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German Pages [253] Year 2019
mario klarer (hg.)
verschleppt verkauft versklavt deutschsprachige sklavenberichte aus nordafrika (1550–1800) edition und kommentar
Mario Klarer (Hg.)
Verschleppt, Verkauft, Versklavt Deutschsprachige Sklavenberichte aus Nordafrika (1550–1800) Edition und Kommentar
Böhlau Verlag wien köln weimar
Veröffentlicht mit freundlicher Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF): Projektnummer P 26038-G23. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung : Frans Hogenberg, Geschichtsblätter; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. © 2019 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien, Kölblgasse 8–10, A-1030 Wien Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Korrektorat : Vera Schirl, Wien Einbandgestaltung : Michael Haderer, Wien Satz : Michael Rauscher, Wien Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-205-23282-7
Inhalt
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sklavenberichte als frühneuzeitliche Gattung . 2. Piraterie im Mittelmeer . . . . . . . . . . . . 3. Nordafrikanische Sklaverei . . . . . . . . . . . 4. Der Freikauf von Sklaven.. . . . . . . . . . . 5. Weibliche Sklaven . . . . . . . . . . . . . . . 6. Sklavenberichte und Weltliteratur . . . . . . .
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SKLAVENBERICHTE Balthasar Sturmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Bemerkungen zur vorliegenden Edition von Balthasar Sturmers Bericht . 53 Der Bericht des Balthasar Sturmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Emanuel Aranda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bemerkungen zur vorliegenden Edition von Emanuel Arandas Bericht . Der Bericht des Emanuel Aranda.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Hark Olufs.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Bemerkungen zur vorliegenden Edition von Hark Olufs Bericht. . . . . 133 Der Bericht des Harck Olufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Wolffgang-Brüder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bemerkungen zur vorliegenden Edition von Andreas Matthaeus und Johann Georg Wolffgangs Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Bericht der Wolffgang-Brüder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johann Michael Kühn.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bemerkungen zur vorliegenden Edition von Johann Michael Kühns Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Bericht des Johann Michael Kühn . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
Leonhard Eisenschmied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bemerkungen zur vorliegenden Edition von Leonhard Eisenschmieds Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Bericht des Leonhard Eisenschmied . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Edierte Texte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weiterführende Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Index von Orten und Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Danksagung
Für die erfolgreiche Fertigstellung dieser Edition gewährte des Austrian Science Fund (FWF) einen Druckkostenzuschuss im Rahmen meines FWF Einzel projekts (P 26038-G23) European Slaves: Christians in African Pirate Encounters (ESCAPE). Weitere Unterstützung für diesen Band gewährte die Universität Innsbruck bzw. die Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät. Robert Spindler danke ich für das Einholen der Abbildungen und der Bildrechte sowie David Messner, Julia Ott und Almyria Wilhelm für Korrekturarbeiten. Gisela Procházka-Eisl und Stephan Procházka haben mich mit ihrer Expertise zu Nordafrika in der frühen Neuzeit unterstützt. Mein größter Dank gebührt Bernadette Rangger für die Transkriptionen der Texte und die Durchsicht des gesamten Manuskripts.
Abb. 1 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen, En des zelfs Zee-Roovers (1684) ; fol. 246 ; »Tripoli« ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz.
Einleitung
1. Sklavenberichte als frühneuzeitliche Gattung Fast reflexartig oder intuitiv setzen wir »historische Sklavenerzählungen« mit autobiographischen Berichten afroamerikanischer Sklaven gleich. Landläufig gelten diese Texte als älteste Beispiele einer traditionsreichen Textsorte, die einer unterdrückten Gruppe eine Stimme verliehen hat. Oft übersehen aber selbst Expertinnen und Experten für Plantagensklaven afrikanischer Abstammung in Amerika bzw. in der Karibik, dass diese autobiographische Gattung afroamerikanischen Selbstausdrucks strukturell und inhaltlich auf eine Reihe von Vorläufern zurückblicken kann. Diese textlichen Vorläufer sind die Berichte von Europäern, die in der frühen Neuzeit in nordafrikanische Gefangenschaft gerieten.1 Zwischen dem frühen 16. und dem frühen 19. Jahrhundert wurden Schätzungen zufolge mehrere hunderttausend europäische Seeleute, Passagiere, aber auch Bewohnerinnen und Bewohner von Küstenregionen im Mittelmeer von nordafrikanischen Piraten verschleppt und als Sklaven in den nordafrikanischen Städten Tunis, Algier, Tripolis und Salé verkauft und festgehalten (vgl. Davis 2003 ; MacLean 2007) (Abb. 1, Abb. 2, Abb. 3, Abb. 4). Der Großteil dieser Sklaven diente primär dazu, Lösegeld aus Europa zu fordern, womit wahrscheinlich bis zu 25 % des Gesamthaushaltes dieser nordafrikanischen Staaten bestritten wurde (Abb. 5). Natürlich war die mediterrane Piraterie und die daraus resultierende Versklavung von Personen kein Phänomen, das nur von Nordafrika ausging. Auch auf europäischer Seite gab es analoge Strukturen. Vor allem die Malteser-Ritter waren federführend in der europäischen christlichen Piraterie. Schätzungen zufolge fiel eine ähnlich große Zahl von nordafrikanischen muslimischen Personen Europäern in die Hände, die wiederum auf den Sklavenmärkten von Málaga, Marseille, Livorno und Malta gehandelt wurden (Abb. 6, Abb. 7). Dieses Phänomen 1 Zwei Aufsatzsammlungen nehmen sich erstmals ausführlich dieses frühneuzeitlichen Phänomens an : Mario Klarer (Hg.), Piracy and Captivity in the Mediterranean. London, New York : Routledge, 2019b sowie Mario Klarer (Hg.), Mediterranean Slavery and World Literature : Captivity Genres from Cervantes to Rousseau. London, New York : Routledge, 2019a ; im Druck.
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Einleitung
Abb. 2 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen ; fol. 164 ; »Tunis« ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz.
Abb. 3 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen ; fol. 80 ; »Algiers« ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz.
Sklavenberichte als frühneuzeitliche Gattung
Abb. 4 : Matthäus Merian ; Frankfurt, 1646. »Abris der Vestung Tripoli in Barbarien.« Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 5 : Titelblatt, Pierre Dan, Historie van Barbaryen ; Loskauf eines christlichen Sklaven durch einen Mönch ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz.
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Einleitung
dominierte drei Jahrhunderte die mediterrane Geschichte und kam erst durch das Engagement der jungen Vereinigten Staaten in den sogenannten Barbary Wars am Beginn des 19. Jahrhunderts sowie durch die Kolonialpolitik Frankreichs mit der Eroberung Algiers 1830 zu ihrem Ende (vgl. Leiner 2007). Während der drei Jahrhunderte dieser Piraten- und Korsarenaktivitäten im Mittelmeer haben eine große Zahl von Heimkehrern, vor allem Europäerinnen und Europäer Berichte über ihre Erlebnisse in nordafrikanischer Gefangenschaft verfasst. Diese Berichte waren aufgrund ihres exotischen Settings sowie ihrer abenteuerlichen und spektakulären Inhalte bei Druckern und Publizisten sehr gefragt, weil sie ähnlich wie der frühe Roman ein großes Zielpublikum in Europa ansprechen konnten. Einige dieser Sklavenberichte – wie der hier aufgenommene Text Emanuel Arandas – haben mehrere Auflagen durchlaufen bzw. wurden innerhalb weniger Jahre in alle größeren europäischen Nationalsprachen übersetzt (vgl. Kattenberg 2019). Aufgrund ihrer Popularität nehmen diese Sklavenberichte fast einen literarischen Gattungscharakter an und beeinflussen maßgeblich und nachhaltig die Entwicklung des frühen Romans. Zum Beispiel sind die Romane Don Quijote (1605) und Robinson Crusoe (1719) (Abb. 8) inhaltlich von nordafrikanischer Sklaverei geprägt : Miguel de Cervantes, der nach der Schlacht von Lepanto mehrere Jahre in Algier versklavt war, hat persönliche Erlebnisse in seine Werke eingearbeitet (vgl. Garcés 2002 ; Gordon 2019) (Abb. 9) ; Daniel Defoes Robinson Crusoe ist von englischen publizierten Sklavenberichten aus Nordafrika beeinflusst (Starr 1965, 2019). Über Cervantes und Defoe als zentrale Autoren sind Sklavenerzählungen aus Nordafrika ursächlich mit der erfolgreichen Gattung des Romans in der frühen Neuzeit verbunden. Natürlich haben authen tische Sklavenerzählungen aus Nordafrika aber auch auf die sehr viel später einsetzende Gattung der afroamerikanischen Sklavenerzählung eingewirkt, die wiederum indirekt auf die Abschaffung der Sklaverei im 19. Jahrhundert Einfluss genommen hat.2 Die vorliegende Auswahl an Nordafrika-Sklavenberichten stellt erstmals einen Querschnitt dieser sehr produktiven Gattung für den deutschen Sprachraum zusammen.3 Hierbei wurde »deutschsprachig« bewusst weit gefasst und 2 Europäische Sklavenberichte aus Nordafrika haben unter anderem amerikanische captivity narratives wie A Narrative of the Captivity and Restoration of Mrs. Mary Rowlandson (1682) – einem »Bestseller« über Entführung und Verschleppung einer weißen Frau durch nordamerikanische Ureinwohner – aber auch afroamerikanische Sklavenberichte wie The Interesting Narrative of the Life of Olaudah Equiano, Or Gustavus Vassa, The African (1789) inhaltlich und strukturell beeinflusst. 3 Einen repräsentativen Querschnitt über europäische Sklavenberichte aus Nordafrika in englischer
Sklavenberichte als frühneuzeitliche Gattung
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Abb. 6 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen ; fol. 387 ; »Die Art wie gefangene christliche Männer und Frauen auf dem Sklavenmarkt von Konstantinopel verkauft wurden« ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz.
Abb. 7 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen ; fol. 384 ; »Die Art wie gefangene christliche Sklaven in Algier verkauft wurden« ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz.
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Einleitung
Abb. 8 : Titelblatt der Erstausgabe ; Daniel Defoe, Robinson Crusoe (1719) ; The Bodleian Library, University of Oxford.
Berichte in die Anthologie aufgenommen, die ursprünglich zum Beispiel auf Flämisch oder Dänisch verfasst, aber kurz darauf auch in deutscher Übersetzung publiziert wurden. Damit zeigt sich, wie international und länderübergreifend diese frühneuzeitliche Gattung war. Neben den Sprachgrenzen überbrückten diese Texte auch christliche Konfessionsgrenzen, was gerade im 17. Jahrhundert, d. h. während und nach dem Dreißigjährigen Krieg bemerkenswert ist. Übersetzung bietet die Anthologie Mario Klarer (Hg.), Christian Slaves among Islamic Pirates : An Anthology of Barbary Coast Captivity Narratives (1550–1810). New York : Columbia University Press, 2020 : im Druck.
Sklavenberichte als frühneuzeitliche Gattung
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Abb. 9 : Die Sieger der Seeschlacht von Lepanto 1571 ; Schloss Ambras, Innsbruck ; Kunsthistorisches Museum, Wien.
Die Texte dieser Auswahl sind jedoch nicht nur für den deutschen Sprachraum von Relevanz, sondern sind markante Zeitzeugen unterschiedlicher Entwicklungen in der Literatur- und Kulturgeschichte im Allgemeinen. Interessanterweise stellt die erste Erzählung in dieser Sammlung, nämlich der Augenzeugenbericht des deutschen Kaufmannssohns Balthasar Sturmer aus der Mitte des 16. Jahrhunderts wohl auch den ersten überlieferten europäischen Sklavenbericht aus Nordafrika in der frühen Neuzeit dar (vgl. Klarer 2019e). Mit dem Bericht Balthasar Sturmers setzt diese Gattung wie mit einem großen Paukenschlag ein. Sturmers Text ist nicht nur der erste seiner Art, seine Erzählung stellt auch gleichzeitig einen Höhepunkt dieser Gattung dar, wobei Struktur und Erzählweise seines Berichts kaum dem frühen Picaro- oder Schelmenroman nachsteht. Überhaupt zeigt sich in den Nordafrika-Sklavenerzählungen eine Nähe zum Roman. So orientiert sich der Bericht der Wolffgang-Brüder – zweier Augsburger Kupferstecher, die als Haussklaven beim Herrscher von Algier gefangen waren – trotz seiner Authentizität am populären Roman Robinson Crusoe, der bereits in den 1720er-Jahren in deutscher Übersetzung vorlag (vgl. Ruhe 2019).
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Einleitung
Hier zeigt sich der Mechanismus, dass Nordafrika-Sklavenberichte einerseits den frühen Roman vorwegnehmen (wie im Fall Sturmers) und andererseits spätere Sklavenberichte aus der Mitte des 18. Jahrhunderts Elemente des frühen Romans in ihre authentischen Berichte einbauen. Damit berühren wir auch eine der wichtigsten Fragen dieser Gattung, nämlich die nach Wahrheitsgehalt bzw. Authentizität dieser Texte. Wie in allen autobiographischen Schriften ist der Übergang zwischen Fiktion und Wahrheit ein fließender. Gerade die Gattung der Nordafrika-Sklavenberichte macht es uns sehr schwer, zwischen Wahrheit und erzählerischer Freiheit zu unterscheiden. Oft vermengen sich Elemente des frühen Romans mit diesen in vielen Fällen verifizierbaren und damit authentischen Nordafrika-Erlebnissen der jeweiligen Autorinnen und Autoren. Natürlich darf die große Zahl von überlieferten Sklavenerzählungen von Europäerinnen und Europäern in nordafrikanischer Gefangenschaft nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass es sich bei Mittelmeerpiraterie und -sklaverei um ein beiderseitiges Phänomen handelte. Es wurde mit großer Sicherheit eine ähnlich große Zahl von nordafrikanischen Personen durch europäische, christliche Verbände gefangen genommen und auf den europäischen Sklavenmärkten in Málaga, Malta, Livorno und Marseille gehandelt. Aufgrund der großen Menge an überlieferten europäischen Sklavenberichten erscheint die Mittelmeersklaverei ein vorwiegend von nordafrikanischer, d. h. muslimischer Seite getragenes Phänomen zu sein. Während in unterschiedlichen europäischen Nationalsprachen über 100 Sklavenberichte vom Beginn des 16. bis Anfang des 19. Jahrhunderts überliefert sind, lässt sich die Zahl der Erlebnisberichte auf nordafrikanischer Seite auf eine Handvoll Texte reduzieren. Dieser Umstand ist auch der Grund, warum wir so gut wie nichts über nordafrikanische Sklaven in europäischer Hand wissen, obwohl deren Zahl vom frühen 16. bis ins späte 18. Jahrhundert in die Hunderttausende ging.4 Dies ist zum einen dem unterschiedlichen Umgang mit Texten geschuldet. So gibt es im islamischen Nordafrika der frühen Neuzeit keine mit der europäischen Druckkultur vergleichbare Verbreitung von Texten ; das heißt, dass nord afrikanische Quellen fast ausschließlich handschriftlich überliefert sind, während europäische Sklavenberichte in großer Zahl und in vielen Auflagen als populäre Druckwerke auf den Markt kamen. Neben der unterschiedlichen Kultur der Verbreitung von Texten scheint den Islam auch eine andersgeartete Einstellung zum 4 In meinem FWF-Forschungsprojekt ESCAPE (uibk.ac.at/projects/escape/) konnten über 100 Sklavenberichte in allen größeren europäischen Sprachen gesammelt und erforscht werden.
Sklavenberichte als frühneuzeitliche Gattung
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individuellen Leiden auszuzeichnen. Waren christliche Sklaven darauf bedacht, eigene Erfahrung im Sinne einer christlichen Passion darzustellen, haben muslimische Gefangene in der Hand von Europäern nach erfolgreicher Rückkehr besonders ihre theologische Überlegenheit gegenüber ihren christlichen Widersachern hervorgehoben. Dazu gehörte auch, dass nordafrikanische Heimkehrer sich nicht als gedemütigte Person stilisierten, sondern gerade im Gegenteil die respektvolle Behandlung durch die Europäer betonen wollten (Matar 2019). Damit unterscheiden sich die beiden Kulturen grundsätzlich darin, wie sie persönliche Sklavenerfahrungen repräsentieren bzw. instrumentalisieren.5 Die vorliegende Textsammlung bietet einen repräsentativen Querschnitt von historischen europäischen Sklavenberichten aus Nordafrika für den deutschsprachigen Raum aus drei Jahrhunderten. Am Beginn steht Balthasar Sturmers Bericht aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, der in großen Zügen Elemente des modernen Romans vorwegnimmt. Die Sammlung wird fortgesetzt durch die historische deutsche Übersetzung des flämischen Berichts von Emanuel Aranda aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, der zu den populärsten Vertretern dieser europäischen Gattung zählt. Der Augenzeugenbericht von Hark Olufs im frühen 18. Jahrhundert ist wiederum ein Beispiel für die Integration eines jugendlichen Christen in die nordafrikanische Kultur, aber auch Zeugnis für die problematische Reintegration eines Sklaven nach seiner Rückkehr in die Heimat (vgl. Reinheimer 2001). Das Ende der Textsammlung bilden die Erzählungen der bayrischen Wolffgang-Brüder, des norddeutschen Michael Kühn sowie des österreichischen Gefangenen Leonhard Eisenschmied. Diese Texte sind der Gattung des modernen Romans verpflichtet und im Besonderen von Daniel Defoes Roman Robinson Crusoe beeinflusst bzw. stellen sich wie im Fall Eisenschmieds bewusst in die Tradition der Gattung der sogenannten Robinsonade (vgl. Spindler 2019b). Mit diesen Berichten aus dem späten 18. bzw. frühen 19. Jahrhundert nähern sich nordafrikanische Sklavenerzählungen neuerlich der Gattung Roman an. Dieser Querschnitt durch die deutschsprachigen Sklavenerzählungen aus der »Barbarei«, wie die nordafrikanische Küste abwertend in der frühen Neuzeit bezeichnet wurde, illustriert und dokumentiert die sich gegenseitig bedingenden Phänomene Piraterie und Sklaverei im Mittelmeer anhand von ausgewählten 5 Die bisher von der Forschung wenig beachtete muslimische Perspektive mediterraner Piraterie und Sklaverei ist Inhalt einer weiteren Anthologie : Mario Klarer (Hg.), Piracy and Slavery in the Early Modern Mediterranean. A Sourcebook of Arabic and Ottoman Texts. Berkeley : University of California Press, 2021 ; im Druck.
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Einleitung
Augenzeugenberichten. Damit kann auch indirekt ein im kulturellen Gedächtnis der frühen Neuzeit übergangenes Thema von großer geopolitischer Brisanz erneut ins Bewusstsein zeitgenössischer Leserinnen und Leser zurückgeholt werden. 2. Piraterie im Mittelmeer Das Phänomen der Piraterie im Mittelmeer ist so alt wie die Schifffahrt im Mittelmeer selbst. Bereits in den frühesten literarischen Dokumenten der Antike wie z. B. in Homers Odyssee findet sich ein Bericht, wie Odysseus mit seinen Gefährten von seinem Schiff aus eine Stadt einnimmt und die Bevölkerung in die Sklaverei führt. Auch später in der römischen Republik kam es zu spektakulären Vorfällen mit Piraten. So wurde zum Beispiel der junge Julius Cäsar auf der Insel Rhodos von kilikischen Piraten gefangen genommen und rächte sich nach seiner Freilassung grausam an ihnen. Auch Pompeius im ersten Jahrhundert v. Chr. hat großen Ruhm erlangt, als es ihm gelang, die Piraterie im östlichen Mittelmeerraum erfolgreich zu bekämpfen. Nach dem Untergang des römischen Reichs am Ende der Antike und Beginn des Mittelalters kam es wieder zu einem Aufleben der Piraterie. Eine ganz neue Dimension erhielt die Piraterie aber in der frühen Neuzeit mit dem Korsarenfürsten Chaireddin Barbarossa (Abb. 10). Ihm und seinem Bruder gelang es in den ersten Dekaden des 16. Jahrhunderts, die großen Küstenstädte Nordafrikas Algier, Tripolis und Tunis unter ihre Herrschaft zu bringen (Abb. 11). Diese Gebiete sowie das unabhängige Königreich Marokko wurden in der Folge in Anlehnung an die dort lebenden Berberstämme als »Barbarei« bezeichnet. Barbarossa ging sehr klug vor, indem er sich nominell unter den Schutz der Hohen Pforte, also des Osmanischen Reiches stellte. Von seinen Stützpunkten bzw. vor allem von Algier aus kontrollierte Chaireddin Barbarossa fast den gesamten Mittelmeerhandel und einen großen Teil der Schifffahrt im Mittelmeer (Abb. 12). Dadurch kam es natürlich zu einem Konflikt mit den christlichen Seemächten und vor allem mit den Habsburgern. Kaiser Karl V. versuchte in mehreren Auseinandersetzungen, dieser Situation Herr zu werden, wobei Chaireddin Barbarossa und Andrea Doria, der Flottenkommandant der christlich habsburgischen Verbände, aufeinandertrafen (Abb. 13). Wie sieht nun diese Piraterie in der frühen Neuzeit aus, die sich vom frühen 16. Jahrhundert bis ins frühe 19. Jahrhundert erstreckte ? Es handelt sich nicht wirklich um Piraterie im engen Wortsinn, sondern man müsste eigentlich eher
Piraterie im Mittelmeer
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Abb. 10 : Bildnis des Chaireddin Pascha gen. Barbarossa, Flottenführer und Freibeuter ; Schloss Ambras Innsbruck ; Kunsthistorisches Museum, Wien. Abb. 11 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen ; fol. 74, »Aruch und Chaireddin Barbarossa, Könige von Algiers« ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz.
von Freibeuterei sprechen, weil die Korsaren nicht auf eigene Faust agierten, sondern unter dem Schutz einer Nation standen. Dafür mussten sie einen Teil ihrer Beute den jeweiligen Herrschern wie dem Dey von Algier oder Tunis abtreten (Abb. 14, Abb. 15). Korsaren praktizierten zweierlei Arten von Beutezügen. Der Großteil der Übergriffe fand auf hoher See statt. Schiffe von Nationen, die keinerlei vertrag liche Regelung mit den Barbareskenstaaten hatten, wurden angegriffen und Güter, Schiffe sowie vor allem Menschen als Beute genommen (Abb. 16). Natürlich gab es auch Landüberfälle (Abb. 17). Aus diesem Grund war ein großer Teil der süditalienischen Küstenregionen sowie der vorgelagerten Inseln in der frühen Neuzeit aus Angst vor diesen Piratenüberfällen entvölkert. Zeichen dieser damaligen Gefahr sind zum Beispiel heute noch die vielen Wachtürme an der Küste der Insel Korsika (Abb. 18). Es konnten also Bewohnerinnen und Bewohner
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Einleitung
Abb. 12 : Georg Braun und Frans Hogenberg, »Algier.« Civitates Orbis Terrarum. Vol 2. Cologne, 1575 ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 13 : Bildnis des Andrea Doria (1468–1560), genuesischer Admiral und Türkenbesieger ; Schloss Ambras Innsbruck. Kunsthistorisches Museum, Wien.
Piraterie im Mittelmeer
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Abb. 14 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen ; fol. 93 ; »Das Konzil von Algiers wird abgehalten« ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz.
Abb. 15 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen ; fol. 41 ; »Der neue Bassa unter dem König von Algiers, Delegierter des großen Herrn [ ?]« ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz.
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Einleitung
Abb. 16 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen ; fol. 299 ; »Barbarische Galeeren« ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 17 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen ; fol. 107 ; Kampf von Piraten in Tunis ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz.
Piraterie im Mittelmeer
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Abb. 18 : Genueserturm am Cap Corse ; Foto Mario Klarer.
ganzer Dörfer oder Landstriche versklavt werden. So drangen algerische und marokkanische Korsaren 1627 bis nach Island vor, wo sie 400 Einwohner Islands gefangen nahmen und nach Nordafrika verschleppten. Die Piraterie oder Freibeuterei in der frühen Neuzeit wurde keineswegs nur von islamischer Seite betrieben. Auch christliche Piraten machten Jagd auf islamische Schiffe und Territorien. Hier taten sich vor allem die Johanniter bzw. Malteser hervor. Besonders von den europäischen frühneuzeitlichen Kolonien in Nordafrika wie Oran aus wurden von christlichen Mächten Beutezüge in umliegende islamische Territorien gemacht, wobei ganze Dorfgemeinschaften in europäische Sklaverei geführt wurden. Die islamische Piraterie in Nordafrika kam erst am Beginn des 19. Jahrhunderts zu einem Ende. Ein entscheidender Faktor war das militärische Eingreifen der jungen USA. Nach der Unabhängigkeitserklärung von England mussten die USA teilweise bis zu 20 % ihrer jährlichen Staatseinnahmen als Schutzgeld an nordafrikanische Staaten bezahlen, um ihre Handelsschiffe und die Besatzung zu schützen. Trotz dieser hohen Geldsummen an Nordafrika wurden weiterhin amerikanische Schiffe gekapert und amerikanische Seeleute gefangen genommen (vgl. Rejeb 2019). Daher entschloss sich Thomas Jefferson als dritter Präsi-
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Einleitung
dent, die US Navy zu gründen und den Konflikt militärisch in den sogenannten Barbary Wars (1801–1805 ; 1815) zu lösen.6 Ein weiterer Grund für den Untergang der islamischen Piraterie war die europäische Kolonialpolitik in Nordafrika im 19. Jahrhundert wie die Annexion Algiers im Jahr 1830. 3. Nordafrikanische Sklaverei Laut wissenschaftlicher Hochrechnungen (Davis 2003) wurden in der frühen Neuzeit zwischen ca. 1550 und dem Jahr 1800 bis zu einer Million europäischer Christinnen und Christen Opfer islamischer Piraterie und als Sklaven in Nordafrika festgehalten. Auch wenn um eine genaue Höhe der Opferzahlen heftige akademische Debatten entbrannt sind (MacLean 2007), steht außer Zweifel, dass mit großer Wahrscheinlichkeit mehrere hunderttausend Personen auf beiden Seiten gefangen genommen wurden. Nordafrikanische Sklaverei in der frühen Neuzeit unterschied sich aber grundlegend von transatlantischer Plantagensklaverei, weil für die Sklaven in islamischer Hand die Möglichkeit eines Freikaufs oder eines Gefangenenaustauschs bestand. Meist gerieten Personen entweder auf hoher See oder auch bei Landbeutezügen in die Hand von Korsaren, wobei das Los von Gefangenen stark von ihrem sozialen Rang abhing. Arme Personen wie einfache Seeleute, die wenig Aussicht auf Lösegeld versprachen, wurden gern als Galeerensklaven eingesetzt. Aufgrund der harten Bedingungen auf den Kriegsschiffen kam dieses Los meist einem Todesurteil gleich (Abb. 19, Abb. 20). Stammte man jedoch aus besseren Verhältnissen, dann war die Wahrscheinlichkeit groß, dass man mit Geldern aus Europa freigekauft werden würde. Die dritte Möglichkeit – und das war auf freiwilliger Basis – war ein Übertritt zum Islam. Sogenannte Renegaten oder Konvertiten konnten dann in den Stadtstaaten Nordafrikas ein relativ normales Leben führen und sogar sehr hohe Ämter innehaben. Zu den illustresten Renegaten gehört der gebürtige Holländer An thony Jansen, der freiwillig seinem Heimatland den Rücken kehrte und zum Islam übertrat, um als Admiral Murat Reis in Nordafrika Karriere machen zu können. Auf sein Konto als Kapitän bzw. Kommandant gehen die großen Landbeutezüge nach Irland 1621 und Island 1627, bei denen mehrere hunderte Bewohnerinnen und Bewohner gefangengenommen und versklavt wurden.7 Der 6 Zur Rolle der Barbary Corsairs in der Wahrnehmung der jungen USA vgl. Junker 2020. 7 Seine Söhne erwarben Grundbesitz auf der Halbinsel Manhattan und zu ihren Nachkommen zählen Humphrey Bogart und Jackie Kennedy (vgl. Khalid El-Abdaoui 2019).
Nordafrikanische Sklaverei
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Abb. 19 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen ; fol. 190 ; »Verbrennung von 22 Schiffen im Hafen von Goletta« ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz.
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Abb. 20 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen ; fol. 320 ; Piratenschlacht auf See ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz.
große Nachteil war aber, dass Renegaten ihrem Glauben abschwören mussten und damit die Möglichkeit eines Loskaufs durch christliche Gelder verwirkten. Man musste sich also beim Glaubensübertritt dafür entscheiden, den Rest seines Lebens in Nordafrika zu bleiben. Viele der festgehaltenen Geiseln bzw. Sklaven konnten sich tagsüber weitgehend frei in der Stadt bewegen, wurden aber dann am Abend in sogenannte bagnos, d. h. in Gefängnisse gesperrt (Abb. 21). Bemerkenswert an der Sklaverei in Nordafrika war, dass Sklaven relativ eigenständig Geschäfte führen konnten. Zum Beispiel berichtet der Engländer William Okeley, der im 17. Jahrhundert in Algier Sklave war, dass er ein sehr lukratives Import-Export-Geschäft betrieb. Er musste im Gegenzug dafür einen monatlichen Betrag an seinen Herrn abliefern. Okeley schreibt, und das ist äußerst bemerkenswert, dass es ihm als Sklave in Algier finanziell besser erging als in England als freier Mann. Trotzdem beschloss William Okeley zu fliehen. Mit mehreren Gefährten ruderte er unter größten Entsagungen in einem winzigen Faltboot in einer einwöchigen Fahrt über 300 km von Algier bis nach Mallorca (Abb. 22). Neben der Flucht gab es auch die Möglichkeit, freigekauft oder ausgetauscht zu werden. Ein bekanntes Beispiel für einen Gefangenenaustausch ist die Heimkehr Emanuel Arandas, für dessen Freilassung »türkische« Gefangene aus Europa nach Nordafrika zurückgebracht wurden. Die sehr viel gängigere Praxis war
Nordafrikanische Sklaverei
Abb. 21 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen ; fol. 390 ; »Wie die Sklaven mit Ketten an den Füßen gehen« ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz.
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Abb. 22 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen ; fol. 147 ; William Okeleys spektakuläre Flucht in einem Faltboot ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz.
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Abb. 23 : Pierre Dan, Historie Van Barbaryen ; fol. 59 ; »Prozession der befreiten Sklaven« ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz.
jedoch der Freikauf. In den katholischen Ländern war es der Mönchsorden der Trinitarier, der sich auf den Freikauf von Sklaven aus islamischer Gefangenschaft spezialisiert hatte. Es gibt hierzu detaillierte Listen vor allem aus dem späten 18. Jahrhundert, die eine lückenlose Aufstellung dieser Freikäufe für die Habsburgermonarchie geben und damit auch die soziale und geschlechtliche Zusammensetzung der Gefangenen relativ gut dokumentieren (Watzka-Pauli 2016). Die Trinitarier führten die freigekauften Sklaven in Paraden durch europäische Städte, wo diese in Sklavenkleidern und auch in Ketten auftreten mussten (Abb. 23, Abb. 24, Abb. 25). Damit wurden wiederum Spenden für zukünftige Freikäufe generiert. In den protestantischen Ländern, vor allem in Hanse-Städten wie Hamburg wurde der Freikauf von sogenannten Sklavenkassen übernommen (Ressel 2012). Das sind Versicherungen, die Schiffseigentümer eingingen, damit die Besatzungen, die in die Hände nordafrikanischer Piraten gelangten, freigekauft werden konnten. Es handelt sich hier um die erste Sozialversicherung im deutschsprachigen Raum, die bereits im 17. Jahrhundert eingeführt wurde. Diese Versicherungen sind auch der Grund, warum deutsche Schiffskapitäne bei einem Piratenangriff oft wenig Gegenwehr leisteten, da sie wussten, dass die Sklavenkasse für ihren Freikauf aufkommen würde.
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Einleitung
Abb. 24 : Pierre Dan, Historie Van Barbaryen ; fol. 195 ; »Prozession der befreiten Sklaven« ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz.
Abb. 25 : Pierre Dan, Historie Van Barbaryen ; fol. 169 ; »178 befreite Sklaven danken den geehrten Bürgermeistern von Amsterdam im Rathaus für ihre Befreiung« ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz.
Der Freikauf von Sklaven
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Freikäufe gab es nicht nur von europäischer Seite. Da auch eine große Zahl von Nordafrikanern in christliche Hände fiel, wurden auch von islamischer Seite immer wieder Sklaven aus Europa freigekauft. Es gibt z. B. marokkanische Texte aus dem späten 18. Jahrhundert, in denen von 600 bis zu 1000 muslimischen Sklaven berichtet wird, die innerhalb eines Jahres aus spanischer Gefangenschaft freigekauft wurden. Man darf hierbei nicht vergessen, dass in europäischen Städten wie Málaga, Marseille oder Livorno große Sklavenmärkte und Sklavengefängnisse bzw. bagnos existierten. 4. Der Freikauf von Sklaven In nordafrikanische Sklaverei konnten nicht nur Seefahrer oder Küstenbewohnerinnen und -bewohner geraten, sondern auch Personen aus entlegensten Alpentälern. Der Fall des Tiroler Bauern Georg Kleubenschedl verdeutlicht diesen Umstand und zeigt, wie Freikäufe aus Nordafrika abgewickelt wurden bzw. über welch langen Zeitraum sich diese Transaktionen erstrecken konnten (Klarer 2019c). Auf einer Pilgerreise ins Heilige Land wurde der Tiroler Bauer aus dem Bezirk Stams im Oberinntal 1612 nach Tunis verschleppt und dort für über ein Jahrzehnt festgehalten. Georg Kleubenschedl tritt aus dem Schatten der Geschichte gegen Ende der 1620er-Jahre, als er versucht, seinem Sklavenschicksal ein Ende zu machen, indem er von Tunis aus den Verkauf seines Hofes im Ober inntal für das geforderte Lösegeld betrieb.8 Georg Kleubenschedl kontaktierte über Mittelsmänner in der Heimat – zu denen die Äbte von Stift Stams und Richter in Innsbruck und Petersberg zählten – Kaufleute in Innsbruck, Venedig und Genua, aber auch Juden in Innsbruck und Tunis sowie potentielle Tiroler Geldleihgeber. Nach einem halben Jahrzehnt gelang es Georg Kleubenschedl schließlich, Haus und Hof von Tunis aus zu verkaufen, um die Hälfte der geforderten Lösegeldzahlungen aufbringen zu können. Der Rest der benötigten Summe wurde von Tiroler Bürgen vorgestreckt, die in den einzigen heute noch erhaltenen Originalarchivmaterialien zu Kleubenschedl in Erscheinung treten. Zwei Einträge im sogenannten »Parteibuch« des Tiroler Landesarchivs (Abb. 26) dokumentieren den Endpunkt des Freikaufs, als ein Bürge sich 1636 gezwungen 8 Hierzu waren in Tiroler Archiven in den 1920er-Jahren noch über ein Dutzend Briefe erhalten, die Kleubenschedls Befreiung lückenlos dokumentierten. Leider ist der Großteil dieser Dokumente trotz intensiver Recherche nicht mehr auffindbar und nur noch indirekt Dank eines kurzen Aufsatzes des Tiroler Landesarchivars Karl Klaar aus dem Jahr 1928 rekonstruierbar.
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sah, bei Gericht die Rückzahlung des Darlehens an Kleubenschedl einzufordern : »… für dessen Loskauf aus türkischer Gefangenschaft zu Tunis Er, Georg Reuter, 200 Taler hergeliehen habe, die er gerne wiederhaben würde.«9 Anhand von Georg Kleubenschedls Versklavung lässt sich dokumentieren, wie unterschiedliche Institutionen und Personenkreise in solchen Freikäufen in der frühen Neuzeit kooperierten und welch komplexer logistischer und zeitlicher Aufwand mit einer solchen Transaktion verbunden war. Auch lässt sich über den Fall Kleubenschedl sehr gut festmachen, um welch horrende Lösegeldzahlungen es sich handelte : Man kann davon ausgehen, dass das Lösegeld das Doppelte des Wertes eines ansehnlichen Bauernhofs im Tiroler Oberland ausgemacht hat bzw. dass Kleubenschedl nur die Hälfte seines Freikaufs über sein Hab und Gut als wohlhabender Bauer finanzieren konnte. Die Tatsache, dass Kleubenschedl sich auf eine Reise ins Heilige Land begeben konnte, deutet darauf hin, dass er aus relativ begüterten Verhältnissen kam und damit einen wertvollen Hof besessen haben musste. Georg Kleubenschedl ist eines der wenigen Beispiele für einen österreichischen Gefangenen, dessen Schicksal wir relativ genau rekonstruieren können. Viele andere bleiben im Dunkel der Geschichte. Hierzu zählen vor allem die Schicksale von weiblichen Sklaven aus österreichischen Gebieten, wie das einer Südtiroler Mutter und ihres Sohns, von denen wir laut Archiveinträgen des Tiroler Landesarchivs nur wissen, dass sie im 17. Jahrhundert nach Tripolis verschleppt wurden. Leider ist bisher kein deutschsprachiger Bericht einer Frau bekannt, weshalb diese Anthologie nur Texte von männlichen Sklaven beinhaltet. Etwas besser ist die Dokumentenlage zu weiblichen Sklaven aus anderen europäischen Regionen. 5. Weibliche Sklaven Der Großteil der europäischen christlichen Sklaven in der frühen Neuzeit in Nordafrika war männlich. Es kam aber immer wieder vor, dass Frauen in die Hände muslimischer Piraten gerieten (vgl. Bekkaoui 2011 ; 2019). Einerseits konnten dies Passagiere auf gekaperten Schiffen sein oder sie gerieten andererseits wie auch eine große Anzahl von Kindern auf Landbeutezügen in die Sklaverei. So schreibt z. B. Michael Kühn, dessen Bericht Teil dieser Edition ist, über
9 Tiroler Landesarchiv, Oberösterreichische Regierung, Kopialbücher, Parteibücher 1636, Band 94, folio 387v, letzter Absatz.
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Abb. 26 : Oberösterreichische Regierung, Kopialbücher, Parteibuch 94 (1636) ; fol. 387 ; Tiroler Landesarchiv.
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diesen Umstand : »Die Türcken hatten gleichwol 132. Spanier, darunter viele Officiers und Officiers-Weiber, zu Gefangenen gemacht« (385–386). Nun waren alle Sklaven nach ihrer Befreiung unter großem Druck zu beweisen, dass sie in der Gefangenschaft nicht zum islamischen Glauben übergetreten waren. Dieser Legitimationsdruck traf sowohl Männer als auch Frauen. Für Frauen aber kam noch ein weiterer erschwerender Faktor hinzu. So waren sie dem latenten Vorwurf ausgesetzt, dass sie in ihrer Gefangenschaft sexuellen Kontakt zu muslimischen Männern unterhalten hätten. Interessanterweise nimmt die sexuelle Standhaftigkeit von weiblichen Gefangenen auch in der populären europäischen Imagination eine dominierende Stellung ein. So kreist Mozarts Oper Die Entführung aus dem Serail aus dem Jahr 1782 um die sexuelle Standhaftigkeit von europäischen Sklavinnen an einem nordafrikanischen muslimischen Herrscherhof (Palm 2019). Gerade im frühen 19. Jahrhundert findet sich deshalb eine Vielzahl von Frauensklavenberichten, die mit dieser sexuellen Gefahr für Sklavinnen operieren und sich deshalb sehr gut verkauften (Fricke 2020). Es handelt sich hierbei allerdings in den meisten Fällen um reine Fiktion – also Romane, die vorgeben, authentische Erlebnisberichte zu sein. Diese sexuelle Problematik für Sklavinnen wird auch in historischen Quellen angesprochen. So hatte z. B. die englische Gefangene Elizabeth Marsh im späten 18. Jahrhundert nach ihrer Rückkehr aus Marokko größte Schwierigkeiten, sich wieder in die heimatliche Gesellschaft einzugliedern, weil der Vorwurf, sie hätte sexuellen Kontakt zu islamischen Männern gehabt, immer unterschwellig im Raum stand. Einer der herausragendsten Berichte weiblicher Sklavinnen stammt von der Holländerin Maria ter Meetelen, die in den 1720er-Jahren mit ihrem Mann auf hoher See gefangen genommen und nach Marokko verschleppt wurde. Nach dem frühen Tod ihres Mannes in der Gefangenschaft musste sich ter Meetelen nach einem neuen christlichen Ehemann umsehen, um sich so vor Übergriffen muslimischer Männer – unter anderem des marokkanischen Königs – zu schützen. Durch Klugheit und mit Diplomatie gelang es ihr trotzdem, ein freundschaftliches Verhältnis zum König aufzubauen. Dieses Nahverhältnis zum Herrscher wurde ihr aber dennoch fast zum Verhängnis, als es zu einem Machtwechsel kam, in Marokko Thronwirren ausbrachen und ter Meetelen in der Folge mit dem alten Regime in Verbindung gebracht wurde. Was Maria ter Meetelens Bericht besonders auszeichnet, ist der große Realismus und Einblick, den ihre Aufzeichnungen in das Alltagsleben einer Sklavin in Nordafrika geben. Wie ihre männlichen Mitsklaven musste sie um das nackte Überleben kämpfen, indem sie zum Beispiel eine Taverne unterhielt, um so Geld
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für ihren Lebensunterhalt zu verdienen und sich ein Dach über dem Kopf leisten zu können. Ihr Bericht führt außerdem besonders deutlich vor Augen, dass diese europäische Exilantengemeinschaft in Nordafrika stark durch innere nationale Spannungen gekennzeichnet war. Die einzelnen Nationalitäten operierten relativ getrennt mit ihren eigenen Anführerinnen und Anführern. Auch scheint das Alltagsleben durch Konflikte unter den Sklavinnen gekennzeichnet gewesen zu sein. Schließlich wurde Maria ter Meetelen freigekauft und konnte nach zwölfjähriger Gefangenschaft nach Holland zurückkehren. Von dort wanderte sie schließlich nach Südafrika aus, wo sich ihre Spur verliert. Das Dasein von Frauensklaven im islamischen Nordafrika konnte auch ganz anders verlaufen wie Beispiele einiger Renegadas, also zum Islam konvertierter Frauen, zeigen. Wir wissen von mehreren sogenannten Renegada-Königinnen, die nach Annahme des islamischen Glaubens von Sklavinnen zu wichtigen Frauen des Herrschers aufgestiegen sind (Bekkaoui 2019). Hierzu zählt die Engländerin Janet, die im frühen 18. Jahrhundert unter dem Namen Lalla Belkis marokkanische Königin wurde. Auch die schottische Sklavin Helen Gloag wurde in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts Ehefrau des marokkanischen Königs Sidi Muhammed (Ewan 2018). Diese Frauen waren als Königinnen sehr einflussreiche Ziele diplomatischen Austauschs, da sie von beiden Seiten für die Freilassung von Sklaven in Nordafrika und Europa eingesetzt wurden. Dass die geschlechtsspezifische Komponente der islamischen Sklaverei auch sehr eigenartige Blüten treiben konnte, zeigt ein Dokument aus dem Jahr 1636. In einem Brief fordert ein Kanonier den englischen König auf, englische Prostituierte gegen männliche Sklaven in Nordafrika im Verhältnis 1 zu 6 auszutauschen, also eine englische Prostituierte für sechs versklavte Männer (Bekkaoui 2011, 2019). Dass dieser Vorschlag jemals in die Praxis umgesetzt wurde, scheint sehr fraglich, auch da es hierzu keine weiteren Quellen gibt. 6. Sklavenberichte und Weltliteratur Eine große Zahl von Christen, die in der frühen Neuzeit vom frühen 16. bis ins frühe 19. Jahrhundert von nordafrikanischen Piraten versklavt wurden, haben nach ihrer Flucht oder nach ihrem Freikauf Augenzeugenberichte verfasst. Diese Sklavenerzählungen waren sehr erfolgreich und erschienen oft in mehreren Auflagen. Sie stellen für Europäer in der frühen Neuzeit eine der wichtigsten Quellen über den Islam im Allgemeinen und Nordafrika im Speziellen dar.
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Für das vierjährige Forschungsprojekt ESCAPE an der Universität Innsbruck wurden für diesen Bereichszeitraum über 100 Berichte in allen großen europäischen Nationalsprachen gesammelt (vgl. Klarer 2019b). Diese Berichte wurden aus mehreren Gründen verfasst, wobei es immer darum ging, Mitleid bei Leserinnen und Lesern zu erwecken und damit indirekt die Spendenbereitschaft für den Loskauf von noch in Nordafrika befindlichen Sklaven zu erhöhen. Aus diesem Grund beinhalten diese Berichte oft ausführliche Beschreibungen bzw. Darstellungen von Folter und Gräueltaten, um Sympathie und Spenden für Sklaven zu generieren. Ein besonders deutliches Beispiel für den Einsatz von Folterdarstellungen bietet die französische Ausgabe von Pierre Dans Buch über nordafrikanische Sklaverei. Es finden sich darin gleich drei große Abbildungen mit je drei triptychonartigen Darstellungen unterschiedlicher Folter-, Bestrafungs- und Exekutionsmethoden (Abb. 27, Abb. 28, Abb. 29). In den Berichten waren natürlich auch eigennützige Komponenten im Spiel, da sich viele Sklaven nach ihrer Rückkehr dem Vorwurf widersetzen mussten, dass sie während ihrer Gefangenschaft zum islamischen Glauben übergetreten wären. Ein Erlebnisbericht, in dem die eigene religiöse Standhaftigkeit klar gestellt werden konnte, war natürlich von großem persönlichen Nutzen. Unter anderem finden sich aus diesen Gründen auch immer wieder eindringliche Darstellungen von verständnisvollen und wohlwollenden nordafrikanischen Herren, die ihre Sklaven mit einem freiwilligen Übertritt lockten, aber bei Ablehnung dieses Angebots dennoch deren christliche Religion respektierten. Viele Elemente dieser authentischen Augenzeugenberichte erscheinen wie eine Vorwegnahme des frühen Romans : Vor allem die spannenden Kaper- und Fluchtszenen, die erfolgreiche Täuschung der Verfolger sowie der oft schelmenhafte Charakter des Ich-Erzählers nehmen den Picaro-Roman des 16. Jahrhunderts in vielfältiger Weise vorweg. Viele von uns übersehen, wenn wir frühneuzeitliche Texte lesen, dass gerade der frühe Roman sehr stark von Piraterie und vor allem von Sklaverei in Nordafrika beeinflusst ist.10 So wurde zum Beispiel Miguel de Cervantes, Autor des Don Quijote, in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts von algerischen Piraten gefangengenommen. Er hat vier erfolglose Fluchtversuche unternommen und konnte erst nach fünf Jahren durch Geld der Trinitarier und seiner Eltern aus Algier freigekauft werden. Diese Erlebnisse in nordafrikanischer Sklaverei haben seine Werke sehr stark geprägt. Mehrere sei10 Die Aufsatzsammlung Mario Klarer (Hg.), Mediterranean Slavery and World Literature : Captivity Genres from Cervantes to Rousseau. London, New York : Routledge, 2019a (im Druck) nimmt sich bewusst dieser literarischen Komponente an.
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Abb. 27a–c : Pierre Dan, Historie Van Barbaryen ; fol. 324 ; Verschiedene Foltermethoden ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz.
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Abb. 28 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen ; fol. 54 ; Kreuzigung eines Sklaven ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz.
ner Dramen kreisen um die Sklaverei-Thematik und auch im Don Quijote baut Cervantes in den Kapiteln 38–41 eine lange Erzählung eines europäischen, d. h. christlichen Sklaven in Nordafrika ein (Abb. 30). Auch der erste große englische Roman, Daniel Defoes Robinson Crusoe aus dem Jahr 1719 ist von Sklavenerzählungen aus Nordafrika beeinflusst. Zum Beispiel wird die Romanfigur Robinson Crusoe von islamischen Piraten gefangen genommen und kann sich erst nach zwei Jahren aus der Sklaverei in Marokko befreien, bevor der Protagonist dann mehrere Jahre auf einer einsamen Insel zubringt. Viele Elemente in Robinson Crusoe lassen sich versatzstückartig auf frühe Sklavenberichte zurückführen. Dazu zählt das Motiv, dass man gegen den Willen des Vaters zur See fährt oder die Gefangenschaft, die einem Fegefeuer oder einer Hölle gleichkommt, aus der man dann geläutert wieder in die Heimatgesellschaft zurückkehrt. Auch der Versuch, aus der Gefangenschaft zu fliehen, wird vielfältig in Robinson Crusoe verhandelt und erinnert an nordafrikanische Sklavenberichte wie den William Okeleys (1675). Interessanterweise bleibt es aber nicht bei der Beeinflussung der Gattung Roman durch Sklavenerzählungen. Es funktioniert auch umgekehrt. Nach der Publikation von Robinson Crusoe setzt ein umgekehrter Mechanismus ein, indem Robinson Crusoe spätere authentische Sklavenerzählungen aus Nordafrika stilistisch und erzähltechnisch beeinflusst. Es kommt zu einer Art vielschichtigen
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Abb. 29a–c : Pierre Dan, Historie van Barbaryen ; fol. 407 ; »Schreckliche Strafen, die die Türken den Sklaven antun« ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz.
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Wechselwirkung : Ältere Sklavenberichte beeinflussen die Entstehung des frühen Romans und der Roman wiederum beeinflusst Sklavenberichte im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert. Die Entlehnung aus literarischen Texten stellt überhaupt ein Leitmotiv in den Barbaresken-Sklavenerzählungen dar, da es schwierig ist, klar zwischen fiktionaler Ausgestaltung und authentischen Elementen zu unterscheiden. Der Sklavenbericht des Deutschen Michael Kühn aus dem 18. Jahrhundert weist zum Beispiel stark phantastische Züge auf, so dass man ihn auf den ersten Blick der reinen Fiktion zuordnen würde. Archivdokumente deuten aber darauf hin, dass Michael Kühn wirklich in Nordafrika gewesen zu sein scheint und freigekauft wurde. Dennoch bedient sich Kühn bei einer Vielzahl von anderen Texten in einer Art, die wir heutzutage als Plagiat bezeichnen würden, was aber in der frühen Neuzeit eine gängige Praxis darstellte und mit dem wahren Kern seines Berichts nicht in direktem Widerspruch stand. Dass die Piraten- bzw. Sklaventhematik auch Eingang in reine Fiktion gefunden hat, zeigt sich in Jean-Jacques Rousseaus Fortsetzung zu seinem Roman Émile im späten 18. Jahrhundert. In dem kurzen Fragment Émile et Sophie, ou Les Solitaire gerät Émile in nordafrikanische Gefangenschaft und fügt sich, was ganz einzigartig ist, in die Sklaverei (Popkin 2019). Es wird bei Rousseau also die islamische Sklaverei zur Metapher für das menschliche Dasein an sich, indem sich Émile nicht gegen die Sklaverei auflehnt, sondern sich mit ihr arrangiert. Ein letztes Beispiel für die Wechselwirkung zwischen islamischer Sklaverei und Weltliteratur ist Annette von Droste-Hülshoffs Die Judenbuche. Die deutsche Novelle aus dem Jahr 1842 basiert auf einem authentischen Fall im Münsterland aus dem späten 18. Jahrhundert (vgl. Ressel 2019). Ein junger Mann erschlägt den Dorfjuden und muss dann aufgrund dieser Tat aus seiner Heimat fliehen. Er gerät in nordafrikanische Gefangenschaft und kehrt nach 25 Jahren als körperlich gebrochener Mann in seine Heimat zurück. Dort gelingt es ihm nicht, sich in die heimische Gesellschaft einzufügen, weil er trotz der Hölle, durch die er in Nordafrika als Sklave gegangen ist, als Mörder nicht mehr in die Dorfgemeinschaft integrierbar ist und er sich schließlich selbst das Leben nimmt. Die vorliegende Textauswahl in der Anthologie klammert bewusst diese rein literarischen Werke aus und konzentriert sich ausschließlich auf authentische oder authentisch erscheinende Sklavenerzählungen aus nordafrikanischer Gefangenschaft. Jedoch wird sich zeigen, dass die Augenzeugenberichte, die einen Zeitraum vom 16. bis ins frühe 19. Jahrhundert umspannen, trotz ihrer Authentizität in ständiger Wechselwirkung zur fiktionalen Literatur stehen und erst vor diesem Hintergrund ihre Vielschichtigkeit zeigen.
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Abb. 30 : Titelblatt der Erstausgabe, Miguel de Cervantes Don Quijote (1605) ; Sig. 207.629, Universitäts- und Landesbibliothek Innsbruck. Ohne Seitenangabe.
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Abb. 31 : Titelblatt von Balthasar Sturmer, Verzeichnüs der Reise Herrn Balthasar Stürmers […] (1558) ; Ms. germ.qu. 1014, f. 1r ; bpk/Staatsbibliothek zu Berlin, Handschriftenabteilung.
Balthasar Sturmer
Der erste Text in dieser Anthologie ist mit großer Wahrscheinlichkeit auch der erste überlieferte nordafrikanische Sklavenbericht eines Europäers in der frühen Neuzeit (vgl. Klarer 2019d ; Ritter 1993 ; Ruhe 2008a, 2008b). Der Bericht des deutschen Kaufmannssohns Balthasar Sturmer, der in den 1530er-Jahren an großen geopolitischen Ereignissen im Mittelmeer als türkischer Galeerensklave teilgenommen hat, ist aber nicht nur der erste Vertreter einer Textgattung, die in den folgenden Jahrhunderten großen Bekanntheitsgrad erlangen wird, sondern stellt auch bereits den ersten Höhepunkt dieser Gattung dar. Balthasar Sturmers Bericht besticht durch unglaubliche erzählerische Vielfalt, individuelle und psychologische Charakterzeichnung des Ich-Erzählers sowie eine selbstreflexive religiöse Umrahmung des Sklavenberichts, wie sie später in Romanen aber auch in authentischen Sklavenberichten typisch werden sollte (Abb. 31). Balthasar Sturmer begleitet als junger Mann eine Schiffsladung Weizen seines Vaters von Danzig nach Lissabon. Dort verkauft er den Weizen erfolgreich, verschwendet aber seinem Naturell entsprechend den gesamten Verkaufserlös und muss sich, um Geld für die Heimreise zu verdienen, auf einem christlichen Schiff verdingen, das Jagd auf türkische Handelsschiffe macht. Er wird also zu einem europäischen Piraten. Wie Sturmers Text verdeutlicht, war Sklaverei und Piraterie im Mittelmeer ein Phänomen, das einerseits auf nordafrikanischer Seite durch Korsaren in Algier, Tunis, Tripolis und Salé getragen wurde, andererseits stellte es aber auch ein ebenso europäisches Phänomen dar. Gerade die Malteser- Ritter auf christlicher Seite führten Beutezüge durch und betrieben Sklavenhandel in ähnlichem Umfang wie ihre nordafrikanischen Gegenspieler. Balthasar Sturmers Text zeichnet sich also dadurch aus, dass er offen diese christliche Piraterie anspricht und auch in großem Detail beschreibt. Dem Piratenschiff, auf dem sich Balthasar Sturmer verdingt hatte, war so großer Erfolg beschert, dass die Besatzung dieses Schiffes innerhalb weniger Wochen zu reichen Männern wurde. Diese wiederum planten, sich als Piraten selbstständig zu machen und sich eine eigene Galeere anzuschaffen. In dieser Euphorie des Erfolges wurden Balthasar Sturmer und seine Mitstreiter von türkischen Piratenschiffen angegriffen und in die Sklaverei verschleppt.
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Sturmers genaue finanzielle Angaben über Löhne, Beute, Verkaufserlöse von Sklaven oder veranschlagte Kosten für einen Galeerenbau erlauben einen tiefen Einblick in die Ökonomie der Piraterie und Sklaverei des mediterranen Raums in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. So musste sich Sturmer aus Geldnot als Büchsenmachergehilfe für zwei Dukaten monatlich auf einem christlichen Piratenschiff verdingen, das erfolgreich Jagd auf türkische Handelsschiffe machte. Binnen weniger Wochen betrug Sturmers persönlicher Beuteanteil 2.000 Dukaten – also ein Vielfaches seines Jahresgehalts als »normaler« Seemann. Vom finanziellen Erfolg verlockt wollte Balthasar Sturmer gemeinsam mit seinen Mitstreitern ein selbstständiges »Piratenunternehmen« gründen und sich für 150.000 Dukaten eine Galeere bauen lassen. Dieser Plan wurde abrupt durch einen türkischen Piratenangriff vereitelt, bei dem der schwer verletzte Balthasar Sturmer in die Sklaverei geführt wurde. Sturmer ging um 40 Dukaten an den Bestbietenden und musste auf türkischer Seite als Galeerensklave in der Flotte Chaireddin Barbarossas, dem wichtigsten Piratenfürsten in Nordafrika im 16. Jahrhundert, dienen. Mit seiner türkischen Gefangenschaft beginnt der Abschnitt von Balthasar Sturmers Bericht, in dem sich die Erlebnisse des deutschen Kaufmannssohns mit geopolitischen Großereignissen der 1530er-Jahre im Mittelmeer überschnei den. Balthasar Sturmer nimmt an zwei Belagerungen der Stadt Tunis in den 1530er-Jahren teil. Dies ist einmal die Einnahme der Stadt durch Chaireddin Barbarossa, dem großen Piratenfürsten, der in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ganz Nordafrika mit der Ausnahme des Königreichs Marokko unter die Macht und Einflusssphäre des Osmanischen Reiches brachte. Die zweite Belagerung ist die historisch sehr gut belegte Einnahme der Festung La Goletta bzw. der Stadt Tunis durch Kaiser Karl V. im Jahr 1535 (Abb. 32). Um die Eroberung der Stadt adäquat vermarkten zu können, hatte Kaiser Karl V. bedeutende Maler wie Jan Cornelisz Vermeyen und Cornelis Anthonisz. für die visuelle Repräsentation des Unternehmens engagiert. Diese schufen zahlreiche Bildszenen der Belagerung und Einnahme der Stadt Tunis, die wiederum als Vorlagen für Tapisseriedesigns dienten. Die Wandteppiche konnten als dreidimensionales Panoramazelt mobil als Propagandainstrument des Kaisers eingesetzt werden, um ihn als Sieger über die muslimischen Gegner zu stilisieren. Zusätzlich wurden von den Designs auch Kupferstiche von Frans Hogenberg für seine Geschichtsblätter – eine Sammlung historisch relevanter Szenen – angefertigt (Abb. 33). Balthasar Sturmers Erlebnisbericht ist daher eines der wenigen »nicht-offiziellen« Dokumente zu den Ereignissen rund um die Eroberung von Tunis.
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Abb. 32 Georg Braun und Frans Hogenberg, »Tunis«, Civitates Orbis Terrarum, vol. 2, Cologne, 1575 ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz.
Als osmanischer Sklave musste Balthasar Sturmer auf türkischer Seite agieren, weshalb sein Bericht ein einzigartiges Textzeugnis für diesen gewaltsamen Kulturkontakt in den 1530er-Jahren zwischen christlichem Europa und islamischem Nordafrika darstellt. Diese andauernde Konfrontation gipfelte schlussendlich in der Schlacht von Lepanto 1571, in der die Flotten des christlichen Abendlandes auf die osmanischen Großverbände trafen. Balthasar Sturmers Text dokumentiert mit der Belagerung von Tunis daher ein historisches Ereignis aus der Froschperspektive eines einfachen Galeerensklaven auf der Gegenseite des europäischen Angriffs, besticht aber darüber hinaus durch zahlreiche andere Charakteristika. Herausragend ist die ungewöhnlich frische, packende und spannende Erzählweise Sturmers. Man könnte sogar so weit gehen zu behaupten, dass die Art des Erzählens und die große persönliche Reflexion den Augenzeugenbericht Sturmers wie den ersten europäischen Roman erscheinen lässt – und das fünfzig Jahre vor Miguel de Cervantes’ Don Quijote. Natürlich handelt es sich hier nicht um einen literarischen Text im Sinn einer Fiktion, sondern um einen Augenzeugenbericht und eine Autobiographie.
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Abb. 33 : Franz Hogenberg, Geschichtsblätter (1560–1623), »Der Keyser wardt […] von den Mohren umbzingelt […]« [ca. 1574], Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz.
Dennoch entwickelt Sturmer in seiner Erzählung Techniken und Elemente, die seinen Bericht wie einen Roman erscheinen lassen. Er antizipiert hier sowohl den frühen spanischen Picaro-Roman à la Lazarillo de Tormes als auch erzähltechnische Elemente, wie wir sie zum Beispiel in Cervantes’ Don Quijote oder in Defoes Robinson Crusoe finden. Besonders die religiös-verbrämte Rahmenerzählung des alten und reuigen Balthasar Sturmers, die die picaro-artigen Eskapaden des jugendlichen Ich-Erzählers umschließt, stellt diese Memoiren in einen größeren heilsgeschichtlichen Kontext und erinnert damit an die Verbindung von Abenteuer und Religion in Defoes Robinson Crusoe. Mit Balthasar Sturmer beginnt ein neues Kapitel in der literarischen Landschaft Europas in Form der barbaresken Sklavenerzählung ; und sie setzt nicht, wie man annehmen könnte, mit leiser Stimme ein, sondern erhebt bereits im ersten Beispiel die laute Stimme einer Gattung, die wie keine andere die literarische Landschaft der frühen Neuzeit prägen sollte.
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Bemerkungen zur vorliegenden Edition von Balthasar Sturmers Bericht Die folgende Edition ist eine zeichengetreue Gesamttranskription des Manuskripts : Balthasar Sturmer, Verzeichnüs der Reise. 1558. Reise in die Türkei : Ms. germ. qu. 1014. Staatsbibliothek zu Berlin : Digitalisierte Sammlung. http://digi tal.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht?PPN=PPN737576820&PHYSID=P HYS_0001. Die Zahlen in eckigen Klammern beziehen sich auf die Folionummern des Manuskripts. Absätze, Interpunktion, Orthographie sowie Groß- und Kleinschreibung in der vorliegenden Edition folgen ausschließlich dem Manuskript. Jene Passagen des Manuskripts, die in roter Tinte geschrieben sind, werden in der Edition durch Fettdruck kenntlich gemacht. Eine englische Übersetzung des Texts erscheint in Mario Klarer, (Hg.), Christian Slaves among Islamic Pirates : An Anthology of Barbary Coast Captivity Narratives (1550–1810). New York : Columbia University Press, 2020 ; im Druck. Eine Graphic Novel bereitet Sturmers Bericht für eine junge Leserschaft auf : Mario Klarer und Robert Spindler (Hg.), Konstantin Holzmeister, Anna-Maria Kovács und Franziska Ulrich. Vom Piraten zum Sklaven. Balthasar Sturmers Tunis-Abenteuer im Jahr 1535 als Graphic Novel. Innsbruck : Innsbruck University Press, 2019.
