Ansicht hierfür keiner analogen Anwendung von § 446 S. 1 BGB.560 Fallen Übergabe und Übereignung auseinander, indem die Übereignung gem. §§ 930 f. BGB vor der körperlichen Übergabe erfolgt, geht die Gefahr also nur in zwei Situationen schon mit der Übereignung auf den Käufer über: erstens, wenn der Verkäufer in diesem Moment seine Vertragspflichten bereits vollständig erfüllt hat (§ 362 Abs. 1 BGB) und zweitens, wenn nach dem Vertrag der Verkäufer nur die Einräumung mittelbaren Besitzes an den Käufer schuldet und dadurch § 446 S. 1 BGB abbedungen wurde. I.Ü. genügt ein Übergabesurrogat gem. §§ 930 f. BGB dagegen nicht zur Bewirkung der Übergabe gem. § 446 S. 1 BGB; hierfür ist vielmehr die Übertragung unmittelbaren Besitzes erforderlich. Übergabe vor Übereignung Als Zweites soll die Konstellation beleuchtet werden, in der die Übergabe, also die Einräumung unmittelbaren Besitzes an den Käufer, schon vor Übereignung erfolgt. Das ist etwa der Fall, wenn sich der Verkäufer gegenüber dem Käufer das Eigentum an der Kaufsache bis zur nach dem Vertrag erst später fälligen Zahlung des Kaufpreises vorbehält, also die Übereignung gem. § 449 Abs. 1 BGB aufschiebend bedingt ist durch die vollständige Kaufpreiszahlung. In dieser Konstellation zeigt bereits die oben vorgenommene grammatische und systematische Auslegung von § 446 S. 1 BGB,561 dass die Gefahr nicht erst mit Übereignung, sondern bereits mit der Übertragung unmittelbaren Besitzes auf den Käufer übergeht. Denn § 446 S. 1 BGB stellt auf die Übergabe als Komplementärpflicht zur Übereignung und nicht auf die Erfüllung des Kaufvertrags ab. Gerade daher ist die Norm speziell zu § 326 Abs. 1 S. 1 BGB. Kurz nach Verabschiedung des BGB wurde allerdings verschiedentlich die Ansicht vertreten, dass § 446 S. 1 BGB bzw. § 446 Abs. 1 S. 1 BGB (1900) nur dann eingreife, wenn der Verkäufer mit der Übergabe auch die Übereignung der Kaufsache vornehme.562 Eine Ursache für das Aufkommen dieser in Wortlaut und Gesetzessystematik nicht angelegten Auffassung war der Umstand, dass man davon ausging, § 446 Abs. 1 S. 1 BGB (1900) sei nur eine Wiederholung des in § 323 Abs. 1 BGB (1900), der Vorgängernorm zu § 326 Abs. 1 S. 1 BGB, aufgestellten Grundsatzes,563 und sehe eine Preisgefahrtra560 Die Gegenansicht vertreten Filios, Gefahrtragung beim Kauf, 1964, 67; SoergelHuber, § 446 Rn. 17; Hugo, Bedeutung des Eigentumsübergangs im Kaufrecht, 1969, 41, 44. 561 Vgl. oben, Text bei Fn. 552. 562 Titze, Unmöglichkeit der Leistung, 1900, 256, Fn. 2 sowie Oertmann, Das Recht der Schuldverhältnisse, 2. Aufl. 1906, 343–344. 563 Heyer, Der Gefahrübergang im Falle des § 455 BGB, 1911.
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
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gung des Schuldners bis zur Erfüllung vor. Dies legt eine Stelle in den Motiven nahe, die besagt, dass die Gefahrtragungsnorm beim Kauf das Prinzip aus § 368 Abs. 1 E1, dem späteren § 323 Abs. 1 BGB (1900) für den Kaufvertrag besonders ausspreche.564 In den Ausführungen zur Gefahrtragung beim Kauf differenzieren die Motive allerdings durchaus zwischen der Übergabe und der Übereignung der Kaufsache und fordern letztere nicht für den Gefahrübergang an Mobilien.565 Daher kann aus der Passage zur Spezialität der kaufrechtlichen Gefahrtragung zu § 368 Abs. 1 E1 nicht ein Gesetzgeberwille abgeleitet werden, der den Gefahrübergang an das Eigentum knüpfen möchte.566 Vielmehr stehen Wortlaut und Systematik von § 446 S. 1 BGB dem entgegen. Dem folgte 1914 das Reichsgericht, indem es in einer Entscheidung zu einem Kaufvertrag mit Eigentumsvorbehalt § 446 Abs. 1 S. 1 BGB (1900) aus systematischen Gründen als Ausnahme zu § 323 Abs. 1 BGB (1900) einordnete und für den Gefahrübergang nur die Übergabe der Kaufsache zur Erfüllung des Kaufvertrags, nicht aber deren Übereignung verlangte.567 Dass die Gefahr bei Übergabe der Kaufsache vor deren Übereignung schon im Übergabezeitpunkt auf den Käufer übergeht, entspricht heute der ganz herrschenden Meinung zu § 446 S. 1 BGB.568 Damit führt 446 S. 1 BGB zu einem früheren Gefahrübergang als das englische Recht, wo dann, wenn sich der Verkäufer das Verfügungsrecht an der Kaufsache vorbehält, property und Gefahr erst bei Eintritt aller vom Verkäufer gestellten Bedingungen übergehen (s. 19(1) SGA 1979).569 Die Untersuchung der beiden Fallgruppen der Übereignung vor Übergabe und der Übergabe vor Übereignung hat gezeigt, dass die „Übergabe“ i.S.v. § 446 S. 1 BGB die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes ist, und dass der Gefahrübergang bei Besitzverschaffung unabhängig vom Eigentumsübergang erfolgt.
564
Motive, Band 2, 1888, 205. Motive, Band 2, 1888, 322–323. 566 Vgl. Filios, Gefahrtragung beim Kauf, 1964, 24–25, Fn. 5. 567 RGZ 85, 320, 321–322. In diesem Sinne zuvor bereits Heyer, Der Gefahrübergang im Falle des § 455 BGB, 1911, 27–36. Bestätigt durch RGZ 93, 330, 331: „Eigentumsübertragung und Gefahrtragung haben miteinander nichts zu tun.“ 568 BGH NJW 1968, 1929, 1932; BGHZ 138, 195, 207; Staudinger-Beckmann § 446 Rn. 19; Soergel-Huber § 446 Rn. 17; Larenz, Schuldrecht, Band II 1, 1986, 97; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 2009, 54; PWW-Schmidt § 446 Rn. 11; MüKo-Westermann § 449 Rn. 27. Vgl. auch bereits Boettge, Gefahrtragung beim Mobiliarkauf 1930, 38–47 und Wetzmüller, Uebergang der Gefahr, 1931, 57–59. 569 Das wird aber regelmäßig durch ein bailment abgemildert, vgl. oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 449. 565
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3. Kapitel: Deutsches Recht
iii. Übergabe zur Erfüllung Die den Gefahrübergang auslösende Übergabe i.S.v. § 446 S. 1 BGB muss schließlich zum Zweck der Erfüllung des Kaufvertrags erfolgen und nicht etwa zur einstweiligen Nutzung bis zum späteren Abschluss des Kaufvertrags.570 Denn nur dann wird gerade durch den Vollzug des Kaufvertrags das kaufrechtliche Rechtsfolgenregime zur Anwendung gebracht. Darüber hinaus ist nicht erforderlich, dass der Käufer bei der Übergabe die Sache als vertragsgemäß billigt. Ein solches Billigungselement wird teilweise aufgrund eines Negativschlusses aus dem Zurückweisungsrecht des Käufers bei mangelhafter Leistung (§ 266 BGB)571 als erforderlich angesehen, um die ab der Annahme geltende Beweislastverteilung bzgl. etwaiger Sachmängel zu Lasten des Käufers (§ 363 BGB) zu rechtfertigen.572 Die Argumentation mit § 363 BGB vermag indes nicht zu überzeugen, weil die Norm nicht an den Gefahrübergang, sondern an die Annahme als Erfüllung i.S.v. § 362 BGB anknüpft,573 die nicht identisch der den Gefahrübergang auslösenden Übergabe ist.574 Auch im Übrigen verfängt das Postulat eines Billigungserfordernisses nicht: Anders als im Werkvertragsrecht (§ 640 BGB) ist eine gesonderte Billigung der Sache durch den Käufer im Kaufrecht nicht vorgesehen. Insbesondere kann ein Billigungserfordernis nicht aus der Pflicht des Käufers zur tatsächlichen Abnahme der Kaufsache (§ 433 Abs. 2 BGB) hergeleitet werden, welche die Entlastung des Verkäufers von der Aufbewahrung der Ware bezweckt.575 Ebenso wenig ist ein Billigungserfordernis teleologisch und historisch überzeugend zu begründen, da der BGB-Gesetzgeber mit der Anknüpfung der Gefahr an den objektiven 570
RGZ 85, 320, 322; Staudinger-Beckmann, § 446 Rn. 19; Erman-Grunewald, § 446
Rn. 5. 571
Vgl. dazu nur Lorenz, NJW 2013, 1341–1345. Oechsler, Vertragliche Schuldverhältnisse, 2013, 75. 573 Vgl. nur MüKo-Fetzer, § 363 Rn. 3. 574 Unter Beachtung dieser Unterscheidung wird teils für den Übergangszeitpunkt vom allgemeinen Leistungsstörungsrecht auf das Gewährleistungsrecht (§ 437 BGB) nicht auf den Gefahrübergang, sondern auf den Moment der Annahme als Erfüllung abgestellt, so etwa Bamberger/Roth-Faust, § 446 Rn. 6 und Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, 4. Aufl. 2013, 82. Indes ist das mit dem Wortlaut von § 434 Abs. 1 BGB unvereinbar und schafft durch das subjektive Annahmeerfordernis Rechtsunsicherheit, vgl. dazu auch MüKo-Westermann, § 437 Rn. 6. Bachmann, AcP 211 (2011), 395–434, 411–425 geht noch weiter und eröffnet vorbehaltlich einer Feinsteuerung an den Einzelnormen den Anwendungsbereich des Gewährleistungsrechts schon ab Vertragsschluss, was freilich zu noch größerer Unsicherheit führt. Einen differenzierten, aber nicht weniger rechtsunsicheren Ansatz je nach Art von Mangel und jeweiligem Gewährleistungsrecht wählt Ernst, in: Baums/Wertenbruch, Festschrift für Ulrich Huber zum siebzigsten Geburtstag, 2006, 165–238, 194–197. 575 Vgl. RGZ 53, 161, 162; RGZ 56, 173, 178; RGZ 171, 297, 300. 572
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
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Übergabetatbestand zu Einfachheit und Klarheit des Gefahrübergangs beitragen wollte,576 was durch ein subjektives Billigungserfordernis konterkariert würde.577 Daher genügt im Rahmen von § 446 S. 1 BGB die tatsächliche Übergabe der Kaufsache zur Vertragserfüllung, um den Gefahrübergang auszulösen. Der Käufer kann den Gefahrübergang bei einer mangelhaften Sache nur verhindern, indem er diese gem. § 266 BGB zurückweist. iv. Zwischenbilanz zur ratio von § 446 S. 1 BGB Das Ergebnis, dass nur die Übertragung des unmittelbaren Besitzes an der Sache zur Erfüllung eines wirksamen Kaufvertrags den Übergang der Preisgefahr gem. § 446 S. 1 BGB auslöst, wird bestätigt durch die ratio dieser Gefahrübergangsnorm. Zur Bestimmung dieser ratio sei zunächst in Erinnerung gerufen, warum sich die Väter des BGB von periculum est emptoris abkehrten und das Traditionsprinzip kodifizierten: Die Gründe hierfür waren das synallagmatische Prinzip, die Rechtssicherheit und das Beherrschbarkeitsprinzip. Der Synallagmagedanke sprach gegen periculum est emptoris, weil diese den Käufer einseitig belastende Regel als Widerspruch zur Natur der vertragsgemäßen wechselseitigen Verbindlichkeiten empfunden wurde.578 Für das Traditionsprinzip stritt dessen geringere Komplexität im Vergleich zur Anknüpfung an die Perfektion des Kaufs und die damit verbundene Rechtssicherheit579 sowie das Beherrschbarkeitsprinzip, weil der Verkäufer nach Übergabe nicht mehr für die Sicherheit der Sache sorgen kann.580 Es stellt sich die Frage, ob das Traditionsprinzip gem. § 446 S. 1 BGB auch aus heutiger Perspektive durch die Gründe des Synallagmas, der Rechtssicherheit und der Beherrschbarkeit gerechtfertigt ist, welche die Verabschiedung der Norm bestimmt haben. Das synallagmatische Prinzip war zwar eine Rechtfertigung dafür, die Gefahr nicht schon mit Perfektion des Kaufvertrags auf den Käufer übergehen zu lassen, weil in diesem Moment außer beim Barkauf die Verkäuferpflichten noch unerfüllt sind. Dagegen folgt aus dem Synallagmagedanken keine Begründung für den Gefahrübergang gerade mit Übergabe; vielmehr wurde das synallagmatische Prinzip in der Anordnung der Schuldnergefahrtragung bis zur Erfüllung gem. § 323 Abs. 1 BGB (1900) (§ 326 Abs. 1 S. 1 BGB) umgesetzt. Daher ist § 446 S. 1 BGB eigentlich als Ausnahme zu dem in § 326 576
Protokoll der Sitzung der Ersten Kommission v. 22.9.1876 und Notiz Gebhards aus der Sitzung, Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse, Band 2, 1980, 78; Motive, Band 2, 1888, 206–207. 577 Vgl. auch Bachmann, AcP 211 (2011), 395–434, 402. 578 Vgl. oben, Text bei Fn. 506. 579 Vgl. oben, Text bei Fn. 507. 580 Vgl. oben, Text bei Fn. 515.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
Abs. 1 S. 1 BGB niedergelegten rein synallagmatischen Prinzip einzuordnen.581 Indes suchen manche die ratio auch von § 446 S. 1 BGB nichtsdestoweniger im Synallagmagedanken, indem sie den Erfüllungsbegriff modifizieren. Eine solche Modifikation ist die Annahme, das Traditionsprinzip sei deswegen durch das Synallagma gerechtfertigt, weil es inter partes lediglich auf die Aushändigung der Sache und nicht auf die nur gegenüber Dritten relevanten Eigentumsverhältnisse ankomme, so dass mit Besitzübergang der Vertrag inter partes bereits erfüllt sei.582 Der Gedanke der Vertragserfüllung inter partes weist Parallelen zum Übergang der property nach englischem Recht mit ihren primär im Innenverhältnis der Parteien angesiedelten Wirkungen auf.583 Die Anknüpfung der Gefahr an die property kann bei einem Erfüllungskonzept inter partes ebenfalls synallagmatisch gerechtfertigt werden. Eine andere Begründung des Gefahrübergangs mit dem Synallagmagedanken liegt in einer flexibleren Interpretation von § 446 S. 1 BGB und einer elastischeren Gestaltung des Erfüllungsbegriffs:584 In § 446 S. 1 BGB könne man zwar eine Vermutung sehen, dass „Übergabe“ Besitzverschaffung bedeute; im konkreten Fall sei aber nach der Interessenlage zu differenzieren und die den Gefahrübergang auslösende Leistungshandlung nach dem Gegenstand des Käuferinteresses zu bestimmen, das je nach Einzelfall Besitzverschaffung, Übereignung oder beides sein und in diesem Sinne als Erfüllung gelten könne.585 Diese Begründungen des Traditionsprinzips aus der Interessenlage der Parteien beruhen auf einer Abwägung: Ist das Hauptinteresse des Käufers im Verhältnis zum Verkäufer, das typischerweise auf Erlangung des unmittelbaren Besitzes an der Kaufsache zielt, befriedigt, soll der Käufer die Preisgefahr tragen. Indes ist nicht einsichtig, warum die Befriedigung dieses Interesses jenseits von § 362 Abs. 1 BGB als irgendwie geartete Erfüllung gelten soll, außer um den daran anknüpfenden Gefahrübergang mit dem Synallagmagedanken erklären zu können. Insofern ist die Modifikation des Erfüllungsbegriffs zur Erklärung von § 446 S. 1 BGB mit dem Synallagma zirkulär. Im Kontext der Begründung des Gefahrübergangs mit dem Synallagma steht auch die Idee, dass der Gefahrübergang mit Übergabe und nicht schon bei Vertragsschluss ein zusätzlicher Ansporn für den Verkäufer sei, nach 581
Vgl. NK-Büdenbender, § 446 Rn. 2; Erman-Grunewald, § 446 Rn. 1; SoergelHuber, § 446 Rn. 14; MüKo-Westermann § 446 Rn. 1. A.A. Heck, Grundriß des Schuldrechts, 1929, 259–260: Das Traditionsprinzip § 446 Abs. 1 S. 1 BGB (1900) entspreche dem in § 323 Abs. 1 BGB (1900) kodifizierten Synallagmagedanken. 582 Hager, Gefahrtragung beim Kauf, 1982, 68–69. 583 Vgl. oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 354–355. 584 Schilcher, JBl 1964, 395–412, 405–406. 585 Schilcher, JBl 1964, 395–412, 405–406.
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Vertragsschluss seine Erfüllungsbereitschaft zu erhalten.586 Gegen diesen Gedanken wird zwar eingewandt, dass der Verkäufer zur Erfüllungsbereitschaft auch noch durch das nach Gefahrübergang anwendbare Gewährleistungsrecht gezwungen werde, indem er für Sachmängel einstehen müsse, so dass es auf die Gefahrtragung hierfür nicht ankomme.587 Allerdings haftet der Verkäufer nach §§ 437, 434 BGB nur für die bei Gefahrübergang vorliegenden Sachmängel und nicht für Gefahren, die sich erst später realisieren. Daher kann die Tatsache, dass die Gefahr erst mit dem Besitz übergeht, durchaus ein Grund für den Verkäufer sein, die Sache vor der Übergabe noch besser gegen Gefahren zu schützen und insbesondere den Besitzübergang schneller herbeizuführen. Jenseits dieser etwaigen Verstärkungsfunktion für die Verkäuferpflichten ist aber bzgl. des Synallagmagedankens festzuhalten, dass die Erfüllung des Kaufvertrags erst mit Besitz- und Eigentumsübergang eintritt (§§ 433 Abs. 1 S. 1, 362 Abs. 1 BGB). Daher ist § 446 S. 1 BGB eine teilweise Durchbrechung des synallagmatischen Prinzips und kann seine ratio darin nicht finden. Das Beherrschbarkeitsprinzip bzw. der Sphärengedanke werden verbreitet als ratio von § 446 S. 1 BGB angesehen:588 Derjenige, der sich im Besitz der Sache befindet, könne diese am besten vor Untergang oder Beschädigung schützen. Dabei ist diese Möglichkeit der Abwendung von Gefahren aber nicht i.S.v. deren konkreter Vermeidbarkeit zu verstehen. Denn nach § 446 S. 1 BGB trägt der Käufer ja gerade die Gefahren des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung der Sache, also Risiken, deren Abwendung im konkreten Fall nicht in seinen Pflichtenkreis fällt.589 Versteht man das Beherrschbarkeitsprinzip im Sinne einer konkreten Abwendbarkeit der Gefahren und geht dabei davon aus, dass jeder vermeidbare Untergang der Kaufsache vom Inhaber der tatsächlichen Gewalt über sie zu vertreten ist590 586
Hofmann, Ueber das periculum beim Kaufe, 1870, 37: „Mit der Tradition die Gefahr übergehen zu lassen, dafür spricht auch die praktische Erwägung, dass der Verkäufer dann ein stärkeres Compelle hat, alle Sorgfalt anzuwenden, damit ihm die Erfüllung des Vertrags nicht unmöglich wird.“ 587 Vgl. Schilcher, JBl 1964, 395–412, 399. 588 Staudinger-Beckmann, § 446 Rn. 9; Hager, Gefahrtragung beim Kauf, 1982, 71–72; Soergel-Huber, § 446 Rn. 17; Hugo, Bedeutung des Eigentumsübergangs im Kaufrecht, 1969, 36–37; Koller, Risikozurechnung, 1979, 153–155, 302–306 (Kombination von Veranlassungs- und Beherrschbarkeitsgedanken); Rabel, Das Recht des Warenkaufs, Band 2, 1958, 303 (Anknüpfung an die Möglichkeit der Obhut über die Sache); MüKoWestermann, § 446 Rn. 1. 589 Vgl. auch Beitzke, MDR 1947, 281–283, 281 590 Reinhardt, Gefahrtragung beim Kauf, 1998, 58. A.A. aber etwa Schilcher, JBl 1964, 395–412, 400: „Gefahr“ umfasse sowohl höhere Gewalt als auch konkret „bewachbare“ Risiken, deren Verwirklichung zwar vermeidbar ist, aber deren Nichtvermeidung nicht zu vertreten ist.
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und daher nicht unter § 446 S. 1 BGB fällt, ist das Beherrschbarkeitsprinzip in der Tat zur Erklärung von § 446 S. 1 BGB ungeeignet.591 Zu einer Begründung von § 446 S. 1 BGB kommt man jedoch, indem man von einem abstrakten Konzept von Beherrschbarkeit ausgeht und infolgedessen nicht auf die konkrete Vermeidbarkeit bestimmter Gefahren für die Sache abstellt, sondern darauf, aus wessen Organisationssphäre die Gefahren für die Sache grundsätzlich stammen.592 Demjenigen, der diese Sphäre beherrscht, wird dann die Gefahr zugewiesen. Diese Risikozuweisung nach dem Prinzip der abstrakten Beherrschbarkeit hat auch einen steuernden Aspekt im Sinne einer Risikovermeidung: Die mit den Risiken belastete Person wird nämlich vernünftigerweise im Wege einer wirtschaftlichen Entscheidung in dem Maße Anstrengungen zur Abwendung von deren Realisation unternehmen, in dem die dafür erforderlichen Kosten niedriger sind als die infolge der Risikorealisation zu erwartenden Nachteile.593 Dass ein Ereignis Realisierung der Gefahr des zufälligen Untergangs ist, schließt dessen abstrakte Beherrschbarkeit in diesem Sinne nicht aus. Bei der Abwicklung eines Kaufvertrags bedeutet das: Solange sich die Sache noch im Organisationsbereich des Verkäufers befindet, wirken auf sie die Gefahren aus diesem Bereich ein, in dem der Verkäufer einen Beherrschbarkeitsvorsprung gegenüber dem Käufer hat.594 Das ändert sich ab der Übergabe, weil die Sache dann Gefahren aus dem Bereich des Käufers ausgesetzt ist, die dieser in der Regel ebenso gut oder besser als der Verkäufer beherrschen kann.595 Daher rechtfertigt das Prinzip der abstrakten Beherrschbarkeit den Gefahrübergang mit Übergabe der Kaufsache. Die Zuordnung der Risiken zu den Organisationsbereichen der Parteien erfolgt nämlich anhand des Innehabens der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die Sache und nicht anhand des Eigentums an ihr. Auf die tatsächliche Verfügungsgewalt stellt wiederum das Kriterium der Übergabe ab. Unerklärbar durch dieses Prinzip bleibt aber die Zuordnung gänzlich unvorhersehbarer und daher evident unbeherrschbarer Risiken durch § 446 S. 1 BGB.596 Denn diese Risiken wurzeln nicht in der Sphäre einer der Partei-
591 592
78–89.
So Reinhardt, Gefahrtragung beim Kauf, 1998, 63. Zum Prinzip der abstrakten Beherrschbarkeit vgl. Koller, Risikozurechnung, 1979,
593 Vgl. Koller, Risikozurechnung, 1979, 80. Zu den Auswirkungen von Risikozuordnung durch Haftung auf die Risikovermeidung vgl. Posner, J. Legal Stud. 2 (1973), 205– 221, 210–211. 594 Vgl. Koller, Risikozurechnung, 1979, 154. 595 Vgl. Koller, Risikozurechnung, 1979, 154. 596 Vgl. Koller, Risikozurechnung, 1979, 88–89.
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
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en, sondern bedrohen die Vertragsdurchführung von außen.597 Die Zuordnung solcher Risiken kann teilweise durch einen Absorptionsgedanken in dem Sinn gerechtfertigt werden, dass diese unbeherrschbaren Risiken von der Partei, in deren Organisationsbereich sich die Sache befindet, in der Regel besser versichert werden können.598 Neben dem abstrakten Beherrschbarkeitsprinzip haben auch Einfachheit bzw. Rechtssicherheit weiterhin als Begründung des Traditionsprinzips Geltung: Zwar können solche Praktikabilitätserwägungen die in § 446 S. 1 BGB getroffene Zurechnungsentscheidung nicht allein rechtfertigen. Dennoch können sie eine zusätzliche argumentative Stütze für das Traditionsprinzip sein: Denn mit der Anknüpfung der Gefahr an den unmittelbaren Besitz an der Sache stellt § 446 S. 1 BGB auf ein äußeres und daher leicht feststellbares Kriterium ab.599 Insofern ist die Norm aus anwendungsbezogener Perspektive einer Anknüpfung an die normativen Kriterien Eigentum oder Vertragsschluss überlegen. Während das synallagmatische Prinzip als ratio gerade für das Traditionsprinzip ungeeignet ist, sind das abstrakte Beherrschbarkeitsprinzip und die Rechtssicherheit valide Begründungen dafür. Neben diesen schon bei Verabschiedung des BGB tragenden Gründen wurde auch eine Begründung von § 446 S. 1 BGB mit dem Prinzip casum sentit dominus vorgeschlagen. Zu einer Erklärung des Traditionsprinzips mit der Eigentümergefahrtragung gelangt man, indem man die juristische Zuordnung der Kaufsache von deren wirtschaftlicher Zuordnung trennt („wirtschaftliches Eigentum“)600 und beim Kauf ab der Übergabe der Sache den Käufer als deren wirtschaftlichen Eigentümer betrachtet. Dies wird damit begründet, dass ab der Übergabe zwischen den Parteien das Eigentumsrecht hinter das gem. § 986 Abs. 2 BGB dinglich geschützte Recht des Käufers aus dem Kaufvertrag zurücktrete.601 Dem Käufer kämen fortan sowohl die Wertsteigerungen der Kaufsache als auch deren Nutzungen zu, so dass das rechtliche Eigentum des Verkäufers an der Kaufsache nur noch eine „leere Hülse“ sei, die in der Regel lediglich der Sicherung des Kaufpreisanspruchs diene;602 mit der Übergabe sei der wirtschaftli-
597 Die Realisierung eines solchen Risikos von außen ist etwa die Unmöglichkeit der Vertragsdurchführung wegen eines Embargos. 598 Zum Absorptionsprinzip vgl. Koller, Risikozurechnung, 1979, 89–95. 599 Vgl. Hager, Gefahrtragung beim Kauf, 1982, 72. 600 Reinhardt, Gefahrtragung beim Kauf, 1998, 74–76. 601 Reinhardt, Gefahrtragung beim Kauf, 1998, 87–88. 602 Reinhardt, in: Sutschet, Tradition und Moderne – Schuldrecht und Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform: Festschrift für Horst Ehmann zum 70. Geburtstag, 2005, 135–151, 139–140.
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che Erfolg des Kaufs bereits eingetreten.603 Daher habe der Käufer als wirtschaftlicher Eigentümer der Kaufsache nach dem Prinzip casum sentit dominus auch die wirtschaftlichen Nachteile aus deren Verlust oder Verschlechterung zu tragen.604 Diese Argumentation weist Parallelen zur Harmonisierung von periculum est emptoris und casum sentit dominus mit der starken Käuferstellung ab Perfektion des Kaufs auf.605 Der Gedanke der starken Käuferstellung ab Übergabe ist eine mögliche ratio für § 446 S. 1 BGB, überschneidet sich aber mit der synallagmatischen Begründung. Denn die Konzentration auf den Besitz als im Verhältnis der Parteien relevanten Faktor entspricht dem Konzept der Erfüllung inter partes im Kontext des modifizierten Erfüllungsbegriffs. Ein zusätzliches Argument liegt in der Begünstigung des Käufers durch Wertsteigerungen und Nutzungen der Kaufsache. Indes leuchtet nicht ein, warum die starke Käuferstellung ab der Übergabe mit dem Begriff „wirtschaftliches Eigentum“ aufgeladen wird, nur um dann § 446 S. 1 BGB mit dem Prinzip casum sentit dominus rechtfertigen zu können. Das erscheint ebenso zirkulär wie die Modifikation des Erfüllungsbegriffs, um § 446 S. 1 BGB mit dem Synallagma begründen zu können. Hinzu kommt, dass casum sentit dominus per se keine Rechtfertigung für eine Gefahrzuweisung ist, sondern auch der Verbleib des Zufallsrisikos beim Eigentümer rechtfertigungsbedürftig ist.606 Im Prinzip casum sentit dominus liegt daher keine ratio für § 446 S. 1 BGB.607 § 446 S. 1 BGB ist also noch heute durch zwei Argumente aus dem Kreis der Motive für die Kodifikation des Traditionsprinzips im BGB gerechtfertigt: erstens durch das Beherrschbarkeitsprinzip in einem abstrakten Sinn und zweitens durch Einfachheit und Rechtssicherheit. Aus dem synallagmatischen Prinzip und aus casum sentit dominus kann dagegen keine hinreichende Begründung gerade für das Traditionsprinzip abgeleitet werden, wenn auch die Befriedigung eines maßgeblichen Käuferinteresses durch die Übergabe, deren Relevanz inter partes und die starke Stellung des besitzenden Käufers einzel603
Reinhardt, Gefahrtragung beim Kauf, 1998, 90. In diesem Sinne auch StaudingerBeckmann § 446 Rn. 9 sowie Larenz, Schuldrecht, Band II 1, 1986, 97. 604 Reinhardt, Gefahrtragung beim Kauf, 1998, 91; Reinhardt, in: Sutschet, Tradition und Moderne – Schuldrecht und Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform: Festschrift für Horst Ehmann zum 70. Geburtstag, 2005, 135–151, 140. 605 Vgl. dazu oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 314–319. Diese Parallele anerkennt auch Reinhardt, Gefahrtragung beim Kauf, 1998, 93. 606 Eine solche Rechtfertigung nimmt Reinhardt, Gefahrtragung beim Kauf, 1998, 68–70 und 82–85 für die jeweiligen Schuldverhältnisse vor, in denen der Grundsatz gilt. Daraus folgt aber noch kein allgemeiner Geltungsgrund für die Regel. 607 Ebenfalls gegen die Begründung von § 446 S. 1 BGB mit casum sentit dominus, allerdings wegen der Anknüpfung der Norm gerade an das Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz MüKo-Westermann, § 446 Rn. 1.
