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German Pages 496 Year 1990
WERNER BREUNIG
Verfassunggebung in Berlin 1945 - 1950
Beiträge zur Politischen Wissenschaft Band 58
Verfassunggebung in Berlin 1945 - 1950
Von Dr. Werner Breunig
Duncker & Humblot · Berlin
Gedruckt mit Unterstützung des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Breunig, Werner:
Verfassunggebung in Berlin 1945 - 1950 I von Werner Breunig. - Berlin: Duncker und Humblot, 1990 (Beiträge zur Politischen Wissenschaft; Bd. 58) Zug!.: Heidelberg, Univ., Diss., 1989 ISBN 3-428-06965-X NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: RennerTextService, Wiesenbach bei Heidelberg Druck: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin 49 Printed in Gennany ISSN 0582-0421 ISBN 3-428-06965-X
Meinen Eltern
Vorwort Die Entstehung der Verfassung von Berlin ist ein Vorgang, der in seiner Art einmalig in der Bundesrepublik ist. Die verschiedensten Faktoren haben auf diesen Prozeß eingewirkt, viele Fragen sind aufgeworfen und beantwortet worden, manche Probleme sind nicht oder nur unvollkommen gelöst worden. Es war nicht nur eine Landesverfassung zu entwerfen, die sich in die über 700jährige Rechtstradition der Stadt einfügte, sondern es mußte auch ein Kompromiß zwischen verschiedenen, stark divergierenden politischen Grundpositionen gefunden werden. Ich meine, es ist an der Zeit, diesen Vorgang einmal wissenschaftlich zu untersuchen und im einzelnen darzustellen. Wir haben dem Verfasser dafür zu danken, daß er sich dieser Mühe unterzogen hat. Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Vorgeschichte unserer Verfassung schafft eine sichere Basis für ihre Weiterentwicklung. Denn in einer lebendigen Demokratie ist die Verfassung kein starrer. das politische Leben einengender Rahmen, sondern eine Festschreibung rechtlicher Markierungen, die von Zeit zu Zeit auf ihren Sinngehalt überprüft werden müssen. Verbunden durch die Verfassungswirklichkeit fließen so Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ineinander. Eine gute Verfassung bewegt sich nur unmerklich, aber es ist notwendig, daß sie sich bewegt. Nur wer die Vergangenheit im Auge hat. kann jedoch für die Zukunft planen. Dies wird gerade durch die jüngsten politischen Ereignisse belegt. Wenn beide Teile Berlins wieder zusammenwachsen sollen, dann bedarf es nicht zuletzt einer gemeinsamen Verfassung. Eine solche Verfassung können wir nur erarbeiten, wenn wir uns auf die Verfassungsgeschichte Berlins nach 1945 zurückbesinnen. Ich wünsche diesem wertvollen Werk eine große Verbreitung. Jiirgen Wohlrabe
Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin
Inhaltsverzeichnis Verzeichnis der Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Verzeichnis der Übersichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Verzeichnis der Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Die Tradition- Kommunale Selbstverwaltung 1808-1933 . . . . . . . . . . . . .
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1.1. Die Städteordnung vom 19. November 1808 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Die Städteordnung vom 30. Mai 1853 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3. Das »Gesetz über die Bildung einerneuen Stadtgemeinde BerlinVorläufigen Verfassung von Groß-Berlin« . 0 .• 0 0 0 •• 0. 0 0 5070 Schwachstellen der »Vorläufigen Verfassung von Groß-Berlindynamische Kemstaatskonzept>Verfassung von Berlin« im Vergleich mit anderen Verfassungen ... 399 7.1. 7.2. 7.3. 7.4.
Der Vorspruch . .... . .. .... . ..... . . . .. . . . .. .. . ......... . . . .. . . . Die Grundlagen ...... . .... .. .... .. .... . .... . ........... . ..... . Die Grundrechte .......... . ................. . ........... . . . ... . Der Aufbau und die Tätigkeit der verfassungsmäßigen Organe ..... . .... 7 .4.1. Die Volksvertretung und die Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.2. Die Regierung und die Verwaltung .. . . . . . . . .. .. ........ . . . . . . 7.4.3. Die Rechtspflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
405 405 408 414 414 41 8 423
Schlußbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 Anhang . . . . ... . ............. . . . . . ....... . . . . . ................. .. ... 430 I. Zeittafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das »Bezirksverfassungsstatut>Vorläufige Verfassung von Groß-Berlin>Verfassung von Berlin>Vorläufigen Verfassung von Groß-Berlin« . . . . . . . . 226 Abb. 11: Stadtverordnetenversammlung, Magistrat und Verwaltung nach der >>Vorläufigen Verfassung von Groß-Berlin« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Abb. 12: Die Entstehung der >>Verfassung von Berlin>Verfassung von Berlin« (2. Phase: 1949/50) . . . . . . . 395 Abb. 15: Volksvertretung, Regierung und Verwaltung nach der >>Verfassung von BerlinVerfassung von Berlin>Verfassung von BerlinGrundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland>Verfassung von BerlinGrundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland>eine Kategorie von Quellen« bildet, »die nicht nur als Konserven des Zeitgeistes, sondern -vor allem -als Indikatoren der Resonanz politischer Entscheidungen und Handlungen unentbehrlich sind«.5 Die rechtlichen Grundordnungen der Nachkriegszeit stützen sich auf früheres Verfassungsrecht, d. h. sie knüpfen an die Tradition von vor 1933 an. Viele Verfassungsbestimmungen >>sind« - so Otto Uhlitz - »nur verständlich, wenn man die geschichtliche Entwicklung erkennt, durch die sie beeinflußt oder bestimmt worden sind«. 6 Deshalb erscheint es angezeigt, die Verfassungsentwicklung Berlins von der Einführung kommunaler Selbstverwaltungsorgane bis zur nationalsozialistischen Machtergreifung, die das vorläufige Ende der Selbstverwaltung bedeutete, darzustellen. Dies geschieht im ersten Kapitel der vorliegenden Arbeit. Um die nach 1945 geschaffenen Verfassungstexte und deren Entstehungsprozesse verstehen zu können, ist auch die Kenntnis des allgemeinen politischhistorischen Kontextes notwendig. 7 In der vorliegenden Arbeit werden die Entstehungsprozesse in diesem Kontext gesehen. Die Darstellung der AusgangsJage und ihrer Determinanten wird im zweiten Kapitel vermittelt. Verfassungen werden in der vorliegenden Arbeit als Kompromisse im Streit der an den Entstehungsprozessen beteiligten Akteure und Institutionen begriffen. Das dritte Kapitel stellt diese Akteure und Institutionen - die Träger der Verfassungsprozesse - vor. Auf der Grundlage des ersten, zweiten und dritten Kapitels beschäftigt sich das vierte Kapitel mit der Entstehung des Bezirksverfassungsstatuts, das fünfte Kapitel mit dem Werdegang der Vorläufigen Verfassung von Groß-Berlin und das - den Schwerpunkt der Arbeit bildende - sechste Kapitel mit der Genese der endgültigen, heute noch in Kraft befindlichen Verfassung von Berlin. 5 Wolfgang Benz, Die Gründung der Bundesrepublik, Von der Bizone zum souveränen Staat, München 1984, S. 1%. 6 Uhlitz, Verfassungsgeschichte, S. 3. 7 Eine Verfassung ist immer - so schreibt Ferdinand Siebert - >>Niederschlag einer bestimmten geschichtlichen Situation im Leben eines Volkes, bei der aber auch das Erbe der Vergangenheit noch nachwirktEinheitsfront der vier antifaschistisch-demokratischen Parteien« unter gegenseitiger Anerkennung ihrer Selbständigkeit. 63 Ein gemeinsamer Ausschuß wurde geschaffen, in den jede Partei fünf Vertreter entsandte. Dieser Ausschuß sollte die Richtlinien der Politik festlegen und dabei alle Entscheidungen einstimmig fassen. Dadurch konnte die KPD sichergehen, daß es keine antikommunistische Koalition geben würde. Am 8. Dezember 1945 hoben die Leitungen der Berliner Parteiorganisationen der KPD, SPD, CDU und LDP den >>Einheitsblock Groß-Berlin« aus der Taufe, der den Magistrat bei ,.wichtigen Gesetzentwürfen und grundsätzlichen
60 Kar! Dietrich Erdmann, Das Ende des Reiches und die Neubildung deutscher Staaten, Gebhardt Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 22, München 9J980, S. 133. 61 Alle Aufrufe sind abgedruckt in: Berlin, Quellen und Dokumente 1945-1951, Hrsg.: Der Senat von Berlin, Schriftenreihe zur Berliner Zeitgeschichte, Bd. 4 (1. Halbbd.), Berlin 1964, Nr. 469--472, S. 755-768. 62 Walter Ulbricht, Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Aus Reden und Aufsätzen, Bd. 2: 1933-1946, Berlin 1953, S. 423. 63 Mitteilung über die Bildung des antifaschistischen Blocks der politischen Paneien in der sowjetischen Besatzungszone, 14. Juli 1945, in: Berlin, Quellen und Dokumente, 1. Halbbd., Nr. 473, S. 768-770, hier S. 769.