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Der Bericht des Balthasar Sturmer [f.1r] Verzeichnüs der Reise Herrn Balthasar Sturmers vonn Marienburg aus Preussenn gebürtig, von Dantzigk ab nach Lisbona in Portugal, Sicilien vndtt in andere Öertter. Wie er von den Turcken vndtt Mooren gefangen vndtt entlichen wunderbarlicher Weise erlösett worden. Von Ihme selber auffs fleisigste verzeichnett vndt beschrieben. [f.2r] Gottes Gnade durch vnsernn Herren vndtt Heilandtt Jesum Christum seÿ mitt vns allenn. Amenn. Achbahr lieber Herr Frantz, nachdeme ich letzlich von Eurer Achbarkeitt ver stendigett bin, Ihr gerne von mir hören woltett, wie ich gefenglich genommen vndt erlösett bin worden, habe ich derwegen nichtt vnterlassen können, dasselbige Eurer Achbarkeitt durch die Feder zu wissen zu thun. Ehe vndtt dan aber ich Euch dauon erzehle, so mus ich erst Eurer Achbarkeitt berichten, aus was Vhrsachen ich zum Gefängnüsse kommen bin ; worinne Eure Achbarkeitt nachfolgendts ersehen wirdtt, wie gar wunderlich, auch der Vernunfft nach vnbegreiflich, der liebe Gott die Seinen in Zeitt der Notth erretten kan. Vndtt wie offters mich mein getrewer Gott erhöhett vndtt ernidrigett hatt, welches dan alles zu meinem Besten offters geschehen ist. Er, der liebe Vatter, weis woll, was vns gutt ist. [f.2v] Darumb züchtigett er vns offtmahln. Anfenglich meinen wir, vns geschichtt viell zu kurtz ; aber wan wir in vnser Register sehen, so befinden wir, viell mehr Straffen dan die geschehene verdienett zu haben. Wodurch wir dan zum waaren Erkanttnüs vndtt Busse kommen. Der liebe Gott will auch die Missethatt der Menschen vergeben, wan sie Rewe v̈ ber ihre Sünde tragen. Aber die Staupe bleibett nicht aussen, dan den der Herr liebett, den züchtigett er. Der liebe David stach sich in einen Sack, hatte Leidtt v̈ ber seine Sünde, aber die Straffe folgett gleichwoll baltt hernach. Wie dan der Exempell viell sein, ist nichtt notth zu erzehlenn. Ich will fürter vom Handell redenn. [f.3r] Anno 1532 siegeltte ich mitt einem Schippern von Dantzigk abe mitt ettlichen Last Weitzen nach Lisebonen. Wie wir dar ankamen, war er in grossem Abschlage, dan die Frachtt von jederer Last gabe 12 Ducaten, vndt der Weitze galtt nicht mehr als 14 Ducaten. Es wahr auch ein Bürger vonn Dantzigk mitt Namen Otto Meÿer, der wahr von Niederhoffe zu liegen daselbestn. Nun fande ich mich zu einem teutschen Büxemeister, als ich die Sprache nicht woll kuntte. Der verhulff mir meinen Weitzen verkauffen ; des gabe ich ihme sein solarium. Da nun der Weitzen verkaufft wahr, da wahr das Geldtt auch schier hinweg, dan
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es ist da sehr theure Zehrunge. Wie nun das Geldtt auff wahr, dachte ich beÿ mir, was ich soltte mitt lediger Handt heim kommen, vndt lies mich solches gegenst dem Büxemeister hören ; vndt wan ich wor einen Herren bekommen konte, das ich mich was in frembden Landen versuchen möchte. Worauff er mir antwortett, [f.3v] es wehre ein Schiff hier, das woltte nach Sicilien siegelen, vndt der Schipper bedurffte woll zwene Buxemeisters ; er woltte sehen, ob er mich mitt für einen halben Man auffbrechte, dan er woltte auch selbest mitt. Es geschahe, er wardt für einen Büxemeister angenommen vndt ich als für seinen Diener ; seine Besoldung wahr 4 Ducaten den Monatt vndt ich hatte 2 Ducaten den Monatt. Nun wahren wir befrachtett zu dreÿ Hauingen oder Portten zu lassen, als nemlichen Genua in Welschlandtt vndt Liorno nichtt weitt von Rome vndtt Neapolis. Also siegelten wir von Lisbona vndt kamen zu Cales inn vndt in Andolosia. Alda namen wir vnsere Ladunge ein vndt siegelten im Namen Gottes nach Liorno. Da entluden wir, was alda hin gehörete ; vndtt von dannen nach Genua vndt darnach zu Neapolis. Alda wahr die Reise vollenzogen vndt bekamen vnsere Bezahlunge. Allda schiede ich von meinem Mittgesellen vndt siegelte nach Sicilien, vmb Dienst zu [f.4r] suchen. Wie ich nichtt lange zu Messina gewesen wahr, so wirdt eine Armadia durch Befehlich Keÿserliche Maÿestett zugefertigett vndt vmbgeschlagen, nach Coron zu siegelen. Diese Stadtt Coron hette Keÿserliche Maÿestett das Jahr dafür dem Turcken genommen ; liegett in Græcia. Die Venediger haben die Stadtt ehezeitten gehabett. Aus Vhrsachen, warumb Keÿserliche Maÿestet solche genommen hatt, will ich auch erzehlen. Es wahr Keÿserliche Maÿestett im Willen, von der Stadtt abe mitt einer grossen Armade nach Constantinopel zu siegelen. In deme hetten die Venediger dem Turcken ihren Frieden auffgesagett, durch Anreitzunge Keÿserlicher Maÿestet. Mittler Zeitt stirbet die Keÿserinne, da wardt die Armade auffgehaben. Wolten die Venediger sich wieder mitt dem Turcken befriedigen, haben sie ihme mussen zwene Insulen vndt ettliche Tonnen Goldes geben : aber v̈ bell wahren sie mitt Keÿserlicher Maÿestett zu frieden. Der Venediger Handell streckett sich also, das sie mitt dem Turc- [f.4v] ken Frieden haben mussen. Oder aber mussen so gewaltig sein, das sie ihme Wiederstandt thun können, ihres Handels halben, so sie in der Turckeÿe haben. Auch das mehrerste Getreide mussen sie alda zu Salynitiken holen. Damitt ich wieder auff mein propositum komme ; so hatte nun der Turcke die Stadtt Coron belagertt zu Lande vndt zu Wasser. Es lagen dafur zu Lande 1200 Man vndt zu Wasser 70 Galleÿen. Nun wardt die Armade – wie vor gedacht – zu Messina in Sicilien forttgestellett, Coron zu entsetzen. Da kame nu Andreas Doria von Genua mitt 24 seiner Galleÿen vndt sonsten beÿ 30 grosse Schiffe,
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mitt Geschütze vndt Victualien woll zugerichtett, alda war ich auch mitte für einen Büxemeister. Wie nun vnsere gantze Armadia bereitt wahr, siegelttenn wir in Gottes Namen nach Coron. Kamen erst auff Corfu zu, ist eine Insula, gehöret den Venedigern. Von dannen kamen wir nach Sento, ist auch eine Insula, gehörett [f.5r] auch den Venedigern. Da erfuhren wir nun, wie starck der Turcke lag. Wir wahren nichtt über 6 Meilen von ihme. Zu Mitternachtt wahren wir früe auff mitt vnser Armade, siegelten nach Coron. Wie vns nun der Turcke sehen kunte, wahrten sie vnser ; lagen mitt ihren Galleÿen am Lande. Wie wir nun fürüber siegelten, schossen sie flux zu vns ein. Aber gleichwoll kamen sie vns zu der Zeitt nicht so nahe, dan ihr Oberster, Ibrakim Bahsa, hette ihnen befohlen, vndt aus ihrem Glücksbuche ersehen, das sie den Tag kein Glücke haben wurden. Solten sich des Falles nicht vom Lande geben, so wir aber zu ihnen kommen würden, als dan solten sie sich wie Helde gegenst ihre Feinde erzeigen. Wir danckten nur Gott, das dem also geschahe, bis wir die Schiffe mitt der Munition vndt Victualia hetten in die Porta gebrachtt. Nun wahren 2 Schiffe nicht weitt von der Hauinge hinden geblieben, die hetten vns die Turcken eingenommen, aber nur eines, das ander wahr [f.5v] nur oben eingenommen, in welchem Schiffe 300 spanische Hacken Schützen inne wahren. Die hetten sich vnter den Vberlauff begeben vndt schossen so herauff, das kein Turcke zu ihnen hinein kommen durfte, bis wir die andern Schiffe in die Porta hetten eingebrachtt. Darnach siegelten wir wieder zu rucke vndt schlugen die turckischen Galleÿen von den Schiffen, welche die Fluchtt nach Modon gaben ; liegett nur 9 welscher Meilen von Coron. Wie wir nun an das Schiff kommen, das sich vnten noch nichtt ergeben hatte, schrie ein deutscher Buxemeister, sie solten nicht los schiessen, dan sie hetten das Schiff noch vnten erhalten. Nun, wir thaten ihme also. In kurtzem erobertten wir beide Schiffe vndt kamen triumphierende in die Porta. Alda wahrtt alle das Geschütze, so woll auff dem Schlosse als von den Schiffen vndt Galleÿen, abgeschossen. Da wahren die Spanier also verhungert, das sie wie die Geister aussahen. Dan in ettlichen Wochen hetten sie keine Victualia gehabett, [f.6r] hetten Katzen vndt Ratzen auffgessen. Die 1200 Turcken, so zu Lande wahren, gaben auch die Fluchtt nach Modon vndtt hetten ihre Geschütze vergraben, welches wir darnach bekamen. Da besetzten wir nun das Schlos mitt frischem Volcke vndt siegelten wiederumb nach Sicilien. Kamen erstlich zu Aistol an ; ist eine Stadtt, liegett in Calabrien gegenst Messina v̈ ber. Da wahren nun 20 hispanische Galleÿen, welche mitt vnser Armade auch solten gewest sein, aber koomen zu spatte. Welche vns wilkommen hiessen mitt Carthaunen vndt anderm Geschütze ; desgleichen wir auch. Von dannen siegelten wir nach Messina, alda wardt auch also triumphierett. Von dannenn siegelten wir nach Neapolis, da sindt dreÿ Schlösser,
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da gieng alle das Geschütze abe von vnser gantzen Armade. Da bekamen wir vnsere Besoldunge vndt wurden geurlaubett. Das ander Jahr darnach hette der Turcke die Stadtt Coron wieder belagertt. Dieweill dan der Constantinopolische Zugk wieder zu rucke gienge, wolte es Keÿserliche Maÿestett schwer ankommen, die Stadtt jährlichen zu entsetzen. [f.6v] Derwegen wardt ein Wexsell mitt Ferdinando vndtt dem Turcken angetroffen, das Ferdinandus eine Stadtt in Vngern von dem Turcken bekam vndt der Turcke die Stadtt Coron. Da zogk der Turcke wieder ab vndt die Vnserigen wurden mitt Schiffen nachher Sicilien geholett. Da wahr ich auch mitt. Daselbst wir nun geurlaubett wurden. Mittler Zeitt wardt in Messina durch einen Rodieser Herren vmbgeschlagen mitt Namen Freÿ Lison, wer auff die Turcken oder Abentheur siegellen wolte, der solte sich zu Sankt Francisco in die Kirchen finden. Ich meinete, ich wurde zu spatt kommen. Lieff baltt hin. Zu meinem Vnglücke wardt ich für einen Büxemeister angenommen vndt hatte 3 Solde oder 3 Partte, was zur Beutte kommen wurde. Welche wir baltt bekamen, wahren aber nicht lange Herren darüber, wie nun weiter folgett. Wie wir nun fertig wahren mitt vnser Galleÿen, siegelten wir von Messina aus Sicilien vndt kamen in eine Stadt, heist Tarantum. Da namen wir vnsere Victualia vndt was wir bedurfften. Von dannen [f.7r] siegelten wir des Weges nach Constantinopell vndt kamen in eine Insula, die nennet man Sapenta. Alda wahren wir nichtt v̈ ber 4 Tage gelegen. Da kamen 2 turckische Schÿrachen – seindt rohe Siegell aus Alexandria – vndt hetten ihren Weg nach Constantinopel gesetzet. Wie sie nun ankamen, wahren ihre kleine Schifflein geringe vndt im Siegelen leichtt vndt geschwinde. Wan der Windtt so starck nicht gewest wehre, hetten wir sie beide bekommen. Wir siegelten ihnen einen gantzen Tag nach ; vermeinten, der Windt wurde sich legeren, auch fast auff 14 Meilen von Constaninopel. Die entkamen vns. Nun, wir ersuchten das Glück auff einen andernn Weg vndt siegelten nach einer Insula, die nennett man Ciffoloniam, gehörett den Venedigern. Dan wir hatten Kundschafft, das ein Schiff von Venedig siegelen wurde nach Constantinopel mitt turckischen vndtt indischen Güttern. Alda muste dan das Schiff fürüber siegelen. Wir hetten dar nicht v̈ ber 16 Tage gelegen, so kommett ein Schiff mitt einem [f.7v] grossem Sturm aus der See. Grossen Windes vndt Vngewitters halben muste es zu vns in den Porto kommen. Es wahr aber dasselbige Schiff nichtt, darauff wir wahrteten ; aber an Güttern fast dem gleich. Wie sich nun das Schiff mitt Anckern befestigett hatte, santte vnser Capitein ans Schiff, von wannen sie wehren vndt wo sie sein wolten, vndt was für Güttere sie geladen hetten. Sie antworten, sie wehren Venediger vndtt hetten auch zu Venedig geladen. Die Güttere kemen den Venedigern vndt
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Florentinernn zu ; vndt wolten nach Constantinopell siegelen. Vnser Oberster aber lies sich nichtt an der Beantwortunge genügen, sondern schicket wiederumb an das Schiff, der Schriuein soltte kommen vndt die Seebrieffe mitt an Bortt bringen. Das wahr ihnen nicht gelegen ; gaben vns Antwortt, sie wehren vns keine Brieffe nicht schuldig zu geben. Baltt nach deme befahle vnser Oberster, wir solten das Geschütze fertig machen vndt beschiessen sie mitt 2 halben Carthaunen ; welches dan [f.8r] baltt geschahe. Aber nichtt desto mehr wolten sie die Seebrieffe sehen lassen. Summa, das gröste Stücke wardt zugerichtett. Da befahle der Oberster, man solte ihn woll treffen. Vorhin hatte man v̈ ber geschossenn, da wardt das Schiff von hinden getroffen, das das Geloett vornen ausgieng ; aber Gott Lob kein Mensch getroffen. In deme gaben sie ein Zeichen, das sie zu vns an Bortt kommen wolten, wie dan auch geschahe. Da kam nun der Schrieuein, erklagett sich sehr, da wehren keine andere Gütter im Schiffe, dan die den Venedigern vndt Florentinern zukemen. Man gabe ihme aber nicht Glauben, sondern bracht ihme die Jungfer herfür vndt lies ihn was anschrauben. Da bekanntt er baltt, was die Turcken vndt Indier im Schiffe hetten, worüber wir Bestallunge vom Meister von Rhodis hatten. Ob ich gleich von Rhodis rede, welches der Turcke hatt, man nennett sie gleichwoll Rhodieser Herren. Aber ihren Sitz haben sie in einer Insula, heissett Malta, liegett beÿ [f.8v] Africa. Nu muste das Schiff ihre Botth aussetzen vndt vns der Turcken Gütter an Bortt bringen. Wahren köstliche gutte Packen venedische Lacken vndt eine kleine Lade mitt Perlen ; wartt über 80000 Ducaten geschetzett. Wie wir nun vnsere Beladunge hetten eingenommen – wir kunten es nicht alles laden, was den Turcken zukame – , da gab vnser Capitein dem Schippern seine vollkommene Frachtt, als hette er die Wahren nach Constantinopel gebrachtt. Auch nebenst deme ein Beweis, das er sie ihme genommen hette. Von dannen siegelten wir vndt kamen mitt behaltener Reise nach Sicilien in einen Porto, heissett Palermo. Alda wolte man vns nicht leiden, dan wir kamen aus denen Örttern, da die Peste regierett hatte. Nun wahr vnser Oberster von Nicea bürtig, welcher sich gegenst vns hören lies, so wir wolten, so wolte er mitt vns nach Nicea siegelen, dieweill wir da kein Geleide hetten, noch vns leiden wolten ; aber mitt Beschwer sagten wir es ihme zu. [f.9r] Nunn siegelen die Turcken, so woll ihre Glück auff Welschlandt zu ersuchen, als wir auff der Turcken Landtt. Wie wir nun aus Palermo abgesiegeltt wahren, des Weges nach Nicea, vndt kamen beÿ eine lnsull, heissett Bulcani. Die brennett stetts Tag vndt Nacht, man machett alda viell Schweffell. Wie wir nun für der lnsull v̈ ber gesiegeltt sein, da ersehen wir ettwa 3 Meilen von vns 3 Galleÿen, wusten nichtt, ob es Freunde oder Feinde wahren. Nun, nach den dreÿen erschie-
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nenen Galleÿen bereitten wir vns vndt kehrten wieder zu rucke nach Sicilien zu. Aber der Windtt wahr vns contrari vndt ihnen zu vnserm Vnglücke mitte. Dazu hetten wir die Galleÿen so gantz v̈ berladen, das sie nicht woll behüettet wahr, vndt wie sie immer zu vns naheten, erkanten wir, das es turkische Galleÿen wahren. Da wahr das Hertz allenn von vns hinweg, dan wir wahren von ihnen v̈ bermannett. Jedoch rieffen wir zu Gott, er wolte vns fortthelffen, das wir von ihnen erlediget möchten werden. Vndtt fluxs vnser Geschütze in orden gebrachtt vndtt einem [f.9v] iederen sein ortt befohlen, den er wachtenn soltte. Vnsere Trommetten angeschlagen, die Paniere auffgestecket vndt flucks zu ihnen angerennett vndt zu ihnen eingeschossen. So gab vns Gott die Gnade im ersten Antreffen, das wir sie abschlugen. Wartt auch eine Galleÿen getroffen, das sie sie auff die Seitten legeten vndtt das Loch zustopffeten. Mittler Zeitt luden wir wieder vnser Geschütze. Gott gab, das wir sie woll antroffen, schlugen sie wiederumb abe ; aber vnserer viele verwundett auch schon ettliche thodtt. Zum dritten Mahll kamen sie vns zugleich an Bortt, v̈ berfielen vns vndtt eroberten vnser Schiff samptt allem so darinnen wahr. Den Tag aber zuuorn hette ich mitt meinen Gesellenn Ratth, was wir mitt dem grossem Gelde thun wolten, wan wir es zu Nicea empfangen hetten. Sie schlossen vnter sich, sie wolten es auff Wexsell nach Antorffen v̈ bermachen, dan einem jederen mehre auffs wenigste woll kommen v̈ ber 2000 Ducaten, dan die Beutte wahr in sich woll vber [f.10r] 150000 Ducaten wertth. Da antwortett ich : »Was wollen wir bereitt nach Hause ? Wir wollen nun ersten das Glücke besser versuchen vndtt wiederumb nach Sicilien siegelen. Alda eine Galleÿen kauffen oder bawen lassen vndt des Weges hinziehen vndtt mehr holen. Alsdan triumphierende nach Hause kommen !« Der Wille wahr gutt vndtt so auch beschlossen, aber baltt verkehrett, wie man sagett : Homo proponit, Deus disponit. Nun wahren von den Turcken beÿ 60 erschlagen aus ihren 3 Schiffen vndtt von den vnseren ettwan 23. Vndtt die noch woll gelebett hetten, so gewundett wahren, v̈ ber Bortt geworffen lebendig vndtt 17 thodtt. Ich aber wahr hartt gewundett, iedoch hieltte ich mich stercker als ich wahr ; mir wahr leide, ich solte auch mitt in aquam kommen. Nun siegelten sie mitt vns in eine wüste Insell, deren Namen ich vergessen habe. Das geschahe den andern Tag darnach. Da wurden wir an Landt gebracht vndt daselbst vnter ihnen verkauffett, auff eines jederen Antheill seines Parttes. Ich [f.10v] wartt pro 40 Ducaten geben. Von dannen siegelten wir vndtt kamen in eine Insell, heissett Hierbis. Da wartt ich zum andern mahl verkauffett, dan mein erster Herr muste postweis nach Constantinopel vndt ich wartt gegeben pro 32 Ducaten. Hierbis liegett nichtt weitt von Trÿpoll, da auch ehe die Rhodieser Herren ihren Sitz gehabtt haben. Aber der Turcke hatt es nachmals auch erobertt. Da teileten sie ihren von vns
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genommenen Raub aus. Baltt nach deme wardt ich auff eine turckische Galleÿen geschmiedett, muste alda die lange Feder ziehen, vndt siegelten wiederumb auff Abentheur. Gott gab den Turcken viell Glücke, das sie innerhalb 3 Wochen v̈ ber 15 Christen Schiffe namen, vndtt siegelten wieder nach der Insell Hierbis. Da wartt ich zum dritten Mahll verkauffett. Alda wechsett kein Korn noch Weitzen, sondern Gersten, Wein vndtt viele Dattelen. In deme gieng auch der Winter heran ; wiewoll da kein sonderlicher Winter ist. Dennoch verhalten sie sich ettwa ein Monatt in der [f.11r] Hauinge beÿ Winters Zeitten, dan es sturmett zu der Zeitt sehr, aber ist nichtt kaltt. Nunn will ich auch erzehlen, wie Tunis vom Turcken durch Verrehtereÿe erobert ist worden vndtt wie Keÿserliche Maÿestett die Stadtt wieder eingenommen hatt vndt sie dem vertriebenem Könige wieder geben. Wie wir nun mitt vnsern Schiffen zu Hierbis auffgelegett hatten, schreibett Barbarossa, des turckischen Keÿsers Ammirall, von der See an vnsern Obersten, der 30 Galleÿen hette : Er sich mitt dem ehesten auff den Früeling an Capo Cartago – liegett 3 Meilen von Tunis – mitt seiner Armade verfügen soltte, die Stadtt Tunis helffen zu erobern. Welches dan auch geschahe. Aus Vhrsachen vndt Eigennutze wardtt die gutte Stadtt Tunis vom Turcken erobertt, folgendes also. Es wahren zwene Brüder zu Tunis. Nun hette der Elteste das Regimentt vndt hieltt den Jüngsten gar vnter. Nebenst deme wahr der Elteste König in seinem Regiment, was [f.11v] tirannisch, darumb wurffen die Vnterthanen die Gunst auff den jüngsten Herren vndtt santen ihn an den turckischen Keÿser nebenst andern Fürschrifften von den Obersten von der Stadt Tunis. Vndt begerten den jüngsten Herrn zum Könige, aus vorgedachten Vhrsachen. Dessen angelobett der jüngste Herr, des Turcken Tributarius zu sein, so er ihme verhelffen wurde, das er zum Könige werden mochte. Solches versprach ihme der Turcke : Er wolte ihme eine Armadia mittgeben vndt zum Königreiche verhelffen. Aber Vntrewe schluge seinen eigenen Herren. Der Barbarossa nun hatte 80 Galleÿenn, da tratt der gutte junge Heldtt in die Galleÿen, vermeintte König zu Tunis zu werden. Aber was thatt Barbarossa ? Er setzett ihn auff eine wüste Insulen vndt lies ihn da verhungern. Mittler Zeitt, wie die Tuniesser vernommen hatten, das der junge Herr mitt einer grossen Armade kommen wurde, iageten sie den Altten ins Gebirgte. Wir wahren nun mitt vnser Armade von Hierbis schon an Capo Carthago ankommen, [f.12r] vndtt wahrteten auff den Barbarossam. Nach deme kommett er mitt seiner Armade. Da wartt alle das Geschütze abgeschossen vndtt des andern Tages siegelten wir nach einer Hauinge, heissett Bona, liegett 7 Meilen von Tunis. Wie wir nun zu Bona ankommen, wurden des jungen Herrn Paniere aufgeworffen, als wehre er selber da. Baltt kamen die vom Lande, brachten viell
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Victualia an Bortth vndtt gaben den Moren für, der Köning wehre was kräncklich, kunte nichtt zu ihnen kommen. Von dannen siegelten wir nach der Golletta, ist die Porta von Tunis, liegett nur 3 oder 4 welscher Meilen von Tunis. Ettwa dreÿ Meilenn dauon hatt Carthago gestanden. Wie wir nun in den Porto kamen, hetten die Moren schon die Kundschafft von der vorgedachten Stadtt Bona bekommen, das die Armada mitt dem vermeinten Könige verhanden wehre, rusteten sich der massen, den Köning zu empfahen ; meineten anders nichtt, dan er wehre im Schiffe. Nun sindtt zwene Wege [f.12v] nach Tunis, im Mittell ist ein Wasser ; zweÿer Meilen breitt. Nun hatte Barbarossa die Kundschafft, von welcher Seitten die Herrschafft kommen wurde, den Köning zu empfahen. Wie sich nun die von Tunis auff die eine Seitten nach der Golletta begaben, so zeuchtt der Barbarossa auf die ander Seitten des Wassers. Wie nun fast Barbarossa in die Stadtt kommen ist, wirdt die Verrehtereÿe offenbahr vndt wanten sich die Moren wiederumb – dan ihrer wahr eine grosse Anzahl – treffen mitt dem Turckenn an, aber Barbarossa behielte das Feldtt. Es blieben woll 2000 auff beiden Seitten. Also wardt Tunis durch Verrehtereÿ erobertt. Nun wahr ich mitt den Turcken ettwan 2 Monatt lang. Darnach thaten wir wieder eine Reise vndt holeten gutte Beutte, dan ein gefangener Christ, der da rudeltt, hatt eben so viell Partte an der Beutte als sein Herr. Aber wan es zur Austheilunge kommet, so nimmet es sein Herr für ihn ; mus also die Arbeitt vmb sonst gethan haben. [f.13r] Nun will ich weitter von dem veriageten Könige erzehlen. Wie nun die Morenn sahen, das sie ihre Vntrewe getroffen hatte, ergaben sich ettliche wiederumb vnter den vertriebenen Köning ; thaten ihme einen Fusfall vndt schwuren ihme auffs newe. Da kriegete der Köning von Tunis mitt dem Barbarossa zu Felde, aber er wahr dem Barbarossen zu schwach. Er machte Anschläge, das er die Fürnemsten an sich brachte durch Gifft vndt Gaben, wie es dan ietzo im Schwange gehett. Gott bessers. Er habe nur Geldtt, machett sich baldtt gutte Sachen. Wie nun der vertriebene König siehett, das er nichts am Barbarossen haben mag, sendett er seinen Sohn, – so seinem Vatter nachmals die Augen ausstache –, an Keÿserliche Maÿestett vndt erbeutt sich, vnser Keÿserlicher Maÿestet Tributarius zu sein. Das er ihme wiederumb zu seinem Lande vndt Leutten verhelffen wolte, das gelobett ihme auch Keÿserliche Maÿestet. Es wahr aber Keÿserlicher Maÿestet mehr seiner Länder halben zu thun, dan dem Könige zu helffen, aus Vhrsachen : [f.13v] Er lag ihme da rechtt im Mittell Meere, gegenst Sicilien v̈ ber, nicht v̈ ber 30 Meilen dauon. Vndtt kam auch das Jahr nach Eröberung der Stadtt Tunis eigener Person hin mitt einer grossen Armade. Wie nun Keÿserliche Maÿestett nach Tunis kam vndtt mitt seiner gantzen Armade in Sardinien lag, wardt ein Schifflein von des Keÿsers Armade, welches nach Holtze wahr gerudeltt, von den
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Turcken erobertt vndt nach Tunis gebrachtt. Wie die Gefangenen nun zu Lande gebracht wurden, wurden sie für den Obersten gebracht mitt Namen Casso Diaboli. Da wardt gefragett durch einen Tholmetschen, wie starck Keÿserliche Maÿestett mit seiner Armade wehre vndt wie baltt er woll kommen wurde. – Ich drange mich ein, hörett zu, welches mir ein liebe Zeittunge wahr. – Worauff ihme der Schipper antwortett, er wehre ettwa beÿ 80000 Man starck. Vndt so baltt der Windt vmbgienge, woltte er beÿ ihnen sein. Da fienge ein altter Turck an vndt redett in seiner Sprache : »Wollacheÿ [f.14r] billacheÿ Spanien gauor kolckmas, Italian gauor kolckmas, Ilman gauor kolckmas iauis kopecke.« Ist in vnser Sprache so : »Wir sollen vns so viell für den Spaniern nicht fürchten, desgleichen für den Welschen, aber die Teuttschen wehren starcke Hunde ; er hette es in Vngern woll erfahren.« Wie ich nun das gehöret, lieffe ich baltt zu meinem Mitgesellen zeigett ihme die gutte Zeittunge an, das Keÿserliche Maÿestett zu vnserer Erlösunge baltt kommen wurde. Nach deme baltt kommett mein Herr in die Galleÿen, fodert mich für sich vndt sprichtt : »Du solst wissen, das dein Vatter vndt alle sein Geschlechte kommet hieher. Aber wir wollen sie »Willkommen« heissen vndt sie fangen, damitt du mehr Geselschafft bekommest.« Ich antwortett ihme : »Es stehet alles in Gottes Handtt.« Er sprach : »Deine Götter werdenn dir nichtt helffenn.« Nichtt achtt Tage aber nach dieser Geschichte kommet Keÿserliche Maÿestett an mitt 800 Galleÿen vndtt 500 Schiffen. Da wahren die [f.14v] Armadia von Hispanien, die Armade von Italien vndt die von Rhodis oder von Malta. Nicht eine halbe Stunde dafür wahr ich nach Wasser gegangen ettwa ein Vierteill Weges von der Golletta. Vndt wehre ich nur die Zeitt verschienen lenger ausblieben, so hette ich die Galleÿen sehen ankommen. Hette mich alda verkrochen vndt den Abendt zu Keÿserlicher Maÿestett sein kommen vndtt alle Gelegenheitt angezeigett. Es hette Keÿserliche Maÿestett den andern Tag die Golletta woll erobern mögen, dan ihre Sache stunde in böser Ordnunge, vermeinten nicht, das sie so baltte solten vbereilett werden, ob es ihnen schon durch den vorgenanten Schippern, der von der Armade gefangen worden, angezeigett wahr. Ich hatte meine Tonne Wassers so baltt von der Axell nichtt genommen, da sahe ich für vns 20 Galleÿen her rudern, vndt es wahr gleich auff denn Tag, da die Turcken Ostern hielten ; wahren hin vndtt wieder spolieret. Von Stunden ann wurden wir gefangene Christen nach Tunis geführett vndtt alda hin vndt wieder verthei- [f.15r] lett vndt in Ketten gespannen ; dan vnserer wahren woll 15000 von allen Nationen. Keÿserliche Maÿestett lag woll ettwa beÿ 3 Monatt für der Golletta, ehe sie erobertt wardtt. Es geschahe auff einen Tag, ettwa 3 Tage für Jacobi, wahren vnser gefangen Christen beÿ 50 in vnserm Losamente
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los gemachett, Wasser zu holen vns selbest zu trencken. Wir wahren nichtt weitt gegangen, erhebett sich so ein grausam Schiessen. Des Morgens vmb die Glocke 3 da sturmett Keÿseliche Maÿestett die Golletta. Die Turcken trieben vns zu rucke vndt schmiedeten vns viell fester in die Ketten, als wir vorhin gewesen wahren. Nichtt v̈ ber 3 Stunden hernach wardt die Golletta mitt Gewaltt erobertt. Da kommett nun mein Herr zu seinem Hause zu Tunis, lest mich aus dem Gefengnüsse holen. Nun pflag ich offte mitt meines Herren Dienern zu argumentieren. Die Turcken sprachen stetes : »Wan die Christen neher kommen, wollen wir sie alle zu Thodt schlagen vndt gefenglich nemen.« Ich aber hielte Wiederpartt, das Keÿserliche Maÿestet also starck kom- [f.15v] men wurde vndt die Golletta sturmende beschiessen, das man nichtt wissen solte, wor die Mauer gestanden hette. Welches dan auch geschahe. Nun, wie es auff den Abentt kommett, spricht der Turcke zu meinem Herren : »Wollachey billachey bihem Oliman, gauor ahabedÿ.« »Fürwahr, vnser deutscher Vngerechter hat vns rechtt gesagett.« Vndt erzehlet ihme, das wir ehemals geargumentierett hetten. Worauff mich mein Herr fragett : »Was dunckett dich nun weitter in der Sachen zu thun ? Werden wir auch Tunis erhalten können ?« Da antwortete ich meinem Herren, er möchte nur seine Sachen also bestellen, das er sich nur auff die Reise machete, weg zu fliehen. Dieweill Tunis keine feste Stadtt ist, dar man sich innen finden mag lassen. Da antwortett mein Herr, er zweiffelte selber daran, das dem also geschehen wurde. Da belobet mir mein Herr, ich solte ihme noch 2 Jahr dienen, so solte ich freÿ sein. Aber ich hielte ihme keinen Glauben. Ich solte es aber aus Gottes Befehlich nichtt gethan haben. Den andern Tag baltt darnach kommett Keÿserliche Maÿestett mitt [f.16r] seinen Reuttern vndt Knechten, ettwa eine halbe Meile von Tunis. Da zoge ihme Barbarossa mitt ettlichem Feldtgeschütze entgegen. Aber wurden baltt in die Flucht geschlagen vndt das Geschütze eingenommen. Den Abent zuuor wardt gerathschlagett, wie sie es angehen wolten ; also nachfolgende : Das Schlos wardtt mitt 600 Turcken besetzett. Vndt ihnen befohlen, so sie sehen wurden, das der Barbarossa das Feldt verlieren wurde, so solten sie das Schlos mitt samptt den gefangenen Christen in Brant stecken. Dan er des Morgens wolte sehen, ob er Keÿserlicher Maÿestett einen Abbruch thun konte. Wie nun der Anschlag gemachett ist, sindt vnter den 600 Turcken ettwan 80 Mammelucken, verleugnete Christen. Die giengen zu den Gefangenen vndt sprachen zu ihnen : »Dies Vhrteill ist v̈ ber euch gangen, so ferne der Barbarossa das Feldtt verlieren wirdtt. Aber wollett ihr vns das angeloben, das ihr vns beÿ Keÿserlicher Maÿestett mit vnserer Haabe vndt Gutt befreÿen wollet, [f.16v] so wollen wir euch heutte freÿen vndt loss machen, vndt die Turcken sämptlichen erschlagen.« Das wahr ihnen anzunemen, gelobeten es beÿ Trew vndt Ehren, beÿ
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Keÿserlicher Maÿestett zu erhalten. Ich aber wahr mitt meinem Herrn im Felde. Wie nun das beschlossen wahr, zeucht Barbarossa des Morgens früe mitt ettlichen tausent Man zu Felde. In deme nemen die gefangenen Christen das Schlos ein. Da hatten nun die Turcken 2 Fänlein von den Hispaniern auff der Schiltwacht genommen, welche an die Thore mitt den Spitzen gehefft wahren, wie es Krieges Gebrauch ist. Solche wurden abgenommen. Wie nun Barbarossa siehett, das er dem Keÿser keinen Abbruch thun konte, will er sich wieder zu Schlosse begeben, vndtt das helffen vollenziehen, so er den Bösewichtern befohlen hatte. Aber wie man sahe, das er zu Schlosse eilete, wurden die Thore aufgethan ; guttes Geschütze eingestellett, tapffer mang sie geschossen vndt die beÿ den christenliche Fänlein fliegen lassen. [f.17r] Da sahe er, wie es ihme gienge. Ich wahr mitt vnter dem Hauffen wieder meinen Willen, ich wehre viell lieber im Schlosse geblieben, ich wehre auch zu der Zeitt reich worden, dan die meisten Schätze der Turcken verblieben da. Wie nun Keÿserliche Maÿestett für das Schlos kommett, wolten sie ihme das nicht offenen, sondern Ihre Keÿserliche Maÿestett muste ihnen angeloben, das alles, was sie den Mammelucken gelobett hetten, das ihnen Keÿserliche Maÿestett solches wolte zu sagen. Da liess Keÿserliche Maÿestett im gantzen Hauffen vmblasen, das man beÿ Verlust Leibes vndt Guttes keinem Mammelucken Schaden thun solte. Des muste ein ieder ein weis Tuch vmb den linckeren Armen tragen, damit man sie kennete. Da wurden viell gefangener Christen reich, dan der Turckenn meister Schatz blieb da. Wehre ich da geblieben, ich wolte nebenst mir viele reich gemachet haben, dan ich von dem allem gutte Kundschafft hatte, wo ichs suchen solte. Eines ist mir vergessen : Wie der vertriebene [f.17v] König zu Kaÿserlicher Maÿestett auff die Golletta kam. Wie nun Keÿserliche Maÿestett ettwan acht Tage für der Golletta zu Felde gelegen hatte, kommet der vertriebene König. Wie dessen Kaÿserliche Maÿestett Kundschafft hatte, das er kommen solte, lies er sein gantzes Heer in die Ordnung stehen vndt lest ihn durchziehen. Wie er mitten im Lager ist, wirdt alles Geschütze abgeschossen, so woll zu Wasser als zu Lande, welches er sich dan sehr verwundertt hatte. Damitt ich wieder auff mein propositum komme. Als wir nun mitt Barbarossa im Felde lagen, wusten nicht, welchen Weg hinaus zu ziehen. Letzlich wardt beschlossen, sie wolten nach Beserte – welche Stadt Beserte ich nachmals halff einnemen, wie ich erlösett wahr. Da hatte der Barbarossa noch 9 Galleÿen. Wehre aber des Keÿsers Volck nichtt müde gewesen vndt vns nachgefolgett, sie hetten vns alle erschlagen, dan da wahr nur »fliehen wer da kuntte.« Aber des Königes von Tunis Volck kamen mitt 1000 Pferden hernacher, die iageten den Turcken alles abe, [f.18r] was sie vermeinten zu behaltten ; behieltten nur ihre Wehren.
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Da wahr grosser Durst vnter vns verhanden. Es sturben auch viele von Durst vnter wegen, dan wir zogen nicht den rechten Weg, sondern stracks ins Gebirgte, dan die Moren eileten vns nach. Wie ich nun ettwa mitt ihnen in den dritten Tag gewandertt hatte, gedachte ich beÿ mir, köntestu dich wor vnter wegen im Pusche verkriechen, du wollest Fleis fürwenden. Ich bedachte es kurtz vndt name vnsern Herr Gott zu Hülffe, wie ich nun im Lager von meinem Herren ab vndt zugehen mochte. Den Zulas hatte ich, dieweill er mich auff 2 Jahre gefreÿett hette zu dienen ; wie vor gedachtt. Als wir nun im Zuge sein, thue ich einen Abtritt, gleich wolte ich mein Behuff thun. Vndt wandere immer ins Gebirgte hinein vndt kroche in einen Pusch. Wie mich nun mein Herr missett, spricht er zu seinen Dienern – dan es wahr nicht vom Wege –, wo ich wehre. Da sprach einer : »Jetzundt ist er in den Waldtt gangen, wirdtt vielleicht sein [f.18v] Behuff thun.« Wie sichs aber verlengertt, vndt ich nicht zu Lichte kam, ruffet mich mein Herr : »Olyman gauor !« Ist auff vnser teutsch : »Vngerechter Deutscher«, dan sie nennen sich gerechtt im Glauben vndtt vns vngerechtt. Aber der Olyman Gauor lag stille vndt betete zu Gott. In dem kehren etliche Turcken wieder zu rucke, ruffeten vndt sucheten mich. Ich sahe sie zu weilen, sie aber mich nichtt. Giengen hartt beÿ dem Pusche fürüber ; ich schwitzete Judas Schweis. Hetten sie mich auch bekommen, hetten sie mich schwerlich leben lassen. Da sie mich nun nicht funden, vollenzogen sie ihre Reise. Ich aber lag stille vndt hette den Tag nicht gessen, Hunger zwar hette ich nicht, sondern grossen Durst. Ich hatte noch ein halb – als beÿ vns ein Schilling Brott ist – vndt ettliche Dattelen. Da ass ich wenig von, gedachte auff lenger Tage. Darnach gabe der liebe Gott einen gnedigen Regen, da suchte ich das Wasser in den Pfützen, tranck es, wahr aber warm. Ich danckete nur Gott, das ich es [f.19r] hette. Wie nun die Nacht angienge, wuste ich nicht, wo aus oder wo ein. Ich hörete aber Volck hin vndt wieder ziehen. Letzlich gienge ich gegen den Morgen an ein hohe Gebirgte vndt kroche alda in eine Klippen. Wan es Tag wurde, ob ich mich erkündigen kunte wo ich wehre, damitt ich des Nachts meine Reise fürnemen möchte. Wie es nu Tag wardt, sahe ich mich fast vmb hin vndt her, ich wuste gleichwoll kein Bescheitt. Wie ich etwan vmb 8 Vhren nach Mittage sihe dicke hin vndt her vndt batt stets meinen lieben Gott, er mich von den Vnchristen verhelffen wolte. In deme höre ich ein gewaltig Getrosse aus dem Gebirgte herunter kommen. Ich vermeinte, es wurden ettliche Geschwader Reutter ankommen, so ersehe ich ein Hauffen Hirsche herdroschen. Vndt hinder ihnen her zwene Lewen, da erschrack ich : Wie sie das Gebirgte herunter kommen, so ist ein Lewe voraus, lauschet vnter dem Gebirgte, springet zur Seitten zu vndt erwischet einen Hirschen. In dem kamen [f.19v] die andern beiden herzu, hielten da ihre Mahlzeitt. Ich aber machte mich von dan-
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nen vndt batte Gott vmb Gnade. Den Tag aber lage ich im Gebirgte stille, dan ich dürfte mich des Tages nicht rühren, sondern des Nachtes. Dieses wehrete nu fast in den vierden Tag, das ich nicht besonders gegessen hatte, wart auch matt, dan Gedancken vndt Sorgfeltigkeit wahr verhanden. Dachte beÿ mir : »Dir will also die Frewde nicht dienen, vmbher zu wahllen, schier kommen ein Hauffen Lewen vndt fressen dich auff. Da wirdt niemandt wissen, wo du geblieben bist. Vndt wirst deine liebe Eltern sehr betrüben.« Erwegete ich mich eines, dan ich mich des Hungers vndt Durstes nicht lenger konte erwehren vndt bedachte beÿ mir : »Du willt dich beÿ Tage auff den Weg machen. Kommet des Königes von Tunis Volck beÿ dir, das sindt deine Freunde, so bistu genesen. Kommett aber des Barbarossen Volck an dich, so wiltu sprechen, ich seÿ ein »Gerechter«. Fragen sie dich dan, wo du hinaus wiltt, so wiltu [f.20r] sprechen, du hast dem Hauffen nicht folgen können, bist kranck vnter wegens worden.« Wie es auch dan wahr : Ich wahre nicht sehr gesundt von dem stinckenden Wasser, so ich vnter Wegens habe trincken mussen. Dieses alles hatte ich nun beÿ mir bedacht vndt machete mich also beÿ Tage auff den Weg nach Tunis vndt tratt das Gebirgtte herunter. Ich hette nicht lange gewandertt, ersehe ich daher kommen beÿ 60 Pferde, wahren Moren vndt Vnterthane des Barbarossæ. Ich fassete mir ein Hertze vndt schrie zu Gott vmb Hülffe, der verliehe mir auch Gnade, das ich woll mitt ihnen hindurch kam. Wie sie nun an mich kamen, wahr ich turkisch gekleidett. Fragten mich, was ich für einer wehre. Ich antwortete ihnen auff turckisch, ich wehre ein Muselman, ist auff vnser Deutsch ein »Gerechter«. Sie fragten mich, wo ich hin wolte ; das wehre der Weg nach Tunis. Ich antwortett ihnen, ich wehre gantz verirrett vndt wuste selbest [nicht], wo ich hingehe. Sie sprachen : »Wiltu mit vns [f.20v] ziehen ? Wir wollen dem Lager nachziehen !« Ich aber wehre lieber meines Weges gangen. Dan hette ich meinen Abscheidtt von ihnen genommen, so hetten sie baltt gemerckett, das ich ein Christe gewesen wehre, dieweill sie mich auff dem Wege nach Tunis funden. Nun, was solte ich thun ? Ich muste von zweÿen Bösen das Beste fürnemen ! Wie wir nunn immer dahin zohen, spricht einer zu mir, wie lange ich gerechtt worden wehre oder ihren Glauben angenommen hette ? Dan an meiner Sprache kanten sie mich woll, das ich kein rechter Turcke wehre. Ich antwortet ihnen, ich wehre lengest gerechtt worden, das fodertt die Zeitt. Wie man sprichtt : »Necessitas frangit legem.« Aber dieweill ich sprach, ich wehre ein Gerechter, habe ich meinen Glauben gegenst Gott nicht verleugnett : dan wir sindt ia gerechtt in vnserm Glauben, dan der rechte Gerechtmacher ist Christus, vnser Herr. Nichtt weitt von einem Stättlein, heissett Raffat, da lagerten wir vns vndtt futterten. Da gienge erst meine Marter an, dennoch erhieltte mich Gott.
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[f.21r] Wie sie nun ihre Pferde gefuttertt hetten vndt wir daneben vns auch, giengen sie zusamen vndt rathschlageten. Wie ich das ersehe, dauchtt mich baltt, es wurde v̈ ber mich ausgehen ; wie dan auch geschahe. Da sie nun von einander giengen, wahr ein Pfaffe vnter ihnen, der fodertt mich zu sich vndt sprichtt : »Meine Mittbrüder haben ein Misduncken an dir, das du kein Gerechter seÿest, dieweill wir dich im Wege nach Tunis gefunden haben. So gehe mit mir auff eine Seitten, ich mus dich besehen, ob du auch beschnitten seist. Des wirstu dich nichtt weigeren !« Ich erschrack der Rede gar sehr, lies mich aber nicht mercken, dan ich hatte einen Hinterhaltt, wie dan offters ein böses Werck zum Gutten gereichett. Also gienge mir es auch, dan für ettlichen Jahren wahr ich in Hispanien von einem bösen zweÿ füssigem Wurme gebissen an der Fürhautt, da sich die Türken beschneiden lassen. Wie mich nun der Priester besihett vndt befindet das Signum ruffett er v̈ berlautt in seiner Sprachen : »Wollachey billachey muselmander kesly.« Ist auf [f.21v] vnsere deutsche Sprache also viell : »Fürwahr vndt fürwahr, er ist ein Gerechtter vndtt beschnitten.« Also verblendett ihme Gott die Augen durch das Mittell. Ich spinne hier was grob, ich mus aber rechtt beichten, soll ich anders geabsoluierett werden. Man halte mir es gleichwoll zu gutte. Ich wardt nun von ihnen sehr woll gehalten, der Pfaffe in Sonderheitt thate mir güttlich. Aber ich trawete ihme gleichwoll nicht durch die Rede, so er mitt mir führete. Er sprach, er hette Freunde in Schwartz-Mohrenlandtt, da wolle er hinziehen vndt so ich mitt ihme ziehen wolte, er wolte mich freÿ halten ; dürffte keinen Heller verzehren. Ich hette es auch woll gern gethan, aber ich gedachte ein anders vndt wahren dieses meine Gedancken : Er wirdt vielleicht woll ersehen haben, das du nicht beschnitten seÿest, vndt wan er dich ins Landt bringett, so verkauffett er dich. Aber meine Gedancken wahren Vnrechtt, wie ichs nachmals erfuhre. Diesen Tag blieben wir im Felde beliegen. Im andern Tage kamen [f.22r] wir in eine Stadtt, heist Constantin. Alda hatte sich der vertriebene König von Tunis so lange erhaltten, bis Keÿserliche Maÿestett kame vndt ihme sein Landt wieder eingabe. Des er dan Keÿserlicher Maÿestett Tributarius wardt, gabe ihme jährlich 20000 Ducaten vndt 12 morische Pferde. Keÿserliche Maÿestett behielt die Golletta. Wie wir nun in die Stadtt kamen, ersehe ich ettliche Turcken im Hause sitzen vndtt gehe hin auff einen Ortt, ob ich sie auch kennete. So kantte ich keinen nichtt. Da gedachte ich beÿ mir, es ist besser, mitt den Turcken vmbzukommen als mitt den Moren, schier führett er dich in Schwartz-Morenlandt vndt verkauffett dich alda. Es wahr aber auch nicht mein Ernst, das ich beÿ den Turcken verharren wolte, sondern wan ich meine Zeitt ersehen wurde, so wolte ich Fersengeltt geben. Vndtt gehe nun hin zu meiner vorigen Gesellschafft, danckte
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ihnen für erzeigte Wolthatt. Dan ich sprach, ich hatte meine vorige Geselschafft funden. Da sprach der Priester zu mir : »Mein Sohn, Gott geleitte dich vndt [f.22v] siehe dich woll für.« Da wahr mir der Abscheidt schon leidtt, dan in der Antwortt befande ich, das er es gutt mitt mir meinete. Ich wolte woll, das ich mitt ihme gezogen wehre, hette was mehrers sehen können im Namen als ein Gerechter, ob ich ihme gleichwoll wenig Glauben gabe. Da gienge der Priester vndt noch ihrer zween mitt mir vndt wolten sehen, beÿ was Geselschafft ich keme. Wie wir nun zu den Turcken kamen, so grüssen wir sie vndt sprachen : »Salamalekim affendelar«, ist auff vnsere Sprache : »Seidtt gegrüssett, ihr Herren !« Da antworten sie : »Malick salam sonen geldÿ.« Ist : »Danck habett, seidt wilkommen.« Baltt frageten sie, von wannen wir kemen. Da hube der Priester an vndt sprach : »Wir kommen von Tunis vndt haben diesen jungen Gesellen im Wege verirrett funden vndt ist mit vns so weitt her gezogen. Aber wir haben ihme nicht Glauben geben wollen, das er ein Muselman sein solte. Habe ihn besehen vndtt befunden, das er beschnitten ist. Ihr wollet vns [f.23r] das zu gutte halten.« Das wahr mir ein grosser Behelff, wardt also für einen Gerechten angenommen. Also muste ich mich durch Gottes Gnade herdurch schleiffenn. Da namen nun die Moren ihren Abscheidt von den Turcken vndt ich bliebe beÿ ihnen in ihrer Geselschafft. Diese Stadtt Constantin ist eine grosse Stadtt, vermag 40000 Man zu Fusse vndt zu Rosse auff zu bringen. Von dannen reiseten wir nach einer Stadtt, heist Bresie. Da verhielten wir vns ettliche Tage. Ich aber wahr der Jüngste vnter ihnen, ich muste ihnen alles holen, was sie bedurfften. Ich thate solches auch gerne bis zu meiner Zeitt. Hier gehet meine Marter wieder auffs newe an. Wie ich nun eine Kanne mitt Wasser aus dem Brunnen holen will, begegnet mir ein More von Tunis, der mich vndt meinen Herren woll kante. Der spricht zu mir : »Wo kommestu her ? Du wirst deinem Herrn entlauffen sein !« Ich wolte woll geantwortett haben : »Mein Herr ist hier«. Aber mir wahr [f.23v] leide, das er ihn besuchen solte, alsdan wehre ich mitt Schanden bestanden. Darumb antwortete ich ihme : »Mein Herr, melde mich nicht ! Ich thue was dir lieb vndt dienst ist. Vndt verhilff mir nach Tunis, ich will dir eine ehrliche Verehrunge thun !« Da anttwortete er mir : »Deine Landsleutte haben meinen Vatter gefenglich auff der Golletta. Kanstu mir ihn lösen, so will ich dich nach Tunis bringen.« Ich gelobte es ihme an. Ich wolte es thun. Ich hette woll mehr zugesaget vndt hette gehalten, was ich gekunt hette. Er weisete mir seine Herberge ; da wohneten seine zween Schwestern. Wan es mir gelegen wehre, solte ich in das Haus kommen ; er wolte mich woll furdern. Auff den Abendt, wie ich wieder Wasser holen will, lasse ich den Krug fallen vndt komme zu meinem Geferten. Wie mich
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nun den andern Tag die Turcken miessen vndt wusten nicht, wor ich geblieben wahr, liessen sie mich ausruffen, ob jemandt solch einen Gesellen eingezogen hette. Dan die Moren [f.24r] wahren den Turcken nicht all zu gutt, weill sie der Barbarossa so eingefürett hatte. Nun, es truge sich zu, das dieses Volck vom Stätlein innerhalb 8 Tagen nach Tunis ziehen wolte vndtt dem Könige auffs newe huldigen. Mittler Zeitt vertrecketen meine Gesellen, die Turcken. Wie nun die Zeitt kame, das wir nach Tunis verreisen solten, wer wahr froher als ich ? Aber das Wiederspiell geschahe. Meinn Geleitsman fertigete mich zu ; gabe mir eine Ziegenhautt – darinnen wahr seine Speise – vndt ein kleines Spieslein in die Hant, vndt zogen also dahin. Wie wir nun ein Viertheill Meile Weges von der Stadtt wahren, kamen zween Moren, fiellen mich an vndt sprachen : »Wo gehestu hin ? Du bist deinem Herrn entlauffen !« Ich aber antwortett : »Es sindt nicht meine Herren, ich bin mein eigener Herr !« Aber mein Geleitsmann name sich meiner gar nichts an. Aus Vhrsachen, wie er mir nachmals zu Tunis selber gesaget hat, dan ihme leide wahr gewesen, das es offenbahr wehre worden, das ich ein Christen wehre. Wodurch er auff grossen Schaden wehre kom- [f.24v] men, dan die aus dem Städlein wahren den Christen mechtig feindt, weill ihrer aus dem Stättlein v̈ ber 100 von den Christen auff der Golletta erschlagen wahren. Nun wardtt ich mitt Gewaltt wieder zu rucke in die Stadtt geführett. Da sprachen die beiden zu mir : »Hastu was Geldtt, gibs vns, so magstu deines Weges ziehen.« Ich hatte kein Geldtt, wolte aber ihnen den Rock geben, den ich auff dem Leibe hatte. Ich solte ihn ausziehen. Wie ich nun den Rock ausziehe, entgleit mir meine Schurtze vom Leibe. Als sie das ersehen, v̈ berfallen sie mich vndt sprechen : »Wir mussen sehen, ob du auch ein Gerechter bist, wie man von dir redett.« Als sie mich besehen hatten, schrien sie : »Es ist ein Vngerechter !« Dan sie wahren zweiffelich, dieweill das Signum zu gros wahr. Da kamen die Kinder vndt wurffen mich mitt Steinen. In deme kommett ein langer grosser Man vndt sprichtt : »Meine zween Brüder haben die Deine vmgebrachtt, du solt heutte von vnsern Händen sterben !» Da wahr die Noth fürhanden. In deme, wie er redett, hebett er einen gros- [f.25r] sen Stein auff, wirffett nach mir, aber er feilett. Sprichtt weitter : »Führett den Hundt ins Feldtt vndt bringet ihn vmb.« Ich aber batt vnsern Herrn Gott vmb Gnade vndtt Beÿstandt, der auch baltt kame. Wie man mich hinaus führete vmbzubringen, ersehen mich zween von den Moren, die mich auff dem Wege funden hatten. Wahren ansehenliche Männer, wusten nun nicht, was die Vhrsache wahr, das sie mich also füreten, da kamen sie an mich vndt frageten, was man mitt mir thun wolte. Sie sprachen, ich wehre ein Vngerechter, derwegen wolten sie mich hinaus führen vndt würgen, dan die Seinen haben ihrer viele
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aus dem Stättlein vmbbrachtt. Da sprachen die beiden Männer, welche meine Engell wahren : »Ihr sollett das nicht reden, das er ein Vngerechter seÿ, dan vnser Priester hatt ihn besehen vndt rechtt beschnitten erfunden. Vndt ihr thutt dem Gesellen grosse Gewaltt.« Vndt redeten weitter : »Vndt wan er gleichwol ein Christen wehre, als er nicht ist, so sollett ihr bedencken, das vnser Herr ietzundt mitt [f.25v] ihrem Herrn eins sein. Dan ihr Herr hatt vnserm zu Landt vndt Leutten verholffen. Gedenckett, was daraus entstehen möchte, wan ihr ewern Willen vollenzogen. Derwegen lassett ihn loss vndt freÿ !« Das geschahe, vndtt liessen mich gehen. Da wahr ich wiederumb auffs newe gebohren. Aber der Vnfall wahr noch nichtt auffgehoben. Nun wahr ich ledig vndt loss, ich durffte mich aber auff den Weg alleinig nicht begeben. Nun wahr alda in dem Stättlein ein More aus Granaten, kunte gutt hispanisch, mitt deme pflag ich ofters zu reden, da noch die Turcken da wahren. Zu diesem hielte ich mich nun vndt lies mich gegenst ihme vernemen, ich wolte dem Könige von Tunis zu Dienste ziehen, wan ich nur einen gutten Gefertten hette ; ich darff mich alleine auff den Weg nicht geben. Er sprach : »Ich wolte das auch nicht rahten. Ich will sehen, das ich dir einen Gefehrten verschaffe.« Er aber wardt mein Verrähter. Den andern Tag kame ich wieder zu ihme, da spricht er : »Es wirdt heutte ein Edellman, – ein [f.26r] Alarbe – herkommen, der wirdt nach Tunis. Ist mein gutter Freundt. Er wirdt dich vmb meinett willen gern mitnemen vndt auch an den König verhelffen.« Der Alarbe kame des andern Tages mitt 2 Pferden, stellett sich freundlich gegenst mir, gleich wehre es ihme ernst gewesen. Wie sie nun vnter sich beiden ihre Beredunge gehabtt hatten, erfuhre ich nachmals woll. Wir sindt da zusamen vndtt macheten Kundschafft. Wie es nun vmb Mittage aus ist, wirdtt mir ein Pferdt gethan. Da satzte ich mich auff vndt er auff das ander vndt ziehen immer dahin. Ich meinte, ich solte nach Tunis kommen. So führet er mich in seine Behausunge, wahren Gezehlte. Dan die Alarben haben keine Behausunge, wohnen so im Felde – vmb der grossen Menge des Viehes. In Sonderheitt haben sie viele Camele, vertrecken alle 2 Monatt auf andere Örter, da das Viehe Weide hatt. Wie ich nun in sein Losament komme, da kommen ein Hauffen Moren vmb mich her wie die Sperlinge nach der Eulen, gleich ob sie so einen Menschen nie gesehen hetten. [f.26v] Da wardt mir zu essen geben. Liessen sich gegenst mir noch nicht mercken, was sie mitt mir beginnen wolten, bis so lange, das das Volck wiederumb weg wahr. Da kam nun meines Geferten Vatter, wahr ein Priester, kunte ziemlich Turkisch. Der hub an vndtt sprach zu mir : »Du Gavor« – ist in vnser Sprache : »Du Vngerechter«, – »Du vermeinest, du wollest also nach Tunis kommen wie man es dir fürgeben hatt !« Da merckte ich baltt, das ich verrahten wahr. »Wiltu aber
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von vns kommen, so soltu vns 100 Ducaten geben, dan du bist ein Christe !« Ich argumentiret, ich wehre ein Gerechter. Es wolte nichtt helffen, ich muste ihnen tantzen, wie sie pfieffen. Sie schlugen mir für, sie wolten mich ettwa eine Meile von Tunis bringen. Von dannen solte ich an die Vnserigen schreiben, das sie mir so viell Geldes, nemlich 100 Ducaten zu wege brechten. Vndt wehre in einem andern Ortte, nicht vnter dem Könige von Tunis, gelegen, sondern vnter den Scheryffen. Ich kunte nicht fürüber. Ich muste ihnen also zusagen beÿ guttem Glauben, das [f.27r] ich anders nicht schreiben wolte, wie vorgemeldett. Da machte ich nun meine Brieffe, den einen in hispanischer, den andern in deutscher Sprachen. Da gaben sie mir einen Moren, der die Brieffe da überantworten solte auff der Golletta. Zu der Zeitt wahr schon Keÿserliche Maÿestett abgezogen mitt seiner Armade ; sondern es wahren ettwan 2000 Hispanier auff der Golletta in Besatzunge vndt ettliche deutsche Büxemeister. Nun, der Botte wardt abgefertigett, vberantwortett die Brieffe. Was thutt der Oberster ? Setzett den Moren gefenglichen vndt sprichtt : »Wan du den gefangenen Christen hieher liefferst, so soltu wieder loss sein.« Das wahr aber nicht mein Befehlich. Wie nun die Alarben die Zeittunge erfuhren, meineten sie anders nicht, ich hette so geschrieben, das sie den Moren gefenglich solten nemen. Sie hatten mich ettwa auff eine halbe Meill von Tunis gebrachtt. Wie der Botte da bliebe, füreten sie mich wieder zu rucke. Wer wahr auff dem v̈ belsten daran als ich ? Den Moren oder den Botten liessen sie da sitzen vndtt [f.27v] bunden mich auff einen Maullesell, führten mich wieder ins Gebirgte. Wie ich nun mitt ihnen ankommen bin, binden sie mir die Beine zusamen an einen Stock vndt wardt von zween Kerls auff der Axsell – an den Beinen hangende – mitt einem Stecken auff die Sohlen geschlagen. Mich dauchte, die Augen wolten mir aus dem Kopff springen, aber ich litte es vnschuldig. Nachdeme ich nun fast beÿ 2 Monatten beÿ ihnen gewest wahr, tractierten sie mich ein wenig besser, dan ich hatte nun mit dem Hunde aus einer Schüssell zu essen. Wan sie gessen hatten, so gaben sie mir mein Partt auff die eine Seitten vndt dem Hunde sein Partt auff die ander Seitten der Schüsselln. Der Hundt hatte baltt das Seine auff, darnach bisse er mir nach den Händen, hette das Meine auch gern dazu gehabett. Daran hatten sie einen Wollgefallen. Meine Arbeitt wahr täglich, das ich so viell Mehll mitt der Qwirmühlen mahlen muste, als sie auffassen. Mehr backten sie nicht, als sie einen Tag auffassen. Haben auch keine [f.28r] Backöffen, sondern haben eine erdene Pfanne ; da legen sie einen Kuchen hinein. Wan der auff der einen Seitten gaar ist, kehren sie ihn vmb. Vndt wan sie reiseten, so muste ich das Gerähte auff die Camell-Thiere binden, dan sie verreisen offt, wie vorgemeldett. Des Tages gieng ich freÿ ledig, des nachts wardt ich in eine Ketten mitt einem Stichschlosse gespannen. Nun
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wolten sie mir da ein Weib freÿen, wo ferne ich ihren Glauben wolte annemen, dan meines Herrn Vater wahr ein Priester, hatte zweÿ Töchter. Ich aber sprach : «Wie solte ich so ewern Glauben annemen, dieweill ich noch nicht recht ewere Sprache verstehe ?« Da ich mich so weitt einlies, meineten sie, es wurde ihnen angehen. Da wardt ich auch besser gehalten. Nun hatte mein Herr der Alarbe zweÿ Weiber, die eine wahr eine Schwartzinne, die ander weis. Die Schwartze wahr in ihrem Glauben mitt den Geberden – meines Ersehens – andechtig vndt gottsfürchtig. Betett stetes, [f.28v] des Morgens früe, des Mittages vndt des Abents. Vndt wan ich vngewarter Sachen in ihrem Gebette sie für v̈ ber gieng, sahe sie mich an vndt sprach : »O afa wole«. Ist in vnser Sprache : »O du Armer«. Was ihr Gemütte weiter wahr, wuste Gott vndt sie. Aber meines Erachtens sahe ich es dafür an, das sie meiner gern loss gewesen wehre. Wie es nun der barmhertzige Gott nicht haben wolte, das ich mich lenger beÿ den Vnchristen verhalten solte. Als mich die schwartze Frawe des Abents in die Ketten schliessen will, ruffett sie mein Herr. In deme vergiesset sie den Schlüssell. Ob sie es nun gern thate, das mag sie auffs Beste wissen. Da es nun benachtett, neme ich aus einem Sacke, der mir zum Heupte stunde, ein par Hände voll Weitzen thu es in ein Pündelein. Mein Mittgeselle, der Hundt, lag stets beÿ mir, dan er wahr mein Tafelbruder vndt auch mein Schlaffgeselle. Wie ich nun vermercke, das sie alle schlaffen, krieche ich vnter dem Gezehltt herfür. Wir hatten vnsern Gezehltt an [f.29r] einen Berg geschlagen, des Windes halben. Mein Mittgeselle, der Hundt, mir hernacher. Da falle ich nun auff meine Knie, bitte Gott den Herrn hertzlich, er wolle mir aus meinem Gefengnüs forttan helffen. Verhies gar viele, aber hernachmals wardt wenig gehalten. Nach geschehenem Gebette gabe ich mich auff die Reise. Wie ich nun weiter gieng, als meiner der Hundt gewohnet wahr, bellet er vndt hebet an zu heulen. Lauffett nach dem Gezelte, heulet immer zu, das alle das Volck erwachte so im Gezehlte wahr. Vndt wahren mir nachgeeilet, wie ich nachmals von dem Alarben selbst gehörett habe. Aber mein getrewer Gott behüttete mich augenscheinlich durch seine lieben Engell. Wie ich nun das Gedömer von dem Hunde höre, streiche ich immer dauon, aber nicht im Wege. Etwan ein Stücke Weges dauon, komme ich zwischen zweÿ Berge. Da gieng ein Weg, da muste ich durch. Wie ich nun hindurch komme, so ist baltt da ein Dorff von Gezehlten. Die Hunde wurden meiner gewahr. Da lieffe ich ein Stücke Weges zur Seiten aus vndt wolte wiederumb, wan ich das Dorff [f.29v] fürbeÿ kommen wehre, in den Weg kehren. Ehe ich mich rechtt vmbsehe, bin ich wiederumb hartt an den Gezehlten, da ich entgangen wahr. Das wahr zu meinem grossem Glücke, aber ich wuste es zu der Zeitt noch nicht vndt mein Gotte hatte mich nicht erhörett. Da fiell ich wieder auff meine Knie vndtt batt vnsern getrewen Gott, er wolte mich
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doch durch seine lieben Engell geleitten vndt führen, damitt ich vnbeschedigett ein mahll gefreÿett mochte werden. Die Notth lehrett rechtt betenn. Inn deme gieng ich stracks ins Gebirgte hinein, ein gutt Stucke Weges vom Wege. Vndt wor ich nur was sahe, das sich bewegte, hielte ich stille. Ich weis nicht, ob ich gieng oder floge, so leichtt wahr ich zu Fusse. Wie es nun beginnet zu tagen, kam ich auff ein eben Feldtt. Nicht weitt von einem wüsten Schlosse, da wir ein Nachtlager im Abzuge von Tunis hatten. In der Schimmerunge lies ich mir duncken, als kamen 4 Reutter entgegen ziehen. Da wahr nun kein Wegfliehendt nicht, es wahr schlechtt Feldtt. Schlosse ich [f.30r] ballt beÿ mir : »Sindt es die, die dich suchen, so kanstu ihnen nicht entkommen ; sindt es aber andere, die da reisen, wiltu sie grüssen vndt ziehen fürüber.« Wie ich nun hartt an sie komme, da sindt es 4 Ochsen. Ein jeder hatte einen Sack Weitzen auff dem Leibe ; vndt 2 Männer, die sie trieben. Da grüsset ich sie : »Salamalekim«. Sie danckten mir vndt sprachen : »Malick salam«, vndt passierten so fürüber. Also machte ich mich nach dem Schlosse. Daselbst wahr ein Flies, da name ich nun meinen Weitzen herausser, weichett ihn in vndt hielte alda meine Mahlzeitt. Vndt gieng tieffer ins Gebirgte, legte mich vnter einen Baum vndtt schlieffe. Diese Nachtt hatte ich 7 Meilen geloffenn. Wie nun die Nachtt hernacher kame, machte ich mich auff den Weg vndt muste durch ein hohes Gebirgte, da viell grosser Affen vndtt Meerkatzen sindt, derer ich nicht eine kleine Summe gesehen habe. Kamen auch hart an mich, hucheten mich an vndt schrien, das einem die Haare zu Berge stehen mochten, [f.30v] aber thaten mir nichts. Wie es nun schier vmb 3 Vhr nach Mitternachtt ist, komme ich an die Stadtt Tunis, welche noch zu wahr. Da sie nun geöffnet wardt, tratte ich hinein. Nun hatte ich einen Rock an, heist Bormis, ist mitt Tollen vmbher. Vndtt die Schuhe wahren fast ohne Sohlen ; hatte die Füsse mitt Tüchern bebunden. Wie mich die Mohren ersehen, das ich so stattlich hereiner trette, sprechen sie vnter einander : »Hodde mausy muselman, hodde ansara.« Ist in morischer Sprache so viell geredett : »Das ist kein Gerechter, sondern Vngerechter.« Als ich aber in die rechte Stadt komme, da finde ich zween hispanische Soldener. Die hatten die Nacht auff dem Schlosse Wachtt gehalten. Hatten noch ihre Hacken beÿ sich, dan der König von Tunis gab seinen Moren nichtt viell Glauben, dieweill sie vntreulich beÿ ihme gehandelt hetten ; als vorgemeldett. Wie mich nun die Spanier ersahen, sprachen sie : »Qui nos vienne allia.« Ist so viell geredet : »Was kommet vns für einer daher ?« Ich [f.31r] flucks zu ihnen an, grüsse sie vndt sprach : »Dios vos de bonos dies Signoros.« Das ist : »Ihr Herren, ich wünsche euch einen seeligen Tag !« Sie danckten mir sehr : »Ben venuto«, »du bist vns wilkommen«. Baten mich, ob ich mitt ihnen gebranten Wein trincken wolte. In deme erkennet mich der Mohre, der den Wein schen-
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cket. Fraget, wo ich her komme. Da sagte ich ihme, ich wehre nicht weit von Bresie ehegestern geschieden ; vndtt wo mein Herr wehre. Er sprach : »Du hast einen gutten Engell gehabt, das du von den Lewen nicht bist zerriessen worden.« Die Hispanier höreten immer zu auff die Rede, so ich mitt dem Mohren hatte. Sprachen zu mir, was ich für ein Landsman wehre. Ich sagte, ich wehre ein Deutscher. Da antworteten sie : »Gott gebe, du bist derselbige, der den Moren mitt den Brieffen an vns geschickt hatt !« Ich antwortete : »Ja«, ich wehre derselbige. Sie sagten : »Der Botte sitzett noch, da wirstu nun einen Schlauen haben. Dan vnser Oberster, Capitan Sperea, wirdt [f.31v] deiner Zukunfft sich sehr erfrewen, weill du ihme ehemals gedienett hast.« Nunn, wir machten nicht viell Worte, traten in ein Botth vndt siegelten nach der Golletta. Da kame ich nun zu meinem Capitan, welchem ich sehr wilkommen wahr. Schenckte mir baltt 3 Dublonen. Da kamen ettliche deutsche Büxemeister, die mich kenneten. Der eine gab mir das eine, der ander das ander. Da sprach der Haupttman zu mir, was ich mitt dem Moren thun wolte, den ich mitt den Brieffen an ihn gesant hatte ? Er mochte woll mein Schlaue sein, wofern ichs ihme nicht erlassen wolte. Ich aber lies ihn freÿ, ledig vndt loss, vndt zeigett ihme an, er solte meinem Herren viell Guttes sagen ; vndt, das er mich gesehen hette. Aber treffe ich ein mahll mit ihme an, so wolte ich es ihme redlich zahlen, das er mich v̈ ber Königlicher Maÿestet von Tunis Befehll so lange gefangen hatte gehalten. Vndt gab ihme, dem Botten, noch Geldtt zur Zeehrunge. Dieses ist fast meine Gefengnüsse vndt [f.32r] Erlösunge, so von Wortte zu Wortte vermeldett ist worden. Nun will ich auch zu wissen thun, wie es mir fürder gangen seÿ bis auff den heutigen Tag. Wie ich nun wiederumb in gutter Besoldung wahr vndt hatte 4 Solde 16 Ducaten den Monatt, so wahr noch die Stadt Beserte mitt den Turcken besetzett. Da sante nun der König von Tunis seinen Sohn mitt 10000 Man zu Lande. Da kame Andreas Doria mit 30 Galleÿen mitt der Armade. Siegelten wir nach Beserte. Ich wahr zu der Zeitt im hispanischen Regimente auff den Galleÿen. Da fande ich meinen Gesellen, der mir zu Lisbona den Weitzen halff verkauffen ; welcher mein Diener erst wahr, darnach ich der Seine. Es ist der Wellt Lauff. Als wir für die Stadtt Beserte kamen, wurden wir Knechte an Landt gesetzett, nichtt weitt vom morischen Hauffen. Da kamen nun ettliche von den Obersten Haupttern der Moren, vnsere Ordnung an zu sehen, worunter mein Herr – der Alarbe – ist ; welchem ich zu letzte entlauffen wahr. Ich sprach zu meinen Rathgesellen : »Ihr werdett wunderliche Dinge [f.32v] sehen, lassett mich nur einen Abtritt thunn.« Da gieng ich zu ihme, er aber kante mich sobaltt in den Federn nichtt. Neme vndt begreiffe seinem Pferde den Zaum vndt spreche in morischer
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Sprache zu ihme : »Finden wir vns hier, Herr ?« Der Mohre stiege ab von seinem Pferde, fiell für mir nieder vndt batt vmb Gnade, dan er erkante, das er nicht woll beÿ mir gehandeltt hatte. Gelobett mir das an, so vns Gott das Glücke geben wurde, das wir die Stadtt mitt Gewaltt eroberten, so wolte er mir sein halbe Antheill geben. Ich solte nur nicht v̈ ber ihn klagen. Was solte ich thun ? Es wahr die Zeitt nicht zu klagen : nichtt eine Stunde darnach schossen die Galleÿen zum Sturme vndt eroberten die Stadt mitt Gewaltt. Die Turcken aber – da sie sahen, das es verlohren wahr – fielen sie zum Feldtthore aus vndt kamen in die Hände der Alarben. Da kriegete mein Herr Beutte genugsam. Wie nun das vollenzogen wahr, da kommett mein Alarbe herziehen mitt so viell turkischen Kleidern, Wehren etc. vndt sprichtt : »Nim, was dir dienett. Dan du bist alles werth vndt must [f.33r] deiner Tugendt halben eines adelichen Herkommens sein. Nichtt alleine, das du nicht v̈ ber mich geklagett hast, da du doch gutt Fuge vndt Rechtt hattest, sondern auch, das du den gesantten Botten, der doch dein eigen wahr, ledig vndt loss, dazu noch Zehrunge auff den Weg geben hast.« »Komme du nur zu vns in vnsere Behausunge, wir wollen dich statlich verehren«, sprachen die morischen Herren alle sämpttlich. Ich danckte ihnen, aber es wahr nichtt meine Gelegenheitt. Name vom Alarben von der Beutte, was mir dienete, das ander liess ich ihme. Also schieden wir von einander. Vonn Beserte ab siegelten wir nach Neapolis. Alda wurden wir geuhrlaubet vndt bezahlett. Da hatte ich nun ein par hundertt Ducaten für mich gebracht, aber wie man sagett : »Male quæsit male perdit«, »Als ich dich gewahn, so legett ich dich wieder an.« Da hatte ich alle Mühe schon vergessen. Lebett nach der Weltt Lust, gedachte nicht mehr, wie mich mein getrewer Gott erlösett hatte. Aber der Herr sahe woll zu, kerbett flucks [f.33v] an, kam zu seiner Zeitt, da das Register voll wardtt, Rechnunge zu halten vndt staupett gar weidiglich. Vonn Neapolis siegeltte ich wiederumb nach Sicilien, da luden wir ein Schiff mitt Korne. Vnter Wegen schlugen wir vns mitt den turckischen Galleÿen, kamen aber vnbeschedigett dauon. Nun, wir kamen mit behaltener Reise mitt vnserm Schiffe in Andalusiam, in eine Stadt, heisset Siuilia. Da losten wir das Kohrn vndtt empfiengen vnsere Bezahlunge. Inn deme wardt es Krieg mitt dem Frantzosen. Da wurden dreÿ Schiffe von Orleÿ zugerichtett, die Insull Aÿs inn Canarien zu besetzen, vmb der Frantzosen willen. Nun gabe vns Gott Glück, das wir ein frantzösisch Schiff bekamen. Dasselbige hatte genommen 7 hispanische Schiffe Kauffahrer, die Beutte kriegeten wir weg. Wie es nun gegenst den Winter kam, siegelten wir wiederumb nach Hispanien, kamen mitt vnser Beutte in Siuilien vndt empfiengen da vnsere Besoldunge.
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[f.34r] Inn deme wurden 6 Schiffe von Orleÿ zugerichtett. Solten in Peru siegelen, des Keÿsers Goltt zu holen. Da wardt ich Constapell von den Schiffen, hatte gutte Besoldung. Es wahren für vns schon 12 Schiffe hinweg gesiegelet, mitt denselbigen solten wir wieder zu rucke kommen vmb der Frantzosen willen, die auff solche Schiffe wahrteten. Nun, wir siegelten in Gottes Namen von Sankt Lucas abe, vndt kamen in den achten Tag an die Eÿländer Canarien. Da namen wir vnsere Wasserung ein vndt siegelten nach einer Insull, die heist Santo Donigos. Da namenn wir so viell Goltt ein, als da verhanden wahr. Forttan siegelten wir nach Nombro de Dios. Ist auch eine Hauelunge, da komtt das mehreste Goltt her. Wie wir nun auff ein 100 Meilen nahe beÿ Indien kommen, verliehren wir den Polum vndt sehen den Sudenstern nemen oder halten. Also schwebet die liebe schone Weltt zwischen den Himmelln. Was lassen wir vns doch beduncken, wir armen Würmechen. Nun, wir bekamen da vnsere Beladunge. In dem Ortte [f.34v] sindt die Lindwürmer, welche sie da Lagarti nennen. Da sindt auch die Tiegerthiere. Im gleichen sindt da Fische im Wasser. Die heist man Tÿbron. Die alle samptt fressen die Leutte, wie ich solches zu weilen selber gesehen habe. Die Lagartÿ halten sich des mehrer theils im Wasser, das Tiegerthier zu Lande, ist schier fast wie ein Lewe, aber nicht so starck vndt rauch. Da wir nun wieder zu rucke siegelten, musten wir den Weg nicht für vns nemen, den wir kommen wahren, sondern einen andern. Da wahr vns Strom vndt Windtt entgegen, das wir woll 300 Meÿlen in die See laffieren musten, bis wir den Polum wieder ersen, so ist er gleich dem Wasser. Es sindtt auch zu mehrerm Theill die Steurleutte Astronomi, haben ihre Instrumenta : nemlichen ein Quadrant, das ist als ein halber Mohn mitt Zÿffern. Da setzett sich dan der Steurman im Mittage in die Sonne wohin nu die Sonne durch das Loch auff die Ziffern scheinett, das signieret er. Vndt wan es auff [f.35r] den Abentt kommett, so hatt er ein Instrument, da sticht er auff den Polum vndt signiret auch in was Gradt das Norden sich verheltt neben der Sonnen. Vndt alsdan v̈ bersihett er sein Buch vndt Rechnunge vndt kan auch sagen, wo wir sindt, was Landt wir für vns haben vndt wie weitt. Es mus auch kein Steurman von Siuilien absiegelln, er wirdt erstlich geexaminiret. Ist er da gewesen ehemals für Steurman, so wirdt er balt im Buche gefunden. Wo aber nicht, so werden ihme Fragestücke fürgestellett. Gibet er darauff gutten Bescheitt, so mag er volfahren ; wo nichtt, so mus er daheim bleiben oder für einen Bottsman fahrenn. Wie wir nun in der zu rucke Reise wahren, kamen wir in eine Insula, die heist Pannamar. Da funden wir die andere vnsere Armade mitt den 12 Schiffen. Von dannen siegelten wir in Gottes Namen durch die Canarien. Als wir dadurch sindt, erhebett sich so ein grausamer grosser Sturm, das [f.35v] wir hartt an Brasiliam kamen. Ich halte es dafür, das nicht Menschen, sondern Teuffell auff der
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Insul wohnen. Des Nachtes tantzeten sie mitt Liechten. Vnser Ammiral von den 12 Schiffen wahr in dem Sturme schier gesuncken, so lack wardt er. Darauff wahr das meiste Goldtt. Gott gab aber Gnade, das es stille wardt, das wir die Leutte vndtt das Goltt heraus kriegeten. Da liessen wir das Schiff mitt dem Geschütze sincken, es woltte anders nichtt sein. Der allmechtige Gott halff vns, das wir mitt behaltener Reise in Siuilien woll v̈ berkamen. Da empfiengen wir vnsere Bezahlunge vndt wurden geuhrlaubett. Aus Siuilien schriebe ich meinem lieben seeligen Vatter, wie es mir die Zeitt her ergangen wehre. Es wahr ihme aber vnmüglich zu glauben, das ein Mensch so viell solte ausstehen. Bewahrett also mein Schreiben, durffte es niemande offenbahren. Aus Siuilien siegelte ich wieder zu rucke per Mare Mediterraneum oder durchs Mittel Meer nach Sicilien für einen Buxemeister. Da wardt vnser Schiff auff Candien ge- [f.36r] frachtett, welches die Latini Cretam nennen. Alda solten wir Maluasier vndt Muscatell laden auff Lunden in Engellandtt. Candia lieget nicht viell v̈ ber 40 Meilen von Constantinopel. Der liebe Gott halff vns mitt behaltener Reise hin vndtt wieder, vndt kamen zu Lunden an in Engellandt, alda empfiengen wir vnsere Bezahlung. Vonn dannen siegelte ich in Gottes Namen mitt einem englischen Schiffe nach Dantzigk, darnach zog ich nach Marienburg zu meinem Vatter, welcher mich nicht kante, bis ich mich ihme offenbarte. Baltt den vierden Tag darnach lies er Gastgebott anrichten, dieweill der verlohrne Sohn zu Hause kommen wahr, sich meiner Zukunfft zu frewen. Wie wir nun zu Tische sassen, vndt fast abgessen hatten, sprichtt mein Vatter : »Lieber Sohn, ich habe von frembden Leutten gehörett, du soltt vom Turcken sein gefangen gewesen. Dieweill nun vnsere Freundschafft zusamen [f.36v] ist, wollestu es vns erzehlen !« Vndt lies sich nicht mercken, das er mein Schreiben empfangen hatte. Da hube ich an, erzehlett ihnen fast diesen vorgeschriebenen Handell. Darnach bekante er, das er den Brieff bekommen hatte. Ich wahr nicht v̈ ber 14 Tage daheim gewesen, da frachte ich ettliche Last Weitzen in ein Schiff, so Hans Balser führete nach Lisbone. Aber mein Vater lag mir in den Ohren, ich solte daheim bleiben vndt in seinen Handell tretten, dan er wahr einn Man fast beÿ 70 Jahren. Ich aber wolte nicht folgen ; lies mich beduncken, ich wuste es viell besser. Wir siegelten nun in Gottes Namen nach Lisbona vndt blieben mitt Schiffe vndt Gutte auff Engellandt. Da wahren wiederumb 400 Florentiner hinweg. Ich passierte flucks nach Hause vndt frachte wiederumb in ein Schiff – der Schipper hies Cale Caspar – ettliche Last Weitzen. Mein Vater hieltt an, ich
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solte im Lande bleiben, ich hette mich ja woll versuchett. Wolte mir ein Weib freihen. Dazu hatte ich gantz wenige [f.37r] Gedancken. Nun, wir siegelten nach Lisbone, kamen mitt behaltener Reise woll v̈ ber vndt hatten eine gutte Reise gethan. Da verbliebe ich fast in die vier Jahre. Hette mitt einem ein Handell angetroffen vndt mitler Zeitt gutt Geldtt für mich gebrachtt. Inn deme führett nicht Gott, sondern der leidige Teuffell einen Bürger von Dantzigk zu mir. Der verkauffte mir ettwan 40 Last Weitzen, die Last per 32 Ducaten. Er hatte den Weitzen noch im Schiffe vndt gibett den Botsleutten ettliche Tahler zu vertrincken. Sie solten den Weitzen begiessen. Da quall ihme der Weitzen vndt wardt mehr 5 Last weder er zu Amsterdam hatte eingenommen. Wie er zu Lande wardt gebracht, wahr er in ettlichen Örttern feuchte. Da sprach ich : »Hans Wÿdau, wie ist der Weitzen so nass ?« Er antwortet : »Als wir vmb den Ortt siegelten, da wardt vns der Windt was genaue vndtt gienge holle Wack, das wir ettliche Wakenn Wassers ins Schiff bekamen.« Das redet er mir so ein. Ich gabe dem losen Manne Glau- [f.37v] ben vndt sein Geldtt. Kriegete so gutt als 130 Portugaleser von mir, dasselbige nehete ich ihme noch selber in ein kanaffassen Wambes. Wie nun der Weitzen ettliche Tage gelegen hatte, erhitzet er vndt kommet balt der Wurm hinein. Da wahr kein Retten, ich muste ihn halb vmb sonst geben. Ich behieltte nicht 200 Ducaten behalten Geldes von alle dem Weitzenn. Mittler Zeitt wahr mein Vatter gestorben. Da bedachte ich mich hin vndt wieder, was für ein gottseliges Leben ich mittler Zeitt geführett hette, seidt ich aus meinem Gefengnüs kommen wahr ; das mich eine Angst ankame, vndt dachte beÿ mir : »Was wiltu in diesem vngottseligem Leben, da kein Gottes Wortt ist, lenger beharren ? Triffett dich Gott alhier an ; wie er dich findett, so richtett er dich. Du wiltt dich in dein Vatterlandt begeben, Busse thun, from werden vndt in den heiligen Standtt der Ehe begeben.« Dem stellet ich also nach vndt kam zu Hause. Baltt nach deme reisete ich nach Königsberg, bekame daselbst eine ehrliche Persone zum Ehegatten [f.38r] ; Peter Brandes seeligen nachgelassene Wittfrawe. Nunn, anfenglich gieng mir mein Glück woll fortt. Ich wahr reich, von jederman woll gehalten, vndt hatte mechtig viell Freunde. Ich gieng nur mit grossen Leutten vmb. In deme erhub ich mich auch, lies mich duncken, ich wehre einer von den Besten. Feder Hansen vndt ich verwahrre mich auch in so viell Händell, ich wolte es nur allenthalben habenn. Ich wahr fürfenglich meinem Nehesten. Ehe ich zusahe, wantte Gott das Glück wieder vmb durch wunderbarliche Mittell, das ich fast alles verlohre, was ich hatte. Da wahr kein Freundt mehr verhanden. Der eine deutett es also, der ander anders ; das auch letzlich mein lieber Ehegatte, da ich Trost von haben
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solte, mir entgegen fiele. Gleich dem lieben Job, da dan mein lieber Herr Gevatter Doctor Morlinus genugsam mitt ihr zu thun hatte. Aber wan die größte Anfechtunge kame, das der Teuffell gahr ausgelassen wahr, gedachte ich stetts, der Gott lebet noch, der dich wunderlicher Weise aus Barbareÿen [f.38v] erlösett hatt. Dessen tröstete ich mich stetts. Darumb lange borgen ist kein Queitt schelten. Vnser Herr Gott hette mir lange zu gesehen, lies mich auch woll vermanen, ich solte mich besser bedencken. Aber der Geitz hatte mich so gar eingenommen, wan ich gleich was Guttes zu thun fürgenommen hatte, Gott gebe Gottes Wortt zu hören etc. Ich hörete es woll, aber meine Gedancken wahren auff dem Aschhoffe, in der Rentkammer, auff dem Speicher, in der Bierkanne, in dem Kastenn. Wan ich des Morgens früe auffstundt, so hatte ich ein langes Register, was ich den Tag v̈ ber zu verrichten hatte. Wahren offter v̈ ber 30 Perselen, aber kein Persell vom Vatter Vnser, das billig oben an solte gestanden sein. Nunn gab mir der liebe Gott das Erkentnüs, das dieses alles vmb meiner Sünden geschehen wehre ; mich dadurch zum Erkantnüs waaren seines Wortts zu bringen, vndt ist mir alles zum Besten geschehen. Nunn hatt mich mein getrewer Gott fast achtt Jahr verschienen vnter seinem heiligen Wortte gnediglichen erhalttenn. [f.39r] Vndtt nach Abnemunge der Gütter nam er mir auch meinen lieben frommen Ehegatten. Baltt nach ihrem Abgange warff er mich auch ins Bette ; ich wehre ihr schier nachgefolgett, aber mein Stündlein wahr noch nicht kommen. Nunn ich aber schier nichts mehr habe, kann nur beten vndt zu Gott seufftzen : »Abba, lieber Vatter, es ist Zeitt, kom wieder mitt Gnaden.« So kommett nun mein getrewer Gott, will nicht lenger in Notth stecken lassen, sondern reichet mir wiederumb seine gnadenmilde reiche Handtt vndt will mir mehr geben als er mir genommen hatt ; wie er dem lieben Job thatte. Dieses alles habe ich Eurer Achbarkeitt geschehener Bitte nach nicht können fürenthalten. Ich befehle mich hiemitt in Eurer Achbarkeitt fleissiges Gebett. Der wolle vns hier zeittlich vndt dort ewiglich durch Jesum Christum seinen lieben Sohn stetts erhaltten. Amenn. Actum. den 20. Octobris Anno 1558 Balthasar Sturmer.
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Abb. 34 : Titelblatt Manuskript ; Emanuel d’Aranda. Relation de la Captivité en Algérie de Emmanuel de Aranda 1640.1642. N. d. MS. Castle Van Loppem Foundation, West Flanders, Belgium. Ohne Seitenangabe.
Emanuel Aranda
Der Sklavenbericht des Flamen Emanuel Aranda über Ereignisse aus den 1640er-Jahren ist ursprünglich auf Holländisch bzw. Flämisch verfasst und damit kein deutschsprachiger Gefangenenbericht im engeren Sinn. Die große Popularität und auch die sprachliche Nähe zum Deutschen sowie die bereits 1666 publizierte deutsche Version waren Grund genug, diesen wichtigen Text in die Textsammlung aufzunehmen. Der Edelmann Emanuel Aranda wurde 1640 auf einer Reise nach Spanien von algerischen Piraten gefangen genommen, nach Algier verschleppt und nach eineinhalb Jahren in Gefangenschaft im Austausch gegen nordafrikanische Sklaven, die sich in Europa befanden, freigelassen. Sein Bericht stellt den größten Teil des 1666 von Johann Frisch herausgegebenen Buchs, Schauplatz barbarischer Schlaferey dar, das zu den wichtigsten deutschsprachigen Quellen nordafrikanischer Sklaverei zählt. Emanuel Arandas Bericht ist eine geradezu prototypische Sklavenerzählung : Sie beginnt mit einer kurzen Vorgeschichte der Seereise, die dann relativ bald in einen packend geschilderten Piratenangriff mündet und anschließend den Verkauf des Ich-Erzählers auf dem Sklavenmarkt in Nordafrika beschreibt ; darauf folgen Episoden in nordafrikanischer Gefangenschaft und schlussendlich die diplomatischen Bemühungen um Freilassung des Gefangenen, die dann mit der Rückkehr Arandas in die Heimat ihren Abschluss finden. Arandas Text stellt also keineswegs inhaltlich eine Besonderheit dar, unterscheidet sich aber von anderen europäischen Sklavenberichten aus Nordafrika durch seine einfache und für allgemeine Leserinnen und Leser nachvollziehbare Aufbereitung der Inhalte. Das beginnt bereits bei verständlichen Erklärungen zu nautischen Konzepten und wird in der Beschreibung Algiers mit seiner auf Sklaverei und Piraterie basierenden Ökonomie fortgesetzt. Die Einfachheit der Erklärungen zieht sich wie ein Leitmotiv durch Arandas gesamten Bericht. Es kommen aber noch weitere publikumswirksame Elemente der Erzählung zum Tragen wie zum Beispiel die Art und Weise, wie der Edelmann Emanuel Aranda versucht, seine Besitzer in die Irre zu führen, indem er sich als einfacher Seemann ausgibt, um die Lösegeldforderung möglichst niedrig zu halten. Die Summe dieser Elemente, d. h. die leicht verständliche packende Erzählweise, die teilweise an den Picaro-Roman erinnernde Figurenzeichnung des Ich-Erzählers Aranda und
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die Hintergrundinformationen über Nordafrika und Algier, die in diese spannende autobiographische Geschichte eingebaut sind, haben Arandas Text zum wohl erfolgreichsten und am weitesten verbreiteten europäischen Sklavenbericht aus Nordafrika gemacht. Bereits kurz nach der Abfassung erschien Arandas Bericht auf Französisch, Holländisch, Englisch und in der hier wiedergegebenen deutschen Übersetzung von 1666. Die Tatsache, dass Arandas Text so vielfältig über politische, kulturelle und religiöse Grenzen hinweg populär war, macht den Bericht zu einem einzigartigen Fallbeispiel. Der Katholik Aranda schaffte es, protestantische Leserinnen und Leser ebenso zu faszinieren wie seine katholischen Mitstreiter. Dies ist umso bemerkenswerter, da wir im 17. Jahrhundert am Ende der größten innerchristlichen Auseinandersetzung, d. h. dem Dreißigjährigen Krieg, stehen. Vor diesem Hintergrund ist eine übergreifende Stimme wie die Arandas alles andere als selbstverständlich und stellt ein einzigartiges Zeugnis für Übersetzungsarbeit in der frühen Neuzeit dar, die linguistische, politische und religiöse Grenzen überbrückt. Was aber Aranda ganz besonders auszeichnet – über die Tatsache hinaus, dass er mit Hilfe unterschiedlicher Übersetzungen und Publikationen einem großen europäischen Publikum zugänglich gemacht wurde – ist, dass wir im Fall Arandas glücklicherweise auch das Originalmanuskript des von Aranda verfassten Sklavenberichts aus seiner eigenen Hand besitzen (Abb. 34, Abb. 35). Vor einigen Jahren kam dieses Manuskript zufällig in einer Auktion zum Vorschein und befindet sich jetzt im Besitz der Familie Caloen, den Nachfahren eines der Weggefährten Emanuel Arandas während seiner Gefangenschaft (vgl. Kattenberg 2019). Dieses Autograph aus Arandas eigener Hand stellt ein einzigartiges Textzeugnis dar, da sich über dieses Manuskript zeigen lässt, welche ursprüngliche Absicht der Autor mit seinem Bericht verfolgen wollte und wie sich diese Autorenintention unter Umständen von den publizierten, d. h. von Druckern und Herausgebern redigierten Versionen unterscheidet. Damit lässt sich durch die unterschiedlichen publizierten bzw. übersetzten Versionen zusammen mit dem Originalmanuskript ein sehr lebendiges Bild der Vereinnahmung von persönlichen autobiographischen Erlebnisberichten in der frühen Neuzeit rekonstruieren. Es handelt sich hier um eine Fallstudie frühneuzeitlicher Publikationspraktiken bzw. der Vermarktung von Erlebnisberichten vor dem großen Durchbruch der Gattung des Romans, der auf ganz ähnliche Weise sein Zielpublikum mit spannenden, authentisch erscheinenden Geschichten zu fesseln versuchen wird. Eine deutsche Übersetzung von Emanuel Arandas Bericht hat Johann Frisch in sein Buch Schauplatz barbarischer Schlaferey 1666 aufgenommen. Frisch beginnt seine Ausführungen über nordafrikanische Sklaverei mit dem Bericht
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Abb. 35 : Manuskriptseite ; Emanuel d’ Aranda. Relation de la Captivité en Algérie de Emmanuel de Aranda 1640.1642. N. d. MS. Castle Van Loppem Foundation, West Flanders, Belgium. fol.1.
