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German Pages 234 [229] Year 1974
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2158/8 Kohlmey
Gunther Kohlmey Vergesellschaftung und Integration im Sozialismus
A K A D E M I E DER W I S S E N S C H A F T E N
DER
Schriften des Zentralinstituts für Wirtschaftswissenschaften Nr. 8
DDR
Gunther Kohlmey
Vergesellschaftung und Integration im Sozialismus
AKADEMIE-VERLAG • BERLIN 1973
Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Str. 3—4 Copyright 1973 by Akademie-Verlag Lizenznummer: 202 . 100/321/73 Umschlaggestaltung: Nina Striewski Herstellung: IV/2/14 VEB Druckerei »Gottfried Wilhelm Leibniz«, 445 Gräfenhainichen/DDR • 4126 Bestellnummer: 752 458 1 (2158/8) ES 5 B 2 Printed in GDR EVP 1 2 , -
Inhalt
Vorbemerkung
7 11
Einleitung Sozialistische Gesellschaft schaftsintegration Erster
und internationale
Wirt11
Teil
Die sozialistische ökonomische Integration: Historische Bedingungen 1. Historisches und Logisches im Integrationsprozeß . . 2. Etappen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsländern des RGW 3. Die U d S S R als Hauptpartner 4. Die Angleichung des wirtschaftlichen Entwicklungsniveaus der RGW-Länder 5. Außere Bedingungen der wirtschaftlichen Integration der Mitgliedsländer des RGW Zweiter
34 46 59 74
Teil
Die sozialistische ökonomische Integration: Allgemeine Kategorien 6. 7. 8. 9.
25 27
Vergesellschaftung der Arbeit und der Produktion Internationalisierung der Wirtschaftsbeziehungen Sozialistische internationale Wirtschaftsintegration Produktionsverhältnisse, Gesetze und Triebkräfte.
83
. . . .
85 108 142 181
. .
225
Schlußbemerkung Integration und national-staatliche Verantwortung
5
Vorbemerkung
Es ist das Anliegen dieser Schrift, zur Diskussion über einige theoretische Probleme der sozialistischen Wirtschaft, des sozialistischen Weltwirtschaftssystems und speziell der sozialistischen ökonomischen Integration der Mitgliedsländer des RGW beizutragen. Die sozialistische/kommunistische Produktionsweise soll in dieser Studie als internationale Produktionsweise in der internationalistischen Gesellschaft des Sozialismus/Kommunismus dargestellt werden. Der Kampf für den Internationalismus und gegen den Nationalismus ist eine alte, aber immer wieder neu gestellte Aufgabe der internationalen Arbeiterbewegung. Und natürlich ist die politische Ökonomie des Sozialismus keine Nationalökonomie, haben wir sie folglich als theoretisches System einer ihrem Wesen und ihrer historischen Grundlage nach internationalen Produktionsweise zu begreifen. Aus dieser Frage- und Aufgabenstellung ergibt sich, die Entwicklung der sozialistisch-kommunistischen Produktionsweise als gesetzmäßige Entfaltung der widerspruchsvollen Einheit von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen zu begreifen und die Wechselwirkungen zwischen Basis und Überbau richtig zu erfassen. Hiermit wird unter anderem auch die Objekt-Subjekt-Problematik, zumindest aus bestimmtem Blickwinkel, in die Debatte einbezogen. Die sozialistische internationale Wirtschaftsintegration kann von uns nur reflektiert und bewußt, planmäßig und rationell gestaltet werden, wenn wir in der Arbeiterklasse ihre tragende gesellschaftliche Kraft, in der marxistisch-leninistischen Partei der Arbeiterklasse ihre Vorhut und in der marxistisch-leninistischen Ideologie die weltanschauliche und politische Grundlage sehen. Ein Bestandteil dieser Grundlagen ist die Theorie von der Vergesellschaftung und Internationalisierung der Produktion und der gesellschaftlichen Beziehungen insgesamt. Diese von Marx, Engels und Lenin entwickelte und nur dem Marxismus immanente Theorie wird in dieser Arbeit zum Ausgangspunkt gewählt, um an die weiteren und einzelnen theoretischen Probleme der sozialistischen internationalen Wirtschaftsintegration heranzukommen. Von dieser Ausgangsposition führt der Weg zum Problemkreis der sozialistischen internationalen Produktionsverhältnisse, ihrer Gesetze und der 7
objektiven Widersprüche, der objektiven und subjektiven Triebkräfte, objektiven und subjektiven Interessen im sozialistischen internationalen Integrationsprozeß. Nun kommen natürlich die Produktionsverhältnisse, Kategorien und Gesetze des sozialistischen Weltwirtschaftssystems und der ökonomischen Integration nicht rein, nicht fix und fertig auf die Welt. Das sozialistische Weltwirtschaftssystem und die internationale Wirtschaftsintegration entwickeln sich in vielen Etappen, jeweils unter besonderen und einzelnen historischen Umständen. Eine weitere Aufgabe dieser Studie besteht deshalb darin, die Entfaltung des Logischen im Historischen deutlich zu machen. In dieser Schrift wird also weder ein geschlossenes theoretisches System der sozialistischen Wirtschaftsintegration vorgetragen, noch werden in ihr einzelne praktische Schritte und Maßnahmen diskutiert. Unter dem Gesichtspunkt „Historisches und Logisches" und vom Ausgangspunkt „Vergesellschaftung und Internationalisierung" werden einige ausgewählte theoretische, wirtschaftspolitische und auch wirtschaftshistorische Fragen der Entwicklung des sozialistischen Weltwirtschaftssystems und besonders der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den Partnerländern des RGW erörtert. Diese Untersuchungen gehen von grundlegenden Aufgaben aus, die von der gegenwärtigen Praxis der sozialistischen ökonomischen Integration der RGW-Länder gestellt werden. In der vorliegenden Arbeit werden Gedanken weitergeführt, die zum Teil in Zeitschriftenartikeln oder Beiträgen des Autors zu Sammelbänden enthalten waren. Berlin, im März 1973
Gunther Ivohlmey
Sozialistische Gesellschaft und internationale Wirtschaftsintegration
Die Weltwirtschaft
im Übergang com Kapitalismus
zum
Sozialismus
Seit dem Roten Oktober befindet sich die Welt im Ubergang vom Kapitalismus zum Sozialismus. Diese lange historische Epoche ist die Zeit der sozialistischen Revolutionen, der nationalen und kolonialen Befreiungen, des antiimperialistischen Kampfes und schließlich des Zusammenbruchs des Imperialismus und des Sieges des Weltsozialismus. In den Dokumenten der internationalen Beratungen von Vertretern der kommunistischen und Arbeiterparteien 1957,1960 und 1969 in Moskau werden die erwähnten Grundtendenzen dargelegt und begründet. 1 Die wichtigsten Ereignisse dieser revolutionären Weltveränderungen waren vor dem zweiten Weltkrieg die Oktoberrevolution, die Bildung der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken als ersten sozialistischen Nationalitätenstaates (1922), der Aufbau sozialistischer Produktionsverhältnisse in allen Bereichen der Volkswirtschaft und die Festigung der sozialistischen Ordnung in der U d S S R , waren ferner der Sieg der Volksrevolution in der Mongolei (1921), und die Gründung der Mongolischen Volksrepublik (1924), weiter das Entstehen vieler kommunistischer Parteien in der kapitalistischen Welt, das Erstarken der internationalen Arbeiterbewegung und schließlich die Krise des imperialistischen Kolonialsystems. Nach dem zweiten Weltkrieg entstand das sozialistische Weltsystem. Sein Erstarken ist die Haupttendenz in der heutigen revolutionären Entwicklung. Dabei verbünden sich die Völker des sozialistischen Weltsystems 1
E r k l ä r u n g der B e r a t u n g von Vertretern der kommunistischen und Arbeiterparteien der sozialistischen Länder, die v o m 14. bis 16. N o v e m b e r 1957 in Moskau s t a t t f a n d , i n : Einheit, 12/1957, S. 1473ff. E r k l ä r u n g der B e r a t u n g von Vertretern der kommunistischen und Arbeiterparteien, i n : Einheit, 12/ 1960, S. 1795ff. Die A u f g a b e n des K a m p f e s gegen den Imperialismus in der gegenwärtigen E t a p p e und die Aktionseinheit der kommunistischen und Arbeiterparteien, aller antiimperialistischen K r ä f t e , in: Internationale B e r a t u n g der k o m m u nistischen und Arbeiterparteien Moskau 1969, Berlin 1969
11
und die revolutionäre internationale Arbeiterbewegung mit der nationalen und kolonialen Befreiungsbewegung. Dieses Bündnis hat zum Zusammenbruch des alten imperialistischen Kolonialsystems geführt. Das ist ein weiteres grundlegendes, die Welt veränderndes Ereignis in der Nachkriegsgeschichte. So ist die heutige Welt vom Gegensatz und Kampf der beiden Systeme, des sozialistischen und des imperialistischen, gekennzeichnet. Die heutige Welt ist das Ganze der Völker, Nationen, Staaten und Territorien in ihren unterschiedlichen Ordnungen und als Sozialismus und Kapitalismus/Imperialismus entgegengesetzten gesellschaftlichen Systemen, einschließlich aller friedlichen und nichtfriedlichen Beziehungen zwischen den Staaten und Systemen. Die Erkenntnis, daß sich unsere Epoche in dem vielschichtigen und etappenreichen revolutionären Prozeß des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus befindet, schließt natürlich auch die Weltwirtschaft ein. Die Weltwirtschaft ist das Ganze aller Volkswirtschaften — ich benutze diesen zwar ungenauen, aber eingebürgerten Begriff — in ihren unterschiedlichen Ordnungen und entgegengesetzten sozialökonomischen Systemen, einschließlich aller wirtschaftlichen Beziehungen zwischen ihnen. Es ist die Weltwirtschaft des Kampfes zwischen dem kapitalistisch-imperialistischen und dem sozialistischen Weltwirtschaftssystem. Das Ganze der heutigen Weltwirtschaft ist folglich durch den sozialökonomischen Gegensatz zwischen den zwei Weltwirtschaftssystemen gekennzeichnet — dem aufwärtsstrebenden und in Zukunft die gesamte Weltwirtschaft ausfüllenden sozialistischen System und dem untergehenden internationalen ökonomischen System des Kapitalismus, das einst die gesamte Weltwirtschaft umspannte.