2.5. Die Neubildung von Parteien und Gewerkschaften
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Maßnahmen« beraten sollte. 64 Der von jeweils fünf Vertretern der vier Parteileitungen beschickte »Einheitsausschuß Groß-Berlin der vier antifaschistischen demokratischen Parteien« war dann auch an der Beratung der Magistratsentwürfe einer vorläufigen Berliner Verfassung beteiligt. Ende November 1946 wurde der für das Stadtgebiet von Berlin gebildete Parteienblock wieder aufgelöst, weil SPD, CDU und LDP ihn nach der Konstituierung der frei gewählten Stadtverordnetenversammlung als überflüssig betrachteten. Alle Bemühungen der Berliner SED, den Block neu zu beleben bzw. durch eine vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen SPD und SED zu ersetzen, wurden abgewiesen. Bereits am 15. Juni 1945 konstituierte sich ein »Vorbereitender Gewerkschaftsausschuß für Groß-Berlin« und erließ an die Arbeiter und Angestellten einen Aufruf, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Die neuen freien Gewerkschaften sollten unter Zusammenfassung aller vor dem Jahre 1933 bestehenden Gewerkschaftsrichtungen »eine Kampfeinheit zur völligen Vernichtung des Faschismus und zur Schaffung eines neuen demokratischen Rechtes der Arbeiter und Angestellten werden«. 65 Seit Herbst 1945 forcierte die KPD mit Unterstützung der sowjetischen Besatzungsmacht die Vereinigung mit der SPD zu einer Einheitspartei. Während in der Sowjetzone eine öffentliche Manifestierung sozialdemokratischen Widerstandes gegen eine organisatorische Vereinigung nicht möglich war, fand unter den Berliner Sozialdemokraten am 31. März 1946 eine Urabstimmung über die Einheitsfrage statt, die aber im Ostsektor von der sowjetischen Besatzungsmacht verhindert wurde und somit auf die Westsektoren beschränkt blieb. 82 % der abstimmenden Sozialdemokraten sprachen sich gegen den Zusammenschluß aus. 66 In den Westsektoren bauten nun die Vereinigungsgegner eine eigene sozialdemokratische Parteiorganisation auf. In der Sowjetzone und im Ostsektor ging im April 1946 aus der Fusion von KPD und SPD die >>Sozialistische Einheitspartei Deutschlands« ( SED) hervor. Ende Mai 1946 gestattete der Alliierte Kontrollrat die Tatigkeit sowohl der neugegründeten SED als auch der neuorganisierten - aus der Urabstimmung vom 31. März 1946 hervorgegangenen- SPD in allen vier Sektoren Berlins. 67 64 Neue Zeit, Tageszeitung der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands, vom 9. Dezember 1945. Der Block erließ einen Aufruf, unterzeichnet von Waldemar Schmidt, Walter Köppe, Bruno Baum, Hans Seigewasser und Elli Schmidt als Vertreter der KPD, Hermann Harnisch, Erich Lübbe, Dr. Otto Ostrowski, Carl Brandt und Käthe Kern als Vertreter der SPD, Kar! Brammer, Peter Even, Kurt Landsberg, Walter Rübe! und Dr. Anni Dienwiebel als Vertreter der CDU, Martin Stritte, Fritz Hausberg, Hans Freiherr von Boltog, Rolf Fehlau und Marga Müller-Kopisch als Vertreter der LDP; vgl. ebd. 65 Aufruf des Vorbereitenden Gewerkschaftsausschusses für Groß-Berlin vom 15. Juni 1945, in: Berlin, Quellen und Dokumente, 1. Halbbd., Nr. 474, S. 770-772, hier S. 771. 66 Vgl. Keesing's Archiv der Gegenwart vom 31. März 1946, S. 700 C. 67 Vgl. Kap. 5.4. der vorliegenden Arbeit.
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2. Die Ausgangslage
2.6. Die Stadtverordnetenwahlen vom 20. Oktober 1946 Ein politischer Wendepunkt in Berlin Aufgrund der von den Alliierten beschlossenen Vorläufigen Verfassung von Groß-Berlin wurde am 20. Oktober 1946 in ganz Berlin eine parlamentarische Vertretung der Berliner Bevölkerung - eine Stadtverordnetenversammlung für die Dauer von zwei Jahren frei gewählt. Hauptaufgabe der Stadtverordnetenversammlung sollte die Erstellung einer neuen Berliner Verfassung sein. Im Wahlkampf hatte die SED ihre Verdienste beim Wiederaufbau Berlins besonders herausgestellt. SPD, CDU und LDP führten ihren Wahlkampf vor allem gegen den überwiegenden Einfluß der SED im Magistrat. 68 Das Ergebnis der Stadtverordnetenwahlen, die nach dem Verhältniswahlsystem durchgeführt wurden, war eine schwere Niederlage für die SED und ein durchschlagender Erfolg - auch im Sowjetsektor- für die SPD. Während die SPD 48,7 %der Stimmen erhielt und somit zur weitaus stärksten Partei wurde, mußte sich die SED als drittstärkste Partei mit einem Stimmenanteil von 19,8 % begnügen. Die CDU erhielt 22,2 %, die LDP 9,3 % der Stimmen. Daß die Berliner Bevölkerung sich der Bedeutung der Wahlen bewußt war, zeigt die hohe Wahlbeteiligung, die 92,3 % betrug. Die SED war von dem Wahlergebnis tief enttäuscht. Das Zentralsekretariat der SED führte in einer Stellungnahme den Erfolg der Berliner SPD darauf zurück, daß sie »alle Schuld an der gegenwärtigen Not nicht dem Faschismus und dem Hitlerkrieg« zugeschrieben habe, >>sondern den sozialistischen Kräften, die nach dem Zusammenbruch den Mut besaßen, die Verantwortung und Führung in der Verwaltung zu übernehmen, und die unter schwersten Bedingungen große Aufbauarbeit geleistet haben«. 69 Die wirkliche Ursache der schweren Niederlage, die die SED bei den Wahlen erlitt. legt Wolfgang Leonhard, der damals als Mitarbeiter der Abteilung >>Schulung und Werbung>Die Revolution entläßt ihre Kinder« dar: >>Die Berliner Bevölkerung hatte nicht gegen uns gestimmt. so sagte ich mir. weil wir für den Sozialismus sind, sie hat auch nicht gegen aufopferungsvolle Mitglieder und Funktionäre gestimmt, die, soweit es möglich war. alles getan hatten. um die Not der Bevölkerung zu lindern. Sie hatte gegen uns gestimmt. weil sie -leider nicht zu Unrecht- in uns eine von der Sowjetunion abhängige Partei sah.« 70
68 Wahlaufrufe der Parteien sind abgedruckt in: Berlin, Quellen und Dokumente. I. Halbbd., Nr. 640, S. 1127-1135.
69 Zum Ergebnis der Wahlen arn 20. Oktober 1946, Stellungnahme des Zentralsekretariats der SED vom 22. Oktober 1946, in: Dokumente der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Beschlüsse und Erklärungen des Zentralsekretariats und des Parteivorstandes, Bd. l, Berlin (Ost) 2 1951, S. 110. 70 Leonhard, S. 400 f.