Arandas, den er als exemplarisches Beispiel zur Veranschaulichung der Schicksale christlicher Sklaven in der »Barbarei« – wie Nordafrika abwertend bezeichnet wurde – seinen weiteren Ausführungen voranstellt. In der Einleitung zum Buch begründet er seine Vorgangsweise folgendermaßen :
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Damit aber ein jeder erfahren möge / wie und welcher Gestalt mit den Christen / so in ihre Hände und also in der Schlaverey verfallen umbgesprungen werde / so wollen wir Emanuel de Airanda (eines fürnehmen Manns Sohn aus Brügg in Flandern bürtig) worte hören. Denn weil er aus eigner Erfahrung redet / in dehm er das außgestanden / welches andern noch täglich wiederfähret ; so kan uns sein Exempel zur gnüge unterrichten / das wir die Schlaverey kennen lernen. [8]
Bemerkungen zur vorliegenden Edition von Emanuel Arandas Bericht Der Text der folgenden Edition von Emanuel Arandas Bericht stammt aus Johann Frisch, Schauplatz Barbarischer Schlaverey. Altona : Victor de Leu, 1666, das unter anderem eine deutschsprachige Übersetzung des ursprünglich in Flämisch verfassten Berichts von Emanuel Aranda beinhaltet. Im Gegensatz zu Arandas handschriftlich überliefertem Autographen enthalten die gedruckten Aranda-Berichte auf Holländisch, Französisch, Deutsch und Englisch neben der eigentlichen Sklavenerzählung Arandas auch mehrere Dutzend sogenannter »Relations«. Diese vignettenartigen Kurzinformationen von wenigen Absätzen zu verschiedensten Themenbereichen von Piraterie und Sklaverei variieren stark in den jeweiligen Druckversionen und fehlen im handschriftlichen Manuskript gänzlich. Die folgende Textedition gibt ausschließlich den eigentlichen Bericht Arandas (Frisch 1666, S. 9 bis S. 102) wieder, wobei die »Relations« aus Platzgründen nicht aufgenommen wurden. Die Seitenangaben in eckigen Klammern im Text markieren immer den Beginn einer Seite und beziehen sich auf die Erstausgabe Johann Frisch, Schauplatz Barbarischer Schlaverey. Altona : Victor de Leu, 1666. Anstelle von Beistrichen verwendet Frisch wie viele seiner Zeitgenossen Schrägstriche, die hier als solche wie in der Ausgabe von 1666 wiedergegeben sind. Textpassagen, die Johann Frisch nicht in Frakturschrift, sondern in Antiqua gesetzt hat, werden in der folgenden Edition durch Kursivsatz gekennzeichnet. Nicht wiedergegeben wurden hier die sogenannten Kustoden (oder Blatthüter), d. h. die in der rechten unteren Ecke jeder Seite angeführten Verweise auf das erste Wort der jeweils folgenden Seite. Frisch verwendet Kleinbuchstaben bei der Beschreibung von Algier, die sich auf einem doppelseitigen Stich in seiner Ausgabe wiederfinden (hier Abb.en 36a und 36b). In Orthographie und Interpunktion folgt die Edition der Erstausgabe von 1666. Eine englische Übersetzung des Aranda Autographen aus der Privatsammlung Caloen erscheint in Mario Klarer (Hg.), Christian Slaves among Islamic Pirates : An Anthology of Barbary Coast Captivity Narratives (1550–1810). New York : Columbia University Press, 2020 ; im Druck.
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Der Bericht des Emanuel Aranda [9] […] Das Andere Capittel. I. Emanuel de Airanda vornehmen nach Hause zu reisen. 2. Seine Reise von Madrit nach S. Sebastion. 3. Anfang der Schiffahrt. 4. Guthe Warnung. 5. Unverständige Vermessenheit des Schiffers. 6. Türkischer Anfal. 7. Unerhörte Verstokkung. 8. Lächerliche Handlung mit den Feinden. 9. Ankunfft zu Algiers. I. Nachdehm ich mich ein Jahrlang in Hispanien auffgehalten / und also durch Besichtigung der vornehmsten Orter und Erlernung der Sprache meinen Lust daselbsten gnugsahm gebüsset / so ward ich wiederumb sinnes nach Hause zu kehren. Weil ich nun in meiner Hinreise angekommen zu S. Lucar de Barameda, Einer berühmten Handelstatt in Andaluzien gelegen an dem Ohrt / wo der berühmte Flus Gvadalquivir oder der Alten Bœtis mit einem gelinden Strom sich in den Ocean ergeüsset ; aber grosse Gefahr wegen der Türken unterwegs außgestanden : (wie solches im andern Theil in der 34. Historia außfürlich gemeldet werden sol /) so hab ich mich entschlossen über Land die Heimreise anzustellen. 2. Solchen meinen Fürsatz nun werkstellig zu machen / binn ich in Geselschafft meines Landsmans. H. Reinhart Saldens am 1. Augusti des 1640. Jahrs abgereiset von Madrit / welches der König- [10] liche Sitz / woselbsten Philippus IV. meistentheils Hoff gehalten / auch am 7. (17.) Septembris des verwichenen 1665. Jahrs früh umb vier Uhr diese Welt gesegnet. Von hie ging die Reise durch Castilla la Veja oder Alt Castilien / und Burgos der Hauptstatt des Landes ; welche wegen der vielen Künstler und der Einwohner sonderbahrer Geschikligkeit sehr berühmt. Nachmahls auff Biscaja der ädelsten Landschaft von gantz Hispanien ; derer Hauptstatt Bilbao in schöner Lage / Überflus der Nothdurfft und Menge der frembden Handels-Leute den besten Stäten in Hispanien nichts nachgiebet. Am 13. desselben Monaths erreichten wir S. Sebastian eine Statt in der eisenreichen Herschafft Guipuscoa gelegen / welche sich rühmen darff / das sie den besten und sichersten Haven von gantz Hispanien besitze / und die Freyheit habe / das der König mit den Bürgern des Ohrts blosses Hauptes reden müsse. Obs die Warheit oder Hispanische Rodomontade (deren sie voll sind) sey ; kan ein jeder Vernünfftiger leicht erachten. 3. Zu S. Sebastian traff ich H. Johan Baptista Caloen. und den Ritter H. Philip de Cherf an / welche beyde ihnen fürgenommen hatten mit einem Englischen Schiffe (derer zwey Segelfertig lagen / und nur auff guhten Wind warteten) abzufahren : also verfügte ich mich zu ihnen / und wir gingen (weil noch dieselbe
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Nacht der Wind guth war) folgendes [11] Morgens zu Schiffe / kahmen auch mit guthem Winde bald in See : Wir wahren aber keine zwey Stunde in See gewesen / da lies der Wind nach / und es ward ganz stille / und in der Nacht lieff der Wind gahr entgegen / so das wir Laviren / oder von der einen Seiten immer nach der andern überlegen / und also den Weg durch viel quergänge ablegen musten. 4. Nachdehm wir vier Tage also durchgebracht / kahmen wir in der Gegend der Statt Rochelle woselbst wir einen Freybeüter des Ohrts antraffen ; Dieser / wie er sahe / das wir ein Englisch Schiff wahren / näherte uns mit seiner Fregatte / sante drauff vier Soldaten mit dem Boot oder Nachen an unser Schiff / unsern Paßport zu besichtigen : Der Schiffer legte ihnen solchen vor / und verehrete ihnen ein Stük Geldes ; also kehrten die Soldaten zurük / und brachten ihrem Capitain die Zeitung / das unser Paßport richtig sey. Er kam hierauff selbsten hinten auff sein Schiff / und rieff unserm Schiffer zu : Sehet euch wol für / es sind fünff Türkische Seeräuber forn im Canal mit den Segeln an den Wind. Das ist : Sie halten so genau gegen den Wind an / als möglich ist. 5. Unser unerfahrner Schiffer aber / wolte es nicht achten / sondern vermeinete / weil die Englische Krieges Schiffe/ imgleichen die Holländische und Dünkirchische Caper oder Freybeuter täglich [12] in und ausser dem Canal / oder engen Meer welches Engeland und Frankreich scheidet / Kreutzen ; das ist / bald hie bald dort fahren / und also allendhalben auffpassen : So sey es eine Unmögligkeit / das sich Türkische Seeräuber so weit wagen solten ; Reisete also in solcher Einbildung sicher fort / und bedachte nicht wie gering unsere Macht dem Feinde zu begegnen / ja er spottete aller Gefahr. Weil uns aber der Wind immer zugegen blieb / so kahmen wir in sieben Tagen nicht weiter als auff die Bretaignische Gräntze / oder eben für dem Canal. 6. An diesen siebenden Tage ohngefähr umb 2. Uhr Nachmittags / sahen wir von weiten zwey Schiff in See / welche wir für Kauffleüte Schiff hielten / und ein wenig hernach sahen wir nur das kleineste / welches mit vollen Segeln auff uns zu ging. Unser Schiffer lies die Mars Segel fallen (Sind die jene Segel / welche auff den grossen Schiffen die 3. Masten haben / oben an der ersten und andern Mast außgespannet werden. An der vordersten wirds das kleine / an der Mittlern Mast aber das grosse Mars Segel genennet / solche Segel einnehmen wird bey den Schiffern die Mars Segel fallen lassen genennet.) mit vorwenden / es sey bey den Engeländern nicht gebräuchlich in See zu fliehen. Weil wir nun des andern mit niedergelassenen Mars Segeln einwarteten / so kam es in kurtzer zeit mit vollen Segeln auff uns an / und wahr fast [13] unter unser Geschütz / lies aber keine Flagge wehen / daraus wir leicht merken könten / das es ein Seeräuber
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seyn müsse. Denn weil in den Flaggen oder Fahnen oben auff den Masten oder hinten auff dem Schiffe entweder das Wapen des Ohrts gezeichnet wohin das Schiff gehöret / oder auch man aus den Farben bald merken kan / was es für ein Schiff sey / so zeigen die Seerauber entweder gantz keine oder auch eine falsche Flagge / bis sie sehen daß es rathsahm den Gegentheil anzugreiffen / oder verspüren das der Gegentheil Freund ist. 7. Unser Schiffer / weil er sahe / daß das Schiff eine Caravelle (ist ein Hispanischer Schiffs Bau) vermeinete / das es ein Dünkirchischer Caper oder Freybäuter währe / lies also das Boot außsetzen umb zuvernehmen / was für Volk sie währen. Die Türken in der Caravelle, wie sie sahen / das wir ihrer einwarteten / auch dazu das Boot außsetzten / urteileten Sie hieraus (wie ich hernach erfahren / als ich gefangen worden) das der Schiffer entweder unerfahren / oder auch sich zu wehren gesinnet seyn müsse : Wolten also uns nicht näher kommen / sondern liessen ebenmäßig ihre Mars Segel fallen / und blieben neben uns halten. In dessen fiel die Nacht ein / und die Caravelle blieb uns immer im Gesichte / mit einer Leuchte ihren Gefärten Zeichen gebend : Wir Reisende Leute merkten solches wol / aber der Schiffer lachte uns aus : Wir könten mit guhte [14] nichts von ihm erhalten / als das wir uns fertig machen mögten uns zu wehren. Wie solches so guth wir vermögten verrichtet / liessen wir die Nacht vorüber gehen / hatten aber unter denen 4. Stükken so das Schiff führete nur 1. darauff wir uns verlassen könten. Dieß alles geschach mit niedergelegten Mars Segeln / dannenhero weder wir / noch die Caravelle weit kommen könten / sondern die Nacht über also neben einander halten musten. 8. Den 22. Augusti früh umb 5. Uhr / sahen wir zwey grosse Schiffe / die mit vollen Segeln auff uns ankahmen. Baten also den Schiffer / er wolle doch auch Segel machen : Er aber blieb eigensinnig / und wiewoll er nichts einzuwenden hatte / so wolte Er gleichwol nichts hören. Ohngefähr umb 10. Uhr fügten sich die 2 Schiffe bey der Caravelle, aber alle ohne eintzige Flagge. Darauff nahmen sie uns alle plötzlich den Wind mit vollen Segeln / und kahmen bis etwa auff ein Mußquet Schus an uns. Hinten auff dem grossesten Schiffe stund ein Türke mit einer eingewikkelten Flagge im Arm / und ein Christen Schlav rieff : Streichet für Algiers. Dies ist eine den Schiffern gebräuchliche Ahrt zu reden / und heisset so viel als : Ergebet euch der Statt Algiers. (Den Streichen heisset die Ober Segel ein wenig fallen lassen / ist bey Freunden ein Zeichen der Demütigung und Grußes / weñ es aber gegen dem Feind geschicht / so ists ein Zeichen der Überga[15] be.) Alsofort lies der jene / welcher die Flagge hielt / solche außwähen / sie wahr grün mit silbern halbe Monden besetzet. Wie angenehm uns diese Flagge zu sehen / und zu hören / das wir nach Algiers solten gebracht werden / kan ein
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jeder leicht erachten. Wir baten nochmahls den Schiffer / er solle Accordiren / und die Condition fürschlagen / das sie die Menschen an das erste Christen Land aussetzen / und dagegen das Schiff neben 32000. Reichsthaler die wir im Schiff hatten geniessen solten. (Denn es geschicht wol / das die Türken ein solches eingehen / und auch ihr Wort halten / so bald es ihnen möglich ist) Aber unser närrische Schiffer wuste nicht was accordiren sey / rieff also an statt des Accords : Ob sie Quartier geben wollen ? Es ward geantwortet : Ja / ja / gut Quartier. Dieser manhaffte Schiffer vermeinete / Er habe seine Sache woll außgerichtet / lies also die Raa auff den Überlauff (oder den Ober Boden mitten im Schiff ) fallen / auch die Flagge hinten wegnehmen : Verlies drauff mit drey oder vier seiner Bootzleute das Schiff / ruderte mit dem Boot nach den Türkischen Schiffen / und gab sich also in seiner Feinde Hände. Mit dem Nahmen Raa werden alle Querstangen in den grossen Schiffen woran die Segel außgespannet werden / benennet ; Wird aber fürnemlich von der Raa der mittelsten grossen Mast / wor an das grosse Schonfahrer oder grosse unterste Se- [16] gel hänget verstanden. Dieses darff man nicht fallen lassen wenn man sich ergiebet / das es aber dieser Schiffer gethan / ist ein Zeichen / das er für Bestürtzung nicht gewust / was er thun solle. Hierauff kahmen 10. oder 12. Türkische Soldaten mit einem Boot an unser Schiff / begierig umb zu plündern : Sie wurden von einem Capitain / der ein Renegado oder ein verläugneter Christ wahr / angeführet. Weil ich nun eben auff dem Überlauff wahr / so fragte mich derselbe : Wer / und woher ich sey ? Ob ich ein Kauffman / oder was mein Hantierung ? Ich gab zur Antwort : Ich binn aus Dünkirchen / und ein Soldat. Worauff er in Niederländischer Sprache zu mir sagte : Gedult Camerade / es geht im Kriege nicht anders ; Heute ists an dir / morgen ists an mir. Ich gab ihm das Geld / welches ich bey mir hatte : Alsofort griff ein ander Türke / in meinem Schiebsak / und nam daraus meine Büchse / Schnuptuch / Paternoster, und Gebethbuch / welches er mir neben den Schnuptuch wiedergab / das Paternoster aber und die Büchse behielt er / und weil einig Pflaster darin wahr / urtheilete er hieraus / das ich ein Balbierer seyn müsse. 9. Nachdehm sie auff dem Uberläuff und in der Cajüte (oder des Schiffers Logiament) geplündert hatten / brachten sie uns mit dem Boot in eins ihrer Schiffe ; Auff unser Schiff stelten sie hingegen 12. Türcken / solches zu regiren. Weil nun der Wind [17] Ost ; so wendeten sie nach Hispanien wieder zu mit guthem Winde / also / das wir innerhalb 2. Tagen ersahen die Spitze von Gallicien / welche le Cap del mort (von unsern Schifleuten Capo finis terræ) genennet wird ; Am elfften paßirten wir die Strasse bey Gibraltar, am 14. wahr der 5. Septembr. setzten wir mit Auffgang der Sonnen für Algiers, und der Capitain that einen Schuß / seine Ankunfft anzudeuten : Lies darauff die Anker fallen / und uns
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Gefangene von den Ketten los machen / da ich denn auff den Überlauff stieg / und den Strand voller Leute fand / welche was neues zu sehen und zu hören / sich versamlet hatten. Das Dritte Capittel. 1. Der Stadt Algiers Ursprung. 2. Barbariens Abtheilung. 3. Der Stadt alte Geschichte. 4. Vergebliche Anfälle. 5. Ihre Gestalt. 6. Haven. 7. Dessen Befestigung auff der Insel. 8. Auff dem festen Lande. 9. Befestigung der Land-Seite. 11. Krieges Macht. 12. Grosse. 13. Schlaven und Soldaten Wohnung. 14. Häuser, 15. Kirchen. 16. Bassa Hauß / und Batestan. 1. Wenn / und zu welcher Zeit das Raubnest Algier, oder Alger, welches fast der gantzen Christenheit in ihrer Schiffart hinderlich und höchstschädlich ist / und so viel tausend in Schlaverey setzet / erstmahls erbauet sey ; davon kan man keinen eigendlichen Bericht [18] geben. Einige / unter welchen Paulus Jovius (histor. I. 40. p. 482.) wollen behaubten / das es eine uralte Stadt sey / die vormahls des Numidischen Königs Jubæ Residenz / und unter den Nahmen Cæsarea Julia bekand gewesen. Diesen aber wiederspricht Johannes Leo, ein geborner Africaner, der zu unser Väter zeiten gantz Africa wol durchgereiset / und die Stäte darin fleißig beschrieben hat ; seine Worte lauten (descript. Afric. p. 519) also : Algira (auch wol Geseir genand) ist erbauet von den Africanern, welche aus dem Geschlechte Mesgana entsprossen / und ist vorzeiten auch Mesgana genennet worden. Ob nun woll nicht gemeldet wird / zu welcher zeit dies Geschlecht im Flor gewesen / so zeiget es doch des Authoris Redens Ahrt / das es so gahr alt nicht sey / das es für Christi Geburth bekand gewesen. Denn er hat sonsten die Manier / das er bey den alten Ohrten diese und andere Worte gebraucht : Uralte Statt / von den Römern erbauet / oder ihnen bekand / etc. Hier aber redet er wie von den Ohrten / die für einige hundert Jahren erst erbauet worden / bey dehnen er die Geschlechter nennet / die vielleicht zu seiner zeit bekand gewesen / zumahl er in seinem gantzen Werke der Mesganer und anderer die er hin und wieder namhafft machet / nicht weiter gedenket. Indessen / kan es wol seyn / das etwa an dem Orthe / da itzund Algier lieget / die Statt Julia Cæsarea gestan- [19] den / aber durch so viele Kriege welche unter die Römer / Gothen / Sarracenen oder Araber so viel 100. Jahr geführet worden / verwüstet / und hernach von den Mesganern von neuen erbauet sey. 2. Sie wird ins gemein genennet Algier in der Barbaria / wegen der Schiffleute Redensahrt / die Barbaria nicht so genau einspannen / als die Geographi, welche
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Abb. 36 a–b: Johann Frisch, Schauplatz Barbarischer Schlaverey. Altona : Victor de Leu, 1666 ; doppelseitiger Stich von Algier in der Einleitung ohne Seitenangabe.
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Aranda bzw. Frisch nehmen im dritten Kapitel auf die durch Kleinbuchstaben gekennzeichneten Bauwerke und Örtlichkeiten im Stich Bezug.
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nur den Theil Africæ, so heutiges Tages unter das Reich Tunis gehöret / Barbaria nennen : Jehnen aber heisset Barbaria aller Landstrich vom Atlante an / bis auff Tripolis in Barbaria / (ein Raubnest gegen Malta über gelegen.) Nach dieser Eintheilung kan man mit Warheit sagen : Algiers sey die mächtigste aller der Stäte / die in Barbaria sich zum Türkischen Reiche bekennen. Wie denn zu merken / das ein Theil Barbariens / nemlich das jene / so vorzeiten Mauritania Tingitana geheissen / heutiges Tages aber unter dem Nahmen Marocco und Fez bekand ist ; bißweilen einẽ / bißweilen mehr eigene Könige habe. Das jene aber / so vorzeiten Mauritania Cælariensis genennet worden / wahr zu unser Väter zeiten in die mächtige Tremessische oder Telensinische / und Bugische Königreiche eingetheilet ; hat aber nunmehro den Nahmen verändert / denn es wird das Königreich von Algiers genennet / und erkennet sich neben dem Königreiche Tunis, (als dem eigendlichen Barbarien /) und der Herschafft Tripolis [20] auff gewisse Maas / zur Herschafft des Gros-Türken. 3. Der Nahme eines Königreichs wird dieser Statt zugeleget / wegen der Herrschafft / die sie über das Tremessische und Bugische Reiche bekommen / in dem sie sich / als eine wiederspänstige Tochter erzeiget / und ihre Mutter herunter gebracht. Kürtzlich hievon zu melden : Es gehörete Algier vorzeiten zum Tremessischẽ Reiche (dessen Haupstatt etwa 60. Meil von da nach dem Westen lieget) und wahr demselben unmittelbahr unterworffen. Weil aber Josephus Ben-Abul Texif, König zu Fez, welcher umbs Jahr 1086. zur Regierung kommen / Tremessa angriff / und ihm Zinßbar machte ; folgender zeit auch Josephus Almansor oder der Grosse / etwa bey hundert Jahren hernacher dasselbe ziemlich schwächete ; und Algiers spürete / das sie von ihren Herrn zwar weidlich gepresset / aber für feindlichem Gewalt schlecht beschützet würde : Hat sie sich vom Tremessischen Reiche abgerissen / und dem Könige zu Bugia (welches ins Osten einig Zwantzig Meilen davon) unterworffen ; der sie denn mit grosser Freyheit begabet ; dannenhero sie algemach eine freie Republic zu werden angefangen. In diesem freyen Stande / fing sie an auff die Hispanische Insulen zu rauben / that auch dan und wan den Einwohnern ziemlichen Schaden / und wahr Niemand der sie dempffen könte ; bis Ferdinaudus V. [21] (sonst Catholicus) König zu Castilien / nachdem er Granada erobert und die Mooren gedempfet / sich an Algiers gemachet / und auff dem Felsen Pinno (a) welcher dazumahl eine Insul gewesen / ein Castel erbauet / worauff die Statt ihm Zinßbar geworden / und von dem rauben abstehen müssen. Folgender zeit stunden zwey Gebrüder (von Metilenen einer Insul und Statt im Archi pelago bürtig) Horuch, und Harjaden, zugenambt die Barbarossen auff / und übten die Seerauberey mit so guthen Glük / das sie das Königreich und Statt Bugia anfallen durfften. Ob nun gleich Horuch das erstemahl abgeschlagen
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worden / auch die rechter Hand dafür verlohren ; so hat doch nach dessen Tode Harjaden ihn so woll gerochen / das er Bugiam erobert / und ihm unterworffen. Die Statt Algiers freuete sich dieser Gelegenheit aus dem Christlichen Joch zu kommen / berieff also Anno 1515. gemeldeten Harjaden oder Barbarossam, das er sie in seinem Schutz nehmen und von den Castilianern befreien solte. Beydes geschach ; und das Schlos ward nach der Übergab geschleiffet. Hiedurch hatte sich Barbarossa fest gesetzet / und wahr so mächtig ; das er in kurtzer zeit auch das Tremessische und folgendes das Tunetische Reich eröberte / und die Reiche unter einen Titul brachte / indem er sich König von Algiers nennete. Folgender zeit hat Ihm Käyser Carl V. Tunis wieder genommen ; Bugia und Tre- [22] messa aber ist ihm geblieben. Von der zeit an ist Algiers eine Statt geworden / welcher beyde Königreiche unterworffen / und es ist bis auff den heutigen Tag also verblieben. 4. Obgedachter Kayser Carl V. hat zwar Anno 1541. die Statt belagert ; hat aber über 130. Schiff und den besten Kern seines Volks dafür verlohren / so das er am dritten Tage abziehen / und sich kümmerlich salviren müssen. (besihe davon nach der länge Jovium I. c.) Die Hispanier / Engeländer / Franzosen / und Holländer / haben vielfältig drauff angesetzet / und aus ihren mächtigen Floten sie stark beschossen ; (wie den Anno 1661. die Zeitung kam / das der Englische Admiral Montagu sie meistentheils ruiniret habe) Aber es hat die Erfahrung geben / das sie wenig oder nichts dafür außgerichtet. Die Barbaren habens auch nichts geachtet / sondern immerdar ein Spiegelfechten genennet / und daraus geschlossen / es müsse unter den Christen gewis ein geheimer Anschlag obhanden seyn / zu dessen besserer Außführung / (damit das Gegentheil nicht merke was man fürhabe / und warumb man sich mächtig zur See rüste /) man ihnen so lang solche bravade mache / bis die Gelegenheit / den Hauptzwek außzuführen / sich eräuge. Weil es auch die Erfahrung allemahl gegeben / das etwas sonderlichs drauff erfolget / so sind sie aus dieser Meinung nicht zu bringen / und sagen ungescheut ; wen sie hören das [23] man irgendwo wieder sie zurüstet : Es ist den Christen mit uns kein Ernst. Je stärker auch auff sie geschossen wird / je schimflicher lassen sie sich hören : Das doch die Christen das Pulver sparen mögten / bis sie dahin kom̃ en wo ihr Anschlag auffzielet ! etc. 5. Die Statt an ihr selbsten lieget von der See hehr sehr lüftig / weil die Gebeu meistentheils mit Kalch oder Gips übertünchet / so das die Statt von fern wie ein Kreidenberg außsiehet : Imgleichen die Häuser (weil die Statt an den Abhang eines hohen Gebirges lieget) steigen immer eins hinter dem andern in die Höhe / daß man sie fast alle erblikken ; auch fast von allen Dächern in die See sehen kan. Dieser Ursach halber lieget sie auch sehr kennlich / und kan man ihre Gestalt gahr wol ersehen. Sie lieget aber nicht / (als Jovius I. c. und Wilh. Litgau in
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seiner Reißbeschr. I. 2. p. 13 schreiben) wie ein Triangel ; sondern bildet ein außgespannetes Mars Segel / und machet fast eine vierekte Figur. Die schmale Ekke stehet hoch am Gebirg in der Höhe / drauff läst sie sich hernieder / und breitet sich gemachsahm aus biß an die See / welche auch bey stürmigten Wetter an der Mauren spület. Es ist aber solche See ein Meerbusem / welchen die beyde Vorgebürge C. Caxines (b) sonst Promontorium Cassineum, und C. Montafusio (c) sonst Matafusium machen. [NB. Gemeldete Vorgebürge haben im Kupffer nicht köñen abgebildet werden / weil sie [24] 6. Meilen von einander liegen : Die Buchstaben zeigen nur die Seite wohinaus ein jedes liege.] Ziehet sich von Montafusio an / wie ein halber Mond / und strekket sich also / die Spitze (d) und die so künstlich gewölbete Fischer Pforte oder Bab el Haud (e) (innerhalb welcher die Galeen erbauet werden) fürbey / bis an die Muly (f ). Von dar wirfft sich die Statt / bis zur Spitze (g) / ein wenig einwarts / der Strand aber läufft mit vorgedachten Bogen fort bis an C. Caxines. Er ist weit genug / gibt aber den Schiffen kein sicher Lager / insonderheit für den Nord Ost Wind / als welcher gleich drauff stehet / und offters Schaden thut. Damit aber allem Unheil fürgebauet würde / ist der Natur durch Kunst die hülffliche Hand gebohten / und ein Haven gemachet worden / hinter welchen die Galeen und Schiffe ziemlich verwahret liegen können. 6. Denn es lieget eine kleine Insul / oder vielmehr ziemlicher Felsen (a) queer für dem Strande / etwa 700. gemeiner Schritte vom festen Lande / auff welchen vorgedachtes Castel von den Castilianen erbauet worden : Nachdehm aber dem Barbarossa die Statt übergeben worden / und er das Castel geschleiffet ; so hat er sich bemühet eine Molem oder Damm vom festen Land bis an die Insul zu legen / und also die Gewalt der See zu brechen / und einen guhten Haven zu bereiten. Seinen Fürsatz aber werkstellig zu machen / hat er eine alte verfalne Rö- [25] mische Statt Tipasa genant / welche bey C. Montafusio gelegen / völlig abbrechen / und die Steine durch gefangne Christen Schlaven hierher bringen lassen : Wodurch diese Moles, insgemein die Muly genennet / in kurtzer zeit über dem Wasser herfür geraget / und die Insul oder Felsen Pinno ans feste Land angehänget worden. Wie denn dieß treffliche Werk noch heutiges Tages im Wolstande begriffẽ. 7. Weil aber die Barbarische See Stäte wegen der Rauberey bey den Christen sehr verhasset / und dieselbe vielfältig getrachtet die Haven zu bemeistern / und die Schiffe im Brand zu setzen : Wie denn insonderheit die Franzosen unter des Mons. de Beaulieu Anführung im 1609. Jahr (ob gleich die Hispanische Flotte in Betrachtung ihrer geringen Macht Sie belachte und mehr auß Spott als vertrauen guhtes Außganges die arriergarde annam) dessen herrliche Proben an dem Haven zu Tunis gethan / woselbst sie 33. Schiffe innerhalb wenig
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Stunden ruiniret / und dadurch Tunis das Rauber Handwerk ziemlich geleget : So haben die Räuber in Algiers sich bemühet ihren Haven zu befästigen ; Wie sie denn fürs erste an dem Ohrt / wo zuvor das Castel gestanden ; eine Battaria gemachet und mit groben Geschütze besetzet / ist aber zu schwach gewesen die Canonen der Christlichen Schiffe auffzuhalten / wie es denn etzliche mahl übern Hauffen geschossen worden. Also haben die Barbaren ein [26] festes Castel (h) angeleget / solches auch mit 16. gantze Cartauen (die sie von den Holländern zur zeit das sie Friede mit ihnen gehabt erhandelt) besetzet. Mitten in diesem Castel stehet die Laterna, welches ein hoher runder Turm / hin und wieder mit 5. ad 6. pfündigten Geschütz versehen : Oben ist eine schöne Leuchte / worin alle Nacht 17. Ampeln angezündet werden / denen einwollenden Schiffen den Weg zu zeigen. Gegen diesem Castel über / nemlich auff der andern Spitzen des Felsens haben die Barbaren noch ein Werk / nemlich ein platte form (i) für etwa 8. oder 9. Jahren gemacht / und mit Geschütz versehen ; nicht so viel zur Beschützung der Schiffe / als versicherung der gefangenen Schlaven. Denn sie haben aus unzehligen Exempeln erfahren / das ihrer viel bey der Nacht sich über die Mauren gelassen / und mit Barquen und ander Fahrzeug durchgegangen / welche denn (weil bey ihnen nicht gebräuchlich in der Nacht lermen zu machen) für den Tag nicht können verfolget werden : Diesem nun vorzubauen / ist diese Brille gesetzet worden / und wird alhie Tag und Nacht Wache gehalten / können auch die Soldaten gleich in Barquen fallen / und die Flüchtlinge auff dem Fusse folgen. In einer Ekken dieser platte form ist eine Capelle / worin die Soldaten ihre Sala oder Gebeth halten können. 8. Bey vorerwehnten Aussenwerken haben es die Barbaren nicht bewenden lassen / sondern auch [27] ausserhalb der Statt / auff dem festen Lande ein starkes Werk geleget Burs el Bab el Wed genant (k) welches die gantze Seite der Statt / (weil es nahe bey Bab el Wed (l) lieget) auch den Strand bis C. Caxines bestreichen / und alles Anländen währen kan. Eben dergleichẽ kan auch die Spitze (g) an der Maur thun / als welche nicht allein en barba schiesset / sondern auch den Haven und Muly beobachten / und auff die Werke und Castele so auff Pinno stehen Flanquiren kan. Die Muly Pforte Bab el Bahar genant / hat an beyden Seiten trefflich Geschütze / unter welchen die Maur von der grossen Kirche (m) bis an der Muly, mit lauter gantze und halbe Cartauen besetzet ist : An der andern Seiten des Havens / da die Statt von Bab el Sund (n) zur See sich lenket / machet die Statt gleichsahm einen Triangel mit der Maur : Diese Ekke (d) haben sie A. 1659 sehr schön auffgeführet / und ein festes Bolwerk davon gemacht ; welches wie das andere en barba und längst den Haven Wasserpaß schiessen kann : So das
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der Feind / welcher den Haven überrumpeln wil 7. Bolwerke und Castelen für ihm findet / daran er die Hörner erst ablauffen muß. 9. An der Land Seite sind sie so bald keinen Feind vermuhtend / dannenhero so viel / und starke Werke sich daselbst nicht finden ; aber doch haben sie sich dergestalt eingerichtet / das sie einen geringen Feind gahr nicht ; einen mächtigen aber nicht son- [28] derlich scheuen. Joh. Leo zwar wil ihre Festung in der schönen und starken Maur setzen ; aber solches wil heutiges Tages gahr nicht angehen. Die Mauren sind zwar dik genug / wie man den woll mit Wagen drauff fahren solte : Aber doch wurden sie die Gewalt mittelmäßiger Canonen nicht einen Tag außhalten können ; die Ursach ist / das sie von aussen und innen zwar von Steinen auffgeführet / solches Futter aber ist kaum einer Ellen dikke / und die Mitte ist nur voller Erde und Leimen geschlagen / dannenhero hie und da / wo etwa ein Stein außgefallen / grosse Lükken nachschiessen / woraus leicht zu erachten / was Festigkeit in den Mauren seyn müsse / die Leo doch so sehr rühmet : Zu dehm kan man leicht an die Mauren kommen / weil der Grabe nicht tieff und dazu trukken ist / wurde also der Feind durch die Mauren schlecht können abgehalten werden. 10. Das sie aber sich keines Feindes befürchten / verursachen die Castele so hin und wieder auffgeführet ; und denn die grosse Macht des Volks / womit die Statt besetzet. Die Castele betreffend / so finden sich über die albereits gedachte / noch 3. andere / worauff sie sich verlassen können. Das grosseste (o) lieget ein ¼ Meil ohngefehr von der Statt / auff einem Berge / ist fest und stark ; in der Mitte stehet ein runder dikker Turm auch mit Stükken versehen / dieser dienet zu einer retirade, und hat 1½ Mann hoch von der Erden eine Fallbrükke / welche wenn sie [29] niedergelassen wird / auff eine steinern Mauer 9. Staffel hoch fället : Hieran mus man auffsteigen / und über die Brükke gehen / wenn man in den Turm kommen will. Es wird insgemein Burs el Empadour oder das Kaysers Castel genennet / weil sie fürgeben / Kayser Carl. V. habe in Belagerung der Statt Algiers, dasselbe in einer Nacht hieher gebauet : Das aber dies vorgeben falsch sey / kan man aus dem Jovio am gedachten Ohrte ersehen / da man finden wird / was er gebauet habe. Zwischen diesen und der Statt/ lieget auff halben Wege noch ein ander aber kleiner Castel (p) oder vielmehr eine Schantze / welches von vorgedachten und der Statt kan bestrichen werden / auch die Passage zwischen beyden frey halten kan. Oben an der Statt lieget das grosse Schlos El Cassa baa (q) genant / wird von der Statt durch eine Zwerch Maur (welche durch unterschiedliche Absätze sich verkürtzet) abgeschieden / ist allendhalben mit Streichwähren und Türmen woll versehen. In diesem Schlosse sind die herrlichen Schätze welche die Rauber so lange Jahr gesamlet / ein Reichthum / der
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nicht woll zu schätzen oder außzusprechen. Auch wird alhie der Divan oder der grosse Rath gehalten / wenn von Regiments Sachen tractiret wird. 11. Ihre meiste Macht aber ist die grosse Mänge der Soldaten / die Jahr aus Jahr ein sich zu Algiers auffhalten. Alle die jene / welche neulicher [30] zeit daher gekommen / berichten aus einem Munde / das 40. bis 48000. Soldaten page oder Sold vom Bassa empfangen / welche theils im Lande wieder die Moren / theils zur See auff die Freybeuterey gebraucht werden ; theils auch in der Statt in Fonduquen sich auffhalten. Weil sie nun solche Macht auff den Beinen haben ; fürchten sie keinen Feind / haben auch weit eine andere Maxima ihre Festungen zu behaubten / als wir Christen. Denn / an statt / das wir unsere Castelen mit Munition, Victualie, und starker Besatzung versehen ; thun sie das Gegentheil / sie entblössen sie von allem / und lassen sie unbesetzet / bis sie sich etwa eines Feindes besorgen müssen : Wie denn in allen Festungen (ohne die auff der Muly) nur ordendlicher Weise 3. oder 4. alte Männer seyn / welche nichts an Gewehr und Proviant bey sich haben / sondern täglich auß der Statt müssen gespeiset werden. Diese sind stark genug / alle nahkommende abzuhalten / weil kein Christ bey des Feuers Straffe in ein Castel kommen darff / oder so man mit Gewalt darin fallen wolte ; das zeichẽ einer Verrähterey zu geben / da den augenbliklich etliche 1000. zum Succurs kommen wurden / und währe die ledige Festung dehm der sie überrumpelt hätte nichts nütze. Wie sichs denn für etzliche 30. Jahren zugetragen / das 800. Callolis sich zusammen gerottet / und die Cassá baa überrumpelt : Aber sie haben es nicht einen Tag [31] halten können / sondern sind alsofort gefangen / und durch Rädern / Haken werffen / und andere grausahme Straffen hingerichtet. Nach der zeit ist die Cassà baa 40. Bulcebassen oder Capitainen zur Wohnung geben / und darff niemand / er sey wer er wolle / ohn ihre Einwilligung dahin einkommen. Wenn aber ein Feind verhanden / (welches sie leicht erfahren köñen / wie c. 4. §. 2. zuersehen) so wird alles geschwinde zugeschikket / und besetzet. 12. Die Grösse der Statt wird ungleich von den Authoren gesetzet. Die jene welche ein zeitlang daselbst gelebet / berichten einmühtiglich ; das sie etwa 1. guhte Stunde gehends sey ; von Bab el Sund an / die Pforte Bab el Cassà baa (oder die neue Pforte (r) weil sie erst für einige Jahren gemachet) fürbey / hinter die Cassa baa umb / bis Bab el Wedd : aber so dicht mit Häusern besetzet und in einander gebauet / uñ von Gassen so schmal / das man einem beladenen Maul-Esel oder Camel kümmerlich außweichen könne : Auch wegen der abhangenden Berge an etzlichen Ohrten so gäh / das bey Winter- und ander Regenzeiten wegen des herablauffenden Gewässers / ein Mensch kümmerlich hinankommen kan. Was die Menschen betrifft / erstrekt sich die Zahl ferne über
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100000. zumahl man dafür hält / das allein 48000. Christen Schlaven in Algiers sich befinden : Wenn man diesen 40000. Soldaten / und die Einwohner zu thut / merkt ein jeder was für eine Zahl sich finden [32] werde. Damit sich aber niemand verwundern dürffe / wie solch eine Mänge Raum und Platz habe ; so ist zu merken / das nicht allein in einem privat Hause oder bey einem Herrn 50. ad 60. Schlaven sich befinden / sondern es sind gewisse Gebäue / darinnen etzliche 100. Menschen beysammen wohnen. 13. Zu den Christen Schlaven sind die Baine oder Schlaven Wohnungen bereitet / welche drunten im 5. Cap. §. 7. beschrieben werden : solcher Bainen sind heutiges Tages sechse / nemlich des Bassà Bain (s) worin der Bassà seine Schlaven bewahret : Des Divans oder Duans Bain (t) gehöret gleichsam gemeiner Statt : Der Callolis (u), Turconouvo (w), Catalins (x), und Schölöbe (y) Baine : Nicht weit von Bab el Wedd sind die 7. Tabernen (z) vor diesen auch ein Bain, nunmehr aber ein Pak-Hauß : Alli Pegelins Bain (aa), welcher drunten l. c. beschrieben wird / ist nicht mehr im Wolstande ; sondern mit seinem Herrn gefallen / und sehr verfallen : wird aber vermuhtet / das er / (weil die Barbaren überhäuffig viel Gefangene täglich bekommen) wieder werde zu rechte gemacht werden. Die Soldaten zu logieren sind herrlich grosse Gebäue bereitet / die sie Cassarien nennen : Diese sind 2. Gaden hoch / und sehr schön ins vierekte erbauet ; an jeder Seiten sind 12. Wohnung / thun auff beyden vertieffungen 96. Wohnung : In jeder Kammer wohnen 12. ad 14. Menschen bey einander / dar- [33] aus ein jeder schliessen kan / wie viel darin sich auffhalten können. Neben diesen sind die Fonduquen davon c. 7. §. 8. gehandelt wird. 14. Sonderliche antiquitäten und raritäten sind sonst in der Statt nicht zu sehen / weil die Türken und Barbaren mehr darauff achten / wie sie Geld samlen ; als künstliche Werke verfärtigen mögen. Die ordentliche Wohn Häuser / sind meistentheils von gehauenen Steinen auff Italienische Manier erbauet / und oben plat / nach der Morgenländer Ahrt. In der Mitte haben die meiste einen offnen Platz / welcher umbher mit Gallerien besetzet. Köstlichen Haußrath haben sie nicht / aber alles ist renlich und sauber : das Pflaster wird mit Matten bedekt / worauff schöne Tapeten gedekt werden ; das ist ihr Stul und Bank / auf solches spreiten sie ein rund ledern Fell / welches ihr Tischtuch davon sie speisen : Ihre Thüren sind zwey Vorhänge / welche sie an beyden Seiten auffschlagen können. Neben diesem gebrauchen sie grosse Kisten / in welchen sie ihre prætiose Sachen verschliessen / und die Kleider verwahren können. 15. Fünff Capital Kirchen mit hohen Thürnen (Schemma von ihnen genennet) finden sich in der Statt / neben etzlichen Capellen mit kleinen niedrigen Thürnen. Für allen ist die grosse alte Kirch am Strande / (Schemma Haqueer) und
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die nahe dabey gelegne neue (bb) welche erst dieses Jahr fertig ge- [34] worden ansehnlich : Die Alte wird vom Leone hoch gerühmet / scheinet aber das die neue ihr wenig nachgeben werde. Inwendig sind sie nach aller Türken Manier gezieret / nemlich : Der Boden mit schönen Matten beleget / und sonst ohn allen andern Zierath ; ins Süd-Osten (als woselbst Mecha lieget) ist in der Wand ein Stein / worauff einige seltzame Schrift von allerhand Charakteren : In Schemma Haqueer ist eine Cantzel / auff welcher die Pfaffen den Alcoran ablesen / da denn die Zuhörer eben so ebentheuerliche Geberde machen als der Pfaffe vorthut. 16. Das Königs Hauß Dar el Sultan (cc) woselbst der Bassá sich auffhält / ist ein schön weitläufftig Gebäue / von Ouatersteinen auff Italianische Manier erbauet / und hin- und wieder mit Marmor außgezieret / wie denn die Gallerien auff Marmor Pfeiler ruhen. Der Bassa hat seine eigne Capelle drin / woselbst er seine Salà hält. Nicht fern von diesen Pallast lieget der Batestan (dd) oder Markt woselbst die Schlaven verkauffet werden. Wie schlechte Lust die Schlaven / (die allhie wie ein Vieh auffgeleitet / und dem meistbietenden zugeschlagen werden /) in Betrachtung dieses Ohrts befinden müssen ; kan ein jeder leicht erachten : Einer freien Person aber kan dieser Ohre nichts als Verwunderung und Ergätzung bringen / in Ansehung / das Er allendhalben so wol auß- als inwendig mit Kramladen umb [35] geben / in welchen die schönste Kleynodien / Seiden und andere Wahren zu finden / und feil gebohten werden. Die Nacht über werden die 2. Pforten geschlossen / und mit Wache besetzet / damit die Schlaven und andere nichts mausen können. Das Vierdte Capittel. 1. Einwohner der Statt / als Christen. 2. Juden. 3. Alarben / Tagarinen / Callolis. 4. Türken / und ihr Gottesdienst. 5. Des Bassa Einkunfft. 6. Außgaben und Gefahr. 7. Seine Wahl. 8. Wie Divan gehalten wird. 9. Ahrt des Gerichts zu Algiers. 10. Ihr Hantierung und Seeraubereien. 11. Der Seerauber Aberglaub. 1. Was die Einwohner dieser Statt betrifft ; davon kan man mit Warheit sagen : Die Statt habe ihre alte Einwohner / nemlich die alte Mauritanische Geschlechte gäntzlich außgespien / in Ansehung das sie mit lauter Frembden besetzet. Solche kan man eintheilen in Christen / Juden / und Mahometisten. Die Christen sind entweder Schlaven ; oder freie Leute / die sich alhie Handlung zutreiben gesetzet haben : diese haben nichts zu sagen / sondern müssen nach der Barbaren Wolgefallen sich richten / niemet auch offters ein schlechtes Ende mit ihnen / wie dessen ein Exempel C. 6. §. 5. zufinden / welches billig einen jeden warnet
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/ dem Geleite der Barbarn nicht zu viel zu [36] trauen. Die Papisten haben vier Kirchen alhie / nemlich in des Bassa, Divans, Pegelins, und Callolis Bayne, worin sie ihren Gottesdienst ungehindert verrichten ; müssen sich aber hüten / das sie nicht zu viel Zieraths blikken lassen / oder der gemeine Pöbel plündert die Kirchen. 2. Des Jüdisches Geschmeisses gibts alhie / (wie allendhalben) die volle Hand : sie werden hie gerne geduldet / weil sie nicht allein grosse Handlung mit den Christen in Italien und ander Ohrter treiben ; sondern auch ihre Correspondenten durch die gantze Christenheit haben / so das die Türken durch sie grossen Gewin in Außwechselung der Schlaven geniessen / imgleichen zeitig können advisiret werden / was man in der Christenheit wieder sie vorzunehmen gesonnen. Wie sichs denn begeben / das A. 1662. die Statt Hamburg zwey Krieges Schiffe außrüstete / ihre Schiffe für die Rauber zubeschirmen ; die Schiffe wahren mit ihrer unterhabenden Flote noch nicht recht in See / da erfuhr man aus Briefen welche die Schlaven zu Algiers geschrieben / das die Hunde schon wusten alle Umbstände ; wie stark / wie Mondirt / wieviel Volks auff der Flote / und wohin der Schiffe Cours sich wenden solle. Eben dergleichen ward zu Wien dem Hamburgischen H. Abgesanten von dem Jüdischen Hauptman richtig gemeldet / der sich denn höchlich verwundert / daß das Gerüchte durch die Juden so bald fortgebracht [37] wurde. Die Türken handeln hierin vorsichtiger ; denn / ob sie woll die Juden dulden / so gestatten sie ihnen doch ausser der Freyheit ihrer Religion und Leibes nicht das geringste / sie müssen sich ärger als die Schlaven fürchten / und können es leicht verkerben das sie in Ungnad fallen / und kaal gemacht werden / dannenhero die Juden wenn sie gleich 100000. Reichst : besitzen / sich doch wie arme Leute halten / und wenig sehen lassen. 3. Die Machometisten die sich alhie auffhalten ; werden eingetheilet in Alarben, Mooren oder Araber, Tagarinen, Callolis, und Türken. Die Alarben sind Numidische Bauren / welche sich mit Viehhüten / Lasttragen / und dergleichen kümmerlich ernehren / ein so arm Volk als unter der Sonnen mag gefunden werden. Sie tragen keine Kleider / sondern wikkeln eine Dekke etzliche mahl umb den Leib / dannenhero sie in der Arbeit offt nakt zustehen kommen ; man rechnet sie unter die Mahometisten / in der That aber wissen sie so viel von einer Religion als ein Vieh / dehm sie auch allerdings gleich leben. Die Mooren oder Araber sind die jene / welche mitten im Lande nach alter Numidischer Ahrt herumb schweiffen und sich bald hie bald da niederlassen. Diese weil sie mit nichts als dem Vieh umbgehen / werden ebenmäßig verächtlich gehalten / und zum offtern als Schlaven an Stadt des Tributs von ihren Alcayden oder Hauptleuten [38] nach Algiers gereichet. Die Tagerinen sind Mauri, oder weisse Moren
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/ nemlich die jene / welche A. 1609. wegen Aufruhrs aus Hispanien vertrieben / und mit grosser Menge alhie aufgenommen worden. (besiehe hievon Eman. von Meter. I. 36. im 1609 Jahr) Sie werden dieser Ursach l’ Andalusin von den Türken genennet / und können weder Soldaten werden / und Page, das ist Sold geniessen/ / noch zu einigen Ehren Ambte steigen / sondern mussen sich allendhalben für die Türken bukken ; dannenhero sie meistentheils sich auff Kauffmanschafft legen / und / (weil sie an den Türken sich nicht machen dürffen) den Schein einer autorität bei den Schlaven suchen wollen / welche es bey ihnen schlecht gnug haben ; zumahl sie nicht allein bey den Tagarinen mehr als bey gebornen Türken geplaget und tribuliret werden / sondern auch keinen Schutz haben für Frembden Frevel. Schläget ein Türk eines andern Türken Schlaven ohn Ursach ; so nimbts der Herr an / als eine Schmach die ihm wiederfahren / und übet Rache : Ein Tagarino aber darff nicht dagegen mukken / denn er selbst mus zu frieden seyn / wenn ein frevelmuhtiger Türk ihm Maulschellen præsentiret / und darff sich nicht wehren / will er anders nicht das ihm die Faust abgehauen werde. Callolis werden die jene genennet / welche von Renegaden das ist verläuchneten Christen / oder Türken (so Page geniessen) und einem Tagarinischen oder Christen [39] Weibe gebohren werden : Diese zwar werden was ehrlicher gehalten als ein Tagarino, denn sie können Soldaten werden / und Page geniessen / aber sie steigen nicht wie andere Soldaten. Es sey denn / das sie so grosse Gühter besitzen / das sie dem Staat auff eignen kosten ein Schiff oder sonsten etwas halten / und ohne der Regierungskosten grosse Dienste thun können : Als denn werden sie zu Belohnung ihrer treuen Dienste herfür gezogen / wie wir dessen an Alli Pisseling drunten Exempel haben. Denn es lebet kein Volk unter der Sonnen / welches treue Dienste besser belohnet als die Türken. 4. Die Türken / oder die jene welche aus der eigendlichen Türkey entsprossen (zu welchen auch die Renegaden oder Turconouvo wie sie sonst heissen gerechnet werden) halten sich / was die Religion betrifft / denen im Osten gleich / und sind in keinem Dinge unterschieden. Und ist wol zu merken / das die geborne Türken / was nicht gemeines Pöbels ist / sich sehr bescheidendlich gegen ihre Schlaven halten / so das mancher Gefangener / der einem gebornen Türken dienet / besser Tage hat im Schlaven- als freyen Stande in seinem Vaterlande : Ja es giebet andächtige Leüte unter ihnen / welche gahr keinen Schlaven kauffen wollen / weil es ihnen unmenschlich dünket / einen Menschen dem Vieh gleich zu achten. Sie nehmen keinen Wein in ihren Mund / und beschämen viel Christen / im mäßi- [40] gen und tugendhafften Leben / auch im Eiffer ihres Gottesdienstes. Ein rechter Türk versäumet lieber alles / als seine Gebeth-Stunden ; So bald bey Tage auff den Thürnen (auff welchen zu diesem Ende hohe Stangen
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oben mit einem Arm als ein Kniegalge stehen) die Fahne als Gebeths zeichen auffgezogen worden / und der Talibs geruffen hat : Ei el Sala, ei el fölla, sche hed Mahomet raisolla ; So gehen sie zur Kirchen. Für der Thür waschen sie sich folgender gestalt : sie streichen die Ermel über den Elbogen / fassen denn eine Handvol Wasser / und fahren damit von der Hand bis über den Elbogen / und denn inwendig des Arms wieder nach der Hand zu / hernach hinter die Ohren. (Wie denn nicht allein zum täglichen Gebrauch / sondern auch dieser Ursach die Wasserleitung (ee) künstlich durch die gantze Statt geleitet / so das fast kein Haus noch Ekke einer Strassen anzutreffen / in welcher nicht Wasser zu finden / welches man aus Kranen zapffen / und wenn man will aus der Kupffern Kelle die an Ketten dabey henget trinken kan.) Wenn sie gewaschen / gehens sie barfus in die Kirche / (vorzeiten liessen sie die Schue draussen für der Thür stehen / weil aber die Schlaven offters die Schue gestolen / nehmen sie die am gürtel hangend mit hinein.) Drauff neigen sie sich gegen alle 4. Winde / und grüssen die Engel (den sie glauben / das beym Gebeth allemahl 600000. zusammen seyn / die zahl aber so da [41] mangelt / ersetzen die Engel) drauff fallen sie auff die Knie / folgends auffs Gesicht zur Erden / denn wieder auff die Knie / und thun ihr Gebeth mit solchem Eiffer / Geschrey / Verdrehung und mächtigen Gebärden / das sie offters braun umb den Kopff werden / denn stehen sie wieder auff / grüssen die Engel wieder / und gehen nach Haus. Bey der Nacht / (wie denn das Sala zu 5. mahlen gehalten wird / als : 1. Für Auffgang der Sonnen das Frühgebeth. 2. Auff den Mittag. 3. Zu Vesper Zeit. 4. Auff den Abend bey Sonnen untergang. 5. Zwey Stund in der Nacht ;) oder wenn sie sonst nicht zur Kirchen kommen können / verrichten sie solches im Hause / oder wo sie zu kommen. Die sonderlich andächtig seyn wollen / gehen gleich den Papisten mit ihren Paternostern / und murmeln ihr Gebeth auff der Gassen. Kein Türk nimbt Speise in seinen Mund / er habe sich denn gewaschen und gesprochen : Bise me Alla. Das ist : Hilff GOTT. Nach gehaltener Malzeit stehet er auff mit diesen Worten : All hemder Allà. GOTT sey gelobet. Was aber wilde Gäste seyn / als Soldaten und Schifleüte / imgleichen die Renegaden (welches die ruchlosesten Schelmen unter der Sonnen werden) die bekümmern sich wenig umb die Gesetze und Religion, sondern treiben allerhand Muthwillen und Frevel. 5. Itzgemeldete Türken und Renegaden sind Herrn der Statt und über dem gantzen Königreiche. [43] Es hat zwar den Nahmen / das sie dem Gros Türken unterworffen seyn / wie viel sie aber auff den Herrn geben / wird in folgenden hin und wieder zu ersehen seyn. Der Divan oder grosse Rath führet sonsten das Regiment der Statt/ in welchem der Bassà (auch wol Sultan oder König beneñet) præsidiret / und alle wichtige Sachen werden hiedurch abgehandelt. Der Bassá
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hat nicht Macht das geringste (woran gemeiner Statt gelegen) zu schliessen / ohn Einwilligung des Divans, wiewoll ihm sonsten die Autorität eines Königes oder Regenten willig gelassen / und in seinem Nahmen alles publiciret wird. Es hat der Bassa Königliche Einkunfften / denn ihm gehöret aller Tribut, so die herumbliegende Könige und Länder der Statt reichen müssen / (wiewoll solcher bißweilen mit gewapneter Hand mus geholet werden.) Aller Zoll und Fälle bekombt Er / imgleichen gehöret ihm allein alles Wachs / Saltz / Bley / und Häute / welches in Algier gebracht wird : Stirbet ein Soldat oder Renegado, und hat kein Weib / so ist der Bassà Erbe : Von einem jeden genommenen Schiffe / bekombt Er die helffte Schipspart / und den achtesten Pfenning von allen Wahren welche drinnen sind / wie auch den achtesten Schlaven der gefangen wird / dannenhero die Schlaven / wenn sie erst ankommen (verstehe was Schiffer / Kaufleüte / und Passagier sind / oder welche man fürnehm zu seyn vermuhtet) ihm [42] fürgeführet werden / da Er denn die Wahl hat zu nehmen welcher ihm beliebet : Wenn auch ein Schlav schon verkauffet ist / hat der Bassa noch die Macht des Wiederkauffs / dannenhero selten die Edelleute / Capitaine / und andere / in eines andern als des Bassa Händen kommen. Alle Buden und Kramladen geben dem Bassa Monathlich einen Real oder halb ohrts Thaler ; alle Kauffmanschafft die in und außgehet muß den Zehenden Pfenning dem Bassa lassen ; und von jeden Schlaven der gekauffet oder gelöset wird / hat der Bassa allemahl 25. pro Cento des Wehrts warumb er gekauffet oder loßgelassen worden zu geniessen. 6. Von diesen grossen Einkunfften mus er gleichwoll auch ein grosses Jährlich außgeben / in Ansehung / das er 40. bis 48000. Mann Jährlich die Besoldung reichen mus / womit es denn diese Beschaffenheit hat. Es wird ein jeder Soldat erstmahls eingeschrieben umb 10. Real, das ist fünff Ohrts Thaler den Monath ; alle Jahr aber steiget er in Monathlicher page 4. Real oder einen halben Reichsthaler / hält er sich woll / so bekombt er für jeden Kopff einen halben Thaler höher page, und also steiget die Page bis er Monathlich 80. Real oder 40. Ohrts Thaler zu geniessen hat / alßdenn wird der Soldat ein Aude-Bassa, das ist Unter-Officir ; nach seinem wolverhalten steiget er / und wird ein Bulce-Bassa oder Ober Officir als Leut- [44] nand oder Capitain : Hierauff Mussol-Aga das ist Obrister / bis Er Aga oder Generals Person wird / wie denn ein jeder nach seiner Tapfferkeit erhöhet wird / er sey Renegado oder Türke. Neben dem Gelde hat ein jeder gemeiner Soldat / der nicht verheyratet ist / alle Morgen 4. Brod / welche Jahr aus Jahr ein ihr Gewicht haben müssen : So bald er aber ein Weib nimbt / bekombt er kein Brod mehr / es sey denn das er sich scheiden lässet. Gleicher gestalt gehet es auch mit den Officiren / die aber nach Advenant steigen/ so das ein Mussel-Aga alle Morgen 16. Brote bekommet. Ist der Bassa säumig mit der Zahlung / so ist fort
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ein Aufflauff : Wie sich denn die Soldaten nicht scheuen dem Bassa (wie vielen geschehen) nach dem Kopff zu greiffen ; oder in gefängliche Hafft zu nehmen / und einen andern einzusetzen. 7. Wenn es ordendlich zugehet / so wird der Bassa von dem Gros Türken geschikket oder benennet / womit es folgende Beschaffenheit hat : Der regierende Bassa, schikket im dritten Jahr seiner Regierung dem Käyser 12. der schönsten und besten Knaben / Hispanischer oder Italianischer Nation / (Teutsche / Franzosen und Engelländer werden aus gewissen Absehen hiemit verschonet) in roth Scharlach prächtig bekleidet / auch mit köstlichen Musqueten und Säbel (welche offters über 200. Ducaten wehrt geschätzet werden /) zierlich mundiret / zu [45] einem Præsent und Verehrung / das es ein Tribut sey / wollen sie nicht gestehen. Der Käyser hingegen schikket dem Bassa (wofern er länger als drey Jahr bleiben soll) eine Fahne / und confirmiret ihm hiemit das Regiment auff 3. folgende Jahre. Oder : Er benennet einen andern / der die Regierung in den nechsten 3. Jahren führen sol. Bißweilen schikket er mit etzlichen Schiffen einen Bassa von der Pforten hehr / dieser leget sich so lang auff der Reede für Anker / bis Er mit der Statt sich verglichen über ein und andere Conditionen so der eine Theil dem andern fürschreibet. Können sie sich vergleichen / so wird der alte Bassa mit grossem Pomp außbegleitet / und der neue wird hingegen wieder eingeführet / und unter dem Gedonner der Castelen und Schiffe auff die Cassa baa ; und von da nach Dar el Sultan gebracht. Zugleich werden des Käysers Præsente / welche er den fürnehmsten / als dem Admiral, General, und andern Hohen Officiren schikket / (welche ins gemein in schönen Weis und Gold gewirkten Cafftanen oder Türkischen Rökken bestehen) überliefert / und mit grosser Ehrerbietung angenommen. Wenn es aber der Statt nicht gelegen den Käyser zu fragen ; oder sie mit dem geschikten Bassa nicht accordiren können / so mus er wieder zu rükke / und sie erwehlen selbst einen Bassa aus ihrem Mittel / da denn fürnemlich dahin gesehen wird / das die Person von grossen Mitteln / und also den verlag [46] habe die Soldatesca richtig zu bezahlen ; achten es auch nicht / ob gleich der Käyser wiederspricht / und ihnen drohet / denn sie wissen woll / das sie nicht seiner / sondern Er ihrer benöhtiget / und also nicht gern sie erzürnen werde. 8. Der Divan oder grosse Rath / (bey welchen wie gemeldet / die Regierung der Statt stehet) wird / wenn es grosse Regiments Sachen / als Gesandschafft hören / Krieg oder Fried zu schliessen betrifft / in der cassa baa ; sonst aber / in des Bassa Pallast gehalten / und gehören dazu alle Krieges Officir / vom geringsten bis zum höchsten / dannenhero über 300. bey vollem Rath zusammen kommen. Der Bassa setzet sich alßdenn in der Galleria seines Pallastes / zu seiner linken sitzet sein Caja oder Leutnant ; an des Bassa Seiten stellen sich in einer
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langen Reihe die Agen, und Mousul-Agen, an des Caja Seite die Bulce-Bassen und Aude-Bassen : Diese alle stehen neben ein ander / und haben beyde Daumen in die Leibbinde gestekket / weil niemand die Hand rühren / sondern ein über die auder geschlagen so still halten mus. Drauff lässet der Bassa durch die Chiaussen oder Gerichts Diener die proposition thun ; die Gegenwertige unterreden sich / ein jeder mit seinen Nachbarn an beyden seiten / so das einer den andern ins Ohr befraget und antwort giebet / dannenhero kein Geräusch oder gelaut im geringsten gehöret wird : Wenn der Chiaus die [47] Vota samlet / so hebet er bey den geringsten an / und endiget beym fürnehmsten Aga : So es deñ geschicht das die Unter Officir oder geringste den Oberen und Höchsten wiedersprechen / und die meiste Stimmen haben / so befraget sich der Bassa woll mit den Agen und Bulce-Bassen, ob es bey der Jungen Räthe Meinung bleiben soll oder nicht : Wird die Sache so gelassen / wie die Aude-Bassen gestimmet / ob denn gleich alles über und über gehet / so hat doch niemand einige Verantwortung ; Wird aber ihr Votum verworffen / so ists guth wenn die Sache woll abläufft ; geräth es aber nicht / so wird gleich ein Aufflauff wieder die Grosse / und wer in der Fürie ertappet wird mus herhalten. 9. Der Bassa und sein Aga sitzen täglich Gericht / und geben einem jeden / auch selbst den geringsten Schlaven audientz und schleunigen Bescheid / solches geschicht des Morgends von 9. bis 12. und des Nachmittages von 4. bis 6. Wer nun mit jemand für Gericht zuschaffen hat / der gehet zu seinem Gegenpart / und wenn er ihn antrifft ; es sey auff der Gassen oder zu Hause / sagt er nur : Schir Allà das ist : Für Gottes Gerichte (verstehe lad ich dich ;) alsobald mus der andere ihm folgen und erscheinen / oder stehendes Fusses die Statt verlauffen. Wenn nun beyde Parteyen für den Bassa erscheinen / so machet der Kläger eine tieffe reverentz. und bringet seine Klage an : Beklagter giebet runde Antwort / wor- [48] auff Kläger repliciret / und Beklagter nochmahl excipiret / wenn das geschehen ; wird ein Urtheil gefället / und der schüldige Theil nach Gebühr bestraffet / auch die execution auff stehendem Fusse gethan / so das es kurtze Processe in Algiers giebet. 10. Das Mittel / wodurch dieser Ohrt zu grossen Reichthumb und Macht gestiegen / ist nichts als rauben und streiffen auff die Christen. Es geschicht zwar grosser Handel von Livorno / ja woll gahr von nähern Plätzen unter andern Schein dahin / durch welche ihnen alles gebracht wird / was sie so wol zum Leben / als auch zum Kriege nöhtig haben. Auch wird ein grosses Guth daher geholet ; aber es ist nichts als Diebes Guth / nemlich das jene / so sie den Christen abgenommen und geraubet ; dannenhero billig ein Zweifel entstehet / ob ein Christ mit guhtem Gewissen auff Algiers handeln könne ? Wir wollen die Ant-
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wort andern heimstellen / und besehen ihre Ahrt die sie haben sich wieder die Christen zu rüsten. Es schlagen sich etzliche oder viel reiche Leüte zusammen / und rüsten so viel Schiffe aus auff ihren eignen Kosten / als sie können oder wollen ; solche versehen sie mit Victualie und Munition nach bestem Vermögen / wehlen ihnen auch Officir und Schiffer nach Belieben. Wenn die Schiffe solcher Gestalt segelfertig ; so wird eine Fahne auff gestekket / zum Zeichen das die Schiffe außlauffen sollen. Also fort erhebet sich ein Zulauff / von Sol- [49] datẽ / Tagarinen, Callolis und allerhand Geschmeis ; die Reeder so alßdann an Boort seyn / geben achtung drauff / wer ihnen anstendig / oder Gewehr bey ihm hat : Unbewehrte Gäste / oder die ihnen nicht gefallen / werden zurük gewiesen ; zumahl solch ein zulauff ist / das sie den Überschus mit Prügeln zurük weisen müssen. Wenn sie nun eine gewisse Zahl Schlaven als Bootzleute eingenommen / lassen sie die Schiffe in See gehen. Kommen sie wieder ohne Beute ; so haben die Soldaten und das Volk nichts von den Reedern zu erwarten : bekommen sie Beute / so ziehen die Reeder erst ihr Theil / welches ist das halbe Schiff / die ander helffte gehöret dem Bassa ; imgleichen von den Wahren und andern Beuten die helffte : Von der andern helffte wird des Bassa Antheil abgezogen / und das übrige / unter die Officir / Soldaten / und Schifleute nach proportion getheilet ; wobey zu merken / das ein Herr für seinen Schlaven der Schiffknecht gewesen / 2. mahl so viel ziehe / als ein Soldat ziehen kan. Der Bassa, oder die gemeine Statt / hat allemahl grossen Nutzen zu erwarten / kan aber keinen Schaden dabey leyden / weil sie keine Unkosten drauff wendet. Auch wird es nichts geachtet / wenn gleich ein Hauffen Volks darüber niedergemacht worden : Denn je mehr aus dem Wege geräumet werden / je besser habens die Übergebliebene ; auch kan die Statt wen sie nur nach der Levante schikket so viel Volks wieder bekom- [50] men als ihr beliebet. Über dem Verlust eines Hundes bekümmern wir uns mehr / als sie über dem Verlust etzlicher hundert Mann sich betrüben. 11. Wenn die Rauber auff der Rauberey in See seyn / und die Strasse passiren / so haben sie allerhand abergläubische Ceremonien ; in der Außfahrt schlachten sie ein verschnitten Hammel / theilẽ solchẽ in vier Theil / und so ein Haiza (das ist einer der zu Mecha gewesen) im Schiff / so nimbt er zwey viertel des Hammels / thut sein Gebeth mit vielen lächerlichen Ceremonien, und wirfft ein Viertel hinten aus / das ander aber vom Vordertheil des Schiffs / mit einem Krug Oel und einem brennenden Wachslicht in See : Ist kein Haiza zugegen / so thuts der Capitain. Wenn dieß geschehen / thun sie einen Schuß / und verzehren die zwey übrige Viertheil. Wenn sie wieder zurük kommen / werffen sie nichts als Oel über Bord / und glauben ; das ein heiliger Maribout oder Einsiedler irgendwo wohnen soll / der sich von diesem Oel nehre. Ists zu Nachts das sie in der Strasse
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kommen / so setzen sie auff ein jeder Stükk ein brennend Wachslicht / bis sie durch die Strasse gekommen. Wenn sie grossen Sturm haben / oder sonst in grosser Gefahr seyn / so werffen sie von allen vier Ekken des Schiffs ein viertel vom Hammel über Bord / das soll ihnen guhten Wind / und grosses Glük bringen. Der Grund dieser Ceremonie ist im Buch Zuna, oder [51] dem Anhang des Alcorans zu finden / da gemeldet wird : Das die Hämmel die sie dem Mahomet zu Ehren schlachten / für ihre Schlächter bitten daß es ihnen wolgehe : Wenn auch der Engel Gabriel, (wie sie glauben) die Sünd und guhten Werke der Menschen abwieget / so sollen sich die verschnittene Hämmel in die Schale der guhten Werke legen / etc. Wir lassen ihnen ihren Aberglauben / und wenden uns wieder zu der Historia. Das Fünffte Capittel. 1. Der Bassa besichtiget die Schlaven. 2. Wie die Schlaven verkauffet werden. 3. Des Bassa Schlaven Kauff. 4. Wie man Schlaven nach der Galee schikket. 5. Alli Pisselings Hoffstatt. 6. Wer Alli Pisseling. 7. Beschreibung des Bains. 1. Sobald wir zu Lande kahmen / liessen uns die Reeder / das ist die jene welche diese Schiffe außgerüstet hatten / nach dem Batestan bringen / zusehen / ob uns niemand kennen werde. Von da wurden wir dem Bassa (damahls Ibraim Hozi, dessen drunten in der 39. Historia weitläuftiger gedacht wird) fürgeführet ; damit er sein Gebühr aus uns nehmen mögte. Er saß in seinem audientz Saal / mit Creutzweis übergeschlagenen Beinen / als die Schneider hie zu Lande bey ihrer Arbeit / auff eine breite Bank mit blauen Tapeten bedekt. In seiner Hand hatte er einen Windwäher [52] von Straußfedern / seine Kleidung wahr ein langer Rok von rohter Seide / und hatte auff seinem Haupt einen grossen Tulpant oder Türkischen Huth / welcher sehr künstlich gewunden ; die Beine wahren nakt. Er wahr sonst ein Mann von guhten Ansehen. Weil er nun albereit / ehe wir für ihm gebracht wurden / unterrichtet wahr / das der Ritter Philip de Cherf ein vornehmer Edelman sey/ so nam er ihn zu sich für sein Antheil. 2. Am 12. Septembr. wurden wir zu Markte gebracht. Ein alter Außruffer wahr da mit einem Stok in der Hand / der nam mich bey einem Arm / und führete mich etzliche mahl über den Markt / und die jene welche mich zu kauffen lust hatten / fragten nach meinen Nahmen / und Hantierung. Worauff ich der längst unter uns genommener Abrede nach / zur Antwort gab : Ich währe im Dünkirchischen Gebiete gebohren (den ich wolte nicht kund thun / das ich aus Brüg in Flandern bürtig) in der Statt Damm / und sey ein Soldate. Sie fühleten meine
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Hände / ob dieselbe hart / und der Arbeit gewohnet währen ; Ich muste den Mund auffthun / und sie gaben achtung auff die Zähne / ob dieselbe stark genug das Schiffs Broth (welches zweygebakenes und so hart als ein Stein) auff den Galeen damit zu beissen. Nach diesen musten wir alle niedersitzen / und der alte Außruffer / nam den vordersten bey den Arm / und ging einmahl oder drey mit [53] ihm den Markt auff und ab / ruffende : Arrache, Arrache, das ist : Wer bietet mehr dafür ? Wie der erste verkauffet wahr / so stelte er ihn an die andere Seite / und fing mit den andern von neuen an : Ich ward endlich einem Nahmens Saban Galan für 200. Reichsthaler zugeschlagen. 3. Hierauff wurden wir allzumahl noch eins für den Bassa gebracht / und hatten auff unsere Hüthe eine Schrifft worin verzeichnet / wie teür wir verkauffet worden. Der Bassa nam uns drey / nemlich Herrn Caloen, Saldens, und mich / für sothanen Preis als wir verkaufft worden zu sich ; mit vorgeben / er wisse schon umb unsere Mittel / das wir reiche vornehme Edelleute währen. Man bracht uns aber (unerachtet des hohen Standes welchen der Bassa uns zueignete) in einen Stall an seinen Pallast / woselbst wir 250. Schlaven funden / welches alle Galeebuben wahren / und blieben wir daselbst auff solche Weise ein und zwantzig Tage / bekahmen indessen täglich zwey Brothe zu unser Nahrung. 4. Es wahr damahls umb die Zeit / darin die Galeen ihren letzten Zug im Jahr thun. Die Schlaven die mit uns da wahren / pakten all ihr Guth ein / umb zu Schiffe zu gehen. Es ward auff des Bassa Befehl einem jeden Schlaven 5. Ellen Leinwand gegeben / ein Hembde und Galee Hosen davon zu machen. Ich bekam meinen Theil gleich den andern/ welches mir woll zu statten kam / denn [54] ich hatte nur ein alt zerrissen Hembde welches schon voller Läuse. Des Tages / wie die Schlaven zu Schiffe gehen solten / kahmen in den Stall 5. oder 6. Balbierer Jungen / welche den Galee Buben Haar und Bart abschoren ; wie sie alle beschoren und geputzet wahren / kahmen die Capitaine der Galeen mit des Bassa Hoffemeister in den Stall / und liessen alle Schlaven heraus in einen offnen Hoff gehen / mit einem Zettul / worauff eines jeden Ampt und Verrichtung auff der Galeen verzeichnet. Wie sie ihre Zahl voll hatten/ und noch unser Zwantzig übrig wahren ; sprach ein Capitain zu dem Hoffemeister im vorbey gehen : Wir wollen dieß nichtswehrte Gesindel nur an Land lassen / den sie seyn noch wild : das ist / verstehen noch die Sprache nicht / weil sie erst angekommen. Also musten jene fort / wir aber blieben zu Hause. 5. Der Bassa merkte indessen / das wir nicht so vornehme Herrn währen als er woll vermuhtet ; lies uns also in seinen Audientz-Saal fodern / woselbst Alli Pisseling bey ihm wahr / welcher uns anzeigete / Er habe uns von dem Bassa gekauffet. Lies uns drauff nach seinem Hause führen / da wir 20. Schlaven fun-
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den / welche die Hauß-Arbeit verrichten musten / über dehm wahren noch 40. Knaben da / von 9. bis 15. Jahren / diese musten nicht aus dem Hause kommen / aus Furcht / sie mögten von den Türken zur stummen Sünde mißbrauchet wer- [55] den. (Denn was Pegelin betraff / so hatte er das Lob / das er ein Feind sey dieses erschreklichen Greuels.) Es wurden diese Jungen von ihm zu seinem Pracht gehalten / auff Ahrt und Weise / wie die Christliche Potentaten ihre Edel-Knaben halten. 6. Es wahr aber Alli Pisseling (oder Pegelin) einer der fürnemsten zu Algiers ; und in Ansehung seines grossen Reichthumbs / von allen hochgeachtet / so das er zu der Zeit der General über die Galeen / und darneben der fürnemste Aga gewesen. Seiner Ankunfft nach wahr er ein Callolis deñ seine Eltern wahrẽ von Flißingẽ aus Seeland bürtig ; weil nun die Seelander und Flißinger Pisselingos in Algier genennet werden / so blieb ihm der Nahme Pisseling. Von seinen Eltern hatte er so grossen Reichthum ererbet / das er 8. Schiffe und 5. Galeen auff seinen eignen Kosten außgerüstet / womit es ihm auch dergestalt geglükket / das er nicht allein sein guth unzählig vermehret / sondern auch für allen herfürgezogen worden / so gahr / das er A. 1645. zum Bassa von der Soldatesca erkläret worden / welches sich folgender gestalt verursachet. Isouf Bassa, des Ibraim Hozi nachfolger könte zu rechter Zeit nicht zahlẽ / also empörete sich A. 1644. die Soldatesca / setzte ihn auff der Muly im Turm des Castels gefangẽ / und erwehlete Mahomet Bassa an seiner Stelle. Wie dieser etwa ½. Jahr das Ambt verwaltet / lies er sich auch säumig spüren / worüber die Soldaten abermahls [56] sich empörten / und den Mahomet seines Ambts entsetzten / liessen ihn aber ehren halber im Königl. Pallaste wohnen / und verschafften ihm Unterhalt seinen Staat zu führen : Alli Pisseling aber gaben sie die Verwaltung der Gelder und Ambtsverrichtung. Mahomet klagte über diesen affront heimlich bey der Pforten / worauff der Käyser einen Chiaus abfertigte / welcher zu Algiers im grossen Rath aufftrat / und im Nahmen seines Herrn des Alli Kopff foderte /den Mahomet aber zu restituiren begehrte. Solches wahr dem Divan ungelegen / muste also der Chiaus unverrichteter Sache abziehen / und seinem Herrn zur Antwort bringen : Es sey Alli Pisselings Kopff nicht allein gewegert / sondern Er gahr mit vollenkommener autorität zum Bassa bestätiget / Mahomet aber gäntzlich abgesetzet. In diesem Ehrenstand saß Alli 1. Jahr / da befand er wahr zu seyn was Jener sagt : Tolluntur in altum, ut lapsu graviore ruant. Denn es ging ihm wie seinen Vorfahren / er merkte / das die Zahlung ihm zu schwer fallen wolle : Damit es ihm nun nicht wie den andern / oder vielleicht ärger ergehen mögte / so pakte er seine Schätze heimlich zusammen / verlies Algiers bey der Nacht / und flohe mit seinen Weibern / Guthe / und 4. Schlaven denen er Freyheit verheissen / nach Cucu einẽ sehr festen Passe