Das internationalistische
Wesen des
Sozialismus
Seit dem Bestehen des sozialistischen Weltsystems umfaßt jeder E n t wicklungsabschnitt der sozialistischen/kommunistischen Produktionsweise nicht nur nationale, sondern auch internationale Prozesse. Es entfalten sich das internationale Wesen der sozialistischen Produktionsweise und die internationalistische Ideologie und Politik der sozialistischen Gesellschaft. Der Sozialismus führt zur Überwindung von Nationalismus und nationaler Entfremdung, er bringt die Annäherung und Kollektivität der sozialistischen Nationen auf dem langen historischen Weg zur kommunistischen Weltgesellschaft. Der Sozialismus wird von der internationalisti12
sehen Arbeiterklasse aufgebaut. Diese wird von ihrer marxistisch-leninistischen Partei mit ihrer internationalistischen Weltanschauung geführt. F ü r den revolutionären Weg, den das internationale Proletariat in der Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus beim Aufbau der sozialistisch-kommunistischen Gesellschaft geht, ist die Einheit der kommunistischen und Arbeiterparteien ebenso notwendig wie die Einheit und Geschlossenheit der Völker, Nationen und Staaten, die zum sozialistischen Weltsystem gehören. Diese Einheit ist sowohl objektiver als auch subjektiver N a t u r . Das objektive Element stellen vor allem die sozialistischen Produktionsverhältnisse und die politische Macht der Arbeiterklasse dar. Der subjektive F a k t o r u m f a ß t die Umsetzung der marxistisch-leninistischen Ideologie und die gesamte Politik der kommunistischen und Arbeiterparteien wie auch der Regierungen der sozialistischen Staaten. Von der Aufgabe, die Einheit und Geschlossenheit der sozialistischen Länder zu festigen, wird im H a u p t d o k u m e n t der Internationalen Beratung der kommunistischen und Arbeiterparteien im J a h r e 1969 in Moskau gesagt: „Die Erfolge des Sozialismus, sein Einfluß auf den Verlauf der internationalen Ereignisse, die Wirksamkeit seines Kampfes gegen die imperialistischeAggression hängen in bedeutendem Maße von der Geschlossenheit der sozialistischen Länder ab. Die Aktionseinheit der sozialistischen Länder ist ein wichtiger F a k t o r f ü r den Zusammenschluß aller antiimperialistischen K r ä f t e . " 2 Es gelten die W o r t e von Marx in der „Deutschen Ideologie", daß der Sozialismus/Kommunismus nur als weltgeschichtliche Existenz u n d als Ergebnis der weltgeschichtlichen T a t des internationalen Proletariats denkbar und realisierbar ist. 3 Die materiellen Voraussetzungen entwickeln sich im Kapitalismus: industrielle Entwicklung, Steigerung der P r o d u k t i v k r a f t der menschlichen Arbeit, Vergesellschaftung und Internationalisierung von Arbeit u n d Produktion. Vor allem aber entsteht im Kapitalismus die revolutionäre K r a f t , die ihn stürzt und die internationalistische sozialistische Gesellschaft errichtet: die internationale Arbeiterklasse. Sozialistische
Nationen
und sozialistische
Internationalisierung
Die Entwicklung des sozialistischen Weltsystems wird von der widerspruchsvollen Einheit zweier Tendenzen geprägt. Die eine Tendenz f ü h r t zur Konstituierung und Konsolidierung der sozialistischen Nationen 2 3
Die A u f g a b e n des K a m p f e s gegen den I m p e r i a l i s m u s . . . , a. a. 0 . , S. 27 K . M a r x / F . Engels, Die d e u t s c h e Ideologie, i n : K . M a r x / F . Engels, W e r k e (im folgenden M E W ) , B d . 3, Berlin 1959, S. 36
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und ihrer National- und Nationalitätenstaaten. In diesem Prozeß wirkt, in Einheit mit der ersten Tendenz, eine zweite, die Tendenz zur enger werdenden solidarischen und gleichberechtigten Zusammenarbeit der sozialistischen Nationen und Staaten im sozialistischen Welt- und Weltwirtschaftssysten, die Tendenz zum Ausbau der internationalen Arbeitsteilung, zur wirtschaftlichen Verflechtung und Integration der sozialistischen Volkswirtschaften, zur wirtschaftlich-politisch-kulturellen Annäherung der sozialistischen Nationen, zur Internationalisierung ihres gesellschaftlichen Lebens. Die zweite Tendenz gewinnt im Laufe der Zeit, im Zusammenhang mit entsprechenden materiellen, politischen und geistig-kulturellen Entwicklungen, an Gewicht. Erst in weiterer Zukunft münden beide Tendenzen in den langen historischen Vorgang des Verschmelzens von Nationen. Dabei ist allerdings hervorzuheben, daß in multinationalen sozialistischen Staaten dieses allmähliche Verschmelzen früher beginnt und zum Teil schon begonnen hat. Politisch-ideologisch bedeutet das In-Ubereinstimmung-Bringen der beiden Tendenzen in der Politik der kommunistischen und Arbeiterparteien der RGW-Länder: Ausbau der internationalistischen Politik der Partei der Arbeiterklasse; Kampf gegen Nationalismus und Tendenzen zur nationalen Absonderung; Erziehung zum Internationalismus und Orientierung der gesellschaftlichen Bewußtseinsformen und der Institutionen des sozialistischen Überbaus auf die Einheit und Zusammenarbeit der kommunistischen Parteien und sozialistischen Staaten; Bündnis mit den beiden anderen revolutionären Hauptkräften der heutigen Welt, der internationalen Arbeiterklasse und der nationalen, antiimperialistischen Befreiungsbewegung. ökonomisch bedeutet das: Entwicklung der volkswirtschaf tlichenProduktivität und komplexer Volkswirtschaften bei gleichzeitiger sich intensivierender sozialistischer internationaler Arbeitsteilung; Internationalisierung der ökonomischen Beziehungen und Entwicklung der internationalen Wirtschaftsintegration mit ihren verschiedenen Etappen und reichhaltiger wie auch wirksamer werdenden Formen. So ist der Aufbau der sozialistischen Gesellschaft wesensnotwendig ein Prozeß der weiteren Internationalisierung des gesellschaftlichen Lebens gleichberechtigter, von Ausbeutung und Konkurrenz freier Individuen, Klassen und Völker. Die Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft und ihr Ubergang in ein höheres Stadium, das des Kommunismus, vollziehen sich in vielen Zeitabschnitten und mehreren historischen Perioden. Das gilt für die national-staatliche Entwicklung ebenso wie für die Entwicklung der inter14
nationalen Beziehungen, die Internationalisierung des gesellschaftliche» Lebens, die Entwicklung des sozialistischen Welt- und Weltwirtschaftssystems. Internationalisiert werden in diesem geschichtlichen Ablauf nicht nur die Produktivkräfte, sondern auch die Produktionsverhältnisse, nicht nur die Produktion, sondern auch die übrigen Sphären des Reproduktionsprozesses, nicht nur die Reproduktion, sondern auch die nichtwirtschaftlichen Bereiche des gesellschaftlichen Lebens.
Prinzipien der sozialistischen internationalen Zusammenarbeit
wirtschaftlichen
Die Internationalisierung der sozialistischen wirtschaftlichen Beziehungen und ebenso auch die internationale Wirtschaftsintegration zwischen den Mitgliedsländern des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe gehen nach den Prinzipien des wissenschaftlichen Kommunismus vor sich: 1. Das Prinzip des sozialistischen und proletarischen Internationalismus, des Zusammenschlusses, der Einheit und Geschlossenheit der kommunistischen Parteien und sozialistischen Staaten, der Freundschaft mit der Sowjetunion, der Sicherung des Bündnisses der sozialistischen Staatengemeinschaft mit der internationalen revolutionären Arbeiterbewegung und der antiimperialistischen nationalen Befreiungsbewegung wie überhaupt mit den fortschrittlichen, antiimperialistischen Kräften in der Welt. 2. S icherung der führenden Rolle derArbeiterklasse und ihrer marxistischleninistischen Partei, Sicherung der sozialistischen Staatsmacht und des Bündnisses der Arbeiterklasse mit den übrigen Werktätigen, der Entwicklung der sozialistischen Demokratie und der Entfaltung, wie es im Komplexprogramm der sozialistischen ökonomischen Integration heißt, „der schöpferischen Arbeit der Völker". 4 3. Planmäßigkeit der wirtschaftlichen Zusammenarbeit sozialistischer Staaten, Entfaltung — um wieder das Komplexprogramm zu zitieren — der „Hauptrichtungen und -aufgaben der Entwicklung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Planungstätigkeit, darunter gemeinsamer Planungen". 5 Diese werden in der historischen Entwicklungsrichtung auf den gemeinsamen Plan der im sozialistischen Weltwirtschaftssystem zusammenwirkenden Nationen und Staaten an Bedeutung gewinnen. K o m p l e x p r o g r a m m für die weitere Vertiefung und V e r v o l l k o m m n u n g der Zusammenarbeit und Entwicklung der sozialistischen ökonomischen Integration der Mitgliedsländer des R G W , in: Dokumente R G W , Berlin 1971, S. 13 5 E b e n d a , S. 27
4
15
4. Annäherung der sozialistischen Völker, Nationen und Staaten; Zusammenschlüsse zwischen ihnen in den verschiedensten Formen (wie zum Beispiel durch den Warschauer Vertrag oder im R a t für Gegenseitige Wirtschaftshilfe) und allmähliche Angleichung des technisch-wirtschaftlichen Entwicklungsniveaus bisher unterschiedlich entwickelter sozialistischer Volkswirtschaften; gegenseitige Hilfe der Partner und Wahrung des Prinzips des gegenseitigen Vorteils in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. 5. Achtung der staatlichen Souveränität und der Selbständigkeit sozialistischer Volkswirtschaften, Förderung des Prozesses der Konstituierung und Konsolidierung sozialistischer Nationen und Staaten, Wahrung des Prinzips der Freiwilligkeit in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. 6. Freiheit und Gleichberechtigung der sozialistischen Staaten und Nationen, weitere Sicherung der tatsächlichen Gleichberechtigung, was bedeutet, daß die politisch-juristische Gleichberechtigung durch Industrialisierung, durch Anheben des wirtschaftlichen Entwicklungsniveaus und schnelles proportionales Wirtschaftswachstum fundiert und stabilisiert wird. 7. Orientierung der Zusammenarbeit am Ziel der sozialistischen/ kommunistischen Produktion, der höchstmöglichen Befriedigung der Bedürfnisse aller Mitglieder der Gesellschaft. Dazu gehört, daß die Arbeitsund Lebensbedingungen verbessert und die sozialistischen Distributionsverhältnisse vervollkommnet werden. Darin eingeschlossen ist die Sicherung und Entfaltung des Prinzips der sozialen Sicherheit auf der Grundlage des Prinzips der Verteilung nach der Leistung. Zu diesen grundlegenden Prinzipien der Zusammenarbeit heißt es im Komplexprogramm unter anderem, daß Zusammenarbeit und Integration „auch in Zukunft entsprechend den Prinzipien des sozialistischen Internationalismus auf der Grundlage der Achtung der staatlichen Souveränität, der Unabhängigkeit und der nationalen Interessen, der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der Länder, der völligen Gleichberechtigung, des gegenseitigen Vorteils und der kameradschaftlichen gegenseitigen Hilfe erfolgen." 6 In den „Grundprinzipien der internationalen sozialistischen Arbeitsteilung", die von den RGW-Ländern im Jahre 1962 angenommen wurden, sind, auf dem Fundament der allgemeinen weltanschaulich-politischen Grundsätze, vier spezielle Prinzipien der sozialistischen internationalen Arbeitsteilung enthalten: „— die richtige Berücksichtigung der objektiv notwendigen Proportionen der ökonomischen Entwicklung jedes Landes und des sozialistischen Weltsystems als Ganzes . . .; 6 Ebenda, S. 15 f.
16
— Sicherung eines hohen ökonomischen Nutzeffekts der internationalen sozialistischen Arbeitsteilung . . . ; — Sicherung der Verbindung der internationalen Produktion und der komplexen
Spezialisierung
der
(mehrseitigen) E n t w i c k l u n g der W i r t -
s c h a f t der einzelnen sozialistischen L ä n d e r . . . ; — die allmähliche Überwindung der historisch bedingten Unterschiede im ökonomischen E n t w i c k l u n g s n i v e a u der einzelnen L ä n d e r . . . " 7
Entwickelter
Sozialismus
und sozialistische
ökonomische
Integration
Die zwischen den Mitgliedsländern des R G W v e r e i n b a r t e wirtschaftliche Integration ist eine höhere S t u f e der sozialistischen Internationalisierung der ökonomischen
Beziehungen
und der Anwendung
der
Prinzipien der internationalen W i r t s c h a f t s z u s a m m e n a r b e i t
dargelegten
sozialistischer
Staaten. Die Ziele und Wege, Aufgaben, F o r m e n und Methoden der wirtschaftlichen Integration der Mitgliedsländer des R a t e s für Gegenseitige
Wirt-
schaftshilfe e n t h ä l t das „ K o m p l e x p r o g r a m m für die weitere Vertiefung und Vervollkommnung der Z u s a m m e n a r b e i t und E n t w i c k l u n g der sozialistischen ökonomischen
I n t e g r a t i o n der Mitgliedsländer des R G W . "
Es
wurde auf der X X V . T a g u n g des R G W , im J u l i 1 9 7 1 in B u k a r e s t , von allen R G W - L ä n d e r n einstimmig angenommen. Dieses P r o g r a m m „ist für 15 bis 2 0 J a h r e b e r e c h n e t und e n t h ä l t die erforderlichen wirtschaftlichen und organisatorischen M a ß n a h m e n , die etappenweise zu den im K o m p l e x p r o g r a m m festgelegten T e r m i n e n und u n t e r Berücksichtigung der Interessen jedes Landes und der G e m e i n s c h a f t als G a n z e n verwirklicht w e r d e n " . 8 E s handelt sich also um einen zeitlich begrenzten und natürlich auf die Mitgliedsländer des R G W b e s c h r ä n k t e n M a ß n a h m e p l a n , um ein P r o g r a m m für einen b e s t i m m t e n , historisch konkreten E n t w i c k l u n g s a b s c h n i t t
der
Internationalisierung
Das
der sozialistischen
Wirtschaftsbeziehungen.
P r o g r a m m will kein allgemein gültiges, von k o n k r e t e n historischen
Be-
dingungen unabhängiges Modell oder Theoriegebäude einer allgemeinen sozialistischen internationalen W i r t s c h a f t s i n t e g r a t i o n sein. I m Prozeß
der sozialistischen ökonomischen
die Volkswirtschaften
Integration
verflechten
der Mitgliedsländer zunehmend miteinander.
