Verbindlichkeit der Bundesgrundrechte bei der Anwendung von Gemeinschaftsrecht durch deutsche Staatsorgane [1 ed.] 9783428419197, 9783428019199


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German Pages 198 [200] Year 1969

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Verbindlichkeit der Bundesgrundrechte bei der Anwendung von Gemeinschaftsrecht durch deutsche Staatsorgane [1 ed.]
 9783428419197, 9783428019199

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 103

Verbindlichkeit der Bundesgrundrechte bei der Anwendung von Gemeinschaftsrecht durch deutsche Staatsorgane Von Günter Gorny

Duncker & Humblot · Berlin

GÜNTER

GORNY

V e r b i n d l i c h k e i t der Bundesgrundrechte b e i der A n w e n d u n g v o n Gemeinschaftsrecht d u r c h deutsche Staatsorgane

Schriften

zum

öffentlichen B a n d 103

Recht

Verbindlichkeit der Bundesgrundrechte bei der Anwendung von Gemeinschaftsrecht durch deutsche Staatsorgane

Von Dr. G ü n t e r

D U N C K E R

&

Gorny

H U M B L O T

/

B E R L I N

Alle Rechte vorbehalten © 1969 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1969 bei Alb. Sayffaerth, Berlin 61 Printed in Germany D 6

Für

Helga

Vorwort

Die Abhandlung hat i m Frühjahr 1968 der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster als Dissertation vorgelegen. Für den Druck wurden Rechtsprechung und Schrifttum bis etwa Anfang August 1968 nachgetragen. Herr Prof. Dr. Giesbert Uber hat die Arbeit angeregt und betreut. Für kritischen Rat und vielfältige Förderung sage ich meinem verehrten Lehrer herzlichen Dank. Herrn Prof. Dr. Friedrich

Klein danke ich für wertvolle Hinweise.

Schließlich gilt mein Dank Herrn Ministerialrat a. D. Dr. Johannes Broermann für die Aufnahme der Abhandlung i n sein Verlagsprogramm. Leverkusen, i m August 1969 Günter Gorny

Inhaltsverzeichnis

I. Gegenstand und Notwendigkeit

der Untersuchung

II. Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Diskussion über die Zuordnung des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht im Hinblick auf das Verhältnis zum Grundgesetz, insbesondere zu den Grundrechten

11

21

1. Systematischer Standort der Grundrechtsfrage i m Schrifttum

21

2. Methodenunterschiede i m Schrifttum zur Rangfrage

23

3. Unergiebigkeit bzw. Unerheblichkeit des Gemeinschaftsrechts für die Rangfrage

24

a) Völkerrechtliche Auffassung

24

aa) Gemeinsame Grundlagen hinsichtlich des allgemeinen V e r hältnisses zum deutschen Recht

24

bb) Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Verfassungsrecht, insbesondere zu den Grundrechten

27

cc) Verhältnis speziell des Sekundärrechts zu den Grundrechten

29

b) Gemeinschaftsfreundlicher Pragmatismus

32

c) Spezielle verfassungsrechtliche Rangbestimmung für das Gemeinschaftsrecht

33

d) Bundesstaatsähnliche Integration ohne V o r r a n g w i r k u n g

37

e) Zusammenfassung

38

4. Erheblichkeit des Gemeinschaftsrechts für die Rangfrage

39

a) Verfahrensrechtliche Lösung

39

b) Bundesstaatsähnliche Integration m i t V o r r a n g w i r k u n g

42

aa) Gemeinsame Grundlagen hinsichtlich des allgemeinen V e r hältnisses zum deutschen Recht

42

bb) Dinglicher Verzicht auf Hoheitsrechte

43

cc) Theorie der verfassungskräftigen Selbstbindung

45

dd) Vorrang k r a f t bundesstaatlicher Analogie

46

ee) Zusammenfassung

47

8

Inhaltsverzeichnis c) Lösungen aus dem Gemeinschaftscharakter des Gemeinschaftsrechts

48

aa) Gemeinsamer Grundgedanke

48

bb) A b l e i t u n g des Vorrangs k r a f t des Effektivitätsgrundsatzes

48

cc) A b l e i t u n g des Vorrangs aus A r t . 189 Abs. I I E W G V und dem Prinzip der Funktionsfähigkeit

49

dd) A b l e i t u n g des Vorrangs aus der Selbständigkeit der Gemeinschaftsrechtsordnung

51

ee) Zusammenfassung

53

5. Ergebnisse der Bestandsaufnahme

III. Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts vor dem nationalen Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland 1. Begriff und Grundlagen der Prävalenz

53

55 55

a) Der Vorrangsbegriff nach der Lehre von der Rangordnung der Rechtsquellen

56

b) Rechtstheoretische Grundlagen der Rangordnungslehre und ihre Bedeutung für die Rangfrage

60

2. Keine Prävalenz k r a f t Höherrangigkeit

68

a) Der Vorrang des Bundesrechts i m Bundesstaat als Modell für das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und nationalem Verfassungsrecht

68

b) K e i n allgemeiner Grundsatz: Gemeinschaftsrecht bricht nationales Verfassungsrecht

71

3. Prävalenz k r a f t Ermächtigung durch nationales Verfassungsrecht

81

a) Das Zusammenwirken von Gemeinschaftsrecht u n d nationalem Verfassungsrecht bei der Kollisionsentscheidung

81

aa) Methodische Vorbemerkung

81

bb) Rechtliche Qualifizierung der Gemeinschaftsrechtsordnung

84

cc) Der Rechtsgrund der innerstaatlichen Verbindlichkeit des Gemeinschaftsrechts

95

b) Umfang des Geltungsanspruchs des Gemeinschaftsrechts

102

aa) Die innerstaatliche Verbindlichkeit der verschiedenen N o r mengruppen des Gemeinschaftsrechts 102 bb) Der Geltungsanspruch der verschiedenen Normengruppen des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem Verfassungsrecht, insbesondere gegenüber den Grundrechten 109

Inhaltsverzeichnis c) Die verfassungsdurchbrechende rechts

W i r k u n g des Gemeinschafts114

aa) Die notwendige Verfassungsmäßigkeit des innerstaatlichen Anwendungsbefehls 114 bb) Der Begriff der Verfassungsdurchbrechung

118

cc) A r t . 24 Abs. I GG als Ermächtigung zu Verfassungsdurchbrechungen 122 4. Zusammenfassung I V . Deutsche Grundrechte

131 und Gemeinschaftsrecht

135

1. Prävalenz des Gemeinschaftsrechts als Einschränkung der G r u n d rechtsgeltung 135 2. Wesensgehaltsgarantie als Durchbrechungsschranke gegenüber p r i märem und sekundärem Gemeinschaftsrecht 138 a) Unverbrüchlichkeit der Grundrechte

138

b) Unanwendbarkeit des Grundsatzes struktureller Kongruenz auf die Gewährleistung des Wesensgehalts 143 c) Zulässigkeit u n d Grenzen rechtseinschränkungen

gemeinschaftsrechtlicher

Grund150

3. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit nationaler Verfassungskontrolle 155 4. Mittelbare Verfassungskontrolle gericht V. Zusammenfassung

und Ergebnisse

durch, das Bundesverfassungs164 169

Schrifttumsverzeichnis

171

Sachregister

193

Verzeichnis der A b k ü r z u n g e n

ArchVR AWD BerDGesVöR BFH BGG DJT EAG EAGV EGKS EGKSV EuGH EuGHE EuR Europa-Arch. EVG EvStL EWG EWGV FIDE HdbBesatzungsrecht HdbDStR I I HDSW JIR JurJb. JuS Komm. ÖZöR RabelsZ Rs. Staat verb. Rs. VR WBVR ZaöRV ZgesHR

= =

= = = = —

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Archiv des Völkerrechts Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Bundesfinanzhof Bonner Grundgesetz Deutscher Juristentag Europäische Atomgemeinschaft Vertrag über die Gründung der E A G (BGBl. 1957 I I S.1014) Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag über die Gründung der E G K S (BGBl. 1952 I I S . 445) Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Sammlung der Rechtsprechung des E u G H Europarecht Europa-Archiv Europäische Verteidigungsgemeinschaft Evangelisches Staatslexikon Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag über die Gründung der E W G (BGBl. 1957 I I S. 766) Fédération Internationale pour le Droit Européen Handbuch des Besatzungsrechts Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Band I I Handwörterbuch der Sozialwissenschaften Jahrbuch für internationales Recht Juristen-Jahrbuch Juristische Schulung Kommentar österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht Rabeis Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Rechtssache Der Staat verbundene Rechtssachen Verwaltungsrecht Wörterbuch des Völkerrechts Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht u n d W i r t schaftsrecht (bis 1960: Konkursrecht)

I m übrigen werden die gebräuchlichen Abkürzungen nach „Kirchner, zungsverzeichnis der Rechtssprache, 2. Aufl., B e r l i n 1968" benutzt.

Abkür-

I. Gegenstand u n d N o t w e n d i g k e i t der U n t e r s u c h u n g M i t der Gründung der drei Europäischen Gemeinschaften ist das Recht dieser Gemeinschaften als eine besondere Rechtsmasse mit innerstaatlicher Wirkung neben das nationale deutsche Binnenrecht i n der Bundesrepublik Deutschland getreten. Außer dem i n den Gründungsverträgen enthaltenen primären Gemeinschaftsrecht handelt es sich dabei um das von den Organen der Gemeinschaften gesetzte Sekundärrecht, insbesondere um die Verordnungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft sowie um die allgemeinen Entscheidungen nach dem Montanunionsvertrag 1 . Damit ist die Frage gestellt, ob das Recht jener Gemeinschaften innerstaatlich auch dann anwendbar ist, wenn es i n Widerspruch zu den Grundrechten des Grundgesetzes steht bzw. wieweit gegebenenfalls das Gemeinschaftsrecht deutsche Grundrechte zulässigerweise einschränken kann. Auf den ersten Blick kommen vor allem zwei Wege i n Betracht, auf denen sich ein möglicher Widerspruch zwischen Grundrechten und Gemeinschaftsrecht lösen könnte: entweder eine Bindung der Gemeinschaftsorgane an die nationalen Grundrechte oder die Gewährleistung von Grundrechten durch das Gemeinschaftsrecht selbst. Nach allgemeiner Meinung und ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften sind die Gemeinschaftsorgane an das nationale Recht der Gemeinschaftsstaaten als solches jedoch nicht gebunden 2 . Das Gemeinschaftsrecht hat damit einen Grundsatz des allgemeinen Völkerrechts übernommen, wonach Landesrecht für internationale Organe ein bloßes Faktum, „ u n simple fait", ist 3 . Eine Bindung an 1 Vgl. darüber allgemein Ipsen, Schlußvortrag, 45. D J T I I L (1964), 1, 17 f.; Wohlfahrt, Anfänge, JurJb. 3 (1962/63), 242 ff. Einen Überblick über die Rechtsetzungsformen u n d -befugnisse der Gemeinschaften gibt Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 77 ff. m i t eingehenden Nachw. 2 Vgl. m. Nachw. Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 33 f.; Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 51 f.; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 66, 83/84; Tomuschat, Vorabentscheidung (1964), S. 108 f.; Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 622; ferner EuGH v. 4. 2.1959 — Rs. 1/58 — (EuGHE V, 43/63 f.); v. 15. 7. 1960 — Rs. 36/59, 37/59, 38/59, 40/59 — (EuGHE V I , 885/920 f.); v. 27.2.1962 — Rs. 10/61 — (EuGHE V I I I , 1/21); Generalanwalt Lagrange, Schlußanträge i n EuGHE I, 156; V I , 940; Generalanwalt Roemer, Schlußantrag i n EuGHE V, 162 f. 3 Vgl. Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 134; Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 622. Z u r Rechtsprechung des Ständigen Internationalen Gerichtshofs u n d des Internationalen Gerichtshofs vgl. Schlochauer, Verhältnis, ArchVR 11 (1963/64), 12 ff.

12

I. Gegenstand und Notwendigkeit der Untersuchung

nationale Grundrechte kraft nationalen Rechts scheidet damit aus4. Ebensowenig enthalten die Gemeinschaftsverträge eine generelle Verweisung oder einen Vorbehalt zugunsten der nationalen Grundrechte 5 , wie er etwa i n A r t . 3 § 1 des Vertragsentwurfes über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) vorgesehen war 6 . Ferner fehlt es i n den Gemeinschaftsverträgen selbst an einer Gewährleistung von Grundrechten. Lediglich der Gleichheitssatz hat eine Berücksichtigung i n Gestalt von Diskriminierungsverboten gefunden 7 . Ob etwa aus den i m EWG-Vertrag vorgesehenen Freiheiten des Waren- und Kapitalverkehrs, der Niederlassung und der Dienstleistungen sowie der Freizügigkeit der Arbeitnehmer ein allgemeines Freiheitsprinzip mit Grundrechtscharakter zu entnehmen ist 8 , muß bezweifelt werden. So gestattet beispielsweise Art. 53 EWGV — der sich nur gegen Ausländerdiskriminierungen i m Berufs- und Gewerberecht richtet, nicht etwa die Berufs- oder Gewerbefreiheit als solche gewährleistet 9 — durchaus Koordinierungsrichtlinien, die zur Herstellung eines einheitlichen Niveaus in der Gemeinschaft in einzelnen Gemeinschaftsstaaten eine Verschärfung der Niederlassungsbedingungen mit sich bringen 1 0 . Ferner gewährt der EWGVertrag dem Einzelnen insofern weder ein Individualrecht gegen die Gemeinschaftsorgane 11 auf Erlaß einer bestimmten Niederlassungsrichtlinie noch ein solches auf Aufhebung einer vertragswidrigen Richtlinie 1 2 . Allenfalls handelt es sich hier und i n anderen Fällen um Ansätze grundrechtsähnlicher Rechte 13 , aber eben nicht um Grundrechte 14 .

4

Vgl. die Nachweise oben S. 11 N. 2. Nicht unbestritten hinsichtlich der Eigentumsgarantie, vgl. die Nachweise unten S. 137 N. 9 a. E. β I m Wortlaut wiedergegeben bei Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 43. 7 Vgl. Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 28 ff.; Friauf, Strukturelemente, DVB1. 1964, 784; Meyer-Lindenberg, Menschenrechte, BerDGesVöR 4 (1961), 110; Ehle, EWG-Prozeßrecht, A r t . 220/222 E W G V Tz. 7; D. Küchenhoff, Grundrechte, DÖV 1963, 162 N. 18; speziell zu den Diskriminierungsverboten vgl. Steindorff, Der Gleichheitssatz i m Wirtschaftsrecht des Gemeinsamen Marktes, 1965. 8 So v. d. Groeben, Grundrechte, Festschr. f. Hallstein (1966), S. 234 ff. 9 Vgl. Platz, Niederlassungsrecht (1966), S. 49 f.; Nicolaysen, Niederlassungsrecht (1965), S. 92, 101; einschränkend Everling, Niederlassungsrecht (1963), S. 57 f. 10 Platz, Niederlassungsrecht (1966), S. 145 f.; Everling, Niederlassungsrecht (1963), S. 58, 64. 11 Der Individualrechtscharakter gegenüber den Mitgliedstaaten kann hier außer Betracht bleiben. Dazu vgl. Platz, Niederlassungsrecht (1966), S. 145 ff. 12 Vgl. m. Nachw. Platz, Niederlassungsrecht (1966), S. 153 ff., 157, 161. 13 So m. Nachw. Fuß, Rechtsstaatlichkeit, DÖV 1964, 578. 14 Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 109 N. 45 a. E.; vgl. auch H. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 250 f. 5

I. Gegenstand und Notwendigkeit der Untersuchung

I m Schrifttum sind deshalb andere Möglichkeiten erwogen worden, um die Gemeinschaftsorgane kraft Gemeinschaftsrechts grundrechtlich zu binden. Eine verschiedentlich angenommene Bindung an die Europäische Menschenrechtskonvention als Bestandteil des geschriebenen oder ungeschriebenen Gemeinschaftsrechts 15 w i r d von der anscheinend überwiegenden Meinung abgelehnt, weil weder die Gemeinschaften als solche noch sämtliche Gemeinschaftsstaaten Partner der Konvention sind 1 6 . Wegen ihrer zahlreichen Gesetzesvorbehalte w i r d außerdem vereinzelt der Grundrechtswert der Konvention i m Vergleich zum Grundgesetz nicht hoch eingeschätzt 17 . Verschiedentlich w i r d deshalb i m wissenschaftlichen Schrifttum ein Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung der Gemeinschaftsverträge vertreten 1 8 , wobei die Begründungen, aber auch die Maßstäbe einer solchen Auslegung unterschiedlich sind. Teils w i r d die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung auf den Vertragswillen der M i t gliedstaaten zurückgeführt 19 , teils m i t einer Bindung der Gemeinschaften an gemeinsame Rechtsgrundsätze der Mitgliedstaaten gleichgesetzt 20 oder aus einer Pflicht der Gemeinschaften zur Loyalität gegenüber den M i t gliedstaaten abgeleitet 21 . Während insofern einige Stimmen die Bindung an einen umfassenden Bestand nationalen Verfassungsrechts, insbesondere an die Verfassung m i t den jeweils strengsten Anforderungen, be15 M i t unterschiedlicher Begründung etwa Meyer-Lindenberg, Menschenrechte, BerDGesVöR 4 (1961), 112; v. d. Heydte, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 18 (1960), 83 f.; Pfeifer, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 18 (1960), 85; Ermacora, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 18 (1960), 86; Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 621; Wengler, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 112 f.; v. Meibom, Beiträge zum Europarecht, N J W 1965, 467; Ehle, EWG-Prozeßrecht, A r t . 220/ 222 E W G V Tz. 9; Möhring, Rechtsvereinheitlichung, N J W 1965, 2230. — Menzel, Diskussionsbeitrag, BerDGesVöR 4 (1961), 126, sieht i n der Konvention den „antizipierten Grundrechtskatalog einer europäischen Gemeinschaft". 16 Vgl. m. Nachw. Partsch, Menschenrechtskonvention, Grundrechte 1/1 (1966), S. 300 f.; Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 31 f., 34; D. Küchenhoff, Grundrechte, DÖV 1963, 162 f.; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 84. — Frankreich hat die Konvention nicht ratifiziert. 17 Vgl. Fuß, Rechtsstaatlichkeit, DÖV 1964, 578; Lambach, Probleme (1964), S. 123 f. Z u m innerstaatlichen Rang der Konvention i n der Bundesrepublik vgl.m. Nachw. Friedr. Klein, Europäische Menschenrechtskonvention, Festschr. f. L a u n (1962), S. 149—177. 18 Friauf, Staatenvertretung (1959), S. 95—100; ders., Notwendigkeit, AöR 85 (1960), 224—235; H. Wagner Beschlußrecht (1965), S. 244 ff.; Zweigert, E i n fluß, RabelsZ 28 (1964), 620 f., 641 f.; Großfeld, Entscheidungsrezension, JuS 1966, 353; Ehle, Verfassungskontrolle, N J W 1964, 322; ders., EWG-Prozeßrecht, A r t . 220/222 E W G V Tz. 11, 12; Wohlfahrt, Auskunftsrecht (1964), S. 642; m i t Einschränkungen Bernhardt, Auslegung (1963), S. 162; Andeutungen i n dieser Richtung auch bei Kaiser, Differenzierung, ÖZÖR 10 (1959/60), 417 N. 15. 19 So Friauf, aaO. 20 So H. Wagner, aaO, u n d w o h l auch Kaiser, aaO. 21 So Zweigert, aaO.

14

I. Gegenstand und Notwendigkeit der Untersuchung

jähen 2 2 , wollen manche nur den Wesensgehalt der Grundrechte 23 oder die in allen Mitgliedstaaten übereinstimmend geltenden Grundrechte als Schranke des Gemeinschaftshandelns anerkennen 24 . Von anderer Seite w i r d dagegen die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung der Verträge verneint 2 5 . Die wohl überwiegende Meinung i m Schrifttum nimmt mit dem Gerichtshof der Gemeinschaften an, daß die Organe auch an die den Mitgliedschaften gemeinsamen Rechtsgrundsätze gebunden sind, soweit die Verträge nicht ausdrückliche Bestimmungen bereithalten. Insofern bezeichnet man die i n Art. 215 Abs. I I EWGV und Art. 188 Abs. I I EAGV — hinsichtlich der außervertraglichen Haftung der Gemeinschaften für i n Ausübung einer Amtstätigkeit verursachte Schäden — ausgesprochene Verweisung auf die „allgemeinen Rechtsgrundsätze, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind", als Ausdruck eines allgemeinen Prinzips. Daraus w i r d die Ansicht hergeleitet, daß gemeinsame Rechtsgrundsätze auch zu den bei der Durchführung des Vertrages anzuwendenden Rechtsnormen gehören (Art. 173 Abs. I S. 2 EWGV, A r t . 146 Abs. I S. 2 EAGV) 2 6 . Soweit überhaupt spezielle Äußerungen darüber vorliegen, bleibt es nach dieser Meinung freilich weitgehend unklar, inwieweit die Grundrechte auf diese Weise als ungeschriebenes Gemeinschaftsrecht gewährleistet sind. Teils w i r d angenommen, daß nur die den Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundrechte dazu gehören, jedenfalls aber nicht alle Grundrechte des Grundgesetzes und wohl auch nicht i m gleichen Umfang wie nach dem Grundgesetz 27 . Andere sehen den Wesensgehalt aller Grundrechte als gewährleistet an 2 8 oder wollen den ungeschriebenen Grundrechtsbestand i m 22 Vgl. Friauf, Staatenvertretung (1959), S. 100; ders., Notwendigkeit, AöR 85 (1960), 233 f.; ähnlich Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 621 f. 23 Vgl. H. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 247, 249; ähnlich Zweigert, E i n fluß, RabelsZ 28 (1964), 621. 24 Vgl. Ehle, EWG-Prozeßrecht, A r t . 220/222 E W G V Tz. 12. 25 Ausführlich Rabe, Verordnungsrecht (1963), S. 126 ff.; ferner Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 343 N. 70; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 66 N. 127; Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 104 ff. 26 Vgl. allgemein dazu m. Nachw. Tomuschat, Vorabentscheidung (1964), S. 18 ff.; hinsichtlich der Grundrechte vgl. etwa m. Nachw. H. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 246 ff.; Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 609 ff., 641; Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 107 ff.; Möhring, Rechtsvereinheitlichung, N J W 1965, 2230. 27 Vgl. Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 54; Ophüls, Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 562; ders., Diskussionsbeitrag, A u s kunftsrecht (1964), S. 80; Möhring, Rechtsvereinheitlichung, N J W 1965, 2230 N. 47; Strauß, Diskussionsbeitrag, Auskunftsrecht (1964), S. 85; Wohlfarth, Anfänge, JurJb. 3 (1962/63), 271. 28 Vgl. H. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 247 ff., 249; Wohlfarth-EverlingGlaesner-Sprung, E W G (1960), A r t . 189 Vorbem. 4 S. 513/514; Wohlfarth, Europ. u. dt. Rechtsordnung (1965), S. 174/175; C. L. Wagner, EWG-Recht u. Mitgliedstaaten, DÖV 1965, 313/314; anscheinend auch v. Meibom, Beiträge zum Europarecht, N J W 1965, 467; Bülow, Verhältnis (1964), S. 58.

I. Gegenstand u n d Notwendigkeit der Untersuchung

Wege wertender Rechtsvergleichung bestimmen, wobei ein NiedrigstStandard vermieden werden soll 2 9 . Schließlich w i r d — entsprechend der allgemeinen Loyalitätspflicht der Mitgliedstaaten gegenüber den Gemeinschaften (Art. 5 EWGV, A r t . 192 EAGV, Art. 86 Abs. I und I I EGKSV) — eine Pflicht der Gemeinschaftsorgane entwickelt, die Rechtsordnungen der Gemeinschaftsstaaten nicht willkürlich zu beeinträchtigen. Insofern sollen auch willkürliche — d. h. durch die Ziele der Verträge nicht gebotene — Grundrechtseingriffe der Gemeinschaftsorgane als Ermessensmißbrauch und damit als Nichtigkeitsgrund gemäß A r t . 173 Abs. I S. 2, 174 EWGV, A r t . 146 Abs. I S. 2, 147 EAGV anzusehen sein 30 . Insgesamt w i r d man freilich einigermaßen konkrete Angaben über den Umfang der angenommenen Gewährleistung von Grundrechten vergeblich suchen. Auch bleibt es nach diesen Äußerungen zweifelhaft, ob die ungeschriebenen Rechtsgrundsätze dann zurücktreten, wenn das primäre Gemeinschaftsrecht Eingriffe der Gemeinschaftsorgane i n die Individualsphäre ausdrücklich zuläßt 3 1 . Gegenüber den Versuchen der .Lehre, ungeschriebene Grundrechtsschranken i m Gemeinschaftsrecht nachzuweisen, hat der Gerichtshof der Gemeinschaften eine bemerkenswerte Zurückhaltung gezeigt. Während er sonst in seinen Entscheidungen von gemeinsamen Rechtsgrundsätzen der Mitgliedstaaten ausgegangen ist, hat er es bisher strikt abgelehnt, auf die nationalen Grundrechte als Schranken des Gemeinschaftsrechts zurückzugreifen, ohne jedoch andererseits etwa einen gemeinsamen grundrechtlichen Standard der Gemeinschaftsstaaten als ungeschriebenes Gemeinschaftsrecht i n Erwägung zu ziehen 32 . 29 Vgl. Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 610 f., 641 f.; anscheinend auch Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 109. 30 So i m Grundsatz übereinstimmend Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 620 f., 641; Wohlfarth, Anfänge, JurJb. 3 (1962/63), 253, 270 ff.; ders., Auskunftsrecht (1964), 41 f.; ders., Europ. u. dt. Rechtsordnung (1965), S. 172 ff., 175; W ohi farth-Everling-Glaesner-Sprung, E W G (1960), A r t . 189 Vorbem. 4 a. E. S. 513/514; Ehle, EWG-Prozeßrecht, A r t . 220/222 E W G V Tz. 11 a. E.; eine Pflicht zu gemeinschaftsfreundlichem Verhalten grundsätzlich bejahend v. Simon, Der politische Wille, Festschr. f. Riese (1964), S. 89. — G e g e n eine solche auf bundesstaatlichen Vorstellungen beruhende Pflicht Ipsen, Diskussionsbeitrag, Auskunftsrecht (1964), S. 51; Fuß, Bundestreue, D Ö V 1964, 42. 31 Krämer, Integrationsgemeinschaften u. Grundrechte (1962), S. 97 ff., 151, 157, kommt zu dem Ergebnis, daß die Verträge ausdrückliche Ermächtigungen zu unzulässigen Grundrechtseingriffen nicht enthalten. 32 Vgl. EuGH v. 4. 2.1959 — Rs. 1/58 — (EuGHE V, 43/63 f.); v. 15. 7.1960 — Rs. 36/59, 37/59, 38/59, 40/59 — (EuGHE V I , 885/920 f.) sowie dazu Erler, G r u n d gesetz, W D S t R L 18 (1960), 31; kritisch H. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 246; zustimmend Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 86; Ipsen, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 135.

16

I. Gegenstand u n d Notwendigkeit der Untersuchung

Angesichts a l l e r dieser o f f e n e n F r a g e n i n der Rechtsprechung des Gerichtshofs w i e i n der Gemeinschaftsrechtslehre scheint d i e B e f ü r c h t u n g n i c h t u n g e r e c h t f e r t i g t z u sein, daß der G r u n d r e c h t s s c h u t z i m G e meinschaftsrecht h i n t e r d e m S t a n d a r d des Grundgesetzes z u r ü c k b l e i b t 3 3 . E i n W i d e r s p r u c h zwischen e i n e r i n n e r s t a a t l i c h a n w e n d b a r e n N o r m des Gemeinschaftsrechts u n d d e n deutschen G r u n d r e c h t e n ist danach n i c h t ausgeschlossen. Abgesehen v o n den Fällen, i n denen v o r dem Gerichtshof der Gemeinschaften die V e r l e t z u n g deutscher G r u n d r e c h t e erfolglos g e r ü g t w u r d e 3 4 , s i n d auch i m S c h r i f t t u m g e l e g e n t l i c h k o n k r e t e G r u n d r e c h t s v e r l e t z u n g e n d u r c h p r i m ä r e s oder sekundäres Gemeinschaftsrecht bereits e r ö r t e r t w o r d e n 3 5 . I n der P r a x i s der deutschen G e r i c h t e scheint h i n g e g e n d i e G r u n d rechtsfrage b i s h e r k a u m eine R o l l e gespielt z u h a b e n 3 6 . Dieser U m s t a n d k ö n n t e eine p r a g m a t i s c h e H a l t u n g r e c h t f e r t i g e n , die das V e r h ä l t n i s v o n Gemeinschaftsrecht u n d deutschen G r u n d r e c h t e n w e n i g s t e n s derzeit als u n p r o b l e m a t i s c h ansehen m ö c h t e 3 7 . E r r e c h t f e r t i g t es h i n g e g e n nicht, d i e 33 D. Küchenhoff, Grundrechte, D Ö V 1963, 163 N. 46, hält eine Grundrechtsbindung der Gemeinschaftsorgane k r a f t ungeschriebenen Gemeinschaftsrechts für eine Wunschvorstellung gegenüber der Rechtswirklichkeit. Vgl. auch Erler, Grundgesetz, V V D S t R L 18 (1960), 38; Wengler, Grundrechtsminimum, JZ 1968, 328. 34 Es handelte sich u m A r t . 2, 12 u n d 14 GG, vgl. die oben S. 11 N. 2 angeführten Entscheidungen. 35 Z u m Kernbrennstoffeigentum der E A G (Art. 86—90 EAGV) vgl. etwa Badura, Verfassüngsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 82 f.; Haedrich, Eigentum, Festschr. f. Ophüls (1965), S. 62 f.; Herpers, A r t . 86 E A G V u n d A r t . 14 I I I GG, ZStaatsW 123 (1967), 293—346. Z u r Versorgungsregelung gemäß A r t . 52—76 E A G V vgl. Fischerhof, A t o m gesetz (1962), § 3 Vorbem. Randnr. 13 u. 14; zur Zwangslizensierung von Patenten gemäß A r t . 17 E A G V vgl. Krämer, Integrationsgemeinschaften u. G r u n d rechte (1962), S. 141 ff. Z u den bei der Rechtsangleichung i m Berufsrecht auftretenden Fragen vgl. Everling, Niederlassungsrecht(1963), S. 120 f.; dersRechtsangleichung (1964), S. 73, 82; zur Rechtsangleichung i m Versicherungsaufsichtsrecht vgl. E. Frey, Z w e i Probleme, Festschr. f. Hallstein (1966), S. 195 ff.; Bruns, Grundlagen der Richtlinie, i n : Versicherungswirtschaft i m GemeinsamenMarkt (1967), S. 31 ff. (Kapitalausstattung der Versicherungsunternehmen). — Vgl. ferner Koppensteiner, Intervention, B B 1967, 223 (Subventionsverbot gem. A r t . 92 I E W G V ) ; Ehle, Erzeugerorganisationen, A W D 1967, 51 (Subventionierung von Erzeugerorganisationen); Carstens, Rang, Festschr. f. Riese (1964), S. 80 N. 48 (erdachtes Beispiel); D. Küchenhoff, Grundrechte, D Ö V 1963, 161 (u.a. Koalitionsfreiheit); v. d. Groeben, Grundrechte, Festschr. f. Hallstein (1966), S. 229/230; Jaenicke, Verhältnis, ZaöRV 23 (1963), 505 N. 87, 507/508 (Verschiebung des Anwendungstermins der E W G - V O Nr. 135 wegen verfassungsrechtlicher Bedenken); Möhring, Entflechtungsmaßnahmen, i n : Rechtsvergleichung u. Rechtsvereinheitlichung (1967), S. 351 ff.; Deringer, Europ. Gemeinschaftsrecht, N J W 1968,1031 (Vorlagepflicht f ü r Arzneimittel-Werbemaßnahmen). 36 Das BVerfG hat allerdings schon Verfassungsbeschwerden gegen E W G Verordnungen als unzulässig abgewiesen, vgl. BVerfG v. 18.10.1967 (BVerfGE 22, 293 ff.). 37 So etwa Ipsen, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 18 (1960), 87; ders., Schlußvortrag, 45. D J T I I L (1964), S. 15; Fuß, Rechtsstaatlichkeit, DÖV 1964, 578.

I. Gegenstand und Notwendigkeit der Untersuchung

Frage grundsätzlich offenzulassen, wie ein Widerspruch zwischen innerstaatlich verbindlichem Gemeinschaftsrecht und den Grundrechten des Grundgesetzes zu lösen ist. I n diesem Zusammenhang muß insbesondere auf den oft hervorgehobenen Rahmencharakter des EWG-Vertrages hingewiesen werden, der zu seiner Konkretisierung eine fortdauernde, umfangreiche Rechtsetzungstätigkeit des Rates und der Kommission vorsieht 38 . Wenn bisher Konflikte dieser Rechtsetzung mit deutschen Grundrechten etwa i m Bereich der Agrarmarktordnungen nicht entstanden sind, so mag dies darauf zurückzuführen sein, daß die gemeinschaftlichen Marktregelungen auf dem Agrarsektor über den Preis und durch die Erhebung von Abgaben erfolgen und insofern bisher Grundrechtsbereiche nicht berührt haben. Ein weiteres Fortschreiten der Integration kann jedoch derartige Konflikte jederzeit hervorbringen. Insbesondere die Rechtsangleichung auf dem Gebiet des Berufs- und Gewerberechts, die als Voraussetzung der Niederlassungsfreiheit einigermaßen einheitliche Zulassungs- und Ausübungsbedingungen i n den Mitgliedstaaten schaffen muß, stößt insofern auf Schwierigkeiten 39 . Außerdem mag die Frage des Verhältnisses nationaler Grundrechte zum Gemeinschaftsrecht i n der Zukunft noch stärkere praktische Bedeutung gewinnen, wenn die w i r t schaftlichen Integrationsgemeinschaften durch politisch-militärische Zusammenschlüsse ergänzt werden sollten. Es gibt jedenfalls keinen Grund abzuwarten, bis Grundrechtskonflikte i n der gerichtlichen Praxis auftreten 4 0 . I n der vorliegenden Untersuchung soll lediglich eine bestimmte Fragestellung i m Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und deutschen Grundrechten erörtert werden: Hat ein deutsches Staatsorgan eine ihrer allgemeinen Natur nach innerstaatlich verbindliche Vorschrift des primären oder des sekundären Gemeinschaftsrecht, die inhaltlich auf einen zur Beurteilung gestellten Sachverhalt anwendbar ist, auch dann anzuwenden, wenn sie i m Widerspruch zu einem Grundrecht des Grundgesetzes steht? Bei dieser Frage handelt es sich also um ein spezielles Problem des Verhältnisses von Gemeinschaftsrecht und nationalem Verfassungsrecht. Nicht dagegen w i r d der Fall behandelt, daß ein an Marktbürger 4 1 38 Vgl. m. Nachw. Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 43 f., 46; Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 58. 39 Vgl. Everling, Niederlassungsrecht (1963), S. 120 f.; ders., Rechtsangleichung (1964), S. 73, 82; ipsen, Schlußvortrag, 45. D J T I I L (1964), S. 16. 40 So zutreffend H. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 250; ferner Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 108; Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 342 N. 58; Meyer-Lindenberg, Menschenrechte, BerDGesVöR 4 (1961), 111; Friauf, Strukturelemente, DVB1. 1964, 784; v. d. Groeben, Grundrechte, Festschr. f. Hallstein (1966), S. 229. 41 M i t diesem Ausdruck bezeichnet Ipsen, Haager Kongreß, N J W 1964, 340 N. 2, die Einzelnen (Individuen, Unternehmen), die als Staatsbürger der M i t gliedstaaten dem Recht des Gemeinsamen Marktes unterstehen.

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Gorny

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I. Gegenstand und Notwendigkeit der Untersuchung

gerichteter Einzelakt der Gemeinschaftsorgane Grundrechte verletzt 4 2 , insbesondere nicht das Problem der Zulässigkeit der Vollstreckung derartiger Akte durch deutsche Staatsorgane 43 . Die an Mitgliedstaaten gerichteten Akte werden hier i n die Untersuchung einbezogen 44 , soweit sie i m Hinblick auf eine Rechtsänderung gegenüber den Rechtsunterworfenen generellen Charakter haben 44 , obwohl sie i m Schrifttum zum Teil als Einzelakte qualifiziert werden 4 5 . Die hier gestellte Frage war — abgesehen von zahlreichen mehr beiläufigen Äußerungen i n anderem Zusammenhang — bereits Gegenstand einiger speziell darauf gerichteter Abhandlungen 4 6 sowie insbesondere u. a. der Beratungen auf der Tagung der Deutschen Staatsrechtslehrer i n Erlangen 195947. Eine einhellige Meinung dazu hat sich jedoch bisher nicht gebildet; vor allem blieb die Zulässigkeit einer Verfassungskontrolle des sekundären Gemeinschaftsrechts umstritten 4 8 . Etwa seit 1964 mehren sich jedoch i m europarechtlichen Schrifttum die Stimmen, die die Eigenständigkeit der Gemeinschaftsrechtsordnung hervorheben und für einen Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht jeder A r t eintreten 49 . Bei den Beratungen der Deutschen Staatsrechtslehrer in K i e l 1964 fand diese Auffassung sogar weitgehend Zustimmung 5 0 . Auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat sich in der bekann42

Z u r Abgrenzung von Rechtssatz u n d Einzelakt i m Gemeinschaftsrecht vgl. Fuß, Rechtssatz,NJW 1964, 327 ff., 945 ff., 1600 ff., insbes. S. 951 (Unterscheidung nach Bestimmtheit bzw. Unbestimmtheit der Adressaten); Börner, Entscheidungen (1965), S. 124 ff., 129 (Unterscheidung nach abstraktem oder konkretem Charakter der Regelung). 43 Dazu vgl. etwa m. Nachw. Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 37 f.; Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 75 f.; UZe, Gutachten, 46. D J T 1/4 (1966), S. 103 ff. 44 Vgl. unten S. 107 ff. 45 So Fuß, Rechtssatz, N J W 1964, 1604, f ü r die an Mitgliedstaaten gerichtete Entscheidung; anders Börner, Entscheidungen (1965), S. 137 f., 141. 48 Vgl. etwa Hans-R. Krämer, Das Recht der Europäischen Integrationsgemeinschaften u n d die deutschen Grundrechte, Diss. K i e l 1962; Lambach, Probleme einer B i n d u n g der nach A r t . 24 (1) des Grundgesetzes den Europäischen Gemeinschaften übertragenen Hoheitsgewalt an die Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats, insbesondere an die Grundrechte, Diss. München 1964; D. Küchenhoff, Grundrechte u n d europäisches Staatengemeinschaftsrecht, DÖV 1963, 161—168; Ehle t Verfassungskontrolle und Gemeinschaftsrecht, N J W 1964, 321—327. 47 Vgl. die Berichte von Erler u n d Thieme sowie die Diskussion über „Das Grundgesetz u n d die öffentliche Gewalt internationaler Staatengemeinschaften" i n : W D S t R L 18 (1960), 7 ff. 48 Vgl. m. Nachw. etwa Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 89 f. 49 Vgl. etwa Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 601—643; Ipsen, Verhältnis (1965), S. 1—27; Grabitz, Gemeinschaftsrecht bricht nationales Recht, 1966. 50 Vgl. die Berichte von Kaiser u n d Badura sowie die Diskussion über „ B e w a h r u n g u n d Veränderung demokratischer u n d rechtsstaatlicher Verfassungss t r u k t u r i n den internationalen Gemeinschaften" i n : W D S t R L 23 (1966), S. 1 ff.

I. Gegenstand und Notwendigkeit der Untersuchung

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ten Entscheidung vom 15. 7.1964 i n der Sache Costa/ENEL i n diesem Sinne ausgesprochen 51. I m Verhältnis zum nationalen einfachen Gesetzesrecht erkennt bereits die wohl überwiegende Meinung einen Vorrang des Gemeinschaftsrechts i n der Bundesrepublik Deutschland wenigstens i m Ergebnis an 5 2 . Dem stehen freilich noch Äußerungen gegenüber, die eine Verfassungsmäßigkeitskontrolle des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts für zulässig und notwendig erachten, insbesondere für den Fall einer Verletzung des Wesensgehalts von Grundrechten 53 . Das Bundesverfassungsgericht hat zwar kürzlich unmittelbare Verfassungsbeschwerden gegen Verordnungen der EWG für unzulässig erklärt, da diese nicht Akte der deutschen öffentlichen Gewalt sind. Es hat jedoch die Frage der Grundrechtsgeltung gegenüber dem Gemeinschaftsrecht ausdrücklich offengelassen 54 . Die erwähnten speziellen Abhandlungen über die Grundrechtsgeltung entstanden, bevor die soeben angedeutete neuere Entwicklung i n der Europarechtswissenschaft einsetzte. Außerdem konnten sie die Ergebnisse der 1. Studienkommission der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht über die Anwendung des Völkerrechts i m innerstaatlichen Recht (Überprüfung der Transformationslehre) 55 noch nicht berücksichtigen. Es erscheint daher nach allem gerechtfertigt, die Verbindlichkeit der Bundesgrundrechte bei der Anwendung von Gemeinschaftsrecht durch deutsche Staatsorgane erneut zum Gegenstand einer speziellen Untersuchung zu machen. Die Antwort auf die hier gestellte Frage hat methodisch an die bestehenden Auffassungen über die theoretischen Möglichkeiten des Rangverhältnisses zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland anzuknüpfen. Da es an einem umfassenden Überblick der i m deutschen Schrifttum derzeit vertretenen Meinungen insofern fehlt, werden zunächst diese möglichen Zuordnungen dargestellt, soweit sich daraus Folgerungen für die Grundrechtsgeltung ergeben können oder soweit solche i m Schrifttum daraus bereits gezogen worden sind (Abschnitt II). Diese Darstellung ist systematisch geordnet unter bestimmten Gesichtspunkten schon i m Hinblick auf die 51

EuGHE X , 1251 ff. Vgl. m. Nachw. etwa Fuß, Rechtsschutz, N J W 1966, 1784; Gert Meier, Vorrang, A W D 1967, 413. 53 Vgl. etwa H. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 247 ff., 252, 256, 348 ff., 359 f.; Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 116 ff. 54 BVerfG v. 18.10.1967 (BVerfGE 22, 293/298f.); vgl. dazu auch Wengler, Entscheidungsanmerkung, J Z 1968, 101; Ipsen, Entscheidungsanmerkung, EuR 3 (1968), 140 f.; Immenga, Entscheidungsanmerkung, N J W 1968, 1037; Gert Meier, Entscheidungsanmerkung,DVB1.1968, 467. 55 Vgl. den Bericht von Partsch, Anwendung, BerDGesVöR 6 (1964); ferner vgl. dazu Boehmer, Der völkerrechtliche Vertrag i m deutschen Recht, 1965; Walter Rudolf, Völkerrecht und deutsches Recht, 1967. 52

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I. Gegenstand u n d Notwendigkeit der Untersuchung

fragliche Erheblichkeit des deutschen Verfassungsrechts für die Grundrechtsfrage. I m I I I . Abschnitt w i r d sodann zunächst untersucht, i n welchen Formen ein „Vorrang" des Gemeinschaftsrechts vor dem Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland theoretisch überhaupt denkbar ist und welcher dieser Formen die i m II. Abschnitt dargestellten Zuordnungsmöglichkeiten begrifflich entsprechen. Daran schließt sich die weitere Erörterung an, welche der dargestellten Möglichkeiten dem geltenden Gemeinschaftsrecht und dem geltenden Verfassungsrecht i n der Bundesrepublik Deutschland entspricht, d. h. ob und inwieweit das Grundgesetz für das Rangverhältnis erheblich ist. Dabei w i r d sich ergeben, daß jedenfalls für die Grundrechtsfrage das Grundgesetz neben dem (primären) Gemeinschaftsrecht maßgeblich ist, weil die innerstaatliche Verbindlichkeit der Gemeinschaftsrechtsordnung die erfolgte A n erkennung durch den deutschen Anwendungsbefehl voraussetzt und weil dieser Anwendungsbefehl nur nach Maßgabe der Verfassung erteilt werden darf. Gegenstand der weiteren Untersuchung (Abschnitt IV) sind deshalb die Einschränkbarkeit der Grundrechte durch das primäre und das sekundäre Gemeinschaftsrecht nach Maßgabe des Grundgesetzes, insbesondere seines Artikels 24 Abs. I, und zwar vornehmlich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, ferner einige damit zusammenhängende verfahrensrechtliche Fragen.

I I . Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen D i s k u s s i o n ü b e r d i e Z u o r d n u n g des Gemeinschaftsrechts z u m n a t i o n a l e n Recht i m H i n b l i c k a u f das V e r h ä l t n i s z u m Grundgesetz, insbesondere z u d e n G r u n d r e c h t e n 1. Systematischer Standort der Grundrechtsfrage i m Schrifttum

I n der deutschen Rechtslehre w i r d die Frage, ob und gegebenenfalls wieweit das innerstaatlich wirksame Recht der Europäischen Gemeinschaften vor dem nationalen Forum Grundrechte des Grundgesetzes einschränken oder verdrängen kann, unter zwei Gesichtspunkten behandelt: Als Frage nach dem Rangverhältnis dieser Normengruppen zueinander und als Frage nach der Zulässigkeit von Verfassungsdurchbrechungen gemäß Art. 24 Abs. I GG 1 . Wer, aus welchen Gründen auch immer, dem Gemeinschaftsrecht innerstaatlich einen Rang vor allem deutschen Recht, einschließlich des Verfassungsrechts, zuerkennt, muß folgerichtig die Geltung der Grundrechte des Grundgesetzes insofern als einschränkbar ansehen. Denn — so w i r d der erstgenannte Ansatz gerechtfertigt — „die rechtstechnische Durchsetzung eines . . . Grundrechtsschutzes, insbesondere Prüfungsund Anfechtungsmöglichkeiten, setzt i n allen Rechtsordnungen eine formallogische Höherstellung der Grundrechtsnormen voraus" 2 . Insofern w i r d etwa nach einer Kollisionsnorm nach A r t des A r t . 31 GG gesucht, die das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht festlegt 3 . Damit w i r d die Frage nach dem Verhältnis von deutschen Grundrechten und Gemeinschaftsrecht als ein Problem der sog. Rangordnungslehre formuliert, die systematisch i n den Bereich der Rechtsquellenlehre gehört 4 . Dieser Ausgangspunkt nötigt dazu, i n die Untersuchung der Grundrechtsfrage die Diskussion über das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht überhaupt einzubeziehen. W i r d dagegen dem Gemeinschaftsrecht i n der innerdeutschen Normenhierarchie ein Rang unter dem Verfassungsrecht, insbesondere ein geset1 2 3 4

Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 252. Wagner, aaO, S. 252. Vgl. etwa E. Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 113. Vgl. etwa Hans J. Wolff, V R I (7), § 26 S. 125 ff.

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I I . Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Diskussion

zesgleicher Rang zugewiesen, so folgt daraus nicht unbedingt, daß sich die Grundrechte des Grundgesetzes vor dem nationalen Forum gegenüber dem Gemeinschaftsrecht durchsetzen. Vielmehr w i r d die Grundrechtsfrage insofern unter dem Gesichtspunkt erörtert, ob A r t . 24 Abs. I GG Abweichungen des Gemeinschaftsrechts vom Grundrechtsstandard des Grundgesetzes erlaubt. Das Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zu den Grundrechten soll also außerdem davon abhängen, ob Art. 24 Abs. I GG Verfassungsdurchbrechungen zuläßt. Soweit danach kraft Verfassungsentscheidung Gemeinschaftsrecht nicht mehr an den Grundrechten gemessen werden kann, w i r d als „Vorrang" des Gemeinschaftsrechts vor dem Verfassungsrecht gelegentlich auch diese Wirkung des Art. 24 Abs. I GG selbst bezeichnet 5 . „Vorrang" des Gemeinschaftsrechts vor den Grundrechten des Grundgesetzes ist insofern letztlich gleichbedeutend m i t einem Ausschluß der Verfassungskontrolle des primären und/oder des sekundären Gemeinschaftsrechts 6 . Eine Untersuchung der Grundrechtsgeltung gegenüber Gemeinschaftsrecht unter dem Gesichtspunkt des Art. 24 Abs. I GG setzt jedoch voraus, daß zunächst geklärt wird, ob für die Entscheidung der Kollisionsfrage und damit für eine eingeschränkte oder uneingeschränkte Geltung der Grundrechte entweder das Gemeinschaftsrecht oder das deutsche Verfassungsrecht jeweils allein oder beide gemeinsam überhaupt maßgeblich sind. Insofern ergibt sich also ebenfalls, daß die Vorfrage nach dem Verhältnis von Gemeinschaftsrechtsordnung und nationaler Rechtsordnung nicht zu umgehen ist. Es erweist sich also danach, daß i m Schrifttum die Grundrechtsgeltung m i t der weitergreifenden Frage des Verhältnisses von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht außerordentlich eng verknüpft wird. Es erscheint deshalb als unumgänglich, i n die Bestandsaufnahme der Meinungen zur Grundrechtsfrage die Erörterungen über das allgemeine Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht mit einzubeziehen. Es sind dabei freilich nur die Hauptlinien der Diskussion insoweit aufzuzeigen, als sich daraus Folgerungen eben für die Unantastbarkeit oder Einschränkbarkeit nationaler Grundrechte ergeben können. Die Bestandsaufnahme berücksichtigt auch nur das deutsche Schrifttum, weil i n dieser Arbeit die Einschränkbarkeit nur der Grundrechte des Grundgesetzes und i m Geltungsbereich des Grundgesetzes untersucht w i r d und weil sich erweisen wird, daß es hierfür i n erster Linie auf die Besonderheiten des deutschen Verfassungsrechts ankommt. Dem außerdeutschen europarechtlichen Schrifttum 7 läßt sich für die hier zu untersu5 Vgl. etwa Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 55; Kotthoff, Rangverhältnis (1966), S. 45 f., 54. β Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 345. 7 Nachweise dieser L i t e r a t u r bei E. Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 12 ff.; Kotthoff, Rangverhältnis (1966), S. 60 ff.; Wolfdietrich Möller, Verordnung (1967), S. 162 ff.

2. Methodenunterschiede i m Schrifttum

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chende Frage, soweit ersichtlich, nichts zusätzlich Wesentliches entnehmen. 2. Methodenunterschiede i m Schrifttum zur Rangfrage

Die i m Schrifttum vertretenen Lehren über das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht lassen sich i n methodischer Hinsicht auf einige wenige Grundpositionen zurückführen 8 . Der ausdrücklich oder stillschweigend gewählte Ansatz zur Ableitung einer entsprechenden Rangordnungsnorm liegt zumeist i n einer rechtlichen Qualifizierung der Gemeinschaften und des Gemeinschaftsrechts 9. Die sog. konventionellvölkerrechtliche Methode 1 0 qualifiziert das Europäische Gemeinschaftsrecht als Völkerrecht und beurteilt sein Verhältnis zum nationalen Recht entsprechend den Grundsätzen über die Zuordnung von Völkerrecht und Landesrecht 11 . Andere unterscheiden die Europäischen Gemeinschaften von den klassischen internationalen Organisationen und sehen sie als staatsähnlich an. Sie wollen das Rangverhältnis entsprechend der Abgrenzung der Rechtsbereiche zwischen Zentralstaat und Gliedstaaten in bundesstaatlichen Verfassungen beurteilen 1 2 . Eine dritte Richtung versucht, die Alternative von völkerrechtlicher und bundesstaatsähnlicher Auffassung zu überwinden und aus den besonderen Eigenarten der Gemeinschaftsrechtsordnung Regeln über die Zuordnung zum nationalen Recht zu entwickeln 1 3 . Diese Grundauffassungen werden zudem gelegentlich modifiziert, etwa die völkerrechtliche These dadurch, daß den Gemeinschaftsverträgen auf Grund des Art. 24 Abs. I GG eine Sonderstellung zuerkannt w i r d 1 4 . Eberhard Grabitz 15 hat neuerdings mit Recht hervorgehoben, daß den bisherigen Vorschlägen zur Lösung der Rangfrage — häufig auch unausgesprochen — die Absicht zugrunde liegt, die Europäischen Gemeinschaften i n die Systematik der Staatenverbindungen einzuordnen, die von der bisher herrschenden Lehre nach völkerrechtlichen und staatsrechtlichen Verbindungen differenziert werde. Grabitz selbst lehnt diesen methodischen Ansatz ab 1 6 . Dazu w i r d noch Stellung zu nehmen sein 17 . 8 Vgl. dazu Ipsen, Verhältnis (1965), S. 2 ff.; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 62 f.; E. Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 12 ff. ö E. Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 12. 10 Der Begriff stammt von Ipsen, Verhältnis (1965), S. 2. 11 Vgl. die Darstellung unten S. 24 ff. 12 Vgl. die Darstellung unten S. 42 ff. 13 Vgl. die Darstellung unten S. 48 ff. 14 Vgl. die Darstellung unten S. 33 ff. 15 E. Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 24 ff. 16 E.Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 25. Grabitz geht allerdings nicht darauf ein, ob er das Schlußverfahren nach einer K o r r e k t u r der Prämissen,

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I I . Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Diskussion

Die eigene Untersuchung w i r d demgegenüber nachzuweisen versuchen, daß die Frage nach dem allgemeinen Hangverhältnis von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht für die Grundrechtseinschränkung durch das Gemeinschaftsrecht nicht das entscheidende Problem ist. Vielmehr erweist sich, daß — von wenigen Ausnahmen abgesehen — die Grundrechtsfrage letztlich m i t A r t . 24 Abs. I GG beantwortet wird. Insofern muß eine Untersuchung des Verhältnisses von Gemeinschaftsrecht zu nationalem Verfassungsrecht andere Wege gehen als eine solche über das Verhältnis zu einfachem nationalen Recht: Sie darf sich nicht auf die — ungeschriebenen — Kollisionsnormen des Gemeinschaftsrechts beschränken und muß verfassungsrechtliche Fragen einbeziehen, die für das Verhältnis zum einfachen nationalen Recht nicht erheblich sind 1 8 . I n der folgenden Bestandsaufnahme werden die bisher vorgeschlagenen Lösungen i n erster Linie danach geordnet, ob sie dem Gemeinschaftsrecht — den Verträgen selbst oder der rechtlichen Struktur der Gemeinschaften — eine entsprechende Rangordnungsnorm entnehmen oder nicht. Innerhalb dieser beiden großen Gruppen ist jeweils weiter zu unterscheiden nach den speziellen Ansatzpunkten und Begründungen einer gemeinschaftsrechtlichen Rangordnungsregel bzw. danach, welche Regeln insofern dem deutschen Verfassungsrecht entnommen werden 1 9 . Da — i m Gegensatz zu E. Grabitz — der grundsätzliche methodische Ausgangspunkt der bisherigen Lösungsvorschläge nicht verworfen wird, kann sich die Darstellung des Streitstandes nicht auf die zugrunde liegenden unterschiedlichen Methoden beschränken, sondern muß deren hauptsächliche sachliche Begründungen und Folgerungen einbeziehen.

3. Unergiebigkeit bzw. Unerheblichkeit des Gemeinschaftsrechts für die Rangfrage

a) Völkerrechtliche

Auffassung

aa) Gemeinsame Grundlagen hinsichtlich des allgemeinen Verhältnisses zum deutschen Recht Von den Auffassungen, die dem Gemeinschaftsrecht keine Rangregel entnehmen, ist zunächst die konventionell-völkerrechtliche Methode 2 0 d. h. des überlieferten Systems der Staatenverbindungen, für unanwendbar hielte. 17 Unten S. 82 ff. 18 Anders Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 10, der insofern keinen Unterschied zwischen einfachem Recht u n d Verfassungsrecht machen w i l l . 19 Insofern werden die methodischen Gruppierungen von Ipsen, Verhältnis (1965), S. 2 ff.; E. Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 12 ff., berücksichtigt. Vgl. ferner die Ubersichten bei Großfeld, Entscheidungsrezension, JuS 1966, 350 ff.; H. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 355 ff.

3. Unergiebigkeit bzw. Unerheblichkeit des Gemeinschaftsrechts

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h e r v o r z u h e b e n , die das V e r h ä l t n i s Gemeinschaftsrecht — n a t i o n a l e s Recht entsprechend d e n a l l g e m e i n e n R e g e l n ü b e r das V e r h ä l t n i s v o n V ö l k e r r e c h t z u L a n d e s r e c h t b e h a n d e l t . Sie w i r d insbesondere v e r t r e t e n v o n M ü n c h 2 1 , Scheuner 22, Erler 2*, Heinz Wagner 24, Seidl-Hohenv eidern 25 26 27 u n d (jedenfalls i m G r u n d s a t z ) Schlochauer . A u s g a n g s p u n k t dieser B e t r a c h t u n g s w e i s e ist der U m s t a n d , daß die E u r o p ä i s c h e n Gemeinschaft e n d u r c h v ö l k e r r e c h t l i c h e V e r t r ä g e g e g r ü n d e t w u r d e n u n d i n diesen i h r e p r i m ä r e R e c h t s g r u n d l a g e h a b e n 2 8 . D i e G e n a n n t e n sehen die G e m e i n schaften n i c h t als bundesstaatliche G e b i l d e a n u n d m e i n e n deshalb, es könne nicht i n Analogie zu dem bundesstaatlichen P r i n z i p „Bundesrecht b r i c h t L a n d e s r e c h t " der Satz a u f g e s t e l l t w e r d e n , das L a n d e s r e c h t müsse d e m Gemeinschaftsrecht i m i n n e r s t a a t l i c h e n B e r e i c h d e n V o r t r i t t lassen 2 9 . A u c h i n d e n V e r t r ä g e n f e h l e es a n e i n e r entsprechenden V o r s c h r i f t 3 0 . O b w o h l die g e n a n n t e n A u t o r e n das Gemeinschaftsrecht insges a m t u n t e r s c h i e d l i c h q u a l i f i z i e r e n 3 1 , s t e l l e n sie es w e g e n der e r w ä h n t e n 20 Diese Bezeichnung geht auf Ipsen, Verhältnis (1965), S. 2 f., zurück, ohne daß dieser jedoch selbst diese Methode vertritt. 21 Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 73—93; ders., Föderalismus, DÖV 1962, 649—652. 22 Scheuner, Rechtsetzungsbefugnis, Festschr. f. Verdross (1960), S. 229— 242. 23 Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 7—49. 24 Heinz Wagner, Beschlußrecht, 1965. 25 Seidl-Hohenv eidern, Intern. Organisationen, 1967. 28 Ipsen, Verhältnis (1965), S. 10, sieht bei Schlochauer (im Schlußteil der i n Anm. 27 zitierten Untersuchung) zutreffend Ansätze einer „pragmatischen" Betrachtungsweise. 27 Schlochauer, Verhältnis, ArchVR 11 (1963/64), 1—34. — Ferner haben sich, aber meistens nur beiläufig (z. T. m i t unterschiedlichen Begründungen und/ oder Folgerungen) dazu bekannt: Bindschedler, Rechtsfragen (1954), S. 21, 201, 246, 372; Jerusalem, Montanunion (1954), S. 70 f.; Mosler, Diskussionsbeitrag, BerDGesVöR 2 (1958), 119; Schröcker, Vertragswidriges Gesetz, DVB1. 1958, 417; Knopp, Vorlage von Auslegungsfragen, JZ 1961, 309 f.; D. Küchenhoff, Grundrechte, DÖV 1963,164. 28 Vgl. Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 76/77; Scheuner, aaO, S. 240 ff.; Schlochauer, aaO, S. 3, 8; Seidl-Hohenv eidern, aaO, Randnr. 1503, einschränkend aber Randnr. 124; einschränkend auch H.Wagner, aaO, S. 103, der den Schluß v o m Entstehungsgrund der Europäischen Gemeinschaften auf deren vertragsmäßige N a t u r für verfehlt hält; Bindschedler, aaO, S. 36. 29 Münch, Abgrenzung, S. 76/77; ders., DÖV 1962, 649, 650; Scheuner, aaO, S. 241; Schlochauer, aaO, S. 27; Schröcker, DVB1. 1958, 417; Seidl-Hohenveldern, aaO, Randnr. 113,1727; Wagner, aaO, S. 66 f., 206, 350 ff. 30 Scheuner, aaO, S. 241; Wagner, aaO, S. 328 ff., 331, 354 f.; Münch, Abgrenzung, S. 90, n i m m t sogar an, daß eine solche Vorrangklausel i m Vertragstext bedeutungslos wäre, w e i l sie (infolge der Transformation) n u r einfaches Gesetzesrecht wäre. Ebenso offenbar Erler, aaO, S. 19, wegen des Verhältnisses zum Verfassungsrecht vgl. aber ders., aaO, S. 33 ff., sowie die Darstellung unten S. 39 ff.; Seidl-Hohenv eidern, aaO, Randnr. 1718. 31 Münch, Abgrenzung, S. 77, 135: Völkerrecht; H. Wagner, aaO, S. 57, 85 ff.: Völkerrecht; Scheuner, aaO, S. 230, 231, 235: Staatengemeinschaftsrecht bzw. internes Staatengemeinschaftsrecht als Teil des Völkerrechts; Seidl-Hohen-

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I I . Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Diskussion

V o r a u s s e t z u n g e n j e d e n f a l l s i n seinem V e r h ä l t n i s z u m L a n d e s r e c h t d e m V ö l k e r r e c h t g l e i c h 3 2 . Dieses V e r h ä l t n i s b e s t i m m e sich s o m i t nach d e n d a f ü r v o r h a n d e n e n V o r s c h r i f t e n des j e w e i l i g e n n a t i o n a l e n Rechts u n d der S t a a t s v e r f a s s u n g e n 3 3 . Z u r G e l t u n g i n d e n M i t g l i e d s t a a t e n b e n ö t i g e das Gemeinschaftsrecht, s o w e i t es sich u m a l s b a l d a n w e n d b a r e (selfe x e c u t i n g ) V o r s c h r i f t e n h a n d e l e 3 4 b z w . u m solche, die das V e r h a l t e n der e i n z e l n e n auf d e m Sachgebiet der G e m e i n s c h a f t e n r e g e l n 3 5 , d e n „ i n n e r s t a a t l i c h e n A n w e n d u n g s b e f e h l " ebenso w i e das V ö l k e r r e c h t 3 6 . S o w o h l d i e r e c h t s n o r m a t i v e n B e s t i m m u n g e n der G r ü n d u n g s v e r t r ä g e als auch die v o n d e n Gemeinschaftsorganen erlassenen Rechtsvorschrift e n g e l a n g e n also nach dieser A u f f a s s u n g i m Wege der T r a n s f o r m a t i o n z u r i n n e r s t a a t l i c h e n W i r k s a m k e i t , u n d z w a r die e i n e n ü b e r die V e r tragsgesetze, die a n d e r e n a u f G r u n d der L e g a l i s i e r u n g d e r Rechtsetzungsbefugnisse d e r Gemeinschaftsorgane i n d e n V e r t r a g s g e s e t z e n 3 7 . D a r a u s k ö n n t e der Schluß gezogen w e r d e n , das Gemeinschaftsrecht sei, selbst w e n n es d e n N a m e n „ S t a a t e n g e m e i n s c h a f t s r e c h t " e r h i e l t e , auch als i n k o r p o r i e r t e deutsche Rechtsmasse anzusehen, die d e m n a t i o n a l e n Recht g l e i c h s t ü n d e 3 8 . G l e i c h w o h l h ä l t Schlochauer das Gemeinschaftsrecht n i c h t f ü r P a r a l l e l - L a n d e s r e c h t , s o n d e r n — i m Gegensatz z u m t r a n s veldern, aaO, Randnr. 1502 ff.: internes Staatengemeinschaftsrecht als p a r t i kuläres Völkerrecht; D. Küchenhoff, DÖV 1963, 163: teils partikuläres V ö l k e r recht, teils internes Staatengemeinschaftsrecht; Schlochauer, aaO, S. 3 ff., bezeichnet als supranationales Recht nicht die Gründungsverträge insgesamt, sondern n u r die i n sie einbezogenen, innerhalb eines Teilbereiches der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten einheitlich entstandenen Rechtsordnungen sowie die auf ihrer Grundlage von supranationalen Organen gesetzten Normen. Er sieht das supranationale Recht als einen neben das Völkerrecht zu gruppierenden, eigenständigen Normenkreis an. 32 Münch, Abgrenzung, S. 78, 82; Scheuner, aaO, S. 241; Schlochauer, aaO, S. 8, 22; Erler, aaO, S. 36; D. Küchenhoff, aaO, S. 164; Seidl- Ηohenveidern, aaO, Randnr. 1718 ff., 1724,1726; H. Wagner, aaO, S. 331 f., 355. 33 Münch, Abgrenzung, S. 78, 84; ders., D Ö V 1962, 650; Scheuner, aaO, S. 241; Schlochauer, aaO, S. 16, 27, 29; Seidl-Hohenveldern, aaO, Randnr. 1721; H. Wagner, aaO, S. 67, 332. 34 Scheuner, aaO, S. 240 N. 59. 35 Münch, Abgrenzung, S. 89: A l l e i n diese seien self-executing u n d überhaupt geeignet, Bestandteil des nationalen Rechts zu werden. Vgl. zu den verschiedenen Bedeutungen von self-executing jeweils m. Nachw. auch Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 335, 341; Schnorr, Arbeitsrecht (1960), S. 183/184; Seidl-Hohenveldern, Intern. Organisationen (1967), Randnr. 1704 f. 36 Schlochauer, aaO, S. 25/26 i m Anschluß an Mosler, Diskussionsbeitrag, BerDGesVöR 2 (1958), 119; ähnlich Münch, aaO, S. 82; Schröcker, DVB1. 1958, 417; Seidl-Hohenveldern, aaO, Randnr. 1701 ff.; H. Wagner, aaO, S. 323. 37 Schlochauer, aaO, S. 24/25; ebenso w o h l Münch, Abgrenzung, S. 82/83, 86, 89, 91; ders., D Ö V 1962, 650; Erler, aaO, S. 19, 24, 35/36, 37, n u r hinsichtlich der Gründungsverträge; dagegen folgt Wagner, aaO, S. 324, der Vollzugslehre. Seidl-Hohenveldern, Intern. Organisationen (1967), Randnr. 1701, hält generelle Transformation oder Adoption für zulässig. 38 Vgl. Ipsen, Verhältnis (1965), S. 4. A u f diese Konsequenz weist auch Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 324/325, hin.

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formierten Völkerrecht — für eine i n den Gemeinschaftsbereichen einheitlich geltende Rechtsordnung verfassungsrechtsähnlichen Charakters 39 . Das Rangverhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht bestimmt sich jedenfalls bei den Vertretern der völkerrechtlichen Betrachtungsweise analog der i n den Verfassungsrechten festgelegten Rangfolge von Völkervertragsrecht und innerstaatlichem Recht. Dem durch Zustimmungsgesetz gemäß A r t . 59 Abs. I I S. 1 GG transformierten Vertragsvölkerrecht kommt nach h. M. in der Bundesrepublik Deutschland der Rang einfacher Bundesgesetze zu 4 0 . Das Gemeinschaftsrecht soll deshalb nach der völkerrechtlichen Auffassung i n der Bundesrepublik Deutschland mit dem Gesetzesrecht des Bundes gleichrangig sein 41 , und zwar sowohl das primäre wie das sekundäre Gemeinschaftsrecht 42 . Ungeachtet dieser grundsätzlichen Gleichstellung des Gemeinschaftsrechts mit dem nationalen einfachen Gesetzesrecht beurteilen aber die Anhänger der konventionell-völkerrechtlichen Methode zum Teil das Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Verfassungsrecht unterschiedlich. Es ist deshalb erforderlich, ihre Auffassungen, die i m Hinblick auf den Umfang der Verfassungsbindung, insbesondere hinsichtlich der Grundrechte, und i n bezug auf eine Verfassungsbindung des sekundären Gemeinschaftsrechts teilweise voneinander abweichen, insofern noch näher darzustellen. bb) Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Verfassungsrecht, insbesondere zu den Grundrechten Soweit spezielle Äußerungen über den Umfang der Grundrechtsbindung des Gemeinschaftsrechts vorliegen, erörtern die Anhänger der völkerrechtlichen Methode insofern, ob Art. 24 Abs. I GG Abweichungen des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts von den Grund39 Schlochauer, aaO, S. 26. Den darin liegenden Widerspruch kritisiert Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 100 N. 8. Auch Erler, aaO, S. 37, bezeichnet nationales und Gemeinschaftsrecht trotz der „Transformation zumindest der Vertragsinhalte" als zwei nebeneinander stehende Rechtsmassen. Schröcker, DVB1.1958, 418, hält diese Qualifizierung i m Hinblick auf die Rangfrage für bedeutungslos. 40 Vgl. etwa m. Nachw. W. Rudolf, Völkerrecht (1967), S. 212 ff.; Boehmer, Vertrag (1965), S. 66 f.; abweichend (Ubergesetzesrang kraft des Satzes pacta sunt servanda) v. Mangoldt-Klein, B G G I (2), A r t . 25 Anm. I I I 2 b, S. 676, m. w. Nachw. 41 Scheuner, aaO, S. 241; Schlochauer, aaO, S. 27; Erler, aaO, S. 19, 36 für das Vertragsrecht; D. Küchenhoff, aaO, S. 164; Seidl-Hohenv eidern, aaO, Randnr. 1721 ff.; H. Wagner, aaO, S. 356; Münch, aaO, S. 86, folgert das u. a. aus A r t . 24 und A r t . 79 12 GG. 42 Scheuner, aaO, S. 241, 242; Schröcker, DVB1. 1958, 418; Seidl-Hohenv eidern, aaO, Randnr. 1721; H. Wagner, aaO, S. 356; Münch, aaO, S. 86, 89, 91; abweichend für das sekundäre Gemeinschaftsrecht: ders., DÖV 1962, 650.