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
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ne das Traditionsprinzip stützende Argumente darstellen. Ein weiteres Argument für § 446 S. 1 BGB ist die Verstärkungsfunktion des Traditionsprinzips für die Verkäuferpflichten bis zur Übergabe. Auch unter Einbeziehung all dieser Gründe kann aber keine ratio für § 446 S. 1 BGB gefunden werden, welche die Zuordnung aller von der Norm erfasster Risiken und damit auch völlig unbeherrschbarer Gefahren erklärt. Angesichts dessen, dass das abstrakte Beherrschbarkeitsprinzip die große Fallgruppe der Zuweisung von Risiken erklärt, die dem Organisationsbereich der besitzenden Vertragspartei zuzuordnen sind, ist es aber in Hinblick auf die Rechtssicherheit und den Absorptionsgedanken gerechtfertigt, aufgrund einer typisierenden Betrachtung der unmittelbar besitzenden Partei alle Zufallsrisiken aufzubürden. Diese ratio der Risikozuordnung bestätigt die Auslegung von § 446 S. 1 BGB dahingehend, dass nur eine Übertragung des unmittelbaren Besitzes an der Sache zur Erfüllung eines wirksamen Kaufvertrags den Gefahrübergang auslöst: Die Existenz eines wirksamen Kaufvertrags bringt nämlich überhaupt erst die Organisationsbereiche der Parteien in ihren Rollen als Verkäufer und Käufer vor dem Hintergrund ihrer Pflichtenkreise zur Entstehung. Die Anknüpfung an den unmittelbaren Besitz ermöglicht die Abgrenzung dieser Organisationsbereiche anhand der tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache, welche anhand des mittelbaren Besitzes nicht genauso deutlich erfolgen könnte. Schließlich löst erst die Besitzübertragung zur Erfüllung des Kaufvertrags die Zuordnung der Sache zum Organisationsbereich des Gläubigers gerade in seiner Rolle als Käufer aus. bb) Transport der Sache zum Käufer Zu untersuchen ist, ob die zu § 446 S. 1 BGB herausgearbeitete ratio der Gefahrtragung auch gilt, wenn die Kaufsache nicht am Sitz des Verkäufers an den Käufer übergeben wird, was etwa im Internethandel regelmäßig der Fall ist. Haben sich die Parteien des Spezieskaufs geeinigt, dass die Sache zum Käufer transportiert werden soll, dass also Erfolgsort der Verpflichtung des Verkäufers aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB der Sitz des Käufers ist, kommt es für die Gefahrtragung darauf an, ob nach dem Vertrag der Leistungsort der Verpflichtung der Sitz des Verkäufers oder ebenfalls der des Käufers ist. i. Bringschuld Sollen nach dem Vertrag Erfolgsort und Leistungsort für die Pflicht des Verkäufers zur Übergabe aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB am Sitz des Käufers liegen, ist diese Verpflichtung eine Bringschuld.608 Dann ergeben sich keine Besonderheiten bzgl. des Gefahrübergangs: Die Kaufsache geht am Sitz des Käu608
Vgl. nur Bamberger/Roth-Unberath, § 269 Rn. 4.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
fers direkt aus dem Besitz des Verkäufers in den Besitz des Käufers über. Daher erfolgt der Gefahrübergang gem. § 446 S. 1 BGB erst nach dem Transport der Kaufsache durch den Verkäufer zum Sitz des Käufers im Moment der Übergabe, wenn dann nicht schon der gesamte Vertrag nach § 362 Abs. 1 BGB erfüllt ist. Nachdem der Verkäufer bei der Bringschuld selbst zum Transport der Kaufsache verpflichtet ist und der Transport somit seinem Organisationsbereich zuzuordnen ist, kann diese Verteilung der Gefahr zwischen den Parteien ebenfalls durch das Prinzip der abstrakten Beherrschbarkeit gerechtfertigt werden. Indes wird eine Bringschuld nur selten vereinbart und nach § 269 Abs. 1 BGB ist Leistungsort für die Verpflichtung des Verkäufers aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB im Zweifel dessen Sitz und nicht der Sitz des Käufers. Allein die Vereinbarung, dass der Verkäufer die Sache auf seine Kosten versendet, ändert daran nichts, § 269 Abs. 3 BGB.609 Um zu einer Bringschuld zu kommen, müssen die Parteien sich also nicht nur über eine Versendung auf Kosten des Verkäufers einigen, sondern festlegen, dass Leistungsort für die Übergabepflicht des Verkäufers der Sitz des Käufers ist,610 etwa durch Vereinbarung, dass der Verkäufer die Kaufsache selbst transportieren soll. Eine solche Vereinbarung wird selten getroffen.611 ii. Versendungskauf Meistens wird demnach eine Schickschuld vorliegen, weil zwar der Erfolgsort der Übergabeverpflichtung des Verkäufers am Sitz des Käufers liegt, der Leistungsort aber gem. § 269 Abs. 1 BGB der Sitz des Verkäufers ist.612 Dann ergibt sich aus der Perspektive des abstrakten Beherrschbarkeitsprinzips ein Problem: Weil der Leistungsort für die Übergabeverpflichtung am Sitz des Verkäufers liegt, fällt zwar die Versendung, nicht aber der Transport
609
Vgl. auch BGH NJW 2003, 3341, 3342 und BGH NJW 2014, 454, 455. Vgl. nur Soergel-Huber, § 447 Rn.14. Hierfür trägt der Käufer die Beweislast, wenn er die ihm günstige Transportverpflichtung des Verkäufers oder den Gefahrübergang erst mit Übergabe der Sache an seinem Sitz geltend macht, vgl. BGH NJW 2003, 3341, 3342. Beruft sich allerdings der Verkäufer auf Erfüllung der Leistungspflichten (nur) einer Schickschuld, so muss er nachweisen, dass keine Bringschuld vereinbart wurde, weil ihm diese Tatsache günstig ist, OLG Schleswig 3 U 105/09, BeckRS 2011, 05186. 611 Eine Fallgruppe, in der in der Regel von einer Bringschuld auszugehen ist, sind allerdings die sog. „Zuschickungskäufe des täglichen Lebens“ wie etwa Heizöllieferungen, Staudinger-Beckmann, § 447 Rn. 12. 612 Dies kommt in der Parömie „im Zweifel Schickschuld“ zum Ausdruck, die nur im Verhältnis zur Bring- und nicht zur Holschuld Sinn ergibt, vgl. hierzu Wertenbruch, JuS 2003, 625–633, 625. So ist auch BGHZ 113, 106, 111 („Warenschulden im Handelsverkehr sind […] im Zweifel Schickschulden.“) zu lesen. 610
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
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in seinen Pflichtenbereich.613 Daher geht die Sache nicht direkt aus der Organisationssphäre des Verkäufers in die des Käufers über, sondern befindet sich zwischenzeitlich in der Sphäre eines Dritten, des Transporteurs. In diesem Bereich können weder der Verkäufer noch der Käufer die Gefahren für die Sache beherrschen.614 Daher wäre die Zuweisung der Gefahr an den Verkäufer bis zur Besitzerlangung des Käufers gem. § 446 S. 1 BGB nicht mehr aus Beherrschbarkeitsgründen gerechtfertigt. Dieses Problem spricht § 447 Abs. 1 BGB an. Die Norm gilt gerade dann, wenn Leistungs- und Erfolgsort der Verpflichtung des Verkäufers auseinanderfallen. In diesem Sinne ist „Versendung nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort“ gem. § 447 Abs. 1 BGB zu verstehen.615 Die Versendung muss auf einem „Verlangen des Käufers“ beruhen, es muss also entweder von vornherein Versendung vereinbart gewesen sein oder der Käufer muss bei einer Holschuld im Nachhinein darum gebeten haben; dagegen gilt § 447 Abs. 1 BGB nicht bei einer eigenmächtigen Versandaktion des Verkäufers.616 Nachdem das Problem der „Lücke“ zwischen den Organisationssphären von Käufer und Verkäufer unabhängig davon auftritt, ob deren Sitze in derselben Gemeinde liegen oder nicht (man denke an eine Gemeinde der Größe Münchens), liegt eine „Versendung nach einen anderen Ort als dem Erfüllungsort“ auch beim Platzgeschäft vor. § 447 Abs. 1 BGB ist also auch dann anzuwenden, wenn der Verkäufer die Sache an den Käufer innerhalb derselben Gemeinde versendet.617 Dabei regelt § 447 Abs. 1 BGB die Gefahrtragung aber nur auf dem Weg zwischen Verkäufer und Käufer, der den Parteien bei Ver613
Vgl. auch Reinhardt, in: Sutschet, Tradition und Moderne – Schuldrecht und Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform: Festschrift für Horst Ehmann zum 70. Geburtstag, 2005, 135–151, 141: „[Der Verkäufer] hat die Versendung herbei-, nicht durchzuführen.“ 614 Anders DiskE SMG, 4.8.2000, 440–442 sowie bereits 1992 Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Abschlußbericht, 1992, 235, die von einer besseren Beherrschbarkeit durch den Verkäufer ausgehen, vgl. oben, Text bei Fn. 517–519. 615 BGH NJW 2003, 3341, 3342; dazu Lorenz, JuS 2004, 105–107 und ZGS 2003, 421–423. Vgl. daneben nur Soergel-Huber, § 447 Rn. 15. 616 Vgl. Staudinger-Beckmann, § 447 Rn. 18–19. 617 Ebenfalls für direkte Anwendung von § 447 Abs. 1 BGB: Staudinger-Beckmann, § 447 Rn. 11; Bamberger/Roth-Faust, § 447 Rn. 6; Hager, Gefahrtragung beim Kauf, 1982, 86; PKK-Schmidt, § 447 Rn. 9; Wertenbruch, JuS 2003, 625–633, 628; PalandtWeidenkaff, § 447 Rn. 12; MüKo-Westermann, § 447 Rn. 7 (unter Berufung u.a. auf die Bedingungen des innerstädtischen Verkehrs). Für analoge Anwendung Larenz, Schuldrecht, Band II 1, 1986, 103 sowie Medicus/Lorenz, Schuldrecht II. Besonderer Teil, 17. Aufl. 2014, Rn. 53. Einschränkend Erman-Grunewald, § 447 Rn. 6 (nur, wenn Leistungs- und Erfüllungsort weit genug auseinander liegen). A.A. Soergel-Huber § 447 Rn. 24 sowie wohl ähnlich Jauernig-Berger § 447 Rn. 6: Beim Platzgeschäft seien grundsätzlich nur Hol- oder Bringschuld denkbar.
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tragsschluss vor Augen stand, wobei sie das entsprechende Transportrisiko überblicken konnten. Deswegen gilt die Norm nicht, wenn der Verkäufer von sich aus die Sache nicht von seinem Sitz, sondern von einem dritten Ort aus an den Käufer sendet oder senden lässt, was insbesondere beim Streckengeschäft vorkommt. Der Transport von einem dritten Ort ist nur von § 447 Abs. 1 BGB erfasst, wenn der Transportweg im Vertrag vorgesehen ist oder der Transport sonst mit Einverständnis des Käufers erfolgt.618 Fallen also Leistungs- und Erfolgsort der Verkäuferverpflichtung auseinander, geht gem. § 447 Abs. 1 BGB die Gefahr auf den Käufer über, wenn der Verkäufer die Sache dem Transporteur ausliefert. Diese „Auslieferung“ erfolgt, indem der Verkäufer dem Beförderer die Sache physisch zum Transport übergibt.619 Nach Auslieferung weist § 447 Abs. 1 BGB dem Käufer jegliche Gefahr zu und nicht nur die spezifischen Transportrisiken.620 Dennoch heißt es bisweilen, dass die Norm dem Käufer die „Transportgefahr“ aufbürde.621 Dies beruht auf einem historischen und einem historischpraktischen Grund. Der historische Grund ist, dass in der Vorbildnorm für § 447 Abs. 1 BGB,622 Art. 345 ADHGB (1869), von der „Gefahr, von welcher die Ware auf dem Transport betroffen wird“ die Rede war und unter Bezugnahme hierauf in der Rechtsprechung zu § 447 Abs. 1 BGB der Begriff „Transportgefahr“ entwickelt wurde.623 Der historisch-praktische Grund ist, dass man im Kontext der Weltkriege in Fällen, in denen die Kaufsache auf dem Transport wegen eines erst nach der Absendung entstandenen Grundes beschlagnahmt wurde, zu einer Gefahrtragung des Verkäufers kommen wollte, indem man diese Fälle aus dem Konzept der „Transportgefahr“ ausnahm.624 Angesichts dessen, dass der Begriff der Transportgefahr v.a. diese Konstellationen ausnimmt und ansonsten denkbar weit ist, indem er insbe618 RGZ 111, 23, 25; BGH NJW 1965, 1324, 1324–1325; BGHZ 113, 106, 110; Staudinger-Beckmann, § 447 Rn. 15; Erman-Grunewald § 447 Rn. 5; PKK-Schmidt, § 447 Rn. 8; Palandt-Weidenkaff, § 447 Rn. 13; MüKo-Westermann, § 447 Rn. 5. A.A. weil die Sache mit Versendung den Verantwortungsbereich des Verkäufers verlassen habe Wertenbruch, JuS 2003, 625–633, 627. 619 Vgl. nur Staudinger-Beckmann, § 447 Rn. 20. 620 Staudinger-Beckmann, § 447 Rn. 26; Bamberger/Roth-Faust, § 447 Rn. 21; Hager, Gefahrtragung beim Kauf, 1982, 247; MüKo-Westermann, § 447 Rn. 19. 621 BGHZ 113, 106, 111. Vgl. auch BGH NJW 1965, 1324; Erman-Grunewald, § 447 Rn. 12; Palandt-Weidenkaff § 447 Rn. 15. 622 Vgl. Protokoll der Sitzung der Ersten Kommission vom 25.9.1876, Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Recht der Schuldverhältnisse, Band 2, 1980, 80; Motive, Band 2, 1888, 327. 623 RGZ 93, 330, 332. Vgl. Soergel-Huber, v. § 446 Rn. 19. 624 RGZ 114, 405, 407. Kritisch zu dieser Rspr. Beitzke, MDR 1947, 281–283, 282 sowie Soergel-Huber, § 447 Rn. 67 (eigentlich liege in dieser Situation ein Rechtsmangel wegen einer öffentlich-rechtlichen Belastung des Eigentums vor).
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sondere Verluste während des Transports durch höhere Gewalt erfasst,625 ist es kaum relevant, ob man im Kontext von § 447 Abs. 1 BGB von „Transportgefahr“ oder „Gefahr“ spricht. Nachdem aber im Gesetz keine Beschränkung des Gefahrbegriffs angelegt ist und § 447 Abs. 1 BGB darauf reagiert, dass die körperliche Übergabe der Sache wegen der Versendung hinausgezögert wird626 bzw. dass die Sache schon vor Besitzerlangung durch den Käufer den Organisationsbereich des Verkäufers verlässt, ist richtigerweise davon auszugehen, dass § 447 Abs. 1 BGB dem Käufer die Gefahr im umfassenden Sinne und nicht nur die Transportgefahr zuweist. Damit gilt eine andere Gefahrtragung als im englischen Recht, wo bei einem grundsätzlich noch auf Gefahr des Verkäufers erfolgenden Transport gem. s. 33(1) SGA 1979 dem Käufer nur die notwendigen Transportrisiken zugewiesen werden.627 Wie gezeigt wurde, wäre beim Versendungskauf ein Gefahrübergang erst mit Besitzergreifung des Käufers gem. § 446 S. 1 BGB wegen der Lücke zwischen den Sphären von Verkäufer und Käufer nicht durch das Beherrschbarkeitsprinzip gerechtfertigt. Das wirft die Frage auf, wie die Gefahrzuweisung an den Käufer ab Auslieferung an den Transporteur gem. § 447 Abs. 1 BGB begründbar ist. Das Beherrschbarkeitsprinzip ist nicht ohne weiteres zur Begründung von § 447 Abs. 1 BGB geeignet: Die Kaufsache befindet sich ab Auslieferung an den Transporteur weder im Organisationsbereich des Verkäufers noch des Käufers, sondern in einem vom Transporteur als Drittem beherrschten Bereich. Dennoch könnte man zu einer Gefahrzuweisung aufgrund abstrakter Beherrschbarkeit kommen, indem man auf Aspekte außerhalb des eigentlichen Transports abstellt. So kann man in den Blick nehmen, dass zwar nicht der Transport, wohl aber die Versendung der Ware und insbesondere die Wahl des Transporteurs typischerweise in den Herrschaftsbereich des Verkäufers fallen, so dass dieser die Sache am besten vor Schäden während des Transports schützen könnte.628 Damit käme man zu einer Transportgefahrtragung des Verkäufers. Dies lässt aber außer Acht, dass der Verkäufer nur die Versendung und nicht den Transport schuldet, und deswegen solche Risiken, die nicht auf einer fehlerhaften Versendung oder einer fehlerhaften Auswahl des Transporteurs (sondern z.B. auf Organisationsverschulden des Transportbetriebs) beruhen,629 sondern Ausprägungen des Zufallsrisikos während des Transports 625
Vgl. nur Erman-Grunewald, § 447 Rn. 12 und Soergel-Huber, § 446 Rn. 66. Larenz, Schuldrecht, Band II 1, 1986, 102. 627 Vgl. oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 459. 628 Hager, Gefahrtragung beim Kauf, 1982, 106. 629 Solche Risiken sind nicht Gefahr, sondern resultieren aus Nebenpflichtverletzungen des Verkäufers, für die dieser bei Vertretenmüssen gem. § 280 Abs. 1 BGB haftet. Hinsichtlich endgültig eingetretener Integritätsschäden ergibt sich die Haftung direkt aus § 280 626
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3. Kapitel: Deutsches Recht
sind, nicht besser beherrschen kann als der Käufer. Alternativ könnte man auf die Deckung der Transportrisiken abstellen. So betont Koller, dass ein Verkäufer, der dem Käufer nur die unmittelbaren Transportkosten in Rechnung stellt, gar keine Deckung für die Risiken des Transports erhält, und dass ein Verkäufer, der zu Frankopreisen liefert, die je nach Transportstrecke unterschiedlichen und deswegen heterogenen Risiken nur sehr schwer und meist unzureichend in den Kaufpreis einkalkulieren kann.630 Weil die Risikodeckung für den Verkäufer daher meist unvollständig sei, müsse die Transportgefahr aufgrund des Prinzips der abstrakten Beherrschbarkeit dem Käufer zukommen.631 Diese Argumentation kann aber nicht überzeugen, weil sie nicht berücksichtigt, dass der Verkäufer u.U. gerade deswegen dem Käufer nur die unmittelbaren Transportkosten in Rechnung stellt oder zu Frankopreisen liefert, weil er nach dem Gesetz nicht die Transportgefahr trägt und nur die ihm zugewiesenen Risiken zu decken bestrebt ist. Insofern enthält diese Begründung ein zirkuläres Element. Insgesamt ist das Prinzip der Beherrschbarkeit deshalb nicht zur Erklärung von § 447 Abs. 1 BGB geeignet. Mit der Risikodeckung argumentieren auch diejenigen, die dem Verkäufer die Transportgefahr mit dem Absorptionsargument aufbürden: Wegen der größeren Zahl der versicherten Fälle seien die Transaktionskosten einer Versicherung für den Verkäufer niedriger als für den Käufer.632 Aus diesem Grund sei nach dem cheapest-insurer-Argument dem Verkäufer die Transportgefahr zuzuweisen.633 Dieses Argument, das gegen § 447 Abs. 1 BGB spricht und ein Grund für die Verkäufergefahrtragung beim VerbrauchsgüterVersendungskauf in § 474 Abs. 2 BGB (2002) ist,634 ist ein ökonomisches.635 Daher ist es von den Bedingungen des Marktes abhängig, im Rahmen derer es ebenso vorstellbar ist, dass bei einer generellen Käufergefahrtragung während des Transports und daher zahlreich abgeschlossenen Käuferversicherungen auch deren Bedingungen günstiger werden. Zudem kann man das Argument der Versicherbarkeit auch in die andere Richtung verwenden: Nur der Käufer weiß, was ihm die Sache wirklich wert ist und kann sich dabei bei der VersiAbs. 1 BGB, bzgl. des durch das Ausbleiben der vollständigen Hauptleistung beim Käufer und durch eine Leistung zum letztmöglichen Zeitpunkt daher noch behebbare Schäden ist die Anspruchsgrundlage §§ 280 Abs. 1, 3, 281 bzw. 283 BGB, vgl. insbes. Stieper, AcP 208 (2008), 818–846, 830–833. 630 Koller, Risikozurechnung, 1979, 174–175. 631 Koller, Risikozurechnung, 1979, 175–176, z.T. einschränkend wegen heutiger Transportbedingungen. 632 Vgl. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, 517. 633 Borges, DB 2004, 1815–1818, 1817. 634 BT-Drucks. 14–6040, 243. 635 Vgl. Patterson, Colum. L. Rev. 24 (1924), 335–359, 346.
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cherung des Transportrisikos orientieren. Dagegen kann der Verkäufer die Sache nur pauschal versichern, was deren subjektivem Wert für den Käufer meist nicht entsprechen wird. Das Absorptionsargument spricht daher im konkreten wirtschaftlichen Kontext, aber nicht generell gegen § 447 Abs. 1 BGB. Jedenfalls ist es keine ratio für die Norm. Auch der Synallagmagedanke erscheint prima facie zur Erklärung von § 447 Abs. 1 BGB ungeeignet. Denn die Erfüllung gem. § 362 Abs. 1 BGB tritt bei der Schickschuld erst mit Eintreffen der Sache beim Käufer ein,636 so dass eine Käufergefahrtragung eigentlich erst ab diesem Zeitpunkt gerechtfertigt wäre. In den Motiven zum BGB wird das Synallagma beim Versendungskauf indes anders interpretiert: Mit der Versendungsverpflichtung habe der Verkäufer im Verhältnis zum Käufer eine weitere Verbindlichkeit übernommen, durch welche die ursprüngliche Übergabeverpflichtung nicht verändert werde.637 Den Verkäufer, der nur an seinem Sitz tätig zu werden braucht, solle durch die Versendung der Kaufsache und den daraus resultierenden Aufschub des Leistungserfolgs kein höheres Risiko treffen.638 Dies erfuhr Kritik, weil die Zeit, zu der die Transportverhältnisse wenig entwickelt waren und Käufe meist als Platzgeschäfte abgewickelt wurden, vorüber ist, so dass nicht mehr von einer Gefälligkeit des Verkäufers beim Transport die Rede sein könne.639 Das Argument, dass der Verkäufer kein erhöhtes Risiko tragen soll, knüpft aber nicht daran an, dass Käufe in der Regel Platzgeschäfte sind, sondern daran, dass die Vereinbarung der Schickschuld die Verkäuferpflichten an dessen Sitz enden lässt. Nachdem die Käuferpflichten nicht am Verkäufersitz beginnen, sondern ein Dritter dazwischengeschaltet ist, lässt sich auf diese Weise zwar begründen, warum nicht der Verkäufer die Gefahr tragen soll, nicht aber, warum sie den Käufer treffen soll. Manche wollen daher de lege ferenda die Gefahr beim Transport bei anfänglich vereinbarten Schickschulden zwischen den Parteien aufteilen.640 Dies berücksichtigt indes nicht, dass man § 447 Abs. 1 BGB im Kontext des Synallagmas erklären kann, wenn man neben den Gedanken der beschränkten Verkäuferpflichten das Veranlassungsprinzip treten lässt:641 Der Verkäufer muss die Sache nicht zum Käufer bringen, sondern hat nur deren Versendung 636
Vgl. Erman-Artz, § 269 Rn. 1 und Bamberger/Roth-Unberath, § 269 Rn. 2, 4. Motive, Band 2, 1888, 328. Vgl. auch RGZ 96, 258, 259. 638 Larenz, Schuldrecht, Band II 1, 1986, 101; Reinhardt, in: Sutschet, Tradition und Moderne – Schuldrecht und Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform: Festschrift für Horst Ehmann zum 70. Geburtstag, 2005, 135–151, 141. Rabel, Das Recht des Warenkaufs, Band 2, 1958, 301, spricht deshalb von einem „Gefälligkeitstransport“. 639 Koller, Risikozurechnung, 1979, 173. 640 Schmidt, Teilung der Preisgefahr beim Versendungskauf, 2011, 55–57. 641 Vgl. dazu MüKo-Westermann, § 447 Rn. 2. Grundlegend zum Prinzip der arbeitsteiligen Veranlassung Koller, Risikozurechnung, 1979, 95–97. 637
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3. Kapitel: Deutsches Recht
versprochen. Er muss die Sache dabei aber nur zum Käufer auf den Weg bringen, statt sie zur Abholung bereitzustellen. Der Transport der Kaufsache selbst zum Käufersitz ist also vom Käufer veranlasst,642 so dass es gerechtfertigt ist, ihm zwar vor Erfüllung seines Anspruchs, aber nach Erfüllung sämtlicher Verkäuferpflichten die Preisgefahr aufzubürden. Während das Beherrschbarkeitsprinzip der Anwendung von § 446 S. 1 BGB beim Versendungskauf entgegensteht, ist es demnach keine ratio für § 447 Abs. 1 BGB. Der Gefahrübergang mit Versendung ist vielmehr durch das synallagmatische Prinzip in Verbindung mit dem Veranlassungsgedanken gerechtfertigt. Davon ausgehend kann zuletzt beantwortet werden, ob § 447 Abs. 1 BGB auch anwendbar ist, wenn der Verkäufer trotz Vereinbarung einer Schickschuld die Kaufsache selbst oder durch eigene Leute transportiert. Erklärte man § 447 Abs. 1 BGB mit dem Beherrschbarkeitsprinzip, müsste man wegen der fortdauernden Kontrolle des Verkäufers über die Ware zur generellen Unanwendbarkeit von § 447 Abs. 1 BGB in dieser Situation kommen.643 Geht man jedoch vom als ratio des § 447 Abs. 1 BGB besser geeigneten Veranlassungsgedanken aus und berücksichtigt, dass der Verkäufer durch die Versendung im Interesse des Käufers keinen Nachteil erleiden soll, muss man § 447 Abs. 1 BGB richtigerweise unabhängig davon anwenden, wer den Transport ausführt.644 Während der Wortlaut von § 447 Abs. 1 BGB die Subsumption von Angestellten des Verkäufers unter „sonst zur Auslieferung bestimmte Personen“ zulässt, lässt sich die Norm nicht direkt auf den Transport durch den Verkäufer selbst anwenden.645 Nachdem aber auch beim Transport durch den Verkäufer die Beförderung der Ware nicht geschuldet ist und sich daraus keine Risikoerhöhung für den Verkäufer ergeben soll, ist wegen der vergleichbaren Interessenlage § 447 Abs. 1 BGB hierauf analog anzuwenden.646
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Vgl. auch Koller, Risikozurechnung, 1979, 175 Fn. 339. So Hager, Gefahrtragung beim Kauf, 1982, 85; Soergel-Huber, § 447 Rn. 35–36; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 2013, 138 (Rn. 275); Wertenbruch, JuS 2003, 625–633, 628. 644 Faust, DB 1991, 1556–1561, 1556; Bamberger/Roth-Faust, § 447 Rn. 9; Larenz, Schuldrecht, Band II 1, 1986, 103 („zusätzliche Leistung des Verkäufers“); Medicus/ Lorenz, SBT, 2014, Rn. 57 („überobligatorisch handelnder Verkäufer“); Reinhardt, Gefahrtragung beim Kauf, 1998, 156; MüKo-Westermann, § 447 Rn. 17. Im Ergebnis genauso Staudinger-Beckmann, § 447 Rn. 39, Brox, JuS 1975, 1–8, 7 und ErmanGrunewald, § 447 Rn. 10: Der Verkäufer dürfe nicht schlechter stehen als wenn er einen Dritten beauftragt hätte. Ebenso bereits im Jahr 1919 RGZ 96, 258, 259. 645 MüKo-Westermann, § 447 Rn. 16. 646 Faust, DB 1991, 1556–1561, 1556; Schultz, JZ 1975, 240–243, 241. Anders im englischen Recht, wo s. 18(5) SGA 1979 voraussetzt, dass die Transportperson als Vertreter des Käufers angesehen werden kann, vgl. dazu oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 474–475. 643
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Die aus der Perspektive von Synallagma und Veranlassung richtige Anwendung von § 447 Abs. 1 BGB auf den Transport durch eigene Leute des Verkäufers führt jedoch prima facie zu Friktionen bei der Gehilfenhaftung: Versendet der Verkäufer die Kaufsache und wird diese durch Verschulden dritter Transporteure beschädigt, haftet der Verkäufer hierfür nicht gem. § 278 S. 1 BGB, weil die Transporteure im Rahmen der Schickschuld nicht in seinem Pflichtenkreis tätig werden; vielmehr trägt die Gefahr dieses von keiner der Parteien zu vertretenden und daher zufälligen Ereignisses gem. § 447 Abs. 1 BGB der Käufer.647 Führt der Verkäufer den Transport im Rahmen der Schickschuld dagegen selbst oder durch seine Leute aus, schuldet er diesen zwar nicht, ihn trifft aber gem. § 241 Abs. 2 BGB eine Nebenpflicht, die Sache nicht zu beschädigen, bei deren Erfüllung seine Leute Erfüllungsgehilfen (§ 278 S. 1 BGB) sind.648 Daher haftet er für deren Transportverschulden, so dass daraus resultierende Schäden an der Ware nicht zufällig i.S.d. § 447 Abs. 1 BGB sind.649 Die Anwendung von § 278 S. 1 BGB bei Angestellten, nicht aber bei dritten Transporteuren wird als unstimmig empfunden, weil die Pflichten und damit die Haftung des Verkäufers nicht von der Selbständigkeit des Transporteurs abhängen dürften.650 Daher wird vorgeschlagen, das Transportverschulden der Angestellten des Verkäufers als Verwirklichung eines Transportrisikos i.S.d § 447 Abs. 1 BGB anzusehen und es dem Verkäufer insofern nicht zuzurechnen.651 Indes ist die unterschiedliche Anwendung von § 278 S. 1 BGB stimmig: Denn sie knüpft nicht an die Selbständigkeit der Transportperson an, sondern an den Umfang der Pflichten des Verkäufers. Auch wenn dieser bei der Schickschuld den Transport nicht schuldet, behält er bei Durchführung des Transports durch eigene Leute die Sache in seiner Gewalt. Das rechtfertigt zwar keine Hinauszögerung des Gefahrübergangs, indem § 447 Abs. 1 BGB unangewandt bleibt. Die fortdauernde Verkäufergewalt über die Sache löst kraft des Vertrags nichtsdestoweniger Obhutspflichten für 647 MüKo-Westermann, § 447 Rn. 23. Die daraus resultierende Schadensverlagerung vom Verkäufer auf den Käufer kann außerhalb von § 421 HGB mit der Drittschadensliquidation aufgefangen werden, vgl. MüKo-Westermann, § 447 Rn. 26. 648 Vgl. nur Medicus/Lorenz, SBT, 2014, Rn. 57. 649 MüKo-Westermann, § 447 Rn. 16; Larenz, Schuldrecht, Band II 1, 1986 (parallel zum Auftragsrecht). Ähnlich Staudinger-Beckmann, § 447 Rn. 39: „fortdauernde Leistungstreuepflicht“ des Verkäufers. 650 Vgl. Bamberger/Roth-Faust, § 447 Rn. 26; Reinhardt, Gefahrtragung beim Kauf, 1998, 160. 651 Kuchinke, in: Kuchinke, Rechtsbewahrung und Rechtsentwicklung: Festschrift für Heinrich Lange zum 70. Geburtstag, 1970, 259–287, 266. Schultz, JZ 1975, 240–243, 242–243 will dagegen § 278 S. 1 BGB auch bei der Beförderung der Ware durch dritte Transporteure anwenden, was freilich mit dem vertraglichen Pflichtenkreis des Verkäufers bei der Schickschuld nicht zu vereinbaren ist.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
sie aus. Nicht wegen der Unselbständigkeit des Transporteurs, sondern wegen dieser Obhutspflichten ist § 278 S. 1 BGB anwendbar. Die Haftung des Verkäufers ist insofern Reflex der Haftung des jeweiligen Transporteurs. Die aus der Perspektive von Synallagma und Veranlassung richtige Anwendung von § 447 Abs. 1 BGB beim Transport der Kaufsache durch eigene Leute löst folglich keine Unstimmigkeiten der Verkäuferhaftung aus. b) Gattungs- und Vorratskauf Wie im Kontext des Unmöglichkeitsrechts gezeigt wurde,652 gelten beim Gattungskauf ab Konkretisierung (§ 243 Abs. 2 BGB) bzw. ab Übergang der Sachgefahr gem. § 300 Abs. 2 BGB die gleichen Regeln wie beim Stückkauf, so dass der Käufer gem. § 275 Abs. 1 BGB die Sachgefahr und der Verkäufer gem. § 326 Abs. 1 BGB die Preisgefahr trägt. Denn der Verkäufer bleibt vor Konkretisierung bei Untergang einzelner Stücke zur Leistung aus der Gattung verpflichtet; anderes gilt nur bei Untergang der ganzen Gattung.653 Der Verkäufer trägt bis zur Konkretisierung damit die Sachgefahr bzgl. der einzelnen Gattungsstücke. Das Verhältnis zwischen dem Konkretisierungszeitpunkt und dem Zeitpunkt des Preisgefahrübergangs ist im Folgenden zu untersuchen. Sofern die Parteien die Voraussetzungen der Konkretisierung nicht vereinbart haben,654 ist deren Eintritt nach § 243 Abs. 2 BGB an die Vornahme des „seinerseits Erforderlichen“ durch den Schuldner geknüpft. Um von der Sachgefahrtragung befreit zu werden, muss er alle Leistungshandlungen ausgeführt haben, die nach dem Vertrag von seiner Seite zur Erfüllung notwendig und hinreichend sind.655 Was zur Erfüllung hinreicht, hängt davon ab, ob eine Bringschuld, eine Schickschuld oder eine Holschuld vereinbart wurde.656 Konkretisierungszeitpunkt und Übergang der Preisgefahr fallen bei Bringschuld und Schickschuld in der Regel zusammen. Bei der Bringschuld, bei der Aussonderung, Transport zum Käufer und Angebot der Kaufsache geschuldet sind,657 gilt: Nimmt der Käufer die angebotene Sache an, treten 652
Vgl. oben, Text bei Fn. 303–305. Vgl. oben, Text bei Fn. 306–310. 654 Das ist in Abbedingung von § 243 Abs. 2 BGB möglich, vgl. MüKo-Emmerich, § 243 Rn. 24. 655 Vgl. MüKo-Emmerich, § 243 Rn. 25 („Anleistung“ des Schuldners) sowie bereits Leonhard, Allgemeines Schuldrecht des BGB, Band 1, 1929, 94 („Anleistungstheorie“). Siehe auch Gernhuber, Das Schuldverhältnis: Begründung und Änderung; Pflichten und Strukturen; Drittwirkungen, 1989, 236–237 sowie RGZ 57, 402: Der Gläubiger müsse in die Lage versetzt werden, sich über die Annahme oder Nichtannahme der Sache schlüssig zu machen. 656 Vgl. auch Staudinger-Schiemann, § 243 Rn. 30: Relevant sei, was geschuldet und nicht, was möglich ist. 657 Vgl. nur Staudinger-Schiemann, § 243 Rn. 31. 653
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Konkretisierung und gem. § 446 S. 1 BGB zugleich Gefahrübergang bei Übergabe ein, sofern damit nicht bereits der ganze Vertrag nach § 362 Abs. 1 BGB erfüllt ist. Lehnt der Käufer die angebotene Sache ab, tritt Konkretisierung ein (§ 243 Abs. 2 BGB) und die Preisgefahr geht wegen Annahmeverzugs gem. §§ 294, 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB auf den Käufer über.658 Bei der Schickschuld, die den Verkäufer zu Aussonderung und Versand der Sache verpflichtet,659 treten mit Übergabe an den Transporteur Konkretisierung (§ 243 Abs. 2 BGB) und Übergang der Preisgefahr gem. § 447 Abs. 1 BGB ein. Gleiches gilt beim Transport durch eigene Leute des Verkäufers, weil § 243 Abs. 2 BGB nicht die Selbständigkeit der Transportperson, sondern nur die Erbringung der vom Verkäufer geschuldeten Leistungen, also Aussonderung und Absendung der Sache verlangt.660 Konkretisierung und Preisgefahrübergang fallen nur beim Verbrauchsgüterkauf auseinander, wenn § 447 Abs. 1 BGB gem. § 474 Abs. 4 BGB nicht anwendbar ist und die Preisgefahr daher gem. § 446 S. 1 BGB erst bei Eintreffen der Sache beim Käufer auf diesen übergeht. Im Übrigen laufen Konkretisierung und Preisgefahrübergang gem. §§ 243 Abs. 2, 446 S. 1, 447 Abs. 1 oder 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB parallel. Bei der Holschuld hat der Verkäufer das „seinerseits Erforderliche“ i.S.v. § 243 Abs. 2 BGB getan, wenn er die Sache ausgesondert, bereitgestellt und den Käufer benachrichtigt hat.661 Das kann zu einem Auseinanderfallen von Konkretisierung und Preisgefahrübergang führen, wenn letzterer erst bei Abholung der Kaufsache gem. § 446 S. 1 BGB erfolgt und der Käufer zuvor noch nicht in Annahmeverzug (§§ 293, 295 BGB) ist. Das ist nicht unumstritten: Weil der BGB-Gesetzgeber in § 243 Abs. 2 BGB nicht die Ausscheidungstheorie, sondern die Lieferungstheorie Jherings umsetzen wollte662 und der Verkäufer bei der Bringschuld vor seiner Mitwirkung an der Übergabe der Kaufsache noch nicht „alles, was und wie es ihm oblag“ i.S.d. Lieferungstheorie getan hat, wollen manche die Konkretisierung erst mit wirklicher Lieferung (Übergabe) oder Beginn des Annahme658
MüKo-Emmerich, § 243 Rn. 26; Medicus, JuS 1966, 297–306, 302 (Annahmeverzugseintritt „eine juristische Sekunde später“); Samhat, JA 2013, 1003–1012, 1005. 659 Vgl. nur Staudinger-Schiemann, § 243 Rn. 32. 660 Vgl. Samhat, JA 2013, 1003–1012, 1006. 661 H.M., vgl. Jauernig-Berger, § 243 Rn. 9; MüKo-Emmerich, § 243 Rn. 29; Medicus/Lorenz, SAT, 2015, Rn. 197; Leonhard, SAT, Band 1, 1929, 96; StaudingerSchiemann, § 243 Rn. 37; PKK- Schmidt-Kessel/Kramme, § 243 Rn. 11. Im Ergebnis genauso Hager, Gefahrtragung beim Kauf, 1982, 230–231. Das Benachrichtigungserfordernis ist im Einzelnen streitig: Einige verlangen eine Benachrichtigung von der Aussonderung, andere lassen nach dem telos des Erfordernisses (Käuferkenntnis von Abholbarkeit) richtigerweise die Aufforderung zur Abholung ausreichen. 662 Vgl. oben, Text bei Fn. 197.