Es
Grundprinzipien der internationalen sozialistischen Arbeitsteilung, in: Freundschaft, Zusammenarbeit, Beistand. Grundsatzverträge zwischen den sozialistischen Staaten, Berlin 1968, S. 277 f. 8 Komplexprogramm..., a. a. 0 . , S. 19 7
2
Kohlmey, Vergesellschaftung
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entwickeln sich neue Elemente der internationalen sozialistischen P r o duktionsverhältnisse, besonders im Bereich der P r o d u k t i o n . Sozialistische Produktion u n d sozialistische Arbeit werden zunehmend international vergesellschaftet. Das f ü h r t zu weiteren, wirksameren Interessenübereinstimmungen zwischen den P a r t n e r l ä n d e r n . Die beteiligten Nationen n ä h e r n sich, auf neuen Wegen u n d m i t neuen F o r m e n , m e h r einander an. So e n t f a l t e t sich die nationale u n d internationale Kollektivit ä t in den sozialistischen Produktionsverhältnissen. Die grundlegenden Aufgaben der weiteren Intensivierung der volkswirtschaftlichen Reproduktionsprozesse, wie sie von den P a r t e i t a g e n der kommunistischen u n d Arbeiterparteien der R G W - L ä n d e r in den letzten J a h r e n festgelegt wurden, können nur d a d u r c h gelöst werden, daß das Feld der gesellschaftlichen Arbeitsteilung ausgedehnt wird. Dazu gehören in besonderem Maße die sozialistische internationale Arbeitsteilung u n d die entsprechenden sozialistischen Marktbeziehungen. N u r auf diesem Wege können in den Mitgliedsländern effektive volkswirtschaftliche S t r u k t u r e n entwickelt u n d die erforderlichen Produktionskonzentrationen erreicht werden. Beide Wege — Entwicklung rationeller S t r u k t u r e n u n d Konzentration der P r o d u k t i o n — f ü h r e n zur Senkung des gesellschaftlichen Arbeitsaufwands u n d der Selbstkosten, zur E r h ö h u n g der volkswirtschaftlichen E f f e k t i v i t ä t . So werden Potenzen der sozialistischen P r o d u k t i o n s verhältnisse ausgenutzt, u m den Anforderungen der schnellen wissenschaftlichen, technischen u n d ökonomischen Veränderungen der heutigen Zeit zu entsprechen. So wird der wissenschaftlich-technische F o r t s c h r i t t stimuliert. D a m i t ist die internationale wirtschaftliche Integration sozialistischer Länder ein entscheidender F a k t o r , u m die Arbeits- u n d Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern, u m also dem objektiv gestellten Ziel des sozialistischen VVirtschaftens gerecht zu werden. N u r durch Ausbau der sozialistischen ökonomischen Integration können die in den letzten J a h r e n in den R G W - L ä n d e r n von den kommunistischen u n d Arbeiterparteien gestellten H a u p t a u f g a b e n der besseren Befriedigung der Bedürfnisse der Werktätigen gelöst werden. Zugleich beginnt mit der sozialistischen ökonomischen Integration ein neuer Entwicklungsabschnitt der sozialistischen P l a n w i r t s c h a f t . Die Integration stellt neue Anforderungen an die volkswirtschaftlichen Leitungs- u n d Planungssysteme, ebenso aber auch an die planmäßige internationale Zusammenarbeit. Das K o m p l e x p r o g r a m m legt in A b s c h n i t t 4, wie schon e r w ä h n t , R i c h t u n g e n u n d Aufgaben der Z u s a m m e n a r b e i t auf dem Gebiet der Planungstätigkeit fest. So zeigen sich Entwicklung u n d Reifen der sozialistischen Gesellschaft als Einheit der gesellschaftlichen Entwicklung in den S t a a t e n u n d der
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Entwicklung des sozialistischen Welt- u n d Weltwirtschaftssystems. Beide Entwicklungsprozesse stellen eine Einheit dar u n d bedingen einander. In den einzelnen sozialistischen Ländern schließt sich an die Phase des sozialistischen Aufbaus die Periode des Aufbaus der entwickelten sozialistischen Gesellschaft an. Die Arbeiterklasse ist j e t z t qualitativ u n d q u a n t i t a t i v die ausschlaggebende K r a f t der Gesellschaft. Die I n s t i t u t i o n e n u n d der Mechanismus der politischen Macht der Arbeiterklasse u n d ihres Bündnisses m i t den übrigen Klassen u n d Schichten der W e r k t ä t i g e n sind in den Grundzügen ausgearbeitet u n d in der R e a l i t ä t stabilisiert. Die sozialistische Demokratie wird a u s g e b a u t ; die W e r k t ä t i g e n wirken m i t zunehmendem sozialistischen Bewußtsein an der Gestaltung der sozialistischen Gesellschaft mit. Die sozialistischen Produktionsverhältnisse sind die ökonomische Grundlage der Gesellschaft. Die sozialistische Planwirtschaft, ihr Mechanismus u n d ihre Institutionen, haben in wesentlichen Umrissen Gestalt gewonnen. Die maschinelle Großindustrie ist beim A u f b a u der entwickelten sozialistischen Gesellschaft die entscheidende technisch-ökonomische Basis der sozialistischen W i r t s c h a f t geworden. Diese Basis gewährleistet K o n zentration von Forschung u n d P r o d u k t i o n , zunehmende Einbeziehung der Wissenschaft in den Reproduktionsprozeß u n d die A n w e n d u n g industriemäßiger P r o d u k t i o n s m e t h o d e n in der L a n d w i r t s c h a f t . Die Intensivierung des Reproduktionsprozesses erhält neue wissenschaftlichtechnische u n d soziale Dimensionen. Auf sozialistische A r t u n d Weise werden die Aufgaben des wissenschaftlich-technischen F o r t s c h r i t t s angepackt. Alles das erlaubt eine planmäßige u n d vielseitige Gestaltung u n d Verbesserung der Arbeits- u n d Lebensbedingungen gemäß sozialistischen Normen. So entwickelt sich der Sozialismus mehr u n d m e h r auf seinen eigenen Grundlagen, mehr u n d m e h r gemäß seinen eigenen Prinzipien, N o r m e n , Zielen u n d Mitteln. Die Muttermale der alten Gesellschaft, von denen Marx sprach, werden weiter reduziert. Die reale sozialistische Vergesellschaftung k o m m t voran, die sozialistische Kollektivität der Arbeit u n d des Lebens e n t f a l t e t sich. Die entwickelte internationale Wirtschaftskooperation in Gestalt der sozialistischen ökonomischen Integration der R G W - L ä n d e r ist deshalb als ein wesentliches Merkmal der entwickelten sozialistischen Gesellschaft u n d auch ihres A u f b a u s anzusehen. Entsprechend dem internationalen Charakter der sozialistischen Produktionsverhältnisse können weder die Mittel der sozialistischen P r o d u k t i o n vervollkommnet noch das Ziel der Produktion erreicht werden, wenn nicht die internationale Arbeitsteilung u n d das Gesamtsystem der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den sozia2*
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listischen Volkswirtschaften ausgebaut werden. Darin k o m m t abermals die Einheit der Entwicklung sozialistischer Nationen, Staaten wie auch Volkswirtschaften m i t der Entwicklung des sozialistischen Welt- und Weltwirtschaftssystems zum Ausdruck.
Sozialökonomische
Determiniertheit
Deutlich ist die sozialökonomische Abgrenzung der sozialistischen internationalen Wirtschaftsintegration zu kapitalistischen Integrationsprozessen. In der sozialistischen ökonomischen Integration werden, auf der Grundlage der politischen Macht der Arbeiterklasse u n d des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln, die volkswirtschaftlichen Reproduktionsprozesse auf wichtigen, ausgewählten und vereinbarten Gebieten planmäßig miteinander verflochten. Dazu werden koordinierte und gemeinsame zentrale Planungen entwickelt. Dies erhöht Produktivität u n d E f f e k t i v i t ä t der Volkswirtschaft. Das wiederum m a c h t eine bessere Befriedigung der Bedürfnisse der Bevölkerung möglich. Es erfolgen auch Verflechtungen in der Konsumtionssphäre. So nähern sich die Nationen in einem bewußt, planmäßig und gesamtgesellschaftlich gestalteten Prozeß mehr und mehr einander an. Diese sozialökonomisch determinierten Wege und Ziele können in kapitalistischen Integrationsprozessen nicht eingeschlagen und auch nicht erreicht werden. So wie sich auf Grund der dem Imperialismus eigenen Gegensätze und Widersprüche nie ein Ultraimperialismus ä la K a u t s k y herausbildet, so können auch die einzelnen Vorgänge kapitalistischer Wirtschaftsintegrationen nicht in einen Weltprozeß wirtschaftlicher und gesamtgesellschaftlicher Integration münden. Im Kapitalismus/Imperialismus steht der Tendenz zum Monopol die Tendenz der Konkurrenz entgegen, der Tendenz zur Konzentration die ungleichmäßige Entwicklung, der Tendenz zur Annäherung der Nationen die Tendenz zur Ausbeutung, Unterdrückung und E n t f r e m d u n g , der Tendenz zur Integration die Tendenz zur Desintegration. Die sozialen und ökonomischen Gesetze des Kapitalismus/Imperialismus führen zu einem Kampf zwischen der Tendenz zur Integration und der zur Desintegration. In diesem Kampf ist letzten Endes die Tendenz zur Desintegration die Dominante. Es gibt in den imperialistischen Integrationsvorgängen — siehe E W G ! — soziale Ausbeutung u n d nationale U n t e r d r ü c k u n g innerhalb u n d außerhalb der Integrationsblöcke, soziale Spannungen und Klassengegensätze, Krisen und Währungskrisen, Kon20
kurrenz und ungleichmäßige Entwicklung, Gegensätze zu Nichtmitgliedern und Nichtassoziierten, Differenzen zwischen Monopolen und nichtmonopolistischen Wirtschaftsbereichen, zwischen Monopolen und Staat wie auch zwischen den Monopolen. Im Imperialismus — siehe E W G ! — gibt es keine gesamtgesellschaftliche, planmäßige, zentralisierte Verteilung der Produktivkräfte und Akkumulationsmittel, um im Interesse aller Beteiligten rationelle Forschungs- und Produktionskonzentrationen durchzuführen und Produktionsstandorte nach internationalen Optimalitätskriterien der gleichberechtigten Beteiligten auszuwählen.