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rechtsbestimmungen des Grundgesetzes zuläßt. Art. 24 Abs. I GG w i r d vielfach deshalb als Ermächtigung zu einer materiellen Verfassungsänderung verstanden, weil diese Bestimmung es zulasse, i m Verfahren der einfachen Gesetzgebung Funktionen der herkömmlich als unteilbar vorgestellten Staatsgewalt aus den staatlichen Zuständigkeiten auszugliedern und auf zwischenstaatliche Organisationen zu übertragen 43 . Die materiell verfassungsändernde Wirkung des einfachen Übertragungsgesetzes gemäß A r t . 24 Abs. I GG soll sich nach D. Küchenhoff 44 i n dem Vorgang der Ausgliederung nationaler Zuständigkeiten als solchem erschöpfen. Art. 24 Abs. I GG ermächtige also nicht zum Entzug von Grundrechten anläßlich der Übertragung von Hoheitsrechten i m Wege der einfachen Gesetzgebung. Daraus muß der Schluß gezogen werden, daß nach dieser Auffassung D. Küchenhoffs das primäre und das sekundäre Gemeinschaftsrecht Grundrechte des Grundgesetzes nur soweit einschränken können, als die Gesetzesvorbehalte des Grundrechtskataloges Grundrechtseinschränkungen zulassen 45 . Vielfach nehmen die Anhänger der völkerrechtlichen Auffassung jedoch an, daß A r t . 24 Abs. I GG inhaltliche Abweichungen des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts vom Grundgesetz gestattet 46 . Der Umfang der danach zulässigen A b weichungen w i r d freilich hinsichtlich der Grundrechte unterschiedlich und nicht immer eindeutig bestimmt. Soweit gemäß A r t . 24 Abs. I GG gewisse Grundrechtseinschränkungen durch das primäre und das sekundäre Gemeinschaftsrecht anscheinend für zulässig angesehen werden 4 7 , besteht i m Grundsatz Einigkeit darüber, daß solche Einschränkungen nur außerhalb der verfassungsrechtlichen Substanzgrenze erfolgen dürfen, die wohl zumeist mit den Schranken einer Verfassungsänderung gemäß A r t . 79 Abs. I I I GG gleichgesetzt w i r d 4 8 . Insofern werden etwa die fundamentalen Vorschriften des Grundgesetzes 49 , sehr wesentliche 43 Vgl. m. Nachw. D. Küchenhoff, Grundrechte, DÖV 1963, 164; ν . MangoldtKlein, B G G I (2), A r t . 24 A n m . I I I 4 b a. E., S. 662. 44 D. Küchenhoff, Grundrechte, DÖV 1963,164 f. 45 Vgl. D. Küchenhoff, Grundrechte, DÖV 1963,166. 48 Vgl. Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 87 ff., 93; Scheuner, Rechtsetzungsbefugnis, Festschr. f. Verdross (1960), S. 242; Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 40 f., 43 f.; Seidl-Hohenveldern, Intern. Organisationen (1967), Randnr. 1720, 1728; H. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 252, 350, 359. 47 Ausdrücklich i n diesem Sinne H. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 252; vgl. ferner Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 88 f., 93; Scheuner, Rechtsetzungsbefugnis, Festschr. f. Verdross (1960), S. 242. 48 Vgl. Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 40 f.; H. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 350, 359. Dagegen hält Seidl-Hohenveldern, Intern. Organisationen (1967), Randnr. 1729, 1613, Bedenken wegen des Grundrechtsschutzes auch ohne Rückgriff auf A r t . 24 GG f ü r gegenstandslos, w e i l der Schutz der Menschenwürde durch die den Mitgliedstaaten gemeinsamen Rechtsgrundsätze gewährleistet sei. 49 Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 93.

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Grundrechte und rechtsstaatliche Prinzipien 5 0 , ein Kernbestand von Grundrechten m i t Menschenwürdegehalt 51 oder der Wesensgehalt der Grundrechte 52 als unantastbar bezeichnet. Insgesamt gesehen rechtfertigen die Äußerungen bedeutender Vertreter der konventionell-völkerrechtlichen Methode schwerlich die A n sicht, daß nach der völkerrechtlichen Betrachtungsweise „die Schranken des Verfassungsrechts (z. B. die Grundrechte) i n vollem Umfang für das Vertragsrecht" gelten würden 5 3 . Nach der überwiegenden Auffassung scheinen vielmehr Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts auf die nationalen Verfassungen außerhalb der Substanzgrenze durchaus denkbar und zulässig zu sein. Zu erklären ist das nur mit A r t . 24 Abs. I GG, soweit dieser auch eine von der Verfassung abweichende Übertragung von Hoheitsrechten zuläßt 5 4 . Überwiegend beurteilen und bezeichnen die Vertreter der völkerrechtlichen Betrachtungsweise diese Wirkung der Übertragung von Hoheitsrechten nicht als „Vorrang" des Gemeinschaftsrechts, weil sie annnehmen, daß das — an sich i m Range über dem Gemeinschaftsrecht stehende — Verfassungsrecht seine Geltung selbst einschränkt, d. h. auf seinen an sich bestehenden Vorrang insofern verzichtet 55 . Ferner bestehen nach der völkerrechtlichen Betrachtungsweise verfassungsrechtliche Schranken nur gegenüber dem primären Gemeinschaftsrecht zweifelsfrei 56 , weil das Primärrecht einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht über die Vertragsgesetze zugänglich ist 5 7 . Dagegen w i r d anscheinend die Frage, ob die Verfassungsschranken auch dem Sekundärrecht entgegenstehen, nicht einheitlich beurteilt. Darauf ist nunmehr einzugehen. cc) Verhältnis speziell des Sekundärrechts zu den Grundrechten Manche Äußerungen von Vertretern der völkerrechtlichen Auffassung können dahin verstanden werden, daß sich der grundsätzlich angenommene Vorrang der Verfassung auf die Frage beschränkt, ob das primäre 50 Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 88; ähnlich Scheuner, Rechtsetzungsbefugnis, Festschr. f. Verdross (1960), S. 242. 51 Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 44. 52 H. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 252, 256, 350, 359. 63 So beurteilt von Großfeld, Rezension, JuS 1966, 350, der diese Ansicht aber anscheinend nicht auf das sekundäre Gemeinschaftsrecht erstreckt. 34 Vgl. Ipsen, Verhältnis (1965), S. 14 f. 55 Dies andeutend Ipsen, Verhältnis (1965), S. 14 f.; vgl. ferner Erler, G r u n d gesetz, W D S t R L 18 (1960), 19. 56 Vgl. etwa Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 86/87; Scheuner, Rechtsetzungsbefugnis, Festschr. f. Verdross (1960), S. 241. 57 Vgl. m. Nachw. Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 45.

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I I . Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Diskussion

Gemeinschaftsrecht verfassungsgemäß ist 5 8 . Dieser Eindruck entsteht insbesondere dann, wenn als Maßstab der Verfassungsmäßigkeit des Gemeinschaftsrechts die „strukturelle Kongruenz" der Ordnung der überstaatlichen Gemeinschaft m i t den verfassungsrechtlichen Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland genannt w i r d 5 9 ; denn die am Grundgesetz zu messende Ordnung der Gemeinschaften ist i n deren Primärrecht festgelegt. Manche Anhänger der völkerrechtlichen Betrachtungsweise lassen nicht erkennen, ob die von ihnen hervorgehobenen Verfassungsschranken auch gegenüber dem sekundären Gemeinschaftsrecht wirksam sein sollen 60 . Doch w i r d von anderen Autoren ausdrücklich ein Vorrang des Grundgesetzes gegenüber dem Sekundärrecht vertreten 6 1 , ungeachtet der Zulässigkeit von Verfassungsabweichungen gemäß A r t . 24 Abs. I GG. Diese Richtung innerhalb der völkerrechtlichen Betrachtungsweise geht davon aus, daß dem Sekundärrecht innerstaatlich kein höherer Rang zukommen könne als dem Vertrag, der seine Grundlage ist 6 2 . Soweit das sekundäre Gemeinschaftsrecht den Wesensgehalt von Grundrechten „offensichtlich" verletzt, soll es nach H. Wagner zwar rechtmäßig nach Gemeinschaftsrecht, doch innerstaatlich nicht durchsetzbar sein 63 . Für eine Verfassungskontrolle des sekundären Gemeinschaftsrechts soll das Bundesverfassungsgericht gemäß A r t . 100 GG zuständig sein 64 . 58 I n diesem Sinne Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (i960), 33, 39. Soweit Erler eine Verfassungskontrolle des sekundären Gemeinschaftsrechts ablehnt, gehören seine dafür maßgeblichen Erwägungen i n den Zusammenhang der sog. verfahrensrechtlichen Lösung (vgl. unten S. 39 ff.). Diese Lösung Erlers e n t n i m m t auch dem Gemeinschaftsrecht eine „Rangregelung" und ist daher an dieser Stelle noch nicht dazustellen. 59 Vgl. Schlochauer, Verhältnis, ArchVR 11 (1963/64), 25 N. 111 m. w. Nachw. Auch Schlochauers Diskussionsbeitrag i n BerDGesVöR 2 (1958), 117, läßt sich für eine Grundrechtsbindung nichts entnehmen. — Vgl. i n diesem Zusammenhang die Ubersicht über die verschiedenen Ausprägungen der vielfach erhobenen, aber umstrittenen Forderung nach struktureller Kongruenz (Prinzipielle Gleichartigkeit der Organe als verfassungsrechtliches oder als verfassungspolitisches Postulat oder n u r Gleichrichtung der wesensmäßigen Grundentscheidungen o. ä.) m. Nachw. bei Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 39 N. 15 u. 16. 60 Vgl. Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 86/87, 91; Scheuner, Rechtsetzungsbefugnis, Festschr. f. Verdross (1960), S. 241 f.; ders., Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 108. 61 Vgl. Schröcker, Vertragswidriges Gesetz, DVB1. 1958, 418; H. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 350, 359; m i t Einschränkungen auch D. Küchenhoff, Grundrechte, DÖV 1963,166. 62 Schröcker, Vertragswidriges Gesetz, D V B l . 1958, 418; ebenso, aber ohne Folgerungen für eine Verfassungsbindung: Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 91; Scheuner, Rechtsetzungsbefugnis, Festschr. f. Verdross (1960), S. 242. 63 H. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 252, 256, 359. 64 Schröcker, Vertragwidriges Gesetz, D V B l . 1958, 418; w o h l auch H. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 360. F ü r eine Verfassungskontrolle des sekundären

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Nach der einschränkenden Auffassung von D. Küchenhoff 5 kommt zwar einfachen Gesetzen, welche die völkerrechtlichen Vertragsbestimmungen i n Bundesrecht transformieren, und Rechtsakten der Staatengemeinschaftsorgane eine innerstaatliche Bindungswirkung dann nicht zu, wenn sie Grundrechte verletzen oder beseitigen. Weil indessen überstaatliche Rechtsetzungs- oder Verwaltungsakte von staatlichen Organen nicht aufgehoben werden könnten, stehe dem von grundgesetzwidrigem Gemeinschaftsrecht Betroffenen ein Rechtsanspruch auf Ausgleich ihrer Folgen zu. Der Anspruch auf Achtung der Grundrechte wandele sich zum Anspruch auf Enteignungs- oder Aufopferungsentschädigung um 6 6 . Diese Auffassung D. Küchenhoffs führt somit dazu, daß deutsche Staatsorgane das sekundäre Gemeinschaftsrecht auch dann anwenden müssen, wenn es Grundrechte verletzt oder beseitigt. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß nach der völkerrechtlichen Betrachtungsweise ein innerstaatlicher Vorrang des deutschen Verfassungsrechts wenigstens i m Grundsatz nur vor dem primären Gemeinschaftsrecht zweifelsfrei besteht, weil das Primärrecht kraft Transformation i n der Bundesrepublik Deutschland gesetzesgleichen Rang haben soll. Ein Vorrang des Grundgesetzes vor dem sekundären Gemeinschaftsrecht w i r d nur zum Teil ausdrücklich und mit unterschiedlichen Rechtsfolgen vertreten, i m übrigen jedenfalls nicht speziell erörtert, obwohl dem Sekundärrecht anscheinend durchweg ebenfalls ein gesetzesgleicher Rang zugesprochen wird. Ebenso werden die Grundrechtsschranken unterschiedlich umschrieben je nachdem, ob und i n welchem Umfang Art. 24 Abs. I GG als Ermächtigung zu Verfassungsabweichungen angesehen wird. Es ergibt sich somit, daß nach der völkerrechtlichen Betrachtungsweise, die den innerstaatlichen Rang des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts durch Analogie zum Rang des transformierten Vertragsvölkerrechts bestimmt, die Meinungen über die Verbindlichkeit der Grundrechte bei der innerstaatlichen Anwendung von Gemeinschaftsrecht nur i m Grundsatz übereinstimmen, i m einzelnen aber zum Teil voneinander abweichen. Gemeinschaftsrechts durch das Bundesverfassungsgericht hat sich früher bereits Ballerstedt, M a r k t o r d n u n g (1955), S. 60 f., bezüglich der allgemeinen Entscheidungen nach dem E G K S V ausgesprochen. Auch Hamann, GG (2. A u f l . 1961), A r t . 24 Anm. Β 3 S. 228, hält, ohne Folgerungen daraus zu ziehen, das von übernationalen Einrichtungen gesetzte Recht für „nicht stärker als (einfaches) Bundesrecht, sondern diesem gleichrangig". 65 D. Küchenhoff, Grundrechte, D Ö V 1963,166,168. 66 Dagegen Ehle, N J W 1964, 326: Das verfassungswidrige Gemeinschaftsrecht bleibe bei dieser Auffassung w e i t e r h i n w i r k s a m u n d zeitige laufend neue V e r letzungen. F ü r einen derartigen Entschädigungsanspruch gebe es keine Rechtsgrundlage, insbes. komme eine Ersatzpflicht wegen legislativen Unrechts nicht i n Betracht, da das Zustimmungsgesetz kein Einzelfallgesetz sei. Kritisch auch Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 120: Zuerst sei der Bürger von den grundrechtswidrigen Rechtsfolgen selbst freizuhalten.

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I I . Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Diskussion

b ) Gemeinschafts freundlicher

Pragmatismus

Neben der völkerrechtlichen Methode gibt es eine andere Auffassung, nach der sich die Rangfrage ebenfalls nicht aus dem Gemeinschaftsrecht selbst beantworten läßt, die aber Regeln über den Rang transformierten Völkervertragsrechts nur m i t Einschränkungen auf das Verhältnis des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht anwenden w i l l . Ziel dieser insbesondere von Jaenicke 67 und Sattler 68 vertretenen Betrachtungsweise ist es, die Bedeutung der Rangfrage einzugrenzen, weil diese Auffassung einem behaupteten oder geforderten Vorrang des Gemeinschaftsrechts i n der innerstaatlichen Rechtsordnung mehr politisch-psychologische als praktische Bedeutung beimißt. Der Vorrang ist nach dieser Meinung nicht das allein mögliche rechtstechnische M i t t e l zur Gewährleistung der Anwendung des Gemeinschaftsrechts i m nationalen Rechtsanwendungsbereich. Jaenicke 69 findet, wie die Vertreter der völkerrechtlichen Auffassung, i m EWG-Vertrag, den er ausschließlich untersucht, keine ausdrückliche Bestimmung über den Rang des Gemeinschaftsrechts i n den Mitgliedstaaten. Eine Vertragsbestimmung für sich allein könne dem Gemeinschaftsrecht i n den M i t gliedstaaten, i n denen völkerrechtliche Verträge keinen höheren Rang als einfache Gesetze haben — also auch i n der Bundesrepublik Deutschland — ohnehin keinen höheren Rang verschaffen 70 . Gemäß der aus A r t . 86 Abs. I EGKSV, A r t . 5 EWGV, A r t . 192 EAGV folgenden Verpflichtung, Gemeinschaftsrecht nicht zu beeinträchtigen, dürfen nach Jaenicke 71 und Sattler 72 die nationalen Behörden und Gerichte u. a. i m Falle eines Konflikts zwischen nationalem Recht und älterem Gemeinschaftsrecht nicht ohne weiteres unter Berufung auf den Grundsatz der lex posterior (Anwendung des jeweils jüngeren Rechts) zugunsten nationaler Rechtsvorschriften über bestehendes Gemeinschaftsrecht hinweggehen. Die nationalen Rechtsvorschriften seien vielmehr, soweit es ihr Wortlaut nur irgendwie zulasse, i m Zweifel „gemeinschaftskonform", also so auszulegen, daß sie mit dem bestehenden Gemeinschaftsrecht nicht kollidieren 7 3 . A u f Einzelheiten kann insoweit hier verzichtet werden; denn diese betreffen wie die Untersuchung Jaenickes i m ganzen und die einschlägigen Ausführungen Sattlers nicht 67

Jaenicke, Verhältnis, ZaöRV 23 (1963), 485—535, hier S. 518 ff. Sattler, Funktionelle Integration (1967), S. 31 ff. «9 Jaenicke, Verhältnis, ZaöRV 23 (1963), 523 ff. 70 Vgl. noch Jaenicke, Verhältnis, ZaöRV 23 (1963), 525: Ob A r t . 24 GG dazu ermächtige, dem Gemeinschaftsrecht einen Vorrang vor dem innerstaatlichen Recht einzuräumen, sei zweifelhaft. 71 Jaenicke, Verhältnis, ZaöRV 23 (1963), 527 f. 72 Sattler, Funktionelle Integration (1967), S. 34 ff. 73 Jaenicke, aaO, S. 527 f.; Sattler, aaO, S. 34 ff. 68

3. Unergiebigkeit bzw. Unerheblichkeit des Gemeinschaftsrechts

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das Verhältnis des Gemeinschaftrechts zum nationalen Verfassungsrecht. Immerhin erscheint es gerechtfertigt, eine derartige Betrachtungsweise des „gemeinschaftsfreundlichen Pragmatismus" 7 4 als eine für die Rangfrage nicht unerhebliche Methode zu verzeichnen. Für das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und nationalem Verfassungsrecht scheint sie bisher noch nicht weiter nutzbar gemacht worden zu sein. Carstens 75 weist trotz grundsätzlicher Zustimmung zur vertragskonformen Auslegung freilich auch auf deren Grenzen hin: Klare Verstöße gegen die materiellen Gebote und Verbote des Grundgesetzes, insbesondere klare Verletzungen des Wesensgehalts von Grundrechten, könnten auf diesem Wege nicht geheilt werden. c) Spezielle verfassungsrechtliche Rangbestimmung für das Gemeinschaftsrecht Eine weitere Gruppe von Autoren, die dem Gemeinschaftsrecht keine Rangregel entnehmen, stimmt m i t der konventionell-völkerrechtlichen Methode zwar darin überein, daß sie die maßgebliche Rangbestimmung i m deutschen Recht findet. I m Gegensatz zu jener Methode überträgt diese Auffassung jedoch nicht die Regel über den Rang des transformierten Völkervertragsrechts auf das primäre und das sekundäre Gemeinschaftsrecht, sondern leitet den innerstaatlichen Rang des Gemeinschaftsrechts unmittelbar aus A r t . 24 Abs. I GG ab 7 6 . Danach sollen das primäre 74

Bezeichnung von Ipsen, Verhältnis (1965), S. 10. Carstens, Rang, Festschr. f. Riese (1964), S. 77. Nach Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 74, besteht eine Verpflichtung nationaler Verwaltungsbehörden, „möglichst eine Auslegung zu finden, die eine Übereinstimmung zwischen (mit? — D. Verf.) dem Grundgesetz und dem nationalen Recht ermöglicht". Z u r vertragskonformen Auslegung allgemein vgl. m. Nachw. Schröcker, Vertragswidriges Gesetz, D V B l . 1958, 373 f. („ungeschriebener V e r tragsvorbehalt"); Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 90 f. 76 Carstens, Rang, Festschr. f. Riese (1964), S. 65—81, hier S. 75, 78; Ehle, EWG-Prozeßrecht, A r t . 189 E W G V Tz. 10; ders., Verhältnis, M D R 1964, 13; ders., Verhältnis, N J W 1964, 2333; w o h l auch Fuß, Rechtsschutz, N J W 1966, 1784; anders noch ders., Rechtsstaatlichkeit, D Ö V 1964, 585 N. 124; ähnlich Ipsen, Haager Kongreß, N J W 1964, 342; n u r für das Sekundärrecht anscheinend auch Münch, Föderalismus, DÖV 1962, 650. Frowein, Verhältnis, A W D 1964, 237; Großfeld, Rezension, JuS 1966, 352 f., u n d Hoffmann, Verhältnis, DÖV 1967, 439, lassen es offen, ob i m deutschen Recht die maßgebliche Kollisionsnorm unmittelbar i n A r t . 24 I GG oder i n dem auf seiner Grundlage ergangenen Zustimmungsgesetz enthalten ist. Vogel, Anwendungsbereich (1965), S. 305, insbes. N. 23; ders., Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 115, w i l l den V o r rang des Gemeinschaftsrechts nicht unmittelbar aus A r t . 24 Abs. I GG, sondern aus der i n der Präambel u n d den A r t . 24—26 GG enthaltenen Verfassungsentscheidung für die internationale Zusammenarbeit herleiten. — Gegen eine A b l e i t u n g des Vorrangs aus A r t . 24 Abs. I GG: Schnorr, Arbeitsrecht (1960), S. 284/285; Götz, Europ. Gemeinschaftsrecht, J Z 1963, 268; Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 636. — Über ähnliche Versuche, Staatsverträge m i t den Kirchen verfassungsrechtlich gegen spätere einfache Gesetze abzusichern vgl. Quaritsch, Kirchenvertrag, Festschr. f. Schack (1966), S. 135 f. 75

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Gorny

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I I . Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Diskussion

und das sekundäre Gemeinschaftsrecht den einfachen Gesetzen vorgehen, aber wenigstens grundsätzlich i m Range unter dem Verfassungsrecht stehen (Zwischenrang). Bei einigen ihrer Vertreter erscheint diese Betrachtungsweise als eine Modifikation der völkerrechtlichen Methode 77 , während andere Autoren diese Auffassung von der völkerrechtlichen Methode abheben 78 oder nicht erkennbar werden lassen, wie sich ihre eigene Auffassung zu jener Methode verhält 7 9 . Nach Fr owein und Hoffmann obliegt die innerstaatlich verbindliche Anordnung eines Anwendungsvorrangs 80 des Gemeinschaftsrechts dem nationalen Recht, weil die Stellung der Gemeinschaften noch nicht völlig autonom sei 81 und das nationale Recht den innerstaatlichen Anwendungsbefehl erteilen müsse 82 . Dem Gemeinschaftsrecht entnehmen sie insofern lediglich eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, den Anwendungsvorrang herzustellen 83 , bzw. finden i m Gemeinschaftsrecht eine Parallelregelung des Vorrangs, die nur für die Gemeinschaftsorgane maßgeblich ist 8 4 . Carstens 85 begründet die Rangbestimmung durch das nationale Verfassungsrecht u. a. damit, daß sich den Europäischen Gemeinschaftsverträgen ebensowenig ein stillschweigender Vorrang des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts durch Auslegung nach dem Willen der Vertragsparteien oder kraft des sog. Effektivitätsgrundsatzes entnehmen lasse, wonach Verträge so auszulegen sind, daß ihr Zweck nach Möglichkeit erreicht wird. Carstens stützt das von i h m gefundene Ergebnis der Vertragsauslegung u. a. auf die bisherige Praxis der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaftsorgane sowie auf das Fehlen einer Entscheidungskompetenz des Gerichtshofs über einen innerstaatlichen Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht. Das Verhältnis des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts zum Verfassungsrecht beurteilen die Anhänger dieser Betrachtungs77 So anscheinend bei Ehle, Verhältnis, M D R 1964, 10/11, 15; Vogel, A n w e n dungsbereich (1965), S. 305 ff. 78 Vgl. Hoff mann, Verhältnis, DÖV 1967, 434 f.; anscheinend auch Großfeld, Rezension, JuS 1966, 350, 352 f. 79 Vgl. Carstens, Rang, Festschr. f. Riese (1964), S. 75 ff.; Frowein, Verhältnis, A W D 1964, 233, 236; Fuß, Rechtsstaatlichkeit, DÖV 1964, 585 ff.; ders., Rechtsschutz, N J W 1966,1784. 80 Der Anwendungsvorrang f ü h r t zur Suspension des entgegenstehenden Rechts, der Geltungsvorrang zu dessen Nichtigkeit, vgl. Hoffmann, Verhältnis, DÖV 1967, 440; ähnlich Frowein, Verhältnis, A W D 1964, 237 f. 81 Frowein, Verhältnis, A W D 1964, 234, 236. 82 Hoff mann, Verhältnis, D Ö V 1967, 438; ähnlich Friauf, Strukturelemente, DVB1.1964, 785 ff. 83 Hoffmann, Verhältnis, D Ö V 1967, 438/439. 84 Frowein, Verhältnis, A W D 1964, 236. 85 Carstens, Rang, Festschr. f. Riese (1964), S. 68 ff.

3. Unergiebigkeit bzw. Unerheblichkeit des Gemeinschaftsrechts

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weise — soweit spezielle Äußerungen darüber vorliegen — nicht einheitlich, kommen aber hinsichtlich der Grundrechtsschranken teilweise zu ähnlichen Ergebnissen wie die völkerrechtliche Methode. Zwar ergibt sich bei diesen Autoren eine weitgehende Übereinstimmung i m Hinblick auf den Umfang der Grundrechtsbindung des Gemeinschaftsrechts, doch bestehen Unterschiede hinsichtlich der Verfassungsbindung des Sekundärrechts. Überwiegend nehmen die Anhänger dieser Betrachtungsweise an, daß Art. 24 Abs. I GG Abweichungen des Gemeinschaftsrechts von den Bestimmungen des Grundgesetzes gestattet, sofern solche Abweichungen den änderungsfesten Verfassungskern gemäß A r t . 79 Abs. I I I GG unberührt lassen 86 . Insbesondere soll danach ein nicht näher umschriebener Mindestbestand an Grundrechten 87 oder der Wesensgehalt der Grundrechte 88 nicht angetastet werden dürfen. Soweit Verfassungsabweichungen zulässig sein sollen, bezeichnet Carstens u. a. diese Wirkung des Art. 24 Abs. I GG als einen „relativen und begrenzten" „Vorrang" des Gemeinschaftsrechts 89 . Dagegen beurteilt Fr owein diese Wirkung des A r t . 24 Abs. I GG nicht als „Vorrang", ist aber offensichtlich der Meinung, daß diese Bestimmung einen ausdrücklich festgelegten Vorrang des Gemeinschaftsrechts ersetzt, soweit danach die Folgen der Übertragung von Hoheitsrechten nicht an anderen Verfassungsbestimmungen gemessen werden können 9 0 . Soweit A r t . 24 Abs. I GG Verfassungsabweichungen nicht zuläßt, vertreten Carstens 91 und Ehle 92 den grundsätzlichen Vorrang des Verfassungsrechts auch gegenüber dem sekundären Gemeinschaftsrecht, weil dieses keinen höheren Rang beanspruchen könne als die Verträge, auf denen es beruht. Ehle hält ferner eine Verfassungskontrolle der EWGVerordnungen deshalb für notwendig, weil der Rechtsschutz durch den EuGH i n formeller und materieller Hinsicht nicht ausreiche, aber auch 86 Vgl. Carstens, Rang, Festschr. f. Riese (1964), S. 77; Ehle, Verfassungskontrolle, N J W 1964, 322; ders., Verhältnis, M D R 1964, 14; Großfeld, Rezension, JuS 1966, 353; Hoffmann, Verhältnis, DÖV 1967, 437. Fuß, Rechtsstaatlichkeit, DÖV 1964, 578, n i m m t an, daß die Maßnahmen der Gemeinschaften „ i n fast allen Fällen" durch die Gesetzesvorbehalte des deutschen Grundrechtskataloges gedeckt seien. 87 So w o h l Großfeld, Rezension, JuS 1966, 353; Ehle, Verfassungskontrolle, N J W 1964, 322; ähnlich ders., EWG-Prozeßrecht, A r t . 189 E W G V Tz. 11. 88 Carstens, Rang, Festschr. f. Riese (1964), S. 77. 89 Carstens, Rang, Festschr. f. Riese (1964), S. 71. — Dagegen erörtert Friauf, Strukturelemente, D V B l . 1964, 788, nur, welche Anforderungen gem. A r t . 24 I GG an Grundrechtsgarantien i m Gemeinschaftsrecht zu stellen sind. 90 Frowein, Verhältnis, A W D 1964, 236. 91 Carstens, Rang, Festschr. f. Riese (1964), S. 79. 92 Ehle, Verfassungskontrolle, N J W 1964, 321 f.; ders., Verhältnis, M D R 1964, 14 f.; ders., EWG-Prozeßrecht, A r t . 189 E W G V Tz. 7 a. E.

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I I . Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Diskussion

für zulässig, weil die Zuständigkeit des EuGH insofern nicht ausschließlicher Natur sei 93 . A l l e i n durch eine unmittelbare Verfassungskontrolle der EWG-Verordnungen könne sichergestellt werden, daß bei der Gemeinschaftsgesetzgebung die der Souveränitätsübertragung innewohnenden Schranken (Art. 79 Abs. I I I GG) eingehalten würden 9 4 . Zuständig für die Verfassungskontrolle des sekundären Gemeinschaftsrechts soll das Bundesverfassungsgericht sein, und zwar nach Carstens 95 entsprechend A r t . 100 GG, nach Ehle 96 gemäß A r t . 93, 100 GG, § 93 BVerfGG. I m Falle eines Widerspruchs zur Verfassung darf das Bundesverfassungsgericht nach Ehle nicht das sekundäre Gemeinschaftsrecht für nichtig erklären, sondern nur dessen innerstaatliche unmittelbare Anwendbarkeit aufheben. Die Rechtsbeständigkeit des Gemeinschaftsrechts i m übernationalen Bereich bleibe davon unberührt 9 7 . Demgegenüber ist Fuß der Ansicht, daß sich bei einer Kollision mit deutschem Verfassungsrecht das Gemeinschaftsrecht „durchsetzt" 98 . Dieses Ergebnis beruht anscheinend — da Fuß eine andere Begründung nicht gibt — darauf, daß er „methodisch" lediglich eine Normenkontrolle der Zustimmungsgesetze für möglich hält. Bejahe man (zutreffend) die Verfassungskonformität der Zustimmungsgesetze, so könne die Grundgesetzmäßigkeit des sekundären Gemeinschaftsrechts nicht mehr in Frage gestellt werden. Die ökonomischen und sozialen Maßnahmen der Gemeinschaften seien „ i n fast allen Fällen" durch die Gesetzesvorbehalte des deutschen Grundrechtskataloges gedeckt 99 . Die Auffassung von Fuß führt zu dem Ergebnis, daß die Grundrechtsschranken des Grundgesetzes dem sekundären Gemeinschaftsrecht bei der Anwendung durch deutsche Staatsorgane nicht entgegenstehen 100 . Insgesamt ergibt sich nach dieser Betrachtungsweise, die den Rang des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts unmittelbar dem A r t . 24 Abs. I GG entnimmt, daß die Grundrechte, soweit sie zum änderungsfesten M i n i m u m gemäß A r t . 79 Abs. I I I GG gehören, jedenfalls durch das primäre Gemeinschaftsrecht nicht angetastet werden dürfen. 93

Ehle, Verfassungskontrolle, N J W 1964,323 ff. Ehle, Verfassungskontrolle, N J W 1964, 325. 95 Carstens, Rang, Festschr. f. Riese (1964), S. 80 f. 96 Ehle, Verfassungskontrolle, N J W 1964, 325 f.; ders., EWG-Prozeßrecht, A r t . 220/222 E W G V Tz. 23. 97 Ehle, Verfassungskontrolle, N J W 1964, 326; abweichend Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 120: nicht Aufhebung, sondern Hemmung der A n w e n d b a r keit. 98 Fuß, Rechtsschutz, N J W 1966,1784 N. 17. 99 Fuß, Rechtsstaatlichkeit, DÖV 1964, 578, insbes. N. 18. 100 Fuß, Rechtsschutz, N J W 1966, 1784 N. 17, bejaht jedoch die Zuständigkeit des B V e r f G entsprechend A r t . 100 I GG zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des sekundären Gemeinschaftsrechts. 94

3. Unergiebigkeit bzw. Unerheblichkeit des Gemeinschaftsrechts

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Dagegen sind die Vertreter dieser Betrachtungsweise geteilter Meinung darüber, ob die Grundrechtsschranken auch gegenüber dem sekundären Gemeinschaftsrecht bei der Anwendung durch deutsche Staatsorgane bestehen. d) Buridesstaatsähnliche

Integration

ohne Vorrangwirkung

Als letzte der Auffassungen, die dem Gemeinschaftsrecht keine Rangregel entnehmen, ist eine Betrachtungsweise anzuführen, die i n den Europäischen Gemeinschaften bundesstaatsähnliche Organisationen sieht, w e i l den Gemeinschaften i n bestimmten Bereichen staatliche Hoheitsrechte übertragen worden sind 1 0 1 . Thieme w i l l die innerstaatliche Geltung der Gemeinschaftsrechtsordnung nicht nach der jeweiligen nationalen Transformationsnorm beurteilt wissen, sondern nach der von den Mitgliedstaaten selbst gewollten und ermöglichten Selbständigkeit dieser Rechtsordnung 102 . Er verneint jedoch eine Überordnung der Gemeinschaften und ihres Rechts bzw. eine Unterwerfung der Mitgliedstaaten, weil eine Gemeinschaftsaufsicht und ein Gemeinschaftszwang fehlen 1 0 3 . Bei einer Kollision zwischen primärem oder sekundärem Gemeinschaftsrecht und dem Grundgesetz hätten daher die innerstaatlichen Organe dem Grundgesetz den Vorrang zu geben 104 . Steiger lehnt einen innerstaatlichen Vorrang des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts vor dem Grundgesetz ebenfalls ab 1 0 5 . Die Gründungsverträge seien wegen ihrer Transformation i n staatliches Recht ohne weiteres durch das Bundesverfassungsgericht überprüfbar 1 0 6 . Das Sekundärrecht kann nach Steiger — kraft der notwendigen staatlichen Anerkennung seiner innerstaatlichen Verbindlichkeit 1 0 7 — i m innerstaatlichen Raum nur so weit wirksam sein, als i h m dieser geöffnet worden sei 1 0 8 . Da nach Auffassung Thiemes und Steigers A r t . 24 Abs. I GG keinen Eingriff i n Grundrechte und grundrechtsähnliche Rechtspositionen gestattet, können nach dieser Betrachtungsweise das primäre und das ιοί V g l > Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 68, 55; Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 101, 149 ff., 182. Steiger sieht i n den Europäischen Gemeinschaften insgesamt einen einheitlichen B u n d i m Sinne C. Schmitts, ohne daraus Folgerungen zu ziehen f ü r das Verhältnis der Rechtsordnungen zueinander. 102 Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 54, 71. 103 Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 73. 104 Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 74, 77. 105 Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 120. 106 Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 116. 107 Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 100,114. 108 Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 117.

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I I . Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Diskussion

sekundäre Gemeinschaftsrecht Grundrechte nur einschränken, soweit sie unter Gesetzesvorbehalt stehen 109 . Steiger meint sogar, durch die Gemeinschaftsverträge seien insofern Eingriffsbefugnisse der Gemeinschaftsorgane nicht begründet worden, so daß man auch keine Generaleinschränkung der unter einfachem Gesetzesvorbehalt stehenden Grundrechte annehmen könne. Soweit ein Gesetzesvorbehalt bestehe, müsse daher der Bundesgesetzgeber erst die Einschränkung des Grundrechts aussprechen. Anderenfalls könne ggf. das Bundesverfassungsgericht die Hemmung der innerstaatlichen Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts feststellen 110 . I m Ergebnis gelten somit nach dieser Betrachtungsweise einer „bundesstaatsähnlichen Integration" 1 1 1 ohne Vorrangwirkung die Grundrechtsschranken des Grundgesetzes gegenüber dem primären und dem sekundären Gemeinschaftsrecht i n vollem Umfang.

e) Zusammenfassung Der Überblick über diejenigen Auffassungen des Verhältnisses von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht, welche dem Gemeinschaftsrecht nicht die Bestimmung des innerstaatlichen Ranges entnehmen, hat ergeben, daß die Frage nach der Verbindlichkeit der Bundesgrundrechte bei der innerstaatlichen Anwendung von Gemeinschaftsrecht i m Schriftt u m mit der Rangfrage eng verknüpft wird. M i t unterschiedlichen Begründungen nehmen alle erwähnten Auffassungen wenigstens einen grundsätzlichen Vorrang des Grundgesetzes vor dem primären Gemeinschaftsrecht an. Dagegen w i r d ein Vorrang des Grundgesetzes vor dem sekundären Gemeinschaftsrecht nur zum Teil ausdrücklich vertreten, vielfach jedoch nicht besonders erörtert und vereinzelt sogar abgelehnt. Soweit ein Vorrang des Grundgesetzes vor dem Sekundärrecht nicht angenommen wird, entfällt damit zwangsläufig die Verbindlichkeit der Bundesgrundrechte bei der Anwendung des sekundären Gemeinschaftsrechts. Soweit ein Vorrang des Grundgesetzes vor dem Gemeinschaftsrecht wenigstens i m Grundsatz angenommen wird, w i r d überwiegend die Ansicht geäußert, daß A r t . 24 Abs. I GG Abweichungen von den Grundrechten außerhalb der i n Art. 79 Abs. I I I GG festgelegten Substanzgrenze gestattet. Der hiernach durch das primäre und ggf. auch durch das sekundäre Gemeinschaftsrecht unantastbare Mindestbestand der Grundrechte w i r d unterschiedlich und häufig nicht eindeutig um109 V g L Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 58, 62; Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 117,119. 110

Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 118 ff. Ausdruck von Ipsen, Verhältnis (1965), S. 7, der aber selbst dieser Lehre nicht folgt. 111

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rheblichkeit des Gemeinschaftsrechts

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schrieben. Jedoch sind manche Autoren der Meinung, daß das Gemeinschaftsrecht nur die unter Gesetzesvorbehalt stehenden Grundrechte einschränken darf, w e i l Art. 24 Abs. I GG Verfassungsdurchbrechungen hinsichtlich der Grundrechte nicht erlaube. Die Verfassungsmäßigkeit des primären Gemeinschaftsrechts i m Hinblick auf die Grundrechte wird, soweit ersichtlich, nirgends angezweifelt, vielmehr vereinzelt anscheinend bejaht 1 1 2 . Für eine Verfassungsmäßigkeitskontrolle des sekundären Gemeinschaftsrechts soll gegebenenfalls das Bundesverfassungsgericht zuständig sein.

4. Erheblichkeit des Gemeinschaftsrechts für die Rangfrage

Nunmehr ist zu untersuchen, wie die Verbindlichkeit der Bundesgrundrechte bei der innerstaatlichen Anwendung von Gemeinschaftsrecht von denjenigen Autoren beurteilt wird, die i m Gemeinschaftsrecht eine Regelung seines Verhältnisses zum Grundgesetz finden. Eine derartige gemeinschaftsrechtliche Rangbestimmung w i r d i m Schrifttum auf unterschiedlichen Wegen abgeleitet und begründet. Wegen der engen Verknüpfung der Grundrechtsgeltung mit der Rangfrage muß auch die folgende Darstellung von diesen unterschiedlichen Begründungen einer gemeinschaftsrechtlichen Rangbestimmung ausgehen. a) Verfahrensrechtliche

Lösung

Eine Reihe von Autoren zieht die verfahrensrechtlichen Bestimmungen der Gemeinschaftsverträge heran, um danach speziell das Verhältnis des sekundären Gemeinschaftsrechts zum Grundgesetz zu bestimmen 1 1 3 . Ihre Überlegungen knüpfen insofern an die vertraglichen Zuständigkeiten des Gerichtshofs der Gemeinschaften zur Auslegung der Verträge und zur Entscheidung über Gültigkeit und Auslegung der Akte der Gemeinschaftsorgane an. I n methodischer Hinsicht w i l l diese insbesondere von 112 Vgl. Schlochauer, Verhältnis, ArchVR 11 (1963/64), 25 N. 111; Fuß, Rechtsstaatlichkeit, DÖV 1964, 578. 113 Vgl. Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 7—46, hier S. 33 ff.; Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 289—295, 340—347, hier S. 342 ff.; Knopp, Vorlage von Auslegungsfragen, JZ 1961, 308 N. 42; Hans-R. Krämer, Integrationsgemeinschaften u. Grundrechte (1962), S. 82 ff., 88, 91 ff., 95; Tomuschat, Vorabentscheidung (1964), S. 132 f.; Lambach, Probleme (1964), S. 149 ff., 152; Wolfdietrich Möller, Verordnung (1967), S. 237 ff.; nicht eindeutig Kotthoff, Rangverhältnis (1966), S. 55 ff. — Erler folgt zwar i m Grundsatz der völkerrechtlichen Methode (vgl. oben S. 24 ff.), modifiziert diese aber i n bezug auf das Verhältnis des sekundären Gemeinschaftsrechts zum nationalen V e r fassungsrecht.

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I I . Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Diskussion

Erler und Constantinesco vertretene Betrachtungsweise zwischen der Frage unterscheiden, ob die Gemeinschaftsorgane bei der Ausübung öffentlicher Gewalt i n den Mitgliedstaaten die einzelstaatlichen Grundrechte beachten müßten, und der anderen Frage, ob die Mitgliedstaaten nach ihren verfassungsrechtlichen Bestimmungen zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften m i t ihrer bestehenden Struktur befugt gewesen seien 114 . Durch diese Fragestellung w i r d eine ausdrückliche Erörterung, ob die Bundesgrundrechte bei der Anwendung von sekundärem Gemeinschaftsrecht für deutsche Staatsorgane verbindlich sind, umgangen. Zur Frage der Bindung der Gemeinschaftsorgane an die nationalen Grundrechte entnehmen die Anhänger dieser Betrachtungsweise den Vertragsbestimmungen über die Aufgaben des Gerichtshofs (Art. 31, 32 EGKSV; A r t . 164, 173 EWGV; Art. 136, 146 EAGV), daß die Gemeinschaftsorgane allein an das Vertragsrecht der Gemeinschaften, nicht aber an das Recht der Mitgliedstaaten gebunden seien. Normen aus anderen Rechtsquellen sollen deshalb für die Rechtmäßigkeit des Organhandelns auch i m innerstaatlichen Bereich nicht entscheidend sein 1 1 5 . Die Bedeutung dieser Aussage für die Verbindlichkeit der Grundrechte bei der innerstaatlichen Anwendung von sekundärem Gemeinschaftsrecht ergibt sich aus einem weiteren, verfahrensrechtlichen Argument: Die Gründungsverträge der Gemeinschaften unterwerfen nach dieser Auffassung das Sekundärrecht nur einer Rechts- oder Vertragsmäßigkeitskontrolle durch den Gerichtshof der Gemeinschaften. Damit sei u. a. eine konkrete Normenkontrolle geschaffen worden, welche Entscheidungen über Auslegung und Anwendung des Vertragsrechts allein dem gemeinschaftlichen Gerichtshof unter Ausschluß der staatlichen Gerichte vorbehalte 1 1 6 . Unter der Voraussetzung, daß die Mitgliedstaaten verfassungsrechtlich zur Gründung derart strukturierter Gemeinschaften überhaupt befugt waren, ist somit nach dieser Betrachtungsweise das sekundäre Gemeinschaftsrecht ggf. innerstaatlich auch dann als rechtmäßig anzusehen, wenn es Grundrechte verletzt oder beseitigt. Insbesondere ist nach dieser A u f fassung eine Verfassungsmäßigkeitskontrolle des sekundären Gemeinschaftsrechts durch das Bundesverfassungsgericht ausgeschlossen. 114 Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 33; der Sache nach auch Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 342, 344. 115 Vgl. Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 33/34; Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 344; ebenso m. w. Nachw. Tomuschat, Vorabentscheidung (1964), S. 109; Wolfdietrich Möller, Verordnung (1967), S. 237 ff. 116 Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 344; Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 35; i m wesentlichen ebenso Tomuschat, Vorabentscheidung (1964), S. 133; W. Möller, Verordnung (1967), S. 237; ähnlich Lambach, Probleme (1964), S. 152; Gert Meier, Entscheidungsanmerkung, DVB1. 1968, 469 f.; nicht eindeutig Kotthoff, Rangverhältnis (1966), S. 55 ff.; a. A. Carstens, Rang, Festschr. f. Riese (1964), S. 80 f.; Ehle, Verfassungskontrolle, N J W 1964, 324.

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D i e V e r t r e t e r dieser A u f f a s s u n g gehen f e r n e r d a v o n aus, daß der Ausschluß der V e r f a s s u n g s k o n t r o l l e des s e k u n d ä r e n Gemeinschaftsrechts m i t d e r V e r f a s s u n g v e r e i n b a r sein m u ß 1 1 7 . D i e V e r e i n b a r k e i t i s t nach i h r e r A n s i c h t gegeben, w e i l die G e r i c h t s b a r k e i t des B u n d e s v e r f a s sungsgerichts n u r gegenüber der deutschen ö f f e n t l i c h e n G e w a l t b e s t e h e 1 1 8 u n d w e i l f e r n e r der Ausschluß d e r V e r f a s s u n g s k o n t r o l l e d u r c h A r t . 24 G G gerechtfertigt sei119. Nach Erler s i n d die G r u n d r e c h t e b e i der A n w e n d u n g s e k u n d ä r e n G e meinschaftsrechts a l l e n f a l l s m i t t e l b a r v e r b i n d l i c h . S o f e r n das B u n d e s verfassungsgericht b e i e i n e r N o r m e n k o n t r o l l e der Z u s t i m m u n g s g e s e t z e zu d e m E r g e b n i s k o m m e n sollte, daß die E u r o p ä i s c h e n V e r t r ä g e n i c h t e i n e n M i n d e s t b e s t a n d a n G r u n d r e c h t e n sichern, müsse das G e r i c h t j e w e i l s das u n t e i l b a r e Z u s t i m m u n g s g e s e t z insgesamt f ü r n i c h t i g e r k l ä r e n . D a m i t w ü r d e i m G e l t u n g s b e r e i c h des Grundgesetzes die V e r b i n d l i c h k e i t der G e m e i n s c h a f t s s t a t u t e n u n d d e r d a r a u f b e r u h e n d e n Rechtsakte e n t f a l l e n 1 2 0 . N a c h dieser A u f f a s s u n g s t e h t das Bundesverfassungsgericht also gegebenenfalls v o r der A l t e r n a t i v e , e n t w e d e r d i e A n w e n d u n g g r u n d r e c h t s w i d r i g e n s e k u n d ä r e n Gemeinschaftsrechts g u t z u h e i ß e n oder d e n A u s t r i t t der B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d aus d e n Europäischen G e m e i n schaften h e r b e i z u f ü h r e n 1 2 1 . 117

Vgl. Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 342. Vgl. Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 344; Erler, G r u n d gesetz, W D S t R L 18 (1960), 36 f.; Hans-R. Krämer, Integrationsgemeinschaften u. Grundrechte (1962), S. 91 f. 119 Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 36 f. m. w. Nachw.; Hans-R. Krämer, Integrationsgemeinschaften u. Grundrechte (1962), S. 92; w o h l auch Lambach, Probleme (1964), S. 151 f. 120 Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 39, 45; ebenso Hans.-R. Krämer, Integrationsgemeinschaften u. Grundrechte (1962), S. 95; W. Möller, Verordnung (1967), 238 f., 258. — Dazu kritisch Friesenhahn, W D S t R L 18 (1960), 105 ff.: Die an A r t . 24 GG zu messende Verfassungsdurchbrechung könne erst mittelbar dadurch entstehen, daß die Gemeinschaftsorgane handeln, ohne an Menschenrechte gebunden zu sein. Ähnlich schon Jerusalem, Montanunion (1954), S. 70; ferner Carstens, Rang, Festschr. f. Riese (1964), S. 79 N. 47. Gegen Friesenhahn Erler, W D S t R L 18 (I960), 107: Der Vorgang, daß man einem Statut zugestimmt habe, i n dem der Grundrechtsbestand m i t Deutlichkeit verschwiegen sei, u n d daß somit die Möglichkeit bestehe — was Erler für die Gemeinschaftsverträge offenläßt —, auf diesem Wege i n verfassungswidriger Weise A k t e zu erlassen, sei schon verfassungswidrig. — I m Gegensatz zu Erler w i l l Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 342/343, anscheinend sogar die Uberprüfung der Verfassungsmäßigkeit des primären Gemeinschaftsrechts ausschließen. Die Bedürfnisse des internationalen Verkehrs verbieten nach seiner Auffassung die Berufung auf die Verfassungswidrigkeit eines völkerrechtlichen Vertrages nach vollzogener Ratifikation. Dieses A r g u ment betrifft jedoch nicht die innerstaatliche Zulässigkeit einer Verfassungskontrolle, sondern die Frage, ob die Bundesrepublik Deutschland sich nach Völkerrecht eines Vertragsbruchs schuldig macht, w e n n die Gemeinschaftsverträge innerstaatlich als u n w i r k s a m behandelt werden. 118

121

Vgl. H. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 359.

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I I . Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Diskussion

Insgesamt hat diese insbesondere von Erler und Constantinesco vorgetragene verfahrensrechtliche Lösung eine ähnliche Wirkung wie eine ausdrückliche vertragliche Bestimmung über einen Vorrang des sekundären Gemeinschaftsrechts vor dem nationalen Verfassungsrecht. Diese Wirkung beruht einmal darauf, daß nach dieser Auffassung u. a. die Vereinbarkeit mit den Bundesgrundrechten nicht für die innerstaatliche Rechtmäßigkeit des sekundären Gemeinschaftsrechts maßgeblich ist. Sie ergibt sich zum anderen daraus, daß nach dieser Lehre allenfalls das primäre Gemeinschaftsrecht über die Zustimmungsgesetze an der Verfassung gemessen werden kann, ob es eigene Gewährleistungen des Grundrechtskernbestandes i n ausreichendem Umfang enthält. Zwar ist diese Wirkung kein Vorrang des sekundären Gemeinschaftsrechts i m Sinne Erlers, weil sie nicht auf einer Höherrangigkeit des Gemeinschaftsrechts beruht, sondern auch auf einer — nach dieser Auffassung verfassungsmäßigen — Anordnung der deutschen Zustimmungsgesetze 122 . Dagegen bedeutet nach Constantinesco der Ausschluß der Verfassungskontrolle den „Vorrang" des sekundären Gemeinschaftsrechts gegenüber dem nationalen Verfassungsrecht 123 .

b) Bundesstaatsähnliche

Integration

mit Vor rang Wirkung

aa) Gemeinsame Grundlagen hinsichtlich des allgemeinen Verhältnisses zum deutschen Recht Eine andere Betrachtungsweise, die ebenfalls i m Gemeinschaftsrecht eine Bestimmung über seinen Rang gegenüber dem nationalen Verfassungsrecht findet, sieht i n den Europäischen Gemeinschaften staatsähnliche 1 2 4 oder bundesstaatsähnliche 125 Organisationen. Für bedeutende Vertreter dieser Auffassung gewinnt die Übertragung staatlicher Hoheitsrechte auf die Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 24 Abs. I GG besondere Bedeutung; denn durch die Übertragung unterscheidet sich nach dieser Meinung der Inhalt der Verträge über die Gründung der Gemeinschaften wesentlich von dem Inhalt herkömmlicher völkerrecht122

Vgl. Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 16,19. Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 345. 124 Maunz i n : Maunz-Dürig, GG (Loseblattwerk/Stand 1967), A r t . 24 Randnr. 7 (S. 6 u. S. 7 N. 1). 125 Ophüls, Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 544, 554, 574 N. 164, 588 N. 192; ders., Quellen, N J W 1963, 1698; Wohlfarth, Anfänge, JurJb. 3 (1962/63), 263; ders., Europ. u. dt. Rechtsordnung (1965), S. 181; ders., Auskunftsrecht (1964), S. 40; Steindorff, Rechtsschutz (1964), S. 47; Kaiser, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 1, 18, 31 (Leitsatz I I 2); ferner Furier, Grundfragen, N J W 1965, 1402. Anders etwa Ipsen, Verhältnis (1965), S. 18; ders., Schlußvortrag D J T (1964), S. 14; ders., Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 129. 123

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licher Verträge 1 2 6 . Das Wesen der Übertragung staatlicher Hoheitsrechte soll nach dieser Betrachtungsweise darin bestehen, daß sich die Hoheitsgewalt der Mitgliedstaaten aus den vertraglich bestimmten Sachbereichen zurückgezogen habe und daß andererseits die neu geschaffene Hoheitsgewalt der Gemeinschaften i n das entstandene „Hoheitsvakuum" eingetreten sei 1 2 7 . Diese einseitige Aufgabe von Hoheitsrechten durch den Staat und die ebenso einseitige Aufnahme der Hoheitsrechte durch die zwischenstaatliche Einrichtung w i r d verglichen mit der Dereliktion einer Sache durch den Eigentümer und anschließende Aneignung der Sache durch einen D r i t t e n 1 2 8 sowie insbesondere mit der völkerrechtlichen Gebietsabtretung (Staatensukzession) 129 und der völkerrechtlichen Dienstbarkeit (Staatsservitut) 130 . Zum Unterschied von der völkerrechtlichen Gebietsabtretung werde bei der Gründung derartiger überstaatlicher Gemeinschaften nicht ein territorial, sondern sachlich abgegrenzter Ausschnitt staatlicher Hoheitsrechte übertragen. Unter den Autoren, die dieser Betrachtungsweise einer bundesstaatsähnlichen Integration 1 3 1 folgen, bestehen jedoch unterschiedliche Auffassungen darüber, worauf die innerstaatliche Bindungswirkung der staatlichen Aufgabe von Hoheitsrechten beruht. bb) Dinglicher Verzicht auf Hoheitsrechte Ophüls und Wohlfarth sehen i n der Übertragung einen sogenannten dinglichen Verzicht des Staates auf die i n den Gründungsverträgen bezeichneten Hoheitsrechte 132 . Der staatliche Verzicht erschöpft sich 128

Ophüls, Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 567. Herzog, Bundes- u n d Landesstaatsgewalt, D Ö V 1962, 83 ff.; ebenso Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 7 (S. 7); Ophüls, Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 558 ff., 564, 570; ähnlich Nawiasky, Staatslehre I I I (1956), S. 154, f ü r den Bundesstaat. 128 Herzog, Bundes- u. Landesstaatsgewalt, DÖV 1962, 83; Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 7 (S. 7). 129 Ophüls, Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 564, 570. — Der Gedanke, die Kompetenzabgrenzung zwischen B u n d - u n d Gliedstaaten nach A r t eines der völkerrechtlichen Gebietsabtretung entsprechenden Gewaltwechsels zu verstehen, ist i n der deutschen Staatsrechtslehre nicht neu, vgl. Doehl, Reichsrecht bricht Landrecht, AöR 51 (1927), 37—122, hier S. 46 ff., 56. Dagegen jeweils m. w. Nachw. insbes. Anschütz, Reichsverfassung (14. Aufl./ Nachdr. 1960), A r t . 13 A n m . 1 N. 1; Hensel, Rangordnung, HdbDStR I I (1932), S.320 N. 14. 130 Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 7 (S. 7); Wohlfarth, Anfänge, JurJb. 3 (1962/63), 262; ders., Europ. u. dt. Rechtsordnung (1965), S. 179 f.; ders., Auskunftsrecht (1964), S. 35, 43. 131 Der Ausdruck stammt von Ipsen, Verhältnis (1965), S. 7, der aber selbst dieser Lehre nicht folgt. Vgl. auch Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 177: Staatsrechtliche These. 132 Ophüls, Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 561 N. 133, S. 570/571; Wohlfarth, Anfänge, JurJb. 3 (1962/63), 262; ders., Europ. u. dt. Rechtsordnung (1965), S. 179; ablehnend etwa Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 4, 5. 127

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I I . Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Diskussion

nach dieser Lehre nicht i n einer völkerrechtlichen Verpflichtung, die übertragenen Hoheitsrechte nicht auszuüben. Vielmehr würde der Staat, der ein von den Gemeinschaften übernommenes Hoheitsrecht trotz seines dinglichen Verzichts ausüben wollte, ein Recht geltend machen, das er überhaupt nicht mehr besitze 133 . A u f Grund des dinglichen Verzichts stehen nach dieser Meinung Staatshoheit und Gemeinschaftshoheit mit ihren nach Sachaufgaben geschiedenen Zuständigkeiten selbständig nebeneinander 134 . I m Verhältnis zum Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten kann nach dieser Auffassung zwar der Entstehungsakt darauf überprüft v/erden, ob sich staatliche Hoheitsrechte nach der Verfassung aus dem staatlichen Rechtssystem lösen und übertragen lassen. Sofern aber ein wirksamer Entstehungsakt vorliegt, sei das Gemeinschaftsrecht fortan losgelöst von dem staatlichen Ursprungssystem. Diese Trennung der Gemeinschaftsrechtsordnung von dem staatlichen Recht soll insbesondere für die Grundrechte gelten, die als staatliche Rechte nur i m staatlichen Verfassungssystem wirksam seien 135 . A u f den übertragenen Sachbereichen sei das Gemeinschaftsrecht von dem ursprünglichen Bestand der Hoheitsrechte und vom staatlichen Recht inhaltlich unabhängig 1 3 6 . Nach der Lehre vom dinglichen Verzicht soll damit nur das primäre Gemeinschaftsrecht über die Zustimmungsgesetze einer Verfassungskontrolle unterliegen. Soweit spezielle Äußerungen über die Verbindlichkeit der Grundrechte gegenüber dem primären Gemeinschaftsrecht vorliegen, w i r d angenommen, daß das Grundgesetz gemäß A r t . 24 Abs. I GG inhaltliche Abweichungen zulasse, soweit nicht der Wesensgehalt der Grundrechte als Bestandteil des änderungsfesten Verfassungskerns (Art. 133 Ophüls, Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 570/571; Wohlfarth, Anfänge, JurJb. 3 (1962/63), 262; ders., Europ. u. dt. Rechtsordnung (1965), S. 179. 134 Ophüls, Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 574 f.; vgl. dort auch über die verschiedenen A r t e n der Zuständigkeitsabgrenzung; ferner ders., Landesbericht (1966), S. 221 f.; ähnlich Wohlfarth, Anfänge, JurJb. 3 (1962/63), 263; ders., Europ. u. dt. Rechtsordnung (1965), S. 181. 135

Ophüls, Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 562; ähnlich ders., Zustimmungsgesetz, A W D 1964, 66; Wohlfarth, Anfänge, JurJb. 3 (1962/ 63), 266, 272; ders., Auskunftsrecht (1964), S. 37, 39; ders., Europ. u. dt. Rechtsordnung (195), S. 167 f., 171. 136 Ophüls, Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 572; ders., Zustimmungsgesetz, A W D 1964, 66; Wohlfarth, Anfänge, JurJb. 3 (1962/63), 266, 272; ders., Auskunftsrecht (1964), S. 37, 39; ders., Europ. u. dt. Rechtsordnung (1965), S. 167 f., 171; ferner Glaesner, Übertragung, DÖV 1959, 657. — Ophüls bezeichnet diese Unabhängigkeit als „gesteigerte (starke) F o r m des u n m i t t e l baren Vollzuges" von Gemeinschaftsrecht, vgl. ders., Landesbericht (1966), S. 217 ff., 221 f., 232 f. Diese Bezeichnung bezieht sich also auf die W i r k u n g des „dinglichen" Verzichts.

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79 Abs. I I I GG) berührt w i r d 1 3 7 . Eine Verfassungskontrolle des sekundären Gemeinschaftsrechts durch das Bundesverfassungsgericht soll dagegen ausgeschlossen sein 1 3 8 . Wohlfarth hält den Ausschluß der Verfassungsmäßigkeitsprüfung des Sekundärrechts für vereinbar mit dem Grundgesetz gemäß A r t . 24 Abs. I GG, u. a. weil die Grundrechte kraft gemeinsamer Rechtsgrundsätze der Mitgliedstaaten als Gemeinschaftsrecht gewährleistet seien 139 . Daraus folgt insgesamt, daß nach den A n hängern der Lehre vom dinglichen Verzicht die Bundesgrundrechte bei der innerstaatlichen Anwendung von sekundärem Gemeinschaftsrecht nicht verbindlich sind. cc) Theorie der verfassungskräftigen Selbstbindung Die von Maunz 140 und Herzog 141 vertretene Lehre von der verfassungskräftigen Selbstbindung 1 4 2 des Staates geht zwar von einer anderen Bedeutung der Übertragung von Hoheitsrechten aus als die Lehre vom dinglichen Verzicht. Sie gelangt jedoch hinsichtlich der Verbindlichkeit der Grundrechte bei der innerstaatlichen Anwendung von Gemeinschaftsrecht zu ähnlichen Ergebnissen. Nach dieser Betrachtungsweise enthält Art. 24 GG nicht die Ermächtigung zu einem dinglichen Souveränitätsverzicht, d. h. nicht zu einem Verzicht auf die Eigenschaft der Staatsgewalt als höchste Gewalt innerhalb des Staatsgebietes oder auf die grundsätzliche Allzuständigkeit des Staates. Vielmehr ermächtigt Art. 24 GG nach dieser Ansicht nur zu einem Verzicht auf die Ausschließlichkeit der Staatsgewalt, d. h. zu einem Verzicht auf die ausschließliche Tätigkeit der Staatsorgane in bestimmten Sachbereichen. Ein solcher Verzicht bewirke nur, daß deutsche Staatsorgane auf diesem Gebiet auf Grund völkerrechtlicher Verpflichtung nicht mehr tätig werden dürften und daß sie daneben verpflichtet seien, Hoheitsakte der betreffenden zwischenstaatlichen Einrichtung auf dem deutschen Staatsgebiet zu dulden 1 4 3 . Außerdem soll der Gründungsvertrag der Gemeinschaft auch ohne ausdrückliche Regelung ein Verbot des konkurrierenden Eingreifens staatlicher Organe enthalten 1 4 4 . Die dem Zweck des A r t . 24 GG entsprechende 137 Vgl. Wohlfarth-Everling-Glaesner-Sprung, E W G (1960), A r t . 189 V o r bem. 4; Wohlfarth, Anfänge, JurJb. 3 (1962/63), 267; ders., Europ. u. dt. Rechtsordnung (1965), S. 169,175/176; ders., Europ. Recht, J I R 9 (1959/60), 30. 138 Nach Glaesner, Übertragung, DÖV 1959, 657, können dagegen auch Rechtsetzungsbefugnisse der Gemeinschaften den A r t . 79 I I I GG nicht durchbrechen. 139 v gl > wohlfarth, Europ. u. dt. Rechtsordnung (1965), S. 174 ff., 176; vgl. auch Glaesner, Übertragung, DÖV 1959, 657. 140

Maunz i n : Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 9 ff. Herzog, Bundes- u. Landesstaatsgewalt, D Ö V 1962, 84/85. 142 Ausdruck von Herzog, DÖV 1962, 84 N. 32. 143 Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 4, 5; Herzog, DÖV 1962, 84 N. 32, unter Aufgabe seiner i n DÖV 1959, 46, geäußerten Auffassung. 144 Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 9,10. 141

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Selbstbindung der Staatsgewalt t r i t t nach Maunz u. a. dadurch ein, daß das einfache Übertragungsgesetz nach seinem verfassungsmäßigen Zustandekommen Verfassungsrang erhält 1 4 5 . I m Hinblick auf die hier fragliche Grundrechtsbindung des primären Gemeinschaftsrechts ist den Äußerungen von Maunz zu entnehmen, daß das einfache Übertragungsgesetz gemäß Art. 24 Abs. I GG nicht vom Grundgesetz abweichen darf 1 4 6 . Dagegen soll die zwischenstaatliche Einrichtung ihrerseits nicht unbedingt an alle Schranken gebunden sein, an die der staatliche Gesetzgeber gebunden ist. Wenn der Verzicht erfolgt ist, besteht innerhalb des abgetretenen Sachbereichs keine Bindung an staatliches Recht mehr, und zwar auch nicht an die Grundrechte 1 4 7 . Die Übertragung von Hoheitsrechten schafft somit einen „verfassungsfreien Raum" 1 4 8 , i n dem offensichtlich nicht nur eine Bindung der Gemeinschaftsorgane an die Bundesgrundrechte ausgeschlossen sein soll, sondern auch eine Verfassungskontrolle des sekundären Gemeinschaftsrechts durch staatliche Organe. Die Unverbindlichkeit der Bundesgrundrechte bei der innerstaatlichen Anwendung des sekundären Gemeinschaftsrechts soll nach dieser Auffassung gemäß A r t . 24 GG mit dem Grundgesetz vereinbar sein 1 4 9 . dd) Vorrang kraft bundesstaatlicher Analogie Eine andere Richtung innerhalb der Betrachtungsweise einer bundesstaatsähnlichen Integration beurteilt das Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Verfassungsrecht nicht nach der Wirkung der Übertragung von Hoheitsrechten 150 . Sie folgert vielmehr unmittelbar aus der bundesstaatsähnlichen Struktur der Europäischen Gemeinschaften, daß deren Recht — i n Analogie zum Vorrang des Bundesrechts i m Bundesstaat — dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten vorgeht 1 5 1 . Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem nationalen Recht bedarf jedoch nach dieser Auffassung „der staatlichen M i t w i r k u n g " 1 5 2 . 145 Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 11, 17 (S. 15); für Verfassungsrang haben sich ferner ausgesprochen: Schumann, Verhältnis, Z Z P 78 (1965), 122; Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 117; W. Möller, Verordnung (1967), S. 255 ff.; gegen Verfassungsrang aber Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 90; Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 19; Fuß, Rechtsschutz, N J W 1966, 1784; offenbar auch Jaenicke, Verhältnis, ZaöRV 23 (1963), 524/525; unentschieden Hoffmann, Verhältnis, D Ö V 1967, 439. 146 Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 17,18. 147 Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 18. 148 Ausdruck von Vogel, Verfassungsentscheidung (1964), S. 9 N. 14. 149 Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 18. 150 Vgl. Kaiser, Differenzierung, ÖZöR 10 (1959/60), 420. 151 Kaiser, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 18, 31 (Leitsatz I I 2); ähnlich Steindorff, Rechtsschutz (1964), S. 47.