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verzugs eintreten und damit Sach- und Preisgefahr gleichzeitig übergehen lassen.663 Neben diesem historischen Argument wird als Begründung hierfür die wechselseitige Risikosicherung beim Gattungskauf angeführt: Der Käufer übernimmt das Risiko, dass der Preis für die Ware bis zur Konkretisierung fällt, der Verkäufer das (Beschaffungs-)Risiko einer Preissteigerung.664 Diese Risikosicherung müsse nach dem Inhalt des Gattungsgeschäfts bis zum Zeitpunkt der Lieferung, in dem der Käufer die Kaufsache tatsächlich in Händen hält, andauern, sofern nicht Annahmeverzug eintrete.665 Diese Argumentation kann indes nicht überzeugen, weil der das allgemeine Unmöglichkeitsrecht prägende Synallagmagedanke666 i.S.v. do ut des verlangt, die Risikosicherung schon dann enden zu lassen und den Schuldner von der Sachgefahrtragung zu befreien, wenn er alles seinerseits Erforderliche getan hat. Seinerseits erforderlich ist das, was den Gläubiger in die Lage versetzt, die Sache ggf. durch eigene Mitwirkung anzunehmen und damit alles, was auf Seiten des Schuldners geschehen muss, bevor die Mitwirkungshandlung des Gläubigers etwa durch die Abholung beginnt. Das sind aber lediglich Aussonderung, Bereitstellung und Benachrichtigung – damit ist der Beschaffungsvorgang abgeschlossen und eine fortgesetzte Zuweisung des Beschaffungsrisikos an den Verkäufer nicht mehr gerechtfertigt. Aus diesem Grund kann das Argument der Risikosicherung die Konkretisierung erst bei Lieferung nicht rechtfertigen, hierfür sprechen allein historische Gründe. Herrschende Meinung und historische Auffassung unterscheiden sich nicht, wenn der Schuldner mit Bereitstellung und Benachrichtigung den Annahmeverzug gem. §§ 293, 295 BGB und damit den Sachgefahrübergang gem. § 300 Abs. 2 BGB herbeiführt.667 Eine Differenz ergibt sich bei vorübergehender Annahmeverhinderung des Gläubigers:668 Weil dann nach 663 Caemmerer, JZ 1951, 740–745, 743–744; Huber, in: Flume, Beiträge zum Zivilund Wirtschaftsrecht. Festschrift für Kurt Ballerstedt zum 70. Geburtstag am 24. Dezember 1975, 1975, 329–330, 335–336; ähnlich HKK-Dorn, § 243 Rn. 47–52. 664 Huber, in: Flume, Beiträge zum Zivil- und Wirtschaftsrecht. Festschrift für Kurt Ballerstedt zum 70. Geburtstag am 24. Dezember 1975, 1975, 327–354, 334. 665 Ebd; dem aus Beherrschbarkeitsgründen zustimmend Koller, Risikozurechnung, 1979, 135–137. 666 Zu dessen Umsetzung im BGB vgl. oben, Text bei Fn. 200–210. 667 Raab, Austauschverträge mit Drittbeteiligung, 1999, 322. 668 Huber, in: Flume, Beiträge zum Zivil- und Wirtschaftsrecht. Festschrift für Kurt Ballerstedt zum 70. Geburtstag am 24. Dezember 1975, 1975, 332 sieht daneben auch dann eine Differenz der Auffassungen, wenn dem Käufer im Vertrag eine Abholfrist eingeräumt wurde, weil nur nach der historischen Auffassung die Konkretisierung erst bei Abholung bzw. bei Annahmeverzugseintritt am Ende dieser Frist (§ 296 BGB) eintrete. Diese Differenz wird jedoch aufgehoben, wenn man bei Vereinbarung einer Abholfrist zu dem nach dem Vertrag für den Gläubiger Erforderlichen auch das Verstreichenlassen der Frist zählt, vgl. Raab, Austauschverträge mit Drittbeteiligung, 1999, 322–323.
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§ 299 BGB kein Annahmeverzug eintritt, bürdet die historische Auffassung dem Schuldner das Risiko dieses Annahmehindernisses auf. Das bedeutet, dass der Schuldner ein aus der Sphäre des Gläubigers stammendes Risiko tragen muss, was dem Gedanken widerspricht, dass der Schuldner, der alles seinerseits Erforderliche getan hat, entlastet werden soll.669 Diese widersprüchliche Risikozuweisung ist zu vermeiden, indem man der ersten Auffassung folgt und die Konkretisierung schon mit Aussonderung, Bereitstellung und Benachrichtigung eintreten lässt. Das widerspricht zwar der historischen Auslegung. Der Wortlaut von § 243 Abs. 2 BGB, der nicht Jhering („alles, was ihm oblag“) folgt, sondern „vom seinerseits Erforderlichen“ spricht, lässt diese teleologisch geforderte Auslegung zu. Das demnach möglicherweise eintretende Auseinanderfallen von Sach- und Preisgefahr entspricht der Rechtslage beim Spezieskauf und ist dem BGB daher nicht fremd.670 c) Auswirkungen von Pflichtverletzungen Die Gefahrtragung beim Kauf wird teilweise modifiziert, wenn der Vertrag nicht reibungslos abgewickelt wird, sondern die Parteien Vertragspflichten verletzen. Für die Gefahrtragung sind nur Pflichtverletzungen relevant, die nicht als solche den Untergang der Kaufsache auslösen. Denn allein sie führen zu einem zufälligen Untergang der Kaufsache i.S.d. Gefahrtragung. aa) Pflichtverletzungen des Verkäufers Der Verkäufer kann seine Pflichten aus § 433 Abs. 1 BGB verletzen, indem er die Übergabe der Sache verzögert oder eine mangelhafte Sache übergibt. i. Verzögerung Verzögert der Verkäufer die Vertragsabwicklung dadurch, dass er dem Käufer die Sache nicht übergibt bzw. übersendet, sind die Voraussetzungen der §§ 446 S. 1, 447 Abs. 1 BGB nicht erfüllt. Dann trägt der Verkäufer unab669
Vgl. Raab, Austauschverträge mit Drittbeteiligung, 1999, 323. Kritisch auch Gernhuber, Das Schuldverhältnis, 1989, 238. Die Risikoaufbürdung befürwortend Harke, Allgemeines Schuldrecht, 2010, 204. 670 Ob der Schuldner zumindest vor Preisgefahrübergang die Konkretisierung rückgängig machen kann, ist ein viel diskutiertes Problem. Nachdem die Frage nur auftritt, wenn sich die Sachgefahr noch nicht in einem Untergangsereignis verwirklicht hat, führt deren Entscheidung nicht zu Änderungen der Gefahrtragung im Sinne einer nachträglichen Rückgängigmachung des Übergangs der Sachgefahr. Es kann bei Rückgängigmachung der Konkretisierung allenfalls zu einem Zurückspringen der Gefahr auf den Verkäufer ex nunc kommen. Mit erneuter Konkretisierung geht die Sachgefahr dann wiederum auf den Käufer über. Vgl. zu dem Problem Canaris, JuS 2007, 793–798 und auch Buchholz, Konzentration und Gefahrübergang: zur Interpretation des § 243 Abs. 2 BGB, 1986, 56–151.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
hängig von seinem Vertretenmüssen weiterhin die gesamte Preisgefahr, bis er die Übergabe oder Übersendung durchführt und damit die Verzögerung beendet. Das folgt aus der Anwendung der §§ 446 S. 1, 447 Abs. 1 BGB und stellt einen Unterschied zum englischen Recht dar, das dem säumigen Verkäufer gem. s. 20 (2) SGA 1979 nur verzögerungsspezifische Risiken auferlegt.671 Daneben tritt gem. § 287 S. 2 BGB eine Modifikation der Sachgefahrtragung ein, wenn der Verkäufer in Verzug ist (§ 286 BGB). Das erfordert, dass der Verkäufer die Verzögerung der Vertragsabwicklung zu vertreten hat (§ 286 Abs. 1, 4 BGB) und der Käufer ihn gemahnt hat bzw. eine Mahnung entbehrlich ist (§ 286 Abs. 1, 2 BGB). Gem. § 287 S. 2 BGB haftet der Verkäufer dann auch für Zufall, es sei denn, dass der Schaden auch bei rechtzeitiger Leistung eingetreten wäre. Der Schuldner wird also bei i.S.v. § 287 S. 2 BGB „zufälligen“ Untergangsereignissen im Rahmen von Stückschulden und konkretisierten Gattungsschulden672 zwar gem. § 275 Abs. 1 bzw. 2 BGB von seiner Pflicht zur Leistung frei, haftet aber auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 275 Abs. 4, 280 Abs. 1, 3, 283 BGB.673 Insofern muss er für das Ausbleiben der Leistung mit allen Folgen einstehen und trägt wirtschaftlich die Sachgefahr.674 Zufällig i.S.v § 287 S. 2 BGB sind Ereignisse, die weder vom Schuldner noch vom Gläubiger zu vertreten sind, somit auch auf höherer Gewalt beruhende Ereignisse wie die Beschlagnahme der Sache.675 Von der Modifikation der Sachgefahrtragung in § 287 S. 2 BGB sind nur Schäden ausgenommen, die auch bei rechtzeitiger Leistung eingetreten wären. Dies betrifft zwei Konstellationen hypothetischer überholender Kausalität, nämlich einerseits Fälle, in denen die Sache auch bei rechtzeitiger Leistung durch dasselbe Ereignis betroffen worden wäre, und andererseits Fälle, in denen die Sache bei rechtzeitiger Leistung einem anderen Untergangsereignis ausgesetzt gewesen wäre.676 In diesen Situationen ist der Zurechnungszusammenhang zwischen Verzug und Untergang der Sache unterbrochen, so dass es nicht mehr gerechtfertigt ist, dem Schuldner die Sachgefahr aufzuerlegen.
671
Vgl. dazu oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 236–243. Bei einer noch nicht konkretisierten Gattungsschuld kommt dem Schuldner ohnehin die fortgesetzte Pflicht zur Leistung aus der Gattung auch bei Untergang einzelner Stücke und damit die Sachgefahr zu, vgl. oben, Text bei Fn. 306. 673 MüKo-Ernst, § 287 Rn. 3; Erman-Hager, § 287 Rn. 8. 674 Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, 127; Larenz, Schuldrecht, Band I, 1982, 326–327; Staudinger-Löwisch/Feldmann, § 287 Rn.8. 675 Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, 127, Erman-Hager, § 287 Rn. 3, 6; Staudinger-Löwisch/Feldmann, § 287 Rn. 10; Knütel, NJW 1993, 900–901. 676 Huber, Leistungsstörungen, Band 2, 1999, 129–131; Staudinger-Löwisch/Feldmann, § 287 Rn. 20. 672
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
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Bei Verzögerung der Leistung des Verkäufers verschiebt sich in der Regel der Preisgefahrübergang gem. §§ 446 S. 1, 447 Abs. 1 BGB auf einen späteren Zeitpunkt. Ferner trifft den Verkäufer bei Verzug gem. § 287 S. 2 BGB wirtschaftlich auch die Sachgefahr, es sei denn, der Sachuntergang ist dem Verzug nicht zuzurechnen. Folglich gilt bei vom Verkäufer herbeigeführten Verzögerungen der Vertragsabwicklung eine Gefahrzuweisung nach Zurechnungsgesichtspunkten, wie bereits sie von Pufendorf vorgeschlagen wurde677 und noch heute mit dem Veranlassungsgedanken begründet wird.678 ii. Mangelhafte Kaufsache Auch die Gefahrtragung bei Mangelhaftigkeit der Kaufsache ist mit Zurechnungsaspekten erklärbar. Die Auswirkungen des Mangels auf die Gefahrtragung hängen von der Art des ausgeübten Gewährleistungsrechts ab. Ohne Einfluss auf die Gefahrtragung ist die Minderung. Denn dabei behält der Käufer die Sache und fordert lediglich den zu viel entrichteten Teil des Kaufpreises zurück (§ 441 Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB). Die Abwicklung des Kaufs und der Gefahrübergang bleiben somit unberührt. Änderungen von Vertragsabwicklung und Gefahrtragung treten ein, wenn die Sache endgültig oder temporär an den Verkäufer zurückgegeben wird. Der Käufer kann allerdings in den Grenzen von § 242 BGB eine mit einem behebbaren Mangel behaftete Leistung als Teilleistung zurückweisen (§ 266 BGB) und so den Übergang der Preisgefahr von vornherein verhindern (§ 446 S.1 BGB) bzw. durch Verweigerung der Abnahme vom Transporteur rückgängig machen (§ 447 Abs. 1 BGB).679 Nimmt der Käufer die mangelhafte Ware aber als Erfüllung an, tritt Gefahrübergang ein und seine Rechte wegen des Mangels bestimmen sich gem. §§ 437, 434 BGB nach dem Gewährleistungsrecht mit den dadurch bedingten Modifikationen der Gefahrtragung.680 677
Vgl. oben, Text bei Fn. 452–456. Koller, Risikozurechnung, 1979, 95–97. 679 Vgl. Lorenz, NJW 2013, 1341–1345, 1343–1344 und Ernst, in: Baums/ Wertenbruch, Festschrift für Ulrich Huber zum siebzigsten Geburtstag, 2006, 165–238, 220–221. 680 Das gilt auch beim Gattungskauf, bei dem dann wegen der Mangelhaftigkeit der Ware zwar keine Konkretisierung gem. § 243 Abs. 1, 2 BGB eintreten kann, wohl aber durch Annahme der Ware als Erfüllung durch den Käufer, so dass dann auch die Preisgefahr für die angenommene Ware gem. §§ 446 S. 1 bzw. 447 Abs. 1 BGB auf den Käufer übergeht, Ernst, in: Baums/Wertenbruch, Festschrift für Ulrich Huber zum siebzigsten Geburtstag, 2006, 165–238, 218–220. A.A. für die Zeit bis zur Ausübung von Gewährleistungsrechten MüKo-Westermann, § 446 Rn. 9 und Staudinger-Beckmann, § 446 Rn. 30. Diese Ansicht muss bzgl. der Mängelrechte auf den hypothetischen Gefahrübergangszeitpunkt abstellen. 678
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3. Kapitel: Deutsches Recht
Zurückspringen der Gefahr bei Rücktritt und Schadensersatz statt der Leistung Eine endgültige Rückgabe der Kaufsache erfolgt beim Rücktritt. Im Rückgewährschuldverhältnis haben sich die Parteien gem. § 346 Abs. 1 BGB die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Der Verkäufer muss den Kaufpreis zurückzahlen und der Käufer die Kaufsache zurückgeben. Doch wie wirkt es sich auf den Rücktritt aus, wenn der Käufer die zufällig untergegangene Sache nicht mehr zurückgeben kann?681 Damit sind zwei Fragen angesprochen: Kann der Käufer nach zufälligem Sachuntergang überhaupt noch zurücktreten und wenn ja, schuldet er dem Verkäufer Wertersatz für die untergegangene Kaufsache? Das BGB (1900) entschied das Problem auf der Ebene der ersten Frage mittels Rücktrittssperren: Bei zufälligem Untergang der Kaufsache konnte der Käufer gem. §§ 467, 350 BGB (1900) weiterhin wandeln, ohne Wertersatz leisten zu müssen. Denn er hatte nach §§ 467, 346 BGB (1900) nur herausgeben, was er noch hatte, weil ihn kein gem. §§ 467, 347 BGB (1900) zu einer Ersatzpflicht führendes Verschulden traf.682 Bei vom Käufer verschuldetem Untergang der Kaufsache war die Wandelung dagegen ausgeschlossen, §§ 467, 351 BGB (1900). Trat der Käufer also nach zufälligem Untergang der Sache zurück, traf den Verkäufer die Gefahr dieses Untergangs, weil er die Sache nicht zurückbekam und trotzdem den Kaufpreis zurückgewähren musste.683 Eine Entscheidung auf der Ebene der ersten Frage zieht eine scharfe Linie zwischen möglichem und ausgeschlossenem Rücktritt und stellt insofern einen „Alles oder Nichts“-Ansatz dar.684 Einen solchen Ansatz verfolgt auch das englische Recht im Rahmen der rejection nach Untergang der Kaufsache.685 In Abkehr von dieser „Alles oder Nichts“-Lösung entschied man sich im SMG dafür, den Rücktritt auch bei Untergang der Kaufsache zuzulassen und das Problem erst auf der Ebene des Wertersatzes zu lösen.686 Diese Lösung durch eine Rückabwicklung dem Werte nach ist insbesondere deswe-
681
Sog. mortuus redhibetur-Problematik, vgl. oben, Kapitel 2, Fn. 533. Larenz, Schuldrecht, Band I, 1982, 379. 683 Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, 1975, 61. 684 Zimmermann, in: Burrows/Rodger, Mapping the law: Essays in memory of Peter Birks, 2006, 323–341, 331: „It must be all or nothing.“ Ähnlich in Hinblick auf Art. 82 CISG Boels, Der Rücktritt vom Vertrag trotz Rückgabeunmöglichkeit: ein Vergleich der Regelungen des BGB mit dem UN-Kaufrecht, den Lando-Prinzipien und den UNIDROIT-Prinzipien, 2009, 87. 685 Vgl. oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 520–548. 686 BT-Drucks. 14/6040, 194–195. 682
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
259
gen flexibler, weil bei Untergang einer mangelhaften Sache im Rahmen des Wertersatzes deren Mangelunwert berücksichtigt wird.687 Die mit dem SMG eingeführte Rückabwicklung dem Werte nach bedeutet für die Gefahrtragung Folgendes: Hat sich die mangelhafte Kaufsache beim Käufer verschlechtert oder ist sie untergegangen, kann der Käufer dennoch verschuldensunabhängig zurücktreten. Wenn der Mangel schon anfänglich unbehebbar war oder das zufällige Ereignis zur Unbehebbarkeit des Mangels geführt hat – etwa bei Untergang des Gegenstands eines Stückkaufs –, erfolgt der Rücktritt nach §§ 437 Nr. 2, 326 Abs. 5 BGB, ansonsten muss der Käufer gem. §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB unter Erfordernis einer Fristsetzung zurücktreten. Der Rücktritt ist jeweils ausgeschlossen, wenn der Mangel unerheblich ist, § 323 Abs. 5 S. 2 BGB. Bei einem erheblichen Mangel kann der Käufer somit das Kaufvertragsverhältnis durch Erklärung des Rücktritts gegenüber dem Verkäufer (§ 349 BGB) in ein Rückgewährschuldverhältnis umwandeln. Im Rückgewährschuldverhältnis hat der Käufer gegen den Verkäufer einen Anspruch auf Kaufpreisrückzahlung (§ 346 Abs. 1 BGB). Eigentlich müsste er Zug um Zug mit dem Erhalt des Kaufpreises die Kaufsache zurückgeben (§§ 346 Abs. 1, 348, 320 BGB). Ist ihm dies (teilweise) unmöglich, befreit ihn § 275 Abs. 1 BGB von der Rückgewährpflicht.688 An deren Stelle tritt gem. § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB eine Wertersatzpflicht wegen Sachuntergangs oder Verschlechterung. Unbeachtlich sind Verschlechterungen durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme (§ 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB), z.B. der Wertverlust bei Zulassung eines PKW.689 Der Gebrauch der Sache wird primär durch die Nutzungsherausgabepflicht (§ 346 Abs. 1 BGB) ausgeglichen;690 dem Verlust durch bloße Ingebrauchnahme steht dagegen in der Regel kein Gebrauchsvorteil gegenüber, so dass er vom Rückgewährgläubiger zu tragen ist.691 Nach § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB ist also bei Untergang oder nicht auf bestimmungsgemäßem Gebrauch beruhender Verschlechterung der Sache Wertersatz zu leisten.