Die Kraft des
Beispiels
Die Parteitage und internationalen Konferenzen kommunistischer und Arbeiterparteien der RGW-Partnerländer waren in den sechziger Jahren und zu Beginn der siebziger geprägt von den Problemen und Aufgaben des Auf- und Ausbaus der entwickelten sozialistischen Gesellschaft und ihrer internationalen Beziehungen. Dazu gehörten Vorbereitung und Entwicklung der wirtschaftlichen Integration zwischen den interessierten Partnerländern. Der antiimperialistische Kampf kann nur dann erfolgreich geführt, und die Aufgaben des wissenschaftlich-technisch-wirtschaftlichen Fortschritts können nur dann gelöst werden, wenn die internationalen Potenzen der sozialistischen Produktionsverhältnisse ausgeschöpft und das sozialistische Welt- und Weltwirtschaftssystem vervollkommnet werden. Das liegt ebenso im Interesse des antiimperialistischen Kampfes und des internationalen Sozialismus wie im Interesse der einzelnen Partnerländer. In dem Maße, wie diese den volkswirtschaftlichen Spielraum für Wissenschaft, Produktion, Akkumulation, Markt und Konsumtion durch internationale Kooperation ausweiten, erschließen sie zusätzliche Quellen, um das Wachstum der Volkswirtschaften zu stimulieren, die Arbeits- und Lebensbedingungen zu verbessern und rationelle volkswirtschaftliche Strukturen zu gestalten. Indem wir in der sozialistischen ökonomischen Integration Wachstumskräfte freisetzen und zugleich das Prinzip des proletarischen Internationalismus zur Wirksamkeit bringen, leisten wir einen Beitrag für die so yvichtigeßeispielfunktion des Sozialismus in der internationalen Arena und besonders in der internationalen Arbeiterbewegung. Von der Kraft des Beispiels ist eindringlich im Hauptdokument der Moskauer Internationalen Beratung der kommunistischen und Arbeiterparteien vom Juni 1969 die Rede: „Die Vervollkommnung der sozialistischen Demokratie, der Aufschwung der Produktivkräfte, der politische und kulturelle Fortschritt, die Über21
legenheit seiner menschlichen u n d moralischen W e r t e erhöhen den Einfluß des Sozialismus auf die W e r k t ä t i g e n der ganzen Welt und stärken die Positionen des Sozialismus in seinem f ü r die ganze Welt bedeutsamen K a m p f gegen den Imperialismus." 9 Gewiß, die Steigerung der A r b e i t s p r o d u k t i v i t ä t ist das in letzter Instanz Ausschlaggebende im W ettkampf des Sozialismus m i t dem Imperialismus, doch stellt sich die sozialistische Gesellschaft größere A u f g a b e n : Die ökonomischen u n d auch die anderen gesellschaftlichen Prozesse und Einrichtungen des Sozialismus sollen das große Beispiel abgeben f ü r den Kampf der v o m Kapitalismus u n t e r d r ü c k t e n Völker u n d Werktätigen u m ihre Freiheit, um den Weg zum Sozialismus. Nichtökonomische Werte, Einrichtungen u n d Entwicklungen spielen dabei ebenso ihre Rolle wie die wirtschaftlichen Maßnahmen u n d Ergebnisse. Ganz b e w u ß t wird deshalb in der zitierten Moskauer Entschließung von den menschlichen u n d kulturellen W e r t e n u n d , an erster Stelle, von der Vervollkommnung der sozialistischen Demokratie gesprochen. Aber ganz sicher t r i f f t natürlich die Beispielfunktion des Bundes der sozialistischen L ä n d e r auch auf die wirtschaftliche Z u s a m m e n a r b e i t zwischen ihnen zu. Ihre politische u n d ökonomische B e d e u t u n g wurde auf dem X X I V . P a r t e i t a g der K P d S U (März/April 1971) u n d auf den Parteitagen anderer RGW-Mitgliedsländer 1970/71, d a r u n t e r auch auf dem V I I I . P a r t e i t a g der S E D ( J u n i 1971), hervorgehoben. Zugleich wurde die Aufgabe gestellt, neue Q u a l i t ä t e n der wirtschaftlichen Z u s a m m e n a r b e i t zu erreichen. L. I. Breshnew b e t o n t e auf dem X X I V . P a r t e i t a g der K P d S U „die E r w e i t e r u n g u n d Vertiefung der volkswirtschaftlichen Beziehungen der sozialistischen L ä n d e r " 1 0 u n d f u h r d a n n f o r t : „ W i r sind jedoch ebenso wie die anderen R G W - L ä n d e r der Meinung, d a ß die Möglichkeiten der sozialistischen Arbeitsteilung noch nicht voll g e n u t z t werden. Die Praxis ließ uns zu der allgemeinen Schlußfolgerung gelangen: Die Spezialisierung u n d Kooperation der P r o d u k t i o n müssen v e r t i e f t werden, die Volkswirtschaftspläne müssen enger koordiniert werden, m i t einem W o r t , wir müssen auf dem W ege der ökonomischen Integration der sozialistischen S t a a t e n weiter v o r a n k o m m e n . . . Die ökonomische Integration der sozialistischen L ä n d e r stellt einen neuen u n d komplizierten Prozeß d a r . E r setzt ein neues u n d umfassenderes Herangehen an viele ökonomische F r a g e n sowie die Fähigkeit voraus, 9 Die Aufgaben des Kampfes gegen den I m p e r i a l i s m u s . . . , a. a. O., S. 27 «> Rechenschaftsbericht des ZK der K P d S U an den X X I V . Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Referent: L. I. Breshnew, Moskau - Berlin 1971, S. 12
22
die rationellsten Lösungen zu finden, die den Interessen nicht nur des betreffenden Landes, sondern auch aller an der Zusammenarbeit Beteiligten entsprechen." 1 1 In der Entschließung des V I I I . Parteitages der S E D heißt es: „Der Parteitag bestätigt den Kurs und die konkreten ¡Maßnahmen des Zentralkomitees zur zielstrebigen Verwirklichung der sozialistischen ökonomischen Integration der Länder des R G W . Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands wird ihr Augenmerk darauf lenken, die vertraglichen Beziehungen zu festigen, die Kooperation zu entwickeln und die Zusammenarbeit in Forschung und Produktion auf größere Effektivität und eine hohe Steigerung der Arbeitsproduktivität zum gemeinsamen Nutzen zu konzentrieren." 1 2 Detaillierte Aufgaben enthält die Direktive des Parteitages zum Fünfjahrplan 1971/1975. 1 3 Von dem Grad und dem Tempo, in dem wir dieses Integrationsprogramm in wirkungsvolle Aktionen umsetzen, wird die Größe des Beitrages abhängen, den die sozialistische internationale Wirtschaftszusammenarbeit in allen Bereichen und auf allen Ebenen leistet, um den volkswirtschaftlichen Reproduktionsprozeß zu intensivieren und insgesamt die Hauptaufgaben der Fünfjahrpläne der Integrationspartner zu lösen. Von dem Grad und dem Tempo, in dem wir das Integrationsprogramm in wirkungsvolle Aktionen umsetzen, wird auch die Größe jenes Beitrages abhängen, den die Länder des Warschauer Vertrages und des RGWr für die internationale demokratische und sozialistische Bewegung leisten, dabei nicht zuletzt in der Auseinandersetzung mit antisozialistischen und antisowjetischen Konzeptionen und Angriffen der verschiedensten S chattierungen. Wir gehen den ersten Wegabschnitt der Integration. Sorgfältig analysieren wir die bisherige Entwicklung, ihre progressiven Tendenzen ebenso wie Mängel im Objektiven und im Subjektiven. Wir entwickeln alle positiven Momente weiter und suchen auch nach neuen theoretischen und praktischen Lösungen. 11 12
13
E b e n d a , S. 14 Entschließung des V I I I . Parteitages der S E D zum Bericht des Zentralkomitees, in: D o k u m e n t e des V I I I . Parteitages der S E D , Berlin 1971, S. 13 Direktive des V I I I . Parteitages der S E D zum F ü n f j a h r p l a n für die E n t wicklung der Volkswirtschaft der D D R 1971—1975, i n : D o k u m e n t e des VII1. P a r t e i t a g e s . . . , a. a. 0 . , S. 42ff.
23
1. Historisches und Logisches im Integrationsprozeß
Um es noch einmal zu sagen: Das Komplexprogramm ist ein historisch (räumlich und zeitlich) orientiertes Programm. Es u m f a ß t die RGWMitgliedsstaaten und hat bis 1985/1990 Gültigkeit. In diesen Jahren werden Erfahrungen gesammelt, wichtige Integrationsmaßnahmen ergriffen, die beteiligten Volkswirtschaften auf die Integration orientiert und vielfältige, abgestufte Formen der Zusammenarbeit mit anderen Ländern, sozialistischen und nichtsozialistischen, entwickelt.
Entfaltung
des Logischen
im
Historischen
In diesen historischen Abläufen entfaltet sich die Logik des sozialistischen Weltwirtschaftssystems und auch der sozialistischen internationalen Wirtschaftsintegration, schälen sich deren philosophische, soziologische u n d ökonomische Kategorien heraus. Wie jeder Integrationsprozeß, so vollzieht sich auch der gegenwärtige •der Volkswirtschaften der RGW-Mitgliedsstaaten in einem bestimmten geschichtlichen Raum. In ihm erscheinen die allgemeinen Integrationsmerkmale des Sozialismus auf diese oder jene Art, in diesem oder jenem Maße. Die jeweils gegebenen geschichtlichen (und auch natürlichen) Bedingungen bilden den Rahmen und damit Spielraum und Grenze für das Wirken der ökonomischen Gesetze im sozialistischen Weltwirtschaftssystem und dabei in den Integrationsvorgängen. Allerdings wirkt auch das Subjektive: die Integrationspolitik der Parteien der Arbeiterklasse, die Einstellung zu den Wechselbeziehungen von Nationalem und Internationalem, der Grad der Erkenntnis der objektiv wirkenden Gesetze der ökonomischen Integration und der Umsetzung dieser Erkenntnis. Für die Theorie der sozialistischen Wirtschaftsintegration besteht also die Aufgabe darin, die allgemeinen Kategorien und Gesetze, Zusammenhänge und Prozesse im konkreten historischen Raum aufzuspüren, sie im wissenschaftlichen Abstraktionsprozeß von allem historisch Zufälligen zu befreien und rein auszuarbeiten. Die Theorie muß die Integration ihrem 27
Begriffe gemäß darstellen. Das ist aber nur möglich, wenn wir das Logische im geschichtlichen Ablauf verfolgen. Doch auch umgekehrt: Wir haben den geschichtlichen Ablauf in seiner Logik, das Historische als Prozeß der Entfaltung der Kategorien und des konkreten Wirkens der Gesetze zu begreifen. Hieraus leitet sich als zweite der zu leistenden theoretischen Arbeiten ab, die wissenschaftlichen Grundlagen für die Integrationspolitik im gegenwärtigen historischen Rahmen auszuarbeiten, die Integrationsprozesse der 15 bis 20 Jahre zu konzipieren, für die das Komplexprogramm ausgearbeitet wurde. Dieses Herangehen entspricht der Marxschen Methode des historischen Materialismus, die Dialektik von Logischem und Historischem zu bewältigen. Die ökonomischen Kategorien, sagt Marx, tragen ihre geschichtliche Spur, haben ihre bestimmten geschichtlichen Bedingungen. 1 Marx'
Methode
7m der von Karl Marx angewandten Methode, Historisches und Logisches in den Widersprüchen der Entfaltung ihrer Einheit zu erkennen, machte Engels einige Bemerkungen in der Rezension, die er im Jahre 1859 über Marx' Werk „Zur Kritik der Politischen Ökonomie" schrieb: Man könne die Kritik der Ökonomie auf zweierlei Weise anlegen: historisch und logisch. Zwar gelange die Geschichte, wie die Logik, „im ganzen und großen auch von den einfachsten zu den komplizierteren Verhältnissen" und würden deshalb die ökonomischen Kategorien historisch ,,im ganzen und großen . . . in derselben Reihenfolge erscheinen, wie in der logischen Entwicklung", doch gehe die ökonomische Geschichte in Sprüngen und im Zickzack vor sich und sei sie auch mit der gesellschaftlichen Gesamtentwicklung vielfältig verflochten. 2 Deshalb wende Marx in der theoretischen Arbeit die abstrakte Methode an, mit der die wirklichen ökonomischen Verhältnisse ihrem Begriff gemäß dargestellt werden. „Die logische Behandlungsweise", schreibt Friedrich Engels in seiner Rezension, „war also allein am Platz. Diese aber ist in der Tat nichts andres als die historische, nur entkleidet der historischen Form und der störenden Zufälligkeiten." 3 Der logische Gedankengang reflektiere den Gang der Geschichte in einem korrigierten Spiegelbild, „korrigiert nach Gesetzen, die der wirkliche geschichtliche Verlauf selbst an die Hand gibt . . . " 4 1 IC. Marx, Das Kapital, Erster Band, in: M E W , Bd. 23, Berlin 1962, S. 183 2 F. Engels, Karl Marx, „Zur Kritik der Politischen Ökonomie", Erstes Heft, Berlin, Franz Duncker, 1859, i n : M E W , Bd. 13, Berlin 1961, S. 474f. 3 Ebenda, S. 475 < Ebenda
28