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I m Hinblick auf die Verbindlichkeit der Grundrechte gegenüber dem primären Gemeinschaftsrecht nimmt Kaiser an, daß A r t . 24 GG A b weichungen vom Grundgesetz ohne Einschränkungen gestattet. Die Gründung einer internationalen Gemeinschaft gemäß A r t . 24 GG sei Ausübung verfassunggebender Gewalt, die von den Grundrechten des Grundgesetzes abweichen könne 1 5 3 . Dagegen sollen anscheinend nach Steindorff A b weichungen des primären Gemeinschaftsrechts wenigstens von den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit gemäß Art. 24 GG unzulässig sein 1 5 4 . Ferner muß der nach dieser Betrachtungsweise bestehende Vorrang des sekundären Gemeinschaftsrechts gegenüber dem Recht der Mitgliedstaaten zwangsläufig dazu führen, daß die Bundesgrundrechte bei der innerstaatlichen Anwendung des Sekundärrechts nicht verbindlich sind. Der uneingeschränkte Vorrang des sekundären Gemeinschaftsrechts gegenüber den Bundesgrundrechten ist nach Kaiser durch Art. 24 GG gerechtfertigt 155 . ee) Zusammenfassung Die angeführten Richtungen der bundesstaatsähnlichen Betrachtungsweise stimmen — insgesamt gesehen — m i t unterschiedlichen Begründungen fast ausnahmslos darin überein, daß die Bundesgrundrechte bei der Anwendung von sekundärem Gemeinschaftsrecht durch deutsche Staatsorgane nicht verbindlich sind. Teilweise w i r d freilich dieses Ergebnis nicht ausdrücklich verzeichnet. Die Anhänger dieser Betrachtungsweise sehen ferner die Unverbindlichkeit der Grundrechte gegenüber dem Sekundärrecht gemäß A r t . 24 Abs. I GG für verfassungsmäßig an. Das Verhältnis des primären Gemeinschaftsrechts zum Grundgesetz w i r d hingegen unterschiedlich beurteilt je nachdem, ob und wie weit gemäß Art. 24 GG Abweichungen von der Verfassung für zulässig angesehen werden. Soweit insofern spezielle Äußerungen über die Verbindlichkeit der Grundrechte vorliegen, soll nach manchen Autoren jedenfalls der Wesensgehalt der Grundrechte für das primäre Gemeinschaftsrecht unantastbar sein. Von anderer Seite w i r d hingegen angenommen, daß die Grundrechte auch gegenüber dem Primärrecht nicht verbindlich sind.

152 Steindorff, Rechtsschutz (1964), S. 54/55. Kaiser, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 18, v e r t r i t t den Vorrang „solange . . . , als der Verfassungsw i l l e der Mitgliedstaaten eine solche K o n s t r u k t i o n trägt". Nach der Krise der Gemeinschaften von 1965 zeigt sich bei Kaiser, M o d i der Integration, Festschr. f. Hallstein (1966), S. 270 N. 14, eine gewisse Skepsis gegenüber bundesstaatlichen Analogien. 153 Vgl. Kaiser, Differenzierung, ÖZÖR 10 (1959/60), 419; ders., Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 18 f. 154 Steindorff, Rechtsschutz (1964), S. 58/59. 155 Vgl. Kaiser, Differenzierung, ÖZöR 10 (1959/60), 416, 419.

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c) Lösungen aus dem Gemeinschaftscharakter des Gemeinschaftsrechts aa) Gemeinsamer Grundgedanke Eine andere Gruppe derjenigen Autoren, die i m Gemeinschaftsrecht Regeln über seinen Rang gegenüber nationalem Verfassungsrecht finden, leitet dieses Ergebnis aus den Eigentümlichkeiten des Gemeinschaftsrechts ab. Die Eigenschaften des Gemeinschaftsrechts, die seinen sogenannten Gemeinschaftscharakter ausmachen, werden i m Schrifttum etwa mit der Formel gekennzeichnet, das Gemeinschaftsrecht müsse i n allen Mitgliedstaaten gleichbedeutend, gleichbindend und gleichbleibend sein. Sofern dem Gemeinschaftsrecht diese Eigenschaften fehlen, sei die Rechtseinheit und damit die Funktionsfähigkeit, wenn nicht sogar die Existenz der Gemeinschaften gefährdet 1 5 6 . Vereinzelt werden zwar aus dem Gemeinschaftscharakter nur rechtspolitische Forderungen nach einem Vorrang des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts abgeleitet 157 . Einige Stimmen schließen indessen bereits nach geltendem Recht vom Gemeinschaftscharakter auf einen Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor dem nationalen Recht.

bb) Ableitung des Vorrangs kraft des Effektivitätsgrundsatzes Zweigert 158 leitet den Vorrang des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts gegenüber nationalem Recht jedweder A r t m i t Hilfe des Effektivitätsgrundsatzes aus den Gemeinschaftsverträgen ab 1 5 9 . Er geht insofern davon aus, daß die Sicherung der einheitlichen Geltung des Gemeinschaftsrechts i m Gesamtbereich der Gemeinschaften eine unabdingbare Voraussetzung für die sinnvolle Anwendung der Europäischen Vertragswerke ist. Der Grundsatz „Gemeinschaftsrecht bricht nationales Recht" sei deshalb ungeschriebener Bestandteil der Verträge und m i t diesen i n die Rechtsordnungen aller Mitgliedstaaten eingeglie156

Vgl. dazu Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 340 ff. Vgl. Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 346 f., der speziell f ü r das Verhältnis des Sekundärrechts zum Verfassungsrecht der verfahrensrechtlichen Lösung folgt (vgl. oben S. 39 ff.). 158 Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 623 ff., 632 ff. 159 So kennzeichnet Zweigert selbst die von i h m angewandte Methode, vgl. Rabe, Bericht über die Diskussion, i n : A k t u e l l e Fragen (1965), S. 112. Zweigert legt insofern einen Auslegungsgrundsatz des E u G H zugrunde, wonach die i n einem völkerrechtlichen Vertrag aufgestellten Vorschriften zugleich diejenigen Rechtssätze i n sich schließen, ohne die sie nicht sinnvoll und vernünftig angewandt werden können, vgl. Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 638 m. Nachw. 157

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dert worden 1 6 0 . I n ähnlicher Weise schließt C. L. Wagner aus dem Zweck des EWG-Vertrages, eine einheitliche Hechtsordnung auf bestimmten Sachgebieten zu schaffen, auf einen Vorrang des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht jeder A r t 1 6 1 . Nach Zweigert hängt indessen der Vorrang des Gemeinschaftsrechts auch davon ab, wie weit sich das Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten dem Geltungsanspruch des Gemeinschaftsrechts fügt 1 6 2 . Nach seiner A n sicht ist der Vorrang des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht jeder A r t gemäß Art. 24 Abs. I GG mit dem Grundgesetz vereinbar 1 6 3 . I m Hinblick auf die Verbindlichkeit der Bundesgrundrechte bedeutet der Vorrang des Gemeinschaftsrechts nach dieser Meinung, daß die innerstaatliche Verbindlichkeit des intern anwendbaren Gemeinschaftsrechts jeder A r t auch dann nicht angezweifelt werden kann, wenn es Grundrechte verletzt oder beseitigt 1 6 4 . Gegenüber dem sekundären Gemeinschaftsrecht sind die Bundesgrundrechte nach dieser Auffassung somit für deutsche Staatsorgane nicht verbindlich. Doch soll anscheinend das primäre Gemeinschaftsrecht gemäß Art. 24 Abs. I GG vom Grundgesetz nur so weit abweichen dürfen, als nicht der „nach allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen unveräußerliche Kernbestand von Freiheitsrechten" berührt w i r d 1 6 5 . Dieser Kernbestand werde jedoch von den bestehenden Vertragswerken nicht angetastet 166 .

cc) Ableitung des Vorrangs aus Art. 189 Abs. I I EWGV und dem Prinzip der Funktionsfähigkeit Während Zweigert die Regelung des Rangverhältnisses i m ungeschriebenen Gemeinschaftsrecht findet, sieht Ipsen die maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Rangnormen i n A r t . 189 Abs. I I EWGV und den entsprechenden Bestimmungen der anderen Gemeinschaftsverträge 167 . Der 160 Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 638 ff.; a. A. Carstens, Rang, Festschr. f. Riese (1964), S. 69 f. 161 C. L. Wagner, EWG-Recht u. Mitgliedstaaten, DÖV 1965, 310 ff. 162 Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 624. Nach C. L. Wagner ist das Verfassungsrecht n u r dafür maßgeblich, ob die Staatsorgane zum Abschluß eines Vertrages m i t Vorrang vor nationalem Recht befugt waren, vgl. ders., EWG-Recht u. Mitgliedstaaten, D Ö V 1965, 312. 163 Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 640. 164 Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 641. 165 Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 641. C. L. Wagner, EWG-Recht u. Mitgliedstaaten, DÖV 1965, 314, folgert die Unantastbarkeit des Grundrechtskernbestandes aus A r t . 79 I I I GG. 166 Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 641; ebenso C. L. Wagner, E W G Recht u. Mitgliedstaaten, DÖV 1965, 314. 167 Ipsen, Verhältnis (1965), S. 2, 20 ff.

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Gorny

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I I . Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Diskussion

i n A r t . 189 Abs. I I EWGV umschriebene Gemeinschaftscharakter der EWG-Verordnung bestehe i n ihrer unantastbaren Eigenart, i n der Gemeinschaft ganzheitlich und einheitlich zu gelten. Eine Auslegung des Art. 189 Abs. I I EWGV aus dem Prinzip der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Gemeinschaften führt deshalb nach Ipsen zur mitgliedstaatlichen Unantastbarkeit der Verordnung, weil die Verordnung ohne die Eigenschaft der Unantastbarkeit ihre Gemeinschaftsgeltung einbüßen würde. Die Bundesrepublik habe durch ihre Beteiligung an den Europäischen Gemeinschaften mit A r t . 24 Abs. I GG als „Integrationshebel" die Geltung von Gemeinschaftsnormen i n ihrem Staatsgebiet anerkannt 1 6 8 . Diese Anerkennung bezieht sich nach Ipsen zugleich auf die Unantastbarkeit dieser Normen in ihrer Gemeinschaftsfunktion 169 . Ipsen findet deshalb i n Art. 189 Abs. I I EWGV für die EWG-Verordnungen eine „verfassungskräftig anerkannte Kollisionsnorm über den Vorrang" des sekundären Gemeinschaftsrechts 170 . Die Normen des Vertragsrechts nehmen nach Ipsen an der „Qualitätsanerkennung" des Sekundärrechts teil, soweit sie i m Gebiet der Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar sind 1 7 1 . I m Verhältnis zum nationalen Verfassungsrecht geht Ipsen zwar offensichtlich davon aus, daß das primäre Gemeinschaftsrecht über die Zustimmungsgesetze am Grundgesetz gemessen werden kann. Ein Widerspruch zwischen primärem Gemeinschaftsrecht und dem Grundgesetz w i r d nach seiner Auffassung jedoch dadurch vermieden, daß die Verfassung gemäß Art. 24 Abs. I GG ihren Geltungsanspruch selbst einschränkt 1 7 2 . Das Ausmaß dieser Geltungsbeschränkung bestimmt Ipsen hinsichtlich der Grundrechte nicht näher. Hesse, der Ipsens Lehre i m wesentlichen folgt, hält Abweichungen des primären Gemeinschaftsrechts auch i n bezug auf die Grundrechte anscheinend für unbegrenzt zulässig 173 . Bei der innerstaatlichen Anwendung des Sekundärrechts werden die Grundrechte von dieser Auffassung jedenfalls nicht als verbindlich angesehen 174 . Nach Ipsen soll der Vorrang des Sekundärrechts insofern gemäß 168 Ipsen, Verhältnis (1965), S. 26. Zustimmend Kaiser, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 18/19; Hesse, Grundzüge (2), S. 42/43; anscheinend auch Vie, Der Europäische Gerichtshof, D V B l . 1967, 5; ablehnend Fuß, Rechtsstaatlichkeit, DÖV 1964, 585 N. 128, 586 N. 139; Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 346. Vgl. dazu auch Rabe, Diskussionsbericht, i n : Aktuelle Fragen (1965), S. 110 ff., und die dort wiedergegebenen Stimmen. 169 Ähnliche Auffassungen werden bereits angedeutet von Schnorr, Arbeitsrecht (1960), S. 294/295; Götz, Europ. Gemeinschaftsrecht, JZ 1963, 269/270. 170 Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, Festschr. f. Ophüls (1965), S. 78. 171 Ipsen, Verhältnis (1965), S. 26/27. Ipsen lehnt insofern die Anwendung der Transformationslehre auch auf das primäre Gemeinschaftsrecht ab, vgl. ders., Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 131/132. 172 Ipsen, Verhältnis (1965), S. 27. 173 Hesse, Grundzüge (2), S. 43 f. 174 Vgl. Ipsen, Bundesstaat, Festschr. f. Hallstein (1966), 135; ferner ders., Diskussionsbeitrag, W D S t R L 18 (1960), 87; Hesse, Grundzüge (2), S. 43.

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rheblichkeit des Gemeinschaftsrechts

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Art. 24 Abs. I GG anscheinend deshalb mit dem Grundgesetz vereinbar sein, weil der Grundrechtsbereich einen gleichwertigen Rechtsschutz gegen die Gemeinschaftsgewalt i n den Verträgen selbst gefunden habe 1 7 5 . dd) Ableitung des Vorrangs aus der Selbständigkeit der Gemeinschaftsrechtsordnung Unter den Auffassungen, nach denen das Gemeinschaftsrecht über sein Verhältnis zum nationalen Verfassungsrecht bestimmt, ist schließlich eine Betrachtungsweise anzuführen, für welche die Vorstellung von der Selbständigkeit der Gemeinschaftsrechtsordnung grundlegend ist. Sie w i r d mit unterschiedlichen Ergebnissen von Badura und Eberhard Grabitz vertreten. Badura w i l l das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht von der supranationalen Rechtsnatur des Gemeinschaftsrechts her bestimmen 1 7 6 . Da das Gemeinschaftsrecht eine selbständige Rechtsordnung eigener A r t sei, könne die für die Lösung des Rangproblems heranzuziehende Rechtsquelle nicht das nationale Verfassungsrecht sein, dessen Anwendung zu einer unterschiedlichen Geltungskraft des Gemeinschaftsrechts i n den einzelnen Mitgliedstaaten führen würde. Wegen der notwendig einheitlichen Geltung des Gemeinschaftsrechts müsse ferner die Lösung für das Verhältnis zum nationalen einfachen Gesetzesrecht ebenso ausfallen wie zum Verfassungsrecht. Das Rangproblem soll daher nach Badura allein durch Anwendung der Europäischen Verträge zu lösen sein. Das nationale Verfassungsrecht entscheide nur darüber, ob das Gemeinschaftsrecht den i h m zuerkannten Rang i n der Hierarchie der Rechtsquellen bekommen durfte 1 7 7 . Aus der Selbständigkeit der öffentlichen Gewalt der Gemeinschaften folgert Badura ferner, daß die Grundrechte der nationalen Verfassungen von den Gemeinschaftsorganen nicht beachtet zu werden brauchen 178 . Die angestrebte einheitliche Geltung des übernationalen sekundären Gemeinschaftsrechts würde durch konkurrierende Zuständigkeiten nationaler Verfassungsgerichte und Verwaltungsgerichte i n Frage gestellt werden. Dem Bundesverfassungsgericht fehle daher die Gerichtsbarkeit, sekundäres Gemeinschaftsrecht am Grundgesetz zu messen 179 . Bei der innerstaatlichen Anwendung von sekundärem Gemeinschaftsrecht sind die Bundesgrundrechte also nach dieser Auffassung nicht verbindlich. 175 Vgl. jeweils m i t gewissen Zweifeln bzgl. A r t . 12 GG Ipsen, Diskusssionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 135; ders., Schlußvortrag D J T (1964), S. 15/16; ders., Diskussionsbeitrag, W D S t R L 18 (1960), 87; ferner Hesse, Grundzüge (2), S. 43. 176 Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 54, 59 f., 93. Die völkerrechtliche und die bundesstaatliche Betrachtungsweise lehnt Badura ab, vgl. ders., Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 62/63, 49/50. 177 Badura, aaO, S. 61/62. 178 Badura, aaO, S. 83/84, 86. 179 Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 90.

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I I . Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Diskussion

Ob die nationale Staatsgewalt eine derartige öffentliche Gewalt begründen durfte, beurteile sich nach nationalem Verfassungsrecht, an welchem das primäre Gemeinschaftsrecht, aber nur dieses, zu messen sei 1 8 0 . Insofern ermächtigt zwar Art. 24 Abs. I GG nach dieser Meinung nicht zu inhaltlichen Abweichungen vom Grundgesetz, doch sollen die Grundrechte bei der Anwendung auf Tatbestände des A r t . 24 Abs. I GG Rechtsfolgen „besonderer A r t " ergeben 181 . Damit sind die Grundrechte gegenüber dem primären Gemeinschaftsrecht mit gewissen, von Badura nicht näher bezeichneten Einschränkungen verbindlich. Werde das Zustimmungsgesetz insoweit, als es eine bestimmte Regelung des primären Gemeinschaftsrechts zuläßt, durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt — ggf. auch nur teilweise 1 8 2 — so entfalle die innerstaatliche Verbindlichkeit dieser Regelung und könne eine darauf beruhende Ausübung der Gemeinschaftsgewalt keine innerstaatlichen Wirkungen haben 1 8 3 . Dies ist nach Badura der einzige Weg, eine Verletzung des Grundgesetzes durch das Gemeinschaftsrecht geltend zu machen 184 . Eberhard Grabitz kommt nach einer Analyse der Gemeinschaftsrechtsordnung ähnlich wie Badura zu dem Ergebnis, daß der Geltungsgrund des Gemeinschaftsrechts allein i n einer originären Gemeinschaftsgewalt liegt 1 8 5 . Die innerstaatliche Bindungswirkung des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts führt Grabitz daher weder auf eine Transformation i n nationales Recht noch auf einen nationalen Anwendungsbefehl oder auf staatliche Anerkennung zurück 1 8 6 . Eine Kollision zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht, einschließlich Verfassungsrecht 187 , kann nach dieser Auffassung wegen der Eigenständigkeit des Gemeinschaftsrechts ausschließlich durch eine gemeinschaftsrechtliche Rang-Kollisions-Regel gelöst werden 1 8 8 . Derartige Kollisionsnormen und Rangnormen findet Grabitz mit Hilfe einer teleologischen Auslegung i n Art. 86 Abs. I I EGKSV, A r t . 5 Abs. I I EWGV, A r t . 192 Abs. I I EAGV für das Primärrecht bzw. i n Art. 14 EGKSV, A r t . 189 EWGV, A r t . 161 EAGV für das Sekundärrecht 189 . Der Satz „Gemeinschaftsrecht bricht nationales Recht" sei daher als Bestandteil des positiven Gemeinschaftsrechts anzusehen 190 . 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190

Badura, aaO, S. 66. Badura, aaO, S. 67. Badura, aaO, S. 140 (Schlußwort). Badura, aaO, S. 67/68. Badura, aaO, S. 90/91. E. Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 38 ff., 41 f. E. Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 42 f., 99 f. E. Grabitz, aaO, S. 10. E. Grabitz, aaO, S. 56 f. E. Grabitz, aaO, S. 74 ff., 92 ff., 95 ff., 114 ff. E. Grabitz, aaO, S. 113.

5. Ergebnisse der Bestandsaufnahme

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Über die Verbindlichkeit der Bundesgrundrechte bei der innerstaatlichen Anwendung von primärem oder sekundärem Gemeinschaftsrecht äußert sich Grabitz nicht ausdrücklich. Er ist jedoch der Auffassung, daß irgendwelche Schranken der Integrationsermächtigung des A r t . 24 GG Geltungsumfang und Geltungskraft der Gemeinschaftsnormen nicht bestimmen könnten 1 9 1 . Es muß deshalb angenommen werden, daß nach Grabitz die Bundesgrundrechte weder gegenüber sekundärem noch gegenüber primärem Gemeinschaftsrecht verbindlich sein sollen. ee) Zusammenfassung Zusammenfassend ergibt sich, daß die Auffassungen, die den Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht aus seinem Gemeinschaftscharakter ableiten, i n einer wichtigen Frage übereinstimmen: Sie lehnen die Verbindlichkeit der Bundesgrundrechte bei der Anwendung von sekundärem Gemeinschaftsrecht durch deutsche Staatsorgane ab. Dieses Ergebnis w i r d zum Teil ausdrücklich als vereinbar mit dem Grundgesetz angesehen, weil es insofern seine Geltung gemäß A r t . 24 Abs. I GG selbst beschränke. Die Verbindlichkeit der Grundrechte gegenüber dem primären Gemeinschaftsrecht beurteilen die Anhänger dieser Betrachtungsweise hingegen nicht einheitlich. Soweit spezielle Äußerungen dazu überhaupt vorliegen, sollen zum Teil die Grundrechte nur m i t nicht näher bezeichneten Einschränkungen oder lediglich ein nicht präzise umschriebener Kernbestand von Grundrechten gegenüber dem primären Gemeinschaftsrecht unantastbar sein. Vereinzelt werden anscheinend die Grundrechte — mit unterschiedlicher Begründung — auch gegenüber dem primären Gemeinschaftsrecht nicht als verbindlich angesehen. Damit ergibt dieser Überblick zugleich, daß alle Auffassungen, die überhaupt dem Gemeinschaftsrecht eine Rangbestimmung entnehmen, i n bezug auf die fehlende Verbindlichkeit der Grundrechte bei der innerstaatlichen Anwendung von sekundärem Gemeinschaftsrecht zum gleichen Ergebnis kommen. Die Verbindlichkeit der Grundrechte gegenüber dem primären Gemeinschaftsrecht w i r d dagegen von diesen Auffassungen insgesamt unterschiedlich beurteilt.

5. Ergebnisse der Bestandsaufnahme

Insgesamt hat die Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Diskussion über das Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Verfassungsrecht i m Hinblick auf die Bundesgrundrechte ergeben, daß i m Schrifttum die Frage nach der Verbindlichkeit der Grundrechte sehr eng mit der Rangfrage verknüpft wird. Die Verbindlichkeit der Grundrechte lfl l

E. Grabitz, aaO, S. 58.

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I I . Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Diskussion

bei der Anwendung von primärem und sekundärem Gemeinschaftsrecht durch deutsche Staatsorgane w i r d unterschiedlich beurteilt. Die wohl überwiegende Meinung i m Schrifttum verneint die Verbindlichkeit der Grundrechte gegenüber dem sekundären Gemeinschaftsrecht. Bei den Vertretern dieser Meinung handelt es sich fast durchweg u m Autoren, die i m Gemeinschaftsrecht die Regelung seines Verhältnisses zum nationalen Recht finden. Die Unverbindlichkeit der Grundrechte gegenüber dem Sekundärrecht wird, soweit Äußerungen zu dieser Frage vorliegen, gemäß Art. 24 Abs. I GG für verfassungsmäßig angesehen. Hingegen w i r d nur vereinzelt angenommen, daß die Grundrechte gegenüber dem primären Gemeinschaftsrecht nicht verbindlich sind. Der Umfang der Verbindlichkeit der Grundrechte w i r d insofern davon abhängig gemacht, ob und wie weit A r t . 24 Abs. I GG inhaltliche Abweichungen des primären Gemeinschaftsrechts vom Grundgesetz zuläßt. Der unantastbare Mindestbestand der Grundrechte, der insofern häufig mit dem änderungsfesten Verfassungskern gemäß A r t . 79 Abs. I I I GG gleichgesetzt wird, w i r d jedoch zumeist nicht präzise umschrieben. Diese Bestandsaufnahme ist hinsichtlich der Frage nach der Grundrechtsgeltung zugleich aufschlußreich und unbefriedigend. Ohne einerseits verkennen zu wollen, daß sich der Gemeinschaftsrechtswissenschaft vordringlich die Probleme von Struktur und Rangordnung gestellt haben, so kann doch andererseits die auffallende und teilweise beinahe absichtsvoll anmutende Zurückhaltung sowie die bisherige Unbestimmtheit und Unergiebigkeit der einschlägigen Äußerungen zur Grundrechtsgeltung in diesem Zusammenhang nicht länger übersehen werden. Die seit den fünfziger Jahren i n der Bundesrepublik mit großem wissenschaftlichen Aufwand erarbeitete Durchdringung und Verfeinerung des Grundrechtsverständnisses verpflichtet um so mehr zu einer klaren A n t wort und Stellungnahme i m Hinblick auf die nachträgliche gemeinschaftsrechtliche Konzeption. Die hier unternommene weitere Untersuchung w i r d unter kritischer Erörterung der in der Bestandsaufnahme dargestellten Äußerungen insbesondere darauf eingehen müssen, ob die Grundrechte gegenüber dem innerstaatlich anwendbaren Sekundärrecht überhaupt verbindlich sind. Außerdem ist zu klären, i n welchem Zusammenhang die Verbindlichkeit der Grundrechte mit der Frage nach dem innerstaatlichen Rang des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts steht. Insofern ist es erforderlich, die vom Schrifttum vorgenommene Verknüpfung der Grundrechtsgeltung m i t der Rangfrage bzw. m i t der Zulässigkeit von Verfassungsdurchbrechungen begrifflich näher zu bestimmen. Soweit eine Verbindlichkeit der Grundrechte anzunehmen ist, ist ferner zu erörtern, i n welchem Umfang die Grundrechte gegenüber dem primären bzw. auch gegenüber dem sekundären Gemeinschaftsrecht verbindlich sind.

I I I . M ö g l i c h k e i t e n einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts v o r d e m n a t i o n a l e n Verfassungsrecht der B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d I m Schrifttum w i r d die mangelnde Verbindlichkeit der Bundesgrundrechte gegenüber dem innerstaatlich anwendbaren primären und sekundären Gemeinschaftsrecht teils auf einen Vorrang des Gemeinschaftsrechts, teils auf die Zulässigkeit von Verfassungsabweichungen gemäß Art. 24 Abs. I GG gestützt. Eine Untersuchung der Verbindlichkeit der Grundrechte setzt deshalb voraus, daß geklärt wird, ob zwischen diesen rechtlichen Gesichtspunkten ein notwendiger Zusammenhang besteht oder ob sie nur zufällig zueinander i n Beziehung gesetzt werden. Denn eine Untersuchung der Grundrechtsfrage kann zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, je nachdem, ob die Verbindlichkeit bzw. Unverbindlichkeit der Grundrechte von einem Vorrang des Gemeinschaftsrechts oder von der Zulässigkeit von Verfassungsabweichungen beeinflußt wird. Die vorliegende Untersuchung w i r d deshalb in diesem Abschnitt so vorgehen, daß zunächst erörtert wird, in welchen begrifflichen Formen ein „Vorrang" des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts theoretisch möglich ist. Sodann werden die i m Schrifttum vertretenen Möglichkeiten der Zuordnung von innerstaatlich anwendbarem Gemeinschaftsrecht und deutschen Grundrechten darauf untersucht, welcher der theoretisch möglichen Formen eines „Vorrangs" sie begrifflich entsprechen. Daran schließt sich i m 2. Teil dieses Abschnitts die weitere Erörterung an, welche Form des „Vorrangs" dem geltenden Gemeinschaftsrecht und dem geltenden Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland entspricht.

1. Begriff und Grundlagen der Prävalenz

U m die i m Schrifttum vorgenommene Verknüpfung der Rangfrage mit der Verbindlichkeit der Grundrechte begrifflich zu erfassen, ist es unerläßlich, zunächst den Begriff des Vorrangs von Rechtsnormen zu klären. Insofern sollen vor allem die unterschiedlichen Bedeutungen, die der Bezeichnung „Vorrang" i m Zusammenhang mit der Verbindlichkeit der Grundrechte beigelegt werden können, terminologisch unterschieden werden. Daran schließt sich eine kurze Erörterung der rechtstheoretischen Grundlagen der Rangordnungslehre i n der Absicht an, die theoretischen

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I I I . Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

Voraussetzungen und Kriterien einer Rangordnung zwischen Rechtsnormen hervorzuheben, soweit sie für die Erörterung des Rangverhältnisses zwischen Gemeinschaftsrecht und Grundrechten von Bedeutung sind. I n einem Exkurs w i r d schließlich gezeigt, wie sich der Vorrang des Gemeinschaftsrechts auf das Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten auswirken würde, wenn dem geltenden Gemeinschaftsrecht ein Vorrang zukäme, wie ihn etwa Art. 31 GG für das Bundesrecht gegenüber dem Landesrecht i n der Bundesrepublik Deutschland festlegt. Zunächst soll also der Begriff des Vorrangs von Rechtsnormen bestimmt werden. a) Der Vorrangsbegriff nach der Lehre von der Rangordnung der Rechtsquellen Der Begriff des Vorrangs von Rechtsnormen gehört i n den Bereich der Lehre von der Rangordnung der Rechtsquellen 1 und der Anwendung dieser Lehre auf Normenkollisionen (Normwidersprüche 2 ). Regeln zwei (im übrigen gültige) Rechtsnormen denselben Tatbestand i n der Weise verschieden, daß sie einander widersprechende, sich gegenseitig ausschließende Rechtsfolgen anordnen, so gebietet der Grundsatz der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, daß diese dem zur Rechtsanwendung berufenen Organ vorschreibt, welche der kollidierenden Rechtsnormen es seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat, d. h. welche von ihnen der anderen vorgeht 3 . Dabei sind hinsichtlich der Voraussetzungen und der Rechtsfolgen dieses „Vorgehens" Unterscheidungen zu machen. Bei den Voraussetzungen ist i n erster Linie zu unterscheiden, ob die einander widersprechenden Normen derselben Rangstufe oder verschiedenen Rangstufen der Rechtsordnung angehören. Unter dem Rang einer Rechtsnorm soll dabei i m Anschluß an Hans J. Wolff die Stufe der Geltungskraft (Geltungsstufe) einer Rechtsnorm innerhalb einer gegliederten Rechtsordnung verstanden werden. Die Geltungsstufe w i r d bestimmt durch die formale Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rechtssatzgruppe: „Die unter gleichen förmlichen Voraussetzungen entstandenen Rechtsquellen gehören derselben Rangstufe an 4 ." Handelt es sich bei den kollidierenden Rechtsnormen um solche derselben Rangstufe, so geht i n der Regel die jüngere Rechtsnorm der 1 Z u r Rangordnungslehre allgemein vgl. Hensel, HdbDStR I I (1932), S. 313 ff., und Hans J. Wolff , V R I (7), § 26, S. 125. 2 Diesen Ausdruck gebraucht Engisch, Einführung (2), S. 159. 3 Hensel, HdbDStR I I (1932), S. 313; Hans J. Wolff , V R I (7), § 26 I a S. 125; Engisch, Einführung (2), S. 158 f.; Larenz, Methodenlehre (1960), S. 174. 4 Hans J. Wolff , V R I (7), § 26 I b S. 126 (formeller Rangbegriff); vgl. auch Hensel, HdbDStR I I (1932), S. 314: Rangordnungsfragen werden gruppenweise, unter Zusammenfassung aller einer bestimmten Rechtsquelle zuzurechnenden Normen entschieden.

1. Begriff und Grundlagen der Prävalenz

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älteren vor 5 . Handelt es sich um Hechtsnormen verschiedener Rangstufen, so geht i n der Regel die ranghöhere der rangniederen vor (Lex superior derogat legi inferiori). Die Rangüberlegenheit einer Norm zeigt sich also daran, daß sie über die Geltung einer niederrangigen bestimmt 6 . Ein bekannter Anwendungsfall dieses Prinzips ist der von Otto Mayer so genannte Vorrang des Gesetzes7. Dagegen kommt es nach der Rangordnungslehre nicht in Betracht, daß eine rangniedere Norm aus eigener K r a f t über die Geltung einer ranghöheren bestimmt. Von diesem Grundsatz gibt es jedoch eine Ausnahme: Die rangniedere Norm geht vor, wenn sie die Geltung der ranghöheren nur begrenzt und wenn ferner die ranghöhere Norm selbst oder eine andere Norm derselben oder einer höheren Geltungsstufe eine derartige Begrenzung ausdrücklich gestattet 8 . Anwendungsfall dieser Ausnahmeregel sind die Gesetzesvorbehalte einer verfassungsrechtlichen Regelung 9 . Nach dem Vorgang Otto Mayers w i r d heute das Vorgehen einer Norm auf Grund ihrer Rangüberlegenheit als Vorrang dieser Norm bezeichnet, wobei der Begriff „Vorrang" die Rangüberlegenheit der jeweiligen Rechtsquellengruppe als Grund für das Vorgehen der Norm i m Einzelfall meint. W i l l man das Gewicht stärker auf die Wirkung des Vorgehens legen, so kann als Vorrang einer Rechtsnorm auch die Möglichkeit bezeichnet werden, daß eine niederangige Norm eine höherrangige auf Grund und nach Maßgabe der Selbstbeschränkung der höherrangigen Norm verdrängt, deren Rangüberlegenheit also durchbricht und somit statt der höherrangigen anzuwenden ist. Ein solcher, beide Fälle umfassender Begriff des Vorrangs i m weiteren Sinne würde es jedoch erforderlich machen, den jeweils gemeinten Sinn durch entsprechende Bei5 Vgl. etwa jeweils m. Nachw. Hans J. Wolff , V R I (7), § 27 I b 3 S. 129; Engisch, Einführung (2), S. 159; Larenz, Methodenlehre (1960), S. 173 ff.; Nawiasky, A l l g . Rechtslehre (2), S. 91; Schröcker, Vertragswidriges Gesetz, DVB1. 1958, 372, 376 f.; Quaritsch, Kirchenvertrag, Festschr. f. Schack (1966), S. 134 f. Z u Rechtsnatur u n d Anwendungsbereich der lex-posterior-Regel vgl. i m übrigen etwa m. Nachw. Ipsen, Verhältnis (1965), S. 23 ff.; E. Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 54 ff. 6 Vgl. Giacometti, V R I (1960), S. 140: Das K r i t e r i u m des Rechtsranges der einzelnen formellen Rechtsquelle ist ihre derogatorische K r a f t , genauer gesagt, ihre Derogierbarkeit oder Nichtderogierbarkeit durch eine andere formelle Rechtsquelle. 7 O. Mayer, Dt. Verwaltungsrecht I (3. Aufl./Nachdr. 1961), S. 68 f.; Fleiner, Institutionen (8. Aufl./2. Neudr.), S. 68 N. 5. 8 Vogel, Anwendungsbereich (1965), S. 264; Nawiasky, Allg. Rechtslehre (2), S. 51, 92/93; vgl. ferner speziell für den Vorrang des Gesetzes O. Mayer, Dt. Verwaltungsrecht I (3. Aufl./Nachdr. 1961), S. 69. 9 Vogel, Anwendungsbereich (1965), S. 264 N. 103; vgl. ferner Hensel, HdbDStR I I (1932), S. 316; Hans J. Wolff, VR I (7), § 26 I I I b S. 127; Nawiasky, Allg. Rechtslehre (2), S. 92/93.

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I I I . Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

worte 1 0 zum Ausdruck zu bringen. Anderenfalls entstehen begriffliche Unklarheiten, wie die bisherige Diskussion über einen Vorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem nationalen Verfassungsrecht zeigt 11 . I n der deutschen Staatsrechtslehre ist indessen der Begriff des Vorrangs bereits mit einer festen Vorstellung verbunden, nämlich — gemäß der Begriffsbestimmung Otto Mayers für den Vorrang des Gesetzes — m i t der Vorstellung von der Rangüberlegenheit als Grund der Verdrängung nachgeordneter Normen. Der Begriff des Vorrangs sollte deshalb, u m begriffliche Unklarheiten zu vermeiden, auch i n bezug auf einen Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor dem nationalen Verfassungsrecht mit diesem vorgeprägten Inhalt verwendet werden. Vorrang i m Sinne der vorliegenden Untersuchung soll daher entsprechend der überkommenen Terminologie stets nur ein solcher auf Grund der Rangüberlegenheit der übergeordneten Norm genannt werden. Dagegen soll ein Vorrang i m weiteren Sinne, der also sowohl das Vorgehen einer Rechtsnorm kraft Höherrangigkeit als auch kraft ermächtigter Rangdurchbrechung umfaßt, i n dieser Untersuchung als Prävalenz bezeichnet werden. Prävalenz kraft Höherrangigkeit soll ferner gleichbedeutend sein mit dem Vorrang i n dem beschriebenen überkommenen Sinne. Zugleich ist damit klargestellt, daß das Vorgehen einer Norm vor einer anderen Norm gleichen Ranges kraft jüngerer Wirksamkeit oder kraft Spezialität von den hier gemeinten Arten einer Prävalenz, insbesondere von einem Vorrang, zu unterscheiden ist 1 2 . Ein Vorgehen kraft jüngerer Wirksamkeit steht i m Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und Bundesgrundrechten nicht i n Frage. Vielmehr geht es u. a. darum, welche dieser Normengruppen der anderen — unabhängig von der zeitlichen Reihenfolge ihres Wirksamwerdens — m i t innerstaatlicher Wirkung als Recht einer höheren Ordnung entgegentritt. Zur genaueren Bestimmung der Prävalenz kraft Höherrangigkeit, also des Vorrangs, ist nun, wie schon angedeutet, eine weitere Unterscheidung hinsichtlich der Rechtsfolge des Vorgehens der höherrangigen Norm zu machen. Diese Rechtsfolge kann einmal darin bestehen, daß die niederrangige nur vorübergehend verdrängt wird, wenn beide bei der Anwendung auf einen Einzelfall zusammentreffen. Bei dieser Gestaltung w i r d die nicht anzuwendende Norm lediglich suspendiert, t r i t t also bei ersatzlosem Wegfall der anzuwendenden ipso iure wieder in Geltung 1 3 . 10

z. B. „Vorrang k r a f t Rangüberlegenheit", „Vorrang k r a f t Ermächtigung". Vgl. dazu oben S. 22, 29, 35, 42, 46, 49, 51. 12 Giacometti, V R I (1960), S. 140 N. 13, spricht insoweit allerdings von einer Rangordnung i n zeitlicher Hinsicht zwischen den verfassungsrechtlich i m gleichen Rang stehenden Rechtssatzformen. 13 Einen Vorrang dieser A r t bezeichnet Hoff mann, Verhältnis, DÖV 1967, 440, als Anwendungsvorrang. 11

1. Begriff und Grundlagen der Prävalenz

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Das Vorgehen einer Norm kann aber auch zur Folge haben, daß die nicht anzuwendende Norm endgültig aufgehoben (vernichtet, „gebrochen") wird. I n diesem Fall ist die rangniedere Norm entweder von A n fang an unwirksam, wenn die verdrängende höherrangige Norm schon vorhanden war, oder sie t r i t t mit dem Wirksamwerden der höherrangigen außer K r a f t und auch bei deren Wegfall nicht wieder i n Geltung 1 4 . I m Schrifttum werden zwar zum Teil beide Wirkungen — die vorübergehende wie die endgültige Aufhebung — als Derogation bezeichnet 15 , doch soll in der vorliegenden Untersuchung zwischen Derogation als endgültiger und Suspension als auflösend bedingter Aufhebung der rangniederen Norm unterschieden werden 1 6 . Berücksichtigt man ferner, daß sich die ranghöhere Rechtsnorm auch gegenüber konkreten Staatsakten durchsetzt 17 , so kann abschließend festgestellt werden: Prävalenz kraft Höherrangigkeit, d. h. Vorrang, einer Rechtsnorm bzw. einer Rechtsquellengruppe ist die Bezeichnung für ihre Derogations- bzw. Suspensionswirkungen gegenüber allen Rechtsnormen bzw. Rechtsquellengruppen bzw. sonstigen Staatsakten einer niedrigeren Rangstufe i n einer gegliederten Rechtsordnung 18 . Somit ist Prävalenz des Gemeinschaftsrechts kraft Höherrangigkeit (bzw. Vorrang des Gemeinschaftsrechts) gegenüber dem nationalen Verfassungsrecht, insbesondere gegenüber den Grundrechten, die Bezeichnung für die — hier fraglichen — innerstaatlichen Derogations- bzw. Suspensionswirkungen des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem Verfassungsrecht, insbesondere gegenüber den Grundrechten. Prävalenz kraft Ermächtigung ist hingegen die Bezeichnung für die Geltungsbeschränkung einer ranghöheren Norm durch eine niederrangige Norm auf Grund einer Ermächtigung i n der eingeschränkten oder i n einer anderen höherrangigen Norm. Somit ist Prävalenz des Gemeinschaftsrechts kraft Ermächtigung gegenüber dem nationalen Ver14 Einen Vorrang dieser A r t bezeichnet Hoffmann, Verhältnis, DÖV 1967, 440, als Geltungsvorrang. 15 Vgl. vor allem Baum, Völkerrecht, Berner Konvention u n d Landesgesetze, GRUR 52 (1950), 453 f.; ferner Schröcker, DVB1. 1958, S. 376, 410. Hans J. Wolff , VR I (7), § 27 I b 3 S. 129 f., unterscheidet allerdings insoweit noch zwischen vollständiger (Abrogation) u n d teilweiser (Derogation) Ersetzung. 18 So die w o h l überwiegende Meinung, vgl. Hensel, HdbDStR I I (1932), S. 321 : Derogation ist mehr als Suspension; Anschütz, Reichsverfassung (14. Aufl./1933/ Nachdr. 1960), A r t . 13 A n m . 3 a; Forsthoff, V R I (9), S. 144; Giacometti, V R I (1960), S. 186; W. Jellinek, V R (3), S. 142; Peters, V e r w a l t u n g (1949), S. 84; Merk, V R I (1962), S. 345. 17 Diese Seite des Vorrangs spielt i m Verhältnis von Grundrechten u n d Gemeinschaftsrechtsnormen keine Rolle und w i r d i n der vorliegenden U n t e r suchung nicht behandelt, vgl. auch oben S. 17 f. 18 Vgl. die entsprechende Begriffsbestimmung für den Vorrang des Gesetzes bei Jesch, Gesetz u n d V e r w a l t u n g (1961), S. 29/30 m. Nachw., sowie die Definition des Rangkriteriums bei Giacometti, V R I (1960), S. 140 (oben S. 57 N. 6).

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I I I . Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

fassungsrecht, insbesondere gegenüber den Grundrechten, die Bezeichnung für die — hier fragliche — Geltungsbeschränkung des Verfassungsrechts, insbesondere der Grundrechte, durch das Gemeinschaftsrecht auf Grund einer Ermächtigung i m nationalen Verfassungsrecht. b) Rechtstheoretische Grundlagen der Rangordnungslehre und ihre Bedeutung für die Rangfrage Aufgabe der Rangordnungslehre soll es sein, für die einzelnen Rechtsquellengruppen deren Rangstufe und Rangverhältnis zueinander festzulegen 19 . Dies scheint für das deutsche Staats- und Verwaltungsrecht — jedenfalls i m Ergebnis — i m wesentlichen unproblematisch zu sein 20 . Die Vorstellung einer Rangordnung der Rechtsquellen ist hier allgemein 2 1 , und die i n Betracht kommenden Rangordnungsreihen liegen i n den Grundzügen fest 22 . Dagegen blieb etwa die Einordnung von Normen völkerrechtlichen Ursprungs i n die innerstaatliche Rangordnung umstritten, weil und soweit es an einer ausdrücklichen verfassungsgesetzlichen Regelung fehlt 2 3 . Da auch die innerstaatliche Zuordnung des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Verfassungsrecht weder i n den Gründungsverträgen noch i m Grundgesetz ausdrücklich geregelt ist, stellt sich die Frage, ob und woher die Rangordnungslehre die Bestimmung der innerstaatlichen Rangstufe dieser Rechtsquellengruppen ableiten kann. Es erscheint deshalb unerläßlich, sich i n der i m Rahmen dieser Untersuchung gebotenen Kürze vorab Klarheit darüber zu verschaffen, welches die rechtstheoretischen und welches die positivrechtlichen Grundlagen 19 Hensel, HdbDStR I I (1932), S. 314; zur Notwendigkeit einer Rangordnung vgl. Quaritsch, Kirchenvertrag, Festschr. f. Schack (1966), S. 128/129. 20 Keine Einigkeit besteht dagegen anscheinend über die verfassungstheoretische Fundierung der „ v e r t i k a l e n " Rangordnungsreihe (Verfassung — Gesetz — Rechts Verordnung). Vgl. dazu etwa Vogel, Anwendungsbereich (1965), S. 266 N. 113, u n d Quaritsch, Parlamentsgesetz (2. Aufl. 1961), S. 7: Brechungsw i r k u n g der lex superior erklärt sich durch stärkere demokratische L e g i t i mation. Abweichend anscheinend Henke, Verfassung, Staat 3 (1964), S. 436, 442/ 444, u n d Chr. Böckenförde, Nichtigkeit (1966), S. 31: kein Rangverhältnis der Rechtsnormen, sondern der sie erlassenden Staatsorgane, d. h. Kompetenzverhältnis; dagegen etwa P. Häberle, Besprechung von Chr. Böckenförde, aaO, DÖV 1966, S. 661: Verfassung als rechtliche Grundordnung verstanden i m p l i ziert inhaltlichen Rangunterschied zwischen Verfassung u n d Gesetz. Uber den Unterschied von formellem u. wertmäßigem Rangbegriff allgemein vgl. Hans J. Wolff , V R I (7), § 26 I b u. c S. 126. 21 Vgl. etwa Maunz, Staatsrecht (16. Aufl./1968), § 9 I I I (S. 53 ff.), § 25 V I 5 (S. 211), § 29 I I 3 b (S. 267), § 32 I I 1 (S. 302 f.); Maunz-Dürig, GG, A r t . 25, Randnr. 22 ff.; Hans J. Wolff , VR I (7), § 26 S. 125 ff.; Forsthoff, V R I (9), S. 119. 22 Vgl. Hans J. Wolff , V R I (7), § 26 I I I , I V , S. 127 f.; Maunz-Dürig, GG, A r t . 25 Randnr. 22. 23 Vgl. etwa v. Mangoldt-Klein, B G G I (2. Aufl./Nachdr. 1966), A r t . 25 A n m . V ; Maunz-Dürig, GG, A r t . 25 Randnr. 22 ff., 29; vgl. ferner die Nachweise der Diskussion u m den Rang der Europ. Menschenrechtskonvention bei Friedr. Klein, Europ. Menschenrechtskonvention, Festschr. f. R. L a u n (1962), S. 149 ff.

1. Begriff und Grundlagen der Prävalenz

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der Rangordnungslehre sind und wie weit sie für die Bestimmung der Rangfolge innerhalb einer bestimmten Rechtsordnung und ggf. auch für die hier fragliche Zuordnung von Gemeinschaftsrecht und nationalem Verfassungsrecht maßgeblich sind 2 4 . Die Vorstellung einer Hierarchie der Rechtsquellen m i t abgestufter Geltungskraft, die der Rangordnungslehre zugrunde liegt, deutet auf einen Zusammenhang m i t der sog. Stufentheorie der Rechtsordnung hin. Nach dieser von Merkl 25 entwickelten und von Kelsen 26 übernommenen Lehre stellt sich die staatliche Rechtsordnung als eine Rechtshierarchie verschiedener Stufen bzw. Schichten von Rechtsnormen dar, deren Beziehung zueinander i n dem räumlichen B i l d einer Überordnung und Unterordnung dargestellt werden könne. Die Einheit dieses Rechtssystems werde dadurch hergestellt, daß die Geltung der untergeordneten Normen auf der Geltung der jeweils übergeordneten beruhe, gemäß der sie erzeugt seien, und letztlich auf einer nur vorausgesetzten (hypothetischen) Ursprungsnorm 2 7 oder Grundnorm (der Verfassung i m rechtslogischen Sinne) als oberstem Geltungsgrund 28 . Die logische Struktur dieses Geltungszusammenhanges besteht nach der Stufentheorie darin, daß die Rechtsformen — abgesehen von der Ursprungsform und der untersten Stufe der Hierarchie — zugleich bedingend und bedingt seien: Sie hätten einerseits i n Normen einer anderen Form ihren Ursprung, andererseits seien sie selbst Ursprung, d. h. Voraussetzung der Entstehung und der Geltung, von Normen einer anderen Form 2 9 . Die Subordinationsbeziehung zwischen zwei Rechtsformen werde dadurch hergestellt, daß die Entstehung einer Rechtserscheinung durch eine andere schon bestehende Rechtserscheinung bedingt sei, welche sich dank diesem bedingenden Charakter als vergleichsweise höhere Rechtserscheinung darstelle 30 . Allerdings w i r d bei Merkl — wie Vogel 31 zutreffend bemerkt — noch nicht klargestellt, ob sich die Überordnung und Unterordnung der Nor24 Zutreffend weist Quaritsch, Parlamentsgesetz (2. Aufl./1961), S. 11 N. 8, darauf hin, daß etwa Hensel, HdbDStR I I (1932), S. 313 ff., die Rangordnungslehre n u r darstellt, nicht begründet. 25 Vgl. Merkl, Rechtskraft (1923), S. 208 ff. 26 Kelsen, Allg. Staatslehre (1925/Nachdr. 1966), S. 234, 248 ff.; ders., Reine Rechtslehre (2. Aufl./1960), S. 196 ff., 228 ff. 27 Merkl, Rechtskraft (1923), S. 209. 28 Kelsen, Reine Rechtslehre (2. Aufl./1960), S. 228. 29 Merkl, Rechtskraft (1923), S. 210, 216. 30 Die Rechtserzeugung als solche ist nach Kelsen (Reine Rechtslehre, 2. Aufl., S. 240 ff.; ders., Allg. Staatslehre, 1. Aufl., 1925, Nachdr. 1966, S. 249/250; ebenso Merkl, Rechtskraft, 1923, S. 218) zugleich Rechtsanwendung einer höheren N o r m ; z. B.: „ I n Anwendung der Verfassung erfolgt die Erzeugung der generellen Rechtsnormen durch Gesetzgebung und G e w o h n h e i t ; . . . " (Reine Rechtslehre, aaO, S. 240). Dazu u n d gegen die „ A n w e n d u n g der Verfassung auf das Gesetz" vgl. W. Henke, Verfassung, Staat 3 (1964), 438 ff., 443 ff., 445. 31 Anwendungsbereich (1965), S. 246/247.

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Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

men als Folge des „Rechtserzeugungsprozesses" oder darüber hinaus noch als Postulat der rechtlichen Logik darstellt 3 2 , während bei Kelsen heute der Stufenbau als Geltungs- und damit logischer Deutungszusammenhang erscheint 33 . Somit läßt sich zwar die Stufentheorie Merkls und Kelsens als rechtstheoretische Grundlage der Rangordnungslehre heranziehen. Andererseits scheint dies jedoch nicht zwingend notwendig zu sein. Vielmehr können die rechtslogischen Voraussetzungen der Rangordnungslehre, wie neuerdings Vogel nachgewiesen hat 3 4 , auch aus den Ergebnissen der neueren logikwissenschaftlichen Forschung entwickelt werden. Vogel geht insofern davon aus, daß ein logisches Rangverhältnis unter den Normen, d. h. ein solches, das sich bereits mit Notwendigkeit aus den allgemeinen Gesetzen der Logik ergibt, als logische Denkstruktur auch für die Rechtsdogmatik verbindlich wäre. Er greift deshalb auf Erkenntnisse der neueren Logikwissenschaft aus dem Bereich der sog. logischen Semantik zurück. Die logische Semantik befaßt sich mit den formalen Beziehungen zwischen den Ausdrücken und den von ihnen bezeichneten Gegenständen, etwa m i t den Allgemeinaussagen über die Wahrheit der i n einer Sprache enthaltenen Sätze. Die insbesondere von Lesniewski und Tarski entwickelte Theorie der semantischen Stufen 3 5 besagt, daß derartige Aussagen nicht logisch widerspruchsfrei i n dieser Sprache selber formuliert werden können, sondern nur i n einer „Metasprache", die i m Gegensatz zur „Objektsprache" nicht die Sachaussagen eines Bereichs, sondern die semantischen Aussagen über diese Objektsprache enthält. Unterscheidet man etwa m i t Kelsen zwischen der Rechtsnorm als dem objektiven Gebot und dem diese Norm beschreibenden, von der Wissenschaft formulierten Rechtssatz 36 , so zeigt sich nach Vogel besonders deutlich, daß die Aussage über die Wahrheit des Rechtssatzes identisch ist mit der Aussage über die Geltung der Norm. Ist aber die Aussage über die Geltung einer Rechtsnorm m i t der Aussage über die Wahrheit eines beliebigen Aussagesatzes ihrer logischen Struktur nach gleichartig, so muß nach Auffassung Vogels die Theorie der semantischen Stufen wegen der Verbindlichkeit der allgemeinen Gesetze der Logik auf die Rechts32

Vgl. Merkl, Rechtskraft (1923), S. 217, 219 u. S. 210, 214. Vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre (2), S. 196 ff., 204 ff.; nach W. Henke, V e r fassung, Staat 3 (1964), 438, ist bei Kelsen das Verhältnis von Verfassung u n d Gesetz ein logisches Verhältnis, nämlich zwischen Allgemeinem und Besonderem. 34 Vogel, Anwendungsbereich (1965), S. 253 ff. 35 Vgl. die Nachweise dieser Theorie bei Vogel, Anwendungsbereich (1965), S. 253 N. 60, 256 N. 78. 36 Die Übertragung des Gesetzes der semantischen Stufen auf den Bereich der Rechtswissenschaft w i l l aber Vogel offensichtlich nicht von der Übernahme des Kelsenschen Rechtsnorm- bzw. Rechtssatzbegriffes abhängig gemacht wissen, vgl. Vogel, Anwendungsbereich (1965), S. 258, insbes. N. 85. 33

1. Begriff und Grundlagen der Prävalenz

63

Wissenschaft übertragen werden 3 7 . Dies führe zu der Erkenntnis, daß die Unterscheidung zwischen denjenigen Normen, die unmittelbar einen bestimmten Sachverhalt regeln (den „Objektrechtsnormen"), und denjenigen Normen, die über die Gültigkeit dieser „Objektrechtsnormen" bestimmen — damit also etwa die bekannten Unterscheidungen zwischen Verfassungsrecht und verfassungsabhängigem Gesetzesrecht, zwischen Gesetzesrecht und Verordnungsrecht —, nicht lediglich auf positivrechtlicher Satzung oder wissenschaftlicher Gewohnheit beruht. Die genannte Unterscheidung sei vielmehr davon unabhängig bereits i n der logischen Struktur jeglicher normativen Ordnung angelegt 38 . Auf Grund dieser allgemeintheoretischen Überlegungen sieht Vogel lediglich die A n n a h m e der Stufentheorie Merkls

u n d Kelsens

als zu-

treffend an, daß Normen, die über die Geltung anderer Normen bestimmen — also insbesondere deren Geltung nicht nur auf bestimmte Zeiträume oder Fallgruppen begrenzen, sondern die Voraussetzungen ihrer Gültigkeit oder Ungültigkeit als solche tatbestandlich umschreiben — zu diesen nachgeordneten Normen i m Verhältnis einer logischen Stufung stünden. Deshalb sei es i n der Tat notwendig, zwischen jenen „bedingenden" und „bedingten" Normen i m Sinne der Stufentheorie dogmatisch zu unterscheiden 39 . Wegen dieser logischen Stufung kommt es nach Vogel aus Gründen der Logik insbesondere nicht i n Betracht, daß Normen der nachgeordneten Stufe über die Geltung von Normen der ranghöheren Stufe bestimmen, es sei denn, daß sie deren Geltung nur begrenzen und daß ferner die ranghöheren Normen eine derartige Begrenzung durch nachgeordnete Normen selber ausdrücklich gestatten. Dagegen ergibt sich nach Ansicht Vogels aus der Theorie der semantischen Stufen weder, daß jede Rechtsnorm notwendigerweise wieder auf 37

Vogel, Anwendungsbereich (1965), S. 258 ff. Vogel, Anwendungsbereich (1965), S. 261. Dagegen leitet Ophüls, Geltungsnormen, Festschr. f. O. Riese, S. 5 N. 8, aus den Ergebnissen der logischen Semantik die Unterscheidung zwischen „Geltungsnormen" u n d „Sachnormen" her. „Geltungsnormen" (auch „Rechtsanwendungsnormen" von Ophüls genannt) sind Normen, die Geltungskraft, Geltungsbereich u n d Auslegung von Sachnormen bestimmen (aaO, S. 52). Rangordnungsnormen, etwa über das V e r hältnis des Verfassungsrechts zum Gesetzesrecht, gehören nicht dazu. Da nach Auffassung von Ophüls die Zuordnung des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht eine sachliche, d. h. nach Sachbereichen abgegrenzte ist, sieht er i n den Vertragsvorschriften z. B. über die Vorabentscheidung gem. A r t . 177 ff. E W G V Geltungsnormen höherer Ordnung. Das Vorgehen von Ophüls spricht jedoch nicht gegen Vogels Übertragung logisch-semantischer Gesetze auf Rangfragen; denn Vogel selbst bezieht jene Gesetze auch auf das Verhältnis von materiellem Privatrecht u n d internationalem Privatrecht. Die logische S t r u k t u r dieser Zuordnungsverhältnisse ist gleich, n u r i h r I n h a l t verschieden: einmal der (intransitive) „Geltungszusammenhang", das andere M a l der (transitive) „Anwendungszusammenhang" (vgl. Vogel, Anwendungsbereich, 1965, S. 270, 275). 39 Vogel, Anwendungsbereich (1965), S. 264. 88

6 4 I I I .

Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

einer Rechtsnorm höheren Ranges beruhen müsse 40 , noch lasse sich allein mit rechtslogischen Erwägungen begründen, daß sich alle Normen eines bestimmten Staates in einer geschlossenen Hierarchie befänden, an deren Spitze für alle Normen ein und dieselbe Grundnorm stehe. Hinter der Einheitlichkeit der bei Merkl und Kelsen angenommenen Grundnorm stecke vielmehr ein rechtspolitisches Postulat: der Gedanke der Einheit der Staatsgewalt und des staatlichen Rechts 41 . Die K r i t i k Vogels richtet sich indessen anscheinend nicht gegen die Einführung dieser Vorstellung von der Grundnorm, sondern dagegen, daß dieser Gedanke nicht als rechtspolitischer Ausgangspunkt kenntlich gemacht wird. Eine Stellungnahme zur Stufentheorie insofern und zur K r i t i k Vogels daran ist freilich i m Rahmen dieser Untersuchung nicht erforderlich. Hier genügt es, festzustellen, daß die Lehre von der Rangordnung der Rechtsquellen weder mit der Stufentheorie Merkls und Kelsens identisch ist, noch deren Übernahme voraussetzt. Vielmehr kann — dies hat der Hinweis auf die Ausführungen Vogels gezeigt — die zweifelsfrei rechtslogische Voraussetzung von Rangordnungen, nämlich die denknotwendige Über- bzw. Unterordnung von Rechtsnormen, soweit ihre Gültigkeitsvoraussetzungen durch andere bestimmt werden, offensichtlich auch unabhängig von der Stufenlehre aus den Erkenntnissen der modernen Logikwissenschaft abgeleitet werden. Ebenso wichtig ist eine weitere Feststellung: Die Vertreter der Stufentheorie gehen ebenso wie Vogel davon aus, daß der logische Vorrang der vorgeordneten Norm nicht mit einem juristischen Vorrang, d. h. etwa mit einer Brechungswirkung gegenüber nachgeordneten Normen, gleichbedeutend ist. Vielmehr kommt es insofern immer darauf an, welche Entscheidung die jeweilige Rechtsordnung, insbesondere die jeweilige Verfassung t r i f f t 4 2 . Diese Entscheidung der positiven Rechtsordnung kann dahin gehen, daß eine nachgeordnete Norm auch unabhängig von der Beobachtung aller Voraussetzungen der übergeordneten Norm gültig sein soll. Merkl und Kelsen selbst behandeln unter diesem Gesichtspunkt den Fall, daß die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die über40 W e i l die Theorie der semantischen Stufen jeweils nur eine bestimmte Stufung ins Auge fasse, also insoweit streng relativ sei, vgl. Vogel, Anwendungsbereich (1965), S. 264. 41 Vogel, Anwendungsbereich (1965), S. 264/265. Darüber hinaus vermutet Vogel, Anwendungsbereich (1965), S. 251/252, der Merkischen Lehre liege m i t großer Wahrscheinlichkeit ein vorrationaler Archetypus i m Sinne C. G. Jungs zugrunde. W. Henke, Verfassung, Staat 3 (1964), 440, f ü h r t die Rangvorstellung i m herrschenden Verfassungsrechtsdenken auf den Stufenbau der Weltordnung (bzw. auch der Rechtsordnung) als metaphysisches Prinzip bei Aristoteles und Thomas von A q u i n zurück. 42 Auch Bachof, Prüfungs- u. Verwerfungskompetenz, AöR 87 (1962), 4 N. 10, weist darauf hin, daß u. a. die Regeln der vertikalen Ordnungsreihe nicht apriorischer Natur sind. I m gleichen Sinne Barbey, Besprechung von Quaritsch, Parlamentsgesetz (2. Aufl./1961), i n : Staat 1 (1962), 380.

1. Begriff und Grundlagen der Prävalenz

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geordnete Norm erst durch ein Staatsorgan konstitutiv zu bewirken ist oder daß ein solcher Verstoß ohne rechtliche Folgen bleibt 4 3 . Ferner kann es etwa für das Verhältnis von Verfassung und Gesetz von Bedeutung sein, wieweit sich die betreffende Verfassung als „rigid" oder „flexibel" versteht 44 . Somit ist davon auszugehen, daß die insbesondere durch einen „Fehlerk a l k ü l " i m Sinne Merkls 45 differenzierten Rangverhältnisse innerhalb einer bestimmten positiven Rechtsordnung nicht auf rechtslogischen Folgerungen, sondern auf positivrechtlichen Entscheidungen, insbesondere auf politischen Verfassungsentscheidungen, beruhen. Die positivrechtliche Rangordnungslehre läßt sich deshalb als eine geordnete Zusammenfassung und Darstellung der ausdrücklichen oder stillschweigenden positiven Rangordnungsnormen dieser Rechtsordnung kennzeichnen. Die Rechtstheorie kann insofern lediglich die rechtslogische Möglichkeit der Überordnung und Unterordnung von Rechtsnormen als Voraussetzung des Rangbegriffs erkennbar machen und dadurch den Rangbegriff als solchen rechtfertigen. Die darzustellenden positiven Rangordnungsnormen muß die Rangordnungslehre dem positiven Recht, insbesondere dem Verfassungsrecht, entnehmen. Eine noch unbekannte Rangordnungsnorm, wie diejenige über die Zuordnung von europäischem Gemeinschaftsrecht und deutschem Verfassungsrecht, und damit die A n ordnung der Rechtsfolge eines positiv-rechtlichen Normwiderspruchs, kann deshalb nicht aus einem rechtstheoretischen Deutungsschema, sondern nur jeweils aus dem positiven Recht abgeleitet werden. Von diesem Standpunkt aus erscheint es insbesondere nicht möglich, die Zuordnung von Gemeinschaftsrecht und deutschen Grundrechten zueinander durch die Übernahme der von Wengler entwickelten rechtstheoretischen Unterscheidung von Rechtserzeugungsystemen und Rechtserzwingungssystemen zu bestimmen 46 . Wengler hat dies zwar vorge43 Kelsen, Reine Rechtslehre (2. Aufl./1960), S. 276 ff.; Merkl, Rechtskraft (1923), S. 277 ff., 293, spricht insoweit von einem positivrechtlichen „Fehlerk a l k ü l " d e r Rechtsordnung. E i n Beispiel dafür ist etwa der Ausschluß der richterlichen Zuständigkeit f ü r die Prüfung von Gesetzen auf ihre Vereinbarkeit m i t der Verfassung, w i e er u. a. zum Teil unter der Weimarer Verfassung angenommen wurde, vgl. dazu m. Nachw. Anschiitz, Reichsverfassung (14. Aufl./Nachdr. 1960), A r t . 70 A n m . 4 u. 5. — Wenn Vogel, Gesetzgeber u. V e r waltung, W D S t R L 24 (1966), 146/147, i m Hinblick auf A r t . 34 u. 37 der franz. Verfassung von 1958 zutreffend meint, der verfassungsrechtliche Vorrang des Gesetzes sei v o m logischen Rangverhältnis der Normen sogar unabhängig, so ist ergänzend darauf hinzuweisen, daß es sich N. 69, aaO, bei dem von Vogel gewählten Beispiel u m einen F a l l des „Fehlerkalküls" handelt, der die W i r kung des Rangverhältnisses Gesetz/Verordnung modifiziert. 44 Vogel, Anwendungsbereich, S. 266 N. 114; Herb. Krüger, A r t . „Verfassung", HdSW X I , S. 80. 45 Z u diesem Begriff vgl. vorstehend N. 43. 49 Wengler, Betrachtungen, Festschr. f. L a u n (1953), S. 730 ff.; ders., V ö l k e r recht I (1964), S. 44 f.

δ Gora y

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schlagen 47 : Wenn sich der Grundrechtsschutz des Grundgesetzes überall da auszuwirken habe, wo sich die Rechtsordnung, d. h. das Rechtserzwingungssystem der Bundesrepublik, entfaltet, so könne es keinen Unterschied machen, ob die normativen Akte, denen gegenüber sich jemand auf ein Grundrecht berufe, aus dem nationalen oder aus einem besonderen europäischen Rechtserzeugungsystem herrühren. Überall da, wo letztlich die Staatsgewalt der Bundesrepublik Rechtszwang gegen die normalerweise von ihr selbst geschützten Rechtsgüter zur Erzwingung von Normen einsetzt, die von supranationalen Organen herrühren, dürfe auch der Grundrechtsschutz des Grundgesetzes nicht ausgeschaltet werden 48 . Ob die Rechtsordnung der Bundesrepublik wegen der unmittelbaren Geltung des Gemeinschaftsrechts als ein Rechtserzwingungssystem anzusehen ist, an dessen Normenbildung mehrere Rechtserzeugungssysteme teilhaben, bedarf i m Hinblick auf das Thema der vorliegenden Untersuchung jedoch keiner Erörterung. Die von Wengler getroffene Unterscheidung zwischen Rechtserzeugungssystem und Rechtserzwingungssystem ist — wie die Stufentheorie Merkls und Kelsens — ein rechtstheoretisches Deutungsschema, das den Überblick über die innere Ordnung eines gegebenen Normenbestandes erleichtert. Dieses Deutungsschema besagt für sich jedoch nichts darüber, ob und ggf. in welchem Maße sich der Grundrechtsschutz des Grundgesetzes gegenüber Normierungen aus dem Gemeinschaftsbereich durchzusetzen hat. Denn die Entscheidung dieser Frage setzt u. a. eine Zuordnung innerhalb des Rechtserzwingungssystems voraus, die nur das positive Recht vornehmen kann. Wengler selbst sieht anscheinend den Maßstab für die Unveräußerlichkeit der Grundrechte i m Wirkungsbereich des Grundgesetzes — der hier gerade zweifelhaft ist — i m Falle einer Übertragung von Hoheitsrechten i n A r t . 24 Abs. I GG, also i m positiven Verfassungsrecht. Ein Eindringen i n die rechtstheoretischen Lehren Wenglers verspricht daher nicht, die positivrechtliche Zuordnungsfrage zu lösen, zumal Wengler selbst die Anwendbarkeit seines rechtstheoretischen Modells auf das Verhältnis von Gemeinschaftrecht und nationalem Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland nicht näher begründet 49 . Schließlich kann die Frage gestellt werden, ob das Verhältnis von innerstaatlich anwendbarem Gemeinschaftsrecht und Grundgesetz überhaupt durch eine Rangordnung zwischen diesen Rechtsmassen bestimmt werden muß. Aufgabe einer derartigen Rangordnung ist es, für den Fall 47

Wengler, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 113 f. Ebenso Wengler, Entscheidungsanmerkung, J Z 1968,101 f. 49 Vgl. Wengler, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 113 f.; ders., E n t scheidungsanmerkung, JZ 1968, 101 f.; kritisch Kaiser, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 145 (Schlußwort). 48

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einer Kollision — d. h. eines Normwiderspruchs — zwischen Gemeinschaftsrecht und Bundesgrundrechten eine „willkürlich-individuelle Wahl" des rechtsanwendenden deutschen Staatsorgans zwischen den einander widersprechenden Normen auszuschließen, damit Rechtsklarheit und Rechtseinheit gewahrt werden 5 0 . I m Hinblick darauf fragt es sich, inwiefern innerstaatlich anwendbares Gemeinschaftsrecht und nationales Verfassungsrecht überhaupt als eine einheitliche Ordnung zu denken sind. Unabhängig davon, ob Gemeinschaftsrecht und nationales Verfassungsrecht von der Normenerzeugung her verschiedene Rechtsordnungen darstellen, müssen sie jedoch vom Standpunkt des nationalen Rechtsanwenders aus als eine einheitliche Ordnung angesehen werden, soweit das Gemeinschaftsrecht innerstaatlich wirksam ist. Denn beiden Rechtsmassen sind insofern dieselben Rechtssubjekte unterworfen 5 1 . I m Falle eines Widerspruchs zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Verfassungsrecht muß daher eine Rangordnung die Kollisionsfrage lösen, wenn die Rechtsunterworfenen zu Recht der einen oder der anderen Normengruppe nicht Folge leisten sollen. Zusammenfassend ergibt sich somit: Die hier fragliche innerstaatliche Prävalenz des Gemeinschaftsrechts vor den Bundesgrundrechten ist nach den bisherigen Ausführungen rechtslogisch nur denkbar, wenn entweder dem Gemeinschaftsrecht gegenüber dem deutschen Verfassungsrecht ein höherer Rang zukommt oder wenn das Grundgesetz gegenüber dem nicht höherrangigen Gemeinschaftsrecht die Geltungsbeschränkung seiner Grundrechte zuläßt. Beide Formen einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts — Prävalenz kraft Höherrangigkeit oder kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung — stehen i n einer notwendigen Alternative zueinander. Ob überhaupt und i n welcher dieser Formen eine Prävalenz des Gemeinschaftsrechts vorliegt, ergibt sich aus dem positiven Gemeinschaftsrecht bzw. aus dem positiven Verfassungsrecht der Bundesrepublik. Die Rechtstheorie kann nur die allgemeinen Voraussetzungen und Kriterien eines Rangverhältnisses zwischen Rechtsnormen bestimmen. Insofern müssen Gemeinschaftsrecht und nationales Verfassungsrecht jedenfalls vom Standpunkt des nationalen Rechtsanwenders aus als Bestandteile einer einheitlichen Ordnung gedacht werden, soweit das Gemeinschaftsrecht innerstaatlich wirksam ist. Dabei w i r d hier freilich vorausgesetzt, daß das Gemeinschaftsrecht überhaupt innerstaatlich verbindlich ist. Es muß deshalb noch erörtert werden, worauf diese Verbindlichkeit beruht. Das Ergebnis dieser Untersuchung w i r d auch für die Frage von Bedeutung sein, inwiefern Gemein50 Allgemein zur Notwendigkeit einer Rangordnung vgl. Quaritsch, Kirchenvertrag, Festschr. f. Schack (1966), S. 128/129. 51 Vgl. Wohlfarth, Auskunftsrecht (1964), S. 40; Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 293; Wolfdietrich Möller, Verordnung (1967), S. 196 f.