687
Wagner, in: Baums/Lutter, Festschrift für Ulrich Huber zum siebzigsten Geburtstag, 2006, 591–624, 606. Zur Berücksichtigung des Mangelunwerts im Einzelnen vgl. Text bei Fn. 695. 688 Vgl. BGHZ 178, 355 sowie Lorenz, NJW 2015, 1725–1728, 1727, der infolgedessen mit guten Gründen § 285 BGB im Rückgewährschuldverhältnis anwenden möchte. Dies offen lassend BGH NJW 2015, 1748. 689 BT-Drucks. 14/6040, 196. Für eine Anwendung auch bei Untergang aufgrund bestimmungsgemäßem Gebrauchs Kaiser, JZ 2001, 1057–1070, 1061. 690 Bamberger/Roth-Grothe, § 346 Rn. 44; Staudinger-Kaiser, § 346 Rn. 181. 691 Vgl. MüKo-Gaier, § 346 Rn. 42.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
Dessen Höhe ist gem. § 346 Abs. 2 S. 2 BGB anhand der vertraglich bestimmten Gegenleistung zu ermitteln.692 Für eine günstig erworbene Sache ist also geringer Wertersatz, für eine überteuerte Sache dagegen erhöhter Wertersatz zu leisten. Dies soll die privatautonome Entgeltentscheidung erhalten.693 Es erfolgt also beim Wertersatz keine restitutio ad integrum – das subjektive Äquivalenzverhältnis bleibt vielmehr erhalten. Das ist ein Widerspruch zur Rückgängigmachung der Entgeltentscheidung bei Rückgabe der Kaufsache (§ 346 Abs. 1 BGB),694 ist aber als Wertung des Gesetzgebers de lege lata zu respektieren. So muss z.B. der Käufer eines Flügels zum Preis von 20.000 € mit objektivem Wert 18.000 € einen Wertersatz i.H.v. 20.000 € leisten – seinem Anspruch auf Kaufpreisrückzahlung steht also ein gleich hoher Wertersatzanspruch des Verkäufers gegenüber. War die Sache mangelhaft, ist deren Mangelunwert bei der Berechnung in Ansatz zu bringen, indem der Kaufpreis bei Berechnung des Wertersatzes analog § 441 Abs. 3 BGB gemindert wird.695 Der Käufer einer mangelhaften untergegangen Sache erhält also den vollen Kaufpreis zurück, muss aber nur einen am geminderten Kaufpreis orientierten Wertersatz leisten. War der Flügels etwa wegen eines Mangels statt 18.000 € nur 9.000 € wert, muss der Käufer nicht 20.000 €, sondern nur 10.000 € Wertersatz leisten, § 441 Abs. 3 BGB analog. Die Pflicht zum Wertersatz kann allerdings gem. § 346 Abs. 3 S. 1 BGB entfallen: Erstens muss kein Wertersatz geleistet werden, wenn die Sache infolge desselben oder eines anderen Ereignisses auch beim Rücktrittsgegner untergegangen sein würde (§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB) – dann ist Wertersatz zur Wiederherstellung eines richtig verstandenen status quo ante nicht erforderlich.696 Neben dieser besonderen Konstellation hypothetischer 692 Vgl. als Paradebeispiel BGHZ 178, 355 („Pferd gegen Fahrstunden“). Es handelt sich um eine verbindliche Regel zu Wertberechnung, nicht um eine widerlegliche Vermutung, vgl. dazu Thum, Wertberechnung bei der Rückabwicklung von Kaufverträgen, 2014, 12–13. 693 BT-Drucks. 14/6040, 196. Vgl. auch Medicus/Lorenz, SAT, 2015, 278: „Ein ‚Schnäppchen‘ bleibt also auch bei der Rückabwicklung ein ‚Schnäppchen‘, wenn dessen Wert zu ersetzen ist.“ 694 Vgl. auch Faust, JuS 2009, 273–274. 695 BGH NJW 2011, 2085. Vgl. auch Arnold, Jura 2002, 154–160; Canaris, in: Wank, Festschrift für Herbert Wiedemann zum 70. Geburtstag, 2002, 3–34, 20–21; Gaier, WM 2002, 1–14, 9; Thum, Wertberechnung bei der Rückabwicklung von Kaufverträgen, 2014, 14–15; Wagner, in: Baums/Lutter, Festschrift für Ulrich Huber zum siebzigsten Geburtstag, 2006, 591–624, 603–604. 696 Bamberger/Roth-Grothe, § 346 Rn. 51. Vgl. auch Herold, Das Rückabwicklungsverhältnis aufgrund vertraglichen oder gesetzlichen Rücktritts, 2001, 120–121. Das betrifft dieselben Fälle von Reserveursachen wie § 287 S. 2 Hs. 2 BGB, vgl. dazu oben, Text bei Fn. 676.
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
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überholender Kausalität entfällt die Wertersatzpflicht beim auf einem gesetzlichen Rücktrittsrecht (§§ 437 Nr. 2, 326 Abs. 5 bzw. 323 Abs. 1 BGB) beruhenden Rücktritt wegen Mangelhaftigkeit der Kaufsache, wenn die Verschlechterung oder der Untergang beim Käufer eingetreten ist, obwohl er die diligentia quam in suis beachtet hat (§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB). Das bedeutet, dass der Käufer den Kaufpreis zurückerhält und keinen Wertersatz für die Kaufsache leisten muss, wenn diese zuvor zufällig oder infolge seiner von ihm stets an den Tag gelegten leichten Fahrlässigkeit (§ 277 BGB) untergegangen ist. Dann erhält der Käufer den Kaufpreis zurück und der Verkäufer trägt das Risiko, diesen wieder hergeben zu müssen, ohne für die Kaufsache Wertersatz zu erhalten.697 Dem Verkäufer kommt also das wirtschaftliche Risiko des zufälligen oder durch diligentia quam in suis des Käufers verursachten Sachuntergangs zu. Dieser Umstand wird in der Literatur als „Zurückspringen der Gefahr“ bezeichnet. Dabei bleibt allerdings im Unklaren, welche Gefahr „zurückspringt“.698 Da es im Rückgewährschuldverhältnis nicht mehr um den ursprünglichen Leistungsaustausch, sondern gerade um dessen Rückabwicklung unter Beachtung besonderer Bewertungsvorschriften geht, ist bei der Verwendung der Begriffe Leistungs- und Preisgefahr Vorsicht geboten. Es geht nicht darum, ob der Verkäufer den Anspruch auf Kaufpreiszahlung behält bzw. der Käufer den Preis entrichten muss, also um die Preisgefahr im ursprünglichen Sinne. Denn der Käufer bekommt den Kaufpreis nach § 346 Abs. 1 BGB jedenfalls zurück. Genauso wenig geht es darum, ob der Verkäufer noch leisten muss oder der Käufer gem. § 275 BGB seinen Anspruch auf 697 Der Käufer muss dem Verkäufer allerdings gem. § 346 Abs. 3 S. 2 BGB eine verbleibende Bereicherung herausgeben. Eine solche wird indes bei Sachuntergang in der Regel nicht vorhanden sein. Allenfalls kommt die Abtretung eines Ersatzanspruchs gegen einen Dritten in Betracht, wobei aber ein nicht abtretbarer Anspruch gegen eine Versicherung keine solche herausgabefähige Bereicherung ist, vgl. BGH, NJW 2015, 1748. Eine Korrekturfunktion dieser bereicherungsrechtlichen Wertersatzpflicht für das Rücktrittsfolgenrecht postuliert Müller-Teckhof, Gefahrtragung und Haftung beim Rücktritt vom Vertrag, 2009, 316. 698 Nur vom „Zurückspringen der Gefahr“ sprechen: JurisPK-Faust, § 346 Rn. 74; Palandt-Grüneberg § 346 Rn. 13a; Lorenz, NJW 2015, 1725–1728; Müller-Teckhof, Gefahrtragung und Haftung beim Rücktritt vom Vertrag, 2009, 304; Erman-Röthel, § 346 Rn. 25; BT-Drucks. 14/6040. Von der „Sachgefahr“ ist die Rede bei: Ernst, in: Baums/Wertenbruch, Festschrift für Ulrich Huber zum siebzigsten Geburtstag, 2006, 165–238, 215; MüKo-Gaier, § 346 Rn. 52 und Staudinger-Kaiser, § 346 Rn. 199 (jeweils zu § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB); Lorenz, in: Lorenz, Karlsruher Forum 2005, 2006, 5–138, 95 sowie Lorenz, NJW 2005, 1889–1895, 1893; PKK-Stürner, § 346 Rn. 16. Dagegen „Zurückspringen der Preisgefahr“ bei: Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, 2002, 253 und bei Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 2013, 116.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
die Kaufsache verliert. Denn der Anspruch aus § 433 Abs. 1 BGB bzw. der Nacherfüllungsanspruch ist mit Rücktritt erloschen. Vielmehr geht es bei § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Alt. 2, 3 BGB darum, ob der Käufer dem Verkäufer einen an der Höhe des Kaufpreises orientierten Wertersatz leisten muss (§ 346 Abs. 2 S. 2 BGB). Demnach steht in Rede, ob der Verkäufer im Austausch mit dem zurückzuerstattenden Kaufpreis Wertersatz in Höhe des (ggf. analog § 441 Abs. 3 BGB reduzierten) Kaufpreises erhält (und diese Ansprüche gegeneinander aufrechnen kann).699 Das heißt, es geht darum, bei wem der Kaufpreis für die untergegangene Sache verbleibt und damit um ein der ursprünglichen Preisgefahr wirtschaftlich entsprechendes Risiko, das man als Kaufpreiserstattungsgefahr im Rückgewährschuldverhältnis bezeichnen kann. Insofern ist es dann auch sinnvoll, vom „Zurückspringen der Gefahr“ zu sprechen: Denn die Preisgefahr geht in der Regel nach Vertragsschluss gem. §§ 446 S. 1 bzw. § 447 Abs. 1 BGB auf den Käufer über und kann als Kaufpreiserstattungsgefahr gem. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB ex tunc auf den Verkäufer „zurückspringen“. Diese Risikozuweisung an den Verkäufer in § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB wird verschiedentlich als ungerechtfertigt kritisiert.700 Dagegen wird im Folgenden gezeigt, dass die Umkehr des in §§ 446 S. 1, 447 Abs. 1 BGB angeordneten Gefahrübergangs durch § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB den der Gefahrtragung zu Grunde liegenden Prinzipien entspricht. Gegen die Zuweisung der Kaufpreiserstattungsgefahr an den Verkäufer spricht zwar das Beherrschbarkeitsprinzip – bis zur Rückabwicklung hat der Käufer die Sache in seiner Sphäre und kann daher die auf sie einwirkenden Gefahren abstrakt besser beherrschen.701 Dieser Wertung stehen allerdings das Prinzip der Veranlassung und den Synallagmagedanke entgegen, die für eine Zuweisung des Zufallsrisikos an den Verkäufer sprechen. Denn der gesetzliche Rücktritt erfolgt, weil der Verkäufer durch seine mangelhafte Leistung die Rückabwicklung veranlasst hat.702 Dieses Zurechnungskriterium 699 Ähnlich Hütte, Gefahrverteilung und Schadensersatz im Rückabwicklungsschuldverhältnis nach gesetzlichem Rücktritt, 2010, 89–91 unter Bezug auf eine dominusStellung des Rückgewährschuldners, die freilich bei Kauf unter Eigentumsvorbehalt nicht existiert und wegen der Irrelevanz des Eigentums für die Gefahrtragung im deutschen Kaufrecht nicht weiter führt. 700 Hager, in: Zimmermann/Ernst, Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, 429–456, 440; Honsell, in: Lobinger, Festschrift für Eduard Picker zum 70. Geburtstag, 2010, 363–376, v.a. 370 und 376; Honsell, in: Bauer, Festschrift für Peter Schwerdtner zum 65. Geburtstag, 2003, 575–583, 580: Kaiser, JZ 2001, 1057–1070, 1064. 701 So schon zu § 350 a.F. Caemmerer, in: Paulus, Festschrift für Karl Larenz zum 70. Geburtstag, 1973, 621–642, 631 und Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, 1975, 193. 702 BT-Drucks. 14/6040, 196; Canaris, Schuldrechtsmodernisierung 2002, 2002, XLI; Thier, in: Lorenz, Festschrift für Andreas Heldrich zum 70. Geburtstag, 2005, 439–456, 444–445. Ähnlich wohl auch Wanner, Gefahrtragung und Haftung beim gesetzlichen
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
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knüpft zwar nicht an das Verschulden, sondern an die objektive Pflichtverletzung des Verkäufers an.703 Dennoch ist die Gefahrzuweisung an den Verkäufer wegen dessen objektiver Pflichtverletzung hinsichtlich der Veranlassung sachgerechter als eine Zuweisung an den Käufer, der überhaupt keinen Veranlassungsanteil an dem zur Rückabwicklung führenden Sachmangel hat. Der Synallagmagedanke bestätigt das: Der Verkäufer, der nicht ordnungsgemäß geleistet und den Vertrag demnach nicht vollständig erfüllt hat, darf nicht darauf vertrauen, dass der Gefahrübergang endgültig ist – ihm ist der Kaufpreis nicht sicher.704 Dagegen würde für den Käufer einer mangelhaften Sache, die nach Gefahrübergang zufällig untergegangen ist, bei fortbestehender am Kaufpreis orientierter Wertersatzpflicht der Rücktritt wirtschaftlich sinnlos, was den Verkäufer von den Konsequenzen seiner pflichtwidrigen Leistung entlasten würde.705 Demzufolge rechtfertigen das Prinzip der Veranlassung und das Synallagma die Zuweisung des Zufallsrisikos an den Verkäufer einer mangelhaften Sache. Allerdings stützen sie nicht die Zuweisung auch von Verlusten wegen diligentia quam in suis des Käufers, zu denen dieser einen eigenen Veranlassungsbeitrag geleistet hat.706 Diese Haftungsprivilegierung ist zwar vor dem Hintergrund der bis 2014 teilweise einheitlichen Regelung von Rücktrittsund Widerrufsfolgenrecht und dem sich daraus ergebenden Bedürfnis, die Rücktritt: eine Untersuchung des Kommissionsentwurfs zur Schuldrechtsreform in Vergleichung mit dem französischen Recht, 2000, 59. Anders Honsell, in: Lobinger, Festschrift für Eduard Picker zum 70. Geburtstag, 2010, 363–376, 580, der keine generelle Zurechnung, sondern nur eine strenge Kausalitätsbetrachtung zulassen will und dem Verkäufer so nur das Risiko des durch einen Sachmangel verursachten Sachuntergangs zuweist. Gaier, WM 2002, 1–14, 10 will § 346 Abs. 3 S. 1 BGB sogar nur anwenden, wenn der Verkäufer den Rücktrittsgrund zu vertreten hat. Ähnlich MüKo-Gaier, § 346 Rn. 54. 703 Lorenz, in: Schulze/Schulte-Nölke, Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, 2001, 329–355, 345 misst dem Zurechnungsaspekt deswegen „wenig rechtsethische Überzeugungskraft“ bei. 704 BT-Drucks. 14/6040, 196; Flessner, NJW 1972, 1777–1783, 1780–1781. Vgl. auch Hager, Gefahrtragung beim Kauf, 1982, 175–76; Boels, Rücktritt vom Vertrag trotz Rückgabeunmöglichkeit, 2009, 93. Ähnlich wohl auch Döll, Rückgewährstörungen beim Rücktritt: eine Untersuchung der Rücktrittsfolgen, insbesondere der Wert- und Schadensersatzpflichten, 2011, 243–245. In diesem Zusammenhang steht auch das Argument Ernsts, dass der Kaufpreisanspruch vom Fortbestand des Kaufvertrags abhängig ist, vgl. Ernst, in: Baums/Wertenbruch, Festschrift für Ulrich Huber zum siebzigsten Geburtstag, 2006, 165–238, 214. 705 Siehe Thier, in: Lorenz, Festschrift für Andreas Heldrich zum 70. Geburtstag, 2005, 439–456, 445. Vgl. auch (zu § 350 BGB (1900) Huber, JZ 1987, 649–657, 654. 706 Vgl. auch Herold, Das Rückabwicklungsverhältnis aufgrund vertraglichen oder gesetzlichen Rücktritts, 2001, 123; Kaiser, JZ 2001, 1057–1070, 1063. Kritisch auch Hager, in: Zimmermann/Ernst, Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform, 2001, 429–456, 440.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
Widerrufsentscheidung des Verbrauchers nicht zu beeinträchtigen, erklärbar707 – er muss mit der Sache nicht sorgfältiger umgehen als mit seinen eigenen Sachen.708 Durch die Prinzipien der Gefahrtragung ist sie indes nicht gerechtfertigt – diese tragen vielmehr nur die Zuweisung des Zufallsrisikos an den Verkäufer. Aus der Rechtfertigung von § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB durch Veranlassungsprinzip und Synallagma folgt, dass die Norm teleologisch zu reduzieren ist, wenn dem Verkäufer keine objektive Pflichtverletzung zur Last fällt, wie etwa bei Rücktritt wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 3 S. 1 BGB).709 Denn dann hat der Verkäufer den Rücktritt nicht veranlasst und den Vertrag vollständig erfüllt. Kein Grund für eine teleologische Reduktion der gesamten Norm ist dagegen die Kenntnis des Käufers vom Sachmangel als Rücktrittsgrund: Diese ändert nichts an der objektiven Pflichtverletzung des Verkäufers – im Gegenteil: Müsste der Käufer ab Kenntnis vom Rücktrittsgrund für Zufall einstehen, zwänge ihn das zu einem eiligen Rücktritt, um der Gefahrtragung zu entgehen.710 Allein die Privilegierung bzgl. der diligentia quam in suis ist einer teleologischen Reduktion bei Kenntnis des Käufers vom Rücktrittsgrund zugänglich, weil ihm ab diesem Zeitpunkt ein sorgfältiger Umgang mit der Kaufsache zugemutet werden kann.711 Jedenfalls aber ab Erklärung des Rücktritts und Entstehung der Pflicht aus § 346 Abs. 1 BGB haftet der Käufer nach normalen Sorgfaltsmaßstäben.712 707
Canaris, Schuldrechtsmodernisierung 2002, 2002, XLIII. Lorenz, in: Lorenz, Karlsruher Forum 2005, 2006, 5–138, 96. 709 Vgl. auch Kamanabrou, NJW 2003, 30–32, 31; JurisPK-Faust, § 346 Rn. 74; NKHager, § 346 Rn. 58; Hütte, Gefahrverteilung und Schadensersatz im Rückabwicklungsschuldverhältnis nach gesetzlichem Rücktritt, 2010, 149; Lorenz, in: Lorenz, Karlsruher Forum 2005, 2006, 5–138; 96; Erman-Röthel, § 346 Rn. 27; Jauernig-Stadler, § 346 Rn. 8a; Palandt-Grüneberg § 346 Rn. 13M Thier, in: Lorenz, Festschrift für Andreas Heldrich zum 70. Geburtstag, 2005, 439–456, 445. 710 Lorenz, NJW 2015, 1725–1728, 1726.; Canaris, Schuldrechtsmodernisierung 2002, 2002, XLVIII. 711 Lorenz, in: Lorenz, Karlsruher Forum 2005, 2006, 5–138; 96; Jauernig-Stadler, § 346 Rn. 8a. Ähnlich aufgrund einer Parallele zum Bereicherungsrecht Thier, in: Lorenz, Festschrift für Andreas Heldrich zum 70. Geburtstag, 2005, 439–456, 445, 446–447. Im Ergebnis genauso, aber durch Modifikation des Maßstabs grober Fahrlässigkeit ab Kenntnis vom Rücktrittsgrund Erman-Röthel, § 346 Rn. 30. Für eine generelle teleologische Reduktion von § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB ab Kenntnis vom Rücktrittsgrund NK-Hager, § 346 Rn. 59; Schwab, JuS 2002, 630–637, 635. Ganz gegen eine teleologische Reduktion ab Kenntnis vom Rücktrittsgrund: Hütte, Gefahrverteilung und Schadensersatz im Rückabwicklungsschuldverhältnis nach gesetzlichem Rücktritt, 2010, 143–146; Kamanabrou, NJW 2003, 30–32; Staudinger-Kaiser § 346 Rn. 205 (unter Berufung auf die Haftung aus § 280 Abs. 1 BGB); Wagner, in: Baums/Lutter, Festschrift für Ulrich Huber zum siebzigsten Geburtstag, 2006, 591–624, 621–622 (aus Rechtssicherheitsgründen). 712 Statt aller MüKo-Gaier, § 346 Rn. 61. 708
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
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Zu dem durch Veranlassung und Synallagma erklärbaren Zurückspringen der Kaufpreiserstattungsgefahr vom Käufer auf den Verkäufer kommt es aufgrund der Verweisung in §(§ 283,) 281 Abs. 5 BGB ebenfalls, wenn der Käufer wegen eines vom Verkäufer zu vertretenden Sachmangels Schadensersatz statt der Leistung verlangt. Gefahrtragung bei der Nacherfüllung Auch bei der Nacherfüllung kommt es zur zumindest temporären Rückgabe der Kaufsache an den Verkäufer und damit zur Änderung der Vertragsabwicklung. Ist die mangelhafte Kaufsache bereits vor Nacherfüllung zufällig (und nicht infolge eines weiterfressenden Sachmangels713) beschädigt worden oder untergegangen, gilt Folgendes: Wurde dadurch die Mängelbeseitigung unmöglich (etwa weil die Sache vernichtet ist und Nachlieferung nicht in Betracht kommt), kann der Käufer nunmehr nach §§ 437 Nr. 2, 326 Abs. 5 BGB zurücktreten und es kommt zum oben beschriebenen Zurückspringen der Gefahr nach § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB. Ist Nacherfüllung dagegen weiterhin möglich, ist zu differenzieren: Bei der Nacherfüllung durch Nachlieferung erhält der Käufer eine andere mangelfreie Sache vom Verkäufer, muss aber die beschädigte oder untergegangene Sache gem. §§ 439 Abs. 4, 346– 348 BGB zurückgeben. Im dadurch entstehenden Rückgewährschuldverhältnis kommt es ebenfalls zum Zurückspringen der Kaufpreiserstattungsgefahr gem. § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB. Bei der bei bloßer Beschädigung der Sache weiter denkbaren Nacherfüllung durch Nachbesserung muss der Verkäufer dagegen nur den ursprünglichen Sachmangel beseitigen – die Gefahr des anderen an der Kaufsache eingetretenen Schadens trägt der Käufer.714 Komplexer ist die Lage, wenn die Kaufsache während der Nacherfüllung zufällig untergeht oder beschädigt wird.715 Bei Untergang der Kaufsache 713
Die durch „Ausdehnung“ eines bereits vorhandenen Mangels verursachte Verschlechterung der Kaufsache ist vom Verkäufer jedenfalls im Rahmen der Nacherfüllung zu beseitigen, vgl. Bamberger/Roth-Faust, § 439 Rn. 15; Erman-Grunewald, § 439 Rn. 3; Staudinger-Matusche-Beckmann § 439 38–41 (jedenfalls für den Verbrauchsgüterkauf); MüKo-Westermann, § 439 Rn. 10. Teilweise a.A. Schollmeyer, NJOZ 2009, 2729–2739: Nur stoffgleiche Weiterfresserschäden seien von der Pflicht zur Nacherfüllung umfasst, weil diese der Befriedigung des Äquivalenzinteresses diene, das ausschließlich bei stoffgleichen Schäden tangiert sei. Außerhalb des Verbrauchsgüterkauf, wo die Nacherfüllungspflicht in ihrem durch den EuGH in der Weber-Putz-Entscheidung (C-65/09 und C87/09) bestimmten Umfang jedenfalls die Beseitigung aller Weiterfresserschäden einschließt, ist die von Schollmeyer vorgeschlagene Beschränkung durchaus diskutabel. 714 Ernst, in: Baums/Wertenbruch, Festschrift für Ulrich Huber zum siebzigsten Geburtstag, 2006, 165–238, 225–226. 715 Vgl. hierzu nur Lorenz/Bauer, in: Baetge/Hein/Hinden, Die richtige Ordnung: Festschrift für Jan Kropholler zum 70. Geburtstag, 2008, 59–73, 61–66.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
während der Nacherfüllung gilt ähnliches wie bei deren Untergang vor Nacherfüllung: Wird dadurch die Mängelbeseitigung unmöglich (z.B. bei Sachvernichtung im Rahmen einer nicht austauschbaren Stückschuld), kann der Käufer gem. §§ 437 Nr. 2, 326 Abs. 5 BGB zurücktreten und es kommt zum Zurückspringen der Kaufpreiserstattungsgefahr nach § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB, wobei die Norm bei einem Untergang der Sache beim Verkäufer a fortiori anwendbar ist.716 Ist weiterhin Nacherfüllung durch Nachlieferung möglich, kommt es bzgl. der untergegangenen Sache nach §§ 439 Abs. 4, § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB ebenfalls zum Zurückspringen der Kaufpreiserstattungsgefahr.717 Auch diese rückwirkende Verkäufergefahrtragung ist mit der objektiven Pflichtverletzung des Verkäufers erklärbar, welche als unvollständige Vertragserfüllung die zum Sachuntergang führende Nacherfüllung erst verursacht hat. Bei einer zufälligen und insbesondere nicht mit dem ursprünglichen Sachmangel zusammenhängenden Beschädigung der Kaufsache während der Nacherfüllung ist der Verkäufer dagegen nicht nach § 439 Abs. 1 BGB zur Beseitigung dieses bei Gefahrübergang noch nicht existenten Schadens verpflichtet.718 In Ermangelung von Vertretenmüssen des Verkäufers haftet dieser auch nicht nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB.719 Die Gefahr der zufälligen Beschädigung der Kaufsache während der Nacherfüllung trägt daher der Käufer. Wenn der Käufer ursprünglich die Wahl zwischen Nachbesserung und Nachlieferung hatte, kann diese Gefahrtragung mit der bewussten Entscheidung des Käufers für die Nachbesserung gerechtfertigt werden: Der Käufer hat dann den Reparaturaufenthalt der Sache beim Verkäufer veranlasst – dieser erfolgt in seinem Beharrungsinteresse bzgl. der Kaufsache.720 716
Lorenz/Bauer, in: Baetge/Hein/Hinden, Die richtige Ordnung: Festschrift für Jan Kropholler zum 70. Geburtstag, 2008, 59–73, 61–62. Dagegen leitet Bamberger/RothGrothe, § 439 Rn. 23 dieses Ergebnis aus § 439 Abs. 2 BGB ab. Die Lösung Lorenz’ und Bauers ist näher am Gesetz und der Struktur des Gewährleistungsrechts und ist daher systematisch überzeugend. Nicht eindeutig insoweit Staudinger-Matusche-Beckmann, § 439 Rn. 93. 717 Ebd. 718 OLG Saarbrücken NJW 2007, 3503, 3504–3505; Lorenz/Bauer, in: Baetge/ Hein/Hinden, Die richtige Ordnung: Festschrift für Jan Kropholler zum 70. Geburtstag, 2008, 59–73, 63–64. Vgl. auch Staudinger-Matusche-Beckmann, § 439 Rn. 44–45: Insbes. gelte auch nichts anderes aufgrund der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, da diese nicht den Zweck habe, den Käufer von Schäden, die mit dem Mangel nichts zu tun haben, auf Kosten des Verkäufers freizustellen. A.A. Bamberger/Roth-Faust, § 439 Rn. 64: Parallele zum Weiterfresserschaden. 719 Lorenz/Bauer, in: Baetge/Hein/Hinden, Die richtige Ordnung: Festschrift für Jan Kropholler zum 70. Geburtstag, 2008, 59–73, 64. 720 Vgl. auch Lorenz/Bauer, in: Baetge/Hein/Hinden, Die richtige Ordnung: Festschrift für Jan Kropholler zum 70. Geburtstag, 2008, 59–73, 65 sowie Schollmeyer, NJOZ 2009,
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
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Diese Veranlassung der Nachbesserung durch bewusste Ausübung des ius variandi durch den Käufer überlagert dann als neuer Veranlassungsbeitrag die ursprüngliche objektive Pflichtverletzung des Verkäufers. Lediglich dann, wenn eine Nachlieferung nie in Betracht kam, ist die Käufergefahrtragung bzgl. der Beschädigung der Sache während der Nachbesserung schwer erklärbar: Die Kaufsache befindet sich dann in der Verkäufersphäre und der Nachbesserungsvorgang mit dem dabei zufällig eintretenden Schaden ist nicht durch die Wahl des Käufers, sondern allein durch den Sachmangel als objektive Pflichtverletzung des Verkäufers veranlasst. Wegen dieser mit der zufälligen Verschlechterung vor Rücktritt unter dem Aspekt von Veranlassung und Synallagma vergleichbaren Interessenlage ist in dieser Situation der Rechtsgedanke aus § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB analog heranzuziehen mit dem Ergebnis einer Verkäufergefahrtragung für die Beschädigung.721 Die Reparaturpflicht des Verkäufers für die weitere Beschädigung kann dann aus einer entsprechend § 346 Abs. 3 S. Nr. 3 BGB erweiterten Auslegung von § 439 Abs. 1 BGB hergeleitet werden. Bzgl. des Untergangs der Kaufsache während der Nacherfüllung trägt demzufolge der Verkäufer die Gefahr. In Hinblick auf Beschädigungen der Kaufsache während der Nachbesserung trifft den Käufer jedenfalls dann die Gefahr, wenn ihm ein ius variandi zustand. Ist die Nachbesserung dagegen von vornherein die einzig mögliche Art der Nacherfüllung, ist es vorzugswürdig, mittels einer Analogie zu § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB zu einer Gefahrtragung des Verkäufers zu kommen. Schwebelage des Verkäufers Außer bei Verschlechterung der Kaufsache vor oder während der Nachbesserung trägt bei mangelbedingter Rückgabe der Kaufsache im Rahmen von Rücktritt, Schadensersatz und Nacherfüllung somit der Verkäufer die Gefahr bzgl. nicht mangelbedingter zufälliger Verschlechterungs- und Untergangsereignisse. Daher befindet sich der Verkäufer bzgl. der Gefahrtragung so lange in der Schwebe, wie der Käufer die genannten Gewährleistungsrechte ausüben kann.722 Das ist insofern gerechtfertigt, als die Schwebelage vom Verkäufer durch seine objektiv pflichtwidrige und daher im Rahmen des Synallagmas unvollständige Leistung veranlasst wurde.