Nur „im ganzen und großen" entspricht also der reale geschichtliche Ablauf der Entwicklung und Entfaltung des Logischen, der Kategorien und Gesetze. Bei der widerspruchsvollen Einheit von Logischem und Historischem geht es allerdings nicht nur um das gewisse Auseinander fallen, ja, selbst Divergieren im geschichtlichen Ablauf, es geht auch um das Absondern des historisch Konkreten und Einzelnen beim Herausarbeiten des Allgemeinen, des Typischen, des „idealen Durchschnitts" (Marx). So setzt Marx in der Theorie vom Durchschnittsprofit und Produktionspreis volle nationale Mobilität der Arbeitskräfte und des Kapitals voraus. Ich erwähne das hier und möchte dazu zitieren, weil die Problematik der internationalen Mobilität von Produktionsfaktoren in der sozialistischen internationalen Wirtschaftsintegration eine Rolle spielt. Marx schrieb für die Bedingungen im Kapitalismus unter anderem: „Und wenn die Ausgleichung der Arbeitslöhne und Arbeitstage, und daher der Rate des Mehrwerts, zwischen verschiednen Produktionssphären, ja selbst zwischen verschiednen Kapitalanlagen in derselben Produktionssphäre durch vielerlei lokale Hindernisse aufgehalten wird, so vollzieht sie sich doch mehr und mehr mit dem Fortschritt der kapitalistischen Produktion. . . So wichtig das Studium solcher Friktionen für jede Spezialarbeit über den Arbeitslohn, so sind sie doch für die allgemeine Untersuchung der kapitalistischen Produktion als zufällig und unwesentlich zu vernachlässigen. In solcher allgemeinen Untersuchung wird überhaupt immer vorausgesetzt, daß die wirklichen Verhältnisse ihrem Begriff entsprechen, oder was dasselbe, werden die wirklichen Verhältnisse nur dargestellt, soweit sie ihren eignen allgemeinen Typus ausdrücken." 5 In ähnlicher Weise spricht Marx wiederholt davon, daß die konkrete Darstellung der kapitalistischen Konkurrenz (Lohndruck, Angebot und Nachfrage usw.) nicht zur allgemeinen Analyse des Kapitals gehöre. 6 Zur „wirklichen Bewegung der Konkurrenz" rechnet Karl Marx auch „die Art und Weise, wie die Zusammenhänge durch den Weltmarkt, seine Konjunkturen, die Bewegung der Marktpreise, die Perioden des Kredits, die Zyklen der Industrie und des Handels, die Abwechslung der Prosperität und Krise" den Produktionsagenten als die beherrschenden Naturgesetze erscheinen. Die Darstellung dieser wirklichen Bewegung der Konkurrenz liege außerhalb seines Plans, er wolle nur „die innre Organisation der kapitalistischen Produktionsweise, sozusagen in ihrem idealen Durchschnitt" darlegen. 7 5 K. Marx, Das Kapital, Dritter Band, in: MEW, Bd. 25, Berlin 1964, S. 151f. 6 So z. B . : Ebenda, S. 245 7 Ebenda, S. 839
29
Diese Methode ist auch bei der Analyse des Integrationsprozesses zwischen den Mitgliedsländern des RGW anzuwenden. Von großer Wichtigkeit sind die von Marx erwähnten Spezialstudien, in diesem Fall über die verschiedenen Seiten, Elemente und Teilprozesse der heutigen wirtschaftlichen Integration zwischen den Partnerstaaten, aber ebenso ist die Aufgabe anzupacken, den allgemeinen Typus der sozialistischen ökonomischen Integration herauszuarbeiten, die wirklichen Verhältnisse ihrem Begriff gemäß zu fassen, die Produktionsverhältnisse, Kategorien und Gesetze rein herauszuarbeiten. Das ist eine Arbeit von langer Dauer, nur zu bewältigen im internationalen Kollektiv der marxistisch-leninistischen Philosophen und Wirtschaftswissenschaftler, Soziologen und Juristen wie insgesamt Gesellschaftswissenschaftler. Auch im sozialistischen Integrationsprozeß geht es demnach um die widersprüchliche Entwicklung der Einheit von Historischem und Logischem. Diesem Gedankengang begegnen wir auch bei A. Butenko, der in seiner Integrationsstudie schrieb: „Die theoretischen Kernprobleme des Studiums der sozialistischen Integration bestehen darin, ihr Wesen als eine gesellschaftliche Erscheinung zu bestimmen und ihren historischen Platz in der internationalen gesellschaftlichen Entwicklung zu klären." 8 Ähnliche Überlegungen enthält ein Beitrag von J . Sirjaev. Er spricht von den Merkmalen der sozialistischen Integration „als voll entwickelten Systems" und gibt eine Definition „in allgemeinster F o r m " : „In allgemeinster Form kann man die ökonomische Integration der sozialistischen Länder definieren als objektiven, planmäßig zu gestaltenden Prozeß der Annäherung, gegenseitigen Anpassung und Optimierung der nationalen Wirtschaftsstrukturen in einem internationalen wirtschaftlichen Komplex, als die Herausbildung tiefgreifender und stabiler Kooperationsbeziehungen in den führenden Bereichen von Produktion, Wissenschaft und Technik, als Ausweitung und Festigung des internationalen Marktes dieser Länder durch Schaffung der entsprechenden ökonomischen, technologischen und organisatorischen Bedingungen." 9 Meiner Meinung nach gehört zu den wesentlichen Erscheinungsformen der sozialistischen internationalen Wirtschaftsintegration, daß auf ausgewählten Gebieten Produktionsstandorte allmählich nach internationalen Standort- oder Effektivitätskriterien im Rahmen des Gesamtsystems der jeweils beteiligten Länder ausgesucht werden und daß hierbei eine 8
9
30
A. P. Butenko, Sozialistische Integration — Wesen und Perspektiven, Berlin 1972, S. 13 J. Sirjaev, Eine neue Etappe der ökonomischen Integration der sozialistischen Länder, in: Sowjetwissenschaft. Gesellschaftswissenschaftliche Beiträge, 12/1971, S. 1237
abgestimmte und teilweise internationale Mobilität von Produktivkräften erfolgt. Damit sind internationale Umverteilungen von Akkumulationsmitteln zwischen interessierten Partnerländern verbunden (über Investitionsbeteiligungen und andere Kredite, gemeinsame Einrichtungen und anderes). Diese höheren Formen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen sozialistischen Volkswirtschaften sind den sozialistischen Produktionsverhältnissen adäquat. Und doch bildete aus besonderen historischen Gründen, von denen alsbald zu sprechen sein wird, jahrelang der Außenhandel das hauptsächliche Bindeglied in der wirtschaftlichen Verflechtung der Mitgliedsländer des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe. Die Produktivkräfte waren im wesentlichen national eingegrenzt, sie waren international nur wenig beweglich, wenn selbstverständlich auch ihre Effektivität durch Plankoordinierungen, Außenhandel und die anderen Formen der Zusammenarbeit zwischen den Partnerländern gesteigert wurde. Es haben sich demnach — ich komme noch darauf zurück — in der bisherigen Entwicklung des sozialistischen Weltwirtschaftssystems und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit der RGW-Mitgliedsländer einige vermittelnde internationale Produktionsverhältnisse, Kategorien und Prozesse, vor allem der Außenhandel, historisch cor den direkten internationalen Produktionsbeziehungen entwickelt, Produktionsprozessen aber, die in ihrem Ablauf über die Staatsgrenzen hinaus gehen (mittels Kooperationen und Spezialisierungen im Rahmen von international abgestimmten Maschinensystemen, Investitionsbeteilungen u. a. m.).
Allgemeines,
Besonderes,
Einzelnes
Wenn sich die ökonomischen Kategorien geschichtlich entfalten und entwickeln, so entfaltet und entwickelt sich das Allgemeine im Besonderen und im Einzelnen. Das Besondere sind bestimmte Stufen der gesellschaftlichen Entwicklung, die notwendig sind und erreicht werden müssen, damit spezifische ökonomische Kategorien (wie etwa Mehrwert oder gesellschaftliches Eigentum an den Produktionsmitteln) entstehen und allgemeine ökonomische Kategorien (wie etwa Arbeitsteilung, Vergesellschaftung) einen neuen Wegabschnitt in der Entfaltung ihres Wesens zurücklegen können. Das Allgemeine stellt sich aber nicht nur im Besonderen, sondern auch im Einzelnen der geschichtlichen Entwicklung dar. Das Einzelne sind konkrete geschichtliche (und auch natürliche) Umstände in einem bestimmten Zeitabschnitt und in bestimmten geschicht31
liehen Räumen, in denen die ökonomischen Kategorien und Gesetze wirken. So untersuchten Marx und Engels die Entwicklung des Kapitalismus in England, wiesen sie auf die Besonderheiten in Deutschland hin, sprachen sie von der Bedeutung von Freihandel und Schutzzoll in den einzelnen Zeitabschnitten und Ländern der kapitalistischen Gesellschaftsordnung. In gleicher Weise erforschte Lenin die allgemeinen Züge, Besonderheiten und auch einzelnen Umstände der Entwicklung des Kapitalismus in Rußland. Ebenso verfahren die Marxisten beim Studium und bei der Entwicklung des sozialistischen Weltwirtschaftssystems. Die kommunistischen und Arbeiterparteien beachten die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung des Sozialismus und der sozialistischen Weltwirtschaft, berücksichtigen dabei aber die konkreten geschichtlichen Bedingungen und Abläufe der sozialistischen internationalen Wirtschaftszusammenarbeit in den einzelnen RGW-Ländern und einzelnen Zeitabschnitten, um zu Einschätzungen und taktischen Varianten, zu Perspektivplänen und Strategien zu gelangen. Zu den gegebenen historischen Bedingungen, die den Ubergang zur heutigen sozialistischen ökonomischen Integration der RGW-Mitgliedsstaaten erlaubten und ihren Ablauf beeinflussen, gehören die ökonomischen ebenso wie die außerökonomischen, die nationalen ebenso wie die internationalen, die inneren des Integrationssystems ebenso wie die äußeren. Es sind der Entwicklungsstand und das Entwicklungstempo der Produktivkräfte in den einzelnen Partnerländern ebenso zu prüfen wie im Integrationsraum insgesamt. Wir brauchen weiter Analysen des Entwicklungsstandes und der Entwicklungstendenzen der Produktionsverhältnisse in den einzelnen Partnerländern und natürlich auch der internationalen Produktionsverhältnisse im Integrationsprozeß der RGWMitgliedsländer. Dasselbe gilt für alle Bereiche des gesellschaftlichen Überbaus, dessen Einfluß auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit vielfältig und intensiv ist (Staat, Politik, Ideologie usw.). Weiterhin sind Situationen und Entwicklungstendenzen in den anderen sozialistischen Ländern, in den sogenannten Entwicklungsländern, in den kapitalistischen Industrieländern, in der gesamten internationalen antiimperialistischen Bewegung und besonders in der internationalen Arbeiterbewegung zu analysieren und einzuschätzen. Zu bedenken ist auch, daß die nationalen Traditionen der Integrationspartner unterschiedlich sind. Verschieden sind auch die staatlichen, administrativen und ökonomischen Systeme. Hinzu kommt, daß im antiimperialistischen Kampf die einzelnen sozialistischen Staaten und 32
dabei auch Integrationspartner nicht zu jeder Zeit und an jedem Abschnitt einheitliche Aufgaben, Interessen und Belastungen haben. All das ist bei der Lösung konkreter Integrationsaufgaben ebenso in Rechnung zu stellen wie die Größe der einzelnen Volkswirtschaften (an Gebiet und Bevölkerung), ihre geographische Lage und insgesamt die Unterschiede in den natürlichen Bedingungen der an der Integration beteiligten Volkswirtschaften. So erlangen die allgemeinen Kategorien und Gesetze der sozialistischen Produktion durch die historischen Bedingungen ihre Konkretheit, Buntheit, Mannigfaltigkeit. Die allgemeinen ökonomischen Widersprüche der sozialistischen Gesellschaft erscheinen diversifiziert in konkreter historischer Gestalt. Damit erklärt sich ein Teil der Kompliziertheit bei der bewußten und planmäßigen Leitung der sozialistischen Gesellschaft. Aus dem gesamten Panorama der geschichtlichen Bedingungen der heutigen ökonomischen Integration der Mitgliedsländer des RGW werden in den nächsten Abschnitten behandelt: die Vorbereitung der Integration, die Rolle der Sowjetunion als Hauptpartner, die Angleichung des wirtschaftlichen Entwicklungsniveaus der Partnerländer und die äußeren Integrationsbedingungen und -einflüsse.
3
Kohlmey, Vergesellschaftung
2. Etappen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsländern des RGW
Die E n t f a l t u n g des internationalen Wesens der sozialistischen Produktionsverhältnisse und des Internationalismus der sozialistisch-kommunistischen Gesellschaftsbeziehungen zeigt sich am Beispiel der Entwicklung der Mitgliedsländer des Rates f ü r Gegenseitige Wirtschaftshilfe und ihrer wirtschaftlichen Zusammenarbeit.