2.6. Die Stadtverordnetenwahlen vom 20. Oktober 1946
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An der SED haftete der Nimbus einer fremdbestimmten Partei. » ... the Russians were a millstone around the necks of the SED«, kommentierte die amerikanische Militärregierung treffend. 71 Aber nicht nur die enge Bindung der SED an die Sowjetunion, sondern auch die unter schwerem Druck zustande gekommene Vereinigung von KPD und SPD zur SED in der Sowjetzone, gegen die sich eine große Oppositionsgruppe innerhalb der SPD in den Berliner Westsektoren erfolgreich zur Wehr gesetzt hatte, darf in ihrer Wirkung auf die Berliner Oktoberwahlen nicht unterschätzt werden. Die Wahlen bezeichneten einen politischen Wendepunkt in Berlin, da die aus der kurzfristigen sowjetischen Alleinherrschaft herrührende - Vorherrschaft der SED im Magistrat und in sämtlichen Bezirksämtern gebrochen war. In der neuen Berliner Stadtregierung stellte die SED, um ihre gouvernementale Führungsrolle gebracht, lediglich den Zweiten Bürgermeister und die Stadträte für Arbeit und für Städtische Betriebe. Die wichtigsten Positionen wurden von der SPD besetzt. Der Oberbürgermeister, der Dritte Bürgermeister und sieben Stadträte gehörten dieser Partei an. Die CDU war mit dem Ersten Bürgermeister und drei Stadträten vertreten. Die LDP stellte zwei Stadträte. Mit Hilfe der sowjetischen Besatzungsmacht blieb der Einfluß der SED auf die politischen Verhältnisse in Berlin größer, als von den Wählern vorgesehen war. Den Sozialdemokraten aber zeigten sich sehr bald »die Grenzen ihrer Möglichkeiten beim Aufbau einer halbwegs freien Selbstverwaltung«. 72 Trotz ihres überwältigenden Wahlsieges und der Verbesserung ihrer Stellung im Magistrat und in sämtlichen Bezirksämtern war die SPD mit Behinderungen von sowjetischer Seite konfrontiert. So wurden im Ostsektor fünf der 32 Bezirksräte, die der SPD angehörten, von der sowjetischen Militärregierung nicht bestätigt. 73 Die Behinderungen spitzten sich im Frühjahr 1947 zu einer Krise um die Verwirklichung der Selbstverwaltung in Magistrat und Stadtverordnetenversammlung zu. So konnte der Sozialdemokrat Ernst Reuter, von der Stadtverordnetenversammlung am 24. Juni 1947 gegen die Stimmen der SED zum Oberbürgermeister gewählt, sein Amt nicht antreten, da die Sowjets ihre Zustimmung verweigerten. Es versteht sich fast von selbst, daß die Selbstverwaltungskrise Auswirkungen auf die Zusammenarbeit der Parteien und somit auch auf den verfassunggebenden Prozeß hatte.
71 Schreiben des Leiters der >>Civil Administration Branch« bei OMGBD, Louis Glaser, an den OMGBD-Chef, Oberst Frank L. Howley, vom 21. Oktober 1946, S. 1 f., in: LA Bin., OMGBS PAB 4/128-2/6. 72 Harold Hurwitz, Die Eintracht der Siegermächte und die Orientierungsnot der Deutschen 1945-1946, Demokratie und Antikommunismus in Berlin nach 1945, Bd. 3, Köln 1984, s. 254. 73 Vgl. ebd.
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2. Die Ausgangslage
2. 7. Die Reforminitiativen der Stadtverordnetenversammlung Die Stadtverordnetenversammlung hatte neben der schwierigen Aufgabe der Erarbeitung einerneuen Verfassung eine Reihe von umstrittenen Sachfragen zu lösen. Dabei handelte es sich vor allem um die Schul- und die Sozialisierungsfrage. Da versucht wurde, beide Fragen durch die Schaffung von Gesetzen zu lösen, konnten die Stadtverordneten bei den Verfassungsberatungen auf eine eingehende Behandlung dieser Themen verzichten. Am 13. November 1947 verabschiedete die Stadtverordnetenversammlung gegen die Stimmen der CDU ein Schulgesetz, das im Schnittpunkt von Einflüssen aus der Sowjetzone und den Westzonen stand und von der Alliierten Kommandantur nach langen Auseinandersetzungen bestätigt wurde.74 Dieses Schulgesetz lehnte sich an das im Mai und Juni 1946 von allen Länder- bzw. Provinzialverwaltungen der Sowjetzone verabschiedete »Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schule« an 75 und sah die Errichtung einer zwölfjährigen Einheitsschule vor. Ab dem 9. Schuljahr sollte sie sich in einen wissenschaftlichen und einen praktischen Zweig gabeln. Im Unterschied zur Sowjetzone war in Berlin die Zulassung von Privatschulen und die Erteilung von freiwilligem Religionsunterricht vorgesehen. 76 Neben der Schulfrage war die Sozialisierungsfrage umstritten. Die LDP trat gegen SPD. CDU und SED für eine konsequente Aufrechterhaltung der privaten Marktwirtschaft ein. Am 13. Februar 1947 verabschiedete die Stadtverordnetenversammlung gegen das Votum der LPP ein Gesetz zur Überführung von Konzernen und sonstigen wirtschaftlichen Unternehmen in Gemeineigentum. 77 Mit diesem Gesetz beschritt die Stadtverordnetenversammlung neue Wege gemeinwirtschaftlicher Gestaltung. Das Gesetz sah vor. daß zur Vergesellschaftung geeignete Konzerne, Großunternehmen und Monopolunternehmungen enteignet werden sollten. Die Entschädigungen waren nach Recht und Billigkeit festzusetzen und ruhten bis zu einem gesamtdeutschen Lastenausgleich. Als Enteignungsbehörde fungierte nach noch zu erlassenden Durchführungsbestimmungen der Magistrat. Einspruchsmöglichkeiten bestanden nur bei einem besonderen Ausschuß der Stadtverordnetenversammlung. Die enteigneten Großunternehmen wurden in ein selbständiges, gemeinwirtschaftliches Un-
74 Vgl. Sten. Ber. über die 47. (Ordentliche) Sitzung der StVV von Groß-Berlin (1. WP) am 13. November 1947, S. 14-67 u. 77 f. Das Gesetz wurde von der AKB durch BK/0 (48)88 vom 22. Juni 1948 mit Wirkung vom 1. Juni 1948 in Kraft gesetzt; vgl. LAZ Bin., Nr. 5970. 75 Zur Schulreform in der Sowjetzone vgl. Erdmann, S. 249-253; Hermann Weber, Geschichte der DDR, München 1985, S. 112 f. 76 Vgl. Text des Schulgesetzes für Groß-Berlin (VOBI. 1948 I S. 358). 77 V gl. Sten. Ber. über die 15. (Ordentliche) Sitzung der StVV von Groß-Berlin ( 1. WP) am 13. Februar 1947, S. 7-54.