2729–2739, 2735. A.A. Bamberger/Roth-Faust, § 437 Rn. 195: generelle Verkäufergefahrtragung während der Nachbesserung. 721 A.A. Lorenz/Bauer, in: Baetge/Hein/Hinden, Die richtige Ordnung: Festschrift für Jan Kropholler zum 70. Geburtstag, 2008, 59–73, 64–65. 722 Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, 2002, 253.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
bb) Pflichtverletzungen des Käufers Pflichtverletzungen des Käufers wirken sich auf die Vertragsabwicklung aus, wenn dadurch die Übergabe der Kaufsache verzögert bzw. verhindert wird. Wenn der Verkäufer den Vertrag wegen fehlender oder fehlerhafter Mitwirkung des Käufers nicht erfüllen kann, tritt gem. §§ 293 ff. BGB Annahmeverzug ein, wodurch gem. §§ 300 Abs. 2, 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2, 446 S. 3 BGB die Gefahrtragung modifiziert wird. Der Eintritt des Annahmeverzugs setzt voraus, dass der Käufer die ihm vom Verkäufer mangelfrei angebotene Leistung nicht annimmt (§ 293 BGB), ohne dass dies bei unbestimmter Leistungszeit auf eine vorübergehende Annahmeverhinderung des Käufers zurückzuführen wäre (§ 299 BGB). Bei Bringschuld und Schickschuld ist gem. § 294 BGB in der Regel ein tatsächliches Angebot durch Andienung beim Käufer bzw. Schicken der Sache an den Käufer erforderlich; bei der Holschuld reicht gem. § 295 BGB ein wörtliches Angebot. Verschulden des Gläubigers ist nicht erforderlich – hiervon hat der BGB-Gesetzgeber im Interesse des Schuldners und aus praktischen Gründen bewusst abgesehen.723 Mit Eintritt des Annahmeverzugs ändert sich die Gefahrtragung. Erstens ändert sich die Sachgefahrtragung bei Gattungsschulden. Während bei Stückschulden die Sachgefahr gem. § 275 Abs. 1 BGB schon ab Vertragsschluss beim Käufer liegt, trifft sie bei Gattungsschulden vor Konkretisierung den Verkäufer. Wenn vor Konkretisierung (§ 243 Abs. 2 BGB) Annahmeverzug eintritt (z.B. wenn der Gläubiger bei einer Bringschuld im Voraus die Annahme verweigert und gem. § 295 BGB in Annahmeverzug gesetzt wird), geht die Sachgefahr gem. § 300 Abs. 1 BGB auf den Gläubiger über.724 Zweitens geht mit Annahmeverzugseintritt die Preisgefahr auf den Käufer über. Das folgt aus § 326 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB725 und § 446 S. 3 BGB. Bzgl. des Gefahrübergangs sieht § 446 S. 3 BGB die gleiche Rechtsfolge vor wie § 326 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB und hat nur eine klarstellende Funktion.726 Nach Eintritt des Annahmeverzugs muss der Käufer demnach auch dann den Kaufpreis für die Sache entrichten, wenn diese zufällig untergeht. Wegen der Haftungsprivilegierung des Verkäufers gem. § 300 Abs. 1 BGB, die ihn bzgl. aller ihn wegen des Annahmeverzugs zusätzlich treffender Pflichten, also 723
Motive, Band 2, 1888, 68–69. Das setzt allerdings die Aussonderung der angebotenen Sache voraus, vgl. nur Bamberger/Roth-Unberath, § 300 Rn. 6. 725 Zu § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB als Gefahrtragungsnorm im eigentlichen Sinne, auf die nicht § 287 S. 2 Hs. 2 BGB analog anzuwenden ist vgl. oben, Text bei Fn. 381–386. 726 BT-Drucks. 14/6040, 340; Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, 2002, 253; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 2009, 56. A.A. (Spezialität von § 446 S. 3 BGB) Staudinger-Beckmann, § 446 Rn. 31; Coester-Waltjen, Jura 2007, 110–114. Eine eigenständige Funktion hat § 446 S. 3 BGB jedenfalls bzgl. § 446 S. 2 BGB, vgl. Staudinger-Beckmann, § 446 Rn. 31. 724
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
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insbesondere in Hinblick auf die Aufbewahrung der Kaufsache, entlastet,727 ist dem Käufer dabei auch das Risiko des vom Verkäufer leicht fahrlässig verursachten Sachuntergangs zugewiesen. Ab Nichtannahme der angebotenen Kaufsache treffen den Käufer folglich unabhängig vom Vertretenmüssen Sach- und Preisgefahr, wobei letztere auch durch leichte Fahrlässigkeit des Verkäufers verursachte Ereignisse erfasst. Dieses Abweichen vom abstrakten Beherrschbarkeitsprinzip erfolgt wegen des Synallagmagedankens und des Veranlassungsprinzips. Denn das objektiv pflichtwidrige Verhalten des Käufers rechtfertigt inter partes die gleiche Risikoverteilung wie nach Erfüllung:728 Durch das Angebot ermöglicht es der Verkäufer dem Käufer, die Sache anzunehmen, und hat seinen synallagmatischen Pflichten Genüge getan. Der Verbleib der Kaufsache in seiner Sphäre ist nunmehr vom Käufer veranlasst. d) Abweichende Vereinbarungen Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Gefahrtragung im deutschen Kaufrecht grundsätzlich durch das auf dem abstrakten Beherrschbarkeitsgedanken fußende Traditionsprinzip geprägt ist (§ 446 S. 1 BGB). Davon werden beim Versendungskauf und bei Pflichtverletzungen der Parteien Ausnahmen angeordnet, die durch den Synallagmagedanken und das Veranlassungsprinzip gerechtfertigt sind. Die Gefahrtragung wird also durch die Prinzipien der Beherrschbarkeit, der Veranlassung und des Synallagmas bestimmt. Die genannten Prinzipien zielen auf eine adäquate Verteilung der Risiken der Vertragsabwicklung zwischen den Parteien. Sie wurzeln in den Verantwortungssphären der Parteien (Beherrschbarkeit), in ihrem Verhalten bei der Vertragsdurchführung (Veranlassung) und im Gesamtinhalt ihrer Vereinbarung (Synallagma). So werden die Risiken anhand verschiedener Gesichtspunkte im mutmaßlichen Interesse der Parteien verteilt.729 Es handelt sich bei § 446 S. 1 BGB also gerade nicht um eine expansive default rule, welche ihre
727 Vgl. Grunewald, in: Heldrich/Prölls/Koller, Festschrift für Claus-Wilhelm Canaris zum 70. Geburtstag, Band 1, 2007, 329–335, insbes. 331–333. 728 Vgl. Hager, Gefahrtragung beim Kauf, 1982, 192. 729 Vgl. dazu auch Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, 155–156: Es gehe bei der Gefahrtragung um die Ermittlung der Tragweite der jeweiligen Leistungsversprechen anhand von Auslegungsregeln. Dadurch würden die vertraglichen Wertungen der Parteien umgesetzt. Oertmann, Rechtsordnung und Verkehrssitte, 1914, 263 sieht dagegen in den Gefahrtragungsregeln eine „Mittellinie zwischen den entgegengesetzten Parteiinteressen“. Freilich lässt sich der Verlauf dieser Mittellinie nur durch Bestimmung der Tragweite der jeweiligen Versprechen nachzeichnen, so dass es im Ergebnis doch um die Ermittlung des mutmaßlichen Willens beider Parteien geht.
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3. Kapitel: Deutsches Recht
eigene Abbedingung provozieren bzw. erleichtern möchte,730 sondern um eine default rule, welche dem, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie das Problem bedacht hätten, am nächsten kommen möchte.731 Eine solche den mutmaßlichen Parteiwillen abbildende default rule kann freilich keine Geltung beanspruchen, wenn die Parteien ausdrücklich oder konkludent eine eigene Risikoverteilung im Vertrag vorgenommen haben. Angesichts des in der vertraglichen Regelung festgehaltenen tatsächlichen Parteiwillens besteht dann keine Veranlassung, die Risikosphären im mutmaßlichen Parteiinteresse abzugrenzen. Die Parteien können demnach die Risikoverteilung im Vertrag autonom regeln, indem sie vom gesetzlichen Gefahrübergang abweichende Vereinbarungen treffen: Als Zuweisung von Risiken im mutmaßlichen Parteiinteresse sind §§ 446 S. 1, 447 Abs. 1 BGB dispositives Recht.732 Grenzen für die Abbedingung von §§ 446 S. 1, 447 Abs. 1 BGB können sich außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs733 aus dem AGB-Recht ergeben.734 Zwar fällt die Vereinbarung eines Gefahrübergangszeitpunkts nicht unter die Klauselverbote der §§ 308 f. BGB. Allerdings kann die Vereinbarung eines besonders frühen Gefahrübergangs auf den Käufer wegen unangemessener Benachteiligung desselben nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sein. Das kommt gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB insbesondere in Betracht, wenn man das abstrakte Beherrschbarkeitsprinzip als wesentlichen Grundgedanken des § 446 S. 1 BGB anerkennt und der Gefahrübergang nach den AGB zu einem Zeitpunkt erfolgen soll, zu dem sich der Verkäufer noch im unmittelbaren Besitz der Sache befindet und ihm deren Nutzungen zustehen, während der Käufer noch überhaupt keine Zugriffsmöglichkeit auf die Sache hat.735 Bei 730
Siehe hierzu Johnston, YLJ 100 (1990), 615–664; vgl. dazu auch oben Kapitel 2, Text bei Fn. 566. 731 Ob eine solche „what they would have wanted“-default rule wirklich im Interesse beider Vertragsparteien liegt, hängt entscheidend davon ab, aus welchen Grund der Vertrag zu der entsprechenden Frage eine Lücke enthält, insbesondere davon, ob die Lücke beidseitig bewusst, einseitig bewusst oder unbewusst gelassen wurde, vgl. Ayres/Gertner, YLJ 99 (1989), 87–130. 732 Vgl. BGHZ 200, 1 sowie bereits Motive, Band 2, 1888, 324: „keine lex absoluta“; ferner Staudinger-Beckmann, § 446 Rn. 40 und MüKo-Westermann, § 446 Rn. 14. Bzgl. § 446 Abs. 1 S. 2 a.F. vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1969 – V ZR 104/66, Rn. 14. 733 Zu Unabdingbarkeit des Gefahrübergangszeitpunkts beim Verbrauchsgüterkauf vgl. unten, B.II.2.b). 734 Dabei werden allerdings AGBs in Gestalt von Incoterms in der Regel als wirksam anzusehen sein, vgl. MüKo-HGB-Schmidt, § 346 Rn. 112. 735 Staudinger-Beckmann, § 446 Rn. 42. Dem in § 446 S. 1 BGB angeordneten Gefahrübergang mit Übertragung des Besitzes an der Sache kann insbes. deswegen Leitbildfunktion i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr.1 BGB zukommen, weil er nicht auf bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen beruht, sondern wegen der ihm zu Grunde liegenden übergeordneten Prinzi-
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
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einer so großen Abweichung von der im Gesetz als angemessen erachteten und dem durchschnittlichen mutmaßlichen Parteiinteresse entsprechenden Gefahrtragung zwingt § 307 Abs. 1, 2 BGB die Parteien trotz ihrer abweichenden Vereinbarung zurück zum Beherrschbarkeitsprinzip. Das gesetzliche Gefahrtragungsregime dient somit der Risikoverteilung im mutmaßlichen Parteiinteresse und respektiert aus diesem Grund Parteivereinbarungen über den Gefahrübergang, bei Formularverträgen aber nur in den Grenzen des Leitbilds der die gesetzliche Regelung rechtfertigenden Prinzipien. Schon aufgrund dieser Leitbildgrenze des deutschen Rechts ist es unwahrscheinlich, dass sich die Rechtswirklichkeit der Kaufvertragsdurchführung nach deutschem Recht und die gelebte Rechtslage unter Geltung des englischen Rechts mit einer entsprechenden Möglichkeit zu abweichenden Vereinbarungen736 aufgrund regelmäßiger Abbedingung der jeweiligen gesetzlichen Regelungen einander vollständig annähern werden. Einer solchen Annäherung der gelebten Vertragsinhalte steht zudem die Tendenz durchschnittlicher Vertragsparteien zum status quo entgegen: Sieht eine Rechtsordnung eine bestimmte default rule vor, ziehen durchschnittliche Vertragsparteien den Inhalt dieser Regel allein aufgrund der Tatsache, dass es sich um einen bereits entsprechend geregelten Inhalt handelt, anderen neuen Inhalten vor.737 Kurz: Durchschnittliche Vertragsparteien haben eine Präferenz dafür, dass die Rechtslage zwischen ihnen so bleibt, wie sie kraft dispositiven Rechts ist. Dies eröffnet einerseits Gesetzgebern und – insbesondere im Case Law – rechtsschöpfenden Gerichten die Möglichkeit der Verhaltenssteuerung durch die Gestaltung auch dispositiven Rechts738 und führt andererseits dazu, dass pien eine Ausprägung des Gerechtigkeitsgebots darstellt, vgl. Stoffels, AGB-Recht, 3. Aufl. 2015, 197–198. Ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB kommt auch in Betracht, wenn die Parteien eine Vereinbarung über den Leistungsort treffen und damit nur mittelbar den Gefahrübergangszeitpunkt modifizieren, BGH NJW 2014, 454. 736 Vgl. dazu oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 557–568. 737 Vgl. zu dieser status quo bias bzgl. der default rules unter Auswertung einer empirischen Studie Korobkin, Cornell Law Review 83 (1998), 608–687. Dieses „Trägheitsmoment“ in der Veränderung von Verträgen wirkt sich etwa auch bei der Entwicklung des Preisniveaus nach Aufdeckung eines Kartells aus und zeitigt Effekte bei der Schadensberechnung nach der zeitlichen Vergleichsmarktmethode, zu letzterer vgl. Rauh/Zuchandke /Reddemann, WRP 2012, 173–183, 176–177. Möslein, Dispositives Recht: Zwecke, Strukturen und Methoden, 2011, 317 merkt zu recht an, dass man die Auswirkung der status quo bias durch geschicktes framing der default rules abmildern kann: Bietet der Gesetzgeber etwa selbst Alternativen an, ist der status quo mannigfaltig und die Auswahl nicht durch eine Ausgangsregel vorbestimmt. 738 Freilich hängt die Intensität dieser Steuerungswirkung im Einzelfall von den Handlungsrationalitäten der konkreten Akteure ab: Je stärker diese in ihrem Dispositionsverhalten eigene Ziele bewusst verfolgen, desto schwächer ist die Steuerungswirkung der dispositiven Regel; je schwächer die Regelungsadressaten solche Ziele verfolgen und statt
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3. Kapitel: Deutsches Recht
die Unterschiede zwischen dispositiven Regeln in verschiedenen Rechtsordnungen durch von diesen Regeln abweichende Parteivereinbarungen nicht vollständig nivelliert werden. 2. Besonderheiten des Verbrauchsgüterkaufs Die kaufrechtliche Gefahrtragung wird beim Verbrauchsgüterkauf modifiziert gem. §§ 474, 475 BGB. Bei diesen Vorschriften handelte es sich ursprünglich um eine überschießende Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (1999/44/EG), die an sich keine Änderungen des Gefahrübergangsrechts erforderte.739 Zur Umsetzung der den Gefahrübergang beim Versendungskauf regelnden Verbraucherrechterichtlinie (Art. 20 RL 2011/83/EU) wurden die Normen mit Wirkung zum 13.6.2014 geändert.740 Die §§ 474 Abs. 1, 4, 475 BGB n.F. wirken sich auf den Gefahrübergang beim Versendungskauf und die Abdingbarkeit der Gefahrübergangsregeln aus. Zudem sind die Wertungen des Europarechts auch bei der Gefahrtragung im Kontext der Nacherfüllung zu beachten. a) Modifikation der Gefahrtragung beim Versendungskauf Verpflichtet sich der Unternehmer im Kaufvertrag, die Sache an den Verbraucher zu schicken, fallen Leistungs- und Erfolgsort seiner Pflicht aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB auseinander, so dass eigentlich § 447 Abs. 1 BGB anwendbar wäre,741 wonach den Verbraucher die Preisgefahr schon ab Übergabe der Sache an den Transporteur träfe. Das wurde schon 2002 als mit der Verkehrsauffassung beim Verbrauchsgüterkauf unvereinbar angesehen,742 so dass man § 447 BGB für den Verbrauchsgüterkauf in § 474 Abs. 2 S. 2 BGB (2002) für gänzlich unanwendbar erklärte. Infolgedessen kam es erst mit Übergabe der Sache an den Verbraucher zum Übergang der Preisgefahr gem. § 446 S. 1 BGB.
dessen auf die dispositive Regel vertrauen, desto stärker ist deren Steuerungswirkung, vgl. Möslein, Dispositives Recht, 2011, 265–334, 481–482. 739 Vgl. Lorenz, JuS 2004, 105–107, 106 sowie oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 587. Zu den daraus resultierenden Friktionen innerhalb der RL mit der Haftung des Verkäufers für Vertragswidrigkeiten bei Lieferung vgl. Kapitel 2, Text bei Fn. 588–592. Zum Streit um die Streichung von § 447 BGB im Vorfeld des SMG vgl. oben, Text bei Fn. 516–522. 740 Vgl. BT-Drucks. 17/12637, 36, 70 sowie MüKo-Lorenz, § 474 Rn. 39. Zu Art. 20 RL 2011/83/EU vgl. oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 602. 741 BGH NJW 2003, 3341, 3342. 742 BT-Drucks. 14/6040, 244. Indem sich der Gesetzgeber auf die Verkehrsauffassung berief, machte er den Willen der Vertragsparteien zur Grundlage der neuen Gefahrübergangsregelung, vgl. Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, 150.
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
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Die RL 2011/83/EU regelt in Art. 20 den Risikoübergang auf den Verbraucher: Dieser erfolgt gem. S. 1 in der Regel mit Inbesitznahme der Ware durch den Verbraucher oder einen durch ihn benannten Dritten. Erwägungsgrund 55 RL 2011/83/EU stellt klar, dass die Inbesitznahme der Ware bei deren Erhalt durch den Verbraucher erfolgt. Ausnahmsweise geht aber gem. Art. 20 S. 2 das Risiko schon mit Übergabe an den Beförderer auf den Verbraucher über, wenn dieser den Beförderer beauftragt hat, ohne dass diese Option vom Unternehmer angeboten wurde. Wegen der vollharmonisierenden Wirkung der RL (Art. 4 RL 2011/83/EU) konnte es nicht bei einem gänzlichen Ausschluss von § 447 BGB für Verbraucher bleiben. In Umsetzung der Richtlinie ordnet der neue § 474 Abs. 4 BGB daher die Anwendung von § 447 Abs. 1 BGB an, wenn der Käufer die Transportperson ohne vorige Benennung durch den Verkäufer beauftragt hat. Ansonsten bleibt es beim Ausschluss von § 447 Abs. 1 BGB.743 Der Gefahrübergang beim Versendungskauf zwischen Unternehmer und Verbraucher erfolgt nach § 446 S. 1 BGB grundsätzlich weiterhin erst mit Übergabe.744 Wie bisher erlischt sowohl beim Stückkauf als auch beim konkretisierten Gattungskauf der Kaufpreiszahlungsanspruch des Verkäufers (§ 326 Abs. 1 S. 1 BGB), wenn die Sache auf dem Transport zerstört wird; Beschädigungen auf dem Transport begründen einen Mangel gem. § 434 BGB, wegen dessen der Verbraucher gem. § 437 BGB Gewährleistungsrechte hat.745 Während des Transports trägt damit der Verkäufer die Gefahr des zufälligen Untergangs oder der Beschädigung der Sache. Nur bei Beauftragung des Transporteurs durch den Käufer ohne vorherige Benennung durch den Verkäufer746 kommt gem. § 474 Abs. 4 BGB ausnahmsweise § 447 Abs. 1 BGB zur Anwendung, so dass der Verbraucher die Gefahr schon ab Übergabe der Sache an die Transportperson trägt. Dabei wird es sich allerdings bei diesen Fällen, in denen der Unternehmer den Transport der Sache nicht selbst organisiert, sondern dies dem Verbraucher überlässt, in der Regel ohnehin um Holschulden handeln, so dass § 447 743
Zum verwirrenden Wortlaut von § 474 Abs. 4 BGB („mit der Maßgabe“) vgl. BeckOK-Faust, § 474 Rn. 42. 744 Vgl. BT-Drucks. 17/12637, 70. 745 Vgl. Lorenz, JuS 2004, 105–107, 106 sowie BeckOK-Faust, § 474 Rn. 43. 746 Bei der „Benennung“ (Art. 20: „Option anbieten“, engl. Fassung: „choice offered“) geht es gem. Erwägungsgrund 55 der RL darum, dass der Verbraucher das Risiko tragen soll, wenn es seine Sache ist, die Waren abzuholen oder einen Beförderer zu beauftragen. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Verkäufer dem Käufer angeboten hat, selbst einen Transporteur zu beauftragen, sondern darauf, ob der Verkäufer dem Verbraucher einen Transporteur vorgeschlagen hat, und der Verbraucher diesen Transporteur aufgrund des Vorschlags ausgewählt hat, BeckOK-Faust, § 474 Rn. 49–51. Vgl. auch JurisPK-Ball, § 474 Rn. 62.
274
3. Kapitel: Deutsches Recht
Abs. 1 BGB schon aus diesem Grund nicht anwendbar ist.747 Die strikte Anwendung der zu einer Transportgefahrtragung des Verkäufers führenden Rückausnahme in Art. 20 S. 2 RL 2011/83/EU für vom Unternehmer angebotene Transportoptionen führt dazu, dass man darüber hinaus bei Holschulden, bei denen der Unternehmer dem Verbraucher einen Transporteur vorschlägt, § 446 S. 1 BGB so auslegen muss, dass eine Übergabe i.S.v. § 446 S. 1 BGB erst mit Übergabe an den Käufer und nicht an die Transportperson erfolgt.748 Dahin kommt man, indem man den Transporteur in diesen Fällen nicht als Besitzmittler des Käufers betrachtet, weil er im Lager des Verkäufers steht.749 § 474 Abs. 4 BGB modifiziert demzufolge die Preisgefahrtragung in den meisten Fällen des Versendungskaufs zwischen Verbraucher und Unternehmer. Bzgl. der Sachgefahrtragung gelten dagegen die allgemeinen Regeln: Sie trifft den Käufer gem. § 275 BGB beim Stückkauf schon ab Vertragsschluss und beim Gattungskauf ab Konkretisierung (§ 243 Abs. 2 BGB), bei Schickschulden also nach Aussonderung und Versand der Sache.750 Dies widerspricht nicht Art. 20 RL 2011/83/EU, weil dieser mit „Risiko für einen Verlust“ nur die Preisgefahr meint.751 Das ergibt sich erstens aus einem Memo der Kommission zu häufig gestellten Fragen zur Richtlinie, in dem als Konsequenz des Gefahrübergangs ein Anspruch des Verbrauchers auf Kaufpreisrückzahlung (refund) genannt wird, der nur Folge einer Preisgefahrregelung sein kann.752 Zweitens spricht hierfür die englische Fassung der Richtlinie, die in Art. 20 von risk spricht. Risk bedeutet im englischen Recht nur Preisgefahr,753 während die Frage nach der Sachgefahr von der frustrationDoktrin beantwortet wird. Das gleiche Ergebnis lässt sich auch aus dem niederländischem Richtlinientext herleiten, der dem Verkäufer das risico van verlies of beschadiging zuweist. Vergleicht man diesen Wortlaut mit der ähnlichen Formulierung in Art. 1882 Burgerlijk Wetboek, der dem Entleiher bei zufälligem Untergang einer geliehenen Sache unter bestimmten Umständen eine Haftung auferlegt, wird offenbar, dass es hierbei um die finanziellen Konsequenzen eines Verlusts geht und nicht um den Anspruch auf die Sache selbst, also nicht um die Sachgefahr. Daher ist es europarechtskonform, dass
747
Erman-Grunewald § 474 Rn. 12; MüKo-Lorenz, § 474 Rn. 40. Vgl. auch BeckOKFaust, § 474 Rn. 47. 748 Vgl. BeckOK-Faust, § 474 Rn. 48. 749 Anders nach Ansicht von BeckOK-Faust, § 474 Rn. 48 ist demnach keine Änderung von § 474 Abs. 4 BGB geboten. 750 Vgl. nur Staudinger-Schiemann, § 243 Rn. 32. 751 So auch BeckOK-Faust, § 474 Rn. 45, der aber Klärungsbedarf durch den EuGH sieht. 752 MEMO/08/609, Section 2. 753 Vgl. oben, Kapitel 1, Fn. 2.
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
275
im BGB beim Verbrauchsgüterkauf nur die Zuweisung der Preisgefahr und nicht auch der Sachgefahr modifiziert ist. Die gegenüber § 447 Abs. 1 BGB modifizierte Preisgefahrtragung wurde im Vorfeld des SMG mit dem Beherrschbarkeitsprinzip und mit der beim Verbrauchsgüterkauf herrschenden Verkehrsauffassung begründet.754 Allerdings ist das Beherrschbarkeitsprinzip, wie oben gezeigt,755 zur Begründung einer Gefahrzuweisung beim Versendungskauf ungeeignet, weil sich die Sache auf dem Transport weder im Verantwortungsbereich des Verkäufers noch des Käufers, sondern in der Sphäre des Transporteurs als Drittem befindet. Nachdem das Gefahrtragungsregime des BGB letztlich dem mutmaßlichen Parteiinteresse Rechnung tragen soll,756 kann das Argument mit der Verkehrsauffassung der am Verbrauchsgüterkauf Beteiligten dagegen verfangen. Der weitgehende Ausschluss von § 447 Abs. 1 BGB ist demnach als Kodifikation des mutmaßlichen Parteiinteresses beim Verbrauchsgüterkauf gerechtfertigt.757 Das gilt aber nur, soweit man dem mehr Gewicht beimisst als dem Synallagmagedanken und dem Veranlassungsprinzip, die wegen der begrenzten Verkäuferpflichten im Rahmen der Schickschuld und der Durchführung des Transports im Interesse des Käufers für eine Gefahrzuweisung an letzteren sprächen.758 Eine Entscheidung zu Gunsten des mutmaßlichen Parteiinteresses beim Verbrauchsgüterkauf liegt nahe, weil der Käufer im Versandhandel meist gar keine andere Wahl hat als sich die Sache vom Verkäufer zuschicken zu lassen.759 Zudem weiß der Verbraucher-Käufer im Gegensatz zu geschäftlich erfahreneren Käufern oft nicht genau, was ihm die Sache wirtschaftlich wert ist,760 und hat daher auch keinen Absorptionsvorsprung. Es gilt deswegen, die richtige Mittellinie zwischen den Parteiinteressen zu ziehen (Oertmann)761 und dabei die schwächere Position des Verbrauchers zu berücksichtigen. Scheut man vor paternalistischen Erwägungen nicht zurück und berücksichtigt bei der Bestimmung der Parteiinteressen diesen Schutzgedanken, ist der weitgehende Ausschluss von § 447 Abs. 1 BGB beim Verbrauchsgüterkauf gerechtfertigt.
754
BT-Drucks. 14/6040, 243–244. Vgl. auch oben, Text bei Fn. 516–518 sowie Lorenz, ZGS 2003, 421–423, 422. 755 Vgl. oben, Text bei Fn. 628–631. 756 Vgl. oben, Text bei Fn. 729. 757 Vgl. auch Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, 150. A.A. (Beherrschbarkeit) Palandt–Weidenkaff, § 474 Rn. 8. 758 Vgl. oben, Text bei Fn. 641–642. 759 BT-Drucks. 14/6040, 244. 760 Vgl. dazu oben, Text bei Fn. 635. 761 Oertmann, Rechtsordnung und Verkehrssitte, 1914, 263.
276
3. Kapitel: Deutsches Recht
b) Grenzen abweichender Vereinbarungen Vor Umsetzung des Regelungsgehalts von Art. 20 RL 2011/83/EU in § 474 Abs. 4 BGB ging man mehrheitlich davon aus, dass die Regel § 474 Abs. 2 BGB (2002), die § 447 BGB für unanwendbar erklärte und hierbei keine europäischen Vorgaben umsetzte, grundsätzlich durch die Parteien des Verbrauchsgüterkaufs abbedungen werden könne; mangels europarechtlichen Gehalts sei die Norm nicht vom Ausschluss abweichender Vereinbarungen in § 474 Abs. 1 BGB erfasst.762 Faktisch war die Norm bei Verbrauchsgüterkäufen dennoch unabdingbar, weil abweichende Vereinbarungen gem. § 310 Abs. 3 Nr. 1, 2 BGB fast immer im Rahmen einer AGB-Kontrolle wegen Verstoßes gegen die Leitbildfunktion von § 474 Abs. 2 BGB (2002) gem. § 307 Abs. 1, 2 Nr. 1 unwirksam waren.763 Nachdem § 474 Abs. 4 BGB n.F. aber Vorgaben von Art. 20 RL 2011/83/EU umsetzt, steht es nunmehr außer Frage, dass die Norm von § 475 Abs. 1 BGB erfasst und daher unabdingbar ist.764 Darüber hinaus ist der Regelungsgehalt von Art. 20 RL 2011/83/EU teilweise auch in § 446 S. 1 BGB umgesetzt, der bei Unanwendbarkeit von § 447 Abs. 1 BGB zum Zuge kommt. Deswegen muss man das Verbot abweichender Vereinbarungen in § 475 Abs. 1 BGB richtigerweise analog auch auf § 446 S. 1 BGB im Rahmen von Verbrauchsgüterkäufen anwenden,765 so dass der Gefahrübergang beim Verbrauchsgüterkauf im Ganzen unabdingbar ist. c) Gefahrtragung im Kontext von Nacherfüllung und Rücktritt Der EuGH folgert in seiner Entscheidung Weber und Putz aus dem Richtliniengebot, die Nachbesserung ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher zu ermöglichen (Art. 3 Abs. 3 RL 1999/44/EG), dass es gerechtfertigt sei, dem Verkäufer, der dem Käufer schuldlos eine mangelhafte Kaufsache verschafft hat, die Kosten für den Ausbau des vertragswidrigen Verbrauchsguts und den Einbau des als Ersatz gelieferten Guts aufzuerlegen, da diese vermieden worden wären, wenn er von Anfang an ordnungsgemäß geleistet hätte.766 Damit misst der EuGH der verschuldensunabhängigen Pflicht 762
Canaris, Schuldrechtsmodernisierung 2002, 2002, XXXIV; Bamberger/Roth-Faust, § 475 Rn. 5; MüKo-Lorenz (6. Aufl. 2012), § 475 Rn. 5; Lorenz, ZGS 2003, 421–423, 423. A.A. (zwingender Charakter der Norm) Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 2009, 268–269 und Staudinger-Matusche-Beckmann, § 475 Rn. 9 sowie BGH NJW 2003, 3341 (obiter dictum). 763 Lorenz, ZGS 2003, 421–423, 423. 764 MüKo-Lorenz, § 474 Rn. 44, § 475 Rn. 6; BeckOK-Faust, § 475 Rn. 5; JurisPKBall, § 474 Rn. 66. 765 BeckOK-Faust, § 475 Rn. 5. 766 EuGH, Urteil vom 16.6.2011, C-65/09 und C-87/09 (Weber und Putz), Rn. 57.