Vier
Zeitabschnitte
Die einzelnen Abschnitte ihrer Entwicklung zeichnen sich ebenso im national-staatlichen wie im internationalen Rahmen der politischen, ideologischen, kulturellen, wirtschaftlichen und militärischen Zusammenarbeit ab. Das gemeinsame Interesse der Mitgliedsstaaten des R G W und des Warschauer Vertragssystems a m weiteren Ausbau ihrer Zusammenarbeit k o m m t in den wiederholten Beratungen der kommunistischen u n d Arbeiterparteien über Stand und weitere Gestaltung ihrer Beziehungen und der Zusammenarbeit zwischen den Staaten zum Ausdruck. Diese Politik der Zusammenarbeit reflektiert das objektive Interesse der Arbeiterklasse und der von ihr gestalteten sozialistischen Ordnung an der weiteren sozialistischen Internationalisierung der gesellschaftlichen Beziehungen. Den E t a p p e n der volksdemokratischen Ordnung, des sozialistischen Aufbaus, des Aufbaus der entwickelten sozialistischen Gesellschaft u n d schließlich den Etappen dieser entwickelten sozialistischen Gesellschaft selbst sind in prinzipiell gleicher Weise, wenn auch mit gewissen Verschiebungen in den Zeitpunkten und Phasen, Entwicklungsperioden der internationalen wirtschaftlichen, politischen und sonstigen Zusammenarbeit zwischen den sozialistischen Partnern zugeordnet. Es scheint mir angebracht, die bisherige wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den RGW-Partnern in vier Zeitabschnitte zu gliedern: — Wiederherstellung der Volkswirtschaft der U d S S R und volksdemokratische bzw. antifaschistisch-demokratische Ordnung in den späteren RGW-Mitgliedsländern; erste Entwicklungen der wirtschaftlichen 34
Zusammenarbeit bis zur Gründung des RGW. (Etwa zweite Hälfte der vierziger Jahre.) — Weiterer Aufbau der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der UdSSR und sozialistischer Aufbau in den ehemaligen Volksdemokratien; erste Zeit der multilateralen Wirtschaftszusammenarbeit im Rahmen des RGW. (Etwa die fünfziger Jahre.) — Weiterer Ausbau der sozialistischen Gesellschaft in der Sowjetunion und erster Abschnitt des Aufbaus einer entwickelten sozialistischen Gesellschaft in den europäischen RGW-Ländern; Vertiefung der zweiseitigen und mehrseitigen wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Sinne der Vorbereitung der ökonomischen Integration. (Etwa die sechziger Jahre.) — Weitere Entwicklung des Sozialismus in der Sowjetunion, weitere Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in den anderen europäischen RGW-Staaten; in den RGW-Ländern Europas Intensivierung des sozialistischen Reproduktionsprozesses zwecks Lösung der Hauptaufgaben zur besseren Befriedigung der Bedürfnisse der arbeitenden Menschen; Beginn der sozialistischen ökonomischen Integration. (Ab Beginn der siebziger Jahre.)
Bis zur Gründung
des RGW
Die Wiederherstellung der Volkswirtschaft in der UdSSR und die Phase der antifaschistisch-demokratischen bzw. volksdemokratischen Ordnung liefen unter schwierigen inneren und äußeren, politischen und wirtschaftlichen Umständen ab. Schwer waren die Klassenkämpfe, die Arbeiten an der Beseitigung der Kriegsfolgen und am Aufbau der neuen gesellschaftlichen Ordnung. Die außenwirtschaftlichen Beziehungen entwickelten sich ebenfalls unter komplizierten Bedingungen. Um ihrer Herr zu werden, wurde die gegenseitige Hilfe und Unterstützung, vor allem durch die Sowjetunion, in Gang gebracht und schnell ausgebaut. Der Außenhandel zwischen den Partnern wurde erweitert, wobei bedacht werden muß, daß in den zwanziger und dreißiger Jahren der Handel der späteren volksdemokratischen Staaten Europas mit der U d S S R von reaktionären Regimes minimiert worden war. Es gab nur zeitweilige Ausnahmen, z. B. im Handel UdSSR. — Deutschland. Tabelle 1 (S. 36) enthält einige Zahlen, die deutlich machen, welche tiefgreifenden Umstellungen im Außenhandel der angeführten Länder notwendig wurden, um zwischen den späteren RGW-Partnern wirkungsvolle außenwirtschaftliche Beziehungen herzustellen. 3»
35
Tabelle 1 Der Außenhandel der UdSSR
mit den heutigen europäischen
1933-1950
RGW-Ländern
(Mio Rubel des heutigen Kurses) 1933
1938-1940*
1946
1948
1950
(Jahres-0) Gesamtausfuhr4
388,7
191,1
588,3
1177,3
1615,2
Gesamteinfuhr 1 "
237,1
219,4
692,0
1101,6
1310,3
1,5
75,5
71,5
90,0
1,4
46,5
58,4
62,2 114,2
E x p o r t nach T . I m p o r t aus E x p o r t nach T » I m p o r t aus E x p o r t nach I m p o r t aus E x p o r t nach T I m p o r t aus
0,2
_ _ üulganen °
0,2
0,1
TT
Ungarn
0,1 67,2
9,2
31,0
9,5
25,7
74,9
36,9
82,3
167,2
Deutschland b z w . S B Z / D D R 116,1
50,1 30,7
45,3
55,6
144,1
4,0
0,8
95,8
119,6
217,3
, Polen
10,2
0,1
97,6
156,3
189,0
E x p o r t nach „ .. . » Rumänien I m p o r t aus
0,1
0,2
27,3
43,4
102,5
20,2
82,4
125,3
E x p o r t nach
0,9
1,1
26,1
127,6
198,4
I m p o r t aus
3,8
3,2
29,0
122,3
181,4
a fob b bis 1940 cif, ab 1946 fob * anhand der Quelle vom Verf. berechnet Quelle: Vnegnjaja torgovlja SSSR, statistißeskij sbornik, 1918—•1966, Moskva 1967
Für
die
Sowjetunion
bedeutete
diese regionale
Umstellung
unter
anderem eine bedeutende Belastung des Eisenbahnnetzes: Während 1938 nur
rund
3 Prozent
der
sowjetischen
Exporte
mit
der
Eisenbahn
abgewickelt wurden, waren es 1959 rund 55 Prozent, wobei das Volumen dieser Eisenbahntransporte in der gleichen Zeit auf etwa das 140fache(!) gestiegen war. Außerdem: Während 1938 das Verhältnis der Exporte zu den Importen mittels Bahn etwa 3,9 : 1 betragen hatte, machte es 1959 etwa 5,6 : 1 aus.10 In den Jahren der volksdemokratischen Ordnung und der Wiederherstellung der Volkswirtschaft in der Sowjetunion wurden die wirtschaftlichen 10
zwischen
D e r A u ß e n h a n d e l der U d S S R . u n d 1967
36
Verbindungen
den
Partnern,
abgesehen
von
Statistisches J a h r b u c h (russ.), M o s k a u
1959
Reparationen und militärökonomischen Verbindungen, vor allem durch die Unterstützung seitens der Sowjetunion gefestigt. Die übrigen wirtschaftlichen Beziehungen beschränkten sich fast ausschließlich auf den Außenhandel. Im Gründungskommunique des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe vom 25. Januar 1949 heißt es dazu: „Die Konferenz stellte bemerkenswerte Erfolge in den zwischen den erwähnten Ländern bestehenden Wirtschaftsbeziehungen fest, die besonders in einem vermehrten Warenaustausch zur Geltung gekommen sind." 1 1 Es sei hier noch einmal auf Tabelle 1 verwiesen. Die Phase der antifaschistisch-demokratischen bzw. volksdemokratischen Ordnung lief also ab, ohne daß die außenwirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Volksdemokratien wie auch zwischen ihnen und der U d S S R mit Hilfe einer internationalen Organisation durchgeführt wurden.
Bildung des RGW und sozialistischer
Aufbau
Mit der Bildung des RGW beginnt ein zweiter Abschnitt der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Er fällt in die Periode des weiteren Aufbaus der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der U d S S R und des sozialistischen Aufbaus in den ehemaligen Volksdemokratien. Der Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe wurde im Januar 1949 gegründet. Nach der Gründung der DDR (Oktober 1949) wurde auch sie Mitglied des Rates. Die Aufnahme erfolgte im September 1950. In der Präambel zum Statut des Rates gehen die Regierungen der Teilnehmerstaaten von der Überlegung aus, daß „die wirtschaftliche Zusammenarbeit, die zwischen ihren Ländern erfolgreich durchgeführt wird, zur rationellsten Entwicklung der Volkswirtschaft, zur Hebung des Lebensstandards der Bevölkerung und zur Festigung der Einheit und Geschlossenheit ihrer Länder beiträgt . . . " 1 2 Die Regierungen bekunden ihre „Entschlossenheit, auch weiterhin die allseitige wirtschaftliche Zusammenarbeit auf der Grundlage der konsequenten Verwirklichung der internationalen sozialistischen Arbeitsteilung im Interesse des Aufbaus 11
12
K o m m u n i q u e v o m 25. J a n u a r 1949 über die Errichtung des R a t e s für Gegenseitige Wirtschaftshilfe, in: Freundschaft, Z u s a m m e n a r b e i t , B e i s t a n d . . a. a. 0 . , S. 262 S t a t u t des R a t e s für Gegenseitige Wirtschaftshilfe mit den von der X V I . und X V I I . R a t s t a g u n g gebilligten Änderungen, i n : D o k u m e n t e R G W , a. a. 0 . , S . 146
37
des Sozialismus und Kommunismus in ihren Ländern und der Sicherung eines dauerhaften Friedens in der ganzen Welt zu entwickeln . . . ", 1 3 Die ersten Jahre des RGW waren Zeiten heftiger internationaler Klassenkämpfe. Die imperialistischen Kräfte wollten die wichtigsten demokratischen Ergebnisse des zweiten Weltkrieges und des Sieges der U d S S R rückgängig machen. Der Marshallplan war verkündet, die NATO gegründet und Deutschland durch separate Währungsreform und Bildung der B R D gespalten worden. 1950 erfolgte der Überfall auf die volksdemokratische Republik Korea. 1951 wurde dieser Krieg durch den Handelskrieg der USA gegen die sozialistischen Länder ergänzt: keine Meistbegünstigung mehr für sozialistische bzw. volksdemokratische Länder, Kündigung aller langfristigen Handelsabkommen und ein Exportembargo. Die sozialistische Antwort waren der weitere Zusammenschluß und die weitere Stärkung der U d S S R und der volksdemokratischen Länder. Dazu gehörten auch die Gründung und der Aufbau des RGW. Allerdings mußten für die Arbeit dieses völlig neuen Typs internationaler Organisation von Wirtschaftsbeziehungen erst Erfahrungen gesammelt werden. Außerdem war eine Hauptaufgabe des Sozialismus damals die Niederringung der USA-Aggression in Korea. Schließlich waren weiterhin Kriegsfolgen zu überwinden, es gab komplizierte Klassenauseinandersetzungen in den volksdemokratischen Ländern und die negativen Seiten in Stalins Politik. Ein Aufschwung der mehrseitigen Zusammenarbeit der RGW-Länder setzte Mitte der fünfziger Jahre ein, nachdem das Jahr 1954 den Sieg über die Aggression der USA in Korea gebracht hatte. Im Januar 1955 wurde der Warschauer Vertrag unterzeichnet. In ihm wird das Streben der Vertragspartner nach einem System der kollektiven Sicherheit in Europa hervorgehoben und das Interesse betont an „der weiteren Festigung und Entwicklung der Freundschaft, der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Beistandes in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Achtung der Unabhängigkeit und der Souveränität der Staaten sowie der Nichteinmischung in ihre inneren Angelegenheiten" 14 . Im Jahre 1955 erfolgten auch die Erklärung der U d S S R über die Beendigung des Kriegszustandes mit Deutschland und die Unterzeichnung des Vertrages über die Beziehungen zwischen der U d S S R und der DDR (September 1955). 13 Ebenda 14 Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand . . . (Warschauer Vertrag), in: Freundschaft, Zusammenarbeit, Beistand . . . , a. a. 0 . , S. 198