2.7. Die Reforminitiativen der Stadtverordnetenversammlung
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ternehmen eingebracht, dessen Aufsichtsorgan aus Stadtverordneten, Magistrats- und Gewerkschaftsvertretern sowie aus Vertretern der Belegschaften und des Wirtschaftslebens bestand. Das Gesetz wurde von den Alliierten dilatorisch behandelt, da es keine Übereinstimmung gab. Nachdem die Stadtverordnetenversammlung aufgefordert worden war, sich über Umfang sowie Art und Weise der Überführung von Privateigentum in Gemeineigentum präziser zu äußern, verabschiedete sie am 19. September 1947 gegen die Stimmen der LDP eine Durchführungsverordnung zum Konzerngesetz. 78 Diese Verordnung betonte den Gedanken, die Überführung von Konzernen in Gemeineigentum auf Monopole und monopolähnliche Unternehmen zu beschränken. Zu einer Stellungnahme der Alliierten kam es nicht mehr. Die Initiativen der Stadtverordnetenversammlung zur gesellschaftlichen Neuordnung legen Zeugnis von der Atmosphäre ab, in der die Verfassung von Berlin geschaffen wurde. 79
78 Vgl. Sten. Ber. über die 43. (Außerordentliche) Sitzung der StVV von Groß-Berlin (I. WP) am 19. September 1947, S. 43-46. 79 Zu den Reformpositionen und -initiativen vgl. Jürgen Fijal.kowski et al., Berlin Hauptstadtanspruch und Westintegration, Schriften des Instituts für Politische Wissenschaft, Bd. 20, Köln und Opladen 1967; Marion Klewitz, Berliner Einheitsschule 1945-1951. Entstehung, Durchführung und Revision des Reformgesetzes von 1947/ 1948, Historische und pädagogische Studien, Bd. I, Berlin 1971; Amold Sywottek, Die »fünfte Zone«, Zur gesellschafts- und außenpolitischen Orientierung und Funktion sozialdemokratischer Politik in Berlin 1945-48, in: AfS, 13 (1973), S. 53-129.
3. Die Träger der verfassunggebenden Prozesse Als Träger der verfassunggebenden Prozesse gelten jene Akteure im »Handlungsfeld >Verfassungspolitik>die maßgeblich zur konzeptionellen und inhaltlichen Ausgestaltung einer Verfassung beigetragen und die Herstellung besorgt oder mitgestaltet haben«. 6 Diese Kriterien treffen auf Dr. Otto Suhr (SPD) zu. Als Vorsitzender des Verfassungsausschusses der Stadtverordnetenversammlung (1. und 2. Wahlperiode) nahm der Sozialdemokrat maßgeblichen Einfluß auf die Formulierung der Verfassung von Berlin. Bereits der SPD-Verfassungsentwurf, dem aufgrund der Mehrheitsverhältnisse in den verfassunggebenden Gremien eine besondere Bedeutung unter den Parteientwürfen zukam, trug die Handschrift von Otto Suhr. Für das Bezirksverfassungsstatut und die Vorläufige Verfassung lassen sich keine Verfassungsväter im definierten Sinne bestimmen.
6 Pfetsch, Verfassungspolitik der Nachkriegszeit, S. l30.
3.1. Die Parteien
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3.1. Die Parteien 3.1 .1. KPD Die KPD konstituierte sich als erste Partei im Nachkriegsdeutschland. Bereits am 11. Juni 1945 - einen Tag nach der Zulassung politischer Parteien durch den SMAD-Befehl Nr. 27 - trat das Zentralkomitee der KPD in Bcrlin mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit. Aus dem Kreis der Unterzeichner dieses Aufrufs sollten Ottomar Geschke, Hans Jendretzky und Otto Winzer später an der Schaffung des Bezirksverfassungsstatuts und der Magistratsentwürfe für eine vorläufige Berliner Verfassung, Geschke und Winzer dann auch an der Schaffung der Verfassung von Berlin beteiligt sein. 8 Der Aufruf wirkte wie eine Abkehr von den revolutionären Traditionen der Partei. 9 Die Verfasser verkündeten als politisches Ziel, »die Sache der Demokratisierung Deutschlands, die Sache der bürgerlich-demokratischen Umbildung, die 1848 begonnen wurde, zu Ende zu führen, die feudalen Überreste völlig zu beseitigen und den reaktionären altpreußischen Militarismus mit allen seinen ökonomischen und politischen Ablegern zu vernichten«. 10 »Deutschland das Sowjetsystem aufzuzwingen«, so hieß es, entspreche »nicht den gegenwärtigen Entwicklungsbedingungen in Deutschland«. 11 Vielmehr müsse der »Weg der Aufrichtung eines antifaschistischen, demokratischen Regimes, einer parlamentarisch-demokratischen Republik mit allen demokratischen Rechten und Freiheiten für das Volk« beschritten werden. 12 Die KPD forderte u. a. die »völlig ungehinderte Entfaltung des freien Handels und der privaten Unternehmerinitiative auf der Grundlage des Privateigentums«, die »Wiederaufrichtung der auf demokratischer Grundlage beruhenden Selbstverwaltungsorgane in den Gemeinden, Kreisen und Bezirken sowie der Provinzial- bzw. Landesverwaltungen und der entsprechenden Landtage«, »Schutz der Werktätigen gegen Unternehmerwillkür und übermäßige Ausbeutung«, »Enteignung des gesamten Vermögens der Nazibonzen und Kriegsverbrecher«, Aufteilung 7 Vgl. Kap. 2.5. der vorliegenden Arbeit.
8 Ottomar Geschke, Hans Jendretzky und Otto Winzer waren Mitglieder des ersten Berliner Nachkriegsmagistrats; Geschke und Winzer gehörten später der Stadtverordnetenversammlung ( 1. WP) an, der Zentralinstanz im Entstehungsprozeß der Verfassung von Berlin.
9 Die KPD der Weimarer Zeit lehnte den Parlamentarismus ab und propagierte die Diktatur des Proletariats und das Räte-(Sowjet-)System.
10 Aufruf der Kommunistischen Partei Deutschlands vom 11 . Juni 1945, in: Berlin, Quellen und Dokumente 1945-1951 , Hrsg.: Der Senat von Berlin, Schriftenreihe zur Berliner Zeitgeschichte, Bd. 4 ( 1. Halbbd.), Berlin 1964, Nr. 469, S. 755-761, hier S. 759. 11 Ebd. 12 Ebd.
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3. Die Träger der verfassunggebenden Prozesse
des Großgrundbesitzes »an die durch den Krieg ruinierten und besitzlos gewordenen Bauern«. 13 Die Schaffung eines »Blocks der antifaschistischen demokratischen Parteien« wurde gefordert: >>Wir sind der Auffassung, daß ein solcher Block die feste Grundlage im Kampf für die völlige Liquidierung der Überreste des Hitlerregimes und für die Aufrichtung eines demokratischen Regimes bilden kann.« 14 Der Gründungsaufruf vom II. Juni 1945 war die programmatische Basis für die Bemühungen der KPD um eine »antifaschistisch-demokratische« Umwälzung. Nicht die sozialistische Revolution stand auf der Tagesordnung, sondern die »antifaschistische Demokratie«, die ihrerseits die Möglichkeit einer Entwicklung zum Sozialismus in sich barg. Das KPD-Grundsatzprogramm zielte - so Dietrich Staritz - »auf die Entmachtung des agrarischen und industriellen Großbesitzes (Großgrundbesitz, Nazibonzen und Kriegsverbrecher) und sollte dazu beitragen, die Bauern, die städtischen Mittelschichten und das nicht nationalsozialistische Bürgertum als Bündnispartner zu gewinnen«. 15 Und >>gerade im Hinblick auf diese Bündnispartner verzichtete das ZK darauf, den Übergangscharakterder antifaschistisch-demokratischen Ordnung, d. h. deren Perspektive: den Sozialismus, zu betonen«. 16 Der Realisierung dieser Bündnispolitik sollte der »Block der antifaschistischen demokratischen Parteien« dienen, der- so Werner Müller - »Instrument zur Transmission der politischen Initiativen des ZK der KPD in die übrigen politischen Organisationen« und »als Instrument zur Verhinderung der Minorisierung der KPD ... umfassendes Kontroll- und Lenkungsorgan« sein sollteY Es war u. a. der Verzicht auf ein sozialrevolutionär akzentuiertes Programm, der ein Zusammengehen der KPD mit der SPD und den bürgerlichen Parteien bei der Schaffung des Bezirksverfassungsstatuts und der Magistratsentwürfe für eine vorläufige Berliner Verfassung ermöglichte. An den Entstehungsprozessen dieser Dokumente war die KPD aufgrund ihrer gouvernementalen Führungsrolle im Nachkriegsberlin maßgeblich beteiligt. Dabei bemühte sie sich, eine radikale Umgestaltung der unter sowjetischem Einfluß geschaffenen Verhältnisse zu vereiteln.