5*

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Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

schaftsrecht und nationales Verfassungsrecht für die innerstaatliche A n wendung als Bestandteile einer einheitlichen Ordnung betrachtet werden können. I m folgenden 2. Unterabschnitt soll jedoch zunächst verdeutlicht werden, wie sich die Prävalenz des Gemeinschaftsrechts auf das nationale Verfassungsrecht auswirken würde, wenn sie dem bundesstaatlichen Modell eines Vorrangs des Bundesrechts vor dem Gliedstaatenrecht entspräche. Anschließend w i r d untersucht, wieweit i n der Diskussion über die Verbindlichkeit der Grundrechte eine Prävalenz kraft Höherrangigkeit oder kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung gegenüber dem nationalen Verfassungsrecht vertreten wird.

2. Keine Prävalenz kraft Höherrangigkeit

a) Der Vorrang des Bundesrechts im Bundesstaat als Modell für das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und nationalem Verfassungsrecht Die Annahme, nach geltendem Recht bestehe eine Prävalenz des Gemeinschaftsrechts vor dem nationalen Verfassungsrecht, w i r d gelegentlich i n die prägnante Formel gekleidet: „Gemeinschaftsrecht bricht nationales Recht" 52 . M i t dieser Formel knüpft man an den aus bundesstaatlichen Verfassungen bekannten Satz „Bundesrecht bricht Landesrecht" an und benutzt damit diese Zuordnungsregel als Modell für das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und nationalem Verfassungsrecht. Offensichtlich verbindet sich mit dieser Formel die Vorstellung, sie bringe eine Prävalenz des Gemeinschaftsrechts kraft Höherrangigkeit zum Ausdruck, so wie i m Bundesstaat das Bundesrecht als dem Recht der Gliedstaaten überlegenes Recht angesehen wird. Es scheint deshalb zweckmäßig zu sein, i n diesem Abschnitt zu untersuchen, inwiefern der Wortlaut der Formel „Gemeinschaftsrecht bricht nationales Recht" auf eine Prävalenz kraft Höherrangigkeit deutet und wie sich eine derart umschriebene Prävalenz auf das nationale Verfassungsrecht auswirken würde. Da sich die Formel offensichtlich am Verhältnis von Bundesrecht zu Landesrecht orientiert, wie es der Satz „Bundesrecht bricht Landesrecht" zum Ausdruck bringt, ist es erforderlich, sich den Regelungsgehalt dieses Verfassungsrechtssatzes zu vergegenwärtigen. Dabei liegt es nahe, insbesondere auf die Auslegung zurückzugehen, die der gleichlautende Art. 31 GG i m deutschen Bundesstaatsrecht erfahren hat. Die herrschende Lehre sieht i n dieser Bestimmung — i m Anschluß an die zu A r t . 13 Abs. I der WRV vertretenen Auffassungen — die Anordnung eines Vorrangs des Bundesrechts i m Sinne einer höheren Rangstufe 52

Vgl. E. Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 113.

2. Keine Prävalenz kraft Höherrangigkeit

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gegenüber dem Landesrecht 53 . A u f der Rechtsfolgeseite dieser den Tatbestand einer Normenkollision voraussetzenden Verfassungsnorm 54 w i r d die Derogation von widersprechendem 55 bzw. auch von sachlich übereinstimmendem 56 Landesrecht angeordnet. Da die Höherrangigkeit einer Rechtsquellengruppe sich an ihrer derogatorischen K r a f t gegenüber einer anderen erweist 5 7 , w i r d dem Bundesrecht m i t der Zuweisung derogatorischer Kraft ein höherer Rang gegenüber dem Landesrecht zugeteilt. Insofern ordnet also der Satz „Bundesrecht bricht Landesrecht" eine Prävalenz des Bundesrechts kraft Höherrangigkeit gegenüber dem Landesrecht an. Die verfassungsrechtliche Bedeutung des Satzes als Rangordnungsnorm w i r d jedoch zum Teil dadurch eingeschränkt, daß er auf seiner Tatbestandsseite eine „Kollision", d. h. den Widerspruch bzw. das Zusammentreffen, von i m übrigen gültigen Normen des Bundes- und des Gliedstaatenrechts voraussetzt. Daraus folgt nach insoweit übereinstimmender Ansicht i m Schrifttum, daß Art. 31 GG u. a. dann nicht anwendbar ist, wenn „Bundesrecht" kompetenzwidrig erlassen ist, da es dann bereits aus diesem Grunde ungültig ist und mit Landesrecht i n Wahrheit nicht kollidiert 5 8 . Allerdings stellt eine Rangordnungs- und Kollisionsnorm nach A r t des Art. 31 GG nicht die einzige Möglichkeit dar, den Bereich des Bundesrechts gegenüber dem Rechtsbereich der Gliedstaaten abzugrenzen und zu sichern. Das w i r d besonders deutlich durch die von Jaenicke eingeführte Unterscheidung zwischen Kompetenzvorrang und Rechtsanwendungsvorrang 59 . Nach Jaenicke erscheint der Vorrang des Bundesrechts 53 Vgl. etwa Anschütz, Reichsverfassung (14. Aufl./Nachdr. 1960), A r t . 13 Anm. 2; v. Mangoldt-Klein , B G G I I (2. Aufl./1964), A r t . 31 A n m . I I 1; MaunzDürig , GG, A r t . 31 Randnr. 1; Maunz , Staatsrecht (16. Aufl./1968), § 25 I V 5 (S. 211), § 29 I I 3 b (S. 267); Maunz/Sigloch/Schmidt-Bleib treu/Klein, BVerfGG (Loseblatt-Werk/Stand 1967) (Sigloch), A r t . 80 Randnr. 109 (S. 93). Ob A r t . 31 GG insoweit Ausdruck bzw. Folge einer staatsrechtlichen Uberordnung des Bundes über die Gliedstaaten ist, ist umstritten, vgl. etwa m. Nachw. Harbich, Bundesstaat (1965), S. 75 ff. 54 Vgl. dazu v. Mangoldt-Klein, B G G I I , A r t . 31 A n m . I I I 3. 55 So Maunz-Dürig, GG, A r t . 31 Randnr. 14 m. Nachw. (Maunz). 56 So v. Mangoldt-Klein, B G G I I , A r t . 31 A n m . I V 3 c (S. 771 ff.) m. Nachw.; vermittelnd: Bernhardt i n : Bonner K o m m . (Zweitbearbeitung 1966), A r t . 31 Randnr. 35, 36. 57 Vgl. oben S. 57. 58 Allgemeine Meinung, vgl. m. Nachw. v. Mangoldt-Klein, B G G I I (2. Aufl./ 1964), A r t . 31 Anm. I I 2; Maunz-Dürig, GG, A r t . 31 Randnr. 15. Streitig ist h i n gegen, ob sich die Nichtigkeit kompetenzwidrigen (einfachen) Landesrechts bereits unmittelbar aus den bundesrechtlichen Kompetenzvorschriften (so vor allem v. Mangoldt-Klein, B G G I I , A r t . 31 A n m . I I I 9) oder aus diesen i n Verbindung m i t A r t . 31 GG ergibt (so vor allem Maunz-Dürig, GG, A r t . 31 Randnr. 21, 22; ebenso anscheinend das BVerfG ständig, vgl. n u r Beschl. v. 4. 6. 1957 BVerfGE 7, 29 ff./45; v. 14. 4.1964 BVerfGE 17, 319 ff./329). 59 Jaenicke, ZaöRV 23 (1963), 520 ff.

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Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

i n zwei Formen: Der Kompetenzvorrang verwehrt den Gliedstaaten jede weitere Rechtsetzung, die mit bestehendem Bundesrecht i n Widerspruch stehen würde. Er w i r d gewährleistet entweder durch ausschließliche Kompetenzzuweisungen oder i m Bereich konkurrierender Kompetenz durch eine Kompetenzsperre für den Landesgesetzgeber nach Erlaß eines Bundesgesetzes. Dagegen verpflichtet der Rechtsantuendungsvorrang („Bundesrecht bricht Landesrecht") Behörden und Gerichte, bei der Rechtsanwendung i m Falle eines Normenkonflikts dem Bundesrecht den Vorzug zu geben. Das Verhältnis von Kompetenzvorrang und Anwendungsvorrang w i r d i m Schrifttum — wenn auch nicht i n dieser Terminologie, so doch der Sache nach — verschieden beurteilt. Teils w i r d ohne nähere Begründung angenommen, der Anwendungsvorrang setze den Kompetenzvorrang voraus und sei ein M i t t e l zu seiner Sicherung 60 , teils meint man, er solle die unbedingte Geltung des Bundesrechts sichern, wenn die Kompetenzzuweisungen der Bundesverfassung nur Ordnungsvorschriften bzw. verfassungsgerichtlich nicht nachprüfbar seien 61 . Manche sehen i n i h m eine bloße Korrekturnorm für den Fall, die die Kompetenzausscheidung zwischen Bund und Gliedstaaten nicht lückenlos ist 6 2 , oder sie erblicken i n i h m i m Gegenteil die Anordnung der Rechtsfolge eines Verstoßes des Landesgesetzgebers gegen die Kompetenzvorschriften der Bundesverfassung und halten ihn damit auch bedeutsam für den Bereich der einfachen Gesetzgebung 63 . Somit w i r d die rechtliche Bedeutung des Anwendungsvorrangs im Bereich der einfachen Gesetzgebung je nach der verfassungsrechtlichen Regelung der Kompetenzausscheidung zwischen Bund und Gliedstaaten und ihrer verfassungsgerichtlichen Sicherung sowie anscheinend auch nach den jeweiligen Auffassungen vom Rechtsbegriff des Bundesstaates 64 unterschiedlich beurteilt. Dagegen besteht weitgehend Einigkeit über die Funktion des Anwendungsvorrangs i m Verhältnis von Bundesverfassungsrecht zu Landesverfassungsrecht sowie i m Verhältnis zwischen einfachem Bundesrecht und Landesverfassungsrecht. I n diesem Bereich bewirkt der Satz „Bundesrecht bricht Landesrecht" konstitutiv einen Anwendungsvorrang des Bundesrechts vor dem Landesrecht, da inso60

Jaenicke, Verhältnis, ZaöRV 23 (1963), 521. Imboden, Bundesrecht bricht kantonales Recht (1940), S. 57 f., 11 ff. 92 Barbey, DÖV 1960, 575. 63 Maunz-Dürig, GG, A r t . 31 Randnr. 21 (S. 10 oben); Bernhardt i n : Bonner K o m m . (Zweitbearbeitung 1966), A r t . 31 Randnr. 5 u. 6. Nach a. A. von v. Mangoldt-Klein, B G G I I , A r t . 31 A n m . I I I 9 b a. E. S. 766, hat A r t . 31 GG insoweit n u r deklaratorische Bedeutung; ähnlich Herzog, Bundes- u. Landesstaatsgewalt, DÖV 1962, 87. Imboden, Bundesrecht (1940), S. 58/59, spricht insoweit von einer „weiteren Bedeutung" des Grundsatzes, die die Rechtsfolge des Widerspruchs zu bundesrechtlichen Gültigkeitsbedingungen von kantonalem Recht betrifft. 64 Vgl. dazu etwa Barbey, D Ö V 1960, 570 ff. β1

2. Keine Prävalenz kraft Höherrangigkeit

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weit — sofern auch der Bund zuständig ist — die beiderseitigen Kompetenzen kumulativ konkurrieren 6 5 . Da Gegenstand der vorliegenden Untersuchung nicht das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und einfachem Gesetzesrecht bzw. die damit zusammenhängende Ausscheidung der Rechtsetzungskompetenzen zwischen Gemeinschaften und Mitgliedstaaten ist, kann von den genannten möglichen Funktionen eines Rechtsanwendungsvorrangs hier nur diejenige als Modell i n Betracht kommen, die sich auf das Verhältnis von Bundesverfassungsrecht und einfachem Bundesrecht zu Landesverfassungsrecht bezieht. W i r d diese Funktion des bundesstaatsrechtlichen Rechtsanwendungsvorrangs als Modell für die Zuordnung von Gemeinschaftsrecht und Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten i n Betracht gezogen, so könnte der Grundsatz „Gemeinschaftsrecht bricht nationales Recht" die grundsätzliche und generelle Überordnung des Gemeinschaftsrechts über das Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten beinhalten. Damit würde dem Gemeinschaftsrecht — i m Rahmen der Gemeinschaftskompetenzen — eine derogatorische K r a f t zuerkannt, die sich gegenüber jeglichem nationalen Verfassungsrecht — einschließlich der Grundrechte — durchsetzt. Zugleich würde letztlich ausschließlich das Gemeinschaftsrecht für die Abgrenzung des Rechtsbereiches der Gemeinschaften als konstitutiv angesehen werden. Die Formel „Gemeinschaftsrecht bricht nationales Recht" erweist sich somit, auf das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht zu nationalem Verfassungsrecht bezogen, ihrem Wortlaut nach als möglicher Ausdruck einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts kraft Höherrangigkeit. Nach diesem Exkurs soll i m folgenden Abschnitt untersucht werden, wieweit in der Diskussion über die Verbindlichkeit der Grundrechte eine Prävalenz kraft Höherrangigkeit oder kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung gegenüber dem nationalen Verfassungsrecht vertreten wird. b) Kein allgemeiner Grundsatz: Gemeinschaftsrecht bricht nationales Verfassungsrecht Bevor die in der Diskussion über das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und nationalem Verfassungsrecht vertretenen Auffassungen daraufhin näher betrachtet werden, welcher Form einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts sie zuzuordnen sind, ist es erforderlich, sich die hierfür maßgeblichen Kriterien noch einmal zu vergegenwärtigen. 65

ν . Mangoldt-Klein , B G G I I (2. Aufl./1964), A r t . 31 A n m . I I I 10; MaunzDürig , GG, A r t . 31 Randnr. 21 (S. 10); zum T e i l a. A. Harbich , Bundesstaat (1965), S. 77, der die Kompetenz der Länder zur Verfassunggebung durch A r t . 30 GG für eingeschränkt hält.

7 2 I I I .

Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

Die Höherrangigkeit einer Rechtsquellengruppe drückt sich — wie ausgeführt wurde — i n ihrer derogatorischen bzw. suspendierenden K r a f t gegenüber einer anderen aus 66 . Eine Rechtsquellengruppe, die die Geltung einer anderen bedingt, ist deshalb i m Verhältnis zu jener anderen die höherrangige. Begrenzt eine Norm bzw. Normengruppe eine andere lediglich deshalb, weil und soweit es diese andere ihr gestattet, so bedingt nicht die begrenzende Norm die Geltung der gestattenden Norm, sondern umgekehrt bedingt die ermächtigende Norm die Geltung der sie begrenzenden. Die ermächtigende Norm bzw. Normengruppe ist somit gegenüber der sie nur kraft Ermächtigung begrenzenden höherrangig, mindestens jedenfalls gleichrangig, niemals aber niederrangig. Daraus folgt: Eine innerstaatliche Prävalenz des Gemeinschaftsrechts kraft Höherrangigkeit gegenüber dem nationalen Verfassungsrecht w i r d von der Lehre — wie immer sie ihren Standpunkt selbst bezeichnen mag — nur angenommen, wenn danach das Gemeinschaftsrecht als bedingend gegenüber dem Verfassungsrecht schlechthin — nicht nur gegenüber einigen oder fast allen Vorschriften — angesehen wird. Eine solche Prävalenz w i r d umgekehrt nicht vertreten, wenn das nationale Verfassungsrecht als eine die innerstaatliche Geltung des Gemeinschaftsrechts bedingende Normenkategorie erscheint. Eine Prävalenz kraft Höherrangigkeit des Gemeinschaftsrechts ist insbesondere nicht gegeben, wenn die Geltung des Verfassungsrechts durch das Gemeinschaftsrecht nur so weit als begrenzt angesehen wird, wie das Verfassungsrecht es gestattet. Überprüft man unter diesem Gesichtspunkt die Meinungen über das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht zu nationalem Verfassungsrecht, so zeigt sich auf den ersten Blick, daß eine Prävalenz kraft Höherrangigkeit von allen denjenigen Autoren nicht vertreten wird, die dem Gemeinschaftsrecht keine Bestimmung über das Rangverhältnis zum nationalen Recht entnehmen 67 . Denn insoweit w i r d dem primären und dem sekundären Gemeinschaftsrecht i m Verhältnis zum Verfassungsrecht entweder i n keiner Hinsicht eine Prävalenz zuerkannt 6 8 oder nur eine Prävalenz, die vom Verfassungsrecht — gemäß Art. 24 Abs. I GG — i m Hinblick auf einzelne seiner Vorschriften zugelassen w i r d 6 9 . A r t . 24 Abs. I GG w i r d stets, sofern i n i h m eine Ermächtigung zur Abweichung von Vorschriften des Grundgesetzes gesehen wird, als für die innerstaatliche Geltung des primären und des sekundären Gemein66

Vgl. oben S. 57 ff. Vgl. Darstellung u n d Nachweise oben S. 24 ff. 68 Vgl. Darstellung u n d Nachweise oben S. 28, 31 (D. Küchenhoff); S. 30 (Schröcker); S. 37 (Steiger). 69 Vgl. Darstellung und Nachweise oben S. 28 f. (Münch, Scheuner, SeidlHohenveldern, H. Wagner); S. 30 (Schlochauer); S. 35 (Carstens, Ehle, Friauf, Großfeld, Hoffmann); S. 36 (Fuß); S. 37 (Thieme). 67

2. Keine Prävalenz k r a f t Höherrangigkeit

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schaftsrechts bedingend angesehen. W i r d also diese oder eine andere Vorschrift des Grundgesetzes als Grundlage für die Zulässigkeit von Durchbrechungen der Verfassung herangezogen, w i r d — m i t anderen Worten — die Zulässigkeit von Durchbrechungen auf die Verfassung selbst gestützt, so handelt es sich stets, sofern die Verfassung deshalb vor einer Regelung des Gemeinschaftsrechts zurücktritt, nicht um eine Prävalenz kraft Höherrangigkeit, sondern um eine Prävalenz kraft Ermächtigung durch die Verfassung. Zum Teil w i r d i m übrigen — jedenfalls der Sache nach — eine Prävalenz des Gemeinschaftsrechts kraft Höherrangigkeit sogar abgelehnt 70 . Überblickt man auf der anderen Seite die Lehren, welche dem Gemeinschaftsrecht die Anordnung eines innerstaatlichen Vorrangs entnehmen 7 1 , so zeigt sich, daß sie nahezu sämtlich die Vereinbarkeit einer derartigen Gemeinschaftsregelung m i t den Bestimmungen des Grundgesetzes für notwendig halten oder sogar — insbesondere i m Hinblick auf Art. 24 Abs. I GG — für gegeben erachten 72 . Vereinzelt w i r d ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der sogenannte Vorrang des Gemeinschaftsrechts auf der M i t w i r k u n g des Verfassungsrechts beruhe 73 . I n dieselbe Richtung zielt die Kennzeichnung des Art. 24 Abs. I GG als „Integrationshebel" 74 . Der diesen Meinungen letztlich übereinstimmend zugrundeliegende Gedanke kann deshalb auf die Formel gebracht werden: Eine Prävalenz des Gemeinschaftsrechts hängt einerseits davon ab, ob und inwieweit das Gemeinschaftsrecht mit innerstaatlicher Wirkung eine solche beansprucht , andererseits, ob und inwieweit sich das Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten einem solchen Geltungsanspruch des Gemeinschaftsrechts fügt 75. Ein Unterschied besteht zwischen diesen Meinungen der zweiten Gruppe nur insofern, als sie den Geltungsanspruch des Gemeinschaftsrechts, d. h. die gemeinschaftsrechtliche Rangregelung, verschieden begründen. Allerdings w i r d gelegentlich betont, die Anordnung über das Rangver70 Vgl. Darstellung und Nachweise oben S. 25 N. 29 (Münch, Scheuner, Schlochauer, Schröcker, Seidl-Hohenv eidern, H. Wagner); S. 34 (Frowein, Hoffmann, Carstens, Friauf); S. 37 (Thieme). 71 Vgl. Darstellung u n d Nachweise oben S. 39 ff. 72 Vgl. Darstellung und Nachweise oben S. 40 f. (Erler, Constantinesco); S. 44 f. ( Wohlfarth ); S. 45 f. (Maunz); S. 46 f. (Kaiser, Steindorff); S. 48 f. (Zweigert, C. L. Wagner); S. 49 ff. (Ipsen, Hesse); S. 51 f. (Badura). 73 Steindorff, Rechtsschutz (1964), S. 54/55. 74 Ipsen, Verhältnis (1965), S. 26. 75 Vgl. Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 61/62; Großfeld, Rezension, JuS 1966, 352, der sich anscheinend an die Formulierung von Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 624, anlehnt, selbst allerdings dem Gemeinschaftsrecht keine Rangbestimmung e n t n i m m t ; i h m zustimmend Koppensteiner, Intervention, B B 1967, 223; deutlich auch Ipsen, Verhältnis (1965), S. 17, 26; ders., Schlußvortrag D J T (1964), S. 27; ders., Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 134.

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Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

hältnis werde ausschließlich dem Gemeinschaftrecht entnommen 76 . Diese Aussage scheint mit der Annahme i m Widerspruch zu stehen, daß auch die Autoren der zweiten Gruppe — m i t wenigen Ausnahmen — nur eine Prävalenz des Gemeinschaftsrechts kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung vertreten. Insofern könnten drei Einwände gegen diese Einordnung vorgebracht werden. Zunächst könnte die Lehre, das primäre und das sekundäre Gemeinschaftsrecht würden nicht i n deutsches Recht transformiert, sondern seien i n ihrer Geltung als Gemeinschaftsrecht durch den Vertragsschluß bzw. durch die Vertragsgesetze nur „anerkannt" worden, m i t einer Prävalenz kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung unvereinbar sein 77 . Welche Rechtsnatur dieser Anerkennung des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts zukommt, ist anscheinend noch nicht geklärt 7 8 . Es steht bisher lediglich fest, daß sie mit einer Transformation des Gemeinschaftsrechts i n nationales Recht nicht identisch sein soll 7 9 . Offen ist hingegen , ob es sich dabei um einen Anwendungsbefehl i m Sinne der sogenannten Vollzugslehre handelt 8 0 . Während nach der Transformationslehre der staatliche Anwendungsbefehl eine der Völkerrechtsnorm parallele innerstaatliche Norm setzt, erstreckt er nach der Vollzugslehre die Verbindlichkeit der Völkerrechtsnorm auf innerstaatliche Adressaten, ohne die Völkerrechtsnorm von ihrem Geltungsgrund zu lösen 81 . Transformationslehre und Vollzugslehre stimmen indessen darin überein, daß der Transformationserlaß bzw. der Vollzugsbefehl wie jeder andere Gesetzesbeschluß an die Schranken der Verfassung gebunden 76 Ophüls, Quellen, N J W 1963, 1699 N. 10; ders., Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 566/567; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 62. 77 Die „Anerkennungslehre" w i r d vertreten von Schnorr, Arbeitsrecht (1960), S. 294 ff.; Ipsen, Verhältnis (1965), S. 26; ders., Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 134; Ophüls, Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 568; anscheinend auch von Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 59/60. 78 Nach Ophüls, Geltungsnormen, Festschr. f. Riese (1964), S. 23/24, hat sie — jedenfalls was Vorrang u n d Fortgeltung des Gemeinschaftsrechts anbetrifft — n u r deklaratorische Bedeutung. 79 Die Transformationslehre w i r d insofern abgelehnt von Ipsen, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 131/132; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 60. 80 I n diesem Sinne anscheinend Ophüls bei Partsch, Anwendung, BerDGes VöR 6 (1964), 23/24, 97 (Vollzugsbefehl m i t starker W i r k u n g bzw. i n starker Form), was m i t der Annahme einer n u r deklaratorischen Bedeutung der A n e r kennung (vgl. vorstehend A n m . 78) nicht vereinbar sein dürfte. Anders dagegen anscheinend Ophüls, Landesbericht (1966), S. 127 ff., 221 f., 232 f., wo „starker Vollzug" n u r ein Ausdruck f ü r die W i r k u n g des „dinglichen" Verzichts auf Hoheitsrechte ist. 81

Z u r Vollzugslehre u n d ihren Unterschieden gegenüber der Transformationslehre vgl. eingehend m. Nachw. Partsch, Anwendung, BerDGesVöR 6 (1964), 18 ff.; Gerhard Boehmer, Vertrag (1965), S. 15 ff., 32 ff.

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ist 8 2 . Als Vollzugsbefehl kann die „Anerkennung" dem primären und dem sekundären Gemeinschaftsrecht daher nur eine Prävalenz kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung verschaffen. Nichts anderes kann gelten, wenn die „Anerkennung" nicht als Rechtsanwendungsbefehl (Vollzugsbefehl) i m Sinne der Vollzugslehre zu verstehen sein sollte; denn die Anerkennung ist jedenfalls Bedingung der Geltung 8 3 des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts i n den Mitgliedstaaten. Ferner sehen die Anhänger der „Anerkennungslehre" für die Bundesrepublik Deutschland die verfassungsrechtliche Grundlage der Anerkennung i n Art. 24 Abs. I GG, setzen mithin voraus, daß die Anerkennung zu ihrer Gültigkeit der Vereinbarkeit m i t der Verfassung bedarf 84 . M i t anderen Worten: Jede irgendwie geartete Einführung des Vertragsrechts i n das nationale Recht durch ein Vertragsgesetz — und dazu gehört auch die Anerkennung des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 24 Abs. I GG, weil sie innerstaatlich dessen Geltungsbedingung ist — ist mit einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts kraft Höherrangigkeit unvereinbar 8 5 . Ferner mag eingewandt werden, die Vorstellung eines Zurückweichens der staatlichen Gewalt aus den der Gemeinschaft übertragenen Sachbereichen sei unvereinbar mit einer Prävalenz des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung, weil das außerhalb der staatlichen Rechtsordnung geltende Gemeinschaftsrecht dieser Rechtsordnung gegenüber selbständig sei und unabhängig von ihr gelte 86 . Dieser Einwand würde indessen das Problem nur verschieben: Danach würde das Verhältnis beider Rechtsbereiche zu82 Vgl. Partsch, Anwendung, BerDGesVöR 6 (1964), 45 ff.; Gerhard Boehmer, Vertrag (1965), S. 73; abweichend Maunz i n : Maunz-Dürig, GG, A r t . 59 Randnr. 24 (Bei Leugnung der Transformationsfunktion könne das Zustimmungsgesetz nicht an materiellen Verfassungsbestimmungen gemessen werden), der aber m i t Transformationsfunktion offensichtlich schlechthin die Einführung des Vertragsrechts i n das nationale Recht meint (vgl. dazu auch G. Boehmer , aaO, S. 73 N. 296). 83 Nach Ophüls , Geltungsnormen, Festschr. f. Riese (1964), S. 23/24, hat dagegen die Anerkennung n u r deklaratorische Bedeutung, jedenfalls soweit sie sich auf einen Vorrang oder die Fortgeltung des sekundären Gemeinschaftsrechts bezieht. 84 Ipsen, Verhältnis (1965), S. 26/27; ders., Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 134; Ophüls , Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 562, 570 (Verfassungsmäßigkeit des Entstehungsaktes); ders., Zustimmungsgesetz, A W D 1964, 66; Badura , Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 61/62, 66, 68; anscheinend auch Schnorr , Arbeitsrecht (1960), S. 285, 295. 85 Vgl. G. Boehmer , Vertrag (1965), S. 73 N. 296. Grabitz , Gemeinschaftsrecht (1967), S. 99 f., lehnt von seiner Sicht der Gemeinschaftsrechtsordnung als Herrschaftsverhältnis aus sogar eine Anerkennung des Gemeinschaftsrechts ab. 88 Vgl. Ophüls , Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 566 ff.; Wohlfarth , Anfänge, JurJb. 3 (1962/63), 261 ff.; ders., Auskunftsrecht (1964), S. 35, 43; ders., Europ. u. dt. Rechtsordnung (1965), S. 171,180 ff.

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Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

einander nicht durch einen Rechtsanwendungsvorrang, sondern durch einen Kompetenzvorrang 87 des Gemeinschaftsrechts bestimmt werden, und zwar durch einen Kompetenzvorrang, der auf allen Stufen der innerstaatlichen Normenhierarchie wirksam wäre. Die Deutung der vom primären und vom sekundären Gemeinschaftsrecht beanspruchten Prävalenz als Kompetenzvorrang 8 8 — ggf. mit einem entsprechenden Kompetenzverlust der Mitgliedstaaten — anstatt eines Rechtsanwendungsvorrangs ändert freilich nichts daran, daß auch nach jener A u f fassung eine Prävalenz kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung vorliegt 8 9 . Denn die Anhänger jener Konstruktion gehen davon aus, daß die Prävalenz des Gemeinschaftsrechts i m Sinne eines Kompetenzvorrangs m i t der Verfassung vereinbar sein muß und auch vereinbar ist 9 0 . Man mag deshalb allenfalls darüber streiten, ob kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung eine Prävalenz des Gemeinschaftsrechts i m Sinne eines Rechtsanwendungsvorrangs oder i m Sinne eines Kompetenzvorrangs (ggf. mit entsprechendem nationalem Kompetenzverlust) vorliegt. I m Hinblick auf die Lehre von der selbständigen und unabhängigen Geltung des Gemeinschaftsrechts könnte endlich ein dritter und letzter Einwand gegen die Bewertung als Prävalenz kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung erhoben werden: Es möge sein, daß der Übertragungsvorgang mit der Verfassung habe vereinbar sein müssen, doch gelte dies nicht für das Ergebnis der Übertragung, insbesondere nicht für die Fortdauer der Ausübung ihrer Kompetenzen durch die Gemeinschaft 91 . Bei diesem Einwand muß jedoch unterschieden werden, ob lediglich die Nachprüfbarkeit der Akte der Gemeinschaftsorgane, d. h. also u. a. die Nachprüfbarkeit des sekundären Gemeinschaftsrechts, auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung durch nationale Organe ausgeschlossen sein soll oder auch die Nachprüfbarkeit des primären Gemeinschaftsrechts, zumindest nach gewissem Zeitablauf seit Vertragsschluß. 87 88

Z u diesen Begriffen vgl. die Darstellung oben S. 69 ff.

Ophüls, Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 566: V o r rang kraft sachlicher Zuständigkeit. 89 Insofern richtig Partsch, Anwendung, BerDGesVöR 6 (1964), 24: I n der Ausübung einer Wahlmöglichkeit zwischen einem — von Ophüls so genannten — Vollzugsbefehl m i t starker W i r k u n g (Vorrang des Vertragsrechts vor allem Landesrecht einschließlich des Verfassungsrechts) oder m i t schwacher W i r k u n g (Einordnung i n landesrechtliche Rangkategorien) liege eine Rangeinstufung durch das Landesrecht —also immer ein Vollzugsbefehl m i t schwacher Wirkung. 90 Ophüls, Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 562, 570; ders., Zustimmungsgesetz, A W D 1964, 66 (Verfassungsmäßigkeit des Entstehungsaktes); Wohlfarth, Anfänge, JurJb. 3 (1962/63), 266 ff.; ders., Auskunftsrecht (1964), S. 40; ders., Europ. u. dt. Rechtsordnung (1965), S. 167 ff. 91 Vgl. etwa Ophüls, Zustimmungsgesetz, A W D 1964, 66; ders., Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 570.

2. Keine Prävalenz k r a f t Höherrangigkeit

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Sofern eine Verfassungskontrolle des sekundären Gemeinschaftsrechts abgelehnt 92 und dies auf die Selbständigkeit des Gemeinschaftsrechts zurückgeführt wird, liegt nicht schon wegen dieser Begründung eine Prävalenz des sekundären Gemeinschaftsrechts kraft Höherrangigkeit vor. Die vielfach vertretene sogenannte Selbständigkeit des Gemeinschaftsrechts 93 ist — ebenso wie der Grundsatz, nur primäres Gemeinschaftsrecht, nicht nationales Verfassungsrecht solle auch innerstaatlich Maßstab der Rechtmäßigkeit der Organakte sein 94 — nicht nur Begründung, sondern Anordnung einer Prävalenz des sekundären Gemeinschaftsrechts. Diese Anordnung w i r d durch das primäre Gemeinschaftsrecht getroffen bzw. aus ihm abgeleitet 95 . Sofern dessen innerstaatliche Gültigkeit von seiner Vereinbarkeit m i t der Verfassung abhängt, ist die durch das primäre Gemeinschaftsrecht angeordnete bzw. aus i h m abgeleitete Prävalenz des sekundären Gemeinschaftsrechts mittelbar stets eine solche kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung, nicht kraft Höherrangigkeit des primären oder des sekundären Gemeinschaftsrechts. Keine Prävalenz kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung — sei es als Rechtsanwendung-, sei es als Kompetenzvorrang — liegt hingegen vor, soweit angenommen wird, daß ausschließlich das Gemeinschaftsrecht selbst über seine Anwendbarkeit bestimmt. Das t r i f f t anscheinend auf diejenigen zu, die eine Überprüfbarkeit auch des primären Gemeinschaftsrechts auf seine Vereinbarkeit mit der Verfassung verneinen. Nach dieser Meinung müßte das primäre Gemeinschaftsrecht innerstaatlich ohne Rücksicht auf seine Vereinbarkeit m i t der Verfassung für gültig angesehen werden und widersprechendes Verfassungsrecht ohne Einschränkungen verdrängen. Ein Ausschluß der Verfassungskontrolle des primären Gemeinschaftsrechts kraft Völkerrechts ist bereits erwogen worden 9 6 . Insofern w i r d die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit einer Verfassungskontrolle als Frage nach den Rechtswirkungen verfassungswidriger völkerrechtlicher Verträge behandelt. I m völkerrechtlichen Schrifttum ist zwar streitig, unter welchen Voraussetzungen ein Staat sich nach erfolgter Ratifikation gegenüber seinen Vertragspartnern noch darauf berufen kann, ein völkerrechtlicher Vertrag stehe i m Widerspruch zu seiner Verfassung 97 . Diese 92 Dieses Ergebnis w i r d , w e n n auch m i t unterschiedlicher Begründung, i m Schrifttum w o h l überwiegend vertreten, vgl. oben S. 36, 39 ff. 93 Badura , Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 54, 59, 63, 93; Ophüls , Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 547 ff., 566 ff. 94 So jeweils m. Nachw. u.a. Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 33/34; Constantinesco , Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 344; Maunz-Dürig , GG, A r t . 24, Randnr. 18 (Maunz); Ipsen, Bundesstaat, Festschr. f. Hallstein (1966), S. 254. 95 Vgl. Ophüls , Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 549 ff.; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 54 ff. 98 Vgl. Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 342 f. m. Nachw. 97 Vgl. den Überblick über den Streitstand bei Geck, Völkerrechtliche W i r kungen (1963), S. 25 ff.

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Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

Kontroverse betrifft aber nur die Frage, ob ein Staat an einen völkerrechtlichen Vertrag trotz dessen Unvereinbarkeit mit seiner Verfassung gebunden ist. Hingegen kommt dem Vertrag nach ganz herrschender Meinung innerstaatlich nicht etwa derogierende Wirkung gegenüber der Verfassung zu 9 8 . Vielmehr steht der betreffende Staat i m Falle eines Widerspruchs zwischen völkerrechtlichem Vertrag und Verfassung vor der Alternative, entweder seine Verfassung zu ändern oder den Vertrag zu kündigen bzw. vertragsbrüchig zu werden. Selbst nach der Auffassung, ein Widerspruch zwischen Vertrag und Verfassung rechtfertige niemals ein Abweichen vom Vertrag, und zwar insbesondere nicht nach einem gewissen Zeitablauf seit seinem Inkrafttreten, ist dem Vertrag keine Prävalenz kraft Höherrangigkeit zuzuschreiben. Vielmehr ist es auch danach Sache des betreffenden Staates, seine Verfassung mit dem Vertrag in Einklang zu bringen, sie ggf. also zu ändern. Ebensowenig w i r d — gemäß diesen völkerrechtlichen Grundsätzen — für das Recht der Europäischen Gemeinschaften angenommen, ein Widerspruch zwischen den Gründungsverträgen und der Verfassung eines Mitgliedstaates habe kraft Höherrangigkeit des Gemeinschaftsrechts die Nichtigkeit abweichenden Verfassungsrechts zur Folge. Vielmehr ist es Sache dieses Staates, seine Verfassung so zu gestalten, daß er die eingegangenen Verträge erfüllen kann 9 9 . Die Fähigkeit des primären Gemeinschaftsrechts, ggf. eine nationale Verfassung zu durchbrechen, w i r d stets auf eine entsprechende Regelung der Verfassung zurückgeführt, dem primären Gemeinschaftsrecht also auch insoweit eine Prävalenz kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung zugeschrieben 100 . Es kann somit festgestellt werden, daß das deutsche Schrifttum dem primären und dem sekundären Gemeinschaftsrecht, sofern es ihm eine Prävalenz gegenüber dem Verfassungsrecht zuschreibt, nahezu allgemein nicht eine Prävalenz kraft Höherrangigkeit, sondern kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung zuerkennt, mögen auch Begründungen, Konstruktionen und Ausmaß dieser Prävalenz i m übrigen unterschiedlich sein. Äußerungen, die auf eine Prävalenz kraft Höherrangigkeit des Gemeinschaftsrechts schließen lassen, finden sich etwa bei Ophüls: Die Geltungsnormen des Gemeinschaftsrechts i m weiteren Sinne, die beiden Rechtsordnungen ihre Zuständigkeitsbereiche zuteilen, stünden über dem Gemeinschaftsrecht i m engeren Sinne und über dem staatlichen Recht 1 0 1 . 08

Vgl. dazu m. Nachw. Gerhard Boehmer, Vertrag (1965), S. 2 f., 37. Vgl. dazu Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 343, 345, 347; Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 52 f., 73 f.; Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, Festschr. f. Ophüls (1965), S. 78 N. 32; Frowein, Verhältnis, A W D 1964, 237; Großfeld, Rezension, JuS 1966, 352; Koppensteiner, Intervention, B B 1967, 223. 100 Vgl. oben S. 73. 101 Ophüls, Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 574. 99

2. Keine Prävalenz kraft Höherrangigkeit

79

Ferner Verlange die Selbständigkeit des Gemeinschaftsrechts, daß es auch von der staatlichen Verfassung unabhängig sei 1 0 2 . Seine Geltung hänge von dem staatlichen Vollzugsbefehl und der darin liegenden laufenden M i t w i r k u n g staatlicher Souveränität nicht ab 1 0 3 . Freilich ist nicht eindeutig, ob sich diese letzte Aussage auch auf die Geltung des primären Gemeinschaftsrechts bezieht; denn Ophüls schließt andererseits nicht aus, daß jedenfalls der Gründungsakt mit der Verfassung vereinbar sein muß 1 0 4 und auch nach Inkrafttreten der Verträge einer Verfassungskontrolle unterworfen werden kann 1 0 5 . Insofern läßt sich die Auffassung von Ophüls bisher wohl nicht eindeutig als Stellungnahme für eine Prävalenz kraft Höherrangigkeit oder kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung bestimmen 1 0 6 . Eindeutig als Prävalenz kraft Höherrangigkeit sieht dagegen Eberhard Grabitz das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und nationalem Verfassungsrecht an 1 0 7 . Nach seiner Auffassung bestimmt über die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts i m Kollisionsfall ausschließlich das Gemeinschaftsrecht selbst 108 . Dessen innerstaatliche Bindungswirkung — und zwar auch des Vertragsrechts — soll weder auf einem Rechtsanwendungsbefehl i m Sinne der Transformationslehre oder der Vollzugslehre 109 noch auf einer Anerkennung durch die nationale Rechtsordnung beruhen 1 1 0 . Art. 24 Abs. I GG w i r d zwar als verfassungsrechtliche Ermächtigung zur M i t w i r k u n g an der Begründung einer überstaatlichen Hoheitsgewalt angesehen, soll aber nur für die Entstehung der Gemeinschaften, nicht für deren Natur und Struktur bedeutsam sein und auch die Geltungskraft der Gemeinschaftsnormen — d. h. auch des Vertragsrechts — nicht beschränken können 1 1 1 . Die innerstaatliche Verbindlichkeit des Gemeinschaftsrechts beruhe vielmehr ausschließlich auf der sogenannten Gemeinschaftsgewalt, d. h. der weiter nicht ableitbaren Fähigkeit der Gemeinschaften, die Staaten — d. h. für Grabitz deren Organe unmittelbar 1 1 2 — rechtlich zu binden 1 1 3 . Folgerichtig führt Grabitz die Prävalenz des Gemeinschaftsrechts auf eine Kompetenzbindung 102

Ophüls, aaO, S. 572. Ophüls, aaO, S. 567. 104 Ophüls, aaO, S. 572. 105 Ophüls, Zustimmungsgesetz, A W D 1964, 66. 106 Vgl. dazu für das sekundäre Gemeinschaftsrecht auch die Ausführungen oben S. 76 f. 107 E. Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 10. 108 E. Grabitz, aaO, S. 56. 109 E. Grabitz, aaO, S. 42 f. 110 E. Grabitz. aaO, S. 99. 111 E. Grabitz, aaO, S. 41 f., 57 f. 112 E. Grabitz, aaO, S. 99. 113 E. Grabitz, aaO, S. 38/39,41. 103

8 0 I I I .

Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

der staatlichen Hechtsetzungsorgane zurück 1 1 4 , deren Verletzung zur Derogation des widersprechenden nationalen Verfassungsrechts führen soll 1 1 5 . Das Gemeinschaftsrecht enthält somit nach dieser Auffassung auch Geltungsbedingungen des nationalen Verfassungsrechts. Als wichtiges Zwischenergebnis der bisherigen Untersuchung kann somit festgehalten werden: Soweit das deutsche Schrifttum dem primären und dem sekundären Gemeinschaftsrecht eine innerstaatliche Prävalenz vor dem nationalen Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland zuerkennt, handelt es sich ganz überwiegend u m eine Prävalenz kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung. Das bedeutet, daß nach der überwiegenden Meinung die Verbindlichkeit der Bundesgrundrechte bei der innerstaatlichen Anwendung von primärem und von sekundärem Gemeinschaftsrecht zumindest auch nach Maßgabe des Grundgesetzes zu beurteilen ist, weil eine Prävalenz des Gemeinschaftsrechts insofern von einer verfassungsrechtlichen Ermächtigung zur Geltungsbeschränkung der Bundesgrundrechte abhängt. Allerdings w i r d i m Schrifttum der Umfang der verfassungsrechtlich ermächtigten Prävalenz des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts gegenüber den Bundesgrundrechten unterschiedlich bestimmt. Die wohl überwiegende Meinung läßt nur eine Verfassungskontrolle des primären Gemeinschaftsrechts über die Vertragsgesetze zu, nimmt also eine generelle Prävalenz des Sekundärrechts auch gegenüber den Bundesgrundrechten an. Soweit demgegenüber eine Verfassungskontrolle auch des sekundären Gemeinschaftsrechts für zulässig und notwendig angesehen wird, werden unterschiedliche Rechtsfolgen an einen etwaigen Verfassungsverstoß des Sekundärrechts geknüpft. Schließlich werden auch die Grundrechtsschranken des Verfassungsrechts gegenüber dem primären bzw. auch gegenüber dem sekundären Gemeinschaftsrecht unterschiedlich bestimmt und begründet. Diese offenen Fragen i n bezug auf den Umfang der Prävalenz des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts gegenüber den Bundesgrundrechten sollen nunmehr erörtert werden. I m Hinblick darauf w i r d i m folgenden 3. Unterabschnitt deshalb zunächst dargelegt werden, weshalb nach der eigenen Auffassung eine — von der ganz überwiegenden Meinung i m Grundsatz bejahte — Prävalenz des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts kraft Ermächtigung gegenüber dem Grundgesetz vorliegt und welchen Umfang sie nach dem geltenden Gemeinschaftsrecht und Verfassungsrecht hat. 114

E. Grabitz, aaO, S. 70. E. Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 114 ff. F ü r die Richtlinie (an Staaten gerichtete Empfehlung nach EGKSV) bzw. Entscheidung (individuelle Entscheidung) entspricht dem allerdings n u r eine begrenzte Derogationswirkung (Sperrwirkung, nicht AufhebungsWirkung), vgl. Grabitz, aaO, S. 117 f. 115

3. Prävalenz k r a f t verfassungsrechtlicher Ermächtigung

81

3. Prävalenz k r a f t Ermächtigung durch nationales Verfassungsrecht

I m Hinblick auf eine Prävalenz des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung ist zunächst zu begründen, daß Gemeinschaftsrecht und nationales Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland bei der Entscheidung über eine K o l lision zwischen innerstaatlich wirksamen Gemeinschaftsnormen und Verfassungsrechtsnormen zusammenwirken. Sodann ist zu untersuchen, inwieweit das Gemeinschaftsrecht eine innerstaatliche Prävalenz vor dem nationalen Verfassungsrecht einschließlich der Grundrechte beansprucht. Daran schließt sich die weitere Erörterung, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das Grundgesetz gemäß A r t . 24 Abs. I zu einer Beschränkung seiner Geltung ermächtigt. Die beabsichtigte nähere Bestimmung des Verhältnisses von Gemeinschaftrechtsordnung und nationalem Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland setzt die rechtliche Qualifizierung der Europäischen Gemeinschaften und ihres Rechts voraus. a) Das Zusammenwirken von Gemeinschaftsrecht und nationalem Verfassungsrecht bei der Kollisionsentscheidung aa) Methodische Vorbemerkung U m das Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht zu bestimmen, w i r d häufig untersucht, ob es sich bei dem Gemeinschaftsrecht um Völkerrecht und demgemäß bei den Europäischen Gemeinschaften um völkerrechtliche Organisationen handelt oder ob sie sich durch bestimmte Merkmale von jenen unterscheiden und ggf. dem Staatsrecht bzw. einem staatsrechtlichen Verband nahekommen 1 1 6 . Soweit eine derartige Einordnung nicht ausdrücklich vorgenommen wird, w i r d sie für die richtige Zuordnung beider Rechtsbereiche jedenfalls stillschweigend vorausgesetzt. Damit werden die Gemeinschaften i n ein System der Staatenverbindungen eingeordnet, das herkömmlich zumeist i n völkerrechtliche und staatsrechtliche Verbindungen eingeteilt wird. Je nachdem, welche Unterscheidungsmerkmale als wesentlich angesehen werden, erscheinen die Gemeinschaften als völkerrechtliche Verbindungen oder als Organisationen, auf die völkerrechtliche oder staatsrechtliche Grundsätze entsprechend anzuwenden sind 1 1 7 . Dieser bisher wohl allgemein übliche Ansatz einer Untersuchung der Gemeinschaftsrechtsordnung ist 118 Vgl. m. Nachw. etwa Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 74 ff.; Schlochauer, Verhältnis, ArchVR 11 (1963/64), 1 ff.; Hoff mann, Verhältnis, DÖV 1967, 433 ff. 117 Vgl. dazu Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 24 f. m. Nachw.

β

Gorny

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Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

neuerdings von E. Grabitz verworfen worden 1 1 8 .

grundsätzlich kritisiert und als untauglich

Sein erster Einwand geht dahin, daß eine Einordnung der Europäischen Gemeinschaften i n das System der Staatenverbindungen nur unternommen werden könne, wenn vorher die Begriffe „Staat" und „Souveränität" theoretisch geklärt und bestimmt seien, wobei jede Staats- und jede Souveränitätsauffassung notwendig zu einem anderen Ergebnis komen müsse 119 . Dieses Argument ist jedoch nicht stichhaltig; denn i m Schrifttum besteht, soweit ersichtlich, Einigkeit darüber, daß die Europäischen Gemeinschaften kein Staat sind 1 2 0 . Zweifelhaft und Gegenstand der Erörterung ist dagegen, ob die Gemeinschaften wegen ihres sog. supranationalen Charakters sich von anderen internationalen Organisationen grundsätzlich unterscheiden und ob das Gemeinschaftsrecht eine dritte Kategorie neben Staatsrecht und Völkerrecht bildet 1 2 1 . Grabitz meint freilich, die bisherigen Lehrmeinungen seien sich darin einig, daß zur Erfassung der „Rechtsnatur" der Europäischen Gemeinschaften nur zwei Kategorien zur Verfügung stünden: diejenige der völkerrechtlichen und diejenige der staatsrechtlichen Staaten Verbindungen. Das gelte auch für diejenigen Auffassungen, nach denen die Gemeinschaften, das Gemeinschaftsrecht oder auch nur das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht zu nationalem Recht i n Analogie entweder zu völkerrechtlichen oder zu bundesstaatsrechtlichen Strukturgesetzen zu beurteilen seien. Auch dahinter verbirgt sich nach seiner Ansicht nur ein unterschiedliches Urteil, ob die Merkmale der jeweiligen Gattung an den Gemeinschaften voll ausgebildet seien oder nicht 1 2 2 . Ob diese Einschätzung der bisherigen Diskussion i n dieser Allgemeinheit richtig ist, mag bereits zweifelhaft sein, weil sie den Bemühungen der Wissenschaft u m die Erkenntnis und systematische Standortbestimmung der Supranationalität nicht gerecht wird. Insofern geht es allerdings um die sachlichen Voraussetzungen einer Beurteilung der Gemeinschaften, auf die erst später einzugehen ist 1 2 3 . Schwerwiegender ist ein methodischer Vorwurf, den Grabitz erhebt. M i t der Qualifizierung der Rechtsnatur der Gemeinschaften als völkerrechtlich, Völkerrechts- oder bundesstaatsähnlich werde ein Verfahren 118

Gemeinschaftsrecht (1967), S. 25 f. Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 25. 120 Vgl. dazu jeweils m i t eingehenden Nachw. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 67 N. 73; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 49 N. 60; Prasch, Unmittelbare W i r k u n g (1967), S. 61 f. 121 Darüber vgl. m i t eingehenden Nachw. etwa Schlochauer, Verhältnis, ArchVR 11 (1963/64), 1 ff.; Ho ff mann, Verhältnis, DÖV 1967, 433 ff. 122 Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 25. 123 Unten S. 84 ff. 119

3. Prävalenz k r a f t verfassungsrechtlicher Ermächtigung

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angewandt, das Triepel als die zweite Stufe der Konstruktion bezeichnet habe 1 2 4 . Es bestehe darin, daß aus der postulierten Einheit des Rechtssystems von den gefundenen Prinzipien eine Ausfüllung der Lücken des bekannten Rechtsstoffs vorgenommen werde. Diese Methode stelle aber für die Erkenntnis der rechtlichen Strukturen der Gemeinschaften nicht mehr als eine „Subsumtions- und Analogiehypothese" dar 1 2 5 . Grabitz lehnt es ab, hieraus Schlußfolgerungen für die konkrete Rechtsfrage des Verhältnisses von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht zu entnehmen. Eine A n t w o r t soll sich vielmehr aus einer Analyse des mit den Gemeinschaften hervorgebrachten Rechtsstoffes unter der Fragestellung ergeben, was Geltungsgrund des Gemeinschaftsrechts ist 1 2 6 . Grabitz kommt nach hier nicht näher zu erörternden Untersuchungen zu dem Ergebnis, daß es sich bei dem Gemeinschaftsrecht um eine Herrschaftsordnung handelt, deren Bestand und Anwendung durch den Willen des einzelnen Mitgliedstaates nicht bedingt ist 1 2 7 . Entsprechend diesem Charakter beruht nach seiner Ansicht die Bindungswirkung des Gemeinschaftsrechts allein auf der Gemeinschaftsgewalt und auch innerstaatlich nicht auf einem Mitwirkungsakt (Transformation, Anwendungsbefehl, Anerkennung) des einzelnen Mitgliedstaates 128 . Die Derogationswirkung als Rechtsfolge der von Grabitz i m einzelnen als Kollisionsnormen qualifizierten Vertragsvorschriften w i r d u. a. unter systematischen Gesichtspunkten damit begründet, daß anderenfalls auch die Bindungswirkung des Gemeinschaftsrechts gegenüber den Staaten entfällt 1 2 9 . Grabitz meint zwar, das Vorhandensein derartiger Rangnormen sei lediglich ein weiterer Beweis für die herrschaftliche Struktur der Gemeinschaften, nicht deren Folge 1 3 0 . Sieht man jedoch einmal davon ab, daß der Schluß von der fehlenden Bindung seiner rechtsanwendenden Organe auf die fehlende Bindung des Staates nicht zwingend ist, so ergibt sich i n methodischer Hinsicht: Die von i h m vorgebrachten teleologischen Gründe betreffen nur die Auslegung des primären Gemeinschaftsrechts, setzen also dessen alleinige Maßgeblichkeit für die Kollisionsentscheidung bereits voraus. Bei Annahme eines staatlichen Mitwirkungsaktes bei der Begründung der innerstaatlichen Verbindlichkeit kann indessen das primäre Gemeinschaftsrecht nicht mehr ausschließlich für die 124 V

g L Triepel, Staatsrecht u. P o l i t i k (1926), S. 22. Vgl. Triepel, Staatsrecht u. P o l i t i k (1926), S. 37/38. 126 Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 26. 127 Grabitz, aaO, S. 32 ff., 39 f. Als Herrschaftsverbände werden die Gemeinschaften auch von Hoffmann, Verhältnis, DÖV 1967, 435, u n d Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 165, angesehen, ohne daß diese Autoren daraus die gleichen Folgerungen ziehen w i e Grabitz. 128 Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 38 ff., 43, 99. 129 aaO, S. 99. 130 aaO, S. 100. 125

6*

8 4 I I I .

Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

Zuordnung als maßgeblich angesehen werden. Die aus dem Charakter der Gemeinschaftsgewalt (im Sinne einer einseitigen Bindungskraft des Gemeinschaftsrechts) abgeleitete Ablehnung eines staatlichen Mitwirkungsaktes auch für die innerstaatliche Geltung des Gemeinschaftsrechts ist somit (negative) Voraussetzung dafür, den Vertragsnormen Derogationsw i r k u n g zuzuschreiben. Damit w i r d die konkrete Rechtsfolge einer K o l lision wenigstens mittelbar aus einer bestimmten Qualität oder Rechtsnatur der Gemeinschaften hergeleitet. Auch dieses Verfahren führt also — nicht anders als die bisherigen Lösungsvorschläge — nur zu einer Subsumtions- und Analogiehypothese. Damit ist über die sachliche Berechtigung dieser Auffassung nichts entschieden. Es steht jedoch fest, daß sie nicht schon aus methodischen Gründen anderen vorzuziehen ist. I n sachlicher Hinsicht ist es unvermeidlich, die Frage zu stellen, ob die Gemeinschaften anderen internationalen Organisationen gleichgestellt sind und als völkerrechtliche Gebilde angesehen werden müssen. Diese Fragestellung ergibt sich mit Notwendigkeit daraus, daß etwa der Begriff der internationalen Organisation, wie auch der Staatsbegriff, eine begrenzte normative Geltung i m Bereich der Völkerrechtsordnung hat 1 3 1 . Wäre sie zu bejahen, so ergäben sich daraus bereits zwingend gewisse Rechtsfolgen. Eine rechtliche Qualifizierung ist daher unerläßlich 1 3 2 . Die Verneinung eines völkerrechtlichen oder völkerrechtsähnlichen Charakters allein deshalb, weil die Gemeinschaften herrschaftlich, nicht genossenschaftlich organisiert seien, vernachlässigt möglicherweise einen Strukturwandel des Völkerrechts, dem einseitige Anweisungen internationaler Organisationen an die Staaten nicht mehr gänzlich fremd sind 1 3 3 . Auf jeden Fall berücksichtigt der von Grabitz gewählte Ausgangspunkt einseitig nur einen neben möglichen anderen Gesichtspunkten, die bei der Beurteilung der Gemeinschaften und ihrer Rechtsordnung zu beachten sind.

bb) Rechtliche Qualifizierung der Gemeinschaftsrechtsordnung Einigkeit besteht i m Schrifttum — wie bereits gesagt — lediglich darüber, daß es sich bei den Europäischen Gemeinschaften weder einzeln 131 Vgl. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 73; Münch, Abgrenzung, BerDGes VöR 2 (1958), 75/76. Z u eng daher Steiger, Buchbesprechung, Staat 6 (1967), 124: Fragestellung erwachse aus der Tradition der Staatslehre. 132 Schlochauer, D Ö V 1967, 433.

Verhältnis, ArchVR 11 (1963/64), 4; Hoffmann,

Verhältnis,

133 Vgl. dazu Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 54 ff., 76, 174 ff.; Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 51 ff.

3. Prävalenz k r a f t verfassungsrechtlicher Ermächtigung

85

noch i n i h r e r G e s a m t h e i t u m e i n e n n e u e n Staat, insbesondere n i c h t u m e i n e n B u n d e s s t a a t h a n d e l t 1 3 4 . Ausschlaggebend ist i n s o f e r n n i c h t i h r e E n t s t e h u n g s g r u n d l a g e 1 3 5 : Es g i b t geschichtliche B e i s p i e l e d a f ü r , daß Staaten durch den Abschluß völkerrechtlicher Verträge gegründet wurden, e t w a der N o r d d e u t s c h e B u n d 1866 u n d das Deutsche Reich 1871 1 3 6 . Z u e i n e m Staat f e h l t d e n G e m e i n s c h a f t e n jedoch „ n a h e z u a l l e s " 1 3 7 : Es f e h l t i h n e n die A l l z u s t ä n d i g k e i t u n d G e b i e t s h o h e i t staatlicher H e r r s c h a f t 1 3 8 , da sie i n i h r e m r e g i o n a l e n B e r e i c h n i c h t das „ g r u n d s ä t z l i c h e M o n o p o l hoheitlicher O r d n u n g " 1 3 9 haben u n d i h r Aufgabenbereich durch ihren Z w e c k sachlich b e g r e n z t 1 4 0 ist. Es g i b t auch k e i n e gemeinsame Staatsa n g e h ö r i g k e i t 1 4 1 . F e r n e r f e h l t i h n e n die K o m p e t e n z - K o m p e t e n z 1 4 2 ; d e n n die M i t g l i e d s t a a t e n k ö n n e n Z w e c k u n d A u f b a u der G e m e i n s c h a f t e n d u r c h einvernehmliches Handeln jederzeit ändern 143 u n d — allerdings n u r v o r b e h a l t l i c h der Rechte D r i t t e r — d u r c h actus c o n t r a r i u s b e s e i t i g e n 1 4 4 . D i e G e s a m t h e i t d e r M i t g l i e d s t a a t e n steht also ü b e r d e n Gemeinschaften145. 134

s. o. S. 82 und daselbst Fußn. 120. Vgl. m. Nachw. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 103; Bindschedler, Rechtsfragen (1954), S. 23, 34. 136 Dazu vgl. etwa Laband, Reichsstaatsrecht (5), S. 3 ff. 137 So Kraus, Betrachtungen, Festschr. f. Smend (1952), S. 202, für EGKS. 138 Badura, aaO (Anm. 120); ebenso Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 604. 139 Kraus, Betrachtungen, Festschr. f. Smend (1952), S. 202. 140 Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 77. 141 Kraus, Betrachtungen, Festschr. f. Smend (1952), S. 202; ähnlich Tomuschat, Vorbehalt, ZaöRV 27 (1967), 67. Allerdings t r i t t i m Sachbereich der Gemeinschaften der Unterschied der Staatsangehörigkeit zurück, vgl. v. d. Heydte, Schuman-Plan, Festschr. f. L a u n (1953), S. 119, 120; Steindorff, Schuman-Plan, Europa-Arch. 6 (1951), 3956. 142 Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 49. 143 So die Staatenpraxis, vgl. Carstens, Kleine Revision, ZaöRV 21 (1961), 8. Das Schrifttum ist geteilter Ansicht, vgl. jeweils m. Nachw. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 117 ff.; Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 136 ff. Die hier vertretene Ansicht w i r d u. a. auch bestätigt durch die Luxemburger Beschlüsse v o m 29.1. 1966 (EuR 1 (1966), 73 f.), wonach i m Ministerrat der E W G ggf. nach dem V e r trag zulässige Mehrheitsentscheidungen vermieden werden sollen, sofern sehr wichtige Interessen eines Mitgliedstaates betroffen sind. Vgl. dazu Kaiser, Europarecht i n der Krise, EuR 1 (1966), 22 f.; Mosler, National- u. Gemeinschaftsinteressen, ZaöRV 26 (1966), I f f . ; Seidl-Hohenv eidern, Intern. Organisationen (1967), Randnr. 1541, 1138, 1115. Allgemein über die Zulässigkeit u. Rechtsnatur der „Beschlüsse der i m Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten" vgl. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 227 ff.; Kaiser, Die i m Rat vereinigten Vertreter, Festschr. f. Ophüls (1965), S. 107—124; ders., Zur Anwendung von A r t . 85 Abs. 3 des E W G V (1964), S. 27f.; ders., Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 19 f. 144 So die w o h l überwiegende Meinung, vgl. etwa Carstens, K l e i n e Revision, ZaöRV 21 (1961), 6, sowie das bei Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 133 N. 3 u. 4 angeführte Schrifttum. Ablehnend u. a. Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 134 ff. 145 Carstens, Kleine Revision, ZaöRV 21 (1961), 6, m. w. Nachw.; Kaiser, Europarecht i n der Krise, EuR 1 (1966), 23; einschränkend Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 133 ff. Dieser Tatbestand w i r d vielfach i n die Formel gekleidet, die Staaten seien „Herren der Verträge" vgl. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 118 m. w. Nachw. 135

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Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

Dagegen haben die Mitgliedstaaten diese Eigenschaften der Staatsgewalt behalten 1 4 6 . Die Gemeinschaften können sich schließlich gegenüber den Staaten nicht durch einen Bundeszwang, sondern nur völkerrechtlich durchsetzen 147 und ggf. einen — vertraglich wohl ausgeschlossenen 148 — Austritt auch nicht i m Sanktionswege verhindern 1 4 9 . Daraus ergibt sich zweifelsfrei, daß es sich bei dem Recht der Europäischen Gemeinschaften nicht um Staatsrecht handelt 1 5 0 . Weniger eindeutig ist dagegen die Beziehung des Gemeinschaftsrechts zum Völkerrecht. Das Schrifttum sieht teilweise i n den Europäischen Gemeinschaften wegen der Verneinung der Staatsqualität lediglich eine besondere A r t internationaler Organisationen, die durch eine neuartige Konzentration und Intensität von Kompetenzen gegenüber den Mitgliedstaaten gekennzeichnet ist 1 5 1 . Die Eigenart dieser Organisationen w i r d zwar, worauf sogleich noch näher einzugehen ist, als supranational bezeichnet. Das Gemeinschaftsrecht w i r d jedoch von dieser Auffassung zumeist als Völkerrecht oder als sog. internes Staatengemeinschaftsrecht und damit jedenfalls als Völkerrecht i m weiteren Sinne angesehen 152 . Andere nehmen an, daß die Gemeinschaften sich nicht grundsätzlich, sondern nur graduell von einem Staat unterscheiden und sehen i n ihnen staatsähnliche oder bundesstaatsähnliche Gebilde 1 5 3 . Für das Verständnis 148 Vgl. Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 49 m. w. Nachw.; Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 67. 147 Vgl. A r t . 91, 169, 171, 192 E W G V ; A r t . 141, 143, 164, E A G V ; n u r A r t . 88 E G K S V ermöglicht wirtschaftliche Sanktionen der Gemeinschaft. Vgl. Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 17; Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 73; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 49 N. 60. Dagegen sieht Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 158 f., i n den genannten Vorschriften die A n sätze zu einer Gemeinschaftsexekution. 148 Carstens, Kleine Revision, ZaöRV 21 (1961), 4, m. w. Nachw. für den E G K S V ; Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 138 ff.; einschränkend Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 113 f. 149 Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 17/18. 150 Hoff mann, Verhältnis, DÖV 1967, 434. 151 Berber, Völkerrecht I I I (1964), S. 254, 257; Mosler, EGKS, ZaöRV 14 (1951/ 52), 44; Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 77; Roselieb, Supranationalität, ÖZöR 12 (1962), 518; Scheuner, Rechtsetzungsbefugnis, Festschr. f. V e r dross (1960), S. 233; Zemanek, Vertragsrecht (1957), S. 15; Seidl-Hohenveldern, Intern. Organisationen (1967), S. 6 ff. 152 Berber, Völkerrecht I I I (1964), S. 257; Scheuner, Rechtsetzungsbefugnis, Festschr. f. Verdross (1960), S. 235; Roselieb, ÖZöR 12 (1962), 490; Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 77, 135; Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 53; Zemanek, Vertragsrecht (1957), S. 94; Seidl-Hohenveldern, Intern. Organisationen (1967), S. 180 f. 153 v. d. Heydte, Schuman-Plan, Festschr. f. L a u n (1953), S. 115; K. H. Klein, Übertragung (1952), S. 37; Mosler, Wendung, Recht - Staat - Wirtschaft I I I (1951), S. 256; Much, Amtshaftung (1952), S. 15, 17; Ophüls, Grundgedanken, N J W 1951, 289; ders., Quellen, N J W 1963, 1698; Schlochauer, Rechtsschutz (1952), S. 11; ders., Ubernationaler Charakter, JZ 1951, 290; Steindorff, Schuman-Plan, Europa- Arch. 1951, 3957; Lagrange, Rechtsnatur, ZgesHR 124 (1962), 100,109.