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/ (etwa 7. Meil von Algiers woselbst nur 2. Mann neben einander einkonnen /) daselbst ist er 5. Wochẽ hernach gestorben ; [57] sein Leichnam ist Tod wieder gen Algier gebracht / und in ein Maribout oder Heiligen Begräbnüß (ff ) geleget worden. Es sol an diesem Ohrte von der zeit an schrekliche Gespenste sich die nacht über spüren lassen / das kein Mensch da umbher dauren kan. Sein Bruder Hamet ward nach ihm wieder seinen Willen drauff Bassa gemacht / aber es daurete nicht lange / denn er muste es ebenmäßig verlauffen. 7. In unsers Herren Hause blieben wir nicht lange / sondern wurden in seinen Bain gebracht. Es ist aber der Bain ein Gebäu / worin die Schlaven und Galeebuben des Herrn wohnen / lieget dicht an des Herren Hause mit folgender Gelegenheit. Anfangs hats einen engen Eingang / von da kom̃ et man in ein grosses Gewölbe / welches sein Licht durch einige Gitter von oben empfängt / aber so wenig / das am hellen Mittage man in einigen plätzen Licht brennen mus. Es giebet hie unterschiedliche Schenken oder Wein Häuser / die Krüger sind Christen / dieses Bains Gefangene / Die Gäste sind Türkische Seerauber und Soldaten / welche ihre Zeit mit Sauffen / und Verübung der verfluchten Sünden zubringen. Oben ist ein vierekter Platz zwischen den Galerien die zwey Gaden hoch sein / woselbst auch einige Schenken / und eine Päpstliche Kirche / worin 300 Personen gehen / und die Messe anhören können. Das gantze Gebäu ist oben flach / auff Spanische Manier. In diesem Gebäu / wahren [58] 550. Schlaven / welche alle unserm Herrn Alli Pisselling zukahmen / dehnen er gleichwol nicht das geringste zu ihrer Erhaltung reichen liesse. Der einige Trost wahr / das wir alle Tage drey oder vier freye Stundẽ hattẽ / darin wir uns umb unsere Nahrung umb thun mögten / wie aus der 19. und 20. Historia zu ersehen. Hie mus ich erzehlen das jene / welches mir die erste Nacht in diesem Zimmer wiederfuhr. Ich wuste nicht / wohin ich mich zu ruhen begeben solte ; Weil ich nun niemand des Ohrts kante / so ging ich des Abends mit einer Dekke / die ich aus des Bassa Hause mitgebracht hatte / oben auff das Dach des Bains, weil mir solcher Ohrt am bequemsten dauchte damit ich niemand beschweren dürffte. Indehm hörete ich drunten in dem offnen Platz des Bains den Gvardian, (das ist der jene welcher auff die Christen Achtung giebet / und sie zur Arbeit treibet) überlaut ruffen / das eine gewisse Zahl Schlaven mit anbrechenden Tage zur Arbeit sich solten finden lassen : Nach solchem Anmelden ging er fort / und schlos den Bain nach ihm zu. So bald die Pforte geschlossen wahr / sahe ich einen alten Fuchsen / Nahmens Fontimama, mit einem grossen Bündel Leinen und Wollen / Hembde / Kleider / einen kupffern Topff und ander Haußgerath ankommen / der legte seinen Kram aus / und fing an zu ruffen : Arrache, arrache. Ich fragte einen Schlaven / was es bedeute ? Er antwortete mir : [59] Weil unser Herr seinen
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Schlaven nichts zu essen giebet / so lebt der meiste Theil vom stelen / und man verkauffet alle Abend die Beute / welche am Tag erobert worden. Das Sechste Capittel. 1. Beschwerliche Schlaven Arbeit. 2. Traurige Kurtzweil. 3. An der Rescontre. 4. Wexel Costume in Algiers. 5. Klägliches Exempel. 6. Accord mit dem Gvardian. 7. Lüstig Schlaven Gefechte. 1. Am folgenden Morgen / noch für Auffgang der Sonnen / kam der Gvardian in dem Bain und rieff : Sursa Cani ; à basso Canalla. Das ist : Stehet auff ihr Hunde ; herab ihr nichts wehrtes Gesindel / das wahr unser guhten Morgen. So fort führete er uns zu Bab el Wedd hinaus / woselbst wir an dem Wege nach dem Castel / Säiler schlagen musten / ungefragt ob wir das Säiler Handwerk verstünden oder nicht. Mein Gefährte Reinhart Saldens und ich / musten das Rad drehen / welches wir mit grossen Eiffer und Geschwindigkeit verrichteten / weil der Gvardian uns immer Forti, Forti zurrieff / und verhofften Dank zuverdienen / vermeinende das Forti stark und geschwind heissen solte : Aber zu allem Unglük redete der Gvardian Franco, welches die gemeine Sprache unter den Schlaven und Türken / und zusammen gesetzet [60] ist aus Italianisch / Französisch / Hispanisch / Portugiesisch / etc. aldieweil es sonst unmöglich fallen wolte so viel Schlaven aus so vielen Nationen zu regieren. In solcher Sprache aber hies Forti so viel als sachte / und langsahm : weil nun der Gvardian durch sein Ruffen nicht erlangte was er begehrete / so lieff er auff uns zu / und lehrete uns mit einem starken Prügel und schweren Streichen was forti heisse / und bedeute. 2. Nachdem eine gnugsahme Nothdurfft Säiler und Tauen verfertiget / da lehrete man uns ein ander Handwerk / (welches aber weit mühseeliger für die / welche der schweren Arbeit nicht gewohnet seyn /) nemlich wir musten Korn in einen steinern Mörser zerstossen / welches ich mit grosser Mühe aber wenigen Vortheil verrichtete / weil ich viel zu schwach dazu wahr. Der Gvardian sahe / das ich nichts mit aller meiner Arbeit fortbrachte / rieff mir also zu : Laß das Werk bleiben du Hund / du bist noch zu wilt. Wie das Korn gestampffet / ward es in Säkke gethan / worüber ohngefehr etwas auff die Erde verspillet ward / der Gvardian sahe solches und sprach zu mir : Pilla esso Cani. Nim das auff du Hund. Weil ich aber die Sprache noch nicht verstand / und also nicht wuste was Pilla zusagen wahr / so gab er mir drey oder vier so harte Pillen mit dem Prügel auff den Rükken / daß das Bluth darnach ging / denn ich wahr oben im Hembde / und [61] also lernete ich was Pilla hiesse mit grossen Schmertzen. Wie das
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Korn in den Säkken / legte er einem jeden einen Sak auff den Nakken : Ich wahr aber mit meinem Sak kaum vier oder fünff Schritte fortgangen / da entfiel mir der Sak / weil ich ihn wegen meiner geringen Stärke nicht erhalten könte. Der Gvardian halff mir den Sak wieder auff legen / gab mir aber zur bezahlung seiner Hülffe drey oder vier Maulschellen / so hart das mir das Bluth zu Maul und Nase außstürtzete ; welches mich den zwang die Last so kümmerlich als ich vermögte fortzuschleppen. Es überfiel mich aber ein neu Unglük ; denn wie ich einige Schritt gegangen / so zerbrach mir durch die Macht die ich thate mein Hosen Nestel / und ich fiel voller Scham mit dem Sak auff der Erden : Die Angst so ich in dieser Noth hatte für Schläge / machte mich geschwind / den Nestel nach bester mögligkeit wieder zubefestigen / Ich hebte durch Hülffe guthertzige Leute die vorüber gingen den Sak wieder auff den Nakken / und ging also nach meines Herren Hause zu : Wie ich da kam / fiel ich noch eins mit dem Sak auff die Erde / weil ich von den schleppen so müde wahr / das ich mich kümmerlich rühren könte. Aber das halff alles nichts / die schwereste Arbeit wahr noch für der Hand / denn es musten die Säkke 40. Stuffen hoch auff den Kornboden getragen werden ; welches mir gleichwol zu thun unmöglich fiel. Zu allem Glükke [62] kam Reinhart Saldens die Steigen wieder herunter / und trug meinen Sak hinauff / sonst würde der letzte Betrug ärger als der erste gewesen seyn. 3. Hiemit wahr des Tages die Arbeit verrichtet / und wir hatten Feirabend. Ich ging sehr betrübt und schwermühtig nach dem Bain, da mich Reinhart Saldens nöhtigte in einen Krug des Bains, einen Trunk Weins zu thun / damit ich ein wenig mich erquikken mögte : Denn es hatte dieser Saldens als wir gefangen worden / noch ein 5. oder 6. Pistoletten heimlich verborgen / und also behalten. Er lies eine Kanne Weins langen / und etwas Essen / welches nichts kostet / denn wenn der Wein bezahlet wird / gehet die Speise im Kauff. Unter dem Essen kam unser Gefährte Herr Caloen, der hatte den Tag einen Maul-Esel mit zweygebaknes Schiffsbrod geladen / aus unsers Herrn Hause nach dem Strand getrieben / wobey sich mit ihm dieses begeben : Die Gassen in Algiers sind / (wie gehöret /) sehr eng und voller Koth / dannenhero ists gebräuchlich / das man allemahl / wen man ein geladenes Maulthier oder Camel treibet / dehnen so einem entgegen kommen / zuruffet belec : das ist / tretet aus dem Wege ; welches dieser neue Eseltreiber nicht wuste / also hatte er einen Türken gestossen daß er gefallen : Wie der Türke wieder auffkam wahr er sehr erbittert / zukte also sein langes Messer / welches sie wie hie zu Lande wir die Degen / [63] in den Stäten tragen / in willens Herrn Caloen niederzumachen / und wurd es ihm übel bekommen seyn / wenn nicht zu allem Glük andere Türken dazwischen gekommen / und für ihn gebethen hätten / sagende : Was wolt ihr mit ihm machen ? Ihr sehet ja /
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das er noch wilt ist / und die Manier noch nicht weis. Sie nanten ihn wild ; weil er noch seine Spanische Kleidung trug / worbey ein jeder merken könte / das er neulich erst angekommen. 4. Wir brachten den Abend so mit einander zu / und erzehleten einer dem andern unsere Begebenheiten. Weil wir aber sahen / das wir täglich arbeiten musten / und gleichwol von unserm Herr nicht ein stük Brods bekahmen / zum Stelen gleichwol weder frech noch geschwind gnug wahren / sintemahl dieses Handwerk eine sonderbahre Geschikligkeit erfodert / fürnemlich in der Statt Algiers, da es so voller Diebe / und also ein jeder desto fürsichtiger ist : So nahmen wir vier / nemlich der Ritter Philips de Cherf, Mons. Caloen, Reinhart Saldens und ich uns ein anders für / nemlich : Wir wolten zu einem Italianischen Kauffman nahmens Francisco Capati gehen / und von denselben 75. Reichsthaler auffnehmen mit versprechen / ihm dafür in Antorff 100. wieder zahlen zu lassen. Stelleten solch vornehmen auch folgendes Tages fort ins werk ; der Kauffman wahr dessen zu frieden / mit dem Beding das einer für den andern und also [64] eins für alles solte Bürge seyn und verbleiben / also empfingen wir ein jeder 4. Reichsthaler auff Rechnung. 5. Dieses Francisco Capati mit mehrem zugedenken / verursachet das grosse Unglük welches ihn endlich getroffen. Im 1661. Jahr eroberten die Barbaren eine grosse Quantität Sukker / und wahren begierig einen resoluten Kauffman zu sehen / der die gantze Partey behalten mögte. Francisci Sohn überredete seinen Vater / das er die Partey wagen / und (weil zu Livorno und andern Ohrten in Italien der Sukker sehr teur) ihn mit einer Schiffs Ladung dahin senden möge. Francisco, in Hoffnung eines guhten Gewins / lässet sich bereden / gehet also zu dem Bassa, und bittet denselben (neben Verheissung grosses lnteresse) das er doch für ihn caviren / und den Sukker auff gewisse Zeit zu zahlen ihm folgen lassen wolle. Die Condition wird angenommen ; Francisco nimbt den Sukker mit Freuden in Possession, sendet auch so fort seinen Sohn mit zweien reichbeladenen Schiffen nach Livorno / in Hoffnung / die Barbaren mit ihrem eignen Gelde zu bezahlen / und über dehm noch grossen Reichthum zu samlen : Aber er fand sich hefftig betrogen. Denn der Sohn blieb zu lange aussen / und schikte (weis nicht aus was Ursachen) in bestimter halb Jahrs zeit kein Geld ; und das Unglük schlug zu / das die Soldaten ihren gemeinen Ge- [65] brauch nach den Bassa anstrengeten Geld zuschaffen / welcher sich mit Francisco Capati (oder Apatti wie die Türken ihn nenneten) entschüldigte / mit vermelden / das nichts / als dessen Säumnüß ihn an gebührlicher Zahlung gehindert habe. Das frevelmühtige Gesindel / welches albereit 3. Bulce-Bassen die Köpffe abgerissen hatte / rieff mit ungestüm : Ob sie vom Kauffman Geld erpressen mögten wie sie könten und wolten ? Der Bassa,
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dehm es rathsahm dauchte die Gefahr so über seinem Haupte schwebte durch eines andern Unglük abzuwenden / gab zur Antwort : Der Kauffman stehe in ihren Händen / sie mögten mit ihm machen was sie wolten. Hierauff fiel der bluthdürstige Hauffe des Francisci Haus an / plünderte dasselbe / und nam ihn selbst gefangen / begehrte auch mit grossem Drohen das Geld. Weil solches aber unmöglich folgen wolte oder könte / machten sie kurtzen Process mit ihm /denn sie führeten ihn zur Statt hinaus / machten Feur / und verbranten den armen Menschen lebendig. Der Sohn / als er des Vatern Tod erfahren / wolte dem Frieden nicht trauen / blieb also in Italien / seine Haußfrau aber lebet noch itzo arm und elend in Algiers. Dienet woll zu merken für die / so mit ander Leut Schaden reich zu werden gedenkẽ. 6. Am folgenden Tage musten wir einen Weinberg an unsers Herrn LustHause umbhakken / welches eine schwere Arbeit wahr ; Dannenhero fügte [66] ich mich im Wiederkehren nach der Statt zu dem Gvardian, und nach ein und andern gewechselten Reden / gab ich ihm zuverstehen / das ich krank und schwach sey : Erboth mich also ; dafern er mich mit der schweren Arbeit verschonen wolte / ihm Monathlich für solche Gunst vier Realen zu geben. Er wahr des zu frieden / wolte aber einen Monath zum voraus haben / welches ich gerne thate. Er sprach darauff : Hinfüro soll das dein Tagwerk seyn / das du vier grosse Krüge mit Wasser in des Gvardian Bassa, oder Obersten Gvardians Haus liefferst. Es wahren aber über uns 550. Schlaven die einem Herrn zukahmen 5. oder 6. Gvardianen. Wer wahr da frölicher als ich über dieß neue Ampt ? Des Ober Gvardianen Frau wahr eine Moorin / aber sehr freündlich : Sie gab mir bißweilen ein stükke Brods / auch woll etwa eine Schüssel Zugemüse / wenn sie nemlich waschen wolte / oder ich das Brod nach den Ofen ihr trug / so wahr das mein Trankgeld für solche extraordinary Arbeit. Diese Arbeit verrichtete ich ein zeitlang mit guhten Gemach : Es ging mir aber / wie es jungen Leuten zu gehen pfleget / welche guhteTage und Müßiggang nicht tragen können : Denn es begab sich eines Tages / wie ich meine ordinary Arbeit verrichtet / und das Wasser in einen grossen Wassertrog eingegossen hatte / das eine Türkische Frau / neben einer Englischen Schlavin ins Haus trat : Ich fragte sie / ob [67] sie nicht lust hätten einen Trunk Spanischen Wein mit mir zu thun ? Zu allem Unglük hörete solches die Haußfrau / also ward ich des andern Tages alsofort von mein Ampt gesetzet / und muste nach diesen neben andern Schlaven arbeiten / da ich denn das Handwerk krigte / das ich der Steinmetzẽ Handlanger seyn muste / ward gleichwoll dieses Leben algemach gewöhnet. 7. Es begab sich indessen ein artige Kurtzweil im Bain, nemlich : Es hatten die Rauber 2. Schiff unter Hispanien weggenommen / beyde mit Wein beladen. Weil
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nun Alli Pisseling ein Reeder der Schiffe wahr so die Beute erobert : So wurden aus dem Bain 32. Schlaven abgefertiget / solche Weine außzuladen / wofür ihnen die Christen Schlaven welche in dem Bain freie Schenke hielten / zu Lohn gaben einen Reichsthaler für ein jeder Faß. Denn die Türken müssen keinen Wein trinken / vielweniger verkauffen ; und ob das Trinken woll endlich bey den Soldaten und Schifleuten hingehet / so wird doch das außzapffen durchaus nicht gestattet. Vorerwehnte 32. Schlaven / wahren außerlesen aus dem Hauffen / und musten die schwereste Arbeit thun : Es wahren allzumahl Galeebuben / und rechte Daugenichte. Dieser hauffe wird die Caravane genennet / warunter die eine helffte nemlich 16. wahren Hispanier / die andere helffte oder 16. wahren Moßcowiter oder Russen. Sie hatten einige [68] Tage gearbeitet an dem Wein außladen / und ein brav stük Geldes verdienet / kahmen also auff einen Abend toll und voll wieder in den Bain. Die 16. Moßcowiter krigten Händel mit den 16. Hispaniern / und nach wenigen Wortstreit fingen sie eine solche Schlägerey an / das der Gvardian, (der allezeit für der Thür ist) solches hörete / und alsofort diesen Streit mit starken schweren Prügeln scheidete und beylegte / wodurch die Fechter gezwungen wurden das reißaus zu spielen. Es wahr schon ziemlich spate / und der Gvardian kam wieder zurük / nach die Schlaven zu sehen / ob sie alle in dem Bain, und ertheilete die gewönliche Ordre gegen dem andern Tage aus : Wie solches verrichtet / ging er hinaus / und schlos die Thür hinter ihm zu. Sobald der Gvardian hinaus / und die Thür verschlossen wahr / versamleten sich die vorerwehnte Hispanier auff den Platze / und einer von ihnen ging hin / da die Moßcowiter wahren / und rieff ihnen zu : Ihr Hunde / Kätzer / und Feinde GOTTES ; Die Thüren sind zu / und der Guardian lässet euch wissen / dafern ihr das Hertz habet euch zu wehren / so solt ihr aus euren Loch hervor kommen / und wir wollen sehen / wer die Braut zu Tantze bringen soll. Die Worte wahren kaum geendiget / als die Moßcowiter herfür sprungen / und den Hispaniern auff ihr Anbringen / nicht mit Worten ; sondern mit guhten Prügeln antworteten. Sie kahmen zwar [69] nur mit blossen Fäusten herfür / aber es ging nach dem bekanten : Furor arma ministrat. Die Bänke welche für den Schenken stehen / wie auch einige Leitern / und was sie sonst funden / das ward alles in Dolch und Degen / Piquen und Musqueten verändert / und also gingen sie frisch auff einander loß. Dieß Gefechte gab zur Abends zeit solch einen Lerm und Gelaud / das man solte gemeinet haben ; das zwey Armaden im Felde gegen einander gingen. Es lies sich ansehen / daß sie beiderseits gleichen Vortheil hatten / auch an beyden seiten gleiche viel verwundet wahren / welche auff der Erden lagen / das man meinete sie hätten schon den Geist auffgegeben. Sie blieben solcher Gestalt bis in die spate Nacht / gleichwoll lies es sich an beyden seiten ansehen/
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das niemand Lust habe zu weichen. Endlich kam ein Priester/ der in den Bain wohnete / und bey allen sehr beliebet wahr / mit einer Wachs-Kertze auff den Fecht-Platze / und that sein bestes Frieden zu machen : Ihnen fürstellend / das sie allerseits Christen währen / ob sie gleich unterschiedliche Religion führeten ; auch das sie doch bedenken mögten was daraus werden wolle / wenn es der Herr erfahren solte. Endlich erhielt er es / das sie geschieden wurden / und es wurden die Balbierer (dehren 5. oder 6. in dem Bain wohneten) geruffen / welche die Verwundete verbinden musten. Es wurde zwar gehoffet / es solte damit alles auffgehoben seyn / und der [70] Herr nichts davon erfahren haben / aber es fand sich anders. Deñ weil dieß Gefechte lange Zeit gewähret / und ein grosser Tumult geworden wahr / so hatte es der Herr in seinem Hause gehöret ; kam also mit Windlichtern von 4. oder 5. Gvardianen (so mit Prügeln gewaffnet) begleitet in den Bain : Er hielte Nachfrage von dehm was vorgangen : Aber die jene / welche wie Löwen gefochten hatten ; die verborgen sich wie Füchse. Nichts destoweniger ertapte unser Herr durch sein fleißiges Nachsuchen einen von der Spanischen Partei ; diesen lies er nakket abkleiden / und durch vier Schlaven an Hand und Füssen halten / und so mit dem Bauch auff der Erde legen / und lies ihm also 100. Schläge auff den Rükken und Hindern geben ; damit legte sich des Herrn Zorn. Die andere Fechter verborgen sich noch mehr als zuvorn / und befürchteten sich eben solchen Lohn als ihr Cammerade von dem Herrn für ihre ritterliche Thaten zu bekommen. Das Siebende Capittel. 1. Accord wegen Freyheit. 2. Erster Freyheits Blik. 3. List / Geld zuerpressen. 4. Soldaten Privilegium. 5. Schlechte Herberge. 6. Alli Pisselings Arglistigeit. 7. Loßkauffung der Schlaven. 8. Beschreibung der Fonduquen. 9. Wie Außwechselung der Schlaven geschicht. 10. Bößheit eines alten Weibes. [71] 1. Es wahren nunmehro sechs Monath verflossen seit der Zeit / das wir zu Algiers gefangen worden : Und also zeit gnug vergangen / das wir woll hätten indes Bescheid aus unserm Vaterlande haben können. Also traten wir drey / nemlich Herr Caloen, Saldens / und Ich für unsern Herrn / und nachdehm wir ihm Türkischem Gebrauch nach den Ermel seines Roks geküsset / that ich in unser aller Nahmen das Wort / mit vermelden : Es währe nun schon so lange zeit / das wir bey ihm gewesen / hoffeten also / er wurde in dessen gnug gemerket haben / daß kein gros Reichthum und Lösegelt von uns zu erwarten : Weil wir nun erfahren / das er mit einigen Schlaven ein solch Accord gemachet / das sie in ein
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Livornisch Schiff treten / und daselbst sich so lang in der Gefängnüß einstellen solten (welches der Gros Hertzog zu Florentz daßmahl zugab) bis sie das bedingte Lösegelt erleget / als wolten wir ihn ersuchet habẽ / uns eben dergleichẽ zu vergönnen etc. Er fragte : was seyd ihr zu gebẽ gesinnet ? Ich sprach : E. Herrl. wird ihr beliebẽ lassen die Forderung zu thun. Nach einigem Bedenken sprach er : Gebet 2000. Reichsthaler zu Livorno / oder 1500. alhie. Das ist uns unmöglich sprach ich : Denn wir sind arme Soldaten / darumb wollen wir lieber alhie zu Algirs verbleiben / als zu Livorno in der Gefängnüß verderben. Das meiste das [72] wir zu geben vermögen ; sind 500. Reichsthaler zu Livorno zu zahlen. Worauff er zur Antwort gab : Ihr præsentiret zu wenig ; aber doch wollen wir weiter hievon reden : weil ich itzo einige Tage verreisen mus / kan ich euer nicht länger abwarten. Diese Worte gaben uns einige Vertröstung / weil wir daraus schlossen / das unser Erklärung ihm nicht so gahr wiederlich währe. Kehreten also wolvergnügt nach den Bain, und unser Herr verreisete mit den Schlaven die Caravane genennet / (davon im vorhergehenden Capittel gemeldet worden /) Holtz außzusehen / welches sie zu vorfertigung neuer Galeen gegen das künfftige Jahr abhauen solten. 2. Am 18. Februar. des 1641. Jahrs trug sichs zu / das der Gvardian uns nach Gewonheit zur Arbeit führete / welche dißmahl wahr / das wir an unsers Herrn Lust-Hauß am obersten Ende der Statt die dazu gehörige Materialien zutragen musten : Welches wegen der stielen Höhe und engen Platzes mühseelig wahr. Indessen aber kahmen zwey Türken in dem Bain, und fragten nach uns drey : es wahr aber niemand der uns kennete. Sie hatten zwar eine Attestation in Latein bey sich / aber niemand wahr zugegen / der solche verstehen könte. Die beyde Türken fingen an entrüstet zu werden / sprachen also : Ruffet einen Papas (so nennet man die Priester und Edelleute) denn in Dünkirchen sprechen die Papas insgemein die Sprache / und nicht [73] der gemeine Pöbel als ihr seyd. Hieraus urtheileten die Schlaven / es muste Latein seyn / rieffen also Frantz den Studenten / davon drunten in der 20. Historia wird gemeldet werden. Er laß die Attestation. und ob wir gleich unser Nahmen verändert hatten / so urtheilete er doch aus den Zeichen des Schiffs / womit wir genommen worden / auch aus der Zeit / das wir die jene seyn musten / welche die Türken suchten. Gab ihnen also zur Antwort : Er kenne uns gahr wol / wir währen in diesem Bain aber itzund draussen in der Arbeit. Der Herr Caloen, und Reinhart Saldens wahren indessen / weil sie die Schläge nicht so viel achteten als ich / von der Arbeit weggelauffen / hatten sich in einem Winkel des Bains verborgen / und vertrieben die zeit mit Carten Spiel. Frantz der Student fand sie / und gab ihnen zuverstehen / das zwey Türken drunten währen die von Dünkirchen gekommen / und Briefe an
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sie hätten. Der Herr Caloen und Saldens lieffen geschwind hinunter / da sie die zwey Türken funden / welche Mons. Caloen Briefe von seinem Vater überantworteten. Er wahr über die massen der Brieff halber froh / wie nicht weniger die Türken darüber frölich wurden / weil sie uns allesambt in Algiers antraffen : Denn ihr accord mit unsern Eltern wahr / das sie uns lieffern solten / wir mögten zu suchen seyn wo wir wolten. Führeten also sie beyde nach eines Türken Nahmens Barbar Assan [74] Hause : Dieser wahr Schwieger Vater des Mostapha Jugles, der neben ander vier zu Brügge in der Gefängnüß saß / und gegen uns solte verlöset werden. Mostapha Mutter und Großmutter wahren sehr froh / wie sie vernahmen / das ihr Sohn noch lebe / und bald wieder zu Hause kommen wurde. Biß hie zu wuste ich noch das geringste nicht von der Sache / weil ich bey der Arbeit so lange verharrete / bis der Gvardian uns Urlaub gab / uns umb unser Nahrung zu bemühen. Ich wahr recht hungrig / verhoffte auch / das der Ritter Philip de Cherf, (welcher wegen seiner Gebrechligkeit nicht außging zu arbeiten /) genommener Abrede nach ein guhtes Zugemüß würde bereitet haben. Lieff also geschwinde dem Bain zu ; woselbst ich Frantz den Studenten antraff / der zu mir sprach : Jacob / ich bringe euch guhte Zeitung / nemlich ihr seyd kein Schlave mehr / denn es sind zwey Türken von Dünkirchen gekommen / mit welchen Mons. Caloen und Reinhart Saldens außgegangen / die sollen euch gegen gefangene Türken außlösen. Solche angenehme / und zwar so gahr unverhoffte Zeitung / ging mir dermassen zu Hertzen / das es nicht viel fehlete / ich währe in Omacht gerahten : und in der Warheit / aller Hunger verging mir augenbliklich. Lieff also zum Bain hinaus / solche beyde Türken mit meinen Gefährten zu suchen ; welche ich auch eben auff der Gassen antraff. So bald Mons. Caloen mich erblikte / [75] sprach er zu den Türken : Sehet da unsern dritten Gefärten Emanuel de Airanda. Nach ertheileten Grus / fragte ich die Türken/ was meine Eltern guhtes machten ? Worauff sie mir guhten Bescheid gaben. Unter solchen Reden kahmen sie mit uns in den Bain, woselbst sie dem Gvardian anmeldeten / das er uns nicht mehr zur Arbeit außführen müsse / weil wir freie Leute währen : Brachten folgends den Abend zu in guhter Lust und Fröligkeit / und trunken mit einander wegen dieser guhten Zeitung lustig herumb. 3. Es ist ein gemeines Sprichwort : Ist Freude im Hause / so klopfft Trauer an der Thür : Solches befunden auch wir rechtschaffen. Wir nahmen uns zwar für / den andern Tag in ebengleicher Fröligkeit zuvertreiben / es lieff aber wieder unser Vermuhtung anders ab. Denn ohngefehr umb Mittags zeit / kam ein Jude / in den Bain, und befahl uns für den Bassa zu kommen. Wir gingen mit / und der Bassa befahl uns in eine Kammer seines Pallastes einzutreten bis auff ferner Bescheid. Wir blieben da ohngefähr zwey Stunde / nicht wissend warumb ? und
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was der Bassa von uns begehre. Endlich sahen wir des Bassa Hoffmeister mit grimmigen Gesichte und einen Prügel in der Faust hereintreten / der zu uns sprach : Ihr Hunde / welcher unter euch hat nach Hause umb Türken geschrieben ? Wir antworteten : Es habe niemand unter uns [76] dahin geschrieben / sondern unsere Eltern hätten solches ohn unser Vorwissen gethan : Diese Antwort machte seinen Sinn sehr verwirret / gab drauf mir und Mons. Caloen einige harte Schläge mit dem Prügel und drohete : Er wolle noch diese Nacht uns Naß und Ohren abschneiden lassen. Reinhart Saldens sprach ongefähr : Gedult ; und bekam für solches Wort eben so viel als wir. Damit ging er von uns / drohende ; Ihr sollet noch so nicht fortkommen als ihr woll vermeinet : Denn ihr seyd nicht des Alli Pisselings sondern des Bassa Schlaven / und dem Alli Pisseling nur geliehen. Der Bassa aber begehret für euch keine Türken / sondern Geld zu haben. 4. Das wahr nun / wie man sagt / eine Ursach vom Zaun gebrochen / durch Antrieb des Alli Pisselings Boßhafftigen Weibes / die solches in Abwesenheit ihres Mannes verursachte. Denn es ist ein allgemein Gesetze durch das gantze Türkische Gebiete / das ein jeder Türkischer Soldat / wes Standes derselbige seyn mag / einen Christen Schlaven / er sey auch wer er wolle / frey machẽ kan für das Geld / was er gekostet hat / wen er nemlich bey des Gros-Türken Haupt einen Eid thut / das es geschehe einen andern Türken der von den Christen gefangen worden dagegen zu lösen. Der Bassa aber gab zu einer Außflucht solch ein Antwort : Es wurden in solchem Gesetze nicht begriffen seine eigene Schlaven ; weil [77] er des Gros-Türken Person præsentiere, der keinem Gesetze unterworffen. Das hies wol recht : Ein anders ist des Schultzen Kue. Wir indessen schrieben einen Brieff in Spanischer Sprache an Mustapha Jugles Großmutter ; (denn sie wahr eine Tagarinin mit den Moren A. 1610. auß Hispanien verjaget) In diesem Brieff erzehleten wir nach der länge / was uns in dieser neuen Gefängnüsse wiederfahren / und begehreten : Sie solle doch bedenken / das ihr Sohns Kind in unser Eltern Gewalt sey / und man also die Gewalt die uns wiederfahren / ihm wurde entgelten lassen. Dieser Briff gab der alten grosse Bekümmernüß / darumb besuchte sie alsofort des Bassa Frau / und bath sie / die Versehung zu thun / das wir nicht mögten übel gehalten werden : Welches ihr denn des Bassa Frau zusagte. Dieses lies die alte uns anmelden / mit Bitte : Wir mögten zu frieden seyn / und nicht nach Hause schreiben / damit nicht die Gefangene Türken von unsern Eltern wieder also tractiret wurden. 5. Wir wurden / die zeit über daß Alli Pisseling außgereiset wahr / in des Bassa Pallast gefangen und in Ketten geschlossen gehalten / und dürffte niemand von aussen uns besuchen / und mit uns reden / wiewoll es gleichwol so eben nicht abging. Es wurden uns zu unser Speise täglich zwey kleine Brote gegeben : Hat-
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ten aber das Glük / das der Kellermeister des Bassa ein Frantzösischer Renegado wahr / der [78] eines Maltheser Ritters Mons. Chamois Laquey gewesen : Weil er nun erfahren / das ich mit seinem gewesenen Herrn Mons. Chamois in den Bain guhte Kundschafft hatte / so gab er uns noch täglich etwas als Oel / Feigen / Tobak / oder sonsten / zu unser Speise. Dessen gleichwoll unerachtet / litten wir alhie die meiste und schwereste Plage / die wir jemahls in währender Schlaverey außgestanden ; Denn wir schliffen in einer kleinen Kammer / neben 12. Jungen die voller Läuse wahren ; so das / ob wir gleich den gantzen Tag nichts thaten / als uns reinigen / so wahren wir doch eine Stunde hernacher wieder so voll / als zuvor. So ging auch des Bassa Hoffmeister noch täglich mit seinem Prügel unter uns herumb / und es muste immer Jemand seyn / der für die lange weile geschlagen wurde. Das eintzige welches uns ergetzen mögte / wahr / das alle Schlaven welche der Bassa wie gemeldet zu seinem Antheil bekam / die erste Nacht bey uns schlieffen : Weil nun täglich viel auffgebracht wurden / erfuhren wir noch immer was neues. 6. Nachdehm wir nun 10. Tage in diesem Elend gestekket hatten / kam Alli Pisseling wieder zu Hause : Die zwey Türken / welche gekommen wahren uns in Freyheit zu liefern gingen so fort nach ihm zu / und deuteten ihm an / daß ihrer 7. Türken währen / die gegen uns drey Christen musten außgewechselt werden. Er aber gab zur Antwort : Ich habe mei- [79] ne Schlaven gekaufft / das ich darauff gewinnen / nicht aber drauff verlieren wolle / durch Außwechselung gegen andere Türken. Sie aber sprachen : Wir sind arme Soldaten / hoffen also ; das man uns des Rechts / so sie haben / auch werde geniessen lassen. Alli Pisseling gab zur Antwort : Ich weis woll / was die Gesetze im Munde führen : Aber einer unter euch ist reich / dazu auch kein Türke sondern ein Tagarino, darumb ists nicht möglich / das er dieser euer Freyheit geniesse. Wollet ihr nun meinen Rath folgen / so sollet ihr die drey Christen erhalten / und es soll euch nicht viel kosten / ich aber kan vergnüget werden. Die zwey Türken bekahmen durch diesen Vorschlag wieder Muth / fragten also : Was ihnen zu thun stünde ? Pisseling erklärete sich also : Es solten diese zwey Türken in ihrer vier hintergebliebenen Cammeraden Nahmen mit Mostapha Jugles Mutter und Großmutter (welches die Moorin wahr / welche vorgedachter Freyheit nicht geniessen könte) sich vergleichen / das sie sechse die zwey Christen nemlich Emanuel de Airanda, und Reinhart Saldens kauffen wolten / des Mostapha Jugles Eltern hingegen/ solten Johan Baptista Caloen kauffen. 7. Dieß deuchte ihnen ein guhter Rath zu seyn : Gingen also zu Mostapha Jugles Eltern / und vermeldeten ihnen / das sie alle arme Soldaten währen / doch wollen sie sich verpflichten die zwey / nemlich Airanda und Saldens außzulösen :
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Weil sie [80] nun reich / so solten sie sich belieben lassen den dritten / nemlich Johan Baptista Caloen zu kauffen. Sie namen solches für bekand an / und ward ein Contract hierüber auff Türkische Manier geschlossen / und bekräfftiget. Die beyde Türken gingen wieder nach Alli Pisseling, mit vorwenden ; es sey sein Vorschlag beliebet worden / fragten also ; was sie für die zwey ihnen zukommende geben solten ? Kahmen endlich über ein für 500. Reichthaler. Des Mostapha Großmutter / kam auch desselben Tages bey Alli Pisseling, ihm erzehlend das Unglük / so ihres Sohns Kinde dem Mostapha überfallen hatte / und das kein ander Mittel da sey ihn zu lösen / als einen Schlaven von Dünkirchen dafür zugeben ; bath ihn also : Er wolle ihr doch denselben den sie haben müsse zukommen lassen / sie wolle ihn zu Dank bezahlen. Pegelin gab zum Bescheid : Wenn er nur wüste / den Nahmen des Schlaven den sie begehre/ so soll ihr derselbe gefolget werden. Sie hingegen sprach : Ich will ihn gerne bezahlen / aber es mus Johan Baptista Caloen seyn. Alli Pisseling der ein listiger Fuchs wahr / stellete sich über den Nahmen sehr verwundert / und gab zur Antwort : Ist Johan Baptista Caloen in meiner Gewalt ? O das ist des Königes von Dünkirchen naher Anverwanter. Den kan ich unter 6000. Reichsthaler nicht loßgeben. Das alte Weib ward über diese Rede sehr betrübt / und kehrete ohn fernere Wort- [81] wechselung zu Hause : Lies uns auch alsofort zuentbieten / das Alli Pisseling 6000. Reichsthaler von ihr forderte / welche ihr unmöglich auffzubringen währen / es sey denn das wir mit dazu legten / sonst sehe sie nicht wie wir frey werden wolten. Wir liessen ihr durch eben denselben Bohten wieder zuentbieten : Wir währen nicht gesinnet den geringsten Pfenning dabey zu schiessen ; wolle sie uns nicht loß kauffen / so möge sie es lassen : Sie solle aber bedenken / dafern uns ein Unfall begegne / so sey ihr Mostapha in Flandern in unser Eltern Gewalt / der solle solches alles wieder entgelten. Es verlieffen indessen 9. Wochen und 3. Tage / die wir in des Bassa Pallaste in grossem Elende / Furcht und Unruhe zubringen musten / ehe die Sache beygeleget ward. Endlich accordirte Mostapha Großmutter mit Pisseling umb 1400. Reichsthaler / solche solten von ihr erleget werden / ehe denn Johan Baptista Caloen aus Algiers wegzöge. Hierauff wurden wir frey gelassen : Wie ich wieder auff der Gassen außgehen dürffte / meinte ich in Ansehung des Elendes das ich erlitten / ich währe schon in volkommener Freyheit gesetzet / so neu that mir die frische Lufft. 8. Das erste Nachtlager hielt Johan Baptista Caloen bey Mostapha Großmutter : Ich aber und Reinhart Saldens / gingen mit Cataborne Mostapha, (welcher einer der Türken wahr die uns gekauffet hatten /) zu Hause. Er wohnete in einer Fondu- [82] que (Sind Gebäue den Cassarien gleich / nur in dem unterschieden / das ein jeder seine eigne Kammer driñen hat / welche ihm von Jungen
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rein gehalten wird) woselbst er uns des Abends nach seiner Gelegenheit sehr woll tractirte / und entschüldigte sich höchlich / das er nicht Ursach daran sey / das wir so lange Zeit in des Bassa Pallast gewesen wahren. Folgendes Tages ging Reinhart Saldens bey einen vornehmen Türken nahmens Mahomet Celibi Oiga, dessen Sohns Kind einer der annoch in Flandern gefangenen Türken wahr / seine Wohnung daselbst biß zu unserer Abreise zunehmen. 9. Des Mostapha Jugles Eltern beklagten in dessen sehr das Geld / welches sie für Mons. Caloen hatten geben müssen / dannenhero queleten sie ihn täglich mit bösen Worten / gedenkend ihn dahin zu zwingen / das er die helffte des Geldes / nemlich 700. Reichsthaler zu zahlen auff sich nehmen solte. Anderseits / drungen wir hart auff die Türken / das wir bald mögten erlassen werden / nach dem Vergleich / den sie in Flandern mit unsern Eltern gemacht hatten. Worauff sie zur Antwort gaben ; solches sey nicht thunlich / sie wurden ihr Geld solcher massen in Gefahr stellen / und dasselbe neben ihren Cammeraden verlieren. Musten also diesen accord mit ihnen machen : Das einer unter uns die Freyheit bekäme mit dem Beding / das er die 5. in Flandern gebliebene Türken zu Ceuta, oder [83] zu Oran (46. Meilen von Algiers ins Westen gelegen) weil solche Stäte dem Könige in Hispanien zukommen / bringen solte : Die andere zwey solten indessen alhie zu Pfande bleiben. Darauff ward beschlossen / das ich nach Flandern verreisen / und daselbst die Sache verrichten solte / man wolte mich zu solchem Ende mit die Seerauberische Galeen an Land in Hispanien setzen lassen. Aber zu meinem Unglük geschach es / das wieder Ben-Alli einen Morischen Könige / ein Krieg beschlossen ward / (dessen Ursach und Außgang in der 39. Historia zuersehen.) Dannenhero der Bassa die Galeen selbst nöhtig hatte / und sie also dieß Jahr ihren gewöhnlichen Streif nach Hispanien nicht verrichten könten. Es lag aber der zeit ein Schiff fertig nach Livorno zugehen / da wuste nun mein Gefärte Reinhart Saldens / (als welcher seiner Freyheit eben so begehrig wahr als ich) bey den beyden Türken / auch bey Mons. Caloen so viel außzurichten / das er ernennet ward mit diesem Schiffe nach Livorno zugehen / welches auch geschach. Ich wahr zum höchsten betrübt / wie ich ihn wegreisen sahe / und noch in der Dienstbarkeit verbleiben muste ; doch tröstete mich seine Zusage die er that / das er nemlich bald wiederkommen / und die vorerwehnete Türken zu Ceuta anbringen wolle / etlicher massen ; wie er denn auch endlich solches zu wege richtete. 10. Wir zwey übrige / musten indessen zu Algier [84] außhalten : Ich zwar hatte es so gahr böse nicht / denn ich wohnete bey vorerwehnten Cateborne Mostapha, woselbst ich alle Tage mit ihm guth Lebẽ hatte. Weil er aber sich mit einem Bulce Bassa verunwilligte / und solchen einen Christen gescholten / so ist
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er vom Divan verurteilet hundert Schläge zu empfahen / und 6. Monath ohn Page wieder Ben-Ali zu dienen ; also muste Er fort / und ich kam bey Mahomet Celibi Oiga da Mons. Saldens vor diesem gewohnet : Wenn ich daselbst des Tages einmahl mit dem Herrn zu Markt gewesen / und Speise einkauffen helffen / und denn das Pferd gefuttert / und ein paar Krüge Wasser getragen hatte / so hatte ich feirabend : Zu dehm war meine Patronesse mit mir nicht allein woll zu frieden / sondern that mir so viel guhtes als ihr möglich wahr. Mons. Caloen hingegen hatte es desto schlechter : Denn Mastapha Jugles Großmutter wahr betrübt / über den Verlust des Geldes / so sie für ihm geben müssen / und also muste Er rechtschaffen leyden : Ja sie schloß ihn endlich in Ketten woran 80. Pfund Eisen hing / und hielte ihn gahr schlecht / vermeinend solcher Gestalt ihn zu zwingen / das er die helffte stehen und aussagen solte. Ich besuchte ihn täglich / that ihm Handreichung / und redete ihm guhten Muth ein / das er nichts aussagen solte ; aber zu meinem eignen Schaden. Denn die alte Vättel merkts / brachte es also dahin / das ich ihr übergeben ward / und also [85] neben Caloen geschlossen liegen muste. Dieß daurete so / bis auff den 8. Decembr. des 1641. Jahrs. Das Achte Capittel. 1. Wie die Schlaven fortgeschikket werden. 2. Unglükliche Schiffart. 3. Frevelmuth. 4. Beschreibung der Matamore. 1. Es lag ein Schiff reisefertig nach Tituan : Weil nun Mons. Saldens mit den 5. Türken zu Ceuta (einer Statt in Africa an der Strasse und also neben Gibraltar über gelegen) angekommen wahr / so wurden wir neben einem Türken / der Auffsicht auff uns haben solte in solch Schiff gebracht. Da denn wir die Fracht / und 25. Reichsthaler dem Hoffemeister zu zahlen auff uns nahmen. Weil nun der Wind guth / und der Schiffer abfahren wolte / so that er einen Lösungs Schus / damit die Zollverpachter kommen / und das Schiff durchsuchen / insonderheit auch zusehen mögten / ob alle Schlaven ihr recht bezahlet. Es muß aber ein Schlave bey seiner Abfahrt nicht allein den Wehrt zahlen / worüber er mit seinen Patron accordiret hat ; sondern auch folgende Gelder entrichten. Dem Bassa zu Pfort Geld 25. p. Cento. dem Havenmeister / 1½. Reichsthaler zu Trankgeld ; dem Frantzösischen Consul, laut alter Privilegien 3. Reichsthaler ; zu Wassergeld / das sie nem- [86] lich volauff frisch Wasser gehabt 10. Reichsthaler / und denn für den Paßport an dem Caja 3. Reichst. dem Schreiber ½. Rth. Weil nun die Wexel Costume in Algiers hoch läufft / zum wenigsten 25. p. cento bißweilen auch woll noch höher ; so kostet ein Schlave / der für 200. Reichst. in Algiers
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vom Patron abgelöset worden / alhie in Teutschland / (den Wexel zu 25. p. cento gerechnet) 1000. Ƥ 4. ƥ. ehe und bevor er einen Fuß ins Schiff setzet. Wie nun das Schiff visitiret wahr / kehreten jene mit dem Boot wieder nach der Statt / und gaben ein Zeichen / daß das Schiff verreisen mögte. (Denn sie müssen nicht wieder in die Statt kommen / ehe das Schiff fortgegangen / damit nemlich keine Schlaven mit genommen werden / als die ihr recht bezahlet haben.) 2. Drauff fingen wir unser Schiffahrt mit guhtem Winde an / musten aber bald wieder umbkehren / weil der Wind contrarie lieff. Eben dergleichen wiederfuhr uns / als wir zum andernmahl fortgingen : Denn wir wahren froh / das wir nach außgestandenen achttägigten Sturm wieder zu Algiers ankahmen. Endlich / am 14. Jan. 1642. Jahrs / gingen wir zum drittenmahl in See / bekahmen aber gleich wieder contrarie Wind / wodurch wir bis auff den 12. Febr. zubrachten / bis wir den Meerbusen von Tituan erreichen könten. Hie meineten wir allem Leyd entsprungen zu seyn : bekahmen aber so schreklichen Sturm / das wir GOTT dankten / [87] das wir nach erlittenen Schiffbruch lebendig zu Land kahmen ; da uns der Gubernator zu Tituan mit 20. Reuter für der Barbarn Anfall zu schützen empfing / und glüklich in die Statt convojirte. 3. Es ist aber Tituan die erste Statt im Königreiche Fez, lieget etwa 1½ Meil von der See / an einem Flus / dessen Mund durch den Hispanischen Admiral Marquis de S. Cruz, mit etzlichen versänkten Galionen gestopffet / und zur Schiffahrt untüchtig gemachet worden. Dannenhero dieser Ohrt zur See nichts sonderliches außrichten kan / ihr meiste Nahrung ist die Außwechselung der Schlaven : Wie denn die Christen zu Tituan ; die Türken aber zu Ceuta gebracht werden : damit eins gegen dem andern könne außgewechselt werden. Wir nahmen unser Logiament in der Judenstatt / bekahmen auch von Ceuta Wechsel auff 200. Reichsthaler / und einen Bürgen / damit wir nicht in die Matamore krichen dürfften : Wiewol die Bürgschafft nicht helffen wolte. Denn Mostapha Jugles hatte durch einen seiner Cameraden (Ibraim Arrais) sich bereden lassen / das wir die Aussage gethan 700. Reichsthaler als die helfte seines Lösegeldes außzuzahlen : also schrieb er an unsern Auffseher / er solle uns so lang in die Matamore stellen / bis wir solche Summa gestanden und bewilliget ; welcher Befehl an uns auch alsofort werkstellig gemacht wurde. 4. Es ist aber die Matamore ein Gewölbe / 30. [88] Fuß unter der Erden / in drey Theile abgetheilet : Der größte Theil ist etwa 28. Fuß lang und 24. Fuß breit / die 2. andere sind etwas kleiner / und werden hierin ordinarie 170 Christen Schlaven gefangen gehalten. Diese Gefängnüß hat kein ander Licht / als oben drey Gitter/ welche an der Gasse hinaus gehen/ und an jedem Gitter ist ein Strik mit einem Haken ; (denn wenn die andere Christen bey Tage vorübergehen
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/ bringen sie durch Barmhertzigkeit bewogen den Gefangenen Wasser ; oder wen ein Schlav Geld hat / und etwas begehret / so kauffen sie ihm etwas / und lassen es ihm mit dem Strik hinunter : Auch lässet der Kerkermeister niemand dahinein gehen / es zubesehen / oder mit dem Gefangenen zu reden / es sey denn / daß er etwas zum Almosen gebe.) In diesem elenden Gefängnüß ist kein heimlich Gemach / sondern es müssen sich die Gefangene mit Töpffe behelffen : Solche Töpffe hängen rund umb an der Mauer / und dienen zu Tapeten und Bisam zugleich / dannenhero die Schlaven alle Morgen wol perfumiret seyn. Zudehm ist es nicht erlaubet solche Töpffe ledig zu machen / als allein des Abends / den öffnet der Kerkermeister ein gantz Gitter / und so werden sie an dem Haken hinauffgezogen / und mus ein jeder Topff an dem Außkehrer bezahlen ein borbe, ist eine ahrt kleiner Müntze / 28. borbe gehen auff ein blankil, 22. blankil aber gehen auff einen Reichst. Es haben die [89] Gefangene in diesem Elende kein Stroh / vielweniger ein Hange-mak oder Schiffsbette / sondern weil der Ohrt so eng / und so viel Volks da beieinander / so müssen sie sich auff der platten Erde behelffen / und wie Heringe aneinander gepakt liegen : Welches denn wie ein jeder erachten kan / so viel Ungemachs und Läuse (fürnemlich in der Sommerhitze) verursachet / daß es leidlicher auff den Galeen zu rudern / als alhie zu liegen. Ob wir nun zwar im Winter drin wahren / und also von den Läusen so viel nicht gequälet wurden / so hatten wir doch schweres Ungemach zu Nachts / wenn ein jeder sich zum Schlaff bereitet hatte. Denn einige schelmsche Mooren Jungen kahmen bey nacht / die arme gefangene Christen zu plagen / und warffen also Unflath / Steine / Wasser / und andere Sachen durch die Gitter / manche Nacht 4. oder 5. mahle ; wodurch diejene so drunten lagen / gezwungen wurden auffzustehen / daher ein jeder rege ward / und wer nicht geschwinde gnug auffstand / muste sich befürchten / das er von seinen Nachbarn mögte zutreten werden / weil das Ertreich mit Menschen bedekt / und man keinen Fuß nirgend hinsetzen könte. Mons. Caloen und ich / schlieffen in eine Höhle / da wir nicht nöhtig hatten auffzustehen / wenn solch ein Allarm entstunde / welches wir erlangten auß Gunst / die uns erwiese ein Ritter des Ordens von S. Jacob, nahmens Don Hironymo de Figuroa, welcher von [90] Corduba in Hispanien bürtig / und als ein Schlav hieher gebracht wahr ; dieser Mann that uns viel guhtes : Er meldete uns / das er neben 4. andere Schlaven seine Taffel hielte / dafür er Monathlich 10. Einfache Realen ist 5/4 Rth. geben müste / also ersuchten Mons. Caloen und ich / das er uns in ihre Geselschaft mit einnehmẽ wolle / welches auch geschach. Wir wurden umb gleiche Summa eingenommen / und wurden ziemlich dafür tractiret / denn wir bekahmen an einen gedekten Tische so viel Speise / als die Natur zu ihrer Erhaltung benöhtiget. Unser Wihrt wahr ein Hispanier / welcher 13. Jahr in dieser Gefängnüß gewesen wahr / und
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auff solche weise sein Leben auff hielte / es wahren aber nur 5. Schlaven unter den 170. die wir daselbst antraffen / welche Mittel so woll zu leben hatten. Das Neunde Capittel. 1. Wie die Mönche die Schlaven ablösen. 2. Rache über vorige Bößheit. 3. Bereitung zur Reise. 4. Reise nach Ceuta. 5. Wie zu Ceuta das Thor geöffnet wird. 6. Letzte Angst. 7. Völlige Erlösung. 8. Gebrauch derer / die aus der Schlaverey in Hispanien kommen. 1. In diesem Elend schrieben wir an Mons. Saldens, Ich meldete ihm unser Unglük / welches die 5. Türken / die er in seiner Gewalt hatte verursachet : Damit er aber sehen mögte / das wir [91] nichts von den 700. Reichst. außgesaget hatten / sand ich ihm einen Brieff welchen unser Türkischer Hoffmeister in Türkischer Sprach geschrieben / in welchen er (seiner Rede nach) vermeldete / wir hätten nichts / als 25. Reichsthaler für ihm und die Fracht von Algiers nach Tituan an dem Schiffer außgesaget. Weil ich aber ihm nicht trauete / so vermahnet ich Saldens / Er solle den Briff vorhero ihm lesen und außlegen lassẽ / ehe er ihn dehnẽ 5. reiche / auch in dessen nicht nachlassen die Schelme in die Matamore zu Ceuta zu werffen / welche viel ärger ist als die zu Tituan, weil sie unter einem Bakofen lieget / dessen Hitze dehnen Gefangenen viel Ungemach verursachet. Es wahren aber in Tituan zwey Münche / des Ordens der H. Dreyfaltigkeit / (oder wie sie sonsten genennet werden della neustra Sennora della merced.) sie werden alhie wegen ihrer Verrichtung die verlösende Patres genennet. Diesem Münch Orden werden nicht allein grosse Almosen zu Erlösung der Gefangenen zugestellet / sondern auch / wenn ein Frembder in Hispanien stirbet / und sich in gewisser Zeit kein rechtmäßiger Erbe angiebet / so wird dessen Verlassenschafft diesem Orden übergeben / Gefangene dadurch zu lösen. Vorerwehnte zwey wahren von Ceuta gekommen Gefangene zu lösen / musten aber / weil sie mit dem Gubernatorn nicht handeln könten / unverrichter Sache zurük. Die Ursach wahr : Es wird gemeinlich der- [92] gestalt gehandelt / das ein Drittel der Summa in Gelde / die übrige zwey Drittel aber an Kauffmans Wahren / (an diesen oder jenen Sorten ; so viel Maß / und Gewicht / als verabredet) abgetragen wird. Dißmahl wolte der Gubarnator die Wahren nicht annehmen umb den Preis / dafür sie die Patres einsetzten : Auch wolte Er die Patres zwingen / für allen andern 30. Schlaven die ihm zustünden abzulösen / einen jeden für 200. Ducaten. Dieses aber wahr den Patribus ungelegen / gaben also zur Antwort : Weil die Almosen in Hispanien
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gesamlet wurden / so durfften sie (so lange Hispanier gefangen /) keinen Frembden ablösen ; gingen also unverrichter Sache wieder zurükke. 2. Bey dieser Gelegenheit krigte ich meinen Brieff fort / und gab ihn einem Schlaven der mit fortging / dergestalt / das er ihn Mons. Saldens zu eignen Händigen einlieffern solte. Welches er deñ getreulich außgerichtet / und Herrn Saldens angedeutet / das er uns in der Matamore zu Tituan gelassen. Wie Mons. Saldens solches vernam / ward er sehr entrüstet / und weil er sehr Jähzornig / lies er alsofort die 5. Türken nach die Matamore zu Ceuta einführen. Wie sie nun für der Thür stunden / rieff er dem Kerkermeister : Ibraim Arrais pilla basso, das ist : Leget Ibraim Arrais auff die Erde / und lasset ihm Händ und Füsse halten / das er geprügelt werde. Er stand indessen mit den Prügel in der [93] Faust fertig / weil er solche Manier zu Algiers gelernet hatte. Ibraim Arrais fing an sich abzukleiden / bitterlich weinend und flehend / und die andere 4. bebten wie ein Laub auff den Baum / aus Furcht die Reihe mögte sie auch treffen. Alle vorübergede blieben stehen / das Ende dieser Tragædia abzusehen. Zu ihrem Glük kahmen 2. Türkische Kauffleute / welche ihrer Handlung halber zu Ceuta sich auffhielten / zugegangen ; welche Mons. Saldens anredeten : Warumb will der Herr diese elende Menschen prügeln lassen ? Ists nicht elends gnug für sie / das sie Schlaven seyn ? Saldens aber gab mit grimmigen Gesicht zur Antwort : Ich will 2. oder 3. von diesen undankbahren Schelmen zu Tode prügeln lassen ; denn unerachtet aller Wolthat die ich ihnen erwiesen / das sie frey in der Statt mögten herumb gehen / so haben sie gleichwol meine Gefärten in die Matamore zu Tituan bringen / und wiewol sie Bürge gestellet / gleichwol elendiglich darin bis diese Stunde stekken lassen ; da sie Hunde alhie guhte Tage geniessen : Und haben solcher Gestalt unser Geld wieder alle Billigkeit uns abzuzwingen gedacht. Hierauff redeten die Türken mit vorerwehnten 5. in ihrer Sprache ein Zeitlang / wanten sich endlich wieder zu Herrn Saldens und sprachen : Der Herr schlage diese Türken nicht / so wollen wir Bürge stellen / das seine Gefärten alsofort aus der Matamore sollen gelassen / und mit der ersten Casila [94] hieher gebracht werden. Saldens lies sich an / als währe Er hiemit nicht zu frieden / sondern wolle sie gleichwoll prügeln : Endlich lies er sich durch vieler Capitainen zusprechen erweichen / ging also mit ihnen zum Commendanten der Statt / welcher der Marquis de Miranda wahr / woselbst die Sache beygeleget ward. Worauff der Commendant einen Brief nach Tituan, an dem Gubernatorn des Ohrts schrieb / dieses Einhalts : Der Gubernator solle ihm mit der ersten Casila zwey Christen / nemlich Johan Baptista Caloen, und Emanuel de Airanda zuschikken / so gelobe Er als ein Christ und Ritter / das er gleich bey ihrer Ankunfft / den 5. Türken Nahmens :
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Mostapha Jugles, Ibraim Arrais Alli Tagarino, Rodes Mostapha, und Mostapha Oiga, ihre Freyheit ertheilen / und zurük senden wolle. 3. Weil aber wie vorgemeldet / die Patres unverrichteter Sache zurük gekommen wahren / so gab sich ein Jude an / der zu Ceuta wohnete / und wegen seines Reichthums in grossen Ansehen wahr / Er wolle die Streitigkeit mit den Patribus und Tituanischen Gubernatorn beylegen / (oder vielmehr beyde Parteyen betriegen ;) wolte also folgendes Tages abreisen. Diesem ward des Herrn Commedanten Schreiben mitgeben / mit Befehl solches dem Gubernatorn eigenhändig einzulieffern / welches er auch / so fort er ankommen / verrichtet. Also wurden wir gleich aus der Matamore loßgelassen / und ward [95] uns frey gegeben in und ausser der Statt zugehen nach eignem Belieben : Wir gingen hierauff nach unser altes Quartier in der Juden Statt / welches in unserm Abwesen der Türkische Hoffmeister eingenommen und besessen hatte. Indeß wir nun auff die Casila warten musten / die uns nach Ceuta bringen solte / erfrischten wir uns mit unserm Türkischen Auffseher im spatziren gehen / kaufften auch ein jeder einen weissen Mantel (in Morischer sprach Albornos genennet /) und eine rothe Mütze / welches die ordinarie Kleidung ist / so die Christen tragen / welche ihre Freyheit erlanget haben. Uns besuchten stündlich viel Christen Schlaven / die uns Briefe mitgaben an ihre Freunde und Eltern zubestellen. Der Jude hatte indessen die Streitigkeit beygeleget / (oder beyderseits sie betrogen) und machte sich fertig wieder zu verreisen / auff den 23 Martij Anno 1642. Es bedeuchte uns eine jede Stunde ein Jahr zu seyn / doch machten wir uns fertig / und mieteten 2 Pferde von einem Mooren / welcher mit dieser Casila nach Ceuta reisen wolte / nahmen auch 2. Hüner in Saltz und Pfeffer eingeleget / neben einer guhten Flasche Weins mit auff dem Wege / davon uns zu erfrischẽ. 4. Reiseten also desselben Tages aus Tituan, in Geselschafft des Ritters Philip de Cherf, und anderer Christen Schlaven / bis auff ein viertel Meil von der Statt / woselbst sich alle / die mitreisen wolten versamlen musten. Wir setzten uns al- [96] hie frölig zu Pferde / und nahmen unsern Abscheid von allen die uns das Geleide gegeben / welche sehr traurig wahren / das sie noch länger in dem elenden Schlaven Stande bleiben musten. Sie kehreten wieder nach der Statt / und wir reiseten den Abend noch 2. Meil / woselbst wir Nachtlager hielten auff ein Land / welches / unerachtet seiner Gühte und Fruchtbarkeit / bis nach Ceuta gantz unbewohnet und wüste lieget. Wir lagerten uns / und besuchten unsere Rantzen ; indessen hieben einige Türken mit ihren Säbeln ein guth theil Holtz / und machten Feür / weil es alhie wie auch in Hispanien die Nacht über sehr kalt ist : Umb dieses Feür setzten wir uns sämptlich / und ein jeder krigte herfür was er mit auff den Weg genommen hatte. Wir nöhtigten auff unsere Hüner / einige
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der fürnehmsten Türken zu Gaste / welche solches abschlugen / mit vermelden / die Hüner währen durch Christen abgewürget / also dürfften sie nicht davon essen : Ich aber schwur ihnen zu / das solches nicht geschehen / sondern ein Türke sie zugerichtet habe (wie denn auch waar / denn wir hatten sie mitgenommen / das wir sie tractiren wolten / und also wuste ich woll das die Kauffleute unter den Türken nicht so liederlich nach dem Gesetze leben als die Seerauber zu Algiers, sondern gahr behüthsam sind) also liessen sie sich bereden / und speiseten mit uns. Nach verrichteter Abendmalzeit legten wir uns neben dem Feur zur Ruhe. Am [97] folgenden Morgen / etwa eine Stunde für Auffgang der Sonnen / reiseten wir weiter fort / funden aber auf den gantzen Weg keinen einigen Menschen / vielweniger ein Zeichen / das jemahls Leute daselbst gewohnet hätten. Auff dem Wege schos ein Türk im reiten ein Wild Schwein mit dem Rohr / wolte es aber / weil sie es nicht essen dürffen / liegen lassen : Dannenhero Mons. Caloen ihnen 2. Reichst. versprach / wenn Sie es uns bis an der Statt mitnehmen wolten / welches sie willig thaten / unde es also in 4. Theile theileten / und über die Maulesel zu beyden seiten abhangen liessen. Wie wir etwa auff ein Meil zur Statt genähert wahren / musten wir einen sonderbahren Weg nehmẽ / da uns die Schiltwache woll ersehen könte / denn diesen Weg reisen bedeutet / das man als Freund ankomme. Etwa ein paar Mußqueten Schusse von der Statt / sprach ein Moor zu mir und Mons. Caloen : Christen / ihr müsset hie bleiben / bis die 5. Türken herauß kommen. Wir dürfften nicht wiedersprechen ; Gab dannenhero mein Gebethbuch einem Juden / solches Mons. Saldens zum Beweis zu bringen / und ihm anzudeuten / das wir zugegen währen / er möge uns einholen. 5. Es wahr dahmahls etwa umb 9. Uhr vormittags / musten aber bis etwa umb die Glokke drey nachmittags warten / in welcher zeit wir keinen Menschen sahen als den Mooren / der uns bewahrte / [98] und der 5. Türken erwartete : Wir könten uns nicht einbilden / aus was Ursache man uns so lange warten liesse. Endlich zwischen 3. und 4. Uhr sahen wir das Thor öffnen / und die Schlagbrükke niederlassen ; drauff kam ein Suadron Reuter heraus / welche alle leicht auff Morische Weise mit Lantzen / und Lederne Schilde (in Hispanien Adarga genennet) gewapnet wahren. Einer von ihnen der woll beritten / rante einen Canon Schuß voraus / zuerfahren / obs auch allendhalben sicher : stellete drauff seine Mütze auff die Lantze / welches ein Zeichen / das er nicht feindliches vermerket : Wie die andern das Zeichen gesehen / theileten sie sich voneinander / und besetzten einige Zugänge. Der Capitain dieser Völker kam zu uns / und wünschte uns Glük zu unserer Freyheit / mit vermelden / das Mons. Saldens bey dem Commendanten sey / mit ihm unser Einlassung halber zu reden. Indessen das wir mit dem Capitain redeten / sahe ich einen Hauffen zu Fuß / etwa 150.
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Mann stark heraußkommen / welche sich zwischen die Pferde und der Statt in Schlachtordnung stelleten. Darauff folgeten 100. Türkische und Morische Schlaven / deren jeder 2. schwere eisern Ketten an Arm und Beinen hatten / neben einen grossen Wasserkrug auff dem Nakken / und hohleten Wasser aus einigen Brunnen zwischen der Fußvölker Schlachtordnung und der Statt. Dieses geschicht alle Woche 2. oder 3. mahl / und immer [99] mit dergleichen Auffsicht / so woll wegen des Feindlichen Überfals / als aus Beysorge / das die Schlaven ihnen sonst entlauffen mögten. 6. Nachdehm wir alles woll besehen / wahren wir sehr verwundert / das Mons. Saldens so lange außblieb. Die Ursach wahr : Es wurde zu Ceuta ein Schiff von Tanger erwartet / solches wusten die 5. gefangene Türken / dannenhero könte der Commendant seinem versprechen nache sie itzo nicht loßgeben / weil sie sonsten den Seeraubern zu Tituan solches offenbahren würden / und das Schiff also in Gefahr kommen mögte. Stunden also unsere Sachen sehr gefehrlich / und wahr an dehm / das wir entweder wiederumb nach Tituan kehren / oder ausser der Statt in Gefahr wegen der Barbarn (die offters unter der Statt Stükke kommen) verbleiben müssen. Aber Mons. Saldens brachte die Sache gleichwol so weit / das der Commendant die 5. Türken für sich foderte / und ihnen fürhielt : Er habe ihnen zwar versprochen / so bald die zwey Christen für dem Thor seyn würden / sie hinaus zu lassen ; könne aber ein solches dießmahl nicht verrichten / weil sie wüsten / das ein reichgeladenes Schiff von Tanger erwartet würde. Damit sie aber sehen solten / das er ein Ritter sey / und sein Wort halten wolle / so sollen die beyde Christen wieder zurük gehen / oder draussen so lange bleiben / bis das Schiff angekommen : Es sey den / das sie selber zu frieden währen / [100] das sie hereinkommen mögten. In welchen Fall Er ihnen nochmahls als ein Ritter zusagte / das er sie 5. alsofort / wenn das Schiff ankommen würde / frey verreisen lassen wolle / ertheile ihnen auch auff stehenden Fusse ihre vollige Freyheit. Die Türken wahren mit diesem Vortrag zu frieden / begehrten aber / das ein schrifftliche Obligation hierüber auffgerichtet würde / welches geschach / und Mons. Saldens lies uns solches etwa umb 4. Uhr wissen. 7. Er kam auch eine halbe Stunde hernach selbst zu uns heraus / da denn unmöglich außzudrükken die Freude die wir empfunden das wir unsern Gefärten / dessen Gegenwart wir so manchmahl mit heissen Seufftzen gewünschet hatten / gegenwertig sahen : Wie er denn seiner Seits ebenmäßig hertzlich über unsere Gegenwart erfreuet wahr. Nachdehm wir einander umbpfangen hatten / wünscheten alle Gegenwärtige uns Glük zu unser Freyheit / und wir gingen zu Ceuta hinein / weit frölicher / als jemahls ein Kayser gewesen wenn er zu Rom triumpfirend eingezogen. Wir gingen drauff nach dem Herrn Commendanten /
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ihm die Hände zu küssen / und verehreten ihm das Haupt vom Wilden Schwein / dessen vorher gedacht. Wie wir aus seinem Pallast traten / traffen wir die 5. freygelassene Türken an / welche uns wilkommen hiessen / und Glük zu unserer Freyheit wünschten / gingen also zusammen nach der Herberge / da wir uns miteinan- [101] der lüstig machten / und eins dem andern erzehleten was uns wiederfahren. Das ist gewisse / das wir drey Christen / diesen Abend solche Lust und Freude empfunden / als wir die Zeit unsers Lebens nie genossen / auch nimmermehr geniessen werden. 8. Folgendes Tages / gingen wir alle drey unsere Andacht abzulegen zu Ceuta in die Thumkirche / welche genennet wird Unser liebe Frau von Africa. Wir küsten dem Bischoffe / der ein alter frommer Mann wahr die Hände / und er gab uns seinen Segen. Verblieben drauff noch 8. Tage zu Ceuta, da wir nach Gibraltar übergingen / in eine wolbewehrte Brigantin, weil diese Fahrt sehr gefährlich. Die Brigantin wahr von 4. Bänken / und auff jeder Bank sassen 2. Soldaten welche ruderten / und ihr Gewähr fertig hatten. Wir fuhren in 4. Stunde aus Africa hinüber nach Europa, wiewol nicht sonder Sorge / das wir noch eins von den Türken mögten genommen werden. Denn ich merkte woll / das diese Soldaten eben so guhte Seeleute wahren / als der Englischer Schiffer mit dehm wir genommen worden / ein guth Soldate gewesen. Doch kahmen wir durch GOTTES Gnade glüklich hinüber nach Gibraltar. Zu Gibraltar blieben wir 2. Tage / unsere Andacht eine Viertel Meil von der Statt / in eine Capelle, welche neustra Sennora del Europa heisset zuverrichten. Diese Capelle lieget an dem Ohrt / wo die Strasse zwischen Europa und [102] Africa am aller ängesten : Es gehen dahin Walffarten die jene welche die ihrige in Barbaria gefangen sitzen haben. Von da ritten wir nach Caditz, welches zwey Tagreise davon ist / Ich und Mons. Caloen trugen unsere weisse Mäntel und rohte Mützen. Weil nun dieß ein Zeichen / daß wir aus der Schlaverey gekommen / so wurden wir allendhalben umbringet von dehnen / welche die ihrigen noch da hatten / und vermeineten Zeitung davon zuvernehmen. Zu Caditz liessen wir uns auff Christen Manier kleiden / und reiseten also nach Madrit, woselbsten wir alle drey noch 2. Monath zusammen blieben / und GOTT für die gnädige Rettung dankten.
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Abb. 37 : Titelblatt ; Harck Olufs aus der Insul Amron im Stifte Ripen in Jütland […] Flensburg : Korte, 1751. PON IIn 8660, QK. Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt. Ohne Seitenangabe.
Hark Olufs
Eine Sonderstellung unter den Sklavenberichten aus Nordafrika nimmt der Bericht Hark Olufs ein, eines Einwohners der Insel Arnum in der Nordsee aus dem frühen 18. Jahrhundert. Hark Olufs geriet im Alter von 15 Jahren auf einer Seereise im Jahr 1724 in nordafrikanische Gefangenschaft. Was den Bericht besonders auszeichnet, ist die Tatsache, dass sich Hark Olufs aufgrund seiner Jugend sehr schnell in die Kultur Nordafrikas integrieren konnte. Es gelang ihm, große Karriere unter dem Bey von Constantine (d. h. im heutigen Algerien) zu machen. Dieser Aufstieg war so steil, dass Hark Olufs am Höhepunkt seines Wirkens in Nordafrika die Stellung eines Oberbefehlshabers in der Armee des Beys von Constantine innehatte. Olufs Bericht wurde ursprünglich 1747 auf Dänisch publiziert, erschien aber bereits 1751 in deutscher Übersetzung, welche hier wiedergegeben wird (Abb. 37). Hark Olufs Bericht deckt sich in vielen Teilen mit den klassischen Sklavenberichten aus Nordafrika in der frühen Neuzeit, in denen Vorgeschichte, Gefangennahme, Verkauf, Leben in Nordafrika und Rückkehr des Verschleppten in die Heimat geschildert werden. Typisch für die Gattung gibt Olufs auch einen Überblick über Land und Leute, im Zuge dessen er Grundzüge des Islam erklärt (Olufs 6–12). Ebenfalls nicht ungewöhnlich ist, dass Olufs ein generell positives Islambild zeichnet, wobei er Muslimen in ihrer religiösen Praxis und Standhaftigkeit Respekt zollt : »In ihrer falschen Religion sind sie eifrig, und soll kaum jemand gefunden werden, der vorsetzlich wider die Dinge handeln sollte, welche sie für die Pflicht eines Mahometaners halten« (8). Auch herrsche »unter den Türcken insgemein eben so viele Ehrlichkeit, als unter uns Christen« (8). Olufs Bericht zeichnet sich durch einige sehr individuelle Züge aus. So ist es eher ungewöhnlich, dass ein Rückkehrer von seinen Erfolgen in Nordafrika berichtet, die über das Schicksal eines unterdrückten Gefangenen hinausgehen. Hier liegt eine Vita vor, die sich grundlegend von den meisten Sklavenberichten unterscheidet, weil sich Olufs erfolgreich mit dem nordafrikanischen Regime, in diesem Fall mit dem Bey von Constantine arrangiert hat und damit seine Position als Europäer in Nordafrika fundamental verbessern konnte. So schreibt Olufs, dass er in den ersten dreieinhalb Jahren seiner Gefangenschaft die in Nordafrika gesprochenen Sprachen »Lingua Franca, wie auch die
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Türckische und Arabische Sprache« (12) erlernte. Der noch jugendliche Olufs konnte sich, so scheint es, mit seinen 15 Jahren gut in die neue kulturelle Umgebung einfügen. Es ist davon auszugehen, obwohl es im Text nie explizit erwähnt wird, dass Hark Olufs seine beachtlichen Karriereschritte in der Folge nur durchlaufen konnte, weil er zum islamischen Glauben übergetreten ist. Wir wissen aus vielen anderen Quellen, dass sogenannte Renegaten – also zum Islam konvertierte Christen – wichtige Akteure in Nordafrika waren. Hierzu zählen viele Piratenkapitäne oder Anführer in Militär und Verwaltung. Dies zeigt sich zum Beispiel in einem Bericht über den Beutezug marokkanischer und algerischer Verbände nach Island im Jahr 1627, der vor allem von europäischen Renegaten geführt wurde, weil diese über die notwendigen nautischen Kenntnisse im Nordatlantik verfügten. Was Hark Olufs Bericht ebenfalls von vielen anderen frühneuzeitlichen Berichten unterscheidet, ist die Tatsache, dass wir auch Informationen über die Zeit nach seiner Heimkehr aus anderen Dokumenten besitzen (Rheinheimer 2001). So wissen wir, dass Olufs nach seiner Rückkehr auf seine Heimatinsel Arnum weiterhin zum großen Erstaunen der Heimatbevölkerung türkische Kleider trug und sich auch nach außen hin wie ein Türke benahm. Olufs Bericht ist damit ein einzigartiges Textzeugnis für einen »erfolgreichen« Akkulturations- und Integrationsprozess eines Europäers in Nordafrika. Andererseits ist der Fall Olufs aber auch ein sehr gutes Beispiel für die Probleme, mit denen Rückkehrer nach längerer Gefangenschaft in Nordafrika – im Fall von Hark Olufs war es mehr als ein Jahrzehnt – zu kämpfen hatten. Ähnliche Probleme erwähnt auch der englische Gefangene Thomas Pellow. Er wurde als Elfjähriger 1717 nach Marokko verschleppt und berichtet von den großen Schwierigkeiten, sich 24 Jahre später bei seiner Rückkehr in England zurechtzufinden. In seinem Bericht spricht Pellow zum Beispiel von seiner großen Freude und Erleichterung, als er bei einem Besuch beim marokkanischen Botschafter in London Couscous, d. h. Essen an das er sich in seiner langen Gefangenschaft gewöhnt hatte, kredenzt bekam. Paradoxerweise fühlt sich der Heimkehrer Pellow in der Gesellschaft eines Mitglieds der Kultur, die ihn so lange gefangen gehalten hat, wohler als unter seinen englischen »Mitbürgern«. Aber auch Frauen berichten von großen Problemen, denen sie nach ihrer Heimkehr ausgesetzt waren. Mussten männliche Gefangene vor allem gegen den latenten Vorwurf ankämpfen, zur Religion des Islam übergetreten zu sein, stand bei weiblichen Gefangenen der unterschwellige Vorwurf im Raum, freiwilligen oder gewaltsamen sexuellen Kontakt mit muslimischen Männern gehabt zu haben..