13 Ebd., hier S. 759 f. 14 Ebd., hier S. 7f:IJ. 15 Dietrich Staritz, Die Kommunistische Partei Deutschlands. in: Richard Stöss (Hrsg.). Parteien-Handbuch, Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945-1980, Bd. 2. Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin, Bd. 39, Opladen 1984, S. 1663-1809, hier S. 1683. 16 Ebd. 17 Werner Müller, Die KPD und die >>Einheit der Arbeiterklasse«, Campus Forschung, Bd. 73, Frankfurt am Main und New York 1979, S. 39.
3.1. Die Parteien
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3.1.2.SPD Der von Otto Gratewohl geführte Zentralausschuß der SPD - das Führungsorgan der SPD in der Sowjetzone und Berlin - forderte in seinem Gründungsaufruf vom 15. Juni 1945 unter der Parole »Demokratie in Staat und Gemeinde, Sozialismus in Wirtschaft und Gesellschaft« 18 u. a.: »Beseitigung aller Hemmungen der privaten Unternehmerinitiative unter Wahrung der sozialen Interessen«, »Aufteilung des Großgrundbesitzes zur Beschaffung von Grund und Boden für umsiedlungsbereite Großstädter«, »Verstaatlichung der Banken, Versicherungsunternehmungen und der Bodenschätze« sowie »Verstaatlichung der Bergwerke und der Energiewirtschaft«, »Beseitigung des arbeitslosen Einkommens aus Grund und Boden von Mietshäusern«. 19 Gegenüber dem KPD-Aufruf nahm sich der SPD-Aufruf stärker sozialistisch aus. Von den Unterzeichnern des SPD-Aufrufs sollten Max Fechner, Kar! Litke, Fritz Neubecker, Josef Orlopp und Hermann Schlimme später als Mitglieder der Berliner Stadtverordnetenversammlung (1. Wahlperiode) - Fechner und Litke auch als Mitglieder des Verfassungsausschusses - an der Schaffung der Verfassung von Berlin beteiligt sein. Bis auf Neuhecker gingen diese Sozialdemokraten den Weg in die SPD/KPD-Vereinigung mit und gehörten der Stadtverordnetenversammlung als SED-Vertreter an. Mit massiver Unterstützung der sowjetischen Besatzungsmacht betrieb die KPD seit Herbst 1945 die Bildung einer Einheitspartei mit der SPD. Während die Mehrheit des SPD-Zentralausschusses am 11. Februar 1946 der mehr und mehr erzwungenen Vereinigung zustimmte, forderten Vereinigungsgegner in der Berliner SPD-Bezirksorganisation eine geheime Urabstimmung aller Parteimitglieder über die Frage der Fusion. In den zwölf Bezirken der Westsektoren konnte die Urabstimmung, die vom Zentralausschuß abgelehnt wurde, am 31. März 1946 durchgeführt werden, in den acht Bezirken des Ostsektors wurde sie von der sowjetischen Besatzungsmacht nicht genehmigt. Bei der Abstimmung sprach sich die überwältigende Mehrheit der West-Berliner Sozialdemokraten (82 %) gegen einen sofortigen Zusammenschluß beider Arbeiterparteien aus. Der Zentralausschuß erkannte das Abstimmungsergebnis nicht an, woraufhin die Vereinigungsgegner sich zum Neuaufbau einer unabhängigen SPD in Berlin entschieden. Die sozialdemokratischen Befürworter der Vereinigung wechselten im April 1946 in die im Ostsektor neugegründete SED über. Ende Mai 1946 wurden alliierterseits sowohl die neugegründete SED als auch die selbständige SPD in allen vier Sektoren anerkannt. Auf dem Parteitag der westzonalen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands vom 29. Juni bis 2. Juli 1947 in Nürnberg erfolgte dann die organisatorische Eingliederung der Berliner SPD in die von Kurt Schumacher geführte Gesamtpartei. Der Landes18 Aufruf der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands vom 15. Juni 1945, in: Berlin, Quellen und Dokumente, 1. Halbbd., Nr. 470, S. 761-764, hier S. 762. 19 Ebd. , hierS. 763.
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3. Die Träger der verfassunggebenden Prozesse
vorsitzende der Berliner SPD, Franz Neumann, und die seinerzeit amtierende Oberbürgermeisterin Berlins, Louise Schroeder, wurden als unbesoldete Mitglieder des Parteivorstandes gewählt. Der selbständig gebliebenen Berliner SPD kam nach dem großen Wahlerfolg, den sie bei den Stadtverordnetenwahlen vom Oktober 1946 erzielen konnte, eine führende Rolle im Entstehungsprozeß der Verfassung von Berlin zu. Als verfassungspolitische Richtschnüre dienten der Partei (l) die Richtlinien der Gesamt-SPD für eine deutsche Verfassung, (2) der SPD-Entwurf eines Selbstverwaltungsgesetzes für die Stadt Berlin vom Juni 1930 und (3) die Feststellungen, die der Verfassungsausschuß der Stadtverordnetenversammlung im Stadium der Vorarbeiten getroffen hatte. 20 Im folgenden sollen diese Richtschnüre näher betrachtet werden. Eine Schwierigkeit bei der Ausarbeitung eines Berliner Grundgesetzes lag darin. daß es geschaffen werden mußte, bevor eine Gesamtstaatsverfassung vorlag. Für die SPD wurde die Aufgabe durch die Vorarbeiten der Gesamtpartei für eine deutsche Verfassung erleichtert. Bereits im September 1946 hatte der Parteivorstand in Hannover einen Verfassungspolitischen Ausschuß mit der Weisung eingesetzt, Richtlinien für den Aufbau der künftigen deutschen Republik auszuarbeiten. 21 Mitglieder dieses Ausschusses waren 1946 u. a. der Hamburger Bürgermeister Max Brauer, der bayerische Ministerpräsident Dr. Wilhelm Hoegner, der frühere Reichstagspräsident Paul Löbe, der NordrheinWestfälische Innenminister Dr. Walter Menzel, der Staatsrat in der Regierung von Württemberg-Baden und Leiter des Staatssekretariats in Württemberg-Hohenzollern, Dr. Carlo Schmid. und der Parteivorsitzende Dr. Kurt Schumacher. 22 1947 kamen noch die Berliner Verfassungsexperten Dr. Otto Suhr und Dr. Friedrich-Wilhelm Lucht hinzu. 23 Zwar verabschiedete der Ausschuß im November 1946 >>Richtlinien zum Aufbau des Reichs und der Länder«, eine Einigung mit den sozialdemokratischen Länderchefs, vornehmlich mit Bayerns Ministerpräsident Hoegner. war aber nicht erzielt worden. Im März 1947 beschloß dann der Partei vorstand, ohne daß er mit Hoegner einig geworden wäre, 20 Vgl. den Abschnitt »Richtlinien für die sozialdemokratische Verfassungspolitik>Die neue Verfassung von GroßBerlinDie neue Verfassung von Groß-Berlin«, S. 2, in: AdsD, SPD-Landesverband Berlin, 1170. 26 Vgl. Helga Grebing/Peter Pozorski/Rainer Schulze, Die Nachkriegsentwicklung in Westdeutschland 1945-1949, Studienreihe Politik, Bd. 7, b) Politik und Gesellschaft, Stuttgart 1980, S. 204. 27 Protokoll der Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands vom 29. Juni bis 2. Juli 1947 in Nümberg, Harnburg o. J., S. 133.