B. Modifikation durch die kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln
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zur Nacherfüllung einen weiten Umfang bei, der sich systemwidrig der Reichweite der Naturalrestitution nach der Differenzhypothese im Schadensrecht annähert.767 Dieser Wertung wird man – trotz ihrer Kritikwürdigkeit768 – auch bei der Gefahrtragung im Kontext der Nacherfüllung Rechnung zu tragen haben: Während der Nacherfüllung ergeben sich bei Untergang der Kaufsache keine Veränderungen der Gefahrtragung. Denn nachdem schon gemäß allgemeinem Kaufrecht die Gefahr hier auf den Verkäufer zurückspringt,769 entstehen keine Unannehmlichkeiten für den Käufer. Problematischer sind Beschädigungen der Kaufsache während der Nacherfüllung im Wege der Nachbesserung: Hat der Käufer die Wahl zwischen beiden Arten der Nacherfüllung gehabt, weist ihm das allgemeine Kaufrecht aufgrund seiner Entscheidung für die Nachbesserung, die in seinem Beharrungsinteresse erfolgt, die Gefahr von Beschädigungen während der Reparatur zu.770 Dies könnte man prima facie als erhebliche Unannehmlichkeit bei der Nachbesserung auffassen und für richtlinienwidrig halten. Allerdings ist die zufällige Beschädigung während der Nachbesserung nicht der Nachbesserung selbst geschuldet. Vielmehr tritt sie zufällig in der Sphäre des Verkäufers ein, in der sich die Kaufsache allein aufgrund der Entscheidung des Käufers für Nachbesserung statt Nachlieferung befindet. Daher ist sie nicht als Unannehmlichkeit aufgrund der Nachbesserung, sondern als Konsequenz des ius variandi des Käufers einzuordnen. Diese Zurechnungsentscheidung nach dem Veranlassungsgedanken ist auch im Lichte der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie aufrechtzuerhalten. Denn es ist nicht der Zweck von Art. 3 Abs. 3 RL 1999/44/EG den Käufer von Schäden, die mit dem Mangel nichts zu tun haben, auf Kosten des Verkäufers freizustellen.771 Stand dem Käufer dagegen kein ius variandi zu, weil die Nacherfüllung nur durch Nachbesserung erfolgen konnte, ist die Gefahr für Beschädigungen während der Nachbesserung mangels Veranlassungsbeitrag des Käufers auch nach allgemeinem Kaufrecht analog § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB dem Verkäufer zuzuweisen,772 womit jedenfalls auch Art. 3 Abs. 3 RL 1999/44/EG Genüge getan ist. Die Gefahrtragung im Kontext der Nacherfüllung verändert sich aufgrund der Wertung aus Weber und Putz daher nicht. Allerdings könnte es dennoch zu einer Änderung der Preiserstattungsgefahrtragung beim Rücktritt kommen, wenn die von der Kommission am 9.12.2015 vorgeschlagene Richtlinie zum 767 768 769 770 771 772
Vgl. nur Lorenz, NJW 2011, 2241–2245, 2243. Statt aller Lorenz, NJW 2011, 2241–2245 und Kaiser, JZ 2011, 978–988. Vgl. oben, Text bei Fn. 716. Vgl. oben, Text bei Fn. 720. Staudinger-Matusche-Beckmann, § 439 Rn. 44–45. Vgl. oben, Text bei Fn. 721.
278
3. Kapitel: Deutsches Recht
Online- und Versandhandel mit Waren773 vom Europäischen Parlament verabschiedet werden sollte. Denn gem. Art. 13 Abs. 3 lit. c der Richtlinie muss der Verbraucher dem Unternehmer bei zufälliger Zerstörung der Sache Wertersatz leisten und genießt nicht die Privilegierung, die ihm gem. § 346 Abs. 3 Nr. 3 BGB zugutekommt. Würde dies im BGB ausschließlich für den Verbrauchsgüterkauf umgesetzt, stünde der Verbraucher-Käufer hinsichtlich der Kaufpreiserstattungsgefahr daher schlechter als der Käufer, der nicht Verbraucher ist.
773
COM(2015) 635 final, vgl. dazu oben, Kapitel 2, Text bei Fn. 639.
Kapitel 4
Ergebnisse und Perspektiven Vor dem Hintergrund der vorgenommenen Untersuchung kann ein Gesamtbild des englischen und deutschen Gefahrtragungsrechts beim Kauf beweglicher Sachen gezeichnet werden. Dieses soll die Entwicklungslinien, deren treibende Kräfte und die heutigen dogmatischen Strukturen in den beiden Rechtsordnungen abschließend noch einmal nachzeichnen und dabei auch Regeln des europäischen Privatrechts in den Blick nehmen.
A. Gefahrtragung vor Gefahrübergang Bevor ab dem Gefahrübergang die speziellen kaufrechtlichen Gefahrtragungsregeln eingreifen, wird die Zuweisung der aus dem zufälligen Untergang des Vertragsgegenstands resultierenden Risiken in beiden Rechtsordnungen durch die Rechtsfolgen der Unmöglichkeit der Erfüllung bestimmt. Die Rechtsfolgen von Unmöglichkeit stehen im englischen und deutschen Recht in einer jeweils verschiedenen Begründungstradition, die im englischen Recht stärker in Aspekten der Vertragsauslegung bzw. in dem hinter dem Vertrag stehenden Parteiwillen und im deutschen Recht stärker in einem objektiven Urteil über den Inhalt der jeweiligen Leistungspflicht wurzelt. Bei Stückkäufen und konkretisierten Gattungskäufen ist sowohl nach geltendem englischem als auch nach geltendem deutschem Recht die Gefahr im Ergebnis insofern zwischen Käufer und Verkäufer aufgespalten, als der zufällige Untergang des Vertragsgegenstands als unmöglichkeitsauslösendes Ereignis zum Erlöschen von Leistungs- und Gegenleistungspflicht führt. Der Käufer kann nach zufälligem Untergang der (konkretisierten) Kaufsache vom Verkäufer nicht mehr deren Übergabe und Übereignung verlangen und trägt daher die Leistungsgefahr. Der Verkäufer kann ebenso wenig vom Käufer die Zahlung des Kaufpreises verlangen und trägt somit die Preisgefahr. Vor Konkretisierung trifft den Verkäufer beim Gattungskauf in beiden Rechtsordnungen die Sachgefahr bzgl. des Untergangs einzelner Stücke der Gattung; nur bzgl. des Untergangs der ganzen Gattung bzw. des ganzen Vorrats trägt der Käufer schon vor Konkretisierung die Sachgefahr. Dabei erfolgt die Konkretisierung des Schuldverhältnisses auf eine bestimmte Sache im englischen Recht tendenziell früher als im deutschen Recht, da die englische
280
4. Kapitel: Ergebnisse und Perspektiven
appropriation-Theorie nur die unwiderrufliche Zuordnung einer Sache zum Vertrag erfordert und daher eine Art „Individualisierungstheorie“ ist, während das deutsche Recht in § 243 Abs. 2 BGB im Grundsatz der Lieferungstheorie Jherings folgt und vom Schuldner zumindest bei Schick- und Bringschulden mehr verlangt als die bloße Individualisierung der Sache. Reduziert sich der mehreren Gläubigern versprochene Vorrat vor Konkretisierung infolge zufälligen Teiluntergangs auf eine zur Befriedigung aller Gläubiger nicht ausreichende Menge, führt im deutschen Recht eine Repartierungspflicht des Schuldners zu einer anteiligen Sachgefahrtragung der Gläubiger, während nach den im englischen Recht diskutierten Lösungen entweder der Schuldner oder einzelne Gläubiger die gesamte Sachgefahr tragen. Hat der Käufer die Gegenleistung bei Unmöglichkeitseintritt schon erbracht, bestehen Unterschiede zwischen der Rückabwicklung nach englischem und deutschem Recht: Während die Regeln des LR(FC)A 1943 und s. 7 SGA 1979 eine im Grundsatz bereicherungsrechtliche Rückabwicklung vorsehen, im Rahmen derer sich der Verkäufer innerhalb des richterlichen Ermessensspielraums bzw. mittels des change of position-Einwands unter bestimmten Voraussetzungen auf Entreicherung berufen kann, trägt der Käufer im deutschen Recht seit dem SMG anders als nach §§ 323 Abs. 1, 3 i.V.m. 818 Abs. 3 BGB (1900) nicht mehr das Rückholrisiko bzgl. seiner Vorleistung, weil sich der Verkäufer im Rahmen des gem. § 326 Abs. 4 BGB anwendbaren Rücktrittsfolgenrechts nicht auf Entreicherung berufen kann. Abgesehen vom Leistungsbestands- bzw. Rückholrisiko bei Vorleistungen gilt aber im Ergebnis in beiden Rechtsordnungen: Vor Gefahrübergang trägt der Käufer eines Stückkaufs oder eines schon konkretisierten Gattungskaufs die Sachgefahr und der Verkäufer die Preisgefahr. Diese zwischen den Parteien geteilte Gefahrtragung ist das Ergebnis voneinander verschiedener Entwicklungen der beiden Rechtsordnungen. Die Entwicklung des englischen Rechts wurde durch die Ausbildung genuiner Regeln und die anschließende Emanzipation von denselben insbesondere unter kontinentalen Einflüssen bestimmt. Im deutschen Recht war die Genese des Unmöglichkeitsrechts im Wesentlichen durch die Rezeption, Systematisierung und Anreicherung römischen Rechts mit scholastischem und naturrechtlichem Gedankengut geprägt. Dabei ist der Ausgangspunkt der Entwicklung in den beiden Ordnungen ähnlich, obwohl er in einer jeweils anderen historischen Tradition steht: Im mittelalterlichen Gemeinen Recht, das aus den römischen Einzelfällen Regeln extrahiert hatte, erlosch die Leistungspflicht des Schuldners bei casus und vis maior – genauso haftete nach dem in den englischen Entscheidungen bis ins 15. Jahrhundert hinein anzutreffenden Rechtszustand der Schuldner und Beklagte einer action of covenant nicht für den Sachuntergang infolge höherer Gewalt.
A. Gefahrtragung vor Gefahrübergang
281
Später bildete sich indes ein erheblicher Unterschied aus: Während im englischen Recht die Position der aus dem Vertrag berechtigten Partei in den Vordergrund rückte, der man nach der doctrine of absolute contracts auch bei zufälligem Untergang des Vertragsgegenstands einen Schadensersatzanspruch gegen den Schuldner gab, galt im deutschen Rechtsraum weiterhin, dass nach Gemeinem Recht die Verpflichtung zur Verschaffung der Sache bei deren zufälligem Untergang erlischt. Dieser Grundsatz wurde im Humanismus mit dem Erlöschen der Gegenleistungspflicht in Zusammenhang gestellt und dieses System des Erlöschens der wechselseitigen Vertragspflichten bei zufälliger Unmöglichkeit schließlich mit spätscholastischem und naturrechtlichem Gedankengut angereichert: Allein der nicht schuldhafte Versprechensbruch war nach scholastischem Verständnis nicht sündhaft, so dass nur der unverschuldeten Unmöglichkeit Befreiungswirkung zukam; der zunehmend für die Verpflichtung maßgebende Wille des Einzelnen konnte nicht auf Unmögliches gerichtet sein, weswegen bei Unmöglichkeit die Bindungswirkung seines Versprechens aufgehoben wurde. Diese Ideen wurden von Grotius und Pufendorf aus einer weltlich-juristischen Perspektive rezipiert; auf dieser Grundlage wurde schließlich die umfassende Befreiungswirkung nachträglicher unverschuldeter Unmöglichkeit für Haupt- und Gegenleistungspflicht im ALR und später im BGB (1900) kodifiziert. Die zunehmende Relevanz des individuellen Parteiwillens war nicht nur für die naturrechtlichen Einflüsse auf das deutsche Recht bestimmend, sondern prägte auch die Emanzipation des englischen Rechts von der doctrine of absolute contracts. Hinter der Fassade des Parteiwillens konnte die Konstruktion der implied condition bzgl. der Fortexistenz des Vertragsgegenstands entwickelt werden, welche die Leistungspflicht des Schuldners bei Sachuntergang zum Erlöschen brachte. Als Begründung und Untermauerung dessen dienten das römische Recht und das Civil Law, wie es von Pothier insbesondere unter dem Einfluss Grotiusʼ und Pufendorfs systematisiert worden war. Damit erfolgte die Emanzipation des englischen Rechts von der doctrine of absolute contracts zugunsten der frustration-Doktrin insbesondere unter dem Einfluss der Willenstheorie und von römisch-kontinentalem Begründungsmaterial.1 In der weiteren Entwicklung kristallisierte sich heraus, dass die frustration-Doktrin wegen des Scheiterns des gemeinsamen Vertragszwecks der Parteien nicht nur zum Erlöschen von Leistungs- und Gegenleistungspflicht, sondern zum Ende aller Vertragspflichten ex nunc führt – ein noch heute 1
In Hinblick auf derartige kontinentale Einflüsse kann man das englische Recht mit Zimmermann entgegen seiner viel beschworenen Isolation vom Civil Law als Teil einer gemeinsamen europäischen Rechtstradition begreifen, Zimmermann, AcP 202 (2002), 243–316, 256–257; Zimmermann, in: Hartkamp, Towards a European Civil Code, 1994, 65–81, 75–79.
282
4. Kapitel: Ergebnisse und Perspektiven
bestehender Unterschied zu §§ 275, 326 Abs. 1 BGB, die nur Haupt- und Gegenleistungspflicht zum Erlöschen bringen. Im deutschen Recht wurden sowohl die römische als auch die scholastischnaturrechtliche Traditionslinie mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz auf Ebene der Primärleistungspflicht durchtrennt. Deren Erlöschen ist nach § 275 Abs. 1 BGB n.F. nunmehr unabhängig vom Vertretenmüssen, das gem. § 275 Abs. 4, 280 ff. BGB aber weiterhin für das Bestehen von Sekundäransprüchen maßgeblich ist. Damit wurde die Wirkung der Unmöglichkeit als verschuldensunabhängiger Befreiungsgrund von der Primärleistungspflicht (ontologischer Aspekt) von ihrem Effekt als verschuldensabhängige Grundlage eines Schadensersatzanspruchs (Zurechnungsaspekt)2 isoliert. Dies stellt nunmehr einen grundlegenden Unterschied zum englischen Recht dar, weil die frustration-Doktrin dort über das Bestehen von Primär- und Sekundäransprüchen entscheidet und keine frustration eintritt, wenn das die Unmöglichkeit auslösende Ereignis dem Kontrollbereich des Schuldners entstammt; danach hat insbesondere die vom Schuldner verschuldete Unmöglichkeit – anders als heute im deutschen Recht – keine Befreiungswirkung. In einer modernen Privatrechtsordnung, die in den Dimensionen von Vertrag und Schadensersatzpflicht und nicht von Versprechen und Sünde operiert, spricht nichts gegen eine Trennung des ontologischen Aspekts der Unmöglichkeit von ihrem Zurechnungsaspekt. Insbesondere bedarf es im jedenfalls seit seiner Kodifikation von den römischen Autoritäten gelösten deutschen Zivilrecht keiner scholastisch-naturrechtlichen Begründung für Versprechen und die Wirkungen ihres Bruchs mehr, um die Dogmatik des Unmöglichkeitsrechts zu begründen. Die Freiheit, diese Traditionslinie zu durchtrennen, erwuchs der deutschen Rechtsordnung freilich erst dadurch, dass in einem über mehrere Jahrhunderte dauernden Prozess die zunächst rezipierten römischen Rechtssätze an scholastisch-naturrechtlichem Gedankengut gemessen wurden, das deutsche Recht sich dadurch von den römischen Autoritäten emanzipierte und so der Spielraum zur Rechtssetzung und Rechtsänderung durch Kodifikation entstand. Die Entwicklung des modernen deutschen Zivilrechts ist erst auf Basis jenes Rezeptions- und Emanzipationsprozesses möglich geworden. Im englischen Recht besteht die auf der Überwindung der doctrine of absolute contracts durch Berücksichtigung und Betonung des Parteiwillens beruhende Traditionslinie seit der Begründung der frustration-Doktrin in Taylor v Caldwell fort. Zwar wurden das Prüfungskriterium für frustration weiterentwickelt und die Rechtsfolgen mit dem LR(FC)A 1943 modifiziert – indes liegt der Grund der Befreiungswirkung auch unter Geltung des Kriteriums der radikalen Änderung der Verpflichtung nach wie vor im Willen der 2
Terminologie nach Unberath, Die Vertragsverletzung, 2007, 198–200, 271–272.
A. Gefahrtragung vor Gefahrübergang
283
Parteien, welche diese Verpflichtung definieren. Insofern orientiert sich das englische Unmöglichkeitsrecht stärker als das deutsche an dem sich durch Auslegung ergebenden Vertragsinhalt und erfasst deswegen mit frustration auch Fälle, die das deutsche Recht nach §§ 275 Abs. 2 oder 313 BGB löst.3 Die Begründung dafür, warum der Zufall, der zum Untergang des Vertragsgegenstands geführt hat, den Schuldner von der Pflicht zur Erfüllung seines vertraglichen Versprechens entlastet, ist also im englischen Recht stärker durch subjektive Elemente geprägt als im deutschen. Diese Subjektivität öffnet die frustration-Doktrin in hohem Maße für die Auslegung des jeweiligen Vertrags und ermöglicht dadurch eine Weiterentwicklung der Doktrin am Einzelfall, welche durch die Gerichte im konkreten Fall flexibler und schneller erfolgen kann als durch den Gesetzgeber. Trotz dieser Offenheit der frustration-Doktrin im Einzelfall würde allerdings eine europäische Vereinheitlichung des Unmöglichkeitsrechts für die gesamte englische Vertragsrechtsordnung und insbesondere für das auf einer seit dem 19. Jahrhundert ungebrochenen Entwicklungstradition fußende Unmöglichkeitsrecht einen ähnlichen Einschnitt darstellen wie das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz für das deutsche Recht. Wie sich ein solcher Einschnitt im nur zu kleinen Teilen kodifizierten englischen Vertragsrecht auswirken würde, ist offen. Insbesondere können keine Prognosen aus der Implementation des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes in das BGB abgeleitet werden, denn die Funktion der Gesetzgebung innerhalb eines durch Gesetzesrecht geprägten Systems ist eine grundlegend andere als in einem richterrechtlichen case law-System.4 Trotz der verschiedenen Entwicklungslinien des englischen und deutschen Unmöglichkeitsrechts und der Unterschiede in der Begründung der Befreiungswirkung zufälliger Unmöglichkeit ist das Ergebnis für die Risikoverteilung vor Gefahrübergang in beiden Rechtsordnungen im Kern gleich: Der Schuldner, dem seine Leistung ohne sein Verschulden unmöglich wurde, wird von seiner Pflicht befreit und verliert zugleich den Anspruch auf die Gegenleistung – er trägt die Leistungsgefahr und der Gläubiger die Preisgefahr. Zu dieser im Ergebnis zwischen den Parteien geteilten Gefahrtragung kommen auch die Entwürfe europäischer Zivilrechtsregelwerke in den Principles of European Contract Law (PECL), im gemeinsamen Referenzrahmen für ein europäisches Privatrecht (DCFR) und im Vorschlag für eine Verordnung über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht (CESL):
3
Vgl. Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, 134–136. Siehe auch Treitel, Frustration and Force Majeure, 2014, 641–648, insbes. 647: „All theories [of frustration] depend in the last resort on the construction of the contract.“ 4 Vgl. dazu oben, Kapitel 2, Fn. 216.
284
4. Kapitel: Ergebnisse und Perspektiven
Die vor zwanzig Jahren von der Lando-Kommission vorgelegten PECL5 verfolgen in Anlehnung an das CISG ein einheitliches Konzept der Pflichtverletzung (non-performance), wobei die nachträgliche Unmöglichkeit eine Erscheinungsform derselben ist.6 Beruht die non-performance des Schuldners auf einem außerhalb seines Einflussbereichs liegenden Hinderungsgrund und konnte von ihm vernünftigerweise nicht erwartet werden, diesen Grund bei Vertragsschluss in Betracht zu ziehen oder ihn bzw. seine Folgen zu vermeiden oder zu verhindern, ist sie gem. Art. 8:108 PECL entschuldigt.7 Das bedeutet, dass vom Schuldner weder Erfüllung noch Schadensersatz verlangt werden kann und gem. Art. 9:303 Abs. 4 PECL der Vertrag automatisch beendet wird, so dass auch die Gegenleistungspflicht erlischt.8 Mit dem Erlöschen der wechselseitigen Vertragspflichten ohne gleichzeitige Entstehung von Schadensersatzansprüchen kommt es zur oben beschriebenen Gefahraufteilung: Der Gläubiger trägt die Leistungs- und der Schuldner die Preisgefahr. Der Maßstab für die Entschuldigung bei Unmöglichkeitseintritt nach Art. 8:108 PECL ist insofern objektiv, als es darauf ankommt, ob der Schuldner das Hindernis beherrschen kann oder hätte beherrschen können, ob es also seinem persönlichen, gegenständlichen oder personellen Herrschaftsbereich entstammt.9 Auch konkret nicht beherrschbare Risiken haben keine entschuldigende Wirkung, wenn eine vernünftige Person in der Position des Schuldners bei Vertragsschluss deren Verwirklichung hätte vorhersehen können.10 Damit ist die Entschuldigung der non-performance zwar von Zurechnungsaspekten abhängig, die Zurechenbarkeit wird aber anhand eines objektiven Maßstabs beurteilt. Die Vertragsparteien sollen demnach im Sinne eines abstrakten Beherrschbarkeitsprinzips die Risiken ihrer eigenen Aktivitäten tragen.11 Der zufällige Untergang des Vertragsgegenstands darf zudem nicht 5 Zur Entstehung und den wesentlichen Inhalten der PECL siehe Zimmermann, JZ 1995, 477–491. 6 Vgl. Mitzkait, Leistungsstörung und Haftungsbefreiung, 2008, 122–124; Zimmermann, JZ 1995, 477–491, 481 sowie zur Begrifflichkeit non-performance/Pflichtverletzung Schlechtriem, ZEuP 1993, 217–246, 221–222. 7 Für die deutsche PECL-Übersetzung vgl. Zimmermann/Drobnig/Wicke, ZEuP 2000, 675–701. 8 Vgl. Lando/Beale, Principles of European Contract Law, Parts I and II, 2000, 381 (Art. 8:108 Comment D). Ist die Nichterfüllung zwar nicht gem. Art. 8:108 PECL entschuldigt, beruht aber dennoch auf Unmöglichkeit, erlischt zwar der Anspruch des Gläubigers auf Erfüllung in natura gem. Art. 9:102 Abs. 2 lit. a PECL, der Gläubiger kann aber Schadensersatz verlangen, vgl. Lando/Beale, PECL I and II, 2000, 396 (Art. 9:102 Comment E). 9 Vgl. auch unter Hinweis auf die englische Originalfassung der PECL („impediment beyond control“) Mitzkait, Leistungsstörung und Haftungsbefreiung, 2008, 137–142. 10 Lando/Beale, PECL I and II, 2000, 381 (Art. 8:108 Comment C.ii). 11 Vgl. Lando/Beale, PECL I and II, 2000, 380 (Art. 8:108 Comment C.i).
A. Gefahrtragung vor Gefahrübergang
285
vermeidbar oder verhinderbar gewesen sein, was sich im Rahmen der Unmöglichkeit auf Anstrengungen im Voraus bezieht, aber nicht auf die Überwindung des Hindernisses im Nachhinein, die nach Untergang der Sache objektiv nicht möglich ist.12 Auch dieses Vermeidbarkeitskriterium kann als Ausprägung des abstrakten Beherrschbarkeitsprinzips erklärt werden.13 Nach Art. 8:108 PECL trägt demnach der Gläubiger die Sach- und der Schuldner die Preisgefahr bzgl. abstrakt von keiner Partei beherrschbarer Risiken. Auch nach dem Entschuldigungsgrund in dem an Art. 8:108, 9:303 Abs. 4 PECL angelehnten Art. III.-3.104 Abs. 1, 2, 4 DCFR14 wird der Schuldner einer vertraglichen Verpflichtung bei außerhalb seines Einflussbereichs liegenden, unvorhersehbaren und unvermeidbaren Hindernissen von seiner Leistungspflicht in natura und korrespondierenden Schadensersatzpflichten befreit, wenn das Hindernis dauerhaft ist.15 Genauso wie nach Art. 8:108 PECL ist der Maßstab dafür, ob das Hindernis im Einflussbereich des Schuldners liegt bzw. von ihm vorhersehbar und vermeidbar ist, objektiv: Es geht darum, ob die Störung vom Schuldner beherrschbar ist oder ob es sich um ein externes und unvermeidbares Ereignis handelt.16 Wird der Schuldner aufgrund eines solchen unbeherrschbaren Hindernisses von seiner Leistungspflicht frei, erlischt die Gegenleistungspflicht ebenfalls gem. Art. III.-3.104 DCFR. Soweit nicht spezielle Gefahrtragungsregeln eingreifen, gilt daher auch nach dem DCFR, dass der Gläubiger die Sachgefahr und der Schuldner die Preisgefahr bzgl. des zufälligen Untergangs des Vertragsgegenstandes trägt.17 Allerdings gilt diese Gefahrverteilung nur für Stückschulden und konkretisierte Gattungsschulden. Die Sachgefahrtragung bei Gattungsschulden vor Konkretisierung ist in den PECL und im DCFR dagegen nicht normiert – einzig die kaufrechtliche Gefahrübergangsnorm in Art. IV.A-5:102 Abs. 2 DCFR trifft eine Regelung für die Zuordnung von Gattungssachen zum Kaufvertrag, die sich freilich nur auf die Preisgefahr bezieht, die mit 12 Zur Vermeidbarkeit des Hindernisses im Voraus und im Nachhinein vgl. Mitzkait, Leistungsstörung und Haftungsbefreiung, 2008, 144–148. 13 Siehe Koller, Risikozurechnung, 1979, 80. 14 Zur Entstehung und zum Hintergrund des DCFR siehe Eidenmüller/Faust/ Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann, JZ 2008, 529–550. Zum Verhältnis des DCFR zu den PECL vgl. Pfeiffer, ZEuP 2008, 679–707. 15 Ist die Nichterfüllung zwar nicht entschuldigt, beruht aber dennoch auf Unmöglichkeit, erlischt nur der Anspruch auf Erfüllung in natura gem. Art. III.-3.202 DCFR – die Haftung auf Schadensersatz bleibt hiervon unberührt, vgl. Bar/Clive, Principles, Definitions and Model Rules of European Private Law: Draft Common Frame of Reference (DCFR), Band 1, 2009, 830 sowie auch Mitzkait, Leistungsstörung und Haftungsbefreiung, 2008, 125–126. 16 Huber, ZEuP 2008, 708–744, 738–739. 17 Vgl. auch Bar/Clive, DCFR, Band 1, 2009, 787.
286
4. Kapitel: Ergebnisse und Perspektiven
oder nach, aber nicht vor der Zuordnung der Sache zum Vertrag übergehen kann.18 Die Frage nach dem Zeitpunkt des Sachgefahrübergangs bleibt somit weitgehend offen. Ähnlich gestaltet sich die Gefahrtragung nach dem CESL:19 Wie in den PECL und im DCFR wird auch hier ein Entschuldigungsgrund für die Nichterfüllung infolge eines außerhalb des Einflussbereichs des Schuldners liegenden Hindernisses normiert, das dieser bei Vertragsschluss vernünftigerweise nicht in Betracht ziehen oder vermeiden bzw. überwinden konnte, Art. 88 CESL. Auch hier ist der Maßstab für die Befreiung ein objektiver, weil es in Ermangelung einer ausdrücklichen vertraglichen Risikoverteilung darauf ankommt, ob ein vernünftiger Dritter in der Lage des Schuldners das Hindernis hätte beherrschen bzw. vorhersehen können.20 Ist die Nichterfüllung nach diesem objektiven Maßstab entschuldigt, kann der Gläubiger vom Schuldner nach Art. 106 Abs. 4 CESL nunmehr weder Erfüllung noch Schadensersatz verlangen.21 Dagegen fällt die Gegenleistungspflicht des Gläubigers bei Untergang des Vertragsgegenstands vor Gefahrübergang in Ermangelung einer entsprechenden Regelung nach dem CESL nicht ipso iure weg, sondern erst infolge einer dann möglichen Vertragsbeendigung durch den Gläubiger wegen wesentlicher Nichterfüllung gem. Art. 114 Abs. 1, 87 Abs. 2 CESL, wobei der Käufer aber schon vor der Vertragsbeendigung den Kaufpreis nach Art. 113 CESL mangels Leistung seitens des Verkäufers zurückhalten kann.22 Demnach trägt im Ergebnis auch im CESL der Käufer bei Stückschulden und konkretisierten Gattungsschulden die Sachgefahr und der Verkäufer die Preisgefahr. Die Sachgefahrtragung im Rahmen von Gattungsschulden ist im CESL ebenso wenig geregelt wie in den PECL und im DCFR: 18
Vgl. Bar/Clive, Principles, Definitions and Model Rules of European Private Law: Draft Common Frame of Reference (DCFR), Band 2, 2009, 1374–1375. 19 Zur Entstehung und zur Konzeption des CESL vgl. Eidenmüller/Jansen/ Kieninger/Wagner/Zimmermann, JZ 2012, 269–289. 20 Vgl. Schmidt-Kessel, Der Entwurf für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht: Kommentar, 2014, 500–591 (Art. 88 Rn. 6–8). 21 Ist die Nichterfüllung zwar nicht gem. Art. 88 CESL entschuldigt, beruht aber dennoch auf Unmöglichkeit, entfällt gem. Art. 110 Abs. 3 lit. a CESL der Erfüllungsanspruch des Käufers, dieser kann aber dennoch Schadensersatz verlangen. Unklar ist, ob Art. 110 Abs. 3 lit. a CESL nur objektive oder auch subjektive Unmöglichkeit erfasst, Lorenz, AcP 212 (2012), 702–847, 759. 22 Vgl. nur Lorenz, AcP 212 (2012), 702–847, 823–825, der angesichts des grundsätzlichen Fortbestehens der Gegenleistungspflicht zu Recht die Formulierung der Gefahrübergangsnorm in Art. 140 CESL kritisiert, weil die dort angeordnete Rechtsfolge („befreien den Käufer nicht von der Verpflichtung, den Preis zu zahlen“) eigentlich auch schon vor Gefahrübergang besteht, sofern der Käufer den Vertrag noch nicht beendet hat. Die Norm müsse daher richtigerweise so gelesen werden, dass sie sich nur auf die nach Übergang der Preisgefahr entfallenden Abhilfen des Käufers bezieht.