3. Prävalenz k r a f t verfassungsrechtlicher Ermächtigung

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des Gemeinschaftsrechts und seines Verhätnisses zum nationalen Recht gibt diese Auffassung jedoch nichts her, weil eine entsprechende Qualifikation des Gemeinschaftsrechts nichtssagend wäre und es gerade zweifelhaft ist, ob sich Gemeinschaftsrecht und nationales Recht zueinander verhalten wie Bundesrecht und Gliedstaatenrecht 154 . Von den sonstigen Kennzeichnungen des Rechtscharakters der Gemeinschaften 155 ist hier nur diejenige noch von Bedeutung, die i n deren Supranationalität ein Merkmal sieht, das sie von den internationalen Organisationen nicht nur graduell, sondern grundsätzlich unterscheidet. Der Ausdruck „supranational" w i r d i n der wissenschaftlichen Auseinandersetzung freilich mit unterschiedlicher Bedeutung gebraucht. Außer Betracht bleiben kann hier jedenfalls seine politisch-soziologische Variante 1 5 6 . Der rechtssystematische Begriff „supranational" zielt auf die Unterscheidung dieser Organisationsform von herkömmlichen internationalen Organisationen ab 1 5 7 . Eine Organisation mit supranationaler Struktur w i r d danach durch verschiedene Merkmale gekennzeichnet, über deren Kombination die Ansichten i m Schrifttum geteilt sind 1 5 8 . Teils w i r d als wesentlich angesehen, daß die leitenden Organe der Gemeinschaft von Weisungen der Mitgliedstaaten unabhängig sind 1 5 9 (institutionelles K r i terium). Andere stellen darauf ab, ob die Gemeinschaftsorgane die Befugnis haben, unmittelbar verbindliche Anordnungen an die Bewohner der Mitgliedstaaten zu richten 1 6 0 (funktionelles Kriterium). Manche verbinden beide Merkmale und/oder stellen daneben zusätzliche Voraussetzun154 Vgl. Hoffmann, Verhältnis, DÖV 1967, 434; Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 73 f. Kritisch gegen bundesstaatliche Analogien nunmehr auch Kaiser, Modi der Integration, Festschr. f. Hallstein (1966), S. 270 N. 14. Anders noch ders., Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 18,31. 155 Vgl. dazu etwa Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 39 m. w. Nachw. 156 Vgl. dazu m. w. Nachw. Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 58 (Entwicklung der Gemeinschaften zum Bundesstaat als politisches Ziel); ähnlich Berber, Völkerrecht I I I (1964), S. 256/257. Wengler, Völkerrecht I I (1964), S. 1315, versteht „supranational" lediglich als politisch-soziologisches K r i t e rium. 157 Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 58 m. w. Nachw.; vgl. auch Seidl-Hohenveldern, Intern. Organisationen (1967), Randnr. 114, 115; Jaenicke, Supranationale Organisation, W B V R I I I (1962), S. 423 ff. iss y g i auch die Zusammenfassungen bei Zemanek, Supranationale I n s t i t u tionen, Staatslexikon V I I (6), Sp. 896, u n d Jaenicke, Supranationale Organisation, W B V R I I I (1962), S. 424 f. 159 Jaenicke, Übernationaler Charakter, ZaöRV 19 (1958), 172; ders., EGKS, ZaöRV 14 (1951/52), 737 f.; ders., Sicherung, ZaöRV 14 (1951/52), 51, 53. — Unabhängigkeit umfaßt die I m m u n i t ä t hinsichtlich der amtlichen Handlungen sowie ein Instruktions- u n d Beeinflussungsverbot, vgl. Jaenicke, EGKS, ZaöRV 14 (1951/52), 738. 160 Dohm, Völkerrecht I I (1961), S. 37.

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I I I . Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

g e n a u f 1 6 1 : V e r b i n d l i c h k e i t der V e r b a n d s e n t s c h e i d u n g e n auch ohne Z u s t i m m u n g der M i t g l i e d s t a a t e n b z w . k r a f t M e h r h e i t s b e s c h l u ß 1 6 2 , B e t r a u u n g m i t Kompetenzen auf einem wichtigen Teilbereich herkömmlich staatlicher F u n k t i o n e n 1 6 3 , E i n r i c h t u n g e i n e r G e r i c h t s b a r k e i t i m R a h m e n der V e r e i n i g u n g 1 6 4 , eigene R e c h t s o r d n u n g e n , die j e w e i l s aus d e n V e r fassungen u n d d e n v o n der O r g a n i s a t i o n erlassenen Rechtssätzen bes t e h e n 1 6 5 . E i n d e r a r t i g e r S t r u k t u r b e g r i f f ist z w a r geeignet, die I n t e g r a tionsgemeinschaften v o n a n d e r e n F o r m e n der S t a a t e n v e r b i n d u n g e n theoretisch-systematisch z u unterscheiden. E r k a n n jedoch nichts d a r ü b e r aussagen, o b das Recht dieser G e m e i n s c h a f t e n T e i l des V ö l k e r r e c h t s ist oder n i c h t . I n s o f e r n k ö n n t e e i n p r a k t i s c h e r B e g r i f f des s u p r a n a t i o n a l e n R e c h t s 1 6 6 g e b i l d e t w e r d e n , w e n n dieses eine selbständige Rechtsk a t e g o r i e n e b e n Staatsrecht u n d V ö l k e r r e c h t d a r s t e l l t 1 6 7 . I m S c h r i f t t u m i s t es o f f e n b a r u n b e s t r i t t e n , daß das Gemeinschaftsrecht sich d u r c h seine „ t y p i s c h e n I n h a l t e " u n d seine A d r e s s a t e n v o m V ö l k e r recht u n t e r s c h e i d e t 1 6 8 . G l e i c h w o h l w i r d es v o n v i e l e n — auch u n t e r der B e z e i c h n u n g „ i n t e r n e s Staatengemeinschaftsrecht" — d e m V ö l k e r r e c h t m i n d e s t e n s i m w e i t e r e n S i n n e z u g e r e c h n e t 1 6 9 , w e i l seine G e l t u n g s g r u n d 161 Zemanek, i n : Verdross-Verosta-Zemanek, Völkerrecht (5. Aufl./1964), S. 356; ders., Supranationale Institutionen, Staatslexikon V I I (6), Sp. 896; Berber, Völkerrecht I I I , S. 255; ferner vgl. etwa Dahm, Völkerrecht I I (1961), S. 75/ 76 m. w. Nachw.; Bindschedler, Rechtsfragen (1954), S. 75; Carstens, Kleine Revision, ZaöRV 21 (1961), 10; Bülck, Systematik, BerDGesVöR 3 (1959), 108 N. 143; Scheuner, Rechtsetzungsbefugnis, Festschr. f. Verdross (1960), S. 233; Schlochauer, Rechtsnatur, Festschr. f. Wehberg (1956), S. 372 f.; ders., V e r hältnis, ArchVR 11 (1963/64), 2 m. w. Nachw.; Hoffmann, Verhältnis, DÖV 1967, 434 m. w. Nachw.; Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 15; Jaenicke, Diskussionsbeitrag, BerDGesVöR 2 (1958), 131. 162 So etwa Scheuner, aaO; Jaenicke, Sicherung, ZaöRV 14 (1951/52), 53; Bülck, aaO; Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 75; Wagner, aaO; dagegen Carstens, aaO, N. 52. 163 Scheuner, Rechtsetzungsbefugnis, Festschr. f. Verdross (1960), S. 233; Carstens, Kleine Revision, ZaöRV 21 (1961), 10; ähnlich Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 75. 164 Bülck, Systematik, BerDGesVöR 3 (1959), 108 N. 143; Scheuner, aaO; Schlochauer, Rechtsnatur, Festschr. f. Wehberg (1956), S. 372 f.; ders., V e r h ä l t nis, ArchVR 11 (1963/64), 2 m. w . Nachw.; Hoffmann, Verhältnis, DÖV 1967, 434 m. w. Nachw. 165 Schlochauer, aaO; Hoff mann, aaO. 166 Vgl. dazu Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 59. 167 Vgl. auch Hoffmann, Verhältnis, DÖV 1967, 435. 168 Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 47; ebenso Schlochauer, V e r hältnis, ArchVR 11 (1963/64), 6/7. 169 Vgl. Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 52/53; Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 77; Seidl-Hohenveldern, Intern. Organisationen (1967), Randnr. 1502 ff.; Berber, Völkerrecht I I I (1964), S. 257; Scheuner, Rechtsetzungsbefugnis, Festschr. f. Verdross (1960), S. 235 f. Erler, aaO, S. 46 f., sieht es als eine dritte, gesonderte Rechtsmasse an. Dahm, Völkerrecht I (1958), S. 3, 26, I I (1961), S. 33 N. 1, sieht i m „Sonderverbandsrecht" aller intern. Organisationen einen d r i t t e n Rechtsbereich; ebenso W. Rudolf, Völkerrecht (1967), S. 44 m. w . Nachw. Einen Uberblick über die unterschiedlichen Einordnungen gibt Schlochauer, Verhältnis, ArchVR 11 (1963/64), 4 ff.

3. Prävalenz k r a f t verfassungsrechtlicher Ermächtigung

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läge i n einem völkerrechtlichen Vertrag liege 1 7 0 . Dagegen ist zu sagen, daß die Entstehungsgrundlage der Gemeinschaft nicht notwendig m i t der Geltungsgrundlage ihrer Rechtsordnung gleichzusetzen ist. Eine nähere Betrachtung muß vielmehr von der Eigentümlichkeit der supranationalen Rechtsordnung ausgehen. Diese liegt darin, daß die Gemeinschaften u. a. durch ihre Rechtsetzung nach Maßgabe ihres primären Gemeinschaftsrechts Hoheitsrechte i m Bereich der Mitgliedstaaten ausüben 171 . Der Begriff der Hoheitsrechte w i r d i n der Regel i m Zusammenhang m i t der Auslegung des A r t . 24 GG erörtert, der i n Abs. I eine „Übertragung" derartiger Hoheitsrechte an zwischenstaatliche Einrichtungen vorsieht. Eine einheitliche Meinung hat sich bisher i m Schrifttum zwar über den Inhalt, nicht jedoch über den Umfang des Begriffs der Hoheitsrechte gebildet. Unbestritten ist, daß damit Zuständigkeiten zur Ausübung staatlicher Funktionen bzw. materielle Befugnisse des Staates gemeint sind 1 7 2 . Die Lehre folgt zum Teil der einschränkenden Begriffsbestimmung von K. H. K l e i n 1 7 3 , wonach es sich um Befugnisse handelt, „den i n ihm zusammengeschlossenen Personen oder Personenverbänden das zur Erreichung des Gemeinschaftszwecks notwendige Verhalten zu befehlen und mit Zwang durchzusetzen". Damit sind — legt man den Sprachgebrauch des deutschen Verwaltungsrechts zugrunde — nur obrigkeitliche Staatsfunktionen erfaßt. Dagegen hat Münch darauf hingewiesen, daß über den Umfang der Staatsaufgaben nicht i n allen Ländern gleiche Vorstellungen herrschen und daß ferner Gesetzgebung und Verfassung der Staaten über den Umfang hoheitlicher und nicht hoheitlicher Verwaltung bestimmen können 1 7 4 . Er w i l l — ausgehend vom service public des französischen Rechts — auch den Bereich der schlichten Hoheitsverwaltung und die „planmäßigen Veranstaltungen der kommunalen Körperschaften i m Bereich ihrer eigenen Angelegenheiten" i n den Begriff der hier interessierenden Hoheitsrechte einbeziehen 175 . Die Frage nach dem Umfang dieser Hoheitsrechte braucht indessen hier nicht vertieft zu werden. Denn die innerstaatliche Rechtsetzung fällt ganz unzweifelhaft i n den obrigkeitlichen Bereich staatlicher Funk170 Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 47; Münch, Abgrenzung, BerDGes VöR 2 (1958), 135; Zemanek, Vertragsrecht (1957), S. 94; Seidl-Hohenv eidern, Intern. Organisationen (1967), S. 180. 171 Vgl. Schlochauer, Verhältnis, ArchVR 11 (1963/64), 2/3; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 59. 172 Vgl. m. w. Nachw. v. Mangoldt-Klein, B G G I (2), A r t . 24 A n m . I I 3 (S. 660); Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 20 (Maunz). 173 K. H. Klein, Übertragung (1952), S. 22. 174 Münch, Intern. Organisationen, Festschr. f. Wehberg (1956), S. 309. 175 Münch, aaO, S. 310 f., 313. Weitergehend anscheinend auch Scheuner, Wehrbeitrag I I (1953), S. 139: alle Staatsfunktionen.

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Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

tionen. Ferner handelt es sich dabei um eine Befugnis, die nach herkömmlicher Auffassung dem Staat ausschließlich vorbehalten ist 1 7 6 . Die Schaffung und Weiterbildung seiner eigenen Rechtsordnung erscheint danach als eine Eigentümlichkeit des Staates, die mit ihm untrennbar verbunden ist. Die Rechtsetzung durch nichtstaatliche Körperschaften w i r d als vom Staat abgeleitet angesehen. Eine innerstaatlich unmittelbar verbindliche Rechtsetzung der Europäischen Gemeinschaften kann deshalb als Ausübung eines Hoheitsrechts, d. h. einer sonst staatlichen Befugnis, angesehen werden. Nimmt man an, daß die völkerrechtlichen Gründungsverträge nicht nur Entstehungsgrundlage, sondern auch Geltungsgrundlage jener ausgeübten Hoheitsrechte der Gemeinschaften sind, so kann es sich unter dieser Voraussetzung offenbar nur u m Hoheitsrechte der Staaten handeln, die durch den Vertrag jeweils auf die Gemeinschaften übergegangen sind. Damit erhebt sich die Frage, wie die Hoheitsgewalt der Gemeinschaften i m Verhältnis zur Staatsgewalt gedacht werden muß, genauer gesagt, ob die Hoheitsgewalt der Gemeinschaften als von der Staatsgewalt abgeleitet gedacht werden muß oder nicht. Die wissenschaftliche Diskussion hat insofern vielfach an die i n A r t . 24 Abs. I GG vorgesehene „Übertragung" von Hoheitsrechten angeknüpft und nach deren Bedeutung gefragt. Gelegentlich w i r d allerdings die Hoheitsgewalt der Gemeinschaften auf eine „Übertragung" zurückgeführt, ohne daß näher erörtert wird, was darunter zu verstehen ist 1 7 7 . Die Stimmen, die sich zur rechtlichen Bedeutung der Übertragung von Hoheitsrechten näher geäußert haben, lassen sich i m wesentlichen i n zwei Gruppen einteilen. Die einen sehen i n der Übertragung eine Abtretung der Hoheitsrechte an die Integrationsgemeinschaft 178 , die somit unter Umständen gewissermaßen Rechtsnachfolger des Staates wird. Dabei w i r d unterschieden zwischen einer Abtretung zur Ausübung des Hoheitsrechts und einer A b tretung der Substanz des Rechts: I m ersten Fall werden die Hoheitsrechte zeitlich befristet auf die Organisation übertragen, während i m zweiten Fall der Staat endgültig auf diese Hoheitsrechte zugunsten der Integrationsgemeinschaft verzichtet. I n beiden Fällen übt die Organisation 176 Vgl. m. w. Nachw. Herb. Krüger, A l l g . Staatslehre (2. Aufl.), S. 491 f., 769 f.; G. Jellinek, Allg. Staatslehre (3. Aufl./Neudr. 1922), S. 256 f., 367. 177 So etwa Steindorff, Nichtigkeitsklage (1952), S. 12. 178 Friedr. Klein, Wehrbeitrag I I (1953), S. 468 ff.; v. Mangoldt-Klein, BGG (2), A r t . 24 Anm. I I I 6; Jerusalem, Montanunion (1954), S. 10 f.; Hallstein, Schum a n - P l a n (1951), S. 9; Jaenicke, EGKS, ZaöRV 14 (1951/52), 749/750; ebenso offenbar Much, Amtshaftung (1952), S. 15, 20; Schlochauer, Rechtsnatur, Festschr. f. Wehberg (1954), S. 365; Ophüls, Grundgedanken, N J W 1951, 289; Bindschedler, Rechtsfragen (1954), S. 201; nicht eindeutig K. H. Klein, Übertragung (1952), S. 26 f., 31 f.; Kraus, Rechtliche Struktur, Festschr. f. Smend (1952), S. 198 f.

3. Prävalenz k r a f t verfassungsrechtlicher Ermächtigung

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jedoch Rechte aus, die m i t den vorher staatlichen identisch sind. Lediglich der Ausübungsberechtigte bzw. der Rechtsinhaber hat gewechselt. Das Hoheitsrecht der Gemeinschaft ist nach dieser Konstruktion ein abgeleitetes Recht. Sie muß folgerichtig voraussetzen, daß A r t . 24 GG mit der herkömmlichen Vorstellung der Unteilbarkeit der Staatsgewalt gebrochen hat 1 7 9 . Eine andere Auffassung, die neuerdings offenbar immer mehr Zustimmung findet 180, lehnt es ab, i n der Übertragung staatlicher Hoheitsrechte eine Abtretung — sei es zur Ausübung, sei es i n der Substanz der Rechte — zu sehen. Sie geht davon aus, daß die Hoheitsrechte der Organisation m i t denen der Gründerstaaten nicht identisch sind, sondern bei ihnen neu geschaffen wurden 1 8 1 . Die ausführlichste Darstellung dieser Auffassung hat Maunz 182 gegeben: Der von Art. 24 GG als „Übertragung" bezeichnete Vorgang bestehe i n der einseitigen Aufgabe bestimmter Hoheitsrechte durch den (deutschen) Staat und der ebenso einseitigen Aufnahme der Hoheitsrechte durch die zwischenstaatliche Einrichtung. Aufgabe der Hoheitsrechte bedeute dabei jedoch nicht einen Verzicht auf die Eigenschaft als höchste Gewalt und die Allzuständigkeit 1 8 3 , sondern lediglich auf die Ausschließlichkeit der staatlichen Gewalt innerhalb des Staatsgebiets. Der Staat verpflichte sich völkerrechtlich, das Tätigwerden eines fremden Gewaltträgers innerhalb seines Staatsgebiets auf einem bestimmten Sachbereich zu dulden und ggf. i n diesem Bereich nicht mehr tätig zu werden. Zugleich trete mit dem Erlaß des innerstaatlichen Zustimmungsgesetzes 184 innerstaatlich eine verfassungskräftige 179 v. Mangoldt-Klein, B G G I (2), A r t . 24 A n m . I I I 6; ebenso Ophüls, Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 572; vgl. auch Maunz, Wehrbeitrag I I (1953), S. 593; Smend, Wehrbeitrag I I (1953), S. 561. 180 Ophüls, Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 564/565 N. 140, bezeichnet sie als herrschend. 181 E. Kaufmann, Wehrbeitrag I I (1953), S. 54 f.; Scheuner, Wehrbeitrag I I (1953), S. 139; ders., Rechtsetzungsbefugnis, Festschr. f. Verdross (1960), S. 232 N. 16; Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 4 ff., 15 (Maunz); Rabe, Verordnungsrecht (1963), S. 121; Zemanek i n : Verdross-Verosta-Zemanek, Völkerrecht (5), S. 356; Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 82; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 56; Glaesner, Übertragung, D Ö V 1959, 653; Münch, Intern. Organisationen, Festschr. f. Wehberg (1956), S. 310; Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 62; Wohlfarth, Anfänge, JurJb. 3 (1962/63), 260 f.; ebenso offenbar: Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 21 f.; Mosler, EGKS, ZaöRV 14 (1951/52), 35; Ophüls, Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 558 f.; Hallstein, Grundlagen, Festschr. f. Ophüls (1965), S. 14 f.; Ipsen, Ehrenpromotion, EuR 2 (1967), 197; nicht eindeutig: Münch, Abgrenzung, BerDGes VöR 2 (1958), 132; Jaenicke, Diskussionsbeitrag, BerDGesVöR 2 (1958), 132. 182 Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 4 ff., 15; ähnlich schon Herzog, Bundesu. Landesstaatsgewalt, D Ö V 1962, 83 ff.; eingehend auch Herb. Krüger, H e r kunft, DÖV 1959, 722 ff. 183 So jedoch Ophüls, Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 561, 572 (sog. „dinglicher" Verzicht). 184 Dagegen sieht Vogel, Verfassungsentscheidung (1964), S. 4 N. 4, einen auch innerstaatlich wirksamen Verzicht auf die Ausschließlichkeit der Staatsgewalt

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Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

Selbstbindung der Staatsgewalt auf der Grundlage des A r t . 24 GG ein, die i n diesem Zusammenhang nicht weiter zu erörtern ist. Nach dieser Lehre ist die Hoheitsgewalt der Gemeinschaft weder die bloße Ausübung fremder (staatlicher) Gewalt, noch abgetretene staatliche Gewalt, sondern deren originäre, eigene Gewalt. Die soeben dargestellte Lehre geht offenbar auf eine Theorie zurück, die u. a. von G. Jellinek 185 über die Entstehung von Bundesstaaten auf Grund von völkerrechtlichen Verträgen vertreten worden ist. Danach kann der Ursprung der Staatsgewalt juristisch nicht erklärt, d. h. aus anderen Rechtsordnungen abgeleitet werden. Die Theorie nahm deshalb an, bei der Bundesstaatsgründung ziehe sich die Staatsgewalt der M i t gliedstaaten zurück und gebe den Raum für die Entfaltung der Herrschaftsgewalt des neu gegründeten Bundesstaates frei. Wenn diese Theorie nunmehr auf die Schaffung einer Integrationsgemeinschaft bezogen wird, so könnte dem entgegengehalten werden, daß es sich dabei nicht u m die Gründung eines Staates und somit nicht um vergleichbare Tatbestände handele. Die Vergleichbarkeit beider Gründungsakte ergibt sich jedoch daraus, daß i n beiden Fällen das neu geschaffene Gebilde Hoheitsrechte, und zwar insbesondere Rechtsetzungsbefugnisse, wahrnimmt, wie sie vorher von den Gründerstaaten ausgeübt wurden 1 8 6 . Es kommt deshalb darauf an, welche der beiden genannten Theorien das Wesen der „Übertragung" von Hoheitsrechten zutreffend erfaßt. Die Kategorien einer abgeleiteten oder einer ursprünglichen Gewalt der Gemeinschaften sind systematische Kategorien, i n denen das Verhältnis der Hoheitsgewalt der Gemeinschaft zur Staatsgewalt erfaßt w i r d 1 8 7 . Wie Herb. Krüger 189 eindringlich dargestellt hat, kann die Entstehung der Gewalt der supranationalen Gemeinschaften nicht m i t einer historischen, sondern nur mit einer systematischen Methode gedeutet werden, weil sich der Umfang dieser Gewalt nicht aus der Zufälligkeit eines Erwerbs, sondern aus der Notwendigkeit der Bewältigung der gestellten Aufgaben ergibt. Entscheidend ist daher die Argumentation mit dem Ergebnis der Übertragung, weil sie sich als systematische, nicht genetische Begründung darstellt: Wäre die Hoheitsgewalt der Gemeinschaften nur eine abgetretene Gewalt der Staaten, so könnte sie nicht als eine einheitliche, sondern nur aus einzelnen nationalen Kompetenzsplittern zusammenbereits i n dem völkerrechtlichen Gründungsvertrag, w e i l A r t . 24 GG einen derartigen Verzicht schon vorweggenommen habe. A r t . 24 GG befreit jedoch nicht von der Notwendigkeit eines Zustimmungsgesetzes. 185 G. Jellinek, A l l g . Staatslehre (4. Aufl./Neudr. 1922), S. 272 ff., 774 ff. 186 Ebenso i m Ergebnis Lambach, Probleme (1964), S. 99 f.; W. Rudolf, kerrecht (1967), S. 39 N. 105 m. w. Nachw. 187 Darüber eingehend Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 279 ff. 188 Herb. Krüger, Herkunft, D Ö V 1959, 723.

Völ-

3. Prävalenz kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung

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gesetzte gedacht werden 1 8 9 . Das Gemeinschaftsrecht würde keine einheitliche Rechtsordnung i m Räume der Gemeinschaften bilden, sondern in sechs verschiedene parallele Landesrechte zerfallen 1 9 0 . Eine Konstruktion, die zu diesem Ergebnis führt, w i r d der Vorstellung der Gründungsverträge offensichtlich nicht gerecht. Diese geht dahin, auf bestimmten Sachbereichen eine neue, einheitliche Gemeinschaftsrechtsordnung zu schaffen, nicht nur, das Landesrecht zu vereinheitlichen. Dies ergibt sich unmittelbar daraus, daß der EWG-Vertrag neben der Rechtsetzung der Gemeinschaft besondere Verfahren für die Rechtsangleichung i n den Mitgliedstaaten vorsieht 1 9 1 . Ferner wurde es gerade als neuartig gegenüber den herkömmlichen internationalen Organisationen angesehen, daß den Gemeinschaften die Befugnis eingeräumt wurde, i n den M i t gliedstaaten unmittelbar verbindliches Recht zu setzen, das einer besonderen Einführung i n das Landesrecht nicht mehr bedurfte, weil anderenfalls nur paralleles Landesrecht entstanden wäre 1 9 2 . Damit haben die Verträge den Gemeinschaften Kompetenzen eingeräumt, die die Staaten nicht besaßen, weil sich deren Rechtsetzungsbefugnisse auf ihr Staatsgebiet beschränken und nicht gegen sie selbst gerichtet sind 1 9 3 . Diese Erwägungen führen notwendig dazu, die Gemeinschaftsrechtsordnung als eine einheitliche und deshalb unter systematischen Gesichtspunkten nicht von den Mitgliedstaaten abgeleitete Rechtsordnung anzusehen, die somit notwendig originär ist 1 9 4 . Ist aber die Hoheitsgewalt der Gemeinschaft eine originäre, so kann die Geltung des primären Gemeinschaftsrechts nur auf dieser Gemeinschaftsgewalt, nicht auf der Vertragsverpflichtung zwischen den Mitgliedstaaten beruhen. Der völkerrechtliche Vertrag ist somit zwar Entstehungsgrundlage des Gemeinschaftsrechts, weil er den Rahmen bestimmt, i n dem den Gemeinschaften die Ausübung ihrer Gewalt ermöglicht wird. Er ist jedoch nicht dessen Geltungsgrundlage. Vielmehr sind die Vertragsbestimmungen — soweit sie nicht nur gegenseitige Verpflichtungen der Mitgliedstaaten zur Duldung der Gemeinschaftsrechtsordnung begründen — dadurch zu primärem Gemeinschaftsrecht geworden, daß die Gemeinschaften die ihnen gestellten Aufgaben aufgenommen und sich die 189 Herb. Krüger, Herkunft, D Ö V 1959, 722, 725; Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 7 (Maunz) ; Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 82. 190 Much, Amtshaftung (1952), S. 19. 191 Vgl. A r t . 3 h, 100—102 EWGV. Wegen des Verhältnisses dieser Vorschriften zu Sonderregelungen des Vertrages vgl. Wohlfarth-Everling-GlaesnerSprung, E W G (1960), A r t . 100 A n m . 2. 192 Vgl. Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 293; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 93. 193 E. Kaufmann, Wehrbeitrag I I (1953), S. 54 f.; Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 82. 194 Vgl. Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 57, 59 m. w. Nachw.

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I I I . Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

Vertragsbestimmungen für die Bestimmung ihres Handelns zu eigen gemacht haben 1 9 5 . Dem steht nicht entgegen, daß die Gesamtheit der Mitgliedstaaten die Gründungsverträge ändern und damit die Gewaltausübung der Gemeinschaften erweitern, einschränken oder ggf. ganz beseitigen kann. Denn die eigene Hoheitsgewalt der Gemeinschaften ist nur i n dem Rahmen selbständig, den ihr die Gründungsverträge einräumen. Diese Unabhängigkeit — i m Rahmen der Verträge — w i r d nicht dadurch aufgehoben, daß ihnen die Kompetenz-Kompetenz fehlt 1 9 6 . Ebensowenig kann das allgemeine Völkerrecht Geltungsgrund der Gemeinschaftsrechtsordnung sein; denn die innerstaatliche Rechtsetzungsfähigkeit ist keine Befähigung, die den Staaten durch das Völkerrecht erst verliehen wird. Das folgt daraus, daß die Ausübung dieser Fähigkeit durch das Völkerrecht nicht beschränkt w i r d 1 9 7 . Denn völkerrechtswidriges Landesrecht ist nicht kraft einer Anordnung des Völkerrechts nichtig. Vielmehr verlangt das Völkerrecht nur, daß der Staat sich völkerrechtsgemäß verhält und erforderlichenfalls sein Recht entsprechend ändert. Da die Geltung des Gemeinschaftsrechts weder auf dem Landesrecht der Mitgliedstaaten noch auf allgemeinem oder partikulärem Völkerrecht, sondern auf der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften beruht, ist es weder Völkerrecht noch Landesrecht. Vielmehr ist es ein — gewissermaßen dazwischenstehendes — supranationales Recht, das auf bestimmten Sachbereichen als nichtstaatliches Recht neben oder an die Stelle des staatlichen Rechts mit unmittelbarer innerstaatlicher Wirkung t r i t t 1 9 8 . Es besteht nicht nur aus dem von den Gemeinschaftsorganen gesetzten Recht, sondern auch aus den i n den Gründungsverträgen enthaltenen 195 So vor allem Hoffmann, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 116 f.; ders., Verhältnis, D Ö V 1967, 435, 437; ferner Much, Amtshaftung (1952), S. 20; ähnlich Kraus, Rechtliche Struktur, Festschr. f. Smend (1952), S. 205; vgl. auch Guggenheim, Völkerrecht I (1948), S. 208. Diese Auffassung geht offenbar zurück auf Haenel, Vertragsmäßige Elemente (1873), S. 77; ähnlich G. Jellinek, Allg. Staatslehre (3. Aufl./Neudr. 1922), S. 274 ff. 196 Vgl. Kraus, Rechtl. Struktur, Festschr. f. Smend (1952), S. 201. 197 Hoffmann, Verhältnis, D Ö V 1967, 436. 198 Vgl. Hoff mann, Verhältnis, DÖV 1967, 435; Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 292, 347; Schlochauer, Verhältnis, ArchVR 11 (1963/64), 7; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 59; Much, Amtshaftung (1962), S. 20; Friauf, Staatenvertretung (1959), S. 4; ders., Notwendigkeit, AöR 85 (1960), 225; Steindorff, EGKS, W B V R I (1960), S. 463; ders., EWG, W B V R I (1960), S. 83; Furier, Grundfragen, N J W 1965, 1404; ähnlich BVerfG v. 18.10. 1967 (BVerfGE 22, 293/296); Ipsen, Schlußvortrag, 45. D J T I I L, S. 20; ders., E n t scheidungsanmerkung, EuR 3 (1968), 139; a. A. (Völkerrecht): Berber, Völkerrecht I I I (1964), S. 256 f.; Bindschedler, Rechtsfragen (1954), S. 75; Münch, A b grenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 77; Scheuner, Rechtsetzungsbefugnis, Festschr. f. Verdross (1960), S. 235 f.; ferner EuGH v. 5. 2.1963 (Rs. 26/62) (EuGHE I X , 1/25) : „neue Rechtsordnung des Völkerrechts" ; Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 605 f., hält eine genaue Einordnung des Gemeinschaftsrechts derzeit noch nicht für möglich.

3. Prävalenz kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung

95

Verfassungen der Gemeinschaften 199 . Nach wohl überwiegender Meinung haben die Gründungsverträge eine „rechtliche Doppelwirkung" 2 0 0 . Sie begründen zwar einerseits fortdauernde Bindungen zwischen den M i t gliedstaaten, die neu entstehenden Gemeinschaftsrechtsordnungen zu dulden. Das w i r d dadurch bestätigt, daß die Verträge — m i t Ausnahme der sog. autonomen Vertragsänderungen 201 — nur durch völkerrechtlichen Vertragsschluß zwischen den Mitgliedstaaten geändert werden können 2 0 2 . Andererseits enthalten sie nach A r t einer Verfassung die Grundlagen der supranationalen Rechtsordnungen, indem sie Zusammensetzung und Kompetenzen der Gemeinschaftsorgane und materiell ihre Tätigkeit gegenüber den Mitgliedstaaten und den Einzelnen sowie deren Pflichten regeln. Insoweit gehören die Verträge kraft ihrer Annahme durch die Gemeinschaftsorgane nicht mehr i n den Bereich des Völkerrechts 203 . cc) Der Rechtsgrund der innerstaatlichen Verbindlichkeit des Gemeinschaftsrechts Es fragt sich nunmehr, ob das so gekennzeichnete supranationale Recht zu dem Recht der Mitgliedstaaten i n einem ähnlichen Verhältnis steht, wie dieses zum Völkerrecht, oder ob beide Rechtsmassen sich ähnlich zueinander verhalten wie Bundesrecht und Landesrecht i m Bundesstaat. Diese Fragestellung bedarf der Präzisierung. Insofern ist zunächst kurz auf das Verhältnis von Völkerrecht zu staatlichem Recht einzugehen. io» ;pü r die Bezeichnung als „Verfassung" vgl. m. Nachw. Oppermann, V e r fassungsrechtsprechung, Staat 4 (1967), 447 f.; BVerfG v. 18.10.1967 (BVerfGE 22, 293/296); Ipsen, Entscheidungsanmerkung, EuR 3 (1968), 139, sowie die Nachw. bei Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 63 N. 28, der die Bezeichnung „Satzung" vorzieht. Kritisch auch Carstens, Revision, ZaöRV 21 (1961), 7; vgl. ferner Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 120 ff. 200 So die Formulierung von Schlochauer, Gerichtshof, Festschr. f. Hallstein (1966), S. 433; ferner ders., Verhältnis, ArchVR 11 (1963/64), 3; ders., Rechtsnatur, Festschr. f. Wehberg (1956), S. 367; Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 292; Much, Amtshaftung (1952), S. 20; Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 60, insbes. S. 62 ff. (in der Terminologie abweichend); ähnlich Steindorff, Rechtsschutz (1964), S. 41; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 55, 59, 140 (Schlußwort); Hoff mann, Verhältnis, DÖV 1967, 435, 437, 438; ders., Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 116 f.; ebenso für Satzungen internationaler Gemeinschaften m i t Völkerrechtspersönlichkeit allgemein W. Rudolf, Völkerrecht (1967), S. 42/44. Ausschließlich für Verfassungscharakter dagegen Kraus, Rechtliche Struktur, Festschr. f. Smend (1952), S. 203, 205. 201 Vgl. insbes. A r t . 95 I I I , I V E G K S V sowie den Überblick bei Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 83 ff. 202 Vgl. Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 63, 64 f., u n d A r t . 96 EGKSV, A r t . 236 EWGV, A r t . 204 EAGV. 203 Vgl. Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 292; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 59 f.; Hoff mann, Verhältnis, DÖV 1967, 437; ders., Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 116.

9 6 I I I .

Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

Nach dem heutigen Stand des Völkerrechts — darüber besteht i m Schrifttum Einigkeit 2 0 4 — ist zwar der Staat an die allgemeinen Regeln des Völkerrechts und an die Verpflichtungen aus Verträgen gebunden. Es besteht jedoch keine Völkerrechtsnorm, die anordnet, daß nationale Rechtssätze, die i m Widerspruch zu den völkerrechtlichen Pflichten des Staates stehen, kraft Völkerrechts i m innerstaatlichen Bereich u n w i r k sam sind. Die staatlichen Organe, insbesondere die Gerichte, und die Rechtsunterworfenen haben deshalb i m Konfliktsfall die staatlichen Normen zu befolgen, lösen allerdings durch ihr Verhalten ggf. die völkerrechtliche Haftung des Staates aus. Durch den Abschluß eines völkerrechtlichen Vertrages w i r d dessen Inhalt, soweit er zur Anwendung durch Staatsorgane und Befolgung durch die Rechtsunterworfenen geeignet ist, nicht schon kraft Völkerrechts Bestandteil der nationalen Rechtsordnungen. Das Völkerrecht überläßt es vielmehr den Staaten, die zur innerstaatlichen Durchführung von Verträgen und zur Befolgung allgemeiner Regeln notwendigen Anordnungen an ihre Organe und die Rechtsunterworfenen zu erteilen. Völkerrechtliche Gebote bedürfen daher des staatlichen Anwendungsbefehls, der ihre innerstaatliche Beachtung anordnet 2 0 5 . Das nationale Recht, insbesondere das nationale Verfassungsrecht, entscheidet demnach darüber, ob und inwieweit Völkerrechtssätze i m innerstaatlichen Bereich unmittelbar wirken und verbindlich sind. Für das Verhältnis des Bundesrechts zum Recht der Gliedstaaten i m Bundesstaat läßt sich eine ähnlich eindeutige Aussage über die Notwendigkeit eines entsprechenden Rechtsanwendungsbefehls anscheinend nicht machen. Nach deutschem Recht sind zwar Bundesrecht und Landesrecht „ i n statu nascendi grundsätzlich unabhängig voneinander". „ U m verbindlich zu sein, bedarf das Bundesrecht keiner landesrechtlichen Transformation, das Landesrecht keiner bundesstaatlichen Bestätigung oder interpositio auctoritatis 2 0 6 ." Indessen kann diesem Grundsatz über den deutschen Rechtsbereich hinaus offenbar keine allgemeine Geltung für das Bundesstaatsrecht zugeschrieben werden. So hält etwa C. Schmitt 207 eine „Umschaltung" des Bundesrechts anstatt dessen unmittelbarer Wirkung für Behörden und Rechtsunterworfene des Einzelstaates 204

Der Theorienstreit zwischen Monismus u n d Dualismus ist insofern ohne praktische Bedeutung. Vgl. m. Nachw. etwa Mosler, Praxis (1957), S. 7 f.; ders., Gewährleistung, Problèmes Contemporains I I (1962), S. 163 ff.; Partsch, A n wendung, BerDGesVöR 6 (1964), 25, 31 ff.; Dahm, Völkerrecht I (1958), S. 53 ff.; Guggenheim, Völkerrecht u. Landesrecht, W B V R I I I , S. 655 ff.; Boehmer, V e r trag (1965), S. 2. 205 Wegen der Ausnahmen bezüglich einiger allgemeiner Regeln (z. B. M i n deststandard von Menschenrechten u. Grundfreiheiten) vgl. Mosler, Gewährleistung, Problèmes Contemporains I I (1962), S. 164; Dahm, Völkerrecht I (1958), S. 57. 206 v. Mangoldt-Klein, B G G (2), A r t . 31 A n m . I I I 1 S. 757; Hensel, Rangordnung, HdbDStR I I (1932), S. 320. 207 C. Schmitt, Verfassungslehre (1928/Neudr. 1954), S. 382 f.

3. Prävalenz k r a f t verfassungsrechtlicher Ermächtigung

97

i m Bund für möglich. Sie soll sich freilich von der Transformation des Völkerrechts i n innerstaatliches Recht unterscheiden. Während es bei der Transformation durch die Setzung einer neuen Rechtsquelle an der Kontinuität und Identität zwischen völkerrechtlicher Pflicht und innerstaatlichem Vollzug fehle, liege bei den „umgeschalteten" Rechtsbeziehungen innerhalb des Bundes keine Aufhebung der Identität und damit keine qualitative Verschiedenheit vor, sondern durchgängige Kontinuität. Insofern legt C. Schmitt seiner Unterscheidung zwischen Transformation einer völkerrechtlichen Verpflichtung und bundesrechtlicher Umschaltung den Begriff des Anwendungsbefehls zugrunde, wie ihn die Transformationslehre Triepels 206 geprägt hat. Die neuere Vollzugslehre nimmt hingegen an, daß der staatliche Anwendungsbefehl die Völkerrechtsnorm nicht von ihrem Geltungsgrund löst, sondern nur deren Verbindlichkeit auf innerstaatliche Adressaten erstreckt 209 . Ob sich die von C. Schmitt beschriebene innerbündische Umschaltung auch von dem Vollzugsbefehl i m Sinne dieser neueren Lehre ebenso grundsätzlich unterscheidet wie von dem Transformationakt i m Sinne Triepels, erscheint zweifelhaft, bedarf aber i n diesem Zusammenhang keiner Erörterung. Hier genügt die Feststellung, daß die Auffassung des deutschen Rechts über die unmittelbare Verbindlichkeit des Bundesrechts i m Landesbereich nicht allgemeine Gültigkeit beanspruchen kann. Ebensowenig läßt sich die für das deutsche Bundesstaatsrecht zutreffende Aussage verallgemeinern, das Gliedstaatenrecht bedürfe zu seiner Gültigkeit nicht der Bestätigung des Bundes. So benötigen etwa gemäß Art. 6 Abs. I der Schweizerischen Bundesverfassung die Kantone für ihre Verfassungen die Gewährleistung des Bundes, die einer „autoritativen Genehmigung" mit Gesetzeskraft nahekommt 2 1 0 . Die Gewährleistungsentscheidung bewirkt, daß gegen eine kantonale Verfassungsänderung die Einrede der Verletzung des Bundesrechts nicht erhoben werden kann. Bei Verweigerung der Gewährleistung erlangt die Verfassungsänderung keine rechtliche W i r k u n g 2 1 1 . Auch dieses Beispiel zeigt, daß Vorstellungen, die für das deutsche Bundesstaatsrecht zutreffen, nicht einfach auf das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht zu nationalem Recht mit der Begründung übertragen werden können, diese Rechtsordnungen verhielten sich zueinander wie Bundesrecht und Gliedstaatenrecht innerhalb der Gesamtrechtsordnung des Bundes 2 1 2 . Davon abge208

Triepel, Völkerrecht u n d Landesrecht (1899), S. 118 f., 386 ff. („völkerrechtsgemäßes Landesrecht"). 209 Vgl. dazu m. w. Nachw. Mosler, Praxis (1957), S. 18; Partsch, Anwendung, BerDGesVöR 6 (1964), 19 ff.; Boehmer, Vertrag (1965), S. 36 ff. 210 Imboden, Normkontrolle, Festschr. f. H. Huber (1961), S. 135,136. 211 Imboden, Verfassungsgerichtsbarkeit (1962), 508; vgl. auch Bernhardt i n : Bonner Komm. (Zweitbearb. 1966), A r t . 31 Randnr. 40. 212 So aber Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 43. 7

Gorny

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Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

sehen, scheitert die Übertragung bundesstaatlicher Regeln auf das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht bereits daran, daß den Gemeinschaften als entscheidende Voraussetzung hierfür die Bundesstaatlichkeit fehlt 2 1 3 . Die Frage, ob das Gemeinschaftsrecht zu seiner innerstaatlichen Verbindlichkeit eines staatlichen Mitwirkungsaktes, insbesondere eines Anwendungsbefehls, bedarf, ist deshalb nicht i m Wege einer Analogie zu bundesstaatlichen Regelungen zu beantworten. Die Erforderlichkeit eines Anwendungsbefehls ist allerdings nur hinsichtlich des primären Gemeinschaftsrechts anzunehmen, da die Entstehungsvoraussetzungen für das Sekundärrecht sich aus den einschlägigen Vertragsbestimmungen, d. h. aus dem primären Gemeinschaftsrecht, ergeben. Die Lehre hat bisher, wenn auch mit unterschiedlichen Begründungen und Folgerungen, nahezu einhellig angenommen, daß das primäre Gemeinschaftsrecht zu seiner innerstaatlichen Verbindlichkeit eines staatlichen Mitwirkungsaktes — sei es als Transformationserlaß, A n wendungsbefehl oder Anerkennung — bedurfte 2 1 4 . Soweit ersichtlich, hat allein E. Grabitz die gegenteilige Ansicht vertreten 2 1 5 . Sie beruht, wie bereits dargestellt wurde 2 1 6 , auf der Annahme, daß ein wie immer gearteter staatlicher Mitwirkungsakt mit der Fähigkeit des Gemeinschaftsrechts, die Mitgliedstaaten zu binden, unvereinbar sei. Dieser Schluß ist nicht zwingend, weil eine Bindung der Mitgliedstaaten an das primäre Gemeinschaftsrecht auch ohne dessen unmittelbare innerstaatliche Verbindlichkeit gedacht werden kann. Aus der Gebundenheit der Mitgliedstaaten an das primäre Gemeinschaftsrecht kann deshalb nicht gefolgert werden, daß es ohne einen staatlichen Mitwirkungsakt innerstaatliche Geltung erlange. Auch eine ausschließlich systematische, nicht genetische Betrachtung des Verhältnisses von Gemeinschaftsrecht zu nationalem Recht, wie E. Grabitz sie fordert 2 1 7 , kann sich deshalb nicht allein auf eine Analyse der Verträge beschränken. Sie muß berücksichtigen, daß die neue Rechtsordnung des Gemeinschaftsrechts nicht von einem gleichsam leeren Raum Besitz ergriffen hat, sondern sich i n dem Hoheitsbereich bestehender Staaten auswirkt. I m Verhältnis zu deren Rechtsordnungen kann die Entstehung der Gemeinschaftsrechtsordnung als rechtmäßig oder als unrechtmäßig betrachtet werden 2 1 8 . Dabei ist von entscheidender Bedeutung, daß die Gemeinschaften keinen Staat bilden 2 1 9 . Ihr Recht ist 213

Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 73 f. Vgl. dazu die Darstellung oben S. 26, 34, 37, 74 f. 215 E. Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 43, 99. 216 Oben S. 83 f. 217 aaO, S. 42. 218 Vgl. sinngemäß für die Staatsentstehung G. Jellinek, Allg. Staatslehre (3. Aufl./Neudr. 1922), S. 273, 278, 776; Laband, Reichsstaatsrecht (5), S. 9 f. 219 Vgl. die Ausführungen oben S. 84 ff. 214

3. Prävalenz k r a f t verfassungsrechtlicher Ermächtigung

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daher ein nicht staatliches Recht einer außerstaatlichen fremden Hoheitsgewalt. Der moderne Staat nimmt jedoch für sich i n Anspruch — und das Völkerrecht steht, wie bereits erwähnt wurde, dem nicht entgegen — allein über Bildung und Bestand seiner inneren Rechtsordnung zu bestimmen 2 2 0 . Diese Befugnis findet ihre Rechtfertigung i n der Allzuständigkeit des Staates und seiner umfassenden „Lebensverantwortung" 2 2 1 für die seiner Gewalt unterworfenen Staatsbürger. Er entscheidet deshalb allein darüber, inwieweit außerstaatliches Recht für seine Organe und Rechtsunterworfenen innerstaatlich anwendbar sein soll. Auch das supranationale Recht, und zwar das primäre Gemeinschaftsrecht, bedurfte daher als außerstaatliches Recht des staatlichen Anwendungsbefehls, um innerstaatliche Geltung zu erlangen 2 2 2 . Insofern kann das supranationale Recht „ i n Parallelität zum Völkerrecht gedacht werden" 2 2 3 . Zweifelhaft ist dagegen, ob der Anwendungsbefehl, der für das primäre Gemeinschaftsrecht erteilt wurde, als Transformationserlaß gedeutet werden kann 2 2 4 . Nach der von Triepel formulierten sog. Transformationslehre bewirkt der staatliche Anwendungsbefehl nicht eigentlich eine „Transformation" des Völkerrechtssatzes i n einen Satz des nationalen Rechts 225 . Vielmehr ist die völkerrechtliche Verpflichtung des Staates nur Motiv für das zuständige Staatsorgan, einen parallelen innerstaatlichen Rechtssatz zu setzen 226 . Nach der neueren Vollzugslehre ändert der innerstaatliche Anwendungsbefehl dagegen nicht den Geltungsgrund des völkerrechtlichen Gebots, sondern macht i h n lediglich für den innerstaatlichen Adressaten verbindlich, hat insofern also keinen selbständigen norma220 Vgl. dazu etwa Partsch, Anwendung, BerDGesVöR 6 (1964), 25; Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 167; Herb. Krüger, Allg. Staatslehre (2), S. 491 f., 769 f. m. Nachw.; G. Jellinek, A l l g . Staatslehre (3. Aufl./Neudr. 1922), S. 256 f., 367. 221 Scheuner, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 21 (1964), 123/124. 222 Hoff mann, Verhältnis, DÖV 1967, 438; Friauf, Strukturelemente, DVB1. 1964, 785; Schlochauer, Verhältnis, ArchVR 11 (1963/64), 25/26; Mosler, Diskussionsbeitrag, BerDGesVöR 2 (1958), 119; w o h l auch der EuGH v. 15. 7.1964 (Rs. 6/64) (EuGHE X , 1251/1269): Aufnahme i n das Recht der einzelnen M i t g l i e d staaten; ähnlich Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 631 f. (Eingliederung i n internen Rechtsbereich) i m Anschluß an EuGH v. 15. 7.1960 (Rs. 25/59) (EuGHE V I , 681/707); v. 15.7.1960 (Rs. 25/59) (EuGHE V I , 743/780). Vgl. auch Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, Festschr. f. Ophüls (1965), S. 78: verfassungskräftig anerkannt u n d inkorporiert. A . A. Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 42 f., 99. 223 Schlochauer, Verhältnis, ArchVR 11 (1963/64), 8. 224 I n diesem Sinne z.B. Schlochauer, Verhältnis, ArchVR 11 (1963/64), 24; D. Küchenhoff, Grundrechte, DÖV 1963,164; Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 82; Friauf, Strukturelemente, DVB1. 1964, 783; n u r für das primäre Gemeinschaftsrecht: Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 116. 225 Boehmer, Vertrag (1965), S. 16. 226 Vgl. Triepel, Völkerrecht u. Landesrecht (1899), S. 122, 118 f., 416, 386; Boehmer, Vertrag (1965), S. 16; Wengler, Völkerrecht I (1964), S. 77 ff.; ders., Rechtsnatur, N J W 1962, 232.

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tiven Inhalt 2 2 7 . Beide Lehren sind freilich nur Deutungsschemata, die die mit dem staatlichen Anwendungsbefehl verbundenen Rechtswirkungen theoretisch erfassen 228 , und sie sind insofern prinzipiell gleichwertig, soweit die verfassungsrechtlichen Bestimmungen über den Anwendungsbefehl „dogmatisch offen" sind 2 2 9 . Welche von ihnen die Einführung völkerrechtlicher Gebote in das Landesrecht zutreffend erfaßt, ist hier nicht zu erörtern. Für die Einführung des primären Gemeinschaftsrechts i n das nationale Recht ist von dem Inhalt des darauf gerichteten Anwendungsbefehls auszugehen. Die Staaten verpflichteten sich, die i m Vertrag angelegte Rechtsordnung als auf den festgelegten Sachbereichen i n den Mitgliedstaaten einheitlich geltend anzuerkennen 230 . Der Anwendungsbefehl, der diese Verpflichtung erfüllte, stellt somit eine Anerkennung der innerstaatlichen Geltung der i m Vertrag vorgesehenen Rechtsordnung dar und ordnet ihre Beachtung durch die Rechtsanwendungsorgane und die Rechtsunterworfenen an 2 3 1 . Die Deutung dieses Anwendungsbefehls als Transformationserlaß erscheint insofern nicht angemessen, als nach der Transformationslehre neben das primäre Gemeinschaftsrecht zusätzlich ein sechsfach verschiedenes paralleles Landesrecht der Mitgliedstaaten treten würde 2 3 2 . Dagegen behandelt die Vollzugslehre das Gemeinschaftsrecht als eine einheitlich in allen Mitgliedstaaten geltende besondere Rechtsmasse 233 , die neben dem nationalen Recht bzw. an dessen Stelle für beachtlich erklärt worden ist 2 3 4 . Sie vermag somit dem Umstand Rechnung zu tragen, daß die Mitgliedstaaten i m Gemeinschaftsbereich ihr Rechtsetzungsmonopol zugunsten der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften eingeschränkt haben 2 3 5 . I n dieser Hinsicht kann allerdings das Gemein227 Mosler, Praxis (1957), S. 16 ff.; Boehmer, Vertrag (1965), S. 37 f.; Partsch, Anwendung, BerDGesVöR 6 (1964), 20 ff. 228 V g l putsch, Anwendung, BerDGesVöR 6 (1964), 130, 142; Badura, Buchbesprechung, N J W 1965,1121; W. Rudolf, Völkerrecht (1967), S. 151,157 f. 229 Partsch, Anwendung, BerDGesVöR 6 (1964), 45, 48 ff.; vgl. auch Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 325 f. 230 Vgl. Hoffmann, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 117; ders., V e r hältnis, DÖV 1967, 437; Maunz-Dürig, GG (Loseblatt-Werk/Stand 1967), A r t . 24 Randnr. 15 (Maunz). 231 Vgl. vor allem Ipsen, Verhältnis (1965), S. 26; ders., Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 134; ferner Schnorr, Arbeitsrecht (1960), S. 294 ff.; Ophüls, Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 568; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 59/60; Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 326. 232 Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 325; gegen die Übernahme der Transformationslehre vor allem Ipsen, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 132, j e doch ohne Stellungnahme zur Vollzugslehre; ebenso Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 60; Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 114 (für das Sekundärrecht). 233 Vgl. H. Kraus, Der deutsche Richter, Festschr. f. L a u n (1953), S. 229. 234 So die Formulierung von Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 325. 235 y g i ipsen, Schlußvortrag, 45. D J T I I L, S. 19/20; vgl. auch Kaiser, Diffe-

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schaftsrecht dem Besatzungsrecht, das — worauf Ipsen 2 3 6 hingewiesen hat — ebenfalls als fremdes Recht vor und neben das deutsche innerstaatliche Recht trat, nicht gleichgestellt werden; denn dieses beruhte auf einer fremden Herrschaftsausübung gegen den Willen der verdrängten deutschen Staatsgewalt 237 „ohne deutsche Teilhabe an Entstehung und Anwendungsbefehl" 2 3 8 . Es können deshalb Regeln über das Verhältnis von deutschem Recht zu Besatzungsrecht 239 nicht auf das Verhältnis zum Gemeinschaftsrecht übertragen werden 2 4 0 . Ob der Anwendungsbefehl für das primäre Gemeinschaftsrecht als ein sog. „starker Vollzugsbefehl" zu werten ist, der dem Gemeinschaftsrecht eine Prävalenz vor allem Landesrecht verschaffte und insbesondere die Anwendbarkeit der lex posterior-Regel i m Verhältnis zu einfachem Landesrecht ausschließt, ist nicht durch eine theoretische Deutung des Anwendungsbefehls als solchem zu beantworten 2 4 1 . Insofern werden mit diesem Begriff Rechtsfolgen bezeichnet, die aus dem positiven Gemeinschaftsrecht und dem Staatsrecht der Mitgliedstaaten abzuleiten sind. Für die vorliegende Untersuchung interessiert nur die Frage nach einem „starken Vollzug" des Gemeinschaftsrechts gegenüber nationalem Verfassungsrecht. Unter der auch hier bejahten Voraussetzung, daß überhaupt ein staatlicher Vollzugsbefehl erforderlich war und auch erteilt worden ist, kann es sich freilich bei dem „starken Vollzug" stets nur u m eine Prävalenz des Gemeinschaftsrechts kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung handeln. Denn die Entscheidung für einen „starken Vollzug" ist auch von der Entschließung des Mitgliedstaates abhängig, der den Vollzugsbefehl für das primäre Gemeinschaftsrecht erteilt hat, und somit letztlich auch von dessen verfassungsrechtlicher Entscheidung 242 . Mag renzierung, ÖZöR 10 (1959/60), 415; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 60 N. 109 a. E.; ders., Buchbesprechung, N J W 1965,1121. 230 Ipsen t Verhältnis (1965), S. 21 f.; ders., Schlußvortrag, 45. D J T I I L, S. 18; ders., Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 132. 237 Vgl. v. Schmoller-Maier-Tobler, HdbBesatzungsrecht I (Loseblatt-Ausg./ Stand 1957), § 7 Β I I S. 5. 238 Ipsen, Schlußvortrag, 45. D J T I I L, S. 18. 239 Vgl. dazu etwa Maunz, Staatsrecht (16), § 50 I 2 S. 405. 240 Bedenklich insofern die Formulierung von Ipsen, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 132. 241 So aber Prasch. Unmittelbare W i r k u n g (1967), S. 144 f. m. Nachw., der aber nicht deutlich werden läßt, daß der „starke Vollzug" bei Ophüls den „ d i n g lichen" Verzicht voraussetzt. Vgl. oben S. 44 N. 136 u. nachstehend N. 242. 242 Vgl. dazu die Darstellung oben S. 75 f. sowie Partsch, Anwendung, B e r D GesVöR 6 (1964), 23/24 („Rangeinstufung durch das Landesrecht"). Der „starke Vollzug" ist bei Ophüls, Landesbericht (1966), S. 217 ff., 232 ff., n u r ein Ausdruck f ü r die (innerstaatliche) W i r k u n g des „dinglichen" Verzichts auf Hoheitsrechte. Daß die „Übertragung" gem. A r t . 24 I GG einen solchen nicht zum I n halt hat, wurde oben S. 91 ff. bereits dargelegt. Damit entfällt auch unter diesem Gesichtspunkt ein „starker Vollzug". Ob ein eigentlicher Vollzugsbefehl auch für das primäre Gemeinschaftsrecht m i t der Konzeption von Ophüls vereinbar ist, ist zweifelhaft.

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I I I . Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

auch die Verfassung ggf. einen „starken Vollzug" dadurch ermöglichen, daß sie ihre Geltung beschränkt und vor dem Gemeinschaftsrecht ohne Einschränkungen zurückweicht, so handelt es sich danach stets u m eine Prävalenz kraft ihrer Ermächtigung, nicht kraft Höherrangigkeit des Gemeinschaftsrechts. Insgesamt ist somit festzuhalten, daß nach wohl herrschender Meinung das primäre Gemeinschaftsrecht zu seiner innerstaatlichen Verbindlichkeit eines staatlichen Mitwirkungsaktes bedurfte. Dieser M i t wirkungsakt hat die Anerkennung der innerstaatlichen Verbindlichkeit der Gemeinschaftsordnung zum Gegenstand und ist nicht als Transformationserlaß, sondern als Vollzugsbefehl anzusehen. Der Vollzugsbefehl, der dem Gemeinschaftsrecht die innerstaatliche Prävalenz verschafft, ist letztlich von der verfassungsrechtlichen Entscheidung des jeweiligen M i t gliedstaates abhängig. Der Umfang dieser Prävalenz hängt somit davon ab, wieweit die verfassungsrechtliche Ermächtigung einem Geltungsanspruch des Gemeinschaftsrechts Raum gibt. b) Umfang des Geltungsanspruchs des Gemeinschaftsrechts aa) Die innerstaatliche Verbindlichkeit der verschiedenen Normengruppen des Gemeinschaftsrechts Zu einem innerstaatlichen Normenkonflikt zwischen einer Gemeinschaftsnorm und nationalem Verfassungsrecht kann es nur kommen, soweit die Gemeinschaftsnorm für das rechtsanwendende Organ unmittelbar verbindlich ist. Eine Prävalenz vor dem staatlichen Verfassungsrecht setzt daher die unmittelbare Verbindlichkeit des Gemeinschaftsrechts voraus 2 4 3 . Es ist deshalb — ohne nähere Erörterung von Streitfragen — kurz darauf einzugehen, welche Normengruppen des Gemeinschaftsrechts für die staatlichen Rechtsanwendungsorgane unmittelbar verbindlich sind. Dabei genügt für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung ein Überblick darüber, welche der verschiedenen Erscheinungsformen des Gemeinschaftsrechts ihrer allgemeinen Natur nach für einen innerstaatlichen Konflikt mit dem nationalen Verfassungsrecht i n Betracht kommen können. „Unmittelbare Verbindlichkeit" kann i n diesem Zusammenhang zweierlei bedeuten 2 4 4 : Einmal kann damit lediglich die innerstaatliche Geltung 243 Vgl. Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 632; Ehle, Verhältnis, M D R 1964, 11/12; Steindorff, Rechtsschutz (1964), S. 50; Seidl-Hohenveldern, Intern. Organisationen (1967), Randnr. 1707; ferner Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 76 f. 244 Einen Überblick über die unterschiedlichen Bedeutungen i m allgemeinen gibt Prasch, Unmittelbare W i r k u n g (1967), S. 39 ff.; vgl. auch Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 287 N. 11; Ophüls, Landesbericht (1966), S. 203 ff.