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3. Die Träger der verfassunggebenden Prozesse
»Von vomherein dem Reiche zu lassen, was des Reiches ist, und nicht jetzt für die Länder etwas beanspruchen, was ihnen bei der endgültigen Gestaltung des deutschen Staatsaufbaues nicht verbleiben soll. Andererseits ist auch für kürzere Zeit nicht ohne eine gesetzmäßige Normierung der Ländergewalt auszukommen. Jede Länderverfassung aber sollte mit dem Satz anfangen, daß die Länder nur Bestandteile der deutschen Republik sein können.« 28 In den Richtlinien, die der Parteitag verabschiedete, hieß es: »Die Verfassungen der Länder dürfen nichts enthalten, was der Reichseinheit entgegenstehen kann. Daher haben die Länderverfassungen einen Vorbehalt aufzunehmen, daß Reichsrecht Länderrecht bricht. Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung müssen diesen Grundsätzen folgen.«29 Der politische Aufbau und die politische Willensbildung innerhalb der Länder sollten im großen und ganzen dem Aufbau und der Willensbildung im künftigen Reich entsprechen. Die Einsetzung eines Staatspräsidenten in den Ländern wurde abgelehnt, »weil« -so Menzel - »sie eine zu starke Betonung föderalistischer Elemente wäre und zu leicht zum Separatismus führen könnte«. 30 Die zentralstaatliche Optik schloß die Verankerung eines Staatspräsidenten in den Verfassungen der Gliedstaaten aus. Die Einrichtung einer zweiten Kammer in den Ländern stieß ebenfalls auf Ablehnung. Menzel führte aus: »Für die Gesamtrepublik läßt sich auf Grund der bundesstaatliehen Struktur eine solche zweite Kammer in Form des Reichsrats nicht vermeiden, aber daraus resultiert noch nicht zwangsläufig, daß auch in den Ländern die Gesetzgebung und das freie Wirken der repräsentativen Demokratie durch das Dazwischenschalten einer weiteren Kammer gehemmt werden darf.« 31 Die SPD glaubte, bei der Schaffung der Landesverfassungen auf Normierung von Grundrechten, insbesondere auf Bestimmungen zur Wirtschafts- und Sozialordnung verzichten zu können - in der Annahme, die Ausgestaltung der Gesamtstaatsverfassung entscheidend beeinflussen zu können und die politische Führungsrolle in der künftigen deutschen Republik übernehmen zu können. Sozioökonomische Neuordnungsziele sollten auf die spätere Konstituierung eines deutschen Nationalstaates vertagt werden. Es war »der SPD nur wichtig, der zentralen Bundesregierung alle Möglichkeiten zur Durchsetzung ihrer Neuordnungsvorstellungen zu geben und Einsprüche anderer politischer Kräfte wie etwa der Länder weitgehend auszuschließen«. 32 Neben den Richtlinien der Gesamtpartei für eine deutsche Verfassung diente der SPD-Entwurf eines Berliner Selbstverwaltungsgesetzes vom Juni 1930 als 28 Ebd. 29 Richtlinien für den Aufbau der Deutschen Republik, in: ebd., S. 225-227. hier S. 225. 30 Protokoll der Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, S. 133. 31 Ebd. 32 Grebing/Pozorski/Schulze, S. 204.
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RichtschnurY Dieser Entwurf war entscheidend vom damaligen Bezirksbürgermeister von Kreuzberg, Dr. Carl Herz, gestaltet worden, so daß mitunter vom »Herzschen Entwurf« gesprochen wurde. 34 Nach Ansicht der SPD konnte der Gesetzentwurf auch noch im Jahre 1947 »für die Lösung zahlreicher Einzelfragen der Berliner Verwaltung als maßgebend angesehen werden«. 35 Insbesondere enthielt der Entwurf interessante Vorschläge für die schwierige Aufgabenverteilung zwischen Haupt- und Bezirksverwaltung. Otto Suhr hatte bereits bei den Vorarbeiten im Verfassungsausschuß der Stadtverordnetenversammlung die Ansicht vertreten, daß die Herzsehe Konzeption »eine erwägenswerte Lösung für die schwierige Ausbalancierung zwischen Zentralismus und Dezentralismus« zu bieten habe. 36 Außerdem dienten die Feststellungen, die der Verfassungsausschuß der Stadtverordnetenversammlung unter maßgeblicher Beteiligung der SPD im Stadium der Vorarbeiten getroffen hatte, als Richtschnur für die Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfs. 37 3.1.3. CDU
Mit der CDU, die am 26. Juni 1945 mit einem Gründungsaufruf an die Öffentlichkeit trat, entstand »eine interkonfessionell-christliche, breite Schichten der Bevölkerung ansprechende bürgerliche Sammlungspartei«. 38 Sie faßte verschiedene politische Strömungen des bürgerlichen Lagers zusammen, und zwar »große Teile des politischen Katholizismus, des deutschnationalen, protestantischen Konservatismus, aber auch Teile des liberalen und demokratischen Bürgertums«. 39 Auf den Sammlungscharakter deutet schon der Name »Union« hin. In dem Aufrufvom 26. Juni 1945 hieß es: »Aus dem Chaos von Schuld und Schande, in das uns die Vergottung eines verbrecherischen Abenteurers ge33 Der Entwurf ist abgedruckt in: Drucksache Nr. 58/Vorlage Nr. 410 für die StVV von Groß-Berlin (1. WP), Ausgegeben am 28. August 1947, S. 47-55. 34 Dr. Carl Herz galt als >>hervorragender Kommunalpolitiker und Verwaltungsfachmann«, als »hervorragender und schöpferischer Könner voller Reformideen, verbunden mit ungeheurem FachwissenDie neue Verfassung von Groß-Berlinweniger kirchlich orientierte Auffassungen ... , als dies selbst bei CDU-Gründungen im Westen der Fall war, die unter einem starken katholisch-gewerkschaftlichen Einfluß standen«.45 Zunächst verstand sich die in Berlin gegründete und für die Sowjetzone und Berlin zuständige CDU unter dem Vorsitzenden Dr. Andreas Hermes als bürgerliche Partei. Als Hermes und sein Stellvertreter Dr. Dr. Walther Schreiber im Dezember 1945 von der sowjetischen Militärregierung abgesetzt wurden und Jakob Kaiser mit Ernst Lemmer an die Führungsspitze der CDU gelang-
40 Aufruf der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands vom 26. Juni 1945, in: Berlin, Quellen und Dokumente, 1. Halbbd., Nr. 471, S. 764-766, hier S. 764. 41 Ebd. 42 Ebd., S. 765. 43 Ebd. 44 Ebd. 45 Haro1d Hurwitz, Die politische Kultur der Bevölkerung und der Neubeginn konservativer Politik, Demokratie und Antikommunismus in Berlin nach 1945, Bd. 1, Köln 1983, s. 250.
3.1. Die Parteien
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te, 46 vollzog die Partei durch Akzentuierung sozialistischer Elemente »einen deutlichen Schritt nach links«.47 Im Gegensatz zur SPD verfügten die in allen Teilen Nachkriegsdeutschlands neugegründeten Unionsparteien - aufgrund der fehlenden zentralen Organisation und starker regionaler Gegensätze48 - bei der Schaffung von Landesverfassungen über keine einheitlichen, für die gesamte Partei verbindlichen Richtlinien. Den Berliner Christdemokraten lagen aber Vorschläge für eine gesamtdeutsche Verfassung vor, die von der CDU der Sowjetzone und Berlins unter maßgeblicher Beteiligung des Staatsrechtslehrers Professor Dr. Hans Peters erarbeitet worden waren. Peters sollte dann auch an der Gestaltung des Entwurfs einer Berliner Verfassung durch den Berliner CDU-Bezirksverband maßgebend beteiligt sein. Am 13. März 1946 konstituierte sich in Berlin ein Verfassungsausschuß der CDU der Sowjetzone und Berlins, der in Form von Thesen Richtlinien für eine neue deutsche Verfassung aufstellte. Mitglieder dieses Berliner Ausschusses waren neben Professor Dr. Hans Peters die Rechtsanwälte und Notare Dr. Dr. Helmut Brandt und Dr. Alfred Pollack, der Journalist Hermann Remeie und der nachmalige stellvertretende Direktor der Verwaltung für Wirtschaft in der Bizonen-Verwaltung, Dr. Walter Strauß. 49 Der Ausschuß behandelte die von Peters aufgestellten »Thesen zur Verfassungs-Politik« und beschloß am 23 . April 1946 14 Thesen. 50 Gefordert wurde ein deutscher Gesamtstaat »auf föderativer Grundlage«. 5 1 Gesamtstaat und Länder sollten »nach dem Grundsatz weitgehender Dezentra46 Der Konflikt zwischen der sowjetischen Militärregierung und den beiden CDU-Vorsitzenden hatte sich an deren Haltung gegenüber der sowjetzonalen Bodenreform entzündet; vgl. Peter Hermes, Die Christlich-Demokratische Union und die Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands im Jahre 1945, Saarbrücken 1963. 47 Rudolf Uertz, Christentum und Sozialismus in der frühen CDU, Grundlagen und Wirkungen der christlich-sozialen Ideen in der Union I 945-I 949, Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Nr. 43, Stuttgart 1981 , S. 68. 48 Die Bemühungen des in Berlin ansässigen Vorstandes der CDU der Sowjetzone und Berlins, die christlich-demokratische Bewegung aller Besatzungszonen nach Berlin zu zentrieren, blieben erfolglos; vgl. Jürgen Fijalkowski et al., Berlin- Hauptstadtanspruch und Westintegration, Schriften des Instituts für Politische Wissenschaft, Bd. 20, Köln und Opladen 1967, S. 53-67. 49 Vgl. Christlich-Demokratische Union Deutschlands, Sekretariat des Verfassungs-Ausschusses, Aktenvermerk über die Sitzung des Verfassungs-Ausschussesam 13. März 1946, in: HZ-Archiv, Nachlaß Walter Strauß, 138.