A. Gefahrtragung vor Gefahrübergang
287
Zwar ist auch hier der Übergang der Preisgefahr bei Gattungsschulden normiert, der gem. Art. 141 CESL nur mit oder nach Zuordnung der Ware zum Vertrag erfolgen kann, doch bleibt offen, wann die Sachgefahr übergeht.23 Somit kommen die PECL, der DCFR und das CESL zumindest für Stückkäufe und konkretisierte Gattungskäufe zum gleichen Ergebnis wie das englische und deutsche Recht: Bei Untergang der individualisierten Kaufsache vor Gefahrübergang müssen weder Leistungs- und Gegenleistungspflicht erfüllt noch muss Schadensersatz geleistet werden – der Gläubiger trägt die Sachund der Schuldner die Preisgefahr. Aus dieser Gleichheit im Ergebnis kann allerdings nicht gefolgert werden, dass die Gefahrtragungsregeln im englischen und deutschen Recht sowie in den europäischen Privatrechtsregelwerken die gleichen seien. Denn die Befreiungswirkung der Unmöglichkeit steht im englischen und deutschen Recht in einer jeweils anderen Begründungstradition, die im englischen Recht stärker im Parteiwillen und im deutschen Recht stärker in objektiv-dogmatischen Aspekten wurzelt. Oder anhand eines plastischen Beispiels: Es liegt ein Unterschied darin, ob eine Rechtsordnung ein Versprechen als bindend erachtet, weil es unter einem Feigenbaum vom Schwager des Versprechensempfängers gegeben wurde oder weil die Bindungswirkung von Versprechen das Funktionieren der Wirtschaftsordnung garantiert.24 Diese unterschiedlichen Gründe für die Bindungswirkung des Vertragsversprechens lassen es zumindest als problematisch erscheinen, den Schluss zu ziehen, dass die Versprechen von Vertragsparteien in beiden Rechtsordnungen „gleichermaßen bindend“ seien. Dieses Problem durchzieht auch die europäischen Privatrechtsprojekte: Die im Rahmen dieser Projekte aus den verschiedenen europäischen Rechtsordnungen extrahierten „Gemeinsamkeiten“ tragen weit mehr einer Gleichheit im Ergebnis als Parallelen in der Begründung Rechnung. Dies zeigen beispielhaft die Anmerkungen zum nationalen Unmöglichkeitsrecht in der DCFR-Erläuterung. Diese gehen erstens nicht auf die Legitimation für die befreiende Wirkung von Unmöglichkeit als Ausnahme zu pacta sunt servanda in den verschiedenen Rechtsordnungen ein und erfassen zweitens nicht die tiefere dogmatische Struktur der jeweiligen Regelungen: So wird etwa dem Zurechnungsaspekt der Unmöglichkeit im deutschen Schadensersatzrecht (§§ 280 ff., 276 BGB) systemwidrig eine Ausnahmefunktion gegenüber § 275 BGB beigemessen25 und die frustration-Doktrin nicht als in den
23
Vgl. Lorenz, AcP 212 (2012), 702–847, 822–823 sowie 723, der sich insbes. mit guten Gründen gegen eine Anwendung der Preisgefahrregeln auf die Sachgefahr ausspricht. Siehe auch Schmidt-Kessel, CESL Kommentar, 2014, 685–686 (Art. 140–141 Rn. 8–9). 24 Gordon, YLJ 90 (1981), 1017–1056, 1047. 25 Bar/Clive, DCFR, Band 1, 2009, 789.
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4. Kapitel: Ergebnisse und Perspektiven
Vertrag eingreifender umfassender Erlöschensgrund, sondern als Entschuldigungsgrund eingeordnet.26 Selbst wenn man die Aufgabe bewältigen würde, sämtliche europäische Privatrechtsordnungen in ihrer Tiefenstruktur und in ihren Legitimationstraditionen zu durchdringen, ist es unwahrscheinlich, dass man dabei wirkliche Gemeinsamkeiten aller Rechtsordnungen auch in der Tradition ihrer Regeln fände. Vielmehr ist es wahrscheinlich, dass auch prima facie gleiche Regeln auf unterschiedlichen Prämissen beruhen, die nicht von allen Rechtsordnungen geteilt werden.27 Insofern kann sich das europäische Privatrecht in Bezug auf den in dieser Arbeit untersuchten Gegenstand zu seiner Legitimation nicht auf Gemeinsamkeiten der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen stützen. Insbesondere können Normen eines europäischen Privatrechts zu Legitimationszwecken auch nicht an die Tradition des durch Rezeption römischen Rechts gewachsenen Ius Commune anknüpfen, weil dieser Rezeptionsprozess ein graduelles Sich-zu-Eigen-Machen einzelner Regeln darstellte und gerade keine autoritative und gewollte Rechtssetzung beinhaltete.28 Soll es ein europäisches Privatrecht geben, muss die EU im Rahmen ihrer Kompetenzen deswegen neue Privatrechtsregeln schaffen, anstatt die in den Mitgliedstaaten bestehenden Traditionen vermeintlich fortzuspinnen. Dieses neue Privatrecht kann sich anders als die einzelnen mitgliedstaatlichen Rechte nicht auf eine Legitimationstradition stützen und legitimiert sich daher notwendigerweise allein und zugleich hinreichend aus der Kompetenz der EU als seiner Schöpferin. Wo diese Kompetenz – wie es nach dem bevorstehenden Austritt Großbritanniens aus der EU wahrscheinlich der Fall sein wird – nicht fortbesteht, fehlt zunächst auch die Legitimationsmöglichkeit eines solchen 26
Bar/Clive, DCFR, Band 1, 2009, 790. Zur Oberflächlichkeit des DCFR bzgl. der zu Grunde liegenden Prinzipienkontroversen vgl. auch Gutmann, in: Arnold, Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2013, 19–48, 42. 27 Die Differenzen in den Prämissen beginnen bereits auf der dogmatischen Grundebene; so ist etwa unklar, ob man überhaupt zu einem einheitlichen europäischen Vertragsbegriff kommen kann, vgl. Oudin, Revue internationale de droit comparé 59 (2007), 475–521 sowie Gutmann, in: Arnold, Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2013, 19–48. Auch die fundamentalen Fragen nach den Zwecken eines europäischen Vertragsrechts, seinem Verhältnis zu Entscheidungen der europäischen und mitgliedstaatlichen Politik und der Gerechtigkeitsfrage in diesem Kontext sind bisher weitgehend ungelöst, vgl. nur Arnold, in: Arnold, Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, 2013, 1–18, 14–17. 28 Zum unter diesem Gesichtspunkt außerpolitischen Charakter der Rezeption des römischen Recht im Ius Commune vgl. B. Forschner, Journal on European History of Law 2012, 6–16, 8–9. Anders Martiny, in: Martiny/Witzleb, Auf dem Wege zu einem europäischen Zivilgesetzbuch, 1999, 1–17, 12 sowie Schulze, EuCML 2015, 139–144, 139, welche mit dem neuen europäischen Privatrecht die Ius Commune-Tradition wiederbeleben wollen. Differenzierend Zimmermann, AcP 202 (2002), 243–316, insbes. 312 sowie Zimmermann, in: Hartkamp, Towards a European Civil Code, 1994, 65–81, insbes. 80–81.
B. Zeitpunkt und Folgen des Gefahrübergangs
289
Privatrechts, solange und soweit nicht ausgehend von der Souveränität und Kompetenz der jeweiligen Staaten kraft staatsvertraglichen Konsenses neue Legitimationsgrundlagen geschaffen werden.
B. Zeitpunkt und Folgen des Gefahrübergangs In Hinblick auf den Zeitpunkt und die Folgen des Gefahrübergangs ist die Ausgangslage für die Schöpfung eines europäischen Privatrechts insofern noch etwas komplexer, als die entsprechenden Regeln nicht einmal prima facie gleich, sondern bereits an der Oberfläche verschieden sind.29 Denn im englischen und deutschen Recht gilt zwar ab Gefahrübergang eine identische Risikozuordnung an den Käufer, allerdings ist der Beginn dieser Risikozuordnung, also der Gefahrübergangszeitpunkt, jeweils unterschiedlich. Das englische Recht knüpft die Gefahr an den Übergang der property, der in Ermangelung eines abweichenden Parteiwillens beim Spezieskauf regelmäßig schon mit Vertragsschluss und sonst mit der Abholbarkeit der Kaufsache eintritt, und beim Gattungskauf in der Regel mit Zuordnung der Ware zum Vertrag erfolgt. Eine häufige ausdrückliche abweichende Vereinbarung hierzu ist der Vorbehalt der property durch den Verkäufer bis zum Eintritt bestimmter Bedingungen; dann geht auch erst bei Bedingungseintritt die Gefahr über. Beim Versendungskauf ändern sich die Grundregeln nicht – lediglich die notwendigen Transportrisiken, die vom Verkäufer nicht durch ordnungsgemäßes Fertigmachen der Sache zum Transport vermeidbar sind, trägt der Käufer auch dann, wenn die Gefahr als solche noch nicht auf ihn übergegangen ist. Das deutsche Recht folgt dagegen grundsätzlich dem Traditionsprinzip und verknüpft die Preisgefahr mit dem Übergang des unmittelbaren Besitzes an der Kaufsache zur Erfüllung eines wirksamen Kaufvertrags. Auf den Übergang des Eigentums kommt es nicht an, so dass anders als im englischen Recht auch beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt die Gefahr bereits bei Übergabe der Kaufsache auf den Käufer übergeht. In Ausnahme vom Traditionsprinzip trifft beim Versendungskauf den Käufer die Preisgefahr im Ganzen (und nicht nur das spezifische Transportrisiko) schon ab der Übergabe an die Transportperson, auch wenn diese den Besitz nicht für den Käufer mittelt.
29
Dabei verlaufen die bereits an der Oberfläche sichtbaren Bruchlinien zwischen den europäischen Privatrechtsordnungen aber nicht regelmäßig zwischen Civil Law und Common Law, sondern in gleichem Maße zwischen den verschiedenen europäischen Civil Law-Rechtsordnungen, vgl. auf der Grundlage von Erkenntnissen aus dem Common Core Project, Zimmermann, AcP 202 (2002), 243–316, 273.
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4. Kapitel: Ergebnisse und Perspektiven
Die englische Rechtswirklichkeit nähert sich zwar aufgrund der regelmäßig ausdrücklich vereinbarten oder oft zumindest konkludent durch die Gerichte angenommenen Abbedingung des Gefahrübergangs mit Übergang der property dem Traditionsprinzip nach deutschem Recht tendenziell an; dennoch führen die unterschiedlichen Grundentscheidungen in den beiden Rechtsordnungen in Verbindung mit der Präferenz durchschnittlicher Vertragsparteien für den status quo30 dazu, dass die Gefahrübergangszeitpunkte in der gelebten Vertragsdurchführung in den beiden Rechtsordnungen einander insgesamt nicht entsprechen. Einen identischen Gefahrübergangszeitpunkt haben beide Rechtsordnungen infolge europäischer Rechtsvereinheitlichung beim Verbrauchsgüterkauf. Hier geht die Preisgefahr erst mit Besitzerlangung des Verbraucher-Käufers auf diesen über. Störungen in der Vertragsabwicklung durch Pflichtverletzungen der Parteien wirken sich im englischen und deutschen Recht jeweils unterschiedlich aus: Während das englische Recht auf Verzögerungen der Vertragsdurchführung, die auf Pflichtverletzungen der Parteien beruhen, reagiert, indem es der vertragsbrüchigen Partei jeweils nur die verzögerungsbedingten Risiken zuweist, führt im deutschen Recht eine Verzögerung der Übergabe der Kaufsache durch den Verkäufer schon aufgrund der Verknüpfung von Gefahr und unmittelbarem Besitz zu einer Verschiebung des gesamten Gefahrübergangs nach hinten und eine Verzögerung der Annahme der Kaufsache durch den Käufer zum Übergang der gesamten Preisgefahr an ihn. Diese über eine bloße Kausalitätszuordnung hinausreichende Rechtsfolge ist im deutschen Recht vor dem Hintergrund des Veranlassungsprinzips gerechtfertigt. Im englischen Recht ist nicht abschließend geklärt, ob der Käufer einer mangelhaften Sache nach deren zufälligem Untergang den Vertrag weiterhin beenden kann oder nicht. Dabei steht nur die Möglichkeit der Vertragsbeendigung zur Debatte – eine Wertersatzpflicht des Käufers wird hingegen nicht diskutiert. Das deutsche Recht löst das Problem des Rücktritts nach Untergang einer mangelhaften Kaufsache seit der Schuldrechtsmodernisierung durch eine Rückabwicklung dem Werte nach, wobei der Käufer einer mangelhaften Sache bei ihrem zufälligem Untergang keinen Wertersatz schuldet. Deswegen springt im Moment der Rücktrittserklärung die Kaufpreiserstattungsgefahr zurück auf den Verkäufer der mangelhaften Sache, welcher den Rücktritt durch seine mangelhafte Leistung mittelbar verursacht hat. Die Kaufpreiserstattungsgefahr ist dabei eine spezielle Form der Gefahr im Rückgewährschuldverhältnis, innerhalb dessen nicht mehr sachgerecht mit den Begriffen Leistungsgefahr und Preisgefahr operiert werden kann.
30
Vgl. dazu oben, Kapitel 3, Fn. 737.
B. Zeitpunkt und Folgen des Gefahrübergangs
291
Die außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs geltenden unterschiedlichen Anknüpfungspunkte für die Gefahr – property und unmittelbarer Besitz – gehen auf tendenziell gegenläufige Entwicklungen zurück: Das englische Recht hat seine heutige Gestalt, weil es seine genuinen Regeln mit Grundsätzen des römischen Rechts „sekundär rationalisiert“ hat, während sich das deutsche Recht insbesondere unter dem Einfluss spätscholastischen und naturrechtlichen Gedankenguts von seinem römischen Ausgangspunkt periculum est emptoris emanzipiert hat. Im englischen Recht findet sich im 12. Jahrhundert bei Glanville noch eine Verknüpfung von Preisgefahr und tenere, dem Halten bzw. tatsächlichen Besitzen der Kaufsache. Diese ursprüngliche Verknüpfung von Gefahr und Besitz erfuhr im 13. Jahrhundert eine dogmatische Begründung durch den auch im römischen Recht versierten Bracton, der die Anknüpfung der Preisgefahr an den Besitz damit erklärte, dass unter dem damals geltenden Traditionsprinzip mit dem Besitz auch das Eigentum überging. Bei dieser Verknüpfung von Gefahr und Eigentum blieb es auch später, als sich mit Etablierung des Konsensualprinzips das Eigentum vom Besitz löste. Der Gefahrübergang mit Eigentumsübergang galt über lange Zeit, ohne dass weitere Begründungsversuche hierfür unternommen wurden, bis Judge Blackburn die Verknüpfung von Gefahr und Eigentum in Martineau v Kitching mit dem infolge der Akademisierung des Rechts zunehmend „in Mode gekommenen“ römischen Recht erklärte. Dabei zog er zur Begründung den allgemeinen Satz casum sentit dominus und nicht periculum est emptoris heran, was allerdings aus der englischen Perspektive kaum einen Unterschied bedeutete, da property im englischen Recht ohnehin primär das Eigentum im Verhältnis der Parteien betrifft und die Perfektion i.S.v. periculum est emptoris bei Entstehung einer eigentumsähnlich starken Stellung des Käufers relativ im Verhältnis zum Verkäufer eintritt. Auf Basis dieser römischrechtlichen Begründung wurde der Gefahrübergang mit Übergang der property schließlich im SGA 1893 kodifiziert und im SGA 1979 beibehalten. Der heute in s. 20 (1) SGA 1979 anzutreffende Grundsatz risk passes with property beruht demzufolge darauf, dass das englische Recht seine ursprüngliche Verknüpfung von Gefahr und Besitz zweimal nachträglich römischrechtlich begründet hat: Die erste Rationalisierung erfolgte durch Bracton unter Geltung des Traditionsprinzips und führte zur Anknüpfung der Gefahr nur noch an das Eigentum auch unter Geltung des Konsensualprinzips. Die zweite Rationalisierung durch Judge Blackburn bestätigte diese Regel nochmals vor ihrer Kodifikation. Während das englische Recht seine Regeln später römischrechtlich anreicherte, lässt sich die Entwicklung im deutschen Recht als graduelle Lösung von der ursprünglich geltenden römischen Regel periculum est emptoris charakterisieren. Nach Wiederentdeckung der Digesten im 11. Jahrhundert wurden von den Glossatoren und Kommentatoren die römischen Perfektions-
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4. Kapitel: Ergebnisse und Perspektiven
voraussetzungen rezipiert; der Gefahrübergang erfolgte mit Perfektion des Kaufs. Ein erstes Abweichen vom römischen Recht lag in der weitgehenden Zulassung des Gattungskaufs durch die Kommentatoren. Die Geltung von periculum est emptoris wurde erst im 16. Jahrhundert durch Cujas in Frage gestellt, der im Rahmen seines textkritischen Ansatzes aufgrund einer African-Stelle zur publicitatio eine generelle Verkäufergefahrtragung bis zur Übergabe der Kaufsache postulierte. Zu einer stärkeren Abstraktion von den römischen Quellen kam es schließlich unter dem Einfluss von Spätscholastik und Naturrecht. Dabei zeichnete sich der Umgang der Spätscholastiker mit dem römischen Recht durch ein Zurücktreten von den Quellen aus theologischer Perspektive aus. So konnte etwa Lessius die Gefahrtragung des Käufers in Kategorien des Eigentums erklären, obwohl nach römischem Recht die Perfektion für den Eigentumsübergang irrelevant war. Die Schriften der Spätscholastiker wurden von Grotius rezipiert, der in De iure belli ac pacis die Regel periculum est emptoris als bloßen „Einfall des römischen Rechts“ beiseiteschob und zwei Alternativlösungen hierzu anführte, nämlich die Anknüpfung der Gefahr an das Eigentum und die Anknüpfung an den Besitz. Auch Pufendorf nahm eine distanzierte Perspektive zum römischen Recht ein und entwickelte stattdessen eine Gefahrtragung nach Zurechnungsgesichtspunkten. Mit diesen Zweifeln an periculum est emptoris und der Entwicklung von Alternativlösungen war die Antwort auf die Frage nach der kaufrechtlichen Gefahrtragung im deutschen Rechtskreis nicht mehr römischrechtlich vorgezeichnet. Der nächste Schritt in diesem Emanzipationsprozess war die Kodifikation des Traditionsprinzips im ALR, die das Ende von periculum est emptoris in Preußen besiegelte. Außerhalb Preußens erfuhr die römische Regel eine letzte Renaissance durch die Pandektisten, die nach neuen Erklärungen dafür suchten. Nachdem ihre Bemühungen keiner überzeugenden Begründung für periculum est emptoris führten, fand die Regel keinen Eingang ins BGB. Vielmehr empfanden die Väter des BGB periculum est emptoris als Widerspruch zum synallagmatischen Prinzip und entschieden sich mit Blick auf das Beherrschbarkeitsprinzip und die Rechtssicherheit für die bereits im ALR geltende Verknüpfung von Gefahr und Besitz. Mit der Kodifikation des Traditionsprinzips in § 446 BGB fand der lange Weg der Emanzipation des deutschen Rechts von periculum est emptoris sein Ende. Die unterschiedlichen Anknüpfungen der Preisgefahr an property und unmittelbaren Besitz im englischen und deutschen Recht beruhen demzufolge insofern auf gegenläufigen Entwicklungstendenzen, als das englische Recht die römische Tradition nachträglich zur Rationalisierung eigener Regeln heranzog und so zu einer Verknüpfung von Gefahr und property kam, während sich das deutsche Recht graduell von periculum est emptoris emanzipierte, was schließlich zur Kodifikation des Traditionsprinzips im BGB führte.
B. Zeitpunkt und Folgen des Gefahrübergangs
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Die europäischen Zivilrechtsentwürfe, die den Übergang des Eigentums nicht regeln, sondern sich auf rein schuldrechtlicher Ebene bewegen,31 haben sich – möglicherweise gerade auch aufgrund dieser Konzentration auf das Schuldrecht – bzgl. des Preisgefahrübergangs wie das deutsche Recht für die Verknüpfung von Besitz und Gefahr entschieden. Während der kaufrechtliche Gefahrübergang in den das allgemeine Vertragsrecht betreffenden PECL keine Regelung erfahren hatte, entwarf die Study Group on a European Civil Code in den Principles of European Law on Sales Regeln zum Gefahrübergang beim Kauf,32 die fast wortlautgleich in den DCFR übernommen wurden. Gem. Art. IV.A.-5.101 DCFR geht es bei der Gefahr im DCFR um die Preisgefahr in dem Sinne, dass der Käufer den Kaufpreis auch bei Untergang der Sache schuldet, sofern dieser nicht auf eine Handlung oder Unterlassung des Verkäufers zurückzuführen ist („unless the loss or damage is due to an act or omission of the seller“). Der Gefahrübergangszeitpunkt wird in Art. IV.A5:102 Abs. 1 DCFR grundsätzlich auf den Moment gelegt, in dem der Käufer die Ware oder die Dokumente, die diese vertreten, übernimmt.33 Bei Gattungskäufen kann gem. Art. IV.A-5:102 Abs. 2 DCFR der Preisgefahrübergang erst mit oder nach Zuordnung der Ware zum Vertrag erfolgen. Die Anknüpfung der Preisgefahr an die Übernahme der Ware wird in den Erläuterungen zum DCFR durch Aspekte begründet, die dem Beherrschbarkeitsprinzip zuzuordnen sind: Die Vertragspartei, welche die physische Kontrolle über die Ware ausübt, sei in der besten Position, um diese vor Schäden zu schützen und könne diese auch besser versichern.34 Daher gelte die Verknüpfung von Preisgefahr und physischer Kontrolle über die Ware auch dann, wenn das Eigentum erst später übergeht, wie etwa beim Eigentumsvorbehalt.35 Auf die im Synallagma wurzelnden Argumente in Hinblick auf die Vertragserfüllung, auf Zurechnungsaspekte und auf die Frage der Rechtssicherheit geht die Erläuterung zum DCFR nicht ein. Anscheinend genügte den Forschungsgruppen zum DCFR das Beherrschbarkeitsprinzip als Begründung des Gefahrübergangs mit Übergabe der Ware.36 Die verschiedenen Gefahr31
Vgl. Lilleholt, ERPL 19 (2011), 921–929, 922 sowie Blázquez, in: Plaza Penades/ Martinez Velencoso, European Perspectives on the Common European Sales Law, 2015, 183–205, 186. 32 Art. 5:102–5:203 PEL S. 33 Für Verbrauchsgüterkäufe wird in Art. IV.A.-5:103 Abs. 1 DCFR die Gleichstellung der Übergabe der die Ware vertretenden Dokumente mit der Übernahme der Ware aufgehoben, so dass der Verbraucher-Käufer die Gefahr nur dann trägt, wenn er die Ware tatsächlich in Händen hält. 34 Bar/Clive, DCFR, Band 2, 2009, 1373. 35 Ebd. 36 Auch hier scheint im DCFR eine Oberflächlichkeit in der Auseinandersetzung mit den dem Recht zu Grunde liegenden Prinzipienkontroversen auf, vgl. dazu oben, Fn. 26.
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4. Kapitel: Ergebnisse und Perspektiven
übergangszeitpunkte in den europäischen Rechtsordnungen werden in den Anmerkungen zu den nationalen Rechtsordnungen auf die unterschiedlichen Systeme der Eigentumsübertragung zurückgeführt, ohne auf die jeweiligen Entwicklungstraditionen der Gefahranknüpfungen einzugehen,37 die nicht nur in Zusammenhang mit dem Modus der Eigentumsübertragung stehen, sondern insbesondere mit der Bindungswirkung von Versprechen und Verträgen sowie der daraus resultierenden Haftung verwoben sind. An der Frage nach Versprechen und Haftung hängt auch die Entscheidung, ob der Maßstab für die Verkäuferverpflichtung objektiv ist, so dass im Rahmen eines engen Gefahrbegriffs nur solche Ereignisse von der Gefahrtragung erfasst sind, die dieser objektiv nicht beherrschen kann, oder ob der Maßstab subjektiv an das Verschulden geknüpft ist. Auch diese Entscheidung trifft der DCFR nicht; insbesondere enthält Art. IV:A-5:101 DCFR keine Aussage darüber.38 Beim Versendungskauf wird wie auch im deutschen Recht das Traditionsprinzip durchbrochen, indem in Art. IV.A-5:202 DCFR ein Übergang der gesamten Preisgefahr (und nicht nur spezifischer Transportrisiken) schon mit Übergabe der Ware an den ersten Beförderer angeordnet wird. Die Erläuterung der Norm nennt den Veranlassungsaspekt, dass der Versand im Interesse des Käufers erfolgt und den Synallagmaaspekt, dass der Verkäufer mit der Versendung alles seinerseits Erforderliche zur Kaufvertragserfüllung getan hat – darauf, wie sich diese Aspekte zum Beherrschbarkeitsprinzip verhalten, geht die Erläuterung dagegen nicht ein.39 Schließlich bürdet Art. IV.A5:201 DCFR dem sich in Annahmeverzug befindlichen Käufer die gesamte Gefahr des zufälligen Untergangs auf, wodurch auch ein Sanktionszweck gegenüber dem säumigen Käufer verfolgt werden soll.40 Damit ähnelt die kaufrechtliche Gefahrtragung nach dem DCFR stark der Gefahrtragung gemäß dem BGB. Allerdings bleibt offen, warum sich der DCFR gegen andere Lösungen wie den Gleichlauf von property und Gefahr im englischen Recht entschieden hat. Zur Rechtfertigung dieser Entscheidung ist das Beherrschbarkeitsprinzip insofern nicht hinreichend, als es nur einer von mehreren der Aspekte ist, welche bei der Konzeption einer angemessen Risikoverteilung zwischen den Parteien in Rechnung zu stellen sind. Die Gefahrtragung nach dem CESL beruht auf dem DCFR und ähnelt daher ebenfalls stark der Gefahrtragung nach deutschem Recht.41 Dabei ist auch unter Geltung des die Wirkungen des Gefahrübergangs regelnden 37
Bar/Clive, DCFR, Band 2, 2009, 1375. Dafür, dass aus der Gefahr nur auf das Verschulden des Verkäufers zurückzuführende Ereignisse ausgenommen sind, Huber, ZEuP 2008, 708–744, 716. 39 Bar/Clive, DCFR, Band 2, 2009, 1385. 40 Bar/Clive, DCFR, Band 2, 2009, 1381. 41 Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht? Eine Analyse des Vorschlags der Kommission, 2012, 469–501, 469 und 501. 38
B. Zeitpunkt und Folgen des Gefahrübergangs
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Art. 40 CESL nicht klar, ob zufällig im Sinne des Gefahrbegriffs bereits solche Ereignisse sind, die nicht auf ein vertragsbrüchiges Verhalten des Verkäufers zurückzuführen sind, oder ob im Rahmen eines engeren Gefahrbegriffs jede objektive Pflichtverletzung des Verkäufers die Zufälligkeit ausschließt.42 Bzgl. der Rechtsfolgen des Gefahrübergangs sieht das CESL nicht nur Sonderregeln für Verbrauchsgüterkäufe, sondern zwei völlig getrennte Regelungsregime für Verbraucherkaufverträge und Verträge zwischen Unternehmern vor.43 Bei Verbraucherkaufverträgen geht die Preisgefahr gem. Art. 142 Abs. 1 CESL grundsätzlich dann auf den Verkäufer über, wenn dieser oder ein von ihm bezeichneter Dritter Besitz an den Waren erlangt hat. Dabei wird aus der englischen Sprachfassung („physical possession“) klar, dass der tatsächliche Besitz an der Sache und nicht ein Besitzsurrogat gemeint ist.44 Von dieser Entscheidung für das Traditionsprinzip wird im Rahmen von Verbraucherkaufverträgen auch beim Versendungskauf grundsätzlich keine Ausnahme gemacht. Einzig dann, wenn der Unternehmer keinen Transport der Ware angeboten hat und der Verkäufer diesen selbst veranlasst, wird dem Käufer die Preisgefahr gem. Art. 142 Abs. 4 CESL schon mit Übergabe der Ware an den Beförderer zugewiesen. Diese an Art. 20 RL 2011/83 EU angelehnte Norm soll wohl Konstellationen der Holschuld betreffen, in denen der Verkäufer nicht zu Transport oder Absendung der Ware verpflichtet ist, wobei ihre Formulierung dies freilich nicht eindeutig zum Ausdruck bringt.45 Außer im Rahmen von Fernabsatzverträgen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen wird dem Käufer gem. Art. 142 Abs. 3 CESL auch beim Verbraucherkauf die Gefahr zugewiesen, sobald er in Annahmeverzug gerät.46 Diese Gefahrübergangsregeln beim 42
Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht? Eine Analyse des Vorschlags der Kommission, 2012, 469–501, 471–474 und Schmidt-Kessel, CESL Kommentar, 2014, 683–685 (Art. 140–141 Rn. 5–6) sowie Faust, in: Schulte-Nölke/ Zoll/Jansen/Schulze, Der Entwurf für ein optionales europäisches Kaufrecht, 2012, 251– 278, 272. Vgl. auch Blázquez, in: Plaza Penades/Martinez Velencoso, European Perspectives on the Common European Sales Law, 2015, 183–205, 189. 43 Vgl. auch Blázquez, in: Plaza Penades/Martinez Velencoso, European Perspectives on the Common European Sales Law, 2015, 183–205, 188 sowie Schulze/Zoll, Europäisches Vertragsrecht, 2015, 233–235. 44 Vgl. auch Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht? Eine Analyse des Vorschlags der Kommission, 2012, 469–501, 478–479. 45 Lorenz, AcP 212 (2012), 702–847, 828–829. 46 Der rechtspolitische Hintergrund für den Ausschluss von Fernabsatzkäufen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen liegt im Dunkeln, Lorenz, AcP 212 (2012), 702–847, 829 sowie Faust, in: Schulte-Nölke/Zoll/Jansen/Schulze, Der Entwurf für ein optionales europäisches Kaufrecht, 2012, 251–278, 273 und Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht? Eine Analyse des Vorschlags der Kommission, 2012, 469–501, 482–483.