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Außenpolitisch, innenpolitisch und auch wirtschaftlich waren demnach Mitte der fünfziger Jahre Bedingungen herangereift, die eine weitere Entfaltung der RGW-Arbeit erlaubten und forderten. In kurzer Zeit, von März 1954 bis Mai 1956, fanden die IV. bis V I I . RGW-Tagung statt. Der X X . Parteitag der KPdSU eröffnete auch auf diesem Gebiet neue Perspektiven. 1957 fand in Moskau eine internationale Konferenz der kommunistischen und Arbeiterparteien aus den sozialistischen Ländern statt. Von besonderer Bedeutung für die Ratsarbeit in jenem Zeitabschnitt war die „Konferenz von Vertretern der kommunistischen und Arbeiterparteien der Mitgliedsstaaten des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe" vom Mai 1958 in Moskau. 1960 folgte die internationale Konferenz der kommunistischen und Arbeiterparteien, in deren Rahmen auch Beratungen zwischen den Vertretern der Parteien aus den RGW-Ländern stattfanden. Bis 1954/1955 konzentrierten sich die Formen der ökonomischen Zusammenarbeit zwischen den RGW-Partnern in starkem Maße auf den Außenhandel, auf mittelfristige Handelsabkommen und die bilaterale wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (besonders in Gestalt der Unterstützung der Sowjetunion für den wirtschaftlichen Aufbau in anderen Ländern). Die Zeit danach brachte neben dem Ausbau dieser alten Arten von Verbindungen eine Reihe neuer Formen: Plankoordinierungen, Produktionsspezialisierungen und -kooperationen, gemeinsame Forschungs-, Produktions- und Zirkulationseinrichtungen. Es seien aus jener Zeit die folgenden Regelungen hervorgehoben: — im April 1955 Abkommen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kernphysik und im März 1956 Gründung des Vereinigten Instituts für Kernforschung; — auf der V I I . Ratstagung 1956 in Berlin Spezialisierungsempfehlungen für den Maschinenbau und Bildung der ersten zwölf Ständigen Kommissionen des RGW für wirtschaftliche und wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit; — Empfehlung der I X . Tagung (Juni 1958, Bukarest) über die Preisbildungsprinzipien im Außenhandel zwischen den Partnerländern; — weitere Spezialisierungsempfehlungen der X . bis X I V . Ratstagung (Dezember 1958 in Prag bis April 1961 in Berlin); — Empfehlungen zur Vorbereitung des Baus der Erdölleitung, der Errichtung eines internationalen Verbundsystems der Versorgung mit Elektroenergie und eines gemeinsamen Güterwagenparks; — Verstärkung des Kreditverkehrs zwischen den RGW-Ländern; — Ende 1959 Annahme des Statuts des RGW, das 1962 ergänzt und neu gefaßt wurde. 39
Vorbereitung
der Integration
und Aufbau
des entwickelten
Sozialismus
Es erscheint angebracht, mit den sechziger Jahren einen weiteren, dritten Zeitabschnitt der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der UdSSR und den früheren volksdemokratischen Staaten, den heutigen RGW-Mitgliedsländern, beginnen zu lassen. Es ist die Zeit, in der die UdSSR die entwickelte sozialistische Gesellschaft ausbaut und in der die übrigen europäischen Mitgliedsländer des RGW clen Aufbau des umfassenden Sozialismus, eines entwickelten Sozialismus beginnen. Dieser Weg ist mit Wirtschaftsreformen verbunden, deren Ziel die Verbesserung der volkswirtschaftlichen Leitung und Planung wie auch der Erhöhung der Effektivität des Reproduktionsprozesses ist. In der Arena der internationalen ökonomischen Zusammenarbeit der RGW-Partner ist dieser dritte Zeitabschnitt die Periode der Vorbereitung der Integration ihrer Volkswirtschaften. So zeigt sich auch in dieser Periode, wie die weitere Entwicklung der Produktivkräfte, der Produktionsverhältnisse und des Überbaus in den einzelnen RGW-Ländern einen adäquaten Übergang auf eine neue Stufe der internationalen Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten des RGW notwendig macht. Am Beginn dieser Periode liegen die Beratungen der kommunistischen und Arbeiterparteien der RGW-Länder im Juni 1962 und Juli 1963 in Moskau. Auf diesen Beratungen wurde eine Intensivierung der RGWArbeit auf verschiedenen Gebieten empfohlen. Schon vorher, auf der XV. Ratstagung, waren die „Grundprinzipien der internationalen sozialistischen Arbeitsteilung" vereinbart worden. Die XVI. und XVII. RGWTagung (beide im Jahre 1962) brachten im Interesse der Intensivierung der Arbeit einige Änderungen und eine Neufassung des Statuts des RGW. Für die sozialistische Entwicklung in der DDR und auch in den anderen Staaten des Warschauer Vertrages waren die Maßnahmen zur Sicherung der Staatsgrenze der DDR gegenüber BRD/Westberlin von besonderer Bedeutung. Die sechziger Jahre brachten für die RGW-Arbeit eine Reihe von Grundsatzregelungen, weiterhin Beschlüsse zur Verstärkung der Rolle der RGW-Organe, die Schaffung einer Reihe von gemeinsamen Forschungs-, Produktions-, Transport- und Zirkulationseinrichtungen, einige Verbesserungen der Produktionsabstimmungen und -Spezialisierungen sowie schließlich die Entwicklung von einigen Direktkontakten zwischen Ministerien, Vereinigungen, Betrieben und Instituten einzelner RGW-Länder. In der ersten Hälfte der sechziger Jahre entstand eine Reihe multilateraler Institutionen von Mitgliedsstaaten des RGW. Zu erwähnen wären: 40
— 1962 Bildung der zentralen Dispatcherzentrale in Prag für das vereinigte Energieverbundsystem; — 1963 Gründung des RGW-Instituts für Standardisierung in Moskau; — 1963 Inbetriebnahme der Erdölleitung „Freundschaft" auf dem Gebiet der DDR (Empfehlung zum Bau auf der X . Tagung des RGW Ende 1958); — 1964 Bildung der internationalen Industriezweigorganisation „Intermetall" (Budapest) zur Koordinierung und Entwicklung der Produktion von Walzstahl, Stahlrohren und Erzeugnissen der zweiten Verarbeitungsstufe; — 1964 Schaffung des „Wälzlagerkomitees" (Warschau) für die Koordinierung und Spezialisierung der entsprechenden Produktion; — 1964 Bildung des gemeinsamen Güterwagenparks (OPW); — am 1. 1. 1964 Aufnahme der Arbeit der „Internationalen Bank für wirtschaftliche Zusammenarbeit" (IBWZ) in Moskau für die Abwicklung des multilateralen Zahlungsverkehrs (einschließlich kurz- und ab 1971 auch mittelfristiger Kreditierungen). Außerdem wurden in dieser Zeit weitere Ständige Kommissionen des RGW gebildet und bi- und multilaterale Produktionsspezialisierungen durchgeführt. Aber wenn diese Maßnahmen auch wichtige Schritte waren, so entsprachen sie doch nicht allen Möglichkeiten der sozialistischen Produktionsverhältnisse. Unter anderem waren die staatlichen Wirtschaftssysteme noch nicht im erforderlichen Maße auf die Intensivierung außenwirtschaftlicher Beziehungen und den Ausbau der sozialistischen internationalen Arbeitsteilung eingerichtet. Die Existenz von Disproportionen und von zahlreichen Nachfragemärkten (Engpässen) machte den Absatz auf dem Binnenmarkt bequemer als Exporte. Das Interesse der Betriebe und Kombinate an effektiven, nennenswerten und komplexen internationalen Spezialisierungen und Kooperationen war noch nicht genügend stimuliert. Auch trug der noch unzureichend entwickelte Mechanismus der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den RGW-Partnern nicht dazu bei, langfristig stabile Spezialisierungen und Kooperationen, Bezüge und Exporte, gemeinsame Vorhaben und Einrichtungen zu fördern. Nur vereinzelt war eine internationale Mobilität der Produktivkräfte anzutreffen. So ergab sich, daß internationale Vereinbarungen über Spezialisierungen und gemeinsame Vorhaben häufig Einzelmaßnahmen blieben und nicht die Gesamtkette der einzubeziehenden Glieder des Reproduktionsprozesses erfaßten. Ein Teil der Vereinbarungen war nur kurz- und mittelfristiger Natur. Es war für die Betriebe und Kombinate nicht nur bequemer, sondern, vom Standpunkt der Bilanzverantwortung und der Planerfüllung, 41
auch sicherer, viel selbst zu machen, anstatt internationale Teilungen der Arbeit zu vereinbaren. Offensichtlich überwog vor dem Integrationsprozeß in der widersprüchlichen Einheit der beiden Tendenzen zur Annäherung der Nationen und Volkswirtschaften und zur nationalen bzw. staatlichen Konsolidierung die letztere. Objektive und subjektive Momente spielten dabei eine Rolle. Ab Mitte der sechziger Jahre wurde die multilaterale Wirtschaftszusammenarbeit der RGW-Mitgliedsländer durch wichtige bilaterale Institutionen ergänzt: durch die zweiseitigen Ausschüsse für wirtschaftliche und wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (mit verschiedenen Ständigen Arbeitsgruppen). In der Zusammenarbeit mit der U d S S R werden diese Arbeiten von paritätischen Regierungskommissionen der Partner ausgeführt. So erfolgte 1966 die Gründung der Paritätischen Regierungskommission UdSSR—DDR. Ihr schloß sich eine ganze Reihe von Vereinbarungen über den Ausbau der beiderseitigen Wissenschaftsund Produktionskooperationen an. Die Entwicklung dieser wirtschaftlichen Zusammenarbeit wäre ohne entsprechenden Ausbau des politischen Bündnisses der Partnerstaaten undenkbar gewesen. Ab 1964 wurden neue zweiseitige Verträge über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand abgeschlossen, so zwischen U d S S R und D D R am 12. Juni 1964. Auf dem Wege zur Wirtschaftsintegration wurden demnach von den Mitgliedsländern des RGW in den sechziger Jahren viele Voraussetzungen geschaffen und erste Schritte getan, sowohl in zweiseitigen als auch in mehrseitigen Vereinbarungen, sowohl politisch, vor allem in den zweiseitigen Freundschaftsverträgen, als auch auf wirtschaftlichem Gebiet. Im April 1969 wurde dann auf der X X I I I . außerordentlichen RGWTagung in Moskau beschlossen, ein Integrationsprogramm auszuarbeiten. An dieser Tagung nahmen die Ersten Sekretäre der kommunistischen und Arbeiterparteien der Mitgliedsländer wie auch die Regierungschefs teil. Auf der unmittelbar folgenden Moskauer Beratung der kommunistischen und Arbeiterparteien konnten die Vertreter der Parteien der RGWStaaten über die geplanten neuen Schritte berichten. Die Hauptentschließung der Beratung über die Aufgaben im Kampf gegen den Imperialismus unterstützt das Anliegen der RGW-Länder. Als eine der wichtigsten Aufgaben der kommunistischen und Arbeiterparteien der sozialistischen Länder wird dort der Ausbau der allseitigen Zusammenarbeit der sozialistischen Länder bezeichnet, vor allem „in den entscheidenden Bereichen des ökonomischen Wettbewerbs der beiden Systeme". Dazu müsse man sich „immer mehr auf die internationale sozia-
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listische Arbeitsteilung und die freiwillige Kooperation der sozialistischen Länder stützen" 1 5 . Obwohl es bei den Fachleuten der PiGW-Länder in einer Reihe von Fragen des Herangehens an die Integration, ihrer Etappen und Angelpunkte, unterschiedliche Auffassungen gab, kam doch in der kurzen Zeit von knapp zwei Jahren das Komplexprogramm zustande. Das Bemühen, den Bund der Mitgliedsländer des RGW zu festigen, war ebenso ausschlaggebend wie die Erkenntnis, daß die weitere Vervollkommnung der Volkswirtschaften und die weitere Stärkung der internationalen Positionen der einzelnen Mitgliedsländer nur möglich sind, wenn zu intensiverer sozialistischer internationaler Wirtschaftskooperation übergegangen wird. Diese Erkenntnis und diese Einstellung traten nicht nur bei der Ausarbeitung des Integrationsprogramms zutage, sie schlugen sich 1969/1970 auch in einer Reihe zwei- und mehrseitiger langfristiger Vereinbarungen über Zusammenarbeit, gemeinsame Vorhaben und internationale Spezialisierung/Kooperation nieder. Der Stand der Ausarbeitung des Komplexprogramms wurde auf der X X I V . Ratstagung im Mai 1970 in Warschau überprüft, u n d auf der nächsten Tagung (Juli 1971 in Bukarest) erfolgte dann die Annahme. Nach einem J a h r , im Juli 1972, wurde in Moskau auf der X X V I . Ratstagung eine Bilanz der ersten Arbeiten gezogen. Diese Arbeiten wurden in den einzelnen Ländern und in vielen zweiseitigen und mehrseitigen Arbeitsgruppen, Kommissionen, Institutionen usw. geleistet, nicht zuletzt im Exekutivkomitee des RGW. So sind meiner Meinung nach alle wichtigen Bedingungen gegeben, um mit dem Übergang in die siebziger Jahre den Beginn eines neuen Entwicklungsabschnitts der wirtschaftlichen Zusammenarbeit der RGWStaaten zu fixieren. In den Volkswirtschaften der Partnerländer wurden zu gleicher Zeit die komplexe, leistungs- und sozialgerechte Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen als Hauptaufgabe des Wirtschaftens formuliert. Die Intensivierung der Produktion ist das Mittel, um das Ziel zu erreichen. Alle drei Aufgaben — Hauptaufgabe, Intensivierung und Integration — wurden auf dem X X I V . Parteitag der KPdSU, dem V I I I . Parteitag der SED und anderen Parteitagen der kommunistischen und Arbeiterparteien der RGW-Länder Anfang der siebziger J a h r e als Grundorientierungen der wirtschaftlichen Arbeit vorgegeben. 13
Die Aufgaben des Kampfes gegen den Imperialismus..., a. a. O., S. 26f.