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Wie bereits erwähnt, spricht Hark Olufs eine Konversion zum Islam nie direkt an. Es ist jedoch anzunehmen, dass aufgrund der einzigartigen Karriere, die er in Nordafrika durchlaufen hat, der Bericht Olufs mit großer Wahrscheinlichkeit der eines Renegaten, d. h. eines zum Islam übergetretenen Gefangenen darstellt. Ebenfalls erstaunlich ist die Offenheit, mit der Olufs auch über verstörende Erlebnisse oder Taten berichtet, die sich während seines Nordafrikaaufenthalts zugetragen haben. Hierzu gehört zum Beispiel Olufs Eingeständnis, auf Befehl des Beys eigenhändig einen Unschuldigen ermordet zu haben, um damit dessen »Verschwiegenheit« über ein Geldversteck sicherzustellen (Olufs 30). Bemerkungen zur vorliegenden Edition von Hark Olufs Bericht Der vorliegende Text folgt der ersten deutschsprachigen Ausgabe Harck Olufs aus der Insul Amron im Stifte Ripen in Jütland, gebürtig, sonderbare Avanturen, so sich mit ihm insonderheit zu Constantine und an andern Orten in Africa zugetragen. Ihrer Merkwürdigkeit wegen in Dänischer Sprache zum Drucke befördert, itzo aber ins Deutsche übersetzet. Flensburg, im Verlag Johann Christian Kortens, 1751. Fettgedruckte Passagen in der Ausgabe von 1751 werden in der vorliegenden Edition ebenfalls durch Fettdruck gekennzeichnet. Textstellen, die in der Ausgabe von 1751 nicht in durchgängiger Frakturschrift, sondern in Antiqua gesetzt sind, werden in der vorliegenden Edition durch Kursivschreibung kenntlich gemacht. Absätze, Interpunktion, Orthographie sowie Groß- und Kleinschreibung in der vorliegenden Edition folgen ausschließlich der Ausgabe von 1751. Die Seitenangaben in eckigen Klammern im Text markieren immer den Beginn der jeweiligen Seite und beziehen sich auf die Edition von 1751.
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Der Bericht des Harck Olufs Harck Olufs aus der Insul Amron im Stifte Ripen in Jütland gebürtig, sonderbare Avanturen, so sich mit ihm insonderheit zu Constantine und an andern Orten in Africa zugetragen. Ihrer Merkwürdigkeit wegen in Dänischer Sprache zum Drucke befördert, itzo aber ins Deutsche übersetzet. Flensburg, im Verlag Johann Christoph Kortens, 1751. [3] Da es dem HErrn gefallen, mich, vor vielen tausend andern Menschen, auf sonderbare Weise zu führen, hat man von mir verlanget, daß die seltsame Begebenheiten, so mir wiederfahren, ihrer Merckwürdigkeit wegen mögten in die Feder gefaßt und dem Drucke überlieffert werden, damit selbige hinkünftig zu einem Beweise dienen könnten, wie wunderbarlich GOtt die Kinder der Menschen führe, und daß er auch nach seinem Wohlgefallen, das Hertze eines Unchristen zur Barmhertzigkeit neigen könne. Im Jahr 1708 den 19 Julii erblickte ich zuerst das Licht dieser Welt, auf einer kleinen Insul Amrom genannt, so in der West-See liegt, und zum Stifte Ripen in Jütland gehöret. Wie meine Landes-Leute ihre Nahrung von der See [4] haben, so bin ich auch in Zeiten, von meinem zwölfften Jahre an, beflissen gewesen, dereinst einen tüchtigen See-Mann abzugeben ; Ich habe bis ins dritte Jahr eine und andere Reise gethan, da ich zugleich mit dreyen meiner Landes-Leute, Richard Flor, Jens Nikelsen und Hark Nikelsen, Jürgen Oksen von Föhr, und dreyen vom Elbstrom, mich bey der Steile im Canal, so Sordels genannt wird, den 10 Martii 1724 von einem türckischen Caper muste gefangen nehmen und nach Algier schleppen lassen. Ich wurde auf dem Marckte für 1000 Cartuches, oder 1000 Marck Lüb. verkauft, den Tag aber hernach überließ mich mein Kauffmann an einen andern mit 100 Cartuchers Profit. Bey diesem Herrn war ich ohngefehr 14 Tage, und war meine Arbeit, eins und das andere im Garten zu bestellen, ingleichen Maulbeer-Blätter für meines Patrons Seiden-Würmer einzusammlen, und hiernächst Wasser zu tragen und das Hauß rein zu halten. Indem aber der Constantinische Bey, mit Nahmen As- [5] sin, seinen Commißionair zu Algier hatte, Sclaven einzukauffen, bekam er Lust zu mir, und mein Patron überließ mich ihm für 450 Stück von Achten. Dieser Bey Assin kan wie ein kleiner König angesehen werden, dessen Haupt-Stadt Constantine, eine ansehnliche Stadt und Vestung ist, und nach meiner Muthmaßung 12 Tage-Reisen oder 60 Meilen von Algier gegen Süden liegt. So viel ich weiß, stand er auf keine Weise unter dem Groß-Sultan, sondern er war Souverain in seinem Lande ; er war, wie ich in seine Dienste trat, schon ein Herr von hohem Alter, hitzigen Kopfs und gesun-
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der Complexion ; er war beherzt und hatte eine gute Kriegs-Erfahrung, indem er vorher, und stets bey meiner Zeit, mit seiner Armee zu Felde lag, und zum öftern mit seinen Nachbaren Streitigkeiten hatte. Einen Monat hielte er sich zum wenigsten in jedem Jahr zu Constantine auf. Er hatte zwey Weiber, so von mehr als 40 Bedienten Männern und Weibern, unter welchen 4 Verschnittene zu Cammerdienern bestellet wa- [6] ren, aufgewartet wurden. Er selbst ließ sich, von 30 bis 40 Laquaien, wovon die Hälffte Renegaten, und hernach mit den besten Bedienungen im Lande abgefunden wurden, bedienen. Ich muß hier, ehe ich weiter gehe, mit wenigen Worten etwas von den Eigenschaften des Landes, hiernächst der Nation und endlich von meinem eigenen Schicksal melden. Das Land ist voller Klippen, wovon einige so hoch, daß sie stets mit Schnee bedeckt sind, obschon das Land unten an denen Klippen so heiß ist, daß wann die Cameelen hievon im Anfang gantze Trachten herunter brachten, doch der Schnee meistens, bis auf kleine Klumpen zerschmoltzen, ehe sie am Fuß der Klippen gekommen. Sonst ist das Land sehr fruchtbar, und trägt allerley Korn, Trauben, Mandeln, Datteln, Feigen, Granat-Aepffel, Wasser-Limonien etc : doch mit dem Unterscheide, daß die eine Provintz besser in einem, und eine andere in anderen Dingen ist, und müssen beständig von allen Städten Lie- [7] ferungen geschehen zum Lager, wo der König sich mit seinen Königinnen aufhält. Es wird sehr feine Wolle, wie auch Wachs und Honig aus dem Lande verführt, verschiedener Apothecker-Waaren, rarer Felle von Löwen, Tygern und dergleichen zu geschweigen. Ob andere Metallen als Bley ausgegraben werden, weiß ich nicht. Für diejenigen, so im Lande gebohren, muß die Luft sehr gesund seyn, indem es nichts ungewöhnliches, daselbst Leute zu sehen von 100 und 120 Jahren und darüber. Man bemercket dann und wann Erdbeben und viel Gewitter, sonderlich im Sommer. Ausser freßigen wilden Thieren, als Löwen, Tygern und dergleichen, welche oft Menschen angreiffen, haben die Einwohner viele Plage von unterschiedenen Arten giftiger Schlangen, doch am meisten von Scorpionen, so in gewissen Gegenden in solcher Menge gefunden werden, daß man kaum einen Stein von der Erde aufheben kan, wounter nicht ein oder zweene liegen sollten. Hiezu kommen auch die verdrießliche Mücken und Flie[8] gen, welche die Schlafenden sehr verunruhigen. Das Land wird von Türcken und Mohren, welche letztere beydes weiß und schwartz fallen, bewohnt : Ihre Sprache ist von der Türckischen unterschieden, und nennen sie solche Arabisch, aber beede Nationen, so unter der Herrschafft vorgemeldten Beys gehören, werden mit einem Nahmen Schirck genannt, welcher so viel sagen will, als das Volck, so gegen Süden wohnet. In der Religion, sind die Mohren nicht viel von den Türcken, ausgenommen etwas in den Ceremonien, un-
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terschieden. Ich muß auch den Türcken überhaupt den Ruhm geben, daß sie aufrichtiger als die Mohren, also daß, was den Umgang betrifft, unter den Türcken insgemein eben so viele Ehrlichkeit, als unter uns Christen, angetroffen werde. In ihrer falschen Religion sind sie eifrig, und soll kaum jemand gefunden werden, der vorsetzlich wider die Dinge handeln sollte, welche sie für die Pflicht eines Mahometaners halten. [9] Sobald der Tag grauet, wird von einem Thurm oder anderem erhabenen Orte, von dem der hierzu bestellet, wann er einen Finger in jedes Ohr gestecket, gerufen : Eschet velej elej lala, Eschet enne Mahammet arasu lala ella velun Zelleth, ala hoat warth, ala hoat warth. Hierauf steht jedermann auf, und nachdem sie die Hände bis an die Ellenbogen und die Füsse bis an die Enckel gewaschen, den Mund und die Nase gereiniget, und zugleich mit der verkehrten Hand das Angesicht und hinter den Ohren gestrichen, wird ihr gewöhnliches Gebet, so 5 mal des Tages, und zum ersten mal vor Aufgang der Sonne verrichtet wird, gehalten. Die Worte lauten in der Arabischen Sprache also : Al ham dilola Robbi laîro min rachmana rachim mânik jumidin, jâken abeddo, jâken estohiim tokino soratin lâdino en en dalohiim al ham dilolah robbi lâira min. Sie stehn in den Gedancken, daß nicht leicht ein Türcke verdammt werde. Von Christo, den sie Eisa und die Jungfer Maria, so sie Lella Maria nennen, reden [10] sie mit Ehrerbietigkeit, von dem Teufel aber, als von einem solchen, der böses thut. Ihre Beschneidung wird zuerst in dem vierten, fünften, ja sechsten Jahr vorgenommen. Schweinefleisch essen sie nicht, auch trinckt kein Mahometaner Wein oder anderes starckes Geträncke, sondern an deren Stelle entweder Wasser oder Schorbet, welches ein Wasser, das mit Rosinen gekocht ist, und auf unterschiedliche Art kan zubereitet werden. Ihre Fast-Tage, Ramadam genannt, werden jedes Jahr einen gantzen Monat gehalten, da man des Tages über nichts genießt, hingegen des Nachts ißt und trincket. In den letzten Jahren kunte mein Patron nicht vertragen zu fasten, sondern aß heimlich ein wenig. Ihre Todten werden in Leinewand gewickelt und also in die Erde gelegt. Die Mohren stimmen gemeiniglich ein Klage-Lied über ihre Todten an, da beedes Männer und Weiber sich mit ihren Nägeln auf das Kinn und vor der Stirne ritzen. Wann sie sich verheyrathen, bekommt der Bräutigam seine Braut nicht vorher [11] zu sehen, sondern wann er mit seinen Gästen am Hochzeit-Tage gegessen und getruncken, wobey zuweilen auf einer Cither gespielet wird, wird er in das Frauenzimmer Gemach geführet, woselbst die Braut zugleich mit andern Weibern, so alle das Angesicht verhüllet, befindlich, ihm aber wird ein Zeichen gegeben, woran er die Braut erkennen kan. Zu ihr geht er dann hin und nimmt das Geld, so er zur Morgen-Gabe geben will und kan, in einem Schnupftuch, giebt ihr damit einen Streich, und geht hierauf in die Schlaf-Kammer. Sie folget nach, er fragt sie hierauf zweyenmal um ihren Nahmen ? aber sie
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antwortet nicht, bis er zum drittenmal fragt ; hierauf wirfft er das Schnupftuch mit dem Gelde auf die Tiele, und breitet einen kleinen Teppich auf den Boden, tritt darauf und verrichtet sein Gebet. Die Braut leget inzwischen die Kleider ab und geht zu Bette, und er folget nach. Die meisten Weiber sind sehr jung, wann sie sich verheyrathen. Im Essen und Trincken leben die Türcken, wie ich erfahren habe, [12] sparsam ; es werden nicht viele Gerichte aufgetragen, vielerley Arten Früchte aber bey der Mahlzeit aufgesetzet. Sie speisen des Morgens zuerst eine Art Gebackenes, hierauf trinckt man Caffe, (der Thee wird nicht geachtet) um 10 Uhr speißt man zu Mittage, hierauf ruhet man einige Stunden, und speißt wiederum des Nachmittags ohngefehr gegen 4 Uhr. Was nun insbesondere meine Schicksale angehet, so habe ich erstlich drittehalb Jahr bey diesem meinem Patron als Laquai gedienet, und wie ich in dieser Zeit Lingua Franca, wie auch die Türckische und Arabische Sprache erlernte, und nach und nach in denen Dingen, so vorfielen, geübet wurde, so erweckte mir GOtt Gnade bey meinem Patron, also daß er jederzeit große Gewogenheit gegen mich hegte. Er vertrauete mir das Amt an, welches von großer Wichtigkeit und Gassenadahl oder Gasnadi benannt wird, nach der Redens-Art aber unseres Landes Ober-Caßirer heißt. Ich beklei- [13] dete dieses Amt erstlich in 4 Jahren, und mein jährlicher Gehalt war 1700 Stück von Achten, ausser was mir an Lande, Cameelen, Schafen, und dergleichen gehörete. Zween Schreibern, so stets bey mir waren, gab mein Patron die Besoldung, zwantzig Bedienten aber und bisweilen darüber, reichte ich selbsten den Lohn. Dreymal im Jahr hatte ich eine reichlich mit Gold und Silber gestickte Montur. Ausser dieser meiner Bestallung, wurde mir annoch ein Commando von 500 Pferden anvertrauet, dann ich hatte annoch als Caßirer, bey unterschiedenen Gelegenheiten, gegebener Ordre nach, eine Art Bravoure, so meinem Patron gefallen, bewiesen, obschon meine Tapferkeit im Grunde eher eine Verwegenheit, als ein ordentlicher Muht und Hertzhaftigkeit zu nennen ; dann ich war in meinem Sinn nicht vergnügt, und eben darum war es mir einerley, ob ich lebte oder todt wäre. Obgleich ich ein bey der Nation angesehener Mann war, und viele mir mein Glück mißgönneten ; so sahe ich doch die Sache selbst besser ein, [14] daß ich diesem allen ohnerachtet ein Sclave geworden, und daß ein kleines Versehen, bey einem barbarischen Herrn, der Macht hatte zu thun, was ihm selbst gelüstete, leicht verursachen könnte, daß ich eben so tief erniedriget würde, als ich war erhöhet worden, ja jeden Tag mein Leben in meinen Händen tragen müste. Diese bemeldte 500 Mann zu Pferde, waren stets um mich und konnten als meines Patrons LeibGarde angesehen werden. Es trug sich zu, daß sich ein Krieg entspann, zwischen meinem Patron und einem andern, mit Nahmen Boâssâse von Thesés, welcher als
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ein kleiner Fürst konnte angesehen werden, und das Haupt einer vornehmen Familie war. Diesem Boâssâse kam im Sinn, daß er sich eines gewissen Stückes Landes, so meinem Patron gehörte, bemächtigen wollte. Ich gehe hier die verschiedentlich vorgefallene kleine Scharmützel mit Stillschweigen vorbey, indem täglich, so lange zwo Partheyen wider einander zu Felde lagen, gefochten wurde. Hie und dort geschahen beständige Attaquen. Man bedie- [15] nete sich einer andern Kriegs-Art, als in unsern Ländern, ordentlich zu Wercke zu gehen. Das mehreste beruhete hauptsächlich auf einen hitzigen Angriff. Von diesen kleinen Scharmützeln waren folgende zwey die wichtigsten : In dem ersteren waren wir glücklich, in dem andern hingegen hatte der Feind einen Vortheil. Nachdem man auf beyden Seiten einige tausend Cameele, Pferde, Schafe und dergleichen geplündert, wurde ich einstens mit 500 Pferden commandiret zu recognosciren, und wie wir bey dieser Gelegenheit bemerckten, daß der Feind sich zur Ruhe begeben, resolvirten wir einen Einfall zu thun. Solcher glückte so wohl, daß der Feind, indem er vermuthlich gedachte, unsere gantze Macht, so gemeiniglich 9 bis 10000 Man starck, wäre zur Stelle, die Flucht ergriffe. Zwey und funfzig Köpfe führten wir mit uns zurücke, wogegen wir nur fünf Mann verlohren. Wir fertigten einen Courier ab, meinem Patron Nachricht von unserem Siege zu bringen. Wie wir ankamen, befahl der König, daß [16] jeder, so einen Kopf mit sich gebracht, hervor treten, und solchen im Gezelte zu seinen Füßen werffen sollte. Er regalirete alle durchgehends mit Gelde, mir aber wurden insonderheit unterschiedliche Ehren-Bezeugungen erwiesen, indem den vornehmsten Bedienten anbefohlen wurde, mir aufzuwarten, und von selbigem Tage an, wurde mir das Commando über die gantze Cavallerie, welche Bedienung Laga di Dejra, oder Obrister über die Cavallerie, benannt wird, anvertrauet, welcherhalben ich aber mir vieler Haß und Mißgunst auf den Halß lude. Es währete nicht lange, daß ich abermals sollte einen Versuch wider dieselben Feinde thun, es geschahe auch, aber zu meinem und derer, so bey mir waren, Nachtheil. Dann da der Feind flohe, und wir ihm nachsetzten, musten wir zwischen einigen Klippen defiliren. Der Feind hatte den Paß mit Fußvolck belegt, von welchem ein Theil unseres Volcks erschossen, dem andern Theil, so sich gefangen gabe, der Paß abgeschnitten wurde, der Ueberrest aber sich mit der Flucht sal- [17] viren muste. Ich befand mich unter den Gefangenen, mein Pferd war unter mir erschossen, man nahm mein Leibgehänge und spannte damit meine Hände auf den Rücken zusammen ; Fünf und viertzig von unseren Leuten, so gefangen waren, wurden massacriret, und man hatte Anfangs im Sinn, auf gleiche Weise mit uns zu verfahren ; indem man aber hoffte, eine gute Rantzion für uns zu bekommen, behielten ihrer funfzehn, worunter ich mich befand, das Leben ; obschon einer von
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meinen Dienern, so ich bey mir hatte und sonderlich liebte, vor meinen Augen erstochen wurde. Wie wir nun in Verwahrsam gebracht waren, kam des vorgemeldten Boâssâses Gemahlin, mit Nahmen Elgia, ins Gefängniß, nach türckischer Manier also verhüllet, daß nichts an ihr bloß zu sehen, als ihre Augen und Hände, so nach ihrer Gewohnheit, mit verschiedenen tief einbeissenden Farben bunt gemahlet waren. Sie kam größtentheils aus Neu-Begierde ins Gefängniß mich zu sehen, sintemalen sie vernommen, daß ich ein Christ wä- [18] re. Sie fragte : welcher es von uns sey ? und nach wiederhohlter Frage, warf ich mich zu ihren Füßen, da ich ohnehin unter den andern kenntlich genug, sintemalen die Augen der andern Gefangenen nicht alleine auf mich gerichtet, sondern auch ich von den andern, an der Farbe unterschieden war. Ihre Fragen an mich waren mancherley, unter andern : Ob man in unserm Lande an einen GOtt glaubte, der über Himmel und Erde regiere ? Wie ich diese Frage mit Ja beantwortete, machte sie den Einwurf, daß sie in Europa Holtz und gemahlte Bilder anbeteten. Diese irrige Meynung mag vielleicht daher gekommen seyn, daß sie solches entweder von den Catholicken gehört oder gesehen. Ferner : Ob wir Pferde, Cameele, Milch, Oel, Brod und dergleichen hätten ? Endlich ging sie weg, ich rieff ihr in einem beweglichen Ton und mit heller Stimme nach, für mich bey ihrem Herrn eine Fürbitte einzulegen, worauf sie antwortete, ich sollte nicht so ruffen ; Welche Worte ich also aufnahm, als ob sie zor- [19] nig geworden wäre, in wenigen Stunden aber kam der Schmidt, und machte mich loß. Ich hatte hierauf die Gnade, vor dem Schey, welcher so viel als ein Printz bedeutet, geführet zu werden, und mir wurde zu meiner Erquickung viel gutes erwiesen. Dieser Schey war ein Enckel des alten Boâssâse, bey welchem ich also in Gnade zu kommen, das Glück hatte, daß mir nicht alleine viele Gutthaten bewiesen und unterschiedliche Dinge zu meiner Erquickung präsentiret wurden, sondern auch, daß er seinen Aelter-Vater ersuchte, daß er mich mit auf die Jagd nehmen mögte. Wie man an einem Tage, einige Stunden nach Mittage, die Pferde ein wenig bey seite geführet, belustigte sich dieser Schey mit denen Herren, so bey ihm waren, nach dem Ziel zu schießen. Wie ich inzwischen in tieffen Gedancken über mein Schicksal stunde, und von ohngefehr meine Augen auf die Pferde gewandt, vermeynte der junge Herr ich besähe die Pferde, und fragte mich daher, ob diese Pferde wohl so gut wären, als diejenigen, so ich zu [20] Constantine hinterlassen ? Ich unterstunde mich nicht diese Frage zu beantworten, bis ich mir die Gnade ausgebeten, die Wahrheit sagen zu mögen ; denn ich hätte allezeit gehört, sagte ich, es gezieme sich nicht etwas anders vor großen Herren, als die Wahrheit zu reden. Ich berichtete anbey, daß die Pferde, so ich zu Constantine oder im Lande meines Herrn gesehen, mir wohl so rasch und schöne vorkämen. Er befahl,
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daß ich auf einem von diesen reiten sollte ; wie ich es aber nicht sonderlich rühmte, ließ er mich sein eigen Reit-Pferd probiren. Ich flanquirte hiemit in etwas herum, und wie ich an diesem Pferde eine besondere Munterkeit verspürte, kam mir gleich im Sinn, daß mir hier eine treffliche, obschon gefährliche Gelegenheit gegeben würde, zu entfliehen. Mein Hertz schlug in meinem Leibe. O ! gedachte ich, dürfte ich nur ! Ich faßte kurtze Resolution, folgte meinem Triebe, gab dem Pferde die volle Sporen und entrann. Ich war schon ein kleines Stück Weges fort, ehe man meinen Anschlag gewiß [21] wissen kunnte, sie schrien hinter mir her, und alsobald setzten 20 bis 30 Mann zu Pferde mir nach, es geschahen auch einige Schüsse, so, daß etliche Kugeln zu meiner Seite im Sande staubeten. Vor Verlauff drey Stunden aber, war ich ihnen schon zu weit aus dem Gesichte gekommen. Des Nachts ritte ich, des Tages aber bekam das Pferd etwas in den Wäldern zu fressen. Meine Speise in dieser Zeit, waren einige Früchte und eine Art Salat, so im Lande wächset. Ich brachte auf diesem Wege in allen zwo Nächte und etwas über einen Tag zu, da ich zu meines Patrons größtem Vergnügen mich wiederum im Lager einfand. Nach einer und der andern Dispüte, wurde endlich zwischen meinen Patron und dem ermeldten Boâssâse von Theses Friede geschlossen. Dieser Friede wurde meines Erachtens um so vielmehr für rathsam angesehen, als mein Patron an dem Bey, der zu Tunis residirete, einige Bewegungen wahrgenommen. Es kam auch endlich zu einem Kriege zwischen ihnen, wobey zwischen [22] Boâssâse und meinem Patron eine genaue Alliance geschlossen wurde. Das Glück war im Anfang fast auf beyden Seiten gleich, am Ende aber bekamen wir Gelegenheit, uns mit unserer Armee in des Feindes Lande aufzuhalten. Ein halb Jahr hatten wir gegen einander in Gewehr gestanden, da es uns endlich an Proviant gebrach ; dann die Cameelen, so uns Oel und Bord zuführten, wurden von einem, so meines Patrons Freund nicht war und Murath hieß, und an den Gräntzen des Tunesischen Landes wohnte, geraubet. Dieser Mangel nöthigte uns eine kurtze Resolution zu fassen, und den Feind anzugreiffen, es glücke wie es wolle. Aber, wie die Macht des Feindes stärcker als unsere, obschon wir niemals zu meiner Zeit, eine so zahlreiche Armee gehabt, welche dießmal zum wenigsten 40000 Mann starck war ; so war es nöthig, gute Vorsicht zu gebrauchen und die Umstände von der Postirung des Feindes einigermassen zu wissen. Mein Patron und Boâssâse beschlossen, einen abzusenden, diese Dinge [23] nach Möglichkeit zu erforschen. Wie man aber hierüber Raht pflegte, wer hiezu am besten könne gebraucht werden, fiel des Boâssâse Wahl auf mich. Er sagte, der Christ, der Gassenadahl ist gut genug hiezu : er wußte auf welche Art ich mich zuvor von seinem Enckel fortgeschlichen, und wollte mir, wann er könnte, am liebsten wiederum einen Possen spielen. Mein
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Patron, so mich liebete und darum ungern mir eine so mißliche Verrichtung auflegen wollte, fragte mich, ob ich Lust hiezu hätte ? Ich antwortete : Hier ist nicht die Frage, ob ich Lust habe ? sondern was Afendi (das ist mein gnädiger Herr) befiehlet. Kurtz, ich bekam seine Ordre, mit dem Zusatz, daß, wann es glücklich ginge, ich, wann ich wollte, mit Ehren meinen Abschied nach meinem Vaterlande haben sollte. Ich näherte mich des Nachts zu Fuße dem Lager, das nahe bey uns stunde, aber ehe ich dahin kam, begegneten mir einige Reuter. Ich wuste in dieser Eilfertigkeit nicht was ich thun sollte, doch fiel mir ein, meinen Säbel und meine Pisto- [24] len von mir zu werffen, und mich für einen Deserteur auszugeben, der zugleich etwas wichtiges mit dem König von Tunis zu reden hätte, wann ich die Gnade genießen könnte vor ihm geführet zu werden. Wie diese an meinen Kleidern abnahmen, daß ich einer von den vornehmsten Officirern seyn müsse, freueten sie sich hierüber und kamen meinem Begehren nach. Der Tunesische Bey kannte mich alsobald und fragte mich : warum ich als Gassenadahl und Laga di Dejra, der bey seinem Herrn in solchem Ansehen stünde, zu ihm käme ? Ich küßte seine Hand, und bat mir unterthänigst seine Beschirmung aus, wo nicht, wäre es eben so viel, ob ich sollte mein Leben in seinen oder meines vorigen Patrons Händen lassen, der, wie ich vorgab, mich tödten wollte, weilen an einem und andern Mangel im Lager, welches mir zur Last gelegt würde, gleich als wenn solcher sich durch mein Versäumniß eingefunden, obschon es offenbar, daß Murath sich unsers Proviants bemächtiget. Mein Leben wäre mir lieb, wollte er es [25] schonen, so versicherte ich, ihm treulich zu dienen, wann er mich hiezu wollte für tüchtig ansehen. Der Tunische Bey zeigte sich sehr vergnügt über meine Ankunfft, und forschte genau, ob es sich so verhielte, daß in unserem Lager Mangel an Proviant und Munition wäre, wie er von einigen Deserteurs erfahren ? Ich sagte ja, doch verhielte sich letzteres nicht also, dann an Kraut und Loth fehlete es nicht. Ich wurde weiter gefragt : Ob ich gesonnen wider meinen vorigen Patron zu fechten ? Ich antwortete : wann ich ein Pferd mit behöriger Rüstung bekäme, wollte ich mich hiezu willig finden lassen, und dieses um so viel ernstlicher, weil ich, als ein Ueberläuffer, niemalen bey ihm Pardon zu gewarten. Es geschahe, und ich kan nicht läugnen, daß, wie ich von diesem Herrn so wohl ausgerüstet und aufgenommen wurde, wider meinen ersten Entschluß, der Vorsatz bey mir aufstiege, bey ihm zu bleiben, vornemlich da es zu vermuthen stunde, daß die Tunische Armee das Feld behalten, und die Constantinische genöthiget wer- [26] den würde, entweder mit dem fördersamsten eine desperate Attaque zu thun, oder auch, wegen des ermeldten Mangels, sich über Hals und Kopf zu retiriren. Ich fand bey diesem Tunischen Bey guten Glauben ; mir wurde erlaubt, bey der Armee herum zu fahren und die
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Artillerie zu besehen, wobey ich zugleich von dem Zustande unserer Armee und denen Anstalten genau befraget wurde. Zu meinem Verdruß kamen am dritten Tage einige Ueberläuffer an, die gantz wohl wußten, daß ich mit nichten bey meinem Patron in Ungnade sey, sondern urtheilten, daß ich ausgesandt wäre, die Anstalten des Feindes auszuforschen. Es hatte ein Renegate gehört, daß dieses Gerüchte vor dem Tunischen Bey gekommen, und fragte mich also um die Beschaffenheit der Sache ? Ich that böse und wollte wissen, wer so von mir gesprochen ? Er antwortete, einige von euren eigenen Ueberläuffern. Inzwischen merckte ich schon was die Glocke geschlagen, und speculirte demnach, wie ich davon kommen mögte, und machte also Mi- [27] ne, als wann ich einen Gang mit dem Feinde wagen wollte. Dann dieses ist ihre Weise, bald mit 100, bald mit 200 Pferden und darüber, einen Einfall auf einander zu thun. Ich bekam 100 Mann mit mir und setzte mit ihnen an ; wie ich aber den Meinigen so nahe kam, als mir gut dauchte, gab ich ein Zeichen, daß ich zu ihnen übergehen wollte, welche mich dann auch mit Freuden empfingen, und zu meines Patrons grosser Verwunderung, in mein voriges Lager escortirten. Nun war ich im Stande, von allen Dingen genaue Nachricht zu geben, und rieth, noch in derselbigen Nacht den Feind anzugreiffen, und auf der Ecke einzufallen, wo er es unmöglich, nemlich von hinten an ihn zu kommen, vermuthen konnte. Die Constantinische waren wohl so gute Soldaten als die Tunische, hiezu kam die Noth, so uns zwang auf der einen Seite, und noch mehr die Hoffnung zur Beute und überflüßigen Proviant auf der andern Seite. Mein Patron hatte gewisse Belohnungen auf gewisse Dinge gesetzet, welche man sich von dem Feinde [28] bemächtigen würde, zum Exempel auf ein Stück 1000 Thaler und so weiter. Es kam, kurtz zu erzählen, zu einer Haupt-Bataille, die so wohl für uns ausfiel, daß unser Volck nach Verlauff einiger Stunden den Feind verjagte und das feindliche Lager erbeutete. In diesem Treffen aber kam mein Patron von seinem Pferde, und wie ich mich mehrentheils nahe bey ihm aufhielte, offerirte ich ihm mein Pferd, und stand in den Gedancken, wann er erstlich im Sattel, hinten aufspringen zu wollen ; wir kamen aber in solches Gedränge, daß es mir nicht möglich war, doch hielt ich annoch beym Schwantze, in der Hoffnung, mich hindurch zu dringen ; indem ich aber corpulent und schwer zu Fuße war, mußte ich loßlassen, und war kein anderer Rath für mich, als mich auf die Erde unter die Erschlagenen zu werffen. Die eine Hand ließ ich ausgestreckt liegen, die andere lag unter meinen beyden Messern, so die Türcken auf der Brust tragen. Wie ich nun einige Zeit in solcher Positur gelegen, hörte ich, daß einer zu dem andern sagte : Hier fin- [29] de ich einen in proprer Montur, die muß ich gewiß haben. Er stieg vom Pferde, und fing an mich aufzuheben, und umzuwerffen ; aber in selbigem Augenblick griff ich ihn mit der
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einen Hand an, und gab ihm mit der andern einen Messerstich in die Brust, also, daß er und ich nicht weniger ein starckes Geschrey machte, dann ich war so beklemmt ums Hertz, daß, wann ich nicht, meiner Meynung nach, zum Schreyen gekommen, ich Todes verfahren müssen. Des Getödteten Pferd diente mir also vom Wahl-Platze zu kommen, worauf ich abermal meinen alten Patron vorfand. Diese Avanturen waren die vornehmsten von denen, so im Kriege vorfielen ; was die übrige kleine Debatten betrifft, so ist es viel zu weitläufftig, solche anzuführen. Dann viele habe ich auf Ordre massacriret und viele ohne Ordre, indem mir in den letzten Jahren alles anvertrauet wurde, und ich vollkommene Macht über Leben und Tod hatte. Mein Patron wurde alt, und sahe am liebsten, daß die Sachen durch mich abgethan [30] würden ; Oefters, wann er sich des Mittags zur Ruhe legte, war schon eine oder andere Execution an den Straffälligen vollbracht, ehe er erwachte. Unter denen, so ich auf Befehl getödtet, liegen mir zweene Mauermeister am meisten im Sinn. Zu zweyenmalen fiel nemlich meinem Patron zu meiner Zeit ein, einen ansehnlichen Theil Ducaten in einen Thurm einzumauren. Wie der Mauermeister für seine Mühe war bezahlet worden, hatte ich den Befehl, ihm, wann er vor mir die Treppe nieder gienge, den Hals zu brechen, welches ich thun mußte, wo ich nicht meinen eigenen zu setzen wollte. Hiezu hatte mein Patron zwo Ursachen ; die eine, daß die Stelle, wo das Geld lag, verborgen bliebe, die andere, weilen die Türcken in dem Aberglauben stehen, daß die Seele, dessen, so ermordet worden, gleichsam über den Schatz schwebe oder wache, daß Niemand solchen als der Eigenthümer bekommen könne. So kan der Satan sich des Hertzens eines Menschen bemächtigen, wenn er erst von einem oder andern [31] Haupt-Laster eingenommen worden. Itzo will ich auch etwas von andern Merckwürdigkeiten melden. Es trug sich währender Zeit, da ich ausserhalb dem Vaterlande war, zu, daß ich das Vergnügen hatte, 5. Europäer zu sehen, so vom Könige Augusto in Polen ausgesandt waren, sich nach der Beschaffenheit des Africanischen Landes zu erkundigen. Der Vornehmste unter ihnen war Doctor Johann Hebenstreit ; auch befand sich in der Gesellschaft ein Gärtner, von der Insul Alsen gebürtig, der mir der Landsmannschafft wegen, desto angenehmer war ; der sechste war, so viel ich weiß, auf der Reise gestorben. Mein Patron erzeigte sich sehr höflich gegen sie, und befahl, ich sollte Anstalt machen, daß nichtes an ihrer Verpflegung gebrechen mögte. Es war mir eine Freude, dem Doctor einige silberne und güldene Münzen, die, so viel ich weiß, römische waren, zu verehren, obschon solche im Lande meines Patrons gefunden worden. Er bekam auch unter- [32] schiedliche Felle von Löwen, Tygern und dergleichen. Dem Gärtner war ich behülflich unterschiedliche Gewächse, Wurzeln und Blumen zu sammeln. Letztern verwahrte er in einem eigenen Buche zwischen grau Papier. Der Doctor war einige Meilen
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fortgereiset, ein altes verfallenes Gebäude, deren unterschiedliche im Lande gefunden werden, und woran annoch zu erkennen, daß sie zu ihren Zeiten kostbar gewesen, zu besehen. Bey diesem Gebäude wurden einige Steine gefunden, worinnen in alten Zeiten lateinische Buchstaben gehauen. Wie mein Patron durch mich fragen ließ, was rares der Doctor dorten vorgefunden, wurde ihm zur Antwort ertheilet, daß der Doctor sich bey diesen Inscriptionen so vergnügt bezeiget, als wann er einige 100 Ducaten gefunden. Hierüber lachte er hertzlich sagte : O ! Was sind die Christen für große Narren. Ich weiß gewiß, der gute Doctor würde mir gerne meine Dienste bezahlet haben, aber ich gebrauchte kein Geld, verlangte aber doch ein teutsches geistreiches Buch zu sehen, dann meine [33] Eltern hatten die Vorsorge für mich gehabt, mich, ehe ich auf die See kam, im Lesen und Schreiben unterrichten zu lassen. Meines Wunsches wurde ich gewähret : dann sobald der Doctor Hebenstreit in Sachsen angekommen, sandte er Speners Reise-Postill, worinnen er forne seinen Nahmen mit dem Wunsche meiner Befreyung geschrieben, über Livorno und Algier nach Constantine. Selbiges Buch habe ich annoch in meiner Verwahrung, und zu seinem Gedächtniß mit mir nach Amrom gebracht. Er hatte auch ein Buch bey sich, worinnen verschiedene Freunde und Gönner ihren Nahmen geschrieben, dieses präsentirte er mir in der Absicht, in selbiges meinen Nahmen und Gebuhrts-Ort einzuzeichnen. Acht Jahr war ich in Africa gewesen, wie mein Patron beschloß, eine Caravane nach Mecca in Arabien anzustellen, welchen Ort die Türcken heilig halten, weilen ihr Prophet Mahomet daselbst gebohren. Diese Caravane oder [34] Reise-Gesellschaft bestand ohngefehr aus 6000 Mann, von welchen 4000 auf eigene, aber 2000 auf Kosten meines Herrn reiseten. Das Beschwerlichste bey dieser Reise war, daß es an vielen Stellen an Wasser, welches auf Cameelen in großen ledernen Schläuchen mit uns mußte geführet werden, gebrechen wollte. Wir kamen unterwegens, auf dieser Seite von Mecca, zu der Stelle, wo Hagar vormals mit ihrem Sohn wegen Wasser-Mangels in Noth gewesen. Der Brunnen, so heilig gehalten und daselbst vorgezeiget wird, heisset auf ihrer Sprache Il me Sim Sim. Es gingen 13 Monathe vorüber, ehe wir diese Reise vollendeten. Mein Patron, wurde, der, bey dieser Reise bewiesenen Andacht halber, mit dem Zunahmen Hatje das ist : der Heilige, beehret. Einige Zeit hernach, wurde eine Verbindung gestiftet, zwischen einer von meines Patrons Verwandtinnen und dem Könige zu Marocco. Ich wurde mit einigen andern erkohren, diese Prinzeßin dorthin zu führen, hatte aber eben so wenig die Ehre [35] ihr Angesicht zu sehen, als der Gemahlinnen meines Patrons, obschon ich so viele Jahre in seinen Diensten gewesen. Sie wurde von einem Cameel getragen, worauf ein Verdeck, wie eine Portechaise, gebauet, und selbst war sie am gantzen Angesicht verhüllet.
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Der König zu Marocco, bey dem ich meine Aufwartung machte, war zur selbigen Zeit Sidim Mahomet, Mula Debbi, wovon die beeden letzte Worte zu seinem Titul gehören, und so viel, als ein Herr über das Gold, sagen wollen. Einige von den merckwürdigsten Dingen im Lande, worinnen ich gefangen war, sind meines Erachtens folgende : Es wird zwischen Algier und Constantine ein Stein von ziemlicher Größe gefunden, so von aussen und innen grüner Farbe. Wann etwas von diesem Stein pulverisiret und eingenommen wird, sagt man, daß er das Fieber curire, und wird solcher auf ihre Sprache : Hedjar Sidna se Eisa, des Herrn Christi Stein genannt, dann man hat eine [36] Tradition, daß der Herr Christus auf dieser Stelle mit seinen Jüngern geruhet habe. In einem großen Land-Dorffe Omgaus genannt, sollen einige begraben liegen, welche sie die Sieben-Schläfer nennen. Wann etwas gestohlen ist, wird der Verdächtige dorthin über diese Gräber geführet, da er schweren muß, daß, wann er schuldig, er nicht davon gehen möge, ohne am Kopff, Arm, Bein oder anderem Gliede Schaden zu nehmen, wie es denn niemals (wie die Türcken sagen) fehl schlagen soll, daß der Schuldige nicht Schaden nehme. Noch wunderbarer verhält es sich mit einigen Leuten, so sich hin und wieder im Lande aufhalten, und für die Geistliche der Türcken können angesehen werden und Maroboth heissen. Durch diese werden, dessen ich selbst Zeuge bin, wunderliche Dinge ausgerichtet, ob es durch des Teuffels Kunst geschehe, weiß ich nicht. Ich selbst habe gesehen, daß [37| sie durch ihr blasses Hauchen Feuer angemacht, zum Exempel, durch Anhauchen, eine Pfeiffe Taback angestecket. Auch war ich gegenwärtig, wie folgende Historie sich zutrug : Die eine von meines Patrons Gemahlinnen, bekam eine Geschwulst über dem Magen, als von einer Wassersucht ; Es wurde ein Maraboth gehohlet und um Rath gefraget. Dieser ließ eine von ihren Cammer-Mädgen hohlen, und wie er ein kupffernes Geschirr auf glüende Kohlen gesetzet und einen Theil Weyrauch darauf geworffen, nahm er die Hand des Cammer-Mädgens und befahl, daß sie, nachdem er in der Hand einen Kreiß von Baumwolle gemacht, und mitten drinnen etwas Oel gegossen, solche über den Rauch halten sollte. Hierauf fing der Maroboth an, vieles und mit großer Heftigkeit herzuplaudern, worbey es mir vorkam, daß viele fremde Wörter aus allerhand Sprachen zusammen gemischet waren. Gewiß genug war es, daß ich nichts von allem dem verstehen kunte, was er mit erhabner Stimme vorbrachte. Er fragte in- [38] zwischen : Ob sie etwas in ihrer Hand sähe ? Sie antwortete : Nein. Hierauf fing er aufs neue mit eben der Heftigkeit an, da sie zuletzt rieff : Ich sehe viele Leute. Er fragte : Was für Leute ? Sie antwortete : Vornehme Leute, welche Divan halten wollen ? Er sagte : Frage Sie : Was der Frauen fehle ? Sie : Sie sagen, daß sie auf einer bösen Stelle gewesen, wovon sie
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Schaden genommen. Er : Frage, welchen Rath man zu gebrauchen habe ? Sie : Sie sagen, man solle die und die Kräuter nehmen und solche kochen, hievon solle sie trincken und mit diesen Dingen solle sie sich baden. Es geschahe, die Frau wurde gesund, das Cammer-Mädgen aber fiel in Ohnmacht, wurde als todt weggetragen und kam in den ersten 24 Stunden nicht wieder zu sich selber. Einige Zeit hernach fragte ich sie : Ob sie nicht etwas gehört und gesehen ? Sie antwortete ; daß sie von keinem Dinge zu sagen wüßte, ausser daß sie in meines Patrons, eines Maraboths und meiner Gegenwart, ihre Hand hätte in einem Rauch gehalten, den der Mara- [39] both angemacht. Viele andere Dinge geschehen durch diese Leute, als zum Exempel, daß sie können den Arm in den Leib eines Pferdes jagen, also, daß er mit Blut gefärbet ist, wann sie solche wiederum herausziehen, hierauf sprechen sie einige Worte, lassen dem Pferde gleich darauf zu essen und zu trincken geben, worauf man an selbigem nicht das allergeringste wahrnehmen kan. Sie wissen dem gestohlnen nachzureisen, und was solcher Dinge mehr seyn können. Einige von diesen Leuten gehen in schönen grünen Kleidern, welches, wie sie sagen, Christo zu Ehren geschehen soll, weilen sie vermeinen, diese Farbe gefalle ihm, vorermeldten grünen Steins wegen. Einige hingegen gehen in gantz geringen Kleidern einher. Es wird auch in Lande ein Thier gefunden Dyx genannt, das sich mehrentheils von wildem Honig ernähret, und einige Aehnlichkeit mit einem Schweine hat. Von selbigem wunderlichen Thiere haben die Türcken die Meinung, daß es zuvor ein Maraboth gewesen, oder daß die Seele eines Maraboths in selbiges [40] gefahren. Die Ursache ihrer Präsumtion ist diese, weilen das Thier, wann man ihme einen Brief oder ein Blat aus einem Buche giebt, das Papier in den fördersten Füßen nimmt und vor sich hält, hierauf beginnet vielfältig zu plaudern, gleich als wenn es lesen könnte, und wann man das Papier von ihm nehmen will, zornig wird, und es in Stücken reißet. Ich komme aber wiederum zu meiner eignen Historie, insonderheit zu meiner Loßgebung, so nicht lange nach dem letzten Kriege mit Tunis, erfolgte. Mein Patron hatte mir hierüber seine Zusage gegeben, und einer von den Bedienten des Bey zu Algier legte Fürbitte für mich ein. Selbiger war dessen Gassenadhal und darneben sein Schwester-Sohn, mit Nahmen Ali Goje, der nach meiner Abreise Bey oder König zu Algier soll geworden seyn. Er stellete meine treue Dienste, und verschiedener Expeditionen [41] glücklichen Ausgang vor. Es war auch die höchste Zeit, wie meine Dimißion mir zugestanden wurde, dann mein Patron hatte sich schon das 95 Jahr erreichet, als, daß ich jeden Tag mußte eine Veränderung vermuthen, bey welcher es schlecht für mich würde ausgesehen haben, vornehmelich da diejenigen, so am meisten in Gnade gestanden, von dem folgenden Regenten am meisten, des
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Geldes wegen, pflegen geplagt zu werden, und wann dessen Begierde unersättlich, werden oft diejenigen zu Tode gepeiniget und geplaget, von welchen sie suchen grössere Capitalien, als das Land zu wege bringen kann, zu erpressen : wie dann gleicher Gestalt die Geld-Begierde fast meines Patrons Haupt-Laster war, obschon ich ihn eben nicht des Geitzes beschuldigen kann. Ich hatte zwar wohl im Sinn, wann sich ein Todes-Fall sollte ereignet haben, zu einem meiner gnädigen Frauen Brüder zu fliehen, dem ich angelobet, so es mir irgend möglich seine Schwester zuzuführen. Ich hatte auch ihm 1000 Ducaten zur Verwahrung an- [42] vertrauet, indem ich aber nicht so lange wartete, verdroß es mich nicht, sie im Stiche zu laßen. Des Abends zuvor, ehe ich von Constantine zog, hatte ich annoch mit meinem Patron verschiedene Discurse, und wie man zur selbigen Zeit in einem Gezelt, nicht weit von meines Herrn Gezelt, einen Lerm hörte, fragte er : Was zu thun sey ? Ich antwortete : es wären die Mohren, welche einen verstorbenen Amtmann ihrer Nation, beklagten. Ja, sagte er, er ist ietzo wohl daran, aber du, wo gedenckest du hin ? Siehe ! Du reisest ietzo von hier, du gehest weg und stirbest heute oder morgen, ich nehme keinen Theil an deinem Verderben, es sey auf deinen Schultern, denn ich habe dir zu deinem Besten gerathen, deine Verantwortung wird darum größer seyn, weilen du, weit vor deinen Mitchristen Gelegenheit gehabt hast, ein Muselmann zu werden. Den Tag hernach, ging ich, wie ich reisefertig war, zu meinem Patron, küßte ihm die Hand und sagte : Afendi ! Ich dancke für das Brod und den Sold, so ich nun in 12 [43] Jahren von Ihren Händen empfangen, ich erbitte mir Ihren Seegen, und die Vergebung derer Dinge, worinnen ich mich versehen haben mögte. Seine Antwort war diese : Ich dancke dir Capitain für deine Dienste und habe ich dir etwas zuwider gethan, wollest du es mir gleichergestalt verzeihen. Bey den letzten Worten, weinte ich und umfaßte seine Knie, der alte Herr aber richtete mich auf, und legte, indem man die Thränen auf seinen Wangen sehen kunte, seine Hand auf mein Haupt, und sprach : Fahre mit GOtt, nimm dich in acht für starckes Geträncke, für Weibes-Volck und für die Juden zu Algier, daß sie dir nicht dein Geld ablauren. Hierauf ertheilte er mir einen Paß auf Pergament, so ich zu Algier könnte vorzeigen. Wie ich daselbst ankam, fragte mich der dorten gegenwärtige Bey : Wie lange ich zu Constantine gewesen ? Ich antwortete 12 Jahr. Wohl sagte er, ietzo kanst du mir wohl eben so lange dienen ; wie ich hierauf antwortete : daß ich es für eine Gnade achten würde, einen [44] so vornehmen Herrn aufzuwarten, sagte er ; du meynest es nicht und setzte ein kleines Scheldwort hinzu, gab mir aber doch so viel an Golde als 7 Reichsthl. und theilte mir ohne Bezahlung einen Passeport mit, so sonsten über 70 Rthlr. gekostet haben würde, sagend : Deines Herrn und deiner treuen Dienste wegen, verlanget man
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nichts. Indem er aber sich gegen einen andern Herrn so bey ihm war, wandte, sprach er : Ist es nicht eine Schande für uns ? Wir erwerben die Christen mit unserm Blute, und hernach lassen wir sie aus dem Lande gehen mit unsern Mitteln ; Dann es war ihm bekannt, daß mein Herr mich behalten lassen, was ich dorten besaß, obschon ich meine Mittel weit höher hätte bringen können, wenn ich mich nicht in solcher Eil genöthiget gesehen, sie zusammen zu sammlen, und viele Dinge für den halben Werth verkauffen müssen. Folgende Historie wurde mir dorten erzählet : Vier oder fünff Sclaven zu Algier hätten mit einander in der Stille überlegt, ein Boot zu verfertigen, und hiermit in die Christenheit [45] zu entfliehen. Einer von Ihnen hätte die Abrede genommen, daß sie des Abends, da sie zu entfliehen gedächten, sich sollten mit dem Boote bey einem gewissen Garten einfinden, der seinem Patron gehörete, und parat seyn, diejenige Person einzunehmen, die er bey einer Laterne ihnen zuführen wollte. Inzwischen wäre dem Patron eine silberne Kumme weggekommen, und der Sclave nicht ohne Ursache dessen beschuldigt worden ; er hätte aber vermeynet hierum zu wissen und hingegen gesagt, eine Kunst in Europa erlernet zu haben, dem verlohrnen nachreisen oder entdecken zu können, welches, wie er vorgab des Abends geschehen sollte. Er hätte zu dem Ende den Patron mit sich bey einer Laterne an den Garten geführet, und vorgegeben, daß das Gestohlne daselbst sollte gefunden werden. Wie er ihn hätte herum geführet, wären sie zuletzt an die Stelle gekommen, woselbst die andern gewesen, und hätte gesagt : hier soll es sich finden, da jene sich der Türcken bemächtiget und ihn mit sich in die Christenheit geführet. [46] Meine Reise ging über Marseille, Lion, Paris und Hamburg. In Paris sahe ich annoch mein voriges Pferd, auf welchem ich von Boâssâse entwichen, dann es wurde von mir an den frantzösischen Consul zu Algier verkauft, von dem es auf des Königs Stall gekommen. Wie ich zu Hamburg ankam, kam mir mein Vater Oluff Janßen, welcher annoch im Leben ist, und zwey Jahr zuvor zu meiner Rantzion 800 Marck weggesandt hatte, entgegen ; Wie er aber auf Schreiben des Kauffmanns in Hamburg kam mich abzuholen, mußte er zu seinem großen Leidwesen vernehmen, daß man gefehlet hätte, wo nicht in dem Nahmen, doch in der Person, indem ein Soldat aus Bremen für diese Geld-Summe loßgegeben worden. Meines Vatern Geld war weg und sein Sohn gleichwohl in der Türckey ; doch wie er kurtz hier auf Brieffe von mir, von meinem Wohlstande und der Hoffnung zu meiner gewissen Erlösung erhalten, gab er sich einiger massen zufrieden. Seine Hoffnung wurde erfüllet, da ich das Früh-Jahr hernach ankam und [47] er abermals sich zu Hamburg einfand. So wenig er aber ersteren kennete, so wenig kunte er ietzo mich erkennen. Er hatte mich nicht gesehen, seit dem ich ein Knabe von 14 Jahren, ietzo aber wohl gewachsen, anbey corpulent und
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mit zierlichen Kleidern angethan war. Ich kam also gesund und vergnügt wiederum in meinem Vaterlande an, fast um selbige Zeit als ich vor 13 Jahr gefangen worden, und brachte an raren Kleidern, Meublen und baarem Gelde ziemliche Mittel mit mir, welches alles ich mit Vorwissen meines Patrons, mit mir aus der Türckey genommen. In Tundern hatte ich die Gnade dem Hochseel. Könige Christian dem Sechsten vorgestellet zu werden, welcher sich allergnädigst gefallen ließ, etwas von denen Dingen anzuhören die sich mit mir zugetragen. Kann ich dann mich nicht selbst mit Joseph in Ansehung seiner Unschuld vergleichen, so kan es doch einigermassen in Absicht auf sein Glück geschehen, und mein alter Vater hat etwas vom Schicksal Jacobs erfahren, sowohl in Ansehung seiner Betrübniß als [48] Freude über mich, indem er vorher eben so wenig glauben konnte, daß es mir so wohl ginge, als jemals gedencken, euch wieder zu sehen. Der Gott Abrahams, Isaacs und Jacobs, der mich bis diese Stunde unter vielen Gefährlichkeiten erhalten, gebe mir seine Gnade, damit seine Furcht mir vor Augen sey, daß ich mit Joseph für alles das Böse, so ihm zuwider, mich hüten, und in Ruhe, Glauben und Zuversicht zu ihm, von dem Getümmel und Unruhe dieser eitelen Welt entfernet, den Rest meiner Tage zubringen möge.
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Abb. 38 : Titelblatt ; Reisen und wunderbare Schicksale zweyer in die Algierische Leibeigenschaft gerathenen Brüder Andreas Matthaeus und Johann Georg Wolffgang … Augsburg, 1767. S1824 ; Staats- und Stadtbibliothek Augsburg. Ohne Seitenangabe.
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Ungewöhnlich unter den Sklavenberichten von Europäern in nordafrikanischer Gefangenschaft ist der Bericht der beiden Augsburger Kupferstecher Andreas Matthäus Wolffgang und Johann Georg Wolffgang. Beide Brüder wurden im Rahmen ihrer Ausbildung als Kupferstecher von ihrem Vater nach Holland geschickt, um ihre Fertigkeiten im Handwerk zu verfeinern. Sie missachteten den expliziten Auftrag ihres Vaters, unter keinen Umständen in See zu stechen bzw. nach England überzusetzen, und wurden 1684 auf der Rückreise von algerischen Piraten gefangen genommen und nach Algier verschleppt, wo sie im Palast des Dey als Haussklaven dienten. Das Schicksal der beiden Wolffgang Brüder ist aus mehreren Gründen ungewöhnlich : Einmal, weil es sich um das Schicksal zweier Künstler handelt, von denen neben dem gedruckten Sklavenbericht auch visuelle Darstellungen nordafrikanischer Personengruppen erhalten sind. Damit stellt die Gefangenschaft der beiden Brüder eine in Form von Kupferstichen einzigartige Fallstudie dar, weil hier neben dem schriftlichen Bericht aus zweiter Hand auch bildliche Repräsentationen aus der Hand der Gefangenen selbst erhalten geblieben sind. Es ist nicht zu eruieren, wessen Sohn die Erzählungen seines Vaters aufgezeichnet und die Drucklegung veranlasst hat. Der Buchtitel spricht nur davon, dass der Bericht »zweyer in die Algierische Leibeigenschaft gerathenen Brüder Andreas Matthaeus und Johann Georg Wolffgang, Kupferstecher in Augsburg, ihrer Seltenheit wegen dem Drucke überlassen, von dem Sohne eines derselben.« Neben dem Sklavenbericht (Abb. 38), der in zwei Auflagen in relativ kurzen zeitlichen Abständen erschienen ist (1767 ; 1769) und auch einen der beiden Brüder als algerischen Haussklaven bildlich darstellt (Abb. 39), sind über ein Dutzend weitere Stiche von nordafrikanischen Personen bzw. Vertreterinnen und Vertretern nordafrikanischer Personengruppen aus der Hand von Andreas Wolffgang überliefert. Hierzu zählen Darstellungen des Dey, algerischer Juden, muslimischer Frauen, von Seeräubern, Kapitänen sowie anderen Personengruppen, die das multikulturelle Setting nordafrikanischer Städte wie Algier charakterisieren (Abb.en 40–44). Diese Darstellungen sind die einzigen bekannten bildlichen Selbstzeugnisse von Europäern in nordafrikanischer Gefangenschaft (vgl. Ruhe 2017 ; 2019). Zusätzlich zur künstlerischen Dimension zeichnet sich
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Abb. 39 : Andreas Matthäus Wolffgang, »Andreas Matthäus Wolffgang« ; Jeremias Wolf, Trachtenbuch, Sammlung von 142 teilw. kolorierten Trachtenbildern, [Augsburg u. a.], [ca. 1700–1750] ; Chalc 116, fol. 41 ; Bayerische Staatsbibliothek München.
Abb. 40 : Andreas Matthäus Wolffgang, »Day« ; Jeremias Wolf, Trachtenbuch ; Chalc. 116, fol. 40 ; Bayerische Staatsbibliothek München.
die Gefangenschaft der Wolffgang-Brüder auch durch die Tatsache aus, dass beide Haussklaven des Herrschers von Algier waren und damit eine privilegierte Perspektive nordafrikanischer Gefangenschaft im direkten Umfeld des Deys dokumentieren. Bevor wir jedoch über die Arbeit im Palast des Deys erfahren, bietet der Bericht Einblicke in die rechtlichen Rahmenbedingungen, die nach der Übernahme eines Schiffes durch Korsaren schlagend wurden. »Daselbsten wurden zuerst alle Engelländer, und der englischen Nation zuständige Güter, die man auf dem Schiffe gefunden, abgesondert, und, vermög eines zwischen beyden Nationen errichteten Vertrages, dem englischen Consul zugestellet, der Ueberrest des Volkes aber durchgehends zu Sclaven gemacht« (11). Der Bericht der Wolffgang-Brüder verdeutlicht, dass die nordafrikanische Freibeuterei nicht in einem rechtslosen Raum erfolgte, sondern vielfältig durch bilaterale Abkommen zwischen den Barbareskenstaaten und europäischen Nationen wie hier mit England geregelt war. Anders ausgedrückt bedeutete dies, dass englische Passagiere und
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Abb. 41 : Andreas Matthäus Wolffgang, »Ein Algerischer Jude« ; Jeremias Wolf, Trachtenbuch ; Chalc. 116, fol. 47 ; Bayerische Staatsbibliothek München.
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Abb. 42 : Andreas Matthäus Wolffgang, »Mohammedanische Frau« ; Jeremias Wolf, Trachtenbuch ; Chalc. 116, fol. 48 ; Bayerische Staatsbibliothek München.
Seeleute sowie englische Waren des Schiffes aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach ihrer Erbeutung restituiert wurden. Ein fixer Teil der Beute, worunter sich auch der jüngere der beiden Wolffgang-Brüder, Johann Georg, befand, gebührte dem Herrscher bzw. Dey von Algier. Dieser Beuteanteil war zwischen den Korsaren und der jeweiligen Schutzmacht, unter deren Flagge sie operierten, vertraglich geregelt und stellte einen integralen Bestandteil der Freibeuterei im Mittelmeer dar. Der schlussendliche Freikauf der Wolffgang-Brüder wurde über einen Juden in Algier abgewickelt, der wiederum mit einem ihm bekannten Augsburger Geschäftsmann in Livorno die Geldtransaktion mit den Eltern der Brüder abwickelte. Gegen Ende des Berichts erfahren wir, dass die beiden Brüder die vom Vater bezahlte Lösegeldsumme nach ihrer Rückkehr in Form von Kupferstecherarbeiten in der väterlichen Werkstatt abzugelten hatten. Der Bericht der Wolffgang-Brüder markiert auch eine Wende in der Gattung des europäischen Sklavenberichts aus Nordafrika. Nach der Publikation von Daniel Defoes Erfolgsroman Robinson Crusoe (1719) versuchten einige Rückkehrer,
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Abb. 43 : Andreas Matthäus Wolffgang, »Seeräuber« ; Jeremias Wolf, Trachtenbuch ; Chalc. 116, fol. 43 ; Bayerische Staatsbibliothek München.
Abb. 44 : Andreas Matthäus Wolffgang, »Kapitän« ; Jeremias Wolf, Trachtenbuch ; Chalc. 116, fol. 44 ; Bayerische Staatsbibliothek München.
Elemente dieses Erfolgsromans in ihre authentischen autobiographischen Berichte zu integrieren. Dieser Mechanismus ist im Bericht der Wolffgang-Brüder augenscheinlich und auffällig. Gerade die Tatsache, dass die Brüder gegen den expliziten Willen ihres Vaters zur See fahren, erscheint wie eine direkte Entlehnung aus Defoes Erfolgsroman. Dass sich authentische Sklavenberichte narratologisch und inhaltlich am Roman Robinson Crusoe orientieren, zeigt sich vor allem in der Gattung der Robinsonade. Diese Publikationen – wie der abschließende Text von Leonhard Eisenschmied in dieser Anthologie zeigt – reiten auf der Erfolgswelle des Romans Robinson Crusoe. Dabei kommt es immer wieder zu Überschneidungen zwischen Robinsonade und authentischen, realen Augenzeugenberichten aus nordafrikanischer Gefangenschaft.
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Bemerkungen zur vorliegenden Edition von Andreas Matthaeus und Johann Georg Wolffgangs Bericht Die vorliegende Edition folgt der ersten deutschsprachigen Ausgabe Reisen und wunderbare Schicksale zweyer in die Algierische Leibeigenschaft gerathenen Brüder Andreas Matthaeus und Johann Georg Wolffgang, Kupferstecher in Augsburg, ihrer Seltenheit wegen dem Drucke überlassen, von dem Sohne eines derselben. Augsburg, 1767. Absätze, Interpunktion, Orthographie, Fettdruck sowie Groß- und Kleinschreibung in der vorliegenden Edition folgen ausschließlich der Ausgabe von 1767. Die Seitenangaben in eckigen Klammern im Text markieren immer den Beginn der jeweiligen Seite und beziehen sich auf die Edition von 1767.
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Der Bericht der Wolffgang-Brüder Reisen und wunderbare Schicksale zweyer in die Algierische Leibeigenschaft gerathenen Brüder Andreas Matthäus und Johann Georg Wolffgang, Kupferstecher in Augsburg, ihrer Seltenheit wegen dem Drucke überlassen, von dem Sohne eines derselben. 1767. Mein Herr ! Sie haben die Gewogenheit gehabt, mich um die Nachricht von den Schicksalen meines Vatters und seines Bruders in Algier, und der Gelegenheit, wie sie dahin, und von da wieder heraus gekommen, zu ersuchen. Dieselbe sind in der That wunderbar, und ich mache mir ein Vergnügen daraus Ihnen damit aufzuwarten, so viel [4] ich mich aus den vielfältigen Erzählungen, die mir mein seeliger Vatter davon gemacht, werde erinnern können, nicht sowohl, daß ich eben gläubte Ihnen ganz unerhörte Sachen zu sagen, als vielmehr blos das Angedenken eines bey Leuten unseres Standes und Lebensart seltenen Falles in unserer Freundschaft aufzubewahren. Hier haben Sie die ungekünstelte Erzählung einer Begebenheit, welche Ihnen, wo nicht wegen ihrer Seltenheit, doch wenigstens wegen der Personen, welche sie betroffen, nicht gleichgültig seyn kann. Es war in dem vier und achtzigsten Jahre des verflossenen Jahrhunderts, als die zwey Gebrüdere Andreas Matthäus und Johann Georg Wolffgang ihren Vatter Georg Andreas Wolffgang durch beständiges Bitten und Anliegen endlich dahin vermochten, daß er sich entschloß, sie auf Reisen gehen zu lassen. Ihr Absehen gieng, um sich in der Kupferstecherkunst vest- [5] zusetzen, auf Amsterdam, und ihr Vatter hatte seine gegründete Ursachen den Aeltern, Andreas, voraus zu schicken, den Jüngern aber noch einige Zeit bey sich zu behalten. Der Aeltere reißte also ab, und hatte sogleich Gelegenheit zu Cölln am Rhein ein halb Jahr Arbeit zu finden, und sich in der Kunst zu üben. Die freundschaftliche Liebe indessen, die diese beyde Brüder beständig vor einander geheget hatten, machte ihnen diese Trennung sehr empfindlich. Sie wünschten nichts so sehr, als beysammen zu seyn, und beyde belagerten ihren Vatter, der mit beständigem Schreiben, und jener mit unabläßlichem mündlichem Anliegen, biß er sich endlich bewegen ließ den Jüngern dem Aeltern nachzuschicken, und beyden die Erlaubnuß mit einander nach Amsterdam zu reisen, zu ertheilen. Allein gewisse Ahndungen, welche sein vätterliches Herz bereits im Voraus empfand, vermochten [6] ihn, seinen Söhnen den gemessenen Befehl und das ausdrückliche Verbot mit auf den Weg zu geben, sich sodenn aller weitern
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Reisen zu entschlagen und vornemlich aus keinerley Ursachen sich auf die See zu begeben. Es hielte sich damals ein gebohrner Augsburger und naher Anverwandter von ihnen, Wilhelm Bauer, in London auf, welcher sich daselbst häußlich niedergelassen hatte, und in sehr guten Umständen befande. Sie glaubten daher ihrer Schuldigkeit gemäß zu seyn, diesem verwandten Landsmanne, nachdem sie bereits einige Wochen in Amsterdam gearbeitet hatten, ihre Aufwartung durch ein höfliches Schreiben zu machen. Sie thaten es, und erhielten nicht nur von ihm ein geneigtes Gegenschreiben, sondern auch eine höfliche Einladung nach London eine Lustreise zu machen und ihn daselbst zu besuchen. Dieser Vorschlag war an sich selbst gut und erwünscht, aber [7] wegen der damaligen Unruhen in Engelland gefährlich, und wegen des vätterlichen Verbots, nicht auf die See zu gehen, durchaus untersagt. Ihre muntere und unbedachtsame Jugend aber fand denselben allzuschön, als daß sie ihn hätten fahren lassen sollen. Sie beschlossen also, da sie an der Einwilligung ihres Vatters hierzu verzweifelten, denselben auf einige unschuldige, obwohl strafbare Art zu hintergehen. Sie schrieben, nachdem sie den Tag ihrer Abreise vestgesetzet, vorhero nach Hause, in der Hofnung, daß wohl ein Monat vorbey gehen würde, bis sie wieder Antwort von Augsburg bekämen, welche Zeit hinlänglich wäre in Engelland gewesen, und von da wieder nach Holland zurück gekommen zu seyn, ohne daß ihre Eltern von dieser Reise das geringste gemerkt haben würden. Die Sache war richtig und gut ausgedacht, und es gieng ihr weiter nichts ab, als der glückliche Erfolg, über welchen sie, wie sie hätten bedenken sollen, nicht zu ge- [8] biethen hatten. Sie langten also wohlbehalten in London an, wurden wohl aufgenommen und mit allem guten Willen vierzehen Tage lang aufs beste bewirthet. Hiermit war aber auch der fröliche Theil ihrer Reise vorbey. Zu ihrer Ueberfahrt nach Holland fanden sie zwey Holländische Schiffe seegelfertig liegen. Das eine davon war ein leichtes Fahrzeug, und der ältere Bruder verdingte sich sofort auf dasselbige. Der jüngere aber hatte sich bereits, unwissend seines Bruders, auf das andere eingemiethet, und weil er gute Gesellschaft darauf angetroffen, zum Unglück auch ihn überredet, das Gepäcke von dem Bord seines Schiffes auf das seinige wieder überbringen zu lassen, um sich eines Schiffes, welches ein schwer befrachteter Kauffahrer war, zusammen zu bedienen. Dieses war nun die erste Anlage zu ihrem bevorstehenden beyderseitigen Unglücke. [9] Sie seegelten mit einem günstigen Winde aus der Temse und befanden sich, in der angenehmen Hofnung, bald in Amsterdam anzulangen, mitten in dem Canal, als sie sich auf einmal von drey türkischen Corsaren verfolget sahen : welches in der That ein ausserordentliches Unglück zu heissen war, indem sich seit hundert
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Jahren kein Raubschiff so weit in den Canal als diese damals gewaget hatten. Der leichte Holländer setzte alsobald alle seine Seegel bey, und entgieng ihnen wegen seiner Ringfertigkeit ohne Anstand. Das schwere Kauffahrtheyschiff aber konnte diesem nicht folgen. Es wurde also erreichet, und hatte keine andere Wahl, als sich auf die schreckliche Worte : Streichet vor Algier ! ohne Schwerdtstreich, weil es weder mit Stücken versehen, noch mit Soldaten bemannet war, zu ergeben. Es ist leicht zu glauben, daß die Verwirrung in den Herzen der beyden Brüder noch grösser, als in dem eroberten Schiffe gewesen seye. Bald fiel ihnen [10] Londen, von dem sie kamen, bald Amsterdam, wohin sie wollten, bald Algier, wohin sie musten, ein. Was ihre Eltern, deren Befehl sie überschritten, bey dieser Nachricht empfinden würden, durften sie sich nicht einmal in den Sinn kommen lassen : denn die Straffe der Uebertrettung des vätterlichen Gebotts hatte sie auf der That ergriffen. Sie befanden sich an dem Eingange eines Lebens voller Jammer, und durften kaum hoffen, daß ihre Freunde etwas von ihrem Unglück erfahren, geschweige denn etwas zu ihrer Befreyung beytragen könnten. In dieser Verklagung und Entschuldigung ihrer Gedanken, wurden sie unter dem Verdeck mit schweren Fesseln gebunden und an die Balken geschlagen. Elender Zwiback und blos in Wasser eingeweichter Reiß, war die ganze Nahrung, womit man sie vor das blose Hungersterben auf dem Schiffe bediente. In diesem traurigen Zustande [11] umfuhren sie Frankreich, das sie auf diese Art sich nicht zu sehen gewünschet, Spanien und Portugall, giengen durch die Strasse bey Gibraltar und langten endlich glücklich, wenn man so reden darf, an dem Ort ihrer unglücklichen Bestimmung, in Algier, an. Daselbsten wurden zuerst alle Engelländer, und der englischen Nation zuständige Güter, die man auf dem Schiffe gefunden, abgesondert, und, vermög eines zwischen beyden Nationen errichteten Vertrages, dem englischen Consul zugestellet, der Ueberrest des Volkes aber durchgehends zu Sclaven gemacht, und das Schiff vor eine gute Prise erkläret. Der Dey von Algier erhält bekannter massen von einer jeden Prise seinen besten Antheil von den besten Sclaven und Gütern, unter dem Namen eines Geschenkes. Der jüngere Bruder Johann Georg hatte, vermög seines guten Aussehens und muntern Naturells, den Vorzug vor dem [12] andern dem Dey zum Geschenk ausgesucht zu werden, welches bey einem so gewaltigen Unglück ein grosses Glück, und der Weg war, welchen die göttliche Vorsehung zu ihrer aller beyder Befreyung eingeschlagen. Sie wurden also von einander getrennet, ohne Hofnung einander jemals wieder in diesem Leben zu sehen. Ihre Thränen, welche ihnen ihre Sclaverey allein noch übrig gelassen hatte, waren es lediglich, was sie sich zum Abschied zu verehren hatten.
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Dem Jüngern, als Königlichen Sclaven, gieng es so übel nicht. Er wurde sauber und dem Stande seines Herrn gemäß, gekleidet, und lebte im Ueberflusse, was Speise und Trank betrift. An dem Oberküchenmeister, welchem er untergeben war, fand er nicht nur einen gelinden und gnädigen Herrn, sondern sogar einen Gönner und redlichen Beförderer seiner Befreyung. Denn er war ein Gerechtigkeit [13] liebender und billiger Mann, der, obwohlen er ein gebohrner Türk war, so wenig Gefallen an einem barbarischen Bezeugen hatte, daß er vielmehr denjenigen Sclaven, die ihre Dienste fleißig und getreu verrichteten, allerley Gutes zufliessen zu lassen, und ihnen seine Gnade und Gewogenheit bey allen Vorfällen zu zeigen sich ein wahres Vergnügen machte. Inzwischen aber, daß der jüngere Bruder seinen Sclavenstand mit ziemlicher Gemächlichkeit ertrug, empfand der Aeltere die Härte seiner Knechtschaft gedoppelt. Derselbe wurde nach ihrer Trennung auf den öffentlichen Markt gebracht und nebst anderen fail geboten. Er hatte das Unglück, daß ein Renegat, welches, wie bekannt, die härtesten Herren vor die Sclaven sind, die Augen auf ihn warf, und endlich erhandelte. Gleich nach geschlossenem Kauf, befahl er ihme nach Hause zu folgen, welches er baarfus in einem sehr elenden Ge[14] wande unverweigerlich thun muste. An einem Ecke, etwann noch hundert Schritte von der Wohnung seines Patrons, befahl ihm derselbe zu warten, bis er ihn hohlen würde. Hier war es, wo ihm das wenige Latein, das er gelernet, und das Französische, auf welches sie sich, weil sie auch Frankreich zu besuchen, entschlossen waren, geleget hatten, sehr zu statten kam. Denn es versammelten sich alsobald einige Türken um ihn herum, welche sich mit ihme in ein Gespräch in der Lingua Franca, welche an der ganzen barbarischen Küste und durch die Levante gesprochen wird, und aus diesen Sprachen zusammen gesetzt ist, einliesen, und worinnen er sich auch vermög seiner Wissenschafft von beyden obbesagten Sprachen einigermassen zur Noth ausdrüken konnte. Sie mochten ohne Zweifel von seinem Patron abgeschickt worden seyn, ihn auszuforschen ; denn ihre hauptsächliche Fragen giengen weiter auf nichts, als was er vor eine Landsmann wäre, und was vor [15] eine Profeßion er gelernet hätte. Er half sich in seiner Verwirrung so gut er konnte, indem er sagte, er seye aus Schwaben in Deutschland, von einem geringen Dorfe, hätte nichts gelernet, als mit dem Akerbau umzugehen, und wäre mithin ein armer Baurenknecht. Sie zeigten ihm hierauf, um ihn zu fangen, eine Landkarte vor, mit dem Befehl, ihnen seinen Geburtsort darzuweisen. Da er sich aber mit seiner Unwissenheit in der Geographie entschuldigte, besahen sie ihm die Hände und blose Brust : woraus sie, wie sie sagten, schlossen, daß er nicht derjenige seyn müste, vor den er sich ausgäbe, weil es ganz und gar nicht das Ansehen hätte, daß er jemals zu grober Arbeit gebraucht worden wäre.