50 Vgl. Christlich-Demokratische Union Deutschlands, Sekretariat des Verfassungs-Ausschusses, Aktenvermerk über die Sitzung des Verfassungs-Ausschusses am 23. April 1946, in: ebd.
51 Ebd., S. I.
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3. Die Träger der verfassunggebenden Prozesse
lisation« aufgebaut werden. 52 »Jede Aufgabe ist vom untersten dazu geeigneten Verband zu erfüllen. Dabei soll bei der Behördenbildung der Grundsatz der Einheit der Verwaltung möglichst verwirklicht werden.« 53 Der »Ländertag« sollte als gleichberechtigtes Organ neben dem »Reichstag« zur Hälfte aus Vertretern der Landesregierungen und zur anderen Hälfte aus von den Landtagen gewählten Vertretern bestehen. Die »Reichsregierung« bedurfte des Vertrauens beider Kammern. Ein Rücktritt der Regierung war von einem »übereinstimmenden Mißtrauensvotum beider Häuser mit 413 Mehrheit« abhängig. 54 Der >>Reichspräsident« sollte durch den Ländertag gewählt werden. Mit Zustimmung des Ländertages konnte der Reichspräsident den Reichstag auflösen.55 Auf die Thesen des Berliner Verfassungsausschusses indirekt Bezug nehmend, trug Jakob Kaiser- der Vorsitzende der CDU in der Sowjetzone und Berlin- auf dem CDU-Parteitag am 16. Juni 1946 vor: >>Ein Zweikammersystem, ein Reichstag und ein Ländertag, eine gesunde Teilung der Gewalten und Zuständigkeiten könnten Gewähr genug dafür bieten, daß die Synthese zwischen Eigenständigkeil der Länder und staatlicher Einheit des deutschen Volkes geschaffen würde, so daß von Zentralismus keine Rede mehr sein kann.« 56 Anfang Februar 1947 wurde die >>Arbeitsgemeinschaft der CDU/CSU« von Vertretern der Unionsparteien aus allen vier Besatzungszonen gegründet, >>gleichsam als Ersatz für eine gemeinsame Parteizentrale, die sie aber nie wurde«. 57 Der von ihr berufene Verfassungsausschuß legte Ende April 1947 in Heppenheim an der Bergstraße Richtlinien für eine künftige Verfassung Deutschlands fest, wobei die Thesen des Berliner Verfassungsausschusses Berücksichtigung fanden. 58 Bereits im Oktober 1946 formulierte Hans Peters im CDU-Organ >>Neue Zeit« erste Gedanken über eine Verfassung für Berlin. Der Staatsrechtslehrer sah Berlin >>als die Stadt, in der die Fäden eines künftigen föderalistischen 52 Ebd. 53 Ebd. 54 Ebd., S. 2. 55 Zu den Vorstellungen des Berliner Verfassungsausschusses vgl. Richard Ley. Föderalismusdiskussion innerhalb der CDU/CSU von der Parteigrundung bis zur Verabschiedung des Grundgesetzes, Beiträge zu Wissenschaft und Politik. Bd. 17. Mainz 1978, S. 30 f.; vgl. auch Hurwitz. Politische Kultur. S. 262. 56 Auf dem Parteitag der CDUD, Berlin, 16. Juni 1946. in: Jakob Kaiser. Wir haben Brücke zu sein, Reden, Äußerungen und Aufsätze zur Deutschlandpoliti.k. Hrsg.: Christian Hacke, Köln 1988, S. 132-142, hier S. 139. 57 Die CDU/CSU im Parlamentarischen Rat, Sitzungsprotokolle der Unionsfraktion. eingel. u. bearb. von Rainer Salzmann, Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte. Bd. 2. Stuttgart 1981, S. XXVI. 58 Vgl. Bemerkungen über die Arbeit des Verfassungs-Ausschusses in Heppenheim a.d.B. vom 28.-30. April 1947, in: ACDP, Nachlaß Wilhelm Laforet, I-122--Dl4/l. Der Heppenheimer Verfassungsausschuß trat erstmals am 10. März 1947 zusammen; vgl. Die CDU/CSU im Parlamentarischen Rat, S. XXVI.
3.1. Die Parteien
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Staates zusammenlaufen und in der der Umschlag der geistigen und politischen Güter zwischen Ost und West, der große Ausgleich der Spitzen verschiedener politischer Wertsysteme stattfindet«. 59 Demnach sollte Berlin im künftigen deutschen Gesamtstaat, den Peters sich als dezentralisierten Einheitsstaat vorstellte, die Aufgabe haben, gewissermaßen Brücke zwischen Ost und West zu sein. Diese Brückenfunktion war nach Peters Ansicht nur mit einer Berliner Verfassung zu erfüllen, »die eine weltoffene, vom Geiste der Völkerversöhnung getragene, bewußt auf Ausgleich eingestellte Haltung an den Tag legt«. 60 So stand zu erwarten, daß die Berliner CDU eine Verfassungspolitik des Ausgleichs, des vorsichtigen Lavierens verfolgen würde. Wenn Berlin die Brücke zwischen den konkurrierenden Weltmächten sein sollte und somit das Muster für Gesamtdeutschland abgeben sollte, dann mußte die Verfassung Berlins entsprechend gestaltet sein. Die Konzeption einer Ost-West-Synthese, die auf deutschem Boden bzw. in Berlin erfolgen sollte, ging auf Jakob Kaiser zurück. Dieser hatte am 13. Februar 1946 vor dem Vorstand der sowjetzonalen CDU von der »geschichtlichen Aufgabe Deutschlands« gesprochen, »im Ringen der europäischen Nationen die Synthese zwischen östlichen und westlichen Ideen zu finden. Wir haben Brücke zu sein zwischen Ost und West, zugleich aber suchen wir unseren eigenen Weg zu gehen zu neuer sozialer Gestaltung.« 61 Harold Hurwitz stellt fest: »Als Brücke hatte Deutschland vor allem die Aufgabe, einen möglichen Krieg zwischen der UdSSR und den Westmächten zu verhindern. In Erfüllung dieser Aufgabe konnte Deutschland zu sich finden, eine eigene Identität als Nationalstaat aufbauen und zu einem blockfreien Raum werden.« 62 Als Pendant zum Brückenkonzept hatte das Konzept des »christlichen Sozialismus« die Funktion, einem Systemkonflikt zwischen Ost und West entgegenzuwirken und somit die Gefahr einer Teilung Deutschlands zu bannen.63 Im Sommer 1947 arbeitete Peters gemeinsam mit seinen Parteifreunden Dr. Valentin Kielinger- Leiter der Abteilung für Rechtswesen beim Berliner Magistrat - und Professor Kurt Landsberg - Vorsitzender der CDU-Stadtverordnetenfraktion -den Entwurf einer Berliner Verfassung aus. Da die Vorarbeiten für eine deutsche Verfassung - d. h. die Thesen des Berliner Verfassungsausschusses und die Grundsätze des Heppenheimer Verfassungsausschusses nicht auf die Frage der konkreten Ausgestaltung der Landesverfassungen ein59 Neue Zeit, Tageszeitung der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands, vom 11. Oktober 1946.