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Vielfältige
Einflüsse
Bei der Entwicklung der sozialistischen internationalen Wirtschaftszusammenarbeit der RGW-Staaten und auch der Vorbereitung ihrer ökonomischen Integration haben vielfältige historische Faktoren eine Rolle gespielt. Im vielschichtigen historischen Prozeß, der Objektives und Subjektives ebenso einschließt wie Allgemeines, Besonderes und Einzelnes, entfalten sich die Gesetze und Kategorien des sozialistischen Weltwirtschaftssystems. Wenn wir also von den Kräften bzw. Ursachen sprechen, die zur wirtschaftlichen Integration zwischen den RGW-Mitgliedsländern geführt haben, so sind sie sowohl in den Produktivkräften als auch in den Produktionsverhältnissen und im Überbau der sozialistischen Gesellschaft wie schließlich im internationalen Klassenkampf zu suchen. Zu eng dürfte deshalb folgende Formulierung geraten sein: „Inhalt, Formen und Methoden der Arbeit des RGW veränderten sich in dem Maße, wie die Produktivkräfte wuchsen, der Nutzeffekt der Produktion stieg und sich die Struktur der Volkswirtschaft wandelte." 16 Ganz ohne Zweifel sind letzten Endes auch im sozialistischen Integrationsprozeß die Produktivkräfte ausschlaggebend, doch spielt das ideologisch-politische Herangehen der kommunistischen und Arbeiterparteien an die Integrationsmaßnahmen, spielt die Energie, mit der das Prinzip des sozialistischen Internationalismus in der Auseinandersetzung mit engen nationalen Konzeptionen durchgesetzt wird, spielen der Reifegrad der volkswirtschaftlichen Leitungs- und Planungssysteme und anderes mehr eine wesentliche Rolle. Ein jeweils gegebener Stand der Produktivkräfte läßt bekanntlich genügend Varianten wirtschaftlicher und politischer Entscheidungen zu. Das gilt auch für sozialistische Bedingungen, so z. B. für die Entwicklung der einzelnen Volkswirtschaften, die wesentlich vom Überbau beeinflußt wird, von der Führungstätigkeit der Partei, der Konsequenz in der Durchsetzung der marxistisch-leninistischen Position, von der Qualität der Leitung und Planung, dem Entwicklungsstand der sozialistischen Demokratie, dem Erkenntnisstand auf ökonomischem Gebiet. Dasselbe gilt für die Geschichte der Zusammenarbeit im R a t für Gegenseitige Wirtschaftshilfe und dabei auch für das Herangehen an die Ausarbeitung des Integrationsprogramms. Es kam im Erfahrungs- und Meinungsaustausch, dabei natürlich mit Kompromissen, zustande. Dieses Programm ist das 16
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W. Iskra, Dringende Fragen der sozialistischen Integration, i n : Probleme des Friedens und des Sozialismus, 11/1971, S. 1541
Ergebnis einer intensiven Führungstätigkeit der kommunistischen und Arbeiterparteien. Bei Berücksichtigung einzelner unterschiedlicher Auffassungen wurde eine einheitliche marxistisch-leninistische Plattform ausgearbeitet. In dieser Plattform werden das Allgemeine und das Besondere, das Logische und das Historische berücksichtigt.
3. Die UdSSR als Hauptpartner
Die Arbeiterklasse der Sowjetunion und alle übrigen Werktätigen des ersten sozialistischen Staates haben gewaltige Arbeit geleistet, schwere Opfer gebracht und große Erfolge errungen im Kampf gegen den Imperialismus und besonders den deutschen Faschismus. Sie unterstützen andere sozialistische Staaten und die um ihre Freiheit kämpfenden Völker. Sie sind der internationalen Arbeiterbewegung und allen antiimperialistischen Kräften in Solidarität verbunden. Unter sehr schweren Bedingungen haben sie als erste in der Geschichte das feste Fundament der sozialistischen Gesellschaftsordnung errichtet. Unter der Führung der KPdSU h a t das Sowjetvolk viele Erfahrungen beim sozialistischen Wirtschaftsaufbau und bei der Entwicklung der sozialistischen Planwirtschaft gesammelt. Als erfahrene, älteste und auch größte sozialistische Macht ist die Sowjetunion das Zentrum der sozialistischen internationalen Wirtschaftsintegration der Staaten des Warschauer Vertrages und des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe. Zugleich ist die Sowjetunion ein multinationaler Staat, in dem zum ersten Mal in der Geschichte der Prozeß einer sozialistischen Zusammenarbeit und Annäherung von gleichberechtigten Nationen, Nationalitäten und Völkerschaften eingeleitet wurde. Doch gingen diese Zusammenarbeit und diese Annäherung innerhalb eines förderativen Staates und nicht zwischen verschiedenen sozialistischen Staaten vor sich. Darin besteht der wesentliche Unterschied gegenüber den Vorgängen der wirtschaftlichen Verflechtung und der Annäherung von Nationen im System des RGW und des Warschauer Vertrages. In der Sowjetunion gibt es kein nationales, sondern ein gesamtgesellschaftliches Eigentum an den Produktionsmitteln, keine von einander unabhängigen und unterschiedlichen nationalen Leitungs- und Planungssysteme, sondern ein gesamtstaatliches. Das Außenwirtschaftsmonopol ist ebenfalls ein gesamtstaatliches, usw. Aber wichtige allgemeine Prinzipien der sozialistischen Zusammenarbeit und Annäherung von Nationen sind den innerstaatlichen und den zwischenstaatlichen Prozessen gemeinsam, so zum Beispiel die gleichberechtigte Konsolidierung sozialistischer Nationen, die Entwicklung des 46
Bildungswesens, der Wissenschaft und der Nationalkultur, die Annäherung des Entwicklungsniveaus, die wirtschaftliche Fundierung der Gleichberechtigung, vor allem durch den Aufbau einer modernen Industrie.
Integration der Nationen und Nationalitäten
in der
UdSSR
Der X I I . Parteitag der R K P (B), der im April 1923 stattfand, also kurz nach der Bildung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (30. 12. 1922), nahm eine Entschließung „Zur nationalen Frage" an, in der es über dieses erste Beispiel und diesen ersten Schritt der gleichberechtigten sozialistischen Zusammenarbeit von Nationen heißt: „. . . die Oktoberrevolution sprengte mit einem Schlage die Ketten der nationalen Unterdrückung, wälzte die alten Beziehungen zwischen den Völkern um, untergrub die alte nationale Feindschaft, ebnete den Boden für die Zusammenarbeit der Völker . . , " 1 7 Und an anderer Stelle: „Die Union der Republiken wurde auf der Grundlage der Gleichheit und Freiwilligkeit der Arbeiter und Bauern der einzelnen Republiken gebildet. Sie ist die erste Erfahrung des Proletariats bei der Regelung der wechselseitigen internationalen Beziehungen unabhängiger Länder, sie ist der erste Schritt zur Bildung der zukünftigen, die Welt umspannenden Sowjetrepublik der Arbeit." 1 8 Die Union der Republiken sei, so heißt es weiter, „eine neue Form des Zusammenlebens der Völker, eine neue Form ihrer Zusammenarbeit in einem einheitlichen Unionsstaat . . . " 1 9 Die Entschließung ging, ähnlich wie die Resolution des X . Parteitages (März 1921) 20 , von der Feststellung aus, daß es im Kapitalismus einen Kampf zwischen zwei Tendenzen in der nationalen Frage gäbe: der Ten17 Zur nationalen Frage, in: Die Kommunistische Partei der Sowjetunion in Resolutionen und Beschlüssen der Parteitage, Parteikonferenzen und Plenartagungen des Z K (russ.), Teil I, 1 8 9 8 - 1 9 2 5 , Moskau 1953, S. 711 (Deutscher T e x t : Übersetzung des Verfassers) — Der Text der Resolution ist die etwas abgeänderte Fassung von Thesen, die von einer Kommission unter Leitung J . W. Stalins ausgearbeitet worden waren; vgl. J . W. Stalin, Die nationalen Momente im Partei- und Staatsaufbau, in: J . W. Stalin, Werke, Bd. 5, Berlin 1952, S. 159ff. Zur nationalen Frage . . . , a. a. 0 . , S. 716 Ebenda 20 über die nächsten Aufgaben der Partei in der nationalen Frage, in: Die Kommunistische Partei der Sowjetunion in Resolutionen und Beschlüssen, a. a. 0 . , S. 553 ff. 18
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denz zur Internationalisierung der Produktion, zur Annäherung der Völker und der Tendenz des Kampfes gegen die nationale Unterdrückung als einer kapitalistischen Form der Internationalisierung. Seit dem ersten Parteitag (1898) habe die Partei, so heißt es weiter in Punkt 4 der Resolution von 1923, für die revolutionäre Lösung der nationalen und kolonialen Frage gekämpft. „Der Sinn dieser Beschlüsse besteht a) in der entschiedenen Ablehnung aller und jedweder Formen des Zwanges gegenüber den Nationalitäten; b) in der Anerkennung der Gleichheit und Souveränität der Völker bei der Gestaltung ihres Schicksals; c) in der Anerkennung des Grundsatzes, daß eine dauerhafte Vereinigung der Völker nur auf der Grundlage der Zusammenarbeit und Freiwilligkeit durchgeführt werden kann; d) in der Verkündung der Wahrheit, daß eine solche Vereinigung nur verwirklicht werden kann, wenn die Macht des Kapitals gestürzt ist."2l Die ersten grundlegenden Voraussetzungen der endgültigen nationalen Freiheit, stellen die Resolutionen des X . und X I I . Parteitages fest, sind die Errichtung der sozialistischen Staatsmacht und die Schaffung gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln. Damit sind die sozialistischen Fundamente gelegt, nicht weniger, aber auch noch nicht mehr. Die Annäherung der gleichberechtigten Nationen in einer föderativen Unionsrepublik oder auch im sozialistischen Weltsystem ist ein Teil des Prozesses der sozialistischen Vergesellschaftung der Produktion, der sich erweiternden und vertiefenden Züge des gesellschaftlichen, kollektiven Charakters der sozialistischen Arbeit. Beides sind lange und vielschichtige, widerspruchsvolle historische Abläufe. Ebenso wie politische Macht und gesellschaftliches Eigentum nur die grundlegenden Ausgangsbedingungen der sozialistischen Vergesellschaftung von Produktion und Arbeit sind (notwendig, aber nicht hinreichend), so bestehen auch die Annäherung und die Zusammenarbeit der gleichberechtigten Nationen aus einer Vielzahl von Schritten. In der gesamten Entwicklung der sozialistischen Ordnung vollziehen sich die reale Vergesellschaftung und die reale Internationalisierung der Wirtschaft und des gesamten Lebens der sozialistischen Nationen, festigt sich die reale politische, kulturelle, wirtschaftliche Gleichberechtigung der Nationen, Nationalitäten und Völkerschaften, der Staaten und Volkswirtschaften. 21
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Zur nationalen Frage, a. a. O., S. 711 (Deutscher Text nach J . W. Stalin, a. a. 0 . , S. 161)
„Den Schlüssel zur richtigen Lösung der nationalen Frage finden bedeutet aber noch nicht, sie vollständig und endgültig lösen . . .", wird in der Resolution des X I I . Parteitages der K P R (B) hervorgehoben. 22 Um das von der Oktoberrevolution aufgestellte nationale Programm richtig in die Tat umsetzen zu können, seien, so wird in der Entschließung weiter festgehalten, die Hindernisse zu überwinden, die aus der alten Ordnung mit ihrer nationalen Unterdrückung zurückgeblieben sind und „die nicht in kurzer Frist, nicht mit einem Schlage überwunden werden können" 23 . Das Erbe sei erstens im russischen Großmachtchauvinismus gegenüber den Nöten und Bedürfnissen der nationalen Piepubliken zu sehen. 24 Das Erbe bestehe darüber hinaus „in den Uberresten des Nationalismus bei einer ganzen Reihe von Völkern, auf denen das schwere Joch der nationalen Unterdrückung gelastet hat und die noch nicht vermocht haben, sich von Erinnerungen an die alten nationalen Kränkungen frei zu machen" 2 5 . Schließlich bestehe das Erbe „in der faktischen, das heißt wirtschaftlichen und kulturellen Ungleichheit der Nationalitäten in der Union der Republiken . . . Es ist unmöglich, diese Ungleichheit in kurzer Frist zu überwinden" 26 . Die Resolution des X I I . Parteitages verweist auf die entsprechende Entschließung des X . Parteitages, in der die wirtschaftliche Entwicklung der zurückgebliebenen Nationalitäten und Gebiete gefordert wurde, um die juristische Gleichberechtigung der Nationen durch faktische Gleichstellung zu untermauern. „Die nationale Nichtgleichberechtigung beruhte hier bisher auf der historisch entstandenen wirtschaftlichen Nichtgleichberechtigung." 27 Die Randgebiete Rußlands hätten sich im Zustand von Kolonien und Halbkolonien befunden. Das gelte besonders für Turkmenien. Erforderlich sei also „die folgerichtige Beseitigung aller Überreste der Nichtgleichberechtigung der Nationen in allen Zweigen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens . . .'
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