3. Prävalenz k r a f t verfassungsrechtlicher Ermächtigung

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der Gemeinschaftsnorm i m Sinne ihrer innerstaatlichen Rechtsquelleneigenschaft bezeichnet werden 2 4 5 , zum anderen zugleich ihre sofortige Anwendbarkeit und Vollziehbarkeit, ohne daß es noch ihrer Konkretisierung durch einen staatlichen Normsetzungsakt bedarf 2 4 6 . Diese Seiten der innerstaatlichen unmittelbaren Verbindlichkeit — interne Wirkung, interne Geltung, Direktwirkung einerseits, sofortige (unmittelbare) sachliche Vollziehbarkeit, Anwendbarkeit, Wirkung, Sofortgeltung andererseit — müssen jedoch begrifflich unterschieden werden, obwohl sie i n engem Zusammenhang stehen. Insofern setzt die sofortige Anwendbarkeit einer Norm begrifflich stets deren innerstaatliche Rechtsquelleneigenschaft voraus 2 4 7 . Die unmittelbare Verbindlichkeit des primären Gemeinschaftsrechts w i r d häufig nach denselben Grundsätzen beurteilt, die für die innerstaatliche Verbindlichkeit völkerrechtlicher Vertragsnormen entwickelt worden sind 2 4 8 . Nach der Transformationslehre werden nur solche Vertragsbestimmungen i n das Landesrecht transformiert, die zur sofortigen Anwendung durch die Staatsorgane, d. h. ohne Zwischenschaltung einer staatlichen Ausführungsnorm, geeignet sind 2 4 9 . Derartige Vertragsnormen werden i m Anschluß an die amerikanische Rechtslehre als „selfexecuting" bezeichnet 250 . Zum Teil werden als unmittelbar verbindlich in diesem Sinne nur solche Vertragsnormen betrachtet, die sich an staatliche Organe und die Rechtsunterworfenen richten 2 5 1 . Andere zählen dazu weitergehend auch Normen, die sich nur an Rechtsanwendungsorgane wenden, also subjektive Rechte und Pflichten der Rechtsunterworfenen nicht erzeugen 252 . Da die Vertragsnormen nur i m Umfang ihrer so oder so bestimmten Vollziehbarkeit transformiert werden 2 5 3 , hängt danach die 245

So Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 334. So Prasch, Unmittelbare W i r k u n g (1967), S. 43/44, 46. 247 Vgl. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 340, 334 N. 36. 248 Vgl. etwa Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 89 f.; Zweigert, E i n fluß, RabelsZ 28 (1964), 625 ff.; Ehle, Verhältnis, M D R 1964, 12; Runge, Recht d. Europ. Gemeinschaften, JuS 1965, 13; Scheuner, Rechtsetzungsbefugnis, Festschr. f. Verdross (1960), S. 240 f.; Gert Meier, Geltung, A W D 1968, 206. 249 Vgl. m. eingehenden Nachw. W. Rudolf, Völkerrecht (1967), S. 173. 250 Vgl. dazu m. Nachw. W. Rudolf, Völkerrecht (1967), S. 173; Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 335; Schnorr, Arbeitsrecht (1960), S. 184; Prasch, U n m i t t e l bare W i r k u n g (1967), S. 44 f. 251 So w o h l Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 89; Runge, Recht d. Europ. Gemeinschaften, JuS 1964, 341; vgl. darüber m. Nachw. auch SeidlHohenveldern, Intern. Organisationen (1967), Randnr. 1705; Prasch, U n m i t t e l bare W i r k u n g (1967), S. 44. 252 V g L Prasch, Unmittelbare W i r k u n g (1967), S. 43 ff.; W. Rudolf, V ö l k e r recht (1967), S. 171, 172; Boehmer, Vertrag (1965), S. 76; Gert Meier, Geltung, A W D 1968, 206 bei u. i n N. 22; BVerfG v. 21. 3.1957 (BVerfGE 6, 290/294). Auch Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 347, weist darauf hin, daß es Grade u n d Stufen der Vollziehbarkeit gibt, für das Gemeinschaftsrecht wie für völkerrechtliche Verträge u n d innerstaatliche Normen. 253 Insofern kann zwischen einem engeren u n d einem weiteren Transforma246

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I I I . Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

innerstaatliche Rechtsquelleneigenschaft der Vertragsnormen von ihrer Vollziehbarkeit ab 2 5 4 . Dagegen w i r d nach der Vollzugslehre der gesamte Vertrag für vollziehbar erklärt und erhält damit die innerstaatliche Rechtsquelleneigenschaft 255 . Unmittelbar verbindlich i m Sinne aktuell geltenden Rechts für Rechtsanwendungsorgane bzw. auch für Rechtsunterworfene sind allerdings auch danach nur Vertragsvorschriften, die ohne einen zusätzlichen innerstaatlichen Rechtsetzungsakt anwendungsfähig sind 2 5 8 . Für das primäre Gemeinschaftsrecht ist i n dieser Untersuchung bereits angenommen worden, daß es, um innerstaatliche Rechtsquelle zu sein, eines Rechtsanwendungsbefehls der zuständigen staatlichen Rechtsanwendungsorgane bedurfte und daß dieser auch erteilt wurde 2 5 7 . Dieser Anwendungsbefehl ist ferner als ein solcher i m Sinne der Vollzugslehre aufgefaßt worden. Das bedeutet, daß nach dieser Lehre das gesamte Primärrecht innerstaatliche Geltung i m Sinne der Rechtsquelleneigenschaft erlangt hat. Ferner ist es mindestens insoweit mit Sicherheit als aktuell geltendes Recht anzusehen, als es „unmittelbare Wirkungen erzeugt und individuelle Rechte begründet, welche die staatlichen Gerichte zu beachten haben" 2 5 8 . Welche Vorschriften des primären Gemeinschaftsrechts i m einzelnen in diesem Sinne unmittelbare innerstaatliche Geltung haben, ist eine Frage der Vertragsauslegung und hier nicht zu erörtern 2 5 9 . Nach einer verbreiteten Meinung sollen dagegen sog. Programmsätze, d. h. Bestimmungen, „die lediglich Programme, Bereitschaftserklärungen, Ziele und Prinzipien formulieren", ferner Vorschriften über Handlungspflichten der Mitgliedstaaten, deren Erfüllung von einem innerstaatlichen Rechtsetzungsakt abhängig ist, sowie Vorschriften über die Organisation der Gemeinschaften von vornherein nicht innerstaatlich verbindlich sein können 2 6 0 . Diese Auffassung knüpft hinsichtlich der Unverbindlichkeit von Programmsätzen an die Lehre zur Weimarer Verfassung an 2 6 1 , die die tionsbegriff unterschieden werden, vgl. m. Nachw. W. Rudolf, (1967), S. 164 ff., insbes. S. 170 f. 254 V g l > Rudolf, Völkerrecht (1967), S. 171/172. 255 V g L partsch, Anwendung, BerDGesVöR 6 (1964), 106 f. 256

Völkerrecht

Vgl. Boehmer, Vertrag (1965), S. 77; Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 342. Vgl. oben S. 98 f. 258 So die Formulierung des EuGH, vgl. Urt. v. 5. 2.1963 (Rs. 26/62) (EuGHE I X , 1/29 f.). 259 Vgl. dazu m. Nachw. aus der Rechtsprechung des E u G H etwa Zweigert. Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 625 ff.; Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 344 ff.; Prasch, Unmittelbare W i r k u n g (1967), S. 63 ff.; Gert Meier, Geltung, A W D 1968, 206 ff. 260 Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 625 f.; ebenso Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 89; offenbar auch Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 291. 261 So ausdrücklich Münch, aaO. 257

3. Prävalenz k r a f t verfassungsrechtlicher Ermächtigung

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Aktualität der Grundrechtsvorschriften jener Verfassung erörterte 2 6 2 . Zutreffend hat E. Grabitz darauf hingewiesen, daß bereits C. Schmitt für die Weimarer Verfassung die „zweigliedrige Alternative" zwischen Programmsatz und positivem Gesetz abgelehnt und nach der Verschiedenheit der Adressaten (Gesetzgebung oder Gesetzesanwendung) und Verschiedenartigkeit der inhaltlichen Struktur verschiedene Stufen der Positivität und Aktualität der Verfassungssätze unterschieden hat 2 6 3 . Grabitz 264 w i l l daher auch innerhalb des primären Gemeinschaftsrechts danach unterscheiden, für wen es jeweils innerstaatlich verbindlich ist, und er lehnt die Übernahme der self-executing-Lehre für das Gemeinschaftsrecht ab. Allerdings setzt er dabei voraus, daß das primäre Gemeinschaftsrecht eines wie immer gearteten innerstaatlichen Anwendungsbefehls nicht bedarf. Es ist deshalb zweifelhaft, ob seine Ansicht auch vom Standpunkt der Vollzugslehre geteilt werden kann. Zwar w i r d i m Schrifttum die Ansicht vertreten, hinsichtlich der innerstaatlichen unmittelbaren Anwendbarkeit der Vertragsvorschriften bestehe kein Unterschied zwischen Transformationslehre und Vollzugslehre 2 6 5 . Dies mag für die innerstaatliche Anwendbarkeit von Normen des Völkervertragsrechts zutreffen. Für das Gemeinschaftsrecht könnte der Begriff der innerstaatlichen Anwendbarkeit jedoch einer stärkeren Differenzierung fähig sein 2 6 6 . Da nach der Vollzugslehre das primäre Gemeinschaftsrecht insgesamt innerstaatliche Rechtsquelle ist, ist immerhin zu erwägen, ob auch von diesem Ausgangspunkt her verschiedene Grade innerstaatlicher Verbindlichkeit zu unterscheiden sind, je nachdem ob sie lediglich Rechtsetzungsorgane oder Rechtsanwendungsorgane und Rechtsunterworfene betrifft. Das würde voraussetzen, daß eine nur direktive Vorschrift des primären Gemeinschaftsrechts unmittelbar für den innerstaatlichen Gesetzgeber, nicht nur für den Mitgliedstaat schlechthin, verbindlich wäre. Ob aber der innerstaatliche Anwendungsbefehl dem Gemeinschaftsrecht eine Verbindlichkeit gegenüber dem Gesetzgeber verschaffen kann, erscheint zweifelhaft, weil dies eine Selbstbindung des Gesetzgebers kraft seines Anwendungsbefehls voraussetzen würde. Zwar ist auf der Grundlage des Art. 24 Abs. I GG eine derartige Selbstbindung als Verfassungsrang der Vertragsgesetze bereits erwogen 2 6 7 oder sogar angenommen worden 2 6 8 . Ob dieser Auffassung beizutreten ist, bedarf hier jedoch keiner 2 2

« Vgl. AnschütZy Reichsverfassung (14. Aufl./Nachdr. 1960), S. 514 ff. C. Schmitt, I n h a l t u. Bedeutung, HdbDStR I I (1932), S. 603 f. 264 E Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 44 ff. 265 Boehmer, Vertrag (1965), S. 77. 266 Vgl. dazu auch Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 344 ff., insbes. S. 347. 267 Maunz-Dürig, GG (Loseblatt-Werk/Stand 1967), A r t . 24 Randnr. 11, 17 a. E. (Maunz). 268 Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 117 sowie dort N. 85. Ipsen, z. B. Verhältnis 263

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Erörterung. Denn eine Selbstbindung des Gesetzgebers kann insoweit nur eintreten, soweit sie mit der Verfassung vereinbar ist 2 6 9 . Auch für den Gesetzgeber kann daher das Gemeinschaftsrecht, sofern es für ihn innerstaatlich verbindlich ist, gegenüber dem Verfassungsrecht nur eine Prävalenz kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung haben. Sachlich macht es daher keinen Unterschied, ob man statt einer Selbstbindung des Gesetzgebers eine Bindung des Mitgliedstaates auf der Ebene der Gemeinschaft annimmt 2 7 0 . Für das sekundäre Gemeinschaftsrecht ist die Frage nach der innerstaatlichen Geltung aus den Vorschriften der Gründungsverträge zu beantworten. Für die Verordnungen des Rates und der Kommission nach dem EWGVertrag und dem Euratom-Vertrag nimmt die wohl überwiegende Meinung an, daß A r t . 189 Abs. I I S. 2 EWGV, A r t . 161 Abs. I I S. 2 EAGV deren unmittelbare innerstaatliche Geltung anordnen. Sie sind m i t ihrem Zustandekommen entsprechend den Verträgen innerstaatliche Rechtsquelle, ohne daß es eines zusätzlichen innerstaatlichen Rechtsetzungsaktes bedarf 2 7 1 . Davon ist die weitere Frage zu unterscheiden, ob diese Gemeinschaftsvorschriften i n vollem Umfang unmittelbar anwendbar sind. Dies hängt davon ab, ob sie so hinreichend konkretisiert sind, daß sie i m Hinblick auf den innerstaatlichen Normenbestand keiner weiteren nationalen oder gemeinschaftsrechtlichen Ausführungsbestimmungen bedürfen 2 7 2 . Entsprechendes gilt für die allgemeinen Entscheidungen der Hohen Behörde gemäß Art. 14 Abs. II, 33 Abs. I I I E G K S V 2 7 3 . (1965), S. 26, spricht i m m e r h i n von einer verfassungskräftigen Anerkennung des Gemeinschaftsrechts. Ablehnend etwa Fuß, Richtlinie, D V B l . 1965, 383 N. 73; ders., Rechtsschutz, N J W 1966, 1784; Zacher, Ratifizierungsgesetz, DVBl. 1955, 652. 269 Vgl. Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 17 a. E. (Maunz). 270 Vgl. Nicolaysen, Urteilsanmerkung, EuR 2 (1967), 149; sinngemäß für die völkerrechtliche Bindung W. Rudolf, Völkerrecht (1967), S. 173 N. 182. 271 Vgl. etwa Rabe, Verordnungsrecht (1963), S. 29; W ohlfarth-EverlingGlaesner-Sprung, E W G (1960), A r t . 189 A n m . 3; Daig i n : v. d. Groeben - v. Boeckh, I A 64, A r t . 189—192, Vorbem. I I 2 c S. 14; Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 334; Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 629/630; Ehle, EWG-Prozeßrecht (Loseblatt-Werk/Stand 1966), A r t . 189 Randnr. 22; Ophüls, Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 550. Anders Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 50: Unterschied zu Richtlinien u. Entscheidungen besteht gemäß A r t . 189 Abs. I I S. 2 E W G V i n unmittelbarer Verbindlichkeit auch für M a r k t bürger. 272 Vgl. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 334 ff.; Rabe, Verordnungsrecht (1963), S. 29; offenbar auch Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 50. Ohne diese Unterscheidung etwa Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 293. 273 Vgl. dazu m. Nachw. Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 630; Daig i n : v. d. Groeben-v. Boeckh, I A 64, A r t . 189—192 EWGV, Vorbem. I I 2 a S. 12 f.; Jaenicke, EGKS, ZaöRV 14 (1951/52), 745/746. Z u Begriff u. Rechtsnatur der allgemeinen Entscheidung, insbes. zur Abgrenzung von der individuellen E n t scheidung, vgl. etwa Heß, Verordnungsrecht (1962), S. 72 ff.; Börner, Entschei-

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Dagegen herrscht über die Rechtswirkungen der Richtlinie, die erst i n der letzten Zeit stärker i n das Blickfeld der Wissenschaft geraten ist 2 7 4 , noch keine Klarheit. Gemäß A r t . 189 Abs. I I I EWGV, A r t . 161 Abs. I I I EAGV ist die Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich, überläßt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Dieser Bestimmung w i r d vielfach entnommen, daß der Richtlinie keine Direktwirkung zukommt, sie also nicht innerstaatliche Rechtsquelle ist. Vielmehr soll sie lediglich die Mitgliedstaaten verpflichten, entsprechende innerstaatliche Maßnahmen zu ergreifen, insbesondere die erforderlichen Rechtsetzungsakte zu erlassen 275 . Dabei soll der einzelne Mitgliedstaat entsprechend seiner innerstaatlichen Rechtslage die Wahl zwischen den ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten haben, entsprechende Gesetze, Rechtsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften zu erlassen 276 . Von anderer Seite w i r d der Richtlinie dagegen eine innerstaatliche Direktwirkung zugeschrieben 277 . Damit ist freilich der Unterschied zur Verordnung praktisch aufgehoben 278 , es sei denn, man sieht ihn i n einer inhaltlichen Beschränkung der Normsetzungsbefugnis auf Rahmenvorschriften, die noch detaillierte Ausführungsbestimmungen der Mitgliedstaaten erfordern 2 7 9 . Die wohl h. M. lehnt allerdings eine inhaltliche Beschränkung der Richtlinienkompetenz ab 2 8 0 . Andere schreiben der Richtlinie nur eine A r t begrenzter Direktwirkung zu. Danach soll zwar für die Rechtsunterworfenen grundsätzlich erst ein innerstaatlicher Rechtsetzungsakt eine unmittelbar verbindliche Regelung erzeugen. Die Richtdungen (1965), S. 124 ff.; Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 68 ff.; Fuß, Rechtssatz, N J W 1964, 948 ff. 274 Vgl. Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, Festschr. f. Ophüls (1965), S. 68 f. 275 Vgl. Wohlfarth-Everling-Glaesner-Sprung, E W G (1960), A r t . 189 A n m . 8; Wohlfarth, Anfänge, JurJb. 3 (1962/63), S. 248; Rabe, Verordnungsrecht (1963), S. 41; Ophüls, Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 550 f.; Fuß, Richtlinie, DVB1. 1965, 379, 382; ders., Rechtsschutz, N J W 1966, 1785 f.; Ever ling, Europ. Gemeinschaftsrecht, N J W 1967, 466/467; Kreplin, Richtlinie, N J W 1965, 469. 276 Vgl. Rabe, Verordnungsrecht (1963), S. 42; Fuß, Richtlinie, DVB1. 1965, 381; Kreplin, Richtlinie N J W 1965, 469. 277 Unter der Voraussetzung, daß die Richtlinie den v o m E u G H für die u n mittelbare W i r k u n g von Vertragsvorschriften entwickelten Maßstäben entspricht: Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, Festschr. f. Ophüls (1965), S. 82 N. 47; Platz, EWG-Niederlassungsrecht (1966), S. 152; ähnlich Möhring, Rechtsvereinheitlichung, N J W 1965, 2228. Vgl. ferner die i n dem Bericht über das 3. I n t e r nationale K o l l o q u i u m der F I D E von Gilsdorf, EuR 1 (1966), 166 ff., erwähnten Diskussionsbeiträge. 278 Fuß, Richtlinie, DVB1. 1965, 382; Everling, Europ. Gemeinschaftsrecht, N J W 1967, 467 N. 18, 472 f. 279 So insbes. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 221 (aber ohne Stellungnahme zur D i r e k t w i r k u n g ) . 280 Vgl. m. Nachw. vor allem Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, Festschr. f. Ophüls (1965), S. 71 ff., insbes. N. 15.

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l i n i e b i n d e t aber ggf. b e r e i t s die R e c h t s a n w e n d u n g s o r g a n e 2 8 1 , so daß der B e t r o f f e n e u. U . e i n e n (innerstaatlichen) verfassungsrechtlichen G l e i c h b e h a n d l u n g s a n s p r u c h d a r a u f s t ü t z e n k a n n , daß Staatsorgane sich a n d e r e n gegenüber r i c h t l i n i e n g e m ä ß v e r h a l t e n h a b e n 2 8 2 . F e r n e r w i r d angen o m m e n , daß der B e t r o f f e n e sich v o r d e m n a t i o n a l e n G e r i c h t auf die R i c h t l i n i e b e r u f e n k a n n , w e n n eine i n A u s f ü h r u n g der R i c h t l i n i e get r o f f e n e i n n e r s t a a t l i c h e M a ß n a h m e m i t dieser u n v e r e i n b a r i s t 2 8 3 oder w e n n die R i c h t l i n i e gegen h ö h e r r a n g i g e s Gemeinschaftsrecht v e r s t ö ß t 2 8 4 . D i e gleichen F r a g e n s t e l l e n sich f ü r d i e a n S t a a t e n gerichtete E m p f e h l u n g gemäß A r t . 14 A b s . I I I E G K S V 2 8 5 , die der R i c h t l i n i e nach d e m E W G V u n d E A G V entspricht. Sie t r e t e n f e r n e r i n ä h n l i c h e r Weise b e i der a n M i t g l i e d s t a a t e n g e r i c h t e t e n E n t s c h e i d u n g gemäß A r t . 189 A b s . I V E W G V , 161 A b s . I V E A G V b z w . i n d i v i d u e l l e n E n t s c h e i d u n g gemäß A r t . 14 Abs. I I E G K S V auf, sofern diese a u f eine Ä n d e r u n g oder A u f hebung nationaler Rechtsvorschriften gerichtet s i n d 2 8 6 u n d daher inners t a a t l i c h i m V e r h ä l t n i s zu d e n b e t r o f f e n e n R e c h t s u n t e r w o r f e n e n g e n e r e l len Charakter haben287. 181 Vgl. Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, Festschr. f. Ophüls (1965), S. 79: Der Mitgliedstaat mache durch sein M i t t e l der Normierung für den einzelnen w i r k sam, was m i t I n k r a f t t r e t e n der Richtlinie für seine Organe bereits verbindlich geworden ist. Ebenso Jaenicke, Übernationaler Charakter, ZaöRV 19 (1958), 173; ablehnend Rabe, Verordnungsrecht (1963), S. 40 N. 118. 282 Vgl. Ipsen, aaO, S. 77; Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 51. 283 Vgl. Ipsen, aaO, S. 77, 83; Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 51; Ehle, EWG-Prozeßrecht (Loseblatt-Werk/Stand 1966), A r t . 189 E W G V Tz. 32; w o h l auch Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 295 (Sperrwirkung für späteres nationales Recht) u n d Seidl-Hohenveldern, Intern. Organisationen (1967), Randnr. 1710 (standstill-Effekt) ; grundsätzlich ablehnend, aber i m E r gebnis zustimmend für Rechtsverordnungen u n d Verwaltungsakte: Fuß, Rechtsschutz, N J W 1966, 1785 f.; zweifelnd Wohlfarth, Anfänge, JurJb. 3 (1962/ 63), S. 248; ablehnend Eckert, Angleichung des Lebensmittelrechts, N J W 1967, 479 f. 284 Vgl. Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, Festschr. f. Ophüls (1965), S. 83; Fuß, Rechtsschutz, N J W 1966, 1786; Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 51; ähnlich Hallstein, Grundlagen, Festschr. f. Ophüls (1965), S. 16; gegen diese „negat i v e " D i r e k t w i r k u n g Everling, Europ. Gemeinschaftsrecht, N J W 1967, 467 N. 19, 472 f.; Eckert, Angleichung des Lebensmittelrechts, N J W 1967, 479 f. 285 Vgl. Heß, Verordnungsrecht (1962), S. 176 ff.; Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 74 f.; Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 117 f. 286 Vgl. m. Nachw. etwa Fuß, Rechtsschutz, N J W 1966, 1786 f.; Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 119 f.; Everling, Europ. Gemeinschaftsrecht, N J W 1967, 467; vgl. auch Wohlfarth-Everling-Glaesner-Sprung, E W G (1960), A r t . 189 Anm. 11. 287 Vgl. Daig i n : v. d. Groeben-v. Boeckh, I A 64, A r t . 189—192, A n m . I I 4 A S. 16; Ehle, EWG-Prozeßrecht, A r t . 189 Randnr. 39; Fuß, Rechtsschutz, N J W 1966, 1786 f.; Steindorff, Rechtsschutz (1964), S. 97; Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 294 N. 46. Börner, Entscheidungen (1965), S. 137 ff., insbes. S. 140 f., zählt derartige Rechtsakte — etwa gem. A r t . 88 E G K S — zu den a l l gemeinen Entscheidungen i. S. v. A r t . 14 Abs. I I , 33 Abs. V E G K S V ; a. A. (individuelle Entscheidung) Fuß, Rechtssatz u. Einzelakt, N J W 1964, 1604.

3. Prävalenz k r a f t verfassungsrechtlicher Ermächtigung

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Schließlich können die Gemeinschaften durch den Abschluß völkerrechtlicher Verträge ggf. innerstaatlich verbindliches Recht setzen, da derartige Verträge für die Mitgliedstaaten verbindlich sind und innerstaatlich dieselbe Wirkung haben wie die von ihnen selbst abgeschlossenen Verträge 2 8 8 . Insgesamt ergibt sich damit, daß die Frage einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Verfassungsrecht sich nicht nur für das — nach der Rechtsprechung des E u G H 2 8 9 entgegen dem Vertragswortlaut sehr weitgehend auch für den Einzelnen verbindliche — primäre Gemeinschaftsrecht und für die Verordnungen (allgemeinen Entscheidungen) stellen kann, sondern insbesondere auch bei den Richtlinien (an Staaten gerichteten Empfehlungen) und bei den an Staaten gerichteten (individuellen) Entscheidungen 290 . Für alle diese Normengruppen des Gemeinschaftsrechts kommt somit eine Prävalenz kraft Ermächtigung des nationalen Verfassungsrechts i n Betracht. Es ist deshalb nunmehr i m Hinblick auf diese Normengruppen zu fragen, welcher Geltungsanspruch von ihnen jeweils gegenüber dem nationalen Verfassungsrecht erhoben wird, weil sich u. a. danach der Umfang der Prävalenz kraft Ermächtigung bestimmt. bb) Der Geltungsanspruch der verschiedenen Normengruppen des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem Verfassungsrecht, insbesondere gegenüber den Grundrechten Die Stellungnahmen i m Schrifttum und die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu der Frage, ob das Gemeinschaftsrecht mit innerstaatlicher Wirkung seine Durchsetzung gegenüber dem nationalen Verfassungsrecht, insbesondere gegenüber den Grundrechten beansprucht, lassen sich i m wesentlichen i n drei Gruppen einteilen: Diejenigen, die dem Gemeinschaftsrecht überhaupt keinen derartigen Geltungsanspruch entnehmen, solche, die ihn nur für das Sekundärrecht annehmen, und solche, die ihn für das primäre und das sekundäre Gemeinschaftsrecht bejahen. Nur wenige Autoren gehen anscheinend davon aus, daß weder das primäre noch das sekundäre Gemeinschaftsrecht kraft einer ausdrück288 Vgl. A r t . 228 Abs. I I E W G V sowie Wohlfarth-Everling-Glaesner-Sprung, E W G (1960), A r t . 228 A n m . 22; Wohlfarth, Europ. u. dt. Rechtsordnung (1965), S. 165/166; Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 70 m. Nachw. (EGKS), S. 72 (EWG, EAG); Lörcher, Abschluß völkerrechtlicher Verträge (1965), S. 165/166 m. Nachw. (EWG); Glaesner, Übertragung, DÖV 1959, 656f. (EWG, E A G ; ablehnend für EGKS); v. Meibom, Beschlußfähigkeit, B B 1959, 584 (EWG, EAG). 289 Kritisch dazu etwa Everling, Europ. Gemeinschaftsrecht, N J W 1967, 472 f.; zustimmend dagegen Ipsen, Urteilsanmerkung, EuR 1 (1966), 356 ff., 359. 290 Vgl. Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 295.

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I I I . Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

liehen oder stillschweigenden gemeinschaftsrechtlichen Kollisionsnorm einen derartigen Geltungsanspruch erhebt 2 9 1 . Bei ihnen handelt es sich vorwiegend um Vertreter der völkerrechtlichen Auffassung über das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht. Bei näherer Betrachtung erweist sich, daß sie teilweise die Frage nach entsprechenden gemeinschaftsrechtlichen Kollisionsnormen überhaupt nicht stellen 2 9 2 . Das ist für die völkerrechtliche Auffassung durchaus folgerichtig 2 9 3 . Denn danach hat das primäre Gemeinschaftsrecht kraft Transformation durch die Vertragsgesetze — und damit auch das sekundäre Gemeinschaftsrecht — den Rang eines einfachen deutschen Gesetzes erhalten. Es kommt deshalb nach dieser Auffassung lediglich darauf an, ob das Grundgesetz gemäß Art. 24 Abs. I gewisse Abweichungen des Gemeinschaftsrechts von den Vorschriften des Grundgesetzes gestattet. Insoweit kann danach ausschließlich kraft deutschen Verfassungsrechts das Gemeinschaftsrecht ggf. nicht mehr an den Grundrechten gemessen werden. Infolgedessen besteht für diese Autoren i m Grunde genommen kein Anlaß, die Frage nach einer entsprechenden gemeinschaftsrechtlichen Kollisionsnorm zu stellen. Dagegen nimmt eine andere Auffassung i m Schrifttum an, daß unter den Normengruppen des sekundären Gemeinschaftsrechts wenigstens die Verordnungen einen uneingeschränkten Geltungsanspruch gegenüber dem Verfassungsrecht erheben 294 . Insofern erscheinen vielfach die Vertragsbestimmungen über die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Verordnung und ihre Prüfung durch den Gerichtshof als gemeinschaftsrechtliche Kollisionsnormen für das Verhältnis der Verordnungen zum nationalen Verfassungsrecht. Denn der aus diesen Vorschriften entnommene Grundsatz der innerstaatlichen Rechtmäßigkeit der Verordnungen ohne Rücksicht auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung bedeutet nichts 291 Vgl. die Darstellung oben S. 24 ff., sowie i m einzelnen: Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 86 f., 89 ff.; Schröcker, Das vertragswidrige Gesetz, D V B l . 1958, 417 f.; Carstens, Rang, Festschr. f. Riese (1964), S. 68 ff., 74 ff.; Ehle, Verfassungskontrolle, N J W 1964, 321, 324; w o h l auch Thieme, G r u n d gesetz, W D S t R L 18 (1960), 73/74; nicht eindeutig für das sekundäre Gemeinschaftsrecht: Scheuner, Rechtsetzungsbefugnis, Festschr. f. Verdross (1960), S. 241, 242; ders., Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 108; n u r für das Sekundärrecht: Ballerstedt, M a r k t o r d n u n g (1955), S. 60 f. 292 Vgl. Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 86 ff., 90; Ballerstedt, M a r k t o r d n u n g (1955), S. 60 f. 293 Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 15. 294 Vgl. Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 33 ff.; Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 344 f.; offenbar auch D. Küchenhoff, Grundrechte, DÖV 1963, 163 f.; mindestens hinsichtlich des Sekundärrechts: Ophüls, Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 562, 572; ders., Zustimmungsgesetz, A W D 1964, 66; Wohlfarth, Anfänge, JurJb. 3 (1962/63), 272; ders., Auskunftsrecht (1964), S. 37; ders., Europ. u. dt. Rechtsordnung (1965), S. 167 f.; Knopp, Vorlage von Auslegungsfragen, J Z 1961, 308, insbes. N. 42; Tomuschat, Vorabentscheidung (1964), S. 133.

3. Prävalenz kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung

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anderes als eine gemeinschaftsrechtliche Anordnung der Prävalenz der Verordnungen 2 9 5 . Für die Richtlinie und an Staaten gerichtete Entscheidungen sind derartige Folgerungen noch nicht gezogen worden 2 9 6 , doch liegt dies nahe, wenn man ihnen eine ähnliche Direktwirkung zuschreibt wie den Verordnungen. Diejenigen Stimmen, die sich für einen Vorrang des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts vor dem einfachen nationalen Recht ausgesprochen haben, erstrecken diesen Geltungsanspruch des Gemeinschaftsrechts zumeist auch auf das Verhältnis zum Verfassungsrecht 297 . Insofern werden die gemeinschaftsrechtlichen Kollisionsnormen, die das Verhältnis zum einfachen nationalen Recht betreffen, auf das Verhältnis zum Verfassungsrecht bezogen. Die Begründungen für das Bestehen einer derartigen Kollisionsnorm sind unterschiedlich. Teils werden sie i m Wege der Rechtsfortbildung aus dem Gesamtbild der Verträge abgeleitet, wobei entweder das Prinzip der Effektivität der Gemeinschaftsrechtsordnung 2 9 8 oder die Vorstellung ihrer Selbständigkeit gegenüber den nationalen Rechtsordnungen 299 zum Ausgangspunkt genommen wird. Manche Autoren interpretieren aus den gleichen Erwägungen einzelne Vorschriften der Verträge als Kollisionsnormen 3 0 0 . Dabei ist bestimmend für die Auslegung der Grundsatz, die Funktionsfähigkeit des Gemeinsamen Marktes zu erhalten 3 0 1 . Da eine völkerrechtliche Deutung des Europäischen Gemeinschaftsrechts i n dieser Untersuchung bereits abgelehnt wurde, ist die Annahme, den Verträgen sei ein Geltungsanspruch des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem Verfassungsrecht kraft einer stillschweigenden oder abgeleiteten gemeinschaftsrechtlichen Kollisionsnorm zu entnehmen, jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen. Eine derartige Kollisionsnorm kann den Verträgen jedoch nur i m Wege der Auslegung entnommen werden. 295

So zutreffend Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 345. Vgl. insbes. Ipsen, Richtlinien-Ergebnisse, Festschr. f. Ophüls (1965), S. 78, insbes. N. 32; ferner Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 117 ff. 297 Vgl. Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 639; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 61/62, 63/64, insbes. N. 121; Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 10, 89 ff.; Fuß, Rechtsschutz, N J W 1966, 1784 N. 17; Ipsen, V e r hältnis (1965), S. 27; ders., Entscheidungsanmerkung, EuR 3 (1968), 140; n u r i m Sinne eines Geltungsanspruchs: Seidl-Hohenveldern, Intern. Organisationen (1967), Randnr. 1712. 298 So Zweigert, aaO, S. 638 f. 299 So Badura, aaO, S. 59 ff. 300 Ipsen, Verhältnis (1965), S. 20 ff.; Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 10, 89 ff., 103 ff. (Vgl. aber auch S. 98 ff.: zugleich Rangnormen, d. h. Derogationsnormen). 301 Kritisch dazu Fuß, Rechtsstaatlichkeit, DÖV 1964, 586 N. 139; sowie bereits früher Jaenicke, Verhältnis, ZaöRV 23 (1963), 519 f.; Carstens, Rang, Festschr. f. Riese (1964), S. 69/70. 298

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I I I . Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

Da gemäß Art. 177 EWGV, 150 EAGV die verbindliche Auslegung des EWG-Vertrages und des Euratom-Vertrages i n die Zuständigkeit des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften f ä l l t 3 0 2 , muß für eine zutreffende Beurteilung des Verhältnisses von Gemeinschaftsrecht zu nationalem Recht, bei der es u. a. auf eine Auslegung des Gemeinschaftsrechts ankommt, die Auffassung des Gerichtshofs berücksichtigt werden. Zwar kann der Gerichtshof nicht über die innerstaatliche Prävalenz des Gemeinschaftsrechts entscheiden 303 ; denn dies ist zugleich eine Frage der Anwendbarkeit des nationalen Rechts, für die der Gerichtshof nicht zuständig ist 3 0 4 . Er entscheidet jedoch über den Geltungsanspruch des Gemeinschaftsrechts 305 , weil es sich insoweit um die Auslegung der Gemeinschaftsverträge handelt, für die er gemäß Art. 177 EWGV, 150 EAGV ausschließlich zuständig ist. Der Gerichtshof hat eine entsprechende Auslegung des EWG-Vertrages i n seinem Urteil von 15. 7. 1964 i n der Rechtssache Costa/ENEL gegeben. Zwar beschränkt sich der Tenor dieser Entscheidung auf die Feststellung, daß „einseitige jüngere Maßnahmen dem Gemeinschaftsrecht nicht vorgehen können" 3 0 6 , da es i m konkreten Fall nur erforderlich war, auf das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und späterem (jüngerem) einfachen nationalen Recht einzugehen 307 . Gleichwohl hat der EuGH i n den Gründen seiner Entscheidung ausgeführt, daß „dem vom Vertrage geschaffenen, somit aus einer autonomen Rechtsquelle fließenden Recht wegen dieser seiner Eigenständigkeit keine wie immer gearteten innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgehen können, wenn ihm nicht sein Charakter als Gemeinschaftsrecht aberkannt und wenn nicht die Rechtsgrundlage der Gemeinschaft i n Frage gestellt werden soll" 3 0 8 . 302 Dagegen entscheidet der EuGH gem. A r t . 41 E G K S V n u r über die G ü l t i g keit von Beschlüssen der Hohen Behörde u n d des Rates. E i n Auslegungsmonopol besitzt er nach h. M . für das Montanrecht nicht, vgl. m. Nachw. Tomuschat, Vorabentscheidung (1964), S. 106. 303 Knopp, Aufgabenteilung, Festschr. f. M ö h r i n g (1965), S. 472, 474; Carstens, Rang, Festschr. f. Riese (1964), S. 71; vgl. auch EuGH v. 5.2.1963 (Rs. 26/62) (EuGHE I X , 1/23). Nach a. A. von Ophüls, Herkunft, Festschr. f. Hallstein (1966), S. 401 N. 42 m. Nachw., führen die Entscheidungen des Gerichtshofs praktisch zur U n w i r k s a m k e i t entgegenstehenden nationalen Rechts; ähnlich Gert Meier, Entscheidungsanmerkung, D V B l . 1968, 469 f. 304 Die Entscheidung über die Gültigkeit nationaler Rechtsvorschriften oder über die Vereinbarkeit einer innerstaatlichen Maßnahme m i t dem Vertrag ist dem Gerichtshof nicht übertragen, vgl. m. Nachw. Ule, Gutachten, 46. D J T (1966) 14, S. 121; Basse, E u G H u. dt. Zivilgerichtsbarkeit (1967), S. 221. 305 Steindorff, Rechtsschutz (1964), S. 50, 55; Seidl-Hohenveldern, Intern. Organisationen (1967), Randnr. 1715, 1717; Großfeld, Rezension, JuS 1966, 352; Koppensteiner, Intervention, B B 1967, 223; ähnlich Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 62 N. 114; Jaenicke, Verhältnis, ZaöRV 23 (1963), 533 f. 306 Rs. 6/64 (EuGHE X , 1251/1277). 307 Vgl. Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 642 f.; Großfeld, Rezension, JuS 1966, 352. 308 EuGHE X , 1251/1270.

3. Prävalenz k r a f t verfassungsrechtlicher Ermächtigung

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Damit hat der Gerichtshof sich für eine uneingeschränkte Prävalenz des innerstaatlich wirksamen primären und sekundären Gemeinschaftsrechts auch gegenüber nationalem Verfassungsrecht ausgesprochen 309 . Insofern mag es sich bei seiner Stellungnahme zwar um ein obiter dictum handeln 3 1 0 . Ferner ist die Auslegung des Gerichtshofs i m Verfahren der Vorabentscheidung nicht allgemein verbindlich, sondern bindet nur das vorlegende Gericht und nur für den anhängigen Rechtsstreit 311 . Das mindert die Bedeutung der Entscheidung für die Erkenntnis eines gemeinschaftsrechtlichen Geltungsanspruchs jedoch nicht. Denn der Gerichtshof beurteilt das Verhältnis zum nationalen Recht i m Hinblick auf den „Gemeinschaftscharakter" des Gemeinschaftsrechts 312 . Dieser kann indes durch einen Konflikt m i t nationalem Verfassungsrecht gleichermaßen i n Frage gestellt werden. Es ist deshalb anzunehmen, daß der Gerichtshof bei seiner Stellungnahme bleibt, sofern ihm eine ausdrückliche Vorlagefrage über das Verhältnis zum nationalen Verfassungsrecht gestellt wird. Die von i h m gefundene Kollisionsnorm stützt der Gerichtshof offenbar auf Art. 5 Abs. II, A r t . 7 und Art. 189 EWGV. Ob daneben weitere Vorschriften, insbesondere über die Rechtmäßigkeit der Organhandlungen, i n Betracht kommen, braucht i n dieser Untersuchung ebensowenig erörtert zu werden wie die Frage, ob die genannten Vorschriften wirklich eine Kollisionsnorm zum Inhalt haben 3 1 3 . Es kann ferner — trotz Fehlens eines 309 £ ) e r vorstehend i m Text wiedergegebene Ausspruch des EuGH besagt zwar — für sich genommen — nur, daß innerstaatliche Rechtsvorschriften nicht dem Gemeinschaftsrecht vorgehen, nicht aber, daß dieses jenen vorgeht. Der Gerichtshof spricht jedoch i m Zusammenhang m i t dieser Äußerung ausdrücklich v o m „Vorrang des Gemeinschaftsrechts". Die i m Text vertretene Auffassung w i r d i m übrigen bestätigt durch das U r t e i l v o m 4. 4.1968 — Rs. 34/67 — ( A W D 1968, 202/203), w o der EuGH i m Hinblick auf A r t . 95 E W G V u. a. die Frage beantwortet hat, „welche Folgen sich aus dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts . . . für entgegenstehendes nationales Recht ergeben". Danach „schließt die A r t . 95 des Vertrages zuerkannte W i r k u n g die Anwendbarkeit aller m i t dieser Vorschrift unvereinbaren innerstaatlichen Maßnahmen aus; . . . " . — I m Ergebnis w i e hier Ehle, Verhältnis, N J W 1964, 2333; Frowein, Verhältnis, A W D 1964, 236; Möhring, Rechtsvereinheitlichung, N J W 1965, 2228; Großfeld, Rezension, JuS 1966, 352; Koppensteiner, Intervention, B B 1967, 223; Basse, E u G H u. dt. Zivilgerichtsbarkeit (1967), S. 34 N. 54, S. 220/221; Gert Meier, Geltung, A W D 1968, 209/210. Dagegen w i l l Tomuschat, Vorabentscheidung (1964), S. 132 N. 477a, die i m Text wiedergegebenen Ausführungen des E u G H n u r auf späteres nationales Recht jeder Rangstufe beziehen. 310 Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 115 f. N. 79, S. 117 N. 88; ebenso Großfeld, Rezension, JuS 1966, 352 N. 69. 311 Vgl. EuGH v. 27. 3.1963 (verb. Rs. 28—30/62) (EuGHE I X , 63/81) sowie m. w. Nachw. Tomuschat, Vorabentscheidung (1964), S. 184 ff.; Großfeld, Rezension, JuS 1966, 348; Ule, Gutachten, 46. D J T (1966) I 4, S. 120; Matthies, B i n dungswirkung, Festschr. f. Hallstein (1965), S. 319 f.; Knopp, Aufgabenteilung, Festschr. f. M ö h r i n g (1965), S. 478; Basse, E u G H u. dt. Zivilgerichtsbarkeit (1967), S. 269 ff. 312 Vgl. Großfeld, Rezension, JuS 1966, 352. 313 Dazu vgl. etwa Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 89 ff., sowie kritisch Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 346.

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Gorny

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I I I . Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

Auslegungsmonopols für das Montanrecht — davon ausgegangen werden, daß der vom Gerichtshof entwickelte Grundsatz einheitlich für das Recht aller drei Europäischen Gemeinschaften gilt, nicht nur für den E WG-Vertrag; denn die Gemeinschaften bilden eine funktionelle Einheit 3 1 4 . Nach der maßgeblichen Auslegung des Gerichtshofs erhebt somit das innerstaatlich verbindliche Gemeinschaftsrecht uneingeschränkten Anspruch auf Geltung vor dem nationalen Verfassungsrecht. Zusammenfassend ergibt sich also, daß nach der überwiegenden Meinung i m europarechtlichen Schrifttum jedenfalls die Gemeinschaf tsverordnungen einen uneingeschränkten Geltungsanspruch gegenüber dem nationalen Verfassungsrecht und damit auch gegenüber den Bundesgrundrechten erheben kraft einer gemeinschaftsrechtlichen Anordnung ihrer Prävalenz. Für die Richtlinien und für die an Staaten gerichteten Entscheidungen ist ein derartiger Geltungsanspruch bisher noch nicht vertreten worden. I m neueren Schrifttum zum Europarecht w i r d zum Teil ferner angenommen, daß auch das innerstaatlich verbindliche primäre Gemeinschaftsrecht uneingeschränkte Geltung gegenüber dem nationalen Verfassungsrecht beansprucht. Die vorliegende Untersuchung legt insofern ohne nähere Erörterung die bisher nur durch ein obiter dictum bekannte Auffassung des Gerichtshofs der Gemeinschaften zugrunde, weil dessen Auslegung des Gemeinschaftsrechts gegebenenfalls die nationalen Gerichte bindet. Danach beansprucht das Gemeinschaftsrecht jeder A r t , soweit es innerstaatlich verbindlich ist, uneingeschränkte Geltung gegenüber dem nationalen Verfassungsrecht und damit auch gegenüber den Grundrechten. c) Die Wirkung

verfassungsdurchbrechende des Gemeinschaftsrechts

aa) Die notwendige Verfassungsmäßigkeit des innerstaatlichen Anwendungsbefehls Die bisherige Untersuchung ist i n Übereinstimmung mit der herrschenden Ansicht zu dem Ergebnis gekommen, daß die Eingliederung des unmittelbar verbindlichen Gemeinschaftsrechts i n die nationale Rechtsordnung eines staatlichen Anwendungsbefehls bedurfte. Nach deutschem Verfassungsrecht ist der erforderliche Anwendungsbefehl jeweils durch die Zustimmung zu den Gründungsverträgen der Gemeinschaften gemäß A r t . 24 Abs. I, A r t . 59 Abs. I I S. 1 GG erteilt worden 3 1 5 . Dieser Anwen314 EuGH v. 15.7.1960 (Rs. 27/59 u. 39/59) (EuGHE V I , 819/849); Ophüls, Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 540; Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 148 f. 315 So die w o h l h. M . Vgl. aus dem umfangreichen Schrifttum zur I n k o r p o r a tions-(Transformations-)Kompetenz etwa Partsch, Anwendung, BerDGesVöR

3. Prävalenz kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung

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dungsbefehl hat, wie ferner erkannt wurde, eine Anweisung an die innerstaatlichen Organe und die Rechtsunterworfenen zum Inhalt, der Gemeinschaftsrechtsordnung nach Maßgabe des i n den Gründungsverträgen festgelegten primären Gemeinschaftsrechts Folge zu leisten. Die genannten Vorschriften des Grundgesetzes enthalten keine Aussage darüber, ob der Anwendungsbefehl nach deutschem Verfassungsrecht als Transformationserlaß oder als Vollzugsbefehl zu deuten ist 3 1 6 . Die hier vertretene Deutung des Anwendungsbefehls als Vollzugsbefehl, die auf der rechtlichen Qualifizierung der Europäischen Rechtsordnung beruht, ist daher mit diesen Vorschriften, insbesondere m i t A r t . 59 Abs. I I GG, vereinbar. Folgt man i m übrigen für die Einführung des Inhalts völkerrechtlicher Verträge i n das innerstaatliche Recht der Transformationslehre, so kann jedenfalls eine besondere Eigenart der sog. „Übertragungs-Inkorporierung" 3 1 7 darin gesehen werden, daß sie abweichend davon nicht durch Transformationserlaß, sondern durch Vollzugsbefehl erfolgt. Insofern verdrängt freilich A r t . 24 Abs. I GG nicht A r t . 59 Abs. I I S. 1 GG als spezielleres Gesetz. Vielmehr ist Art. 59 Abs. I I S. 1 GG unabhängig von Art. 24 Abs. I GG anwendbar, soweit seine Voraussetzungen erfüllt sind 3 1 8 . Das ist hinsichtlich der Gründungsverträge der Europäischen Gemeinschaften zweifellos der Fall: Sie regeln „politische Beziehungen des Bundes" (Art. 59 Abs. I I S. 1, 1. Alternative) und beziehen sich ferner „auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung" (Art. 59 Abs. I I S. 1, 2. Alternative) 3 1 9 , soweit sie unmittelbar verbindliches Gemeinschaftsrecht begründen oder ermöglichen 320 . 6 (1964), 88, sowie jeweils m i t umfassenden Nachw. W. Rudolf, Völkerrecht (1967), S. 177, 205 ff.; Maunz-Dürig, GG (Loseblatt-Werk/Stand 1967), A r t . 24 Randnr. 12, A r t . 59 Randnr. 25; ν . Mangoldt-Klein, B G G I I (2), A r t . 59 A n m . I I 3 S. 1126, A n m . I V 7 S. 1145 ff. (ohne eindeutige Stellungnahme w o h l n u r für die Rechtsnatur der „Übertragungsinkorporierung", sowie m i t einigen hier nicht einschlägigen Differenzierungen, ferner S. 1148 unten m i t Hinweis auf die mögliche Ableitung der Inkorporations-Kompetenz aus A r t . 70 ff. GG). Z u eng daher Vogel, Verfassungsentscheidung (1964), S. 6 (Zustimmungsgesetz lediglich interne Voraussetzung) u n d insbes. S. 4 bei u. i n N. 4. 310 Vgl. W. Rudolf, Völkerrecht (1967), S. 177; Boehmer, Vertrag (1965), S. 24 ff, 38; Partsch, Anwendung, BerDGesVöR 6 (1964), 45, 48 ff. 317 Begriff u n d Fragestellung bei v. Mangoldt-Klein, B G G I I (2), A r t . 59 Anm. I I 3 S. 1126. 318 Η . M., vgl. m. Nachw. Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 12; v. MangoldtKlein, B G G I (2), A r t . 24 A n m . I I I 4 b S. 662; Friedr. Klein, Rechtsgutachten, Wehrbeitrag I I (1953), S. 463 ff. 318 Vgl. Maunz-Dürig, GG (Loseblatt-Werk/Stand 1967), A r t . 24 Randnr. 12 a. E. N u r i m letztgenannten Anwendungsbereich der Vorschrift w i r d allerdings die Inkorporationsfunktion des Vertragsgesetzes praktisch, vgl. Maunz-Dürig, GG, A r t . 59 Randnr. 24 (Anm. X I 5); v. Mangoldt-Klein, B G G I I (2), A r t . 59 Anm. I V 7 c S. 1147 unten; W. Rudolf, Völkerrecht (1967), S. 191 unten, 207 unten. 320 Dieses Ergebnis folgt zwar auch aus der Anwendbarkeit des A r t . 24 Abs. I GG, vgl. Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 12 a. E., A r t . 59 Randnr. 17 a. E. Diese könnte freilich gegeben sein, ohne daß der fragliche Vertrag inner*

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I I I . Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

Aus der verfassungsrechtlich normierten Bindung der Gesetzgebung an die Verfassung (Art. 20 Abs. I I I GG) folgt, daß auch die Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen — einschließlich der Gründungsverträge übernationaler Gemeinschaften — mit der Verfassung prinzipiell vereinbar sein müssen 321 . Soweit derartige Vertragsgesetze den Inhalt des völkerrechtlichen Vertrages i n das nationale Recht eingliedern, ergibt sich der materielle Inhalt des damit erteilten Anwendungsbefehls jeweils aus dem Vertrag 3 2 2 . Wegen der Verfassungsbindung des Zustimmungsgesetzes kann der Anwendungsbefehl also nur nach Maßgabe der Verfassung erteilt werden 3 2 3 , unabhängig davon, ob er als Transformationserlaß oder als Vollzugsbefehl aufgefaßt w i r d 3 2 4 . Soweit der Inhalt des Vertrages der Verfassung widerspricht, vermag i h m der Anwendungsbefehl — ggf. vorbehaltlich verfassungsgerichtlicher Entscheidung — nicht zur innerstaatlichen Wirksamkeit zu verhelfen 3 2 5 . Welche Folgen dies für die völkerrechtliche bzw. gemeinschaftsrechtliche Wirksamkeit des Vertragsrechts hat, soll erst später erörtert werden. Jedenfalls ist es denkbar, daß bei einem Verfassungsverstoß völkerrechtlich gültiges und innerstaatlich wirksames Vertragsrecht auseinanderfallen. Damit stellt sich die Frage nach der Verfassungsbindung der vertragschließenden Gewalt. Sie ist mit dem Hinweis auf die prinzipielle Verfassungsunterworfenheit des Gesetzgebers keineswegs beantwortet 3 2 6 . Denn die Gegebenheiten des zwischenstaatlichen Verkehrs rechtfertigen ggf. Modifizierungen der Verfassungsbindung des Gesetzgebers, soweit die Ausübung der vertragschließenden Gewalt sich der außenpolitischen Lage anpassen muß 3 2 7 . staatlich anwendungsfähige Rechtssätze enthält. Die Anwendbarkeit von A r t . 24 Abs. I GG berührt also nicht stets die Inkorporationsfunktion. 321 Vgl. m. Nachw. Maunz, Rechtsgutachten, Wehrbeitrag I I (1953), S. 592/ 593; Kraus, Rechtsgutachten, Wehrbeitrag I (1952), S. 142. 322

H. M.; statt vieler vgl. etwa BVerfG v. 21. 3.1961 (BVerfGE 12, 281/288); v. 20.3.1963 (BVerfGE 15, 337/348); Boehmer, Vertrag (1965), S. 73; MaunzDürig, GG, A r t . 24 Randnr. 10 S. 9 oben. 323 Vgl. Maunz-Dürig, GG, A r t . 59 Randnr. 19 a. E.; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 41; Hauri, Verfassungsmäßigkeit d. Staatsverträge (1962), S. 23 ff.; Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 342; Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 86 f. 324 Vgl. W. Rudolf, Völkerrecht (1967), S. 176; Boehmer, BerDGesVöR 6 (1964), 45 f. 325 Vgl. Boehmer, Vertrag (1965), S. 72 f. 326 So zutreffend Hauri, Verfassungsmäßigkeit d. Staatsverträge (1962), S. 23 N. 1, w e i l vor allem die Grundrechtsbindung einer nicht n u r formellen Begründung bedürfe. 327 Vgl. dazu das „ S a a r - U r t e i l " des BVerfG v. 4. 5.1955 (BVerfGE 4, 157/ 168 ff.); ferner Hauri, Verfassungsmäßigkeit d. Staatsverträge (1962), S. 54 ff.; Menzel, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 18 (1960), 99; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 41 f., 66 f.; Spanner, Rechtskontrolle, Festschr. f. Leibholz I I (1966), S. 616 ff.

3. Prävalenz k r a f t verfassungsrechtlicher Ermächtigung

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Für die Gründungsverträge der Europäischen Gemeinschaften ist hier freilich i n erster Linie zu untersuchen, ob Art. 24 Abs. I GG von Bindungen an die Verfassung, insbesondere an die Grundrechte, freistellt. Denn auch ein innerstaatlicher Geltungsanspruch des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts kann sich gegenüber der Verfassung kraft des Anwendungsbefehls nur durchsetzen, soweit er mit der Verfassung i m ganzen überhaupt vereinbar ist. Soweit er i m Widerspruch zur Verfassung steht, ist das Gemeinschaftsrecht innerstaatlich nicht wirksam. Eine uneingeschränkte innerstaatliche Geltung der Gemeinschaftsrechtsordnung ohne Rücksicht auf ihre Vereinbarkeit m i t den Grundrechten des Grundgesetzes, wie sie das primäre Gemeinschaftsrecht fordert, kann deshalb nur kraft einer entsprechenden verfassungsrechtlichen Ermächtigung eintreten 3 2 8 . Insofern ist also zu erörtern, ob A r t . 24 Abs. I GG dazu ermächtigt, dem Gemeinschaftsrecht eine derartige Prävalenz vor den Grundrechten einzuräumen bzw. — bei Verneinung dieser Frage — welche Grundrechtsschranken das primäre und das sekundäre Gemeinschaftsrecht nicht überschreiten dürfen. Zunächst also geht es m. a. W. darum, ob Art. 24 Abs. I GG dazu ermächtigt, das primäre und/oder das sekundäre Gemeinschaftsrecht gemäß seinem Geltungsanspruch mit verfassungsdurchbrechender, insbesondere grundrechtsdurchbrechender, Wirkung auszustatten. Diese Untersuchung kann nicht mit dem Hinweis abgelehnt werden, die innerstaatliche Gültigkeit des Gemeinschaftsrechts könne schon deshalb niemals in Zweifel gezogen werden, weil die Bundesrepublik Deutschland bereits jahrelang unbeanstandet Mitglied der Gemeinschaften sei und das Gemeinschaftsrecht sich nunmehr jedenfalls faktisch durchsetze 329 . Dieser Einwand geht darüber hinweg, daß ein Geltungsanspruch des Gemeinschaftsrechts i m Sinne einer Prävalenz vor nationalem Verfassungsrecht i n den Gründungsverträgen nicht ausdrücklich festgelegt wurde, vielmehr erst nach Vertragsschluß allmählich durch Auslegung, insbesondere i n der Rechtsprechung des Gerichtshofs, entwickelt worden ist. Eine Verfassungskontrolle sekundären Gemeinschaftsrechts kann zudem jeweils erst nach dessen Entstehung i n Betracht gezogen werden. Derartige Gemeinschaftsrechtsnormen sind jedoch erst seit einiger Zeit i n Erscheinung getreten, und Konflikte zu nationalem Verfassungsrecht sind insofern erst i n Zukunft zu befürchten. 328 Vgl. dazu auch Friauf, Strukturelemente, DVB1. 1964, 785 f. — Nach W. Rudolf, Völkerrecht (1967), S. 176, vermag eine transformierende N o r m einer transformierten niemals einen höheren Rang zu verleihen, als i h n die Verfassung besitzt. Dieser Satz beantwortet nicht die hier zu untersuchende Frage, ob die Verfassung ihren eigenen Geltungsanspruch gem. A r t . 24 Abs. I GG zugunsten des Gemeinschaftsrechts ganz oder teilweise selbst beschränkt. 329 Spengler, Gemeinschaftskommentar (2), EWG-Kartellrecht, Randnr. 24 S. 1414; zustimmend OLG München v. 17. 2.1966 i n : EuR 2 (1967), 247/249 oben; w o h l auch Gert Meier, Entscheidungsanmerkung, N J W 1967, 2110.

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I I I . Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

Allenfalls für die Zulässigkeit einer Verfassungskontrolle des primären Gemeinschaftsrechts mag deshalb — entsprechend völkerrechtlichen Grundsätzen — der Zeitablauf von Bedeutung sein, allerdings nicht mit innerstaatlicher Wirkung, sondern auf der Ebene der Gemeinschaft. Insofern geht es um die Frage, ob die Nichtanwendung von Gemeinschaftsrecht wegen Verfassungswidrigkeit eine Vertragsverletzung darstellt. Darauf w i r d noch einzugehen sein. Schließlich beruht die innerstaatliche Geltung des Europäischen Gemeinschaftsrechts, wie ausgeführt, auch nach deutschem Verfassungsrecht auf dem staatlichen Anwendungsbefehl. Wenn dieser bisher befolgt wurde, so kann daraus nicht gefolgert werden, er sei durch Zeitablauf hinfällig geworden und europäisches Recht gelte nunmehr innerstaatlich unabhängig davon. Die gegenteilige Auffassung müßte voraussetzen, daß die Verfassung insofern entweder obsolet geworden oder kraft Gemeinschaftsrechts derogiert sei. Beides t r i f f t nach den vorangegangenen Ausführungen nicht zu. M i t Recht geht deshalb das Bundesverfassungsgericht davon aus, daß eine Verfassungskontrolle des primären Gemeinschaftsrechts über die Zustimmungsgesetze grundsätzlich zulässig ist 3 3 0 . bb) Der Begriff der Verfassungsdurchbrechung I m Schrifttum w i r d verschiedentlich angenommen, daß Art. 24 Abs. I GG Verfassungsdurchbrechungen zugunsten zwischenstaatlicher Gemeinschaften durch einfaches Gesetz zulasse 331 . Es bedarf deshalb zunächst einer begrifflichen Klärung, inwiefern eine Regelung gemäß dieser Vorschrift als Verfassungsdurchbrechung angesehen werden kann. Der Begriff der Verfassungsdurchbrechung ist von der deutschen Staatsrechtslehre unter der Geltung der Weimarer Verfassung entwickelt worden 3 3 2 . Er bezeichnete vornehmlich bestimmte Erscheinungsformen der Verfassungsänderung, deren Zulässigkeit i n Zweifel gezogen wurde. Nach 330 Anderenfalls hätte das Gericht w o h l k a u m zur Frage der Teilnichtigkeit des Zustimmungsgesetzes zum E W G V Stellung genommen, vgl. BVerfG v. 5. 7. 1697 (BVerfGE 22, 134/151 f.). Dem entspricht die durchaus herrschende und bisher k a u m bestrittene Lehre, vgl. Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 68, 90, m. Nachw. Die gegenteilige Auffassung von E. Schumann, Verhältnis, Z Z P 78 (1965), 123, beruht auf einer sehr weiten Auslegung des A r t . 24 Abs. I GG als Ausnahmevorschrift. 331 Vgl. Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 87 ff.; Erler, G r u n d gesetz, W D S t R L 18 (1960), 19 (keine Verfassungsdurchbrechung i m technischen Sinne), 40 (legitime Verfassungsdurchbrechung); Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 55; Rabe, Verordnungsrecht (1963), S. 124; Scheuner, Rechtsgutachten, Wehrbeitrag I I (1953), S. 138; Friauf, Strukturelemente, D V B l . 1964, 786 N. 80. 332 v g l Loewenstein, Erscheinungsformen (1931), S. 164. Der Begriff erscheint offenbar zuerst bei G. Jellinek, Gesetz u. Verordnung (1887/Neudr. 1964), S. 263.

3. Prävalenz k r a f t verfassungsrechtlicher Ermächtigung

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positivistischer Auffassung unterschied sich die Verfassung vom einfachen Gesetz lediglich durch ihre erhöhte formelle Gesetzeskraft 333 . Dem verfassungsändernden Gesetzgeber waren, soweit die Verfassung keine gegenteilige Bestimmung traf, inhaltlich keine Schranken gesetzt 334 . Ferner wurde es für zulässig angesehen, daß mit verfassungsändernder Mehrheit beschlossene Gesetze von der Verfassung abwichen, ohne daß dies i n der Verfassungsurkunde verlautbart wurde. Auf diese Weise konnte eine Verfassungsänderung stillschweigend, d. h. ohne Änderung oder Ergänzung des Textes der Verfassung, vorgenommen werden 3 3 5 . Dem entsprach die Weimarer Verfassungspraxis zu Art. 76 der Reichsverfassung 336 . M i t der Abkehr vom Positivismus stellte sich für die Staatsrechtslehre jener Zeit die Frage, ob die Übung der stillschweigenden Verfassungsänderungen mit dem Wesen der Verfassung als Staatsgrundgesetz vereinbar sei und ob es ungeschriebene inhaltliche Schranken der Verfassungsänderung gäbe 337 . Unter den Arten der Verfassungsänderung, deren Zulässigkeit i n diesem Zusammenhang erörtert wurde, nahm die Verfassungsdurchbrechung i n der wissenschaftlichen Diskussion einen hervorragenden Platz ein. Die Begriffsbildung erfolgte indessen insofern nicht einheitlich. Zum Teil identifizierte die Lehre die Verfassungsdurchbrechung mit der stillschweigenden Verfassungsänderung 338 . Andere verstanden die Verfassungsdurchbrechung inhaltlich als konkret-spezielle 339 bzw. auch abstrakt-generelle Ausnahmeregelung 340 , welche die Geltung einer Verfassungsrechtsnorm beschränkte, indem sie von ihr abwich, sie jedoch i m übrigen unberührt ließ. Häufig wurden beide Begriffsbestimmungen miteinander verbunden, so daß dann die Verfassungsdurchbrechung einen Spezialfall nur der stillschweigenden Verfassungsänderung darstellte 3 4 1 . Einer näheren Auseinandersetzung mit dieser auch heute 333 Vgl. etwa G. Jellinek, Gesetz u. Verordnung (1887/Neudr. 1964), S. 263; ders., Allg. Staatslehre (4. Aufl./Neudr. 1922), S. 534. 334 Vgl. m. Nachw. Anschütz, Reichsverfassung (14. Aufl./Nachdr. 1960), A r t . 76 Anm. 3. 335 v g l . m . Nachw. Anschütz, Reichsverfassung, A r t . 76 A n m . 2. 336

Vgl. Anschütz, aaO, A r t . 76 A n m . 2 u. 3. Vgl. m. Nachw. Anschütz, Reichsverfassung, A r t . 76 A n m . 2 Ν. 1 S. 402 u. Anm. 3 S. 404 f. 338 Vgl. etwa W. Jellinek, Verfassungsänderndes Reichsgesetz, HdbDStR I I (1932), S. 187 f. 339 So etwa C. Schmitt, Verfassungslehre (1928/Neudr. 1954), S. 99 f., 106 ff.; Anschütz, Reichsverfassung (14. Aufl./Nachdr. 1960), A r t . 76 A n m . 2 S. 402. 340 So etwa Loewenstein, Erscheinungsformen (1931), S. 171 ff.; Leibholz, Verfassungsdurchbrechung, AöR N F 22 (1932), 2, 13 ff.; Menzel, i n : Bonner Komm., A r t . 79 Nachtrag 1, A n m . I I 4 a S. 7; Grosskreutz, Normwidersprüche (1966), S. 41 N. 75. 341 Vgl. die Darstellung bei Loewenstein, Erscheinungsformen (1931), S. 164 ff., sowie bei Ehmke, Verfassungsänderung, AöR 79 (1953/54), 388 ff. 337

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I I I . Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

noch unterschiedlich gehandhabten Begriffsbildung 3 4 2 bedarf es i m Rahmen dieser Untersuchung jedoch nicht. Fraglich ist hier nämlich, ob gemäß Art. 24 Abs. I GG durch einfaches, nicht verfassungsänderndes Gesetz Regelungen getroffen werden dürfen, die von Bestimmungen des Grundgesetzes abweichen. Bei einer derartigen Abweichung kann es sich begrifflich nur u m eine bestimmte Sonderform der Verfassungsdurchbrechung, nämlich um eine ermächtigte Verfassungsdurchbrechung i m Sinne Loewensteins** 3 handeln. Loewenstein bestimmt die Verfassungsdurchbrechung inhaltlich, und zwar als Ausnahme von der Allgemeingültigkeit eines Verfassungsrechtssatzes für einen oder mehrere individuell oder generell bestimmte Fälle 3 4 4 . Während die „wirkliche" Verfassungsdurchbrechung durch verfassungsänderndes Gesetz erfolgt 3 4 5 , beschreibt er die ermächtigte Verfassungsdurchbrechung, wie folgt: „Der Vf.sgesetzgeber normiert einen vf.srechtssatzmäßigen Tatbestand nicht mit absoluter Geltung, die nur durch Vf.änderungsgesetz beschränkt oder durchbrochen werden kann 3 4 6 , sondern er läßt von vornherein Ausnahmen von der Allgemeingültigkeit 3 4 7 i n der Weise zu, daß er an die Adresse des einfachen (Reichs- oder auch Landes-)Gesetzgebers die Ermächtigung erteilt, von dem Vf.srechtssatz i n generell oder individuell umschriebenem Umfang abzuweichen.... Der Vf.sgesetzgeber sieht die Ausnahme, die Durchbrechung, die Relativierung der absoluten Geltung durch den einfachen Gesetzgeber, vf.srechtssatzmäßig ausdrücklich v o r . . . 3 4 8 . " „Auch die ermächtigte Vf.sdurchbrechung ist eine Selbstdurchbrechung der Vf. 3 4 9 , nur daß bei ihr die Ausnahme zur vf.srechtssatzmäßigen Regel nicht schon i n der VU. selbst, gleichzeitig mit dieser, gesetzt ist, sondern daß sie nachträglich und außerhalb des Vf.sänderungsverfahrens erfolgt. Die VU. gewährt ein Blankett zur späteren Durchbrechung in generell oder einzelfallmäßig bestimmtem Umfang zuhanden des einfachen Gesetzgebers. Beiden Arten der Vf.s342 Vgl. dazu m. w. Nachw. Maunz-Dürig, GG, A r t . 79 Randnr. 2 u. 3 (Maunz), sowie Grosskreutz, Normwidersprüche (1966), S. 46 ff. 343 Loewenstein, Erscheinungsformen (1931), S. 181, 253 ff. Der Begriff wurde übernommen von Leibholz, Verfassungsdurchbrechung, AöR N F 22 (1932), 2 f. Der Sache nach ebenso Hensel, Rangordnung, HdbDStR I I (1932), S. 316. Vgl. auch die „verfassungachtende Verfassungsdurchbrechung" bei C. Schmitt, Verfassungslehre (1928/Neudr. 1954), S. 100. Kritisch dagegen Ehmke, V e r fassungsänderung, AöR 79 (1953/54), 403 f. 344 Loewenstein, Erscheinungsformen (1931), S. 171 ff. 345 Loewenstein, aaO, S. 281/282. 346 Gem. A r t . 79 I I I GG hat auch das verfassungsändernde Gesetz Schranken. N u r insoweit k a n n heute von absoluter Geltung gesprochen werden. 347 Sperrungen i m Original werden nicht wiedergegeben. 348 Loewenstein, aaO, S. 254. 340 Eine Selbstdurchbrechung liegt nach Loewenstein, aaO, S. 172, vor, w e n n „die Regel eines Vf.srechtssatzes k r a f t Anordnung der Vf. selbst eine vf.srechtssatzmäßige Durchbrechung i n F o r m einer Ausnahme erleidet".

3. Prävalenz kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung

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durchbrechung, der Selbstdurchbrechung und der ermächtigten Vf.sdurchbrechung, ist gemeinsam, daß sie nach der Struktur der Vf.sordnung vom Vf.sgesetzgeber bereits vorgesehen sind, während die Vf.sdurchbrechung oder Vf.süberschreitung i m Wege des (unmittelbaren oder mittelbaren 3 5 0 ) Vf.sänderungsgesetzes erst nachmals sich ergibt 3 5 1 ." Daraus folgert Loewenstein: „Die Vf.srechtslage w i r d also nicht geändert, w o h l aber die Vf.slage 3 5 2 , wenn der einfache Gesetzgeber dann befugtermaßen, kraft Vorbehalts des Vf.srechtssatzes eine Ausnahme zur vf.srechtssatzmäßigen Regel setzt 3 5 3 ." „ . . . Es gibt also Änderungen der Vf.slage, welche weder des mittelbaren noch des unmittelbaren Vf.sänderungsgesetzes bedürfen. Es gibt Vf.sdurchbrechungen i n dem Sinn, daß ein späteres Gesetz oder auch ein bereits vor der RVf. gültig erlassenes Gesetz eine Ausnahme zu dem i m übrigen unverändert fortgeltenden Vf.srechtssatz bildet, die nicht i m Verfahren der Vf.sänderung, sondern auf dem Wege der einfachen Gesetzgebung erfolgt 3 5 4 ." Zu den Ermächtigungen zu Verfassungsdurchbrechungen zählt Loewenstein 355 u. a. auch die gesetzlichen Ermächtigungen zur Einschränkung von Grundrechten kraft eines den Grundreditsbestimmungen beigefügten Gesetzesvorbehalts. Das beruht darauf, daß er den Begriff der Verfassungsdurchbrechung nicht nur auf Geltungsbeschränkungen von Verfassungsrechtssätzen für konkrete Einzelfälle (sog. konkret-individuelle Verfassungsdurchbrechung 356 ), sondern auch für generell bestimmte Ausnahmen (sog. generell-abstrakte Verfassungsdurchbrechung 356 ) erstreckt. Die Berechtigung eines derartigen weiten Begriffs der Grundrechtsdurchbrechung ist hier nicht zu untersuchen. Begrenzt man indessen die ermächtigte Verfassungsdurchbrechung insgesamt auf Ausnahmeregelungen für bestimmte Einzelfälle, so kann das Zustimmungsgesetz zu 350 Nach anderer Terminologie: des ausdrücklichen oder stillschweigenden Verfassungsänderungsgesetzes, vgl. Loewenstein, aaO, S. 32. 351 Loewenstein, aaO, S. 258. 352 Verfassungsrechtslage bedeutet die i n der Verfassungsurkunde fixierte Normengesamtheit, Verfassungslage umfaßt die außerhalb davon stehenden Normenkomplexe verfassungsrechtlicher Natur, vgl. Loewenstein, aaO, S. 34. Damit ist offenbar der Unterschied von formellem und (nur) materiellem Verfassungsrecht gemeint, vgl. aaO, S. 2 ff. Z u diesen Begriffen vgl. statt anderer Badura, Verfassung, EvStL (1966), Sp. 2347 oben. 353 aaO, S. 254; insofern zustimmend Meyer-Arndt, Grundgesetzänderung. AöR 82 (1957), 282 f., 289. 354 aaO, S. 256. 355 aaO, S. 181, 267 ff.; ebenso der Sache nach Jacobi, D i k t a t u r des Reichspräsidenten, W D S t R L 1 (1924), 110; Hensel, Rangordnung, HdbDStR I I (1932), S. 316; vgl. auch Maunz, Rechtsgutachten, Wehrbeitrag I I (1953), S. 592; ablehnend Häberle, Wesensgehaltsgarantie (1962), S. 203. 358 Die Begriffe stammen von Leibholz, Verfassungsdurchbrechung, AöR N F 22 (1932), 14/15.