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In diesen angenehmen Gesprächen erschien sein Patron und bezeugte ein schlechtes Vergnügen, daß ihn seine vorausgesandte Spionen nicht besser ausgenommen hatten, so daß er ihm in vollem Zorn nach Hause zu [16] folgen befahl, wo er sogleich bey dem Eintritt mit Schlägen auf die Fußsohlen bewillkommt, und hernach zu den andern Sclaven in ein unterirrdisches Gewölb eingesperret wurde. Seine erste Arbeit, welche er einige Tage zu besorgen hatte, war Wasser und Holz in die Küche, und den Unflath wieder daraus, weg zu tragen. Kurz hernach gefiel es seinem Meister ihn zu einem Trompeter zu machen. Er wurde deswegen auf ein Schiff gethan, um auf demselbigen die Trompeten blasen zu lernen ; da ihm aber diese Profeßion nicht anstund, schüzte er eine schwache Brust, und einen kurzen Athem vor, und kam mit dieser Entschuldigung, welche zum Glück angenommen wurde, nach einigen Tagen wieder los, und davor in die Lehre zu einem Müzenstricker. Er lernete also die Kunst, diejenige Art Müzen zu machen, welche durch die ganze Barbarey in groser Menge verfertiget und verkauft werden, indem sich die Türken [17] derselben zu der Grundlage bedienen, um welche sie hernach ihre Turban aufwinden. Neben seiner eigentlichen Pflicht, das Müzenstriken zu lernen, hatte er auch noch die besondere Obliegenheit auf sich, vor seinen Lehrherrn Fleisch, Brod und andere Lebensmittel, weil die Eingezogenheit des türkischen Frauenzimmers sie von diesen öffentlichen Geschäfften ausschlieset, in das Haus zu schaffen. Dieser wenigen Freyheit bediente er sich zum öfftern in der Stadt herum zu streichen, und sich die Merkwürdigkeiten derselben bekannt zu machen. Einsmahls führte ihn sein Weg oder vielmehr eine ganz besondere Fügung der göttlichen Vorsicht bey dem Schlosse vorbey, wo der Dey gewöhnlich Hof zu halten pflegte. Nichts war mit der Erstaunung zu vergleichen, in welche er gerithe, als er sich daselbst rufen, und von einer Galerie des Schlosses herunter, Bruder Andreas ! nennen hörte. Er sahe in die Höhe und erkannte augenblicklich seinen [18] Bruder, welcher nicht nachliese, ihn zu sich hinauf zu wincken. Sie umarmten einander, und hatten viel zu thun, einander ihre Schicksale zu erzählen. Der arme Andreas klagte seinem Bruder seine Noth, die Härte seines Patrons, und elende Lebensart, bey der er sich blos mit Wasser, schlechtem Brod und ein wenig Reis elendiglich behelfen muste. Er wurde deswegen von seinem Bruder in dem nemlichen armseeligen Aufzug seinem Gönner, dem redlichen Oberküchenmeister vorgestellet, der sich mit vieler Güte nach seinen Umständen und der Beschaffenheit seines Patrons erkundigte. Dieser Gelegenheit bediente sich der jüngere Bruder alsobald, ein gutes Wort vor den armen Andreas einzulegen, und den Oberküchenmeister zu ersuchen, ob es nicht angienge, daß er unter die
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Leute des Deys aufgenommen, und mithin die Härte seiner Dienstbarkeit gemildert werden könnte. Der Türk vertröstet ihn deswegen aufs Beste, und unterrichtete ihn, wie [19] er sich desfals zu verhalten hätte, indem er ihm sagte, daß er, weil der Dey sich nicht gegenwärtig, sondern ausserhalb der Stadt in seinen Gärten befände, innerhalb zwey oder drey Tagen auf die Lösung der Stüke, welches das Zeichen wäre, daß der Dey zurückkäme, achtgeben, und alsdenn trachten sollte, von seinem Müzenmacher wegzukommen, um sich so geschwind es ihme möglich in das Schloß zu begeben. Dieses bewürkte er nach dreyen Tagen auch glücklich, und gelangte ungehindert in den Schloßhof, wo er die Art und Weise, den Dey zu empfangen, zugleich in Augenschein zu nehmen, Gelegenheit hatte : Alle Königliche Bediente waren in dem Schlosse in zwey Reyhen gestellt : Zur rechten stunden diejenige, welche von Geburt Türken waren, und das Vorrecht hatten, des Deys rechte Hand küssen zu dörfen. Links aber befanden sich die Renegaten, hernach die Sclaven, und nächst an diese wurde zuletzt der neue Leibeigene angestellt, [20] und unterrichtet, daß er, wenn der Dey bey ihme vorbey gehen würde, desselben Rock fassen, und demüthig küssen sollte. Der gute Andreas wagte es also, und langte in dem Vorübergehen des Deys nach desselben Mantel, um ihn zu küssen. Der Dey aber zog ihn zurücke, und fragte, was dieser da machte ? Sogleich trat der Oberküchenmeister hinzu, und sagte, daß dieses ein Bruder zu dem deutschen Sclaven wäre, der seine Dienste so redlich verrichte, und nichts mehr wünschte, als daß sein Bruder gleichen Eifer in seiner Bedienung zeigen dürfte. Ich habe aber, versetzte der Dey, der armen Geschöpfe ja so schon zu viel ! Der Küchenmeister aber fuhr fort, ihme Vorstellungen zu machen, daß er dem armen Menschen, der bey einem überaus schlimmen Patron wäre, die Gnade, neben seinem Bruder zu dienen, erweisen möchte : worein endlich der Drey willligte und ihme da zu bleiben verstattete. Der frohe [21] Sclave küßte ihm also den Rock, und blieb da. Es stund aber nicht lange an, als sein Patron gelauffen kam, welcher ihn sofort wieder mit Gewalt mit sich nach Hause führen wollte. Der Dey ließ ihn fragen, wie viel er vor seinen Sclaven gegeben hätte ? Der Renegat aber verlangte seinen Leibeigenen, und sagte, daß er ihme nicht feil wäre. Der Dey ließ ihm nochmals bey seiner Ungnade entbiethen, zu sagen, was ihn der Sclave gekostet. Der Renegat blieb aber darauf, denselben zu behalten. Da ließ ihn der Dey seinen endlichen Bescheid wissen, er sollte ihm nemlich den Werth des Sclavens sagen, oder sich gefallen lassen, so viel Streiche zu bekommen, als derselbe Asper gekostet hätte. Da brach der hartnäckige Entschluß des Renegatens. Er ergab sich darein, und sagte, daß er ihn 300. Asper zu stehen gekommen seye ; welche Summe ihme ausgezahlt, und er Ehrenhalber Tags her- [22] nach an die Marschallstafel, um ihm sein Leid einiger massen zu
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versüssen, gezogen wurde. Der gute Andreas mußte ihme zu guter Letzte noch einmal über Tische aufwarten, und bekam von ihme, wie leicht zu erachten, nicht die allerfreundlichste Gesichter. Er wurde hernach sofort gleich den andern in den gewöhnlichen saubern Sclavenhabit gekleidet, hatte sein gutes Essen und Trinken, und an nichts Mangel, als an der völligen Freyheit. Die Dienste, welche die beyde Brüder zu versehen hatten, bestunden darinn, daß sie dem Dey bey der Tafel aufwarteten, Morgens und Nachmittags die Tobackspfeiffen stopfen, und, im Fall er Gesellschaft hatte, dieselbe mit Coffee bedienen mußten. In dieser gemächlichen Knechtschaft hatten sie nun Zeit und Musse genug, mit [23] einander Rath zu pflegen, wie sie ihre Befreyung zu bewerkstelligen ihren Eltern Nachricht von ihren Schicksalen zubringen möchten. Dieses schiene am füglichsten durch die Juden geschehen zu können. Sie fanden gar bald einen, der nach Livorno handelte, an seinen daselbstigen Freund ihretwegen schriebe, und zugleich einen Brief von ihnen an ihre Eltern beyschloß, worinnen sie ihren gehabten Unfall eröfneten, und um baldige Erlösung aus ihrer Gefangenschaft fleheten. So betrübt ihren Eltern nun eine solche Bottschaft fallen mußte, so war sie doch in diesem noch erfreulich, daß sie wenigstens wußten, daß ihre Söhne noch lebten, und ihnen zu helfen sey, indem sie bis dahin weiter nichts erfahren, als daß sie auf einem holländischen Schiffe im Canal gefangen, aber nicht wohin sie geführet und was weiter mit ihnen vorgenommen worden. Die frohe Nachricht, daß man sie lösen würde, kam demnach bald genug an, [24] und der Handel wurde mit dem Livorner geschlossen, um das Geld vor sie an den Juden nach Algier zu übermachen. Währender dieser Zeit hatten sie Gelegenheit, wiewohl auf eine vor sie unbequeme Art, die innere Gegenden von Africa zu besuchen. Der Dey gienge mit seinem ganzen Hofstaat, unter einer starken Bedeckung von Soldaten, über fünfzig bis sechszig Meilen tief in das Land hinein, um den gewöhnlichen Tribut von denen der Republic unterworfenen Mohren einzutreiben. Die Sclaven hatten es dabey am härtesten, als welche, wenn sie manchmal in der grösten Hitze durch den tiefen Sand fortgereiset, hernach erst auf dem Platze des Nachtlagers die Zelten von den Camelen abnehmen und aufschlagen mußten. Auf dieser Reise geschahe es einsmals, daß ein Sturmwind, als sie eben Rasttag gehalten hatten, auf die eine Wand des Gezeltes mit solcher Ge- [25] walt sties, daß er den darhinterstehenden Tisch mit allen darauf befindlichen Büchern, worunter auch der Alcoran war, umwarf. Aus sonderbarer Dienstfertigkeit sprang der eine von den Sclaven alsobald hinzu, um die Bücher aufzuheben, indem sich ausser dem Dey und ihnen sonst niemand in dem Zelt befand. Dieser aber sties ihn,
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bevor er noch ein Buch ergreiffen konnte, mit dem Verweise zurück, daß, wo er den Coran nur berührte, er ihn unmöglich würde schützen können, daß er nicht auf der Stelle ein Türk werden müßte. Welches allerdings von einer grossen Ehrlichkeit der Türken zeuget, als welche keine fremde Glaubensverwandte zu ihrer Religion weder mit List noch Gewalt zu bringen verlangen. Nachdem sie auf dieser Reise fünf bis sechs Monat zugebracht und wieder in Algier angekommen waren, fanden sie die Briefe, die ihnen ihre Erlösung ver- [26] kündigten, bereits auf sie warten. Der Jud, der sich dieses Geschäftes angenommen, war bereit das Geld in Algier auszuzahlen, welches ihm von seinem Correspondenten in Livorno, Börklin, einem gebohrnen Augsburger, angewiesen war. Der gütige Oberküchenmeister übernahme die Ausführung dieses Handels bey dem Dey, welcher sie endlich um acht oder neunhundert Gulden erließ ; womit dann ihre Ranzion zu Stande, und in allem mit dem Briefwechsel und des Judens Gebühr auf tausend Gulden zu stehen kam. Der Livorner machte auf seiner Seite eine vortheilhafte Assecuranz dabey aus, indem er sich zwey tausend Gulden auszahlen ließ, davon er, wofern die beyde Brüder glücklich nach Livorno überkämen, tausend Gulden vor seinen Profit nahm, im Fall sie aber von andern Seeraubern nochmals gefangen würden, weiter nichts, als sie nochmals zu lösen wagte, wozu er das Geld bereits in Handen hatte. [27] Ihre Befreyung war also richtig, und sie hatten dieselbe gröstentheils dem Oberküchenmeister zu danken, der, wie oben schon erwehnet worden, ein ungemein redlicher, billiger und den Christensclaven geneigter Mann war, welcher sich über nichts zu erzürnen pflegte, als wenn er sie unter sich selbst, wie bey den Sclaven nicht ungewöhnlich ist, uneins werden, und Händel anfangen sahe. Ihr Hunde ! sagte er öffters zu ihnen, wenn er sie einander mit solcher Bitterkeit verfolgen sahe, GOtt hat euch in das Elend der Sclaverey verfallen lassen. Anstatt, daß ihr euch euren Zustand durch Bezeugungen allerley Freundschafft erleichtertet, so verbittert ihr einander euer elendes Leben noch, um ein vieles durch boßhaffte Uneinigkeiten. Nachdem also dem Dey das Geld vor ihre Befreyung geschossen war, liesen sie ihr weniges Gepäcke, worunter [28] man ihnen auch ihre Sclaven-Kleider mitzunehmen vergönnte, auf ein nach Livorno seegelfertiges Schiff bringen. Der Dey erlaubte ihnen, bis zu ihrer Abreise im Schlosse zµ bleiben, welches sie auch mit allem Danke annahmen. Allein der stäte Zuspruch vornehmer Türken, welche bey dem Dey ihre Aufwartung zu machen pflegten, und daselbst von ihnen mit Coffee und Toback bedienet werden mußten, beunruhigte sie, und trieb sie an, mehr mit ihrer Abreise zu eilen, als sie ohne dieß vielleicht nicht gethan hätten. Ich habe diese zwey Sclaven frey gegeben, ungeachtet sie meine besten
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sind ! Sagte der Dey einsmahls in einer solchen Gesellschaft. Der Oberküchenmeister hörte diese Worte, und befurchte, daß ihn wohl eine Reue ankommen möchte, sie losgegeben zu haben. Er rieth deswegen den beyden Brüdern, je eher, je lieber auf ihr Schiff zu gehen : welches sie dann nach [29] Abstattung ihres lebhafftesten Dankes vor seine viele Gnaden und bezeugte Vorsorge, aufs eiligste bewerkstelligten, sich einschiffen, und auf dem Lande und in der Stadt weiter nicht mehr sehen liesen. Kurz hierauf giengen sie unter Seegel, und langten ohne Anstos zu Livorno an, wo sie die Ehre hatten, unverschuldet vier Wochen die Quarantäne zu halten. Sodenn sezten sie ihre Reise eifrig fort, und kamen glücklich bey den Ihrigen in Augsburg an. Nach einem so gewaltigen Unglück, welches sowohl sie als ihre Eltern mit betroffen, als welche sie ohne andere Hülfe aus eigenen Mitteln gelöset hatten, hatten sie den Trost, auf eine nicht weniger sonderbare Art von der göttlichen Vorsorge vor sich gesorget zu sehen. Denn ihr Vatter hatte eben dazumahl eine aus acht grossen Kupferblatten bestehende einträgliche Arbeit, den bekann- [30] ten Kayser Leopold, in Lebensgrösse, unter Handen ; welche sie ihme nach ihrer Ankunft verfertigen halfen, und hiemit einen Theil ihres auf sie gewandten Lösegeldes auf eine rühmliche Art selbst abzuarbeiten, Gelegenheit hatten. Hier haben sie die besondere Zufälle unserer Väter, zweyer geschickten und künstlichen Augsburger, welche wenige von ihren Landsleuten erfahren, und noch wenigere zu erfahren Belieben tragen werden.
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Johann Michael Kühns Merckwürdige Lebens- und Reisebeschreibung, die 1741 publiziert wurde, berichtet auf über 400 Druckseiten unter anderem über Kühns Reisen, seine Gefangennahme durch algerische Piraten, sein fünfzehnjähriges Sklavenschicksal in Algier bzw. auf nordafrikanischen Korsaren-Schiffen sowie über seine Rückkehr in die Heimat (Abb. 45, Abb. 46). Leserinnen und Leser von Kühns Text sehen sich mit der grundsätzlichen Frage konfrontiert, ob ein Bericht, der offensichtlich immer wieder ins Fantastische abdriftet, dennoch die authentischen Erfahrungen einer realen Person wiedergibt. So berichtet Kühn vom Angriff durch eine ins Fabelhafte tendierende Seeschlange, die ein Besatzungsmitglied mit einem Satz vom Schiff entführt (Kühn 342-343). Auch wenig glaubwürdig sind Kühns Berichte von muslimischen Magiern an Bord, die bei Bedarf Unwetter und Stürme heraufbeschwören können (Kühn 240–249). Ebenfalls verdächtig erscheinen Kühns ungenierte Entlehnungen aus anderen Sklavenberichten wie den Emanuel Arandas, der ihm in der deutschen Übersetzung von Johann Frisch zugänglich war (Spindler 2017). Lange Zeit wurde Kühns Merckwürdige Lebens- und Reisebeschreibung nicht wirklich als reale Sklavenerzählung gewertet und einer Gattung zugeordnet, die bloß vorgibt, authentisch zu sein. Man kann diese Texte als »Pseudo-Barbaresken-Berichte« bezeichnen. Im Wissen um die Beliebtheit realer Sklavenberichte aus der »Barbarei« für ein großes Lesepublikum haben Verleger und Drucker gerade im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert immer wieder unter dem Deckmantel von Authentizität fiktive Sklavenberichte mit Erfolg aufgelegt. Hierzu zählt History of the Captivity and Sufferings of Mrs. Maria Martin, das 1806 in Boston auf den amerikanischen Markt kam. Die Publikation gibt vor, eine Übersetzung eines italienischen Berichts einer Sklavin zu sein. Bereits der Untertitel verrät, dass sich diese Publikation des gängigen Topos der von muslimischen Männern bedrängten europäischen Sklavin bediente : »Who was Six Years a Slave in Algiers, Two of which She was Confined in a Dark and Dismal Dungeon, Loaded with Irons for Refusing to Comply with the Brutal Request of a Turkish Officer.« Bei genauerer Analyse erweist sich dieser »Bericht« als eine Kollage von textlichen Versatzstücken aus unterschiedlichen Werken und ist inhaltlich mit größter Wahrscheinlichkeit zur Gänze dem Bereich der Fiktion zuzuordnen.
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Abb. 45 : Titelblatt der Erstausgabe ; Johann Michael Kühns merckwürdige Lebens- und Reise-Beschreibung, Gotha 1741 (Res/Biogr. 587 i) ; Bayerische Staatsbibliothek München. Ohne Seitenangabe.
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Abb. 46 : Frontispiz ; Johann Michael Kühns merckwürdige Lebens- und Reise-Beschreibung, Gotha 1741 (Res/Biogr. 587 i) ; Bayerische Staatsbibliothek München. Ohne Seitenangabe.
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Nach gängiger Auffassung wurde Kühns Merckwürdige Lebens- und Reisebeschreibung ebenfalls als Ausgeburt der Fantasie erachtet. Neuere Archivfunde von Magnus Ressel in Hamburg scheinen jedoch dieser Annahme zu widersprechen, da Kühn in Freikaufslisten namentlich auftaucht und damit sein Bericht trotz fiktionaler Einstreuungen im Kern als authentisch erachtet werden kann. Kühns Bericht besticht durch seine kenntnisreiche und zugleich packende Erzählweise. So erstreckt sich zum Beispiel die Beschreibung des Piratenangriffs bis zur Einnahme des Schiffs, auf dem sich Kühn befindet, über fast zehn Druckseiten (Kühn 131–140). Damit kam Kühn den Erwartungen seiner Leserschaft, eine spannende und auf Tatsachen beruhende Lektüre zu erhalten, sicherlich entgegen. Trotz der publikumswirksamen Erzählweise zeichnet sich Kühns Text durch eine Vielzahl von Details aus, die eine große Vertrautheit mit Nordafrika und barbaresker Sklaverei vorauszusetzen scheint. Neben einer genauen Beschreibung der Stadt Algier mit ihren wichtigsten Gebäuden und Befestigungsanlagen bietet Kühn aufschlussreiche Erläuterungen über das Herrschaftsgefüge der Stadt. Bemerkenswert sind auch seine Ausführungen zur Natur der nordafrikanischen Sklaverei. Er erklärt, wie frisch gefangene Sklaven mit List dazu gebracht werden, ihre Herkunft und heimatlichen Vermögensverhältnisse preiszugeben, wodurch der Wert eines Sklaven im Fall eines Loskaufs eruiert werden konnte. Mit den so gewonnenen Informationen konnten die für lukrative Loskäufe gewinnbringenden Sklaven von den mittellosen und damit weniger »wertvollen« Gefangengenommenen unterschieden werden. Dass zu diesem Schätzverfahren auch andere christliche Sklaven über Bestechungsgelder herangezogen wurden, wie Kühn meint, dürfte den Tatsachen entsprechen. Ebenso überzeugend sind Kühns Observationen, dass der Dey von Algier besonders an jenen europäischen Sklaven interessiert sei und diese in seinen Besitz überführt, welche sich durch handwerkliche, medizinische oder nautische Expertise auszeichnen – also Schiffskapitäne, Zimmermänner, Barbiere oder Schmiede (Kühn 144). Kühn legt auch einige Grundprinzipien der barbaresken Sklaverei anhand konkreter Fallbeispiele anschaulich dar : So kann zum Beispiel ein italienischer Sklave (Kühn 206) durch eine anfänglich kluge Investition in ein Fass Branntwein ein nachhaltiges und tragfähiges Geschäftsmodell entwickeln. Er erwirtschaftet durch Handel über die Jahre so viel Geld, das er gut zu verbergen weiß, dass er sich schlussendlich selbst seinen Freikauf finanzieren kann und sogar noch eine beachtliche Summe Geldes außer Landes bzw. mit in die Heimat bringen kann. Hier erinnern Kühns Ausführungen an den authentischen Fall des Engländers William Okeley, der in der Mitte des 17. Jahrhunderts ebenfalls als
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Sklave in Algier ein lukratives Import-Export-Unternehmen führte, schließlich über Mittelsmänner sein Geld in die Heimat transferierte und sich selbst durch eine spektakuläre Flucht in einem Faltboot nach Mallorca retten konnte (vgl. Okeley 1675). Kühn gibt aber auch genaue Auskunft über seinen eigenen Freikauf, der über seinen Bruder sowie Hamburger Spender durchgeführt wurde. Bemerkenswertes Detail am Ende seiner Ausführungen ist die Ausstellung eines »Frey-Zeddul« (Kühn 391) – einer Art Passierschein – der Kühn freies Geleit garantiert, falls er auf der Heimreise nochmals von algerischen Piraten gefangen genommen werden sollte. Dieser Umstand zeigt deutlich, wie groß die Gefahr eines Piratenangriffs in der frühen Neuzeit war bzw. dass sogar nach einem erfolgreichem Freikauf der Heimreisende erneut Opfer einer Verschleppung durch Korsaren werden konnte. Bemerkungen zur vorliegenden Edition von Johann Michael Kühns Bericht Der Text der Edition folgt der Erstausgabe Johann Michael Kühns merckwürdige Lebens- und Reise-Beschreibung. Gotha : Mevius, 1741. Die Textedition gibt ausschließlich eine kleine Auswahl aus jenem Teil des Berichts wieder, der Kühns Erlebnisse als Sklave in Algier bzw. auf nordafrikanischen Korsaren-Schiffen beinhaltet. Auslassungen gegenüber der Erstausgabe sind durch drei Punkte in eckigen Klammern […] gekennzeichnet. Textpassagen, die Kühn nicht in Frakturschrift, sondern in Antiqua gesetzt hat, werden in der folgenden Edition durch Kursivsatz gekennzeichnet. Orthographie und Absatzumbrüche folgen der Ausgabe von 1741. Die Seitenangaben in eckigen Klammern im Text markieren immer den Beginn einer Seite und beziehen sich auf die Ausgabe von 1741.
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Der Bericht des Johann Michael Kühn Johann Michael Kühns merckwürdige Lebens- und Reise-Beschreibung, worinnen nicht nur Dessen Schiffahrten nach Grönland und Spitzbergen, Strat Davis, denen Canarischen Insuln und Lissabon erzehlet, sondern auch seine darauf erfolgte Algierische Gefangenschaft und Vierzehenjährige Sclaverey, in derselben mitgethane Caper-Fahrten, und darbey ausgestandene Gefährlichkeiten, Nebst besondern Erzehlungen vom Wallfisch-Fange, Sclaven-Stande in Algier, wie auch Sitten und Gebräuchen derer Inwohner daselbst, Letzlich noch Dessen endlich Rantzionirung, Reise durch Franckreich nach Hamburg, und Ankunfft in seinem Vaterlande, aufrichtig beschrieben werden, Von dem Autore selbst aufgesetzt, und dem Publico mitgetheilet durch P.I.G. Gotha, verlegrs [sic] Johann Paul Mevius, Hof-Bücher-Livrant und Buchhändler daselbst, 1741. [131] […] Lib. I. Cap. X. Kühns andere Reise nach Cadiz. Ich war nach dieser Reise kaum 8. Tage in Hamburg, als mein jüngerer Bruder aus Gotha zu mir kam, der gleichfalls grosse Lust zum Schiff-Leben hatte, deßwegen ich ihn auf ein Schiff, welches nach Lissabon Segelfertig lag, verheuerte, ich aber nach Verlauff eines Monats bei dem Capitain, Hasenberg, als Matrose Dienste nahm die Reise mit nach Cadiz zum andernmal zu thun. Ich weiß nicht wie mir damals war, als ich das Schiff nebst andern Cameraden das erstemal betreten, es gieng alles confus zu, der Capitain gieng dreymal wieder vom Schiff ab, weil er eins und das andere vergessen hatte : ich bildete mir bald einen schweren Sturm ein, in welchem wir ersauffen müsten, bald bildete ich mir sonst ein Unglück ein, in summa, ich habe das Schiff mit zitternden Gliedern gleich Anfangs betreten, ohnerachtet mir nichts manquirte und nur ein heimlicher Kummer bey mir zu [132] spühren war, sogar, daß etliche Matrosen mich vor melancholisch hielten, als die von mir nicht gewohnet waren, daß ich mich so douce aufführete. Zur unglücklichen Stunde lieffen wir endlich aus von Hamburg und kamen den 17. December 1724. bis unter Cuxhaven, hier lagen wir vor Ancker bis den 27. Decemb. als den dritten Christ-Tag da wir in die Nord-See auslieffen. Es begegnete uns ein Schwedisches Schiff in der Nord-See, so mit uns sechs Tage in Compagnie gesegelt, und uns alsdenn verließ. Wir haben wegen schweren Wetters und beständig contrairen Windes sieben gantzer Wochen in der Nord-See zugebracht. Nachdem wir nun bey grosser Kälte den Canal passiret, sind wir wieder mit 2. Ost-Indischen Holländischen Compagnie-Schiffen gefahren, bis ans Cap St. Vincent, da sie uns zu unsern äussersten Unglück verliessen und ih-
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ren Curs gegen das hohe Meer, und so weiter gegen das Cap bon Esperance fortsetzeten, und diese Absonderung geschahe einen Tag zuvor, nemlich den 24. Febr. ehe wir mit dem verfluchten Türcken Hand-gemein wurden, denn den 25. Febr. frühe erblickte einer von unsern Matrosen, Nahmens Christoph Menersen, aus Westphalen bürtig, oben im Mars ein fremdes Schiff, er erkennte solches seines Gemächts und Grösse wegen vor kein Kauffarthey-Schiff, sondern erschrack und ruffte überlaut : Ein Türck, ein Türck, daß keiner vor Angst wuste, wo er bleiben solte. Als nun der Capitain Hasenberg den Rauber recognosciret, sagte er : Lieben Kinder, es ist ein würcklicher Rauber, wir müssen nun eins von beyden erwehlen, entweder Sclaverey, oder den Tod, durchgehen können wir nicht : [133] allons ! wer mir nachfolgen will, dem wird GOtt Gnade und Kräffte verleihen. Mit diesen Worten wurden wir sämtlich zur tapffern Gegenwehr angefrischet, wir ermunterten uns hernach selber, und versprachen einander bis auf den letzten Bluts-Tropffen beyzustehen und uns bis auf den letzten Mann zu wehren. Unser Schiff war mit 18. Canonen und 28. Mann besetzt, die alle bereit waren vor ihre Freyheit zu sterben ; wir wandten deßhalben unsere force an, die Stücke wurden parat gesetzt, wie wir denn uns dermassen auch in Positur stelleten, daß wir unser Leben, oder Freyheit dem Türckischen Hund theuer genug verkauffen wolten, dieweil es nicht möglich war zu entfliehen, uns auch nicht einbilden durfften, so ohne Schaden von ihm wegzukommen, wenn GOtt gleich Gnade gäbe, daß wir dem Hund entwischen könten. Unter der Zeit, da wir uns zur Gegenwehr gefaßt gemacht hatten, segelte das Türckische Schiff immer näher an uns. Nun hatte unser Capitain das Stratagema gebraucht und die Stück-Pforten sogleich verschliessen lassen, damit der Feind unsere Stärcke nicht wissen solte. Die sämtliche Mannschafft wurde auf den Oberloff des Schiffes alle neben einander mit Gewehr versehen, gestellet, damit uns der Feind starck in Mannschafft halten, und uns nicht sogleich zu ändern suchen solte, und wir unsere Canonen auf einmal auf den Türckischen Hund lösen, und ihm eine Schlappe beybringen könten. Aber was vor ein Spectacul es war, als man die Türcken auf ihren Schiff näher an uns rucken sahe, werde Zeit Lebens eingedenck seyn, ja wer solches nie gesehen, der muß gestehen, daß das barbarische Aussehen, ihr Geschrey [134] und hoffärtige Leibes-Posituren einem solchen gewiß Angst genug erwecken können, zumal auf dem Schiffe da man sich nicht retiriren kan. So bald die Türcken uns auf einen halben Canonen-Schuß nahe gekommen waren, sofort præsentirten sich einige hundert Mann mit grossen Knebel-Bärten, so die Arme bis an die Ellenbogen bloß gemacht und den blossen Sebel darinne hielten, dabey sie selben mit allerhand bedrohlichen Minen schwenckten. Da sie uns nun zur Gegenwehr gefaßt antraffen, so fiengen sie ein
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entsetzliches Geschrey an, und segelten gerade an unser Schiff, um selbiges in einem Sturm zu bekommen, denn weil sie bey uns keine Canonen vermutheten, so wolten sie vielleicht ihrer Meynung nach unser Schiff mit dem Sebel in der Faust, ohne einen Schuß zu thun, emportiren. Aber unsers Capitains Vorhaben war glücklich ins Werck gestellet, sintemal als sie das Geschrey anfiengen, so musten diejenigen von unserer Equippage, so bey die Stücke bestellet waren, unverzüglich nach ihren Posten abgehen, dadurch die Türcken auf den Wahn geriethen, als ob wir uns verkröchen, aber die bey die Stücke commandirten hatten ein Zeichen, wornach sie abfeuern solten. Sobald nun unserer Seits die BlutFahne aufgesteckt war, bekamen die bey denen Canonen ihr signal, wornach sich die Stück-Pforten augenblicklich öffneten, und die Türcken eine volle Lage aus unsern Canonen empfiengen : das Schiff wurde gedrehet, und die Canonen der andern Seite ebenfalls gelöset, dadurch wir ziemliche ravage unter den bloß stehenden und uns mit dem Sebel drohenden Türcken machten, so daß, wie ich hernach erfahren, durch diese erste Salve mehr [135] als 20. Türcken ihre verfluchte Seele ausgeblasen. Diese hatten sich solches nicht eingebildet, derohalben sie auch ihre Canonen eine Zeitlang auf uns löseten, wiewol weder auf das Schiff selbst, noch auf das Volck, sondern schossen uns nur nach den Vorstangen, Masten, Rhaen und andern obern Schiffs-Geräthe. Wir wehreten uns gleichwol tapffer, und war uns in den ersten 3. Stunden noch kein Mann blessirt, so wurde mit Canonen tapfer auf den Feind selbst geschossen, daß sie nicht an uns anzulegen trauen durfften. Die Türcken feyerten indessen auch nicht, sondern schossen uns erst die Fock-Vorstange entzwey, ferner die grosse Vorstange, den gantzen Fock-Mast, ohne was wir hie und da vor Schaden am Schiffe hatten. Das canoniren hatte beyderseits gedauert bis zwey Uhr gegen Nachmittag, da uns die Türcken einen Stillstand anbothen, vermittelst Aufsteckung einer weissen Flagge, es war aber nur eine List, weil sie unsere Stärcke gerne wissen mochten, deßhalben ihnen unser Capitain vorwarff : Er wüste wohl, daß die Türckische Parole nicht weit her wäre. Derohalben die Türcken gantz erbittert ein entsetzlich Geschrey von neuen anfiengen, daß uns die Haare zu Berge stiegen, und schwebten wir armen Teutschen zwischen Furcht und Hoffnung, was daraus werden wolte. Unter dem Schreyen hatten sich solche wieder auf den Oberloff mit Gewehr gestellet, und feuerten von nun an mit keinen Canonen mehr, weil unser Schiff ohne dem die Flucht zunehmen nicht mehr im Stande war, sondern es gieng mit kleinen Gewehr auf dasselbe, welches wir ebenmäßig thaten, und manchen Türcken zur Erden streckten. [136] Unser Capitain rieff uns getrost zu, und mit seinen Exempel ermunterte er die gantze Equippage, so daß wir im geringsten dem Türckischen Schieß-Gewehr nicht gewichen, sondern uns aufs hertzhaff-
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teste gewehret, und den Streit den gantzen Tag Löwen-müthig ausgehalten, bis die einbrechende Nacht uns beyderseits Stillstand gebothen. Als wir merckten, daß wir Ruhe hatten, suchten wir durch Hülffe der Nacht dem Feind zu entwischen, wiewol die Mühe vergebens ; Denn ausser dem, daß wir diesen Tag 8. todte und 11. blessirte Personen überkommen, so war unser Schiffs seines mehresten Ober-Schiffs-Geräthes beraubet, daß also unmöglich war, zu entfliehen. Diese Nacht hatten wir in so weit Ruhe, daß wir von dem Feind nicht incommodiret wurden, aber sonsten sehr wenig, indem nur noch 9. gesunde Personen unserer waren, die beständig am Schiff arbeiteten, so viel möglich war ; wir versprachen auch einander nochmals, bis auf den letzten Mann zu fechten, und uns lieber alle todt schiessen zulassen, als zuergeben daher war die Gegenwehr mehr verzweiffelt, als aus raison, denn da wir uns nicht mehr zuwehren vermochten, erwarteten wir doch des anbrechenden Morgens mit Schmertzen. Den 26. früh mit Tages-Anbruch rückte das Türckische Schiff auf einen halben Canonen Schuß wiederum an uns, und hatte eine weise Fahne aufgestecket, welches das Zeichen, daß wir uns ergeben solten ; aber statt einer Antwort bekam er eine Lage von Canonen, sie antworteten aber mit kleinen Gewehr, und feuerten so abscheulich in unser Schiff, daß sich keiner von uns mehr sicher wuste. Daß sie mit keinen Canonen [137] feuerten, war Ursach, daß sie das Schiff gantz unzerschossen in ihre Klauen bekommen möchten, wir hingegen feuerten, weil wegen Mangel des Volcks nur eine oder zwey Canonen konnten auf einmal geladen und loßgeschossen werden, dennoch mit diesen, als kleinen Gewehr, fort und fort auf die Hunde. Unserer fielen noch etliche, und ich bekam einen Schuß Vormittags um 9. Uhr, da mir eine Kugel zwischen zweyen Fingern an der lincken Hand durchfuhr, als ich eben mein Gewehr zu laden im Begriff war, und mich dadurch wehrloß machte ; beyde Finger waren entzwey geschossen, welches mir einen grossen Schmertzen verursachte. Ich band ein Schnupff-Tuch darüm, und als ich das Blut gestillet, ergriff ich meinen Sebel mit der gesunden rechten Hand, um mit selben das Schiff bis aufs äusserste noch defendiren zu helffen. Nunmehr schien es, als ob wir uns in kurtzen würden ergeben müssen, als die Türcken plötzlich inne hielten mit feuern, und wie wir wohl mercken konten, ein und andere Kugel unter Wasser von uns bekommen hatten, selbes aber nicht mit einer Pumpe auspumpen konten, deshalben das Volck an drey Pumpen gestellet war, damit sie vor der Sinckung befreyet blieben, und die Löcher verstopffet würden. Wenn wir damals nur 15. Mann stärcker auch sattsam mit Kraut und Loth versehen gewesen wären, hätten wir uns nicht ergeben wollen. Nachmittags fuhren die Türcken gantz nahe an unser Schiff ; als wir aber merckten, was es zu bedeuten hatte, nemlich daß sie jetzo mit Ernst das Schiff zubekommen suchen
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würden, so encouragirten wir einander und schwuren zu GOtt, wir wolten den Hunden [138] noch eine Schlappe beybringen, und solten sie uns alle darüber in die Pfanne hauen, deßwegen wir uns stille hielten, auch die nicht allzu starck blessirt, wieder bewehrt gemacht wurden. Die Barbaren legten also gantz sicher an unser Schiff an, ohne einigen Schuß zu thun, wir thaten desgleichen, ließ sich auch keiner von uns sehen, als wir aber merckten, daß diese Hunde so entsetzlich beym Überspringen brülleten, und deren genug auf unser Schiff wären, sprungen wir, als die Furien, aus unsern Löchern heraus, und als unser Zimmermann, welcher sehr kühne, das Tau, womit sie sich an uns gehencket, entzwey gehauen, ward das Schiff abgestossen, und wir fiengen eine entsetzliche Massacre unter diesen verzagten Lumpen-Gesinde an, daß von 14. Mann, so auf unser Schiff kamen, nicht einer am Leben blieb, sondern musten allerseits über die Klinge springen, welche wir so gleich in Angesicht derer Türcken über Boort in See warffen. Unter währenden Gefecht auf unsern Schiff hatten wir das zum besten, daß die Türcken nicht auf uns schiessen durfften, aus Furcht, daß sie ihre eigene Cameraden erschiessen möchten, aber da wir den Kehraus gemacht, und sich der Rauch verzogen hatte, gieng das Feuer von neuen an, da noch 2. von uns fielen und noch etliche blessirt wurden. Wir hatten nach zweytägiger Gegenwehr uns dermassen verschossen, daß wir keinen Schuß umsonst thun durfften, und mit denen Canonen hatten wir seit Vormittags nicht feuren können, sie merckten unsere Schwäche, deßwegen sie an uns noch zweymal anlegten, jedennoch das erstemal tapffermüthig repoussiret wurden ; da sie aber das anderemal angeleget, dabey [139] wir uns gleichwol dermassen in contenance hielten, daß nur noch 5. gesunde Mann denen Corsaren Abbruch thaten, so lange es gehen wolte, und bis wir, so zusagen, nicht mehr uns zu wehren vermochten, dazu noch dieses kam, daß wir allen Muth gegen den jetzo mit Ernst eindringenden Feind verlohren ; musten wir endlich der Menge weichen, und uns leider an den Türcken ergeben : Hiemit hatte mein heimlicher Kummer ein Ende, indem ich nunmehr sahe, warum ich so schwermüthig zu Schiff gegangen. Hierauf fiengen die Türcken ihrer Gewohnheit nach ein Jubel-Geschrey an, und sprungen Hauffenweisse auf unser gewesenes Schiff, durchsuchten alle Winckel, und zogen von unsern übrig gebliebenen Schiff-Volck, wo sie solches nur finden konten, hervor. Die arme blessirten schrien erbärmlich und baten um Gnade, aber das war denen Teufeln geprediget, denn man schlepte uns einen nach den andern, gesunde und blessirte auf das Türckische Schiff ; hier wurden wir zur Erde geworffen, einer hie der andere dort von etlichen Türcken angepackt, und der Kleider beraubet, daß wir gantz nacket ihnen zum Spott und Gelächter dienen musten, bis sie uns etliche alte Lumpen zuwarffen, damit wir kaum die Schaam bedecken konten. Beklagte sich
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einer über eine Unbilligkeit, oder that nur, als wenn ihm was verdrösse, so kriegten wir so viel Ribben-Stösse, und Schläge, daß es zu bejammern war, zumal wir arme blessirten. Als wir verbunden wurden, gieng der Türckische Feldscherer barbarischer mit uns um, als wenn einer in Deutschland die Tortur ausstehet. Wenn wir uns nun hier über beklagten oder vor- [140] brachten, uns selber zu verbinden, kriegten wir statt der Antwort Prügel genug. Unser gewesenes Schiff, so gantz neu, wurde so gleich von Türcken besetzt, und wir befunden uns in der allerelendesten Sclaverey. Die ersten zwey Tage bekamen wir nicht einen Bissen Brod oder einen Trunck Wassers, dabey wir hätten vergehen mögen, und wann wir darum baten, wurden wir entweder ausgelachet, oder bekamen etliche FußTritte in die Seite. Der gewesene Ober-Steuermann starb diesen Tag an seinen Wunden, die wohl noch hätten können curiret werden, wenn der henckermäßige Feldscherer nicht gethan hätte, er hatte einen Schuß unter der rechten Hüffte nebst einem durch den Arm ins Fleisch, er wurde nacket in das Wasser geschmissen. Auf diesem Barbarischen Schiff erfuhren wir, daß die Türcken auf die letzt gantz kleinlaut worden, indem sie bey 40. Toden ohne die vielen blessirten zehleten, und sey ihnen der Muth fast völlig gesuncken, als sie ihr Schiff leck befunden, und selbes mit Pumpen über Wasser hatten halten müssen, bis die Löcher verstopfft ; hätten aber damals zugleich bemercket, daß wir sehr schwach seyn müsten, in dem wir uns nicht gereget, und nur auf Gegenwehr bedacht gewesen ; deswegen da etliche unter ihnen die Aenderung verlangt, sich ein Gegentheil vorgethan, welcher haben wollen, daß man unser Schiff, weil es noch müste starck besetzt seyn, in Grund bohren solle, welche Parthey aber durch die erstern unterdrückt worden ; so dann wäre die Aenderung wie wol mit unglücklichen Success erfolget, dabey die Türcken sich verzweiffelt angestellt, als sie gesehen, daß die übergesprungene todt ins Meer geworf- [141] fen worden, da man zugleich beschlossen, daß das Schiff müste genommen werden, und solten sie noch mehr von der Equippage verlieren, da sie denn zweymal geändert, und das erstemal unglücklich, hernach aber desto glücklicher gewesen wären. Wenn wir 15. gesunde Mannschafft stärcker und sattsam mit Kraut und Loth versehen gewesen wären, hätten wir uns dem Hund wahrhafftig nicht ergeben dörffen. Sie knirschten auch ziemlich mit den Zähnen, da sie sahen, daß unser so wenig gewesen, die sich so lange gewehret, denn unserer waren noch 5 gesunde und 13. blessirte Mannschafft, da sie sich doch in die 30. bis 40. Sclaven zu machen eingebildet, und deren nicht die Helffte bekamen. Unsere Kost bestund nachhero aus etwas alten geschrotenen Gersten-Biscutto, etwas Oliven, einen Trunck Wasser nebst Schlägen genug zum Zugemüß. Wir kriegten hierauf sehr böß Wetter, und einen beständigen starcken Süd-West-Wind, der uns fast noch zwey Monat
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in der Spanischen See aufhielt, und creutzten unsere Räuber hin und wieder, ob sie etwa noch eine Prise erhaschen möchten, wiewol sie wegen contra-Wind die Strasse bey Gibraltar nicht treffen können, zumal unser genommen Schiff wegen dessen, daß es fast keinen Mast und Segel mehr hatte, ohne dem nicht folgen konte. Wir kamen also nach vielen Verdrüßlichkeiten den 18. April in die Strasse, und segelten dieselbe durch, und kamen endlich unsere Räuber den 24. April mit ihrer Prise und uns armen Sclaven im Hafen vor Algier an, und begrüßten das Castell mit 16. Canonen-Schüssen. Der Räuber-Capitain ließ sich mit etlichen derer vornehmsten so gleich ans [142] Land übersetzen, wir Sclaven aber nebst denen meisten Türcken blieben am Boort desselben, bis den 26. April, da der Capitain Hasenberg nebst denen noch 4. gesunden Personen in die Stadt Algier gebracht wurde. Den 27. April musten wir blessirten auf einem Boot nach dem Lande, und unter etlichen bestialischen Begleitern durch die Mulei oder DammPforte in die Stadt, und erstlich auf den Padissan oder Menschen-Marckt. Weil nun dieses eben der Char-Freytag, so seufftzete ich zu meinen Erlöser von Hertzen, tröstete mich seines Leidens, und fande dadurch viele Gelassenheit in mir selbsten. Es führete mich so gleich ein Ausruffer auf diesen Sammel-Platz alles irrdischen Jammers zum öffentlichen Verkauff herum, und bote mich feil. Nun fanden sich zwar einige Kauff-Leute ein, welche aber nicht genug geben wolten, deswegen der Räuber so uns genommen, selbst ein gewisses Geld auf mich setzte, der Telial oder Ausruffer führte mich alsdenn noch einmal herum, und schrie Arache ! Arache ! oder wer giebt mehr, als sich aber niemand fande, der mehr bezahlen wolte, wurde ich einsweils mit einer schweren Kette gebunden, in ein dunckel Loch gestecket, und das war mein erstes Nacht-Quartier in dem verfluchten Algier. Den heiligen Oster-Abend muste ich eben wieder den vorigen Reihen tantzen, und stand hernach den gantzen Vormittag ohne daß jemand etwas mehr auf mich geboten, bis zu Mittag ein Türcke mit einem Juden kam, welcher mich splitternacket besahe, wie ich von Mutter-Leibe kommen war, die Hände betastete, und mich lauffen und springen hieß, dieser wagte gleich eine höhere Sum- [143] me vor mich zu bezahlen, weil aber mein Räuber sich auch dazu verstand, wurde ich ihm zu Theil, wie viel er aber vor mich bezahlet, habe nicht erfahren können, und damals verstand ich die Sprache nicht. Sobald mich mein Patron gekaufft, ließ er mir eine 12. pfündige Kette in einer Schmiede um Hand und Fuß legen, und in solchen Schmuck muste ich mit ihm nach seinen Logis zu traben, welches 200. Schritte ohngefehr vor dem Thor Babel-Sand in einem Garten lag, und aus einen ziemlich regulair-gebauten Hause bestund. So bald ich daselbst angelanget, zeigte mir der Patron hinter seinem Hause ein Loch, wie ein Hunde-Loch, so weit unter die Erde gieng, und befahl mir unver-
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züglich dahinein zukriechen, mit folgenden Complimenten : hier, Hund, ist dein Quartier. Ich erschrack für diesem Quartier hefftig, und konte mich der Thränen nicht enthalten, darüber ich ein paar Ribben-Stösse bekam, und mich also acommodirte auf allen Vieren hinein zu kriechen. Ich fand hier einen gewölbten Keller ohne Fuß-Boden, der an einem Orte hoch, am andern niedrig war, am Ende aber lag ein Pfuhl voll allerley Ungezieffers, und forne, wo wir logirten, frassen uns die Mäuse und Ratten bald lebendig auf. Zu meinem grösten Trost traff ich hier 2. von meinen Cameraden an, nemlich den Unter-Steuer-Mann, und des BootsManns Magd, welche mein Patron auch gekaufft hatte ; ausser dem befanden sich noch 5. Sclaven drinne, welche Spanier und Italiäner waren, und sich wenig um uns bekümmerten, weil sie des Elends schon gewohnet waren. Von unsrer übrigen Equippage hatte der Dey den Capitain, den [144] Schiffs-Zimmermann, den Barbierer, den Schmied, und einen Jungen von 12. Jahren gekaufft, wo aber die übrigen hinkommen, habe ich mein Lebetage nicht erfahren können. Wir bekamen 2. Tage Rast-Tage, und ich wurde an meiner Blessur alle Tage 2mal verbunden, sobald aber diese Zeit vorüber, bekamen wir Ordre an unsers Patrons Schiff zu arbeiten, wobey der Cujon durch einen Juden auf allerley listige Art nach unserer Heimath, Vermögen, Profeßion etc. fragen ließ ; er erfuhr aber wenig, oder gar nichts, und nennte ich mich den kleinen Bautzner. Zu bejam̃ ern ist es, daß auch hier die Christen der Liebe so sehr gegen einander vergessen. Denn wenn die Sclaven auf dem Padissan geführet werden, finden sich gleich viel alte Sclaven ein, welche sie genau besichtigen, kennen sie einen darunter, geben sie es bey denen vermögenden Türcken an, mit Versicherung ihn zu kauffen, er habe Mittel, stehe in guten Umständen und könnte sich wohl ranzioniren, dafür sie ein Trinck-Geld bekommen. Der arme Sclav aber, wenn er läugnen will, wird bald durch die Peitsche des Guardians zum Bekenntniß genöthiget, und mag er alsdenn nur ernstlich auf seine Rantzion dencken, wenn er seine Hölle nicht finden will auf Erden. Ja die Türcken wollen so klug seyn, daß sie sich rühmen, aus der Physiognomie ohnfehlbar zu wissen, ob einer aus einem vornehmen Geschlechte, oder nicht ? darinnen sie sich aber vielmal gewaltig betrügen, und mancher armer Schelm, der einen guten Recommendations-Brieff im Gesichte, und sonst wohl nicht einen Heller werth im Vermögen hat, in desto grössere Gefahr laufft, auf eine sehr wichtige Art von seinem Patron [145] æstimiret zu werden. Ich hatte das Glück, daß mein Patron meinem Geständniß, daß ich blutarm, gleich anfangs glaubete, und blieb also ins künfftige mit aller weitern Ansprache verschonet. […]
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[194] […] Lib. II. Cap. V. Kühns Beschreibung der Stadt Algier. Algier ist ohne allen Streit die mächtigste Stadt auf der gantzen Barbarischen Küste, nemlich vom grossen Welt-Meer, oder Spanischen Meer an, bis nach dem Raub-Nest Tripolis, so gegen der Insel Malta über gelegen. Sie ist die HauptStadt im Königreich gleiches Namens, und lebt, als Tunis und Tripolis, einiger massen unter dem Schutz des Groß-Sultans, ob sie gleich dessen Befehle wenig respectiren. [195] Die Stadt lieget auf einem sehr bergichten Terrain, und ist als ein Amphitheatrum gebauet, so gar regulair viereckigt, daß wenn man sie von der See aus betrachtet, sie dem Auge eben viel schmäler, als unten an der See, vorkommt, liegt also sehr luftig den Berg hinauf fast Stuffenweiß, daß von der See zu rechnen die hintersten Häuser die fordersten übersehen können, welches einen artigen Prospect abgiebt, zumal, da fast alle Häuser überall weiß angestrichen sind, und also wie ein Kreiden-Berg von ferne aussehen. Im Umkreiß soll sie 4500. Schritte haben, wie die gemeine Sage ist, und umschliesset sie eine grosse starcke, hohe und dicke Mauer, welche mit sehr viel viereckichten Thürnen versehen. Diese Mauer ist ohngefehr 30. und unten am Wasser, da sie auf Felsen stehet 40. Schuhe hoch, und überall 12. Schuh dick. Um die Stadt herum ist ein truckener Graben, der aber gar liederlich ist, wie auch die Mauern, die fast mehrentheils von Quatersteinen auch von etwas gebrannten Steinen aufgeführet, jetzo Löcher genug haben, als wenn Breche geschossen worden wäre, daß man mit leichter Mühe in den Graben hinunter rutschen kan. Bey dem Thore Babason sind die breitesten Graben, aber voller Unflath, mit Gestäude, Sträuchen und Graß bewachsen, daß also die gantze Fortification nichts bedeutet. Was ihre Fortressen anlanget, so sind solche nach ihrer Art sehr starck, jedoch ist keine mit der Stadt-Mauer vereiniget, sondern sind eitel Castelle, die allein stehen, als : 1. Burs el Empadour, Kayser Carls Castell genennet, liegt eine gute Stunde von der Stadt auf einem [196] Hügel, soll, wie die Türcken sagen, von Kayser Carl V. seyn erbauet, aber nach dessen Retirade noch mehr bevestiget worden seyn. Es ist ein sehr vestes und starckes Werck mit einem dicken Thurn in dessen Mitte, ist trefflich mit Geschütz versehen. Der Thurn ist von dem Castell mittelst eines Grabens unterschieden und wieder mit einer Fall-Brücke zusammengehänget. 2. Das Spanische Castell lieget zwischen diesem und der Stadt-Mauer, ist ein kleines Massiv-Werck, welches von der Stadt-Mauer und dem Kayser-Castell kann bestrichen werden, ist ein Fünffeck, und dienet die Passage zwischen dem Castell und der Mauer frey zu halten.
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3. Das Schloß Acassave ist ein groß Werck mit 2. Thürnen und Streich-Wehren wohl versehen, es ist durch eine Mauer von der Stadt abgesondert, bey der neuen Pforten gelegen, dieses sollen die Juden erbauet haben, ist ohne einige Defension und mit 30. Canonen versehen, allhier pflegen etliche 20. Türckische abgedanckte Ober-Officiers oder Buluck-Bassen zu wohnen, und darff kein Christ hinein kommen. Die Janitscharen halten eine Wache daselbst, und wenn sie Schiffe in See sehen, so geben sie durch gewisse Zeichen derselben Anzahl zu erkennen. 4. Castell Babason, auch Sidi Tramen, oder das Renegaten-Castell genannt, ist ein viereckigt starckes Mauer-Werck, gleichfalls ohne Graben, vor dem Thore gleiches Namens. Es hat 2. Theile, und ist doch in einem Corpore, ist mit dreyfachen Schieß-Löchern wohl versehen ; es sollen bey 60 Stück Geschützes sich darauf befinden. Es liegt an der Ost-Seite [197] der Stadt-Mauer-Ecke hart an denen Felsen, worauf die Stadt-Mauer am Strande gebauet ist, von dar man die Rhede von Algier guten Theils bestreichen kan. 5. Castell Bable Bed oder Sidi Fridsch genannt, vor dem Thor Bable Bed, welches auch zur Bedeckung dieses Thors erbauet ist, indem es gerade vor selben aus lieget, und ins Thor hinein schiessen kann, stehet auf einem kleinen Hügel, ohngefehr 40. Schritt von dem Thore ohne Graben. Dieses sind nun die Bevestigungs-Wercke, welche aber sämtlich von denen umliegenden Anhöhen leicht können in Grund geschossen werden, auch soll die Mauer, wie ich bin versichert worden, auf beyden Seiten nicht eine Elle dick, das übrige aber mit Leimen und Sande ausgefüllet seyn. Was nun den Hafen anlanget, so ist derselbe so leicht nicht zu erobern, denn das gantze Mauerwerck an der See-Seiten, zumalen die Morgen-Seite, die am Hafen liegt, und sofort bis zum Ende der Mauer nach dem Renegaten-Castell zu, mit lauter gantzen und halben Carthaunen besetztet ist ; sodann kommt man erstlich an das lange Castell, welches von der Insel Pirno, als welche den Hafen machet, nach dem Hafen-Thor, oder Divans-Thor zugehe, allwo der Eingang in den Hafen ist. Dieses ist eigentlich ein langes Stück Mauerwerck, und flanquiret das Geschütz von der Stadt-Mauer, so am Hafen liegt, kan auch die gantze Rhede bestreichen. Vors andere ist die neue Batterie ein sehr starckes Werck mit Stücken wohl versehen. Und endlich ist die Moulie, ein sehr starckes rundes Castell, massiv erbauet, ge- [198] rade der Moulie-Pfort über, sie ist das vesteste Werck von gantz Algier, ist unten mit vielen Canonen versehen, mitten stehet ein viereckigter starcker Thurn, auf welchem oben ein Wachhauß ist, hat auch Canonen, und stehen in diesen 3. Werckern bey die 70. Stücke grobes Geschützes. Am Eck auf einem Thurn hart am Eingang des Hafens ist die Laterne denen
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den Hafen suchenden Schiffen den Weg zu zeigen. In der Leuchte oben hängen etliche 20. Lampen, welche angezündet und sehr weit gesehen werden. Hart an diesem Thurn ist eine Wache, welche, wenn etliche Sclaven entfliehen wollen, sogleich in die Barquen springen, und denen flüchtigen Sclaven nacheilen kan. Dieses Vestungs-Werck hat der König und mächtige See-Räuber Barbarossa gebauet, nachdem er sich der Stadt bemächtiget, und die Spanier aus ihren am Strand gelegenen Castellen völlig delogiret, und hat er den Damm, bis wo jetzt die Moulie stehet, zu legen angefangen, die Gewalt des Meeres zu brechen, und einen sichern und starcken Hafen zu machen. Zur Vestung selbst hat er die Steine von dem ohnweit von Algier gelegenen und verfallenen Schlosse Montafus mit entsetzlicher Arbeit durch die Sclaven bringen lassen, wodurch er also die in See frey-gelegene Felsen-Insel an die Stadt angehänget. Der Hafen an sich selbst ist nicht allzugroß, aber sicher, er kan gegen 20. und 24. Schiffe fassen. Keinem Christlichen Schiffe ist erlaubet dahin einzulauffen, wenn auch die See noch so stürmisch ist, sondern müssen auf der Rhede bleiben, die wegen derer vielen verborgenen Felsen nicht ohne Gefahr. Doch sobald ein [199] Christlich Schiff auf derselben ankommt, finden sich die Königlichen Sclaven auf selbigen ein, welche der Gegend vollkommen kundig, und legen das Schiff vor Ancker, auf die man sich, als auf perfecte Loots verlassen kan. Sie binden aber, wenn sie das Schiff sicher legen, kleine Tonnen an das Ancker-Tau veste, welche den Ort der Klippen bemercken, die ihnen theuer müssen bezahlet werden. Wolte sich ein Christlich Schiff dergleichen zu thun selbst unterstehen, würde es bald mit Canonen hinweggeschossen und der Patron in eine grosse Geld-Buse genommen werden. Die Thore dieser Stadt sind folgende : 1. Porta nova, oder das neue Thor. 2. Das Schloß-Thor. 3. Das Thor Bab-Asan. Dieses ist das Haupt-Thor der Stadt, gegen Aufgang gelegen, hat eine starcke steinerne Brücke über den Graben. Zu beyden Seiten des Thores sind etliche krumme Hacken in die Mauern veste gemachet, worein die Türcken ihre Missethäter werffen, welches eine jämmerliche Execution ist. Der Delinquent wird oben auf der Mauer so nacket, wie er von Mutterleibe kommen, ausgekleidet, und alsdenn von etlichen, die dazu bestellet sind, von der Mauer herunter gestürtzet. Die da nun gut fallen, daß ihnen der Hacken durch den Leib fähret, die sterben bald, die aber schlecht fallen, etwa an einem Arm oder an einem Bein hangen bleiben, die haben einen sachten, langsamen und schmähligen Tod, so daß sie unter grausamen Schmertzen erstlich den 6ten bis 8ten Tag verschmachten, und erstrecket sich die Grausamkeit derer Türcken
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bisweilen so weit, [200] daß sie eine Schlinge machen, dieselbe die Mauer hinab lassen, und damit den Kopff des armseligen Menschen erhaschen, der an einem Beine hanget, alsdenn ziehen sie solchen über sich in die Höhe, damit er nicht in seinem Blute ersticket, und also ihnen zum Plaisir noch länger leidet. Und dieses ist die gemeine Todtes-Straffe für die armen Christlichen Sclaven, denen die Bestien beym geringsten Versehen mit denen Hacken drohen, es auch leichtlich wahr machen. Unter dieser Brücke sind etliche kleine Häuser, welche bewohnet sind, zu denen man durch ein enges Pförtgen gelanget. 4. An der West-Seite der Stadt liegt das andere Haupt-Thor, Babel Bed oder Wed genannt, da man nach dem Castell gleiches Namens geht. 5. Das Fisch-Thor oder die Piscaderie, liegt am See-Strande, wie auch 6. Das Thor des Divans und 7. Die Moulie-Pforte, wo man über den Damm nach dem Castell gehet. Daß nun Algier so mächtig ist, und sich für keinem Feind zu fürchten rühmet, verursachen erstlich die oben erzehlte Aussen-Wercke. 2. Die erstaunliche Besatzung die hier lieget, denn alle angesessene Bürger sind Soldaten die sich auf 40000. Mann belauffen, worunter kein Mohr, wohl aber Renegaten genommen werden, wenn sie frey sind. 3. Die Menge Janitscharen die hier lieget, welche unter ihren Aga wohl auch 10000. Mann ausmachen, der sie zwar allein commandiret : aber wenns Noth thut Defension zu führen wider die Mohren zu Lande, oder wenn die Christen zu Wasser Krieg führen, muß sich der [201] Janitscharen-Aga von dem Bassen oder Dey befehlen lassen. Und über dieses alles hält 4. der Dey noch einige Regimenter Spahi oder Türckische Reuter, welche das Land beständig durchstreiffen, alles in vorsichtiger Ordnung zu erhalten, und denen Sclaven das Flüchten zu wehren. 5. Ist der Hafen dergestallt situiret, daß nicht mehr als 24. Schiffe einlauffen können, wie bereits oben erzehlet, die doch alle von denen umliegenden Werckern in Grund geschossen werden können. Die Rhede aber ist zur Aufnahme einer Flotte viel zu unsicher wegen derer vielen Klippen und Felsen, und wegen derer zu gewissen Jahrs-Zeiten einfallenden grausamen SturmWinde, daß also der Stadt von der Meer-Seite schlecht beyzukommen. 6. Stehet die Republic mit denen vornehmsten Europäischen Machten in Friede und Bund, und æstimiret daher die geringern desto weniger, und endlich 7. stecket sie voller Geld und Gut, groben Geschütz, Ammunition, Pulver und Bley, und was 8. wohl das meiste, hat sie die allerhöchste Vorsorge des Himmels noch nicht zum Untergange prædestiniret. Daher sowol Kayser Carl V. als König Ludewig der XIV. von Franckreich ihre Kräffte vergeblich an ihr versuchet. Was die Stadt an sich selbst anlanget, lauffen die Strassen meist alle Berg an, und sind so enge, daß an vielen Orten kaum ein Mensch dem andern ausweichen
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kan, bis auf die Haupt-Strasse, welche vom Thor Babason, bis zum Thor Babel, und mitten durch die Stadt gehet, und sehr breit ist, wiewol sie an etlichen Orten so ungleich zufällt, daß 2. berittene Personen einander fast nicht ausweichen können. [202] Sie geben zur raison dieser wunderlichen Bau-Art die strenge Sonnen-Hitze an, welche dadurch behindert werde, die Inwohner allzu sehr zu belästigen. Märckte giebt es hier nicht : Denn der Frucht-Marckt vor der Pforte Babason, und der Padissan oder Sclaven-Marck, sind keine Märckte zu nennen. Hingegen sind unten die Häuser voll Buden und Kramladen, darinnen man allerhand Waaren und Victualien nach Hertzens-Wunsch haben kan, so tragen auch die Sclaven allerhand Speiß-Waaren in Gassen auf und nieder, ruffen sie aus und setzen den Preiß sogleich dazu. Mit fliessenden Wasser ist die Stadt gar nicht versehen, ausser mit 100. Spring-Brunnen und vielen Cisternen. Die Häusser sind wohl gebauet, dichte in einander, hoch und dauerhafft, belauffen sich wohl in die 16000. und werden alle Fest-Tage weiß überstrichen, welches gemeiniglich die Arbeit der Weiber, dazu ihnen die Männer auf besondere Art Glück wünschen. Inwendig halten sie ihre Wohnungen überaus reinlich, und belegen die Vermögenden die Fuß-Böden mit kostbaren Türckischen Matten, die armen aber mit Binsen oder bund gemachtem Strohflechten, welches gleichwol sehr artig sieht, nur ists schade, daß ihre Zimmer so wenig Licht haben, und die Türcken die Dunckelheit sehr lieben. Ihr Haußrath ist sehr schlecht, der bestehet aus etlichen hölzernen und irdenen Töpffen und Schüsseln, Löffeln mit langen Stielen, und einigen Kasten. Ihre Betten sind entweder die Matten, darauf sie essen, oder sie bringen zwey Stangen von einen Ende des Schlaff-Zimmers bis ans andere in die Wand, bedecken sie mit Bretern, und brei- [203] ten eine Matte drauf, und das ist ihre Schlaff-Stätte. Ihre gewöhliche Speise ist Reiß, gekocht Fleisch, nebst allerley Früchten, und essen sie, wie alle Morgenländische Nationes, auf der Erden mit creutzweiß übereinander geschlagenen Beinen. Sonst sind die Türcken sehr reinlich, in dem sie kein Zimmer betreten, sie haben erstlich ihr Paputschen haussen für demselben ausgezogen. Unter allen Gebäuden ist das Königlich Residentz-Hauß das beste, es liegt an der Haupt-Strasse, und pranget mit 2. ziemlichen Gängen von Marmorsteinernen Säulen über einander, sonst ist dariñen nichts sonderbares zu mercken : in der Mitte des grossen Hoffs stehet eine Cisterne, rechter Hand in demselben sind des Königs Wohn-Zimmer und Justitz-Kammer, wo er in bürgerlichen und peinlichen Sachen öffentlichen Rath hält, und muß die gesproche-Sentenz augenblicklich erfüllet werden. Zur lincken Hand im Hofe sind die Pferde-Ställe, als welche die Türcken überaus hoch æstimiren, und daher auch wohl accommo-
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diret haben wollen, vorn unterm Thor sind 2. in Stein gehauene Sessel, darinnen die Janitscharen-Schildwache sitzet, welche nur lange Stäbe haben, damit die Hunde, und was nicht hinein gehöret, abzutreiben. Ausser dem Thore sind kleine niedrige Sitze, ebenfalls von Steinen aufgerichtet, drauf die Bedienten des Deys zu sitzen pflegen, sonderlich wenn derselbe Visiten annimmt, um Staat zu machen. Oberhalb der Stadt lieget ein schönes Gerichts-Hauß, mit Gängen auswendig versehen, wo in Kriegs-Sachen alle Wochen 3. bis 4. mal die vor- [204] nehmsten der Militz zusammen kommen, auch zugleich die Staats-Affairen in Erwegung ziehen, und das heisset der Divan. Ferner sind merckwürdig die Fonducken und Kasserien oder Janitscharen-Cassarmen, derer 5. a 600. in einem Quartier beysammen liegen, die durch ihre eigene Sclaven bedienet und köstlich versorget werden. Des Königs Sclaven-Behälter werden Bain genennet, deren sind 5. worinnen beständig bey 3000. Christen-Sclaven, die alle dem König gehören, sich aufhalten. Diese haben sehr viel Freyheit, sie schencken Wein, haben ihre Bratereyen und Gar-Küchen, verkauffen Brod und allerhand Eß-Waaren zu ihrem und ihres Herrn Nutzen und Vortheil, dabey ist es eine formale Diebs-Schule. Denn die nichts im Vermögen haben, daß sie vor sich einen Profit machen können, die gehen des Tages nach vollbrachter Arbeit in die Stadt umher, stehlen und rauben, was sie kriegen können, und verkauffens des Abends, wobey ihnen der Guardian oder Sclaven-Wärter offt durch die Finger siehet, weil er seinen Vortheil vielmal dabey findet. Der grosse Bain hat einen engen Eingang, von dannen man in ein grosses Gewölbe kommt, welches kein anderes Licht hat, als das oben durch einige Gegitter hinein kommt. Dieses aber hilfft nicht viel : denn man muß an einigen Plätzen am hellen Tage Licht brennen. Die andern 4. sind folgender gestalt eingerichtet : Es sind grosse Häuser, deren jedes rings herum mit Kammern versehen, in deren jeder sich 40. bis 50. Sclaven behelffen müssen, sie sind von Bretern und Latten, wie die Schwalben-Nester zusammen gebauet, [205] und rings herum mit einer Hurde beflochten, und müssen diejenige, die die obern Etagen bewohnen, mit grosser Mühe von denen untersten hinaufklettern. Das Türckische Kauff-Hauß ist auch eines von denen besten in Algier, darinnen die Niederlage aller auf der See geraubten Waaren ist, welche hieher gebracht und verkaufft werden. In dieser grossen Volckreichen Stadt höret man doch nicht das geringste von nächtlicher Unruhe. Denn die vornehmsten Gassen werden bey einbrechenden Abend mit ihren Thoren gesperret, und patroulliren die gantze Nacht hindurch 150. Mann Janitscharen. Treffen sie nun einen Türcken oder Mohren auf der
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Strasse an, nehmen sie solchen in Arrest, und des kommenden Morgens ist eine Bastonade a 50. Prügel auf die Fuß-Sohlen sein ohnfehlbarer Recompens seiner nächtlichen Schwärmerey. Ist es aber ein Sclav, wird er dem Divan zuerkannt, und muß der Patron den selben umsonst verliehren. Man findet in gantz Algier nicht ein einiges öffentliches Wirths-Hauß. Die Türcken und Mohren können bey ihres gleichen einkehren, aber für Christliche Kauffleute ist nirgendswo Herberge, als bey denen Juden, die sich aber ihre Miethen aufs theuerste bezahlen lassen. Bey denen tractirenden Sclaven ist freylich weit billiger zu leben, aber auch nicht wenige Gefahr zu besorgen : Denn allhier Türcken, Mohren, und Renegaten zusammenkommen, so sich gleich mit Essen und Trincken übernehmen, alsdenn zusammengerathen, und sich mit Sebeln und Fäusten verwegen genug herum balgen, kommt die Wache dazu, so muß es offt der Schuldige und [206] der Unschuldige, eins wie das andere, entgelten. Wenn aber ein Sclav seine Wirthschafft ernstlich und behutsam führet, kann er auch grossen Erwerb für sich bringen. Zu meiner Zeit habe ich einen Italiänischen Sclaven, Namens Caldoni, gekennet, dem das Glück durch einen Fund 5. species Thal. zu geworffen, davor er sich mit Erlaubniß des Guardians ein Fäßgen Brandewein gekaufft, und mit selbigem ein kleines Negotium an der Moulie-Pforte zu treiben angefangen. Er lösete zwar von denen Sclaven wenig Geld, aber allezeit 5. bis 6. mal so viel Waaren, als sein Brandewein werth war, welche er allemal wieder listig zu verstechen gewust. Endlich giengs gar in grossen, daß wenn wir ihm ein Stück Segel-Tuch oder sonst etwas von Eisen-Werck brachten, wir die Brandeweins-Kost a 3. bis 4. Tage accordiren konten, und hielte er sein Wort ehrlich. Niemand hatte was von seinem Gewinn erfahren, sondern es glaubten Türcken und Christen er placke sich nur damit so hin, daß er keine schwere Arbeit thun dürffte, weil er alle sein erworbenes Geld dem Frantzösischen Consul aufzuheben gegeben, bis er nach Verlauff ohngefehr 6. Jahren sich plötzlich gegen 750. Spec. Thal. Ranzion loß kauffte, und mit einem Frantzösischen Schiff nach Toulon nebst einem ziemlichen Geld-Vorrath glücklich absegelte. Man findet nirgendswo Vorstädte, als vor dem Thore Babason, wo die Araber und Mohren bey 50. Häussergen haben, worinnen sie ihre Cameele und andere Last-Thiere stellen, auch sebsten wohnen, wenn sie Lebens-Mittel hieher bringen. [207] Vor dem Thore Bable Wed ist derer Türcken Todten-Anger, darinnen man viele schöne Grab-Mahle derer Könige oder Bassen findet, welche in Form einer kleinen Capelle gebauet, auf deren Spitze ein Turban mit einem Reiger-Busche ruhet. Die andern Türckischen Gräber sind fast alle mit Grab-Steinen gezieret. So
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findet man auch hier Bet-Häuser und Einsiedeleyen, in welchen ihre Maribouts und Heiligen wohnen, die die Türckischen Weiber aufs andächtigste ohne Verdacht ihrer Männer fleißig besuchen, und gar vielmals gesegnet und fruchtbar zu ihren Männern kommen, damit sie sich unter einander in geheim auch sehr viel wissen, und gegen ihre Gespielin ihr Glück deßfalls hoch rühmen. Der König von Spanien unterhält Krafft eines alten Privilegii hier ein Hospital, in welchem die krancken Catholischen Sclaven mit Essen Trincken, Medicin, denen Sacramenten und aller Wartung wohl versorget werden. In Algier sind 5. grosse Capital-Kirchen mit hohen Thürnen, die werden Schemma von denen Türcken genennet, darunter ist die grosse alte, nebst der grossen neuen Kirche, Schemma Haquer genennet, die vornehmste. Sie liegen beyde an der Stadt-Mauer, am See-Strande an einander gebauet. Der Fuß-Boden ist in beyden mit Türckischen Matten beleget, u. sonst mit gantz keinem Zierrath versehen, ausser daß in der neuen in der Gegend nach Mecca ein schwartzer Stein mit seltsamen Figuren und Characteren angefüllet. Diesen pflegen die Türcken mit grosser Reverence und Aberglauben zu küssen. In dieser [208] Haupt-Mosschee ist auch ein erhabener Ort, gleich unsern Cantzeln, auf welchen ihre Pfaffen den Alcoran ablesen, wobey sich die Türcken so närrisch und albern geberden, als der Pfaffe selbst, und muß einer billig lachen, wenn man überhaupt der Türcken Andacht mit ansiehet. Ohne diese 5. grosse Schemma sind noch 102. kleine in der Stadt, wiewol man in keiner etwas findet, daß der Mühe werth wäre. Derer Bad-Stuben sind 60. darunter die zwey vornehmsten mit schönen Zimmern, in welchen Marmorsteinerne Fluhre samt verschiedenen Röhren liegen, daraus frisches und warmes Wasser laufft. Allhier pflegen sich die Türcken Abends und Morgens fast alle Tage nach ihrer gewöhnlichen Art zu baden, welches einem andern, so darein gelassen wird, auch wohl bekommt. Hart an der See liegt der Christen Gottes-Acker, das Fleck ist nicht groß, und soll nach hiesiger Tradition von einem vornehmen Spanischen Herrn um eine grosse Geld-Summe erkaufft worden seyn, indem er von jedem Schuh ins gevierdte einen Ducaten gegeben : und obgleich der Platz nun frey stehet, so ist doch löblich, daß die Türcken den selben nicht beschimpffen, und hat man noch nie gehöret, daß sie denen Christen Eintrag gethan, oder Muthwillen an ihnen verübet, wie sie dergleichen den Juden thun, ob schon derer bey viel 1000. in der Stadt wohnen, und als Bürger anzusehen sind, (wie ich denn selber vielmal gesehen, daß der Pöbel die Leidtragenden, wenn sie einen Todten bestätigen wollen, mit Dreck und Steinen verfolget hat.) Vor der Pforte Babason stehen grosse Brenn-Oeffen, worinne jährlich eine unbeschreibliche Men- [209] ge Backsteine gebrennet werden, weil solche fast
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zu allen Gebäuden, zu Treppen, Thüren, Hauß und Hof damit auszulegen, zu Cisternen und andern mehr gebrauchet werden. Das Terrain um Algier ist voller Berge, Hügel und Thäler, nach der See zu aber sehr fruchtbar. Die Hügel, die um die Stadt liegen, sind sehr luftig, wie sie denn fast alle mit Gärten angebauet, die sehr schön und mit allerley fruchtbaren Bäumen besetzt sind. Dieser giebts viele tausend in Algier, und findet man fast dererselben in allen Wohnhäusern nebst einem Spring-Brunnnen. Die vornehmen Türcken haben ihre Lust-Häuser und Bäder in solchen, worinnen sie nach Belieben ihrer Wollust und guten Lebens pflegen können. Meines Patrons Garten lag vor der Pforte Bable Bed, ohngefehr eine Viertel-Stunde von der Stadt ; in diesem stund ein ziemlich geräumlich Hauß mit einer Mauer umgeben, hatte 5. Stuben oder Kammern ohn allen Zierrath, in dem bey ihnen Stuben und Kammern einerley, weil sie keine Oefen haben, sondern zum Kochen hat man grosse Fässer mit Erde gefüllet, worauf sie mit Kohlen oder Holtz ihr Feuer machen, deßwegen sie auch keine Feuer-Mauer brauchen. Im Garten war erstlich ein Stück Feld von etlichen Ackern groß, welches wir Sclaven umackern, und hernach mit Waitzen oder Gersten besäen musten, ferner waren in demselben vortreffliche Citronen- und Pomerantzen-Bäume, welche schöne Früchte trugen, etliche derselben haben wohl vier Pfund gewogen, dabey sie so dick hängen, daß es zu verwundern : Wer es nicht gesehen hat, solte es sich auch wohl nicht einbilden, daß einsmals unserer [210] 3. Sclaven an einem eintzigen Baum einen gantzen Tag Früchte abgenommen, und so viel bekommen, daß wir 6. Maul-Esel damit beladen, ohne was wir vor uns heimlich verborgen hatten, welches wir hernach, wenn der Patron mit seiner Familie zur Moschee des Freytags gienge, verkaufften und vertauschten, so gut als wir konten, wiewol der Profit schlecht, indem wir 170. Stück Citronen haben musten, ehe wir so viel lösen konten, als hier zu Lande 1. Gr. ausmachet. Von Küchen-Gemüse hatten wir die vortrefflichsten Melonen, weiß Kraut und Blumen-Kohl die Menge, und die Bohnen waren schon nach unserer Jahres-Rechnung um Weyhnachten reiff, und wachsen sie so reichlich, daß ihre Verspeisung die gemeinste Sclaven-Kost ; Petersilien aber ist hier zu Lande ein sehr theures und kostbares Kraut, davon man hier keinen Saamen zeugen kan, sondern er muß entweder aus Holland oder Engelland mit übergebracht werden. Aepffel und Birn vaterländischer Art giebt es allhier die Menge, ihr Geschmack ist aber noch lange nicht so delicat, als in Teutschland, halten sich auch nicht lange, sondern gehen wegen der Wärme des Climatis bald an, und faulen. Von Stein-Obst, als Zwetschgen, Pflaumen, Nüssen etc. weiß man gar nichts. Hinter dem Gebürge gegen Osten von Algier aus lieget ein lustiges schönes Thal, welches die Einwohner Motiscu nennen, das ohngemein fruchtbar und des
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Jahrs dreymal reiffe Früchte geben, auch Trauben, länger als Ellen lang, bringen soll, nebst auserwehlten schönen Melonen. Die Einwohner halten [211] dessen Inbegriff 10. Meilen lang und 3. Meilen breit. Ohngefehr eine Meile von der Stadt ist ein altes Stück Mauerwerck von einem alten Castell, Mala Mogera genannt, davon die Einwohner viel wunderliche Sachen erzehlen, und sonderlich, es werde vom Teufel bewohnet, in Gestalt eines alten Weibes, daher sie die gantze Gegend unsicher halten. Lib. II. Cap VI. Kühns Beschreibung derer Inwohner in Algier. Die Einwohner der Stadt Algier bestehen aus Christen, Juden und Türcken. Was die Christen anbetrifft, so sind deren sehr wenig, so freye Leute sind, als da sind die 4. Consules derer 4. mit Algier in Frieden lebenden Europäischen Machten, als Franckreich, Engelland, Holland und Schweden, nebst ihren Familien und Hauß-Gesinde, ferner etliche Kaufleuthe, so aber nicht viel machen. Diese alle gehen nach ihrer Landes-Art gekleidet, müssen manchen sauren Blick von denen Türcken leiden, sich in Privat-Sachen sehr nach ihrem Willen richten, und durchaus ein stilles und sehr eingezogenes Leben führen. Und hat man wohl ehe Exempel, daß auch die Gesandten grosser Puissancen und die Consules derer mit Algier in Frieden stehenden Cronen sehr übel mißhandelt worden, auch man ihnen wohl gar die Bastonade zugemuthet, ja man hat wohl gar einige Consules zum Tode verurtheilet, davon ich nur ein [212] paar Exempel anführen will von dem, was zu meinen Zeiten geschehen. Es hatte nemlich der Holländ. Consul einen Streit mit einem Türcken, und als dieser jenen vor dem Divan einen Bengel gescholten, sagte der Holländer, es sey erlogen, und stieß den Türcken in Zorn auf die Brust, den Augenblick wurde decretiret den Holländer lebendig zu verbrennen, weil er einen Türcken geschlagen, wurde auch dazu Anstalt gemacht. In dieser höchsten Noth steckte sich der Consul hinter einen Türckischen Pfaffen, und brachte ihn mit grossen Verheissungen dahin, daß er vor ihn bat, welcher es auch durch sein Ansehen dahin brachte, daß der Divan den Consul von der Straffe des Todes frey sprach, hingegen zu einer Geld-Busse von 4000. species Thl. verdammete, die er augenblicklich schaffen muste, und hernach noch 100. Prügel mit einem schwancken Stocke bekam. Ein anderer Consul eben dieser Nation, redete einen genommmenen und in Algier aufgebrachten Hamburgischen Schiffe das Wort, und gab es bey der Regierung vor ein Holländisches an, dem plünderte der Pöbel nicht allein sein Hauß, sondern der Dey ließ ihn auch wacker ausprügeln und muste er in continenti noch dazu 2000. spec. Thl. Straffe erlegen. Draus der ohnerträgliche Hoch-
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muth derer Türcken abzunehmen, und leicht zu schliessen, wie grausam sie nun mit denen Christlichen Sclaven umzugehen pflegen. Juden giebt es eine grosse Menge allhier, die mehrenteils beysammen wohnen, und werden gerne gedultet, dabey sie doch sehr wenig Freyheit haben, und nicht mehr, als was die Religion und Leibeigenschafft [213] betrifft, ausser dem sie sich so gut, als die Sclaven zu fürchten, und können sie es bey denen hochmüthigen Türcken leicht versehen, daß sie in Ungnade fallen. Daher sich auch die reichsten, wenn sie auch über 100000. Thl. in Vermögen haben, sehr eingezogen halten, nicht viel Staat machen, und wenig auskommen. Sie treiben starcke Handlung theils mit denen Christen, theils mit dem Gute, das die See-Räuber genommen. Ihre Correspondence gehet durch die gantze Welt, und wissen sie offt in Algier durch die Juden, ehe ein Hamburgisches Schiff auslaufft, womit es befrachtet, wohin es distiniret und alle Particularitæten. […] [330] Lib. II. Cap. XI. Unglücklicher Anschlag auf Portugiesische Schiffe. [339] […] Ich hatte schon dreymal durch den Holländischen Consul nach Hause um Rantzion geschrieben, wuste auch gewiß, daß meine Brieffe alle zurecht kommen waren, und erhielte keine Antwort. Viele, welche das Elend bey weiten nicht so lange, als ich gebauet, giengen doch wieder erlöset in ihre Freyheit dahin, nur ich nicht, ich muste mich in einem fremden Lande mit einem um Trost be- [340] ängstigten Hertzen plagen, und sahe meines Elendes kein Ende, als in meinem Tod, welchen ich mir offt gewünschet, und durch die vielfältigen Versuchungs-Jahre, wo nicht allzuchristlich, doch behertzt und muthig genug gelernet solchem unter die Augen zu treten. Was ich aber suchete, das scheuete mich, und war nirgendwo, weder in der Tieffe des Meeres, noch unter dem Donner des Geschützes, noch in denen Händen meines Patrons. Die Verzweiffelung hieß mich zwar offt denselben durch meine eigene Hand suchen, aber wenn ich einmal an meinen Tauff-Bund gedachte, so schreckte mich GOtt mit dessen Erinnerung den Augenblick davon ab, stellte mir auch diesen Weg in die Verdammniß zu gehen, so erschrecklich und abscheulich vor, daß ich bey mir selber schwur, nicht mehr daran zu gedencken, dabey aber auch ein vor allemal resolvirete meine Freyheit zu suchen, es koste auch, was es koste. [341] Lib. III. Cap. I. Kühns unglücklich intentionirte Flucht nach seinem Vaterlande. […] [346] […] Als wir nun fast 3. Monat vergeblich in der See herumgestrichen, resolvirete der Patron, weil der Proviant und das frische Wasser alle werden wolte,
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sich wieder nach Algier zu wenden, so auch geschahe, und krochen wir auch gantz stillschweigend in den Hafen hinein. Die auf Fortun mit gewesene Türcken und Sclaven musten gehen, wie sie kommen waren, und wir kriegten bey dem Patron unsere Plackerey eben wieder, wie vor dem Jahre, deßwegen sann ich sehr ernsthafft auf meine Flucht, weil aus der Rantzion nichts werden wolte. Nun waren wir in der dießjährigen See-Fahrt 3. Hamburger mit mir auf dem Schiffe gewesen, mit welchen ich Bekanntschafft gemachet, und mich etliche mal mit ihnen beredet, wie wir uns des Jochs loß machen möchten, und auf was Art wir unsere Freyheit bekommen könten, es war aber niemals ein gewisser Schluß gefasset. Diese traff ich unvermuthet des Abends an, als ich auf Mauserey ausgewesen, sie hatten noch einen Cameraden einen Italiäner bey sich, um des willen ich nicht gleich trauen wolte, als ich aber mercke, daß sie sehr einig, so brachte ich die Reise-Materien wieder herfür nebst meinem Anschlag, in der Stille einen kleinen Boot darzu zu erbauen. Sie waren augenblicklich mit mir eines Sinnes, und erwehlten den wüsten Keller, welcher hinten an meines Patrons Garten lag, zu un- [347] sern Schiffs-Zimmerwerfft. Hieher brachten die 4. Sclaven Materialien genug, und ich, als der Zimmermann that das beste bey der Sache, brauchte aber auch die præcaution, daß wir uns mit einem Eyde erstlich unter einander verbündlich machten, daß, wenn es auskäme, keiner den andern verrathen, sondern lieber den Tod leiden solte. Bey meinen Sclaven log ich mich des Nachts hinweg mit dem Vorwand, ob gieng ich auf Dieberey aus, brachte ihnen auch bisweilen etwas weiß Brod und einen Trunck Wein mit, als eine kleine Relation von meiner gut gemachten Beute, damit ich sie immer bey guten erhielte, und sie völlig persuadirte, ich sey ein grand Maitre von allen Spitz-Buben in Algier. Unsere Arbeit gieng wohl und nach Wunsch von statten, und war alsdenn die Frage, wenn das Schiff fertig, wie wir dasselbe ans Wasser bringen und flott machen wolten, auch ehe es darzu käme, wie es zu theeren und zu verstopffen, daß niemand den Rauch und Geruch merke. Doch wir überwanden die letzere und erstere Schwierigkeit, wir erwehlten nemlich den Weg, allemal in der Nacht nur ein kleines Fleckgen zu theeren, davon gewiß der Geruch den zukünfftigen Morgen verschwunden, und damit brachten wir volle 14. Tage zu, hernach wolten wir ausser dem Garten den Boot auf Rollen setzen, die wir schon zugeschnitten hatten von denen Feigenund Pomerantzen-Bäumen des Königes, derer eine schwere Menge bey meines Herren Garten lagen. Der 5. Tag war nun zu unsern Abmarsch ausgesetzet, das Fiat war aber im Himmel nicht darzu gesprochen, darum lieff es also schlecht aus. Ich schlieff nun die gan- [348] tze Zeit her, nachdem ich meine Zimmer-Arbeit an dem Boot vollendet, wieder auf meiner gewöhnlichen Schlaff-Stelle unter meiner Gesellschafft niemanden einen widrigen Gedancken von meinem zeit-
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herigen Ausbleiben zu machen, sondern ließ es bey dem ehmahligen Credit der Dieberey gar gerne bewenden, als ich selbst durch einen unvermutheten Zufall meines eigenen Hertzens Verräther wurde. Die vorgestellte Gewißheit meiner baldigen Freyheit war so bezaubernd und süß, daß mich auch des Nachts davon träumete, mir war nicht anders, als ob wir in voller See mit unserm Boot daher strichen, und als ob ich eben nach dem Compas sähe, und fange über laut zu schreyen an, Gürgen fahre Nord-Ost, unser Schiffgen strandet sonst, worüber ich erwachte, u. sehr erschrack, einer meiner Cameraden fraget mich, was mir fehlet, ich dencke aber im Schlummer, es ist einer von meinen Mitverschwornen, deßwegen ich ernstlich zu ihm sagete : Gürgen wir sind verlohren, worüber ich mich im Schlaff starck alterire und mich etlichemal herum wältze. Die Gedancken giengen mir über diesem Traum des Morgens frühe ziemlich im Kopffe herum, doch schwieg ich still, und meine Cameraden schwiegen auch still, und dieses foulagirte mich so weit, daß ich glaubte, ich hätte noch nichts verrathen. Als ich mich aber nach dem Mittags-Essen über mein Vermögen frölich bey der Arbeit anstellete, welche dermalen darinnen bestand, daß wir ein Stück Feldes umhacketen, so sagte mein Camerade zu mir : Michael fahret mit eurem Schiff Nord-Ost, sonst strandet ihr, und lach- [349] te dabey, ich erschrack darüber hefftig, und konte ihm vor Bestürtzung kein Wort antworten, er merckte daher Unrath, und sagete mir unter die Augen, es müsse nicht richtig um mich seyn. Ich weiß nicht, wo ich damals meine Courage und Gebrauch der Sinnen gehabt, oder obs vielmehr ein Schicksal des Himmels gewesen. Kurtz ich war auf einmal so übertäubet, daß ich meinem Cameraden alles erzehlete, der mir aber die Grösse der Gefahr, dahinein ich mich stürtzen wolte, vorhielte, und bat von solchen ohngeräumten Methoden abzustehen, und in Gedult zu erwarten, bis ich sicher, als ein Erlöseter aus Algier fahren könte. Dieses würckte bey mir so viel, daß ich mich vest resolvirte, dem Complot zu entsagen, und nicht mit ihnen flüchtig zu werden, auch sie selbst davor zu warnen, so ich auch treulich thät, sie schalten mich aber eine feige und verzagte Memme, ich hätte das Ding erstlich angefangen, und nun wolte ich nicht beym Spiele aushalten, sie wolten sich einmal für allemal von ihren süssen Vorsatz nichts abbringen lassen. Arbeiteten also in künfftiger Nacht das Boot ans Wasser und brachten alles Zugehör hinein, wir nahmen thränend von einander Abschied, und sie stiessen mit einem guten Land-Wind nicht weit von der Christen Gottes-Acker in See, weil aber der Boot nicht recht getheeret, musten sie wieder umkehren, und denselben dichte machen, darüber der Morgen anbrach. Endlich stechen sie zum andernmal mit ziemlich gefallenen Muthe in See, können aber diesen Tag mehr nicht, als 8. Meilen hinter sich legen, endlich wendet sich der Wind
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Nord-Ost in einen starcken Sturm und [350] schleudert das Schiffgen mit samt seiner Equippage ohngefehr 10. Meilen von Algier an Strand. Ich machte mir indessen hefftige Grillen, bald straffte ich meine Zaghafftigkeit, daß ich mich an meinem eigenen Glück gehindert, und hielte die 4. schon würcklich in ihrer Freyheit, bald war ich wieder froh, daß ichs nicht mit ihnen gewaget. Es wurde aber bald ruchtbar in Algier, daß 4. Sclaven echappiret, deßwegen musten gleich 2. bewapnete Chalouppen in die See, und etliche Spahi den Strand durchstreiffen. Den 6. Tag nach ihrer Abreise kamen die Spahi wieder, und brachten ihrer 3. mit an denen Pferdeschwäntzen angebunden, eileten auch gerade mit ihnen auf des Königs Hof zu, wo ihnen 1500. Prügel jedem zuerkannt wurden, jedoch auf Vorbitte ihres gar gnädigen Patrons nur 500. Prügel bekamen, die Füsse musten sofort in die Fallacca und bekamen sie die Helffte auf die Fuß-Sohlen, die andere Helffte auf den Hintern. Nach 5. Tagen giengen sie wieder nach ihres Patrons Hauß, der ihrer 2. einem Kauffmann nach Fez verhandelte, den Liebsten aber behielt, und wird wohl keiner seine Lebens-Zeit die Freyheit erlanget haben. Der Italiäner war der glücklichste, der war ersoffen, da der Wind den Boot an Wall geworfen, damit aber der Sclav, so in Algier blieb, doch auch wissen möchte, daß sein Patron seine Flucht ungnädig genommen, ließ er ihn in eine zwantzigpfündige Kette schmieden, die er ein gantzes Jahr schleppen muste, und machte noch darzu einen Mohren zu seinem Guardian, der die Peitsche gar nicht schonete. Ich litte damals Höllen-Angst, denn ich dachte immer, sie würden mich, als den vornehmsten [351] Zimmer-Meister verrathen, und doch durffte ich die Angst meines Hertzens nicht mercken lassen, es blieb aber alles still, und ich wurde treu nach wie vor erkannt, deßwegen ich GOtt tausendfachen Danck abstattete, und erkannte, daß auch die Teutsche Redlichkeit durch kein Barbarisches Tractament zu überwinden. Lib. III. Cap. II. Kühns abermalige Caperey. […] [355] […] Wir fuhren von hier alle zusammen wieder weg, durch die Strasse nach Algier zu. Ohnweit der Gegend von Marbella stieß noch ein Algierischer Corsar mit einer gemachten Spanischen Prise zu uns, daß wir also 6. Schiffe starck en Compagnie in den Hafen zu Algier einlieffen. Wir begrüsseten die Stadt, wie gewöhnlich, und brachten, nachdem wir die Ancker fallen lassen, unsere Prise an den Wall, von welchem das Tunesische Schiff seine Portion bekam, und damit nach Tunis zu fuhr. Mein Patron kauffte einen eintzigen Sclaven, welcher ein desertirter Dänischer Soldat war. Den Boots-Mann kannte ich wohl, weil ich mit ihm zu Lissabon gewesen, ich wolte ihn aber mit Fleiß nicht kennen. Denn
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es wäre mir und ihm nicht vortheilhafftig gewesen. Wir tackelten darauf ab, begaben uns an unsere Garten-Arbeit, und schrieb ich abermal durch die guten Dienste des Holländischen Consuls nach Hause. [356] Lib. III. Cap. III. Von Kühns Patron abermal wiederholter Caperey. […] [363] […] Ich hatte mir bey dem Combat [364] mit denen Portugiesen und Maltesern vorgenommen durch Schwimmen an ein Christlich Schiff mich in Freyheit zusetzen, welches mir vielleicht auch geglücket, wenn ich es nur frisch gewaget hätte. So machte ich mir aber, wenn ich ietzo auf dem Sprung stund, mein Vorhaben zu erfüllen, so viele Speculationes und Gedancken, daß die Gelegenheit darüber vergieng, und also meine Flucht unterbliebe, deßwegen ich mein Schicksal heimlich bey mir anklagte, als welches mich notwendig zu einer ewigen Knechtschafft müste verdammet haben. […] [366] Lib. III. Cap. IV. Von unterschiedlichen Algierischen Trauer-Fällen. […] [373] […] Die letzt-eingebrachte Prise hatte den sinckenden Muth derer Algierer wieder erwecket, deren See-Macht jetzo dergestallt geschwächet, daß es einem Feind wenige Mühe hätte kosten sollen, das Raub-Nebst zu zerstöhren. Deswegen befahl der Bassa oder Dey 4. grosse neue Gallioten zu erbauen, wobey die Königliche Sclaven ein Stück Arbeit bekamen, wozu die Barbaren noch muthiger gemacht wurden, als zu Ende dieses 1737. Jahrs ein Particulair-Räuber mit einem Hamburgischen Schiff, welches er auf der Höhe von Biscana genommen, hier glücklich einlieff. Unter der gefangenen Equippage war ein Mann, den ich kannte, und zweymal mein Camerad nach Grönland gewesen war. Ich sprach ihn auf der Moulie beym Schiff-Bau, und erfuhr von ihm, daß sein Corsar schon eine Dänische Prise, mit Wein beladen, bey sich gehabt, als er sie attaquiret, wie sie aber den Räuber warm gehalten, hätten sich die Sclaven der Gelegenheit bedienet, und die 10. Türcken, welch mit ihnen auf dem Dänischen Schiff gewesen glücklich über Boort geschmissen, alsdenn alle Segel aufgezogen, und denen Küsten zugeeilet, welche also mit Schiff und Ladung wohl behalten davon kommen. Von mir, gab er mir zur Nachricht, rede man in [374] Hamburg nicht sonderlich mehr, weil man willens gewesen mich zu ranzioniren, man auch alle Anstalt darzu gemacht habe, und eine reiche Collecte einkommen ; als aber die von Marseille und der Holländische Consul meiner nicht mehr gedacht, sey man auf die Meynung kommen, ich müste entweder todt, oder tieffer ins Land hinein verkaufft worden seyn, und also wäre die Rantzion unterblieben.