60 Ebd. 61 Der soziale und staatspolitische Wille der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands, Vorstandssitzung, Berlin, 13. Februar 1946, in: Kaiser, Brücke, S. 86-99, hier s. 90. 62 Hurwitz, Politische Kultur, S. 312. 63 Vgl. ebd., S. 317. Zur Konzeption des christlichen Sozialismus vgl. auch WemerConze, Jakob Kaiser, Politiker zwischen Ost und West 1945-1949, Stuttgart, Berlin, Köln und Mainz 1969, S. 29-41.
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3. Die Träger der verfassunggebenden Prozesse
gingen, dienten eher die bereits vorliegenden Verfassungen anderer deutscher Länder als Orientierungshilfen, ebenso der Entwurf, den die CDU bei der Schaffung von Landesverfassungen in der Sowjetzone dem SED-Entwurf entgegengestellt hatte. 64 Außerdem wurden die Feststellungen berücksichtigt, die der Verfassungsausschuß der Stadtverordnetenversammlung im Stadium der Vorarbeiten getroffen hatte. 65 Der Verfassungsvorschlag der dreiköpfigen Expertenkommission wurde modifiziert - als CDU-Verfassungsentwurf der Stadtverordnetenversammlung von Groß-Berlin vorgelegt. U. a. schrieb die Konzeption den Landesstatus für Berlin, das Prinzip der Gewaltenteilung und die Verwaltung der Bezirke nach der sogenannten Süddeutschen Ratsverfassung fest. In den Grundrechtsteil flossen die Prinzipien christlicher Ethik und sozialer Verantwortung ein. 3.1.4. LDPIFDP
Die bürgerlich-liberale LDP. die sich ebenso wie KPD, SPD und CDU als Partei für ganz Deutschland verstand, bekannte sich in ihrem Gründungspapier vom 5. Juli 1945 zur »Neugestaltung des deutschen Gemeinschaftslebens auf wahrhaft demokratischer Grundlage« in traditionellliberalem Sinne >>mit dem Ziele politischer. wirtschaftlicher. sozialer und kultureller GerechtigkeitOnly unanimous decisions. agreed by all the representatives of the four nations, will be valid«, hieß es in der Geschäftsordnung. 103 Diese Regelung war von sehr weitreichender Bedeutung für den Ablauf der Entscheidungsprozesse und somit auch für die Verfassunggebung. 100 OMGBD, >>Six Months Report«, 4. Januarbis 3. Juli 1946, S.41. in: LA Bin.. OMGUS CO Hist Br 5/35-3/3. 101 Ebd. I 02 Anfänglich war ein 15tägiger Wechsel im Vorsitz festgelegt. Das wurde jedoch alsbald abgeändert und mit der Regelung in Einklang gebracht, die im AKR bestand. 103 BK/R(46)40 vom 19. Januar 1946, englischsprachige Fassung, S. I. in: LA Bin., OMGBS Dir Off 5/56-1/1 .
3.3. Die Alliierte Kommandantur
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In der Zeit von 1945 bis 1948 beschloß die Alliierte Kommandantur insgesamt 1168 Befehle - »Berlin Kommandatura/Order« (BK/0) -, die sie an den Berliner Oberbürgermeister gab. Mit BK/0(45)80 vom 12. September 1945 104 legte sie das Bezirksverfassungsstatut vor, mit BK/0(46)326 vom 13. August 1946 105 die Vorläufige Verfassung von Groß-Berlin. Die Alliierte Kommandantur war direkt dem in Berlin-Schöneberg, Potsdamer Straße und Elßholzstraße, institutionalisierten Alliierten Kontrollrat für Deutschland unterstellt, der obersten Besatzungsbehörde für alle Deutschland als Ganzes betreffenden Angelegenheiten. »The Inter-AIIied Kommandatura is responsible to the Control Council of the Allied Control Authority for the administration of Greater Berlin«, hieß es in den Richtlinien über die Aufgaben der Alliierten Kommandantur. 106 Der eigentliche Kontrollrat als oberste Spitze der gesamten Kontrollratsbehörde bestand aus den vier Militärgouverneuren der Zonen, die zugleich die Oberbefehlshaber der alliierten Besatzungstruppen waren. Die vier Stellvertreter der Militärgouverneure bildeten das Koordinierungskomitee. In diesem Gremium fand in der Regel die Sachdiskussion des Kontrollrats statt; die Militärgouverneure »beschränkten sich auf die Beschlußfassung oder, was mit zunehmend schlechter werdenden Beziehungen zwischen den Verbündeten der häufigere Fall wurde, sie konstatierten, daß keine Übereinstimmung erzielt werden konnte«. 107 Dem Koordinierungskomitee unterstand ein Kontrollstab, der sich aus zwölf, später zehn Direktorien zusammensetzte, von denen jedes mit je einem Vertreter der vier Besatzungsmächte besetzt war. Nachgeordnet waren Ausschüsse und Unterausschüsse für Spezialaufgaben. Schließlich verfügte die Kontrollbehörde über ein Sekretariat und ein Verwaltungsbüro. Einstimmigkeit war Voraussetzung aller Entscheidungen des Alliierten Kontrollrats. Fragen, über die in der Alliierten Kommandantur keine Einigkeit erzielt wurde, waren dem -aus den vier stellvertretenden Militärgouverneuren bestehenden - Koordinierungskomitee des Alliierten Kontrollrats zur Beschlußfassung zu übergeben. »Questions considered by the Allied Kommandatura Berlin at which unanimous agreement cannot be reached will at the request of
104 In: AOF, Services FranFunctions of Allied Kommandatura Berlin, Proposed 27 November 1945 and approved by the Allied Coordinating Committee 21 December 1945Sowjetische ZentralKommandatura«, SZK - mit Sitz in Berlin-Mitte, Luisenstraße (heute Hermann-Matern-Straße). Jede der vier sektoralen Militärregierungen war der jeweiligen Militärregierungszentrale unterstellt. Die Militärregierung des amerikanischen Sektors unterstand dem >>Office of Military Government for Germany (United States)«, OMGUS. mit Sitz in Berlin-Dahlem, Kronprinzenallee (heute Clayallee). Die Militärregierung des britischen Sektors unterstand der >>Control Commission for Germany (British Element)«. CCG (BE), die zwei lokal getrennte Führungsspitzen besaß: eine beim Alliierten Kontrollrat in Berlin arbeitende Gruppe mit Sitz in Berlin-Wilmersdorf. Fehrbelliner Platz, und die >>Zonal Executives Offices« in Bünde, Herford. Lübbecke, Minden u.a.a.O., die um das militärische Hauptquartier in Bad Oeynhausen gruppiert waren. Die Militärregierung des französischen Sektors unterstand der >>Groupe Fran~ais du Conseil de Contröle«, GFCC. mit Sitz in Berlin-Heiligensee, Schulzendorfer Straße, bzw. den beiden Militärregierungsspitzen. die bis 1948 in Baden-Baden nebeneinander bestanden: dem >>Cabinet Civil« des französischen Militärgouverneurs- des >>Commandant en Chef Fran~ais en Allemagne«, CCFA- und dem >>Gouvernement Militaire pour Ia Zone Fran~aise d 'OccupationSowjetischen Militäradministration in DeutschlandFunctions of Allied Kommandatura Berlin, Proposed 27 November 1945 and approved by the Allied Coordinating Committee 21 December 1945Administrateur General
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