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I I I . Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

einem Gründungsvertrag gemäß Art. 24 Abs. I GG als Regelung eines derartigen Einzelfalles angesehen werden 3 5 7 . Sofern A r t . 24 Abs. I GG — worauf sogleich einzugehen ist — Abweichungen von Bestimmungen des Grundgesetzes gestattet, kann diese Vorschrift deshalb als Ermächtigung zu Verfassungsdurchbrechungen i n der dargestellten Bedeutung bezeichnet werden. Diese Bezeichnung erscheint zweckmäßig, weil sie bei Zulässigkeit von Ausnahmeregelungen prägnant zum Ausdruck bringt, daß der einfache Gesetzgeber gemäß A r t . 24 Abs. I GG einen Eingriff i n die Verfassungslage vornimmt, zu dem ohne eine derartige Ermächtigung nur der verfassungsändernde Gesetzgeber befugt wäre 3 5 8 . Rechtslogisch enthielte Art. 24 Abs. I GG einen Gesetzesvorbehalt, der für eine A b weichung des Vertragsgesetzes von der Verfassung eine Verfassungsänderung gemäß Art. 79 GG überflüssig macht, w e i l sie bereits vom Grundgesetzgeber vorweggenommen ist 3 5 9 . Die Besonderheit dieses Gesetzesvorbehalts würde freilich darin bestehen, daß eine derartige Ermächtigung gemäß A r t . 24 Abs. I GG nicht nur Abweichungen von einigen i m einzelnen aufgeführten Bestimmungen des Grundgesetzes erlaubt. Vielmehr werden weder die danach ggf. durchbrechungsfähigen Verfassungsvorschriften noch Umfang und Voraussetzungen ihrer Geltungsbeschränkung bestimmt. Schließlich ergibt diese begriffliche Klarstellung zugleich, daß eine verfassungs- bzw. grundrechtsdurchbrechende Wirkung des Gemeinschaftsrechts kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung gemäß A r t . 24 Abs. I GG darin bestünde, daß die innerstaatliche Verbindlichkeit nicht von der Vereinbarkeit m i t dem Grundgesetz und seinen Grundrechten abhinge. Diese Wirkung kann als Prävalenz kraft ermächtigter Verfassungsdurchbrechung bezeichnet werden. cc) Art. 24 Abs. I GG als Ermächtigung zu Verfassungsdurchbrechungen Eine ausdrückliche Ermächtigung des einfachen Gesetzgebers zu Verfassungsdurchbrechungen enthält Art. 24 Abs. I GG nicht. Seine Auslegung ist deshalb insofern bis heute umstritten. Immerhin kann seine Bedeutung i n dieser Hinsicht wenigstens i n einem entscheidenden Punkt als geklärt angesehen werden: Es besteht Einigkeit darüber, daß die „Übertragung" von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen 357

Maunz-Dürig, GG, A r t . 79 Randnr. 3 (Maunz). Vgl. auch Maunz, Rechtsgutachten, Wehrbeitrag I I (1953), S. 618 unten. 359 So allgemein f ü r Gesetzesvorbehalte Meyer-Arndt, Grundgesetzänderung, AöR 82 (1957), 289; speziell f ü r A r t . 24 GG: Forsthoff, Wehrbeitrag u. Grundgesetz, Wehrbeitrag I I (1953), S. 331; ähnlich Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 19; Menzel, i n : Bonner Komm., A r t . 24 A n m . I I 1; Vogel, V e r fassungsentscheidung (1964), S. 6. 358

3. Prävalenz k r a f t verfassungsrechtlicher Ermächtigung

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— worunter auch die Europäischen Gemeinschaften fallen 3 6 0 — durch einfaches, nicht verfassungsänderndes Gesetz erfolgen darf 3 6 1 . Damit steht zugleich fest, daß die Einordnung i n eine Integrationsgemeinschaft als solche keiner Änderung des Verfassungsgesetzes bedarf, obwohl der Verzicht auf die Ausschließlichkeit der Staatsgewalt und die Duldung der Tätigkeit einer nichtstaatlichen Hoheitsgewalt i m inneren Bereich des Staates materiell als Änderung der Verfassung anzusehen sind 3 6 2 . Bereits insoweit ist demnach A r t . 24 Abs. I GG eine Ermächtigung zu Verfassungsdurchbrechungen 363 und zugleich lex specialis zu A r t . 79 Abs. I S. 2 und Abs. I I GG 3 6 4 . Fraglich ist dagegen, ob das Gesetz gemäß A r t . 24 Abs. I GG i m übrigen — d. h. hinsichtlich der Modalitäten der Eingliederung i n die Integrationsgemeinschaft — an die Vorschriften des Grundgesetzes gebunden ist und abweichende Regelungen deshalb nur i m Wege eines verfassungsändernden Gesetzes getroffen werden dürfen. Die Meinungen i m Schrifttum sind insofern geteilt. Zahlreiche Autoren lehnen eine Auslegung des Art. 24 Abs. I GG als Ermächtigung zu sonstigen Verfassungsdurchbrechungen überhaupt ab und treten für eine Verfassungsbindung des Vertragsgesetzes ein 3 6 5 . I n der Hauptsache stützt sich diese Ansicht auf folgende Argumente: Die Annahme, daß Art. 24 Abs. I GG eine vorweggenommene Verfassungsänderung dieses Umfangs darstelle, wäre m i t den Vorstellungen des Grundgesetzes von seiner eigenen Geltung unvereinbar, insbesondere wegen der nach den Weimarer Erfahrungen äußerst strengen Verfassungsbindung auch des Gesetzgebers 366 . Ferner w i r d darauf verwiesen 3 6 7 , daß mit dieser Auslegung des Art. 24 Abs. I GG ein zweiter Verfassungs560 v. Mangoldt-Klein, B G G I (2), A r t . 24 A n m . I I I 5 f. S. 665 oben; MaunzDürig, GG, A r t . 24 Randnr. 21 S. 18 (Maunz). 561 Vgl. m. eingehenden Nachw. v. Mangoldt-Klein, B G G I (2), A r t . 24 A n m . I I I 4 b S. 662; Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 14 (Maunz); Vogel, Verfassungsentscheidung (1964), S. 4; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 64/65. 362 V g l i Forsthoff, Rechtsgutachten, Wehrbeitrag I I (1953), S. 331 unten; v. Mangoldt-Klein, B G G I (2), A r t . 24 A n m . I I I 4 b S. 662; Vogel, Verfassungsentscheidung (1964), S. 4/5; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 64. 203

Vgl. Forsthoff, aaO. Vgl. v. Mangoldt-Klein, B G G I (2), A r t . 24 A n m . I I I 4 b S. 662; Friedr. Klein, Rechtsgutachten, Wehrbeitrag I I (1953), S. 464/465. 365 v. Mangoldt-Klein, B G G I (2), A r t . 24 A n m . I I I 4 b S. 662; Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 17 (Maunz); Forsthoff, Rechtsgutachten, Wehrbeitrag I I (1953), S. 330 ff.; Ballerstedt, M a r k t o r d n u n g (1955), S. 58 ff.; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 67 m. w. Nachw.; D. Küchenhoff, Grundrechte, DÖV 1963,166. 366 So Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 17 (Maunz). 367 Forsthoff, Rechtsgutachten, Wehrbeitrag I I (1953), S. 332 f. 364

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I I I . Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

gesetzgeber i n das Grundgesetz eingeführt werde. M i t hoher Wahrscheinlichkeit sei anzunehmen, daß sich die eigentliche Fortentwicklung der Verfassungsordnung i m Rahmen internationaler Zusammenschlüsse vollziehen werde und daß die Verfassungsänderungen der Zukunft das Ergebnis völkerrechtlicher Verträge sein würden. Damit würde Art. 24 Abs. I GG das absolut dominierende Rechtsinstrument werden, neben dem A r t . 79 GG nur mehr eine untergeordnete Bedeutung behielte. Keine Verfassung, insbesondere nicht das Grundgesetz könne jedoch die rechtliche Handhabe zu ihrer Auflösung bieten. Wortlaut und Sinngehalt des A r t . 24 Abs. I GG — sowird weiter vorgebracht 368 — ließen es nicht zu, die Norm als Grundlage einer verfassungsdurchbrechenden Integrationsgewalt zu deuten, die eine unübersehbare und inhaltlich nicht deutlich feststellbare Nebenverfassung zugunsten zwischenstaatlicher Einrichtungen hervorbringen könnte. Die damit an sich geforderte strenge Verfassungsbindung des Vertragsgesetzes w i r d indessen von einigen ihrer Befürworter sogleich wieder eingeschränkt. So meint etwa Maunz 369, es bestehe innerhalb des abgetretenen Sachbereichs keine Bindung an staatliches Recht mehr, auch nicht an die Grundrechte, sobald der staatsrechtliche Verzicht gemäß Art. 24 GG erfolgt sei. Dieses Ergebnis soll sich offenbar aus Art. 24 GG ergeben und also auf einer Selbstbeschränkung der Verfassung beruhen. Jedenfalls muß das aus der Begründung von Maunz gefolgert werden: Anderenfalls — so sagt e r 3 7 0 — könnten i m Wege des Art. 24 Abs. I GG nur Gebilde zustande kommen, die in jedem der Mitgliedstaaten andere Schranken zu beachten hätten. Ein solches Ergebnis könne nicht i m Sinne des von der Verfassung mit Art. 24 Abs. I GG geplanten „großen Wurfes" liegen. Nach dieser Auffassung kommt anscheinend kraft des Art. 24 Abs. I GG eine Verfassungskontrolle nach Vertragsschluß nicht mehr i n Betracht. Badura schließt aus der Präambel und der „Unterwerfungsbereitschaft" des Art. 24 Abs. I GG, daß die direktive Wirkung der sachlichen Normen des Grundgesetzes bei der Anwendung auf die Vertragsgesetze beschränkt sei 3 7 1 . Die Verfassungsrechtssätze über die Grundrechte, die Gewaltenteilung, den rechtsstaatlichen Gesetzesbegriff, das parlamentarische System müßten insofern auch „Rechtsfolgen besonderer A r t " ergeben, die den andersartigen Bedingungen der Herrschaftsausübung i n internationalen Einrichtungen entsprächen 372 . 368 369 370 371 372

Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 67. Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 18. Maunz, aaO. Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 41 f. Badura, aaO, S. 38, 66 f.

3. Prävalenz k r a f t verfassungsrechtlicher Ermächtigung

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Angesichts derartiger Modifikationen der bereits beschriebenen Grundauffassung kann von der — an sich geforderten — Bindung des Gesetzgebers gemäß Art. 24 Abs. I GG an die übrigen Bestimmungen der Verfassung bei Maunz und Badura eigentlich nicht mehr die Rede sein. Die wohl herrschende Meinung i m Schrifttum bekennt sich auch mit Recht offen dazu, die Vorschrift als Ermächtigung zu Abweichungen ohne Änderung des Verfassungsgesetzes anzusehen, wenn auch zumeist mit gewissen, sogleich noch zu erörternden Einschränkungen 373 . Dieses Ergebnis folgt aus einer systematischen Auslegung, die inzwischen wohl bereits überwiegend Zustimmung gefunden hat. Insbesondere i m Zusammenhang mit der Präambel und den Art. 25 und 26 GG ist dem Art. 24 GG mit Deutlichkeit eine Entscheidung des Verfassungsgebers für die Beteiligung der Bundesrepublik an der Organisation der Völkergemeinschaft und insbesondere eine Entscheidung für die Integration in europäische Staatengemeinschaften zu entnehmen 3 7 4 . Die vorgesehene „Übertragung von Hoheitsrechten" umfaßt ferner auch die Beteiligung an Integrationsgemeinschaften, die — anders als die herkömmlichen internationalen Organisationen — Aufgaben der beteiligten Staaten übernehmen und auf den ihnen überlassenen Sachgebieten auf deren inneren Bereich einwirken 3 7 5 . Die Verfassungsstruktur derartiger Gemeinschaften — und, wie die bisherige Entwicklung der Europäischen Gemeinschaften gezeigt hat, weitgehend auch ihre Wirksamkeit zur Erreichung der gesteckten Ziele — kann jeweils nur das Ergebnis eines Kompromisses sein, der i n Verhandlungen der beteiligten Staaten i m Ausgleich und auf der Grundlage ihrer gemeinsamen Vorstellungen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erreicht wird. Die Verfassung einer Integrationsgemeinschaft kann deshalb niemals ein getreues Abbild der Verfassung eines ihrer Mitgliedstaaten sein. Das von Art. 24 Abs. I GG erstrebte Integrationsziel kann daher ggf. ohne gewisse Abweichungen von der Verfassungsstruktur des Grundgesetzes nicht erreicht werden 3 7 6 . Da die Be373 Vgl. etwa m. Nachw. Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 40 ff.; Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 55 ff.; Vogel, Verfassungsentscheidung (1964), S. 5 ff.; Rabe, Verordnungsrecht (1963), S. 120; Friauf, S t r u k t u r elemente, D V B l . 1964, 786; Möhring, Rechtsvereinheitlichung, N J W 1965, 2229 f.; vgl. auch die eingehenden Nachw. bei Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 17 N. 2, sowie bei Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 67 N. 129. 374 Grundlegend Vogel, Verfassungsentscheidung (1964); ferner etwa Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 56 f.; Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 7; Rabe, Verordnungsrecht (1963), S. 124; Möhring, Rechtsvereinheitlichung, N J W 1965, 2229. 375 Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 17; v. Mangoldt-Klein, B G G I (2), A r t . 24 A n m . I I I 5 e S. 664. 376 Vgl. darüber etwa Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 88; Merk, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 18 (1960), 88; Nicolay sen, A k t u e l l e Entwicklung, N J W 1964, 965; Rabe, Verordnungsrecht (1963), S. 124; Friauf, Strukturelemente, D V B l . 1964, 787; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 38; Möhring, Rechtsvereinheitlichung, N J W 1965, 2229/2230; Ipsen, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 130.

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I I I . Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

Stimmung mit Sicherheit die Eingliederung der Bundesrepublik in derartige Integrationsgemeinschaften erleichtern w i l l 3 7 7 , erscheint die A n nahme gerechtfertigt, daß sich die Befreiung von etwa erforderlichen Änderungen des Verfassungsgesetzes nicht nur auf diesen Vorgang als solchen, sondern auch auf die damit unvermeidlich verbundenen Eingriffe i n den Bestand der Verfassung erstreckt 378 . Anderenfalls käme möglicherweise die vorgesehene Erleichterung nicht zur W i r k u n g 3 7 9 . Maßstab für die Unvermeidlichkeit derartiger Eingriffe ist, was i n der jeweiligen Lage außenpolitisch erreichbar ist. Formallogisch handelt es sich bei dieser Auslegung des A r t . 24 Abs. I GG um einen Schluß vom Zweck auf das M i t t e l 3 8 0 . Dieses Schlußverfahren gehört auch i m Verfassungsrecht zu den zulässigen Mitteln der Rechtsgewinnung 3 8 1 und beruht letztlich auf einer systematischen und teleologischen Interpretation der Norm, also auf wertender Beurteilung, nicht logischer Notwendigkeit der Schlußfolgerung 382 . Seine Anwendung bei der Auslegung des Art. 24 Abs. I GG rechtfertigt sich aus dem allgemeinen Grundsatz, wonach derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben ist, die die juristische Wirkungskraft der auszulegenden Norm am stärksten entfaltet 3 8 3 . Der Anwendungsbereich des Zweck-Mittel-Schlusses endet jedoch wie derjenige der teleologischen Auslegung überhaupt dort, wo Wortlaut und Sinn der Verfassung i h m Grenzen setzen 384 . Insofern kann Art. 24 Abs. I GG nicht als eine schrankenlose Ermächtigung zu Verfassungsdurchbrechungen angesehen werden. Allerdings w i r d gelegentlich i m Schrifttum die Ansicht vertreten, daß Art. 24 Abs. I GG den Gesetzgeber 377 Das w i r d i m Grundsatz durch die Entstehungsgeschichte bestätigt, vgl. die Darstellung von Matz i n J b ö f f R N F 1 (1951), 222 ff. Ferner vgl. Scheuner, Rechtsgutachten, Wehrbeitrag I I (1953), S. 137; Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 87; Kaufmann, Rechtsgutachten, Wehrbeitrag I I (1953), S. 54. 378 So sinngemäß auch die Begründung bei Rabe, Verordnungsrecht (1963), S. 124; Friauf, Strukturelemente, DVB1. 1964, 787; Möhring, Rechtsvereinheitlichung, N J W 1965, 2229/2230; Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 57. 379 Vgl. auch Ophüls, Zustimmungsgesetz, A W D 1964, 66. 380 Vgl. Menzel, Rechtsgutachten, Wehrbeitrag I (1952), S. 284, i m Hinblick auf A r t . 24 I I GG. 381 υ. Mangoldt-Klein, B G G I (2), Einleitung I V 6 S. 9, i m Anschluß an E. Küchenhoff, Bundeszuständigkeiten, DVB1.1951, 617. 382 Vgl. Triepel, Kompetenzen d. Bundesstaates, Festg. f. Laband I I (1908), S. 287, 293; E. Küchenhoff, Bundeszuständigkeiten, DVB1.1951, 617 N. 83, S. 618. 383 BVerfG v. 17.1.1957 (BVerfGE 6, 55/72). Kritisch zu diesem Auslegungsprinzip Ehmke, Verfassungsinterpretation, W D S t R L 20 (1963), 87 f. Der Gedanke der Effektivität ist nicht n u r i m Bereich der Grundrechtsauslegung anwendbar, vgl. Graf v. Pestalozza, Grundrechtsauslegung, Staat 2 (1963), 444 m. Nachw. 384 v g l Triepel, Kompetenzen d. Bundesstaates, Festg. f. Laband I I (1908), S. 290; E. Küchenhoff, Bundeszuständigkeiten, DVB1.1951, 618.

3. Prävalenz kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung

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von allen Bindungen an das Grundgesetz freistelle 3 8 5 . Der Hinweis, daß eine ausdrückliche Einschränkung der Integrationskompetenz 386 i n Art. 24 Abs. I GG fehle 3 8 7 , überzeugt freilich insofern schon deshalb nicht, weil auch die einzuschränkende Ermächtigung i n dieser Vorschrift nicht ausdrücklich ausgesprochen ist. Offenbar beruht diese Auffassung bei einigen Interpreten des Art. 24 Abs. I GG auf der Vorstellung, auf Grund dieser Vorschrift werde ein europäischer Verfassungsgeber tätig, der als solcher an verfassungsrechtliche Schranken des Grundgesetzes nicht gebunden sei 3 8 8 . Die Lehre vom europäischen Verfassungsgeber kraft des A r t . 24 Abs. I GG geht auf einen von Forsthoff 389 geprägten Begriff zurück. Während Forsthoff aber noch von einem zweiten Verfassungsgesetzgeber i m Grundgesetz sprach, entwickelte sich diese Rechtsfigur i m Laufe der Zeit zu einem zweiten Verfassungsgeber 390 und schließlich zu einem internationalen Verfassungsgeber i n Gemeinschaft mit den Verfassungsgebern anderer M i t gliedstaaten 391 . Das verleitet zu der Vorstellung, i n seiner Eigenschaft als Verfassungsgeber sei der Gesetzgeber gemäß A r t . 24 GG i n seiner Entscheidung ungebunden. Wer Verfassungsgeber der Europäischen Gemeinschaften ist, soll hier nicht untersucht werden 3 9 2 . Soweit aber Gesetzgebungsorgane der Bundesrepublik die Integrationskompetenz gemäß A r t . 24 GG ausüben, wirken sie kraft deutschen Verfassungsrechts auf die Verfassungsrechtsordnung der Bundesrepublik ein und sind insofern allenfalls i m materiellen Sinne ein Verfassungsgesetzgeber 393 , jedenfalls aber zuständig kraft dieses Verfassungsgesetzes und nach Maßgabe dieses Verfassungsgesetzes. Aus dieser Funktion als solcher kann eine Befreiung von Verfassungsbindungen schwerlich abgeleitet werden. 385 So offenbar Menzel, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 18 (1960), 98—100; Kaiser, Differenzierung, ÖZöR 10 (1959/60), 419; Zweigert, Einfluß, RabelsZ 28 (1964), 640 f.; nicht eindeutig i n dieser Hinsicht: Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 88; Ipsen, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 18 (1960), 92, 96. 388 Z u diesem Begriff vgl. Vogel, Verfassungsentscheidung (1964), S. 5 N. 8. 387 So Zweigert, aaO; BFH v. 18. 4.1967, EuR 2 (1967), 239/245 oben. 388 Vgl. Kaiser, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 18. 389 Forsthoff, Rechtsgutachten, Wehrbeitrag I I (1953), S. 332 unten; ähnlich Kraus, Rechtsgutachten, Wehrbeitrag I I (1953), S. 554 oben: Verfassungsgesetzgeber für einen europäischen Bundesstaat i m Zusammenwirken m i t anderen Staaten. 390 Vgl. Vogel, Verfassungsentscheidung (1964), S. 7 N. 10; Kaiser, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 17. 391 Kaiser, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 17/18. 392 y g i dazu aber die kritischen Hinweise von Hoffmann, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 118 (allenfalls mittelbare Verfassungsgebereigenschaft i n bezug auf die supranationale Gemeinschaft). 393 Z u eng aber w o h l Hoff mann, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 118: i n bezug auf die Bundesrepublik n u r negativer Verfassungsgeber durch E n t ziehung von Kompetenzen.

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I I I . Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

Die ganz überwiegende Meinung nimmt zutreffend an, daß die Ermächtigung zu Durchbrechungen Grenzen hat, die sich entweder aus Art. 79 Abs. I I I GG oder aus A r t . 24 Abs. I GG selbst ergeben 394 . Unabhängig davon, welcher Vorschrift die Schranken der Durchbrechung zu entnehmen sind, gilt jedenfalls auch für A r t . 24 Abs. I GG, daß er „nicht isoliert betrachtet und allein aus sich heraus ausgelegt werden" darf 3 9 5 . Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 396 muß vielmehr jede Verfassungsvorschrift so ausgelegt werden, daß sie m i t den elementaren Verfassungsgrundsätzen und Grundentscheidungen des Grundgesetzes, insbesondere den Grundrechten, und seiner Werteordnung vereinbar ist. Danach ist „vornehmstes Interpretationsprinzip . . . die Einheit der Verfassung als eines logisch-teleologischen Sinngebildes, weil das Wesen der Verfassung darin besteht, eine einheitliche Ordnung des politischen und gesellschaftlichen Lebens zu sein" 3 9 7 . Insofern enthält die i n A r t . 24 Abs. I GG erklärte Integrationsbereitschaft des Grundgesetzes nicht lediglich eine reine Zweckmäßigkeitsentscheidung für die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und des Wohlstands auf übernationaler Ebene, sondern vor allem eine Absage an die nationalstaatliche Vergangenheit als außenpolitische Grundsatzentscheidung 398 . Indessen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Entscheidung für die Integrationsbereitschaft, die nicht einmal zu dem einer Verfassungsänderung unzugänglichen Verfassungskern gemäß A r t . 79 Abs. I I I GG gehört 3 9 9 , ein vorrangiges Verfassungsprinzip darstellt, welches anderen Grundentscheidungen vorgeordnet wäre 4 0 0 . Dem Grundgesetz kann deshalb die Integration nur so weit erstrebenswert sein, wie 394

Vgl. die ausführlichen Nachw. bei υ. Mangoldt-Klein, B G G I (2), A r t . 24 Anm. I I I 5 d S. 663 f.; Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 16 (Maunz); Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 67 N. 129; ferner Friauf, S t r u k t u r elemente, D V B l . 1964, 786 ff.; Hoff mann, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 118; ders., Verhältnis, DÖV 1967, 437; E. Schumann, Verhältnis, Z Z P 78 (1965), 123; Möhring, Rechtsvereinheitlichung, N J W 1965, 2230. 395 Maunz, Rechtsgutachten, Wehrbeitrag I I (1953), S. 604; Friauf, S t r u k t u r elemente, D V B l . 1964, 786; Möhring, Rechtsvereinheitlichung, N J W 1965, 2230; die Formulierung i m Text ist entnommen aus BVerfG v. 23.10.1951 (BVerfGE 1,14/32). 396 Vgl. BVerfG v. 23.10.1951 (BVerfGE 1, 14/32 f.); v. 14.12.1965 (BVerfGE 19, 206/220). 397 BVerfGE 19, 206/220; ausführlich dazu Ehmke, Verfassungsinterpretation, W D S t R L 20 (1963), 77 ff. 398 Ausführlich dazu Vogel, Verfassungsentscheidung (1964), S. 36 ff.; vgl. auch Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 7. 399 Eine entsprechende Anwendung des A r t . 79 I I I GG insofern k o m m t nicht i n Betracht, vgl. Maunz-Dürig, GG, A r t . 79 Randnr. 24; Vogel, Verfassungsentscheidung (1964), S. 43 f. 400 Maunz, Rechtsgutachten, Wehrbeitrag I I (1953), S. 598/599; Friauf, S t r u k turelemente, D V B l . 1964, 787; Möhring, Rechtsvereinheitlichung, N J W 1965, 2230. Rabe, Verordnungsrecht (1963), S. 124, bezieht den von i h m bejahten „ V o r rang" des A r t . 24 GG nicht auf „unantastbare Verfassungsprinzipien".

3. Prävalenz k r a f t verfassungsrechtlicher Ermächtigung

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die damit verbundene Umgestaltung der materiellen Verfassungscrdnung nicht den änderungsfesten Verfassungskern antastet 401 . Demgegenüber erscheint es als zweitrangig, ob diese Ermächtigungsschranke als immanente Beschränkung unmittelbar Art. 24 Abs. I GG entnommen w i r d 4 0 2 oder ob A r t . 79 Abs. I I I GG insofern entsprechend angewandt w i r d 4 0 3 . Eine unmittelbare Anwendung des A r t . 79 Abs. I I I GG kommt jedenfalls nicht i n Betracht, weil die Vorschrift eine Änderung des Verfassungsgesetzes gemäß A r t . 79 Abs. I S. 2 und Abs. I I GG voraussetzt 404 . Für eine entsprechende Anwendung hingegen sprechen erhebliche Gründe. Die Ermächtigung des einfachen Gesetzgebers, die nach der oben i n Übereinstimmung m i t der überwiegenden Auffassung gegebenen Auslegung i n A r t . 24 Abs. I GG vorliegt, soll die Übertragung dadurch erleichtern, daß die formelle Änderung des Verfassungsgesetzes für unvermeidliche Abweichungen nicht erforderlich ist und insbesondere die dafür sonst nowendigen qualifizierten Mehrheiten nicht zustande gebracht werden müssen. Die Erleichterung bezieht sich also nur auf Form und Verfahren bei einer materiell verfassungsändernden Ausübung der Integrationskompetenz. Aus dieser Formerleichterung kann aber nicht geschlossen werden, daß der Gesetzgeber, wenn er nur materiell, nicht formell die Verfassung ändert, inhaltlich die Schranken nicht zu beachten brauche, die er ohne die Formerleichterung nicht überschreiten dürfte. Überdies hätte es nicht einmal dem Verfassungsgeber selbst freigestanden, die Integrationskompetenz von der Beachtung des A r t . 79 Abs. I I I GG — etwa i m Hinblick auf den Wesens- und Menschenwürdegehalt vorverfassungsmäßiger Grundrechte — zu befreien 405 . Unter dieser Voraussetzung kann dem Verfassungsgeber nach dem Grundsatz der einheitlichen Auslegung der Verfassung eine Inkonsequenz — wie sie eine derartige Befreiung darstellen würde — keinesfalls unterstellt werden. Art. 24 Abs. I GG ist somit nach der hier dargelegten Auffassung als lex specialis zu A r t . 79 Abs. I S. 2 und Abs. I I GG anzusehen, auf welche Art. 79 Abs. I I I GG jedoch anwendbar bleibt. Eine entsprechende Anwendung des Art. 79 Abs. I I I GG (a maiore ad minus) w i r d von Thieme möglicherweise deshalb abgelehnt, w e i l zweifelhaft sein mag, ob danach die Grundrechte von Durchbrechungen gemäß Art. 24 Abs. I GG ausgenommen sind 4 0 6 . Derartige Zweifel wären jedoch 401 So i m Grundsatz die überwiegende Meinung, vgl. die Nachweise oben S.128 N. 394. 402 So etwa Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 58; Rabe, Verordnungsrecht (1963), S. 124 f. 403 So w o h l Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 40/41. 404 Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 58. 405 Vgl. Maunz-Dürig, GG, A r t . 79 Randnr. 25, 26; Grosskreutz, N o r m w i d e r sprüche (1967), S. 79 ff. (in bezug auf A r t . 139 GG). 406 Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 58.

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Gorny

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I I I . Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

nicht geeignet, die Gründe, die soeben für eine entsprechende Anwendung des A r t . 79 Abs. I I I GG angeführt wurden, gewissermaßen vom Ergebnis her zu entkräften. Sofern die Bedeutung des Art. 79 Abs. I I I GG für die Unverbrüchlichkeit der Grundrechte nicht nur formal gesehen wird, ergibt sich — wie noch auszuführen sein w i r d — eine weitgehende Unverletzlichkeit der Grundrechte gegenüber der Ermächtigung des A r t . 24 Abs. I GG bereits aus einer entsprechenden Anwendung des Art. 79 Abs. I I I GG auf Tatbestände des Art. 24 Abs. I GG. Es ist deshalb nicht erforderlich, zur Begründung der Unverbrüchlichkeit der Grundrechte eine Lehre von immanenten Schranken des A r t . 24 Abs. I GG zu entwickeln 4 0 7 . Schließlich ist auf einen Gesichtspunkt hinzuweisen, der vom Schriftt u m herangezogen wird, teils um die Unantastbarkeit des Verfassungskerns auf anderem Wege als durch eine entsprechende Anwendung des A r t . 79 Abs. I I I GG zu begründen, teils um die entsprechende Anwendung dieser Bestimmung zu modifizieren. Es handelt sich um die vielfach vertretene Beschränkung der Durchbrechungsvollmacht des Art. 24 Abs. I GG durch die Voraussetzung, daß die Verfassung der Integrationsgemeinschaft mit dem Grundgesetz „strukturell kongruent" sei 4 0 8 . Der Grundsatz der „strukturellen Kongruenz" w i r d insofern entweder unmittelbar dem Art. 24 Abs. I GG als immanente Schranke entnommen 4 0 9 oder aber als Maßstab der Anwendbarkeit des Art. 79 Abs. I I I GG auf Tatbestände des Art. 24 Abs. I GG angesehen 410 . Soweit dieser Grundsatz die Anwendbarkeit des A r t . 79 Abs. I I I G G 4 1 1 bzw. unmittelbar die Unantastbarkeit der darin i n Bezug genommenen Verfassungsgrundsätze 412 überhaupt erst begründen soll, erscheint dies als ein zweifelhafter Umweg. Die Anwendbarkeit des A r t . 79 Abs. I I I GG und damit die Unantastbarkeit der durch ihn der Verfassungsänderung entzogenen Grundentscheidungen folgt nach der hier vertretenen und zuvor dargelegten Auffassung bereits unmittelbar aus der Interpretation des A r t . 24 Abs. I GG. 407

So aber Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 58, 62. Als erster w o h l Kraus, Rechtsgutachten, Wehrbeitrag I I (1953), S. 546, 551, 553; i m übrigen vgl. die Nachweise bei v. Mangoldt-Klein, B G G I (2), Art. 24 Anm. I I I 5 d S. 663 f.; Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 16 N. 2; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 39 N. 15 u. 16. 409 Der Grundsatz begründet insofern die Anwendbarkeit des A r t . 79 I I I GG als Maßstab der Kongruenz, vgl. Kruse, Strukturelle Kongruenz, Festschr. f. Kraus (1954), S. 115,121 ff., 127. 410 Vgl. Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 58 ff.; Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 41 ff. Diese Meinung f ü h r t je nach der A r t der zwischenstaatlichen Einrichtung zu einer differenzierten Anwendung des A r t . 79 I I I GG i n struktureller Hinsi°Jit. 411 So Kruse, aaO. 412 So w o h l v. Mangoldt-Klein, B G G I (2), A r t . 24 A n m . I I I 5 d S. 664 oben; Rabe, Verordnungsrecht (1963), S. 124 f. 408

4. Zusammenfassung

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Soweit dagegen der Grundsatz der „strukturellen Kongruenz" als Maßstab der Anwendbarkeit des A r t . 79 Abs. I I I GG angesehen wird, ist er nicht geeignet, den Umfang der Grundrechtsbindung des Gesetzes gemäß Art. 24 Abs. I GG zu bestimmen 4 1 3 . Das bedarf jedoch einer besonderen Begründung, die alsbald i m Zusammenhang mit der Verbindlichkeit der Grundrechte gegenüber dem sekundären Gemeinschaftsrecht gegeben w i r d 4 1 4 . Insgesamt ist also A r t . 24 Abs. I GG eine — wenn auch nicht schrankenlose — Ermächtigung für den einfachen Gesetzgeber zu Verfassungsdurchbrechungen. Was somit hiernach als Tatbestand einer ermächtigten Verfassungsdurchbrechung gewertet wird, bezeichnet Ipsen anscheinend als Verfassungs-„Mutation" 4 1 5 . Freilich ist die präzise Bedeutung dieses neuen Begriffs u n k l a r 4 1 6 . Eine Änderung der Verfassungslage kann auf Grund einer Einordnung i n eine Integrationsgemeinschaft gemäß Art. 24 Abs. I GG sowohl als Änderung nur des materiellen Verfassungsrechts 417 wie auch — i m Hinblick auf A r t . 24 Abs. I GG selbst — als Konkretisierung dieser Norm in der Verfassungswirklichkeit 4 1 8 verstanden werden. Beides könnte als Verfassungs-,,Mutation" bezeichnet werden 4 1 9 . Die bislang ausstehende Präzisierung des Begriffs könnte allerdings auch unzutreffende Vorstellungen von einer Derogation oder wenigstens faktischen Verdrängung des Grundgesetzes durch das Gemeinschaftsrecht erwecken. Er soll daher hier nicht übernommen werden.

4. Zusammenfassung

Bevor speziell das Verhältnis von Gemeinschaftsrecht und deutschen Grundrechten näher erörtert wird, erscheint es zweckmäßig, die wichtigsten Ergebnisse des I I I . Abschnitts kurz zusammenzufassen. Eine Prävalenz des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts vor dem nationalen Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland 413 Das w i r d offenbar auch vorausgesetzt von Thieme, Grundgesetz, W D StRL 18 (1960), 58, 62. 414 Unten S. 143 ff. 415 Ipsen, Bundesstaat, Festschr. f. Hallstein (1966), S. 254, 264. 416 Nach Fuß, Buchbesprechung, N J W 1967, 488, handelt es sich weder u m Verfassungsänderung noch u m Verfassungsdurchbrechung. 417 Vgl. etwa Vogel, Verfassungsentscheidung (1964), S. 5. Z u m Begriff der Verfassungslage i m Sinne des materiellen Verfassungsrechts vgl. etwa Loewenstein, Erscheinungsformen (1931), S. 34. 418 Z u m Begriff der Verfassungslage i m Sinne der konkreten Wirksamkeit der Bestimmungen des Grundgesetzes vgl. v. Mangoldt-Klein, B G G I (2), E i n leitung I I I 2 u. 3, S. 4 ff. 419 Ipsen meint vermutlich das letztere, da er von der „Praktizierung" des A r t . 24 I GG spricht, vgl. ders., Bundesstaat, Festschr. f. Hallstein (1966), S. 254.

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I I I . Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

kann rechtslogisch nur i n zwei (alternativen) Formen bestehen: als Prävalenz kraft Höherrangigkeit oder als Prävalenz kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung. Prävalenz kraft Höherrangigkeit bezeichnet die — hier fraglichen — Derogations- bzw. Suspensionswirkungen des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem nationalen Verfassungsrecht. Prävalenz kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung bezeichnet die — hier fragliche — Geltungsbeschränkung des Verfassungsrechts durch das Gemeinschaftsrecht auf Grund einer Ermächtigung i m nationalen Verfassungsrecht. I m Schrifttum w i r d dem primären und dem sekundären Gemeinschaftsrecht überwiegend eine Prävalenz kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung gegenüber dem Grundgesetz zugeschrieben. Allerdings w i r d der Umfang dieser Prävalenz hinsichtlich der Bundesgrundrechte unterschiedlich bestimmt. Die vorliegende Untersuchung qualifiziert das Gemeinschaftsrecht nicht als Völkerrecht, sondern als supranationales Recht, das in bestimmten Sachbereichen als nichtstaatliches Recht neben oder an die Stelle des staatlichen Rechts mit unmittelbarer innerstaatlicher Wirkung tritt. Als außerstaatliches Rechts bedarf das (primäre) Gemeinschaftsrecht für seine innerstaatliche Geltung der Anerkennung durch den staatlichen Anwendungsbefehl. Der Anwendungsbefehl für das Gemeinschaftsrecht ist nicht als Transformationserlaß, sondern als Vollzugsbefehl aufzufassen, der die Gemeinschaftsnormen nicht von ihrem gemeinschaftsrechtlichen Geltungsgrund löst. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Gemeinschaften ist dem primären Gemeinschaftsrecht durch Auslegung ein Anspruch auf uneingeschränkte Prävalenz des innerstaatlich wirksamen primären und sekundären Gemeinschaftsrechts gegenüber dem nationalen Verfassungsrecht zu entnehmen. Die überwiegende Meinung i m europarechtlichen Schrifttum vertritt einen uneingeschränkten Geltungsanspruch jedenfalls der Gemeinschaftsverordnungen gegenüber dem nationalen Verfassungsrecht. I m neueren Schrifttum zum Europarecht w i r d zum Teil ferner angenommen, daß auch das innerstaatlich verbindliche primäre Gemeinschaftsrecht uneingeschränkte Geltung gegenüber dem nationalen Verfassungsrecht beansprucht. Soweit danach der Gerichtshof und die Gemeinschaftsrechtswissenschaft einen uneingeschränkten Geltungsanspruch des sekundären bzw. auch des primären Gemeinschaftsrechts bejahen, richtet sich dieser Geltungsanspruch jeweils auch auf eine uneingeschränkte Prävalenz des sekundären bzw. auch des primären Gemeinschaftsrechts vor den Bundesgrundrechten. Da der entsprechende innerstaatliche Anwendungsbefehl nur i m Einklang mit der Verfassung erteilt werden darf, kann eine innerstaatliche Prävalenz des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts jedoch nur kraft einer verfassungsrechtlichen Ermächtigung eintreten.

4. Zusammenfassung

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Eine teleologische Auslegung des A r t . 24 Abs. I GG ergibt insofern, daß diese Bestimmung zu Abweichungen des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts vom Grundgesetz ermächtigt. Diese Ermächtigung ist durch den entsprechend anwendbaren Art. 79 Abs. I I I GG beschränkt. Soweit danach Abweichungen zulässig sind, handelt es sich begrifflich um sogenannte ermächtigte Verfassungsdurchbrechungen. I m Hinblick auf die fragliche Prävalenz des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts gegenüber den Bundesgrundrechten ist als Zwischenergebnis festzuhalten, daß A r t . 24 Abs. I GG auch insoweit zu Abweichungen des Gemeinschaftsrechts vom Grundgesetz ermächtigt. Eine Prävalenz des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts kraft dieser verfassungsrechtlichen Ermächtigung besteht jedoch nicht, soweit der änderungsfeste Verfassungskern berührt wird. Dieses Z w i schenergebnis kann bereits mit den Ergebnissen der oben (S. 24 ff.) i m II. Abschnitt vorgenommenen Bestandsaufnahme der i m europarechtlichen Schrifttum vertretenen Auffassungen über das Rangverhältnis i n Beziehung gesetzt werden. Soweit spezielle Äußerungen über die Verbindlichkeit der Bundesgrundrechte festgestellt werden konnten, hält danach die wohl überwiegende Meinung i m Schrifttum Grundrechtseinschränkungen durch das primäre Gemeinschaftsrecht für zulässig, soweit nicht das änderungsfeste Verfassungsminimum angetastet w i r d 4 2 0 . Insoweit gelangt die vorliegende Untersuchung i m Grundsatz zu demselben Ergebnis. Zugleich werden damit diejenigen Auffassungen abgelehnt, die — zumeist auf Grund einer abweichenden Auslegung des A r t . 24 Abs. I GG — entweder einer Prävalenz des primären Gemeinschaftsrechts nur i m Rahmen der Gesetzesvorbehalte des Grundrechtskataloges 421 oder eine unbeschränkte Prävalenz des primären Gemeinschaftsrechts vertreten 4 2 2 . M i t dem hier verzeichneten Zwischenergebnis ist indessen die Frage nach der Verbindlichkeit der Bundesgrundrechte gegenüber dem Gemeinschaftsrecht noch nicht endgültig beantwortet. Denn die soeben erwähnte überwiegende Meinung bestimmt den gemäß Art. 79 Abs. I I I GG gegenüber dem primären Gemeinschaftsrecht unantastbaren Kernbestand der Grundrechte keineswegs einheitlich und zumeist sehr unbestimmt. Ferner ist es nach dem Ergebnis der Bestandsaufnahme fraglich, ob dieser noch zu bestimmende Kernbestand auch gegenüber dem sekundären Gemeinschaftsrecht unverletzlich ist 4 2 3 . I m IV. Abschnitt der Untersuchung soll deshalb insbesondere die Verbindlichkeit der Grundrechte gegenüber dem sekundären Gemeinschaftsrecht 420 421 422 423

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Darstellung und Nachweise oben S. 28, 35, 44 f., 49. Darstellung und Nachweise oben S. 28, 37 f., 46, 52. die Darstellung u n d Nachweise oben S. 47, 50 f., 53. oben S. 38, 53 f.

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I I I . Möglichkeiten einer Prävalenz des Gemeinschaftsrechts

erörtert und ferner der Umfang der Verbindlichkeit der Grundrechte gegenüber dem primären bzw. auch gegenüber dem sekundären Gemeinschaftsrecht näher bestimmt werden.

I V . Deutsche G r u n d r e c h t e u n d Gemeinschaftsrecht

Die Untersuchung kann sich nunmehr der Frage zuwenden, ob und wieweit gemäß A r t . 24 Abs. I GG i n Verbindung mit A r t . 79 Abs. I I I GG Grundrechte zugunsten der Europäischen Gemeinschaften durchbrochen werden dürfen. Insofern muß zunächst präzisiert werden, was die innerstaatliche Prävalenz des Gemeinschaftsrechts für die Grundrechtsgeltung bedeutet. 1. Prävalenz des Gemeinschaftsrechts als Einschränkung der Grundrechtsgeltung

Die Auswirkung einer unbedingten Prävalenz des Gemeinschaftsrechts auf die nationalen Grundrechte w i r d deutlich bei einem Vergleich mit der Bedeutung des Art. 31 GG für die Geltung der Grundrechte der Verfassungen der Bundesländer. A r t . 31 GG ist zwar bereits als Ausdruck einer Prävalenz kraft Höherrangigkeit erkannt worden, während dem Gemeinschaftsrecht nur eine Prävalenz kraft ermächtigter Verfassungsdurchbrechung zukommen kann. Ein Vergleich beider Konfliktsregelungen ist jedoch insoweit zulässig, als er sich auf die Auswirkung der Prävalenz auf die Grundrechtsgeltung bezieht. I n bezug auf den Grundsatz „Bundesrecht bricht Landesrecht" interessiert hier freilich nicht das Verhältnis der Bundesgrundrechte zu den Landesgrundrechten als solches, das in A r t . 142 GG seine besondere Regelung gefunden hat. Vielmehr ist das Verhältnis des Bundesverfassungsrechts i m übrigen und des einfachen Bundesrechts zu den Landesgrundrechten i n Betracht zu ziehen. I n diesem Zusammenhang ist Art. 142 GG allerdings insofern von Bedeutung, als er eine Bestandsgarantie der Landesgrundrechte enthält, soweit sie inhaltlich mit den Art. 1—18 GG übereinstimmen 1 . I n Verbindung mit A r t . 31 GG ergibt sich insofern aus A r t . 142 GG, daß die Landesverfassungen zwar einen weitergehenden Grundrechtsschutz — sei es durch Ausstattung mit höherer Aktualität, Wirksamkeit und Bestandskraft, sei es durch Ge1 Vgl. Ipsen, Gleichheit, i n : Grundrechte I I (1964), S. 124. Die Streitfrage, ob A r t . 142 GG n u r die vor I n k r a f t t r e t e n des Grundgesetzes i n Geltung stehenden Landesgrundrechte oder auch die i n späteren Landesverfassungen enthaltenen erfaßt — vgl. dazu m. Nachw. Holtkotten, Bonner Komm., A r t . 142 Anm. 5; Hamann, GG (2), A r t . 142 A n m . 2 — ist hier ohne Bedeutung.

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I V . Deutsche Grundrechte u n d Gemeinschaftsrecht

währleistung zusätzlicher, i m Grundgesetz nicht enthaltener Grundrechte — gewährleisten, keinesfalls aber die Freiheitsverbürgungen des Grundgesetzes abschwächen können 2 . Es ist deshalb z. B. möglich, daß eine Vorschrift des einfachen Bundesrechts zwar mit den Grundrechten des Grundgesetzes vereinbar ist, aber einem weitergehenden oder i m Grundgesetz nicht enthaltenen Landesgrundrecht widerspricht 3 . I n diesem Fall bewirkt A r t . 31 GG, daß das weitergehende bzw. im Grundgesetz nicht enthaltene Landesgrundrecht einer grundgesetzmäßig erlassenen Regelung nicht entgegensteht 4 , sondern dieser weichen muß. Das aber bedeutet nichts anderes, als daß das Landesgrundrecht, soweit es nicht kraft Übereinstimmung mit einem Bundesgrundrecht gemäß A r t . 142 GG i n seinem Bestände garantiert ist, zur Disposition des Bundesrechts steht 5 ; denn der Bundesgesetzgeber kann es i m Rahmen seiner Zuständigkeit materiell abschwächen oder aufheben, ohne vor dessen Wesensgehalt entsprechend Art. 19 Abs. I I GG haltmachen zu müssen 6 . Die durch A r t . 31 GG angeordnete Prävalenz des Bundesrechts ist insoweit also identisch m i t einer Dispositionsbefugnis über die Landesgrundrechte, die jedenfalls i m Landesrecht keine Schranke findet, weil das Landesrecht als niederrangiges Recht dem Bundesrecht keine Schranke seiner Geltung setzen kann 7 . Diese — landesrechtlich unbeschränkbare — Dispositionsbefugnis ist gemeint, wenn gesagt wird, der Bundesgesetzgeber sei an die Landesgrundrechte nicht gebunden 8 . Ins2 Vgl. Ipsen, Gleichheit, Grundrechte I I (1954), S. 124; Hamann, GG (2), A r t . 142 A n m . 4; Holtkotten, Bonner Komm., A r t . 142 A n m . 2 S. 2. Insoweit stellen die Grundrechte des Grundgesetzes für das Landesrecht n u r einen Mindeststandard dar, vgl. m. Nachw. Holtkotten , aaO; Körner, Bayerische Verfassungsbeschwerde, DÖV 1962, 296. Unrichtig deshalb Gallwas, Mißbrauch (1967), S. 153 N. 231, der offenbar einen Widerspruch i. S. d. A r t . 31 GG u n d infolgedessen eine landesrechtlich verbindliche Derogation von Landesgrundrechten ann i m m t , wenn diese mehr gewährleisten als die Grundrechte des GG. 3 Vgl. dazu etwa v. Mangoldt-Klein, B G G I (2), A r t . 4 A n m . V I 12, 10; A r t . 11 A n m . I I 3 S. 344/345. 4 BVerfG v. 30.4.1952 (BVerfGE 1, 264/281); Ipsen, Gleichheit, Grundrechte I I (1954), S. 124; Maunz-Dürig, GG, A r t . 11 Randnr. 105; A r t . 31 Randnr. 5; Hamann, GG (2), A r t . 142 A n m . 4; Gross, Verfassungshoheit, D V 1950, 9; ZinnStein, Hess. Verfassung I (1954), A r t . 1 Vorbem. V I I 7; Holtkotten, Bonner Komm., A r t . 142 A n m . 4 a (für weitergehende Landesgrundrechte): keine B i n dung des Bundesgesetzgebers. 5 Ipsen, Gleichheit, Grundrechte I I (1954), S. 124; Holtkotten, Bonner Komm., A r t . 142 Anm. 2 a, 4. 6 Zinn-Stein, Hess. Verfassung I (1954), A r t . 1 Vorbem. V I I 5, 7. Wenn Holtkotten (Bonner Komm., A r t . 142 A n m . 4 b) feststellt, das i m GG nicht enthaltene Landesgrundrecht sei als solches einem Zugriff des Bundesgesetzgebers entzogen, so bezieht sich das offenbar auf eine formelle Aufhebung. 7 Mißverständlich ist es, w e n n Holtkotten (Bonner Komm., A r t . 142 A n m . 4 b) meint, daß sich bei nicht v o m GG gewährleisteten Landesgrundrechten deren Einschränkungsmöglichkeiten ausschließlich nach Landesverfassungsrecht richteten. Das kann n u r für den Landesgesetzgeber gelten, jedoch gem. A r t . 31, 142 GG nicht für den Bundesgesetzgeber. 8 Holtkotten, Bonner Komm., A r t . 142 A n m . 4 a.

1. Prävalenz als Einschränkung der Grundrechtsgeltung

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gesamt bedeutet also die Prävalenz des Bundesrechts — wie sie A r t . 31 GG anordnet — für nicht bundesverfassungsrechtlich in ihrem Bestand garantierte Landesgrundrechte eine landesrechtlich unbeschränkte und unbeschränkbare Generalermächtigung zu deren Einschränkung durch bundesverfassungsmäßiges Bundesrecht. Nach dieser Feststellung kann man die Konsequenzen einer unbedingten Prävalenz des Gemeinschaftsrechts gegenüber den Grundrechten des Grundgesetzes unschwer erkennen. Da eine Bestandsgarantie nationaler Grundrechte i m Gemeinschaftsrecht nicht vorhanden ist 9 , — zweifelhaft ist insoweit nur, inwieweit das Gemeinschaftsrecht seinerseits ähnliche Freiheitssicherungen enthält und auf diese Weise Kollisionen mit nationalen Grundrechten rein tatsächlich ausschließt 10 — so beinhaltet die unbedingte Prävalenz des Gemeinschaftsrechts eine durch die nationalen Verfassungen unbeschränkte Generalermächtigung zur Grundrechtseinschränkung zugunsten des Gemeinschaftsrechts jeglicher Art. Da sich — wie ausgeführt wurde 1 1 — ein entsprechender Geltungsanspruch des Gemeinschaftsrechts den Gründungsverträgen durch Auslegung entnehmen läßt — und damit von dem innerstaatlichen Anwendungsbefehl umfaßt w i r d — ist es unrichtig, davon auszugehen, daß i n den Gründungsverträgen eine Generaleinschränkung der Grundrechte fehle 12 . Sie ist vielmehr die zwingende Folge einer unbedingten Prävalenz des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Verfassungsrecht. Da eine derartige Prävalenz nur auf verfassungsrechtlicher Ermächtigung beruhen kann, ist der entsprechende innerstaatliche Anwendungsbefehl nur wirksam erteilt, soweit die Verfassung eine solche Prävalenz 0 F ü r den EWG-Vertrag wurde bei den Verhandlungen die Aufnahme eines Vorbehalts zugunsten der Verfassungen der Mitgliedstaaten sogar ausdrücklich abgelehnt, vgl. Wohlfarth-Everling-Glaesner-Sprung, E W G (1960), A r t . 189 Vorbem. 4. Dagegen enthielt A r t . 3 § 1 des Vertrages über die Gründung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) eine Grundrechtsgarantie, vgl. Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 43. — A r t . 222 EWGV, 83 E G K S V w e r den von der überw. Meinung nicht als Garantie f ü r die i n den Mitgliedstaaten bestehenden Eigentumsrechte, d . h . also nicht als Vorbehalt zugunsten des Art. 14 GG, aufgefaßt. Vgl. Thiesing, i n : v. d. Groeben-v. Boeckh, I A 67 A r t . 222 EWGV A n m . 3 S. 64; Ehle, EWG-Prozeßrecht, A r t . 220/222 E W G V Tz. 18; Jerusalem, Montanunion (1954), S. 159; Wohlfarth-Everling-Glaesner-Sprung, EWG (1960), A r t . 222 A n m . 1; Fuß, Urteilsanmerkung, D V B l . 1968, 462; a. A. Krämer, Integrationsgemeinschaften u. Grundrechte (1962), S. 119 ff.; Möhring, E n t flechtungsmaßnahmen, i n : Rechtsvergleichung u. Rechtsvereinheitlichung (1967), S. 350 f. 10 Vgl. dazu Ipsen, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 18 (1960), 87, 92; ders., Schlußvortrag, 45. D J T I I L, S. 15 f.; Nicolay sen, A k t u e l l e Entwicklung, N J W 1964, 965; Fuß, Rechtsstaatlichkeit, D Ö V 1964, 578; Friauf, Strukturelemente, DVBl. 1964, 784; H. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 250 f.; v. d. Groeben, Grundrechte, Festschr. f. Hallstein (1966), S. 234 ff. 11 Vgl. oben S. 112 ff., 114. 12 So aber Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 117 f. (für das sekundäre Gemeinschaf tsrecht).

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I V . Deutsche Grundrechte u n d Gemeinschaftsrecht

des Gemeinschaftsrechts vor den Grundrechten zuläßt. Es bedarf daher der Überprüfung, ob Art. 24 Abs. I GG in Verbindung m i t A r t . 79 Abs. I I I GG dazu ermächtigt, durch den deutschen Rechtsanwendungsbefehl eine unbedingte innerstaatliche Prävalenz des Gemeinschaftsrechts vor den Grundrechten anzuerkennen. Die für die Grundrechtsgeltung einschneidende Bedeutung einer derartigen Prävalenz kann auch der Hinweis auf die sachlich begrenzten Zuständigkeiten der Gemeinschaften nicht verringern. Denn i m Bereich der gemeinschaftlichen Zuständigkeiten würden die Grundrechte des Grundgesetzes — i n Abwandlung einer Formulierung Herbert Krügers 13 — nur i m Rahmen des Gemeinschaftsrechts gelten. Diese Konsequenz ist unabweisbar. Die Zuweisung sachlich begrenzter Zuständigkeiten an die Gemeinschaftsorgane ist deshalb für sich allein keine Garantie dafür, daß innerhalb dieses Zuständigkeitsbereiches Grundrechte nicht beeinträchtigt werden 1 4 . Ob Art. 24 Abs. I GG zu einer derartigen Generaleinschränkung i m Wege der Verfassungsdurchbrechung ermächtigt, hängt also nach der oben getroffenen Feststellung, nach der die Durchbrechungsvollmacht des Art. 24 Abs. I GG durch den entsprechend anwendbaren A r t . 79 Abs. I I I GG beschränkt w i r d 1 5 , davon ab, ob die Grundrechte gemäß Art. 79 Abs. I I I GG einer Verfassungsänderung entzogen sind.

2. Wesensgehaltsgarantie als Durchbrechungsschranke gegenüber p r i m ä r e m und sekundärem Gemeinschaftsrecht

a) Unverbrüchlichkeit

der Grundrechte

Ein ausdrückliches Verbot der Grundrechtsänderung enthält weder Art. 79 Abs. I I I GG unmittelbar, noch ergibt sich ein solches aus der Verweisung auf die „ i n den A r t i k e l n 1 und 20 niedergelegten Grundsätze". Gleichwohl ist heute allgemein mit unterschiedlicher Begründung anerkannt, daß die Grundrechte nicht zur Totaldisposition des verfassungsändernden Gesetzgebers stehen 16 . Andererseits w i r d aber keine Unabänderlichkeit des Grundrechtskataloges i n allen seinen Einzelheiten 13 Herb . Krüger , Grundgesetz u. Kartellgesetzgebung (1950), S. 12: „Die bisherige Auffassung läßt sich auf die Formel bringen: »Grundrechte n u r i m Rahmen der Gesetze'. . . . Die Auffassung des Grundgesetzes i n dieser Frage ist genau die umgekehrte. F ü r sie gilt die Formel: »Gesetze n u r i m Rahmen der Grundrechte'." Ebenso ders., Einschränkung von Grundrechten, DVB1. 1950, 626. 14 Vgl. v. d. Groeben, Grundrechte, Festschr. f. Hallstein (1966), S. 228 f.; Fuß , Gemeinschaften u. Rechtsstaatsgedanke (1968), S. 35 f. 15 Siehe S. 128 ff. 1β Anders noch Nawiasky, Grundgedanken (1950), S. 20 f.

2. Wesensgehaltsgarantie als Durchbrechungsschranke

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angenommen 17 . Der Umfang der zulässigen Abänderlichkeit der Grundrechte w i r d indes unterschiedlich beurteilt. Dürig 18 leitet aus Art. 79 Abs. I I I , A r t . 1 Abs. I und II, A r t . 19 Abs. I I GG die Unantastbarkeit wenigstens des überpositiven Menschenwürdegehalts eines jeden Einzelgrundrechts ab. Art. 1 Abs. I I GG zwinge zu der Einsicht, daß ein bestimmter Gehalt jedes Einzelfreiheitsrechts i m überpositiven Recht wurzele. Dieser „vorgegebene" Wertbereich der subjektiven Einzelrechte reiche so weit wie der materielle Wertgehalt der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. I GG. Dieser Menschenrechtsgehalt aller Einzelgrundrechte ist nach Dürig zugleich mindestens der Minimalgehalt des Art. 19 Abs. I I GG 1 9 . Da nach dieser Auffassung A r t . 1 Abs. I und I I GG sich wertmäßig nicht i n sich selber erschöpft, sondern materiellrechtlich in jedem Einzelgrundrecht in einem unantastbaren Wesenskern wiederkehrt, gehören diese „Reflektionen des Art. 1" zu dem unantastbaren Verfassungskern gemäß Art. 79 Abs. I I I GG 2 0 . Ob dieser Lehre zu folgen ist 2 1 , kann freilich dahinstehen, wenn die Substanzgarantie des Art. 79 Abs. I I I GG ohnehin über den Menschenrechtsgehalt der Grundrechte hinaus deren Wesensgehalt (Art. 19 Abs. I I GG) erfaßt. Insofern geht auch Dürig davon aus, daß der Wesensgehalt der Grundrechte sich i n deren Menschenrechtsgehalt nicht erschöpft, sondern zusätzlich die „historisch-politisch-soziologischen A n schauungen der Rechtsgemeinschaft über das Wesen bestimmter Einrichtungen und Normenkomplexe" einbezieht 22 . Ein umfassender Begriff des Wesensgehalts — wie immer er i m einzelnen bestimmt sein mag 2 3 — ist insbesondere von Bedeutung, wenn nicht allen Grundrechten ein Menschenrechtsgehalt zugeschrieben w i r d 2 4 . 17 Vgl. Maunz-Dürig, GG, A r t . 79 Randnr. 38, 39. Das nahm übrigens nicht einmal die bekannte Theorie der Kettenreaktion — vgl. Wernicke , Bonner Komm., A r t . 1 Anm. 5 b: Unantastbarkeit der Grundrechte ohne Gesetzesvorbehalt — an, die wegen ihrer rein formalen Argumentation keine allgemeine Zustimmung gefunden hat. Ablehnend etwa W. Zeidler, Unverbrüchlichkeit, DVB1. 1950, 600 f.; Uber, Freiheit des Berufs (1952), S. 46 f.; Maunz-Dürig, GG, A r t . 79 Randnr. 39, A r t . 1 Randnr. 77. t8 Maunz-Dürig, GG, A r t . 79 Randnr. 42, A r t . 1 Randnr. 79—81. 19 Dürig, aaO, A r t . 1 Randnr. 79—81. 20 Dürig, aaO, A r t . 79 Randnr. 42 a. E. 21 So etwa Zippelius, Bonner K o m m . (Zweitbearb.), A r t . 1 Randnr. 47 a. E.; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG (1967), A r t . 79 Randnr. 13; Seiwerth, Verfassungsbeschwerde (1962), S. 30 f.; ähnlich W. Zeidler, Unverbrüchlichkeit, DVB1. 1950, 600; Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 44; vgl. auch Jäckel, G r u n d rechtsgeltung (1967), S. 122. 22 Vgl. Dürig, Grundrechtssatz, AöR 81 (1956), 156; vgl. auch ders., i n : MaunzDürig, GG, A r t . 1 Randnr. 81, A r t . 79 Randnr. 42. Gegen eine Synonimität von Wesensgehalt u. Menschenwürde u. a. auch Zippelius, Bonner K o m m . (Zweitbearb.), A r t . 1 Randnr. 48. 23 Näheres dazu unten S. 151 ff. 24 So etwa Häberle, Wesensgehaltsgarantie (1962), S. 62 N. 342; früher auch

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I V . Deutsche Grundrechte u n d Gemeinschaftsrecht

I m Schrifttum w i r d die Unantastbarkeit des Wesensgehaltes aller Grundrechte gegenüber einer Verfassungsänderung zum Teil unmittelbar aus Art. 19 Abs. I I GG hergeleitet 25 . Weil danach der Wesensgehalt „ i n keinem Falle" angetastet werden darf, w i r d der Grundrechtsschutz auf über Art. 19 Abs. I GG hinausgehende, d. h. durch den verfassungsändernden Gesetzgeber erfolgende Grundrechtseinschränkungen ausgedehnt 26 . Diese Begründung erscheint jedoch von der systematischen Stellung der Vorschrift her wenig einleuchtend: Der vorangehende Absatz I wendet sich an den einfachen Gesetzgeber, während die Schranken des verfassungsändernden Gesetzgebers in A r t . 79 Abs. I I I , also i n einem anderen Abschnitt des Grundgesetzes, normiert sind. Es ist deshalb mit der wohl h. M. davon auszugehen, daß sich A r t . 19 Abs. I I GG unmittelbar nur an den einfachen Gesetzgeber wendet 2 7 . Nach einer anderen Auffassung stellt der Wesensgehalt aller Grundrechte gemäß A r t . 19 Abs. I I GG unabhängig von A r t . 79 Abs. I I I GG eine ungeschriebene Schranke der Verfassungsänderung dar 2 8 . Diese Meinung knüpft damit an die unter der Geltung der Weimarer Verfassung vornehmlich von C. Schmitt vertretene Lehre an, die i n den grundlegenden Konstitutionsprinzipien der staatlichen Ordnung zugleich die materiellen Grenzen einer Verfassungsänderung sieht 29 . Soweit derartige Grundentscheidungen des Grundgesetzes von Art. 79 Abs. I I I GG erfaßt werden, w i r d dieser Verfassungsnorm danach nur deklaratorische Bedeutung zuerkannt 3 0 . Dieser Begründung einer Unantastbarkeit des WeDürig, Eigentum, ZStaatsW 109 (1953), 329; w o h l auch Zippelius, Bonner K o m m . (Zweitbearb.), A r t . 1 Randnr. 48 a. E.; Jäckel, Grundrechtsgeltung (1967), S. 56, i m Gegensatz zu S. 122 N. 8. 25 Grosskreutz, Normwidersprüche (1966), S. 86 f.; anscheinend auch Scupin, Rechtslage d. Wirtschaft (1950), S. 20; Hamann, Rechtsstaat u. Wirtschaftslenkung (1953), S. 78; Giese-Schunck, GG (7), A r t . 79 A n m . 7; vgl. auch Wernicke, Bonner Komm., A r t . 1 A n m . 5 b. 28 Grosskreutz, Normwidersprüche (1966), S. 87. 27 W. Zeidler, Unverbrüchlichkeit, D V B l . 1950, 600; Uber, Freiheit des Berufs (1952), S. 47 f.; v. Mangoldt-Klein, B G G I (2), A r t . 19 A n m . V 7 b a. E., S. 565; Maunz, Staatsrecht (16), § 16 I 2 S. 129; Hamann, GG (2), A r t . 19 A n m . Β 6 S. 197; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, A r t . 19 Randnr. 11. Anderenfalls könnte übrigens zweifelhaft sein, ob das Abänderungsverbot danach n u r für G r u n d rechte mit Gesetzes vorbehält gilt, da sich A r t . 19 I I GG gegenüber dem einfachen Gesetzgeber n u r auf diese bezieht, vgl. Uber, Freiheit des Berufs (1952), S. 45. 28 Ehmke, Verfassungsänderung (1953), S. 105, U l f . ; Jäckel, Grundrechtsgeltung (1967), S. 120 ff. (allerdings anscheinend beschränkt auf den Menschenrechtsgehalt, S. 122 i m Gegensatz zu S. 56); anscheinend auch Herb. Krüger, Wesensgehalt, D Ö V 1955, 597. 29 Vgl. C. Schmitt, Verfassungslehre (1928/Neudr. 1954), S. 18 ff., 23 ff., 102 ff., 177 f.; dagegen etwa Anschütz, Reichsverfassung (14. Aufl./Nachdr. 1960), A r t . 76 Anm. 3 m. Nachw. 30 Ehmke, Verfassungsänderung (1953), S. 99; Jäckel, Grundrechtsgeltung (1967), S. 126; insofern übereinstimmend Hesse, Grundzüge (2), S. 255.

2. Wesensgehaltsgarantie als Durchbrechungsschranke

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sensgehalts der Grundrechte ist sicher insoweit zuzustimmen, als sie i n der Grundrechtsordnung ein primäres Konstitutionsprinzip der freiheitlich-demokratischen Ordnung 3 1 des Grundgesetzes sieht 3 2 . Sie setzt sich jedoch unnötig dem Einwand aus, es sei unzulässig, mit Hilfe der Lehre C. Schmitts über A r t . 79 Abs. I I I GG hinaus weitere Unantastbarkeiten zu konstruieren, obwohl A r t . 79 Abs. I I I GG bereits der positivrechtliche Niederschlag jener Lehre sei 33 . Ein solcher Zweifel an der Unantastbarkeit des Wesensgehalts kann vermieden werden, weil das gleiche Ergebnis ohne „interpretative Anstrengung" 3 4 dem A r t . 79 Abs. I I I GG entnommen werden kann. Zu den Grundsätzen, die gemäß A r t . 79 Abs. I I I GG i n Verbindung mit A r t . 20 Abs. I I I GG einer Verfassungsänderung entzogen sind, gehört nach ganz h. M. die Verfassungsentscheidung für die Rechtsstaatlichkeit 35 . Als Bestandteil der materiellen Rechtsstaatlichkeit i m Sinne des Grundgesetzes ist u. a. die Unantastbarkeit der individuellen Freiheitssphäre und ihr Schutz durch die Grundrechte anzusehen 36 , und zwar als oberstes Rechtsstaatsprinzip 37 . Aus der Bestandsgarantie der materiellen Rechtsstaatlichkeit haben deshalb Uber 3 8 und neuerdings Hesse 39 folgerichtig die Unantastbarkeit des Wesensgehalts der Grundrechte abgeleitet 40 . Dieser Lehre ist zu folgen, da sie A r t . 79 Abs. I I I GG aus der Einheit der Verfassung interpretiert 4 1 und einen verfassungsstrukturell unvorstell31

Vgl. A r t . 18 S. 1, A r t . 21 I I 1, A r t . 911 GG. Vgl. Jäckel, Grundrechtsgeltung (1967), S. 122, 126; insoweit übereinstimmend Hesse, Grundzüge (2), S. 256. 33 Vgl. Maunz-Dürig, GG, A r t . 79 Randnr. 24. 34 Ausdruck von Jäckel, Grundrechtsgeltung (1967), S. 126, nach dessen A u f fassung die Grundrechtsordnung außerhalb der Sperrwirkung des A r t . 79 I I I GGsteht, vgl. vorstehend S. 140. 35 Statt vieler vgl. Maunz-Dürig, GG, A r t . 79 Randnr. 48, A r t . 20 Anm. vor Randnr. 58. 36 Vgl. BVerfG v. 16.1.1957 (BVerfGE 6, 32/41); v. 7.4.1964 (BVerfGE 17, 306/313 f.); Uber, Freiheit des Berufs (1952), S. 36 ff. m. w. Nachw.; MaunzDürig, GG, A r t . 20 Randnr. 70; Maunz, Staatsrecht (16), § 10 I I 3 b S. 65; v. Mangoldt-Klein, B G G I (2), A r t . 20 A n m . V I 2 S. 601; Hesse, Grundzüge (2), S. 80,117. 37 Uber, Freiheit des Berufs (1952), S. 42, 44. 38 Uber, Freiheit des Berufs (1952), S. 45 ff.; vgl. ders., Arbeitszwang, Festschr. f. Schack (1966), S. 182. 39 Hesse, Grundzüge (2), S. 255 f., 117, 80 (zumindest für die „überwiegende Mehrzahl" der Grundrechte, vgl. auch die Zusammenstellung S. 255 f.). 40 I m gleichen Sinne w o h l Bettermann, Schutz der Grundrechte, Grundrechte I I I / 2 (1959), S. 811 (hinsichtlich A r t . 19 I V GG u. i n Verbindung m i t analoger Anwendung des A r t . 19 I I GG); ferner Lambach, Probleme (1964), S. 37 ff., 41. Harnischfeger, Rechtsprechung des B V e r f G (1966), S. 232, u n d Jäckel, G r u n d rechtsgeltung (1967), S. 120, entnehmen dieses Ergebnis auch dem „Saar-Urteil" des BVerfG v. 4. 5.1955 (BVerfGE 4, 157/170), w o A r t . 19 I I GG als unverzichtbares Grundprinzip dem A r t . 79 I I I GG gleichgestellt w i r d . Eine Grundrechtsbindung der Verfassungsgesetzgebung w i r d (ohne nähere Begründung u. D i f ferenzierung) auch bejaht von v. Mangoldt-Klein, B G G I (2), A r t . 1 A n m . V 3 b S. 159, vgl. auch aaO, Vorbem. Β I V 4, S. 97. 41 Vgl. insbes. Uber, Freiheit des Berufs (1952), S. 47. 32

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IV. Deutsche Grundrechte und Gemei nschaftsrecht

baren Widerspruch zwischen dieser Norm und Art. 19 Abs. I I GG einerseits sowie zu den Grundsätzen der freiheitlich-demokratischen Ordnung andererseits 42 vermeidet. Aus der dem materiellen Rechtsstaatsbegriff immanenten allgemeinen Freiheitsvermutung 4 3 folgt ferner, daß sich die Bestandsgarantie auf den Wesensgehalt aller Grundrechte bezieht 44 . Die Grundrechte des Grundgesetzes können somit als unverbrüchlich bezeichnet werden 4 5 . Zwar sind sie nicht absolut unberührbar, doch ist der Wesensgehalt aller Grundrechte gemäß A r t . 79 Abs. I I I GG unantastbar 46 . Zugleich ist damit die Wesensgehaltsgarantie selbst i n ihrer Richtung gegenüber dem einfachen (Art. 19 Abs. I I GG) und dem verfassungsändernden (Art. 79 Abs. III, Art. 20 Abs. I I I GG) Gesetzgeber einer Verfassungsänderung entzogen 47 . Diese Bestandsgarantie des Wesensgehalts aller Grundrechte w i r d wesentlich dadurch ergänzt, daß gemäß Art. 79 Abs. I I I GG die grundsätzliche Aktualität der Grundrechte, d. h. die unmittelbare Grundrechtsbindung aller staatlichen Gewalten, einer Verfassungsänderung entzogen ist 4 8 . Damit steht der Ausgangspunkt für eine Betrachtung der Zulässigkeit von Verfassungsdurchbrechungen gemäß A r t . 24 Abs. I GG hinsichtlich der Grundrechte insofern fest, als eine Garantie des Wesensgehalts inner42

Vgl. dazu Hesse, Grundzüge (2), S. 256. Uber, Freiheit des Berufs (1952), S. 28, 42; Maunz-Dürig, GG, A r t . 20 Randnr. 70; vgl. auch BVerfG v. 16.1.1957 (BVerfGE 6, 32/41); v. 7.4.1964 (BVerfGE 17, 306/313 f.); Hamann, GG (2), Einführung I D 3 S. 31 ff.; gegen eine Ausgangsvermutung zugunsten der Freiheit als Prinzip der Verfassungsinterpretation Hesse, Grundzüge (2), S. 29; ebenso m. Nachw. über den Streitstand: Graf v. Pestalozza, Grundrechtsauslegung, Staat 2 (1963), 445 f.; Badura, Rechtsprechung des BVerfG, AöR 92 (1967), 403 N. 118. 44 Der Sache nach ebenso Jäckel, Grundrechtsgeltung (1967), S. 122 N. 8. Dagegen wollen etwa Maunz, Staatsrecht (16), § 16 I 2 S. 129 und Hamann, GG (2), A r t . 79 A n m . Β 9, die Bestandsgarantie des A r t . 79 I I I GG von vornherein nur auf bestimmte als vorverfassungsmäßig angesehene Grundrechte beschränken. 45 Vgl. Uber, Freiheit des Berufs (1952), S. 50, 48. Unverbrüchlichkeit bedeutet Nichtabänderlichkeit, vgl. W. Zeidler, Unverbrüchlichkeit, D V B l . 1950, 598. 46 Uber, Freiheit des Berufs (1952), S. 48, 50; Harnischfeger, Rechtsprechung des B V e r f G (1967), S. 232; vgl. ferner BVerfG v. 4. 5.1955 (BVerfGE 4, 157/170); v. 21. 3.1961 (BVerfGE 12, 281/294); v. 20. 3.1963 (BVerfGE 15, 337/349). M i t der Kennzeichnung der Garantie als „unverzichtbares Grundprinzip des G r u n d gesetzes" (Ε. v. 4. 5.1955 BVerfGE 4, 157/170) bekennt sich das BVerfG zur Theorie des absoluten Wesensgehalts. Näheres dazu unten S. 152 ff. 47 Vgl. dazu etwa Herb. Krüger, Wesensgehalt, DÖV 1955, 597; Jäckel, G r u n d rechtsgeltung (1967), S. 126; Grosskreutz, Normwidersprüche (1966), S. 90; für die Unantastbarkeit des A r t . 79 Abs. I I I GG: Maunz-Dürig, GG, A r t . 79 Randnr. 50 m. Nachw.; Hesse, Grundzüge (2), S. 256/257; Grosskreutz, N o r m w i d e r sprüche (1966), S. 90. 48 H. M., vgl. etwa W. Zeidler, Unverbrüchlichkeit, D V B l . 1950, 600; MaunzDürig, GG, A r t . 79 Randnr. 43; Hamann, GG (2), A r t . 79 A n m . Β 8; Grosskreutz, Normwidersprüche (1966), S. 85/86. 43

2. Wesensgehaltsgarantie als Durchbrechungsschranke

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staatlich überhaupt anerkannt ist. Die erforderlich nähere Bestimmung des Umfangs des Wesensgehalts i m Hinblick auf die Frage, wie weit diese Garantie geht, w i r d später erfolgen 49 . Zunächst ist festzustellen, ob und welches Gemeinschaftsrecht überhaupt i n seiner innerstaatlichen Geltung durch den Wesensgehalt der Grundrechte begrenzt wird. b) Unanwendbarkeit des Grundsatzes struktureller Kongruenz auf die Gewährleistung des Wesensgehalts Da die Schranken des A r t . 79 Abs. I I I GG, wie ausgeführt 50 , auch die Durchbrechungsermächtigung des A r t . 24 Abs. I GG begrenzen, ergibt sich daraus unmittelbar, daß Art. 24 Abs. I GG nicht dazu ermächtigt, dem primären Gemeinschaftsrecht eine unbedingte Prävalenz vor den Grundrechten des Grundgesetzes einzuräumen. Gegenüber dem Wesensgehalt der Grundrechte kann eine Prävalenz des primären Gemeinschaftsrechts nicht eintreten. Soweit nach den Ergebnissen der Bestandsaufnahme von der überwiegenden Meinung eine Prävalenz des Primärrechts gegenüber den Bundesgrundrechten nur außerhalb des änderungsfesten Verfassungskerns vertreten wird, konnte oben S. 133 bereits die grundsätzliche Übereinstimmung der vorliegenden Untersuchung mit jener Auffassung verzeichnet werden. Nachdem die Untersuchung nunmehr zu dem weiteren Ergebnis gelangt ist, daß die Prävalenz des primären Gemeinschaftsrechts insofern durch den Wesensgehalt der Grundrechte begrenzt wird, kann festgestellt werden, daß nach der Bestandsaufnahme diese Auffassung bisher nur vereinzelt vertreten und ferner gar nicht oder ohne hinreichende Berücksichtigung der Grundrechtsdogmatik begründet w i r d 5 1 . Schließlich bestimmen die einschlägigen Äußerungen i m europarechtlichen Schrifttum den Umfang des Wesensgehalts nicht näher. Die vorliegende Untersuchung w i r d sich dieser Frage zuwenden, sobald die Verbindlichkeit der Grundrechte gegenüber dem sekundären Gemeinschaftsrecht erörtert worden ist 5 2 . Nach den Ergebnissen der Bestandsaufnahme lehnt nur eine Minderheit i m Schrifttum für das sekundäre Gemeinschaftsrecht ausdrücklich eine unbedingte Prävalenz gegenüber den Grundrechten ab und nimmt eine Prävalenz nur außerhalb des änderungsfesten Verfassungskerns an 5 3 . Dagegen schreibt die wohl überwiegende Meinung dem Sekundärrecht eine unbedingte Prävalenz gegenüber den Bundesgrundrechten 40 50 51 52 53

Vgl. unten S. 151 ff. Vgl. oben S. 128 ff. Vgl. Darstellung und Nachweise oben S. 28 f., 35, 44 f. Unten S. 151 ff. Vgl. Darstellung und Nachweise oben S. 30, 35 f., 37.