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Ich hätte bey Anhörung dieser Relation sterben mögen. Denn nun hielte ich mich in der Christlichen Welt gantz vergessen, gieng ohne Trost vom Hamburger hinweg, und plagte mich mit lauter sündlichen Gedancken, darinnen ich mir nicht gewissers, als den Selbst-Mord vorsetzete. […] [376] Lib. III. Cap. V. Kühns erste Hoffnung auf Gewißheit seiner Rantzion Diees bereits erzehlte grausame Spectacul hatte in meiner Seelen einen dermassen tieffen Eindruck gemachet, daß ich mich lange Zeit der Thrän- [377] nen nicht enthalten können, sonderlich wenn ich in mein elendes Nacht-Quartier kam. Der Leib war müde, das Hertz den gantzen Tag traurig und verdrossen, Speisse und Tranck nahm ich wenig zu mir, und erstieg in mir selbst den höchsten Grad der Verzweiffelung. Erstlich verzweiffelte ich an Göttlicher Hülffe und Gnade, weil ich so viel Jahr her vergeblich um Rettung geseufftzet, und sich alles mehr wider, als vor mich, schicken müssen : Hernach an mir und meinem Leben, welches ich gar nicht zu haben wünschete, doch ohngerochen wolte ich auch nicht sterben, deßwegen schwur ich meinem Patron, seinem Weibe und beyden Söhnen den Tod, welche ich erst erwürgen, und mich hernach ins Meer stürtzen und ersäuffen wolte. Ich fand zu meinem Vorhaben ein grosses Boots-Messer im Hause, so mir der Satan vielmehr in die Hände gab. Dieses schliff ich so scharff, wie ein Scheer-Messer, und verbarg soches heimlich in meinem Loche. Der Freytag, welches derer Türcken Sabbath, war veste zu solcher Mord-Geschicht determiniret, und ich wartete dahin mit vieler Ungedult, hatte das Nachts wenig Ruhe, fuhr im Schlaffe auf, und befand jetzo ein melancholisches, boßhafftiges und recht blutdürstiges Hertz in mir. In diesem grossen Elende ergriff mich GOtt, der mich bis hieher wohl hatte sincken, aber nicht gäntzlich wolte fallen lassen, und ließ durch eine unverhoffte aber mir höchst erfreute Begebenheit mein Gemüth gantz und gar ausgeheitert werden. Es war bey uns Christen der Oster-Dienstag 1738. als frühe Morgens ein Domestique von dem Holländischen Consul in meines Patrons Hauß kam, [378] und nach mir fragte, auch als ich vor den Tag kam, mir im Namen seines Herrn sagte, daß ich ohnfehlbar mich heute zu ihm begeben müsse, weil er in wichtigen Angelegenheiten mit mir zu reden. Diese Post war mir so seltsam, als erfreulich. Ich stahl mich deßwegen von der Arbeit, welches wohl ehe geschehen, versprach meinen Cameraden ein gut Trinck-Geld, wenn sie heute fein viel vollbrächten, daß man meinen heutigen Mangel nicht spüren möchte. So bald ich ins Consuls Hauß eingetreten, wurde ich zum Consul selbst gelassen, der mit sehr grosser Freundlichkeit und Bescheidenheit nach meinem Geschlecht, wie lange ich hier Sclav, und ob ich mich nach meiner Erlösung sehnete, sonder-
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lich wie viel Jahre vorbey, daß ich meinen Bruder gesehen, fragte : Ich sagte mehr als 12. Jahr wo wir zum letzten mal in Hamburg beysammen gewesen. Ich beantwortete ihm auch alle andere Fragen mit Wahrheit und Redlichkeit, und hatte er einen Zettul neben sich auf dem Tische liegen, in welchem er, wie ich merckte, nachsahe, ob meine Antwort mit denen ihm überschriebenen Umständen überein käme, oder nicht. Währenden Examine ließ mir der gütige Herr Speise und Tranck im Uberfluß reichen, womit ich mich auch recht wohl erquickete. Als nun die Mahlzeit und Examen meistens verbey, fragte mich der Consul, ob ich mir wohl wünschte meinen Bruder wieder zu sehen ? wobey ich tieff erseutzete, viel Thrännen fallen ließ und sprach : Ach gnädiger Herr, daß wird in der Welt wohl nicht wieder geschehen, er stieß darauf mit dem Fuß an die Thür eines Neben-Zimmers, und siehe mein Bruder George Kühn trat augenblicklich in des Consuls Zimmer ein. Diese Ge- [379] genwart war mir so wunderbar, daß sie mich gäntzlich betäubete, und ich nicht ein Wort reden konte ; mein Bruder fiel mir um den Halß und sprach : Ach kan es möglich seyn, Michael, daß ich dich in solchen armseligen Zustand in der Welt für mir sehen muß ? Darauf wir hertzlich zu weinen anfiengen, und ich replicirte : Ach liebster Bruder ich bin der unglückseligste Mensch, der nun über 13. Jahr in der Sclaverey geseufftzet, und du kommst auch zu mir mich in meinem Elende zu besuchen, und da gieng das Heulen und Schreyen dermassen von neuen an, daß der Consul der Thränen sich nicht enthalten konte, sondern brav mit machen muste. Ich war nicht im Stande meinen Bruder um die Ursach seiner Ankunfft wegen hefftiger innerlicher Bewegung zu befragen, deßwegen brach er am ersten das Stillschweigen, und sprach : mein liebster Bruder, ich bin hieher kommen, daß ich dich aus deiner zeitherigen Schlaverey mit der Hülffe GOttes ranzioniren will, darüber ich vor Freuden ausrieff : Ach GOtt ! du hast meiner noch nicht vergessen, soll ich dereinsten mein Vaterland wieder sehen, so geschehe dein Wille. Wir musten uns beyde auf des Consuls Befehl an den Tisch niedersetzen, und hatte derselbe einen Brieff, welches eine gnädige Vorschrifft derer Herren General Staaten aus dem Hag war, in welchem dieselben dem Consul meine Sache bestens recommandiret, wie derselbe mich auch ausfragen, mit meinen Patron wegen der Rantzion accordiren, und darüber durch meinen Bruder wieder Bericht erstatten solte. Diese Worte fielen mir hart in die Ohren : Denn ich meynte, mein Bruder solte mich [380] so gleich mit von Algier wegnehmen. Der Consul aber wieß mich mit vernünfftigen Gründen noch zu einer kleinen Gedult, weil die Sache an sich ihre Richtigkeit hätte, und so gewiß, als geschehen, davor er selbsten hafften wolte. Mein Bruder trat bey, und sagte, es sey ein Irrthum geschehen, massen die Rantzions-Gelder alle in Bereitschafft, und habe er nicht anders geglaubet, als man hätte ihm die Wech-
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sel-Brieffe an irgend einen begüterten Kauffmann allhier mit gegeben, der den Vorschuß einsweils thun solte. Versicherte mich anbey mit den kräfftigsten Eydschwüren, nicht ehe zu ruhen, bis er mich in die Freyheit gesetzet. Darauf wir uns demüthig bey dem Consul bedanckten, und beurlaubten, und begleitete ich meinen Bruder bis ans Wasser, wo ich Abschied von ihm nahm, und in meine Höhle zur Ruhe kroch. Ich konte diese gantze Nacht nicht einen Augenblick schlaffen, sondern brachte die Zeit mehrentheils mit Betrachtung meines Schicksals zu, darinnen ich am Ende nichts mehr, als eine wunderliche doch seelige Schickung GOttes fand, die mein Hertz vollkommen zufrieden sprach. So bald ich des Morgens wieder an die Arbeit kommen, wechselte ich mit meinem Neben-Sclaven die Verrichtung, ließ ihn in die Stadt zum Dienst gehen, und ich blieb im Garten, sagete darauf dem ältesten Sohn meines Patrons, daß mein Bruder hier, und bat zugleich um Erlaubniß, daß er zu mir in den Garten kommen dürffte, welches er nicht allein willigst verstattete, sondern auch begierig war ihn zu sehen. Gegen Mittag kam mein Bruder eben, als der Sohn des Patrons bey uns Sclaven zu gegen war. Nach eini- [381] gen gewechselten Reden mit mir, verdollmetschete ich ihm, daß dieser mein Bruder von nun an Geld zusammen bringen wolte, mich loß zu kauffen, worüber der junge Türck lächelte, und mich sanffte auf die Schultern klopffete, ich bat aber denselben, daß ers beym Patron gelegentlich anbringen möchte, daß mich derselbe nach so viel treu-geleisteten Diensten um eine billig Rantzion loß ließ, welche Bitte mein Bruder mit einer vortrefflichen Ost-Indianischen reich mit Silber beschlagenen Tobacks-Pfeiffe begleitete, darüber er eine ausserordentliche Freude bezeugete, und das beste bey seinem Vater, meinem Patron, zu thun versprach, und damit aus unserer Gesellschafft abgieng, dessen wir auch von Hertzen wohl zufrieden waren. Der Patron ließ mir zurück wissen, wie ich Zeit des Aufenthaltes meines Bruders allhier Freyheit von der Arbeit haben solte, das mir sehr angenehm war. Ich durchstrich daher mit demselben alle Tage die Stadt und zeigete ihm alles merckwürdige in gantz Algier, brachte ihn auch in eine Fonducke oder Marquetenterey dergleichen des Königs Sclaven gegen einen wöchentlichen Tribut alle zu miethen Erlaubniß haben, und hielt ich meinen Bruder wohl auf gehaben, weil ich den Sclaven kennete, welcher ein Corse von Geburth war und Antoni hieß. Mein Bruder wagete sich, und schlieff 3. Nächte bey mir in einem Keller, da er die gantze Nacht nichts that, als mein zeitheriges Elend zu bejammern und zu beseufftzen, mit höchster Obligation, daß er das Tractament nicht ein Viertel Jahr ausstehen könte. Einiges Tages brachte er mir ein Labsal bey seinen Besuch mit, einen halben [382] Eymer Spanischen Wein, etwas Biscuit, 2. Westphälische Schincken, eine Quantität Englische Picklinge, einen Holländischen Käse, und Englisch Brod, gab meinen armen Neben-Scla-
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ven jedem etwas davon, das andere behielt ich vor mich, und konte ich mich wohl drinnen ergetzen, und vielmal erquicken, und hatte ich dergleichen in 13. Jahren nicht gesehen. Mein Bruder schenckete mir auch einige Ducaten, die mir sonderlich wohl zu statten kamen. Kurtz vor seiner Abreise dachte ich ihm eine Ehre anzuthun, lieff darnach zu einer Mohrin und kauffte einen jungen wilden Ferckel, den würgete ich, und brachte ihn übers Feuer, mein Bruder kam just darzu, und lachte der Kocherey hertzlich, doch bratete ich ihn herrlich, ich holete etliche Maaß Wein dazu, und liessen wir es uns hertzlich wohl schmecken ; ob wir gleich weder Schüssel noch Teller hatten, sondern jeder seine Portion von denen höltzernen Brat-Spiessen abschneiden muste. So bald mein Bruder seine Abfertigung vom Holländischen Consul erhalten, eilete er wieder nach denen Europäischen Küsten, und gieng an den Boort eines Englischen Schiffs, welches ihn mit vollen Segeln bald aus meinen Augen trug. Ich war nun wieder allein, und eilete theils vergnügt, theils betrübt nach Hause, woselbst ich bey meiner Ankunfft gleich eine süsse Frucht von meines Bruders daseyn genoß. Der Patron ließ mich nemlich ruffen, und als ich vor ihm erschien, sprach er : Michael deine Rantzion ist mit dem Holländischen Consul veraccordiret, und hast du nun so viel Freyheit, Tags zu thun was du wilt, ich küssete ihm den Rock und versprach [383] gleichen Fleiß, wie vorher, doch wurde ich in der That nicht mehr so hart und sträfflich gehalten, wie vorhin, bekam auch ein besseres Tractament, und dieses alles auf des Consuls Bitte und Anordnung. Ich danckete GOtt und betete fleiß vor meinen Bruder Görgen, daß er gesund im Hag ankommen möchte. Er war gleichfalls ein nunmehr versuchter und ein erfahrner See-Mann, der zweymal mit in Ost-Indien gewesen, und sonsten die 4. Welt-Theile befahren, und hatte ich also von seiner ausgehärteten Natur ein vollkommen gutes Vertrauen. Ich thät also meine Arbeit vor wie nach, und nach wie vor, und sahe mich auf das sorgfältigste vor, daß ich die Türckische Gunst-Bezeugung nicht mißbrauchte. Jetzo bekam ich von des Patrons Tisch meistens meine Kost, wurde von seiner gantzen Familie werther gehalten, als vorhin, von seinen beyden Söhnen aber aufrichtig geliebet. […] [385] Lib. III. Cap. VI. Kühns freudige Erlösung. Endlich trat das längstgewünschte Erlösungs-Jahr ein, in welchem ich der langwierigen Sclaverey, und dem verfluchten Algier gute Nacht geben solte, und dieses war das 1739. Jahr. Im Februario wurden die 4. neue Gallioten, so der Dey im Jahr 1737. hatte zu bauen anfangen lassen, fertig, und den 1. Martii vom Stapel gestossen, dabey gieng es trefflich her, unter andern gab der Dey 4. Sclaven umsonst und ohne Geld loß, und die andern Sclaven, die mit am Schiffs-Bau
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geholffen, bekamen eine Ergötzlichkeit an weissen Brod und Wein. Jede dieser Gallioten nahm 50. Canonen und 400. Mann Equippage an Boort, und lieffen dieselben den 1. April en Compagnie 4. Particuliers und 2. Caravellen in See, und verschwuren sich die Türcken hoch, dieses Jahr allen Schaden zu revangiren, den sie von denen Christen erlitten. Wie denn auch würcklich zu Ende des Aprils 2. von denen Particuliers wieder mit einer reichen Prise auf der Rhede vor Algier ankamen, so sie in denen Spanischen Gewässern genommen. Es war ein Spanisch Schiff, welches Recrouten und andere Kriegs-Nothwendigkeiten für die Besatzung zu Oran aufgehabt. Die Türcken hatten gleichwol 132. Spanier, darunter viele Officiers und Officiers- [386] Weiber, zu Gefangenen gemacht. Es war aber zum Theil miserabel Volck, weil ich es alles auf dem Padestan mit beschauete. Inzwischen hatte mein Bruder sich in Holland und Teutschland, vernemlich aber mit meiner Vater-Stadt zu Gotha viele Mühe meinethalben gegeben, und ist sonderlich die gnädige Vorsorge und Bemühung Serenissimi meiner Erlösung wegen nie genug zu rühmen. Höchst Dieselben trugen nicht allein die ansehnligste Summe zu denen Rantzions-Geldern bey, als welche bis auf 800 Rthl. zu stehen kamen, sondern liessen auch durch Dero Agenten die 200. Rthlr. von der Hamburgischen Kauffmannschafft heben, welche Dieselbe zur Rantzion solcher Sclaven beyzuschiessen pfleget, die im Dienst eines Hamburgischen Kauffarthey-Schiffes gefangen werden, und endlich eine Christliche Collecte in Gotha und Altenburg veranstalten, welche in Gotha 118. Rthl. in Altenburg aber 36. Rthl. getragen, dazu ein Hoch-Edl. Magistrat von meinem Väterlichen Erbe 200 Rthl. nehmen lassen, daß alles so weit, Gott Lob, in Bereitschafft, erstlich nach Hamburg, von dar auf Befehl meines gnädigsten Herren nach Marseille einem Banquier, Monsieur Fisquette genannt, und von diesem an den Holländischen Consul nach Algier Pallavicini übermachet wurde. Es gieng aber dermalen mit der Correspondence etwas langsam her, und mein Bruder vermuthete gar Unrichtigkeiten, resolvirete also mir bis Hamburg und Amsterdam entgegen zu gehen, oder gar noch einmal nach Algier zu reisen. In Hamburg erfähret er zwar Sicherheit, daß ich [387] loß sey, wuste aber nicht wie ich meine Tour auf Gotha halten würde, deßwegen ließ er seine Addresse und Brieffe auf der Börse, wo ich ihn suchen solte, wenn ich in Hamburg eintreffen möchte, er selber aber gieng nach Hamburg, allda ihn der Lutherische Geistliche Domine von Carl versicherte, daß ich über Nantes zu Amsterdam eintreffen würde, deßwegen er daselbst bis zu Ende des 1739. Jahres meiner gewartet, da ich unterdessen recta auf Hamburg zugieng und Amsterdam nicht sahe, wohin ich aber meinem Bruder meine Ankunfft avisirte, der bald bey mir war.
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Mit meiner Erledigung hatte es folgende Beschaffenheit : Den 14den Maji, als ich eben mein Mittags-Brod gespeiset, kam der jüngste von meines Patrons Söhnen zu mir in den Garten, und berichtete mich, daß sein Vater wäre zum Holländischen Consul gerufen worden, und daß viel Geld bey demselben ankommen, etliche Sclaven, vornehmlich aber mich, zu ranzioniren. Gegen den Abend kam der Patron selbst in den Garten, rieff mich und sprach : Michael, ich will dich loß geben, so du aber bey mir bleiben wilt, will ich dich frey geben und dir das Geld darzu schencken, besinne dich diese Nacht. Ich antwortet nicht viel, schlug die Hände zusammen, und sprach : Ach Patrono, Freyheit, Freyheit, dabey ich zu weinen anfieng, und demselben seinen Rock-Zipffel küssete. Also kroch ich diese Nacht das letzemal in mein Sclaven-Loch, konte aber vor inniglicher Bewe- [388] gung und Freude nicht schlaffen, sondern stellete mir bald die Christenheit und meine Vater-Stadt, die ich nun wieder betreten solte, bald meine Freunde, die ich nun wieder sehen solte, vor, und erwartete des Tages mit vielem Verlangen. Endlich erblickte ich das Licht dieses mir höchst glückseligsten Tages, es war der 15. May des 1739. Jahres, an welchen mich der Patron rieff, und muste ich ihn zum Holländischen Consul begleiten, mithin gab ich meines Patrons Behausung, Arbeit, Garten, Sclaven und Sclaven-Quartier auf ewig gute Nacht, und gieng mit in des Consuls Behausung. Der Patron war wohl eine gute Stunde in des Consuls Zimmer vor mir, ehe ich auch hinein geruffen wurde, sie hatten sich erst der Rantzion wegen mit einander verglichen und der Patron mich sogleich nach dem Vergleich frey gesprochen. Sobald ich eingetreten, fragte mich der Consul, ob mir die Zeit lang worden, ehe diese Stunde kommen, an statt ihm aber auf seine Frage zu antworten, fuhr ich heraus und fragte : ach gnädiger Herr, komme ich denn gewiß loß ? Der Consul antwortete, du bist schon loß, ich habe Brieffe und Geld deiner Rantzion wegen bekommen, auch dem Patron bereits 570. Rthl. spec. so hoch nemlich der Accord ist, bezahlet, hob hierauf ein weisses Tuch von einem Tische im Zimmer weg, da lag das Geld alle aufgezehlet, welches der Patron alles bejahete, und mir meine Freyheit mittelst eines Handschlags zusagete, an seinen Bart griff, und nach Türkischer Manier einen Eyd that. [389] Der Patron besahe hierauf das Geld nochmals rieff mich zu sich, und ich muste mit ihm ein wenig vor die Thür des Zimmers gehen. Hier sagte er zu mir : Michael, heute kanst du dein Glück groß und vollkommen machen, du bist nun frey, das ist wahr, aber wenn du dich wilst beschneiden lassen und ein Türck werden, will ich dir die Rantzions-Summe schencken nebst der Freyheit, solst bey mir im Hause bleiben und der Ober-Aufseher aller meiner Güther werden, auch dabey handeln, was, und womit du wilst, solte es wieder zu Schiffe gehen,
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gebe ich dir hiermit den Platz und die Gage eines Schiff-Zimmermanns. Du weist, wie groß und angesehen, fuhr er fort, meine Freundschafft allhier, wenn du mir folgen wilst, so will ich dich durch eine Heyrath so einsetzen, daß du dein Lebetage genug haben solst. Du suchest dein Vaterland so begierig, was wirst du da mehrers finden, wenn du der Menschen Neugierigkeit vergnüget hast, als Armuth und Verachtung, da du hingegen bey uns bleiben, Ehre und Ansehen die Menge gewinnen kanst. Du must eine weite und gefährliche Reise thun, auf welcher dich das Glück aufs neue äffen kan, hier aber hast du deinem Schicksal ausgetrotzet, und durch Gedult alle deine Widerwärtigkeit überwunden, daß du dich gewiß der neu-aufgehenden Sonne zu bedienen hast : und gesetzt, daß dieses alles nicht sey : Wer wird dir in deiner Heimath gleich ein Capital von so viel hundert species Thalern, eine ansehnliche Versorgung, und reiche Heyrath geben ? Du bleibest ein Verlauffener, ein Verachteter, der kaum das Bet- [390] tel-Brot zu seiner Erquickung haben wird, besinne dich, und stehe dir nicht selber im Lichten. Ich antwortete ihm aber kurtz : Patrono, dein Versprechen ist gut, thue aber dasselbe einem andern, den du damit gewinnen kanst. Ich dancke GOtt, der mich aus deiner Dienstbarkeit erlöset, dem will ich allein dienen, und sonst keinem andern, dem will ich allein anhangen, der wird mich gesund in mein Vaterland bringen und daselbst versorgen. Es ist wahr, wie du sprichst, daß ich endlich meinem harten Verhängniß ausgetrotzet, aber du bist dessen bitteres Werckzeug gewesen, du hast in meinen Thränen deine Freude, und in meinem Angst- und Ach-Geschrey dein eintziges Vergnügen gefunden, zu dem Ende du mich viel hundert mal ohne Ursache geschlagen, und habe ich alle Stunden in augenscheinlicher Gefahr des Todes zubringen müssen, daher will ich lieber ein Bettler unter denen Christen, als dein Verwalter seyn. Der Patron schwieg darauf still, gieng wieder hinein ins Zimmer, strich sein Geld zusammen und gieng damit fort. Als ich mich nun dergestalt in Freyheit sahe, danckete ich zuförderst dem allmächtigen GOtt durch ein in des Consuls Zimmer laut ausgesprochenes Gebet auf meinen Knien, gieng hierauf zum Consul und bedanckete mich tausendmal für seine gehabte Mühe. Der Consul befahl mir hierauf in seinem Hause zu bleiben, und die Strassen zu Algier und alles Ausgehen zu meiden, bis er mich zu gelegener Zeit mit einem Christlichen Schiffe abschicken könte, da mir so lange an Verpflegung in seinem Hause nichts abgehen solte. Binnen 8. Tagen [391] ranzionirte der Consul noch ihrer 8. eitel Hamburger, und muste er vor den einen 1500. Thl. spec. bezahlen, es war auch einer dabey, der bereits 36. Jahr in der Sclaverey allhier zugebracht, und in seinem Alter sein Vaterland wieder sehen solte. Der Consul sorgte ferner, daß der Dey sein ordentliches Abzugs-Geld, und ich hergegen einen Frey-Zeddul erhielte, welcher mich auf meiner dermaligen
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Heim-Reise für aller weitern Sclaverey sicherte, wenn auch gleich mein Schiff von einem neuen Räuber solte genommen werden, bezahlte im Hafen meinen Tribut, und machte mich mit Formirung meiner kleinen Equippage durchaus Schiffbar. Sieben und zwantzig Tage brachten wir beym Consul zu, hielten in währender Zeit in seinem Hause das heilige Pfingst-Fest mit Beten und Singen, und wurden 2. Tage mit Speiß und Tranck herrlich von ihm bewirthet. Endlich kam eine Frantzösische Tartane auf hiesiger Rhede an, die uns an Boort nahm und nach Europa überbringen solte, ein jeder bekam auf 12. Tage Provision, und ein gut Stück Reise-Geld, darauf wir vom Consul Abschied nahmen, im tausend Glück und Seegen mit vielen Thränen vor seine Sorge, Bemühung und Gunst-Bezeugung vom Himmel anwünscheten, und in GOttes Namen zu Schiffe giengen. [392] Lib. III. Cap. VII. Kühns Heim-Reise von Algier. Wir embarquirten uns also auf das Frantzösische Schiff, und segelten den 12. Julii dieses 1739. Jahres mit einem favorablen Wind von dem verfluchten Algier ab, welches ich das erstemal den 27. April 1725. betreten, und beträgt die Zeit meiner Sclaverey von 25. Febr. 1725. da ich in See nebst andern unglücklichen Cameraden von denen Türckischen Hunden genommen worden, bis den funffzehenden May 1739. da ich meine Freyheit erlanget, 14. Jahr 2. Monat und 17. Tage, in welcher ich alles ausgestanden, was Menschliches Elend genennet werden mag. Wir verlohren die Africanische Küste bald aus unserm Gesichte, und lieffen mit einem Süd-Ost-Wind immer auf Europa zu, aber an statt, daß wir nach denen Frantzösischen Ufern gedachten, kamen wir denen Spanischen immer näher. Den 4. Tag erblickten wir die Insel Minorca, deßwegen wir die Segel änderten, und suchten gegen Osten anzulauffen, und die hohe See zu gewinnen, 3. Tage musten wir laviren, den 4. aber bekamen wir Süd-Süd-West-Wind, da spanneten wir alles auf, was Segel hieß, ich thät auf dem Schiffe mit, was ein erfahrner Matrose thun kann, und erhielt dadurch vom Patron manche Recreation. Unsere Fahrt gieng auch ohne weitern Anstoß so wohl von statten, daß [393] wir den 21. Julii und also in 11. Tagen um die Mitternacht glücklich auf der Rhede von Marseille ankamen. Ich danckte GOTT vors erste inbrünstig, daß er mich endlich, wie ich vielmal vergeblich gewünschet, wieder in die Christenheit gebracht, und so dann in meinem Hertzen allen meinen Wohlthätern, die zu meiner Freyheit behülfflich gewesen, sonderlich meinem theuresten Landes-Fürsten, als welcher den meisten Antheil an meiner Erlösung gehabt, und ohne dessen Fürstlicher Vorsorge es wol nimmermehr mit mir dahin gediehen wäre. Den 23.
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hujus wurden wir debarquiret, und was nicht an Losung des Schiffs Antheil hatte, in das eine Meile von Marseille gelegene grosse Hospital, zu Haltung unserer Guarantaine, die auf 29. Tage gesetzet war, gebracht. Unserer wurden allezeit 5. und 5. in eine Kammer logiret, und erhielten wir Sclaven jeder des Tages 20. Sous, macht etwas nach unserer Müntze 5. Gr. zu seiner Verpflegung, davon wir wohl leben konten, massen in diesem Hospital ein Koch, welcher sehr billig war. An dem Hospital lag ein grosser und vortrefflicher Garten, in welchem wir uns divertiren und frische Lufft schöpfen konten, wie wir wollten. Eine Incommoditæt hatten wir aber hier auszustehen, das war das Räuchern, welches der Chirurgus zu dreyenmalen mit uns vornahm, dabey nichts veränderliches vorfiel, sondern einmal, wie das andere blieb. Es war nemlich in dem Hospital ein grosser geräumlicher Saal, in demselben [394] musten wir den 6. Tag zusammen kommen ; auf dem Fuß-Boden lag Stroh und viele dürre Lorbeer-Aeste, das wurde angezündet, und das Gemach wohl verschlossen, daß uns der Dampff eine gute halbe Stunde wohl durchzog, endlich wurden wir aus diesem höllischen Kercker wieder in unsere Logementer dimittiret, und diesen Proceß wiederholeten sie mit uns den 18. und 27. Tag. Alle übrige Schiffs-Waare muste die Zeit unter freyem Himmel liegen und wohl auslüfften, das Feder-Vieh aber, das wir mitgebracht, taucheten sie etlichemal ins See-Wasser. Als das Räuchern vorbey, visitirte uns der Chirurgus Mann vor Mann am gantzen Leibe, ertheilete uns ein Gesundheits-Attestat, und nun konten wir hingehen, wo wir hin wolten. Ein Verdruß hätte uns bey nahe mit dem alten Hamburger begegnet, derselbe hatte bey dem ersten mal Räuchern so viel Rauch eingeschlucket, daß er gantz kranck wurde, das machte uns bange, denn wenn er gestorben, hätten wir noch 40. Tage allhier aushalten müssen, aber er wurde nach eingenommenen Medicamenten bald besser, und befreyete uns also der Sorge. Ich begab mich also en Compagnie noch 3. erlöseter Sclaven den 22. August, in die Stadt Marseille zu demjenigen Banquier, an welchen mich der Holländische Consul recommendiret, nemlich zu dem oben erwehnten Monsieur Fisquette ; er nahm mein mitgebrachtes Schreiben sehr gütig, laß es durch, und befahl mir einige Tage bey ihm zu blieben, worein ich gar gern willigte, und eine sehr reiche [395] Verpflegung genoß. Als ich mirs 3. Tage bey ihm wohl seyn lassen, gab er mir ein Schreiben an einen gewissen Kauffmann zu Lion, nebst etwas Geldes, und erinnerte mich, daß ich ohngesäumt die Reise dahin antreten solte, welches ich auch nach seinem Befehl augenblicklich thate. Die Stadt Marseille mag ich wohl die grösseste und vortrefflichste Handels-Stadt von gantz Franckreich nennen, lieget an der Küste von Provence, hat einen grossen, weiten, geraumen und sichern Hafen, an dessen beyden Seiten 2. wichtige Castelle liegen, welche
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den gantzen Hafen beschiessen können. Im hiesigen Arsenal, wo die Frantzösische Galeeren gebauet werden, traff ich unter andern Sclaven auch einen Mohren an, welcher mit an denen Galeeren arbeiten muste, den ich augenblicklich kannte, auch von ihm erkannt wurde, er hieß Hamet, und waren wir, als ich noch Sclave, unterschiedlichemal auf Caperey in einem Schiffe mit einander gewesen. Jetzo lachte ich ihn aus und erfuhr daß er vor 3. Jahren von denen Maltesern ohnweit Oran genommen, und in den Hafen zu Marseille aufgebracht worden. Ich wünschte ihm Glück zu seinem jetzigen Zustand, und erinnerte ihn an das Tractement, welches die armseeligen Christen-Sclaven in Algier leiden und ausstehen müssen, dergleichen sich zwar die Türckischen Sclaven in der Christenheit nicht zu besorgen, jedoch aber auch das Unglück haben, daß sie von denen Türcken weder ausgewechselt, noch ranzioniret werden, sondern ewige Knechte bleiben müssen. Unserer 3. nahmen also unsern Abmarsch von Marseille auf Lion [396] zu ; unser erstes Nacht-Lager hielten wir im Hospital zu Aix, wo wir Zehrungs-frey gehalten wurden, auch von denen Kauffleuten reichlich Allmosen bekamen. Diese Aix ist sonst die Haupt-Stadt in Provence ein schöner grosser Ort, aber nicht veste. Des andern Tages kamen wir nach Avignon ins Päbstliche Gebiete, welches eine schöne Stadt, die eine vortreffliche Brücke über die Rhone hat, wir musten in der Vorstadt in einem kleinen und sehr schlechten Häußgen übernachten, so fielen auch die Allmosen von denen Kauffleuten, an welche wir addressiret waren, überaus schlecht, ohne Zweiffel, weil wir der prostestantischen Religion zugethan. Uns passirte nichts anstößiges, bis den 31. Aug. da wir zu einem kleinen Städtgen, Namens Lieron kamen, woselbst man uns nicht einließ : ob wir schon alle unsere Beredtsamkeit vorwandten, unsere Pässe und Attestata vorwiesen, so sageten sie uns doch kurtz ins Gesicht, wovor sie uns hielten nebst so vielen wunderlichen Dingen, daß wir vors beste hielten, uns zu retiriren. Wir giengen also mit vielem Widerwillen diesen Ort vorbey, weil wir schon 6. Meilen marschiret waren, und uns ziemlich ermüdet hatten, und musten wir 1000. gute Worte geben, daß uns ein Bauer im nechst gelegenen Dorffe in seinem Stall die Nacht zubringen ließ, weil die einfältigen Leute hier in der Persuasion stehen, alles, was aus der Levante kommen, habe die Pestilentz am Halß ; so sahen wir auch, ich muß es selbst gestehen, in unsern grossen Bär- [397] tern und elenden Sclaven-Habit fürchterlich genug aus, daß ich eben die Leute nicht verdachte, wenn sie nicht viel mit uns wolten zu thun haben. In Vienne traffen wir hingegen an denen Herren Jesuiten rühmliche Wohlthäter an. Nachdem sie unsere Pässe und schönen Brieffe gesehen, die wir bey uns hatten, befahlen sie uns in ihr Refectorium zu gehen, wohin sich das gantze Collegium versammlete, dem wir
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unser ausgestandenes Elend referiren musten. Der Pater Rector ließ einem jeden ein weiß Brod und eine Kanne Wein reichen, auch einen gantzen Braten unter uns austheilen, und gab uns einen Louisd’ or bey unserm Abschied mit auf den Weg. Endlich kamen wir 3. Septemb. Nachmittags 5. Uhr in Lion an, ich gieng so fort zu dem Kauffmann, an welchen ich Brieffe hatte, der von Geburt eine Schweitzer war. Nach Durchlesung der überbrachten Brieffe ließ er uns durch seinen Diener in ein Wirths-Hauß einlogiren, daselbst wir ohnvermuthet 3. von unsern Cameraden fanden, welche einen Tag eher, als wir, von Marseille abgereiset waren, wo wir bald Compagnie mit einander macheten. Der Wein schmeckte uns wohl, und liessen uns denselben fast übernehmen, zumalen sich viele angesehene Leute der Stadt bey uns einfanden, ihre Curiosité zu vergnügen, welche sich sehr freygebig erwiesen, und eine Zeche um die andere vor uns bezahleten, so gar, daß endlich die 3. gefundene Sclaven in Uneinigkeit geriethen, daß sie die Messer zuckten. Wir aber liessens zu keiner Thätigkeit kommen, damit hatte unser Schmauß, und unsere Freude Feuerabend, und musten GOTT [398] dancken, daß man uns nicht in die Wache brachte. Des andern Tages ließ uns der Kauffmann ruffen, gab einem jeden 9. Livres oder 3. Frantz-Thaler nebst einem Recommendations-Schreiben nach Roanne und Orleans, welches wir mit höchster Danckbarkeit annahmen, noch einige Tage hier ausruheten, und hatten sonderlich unser Vergnügen an der herrlichen und schönen Stadt, davon wir das merckwürdigste in Augenschein nahmen, sonderlich die treffliche Statue Königs Ludwigs XIV. in Metall zu Pferde. Von Lion nach Roanne hatten wir einen sehr sauren und beschwerlichen Weg. Denn wir musten grosse und unwegsame Gebürge übersteigen, womit wir 4. volle Tage zu brachten, nach deren Verlauff wir endlich daselbst ankamen, und unsere Brieffe behörigen Orts abgaben. Wir fanden aber einen alten und mürrischen Mann vor uns, der uns länger, als eine Stunde vor seinem Laden auf der Strasse warten ließ, daß wir glaubeten, wenig gute Bissen von ihm zu geniessen. Endlich kam er mit einer lächelnden Mine zu uns, und sagete : Ihr guten Leute habt noch einen weiten Weg in euer Vaterland, und zu dessen Vollstreckung wohl wenig Geld-Mittel bey euch. Gefället es euch zu unserer Religion zu treten, so solte wohl Rath werden, daß ihr euch bis an euer Ende reichlichst soltet ernehren. Einer von meinen Cameraden, der gut Frantzösisch sprach, antwortet ihm im Namen unserer aller. Wir wären ohne Mittel einen so weiten Weg gereiset, und hätten allezeit eine [399] reiche Versorgung gefunden, so traueten wir der Vorsorge GOttes gantz gewiß zu, dieselbe würde uns fernerhin durch Erweckung gutthätiger Hertzen so viel zu fliessen lassen, daß wir glücklich zu denen unsrigen gelangen könten : Dancketen ihm demüthigst für sein Aner-
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biethen, unser zeitliches Glück vollkommen zumachen, die Religion aber wider unser Gewissen zu ändern, das stünde nicht in unsern Kräfften ? Darauf thät er einen tieffen Seufftzer : Denn er war, wie wir hernach erfuhren, ein Protestante gewesen, und Catholisch worden. Er fragte darauf eins und das andere um unsere Türckische erlittene Gefangenschafft, und als wir seine Curiositè vergnüget, ließ er uns in ein Wirths-Hauß bringen, und auf seine Kosten wohl verpflegen, bis ein Schiff nach Orleans abfuhr, welches erst in 8. Tagen geschahe, da wir von unsern sauersehenden Kauffmann erstlich jeder 2. Thaler spec. und ich, weil ich am schlechtesten bekleidet, einen brauenen Tuch-Rock, meine beyden Cameraden aber jeder einen dicken Brust-Latz bekamen, ehe wir an dessen Boort giengen, nebst anderwertiger Recommendation an Orleanische Kauffleute, und einer grossen Flasche Frantz-Brandewein. Wir fuhren also höchst vergnügt auf der Loire dahin und kamen den 26. Septemb. Nachmittags zu Orleans an, allda uns der Kauffmann jedem täglich 24. Sous zu unsern Unterhalt und wieder Brieffe nach Nantes geben ließ. Dieses Orleans ist eine der schönsten Städte in Franckreich, und hat die Ehre, daß sich des Königs Bruder von ihr schreibet, man soll hier die Frantzösische Sprache am reinlichsten [400| und besten reden. Die Canaille aber begegnete uns daselbst sehr übel, weil sie uns in der Kirche bey der Messe als uncatholisch erkannte. Wir waren froh in der Christenheit zu seyn, und dachten unsern Gottesdienst in denen Kirchen mit einem andächtigen Vater Unser, eifriger, als zu Hause zu halten, deßwegen giengen wir in eine offene Chatholische Kirche, daselbst zu beten, kamen aber übel an, und wurden von denen Kirch-Jungen und andern leichtfertigen Gesinde mit Steinen und Erd-Klösen bis in unsere Herberge hinein gejaget, da wir 5. Tage still lagen, und nicht wieder ans Tages-Licht kamen, bis wir uns auf ein Schiff, das nach Nantes gieng, embarquirten. Hier kamen wir nicht allein glücklich an, sondern fanden auch einen Hamburger Schiffer, den ich wohl kennete und Otto Knapp hieß. Auf dieses verdung ich mich, und halff es 3. Wochen lang befrachten, dafür ich Boots-Gesellen-Tisch bekam. Acht Tage, ehe ich zu Schiffe gieng, nahmen meine Cameraden Abschied von mir, und giengen mit einem Holländischen Schiff nach Amsterdam zu. Den 4. November lieffen wir auch von Nantes ab und die Revier hinaus, und kamen mit einem ungestümen Nord-Ost-Wind in die See, und hatten doch gleichwol eine gute Fahrt bis an die Insel Heysand, wo uns der Wind contrair wurde, und wir Gefahr lieffen bey sehr trüben Wetter auf denen kleinen Normandischen Klippen zu stranden, wir brachten 10. Tage zu, ehe wir den Canal zwischen Douvre und Calais passirten. In 18. Tagen kamen wir bis vor die Elbe, und warffen unsere An- [401] cker im Fahr-Wasser mit der Fluth den Strom hinauf zu lauffen, auf welchem, da wirs möglich machen wolten, wir
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den Ancker kappen musten, weil er sich nicht heben ließ, endlich kamen wir den 24. November glücklich durch die Eiß-Schollen für Cuxhaven an, wo ich vom Schiffe auf einer Chalouppe nach Hamburg abgieng, und vom Schiffer, wegen meiner ihm gut geleisteten Dienste 2. Kayser-Gulden Trinck-Geld bekam, auch allda mit ohnaussprechlicher Freude den 27. November 1739. gesund ankam. Hier war meine erste Ausflucht für den Magistrat und die Börse, wo ich mich an beiyden Orten höflich bedanckete für den zu meiner Rantzion mildest beygetragenen Zuschuß. Ich bekam von der Kauffmannschafft vierzehen Thaler zu meinem Unterhalt, mit dem Anerbiethen, wenn ich da bleiben und mit vor die Schiffs-Ladung Sorge tragen wolte, ich nebst freyer Kost Monatlich vier Thaler haben solte, wofür ich mich bedanckte, es nicht gäntzlich ausschlug, und nur um Erlaubniß bat meine Freunde und mein Vaterland erst wieder zu sehen. Auf der Börse fand ich meines Bruders Addresse und Brief, deßwegen ich ihm eiligst nach Amsterdam meine Ankunfft in Hamburg notificirte, worauf ich selben gleich den zehenden Tag nach Ablauff meines Brieffs in Hamburg bey mir sahe. Wie unsere erste Bewillkommung gewesen, können sich nur diese einbilden, welche in dergleichen Noth und Gefahr, als ich, gestecket, und mit mir auf einerley Art und Weise ranzioniret worden. Wir hielten uns nicht lange in Hamburg auf, sondern eileten auf [402] Gotha zu, woselbst wir auch den 26. December 1739. glücklich und gesund ankamen, und ich ein Miracul und Wunder in aller meiner Landes-Leute Augen war, dergestalt, daß ich unter währendem Gottesdienst beym Thor-Schluß zum Brühler-Thor in aller Stille eingelassen wurde, damit der ärgerliche Auflauff des Pöbels möchte verhindert werden. Ich danckete GOTT von Grund meines Hertzens, daß er mich aus dem so entfernten Winckel der Welt nach Verlauff 21. Jahren wieder in meine geliebte Vater-Stadt gezogen, und war meinen Brüdern und Freunden sehr willkommen, welche sich einige Tage hindurch aufs liebreichste mit mir letzten, und in lauter Frölichkeit zubrachten. Und was das meiste ist, so hatte ich den Tag nach denen heiligen Feyer-Tagen gnädigste Audientz bey meinem Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn, und durffte diejenige mildthätigste Fürsten-Hand fußfälligst küssen, welche sich bey meiner Erlösung so mächtig, als geschäfftig, erwiesen, auch mir einen nochmaligen Beweiß Dero Gnade und Großmuth machten, daß Sie mir eine ansehnliches Geschenck zu meiner Erquickung reichen liessen. Ich hatte nach diesem die Ehre vielen grossen und vornehmen Leuten aufzuwarten, und ihnen auf Dero Begehren Nachricht von unterschiedlichen curieusen Dingen zu ertheilen. Bey allen diesen äusserlichen Getöse vergaß ich auch nicht an das innere, und meiner Seelen Heyl zu dencken, zu dem Ende ich einen frommen und muthigen Beicht-Vater erwehlete, unter dessen Anführung ich aufs neue
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mich als einen guten [403] Streiter JEsu Christi leiden wolte, nemlich Herrn Magister Avenarium, hoch-meritirten Diaconum bey St. Margrethen, der mich wieder so weit brachte, daß ich den 9ten Jan. 1740. war der Sonntag nach dem heiligen Drey-Königs-Feste, das heilige Abendmahl öffentlich genoß, da verhero die Gemeinde durch nachgesetzte Formul versichert wurde, daß ich von dem Christlichen Glauben in meinem Leben nie abgewichen, dabey ich denn auch zugleich allen und jeden Wohlthätern für ihren gütigen Beytrag zu meiner Rantzion danckete. Geliebte in dem HErren ! Eurer Christlichen Liebe ist bereits bekannt, daß Johann Michael Kühn, aus Gotah, für nunmehro 15. Jahren von denen Türcken gefangen, und als ein Sclave nach Algier gebracht, auch daselbst bis hieher sehr hart gehalten worden. Nachdem er aber seinen elenden Zustand hieher berichtet, so sind unsere gnädigste Landes-Herrschafft so gleich auf seine Rantzionierung bedacht gewesen, und haben zu solchem Ende eine Collecte veranstalten lassen. Es würde auch schon vor einigen Jahren solche bewircket worden seyn, wenn nicht ein Betrüger, der sich auch vor einen gewesenen Sclaven ausgegeben, gewiß versichert, daß gedachter Kühn schon loß wäre, und zu Regenspurg sich befinde. [404] Nach der Zeit ist man aufs neue auf seine Erledigung bedacht gewesen, und nachdem die erforderliche Summa colligiret, und nach Algier überbracht worden, ist er endlich loß, und des vorigen Jahrs glücklich hieher kommen. Davor danckt er nemlich, wie billig, seinem GOtt von Hertzen, und da er an dem heutigen Tag das erstemal das Heilige Anbendmahl, dessen er so viele Jahre beraubet gewesen, gebrauchet, so hat er demüthig gebeten, daß man vor dieser gantzen Gemeinde in seinem Namen allen denenjenigen, die mit Rath oder That das Ihre zu seiner Rantzionierung beygetragen, hertzlich Danck abstatten möchte. GOTT regiere ihn allezeit mit seinem heiligen und guten Geiste, erhalte ihn im wahren Glauben an JEsum, und einem heiligen GOtt wohlgefälligen Leben, bis er ihn endlich erlösen wird von allem Übel und aushelffen zu seinem himmlischen Reich, welchem sey Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen. An dieses seelige Stündlein will ich Zeit meines Lebens dencken, da ich die Süßigkeiten des Paradieses geschmecket, und aufs neue das Siegel der Gerechtigkeit erhalten, daß ich nun weiß, durch Christum GOttes und seines Himmelreichs Erbe zu seyn. […] [408] Ich blieb in Gotha 7. Monate, sahe aber das müssige Leben, für mich als etwas unmögliches und unerträgliches an. Mein Handwerck war durch die
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Länge der Zeit völlig ausgeschwitzet, und vergessen, und solches aufs neue zu lernen, darzu war ich zu alt. Dasjenige, womit ich capable meinem Nechsten zu dienen, war die Marine, und was darzu gehöret ; ich war des Wassers so gewohnet, als wie eine Ente, und in Gotha war mit einem Wort das Element nicht mehr vor mich, darinnen ich leben konte. Zu dem Ende resolvirte ich mich, zumalen mir auf Discretion hoher Gutthäter bey meinem annoch gesunden Leibe und geraden Gliedmassen zu leben, zu Gewissenloß schien, mein Glück wieder in einer See-Stadt zu suchen, dazu ich dermalen Amsterdam erwehlete, und den 27. Jul. A. 1740. meine geliebte Vater-Stadt mit Anwünschung einer tausendfachen göttlichen Seegens-Vergeltung wieder verließ, und zu Lande nach gedachten Amsterdam zu eilete. Hier fande ich gleich Gelegenheit nach Surinam, einer sehr berühmten Colonie der Holländer, in Gviane in Süd America am Einfluß des Flusses Surinam in das Mar del Nord siebendhalbe Grad von der Mittags-Linie, gerad gegen Norden gelegen, über zu gehen, in einen Ort, welcher einen irrdischen Paradieß ähnlich, wo die Holländer die vortrefflichsten Zucker-Plantagen haben, auch, wenn es GOtt gefället, allhier mein Leben zu endigen. ENDE.
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Abb. 47 : Titelblatt ; Leonhard Eisenschmieds, eines Österreichischen Unterthans Merkwürdige Land und Seereisen durch Europa, Africa und Asien. 1. Theil. Grätz : Tanzer, 1807. Ohne Seitenangabe.
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Ganz in der Tradition des modernen Romans steht auch der letzte Text dieser Anthologie, die Robinsonade des Österreichers Leonhard Eisenschmied. 1770 in Gruk geboren, wuchs Eisenschmied dort als Sohn eines Gärtners auf und begann nach dessen Tod 1787 eine Handelslehre in Laibach, aus der er in jugendlichem Leichtsinn nach Triest entflieht (Wadl, 9). An Bord eines holländischen Handelsschiffs erleidet er in der Nähe Kretas Schiffbruch, verbringt anscheinend zwei Jahre auf einer menschenleeren Insel, bis er von Seeräubern aufgegriffen wird und dann in die venezianische Marine eintritt. Schließlich wechselt Eisenschmid auf die Seite der Malteser und fällt in die Hände von Korsaren, die ihn nach Algier verschleppen und als Sklaven in der Stadt festhalten. Nach seiner Flucht aus Algier folgen weitere Abenteuer – unter anderem gerät er in türkische und albanische Gefangenschaft, aus der er 1798 von einem kroatischen Handelsschiff gerettet wird und schließlich nach über zehnjähriger Odyssee in die Heimat zurückkehrt (Abb. 47). Die zentralen Themenbereiche – der leichtsinnige Drang des Jugendlichen, sein bürgerliches Umfeld zugunsten der Seefahrt aufzugeben, der Schiffbruch mit Strandung als einziger Überlebender auf einer einsamen Insel sowie seine nordafrikanische Gefangenschaft – rücken die Geschichte Leonhard Eisenschmieds deutlich in die Nähe von Daniel Defoes Erfolgsroman Robinson Crusoe. Bereits der Bericht der beiden Wolffgang-Brüder hat gezeigt, dass nordafrikanische Sklavenberichte von Europäern zeitgenössische Entwicklungen in der Literatur aufnehmen und verarbeiten. In Bezug auf barbareske Sklavenerzählungen ist dies vor allem die Vorbildwirkung von Daniel Defoes Roman Robinson Crusoe, der die Gattung der Sklavenerzählungen ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts maßgeblich beeinflusste. Die Vorbildwirkung von Daniel Defoe ist eine zweifache : Einmal wirkt sich Daniel Defoes Roman auf authentische Sklavenberichte aus, d.h. in Stil, Inhalt und Erzählform gleichen sich barbareske Sklavenberichte der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Daniel Defoes Roman an, ohne dabei an Authentizität einzubüßen bzw. ins rein fiktionale abzudriften. Parallel dazu entsteht nach der Publikation von Robinson Crusoe eine eigene rein fiktionale literarische Gattung, die sogenannte Robinsonade, in der erfundene
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Inhalte wie Schiffbruch, Seereisen, Piraterie und nordafrikanische Gefangenschaft in die Form von Defoes Roman Robinson Crusoe gepresst werden. Interessanterweise kommt es am Ende des 18. Jahrhunderts zu einer Hybridisierung des literarischen Genres der Robinsonade mit den barbaresken Sklavenberichten. Das heißt, es werden teilweise authentische Sklavenerlebnisse von Heimkehrern aus Nordafrika in eine Robinson-Geschichte eingebaut, wobei viele Aspekte wie Schiffbruch auf einer einsamen Insel mit vergeblichen Fluchtversuchen oft rein fiktionales Beiwerk sind.11 Genau das scheint im Bericht Leonhard Eisenschmieds der Fall zu sein. Die Schilderung seiner algerischen Gefangenschaft wirkt jedoch aufgrund der Details und psychologischer Aspekte durchaus plausibel. Eisenschmied vergleicht auf überzeugende und glaubhafte Weise die unterschiedlichen Schicksale der Sklaven im Besitz des Deys und jener von Privatpersonen in Algier. Laut seinem Bericht leidet er als Sklave des Herrschers unter ununterbrochenem Hunger bzw. Unterernährung, katastrophalen Hygienezuständen und unerträglichem Ungezieferbefall. Die Sklaven von türkischen oder jüdischen Privatpersonen hingegen führen ein vergleichsweise gesittetes Leben. Eisenschmieds Schilderungen, vor allem der unerträglichen hygienischen Bedingungen in den Bagnos, in denen die Sklaven des Deys allabendlich eingeschlossen werden, vermitteln den Eindruck authentischer persönlicher Erlebnisse (Abb. 48). Auch über das Ende seiner Gefangenschaft in Algier bzw. seine erfolgreiche Flucht aus der Stadt berichtet Eisenschmied mit überzeugender psychologischer Selbstanalyse, wenn er schreibt : »Wegen meiner abwechselnden Gemüthsart, bald in Freude bald in Trauer, hielten mich die Anwesenden im Schiffe für wahnsinnig, und die vermeinte Zerrüttung meiner Sinne für eine natürliche Folge meines sonderbaren Geschickes« (Eisenschmied, Bd. 1, 224). Es ist anzunehmen, dass Eisenschmied um den wahren Kern seiner algerischen Gefangenschaft erfindungsreich weitere Elemente gruppiert hat. Die episodenreiche Geschichte Eisenschmieds hat wohl auch schon unter seinen Zeitgenossen Zweifel an ihrer Authentizität hervorgerufen. Dies zeigt sich zum Beispiel daran, dass Eisenschmied sich amtlich bestätigen ließ, dass zumindest 11 Eisenschmied ist der einzige bisher bekannte nordafrikanische Sklavenbericht eines Österreichers, der im ESCAPE Forschungsprojekt aufgespürt werden konnte. Dabei ging Robert Spindler (2019b) von der Hypothese aus, dass sich in Robinsonaden von österreichischen Autoren unter Umständen auch Passagen über eine nordafrikanische Gefangenschaft des Ich-Erzählers befinden könnten. Bei Eisenschmied ist er fündig geworden. Es kann aufgrund der richterlichen Authentizitätsbescheinigungen, die Eisenschmied in seinen Bericht eingefügt hat, mit großer Wahrscheinlichkeit von einer realen Gefangenschaft in Algier ausgegangen werden.
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Abb. 48 : Bagnos ; Leonard Eisenschmieds, eines Österreichischen Unterthans Merkwürdige Land und Seereisen durch Europa, Africa und Asien. 1. Theil. Grätz : Tanzer, 1807. Zw. S.196 und 197.
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Teile seiner Geschichte authentisch sind. In einem Dekret, das Eisenschmied auch in seiner Robinsonade zitiert (Eisenschmied, Bd. 2, 200), attestieren ihm der Marktrichter zu Gurk und ein Anwalt, dass die großen Eckpunkte seines Berichts den Tatsachen entsprechen. Wir haben bereits im Fall von Balthasar Sturmer, dem wohl ersten europäischen Sklavenbericht aus Nordafrika im 16. Jahrhundert gesehen, dass eine sehr starke Wechselwirkung zwischen den Barbaresken-Erzählungen und dem frühen Roman besteht. Im Fall Sturmers war diese die Vorwegnahme des Picaro-Romans und des modernen Romans. Hierzu zählen Elemente, die in Don Quijote oder Robinson Crusoe auf unterschiedlichen inhaltlichen und erzähltechnischen Ebenen wieder auftauchen. Die Tatsache, dass Defoes Roman ungeheuer erfolgreich wurde, dass er Elemente von Piraterie, nordafrikanischer Sklaverei und spektakulären Fluchtversuchen beinhaltet und damit von nordafrikanischen Sklavenerzählungen indirekt beeinflusst war, wirkte sich auf spätere Sklavenberichte aus, die nach der Publikation des Erfolgsromans Robinson Crusoe erschienen. Einige Sklavenberichte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts haben sich daher an Defoes Roman inhaltlich und erzähltechnisch orientiert. Eisenschmieds Robinsonade ist eines der offensichtlichsten Zeugnisse dieser Wechselwirkungen, indem er seine Gefangenschaft in Algier in eine packende, aber wohl größtenteils erfundene und an Robinson Crusoe angelehnte Romanstruktur einbaut. Mit dem Buch Eisenschmieds schließt die Gattung der barbaresken Sklavenerzählung einen Kreis, indem sie wieder in die Nähe des frühen Romans zurückkehrt. Bemerkungen zur vorliegenden Edition von Leonhard Eisenschmieds Bericht Der Text dieser Edition folgt Leonhard Eisenschmieds, eines Österreichischen Unter thans Merkwürdige Land- und Seereisen durch Europa, Africa und Asien. 2 Bände. Grätz : Tanzer, 1807. Die Textedition gibt ausschließlich jenen Teil des Berichts Eisenschmieds aus dem ersten Band wieder, der seine Erlebnisse in nordafrikanischer Gefangenschaft beinhaltet (Eisenschmied, Bd. 1, 185–224). Die Seitenangaben in eckigen Klammern im Text markieren immer den Beginn einer Seite und beziehen sich auf die Erstausgabe von 1807. Absätze, Interpunktion und Orthographie orientieren sich ebenfalls an der Ausgabe von 1807.