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4. Kapitel: Ergebnisse und Perspektiven
Verbraucherkauf können gem. Art. 142 Abs. 5 CESL von den Vertragsparteien nicht zum Nachteil des Verbrauchers abbedungen werden. Die Gefahrübergangsregeln des CESL für Verträge zwischen Unternehmern unterliegen dagegen der Disposition der Parteien. Gem. Art. 143 Abs. 1 CESL geht beim Vertrag zwischen Unternehmern die Gefahr grundsätzlich zu dem Zeitpunkt über, zu dem der Käufer die Waren oder die sie vertretenden Dokumente angenommen hat. Offensichtlich soll im Unterschied zum Verbrauchsgüterkauf hier auch die Übergabe der die Ware vertretenden Dokumente den Gefahrübergang auslösen. Allerdings ist unklar, ob mit der „Annahme“ der Ware bzw. der Dokumente (englische Fassung: „take delivery“) etwas anderes gemeint ist als mit der Besitzerlangung i.S.v. Art. 142 Abs. 1 CESL und ob sich daraus Unterschiede für den Gefahrübergang ergeben.47 Für Versendungskäufe zwischen Unternehmern wird die grundsätzliche Anknüpfung der Gefahr an die Annahme der Ware durchbrochen, indem Art. 145 CESL einen Gefahrübergang mit Übergabe der Ware an den ersten Beförderer anordnet. Schließlich sieht Art. 144 CESL ebenfalls einen Gefahrübergang vor Annahme der Ware vor, sofern sich der Käufer im Annahmeverzug befindet.48 Diese Regelung bürdet wie auch § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB dem säumigen Käufer die gesamte Gefahr des zufälligen Sachuntergangs und nicht nur verzögerungsspezifische Risiken auf – eine Rechtsfolge, der teilweise Sanktionscharakter beigemessen wird.49 Damit gilt auch nach dem Vorschlag für ein optionales einheitliches europäisches Kaufrecht grundsätzlich das Traditionsprinzip mit Ausnahmen für Annahmeverzug und Versendungskäufe – allerdings ohne dass dabei offenbar wird, aus welchen Gründen dieser Lösung der Vorzug etwa gegenüber der englischen Verknüpfung von Gefahr und Eigentum gegeben wurde. Mit der Wahl eines bestimmten Gefahrübergangzeitpunkts entscheidet eine Rechtsordnung darüber, ab wann nicht mehr der Verkäufer, sondern der Käufer primär von den Folgen des Untergangs oder der Verschlechterung der Kaufsache betroffen sein soll. Denn obwohl vor Gefahrübergang in Hinblick auf die Verteilung von Leistungs- und Preisgefahr von einer Risikoaufspaltung zwischen Käufer und Verkäufer gesprochen werden kann, trifft der wirtschaftliche Verlust aus dem Untergang oder der Verschlechterung der Kaufsache vor Gefahrübergang regelmäßig den Verkäufer. Der Käufer kann den von ihm nun nicht mehr geschuldeten Kaufpreis nämlich meist zur Anschaf47 Lorenz, AcP 212 (2012), 702–847, 830 sowie Wiese, in: Schmidt-Kessel, Ein einheitliches europäisches Kaufrecht? Eine Analyse des Vorschlags der Kommission, 2012, 469–501, 479. 48 Lorenz, AcP 212 (2012), 702–847, 830. 49 Vgl. Blázquez, in: Plaza Penades/Martinez Velencoso, European Perspectives on the Common European Sales Law, 2015, 183–205
B. Zeitpunkt und Folgen des Gefahrübergangs
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fung einer Ersatzsache nutzen und büßt nur einen etwaigen Gewinn aus dem Vertrag ein, während der Verkäufer weder die (intakte) Kaufsache noch den Kaufpreisanspruch in seinem Vermögen hat.50 Diese nachteilige Position des Verkäufers endet erst mit dem Übergang der Preisgefahr auf den Käufer, weil dieser dann jedenfalls den Kaufpreis zahlen muss, auch wenn er die Sache nicht in Händen hält oder diese nicht mehr intakt ist, und er auch keinen Anspruch mehr gegen den Verkäufer auf Verschaffung derselben oder auf Schadensersatz hat. Die Zuweisung der aus dem Sachuntergang oder der Sachverschlechterung resultierenden wirtschaftlichen Risiken äußert sich innerhalb der jeweiligen Rechtsordnung darin, ob bzw. zu welcher Zeit die wechselseitigen Ansprüche der Parteien aufgrund des Sachuntergangs erlöschen. Insofern ist die Gefahrtragung ein schuldrechtliches Phänomen, das die Sphäre der Vertragsparteien und nicht die Belange Dritter betrifft.51 Deswegen liegt die den Interessen der jeweiligen Vertragsparteien am besten gerecht werdende Lösung für die Gefahrtragung in einer Vereinbarung zwischen den (ähnlich verhandlungsstarken) Parteien, in der sie selbst festlegen, welche Risikoverteilung sie in ihrem Verhältnis zueinander für angemessen erachten. Eine gesetzliche Gefahrtragungsregelung sollte hinter eine solche Parteivereinbarung zurücktreten und muss daher dispositiv sein. Nur wenn zwischen den Parteien Disparitäten in der Verhandlungsstärke bestehen, wie etwa regelmäßig bei Verbrauchergeschäften, kann dies ausnahmsweise zwingende Gefahrübergangsregeln rechtfertigen. Außerhalb solcher Bereiche sind die von einer Rechtsordnung vorgesehenen Gefahrtragungsregeln nur eine Auffang-Lösung für Verträge, in denen die Parteien die Gefahrtragung nicht geregelt haben – default rules im wörtlichen Sinne. Als default rule kommt einerseits die Anordnung einer weitreichenden Rechtsfolge in Betracht, welche ihre eigene Abbedingung erleichtert; andererseits kann die default-Lösung anstreben, dem mutmaßlichen Parteiwillen möglichst nahe zu kommen.52 Mit Blick auf die Tendenz von Parteien zum status quo53 ist bzgl. des allein die Parteien und deren Interessen tangierenden Gefahrübergangs zur möglichst umfassenden Erzielung interessengerechter Ergebnisse eine dem mutmaßlichen Parteiwillen nahekommende default rule vorzugswürdig. Insofern sollten die Gefahrtragungsregeln zwar eine Rechtsfolge anordnen, dabei aber idealerweise so beschaffen sein, dass sie den 50
Vgl. Schwarze, Leistungsstörungen, 2008, 146 sowie Koller, Risikozurechnung, 1979, 9–10. 51 Vgl. auch Sealy, CLJ 31 (1972), 225–247, 227 sowie Rabel, Das Recht des Warenkaufs, Band 2, 1958, 296. 52 Zur ersten Zielsetzung vgl. Johnston, YLJ 100 (1990), 615–664; zur zweiten Zielsetzung vgl. kritisch Ayres/Gertner, YLJ 99 (1989), 87–130. 53 Zur status quo bias vgl. Korobkin, Cornell Law Review 1998, 608–687.
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4. Kapitel: Ergebnisse und Perspektiven
mutmaßlichen Parteiwillen zum Ausdruck bringen, also eine gleichsam auslegende Funktion haben.54 Als gerade in Ermangelung einer vertraglichen Vereinbarung eingreifende default rules müssen die gesetzlichen Gefahrtragungsregeln dabei allerdings an Umstände außerhalb des eigentlichen Vertragsinhalts anknüpfen, wie etwa an den Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder an die sachenrechtlichen Tatbestände Besitzübertragung oder Eigentumsübergang. Keiner dieser Anknüpfungspunkte wird zur Verwirklichung des mutmaßlichen Parteiwillens ideal geeignet sein: Erstens entstammt er nämlich gerade dem außervertraglichen Kontext und zweitens weist jeder Vertrag besondere Charakteristika auf, die insgesamt letztlich nur eine „Durchschnittslösung“ für die Gefahrtragung zulassen.55 Eine Rechtsordnung muss also letztlich darüber befinden, welche der „Durchschnittslösungen“ sie für die ihr unterworfenen Verträge am geeignetsten erachtet. Die Eignung einer Lösung aus Sicht einer bestimmten Rechtsordnung hängt sowohl von dogmatischen Faktoren als auch von Aspekten außerhalb der Dogmatik ab. Dogmatisch ist relevant, wie der jeweilige Anknüpfungspunkt für den Gefahrübergang in den Systemzusammenhang der Rechtsordnung eingebettet ist56 – also etwa, ob nach dem nationalen Sachenrecht das Eigentum nach Konsensual-, Traditions- oder Abstraktionsprinzip übergeht, oder wie die Rechtsordnung Besitz begreift. Außerhalb der Dogmatik kommt es darauf an, welche Bedeutung eine Rechtsordnung einem vertraglichen Versprechen und dem daraus resultierenden subjektiven Recht des Vertragspartners beimisst, und wie sie im Verhältnis dazu den dieses Versprechen überholenden Zufall bewertet. Das wiederum hängt davon ab, wie diese Ordnung die Verantwortungs- und Freiheitsbereiche der ihr unterworfenen Individuen abgrenzt, und unter welchen Voraussetzungen sie deren subjektive Rechte hoheitlich durchsetzt.57 Die Antworten auf diese Fragen werden beeinflusst von den der Rechtsordnung zu Grunde liegenden philosophischen, politischen und ökonomi54
Zur Dichotomie anordnende vs. auslegende Rechtssätze vgl. Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, 141–142. Zu dispositivem Recht und mutmaßlichen Parteiwillen siehe auch Unberath, Die Vertragsverletzung, 2007, 278–279. Bei der Verabschiedung von § 447 BGB wollten den Väter des BGB erklärtermaßen dem mutmaßlichen Parteiwillen Rechnung tragen, vgl. oben, Kapitel 3, Text bei Fn. 510, sowie Lobinger, Grenzen rechtsgeschäftlicher Leistungspflichten, 2004, 148. 55 Rabel, Das Recht des Warenkaufs, Band 2, 1958, 303. 56 Dabei ist die mittels dieses Kriteriums zu wahrende Systemkohärenz der Rechtsordnung auch ein Entscheidungsfaktor in einem Wettbewerb der Rechtsordnungen, neben zahlreichen weiteren Aspekten wie beispielsweise Zugänglichkeit und Verständlichkeit der Regeln, vgl. zu letzteren Faktoren Möslein, Dispositives Recht, 2011, 455–457. 57 Vgl. etwa Ripstein, Va. L. Rev. 92 (2006), 1391–1438.
B. Zeitpunkt und Folgen des Gefahrübergangs
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schen Ideen aus Gegenwart und Vergangenheit. Die Untersuchung hat aufgezeigt, dass sowohl die dogmatischen Systemzusammenhänge als auch die jeweilige historische Entwicklung des Konzepts von Unmöglichkeit und Gefahrübergang im englischen und deutschen Recht verschieden sind. Es steht zu vermuten, dass dies auch für andere europäische Rechtsordnungen gilt. Vor diesem Hintergrund erscheint es in hohem Maße zweifelhaft, ob es nach dem gegenwärtigen Entwicklungsstand der Rechtsordnungen in Europa eine europäische Lösung für die Gefahrtragungsfrage beim Kauf gibt, die jenseits der Rechtssetzungskompetenz ihrer Schöpfer einen Geltungsgrund in ihrer Eignung für die jeweiligen Einzelrechtsordnungen hat.
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Entscheidungsverzeichnis I. Europäischer Gerichtshof 16.01.2011, C-65/09 und 87/09 (Weber und Putz), NJW 2011, 2269. ............................ 276
II. Deutsche Gerichte 1. Reichsgericht 09.12.1902 , II 265/02, RGZ 53, 161............................................................................. 236 22.12.1903, II 200/03 , RGZ 56, 173............................................................................. 236 23.02.1904, II 398/03, RGZ 57, 116.............................................................................. 189 29.03.1904, II 372/03, RGZ 57, 402.............................................................................. 252 03.02.1914, II 625/13, RGZ 84, 125.......................................................................... 190 ff. 13.10.1914, II 253/14 , RGZ 85, 320.......................................................................... 235 f. 07.12.1917, II 286/17, RGZ 91, 312.............................................................................. 189 01.10.1918, II 178/18, RGZ 93, 330....................................................................... 235, 246 19.09.1919 ,VII 181/19, RGZ 96, 258. ....................................................................... 249 f. 19.05.1925, II 283/24, RGZ 111, 23.............................................................................. 246 16.10.1926, I 448/25, RGZ 114, 405. ............................................................................ 246 15.03.1929, II 383/28, RGZ 123, 401. ........................................................................... 175 26.08.1943, II 39/43 , RGZ 171, 297............................................................................. 236
2. Bundesgerichtshof 09.06.1960, VIII ZR 109/59, NJW 1960, 1720. ............................................................. 177 24.03.1965, VIII ZR 71/63, NJW 1965, 1324. ............................................................... 246 18.06.1968 , VI ZR 120/67, NJW 1968, 1929 ............................................................... 235 12.11.1969 , V ZR 104/66, BeckRS 1969, 00172. ......................................................... 270 04.11.1971, VII ZR 175/69, NJW 1972, 152. ................................................................ 177 19.02.1975, VIII ZR 175/73, NJW 1975, 776. ............................................................... 228 24.06.1982, III ZR 178/80, NJW 1982, 2552. ............................................................... 183 21.02.1986, V ZR 226/8, NJW 1986, 1676. .................................................................. 177 02.10.1987, V ZR 140/86, NJW 1988, 699. .................................................................. 183 23.11.1988, VIII ZR 247/87, NJW 1989, 218. ............................................................... 189 05.12.1990, VIII ZR 75/90, BGHZ 113, 106. ......................................................... 244, 246 01.12.1993, VIII ZR 259/92, NJW 1994, 515. ............................................................... 199
326
Entscheidungsverzeichnis
25.03.1998, VIII ZR 185/96, BGHZ 138, 195. ................................................... 227 f., 235 16.07.2003, VIII ZR 302/02, NJW 2003, 3341. .................................................. 244 f., 276 22.06.2005, VIII ZR 281/04, NJW 2005, 2852. ............................................................. 195 17.02.2006 , V ZR 236/03, NJW-RR 2006, 736. ........................................................... 205 19.11.2008, VIII ZR 311/07, BGHZ 178, 355. ........................................................... 259 f. 30.10.2009, V ZR 42/09, NJW 2010, 1074. ........................................................... 183, 193 11.11.2010, III ZR 57/10, NJW-RR 2011, 916. ............................................................. 203 13.01.2011, III ZR 87/10, NJW 2011, 756. ................................................................... 187 01.07.2011, V ZR 84/10, BeckRS 2011, 22879. ............................................................ 183 25.10.2012, VII ZR 146/11, NJW 2013, 152. ................................................................ 195 06.11.2013, VIII ZR 353/12, NJW 2014, 454. ........................................................ 244, 271 20.11.2013, IV ZR 54/13, NJW 2014, 782. ................................................................... 183 15.01.2014 , VIII ZR 70/13, BGHZ 200, 1. ................................................................... 270 21.01.2015, VIII ZR 51/14, NJW 2015, 1516. ............................................................... 183 25.03.2015, VIII ZR 38/14, NJW 2015, 1748. ........................................................ 259, 261
3. Oberlandesgerichte München 03.10.1957, 6 U 1233/57, NJW 1957, 1801. .................................................................. 189 13.01.1995, 23 U 4631/94, NJW-RR 1996, 48. ............................................................. 200
Saarbrücken 25.07.2007, 1 U 467/06, NJW 2007, 3503..................................................................... 266
Schleswig 06.07.2010, 3 U 105/09, BeckRS 2011, 05186. ............................................................. 244
4. Preußisches Obertribunal 27.09.1844, Präj. Nr. 1488. ........................................................................................... 215
III. Englische Gerichte Acton v Blundell (1843) 12 Meeson and Welsby 324. ..................................................... 24 Aluminium Industrie Vaassen B.V. v Romalpa Aluminium Ltd. [1976] W.L.R. 676....... 93 f. Appleby and Another v Meyers (1867) L.R. 2 C.P. 651. ....................................27 f., 37, 42 Asfar & Co. v Blundell [1896] 1 Q.B. 123. ..................................................................... 49 B.P. Exploration Co. (Libya) Ltd. Respondents v Hunt (No. 2) [1979] 1 W.L.R. 783; [1982] 2 W.L.R. 78; [1983] 2 AC 352. .................................................................. 42 f. Badische Anilin und Soda Fabrik v Basle Chemical Work [1898] A.C. 200. ............. 90, 102 Bank of England v Vagliano Bros [1891] A. C. 107. ....................................................... 75 Barrow Lane & Ballard Ltd. v Phillip Phillips & Co. Ltd. [1929] 1 K.B. 574. ................. 50 Beer v Walker (1877) 46 L.J.Q.B. 677. ................................................................ 98 f., 103
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Bell v Lever Bros. Ltd. [1932] A.C. 161, 206. ............................................................12, 52 Bremer Handelsgesellschaft m.b.H. v Vanden Avenne-Izegem P.V.B.A. [1990] Lloyd’s Rep. 133. ..................................................................................................... 44 Bristol Tramway v Fiat [1910] K.B. 831, 836. ................................................................ 75 British Movietonews Ltd. v London and District Cinemas Ltd. [1951] K.B. 190. ............. 33 Bull v Robison (1854) 10 Exchequer Reports 342. .......................................................... 98 Carlos Federspiel & Co. SA v Charles Twigg & Co. Ltd. [1957] 1 Lloyd’s Rep. 240..76, 90 Chandler v Webster [1904] 1 KB 493. ............................................................................ 36 Comptoir d’Achat et de Vente du Boerenbond Belge SA v Luis de Ridder Limitada (The Julia) [1949] A.C.293.............................................................................. 105, 121 Cooperative Insurance Society Ltd. v Argyll Stores (Holdings) Ltd. [1998] A.C. 1. ....13, 47 Couturier and others v Hastie and others [1843–60] All ER Rep 28. ........................... 52 f. Customs Brokers Co. Ltd. v United Dominions Trust Ltd. [1988] 1 W.L.R. 321. ........... 126 Davis Contractors Ltd. v Fareham Urban District Council [1956] A.C. 696. .................. 33 Demby Hamilton & Co. Ltd. v Barden [1949] 1 All ER 435. ........................................... 54 Denny, Mott and Dickson Ltd. v James B Fraser & Co. Ltd. [1944] A.C. 265. ................ 34 Ebrahim Dawood Ltd. v Health Ltd. [1961] 2 Lloyd’s Rep. 512. ..................................... 50 Elphick v Barnes (1880) 5 C.P.D. 32............................................................................... 76 Fibrosa Spolka Akcyjna v Fairbairn Lawson Combe Barbour Ltd. [1943] AC 32........ 37 ff. Graanhandel T Vink BV v European Grain and Shipping Ltd. [1989] 2 Lloyd’s Rep 531 .............................................................................................. 112 f. Head v Tattersall (1871–72) L.R. 7 Ex. 7. ................................................................. 116 f. Herne Bay Steamboat Co. v Hutton [1903] 2 K.B. 683. ................................................... 32 Hirji Mulji v Cheong Yue SS Co. [1926] A.C. 497. ...................................................... 28 ff. J. Lauritzen A.S. v Wijsmuller B.V. (The „Super Servant Two“) [1990] Lloyd’s Rep. 1. .. 29 Karlshamns Oljefabriker A/B v Eastport Navigation Corp (The Elafi) [1981] 2 Lloyd’s Rep. 679 ................................................................................................... 80 Krell v Henry [1903] 2 K.B. 740. ................................................................................ 30 ff. Kwei Tek Chao and Others (Trading as Zung Fu Co.) v British Traders and Shippers Ltd. [1954] 2 Q.B. 459. ............................................................................ 116 Leigh & Sillivan v Aliakmon Shipping Co. Ltd. [1986] A.C. 785. .................................... 79 Lowe v W Machell Joinery Ltd. [2011] EWCA Civ 795. ............................................... 136 Lyon v Tweddell (1881) 17 Ch.D. 52. .............................................................................. 48 Marshall v Broadhurst (1831) 1 C. & J. 403. .............................................................17, 44 Martineau v Kitching (1872) L.R. 7 Q.B. 436. ............................................................ 58 ff. Mash & Murrell Ltd. v Joseph I. Emanuel Ltd. [1961] 1 W.L.R. 862. ............................. 99 Michael Gerson (Leasing) Ltd. v Wilkinson [2001] Q.B. 514. ....................................... 128 Mirabita v Imperial Ottoman Bank (1878) 3 Ex.D. 164. .............................................76, 90 National Carriers Ltd. v Panalpina (Northern) Ltd. [1981] A.C. 675. .......................... 34 f. Paradine v Jane (1646) Aleyn 26................................................................................ 13 ff. Pepper v Hart [1992] 3 W.L.R. 1032. .................................................................... 124, 126 Photo Production Ltd. v Securicor Ltd. [1980] AC 827. ................................................ 116 Pioneer Shipping Ltd. v BTP Tioxide Ltd. (The Nema) [1982] A.C. 724. ......................... 34 Pletts v Beattie [1896] 1 Q.B. 519. .................................................................................. 91 Poole v Smith’s Car Sales (Balham) Ltd. [1962] 1 W.L.R. 744. ........................... 54, 76, 88 Preston v Albuery [1964] 2 Q.B.796. .............................................................................. 89 Re Goldcorp Exchange Ltd. [1995] 1 A.C. 74. ................................................................ 90 Re Wait [1927] 1 Ch. 606....................................................................................... 84, 90 f. Robinson v Harman (1848) 154 E.R. 363. ....................................................................... 13
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Entscheidungsverzeichnis
Scottish Navigation Co Ltd. v Souter [1916] 1 K.B. 675; [1917] 1 K.B. 222. ................... 28 Smyth & Co. Ltd. v TD Bailey Son & Co. (1940) 67 Lloyd’s Rep. 147. ........................... 85 Stern v Vickers (1877) 46 L.J.Q.B. 677. ............................................................... 98 f., 103 Tatem Ltd. v Gamboa [1939] 1 K.B. 132......................................................................... 34 Taylor v Caldwell (1863) 3 B. & S. 826. ..................................................................... 17 ff. The North of England Pure Oil-Cake Company v The Archangel Maritime Insurance Company (1875) L.R. 10 Q.B. 249. .......................................................... 97 The Vesta [1921] 1 A.C. 774. .......................................................................................... 88 Thoburn v Sunderland City Council [2003] Q.B. 151. ................................................... 124 Thomas Young & Sons v Hobson and Partner (1949) 65 T.L.R. 365. ............................ 103 Tradax Export S.A. v European Grain & Shipping Ltd. [1983] 2 Lloyd’s Rep 100. ....... 116 Underwood Ltd. v Burgh Castle Brick & Cement Syndicate [1922] 1 B.B. 343. .............. 85 Varley v Whipp [1900] 1 Q.B. 513. .......................................................................... 84, 115 Vigers Brothers v Sanderson Brothers [1901] 1 Q.B. 608. ............................................ 115 Ward (R V) Ltd. v Bignall [1967] 1 Q.B. 534. ................................................................. 86 Wardar’s (Import & Export) Co. Ltd. v W Norwood & Sons Ltd. [1968] 2 Q.B. 663. ...... 91 Wait and another v Baker (1849) 2 Exch. 1................................................................... 102 Waverley Borough Council v Fletcher [1996] Q.B. 334. ................................................. 77 Williams v Roffey Bros & Nicholls [1991] 1 Q.B. 1, 19. .................................................. 45
Sach- und Namensverzeichnis absolute liability, siehe doctrine of absolute contracts Accursius 206 age of commercial codification 72 ff. Annahmeverzug, siehe Verzug Azo 145, 207 f. Baldus 208 f. Beherrschbarkeitsprinzip 121 f., 223 f., 239 ff., 247 ff., 270 f., 284 f. Bentham, Jeremy 73 Blackburn, Colin 17 ff., 58 ff. Blackstone, William 22 f., 57, 80 Bracton, Henry 14 f., 56 ff. Bringschuld 97 f., 243 f., 252 f., 268 Cabrio in Murmansk, siehe Mehrleistungspflicht Chalmers, Mackenzie 60 f., 73 ff. change of position 42, 51 Cinus 145 f., 208 condictio causa data causa non secuta 146 f., 160, 162, 164, 172 ff. condition – Abgrenzung zur warranty 19 f., 111 f., 136 – implied condition 19 ff., 30 ff., 33 contract default theory, siehe dispositives Recht Cujas, Jaques 209 f. Davidson Review 131 f. dispositives Recht 121 ff., 269 ff., 297 f. – framing 271 – Leitbildgrenze 270 f. – status quo bias 271 f., 297 – Verhaltenssteuerung 271 f. doctrine of absolute contracts 13 ff.
Donellus, Hugo 146 f. double-banking, siehe Davidson Review Eigentumsübertragung 76 ff., 230 ff. – Konsensualprinzip 81 ff. – Übergabesurrogate 231 ff. Eigentumsvorbehalt 93 f., 234 f. – Romalpa clause 93 f. emptio venditio 61 ff. – als iusta causa traditionis 63 f. – Bestimmtheit der Kaufsache 63 ff. – Bestimmtheit des Preises 65 f. – custodia-Haftung des Verkäufers 69 f. – Perfektion 62 ff. – publicitatio der Kaufsache 209 – Stückkauf 63 ff. – Unbedingtheit 67 f. Erfüllungsfiktion 166, 218 f. Ermessen 21, 41 f. 46 ff. – bonae fidei iudicia 21 – in das Common Law ergänzenden Gesetzen 46 ff. – Überprüfung dessen Ausübung in höheren Instanzen 47 f. exclusionary rule 124 failure of consideration, siehe unjust factor force majeur-Klauseln, siehe frustration frustration 13 ff. – force majeur-Klauseln 44 – frustration of purpose 29 ff. – implied condition: siehe condition – Law Reform (Frustrated Contracts) Act 39 ff. – radikale Änderung der Verpflichtung 34 ff.
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Sach- und Namensverzeichnis
Gattungskauf 99 ff., 252 ff. – Ausschluss im römischen Recht 63 ff. – Bestimmung der Gattung durch die Parteien 189 f. – Konkretisierung 90 f., 102 ff., 252 f. – Repartierungspflicht des Schuldners 101, 190 ff. – Übergang der property nach s. 18 Regel 5 SGA 1979 89 ff. – Untergang der gesamten Gattung 99 ff., 189 ff. – schrittweise Zulassung im Ius Commune 207 f. Gelübde 148 ff. Gemeinsames Europäisches Kaufrecht 286 f., 294 ff. Gemeinsamer Referenzrahmen 285 ff., 293 f. Glanville, Ranulph 56 f., 291 von Glück, Christian Friedrich 217 f. gold-plating, siehe Davidson Review Grotius, Hugo 153 ff., 212 Henry VIII clause 124 Historische Rechtsschule 165 ff., 217 ff. Humanismus 146 f., 209 implied condition, siehe condition von Jhering, Rudolf 220 Kaufpreiserstattungsgefahr 261 ff. Konkretisierung, siehe Gattungskauf Konsensualvertrag 21 f., 142 ff. Konsensualprinzip, siehe Eigentumsübertragung Krönungszugfälle, siehe frustration of purpose legal treatises 22 f. Leistungsbestandsrisiko 175, 185, 280 Lessius, Leonard 151 ff., 211 f. Mehrleistungspflicht 197 ff. de Molina, Luis 150 f., 210 f. Mommsen, Friedrich 167 f., 218 f. mortuus redhibetur, siehe Sachmangel
Nacherfüllung, siehe Sachmangel Naturrecht 147 ff., 212 f. οἰκείωσις-Lehre 148 ökonomische Rechtsanalyse 6 ff. periculum est emptoris – im römischen Recht: siehe emptio venditio – Infragestellung im Humanismus: siehe Cujas – pandektistische Erklärungsversuche 218 ff. perpetuatio obligationis 20 f., 142, 146 poenitentia 145, 149 Principles of European Contract Law 284 f. property 77 ff. Puchta, Friedrich 166 f. Pufendorf, Samuel 159 f., 213 Rechtsvergleichung – comparative law and economics 6 f. – funktionale 4 f. – Erkenntnismenge 6 – Methode 3 ff. – Vergleichsmaßstab 4 ff. Richtlinienvorschlag zum Online- und Versandhandel mit Waren 139 f., 277 f. Romalpa clause, siehe Eigentumsvorbehalt Rücktritt, siehe Sachmangel Sachmangel 111 ff., 136 ff., 255 ff., 276 ff. – Gefahrtragung im Rückgewährschuldverhältnis: siehe Kaufpreiserstattungsgefahr – Nacherfüllung 138 f., 265 ff. – Mängelrechte des Käufers 111 ff., 136 ff., 255 ff., 276 ff. – mortuus redhibetur 116 f., 258 ff. – Rücktritt: siehe Kaufpreiserstattungsgefahr – Schadensersatz statt der Leistung 111 f., 265 – Verstoß gegen condition oder warranty 111 f.
Sach- und Namensverzeichnis – Zurückspringen der Gefahr: siehe Kaufpreiserstattungsgefahr von Savigny, Friedrich Carl 165 f., 218 Schadensersatz, siehe Sachmangel Schickschuld, siehe Versendungskauf Spätscholastik 148 ff., 210 ff. status quo bias, siehe dispositives Recht Störung der Geschäftsgrundlage 29 ff., 150, 196 f. – Parallelverschiebung 196 ff. – Verwendungszweckstörung: siehe frustration of purpose Surrogatherausgabe 205 Synallagma 118, 160, 172 f., 237 ff., 249 ff., 263 f, 267 term 15 f., 136 f. Thomas von Aquin 148 ff. title 77 ff. Traditionsprinzip – als Modus der Eigentumsübertragung: siehe Eigentumsübertragung – beim Gefahrübergang 215 f., 221 ff. – im römischen Recht: siehe emptio venditio Transportgefahr, siehe Versendungskauf Übergabe 128 ff., 230 ff. Übergabesurrogate 231 ff. unjust factor 38 f., 50 f. Unmöglichkeit – im englischen Recht: siehe frustration
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– objektive 186 ff. – subjektive 193 f. – Unverhältnismäßigkeitseinrede 194 ff. – Verschuldensabhängigkeit 142 ff., 149 ff., 168 ff., 178 ff. Verbalobligation 21 f., 142 ff. Verbrauchsgüterkauf 123 ff., 272 ff. Versendungskauf 97 ff., 244 ff., 272 ff. – Transport durch eigene Leute 250 ff. Versprechensvertrag 156 ff. Verwendungszweckstörung, siehe frustration of purpose Verzug – des Gläubigers 119 f., 140, 268 f. – des Schuldners 110 f., 136, 255 ff. Vorratskauf, siehe Gattungskauf Votum, siehe Gelübde warranty, siehe condition Wegfall der Geschäftsgrundlage, siehe Störung der Geschäftsgrundlage Willenstheorie 19 f., 156 ff. Windscheid, Bernhard 168 Wolf, Christian 161 writ 13 f., 19, 82f. Zurechnung 96, 118, 213, 249 ff., 262 f. Zurückspringen der Gefahr, siehe Kaufpreiserstattungsgefahr