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Der Bericht des Leonhard Eisenschmied Leonhard Eisenschmieds, eines Österreichischen Unterthans Merkwürdige Land- und Seereisen durch Europa, Africa und Asien. Eine wahre Geschichte aus den letzten Jahren des achtzehenten Jahrhundertes. Mit einer getreuen Beschreibung verschiedener Länder, Inseln, Völker ihrer Sitten und Gebräuche. 2 Bände. Grätz : Gebrüdern Tanzer, 1807. 1. Theil [185] Drey und zwanzigstes Capitel. Leonhard Eisenschmied desertirt den Venezianern, nimmt Dienst bey einem Malteser. Ein blutiges Seetreffen mit einem türkischen Kaper. Nahmenloses Unglück. Ich komme nun zu einer der wichtigsten Perioden meiner Lebensgeschichte, die in Malta begann. Des immerwährenden elenden und gefahrvollen Herumkreuzens, auf venezianischen Schiffen müde, erwachte hier im Zirkel der gefälligen Malteser meine bisher unter der Asche glimmende, in Gibraltar enstandene Begierde zur Desertion mit neuem unlöschbaren Feuer. Du wirst doch nicht länger der Thor seyn, dachte ich, dein Leben unter einer Nation zuzubringen, von der du nie den geringsten Vortheil schöpfen, bey der du nie nur ein mittelmäßiges Glück machen wirst ; sondern nur immer unter der Geisel ihrer Schicksale leidest. Hier von besseren Menschen umgeben, und bey Ereignung man- [186] cher schönen Gelegenheit, die dir zur Flucht und Rückkehr in dein Vaterland den Weg öffnet, wäre es unverzeichliche Zaghaftigkeit, wenn du sie wieder verabsäumtest, und die Erfüllung deiner Wünsche, die Ausführung deines Plans auf eine bessere Zukunft neuerdings verschöbest ; um mir also einst nicht selbst bittere fruchtlose Vorwürfe zu machen, war die erste Gelegenheit zur Desertion bestimmt. Ich sah eines Tages an dem Ufer der Insel St. Elmo, ein kleines einem Malteser Privat-Kaper angehöriges Scherschiff ausrüsten. Sogleich war mein Spaziergang dahin. Ich erkundigte mich nach dessen Capitän. Diesen bekam ich bald zu sprechen : Ich erzählte ihm vorläufig mein Schicksal, und trug ihm dann meine Dienste mit dem innerlichen Vorhaben, bey erster Gelegenheit unsichtbar zu werden, mit möglichster Verstellung an. Da er von mir vernommen, daß ich schon so viele gefährliche Seereisen gemacht, sogar schon mit einem Seeräuber herumgekreuzt, und folglich kein weichlicher Anfänger wäre, sondern Dienst und Seeleben verstehen müsse ; ließ er sich um Aufnahme nicht lange bitten,
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handelte sogleich mit mir wegen des Handgeldes, und wir wurden um 15 Scudi, bis zur ersten Beute Eins, das ist : bey der ersten Beute, die wir entweder den ersten Tag unserer Abreise, oder erst nach Verlauf einiger Monathe erobern würden, sollte mir sogleich die bedungene Summe ausgezahlt werden, und überdieß noch dasjenige, was ich bey Eroberung selbst für mich erhaschen würde, mein seyn. Er sagte [187] mir den bestimmten Tag, an welchem er abzusegeln beschlossen hatte. Als dieser erschien, fuhr ich mit einem Schinakel seinem Schiffe zu, bestieg es, und erwartete von seinem Schicksale meine künftige Bestimmung und eine baldige Gelegenheit zur weitern Flucht. Ob ich nun meinen Zweck unter maltesischen Segel leichter, als unter jenen der Venezianer erreichte, wird die Fortsetzung der Geschichte entscheiden. Obschon meine Dienstnahme bey diesem Kaper nur in der Absicht den Venezianern aus den Klauen zu kommen, und Mittel zur Rückkehr in das liebe Deutschland zu finden, geschah, folglich ich mir bey diesen meinen Absichten nichts vorzuwerffen hatte ; so überfiel mich doch bey den Gedanken, wo und in welcher Gesellschaft ich mich befände, eine schreckliche Ahndung. So viel ich mich erinnere, geschah dieses mit Ende Februar 1792. Es befanden sich auf dem Schiffe alle zusammen gerechnet 63 Köpfe, worunter nur etliche Corsikaner, die übrigen außer mir aber alle Malteser waren. Unsere Reise zielte nach der Küste der Barbarey. Als wir dieser nahe kamen, kreuzten wir sie gegen Carcani hinauf, und ankerten hinter einer Landspitze bey Gierbi. Als wir ein kleines türkisches Fahrzeug, das aus dem Kanal kam, erblickten, ließen wir unsern Anker im Stich und eilten mit Segel und Ruder auf dasselbe los. [188] Die Türken wurden uns auch gewahr und stießen ans Land. Wir verfolgten sie mit unserem Geschütze, um ihnen keine Zeit zu lassen, etwas aus ihrem Fahrzeuge zu retten ; sie flohen aber mit leeren Händen, und hinterließen uns ihr Fahrzeug mit allem sich darin befindlichen zur Beute. Wir fanden in demselben ein Faß Branntwein, etliche Fäßchen Wasser und ein kleines Geldkästchen mit 12,000 Piaster beschweret. Das Fahrzeug aber konnten wir nicht mehr retten, woran auch eigentlich unserem Capitän nicht viel gelegen war, da er sich an den Piastern schon die Augen voll sah. Wir eilten unsern Anker wieder zu lichten, an dessen Tauhiebe wir ein Zeichen gelassen hatten. Als dieser gerettet war, zählte mir der Capitän meine ausbedungenen 15 Scudi auf die Hand. Mir war bey diesem schändlichen Raub sehr übel zu Muthe ; doch freuete ich mich, daß kein Feind sein Leben verlor. Man ruderte bey windstiller Witterung die Küste weiter hinauf. Viele fremde Kauffahrteyschiffe begegneten uns ; ein jedes, das wir sprechen konnten, wurde von uns befragt : ob es kein türki-
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sches Schiff gesehen habe, welche Frage aber bisher immer mit Nein beantwortet ward. Unser Unglücksstern leuchtete uns nach dem Vorgebirge der Barbarey im Königreiche Tunis, Capo-buono genannt. Als wir diesem vorüberstriechen, gewahrten wir einen Segel. – Diesen betrachtete man mit dem Fernglase genau, und da eben wenig Wind war, und [189] man die Ruder im Wasser plätschern hörte, konnten wir nun nicht mehr zweifeln, daß es ein Kaper sey : also zum Angriffe ! Es ist Malthesersitte, vor jeder Attaque ein Gläschen Branntwein mit Pulver vermischt, auszutrinken, welcher Trank nach ihrer Meinung den Soldaten, wo nicht mordsichtig, doch sehr hitzig machen soll. Als jeder meiner Kameraden so ein Gläschen im Leibe hatte, waren sie schon zum Raufen aufgelegt. Ich mußte es dem Scheine nach auch seyn ; aber ich zitterte vor Furcht, und bereuete meinen Schritt, der mir statt der Freyheit vielleicht nur mein Leben kosten, oder mich auf immer grenzenlos unglücklich machen wird. Stolz ließ unser Gegner seine Fahne wehen, wir aber erhöhten die unsrige mit einem scharfen Kanonenschuß, und kamen dem Kaper näher. Er begrüßte uns mit seinem Geschütze voll Ladung, aber keine feindliche Kugel verletzte uns dießmahl ein Haar. Wir erwiederten das Salve mit gleichem Gewichte. Fürchterlich sausten die feindlichen Kugeln, nicht minder schrecklich krachten unsere Kanonen. Der Pulverrauch stieg wirbelnd empor, und bildete eine schwere undurchdringliche Wolke. Wir näherten uns immer mehr und mehr, um auch das kleine Geschütz spielen zu lassen. Eine feindliche Kanonenkugel schmetterte unsern Vordermast nieder, ehevor wir noch zusammenstießen. Wir achteten diesen Schaden gering, weil es ohnehin schon zum Handgemenge kam, und wir keine Kanone mehr [190] brauchen konnten. Nun blinkten und klirrten die Säbel, Blut und Tod folgten ihren Hieben. Hartnäckig widerstanden die Türken, und nicht minder muthig fochten unsere Matrosen. Beyderseits sanken viele Blessirte und Todte. Die Füße glitschten im Blute verstümmelter mit Todesangst kämpfender Menschen. Schon schien der Sieg sich auf unsere Seite zu neigen, als die plötzliche Erscheinung eines zweyten Feindes unsere Wüthriche in die äußerste Bestürzung brachte. Ein anderer Kaper, der hinter dem Capo-buono unsere Kanonade gehört hatte, und eiligst herbey gekommen war, griff uns rückwärts mit einem heftigen Feuer an. Todtenblaß starrten die unsrigen, als sie diesen zweyten Feind gewahr wurden. Tod und Verderben war nun unser Loos. Eine feindliche Musketenkugel streifte meine linke Seite unter der Hüfte ; ich fühlte aber in der Verwirrung nur eine augenblickliche Brennung, und erhielt mich noch immer auf den Beinen, bis mich ein Türke, dessen Säbelhieb ich auswich, zu Boden gerant. Ich hatte
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mich kaum vom Boden aufgerafft, als ein anderer seine fein gespitzte Lanze mir gerade ins Gesicht stoßen wollte, durch eine glückliche Zuckung aber das rechte Ohr traf und aufritzte. Das Blut floß mir nun an beyden Seiten warm in die Schuhe, meine Kräfte schwanden, ich konnte mich nicht mehr aufrecht erhalten ; sondern sank auf eine Halbleiche, die ich noch röcheln hörte, in eine Ohnmacht oder Art Betäubung, die mir Sinne und Bewußtseyn [191] raubte, aber auch zugleich die Angst benahm, augenblicklich mein Herz durchbohrt zu fühlen. Unsere Leute hatten vor dem Angriffe dem feyerlichsten Schwur gethan, sich ehevor in die Luft zu sprengen, als gefangen zu geben. Allein ; der Ueberrest der Lebendigen hatte jetzt doch keine Lust mehr, dem Schwure getreu zu bleiben, und ergab sich den Türken. Als ich aus meiner Betäubung erwachte, sah ich die Sieger unser Schiff reinigen. Ich konnte diesem Geschäfte nicht ohne Eckel und Entsetzen zusehen. Sie rafften die wirklich und Scheintodten Körper zusammen, warfen sie über Bord, wuschen das Verdeck, welches mit stockendem Blute hoch überschwemmt war, und einer Metzgers Bühne glich, auf welcher das Vieh geschlachtet wird. Als sie einige Eimer Wasser auf die Blessirten hingoßen, erwachten einige aus ihren Todtenschlummer. Die Türken hatten eben noch mit genauer Noth so viel Zeit, daß sie in größter Eile, das beste aus unserm Schiffe retten, und auf das ihrige üperschleppen konnten, weil unseres wegen geschöpften Wasser schon zu sinken anfing. – Ihr Kaper, dem wir zur Beute wurden, hatte auch eine Menge Todte und Blessirte, welche letztere ihr Wehklagen mit dem unrigen vermengten und ein allgemeines Jammergeheul entstand. Nicht minder war auch sein Schiff in einem erbärmlichen Zustande, und er verfluchte seines Sieges ungeachtet die Stunde, in der er uns aufgestoßen war. [192] Der andere Kaper, der uns den Rest gegeben hatte, und uns ohne Nutzen bloß aus Raufbegierde den Sieg raubte, war zurückgeblieben ; unsere Besieger aber richteten ihren Lauf mit uns Unglücklichen nach Algier. – Meine beyden Wunden die zum Glück nicht gefährlich waren, verband mir einer meiner Kameraden ; ich wusch sie täglich öfters mit Meerwasser und rieb Salz hinein, um den Brand zu verhüthen, welches mir aber keinen kleinen Schmerzen verursachte. [193] Vier und zwanzigstes Capitel. Leonhard Eisenschmieds Schicksal als Sclave in Algier. Ich hatte nun auch Zeit über mein neues hartes Geschick nachzudenken, und mir ein Bild von der Zukunft zu mahlen, dessen Häßlichkeit mir schon die Gegenwart lebhaft vor die Augen stellte. – Der furchtbare Gedanke meine Freyheit
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vielleicht auf ewig um 15 Scudi verkauft zu haben, fuhr wie ein Dolchstich durch meine Seele. – Bald wäre es zu Selbstvorwürfen gekommen, daß ich mich unüberlegt zu diesem elenden Gesindel begeben hatte. – Allein nicht Mangel an Geduld zum Ausharren ; sondern gänzliche Hoffnungslosigkeit, je anders als auf solche Art den Müheseligkeiten des Matrosenlebens entgehen zu können, die traurige Gewisheit, daß ich zeitlebens die Mitnahme mit einem Kauffahrteyschiffe vergebens hoffen würde ; [194] weil sich jeder noch so menschenfreundliche Capitän scheuen wird, einen von der venezianischen Fahne Desertirten aufzunehmen ; die seelenmarternde Vorstellung, die Meinigen nie wieder zu sehen ; und endlich mein Leben entweder in den Fluthen des Meeres, oder nach überstandenen tausend Gefahren, wenn mich Hitze, Hunger und Durst gänzlich entnervt und zu fernern Diensten untauglich gemacht hätten, von aller Welt verlassen, im qualvollem Jammer zu enden, waren die Veraulassungen, die mich in dieses nahmenlose Elend gestürzet hatten. Das Streben nach Verbesserung meines Zustandes, dieser vom höchsten Wesen in eines jeden Herz tief eingelegte Trieb, hieß auch mich alles versuchen, um dadurch der Erfüllung meiner Wünsche näher zu kommen. Mit dergleichen Vorstellungen suchte ich wenigst die Selbstschuld von mir abzulehnen, mich soviel nur möglich zu beruhigen, und wartete mit möglichster Fassung meine Zukunft ab. Bey anhaltend stiller Witterung brauchte man uns zum Rudern, und je weiter wir uns fortruderten ; desto mehr nahm meine Angst zu. Unserseits waren nur noch 28 Mann bey Leben, von welchen aber unterwegs noch 3 an ihren Wunden starben, die nebst einigen Türken von gleichem Schicksale den Fischen zur Beute gegeben wurden. [195] Wir sahen endlich in einer Entfernung Algier. Ein kalter Schauder durchbebte alle meine Glieder beym ersten Hinblick auf dasselbe, weil ich mein schreckliches Loos kannte. Nun kamen wir in Algier an. Mit einer Seele voll Angst und wankenden Füssen gingen wir unter Begleitung der Wache ans Land. Bald wurden wir auf einen prächtigen mit Quatersteinen gepflasterten Platz vor des Dey Residenz geführet, der uns übers Fenster besichtigte. Es versammelten sich sogleich viele Türken und Juden, die wir sogleich für Käufer und Sclavenhändler erkannten, weil sie uns so genau musterten, von einem zum andern gingen, jeden rück- und vorwärts betrachteten, bey einigen länger verweilten, bey manchem aber mit einem leichten Blicke, kopfschüttelnd vorübergingen. Ich und noch einige Blessirte gehörten zu dieser wohlfeilen Gattung, welche Geringschätzung mich weder verdroß, noch wunderte, weil ich wirklich durch Gram und Blessuren entstellt, wohl keinen Piaster werth zu seyn scheinen
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mußte. Ungeachtet man mich also um einen sehr geringen Preis erhalten haben würde ; so wollte sich doch gar keiner die Mühe nehmen, meinetwegen in die Tasche zu greifen ; ich mußte also ein anderes noch unentschiedenes Schicksal erwarten. Nun wurde die bessere Waare von den Käufern fortgeführt, und das Ueberbleibsel der schlechtern, worunter ich vielleicht einer der vorzüglichsten war, trieb man wie das [196] Vieh durch eine lange Gasse hinab. Vor einer mit eisernen Riegeln und Schlössern wohlversehenen Thüre wurde Halt gemacht. Man öffnete sie – und Hölle ! welch ein Anblick ! der Pestgestank von einem faulen Stroh, womit der Kerkerboden bestreuet war, dampfte mir entgegen ; mit genauer Noth konnte ich mich der Ohnmacht erwehren, die mich beym ersten Eintritte in diese Scheusalgrube anwandelte. Bey der Thürschwelle vor dem Reiche der Todten, wird man diese Schrecknisse nicht sehen ! Ich schauderte zurück. Etliche halblebende Menschen, worunter einige Blessirte, die vor kurzem erst erbeutet wurden, und aus Mangel an Kräften nicht zur Arbeit getrieben werden konnten, lagen auf dem faulen Stroh, vermochten es kaum sich aufzurichten und bewillkommten den neuen Zuwachs der Unglücklichen mit tief gehohlten Seufzern und nassen Augen. Doch zwei derselben hoben ihre Köpfe nicht auf, sie verriethen ihr Leben nur noch mit einigen Bewegungen der Hände und Füße. Entkräftet wankt’ ich nun zu ihnen hin, und sank halb ohnmächtig auf das morsche Stroh. Meine mitgekommenen Kameraden thaten ein Gleiches. Als ich wieder ein wenig zu mir selbst kam, und einige schüchterne Blicke um mich her auf die vier Wände meines dunkeln Kerkers warf, verfiel ich in eine Schwermuth, die bis an die Verzweiflung grenzte, und in einen völligen Wahnsinn ausartete. – Die Hoffnung einer Erlösung schien mir Thorheit ; nur der Tod war mir eines der reitzendsten Bilder, die ich mir schaf- [197] fen konnte ; nur er, dachte ich, kann meinen Jammer ein Ende machen. Wie beneidete ich die Glücklichen, die im Treffen geblieben sind ; diese haben nun ausgerungen, kein Barbar raubt ihnen mehr die Ruhe, zu der sie übergingen. Zwar hatte ich mit ihnen gleich gelitten, bis auf jene letzte Angst, die sie vor künftiger Qual befreyet, und doch sparte mich ein härteres Geschick zu größeren Martern auf. So bald der Unglückliche die ersten bittersten Stunden durchgestarrt, und sein stummer Schmerz sich zu Thränen aufgelöset hat, erwacht in seinem Innersten doch wieder die Liebe zum Leben, wenn er sich auch ehedem tausendmahl den Tod gewünschet hatte. Er wird gelassener, und frägt sich endlich bey genauer Untersuchung seiner Lage : ob denn gar keine Rettung vorhanden sey ? Ich bewährte diesen Satz durch eigene Erfahrung. Allein, nach vielen Hin- und Hersinnen, nach genauester Durchforschung meines Elends kam ich doch im-
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mer auf den unausweichlichen Schluß : Du bist ohne Rettung verloren. So fiel es mir z. B. ein, daß viele Sclaven und Gefangene durch eine Auswechslung wieder befreyet werden, aber wie konnte ich mir bey gesunder Vernunft mit dieser Hoffnung schmeicheln ? wenn ich auf den fatalen Umstand dachte ; daß ich nur mit einem Privatkaper von Malta abgesegelt war. – Und was blieben mir wohl noch für andere Trostgründe übrig ? Zwar ermangelte ich nicht, viele andere hervor zu suchen ; aber sie schwanden wie die Seifenblasen, gleich nach ihrer Entstehung. Es [198] war Abend. – Die Kerkerthüre öffnete sich mit einem furchtbaren Gerassel. Die auf Arbeit gewesenen Sclaven wurden hereingelassen. Nach ihnen traten 2 Agusins (Sclavenaufseher) herein, welche 2 Säcke voll Brot brachten, und es unter uns vertheilten. Das Brot war von Dattelkörnermehl gebacken, kugelförmig, von der Größe einer Kreuzersemmel. Von diesem ward also jedem eines hingeworfen. Wie schmerzlich erinnerte ich mich im vorigen Jahre auf der venezianischen Fregatte mit diesem Brote Ball gespielt zu haben, welches mir damahls ungenießbar schien, und jetzt meine einzige Nahrung seyn sollte, seyn mußte. Zwar konnte ichs heute noch nicht genießen, aber bald wünschte ich mir vom Himmel nur die Wohlthat, mich an demselben satt essen zu können ; denn wir erhielten dergleichen Brot täglich nur 2 Stücke, eines am Mittag, das andere am Abend : Eine Nahrung, bey der selbst der mäßigste Esser sich kaum bey Leben erhalten kann, die aber zur Sättigung eines Menschen, der schwere Arbeit verrichten muß, um so weniger hinreicht. Dieses Brot war auch die einzige Nahrung der Kranken und Blessirten. Die meisten starben nach und nach, theils an ihren Wunden, die sie zwar mit einigen vom Leibe gerissenen Fetzen verbanden ; jedoch den Brand nicht verhüthen konnten, theils an völliger Entkräftung und daraus entstandenen neuen Krankheiten, weil ein vorhin zu sehr geschwächter Körper bey dieser schlechten Hundskost nothwendig bald verderben mußte. Wie neidisch blickten diese Elenden ihren Unglücksbrüdern in den Mund, welche bey der Zurück- [199] kunft von der Arbeit ihre Portionen erhielten, da sie die eigenen längst gierig verschlungen hatten. Auch ich wurde Anfangs nicht gleich zur Arbeit getrieben, weil mich meine Schwäche und Wunden dazu unfähig machten ; so bald aber letztere zu heilen begannen, und ich wieder auf den Beinen zu stehen vermochte, ward ich sogleich mit ins Joch gespannt. Müheselig und schlaflos brachte ich die meisten Nächte hin ; als ich noch an der völligen Ausheilung meiner Wunden im Gefängnisse lag, theils, weil ich auf der wunden Seite nicht ohne Schmerzen liegen konnte, theils und hauptsächlich aber wegen der schrecklichen Menge Ungeziefers, das sich in meine am Leibe habende Lumpen ansetzte, und von Zeit zu Zeit vermehrte. Das schlimmste dabey war die Unmöglichkeit sich zu reinigen ; denn
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erstlich konnten wir mit den an uns hangenden Lumpen so wenig, als mit der Haut selbst wechseln, dann war unser Kerker so finster, daß wir kaum Mittags so viel Licht hatten, um die vier Wände voneinander zu unterscheiden ; zudem kam auch nie ein frisches Stroh ins Gefängniß, und das bereits sich darin befindliche faule, war von dem Ungeziefer so voll, daß es ganz lebendig, bewegt, und beynahe von einem Orte ans andere getragen wurde. Diese Qual mag wohl nur den Armen wahrscheinlich seyn, die das Schicksal etwa zum Versuche dieses Uebels verdammte. Indessen kann es doch Jedermann glauben, daß, wenn ich so müde und entkräftet auf dem faulen Stroh lag, dabey mein Daseyn gern durch einen festen Schlaf [200] vernichten wollte, mir dieses quälende Insect nicht nur unter meinen Lumpen auf dem ganzen Leibe, sondern truppenweis über das Gesicht kroch, und ich erst die letzten Stunden der Nacht, wenn Mattigkeit und Schlaf das Uebergewicht erhielten, einzuschlafen im Stande war. Wenn ich denn endlich mit hungrigem Magen einschlummerte, träumte ich mich meistens an herrliche Tafeln, wo Speisen im Überfluße aufgetischt waren, aber wieder der fatale Umstand eintrat, daß ich mich vor den anwesenden vornehmen Gästen geniren mußte, und meinem Heißhunger nicht befriedigen durfte. Wenn ich oft die Nacht schlaflos bis gegen Morgen in marternden Vorstellungen dahin brachte, und mich ein Schlaf zu überfallen schien, donnerte meistens die Stimme des Agusins, der uns zur Arbeit weckte, bey der Thüre herein. Nun hieß es hurtig auf, wenn wir keine Schläge haben wollten ; denn wenn der Kerl nach dem ersten Rufe ins Gefängniß trat, und nicht schon alle auf den Beinen zur Arbeit bereit fand, fiel er mit einem verpechten Stricke in der Hand, wie wüthend über die Saumseligen her, und hieb ohne Barmherzigkeit drein ; ob er Gesicht oder Leib traf, daß galt ihm gleich ; dann wurde zur Arbeit gegangen. Wo etwa eine Ringmauer auszubessern war, oder sonst irgend ein Gebäude hergestellet wurde, da mußten wir die Baumaterialien, als Steine, Kalk, Sand, Holz und dergleichen herbeybringen. Jeder Agusin hatte 12 Sclaven unter seiner Aufsicht. Einer führte die seinigen zum Stein- und Sand tragen, der Andere zur Reinigung der Gässen und des Platzes vor [201] des Deys Residenz, der Dritte trieb sein Lastvieh in das Zeughaus, wo es das Schiffbauholz herbey tragen mußte, dessen Last Hals und Bein zu brechen drohete ; und so wurden wir alle vertheilt. Kamen wir dann Abens nach überstandenen Qualen im Stalle zusammen, so erzählte Einer dem Andern die Art seiner gehabten Verrichtungen, und mit was für Beschwerlichkeiten sie verbunden waren. Der Eine klagte nebst dem Hunger das Weh seiner Schultern, der Andere den Schmerz seines Rückens, der Dritte hatte sich mit einem Steine die Finger zerquescht, der Vierte überschrie alle Uebrige, und sprach : ich wollte von allem dem nichts sagen, wenn ich nur Brot genug zu essen
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hätte : Ja, dieß wünschten wohl auch wir, fielen ihm aller Anwesenden Stimmen bey ; allein an Befriedigung des Hungers war nicht zu gedenken ; denn es erhielt jeder sein Brot, verschlang es, und damit mußte er sich begnügen, und wieder neuerdings bis Mittag hungern. Wie behuthsam jeder das seinige verzehrte, wie er mit der einen Hand das Brot an den Mund brachte, und mit der andern sorgfältigst darunter hielt, damit ja kein Bröschen auf dem Boden fiel, und wenn dieß geschah, sogleich fleißig darum gesucht ward, kann man sich vorstellen. So oft wir im Zeughause Arbeit hatten, mußten wir jedesmahl eine Gasse passiren, in welcher zwey Bäcker wohnten, die eben zu der Zeit Brot backten. Wie unsere Schritte gleich beym Eintritte in die Gasse zu zögern anfingen, wie schneckenschnell wir vorüberschlichen, um den angenehmen Geruch des frisch geba- [202] ckenen Brotes, der uns aus dem Bäckerladen entgegen duftete, so lange es möglich war, zu genießen ; dieses können nur jene glauben, die den Schmerz des Hungers im höheren Grade versucht haben. Oefters wurde aber der Agusin des Schneckenganges überdrüssig, und gab den Letzten hintendrein etliche so derbe Hiebe, daß sogleich alles lebendiger vorwärts zappelte. Ich hatte deren auch ein Mahl welche über den Rücken bekommen, worauf ich aber klüger wurde, und mich künftig gleich Anfangs vorwärts machte. Ich muß nun auch melden, daß das Schicksal der Sclaven in Algier sehr verschieden sey. Es finden z. B. jene, die an Juden und Türken in die Privathäuser verkauft werden, oft den besten Mann an ihren Herrn ; sie haben genug und besser zu essen, werden reinlich gekleidet, und im Ganzen leidentlich behandelt ; nur die des Dey, worunter mich das Schicksal stieß, sind so unglücklich, und werden so tyranisch gemartert, vielleicht darum, weil ihr Herr der vornehmste und reichste Unmensch in Algier ist, daher er mehr Recht hat, die Menschheit zu drücken ? Doch, das ist ja was allgemeines : je mächtiger und reicher, desto grausamer und geitziger. Selten sieht man die Tugend an der Seite der Glücksgöttinn auf einem Throne sitzen – selten sage ich – nicht nie. Unter andern Privatsclaven, die ich öfters ihrer gesunden Gesichtsfarbe und guten reinlichen Kleidung wegen bewunderte : begegnete mir auch eines Tages, [203] da ich eben ein Körbchen voll Sand auf der Achsel trug, einer von unserem verunglückten Schiffe, der an einem türkischen Kaufmann verkauft worden war. Dieser sah so gut aus, und war so wohl gekleidet, daß ich ihn nicht mehr gekannt haben würde, wenn er mich nicht bey meinem Nahmen geruffen, und an unsere Bekanntschaft erinnert hätte. Er sah mich mitleidig an, und bedauerte mein unglückliches Loos : Zwar sprach er, bin ich auch ein Sclave, will aber lieber Sclave seyn, und bleiben, als je wieder mit der schändlichen Kaperey meine Hände beschmutzen ; habe doch Gelegenheit, mein Brot ehrlich zu verdienen.
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Ich versichere dich Bruder ! fuhr er fort : ich bin mit meiner gegenwärtigen Lage so wohl zufrieden, daß ich mir gar keine bessere mehr wünsche. Ganz das Gegentheil von dem, was ich ihm zu sagen hatte. Er erzählte mir hierauf alles, wie es ihm die Zeit her ergangen, und auf was sich eigentlich seine Zufriedenheit gründe. Im Ganzen war es die sonderliche Güte seines Herrn, der ihm gar nicht fühlen ließ, daß er ein Sclave sey. Gott ! wie kränkte es mich, daß ich das Gegentheil von allem dem, was er sprach, leiden mußte ! Vielleicht hätte auch ich so einen menschenfreundlichen Herrn gefunden, wenn ich im Treffen nicht blessirt worden wäre, weil fast alle Blessirte dem tyrannischen Dey übrig blieben. Indessen gönnte ich diesem Menschen sein Glück mit aufrichtigem Herzen, da er mir versicherte, daß er sich kein besseres wünsche. Er versprach zugleich meiner nicht zu vergessen, und in der That brachte mir dieser gutherzige Freund manches Stück Brot, wofür ihn der Himmel lohnen wolle. [204] Fünf und zwanzigstes Capitel. Wunderbare Wendung des Schicksals. Eine schreckliche Scene. In dieser jammervollen Lage mußte ich 7 Monathe zubringen ; als diese verflossen waren, machte ein eben so glücklicher, als unglücklicher Zufall meinem Leiden in Algier ein Ende. Das Schicksal warf 2 ganz entgegengesetzte Loose. Auf einem stunden die Worte : Du sollst eines grausamen Todes sterben, auf dem andern : Du sollst aus dem Sclavenstande befreyet werden. Eines aus beyden sollte gewiß an mir erfüllet werden ! Ich schwebte zwischen Himmel und Hölle – und was war mir bestimmt ? Die Freyheit. – Wie das möglich war, wird sich bald zeigen. Ehe müssen wir vor dem Aufgange dieser Sonne, noch ein schreckliches Gewitter überstehen. [205] Unser Agusin war ein portugiesischer Renegat ; Ueberhaupt sind diese Renegaten die grausamsten Menschen. Sein Verfahren mit uns war gegen jenes der übrigen Agusins weit unmenschlicher. Als wir eines Tages eben bey Ausbesserung eines Marabuts oder kleinen Kastelles arbeiteten : gab mir dieser Kerl, weil ich zu wenig Steine auf einmahl heben konnte, etliche harte Streiche, mit deren einem er mich über den Kopf traf : daß mir beynahe Hören und Sehen verging. Diesen Augenblick gerieth ich in einem so heftigen Zorn, daß ich auf mich selbst vergaß, einen ziemlich großen Stein ergriff, und selben mit Gewalt auf den Kopf dieses Tyrans warf, daß er augenblicklich mit einem lauten Schrey zur Erde stürzte, und für todt gehalten wurde. Himmel ! wozu verleitet dich deine Hitze ? dacht ich, als mich schon ein anderer Agusin beym Genicke packte, und die anwesenden Türken und Agusins umrungen hatten, die mich zu Boden rissen, und jämmerlich
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schlugen. Einer hatte einen verpechten Strick, der Andere ein Stück Holz, der Dritte hob den nächst besten Stein auf, der Vierte schlug mich mit Fäusten ins Gesicht, so daß ich nichts anderes denken konnte, als sie wollen, und werden mich todt schlagen. Der Schmerz von wiederholten Streichen, auf einem schon wunden und geschwollenen Theile ist unbeschreiblich. Meine Lippen, wie das ganze Gesicht waren schon hoch aufgeschwollen ; aus dem Munde quoll so viel Blut, daß ich mich kaum des Erstickens erwehren konnte ; meine Nase schien mir völlig vom Gesichte gerissen ; die Augen konnt ich vor Geschwulst fast nicht [206] mehr öffnen, der ganze Leib war eine Wunde ; und noch wütheten die Barbaren ohne Unterlaß an mir, bis sie sich endlich müde geschlagen hatten, und mich halbtodt liegen ließen. Ich bemerkte, daß jetzt ein Türk fortlief, dem Dey von diesem Vorfall Rapport abzustatten. Barbaren ! dieses also erst Ankündigung der Strafe – wie grausam wird wohl diese selbst seyn ! erseufzte ich, wie wirds mir jetzt noch ergehen – ? Meine bange Ahndung betrog mich nicht ; denn ich mochte eine halbe Stunde so in Schmerzen und Aengsten gelegen haben, als ich Ferne einen lärmenden Zug Menschen ankommen hörte. Was ist das ? diese bringen dir gewiß das Urtheil. Schon kamen sie um die Ecke herum, und trugen in ihrer Mitte einen großen hölzernen Spieß, und damit gerade auf mich zu – Hier ! wies mir ein Türk durch drohende Gebärden : hier auf dieser Spitze wirst du deinen Frevel büssen ! – Kälte, wie jene letzte Kälte des menschlichen Erstarrens im Tode ergoß sich durch meinen ganzen Körper. Ich wollte schreien, aber meine Stimme erstarb, und meine Angst war so heftig, daß sie mir selbst den kleinsten Laut raubte. Man hatte eben erst vor einigen Tagen einen Neapolitaner gespießt, und mit dem Stosse das Herz nicht getroffen, so daß er den zweyten Tag nach der Execution noch lebte, und mit dem Munde Bewegungen machte, als ob er auf uns zu reden versuchte, da wir auf dem Wege zur Arbeit vor ihm vorbey gehen mußten. Nun kann man sich vorstellen, was in meiner Seele vorging, als ich sah, daß ich des nähmlichen grausamen Todes sterben [207] sollte, welchen dieser Unglückliche leiden mußte. Erst jetzt erinnerte ich mich des hiesigen Gesetzes, welches jeden Sclaven, der sich gegen seinen Agusin gewaltthätig vergreift, zu dieser grausamen Todesart verdammte. – Ich sah mich also ohne Rettung verloren. Gerechter Gott ! was hab ich gethan, daß ich mich so grenzenlos unglücklich gemacht ! Einige Mahl blickte ich noch auf den Spieß hin, als der Angstschweiß der Todesfurcht das am Gesicht stockende Blut erweichte, und sammt demselben herabzuströmen begann. – Ich wollte aufstehen, um mich zu den Füßen eines nahe stehenden vornehmen Türken zu werfen ; allein ich konnte keinen Fuß ansetzen, fiel wieder auf mein mit Blut überronnenes Plätzchen mit über den Kopf zusammengefalteten Händen aufs Gesicht nieder, wo sich nun meine Zunge lösete, und ich in ein lautes Ge-
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heul ausbrach. Also ist es Ernst, Gewißheit, daß ich sterben muß ! – jammerte ich über die allzugroße Härte meines Geschickes bald in wälschen bald in deutschen Ausdrücken, daß sich meiner ein Stein hätte erbarmen mögen ; allein die Tieger, die mich umgaben und mordsüchtig auf den Augenblick warteten, da man sie freylassen wird, um ihre blutdürstende Rachen an meinem Eingeweide zu kühlen, standen unbewegt da. Ich sah den Spieß oder Pfahl schon vor Augen, wußte, daß die Türken nicht scherzen, nicht drohen ; hatte das Beyspiel an dem Neapolitaner, daß sie grausam genug sind, so einen gräulichen Mord wirklich auszuüben. Also ist es Ernst, Gewißheit. – [208] Eben als ich so erbärmlich winselte, mich wie ein getretener Wurm auf der Erde krümmte : drang sich ein mir unbekannter Herr, der deutsch gekleidet war, im Gefolge noch 3 anderer durch den um mich herumstehenden Schwarm Türken, ergrief meine Hand, und redete mich in deutscher Sprache an. Mein Erstaunen war nicht gering ; es verging eine Weile, ehe ich ihm zu antworten vermochte. Er fragte mich, woher ich sey ? Ich erzählte ihm so kurz als möglich, daß ich ein Deutscher aus österreichischen Staaten sey ; bey den Maltesern gedient habe, und unter dieser Fahne gefangen zu werden das Unglück hatte. Auch entschuldigte ich das Verbrechen, weßwegen ich eines so schrecklichen Todes sterben sollte, so viel mir möglich war. Ich meldete dem Herrn die tyranische Art, mit der uns der Agusin begegnete, und daß eben seine überspannte Mißhandlung, unter der ich heute litt, die Ursache meines Vegehens war, dessen ich mich im billigsten Zorn nicht mehr hätte enthalten können. Meine schluchzenden Worte, das schwere Bewegen meiner geschwollenen Lippen, und das schreckliche Aussehen meines so übel zugerichteten Gesichtes und ganzen Leibes, mochten etwa die Gründe gewesen seyn, die diesen Menschenfreund zum Mittleid bewogen. Als ich seine Theilnahme bemerkte, ward mir etwas leichter, ungeachtet ich noch nicht wußte, ob der gefühlvolle Mann mein Retter seyn werde, seyn könne. Nur die süße Ueberzeugung, daß es doch einen Menschenfreund, nicht lauter Barbaren in Algier gab, [209] linderte einiger Massen meine Angst. Dieser liebreiche Theilnehmer ließ nun durch seinem Dollmetsch den umstehenden Türken etwas sagen, warf mir einen trostvollen Blick zu, und eilte davon. Ein Hoffnungsstrahl belebte mich. Ich hielt diesen Mann ungefähr für den englischen Consul, und hatte wohl Grund zu vermuthen, daß er zum Dey gegangen seyn, und um mein Leben bitten werde. Ich harrte lang mit unbeschreiblicher Sehnsucht auf seine Zurükkunft. Ich sah wohl aus der Verzögerung der Execution, daß man auf Entscheidung zwischen Leben und Tod wartete. Nun warf ich wieder einen Blick auf das tyrannische Mordinstrument ; sah die Sclaven um mich herum stehen, die mich halten sollten, wenn mir
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der Pfahl durch den Leib gebohrt werden würde, die auch wirklich schon, jedoch mit nassen Augen, und allen Kennzeichen des Mittleids auf den schrecklichen Wink acht haben mußten, der ihnen zur Mitwirkung der Henkerthat würde gegeben werden. Ha ! das Bischen innerlichen Trostes wich augenblicklich wieder aus dem Herzen, alle Schrecknisse des bevorstehenden nahen Martertodtes stellten sich mir neuerdings lebhaft vor die Augen ; meine ganze Natur empörte sich dagegen ; das Herz fing wieder an fürchterlich zu schlagen. Zwar war meine Lage, nähmlich der Sclave des Dey in Algier zu seyn, keineswegs eine solche, in der man den Tod so sehr hätte scheuen sollen ; keiner wünschet sich in diesem jämmerlichen Zustande ein langes Leben ; ich selbst wünschte mir vielmahl ernstlich den Tod ; ja gern hätte ich eine Welt verlassen, auf der für mich so wenig gutes geschaffen [210] schien, wenn man mich nur auf eine weniger grausame Art aus derselben hätte schaffen wollen. Als ich wieder so untröstlich war und schon alle Augenblicke die Vollziehung des schrecklichen Urtheils befürchtete, bemerkte ich, daß man das Mordinstrument wieder hinweg trug, und alle Türken dem Zuge folgten. Diese plötzliche Veränderung des höchsten menschlichen Schmerzens, in das höchste Dankgefühl können Gedanken nur mühsam, Worte gar nicht fassen ! – Wäre mir der Nahme dieses Menschenfreundes bekannt, der Nahme meines Lebensretters, ich würde ihn mit goldenen Zügen hierher mahlen, daß jeder Leser, den mein Unglück rührt, ihm mit mir für seine edle Handlung danken könnte. Endlich näherte sich mir ein Türke, der mir in seiner Sprache sagte : daß ich in das Gefängniß gehen sollte. Ich konnte daraus eben nichts schlimmes muthmassen, machte mich also auf die Beine, so gut ich konnte, und wollte dem Befehle Folge leisten ; allein ich war so schwach und empfand so viele Schmerzen in allen Gliedern, daß ich einige Mahl wieder zu Boden sank, mich wieder aufrichtete, endlich nach und nach meiner Knochen mächtig wurde, und bald auf allen vieren kriechend, bald aufrecht wankend den Weg nach dem Gefängnisse nahm. Es war schon Abend, und die Zeit nahte heran, zu welcher gewöhnlich die auf Arbeit gewesenen Sclaven nach ihrem Gefängnisse zurückgeführet wurden. Sie hatten eine herzliche Freude über die nunmehr wahrscheinliche Rettung meines Lebens bezeugt, und mir bey meinem Abgehen viel Glück zum Ausgange der Sache gewünscht ; für welch ihre gütige Theilnahme ich ihnen meinen innigsten Dank zunickte. [211]
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Sechs und Zwanzigstes Capitel. Sonderbare Befreyung aus der nahmenlos elenden Sclaverey, und Beschreibung des räuberischen Reichs Algier. Als mich auf meinem Wege nach dem Gefängniße eben eine Gasse bey der Kirche der Kapuziner vorüberführte : fiel mir plötzlich ein Plan bey, dessen Ausführung mir nicht unmöglich schien, und wirklich die besten Folgen nach sich zog. Wie, wenn ich eine Flucht versuchte, mich in der Kirche hier verbärge, den Kapuzinern, die bekanntlich viele Christen gerettet haben, meine rührende Geschichte erzählte, ihnen mein gegenwärtiges hartes Schicksal schilderte ; meinen mißhandelten Körper zum Beweis darüber zeigte ; und sie dadurch zur Beförderung einer geheimen Flucht zu bewegen suchte ? Ich besann mich also nicht mehr lange, schlich zur Kirche hinein, in welcher es schon ziemlich finster war, und faßte mich auf eine Anrede, durch [212] die ich den ersten Kapuziner, der mir aufstossen würde, zum Mittleid und zur Verbergung bewegen könnte. Es erschien einer, ich hinkte auf ihn zu, und that meine Anrede. Er erschrak anfänglich und hohlte die nächste Lampe mich zu besehen. Noch mehr entsetzte er sich über den jämmerlichen Zustand, in dem er mich traf ; der aber auch in der That entsetzlich und erbarmungswürdig gewesen seyn mußte ; denn ich fühlte den Kopf voll Beulen und Wunden, das Gesicht und die Lippen hoch aufgeschwollen. Die Augen konnte ich mit Mühe kaum so viel öffnen, um den ehrwürdigen Pater anzusehen. Ich war ganz mit Blut überronnen, meine wenigen Fetzen ganz von selben durchnetzt. Der Mann hatte mich unter wehmüthigen Gebärden und Ausdrücken einige Augenblicke betrachtet, eilte dann fort, kam über eine Weile wieder, nahm mich bey der Hand, und führte mich in einem Keller. Er verließ mich da wieder, versprach mir aber sogleich wieder zu kommen, und brachte bey seiner Rückkehr ein kleines Gläschen Geist und ein Geschirr mit Speisen. Mit dem Erstern bestrich er meine Beulen und Wunden, und Letztere both er mir zu geniessen. In wenigen Minuten fühlte ich schon die Wirkung des vortrefflichen Geistes, nähmlich einige Linderung meiner Schmerzen. Während ich aß, saß er mit mittleidsvoller Miene vor mir, und beseufzte ohne Unterlaß mein Unglück. So bald ich damit fertig war, mußte ich ihm mein ganzes Schicksal erzählen, welches der gutherzige Mann mit Erstaunen anhörte, und mich [213] öfters mit Thränen unterbrach. Als ich endlich die Erzählung geschlossen hatte, stand er auf, und hieß mich unter der Versicherung ruhig seyn : daß es nun besser mit mir werden sollte. Mein Kummer machte mich neugierig, den Grund dieses Trostes zu wissen ; worauf er mir zu verstehen gab, daß ich nicht der erste Unglückliche sey, den man hier aus christlicher Liebe
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gerettet habe. Er wiederhohlte noch einmahl, daß ich nur getröstet seyn, ruhig die Nacht in diesem Keller verbleiben, und bis morgen meine Rettung erwarten sollte. Ich fand keine Worte diesem ehrwürdigen Vater für das große Versprechen zu danken. Er machte mir vom Stroh und alten Habiten ein Lager zurechte, führte mich auf selbes hin, wünschte mir eine sanfte Ruhe, gab mir den Segen und verließ mich in einem Meere voll der süßesten Hoffnung. Ich schloß fast die ganze Nacht kein Auge, da ich mich stets mit dem Gedanken beschäftigte : ob und wie etwa wohl meine Befreyung vor sich gehen könnte. Tausend Mahl dankte ich der Vorsehung für die Gelegenheit, die sie mir gab, auf den glücklichen Einfall zu gerathen, auf welchem sich meine wahrscheinliche Rettung gründete. Ungeachtet mich die nahmenlosen Qualen, die die veranlassende Ursache dieses Gedankens waren, fast todt gemartert hatten, so mußte ich doch solche in Betrachte ihrer höchst glücklichen Folgen alle gering schätzen, und der gütigen Vorsicht für ihre weise Leitung inbrünstig danken ; ihre verborgenen Wege bewundern, sie anbethen. [214] Der hoffnungsvolle Tag erschien, und mit ihm mein Wohlthäter, der mir einige Nahrungsmittel brachte. Er sprach nicht viel, doch schloß ich aus seiner freundlichen Miene, und laß auf seinem ruhigen Gesichte, daß ich nunmehr in guten Händen mich befände. Er hieß mich essen. Die aus meinem Herzen gewichene Furcht, ließ mir meine natürlichen Bedürfnisse wieder fühlen. Mein Hunger hatte weder Maß noch Grenzen ; ich ließ mich daher nicht lange bitten, und in wenigen Minuten war das wenige verzehrt, was er mir gebracht hatte. Der ehrwürdige Mann versicherte mich, daß er mir herzlich gern mehr zu essen geben würde, er sähe aber ein, wie höchst schädlich es meiner Gesundheit wäre, mich gäh mit Speisen zu überladen, an die sich mein verdorbener Magen nur nach und nach wieder gewöhnen müsse. Ich dankte ihm für seine wohlmeinende Vorsicht, obschon ich mich nicht hätte enthalten können, mehr zu essen, wenn er mir mehr gegeben hätte. Er verließ mich dieß Mahl, und kam erst zu Mittag wieder, mit einem eben so mäßigen Mittagsmahl, als das Frühstück war. Als ich es gierig verschlungen hatte, dankte ich seiner Güte ; er aber bath mich wieder bis Abend hier ruhig mit Geduld auszuharren, und ging. Wie schmerzlich ich der Herannäherung dieses Abends entgegen sah ; wie viele mannigfaltige Gedanken [215] ich bis dahin ausbrütete, läßt sich leicht erwägen. Indeß erreicht doch alles sein Ende, wenn es demselben schon auf der Schnecke entgegen reitet : dieser sehnlichst erwünschte Abend kam heran.
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Aus meinem Keller hatte die schwarze Nacht schon das wenige Licht verscheucht, das aus hohen Oeffnungen zu Mittagszeit schwach eindrang, als endlich mein Schutzgeist erschien, mit einer wichtigen Miene stillschweigend meine Hand ergriff, und mich aus dem Keller in ein Gemach führte, wo ein Kapuzinerhabit für mich bereit lag. Diesen half er mir geschwind anziehen, die Kaputze mußte ich über den Kopf nehmen und dergestalt vermummt führte er mich zum Kloster hinaus, und begleitete mich bis an das Ufer, wo schon eine Schaluppe bereit war. Gott ! wie pochte mir das Herz vor Freude ; es floß vom Danke über, und doch blieb ich stumm, konnte keine Worte finden, ihn auszudrücken. Ich sank endlich zu den Füssen meines Retters, küßte und benätzte sie mit den heissesten Zähren des Dankgefühls. Er aber riß sich von mir los, und winkte mir mit dem Auge : ich sollte mich nicht verdächtig machen ; ja wirklich hatte ich ganz vergessen, daß ich nunmehr weder Sclave noch Verbrecher, sondern ein unschuldiger Kapuziner war. – Eile, eile mein Kind ! sprach der besorgte Menschenfreund, das Schiff wartet deiner : Er führte mich bis zur Schaluppe, gab mir noch seinen Segen, einen Händedruck, ein Lebewohl, entriß sich meinem dankbaren Ungestüm, und eilte mit nassen Augen zurück. Ich war von der Größe [216] der empfangenen Wohlthat dieses edlen Christen so sehr gerührt, daß sich mein Herz zu Thränen des Freudengefühls auflößte ; jedoch zögerte ich nicht länger, stieg in die Schaluppe, diese stieß vom Lande, und eilte mit mir dem Schiffe zu. Dieses lichtete bey meiner Ankunft augenblicklich den Anker und ging unter Segel. Der Capitän, dessen Nahme mir nicht mehr erinnerlich ist, war von dem ganzen Geheimnisse unterrichtet, ich konnte mich also sogleich demaskiren, und einem besseren Schicksale mit Grunde entgegen sehen. Da ich mich nun von diesem mir schrecklichen Orte entferne, auf den ich Zeitlebens nicht ohne Schauder zurück denken werde ; so muß ich von den Landesgebräuchen, und Volksdummheiten dieser die Menschheit entehrenden Mördergrube das Merkwürdigste mittheilen. Algier, ein Königreich in Afrika, in der Barbarey, liegt gegen Abend an das Königreich Fez, gegen Morgen an das Königreich Tunis, und gegen Mitternacht an das mittelländische Meer. Seine Größe wird beyläufig auf 4200 Quadratmeilen angegeben. Dieses Königreich hat seinen eigenen Fürsten oder Dey, der mit dem Großsultane zwar im Einverständnisse stehet, aber ihn nicht als seinen Oberherrn anerkennt, obschon er seine Würde als Pascha von dem Sultane empfängt. Die Regierung dieses Staats ist [217] mehr monarchisch, als republikanisch, weil der Dey in bürgerlichen und peinlichen Angelegenheiten, wenn er auch den großen
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Divan oder die vornehmsten Reichsbeamten vorladet, am Ende, wenn sie nicht mit seiner Meinung einverstanden sind, mit seinem Machtspruche entscheidet. Das Kriegsherr besteht aus lauter Türken, hat sehr viele Vorrechte gegen andere Bürger, zahlt keine Abgaben, und ist unentgeltlich in Kasernen logirt, wo besonders den Officieren Christensclaven zur Bedienung beygegeben werden. Zur Einbringung der Steuern und Abgaben auf dem Lande, und zur Erhaltung der Ordnung unter den Truppen, sind 3 Beys aufgestellt, welche der Dey eigenmächtig zu benennen hat. Die Geschäfte werden alle in türkischer Sprache abgehandelt. Die Hauptstadt gleiches Nahmens, liegt an der abhängenden Seite eines Bergers, so, daß die Häuser vom Hafen angefangen immer höher liegen. Sie ist mit festen Ringmauern, und schwerem Geschütze versehen, und hat einen tiefen Stadtgraben. Südlich wo der Hafen ist, stehen vier Reihen Kanonen, welche ihre Richtung so genau mit der Oberfläche des Meeres haben, daß sie selbst das kleinste Schinakel nicht verfehlen. Gegen West fordern nebst den Ringmauern viele Thürme feindlichen Respect. Ein großes Arsenal verstärkt nicht minder Algiers Ansehen. [218] Es werden in demselben sogar Fregatten von 40 Kanonen erbaut, welcher Bau freylich nur durch geschickte Ausländer dirigirt wird. Es sind hier immer 100 bis 150 Artilleriebarken bereit, die einst den Spaniern, als sie die Stadt mit einer starken Flotte erobern wollten, den Rückweg ziemlich unsanft gezeigt hatten. Die Gässen der Stadt sind sehr schmal, und sollen deßwegen so angelegt worden seyn, um sich leichter gegen die Sonnenhitze zu schützen ; nur die Strasse vom Ostthore bis zum Westthore ist breiter, als die andern, und sehr lang. In die Stadt führen 5 Thore, bey deren jedem sich eine starke Wache befindet, die zur Nachtszeit verstärket wird. Es sind in Algier weder Gräben noch Brunnen mit süßen Wasser ; man bringt solches vom Lande herein, und gießt es zur Aufbewahrung in Zisterne. Jedoch sind auch zwey Wasserleitungen erfunden worden, welche mehr als hundert Zisternen mit Wasser versorgen. Es sind in der Stadt über 100 Moscheen, einige Collegien, viele untere Schulen, eine Menge prächtig meublirte öffentliche Bäder, ein großes Hospital, welches von christlichen Klöstern sehr unterstützet wird, mehr als 15,000 Häuser, welche alle nur ein Stockwerk hoch sind. Das schönste Gebäude in Algier ist der Pallast des Dey. Er steht in der Mitte der Stadt, um dasselbe sind 2 schöne Gallerien, eine über die andere, welche durch 2 Reihen marmorner Säulen unter- [219] stützet werden. An diesem Orte versammelt sich wöchentlich an dazu bestimmten Tagen der Divan. In gewissen Zeiten, des Jahres gibt der Dey den Rathsherren daselbst ein herrliches Mahl. Man findet in der Stadt weder Gasthöfe noch öffentliche Woh-
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nungen für Fremde. Die Mohren und Türken, die durch diese Stadt reisen, müssen sich indessen bey einem Bekannten aufhalten. Die christlichen Kaufleute aber gehen zu den Juden, deren sich einige Tausende an einem abgesönderten Orte aufhalten, und dergleichen Miethzimmer halten. Sonst gibt es eine Menge Speishäuser, wo die Einwohner Brot, Wein und andere Eßwaaren zu verkaufen pflegen. Die Türken, Mohren und Renegaten, kommen daselbst ohne Unterschied zusammen, sich die Zeit zu vertreiben, und ungeachtet das türkische Gesetz nicht erlaubt Wein zu trinken, so geschieht es doch sehr oft, daß sie sich alle miteinander besaufen. Die Einwohner haben ein beynahe weißes Gesicht und sind wohl gewachsene starke Leute. Sie sind mit verschiedenen Nationen vermischt, die sich in ihrem Lande ausgebreitet haben, als : Janitscharen, Türken und Mohren. Die Stadt ist ungemein volkreich, und zählt bey 130,000 Einwohner, worunter sich viele Familien befinden, die sich Cherifs, das heißt, Abkömmlinge vom Mahomed nennen, und zum Zeichen ihrer Hochheit einen seidenen, mit Gold gestickten Turban tragen. [220] Man sieht auch da eine Menge Pilgrime, welche die Reise nach Mecca gemacht haben, und deßwegen für Agi oder Heilige geachtet werden. Die Seeräuber bringen ununterbrochen Christensclaven hieher, so daß deren Anzahl sich oft über 30,000 beläuft. Der Dey und die großen Herren, lassen ihren Bart wachsen, die gemeinen Leute aber lassen sich denselben und die Haare abscheeren, und nichts als einen Knebelbart, und auf dem Kopfe ein kleines Büschel Haare stehen, bey welchem sie nach ihrer Meinung Mahomed ergreifen, und in das Paradies führen wird. Ihre Nahrung besteht in Reis, Fleisch und einigen Früchten. Einige Mohren leben von ihren Einkünften, andere von ihrer Arbeit, Handlung und Seeräuberey. Die Janitscharen leben vom Kriege, und die Araber die am Ufer des Meeres unter Zelten wohnen, erhalten sich vom Stehlen. Die Mohren legen sich auf verschiedene Handwerke, besonders auf Seidenarbeit. Die Weiber bringen ihre Zeit mit Baden, Bethen auf den Gräbern, oder mit Spazierengehen in ihren Gärten zu. Man zählt um Algier einige tausend Gärten. Die freyen Christen, die zu Algier leben, sind nach Landesart gekleidet. Die Sclaven tragen eine Mütze und einen Rock. Die Kleidung der Türken bestehet größtentheils aus Röcken von seidenen oder anderen Zeuge, mit großen Blumen, schönen Turbanen, Gürten und Stiefeln ; die der Weiber ist von jener der Männer nur in dem unterschieden, daß sie nebst den Röcken und Gürten, auch Hals-und Armbänder, [221] Ringe, Ohrgehänge mit kostbaren Steinen, und eine Art von Regenschirm auf dem Kopfe tragen, wenn sie aus dem Hause gehen. Obgleich das türkische Gesetz erlaubt, so viel Weiber zu nehmen, als man ernähren kann, so sind doch die Algierer mit 2 oder 3 zufrieden. Sie verheirathen
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sich oft ohne ihre Braut gesehen zu haben, bloß nach der Beschreibung, die man ihnen von ihr gemacht hat. Wenn der Bräutigam mit den Schwiegerältern einig ist, so schicket er der Braut nach Umständen seines Vermögens, verschiedene Kostbarkeiten zum Zeichen seiner Liebe, und dann wird einige Zeit vor der Hochzeit geschmauset und getanzt. Die Braut sitzt auf der Erde unter einer Menge Weibern, und ist nach Verschiedenheit des Vermögens mit schönen Kleidern, und kostbaren Steinen geputzt. Nach geschlossenem Vertrage wird die Heirath der Obrigkeit angezeigt, welche dieselbe bestätiget ; alsdann wird die Ehe von einem türkischen Priester eingesegnet. Die Männer sind sehr eifersüchtig, werden aber von ihren witzigen Weibern nicht wenig hintergangen : aber wehe dem, der verrathen wird. Die Kranken werden von Personen ihres Geschlechtes bedienet, und wenn es sich zeiget, daß es mit den Pazienten gefährlich stehet ; so wenden sie denselben gegen Aufgang der Sonne, und ruffen den Mahomed so lange an, als sie noch Zeichen des Le- [222] bens von sich geben. Alsdann wird der Leichnam mit warmen Wasser und Seife gereiniget, ihm ein Hemd und ein Kleid angelegt, dann ein Turban aufgesetzet. Mit diesem Anzuge wird er auf die Bahre gelegt, und zu Grabe getragen. War der Verstorbene ein Reicher, so gräbt man seine Titel, seine Eigenschaften, und einige Sprüche aus dem Alkoran in den Grabstein. Man trägt keine Trauer ; nur die Weiber tragen einige Tage einem schwarzen Schleyer über dem Gesichte. Die Mannspersonen lassen sich einen Monath die Haare nicht abscheeren, und drey Tage lang wird kein Licht im Hause angezündet. Während dieser Zeit besuchen die Verwandten das Grab des Verstorbenen, und theilen Almosen unter die Armen aus. Wenn ein Christensclave stirbt, so wird er von andern Sclaven unter allem erdenklichen Gespötte des Pöbels, mit Begleitung eines christkatholischen Ordensgeistlichen beerdigt. In dieser Stadt ist das Grab der schönen Cave zu sehen, welche eine Tochter des Grafen Julius Boetika war, der die Mohren nach Spanien brachte, um sich an dem Könige Roderich zu rächen, weil er die Cave geschändet hatte. Die meisten Leute zu Algier gehen auf der Strasse zu Fuße, nur die Personen vom ersten Range, haben die Erlaubniß, sich der Pferde zu bedienen. Die andern, welche nicht zu Fuße gehen wollen, reiten auf Eseln ; diese Reiterey geschieht besonders von vornehmen Frauenzimmern, welche sich bedecken, und mit einem Schirm darauf setzen, [223] weil sie sich öffentlich nicht sehen lassen dürfen. Die Mahomedaner zu Algier unterscheiden sich in ihrer Religion von den wahren Türken nur in dem, daß sie noch vielmehr abergläubisch sind. Sie glauben, daß sie sich durch langes Fasten von allen Sünden reinigen können, daß man die Blödsinnigen, weil sie nicht sündigen können ; für heilige Leute halten soll ; daß Schne-
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Sklavenberichte
cken zu essen das größte Verbrechen sey ; daß ihre Moscheen durch den Eintritt der Weiber und Christen verunehret würden, und eine Menge anderer alberner Dinge. Das Erdreich ist in einigen Gegenden besonders in der Provinz Algier ungemein fruchtbar, und erzeugt das Jahr hindurch 2 bis 3 Mahl verschiedene Getreidfrüchte ; besonders aber scheinet hier der Boden für den Weinstock geeignet zu seyn, weil derselbe zu einer außerordentlichen Größe anwächst, und 2 Spannen lange Trauben erzeugt. Seide und Baumwolle wird sehr viele gesammelt, und davon die schönsten Zeuge gemacht. Es gibt auch einige wüste Gebirge, welche von Löwen, Tiegern, Leoparden, wilden Schweinen, Hirschen, Rehen, Kameelen, Affen und Ochsen, deren Hörner gerad und eine halbe Klafter lang sind, bewohnet werden. Man findet in diesen Wäldern auch ein wildes Thier, Gapard genannt, welches sich zahm machen läßt, und wegen seiner Geschwindigkeit auf der Jagd gebraucht wird. Sein Kopf gleicht einem Katzenkopfe ; es hat einen punctirten Schweif wie ein Pantherthier, und seine Hin- [224] terfüße sind höher als die Vordern. An Federwild verschiedener Gattung hat man einen solchen Ueberfluß, daß es zu allen Zeiten um die geringsten Preise zu haben ist. Nun hinweg mit meinem Gedanken von Algier, wovon mich die Segel unseres Schiffes immer mehr entfernet hatten. Das Glück, so plötzlich und unvermuthet nicht nur von dem schrecklichsten Tode, sondern zugleich auch aus meinem nahmenlosen Sclavenelende befreyet worden zu seyn, war mir zu groß, als daß solches auf meine Sinne nicht eine Wirkung hätte machen sollen, denn die siebenmonathliche Dauer meines Sclavenstandes, wo ich bey schwerer Arbeit nur so viel Nahrung erhielt, als zur Verlängerung meiner Pein nothwendig war, mußte meinen Körper nothwendig geschwächt haben. Wegen meiner abwechselnden Gemüthsart, bald in Freude bald in Trauer, hielten mich die Anwesenden im Schiffe für wahnsinnig, und die vermeinte Zerrüttung meiner Sinne für eine natürliche Folge meines sonderbaren Geschickes. Ende des ersten Theiles.
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Abbildungsverzeichnis Abb. 1 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen, En des zelfs Zee-Roovers (1684) ; fol. 246 ; »Tripoli« ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 2 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen, En des zelfs Zee-Roovers (1684) ; fol. 164 ; »Tunis« ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 3 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen, En des zelfs Zee-Roovers (1684) ; fol. 80 ; »Algiers« ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 4 : Matthäus Merian ; Frankfurt, 1646. »Abris der Vestung Tripoli in Barbarien.« Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 5 : Titelblatt ; Pierre Dan, Historie van Barbaryen, En des zelfs Zee-Roovers (1684) ; Loskauf eines christlichen Sklaven durch einen Mönch ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 6 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen, En des zelfs Zee-Roovers (1684) ; fol. 387 ; »Die Art wie gefangene christliche Männer und Frauen auf dem Sklavenmarkt von Konstantinopel verkauft wurden« [Manier hoe de gevangenen Kristenen soo Mannen als Vrouwen op de Slaaven Markt van Constantinopolen verkocht worden] ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 7 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen, En des zelfs Zee-Roovers (1684) ; fol. 384 ; »Die Art wie gefangene christliche Sklaven in Algier verkauft wurden« [Mannier Hoe de Gevange Kristen Slaven tot Algiers verkoft worden] ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 8 : Titelblatt der Erstausgabe ; Daniel Defoe, Robinson Crusoe (1719) ; Don. E. 442, frontispiece & titlepage (Daniel Defoe, The Life and Strange Surprizing Adventures of Robinson Crusoe, 1st ed. 1719) ; The Bodleian Library, University of Oxford. Abb. 9 : Die Sieger der Seeschlacht von Lepanto 1571 ; Schloss Ambras Innsbruck ; Kunsthistorisches Museum, Wien. Abb. 10 : Bildnis des Chaireddin Pascha gen. Barbarossa, Flottenführer und Freibeuter ; Schloss Ambras Innsbruck ; Kunsthistorisches Museum, Wien. Abb. 11 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen, En des zelfs Zee-Roovers (1684) ; fol. 74, »Aruch und Chaireddin Barbarossa, Könige von Algiers« [Aruch En Cheridyn Barbarossa, Koningen van Algiers], Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 12 : Georg Braun und Frans Hogenberg, »Algier«. Civitates Orbis Terrarum. Vol 2. Cologne, 1575 ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 13 : Bildnis des Andrea Doria (1468–1560), genuesischer Admiral und Türkenbesieger ; Schloss Ambras Innsbruck. Kunsthistorisches Museum, Wien. Abb. 14 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen, En des zelfs Zee-Roovers (1684) ; fol. 93 ; »Das Konzil von Algiers wird abgehalten« [Hoúding van den Divan t’ Algiers] ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz.
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Abb. 15 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen, En des zelfs Zee-Roovers (1684) ; fol. 41 ; »Der neue Bassa unter dem König von Algiers, Delegierter des großen Herrn [ ?]« [Den Nieúwen Bassa onder Kooningh van Algiers afgesonden vanden Grooten Heer] ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 16 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen, En des zelfs Zee-Roovers (1684) ; fol. 299 ; »Barbarische Galeeren« [Barbarÿsche Galeÿen] ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 17 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen, En des zelfs Zee-Roovers (1684) ; fol. 107 ; Kampf von Piraten in Tunis ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 18 : Genueserturm am Cap Corse ; Foto Mario Klarer. Abb. 19 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen, En des zelfs Zee-Roovers (1684) ; fol. 190 ; »Verbrennung von 22 Schiffen im Hafen von Goletta« [Verbranden van 22 Scheepen inde Haven van Golette] ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 20 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen, En des zelfs Zee-Roovers (1684) ; fol. 320 ; Piratenschlacht auf See ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 21 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen, En des zelfs Zee-Roovers (1684) ; fol. 390 ; »Wie die Sklaven mit Ketten an den Füßen gehen« [Hoe de Slaaven Met de Keetenen aen haer beenen gaen] ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 22 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen, En des zelfs Zee-Roovers (1684) ; fol. 147 ; William Okeleys spektakuläre Flucht in einem Faltboot ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 23 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen, en des zelfs Zee-Roovers (1684) ; fol. 59 ; »Prozession der befreiten Sklaven« [Prosessie der Verloste Slaaven] ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 24 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen, en des zelfs Zee-Roovers (1684) ; fol. 195 ; »Prozession der befreiten Sklaven« [Prosessie der Verloste Slaaven] ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 25 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen, en des zelfs Zee-Roovers (1684) ; fol. 169 ; »178 befreite Sklaven danken den geehrten Bürgermeistern von Amsterdam im Rathaus für ihre Befreiung« [178 verloste Slaaven Bedancken de E. Heeren Búrgermeesteren van Amsterdam op het Stadthúÿs voor haer Verloßinghe] ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 26 : Oberösterreichische Regierung, Kopialbücher, Parteibuch 94 (1636) fol 387 ; Tiroler Landesarchiv. Abb. 27 : Pierre Dan, Historie Historie van Barbaryen, en des zelfs Zee-Roovers (1684) ; fol. 324 ; Verschiedene Foltermethoden ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 28 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen, En des zelfs Zee-Roovers (1684) ; fol. 54 ; Kreuzigung eines Sklaven ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 29 : Pierre Dan, Historie van Barbaryen, en des zelfs Zee-Roovers (1684) ; fol. 407 ; »Schreckliche Strafen, die die Türken den Sklaven antun« [Elendige Straffen Die de Túrcken de Slaaven doen Leÿden] ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 30 : Titelblatt der Erstausgabe, Miguel de Cervantes Don Quijote (1605) ; Sig. 207.629, Universitäts- und Landesbibliothek Innsbruck. Ohne Seitenangabe.
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Abb. 31 : Titelblatt von Balthasar Sturmer, Verzeichnüs der Reise (1558) ; Ms. germ.qu. 1014, f. 1r ; bpk/Staatsbibliothek zu Berlin, Handschriftenabteilung. Abb. 32 Georg Braun und Frans Hogenberg, »Tunis«, Civitates Orbis Terrarum, vol. 2, Cologne, 1575 ; Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 33 : Franz Hogenberg, Geschichtsblätter (1560–1623), »Der Keyser wardt […] von den Mohren umbzingelt …« [ca. 1574], Sammlung Mario Klarer, Privatbesitz. Abb. 34 : Titelblatt Manuskript ; Emanuel d’Aranda. Relation de la Captivité en Algérie de Emmanuel de Aranda 1640.1642. N. d. MS. Castle Van Loppem Foundation, West Flanders, Belgium. Ohne Seitenangabe. Abb. 35 : Manuskriptseite ; Emanuel d’Aranda. Relation de la Captivité en Algérie de Emmanuel de Aranda 1640.1642. N. d. MS. Castle Van Loppem Foundation, West Flanders, Belgium. fol.1. Abb. 36 : Johann Frisch, Schauplatz Barbarischer Schlaverey. Altona : Victor de Leu, 1666 ; doppelseitiger Stich von Algier in der Einleitung ohne Seitenangabe. Abb. 37 : Titelblatt ; Harck Olufs aus der Insul Amron im Stifte Ripen in Jütland, gebürtig, sonderbare Avanturen, so sich mit ihm insonderheit zu Constantine und an andern Orten in Africa zugetragen. Ihrer Merkwürdigkeit wegen in Dänischer Sprache zum Drucke befördert, itzo aber ins Deutsche übersetzet. Flensburg : Korte, 1751. PON IIn 8660, QK. Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt. Ohne Seitenangabe. Abb. 38 : Titelblatt ; Reisen und wunderbare Schicksale zweyer in die Algierische Leibeigenschaft gerathenen Brüder Andreas Matthaeus und Johann Georg Wolffgang, Kupferstecher in Augsburg, ihrer Seltenheit wegen dem Drucke überlassen, von dem Sohne eines derselben. Augsburg, 1767. S1824 ; Staats- und Stadtbibliothek Augsburg. Ohne Seitenangabe. Abb. 39 : Andreas Matthäus Wolffgang, »Wie ich deß Königs von Allgier Slcav gewesen und ihme mit Chocolat Caffe habe aufwarten müssen mich selbsten gezeichnet Andreas Matthäus Wolffgang.« ; Jeremias Wolf, Trachtenbuch, Sammlung von 142 teilw. kolorierten Trachtenbildern, [Augsburg u. a.], [ca. 1700–1750] ; Chalc 116, fol. 41 ; Bayerische Staatsbibliothek München. Abb. 40 : Andreas Matthäus Wolffgang, »Conterfay deß Mezomorto gewesten Day in Algier, iezund Capitan Bassa der Flotten deß Gross Türcken.« ; Jeremias Wolf, Trachtenbuch, Sammlung von 142 teilw. kolorierten Trachtenbildern, [Augsburg u. a.], [ca. 1700–1750] ; Chalc. 116, fol. 40 ; Bayerische Staatsbibliothek München. Abb. 41 : Andreas Matthäus Wolffgang, »Ein Allgierischer Jud« ; Jeremias Wolf, Trachtenbuch, Sammlung von 142 teilw. kolorierten Trachtenbildern, [Augsburg u. a.], [ca. 1700– 1750] ; Chalc. 116, fol. 47 ; Bayerische Staatsbibliothek München. Abb. 42 : Andreas Matthäus Wolffgang, »Wie die Algierische Weiber spillen an ihrer Pasque oder Fest.« ; Jeremias Wolf, Trachtenbuch, Sammlung von 142 teilw. kolorierten Trachtenbildern, [Augsburg u. a.], [ca. 1700–1750] ; Chalc. 116, fol. 48 ; Bayerische Staatsbibliothek München. Abb. 43 : Andreas Matthäus Wolffgang, »Admiral der Türckischen Schiffe, der See-Räuber von Algier.« ; Jeremias Wolf, Trachtenbuch, Sammlung von 142 teilw. kolorierten Trachtenbildern, [Augsburg u. a.], [ca. 1700–1750] ; Chalc. 116, fol. 43 ; Bayerische Staatsbibliothek München.
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Abb. 44 : Andreas Matthäus Wolffgang, »Ein Schiff Capitan von den Algierischen See- Räubern« ; Jeremias Wolf, Trachtenbuch, Sammlung von 142 teilw. kolorierten Trachtenbildern, [Augsburg u. a.], [ca. 1700–1750] ; Chalc. 116, fol. 44 ; Bayerische Staatsbibliothek München. Abb. 45 : Titelblatt der Erstausgabe ; Johann Michael Kühns merckwürdige Lebens- und Reise-Beschreibung, Gotha, 1741 (Signatur : Res/Biogr. 587 i) ; Bayerische Staatsbibliothek München. Ohne Seitenangabe. Abb. 46 : Frontispiz ; Johann Michael Kühns merckwürdige Lebens- und Reise-Beschreibung, Gotha, 1741 (Signatur : Res/Biogr. 587 i) ; Bayerische Staatsbibliothek München. Ohne Seitenangabe. Abb. 47 : Titelblatt ; Leonhard Eisenschmieds, eines Österreichischen Unterthans Merkwürdige Land und Seereisen durch Europa, Africa und Asien. 1. Theil. Grätz : Tanzer, 1807. Ohne Seitenangabe. Abb. 48 : Bagnos ; Leonard Eisenschmieds, eines Österreichischen Unterthans Merkwürdige Land und Seereisen durch Europa, Africa und Asien. 1. Theil. Grätz : Tanzer, 1807. Zw. S.196 und 197.
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Index von Orten und Personen
Alle Orts- und Personennamen im Index folgen der Orthographie der jeweiligen Berichte. Für eine leichtere und schnellere Orientierung wurde bei allen Indexeinträgen auch angegeben, in welchen Berichten diese Orts- und Personennamen enthalten sind. Hierzu wurden folgende Kürzel verwendet : A = Aranda E = Eisenschmied K = Kühn
O = Olufs S = Sturmer W = Wolffgang
Africa (S) 58, (A) 89, 92, 123, 131, (O) 136, 145, 146, (K) 202, (W) 164, (E) 215 Airanda/Aranda, Emanuel de (A) 85, 118, 120, 127 Aistol (S) 56 Aix (K) 204 Alexandria (S) 57 Algerien/Algier/Algiers/Alger/Algira (A) 85, 87–89, 92, 93, 95–100, 103, 105, 109–114, 116, 118, 121–124, 126, 127, 129, (O) 136, 146–150, (W) 158, 160, 164, 165, (K) 172, 178, 180–183, 185–194, 196–199, 201, 202, 204, 208, (E) 218, 219, 223, 224, 226–228, 230–234 Ali Goje (O) 148 Alli Tagarino (A) 101, 120, 128 Almansor, Josephus (A) 92 Alsen (O) 145 Amron (O) 136 Amsterdam (S) 78, (W) 158–160, (K) 199, 206, 207, 209 Andolosia (S) 55 Antoni (K) 197 Antorff (S) 59, (A) 113 Arabien (O) 146 Archi pelago (A) 92 Asien (E) 215 Assin (O) 136
Atlante (A) 92 Augsburg (W) 158, 159, 165, 166 Augusto in Polen (O) 145 Avenarium, Herr Magister (K) 208 Avignon (K) 204 Balser, Hans (S) 77 Barbar Assan (A) 118 Barbarey (W) 162, (E) 216, 217, 230/Barbaria (A) 89, 92, 131 Barbarischen Küste (W) 161, (K) 180 Barbarossa (S) 50, 60, 61, 63, 64, 66, 69, (A) 93, 94, (K) 182 Bauer, Wilhelm (W) 15 Bautzner (K) 179 Ben-Alli (A) 122 Beserte (S) 64, 74, 75 Bilbao (A) 85 Biscaja (A) 85 Boetika, Julius (E) 233 Bona (S) 60, 61 Börklin (W) 165 Brandes, Peter (S) 78 Brasilia (S) 76 Bresie (S) 68, 74 Bretaignische Gräntze (A) 86 Brügg/Brügge (A) 118 Bugia (A) 92, 93
Index von Orten und Personen
Bugische Königreiche (A) 92, 93 Bulcani (S) 58 Burgos (A) 85 C. Caxines (A) 94, 95 C. Montafusio (A) 94 Caditz (A) 131/Cadiz (K) 172 Cæsarea Julia (A) 89 Calabrien (S) 56 Calais (K) 206 Caldoni (K) 186) Cale, Caspar (S) 77 Cales (S) 55 Caloen, Johan Baptista (A) 85, 108, 112, 113, 116–123, 125, 127, 129, 131 Canal (A) 86, (O) 136, (W) 159, 160, 164, (K) 172, 206 Canarien/Eÿländer Canarien (S) 75, 76/Canarische Insuln (K) 172 Candia/Creta (S) 77 Capati, Francisco (A) 113 Cap bon Esperance (K) 173 Cap del mort/Capo finis terræ (A) 88 Cap St. Vincent (K) 172 Capo–buono (E) 217 Capo Carthago (S) 60, 61 Carcani (E) 216 Carl V. (S) 50, (A) 93, 96, 104, 109, 130, (K) 180, 183 Carl, Domine von (K) 199 Castilien/Castilla la Veja (A) 85, 92 Cave (E) 233 Ceuta (A) 122–124, 126–128, 130, 131 Cherf, Philip de (A) 85, 107, 113, 118, 128 Ciffoloniam (S) 57 Cölln (W) 158 Constantin (S) 67, 68/Constantine (O) 136, 137, 141, 146, 147, 149 Constantinopel (S) 55, 57–59, 77 Corduba (A) 125 Corfu (S) 56 Coron (S) 55–57 Creta/Candia (S) 77 Cucu (A) 109) Cuxhaven (K) 172, 207
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Dantzigk (S) 54, 77, 78 Deutschland (W) 161, (K) 177, (E) 216/ Teutschland (A) 124, (K) 188, 199 Diaboli, Casso (S) 62 Doria, Andreas (S) 55, 74 Douvre (K) 206 Dünkirchen (A) 88, 117, 118, 121 Eisenschmied, Leonhard (E) 215, 218 Elbstrom (O) 136 Elgia (O) 141 Engeland (A) 86/Engelland (W) 159, (K) 188, 189/Engellandt (S) 77 Europa (S) 51, 52, (A) 131, (O) 141, 150, (K) 202, (E) 215 Eÿländer Canarien (S) 76 Feder, Hansen (S) 78 Ferdinando (S) 57 Ferdinaudus V., König zu Castilien (A) 92 Fez (A) 92, 124, (K) 193, (E) 230 Figuroa, Don Hironymo de (A) 125 Fisquette (K) 199, 203 Flandern (A) 107, 121, 122 Flensburg (O) 136 Flißingen aus Seeland (A) 109 Flor, Richard (O) 136 Florentz (A) 117 Föhr, Jürgen Oksen von (O) 136 Fontimama (A) 110 Franckreich (K) 172, 183, 189, 203, 206/Frankreich (A) 86, (W) 160, 161 Frantz, Herr (S) 54 Frantz der Student (A) 117, 118 Gallicien (A) 88 Genua (S) 55 Geseir (A) 89 Gibraltar (A) 88, 123, 131, (W) 160, (K) 178, (E) 215 Gierbi (E) 216 Gotha (K) 172, 199, 207–209 Græcia (S) 55 Granaten (S) 70 Grönland (K) 172, 194 Guipuscoa (A) 85
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Index von Orten und Personen
Gürgen (K) 192 Gviane (K) 209 Hasenberg (K) 172, 173, 178 Hagar (O) 146 Hamburg (A) 100, (O) 150, (K) 172, 194, 196, 199, 207 Hamet (K) 204) Hamet Pisseling (A) 110 Harjaden (Barbarossa) (A) 92, 93 Hebenstreit, Johann, Doctor (O) 145, 146 Heysand (K) 206 Hierbis (S) 59, 60 Hispanien (S) 62, 67, 75, 85, 88, (A) 101, 114, 119, 122, 125, 126, 128, 129 Hispanische Insulen (A) 92 Holland (W) 159, (K) 188, 189, 199 Horuch (Barbarossa) (A) 92 Ibraim Arrais (A) 124, 127, 128 Ibraim Hozi (A) 107, 109 Ibrakim Bahsa (S) 56 Indien (S) 76) (K) 198 Insull Aÿs inn Canarien (S) 75 Isouf Bassa (A) 109 Italien (S) 62, (A) 100, 113, 114 Jacob (Bibel) (O) 151 Job (Bibel) (S) 79 Josephus Ben–Abul Texif, König zu Fez (A) 92 Joseph (Bibel) (O) 151 Jovius, Paulus (A) 89, 93 Jubæ (A) 89 Jütland (O) 136 Knapp, Otto (K) 206 Königsberg (S) 78 Kortens, Johann Christoph (O) 136 Kühn, George/Görgen (K) 196 Kühn, Johann Michael (K) 172, 180, 189, 190, 193–195, 198, 202, 208 Leo, Johannes (A) 89, 96 Leopold, Kayser (W) 166 Levante (A) 106, (W) 161, (K) 204 Lieron (K) 204
Lion (O) 150, (K) 203–205 Liorno (S) 55/Livorno (A) 105, 113, 117, 122, (O) 146, (W) 164–166 Lisbona (S) 54, 55, 74, 77/Lissabon (S) 49, (K) 172, 193 Lison, Freÿ (S) 57) Litgau, Wilh. (A) 93 London (W) 159/Lunden (S) 77 Ludewig/Ludwig XIV. (K) 183, 205 Madrit (A) 85, 131 Mahomed (E) 232, 233/Mahomet (A) 107, 102, (O) 146, 147 Mahomet Bassa (A) 109 Mahomet Celibi Oiga (A) 122, 123 Malta (S) 58, 62, (A) 92, (K) 180, (E) 215, 221 Mar del Nord (K) 209 Marienburg (S) 54, 77 Marocco (A) 92, (O) 146, 147 Marseille (O) 150, (K) 194, 199, 202–205 Matafusium (A) 94 Mauritania Cælariensis (A) 92 Mauritania Tingitana (A) 92 Mecca (O) 146, (K) 187, (E) 232 Menersen, Christoph (K) 173 Mesgana (A) 89 Messina (S) 55–57 Metilenen (A) 92 Mevius, Johann Paul (K) 172 Meÿer, Otto (S) 54 Minorca (K) 202 Miranda, Marquis de (A) 127 mittelländisches Meer (E) 230 Modon (S) 56 Mons. Chamois (A) 120 Mons. de Beaulieu (A) 94 Montagu, Admiral (A) 93 Mostapha Cataborne (A) 121 Mostapha Jugles (A) 118–120, 122–124, 128 Mostapha Oiga (A) 128 Motiscu (K) 188 Murath (O) 142, 143 Nantes (K) 199, 206 Neapolis (S) 55, 56, 75 Nicea (S) 58, 59
Index von Orten und Personen
Niederhoffe (S) 54 Nikelsen, Hark (O) 136 Nikelsen, Jens (O) 136 Nombro de Dios (S) 76 Nord–See (K) 172 Oluff, Janßen (O) 150 Olufs, Harck (O) 136 Omgaus (O) 147 Oran (A) 122, (K) 199, 204 Orleans (K) 205, 206 Orleÿ (S) 75, 76 Palermo (S) 58 Pallavicini (K) 199 Pannamar (S) 76 Paris (O) 150 Pegelin/Alli Pisseling (A) 98, 100, 101, 107–109, 115, 116, 119–121 Peru (S) 76 Philippus IV. (A) 85 Pirno (K) 181 Portugal (S) 54/Portugall (W) 160 Preussenn (S) 54 Promontorium Cassineum (A) 94 Provence (K) 203, 204 Raffat (S) 66 Regenspurg (K) 208 Rhodis (S) 58, 62 Roanne (K) 205 Rochelle (A) 86 Roderich, König (E) 233 Rodes Mostapha (A) 128 Rom (S) 55 S. Cruz, Marquis de (A) 124 S. Lucar de Barameda (A) 85 S. Sebastian (A) 85 Saban Galan (A) 108 Saldens, Reinhart (A) 85, 108, 111–113, 116–123, 126, 127, 129, 130 Salynitiken (S) 55 Sankt Lucas (S) 76 Santo Donigos (S) 76 Sapenta (S) 57
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Sardinien (S) 61 Schwaben (W) 161 Schwartz–Morenlandt (S) 67 Sento (S) 56 Sicilien (S) 54–59, 61, 75, 77 Siuilia (S) 75 Sordels (O) 136 Spanien (S) 62, (W) 160, (K) 187, (E) 233 Spanischen See (K) 178, 180 Sperea, Capitan (S) 74 Spitzbergen (K) 172 St. Elmo (E) 215 St. Margrethen (K) 208 Strat Davis (K) 172 Süd America (K) 209 Surinam (K) 209 Tanger (A) 130 Tarantum (S) 57 Teutschland (A) 124, (K) 188, 199/Deutschland (W) 161, (K) 177, (E) 21 Thesés, Boâssâse von (O) 139, 142 Tipasa (A) 94 Tituan (A) 123, 124, 126–128, 130 Toulon (K) 186 Tremessa (A) 92 Tremessische/Telensinische/Bugische Königreiche (A) 92, 93 Tripolis (A) 49, 92, (K) 180 Trÿpoll (S) 59 Tundern (O) 151) Tunis (S) 60–64, 66–71, 73, 74, (A) 92–94, (O) 142, 143, 148, (K) 180, 193, (E) 217, 230 Venedig (S) 57 Vienne (K) 204 Vngern (S) 57, 62 Welschlandtt (S) 55 Welt–Meer (K) 180 Westphalen (K) 173 Wolffgang, Andreas Matthäus (W) 158 Wolffgang, Georg Andreas (W) 158 Wolffgang, Johann Georg (W) 158 Wÿdau, Hans (S) 78
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DAS BUCH ZUM 500. TODESTAG KAISER MAXIMILIANS UND SEINER ZEIT.
Mario Klarer (Hg.) Kaiser Maximilian I. und das Ambraser Heldenbuch 2019. 246 Seiten, mit 210 farb. Abb., gebunden € 29,00 D | € 30,00 A ISBN 978-3-205-23265-0
Das Ambraser Heldenbuch wurde am Beginn des 16. Jahrhunderts von Kaiser Maximilian I. als Prunkhandschrift in Auftrag gegeben und vom Bozner Zollschreiber Hans Ried in einer Hand auf ca. 500 großformatigen Pergamentseiten ausgeführt. Dieser reich illustrierte Band gibt fundierte Antworten zu Kontext, Geschichte, Entstehung, Protagonisten, Wirkung, sowie neueste Erkenntnisse rund um das Ambraser Heldenbuch. In diesem Prachtkodex sind mehr als zwei Dutzend zentrale mittelalterliche literarische Texte überliefert, ca. zwei Drittel davon als Unikate. Es stellt daher ein einzigartiges literaturwissenschaftliches und sprachwissenschaftliches Dokument am Beginn der Neuzeit dar. Erstmals werden alle wichtigen Forscher zum Heldenbuch und zu maximilianischen Auftragsarbeiten in einem Band zusammengebracht. Das Buch dokumentiert universitäre Forschungsarbeiten sowie den Stellenwert des Heldenbuchs als europäisches, überregionales Kulturgut. Auch wird Maximilians geschickte Medieninszenierung deutlich, die der Kaiser bewusst einsetzte.