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IV. Deutsche Grundrechte und Gemeinschaftsrecht

zu 5 4 . Die Vereinbarkeit dieser Auffassung mit der Garantie des Wesensgehalts ist nunmehr zu untersuchen. Grundlage der überwiegenden Auffassung ist die Annahme, daß sich die Schranken der Integrationsermächtigung gemäß A r t . 24 Abs. I GG, Art. 79 Abs. I I I GG nur gegen das primäre Gemeinschaftsrecht richten. Das w i r d besonders deutlich, soweit die Anhänger dieser Meinung die Notwendigkeit einer strukturellen Kongruenz zwischen dem Grundgesetz und der Verfassung der zwischenstaatlichen Gemeinschaft vertreten 5 5 . Der Grundsatz der strukturellen Kongruenz hat i n der Lehre unterschiedliche Ausprägungen und Beurteilungen erfahren, auf die hier jedoch nicht einzugehen ist 5 6 , weil es für die Grundrechtsgeltung i n diesem Zusammenhang nur auf die Grundkonzeption dieser Lehre ankommt. Ist ausschließlich die Gleichartigkeit oder auch nur Ähnlichkeit der formellen Verfassungsstruktur und/oder der materiellen Grundentscheidungen Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit einer unmittelbaren innerstaatlichen Wirksamkeit der Gemeinschaftsrechtsordnung, so ist jeweils ein Strukturvergleich zwischen primärem Gemeinschaftsrecht und nationaler Rechtsordnung erforderlich und ggf. auch genügend. Für die Grundrechtsgeltung bedeutet dies, daß innerstaatlich unmittelbar verbindliches sekundäres Gemeinschaftsrecht gemäß Art. 24 Abs. I, 79 Abs. I I I GG mit der Verfassung vereinbar sein soll, sofern entsprechende Gewährleistungen i m primären Gemeinschaftsrecht enthalten sind. A r t . 79 Abs. I I I GG verlangt also nach dieser Betrachtungsweise lediglich eine Grundrechtskongruenz des primären Gemeinschaftsrechts mit dem Grundgesetz. Die gleiche Grundkonzeption eines Strukturvergleiches w i r d i n diesem Zusammenhang auch von Autoren vertreten, die an sich die Lehre von der strukturellen Kongruenz ablehnen. Ihre K r i t i k an dieser Lehre richtet sich jedoch nicht gegen die ihr zugrunde liegende strukturelle Betrachtungsweise, sondern gegen den Kongruenzbegriff i m Sinne einer Deckungsgleichheit als Maßstab der strukturellen Übereinstimmung zwischen der Verfassung der zwischenstaatlichen Gemeinschaft und dem Grundgesetz 57 . Sie gehen insofern davon aus, daß die Sicherung indivi54

Vgl. Darstellung und Nachweise oben S. 29 f., 31, 39 ff., 53 f. Vgl. insbes. Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 38 ff. (Homogenität der Grundentscheidungen); W. Möller, Verordnung (1967), S. 248 ff., der jedoch aaO S. 282 die Grundrechtsfrage ausklammert; Krämer, Integrationsgemeinschaften u. Grundrechte (1962), S. 95; Lambach, Probleme (1964), S. 60 ff.; vgl. auch Schlochauer, Verhältnis, ArchVR 11 (1963/64), 25 N. 111 m. Nachw, 56 Vgl. dazu Darstellung u. Nachw. bei v. Mangoldt-Klein, B G G I (2), A r t . 24 A n m . I I I 5 d S. 663 f.; Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 16 N. 2; Badura, V e r fassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 39 Ν. 15 u. 16. 57 Vgl. Nicolay sen, A k t u e l l e Entwicklung, N J W 1964, 965; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 39, insbes. N. 16; Ipsen, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 130. 55

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dueller Freiheit i m Gemeinschaftsrecht wegen der Eigenart zwischenstaatlicher Organisationen anderen Grundsätzen folgen müsse als i m staatlichen Verfassungsrecht 58 . Während nach der Lehre von der strukturellen Kongruenz das primäre Gemeinschaftsrecht einen gewissen Grundrechtskernbestand i m Sinne des Menschenrechtsgehalts sichern muß 5 9 , genügt es hingegen nach der zuletzt erwähnten anderen Meinung, wenn das primäre Gemeinschaftsrecht Ansätze „grundrechtsähnlicher" subjektiver Rechte 60 bzw. Rechtsbindungen verfahrensmäßiger A r t oder wenigstens begrenzte Sachkompetenzen aufweist 6 1 . Eine Abschwächung der i n Art. 79 Abs. I I I GG enthaltenen Substanzgarantie gegenüber dem primären Gemeinschaftsrecht ist danach unverkennbar. Entscheidende Bedeutung kommt einer derartigen Kongruenzbetrachtung i m Sinne eines Strukturvergleiches jedoch für eine innerstaatliche Prävalenz des sekundären Gemeinschaftsrechts zu: W i r d A r t . 79 Abs. I I I GG ausschließlich i m Sinne dieser Betrachtungsweise einer — wie auch immer modifizierten — Grundrechtskongruenz des Primärrechts verstanden 62 , so w i r d eine unbedingte innerstaatliche Prävalenz des sekundären Gemeinschaftsrechts vor den Grundrechten als verfassungsmäßig anerkannt 6 3 . Da die Struktur der zwischenstaatlichen Gemeinschaft nur i m primären Gemeinschaftsrecht geregelt ist, ist es nach dieser Betrachtungsweise notwendig unerheblich, ob das sekundäre Gemeinschaftsrecht den Wesensgehalt der Grundrechte beeinträchtigt. Entscheidend ist für sie allein, ob das primäre Gemeinschaftsrecht die jeweils für erforderlich gehaltenen rechtsstaatlichen Sicherungen — nicht notwendig Grundrechtsgewährleistungen — aufweist. Da die vorliegende Untersuchung den Wesensgehalt der Grundrechte als Schranke der verfassungsrechtlichen Ermächtigung i n Art. 24 Abs. I GG ansieht, muß sie sich i m Zusammenhang m i t der fraglichen Prävalenz 58 I n diesem Sinne w o h l Ipsen, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 18 (1960), 87; Nicolay sen, A k t u e l l e Entwicklung, N J W 1964, 965; Friauf, Strukturelemente, DVB1. 1964, 784, 788; allgemein auch Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 38. 59 Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 44 f. 60 Fuß, Rechtsstaatlichkeit, DÖV 1964, 578, insbes. N. 19; kritisch dazu H. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 250/251. 61 Ipsen, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 18 (1960), 87; ders., Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 135; Nicolay sen, A k t u e l l e Entwicklung, N J W 1964, 965; Friauf, Strukturelemente, DVB1. 1964, 784, 788; vgl. auch Möhring, Rechtsvereinheitlichung, N J W 1965, 2230; Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 85; ähnlich Hesse, Grundzüge (2), S. 43. 62 Vgl. noch Ipsen, Entscheidungsanmerkung, EuR 3 (1968), 140 (Grundrechtsthematik i. S. des A r t . 79 I I I GG als Frage der strukturellen Homogenität). 63 Vgl. Ipsen, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 18 (1960), 87; Nicolay sen, A k tuelle Entwicklung, N J W 1964, 965; Fuß, Rechtsstaatlichkeit, DÖV 1964, 965 N. 18; Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 33 ff.; anscheinend auch Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 90 f.

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Gorny

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I V . Deutsche Grundrechte und Gemeinschaftsrecht

des Sekundärrechts mit dieser soeben dargestellten Konzeption eines ausschließlichen Strukturvergleichs kritisch auseinandersetzen. Ein Versuch i n dieser Richtung ist, soweit ersichtlich, i m Schrifttum bisher nicht gemacht worden 6 4 . I m Hinblick auf die innerstaatliche Prävalenz des Sekundärrechts ist es für eine kritische Würdigung dieser Betrachtungsweise unerheblich, ob diese Konzeption i n Gestalt der Lehre von der strukturellen Kongruenz auftritt oder einer Auffassung zugrunde liegt, die den Maßstab der Kongruenz i m Sinne der Deckungsgleichheit der rechtsstaatlichen Strukturelemente ablehnt. Ansatzpunkte der K r i t i k sind die Voraussetzungen, von denen die Konzeption eines ausschließlichen Strukturvergleiches ausgeht: Beschränkt man i n der beschriebenen Weise das Erfordernis der Grundrechtskongruenz auf das Primärrecht, so w i r d notwendig vorausgesetzt, daß eine Prävalenz des Sekundärrechts stets eo ipso m i t A r t . 24 Abs. I, 79 Abs. I I I GG vereinbar ist. Zugleich w i r d damit notwendig unterstellt, daß Art. 79 Abs. I I I GG einen lediglich mittelbaren Schutz des Wesensgehalts der Grundrechte genügen läßt. Schließlich w i r d damit außerdem angenommen, daß A r t . 79 Abs. I I I GG einer unmittelbaren Wesensgehaltsverletzung durch sekundäres Gemeinschaftsrecht nicht entgegensteht. Die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Wesensgehalts wäre bei Zugrundelegung dieser Konzeption nur auszuschließen, wenn dem Art. 79 Abs. I I I GG entnommen würde, daß das primäre Gemeinschaftsrecht einen Vorbehalt zugunsten des Wesensgehalts nationaler Grundrechte enthalten müsse. Andere rechtsstaatliche Grundsätze i m primären Gemeinschaftsrechts vermögen einen derartigen Vorbehalt nicht zu ersetzen 65 . Der Grundsatz der begrenzten Einzelkompetenz insbesondere schließt eine Grundrechtsverletzung innerhalb des begrenzten K o m petenzbereichs nicht aus, mag auch der Kreis der dafür i n Betracht kommenden Grundrechte tatsächlich eingeschränkt sein 66 . Ebensowenig ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für sich allein — d. h. ohne Beziehung auf einen bestimmten Grundrechtswert — als Grundrechtssurrogat geeignet, weil er das Verfolgen eines Zieles nur insofern verbietet, als es nicht ökonomisch verfolgt w i r d 6 7 . Ferner läßt sich aus dem primären Gemeinschaftsrecht mangels eines Grundrechtsvorbehalts i m voraus unmöglich ablesen, ob Normen des Sekundärrechts den Wesens64 Bühnemann, Niederlassungsfreiheit (1967), S. 65, w i l l zwar anscheinend zum Ausdruck bringen, daß die Verbindlichkeit der Grundrechte gegenüber dem Sekundärrecht nicht eine Frage der strukturellen Kongruenz ist, begründet dies aber nicht. 65 Vgl. dazu auch Wengler , Grundrechtsminimum, JZ 1968, 328. 86 So zutreffend v. d. Groeben , Grundrechte, Festschr. f. Hallstein (1966), S. 228 f.; Fuß , Gemeinschaften u. Rechtsstaatsgedanke (1968), S. 35 f.; a. A. Nicolaysen, A k t u e l l e Entwicklung, N J W 1964, 965; Ipsen, Schlußvortrag, 45. D J T I I L (1964), S. 15. 67 Vgl. dazu Herb. Krüger , Wesensgehalt, D Ö V 1955, 598.

2. Wesensgehaltsgarantie als Durchbrechungsschranke

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gehalt eines Grundrechts jemals beeinträchtigen oder nicht. Die Auslegung und Anwendung des primären Gemeinschaftsrechts, insbesondere die Handhabung der gemeinschaftsrechtlichen Zuständigkeiten zur Rechtsetzung, obliegt ohnehin den Organen der Gemeinschaft 68 . Daß deren Kompetenzausübung den Wesensgehalt eines Grundrechts verletzt, läßt sich ebensowenig ausschließen wie ein grundrechtswidriger Gesetzesbeschluß des staatlichen Gesetzgebers. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zeigt, daß das grundrechtswidrige Gesetz auch i m freiheitlichen Rechtsstaat keine seltene Ausnahmeerscheinung ist 6 9 . Allerdings beeinträchtigt die Anerkennung der unbedingten Prävalenz des Sekundärrechts als solche noch nicht den Wesensgehalt eines Grundrechts. Die Wirkung der Prävalenz ist jedoch bereits als Ermächtigung zur Generaleinschränkung der Grundrechte bestimmt worden 7 0 . Sie kann nun i m Hinblick auf die Wesensgehaltsgarantie noch genauer gekennzeichnet werden: Eine unbedingte innerstaatliche Prävalenz des sekundären Gemeinschaftsrechts beinhaltet für den Zuständigkeitsbereich der Gemeinschaften zugleich die Aufhebung der unmittelbaren Grundrechtsbindung der Exekutive und der Rechtsprechung, ggf. auch des Gesetzgebers der Bundesrepublik. Insoweit ist zwar der Wesensgehalt bestimmter Grundrechte nicht beeinträchtigt, wohl aber für den übertragenen Sachbereich die Wesensgehaltsgarantie aller Grundrechte selbst aufgehoben. Schließt also die Kongruenzbetrachtung notwendig die Prävalenz des Sekundärrechts ein und ist diese ferner gleichbedeutend mit einer Aufhebung der Wesensgehaltsgarantie insoweit, so muß diese Betrachtungsweise notwendig voraussetzen, daß A r t . 79 Abs. I I I GG nur mit diesen Konsequenzen auf einen Tatbestand des Art. 24 Abs. I GG anwendbar ist. Die — hier kritische betrachtete — Modifikation der Anwendbarkeit des A r t . 79 Abs. I I I GG i m Sinne einer ausschließlichen Kongruenzbetrachtung könnte freilich dadurch gerechtfertigt sein, daß unmittelbarer Gegenstand einer Verfassungsmäßigkeitsprüfung das primäre Gemeinschaftsrecht als materieller Inhalt des staatlichen Anwendungsbefehls ist. Zwar kann zunächst nur das Vertragsrecht, d. h. das primäre Gemeinschaftsrecht, an A r t . 24 Abs. I, 79 Abs. I I I GG gemessen werden, da unmittelbar nur der deutsche Anwendungsbefehl mit dem Grundgesetz vereinbar sein muß und sich dessen Inhalt materiell aus dem Gründungsvertrag ergibt 7 1 . Daraus allein folgt jedoch nicht zwingend, daß es 68 So zutreffend Friesenhahn, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 18 (1960), 105 ff., der daraus aber gerade auf eine Prävalenz des Sekundärrechts schließt (S. 107). 69 Vgl. dazu Knies, Schranken der Kunstfreiheit (1967), S. 47 f. m. w. Nachw. 70 Vgl. oben S. 137 f. 71 Vgl. die Darstellung oben S. 116 f.

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I V . Deutsche Grundrechte und Gemeinschaftsrecht

für die Verfassungsmäßigkeit der unmittelbaren innerstaatlichen Verbindlichkeit des sekundären Gemeinschaftsrechts nur darauf ankäme, ob das primäre Gemeinschaftsrecht entsprechende Sicherungen der individuellen Freiheitssphäre enthält. Denn das primäre Gemeinschaftsrecht enthält sowohl nach der hier in Frage gestellten überwiegenden Meinung als auch nach der i n dieser Untersuchung zugrunde gelegten Auffassung des Gerichtshofs der Gemeinschaften 72 auch die Anordnung einer unbedingten Prävalenz des Sekundärrechts. Es ist also gleichfalls zu untersuchen — nicht von vornherein vorauszusetzen —, ob diese Prävalenzanordnung (als Inhalt des Rechtsanwendungsbefehls) jeweils i n bezug auf eine bestimmte grundrechtswidrige Gemeinschaftsrechtsnorm mit dem Grundgesetz vereinbar ist. I n dieser Hinsicht ist es also keineswegs bereits aus methodischen Gründen geboten, die Grundgesetzmäßigkeit des Gemeinschaftsrechts nur i m Sinne einer Kongruenzbetrachtung zu verstehen 73 . Die methodischen Fragen, die bei einer Diskrepanz zwischen Vertrag und Anwendungsbefehl entstehen, sind anderer A r t und können auch bei einer Kongruenzbetrachtung auftreten. Jedenfalls kann mit der Notwendigkeit einer ausschließlichen Kongruenzbetrachtung die Prävalenz des sekundären Gemeinschaftsrechts nicht begründet werden, weil verfassungsrechtlich eine ausschließliche Kongruenzbetrachtung mit der Prävalenz des Sekundärrechts gleichbedeutend ist. Die A n t w o r t darauf, ob nach der Entscheidung der Verfassung der Wesensgehalt der Grundrechte vor dem Geltungsanspruch des sekundären Gemeinschaftsrechts zurücktritt, ob also eine mehr oder minder abgeschwächte Grundrechtskongruenz nur des Primärrechts ausreichend ist, ergibt sich aus anderen Erwägungen, auf die nunmehr einzugehen ist. Eine Begründung für eine derartige Einschränkung der Wesensgehaltsgarantie könnte allenfalls die Auffassung vom „großen Wurf" liefern, den das Grundgesetz mit A r t . 24 Abs. I GG bezweckt habe 7 4 : Weil sich die Verfassung für eine zwischenstaatliche Integration entschieden habe, schränke sie ihren eigenen Geltungsbereich und damit die von ihr gegebene Wesensgehaltsgarantie ein, soweit es für die Existenz einer derartigen Integrationsgemeinschaft erforderlich sei. Diese Argumentation setzt voraus, daß die Beeinträchtigung des Wesensgehalts von Grundrechten für die Funktionsfähigkeit der Europäischen Gemeinschaften erforderlich sein kann, und ferner, daß das Grundgesetz die europäische Integration um diesen Preis w i l l 7 5 . 72

Vgl. oben S. 112 ff. So aber anscheinend Fuß , Rechtsstaatlichkeit, DÖV 1964, 578 N. 18; anscheinend auch Constantinesco , Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 344. Ä h n l i c h wie hier dagegen Carstens , Rang, Festschr. f. Riese (1964), S. 74 N. 47. 74 Vgl. Maunz-Dürig , GG, A r t . 24 Randnr. 7, 18; ähnlich Hesse, Grundzüge (2), S. 42 ff.; vgl. ferner die Darstellung oben S. 45 f., 124. 75 I n diesem Sinne w o h l Hesse, Grundzüge (2), S. 43 f. 73

2. Wesensgehaltsgarantie als Durchbrechungsschranke

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Es muß jedoch bezweifelt werden, daß die Funktionsfähigkeit der Europäischen Gemeinschaften es erfordert, daß der Wesensgehalt der Grundrechte für primäres und sekundäres Gemeinschaftsrecht nicht unantastbar ist. Das Argument der notwendigen Rechtseinheit 76 vermag insofern nicht zu überzeugen. Es ist nicht einzusehen, daß eine gemeinschaftsrechtliche Regelung, die so getroffen wird, daß sie den Wesensgehalt der Grundrechte unberührt läßt, nicht sollte i m gesamten Gemeinschaftsbereich gelten können 7 7 . Insofern sind die Gemeinschaftsorgane, insbesondere der Gerichtshof, jedenfalls nicht gehindert, durch entsprechende Ausübung ihrer Kompetenzen einen Konflikt sekundären Gemeinschaftsrechts mit der Wesensgehaltsgarantie zu vermeiden 78 . Aus der Verfassungsentscheidung für die europäische Integration gemäß Art. 24 Abs. I GG kann deshalb nicht zwingend darauf geschlossen werden, daß die Verfassung auch die Wesensgehaltsgarantie unter einen Vorbehalt zugunsten des Gemeinschaftsrechts gestellt hat; denn ein solcher Vorbehalt ist für die Existenz und Funktionsfähigkeit der Integrationsgemeinschaften nicht erforderlich 79 . Zum anderen muß bezweifelt werden, daß die Verfassung überhaupt bereit ist, die Wesensgehaltsgarantie zugunsten der europäischen Integration aufzugeben. Für die Anwendbarkeit des Art. 79 Abs. I I I GG auf Tatbestände des A r t . 24 Abs. I GG ist der Gedanke der Einheit der Verfassung als leitender Gesichtspunkt der Auslegung heranzuziehen. I n sofern ist für das „Ob" der Anwendbarkeit bereits festgestellt worden, daß die Verfassungsentscheidung für die Integration nicht über anderen Wertentscheidungen des Grundgesetzes steht 80 . Auch die nähere Bestimmung der Durchbrechungsschranke, die dem A r t . 79 Abs. I I I GG zu entnehmen ist, muß so erfolgen, daß sie mit den „elementaren Grundsätzen des Grundgesetzes, insbesondere den Grundrechten, und seiner Werteordnung vereinbar" ist 8 1 . Dem entspricht allein die Unantastbarkeit des 76 Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 18; Tomuschat, Vorabentscheidung (1964), S. 133 („Zerfall des Gemeinschaftsrechts i n sechs t e r r i t o r i a l verschiedene Rechte"); Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 345 („Ende sow o h l des primären wie sekundären Gemeinschaftsrechts"); vgl. auch Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 43/44. 77 Dazu eindringlich H. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 256. 78 Dadurch würde bezügl. der Grundrechte die Rechtsangleichung auf einem M i n i m a l - S t a n d vermieden, vgl. dazu auch Friauf, Strukturelemente, DVB1. 1964, 788. 79 Damit ist selbstverständlich nicht gesagt, daß die Gemeinschaften über diesen Umweg an sämtliche Schranken der nationalen Verfassungen gebunden sein sollen. I m übrigen ist ggf. nicht die Unantastbarkeit des Wesensgehalts der Grundrechte für einen „ Z e r f a l l des Gemeinschaftsrechts" — vgl. Tomuschat (vorstehend N. 76) — verantwortlich zu machen, sondern die K o m petenzausübung der Gemeinschaftsorgane, sofern sie diese nicht berücksichtigt. 80 Vgl. oben S. 128 f. 81 Vgl. BVerfG v. 14.12.1965 (BVerfGE 19, 206/220).

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I V . Deutsche Grundrechte u n d Gemeinschaftsrecht

Wesensgehalts der Grundrechte gegenüber dem Gemeinschaftsrecht jeglicher A r t 8 2 . Denn — i n sinngemäßer Abwandlung einer Formulierung Ubers i n anderem Zusammenhang 83 — „der gesamte vom Grundgesetz vorausgesetzte rechtsgrundsätzliche Wertgehalt der Grundrechte verbietet" eine Verfassungsdurchbrechung gemäß Art. 24 Abs. I GG, „die den prinzipiellen Freiheitsrechtsanspruch unmittelbar reduziert oder dazu ermächtigt". Die Verfassung ermächtigt also i n A r t . 24 Abs. I GG i n Verbindung m i t A r t . 79 Abs. I I I GG weder zu einer innerstaatlichen Beseitigung der unmittelbaren Grundrechtsbindung und damit der Wesensgehaltsgarantie noch zu einer Beeinträchtigung des Wesensgehalts der Grundrechte. Daraus folgt, daß eine Kongruenzbetrachtung, die allein auf die Verfassungsmäßigkeit der Inhalte des primären Gemeinschaftsrechts i m Sinne einer Grundrechtskongruenz gerichtet ist, den A r t i k e l n 24 Abs. I und 79 Abs. I I I GG nicht entspricht. Vielmehr vermag der innerstaatliche Anwendungsbefehl weder dem primären noch — mittelbar — dem sekundären Gemeinschaftsrecht eine Prävalenz vor dem Wesensgehalt der Grundrechte zu verschaffen.

c) Zulässigkeit gemeinschaftsrechtlicher

und

Grenzen

Grundrechtseinschränkungen

Da somit kraft des innerstaatlichen Anwendungsbefehls dem primären oder dem sekundären Gemeinschaftsrecht eine unbedingte Prävalenz vor den deutschen Grundrechten nicht zukommen kann, so ermächtigt Art. 24 Abs. I GG auf dem übertragenen Sachbereich nicht zu einer Generaleinschränkung der Grundrechte i m Sinne einer Aufhebung ihrer Aktualität und der Wesensgehaltsgarantie insoweit. Vielmehr ermächtigt diese Vorschrift nur zu Grundrechtseinschränkungen i m Sinne eines Generalvorbehalts unter Beachtung des Wesensgehalts aller Grundrechte. Die Anordnung der Prävalenz des Gemeinschaftsrechts kraft des innerstaatlichen Anwendungsbefehls steht also, soweit sie sich i n diesem Rahmen der Durchbrechungsermächtigung hält, i n ihrer Wirkung einem generellen Gesetzesvorbehalt gegenüber allen Grundrechten gleich. Soweit dagegen das primäre Gemeinschaftsrecht eine weitergehende unbedingte Prävalenz anordnet, kann der innerstaatliche Anwendungsbefehl wegen seiner Verfassungsbindung einer solchen Anordnung keine innerstaatliche Wirksamkeit verschaffen. Das gilt auch für eine innerstaat82 Das BVerfG bezeichnet A r t . 19 I I G G als unverzichtbares Grundprinzip, dessen klare Verletzung zur Ungültigkeit eines Vertragsgesetzes führt, E. v. 4. 5.1955 (BVerfGE 4, 157/170); v. 21. 3.1961 (BVerfGE 12, 281/294); v. 20. 3.1963 (BVerfGE 15, 337/349). 83 Uber, Arbeitszwang, Festschr. f. Schack (1966), S. 182.

2. Wesensgehaltsgarantie als Durchbrechungsschranke

151

liehe Prävalenz des Sekundärrechts. Zwar bedarf das Sekundärrecht keines besonderen Anwendungsbefehls, um innerstaatliche Wirksamkeit zu erlangen, sondern ist innerstaatliche Rechtsquelle nach Maßgabe des (primären) Vertragsrechts. Insofern setzt aber die Verbindlichkeit des Sekundärrechts bereits die innerstaatliche Verbindlichkeit des Primärrechts einschließlich der Bestimmungen über Verbindlichkeit und Prävalenz des Sekundärrechts voraus. Soweit diese mit der Verfassung nicht vereinbar und daher ihrerseits innerstaatlich nicht verbindlich sind, vermögen sie auch dem Sekundärrecht innerstaatliche Verbindlichkeit nicht zu verschaffen. Denn die innerstaatliche Anerkennung der Gemeinschaftsrechtsordnung ist stets durch die Verfassung begrenzt 84 . Primäres und sekundäres Gemeinschaftsrecht sind somit innerstaatlich nicht anwendbar, soweit es dem Wesensgehalt der Grundrechte widerspricht, und zwar unabhängig davon, ob das primäre Gemeinschaftsrecht die Gemeinschaftsorgane an den Wesensgehalt der nationalen Grundrechte bindet oder nicht 8 5 . Soweit hingegen auf der anderen Seite primäres oder sekundäres Gemeinschaftsrecht ein Grundrecht einschränken, ohne seinen Wesensgehalt zu verletzen, kommt es wegen der Durchbrechungsermächtigung des Art. 24 Abs. I GG nicht darauf an, ob ein besonderer, dem Grundrecht beigefügter Gesetzesvorbehalt hierzu ermächtigt. Da die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit von Grundrechtseinschränkungen durch das Gemeinschaftsrecht sich danach beurteilt, ob diese den Wesensgehalt von Grundrechten beeinträchtigen, muß — nunmehr i n Fortführung des bereits S. 138—143 zur innerstaatlichen Wesensgehalts84 Vgl. Friauf, Strukturelemente, DVB1. 1964, 785 f.; treffend insofern auch Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 117; ähnlich Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 326. 85 Weitgehend i m Ergebnis wie hier: Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 359; Carstens, Rang, Festschr. f. Riese (1964), S. 77, 79; Ehle, Verfassungskontrolle, N J W 1964, 322, 325; m i t der Annahme strengerer Grundrechtsbindung: Thieme, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 62, 74; Ballerstedt, M a r k t o r d n u n g (1955), S. 60; Schröcker, Vertragswidriges Gesetz, DVB1. 1958, 417 f.; Steiger, Staatlichkeit (1966), S. 117 ff.; n u r i m Ansatz übereinstimmend Friauf, Strukturelemente, DVB1. 1964, 785 f. A . M . hinsichtlich des Sekundärrechts: Constantinesco, Eigentümlichkeiten, JuS 1965, 344; Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 33 f., 36 f.; Maunz i n : Maunz-Dürig, GG, A r t . 24 Randnr. 18; Ipsen, Bundesstaat, Festschr. f. H a l l stein (1966), S. 254; ders., Entscheidungsanmerkung, EuR 3 (1968), 141; Fuß, Rechtsstaatlichkeit, DÖV 1964, 758 N. 18; ders., Rechtsschutz, N J W 1966, 1784 N. 17; Ophüls, Staatshoheit, Festschr. f. Heymanns Verlag (1965), S. 562; ders., Zustimmungsgesetz, A W D 1964, 66; Wohlfarth, Anfänge, JurJb. 3 (1962/63), 266, 270, 272; ders., Auskunftsrecht (1964), S. 37; ders., Europ. u. dt. Rechtsordnung (1965), S. 167 f., 171; Nicolay sen, A k t u e l l e Entwicklung, N J W 1964, 965; Tomuschat, Vorabentscheidung (1964), S. 133; Grabitz, Gemeinschaftsrecht (1967), S. 58; Gert Meier, Entscheidungsanmerkung, DVB1. 1968, 469 f.; w o h l auch Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 61 f., 89 f.; Immenga, E n t scheidungsanmerkung, N J W 1968, 1037. Nicht eindeutig: Scheuner, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 108; Münch, Abgrenzung, BerDGesVöR 2 (1958), 86 ff., 91.

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I V . Deutsche Grundrechte und Gemeinschaftsrecht

garantie Gesagten — der Begriff des Wesensgehalts bestimmt werden. Die Schwierigkeiten, die sich dabei ergeben, sind hinlänglich bekannt, aber nach allgemeiner Überzeugung nicht unüberwindlich 8 6 . Eine eingehende Auseinandersetzung mit der reichhaltigen Literatur und Rechtsprechung zur Wesensgehaltsgarantie 87 ist i m Rahmen dieser Untersuchung freilich nicht möglich. Die Darstellung soll sich deshalb auf einige hier bedeutsame Gesichtspunkte beschränken 88 und sich dabei u. a. auch weitgehend an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts orientieren, die insoweit i n den Grundzügen und Ergebnissen den überwiegenden Meinungen i m wissenschaftlichen Schrifttum entspricht 89 . Die Auffassungen i n Rechtsprechung und Schrifttum lassen sich i m wesentlichen auf zwei Ansätze zurückführen 90 . Nach der sog. Theorie des relativen Wesensgehaltsbegriffs soll Art. 19 Abs. I I GG unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen verbieten 91 . Der Wesensgehalt eines Grundrechts w i r d danach stets angetastet, wenn der gesetzliche Eingriff nach Grund und Anlaß nicht „unbedingt und zwingend geboten" ist 9 2 . Die Wesensgehaltsgarantie schützt insofern zwar ganz allgemein gegen unberechtigte — auch leichte — Beeinträchtigungen des Grundrechts. Sie kann aber, sofern die geforderte Verhältnismäßigkeit von Zweck und M i t t e l gewahrt ist, nicht verhindern, daß bei einem berechtigten Eingriff 88 Vgl. dazu m. Nachw. v. Mangoldt-Klein , S. 557; Jäckel , Grundrechtsgeltung (1967), S. 11.

B G G I (2), A r t . 19 Anm. V 3?

87 Vgl. jeweils m. w. Nachw. u. a. v. Mangoldt-Klein , B G G I (2), A r t . 19 A n m . V S. 551 ff.; Uber, Freiheit des Berufs (1952), S. 8 ff., 28, 36 ff., 44, 54 ff.; Leisner , Grundrechte u. Privatrecht (1960), S. 152 ff.; Lerche , Übermaß und Verfassungsrecht (1961), S. 34 ff., 236 ff.; Häberle, Wesensgehaltsgarantie (1962), insbes. S. 1 ff., 4 ff., 234 ff.; Eike v. Hippel , Grenzen u. Wesensgehalt d. G r u n d rechte (1965), S. 47 ff.; Jäckel , Grundrechtsgeltung (1967), S. 17 ff.; Harnischfeger , Rechtsprechung des BVerfG (1966), S. 229 ff. 88 Insbesondere kann i n diesem Zusammenhang unerörtert bleiben, ob „Grundrecht" i. S. des A r t . 19 I I GG das subjektive öffentliche Recht des E i n zelnen oder die objektive Grundrechtsbestimmung bzw. das Grundrecht als „ I n s t i t u t " ist, vgl. dazu m. w. Nachw. den Überblick bei Jäckel, Grundrechtsgeltung (1967), S. 57 ff. 89 Dieses Vorgehen rechtfertigt sich dadurch, daß auch der E u G H nationales Recht so hinnehmen muß, w i e es tatsächlich gehandhabt wird, vgl. Daig, Gerichtsbarkeit, AöR 83 (1958), 156, sowie m. eingehenden Nachw. Basse, E u G H u. dt. Zivilgerichtsbarkeit (1967), S. 286 f. 90 So zutreffend Ekkehart Stein, Recht des Kindes (1967), S. 17, 79 A n m . 25; vgl. auch Hesse, Grundzüge (2), S. 133. Das BVerwG verbindet beide Ansätze, vgl. v. Mangoldt-Klein, B G G I (2), A r t . 19 Anm. V 4 c S. 558 f. 91 Vgl. dazu m. Nachw. die Darstellung bei v. Mangoldt-Klein, B G G I (2), A r t . 19 A n m . V 4 b S. 558; Jäckel, Grundrechtsgeltung (1967), S. 20 ff. 92 Vgl. BGH, Gutachten v. 25.1.1953 VerwRspr. 5, 641/642; weitere Nachw. bei Jäckel, Grundrechtsgeltung (1967), S. 20 ff.; v. Mangoldt-Klein, B G G I (2), A r t . 19 A n m . V 4 b S. 558; Eike υ. Hippel, Grenzen u. Wesensgehalt (1965), S. 55 f.

2. Wesensgehaltsgarantie als Durchbrechungsschranke

153

schwerster A r t von dem betroffenen Grundrecht „nichts mehr übrig bleibt" 9 3 . Nach der wohl überwiegenden Meinung soll dagegen A r t . 19 Abs. I I GG einen absoluten, unumstößlich feststehenden substantiellen Wesenskern aller Grundrechte — der i m einzelnen freilich unterschiedlich umschrieben w i r d 9 4 — der Disposition des Gesetzgebers entziehen. W i r d diese Auffassung zugrunde gelegt, so ist eine Grundrechtseinschränkung durch das Gemeinschaftsrecht zulässig, wenn sie ohne Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch nur einen bestimmten Kernbereich des eingeschränkten Grundrechts unangetastet läßt. Das Bundesverfassungsgericht hat sich — abgesehen von einigen knappen, meist beiläufigen Bemerkungen, die allerdings überwiegend nur i m Sinne der absoluten Theorie verstanden werden können 9 5 — nicht ausdrücklich zu dem Begriff des Wesensgehalts i m allgemeinen geäußert. Immerhin lassen sich aus seiner Judikatur Schlüsse auf die ihr zugrunde liegende Auffassung des Gerichts ziehen und insofern jedenfalls Teilaussagen machen. Nach ständiger Rechtsprechung 96 ist dem Wesensgehalt aller Freiheitsrechte als „Auslegungsprinzip und Rechtsstaatsgrundsatz hohen Ranges eine Freiheitsvermutung immanent. Sie gebietet bei Zweifeln an der Zulässigkeit von Freiheitsbeschränkungen eine Entscheidung, durch die als oberster Wert i m Grundgesetz die freie menschliche Persönlichkeit und damit eine größtmögliche Freiheit gewahrt bleibt" 9 7 . Daraus folgt unmittelbar, daß jede Grundrechtsbeschränkung einen letzten, unantastbaren Kernbereich jedes einzelnen Freiheitsrechts nicht berühren darf 9 8 . Insofern ist eine Relativierung des Wesensgehalts aus03 Vgl. dazu Eike v. Hippel, Grenzen u. Wesensgehalt (1965), S. 47, 57; Jäckel, Grundrechtsgeltung (1967), S. 20 ff. 94 Vgl. etwa v. Mangoldt-Klein, B G G I (2), A r t . 19 A n m . V 5 S. 560 (Bedeutung, die Grundrecht nach Einschränkung noch für das soziale Leben i m ganzen besitzt); Herb. Krüger, Wesensgehalt, DÖV 1955, 601 (ob nach E i n schränkung jeweiliger Zweck des Grundrechts noch erfüllbar); Dürig, G r u n d rechtssatz, AöR 81 (1956), 136 (Grundrechtsträger darf nicht Objekt staatlichen Geschehens werden). 95 Vgl. etwa BVerfG v. 7. 5.1953 (BVerfGE 2, 166/285); v. 16.1.1957 (BVerfGE 6, 32/41); v. 11.6.1958 (BVerfGE 7, 377/411); v. 10.6.1963 (BVerfGE 16, 194/ 201); v. 18. 7.1967 (BVerfGE 22,180/219 f.). 96 BVerfG v. 16. 1.1957 (BVerfGE 6, 32/42); v. 15.1.1958 (BVerfGE 7, 198/208); v. 11. 6.1958 (BVerfGE 7, 377/405); v. 10. 2.1960 (BVerfGE 10, 302/322); v. 21. 3. 1961 (BVerfGE 12, 281/295 f.); v. 17. 7.1961 (BVerfGE 13, 97/104 f.); v. 7. 4. 1964 (BVerfGE 17, 306/313 f.); v. 15.12.1965 (BVerfGE 19, 342/348 f.); v. 3.5.1966 (BVerfGE 20, 45/49); v. 5. 8. 1966 (BVerfGE 20,150/159). 97 Uber, Arbeitszwang, Festschr. f. Schack (1966), S. 175; grundlegend bereits ders., Freiheit des Berufs (1952), S. 27 f. 98 Vgl. BVerfGE v. 16.1.1957 (BVerfGE 6, 32/41). W o r i n der unantastbare Wesensgehalt eines Grundrechts besteht, muß f ü r jedes Grundrecht aus seiner besonderen Bedeutung i m Gesamtsystem der Grundrechte ermittelt werden, vgl. BVerfG v. 18. 7.1967 (BVerfGE 22, 180/219). Insofern bringen die einzelnen

154

IV. Deutsche Grundrechte und Gemeinschaftsrecht

geschlossen. Aus der grundsätzlichen Freiheitsvermutung folgt aber zugleich, daß zur Erhaltung größtmöglicher Freiheit das Grundrecht auch außerhalb seines Kernbereichs nicht beliebig, sondern nach einer Interessenabwägung nur soweit eingeschränkt werden darf, als es für das Gemeinwohl unerläßlich i s t " . Insofern ergibt sich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit „aus dem Wesen der Grundrechte selbst" 1 0 0 . Die Einschränkung eines Grundrechts tastet dessen Wesensgehalt also bereits an, wenn sie nicht verhältnismäßig ist, außerdem immer dann, wenn sie einen letzten Kernbereich des Grundrechts nicht unberührt läßt 1 0 1 . Die Einschränkbarkeit aller Grundrechte bestimmt sich somit zunächst nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Interessenabwägung, wie sie insbesondere der sog. Drei-Stufen-Theorie des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegen 1 0 2 , die den Wesensgehalt des Art. 12 Abs. I GG umschreibt 1 0 3 . Da die Prävalenz des Gemeinschaftsrechts i n Verbindung mit der Durchbrechungsermächtigung des Art. 24 Abs. I GG i n ihrer Wirkung einem generellen Gesetzesvorbehalt gegenüber allen Grundrechten gleichsteht, w i r d die Wesensgehaltsgarantie gegenüber dem Gemeinschaftsrecht durch den unumstößlichen Kernbereich eines jeden Grundrechts und insofern zugleich durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit — i n Verbindung mit dem Gemeinwohlprinzip — i n bezug auf jedes Grundrechte jeweils für eine besondere Lebensbetätigung (auf einem speziellen Lebensgebiet) den Grundsatz prinzipieller Unantastbarkeit zum Ausdruck, vgl. Uber, Freiheit des Berufs (1952), S. 103. 99 BVerfG v. 11. 6.1958 (BVerfGE 7, 377/405); v. 16. 6.1959 (BVerfGE 9, 338/ 346); v. 17.7.1961 (BVerfGE 13, 97/104f.); v. 25.7.1963 (BVerfGE 17, 108/117); v. 7.4.1964 (BVerfGE 17, 306/313 f.); v. 15.12.1965 (BVerfGE 19, 342/349); v. 3. 5.1966 (BVerfGE 20, 45/49); v. 5. 8.1966 (BVerfGE 20,150/159). 100 BVerfG v. 15.12.1965 (BVerfGE 19, 342/349). 101 So zutreffend Hesse, Grundzüge (2), S. 132 f.; ähnlich Häberle , Wesensgehaltsgarantie (1962), S. 64 ff.; Hamann, GG (2), A r t . 19 A n m . 7 a. E. S. 198. Das BVerfG identifiziert einerseits den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht m i t dem Wesensgehalt, zieht i h n andererseits jedoch zu dessen Bestimmung heran, vgl. E. v. 18.7.1967 (BVerfGE 22, 180/219 f.: Einschränkbarkeit der Freiheit der Person „ n u r aus besonders gewichtigen Gründen", anderenfalls Verletzung des Wesensgehalts). 102 Bachof , Z u m Apothekenurteil, JZ 1958, 468; Häberle , Wesensgehaltsgarantie (1962), S. 66; Eike v. Hippel , Grenzen u. Wesensgehalt (1965), S. 56 N. 31; Rupp, B V e r f G zum Sammlungsgesetz, N J W 1966, 2039 f.; der Sache nach w o h l auch Hesse, Grundzüge (2), S. 26 f., 132. 103 Bachof , Freiheit des Berufs, Grundrechte I I I / l (1958), S. 215; Uber, A r beitszwang, Festschr. f. Schack (1966), S. 176; Häberle , Wesensgehaltsgarantie (1962), S. 61; Eike v. Hippel (1965), S. 54 ff. Das BVerfG selbst hat allerdings die Wesensgehaltssperre insofern offenbar ausklammern wollen, vgl. E. v. 11. 6.1958 (BVerfGE 7, 377/409); v. 18. 7.1961 (BVerfGE 13, 97/122), andererseits aber auch E. v. 11. 6.1958, aaO, S. 404 (Bestimmung der i m Wesen des G r u n d rechts selbst angelegten Grenzen).

3. Zulässigkeit nationaler Verfassungskontrolle

155

Grundrecht bestimmt 1 0 4 . Insoweit kommt weder primärem noch sekundärem Gemeinschaftsrecht eine Prävalenz gegenüber den Grundrechten des Grundgesetzes zu 1 0 5 . Aus dem Auslegungsgrundsatz der Einheit der Verfassung folgt für das Verhältnis der Durchbrechungsermächtigung des A r t . 24 Abs. I GG zu den Grundrechten ferner, daß nach vollzogener „Übertragung" von Hoheitsrechten i n die Interessenabwägung zwischen grundrechtlichem Freiheitsanspruch und Gemeinwohl auch die Funktionsfähigkeit der Integrationsgemeinschaften einzubeziehen ist. Insofern gebietet die Verfassung selbst eine gemeinschaftskonforme Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit 1 0 0 . Unter diesem Gesichtspunkt können, sofern dies für die Funktionsfähigkeit der Europäischen Gemeinschaften unerläßlich ist, Grundrechtseinschränkungen durch primäres oder sekundäres Gemeinschaftsrecht zulässig sein, die dem nationalen Gesetzgeber verwehrt sind. Die gemeinschaftskonforme Auslegung der Wesensgehaltssperre führt außerdem dazu, daß dem Gemeinschaftsrecht nur dann keine Prävalenz vor den Grundrechten zukommt, wenn es den Wesensgehalt von Grundrechten — dem nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Freiheitsvermutung immanent i s t 1 0 7 — offensichtlich verletzt 1 0 8 . Nur unter dieser Voraussetzung ist eine innerstaatliche Unanwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts für die Gemeinschaftsorgane voraussehbar und daher eine die Funktionsfähigkeit der Gemeinschaften beeinträchtigende Rechtsunsicherheit und Rechtsungleichheit vermeidbar.

3. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit nationaler Verfassungskontrolle

Nach deutschem Verfassungsrecht konnte die Anerkennung der innerstaatlichen Verbindlichkeit der Gemeinschaftsrechtsordnung nicht un104 Als Beispiel, i n dem das BVerfG ausdrücklich die Beeinträchtigung des Wesengehalts des A r t . 12 I GG prüft, kann die Entscheidung v. 21. 3.1961 dienen (BVerfGE 12, 281/294 ff.). 105 I m Ergebnis ebenso Bühnemann, Niederlassungsfreiheit (1967), S. 66. 106 Ä h n l i c h Bühnemann, Niederlassungsfreiheit (1967), S. 66/67; angedeutet bereits von Everling, Niederlassungsrecht (1963), S. 12 N. 44, S. 121; ders., Diskussionsbeitrag, Auskunftsrecht (1964), S. 85/86. Carstens, Rang, Festschr. f. Riese (1964), S. 77, 80, w i l l den Grundsatz der vertragskonformen Auslegung heranziehen. 107 Vgl. die Nachweise oben S. 153 N. 96. 108 Ohne nähere Begründung ebenso H. Wagner, Beschlußrecht (1965), S. 256. Das BVerfG stellt darauf ab, ob der Wesensgehalt von Grundrechten „ k l a r " verletzt ist, vgl. E. v. 4. 5.1955 (BVerfGE 4, 157/170); v. 21. 3. 1961 (BVerfGE 12, 281/294). Z u r Bedeutung der „Offensichtlichkeit" i m Verhältnis zur Freiheitsvermutung vgl. etwa BVerfG v. 17. 7.1961 (BVerfGE 13, 97/105, 107, 113).

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I V . Deutsche Grundrechte u n d Gemeinschaftsrecht

eingeschränkt, sondern nur unter der verfassungsmäßigen Voraussetzung der Unantastbarkeit des Wesensgehalts der Grundrechte erfolgen. Auch die Frage nach Prävalenz und Verbindlichkeit des Sekundärrechts i m Hinblick auf den Wesensgehalt der Grundrechte ist wegen des bereits erwähnten Zusammenhangs zugleich eine Frage nach dem Inhalt bzw. der Wirksamkeit des Anwendungsbefehls, der die Gemeinschaftsrechtsordnung innerstaatlich für beachtlich erklärt. Sekundäres Gemeinschaftsrecht, das sich i m Rahmen der Verträge hält, kann innerstaatlich nur dann unanwendbar sein, wenn der innerstaatliche Anwendungsbefehl eine i m Vertrage vorgesehene unbedingte Prävalenz des Gemeinschaftsrechts wegen seiner Beschränkung durch die Verfassung nicht angeordnet hat. Diese Auffassung setzt voraus, daß der innerstaatliche Anwendungsbefehl begrifflich überhaupt einen anderen Inhalt haben kann als der Vertrag, dessen innerstaatlichen Vollzug er anordnet. Nach der i n dieser Untersuchung zugrunde gelegten Vollzugslehre hat der Rechtsanwendungsbefehl keinen selbständigen normativen Inhalt 1 0 9 . Ein inhaltlicher Unterschied zwischen Vertrag und Anwendungsbefehl ist deshalb nur i n der Weise denkbar, daß der Anwendungsbefehl den Vollzug des Vertrages nicht i n vollem Umfang anordnet, also ein Minus gegenüber dem Vertragsrecht darstellt. Insoweit muß auch eine Teilnichtigkeit oder verfassungskonforme Auslegung des Anwendungsbefehls mit der Vollzugslehre begrifflich vereinbar sein 1 1 0 . Anderenfalls könnte sie gegenüber der Transformationslehre, nach welcher beides begrifflich möglich ist 1 1 1 , für die Einführung des Völkerrechts i n das nationale Recht nicht als gleichwertiges Deutungsschema angesehen werden. Nach der hier vertretenen Auffassung bleibt der Anwendungsbefehl auf Grund der Verfassungsrechtslage insoweit hinter dem Vertragsrecht zurück, als er eine unbedingte innerstaatliche Prävalenz des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts nicht anordnen kann. Begriffliche Einwände sind also gegen eine derartige Beschränkung des Anwendungsbefehls nicht möglich. Die Bedenken, die hiergegen vorgebracht werden können, sind vielmehr materiellrechtlicher N a t u r 1 1 2 . Sofern nämlich der Anwendungsbefehl dem Vertrag nicht entspricht und aus diesem too v g l . Partsch , Anwendung, BerDGesVöR 6 (1964), 22. 110 A. M. für die verfassungskonforme Auslegung Boehmer, Vertrag (1965), S. 93. Nach BVerfG v. 4. 5.1955 (BVerfGE 4, 157/168) ist die verfassungskonforme Auslegung geboten, „solange u n d soweit die Auslegung offen ist". Gegen einen vorbehaltlosen Ausschluß nationaler Auslegungsregeln auch Partsch, Anwendung, BerDGesVöR 6 (1964), 111 m. Nachw. in die verfassungskonforme Auslegung vgl. Boehmer, Vertrag (1965), S. 92 f. 112

Ebenso sinngemäß Herzog, Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, JZ 1966, 657.

3. Zulässigkeit nationaler Verfassungskontrolle

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Grunde primäres oder sekundäres Gemeinschaftsrecht innerstaatlich tatsächlich nicht angewandt wird, verletzt die Bundesrepublik dadurch ggf. die Gemeinschaftsverträge. Eine Vertragsverletzung scheidet nur dann aus, wenn die Verträge insoweit, als sie eine Prävalenz des Gemeinschaftsrechts ohne Rücksicht auf den Wesensgehalt der Grundrechte anordnen, ihrerseits unwirksam sind und die Bundesrepublik insoweit gemeinschaftsrechtlich nicht gebunden ist. Nach der hier vertretenen Auffassung 1 1 3 sind die völkerrechtlichen Gründungsverträge zwischen den Mitgliedstaaten bei Aufnahme der Tätigkeit der Gemeinschaftsorgane nicht erloschen. Die eigenständige Gemeinschaftsrechtsordnung kann sich ferner nur i n dem Rahmen entfalten, der ihr durch die völkerrechtlichen Gründungsverträge vorgezeichnet ist. Schließlich ist der Gesamtheit der Mitgliedstaaten eine Einw i r k u n g auf die Verträge nach den Regeln des allgemeinen Völkerrechts möglich. Es sind deshalb keine Gründe ersichtlich, weshalb nicht die Gültigkeit der Verträge selbst nach allgemeinem Völkerrecht sollte beurteilt werden können. Als Besonderheit dieses hier angenommenen Konflikts zwischen den Gründungsverträgen und dem Grundgesetz muß zunächst festgehalten werden, daß sich ein solcher Widerspruch nicht unmittelbar aus dem Text der Verträge ergibt. Vielmehr kann er nur auftreten bei einer bestimmten Auslegung der Verträge, die zwar auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs beruht, von diesem selbst aber ausdrücklich noch nicht vorgenommen worden ist 1 1 4 . Das allgemeine Völkerrecht geht insofern davon aus, daß diejenige Auslegung, die eine hierfür vertraglich vorgesehene Instanz, etwa ein Schiedsgericht, einem Vertrage gibt, in der Regel für die Vertragspartner mit innerstaatlicher W i r kung als die von Anfang an maßgebliche anzusehen ist 1 1 5 . Das gilt nur dann nicht, wenn die Entscheidung dieser Instanz mit einem völkerrechtlichen Nichtigkeitsgrund — z. B. offensichtliche Kompetenzüberschreitung — behaftet ist 1 1 0 . Es kann jedoch für die völkerrechtliche Wirkung eines Widerspruchs zur Verfassung eines Unterzeichnerstaates nicht ohne Bedeutung sein, daß die — zunächst nur potentielle — Unvereinbarkeit erst durch die Vertragsauslegung einer Schiedsinstanz, d. h. also nach Vertragsschluß, entsteht. Eine derartige Situation wird, soweit ersichtlich, i m völkerrechtlichen Schrifttum nicht erörtert. Es können deshalb lediglich die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts über die völker113

Vgl. die Darstellung oben S. 88 ff., 95 ff. Vgl. dazu die Darstellung oben S. 112 ff. 115 Vgl. m. Nachw. Boehmer, Vertrag (1965), S. 93 f.; einschränkend anscheinend Hallier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen (1962), S. 102 ff. (nur bei genereller Verbindlichkeit des Urteilstenors). 118 Hallier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen (1962), S. 104; Boehmer, V e r trag (1965), S. 94. 114

158

I V . Deutsche Grundrechte und Gemeinschaftsrecht

rechtlichen Wirkungen verfassungswidriger Verträge herangezogen werden, wobei sich die Darstellung i m wesentlichen auf die umfassende Untersuchung von Geck 117 stützen kann. Während der völkerrechtlichen Praxis keine eindeutigen Regeln hierfür zu entnehmen sind, da sie stark durch die jeweiligen Machtverhältnisse und durch politische Erwägungen beeinflußt w i r d 1 1 8 , besteht i n der Völker rechtslehr e Einigkeit darüber, daß jedenfalls eine Verletzung verfassungsrechtlicher Vorschriften über die Erklärungsbefugnis von Staatsorganen völkerrechtlich erheblich ist, weil das Völkerrecht insoweit auf das Landesrecht verweist 1 1 9 . Streitig ist dagegen, ob und inwieweit die Verletzung verfassungsrechtlicher Bestimmungen über die Willensbildung der Staatsorgane völkerrechtlich beachtlich ist. Die Lehre nimmt zum Teil an, daß derartige Verstöße völkerrechtlich unerheblich sind, weil anderenfalls die Rechtssicherheit und möglicherweise der Bestand einer einheitlichen Völkerrechtsordnung überhaupt gefährdet wären 1 2 0 . Andere halten alle verfassungsrechtlichen Normen über die Kompetenz der Staatsorgane, auch soweit sie deren Willensbildung betreffen, wegen der erwähnten generellen Verweisung des Völkerrechts auf das Landesrecht für völkerrechtlich relevant 1 2 1 . Die wohl überwiegende Meinung stellt — mit Abweichungen i m einzelnen — darauf ab, daß das Vertrauen der Vertragspartner auf die einmal abgegebenen Vertragserklärungen trotz Verstoßes gegen das Verfassungsrecht geschützt werden muß, sofern nicht besondere Umstände — etwa die Offenkundigkeit der Verfassungsverletzung — dieses Vertrauen ausschließen oder als nicht schutzwürdig erscheinen lassen 122 . Eines näheren Eingehens auf diese unterschiedlichen Lehrmeinungen bedarf es i n diesem Zusammenhange jedoch nicht. Es kann nämlich den Gründungsverträgen selbst ein Hinweis auf die Lösung eines Konflikts mit dem Verfassungsrecht entnommen werden. Nach den nahezu übereinstimmenden Ratifizierungsklauseln der drei Gründungsverträge 123 bedurften diese „der Ratifizierung durch die 117

1963. 118

Geck , Die völkerrechtlichen Wirkungen verfassungswidriger

Verträge,

Vgl. dazu Geck, Völkerrechtliche W i r k u n g e n (1963), S. 336 ff., 410; Dahm, Völkerrecht I I I (1961), S. 25 ff.; Wengler, Völkerrecht I (1964), S. 205. 119 Vgl. Geck , Völkerrechtliche W i r k u n g e n (1963), S. 25 ff., 81 ff., 86 ff. 120 Vgl. dazu m. w. Nachw. Geck, Völkerrechtliche W i r k u n g e n (1963), S. 25 ff., 417ff. (Irrelevanztheorie); Dahm, Völkerrecht I I I (1961), S. 24 (Erklärungstheorie). 121 Vgl. dazu m. Nachw. Geck, Völkerrechtliche Wirkungen (1963), S. 32 ff., 38 ff. (absolute Relevanztheorie); Dahm, Völkerrecht I I I (1961), S. 23 f. (Willenstheorie). 122 Vgl. dazu m. Nachw. Geck, Völkerrechtliche Wirkungen (1963), S. 40 ff. (modifizierte Relevanztheorie); Dahm, Völkerrecht I I I (1961), S. 27 ff. (Vertrauenstheorie). 123 A r t . 247 I E W G V ; A r t . 224 I E A G V ; A r t . 99 I EGKSV.

3. Zulässigkeit nationaler Verfassungskontrolle

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Hohen Vertragsparteien gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften . . Λ I m Schrifttum werden derartige „Verfassungsklauseln" als Ausdruck des Willens der Vertragspartner gewertet, daß die verfassungsrechtlichen Beschränkungen der Vertragsschlußkompetenz für die völkerrechtliche Gültigkeit des Vertrages erheblich sein sollen 1 2 4 . Geck hat die verhältnismäßig seltenen Ratifikationsklauseln solcher A r t systematisch erfaßt und näher untersucht 1 2 5 . Er sieht i n ihnen den Versuch, „entweder die durch das Völkergewohnheitsrecht nicht gewährleistete Verknüpfung von Vertragsgültigkeit und Verfassungsrecht erst zu schaffen, oder aber die Schwierigkeiten bei der Feststellung eines allgemein anerkannten Völkerrechtssatzes durch die Aufnahme eines ausdrücklichen Verweises auf das Verfassungsrecht auszuräumen" 126 . Der hier fraglichen Bezugnahme auf die „verfassungsrechtlichen Vorschriften" w i l l Geck freilich geringe Bedeutung beimessen, weil unklar sei, welche Verfassungsvorschriften gemeint seien 127 . A u f diese Frage ist sogleich noch einzugehen. Auch Geck nimmt jedenfalls bei dieser Klausel nicht an, daß Verfassungsvorschriften über die Willensbildung der Staatsorgane überhaupt unbeachtlich sein sollen 1 2 8 . I n dem sog. Streit u m den Wehrbeitrag spielte ferner die ähnlich formulierte Ratifikationsklausel i n Art. 131 des EVG-Vertrages 1 2 9 eine gewisse, hier nicht weiter interessierende Rolle. Vor dem Bundesverfassungsgericht hat die Bundesregierung dazu seinerzeit erklären lassen, diese Klausel enthalte die Versicherung des ratifikationsberechtigten Staatsoberhauptes, daß bei der Ratifikation die Verfassung gewahrt worden sei. Die Klausel beinhalte damit jedoch keinen unbedingten Verzicht auf Einwände aus dem Verfassungsrecht. Vielmehr würde aus ihr bei Mißbrauch der Ratifikation, wenn dieser „offenkundig für die andere Seite erkennbar war, bei Berufung darauf die Ungültigkeit der Verträge erwachsen" 130 . Die Bundesregierung hat also jene Verfassungsklausel i m Sinne der modifizierten Relevanztheorie ausgelegt. Die gleiche Interpretation dürfte i m Hinblick auf die Beurteilung derartiger Klauseln durch die Völkerrechtswissenschaft i m allgemeinen auch für die Verfassungsklauseln der Gemeinschaftsverträge mangels gegenteiliger 124 Vgl. Dahm, Völkerrecht I I I (1961), S. 25; Wengler, Völkerrecht I (1964), S. 204; Guggenheim-Marek, Völkerrechtliche Verträge, W B V R I I I (1962), S. 533. 125 Geck, Völkerrechtliche Wirkungen (1963), S. 239 ff. 126 Geck, Völkerrechtliche W i r k u n g e n (1963), S. 263. 127 Geck, aaO, S. 254. 128 Geck, aaO, S. 254; vgl. auch Wengler, Völkerrecht I (1964), S. 204 N. 3. 129 Z i t i e r t i m Schriftsatz der Antragsteller v o m 14. 7.1952, Wehrbeitrag I (1952), S. 254. 130 Ministerialdirigent Dr. Römer i n der mündlichen Verhandlung am 18. 7. 1952, Wehrbeitrag I (1952), S. 387.

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IV. Deutsche Grundrechte und Gemeinschaftsrecht

Anhaltspunkte gerechtfertigt sein. Diese Auslegung entspricht zugleich — sofern man der überwiegenden Vertrauenstheorie (modifizierten Relevanztheorie) folgt — dem allgemeinen Auslegungsgrundsatz, vertragliche Bestimmungen i m Zweifel i m Sinne des allgemeinen Völkerrechts zu interpretieren 1 3 1 . Danach fragt sich weiterhin, ob die Klausel nur auf spezielle Verfassungsvorschriften über den Abschluß völkerrechtlicher Verträge oder auf sonstige Verfassungsbestimmungen verweist. Geck neigt insofern offenbar einer einschränkenden Auffassung zu, weil die Staaten das gesamte Verfassungsrecht ihrer Vertragspartner regelmäßig überhaupt nicht übersehen könnten 1 3 2 . Gegen eine Beschränkung auf Normen über den Abschluß völkerrechtlicher Verträge spricht jedoch — wie Geck selbst einr ä u m t 1 3 3 —, daß die hier fragliche Verfassungsklausel offensichtlich weiter reichen soll als Klauseln, die sich ausdrücklich nur auf das verfassungsmäßige Verfahren bzw. auf die parlamentarische Zustimmung beziehen. Ferner ist zu berücksichtigen, daß i m Kreise der an den Europäischen Gemeinschaften beteiligten Staaten eine genauere Kenntnis des Verfassungsrechts der Partnerstaaten vorausgesetzt werden kann als unter Staaten mit weniger engen politischen und rechtlichen Beziehungen 1 3 4 . Hier interessiert vor allem die Frage, ob nach dieser Klausel die Beachtung des Art. 79 Abs. I I I GG in Verbindung m i t Art. 20 Abs. I I I , Art. 19 Abs. I I GG für die völkerrechtliche Gültigkeit der Gründungsverträge insoweit relevant ist, als sich daraus die Unantastbarkeit des Wesensgehalts der Grundrechte ergibt. Forsthoff hat zwar dem Art. 79 GG — i m Gegensatz zu A r t . 59 GG — vom Standpunkt der Vertrauenstheorie aus eine völkerrechtliche Außenw i r k u n g abgesprochen, weil alle differenzierteren, nur auf Grund genauer Kenntnis der Verfassung und ihrer Problematik zu beurteilenden Rechtsfragen für die völkerrechtliche Gültigkeit ratifizierter Verträge irrelevant seien 135 . Insofern ist vorab zunächst zu erwägen, daß es nicht darauf ankommen kann, ob etwa die Verfassungen jeweils qualifizierte Mehrheiten speziell für den Vertragsschluß oder generell bei verfassungsändernden Hoheitsakten vorschreiben. Soweit ein Vertragsschluß nach staatlichem Recht nur unter Beachtung der Vorschriften über die Verfassungsänderung zulässig ist, können die einschlägigen materiellen 131 Vgl. dazu Dahm, Völkerrecht I I I (1961), S. 56; Bernhardt , Auslegung (1963), S. 183 ff., 141. 132 Geck , Völkerrechtliche W i r k u n g e n (1963), S. 254. Das w a r anscheinend auch die Auffassung der Prozeßparteien i m Wehrstreit, vgl. die Ausführungen i n der mündlichen Verhandlung am 18. 7.1952 von Ministerialdirigent Dr. Römer, Wehrbeitrag I (1952), S. 388, u n d des Abgeordneten Dr. A r n d t , W e h r beitrag I (1952), S. 415. 133 aaO, S. 254. 134 Vgl. Kaiser , I m Rat vereinigte Vertreter, Festschr. f. Ophüls (1965), S. 122. 135 Forsthoff, Rechtsgutachten, Wehrbeitrag I (1952), S. 357/358.

3. Zulässigkeit nationaler Verfassungskontrolle

161

Verfassungsnormen, etwa über die Grundrechte, i n Verbindung mit den Kegeln über die Verfassungsänderung sehr wohl als Vorschriften über die Willensbildung beim Vertragsschluß bzw. als Kompetenznorm angesehen werden 1 3 6 . Auf der Grundlage der Vertrauenstheorie kann sodann mit Forsthoff 137 unterschieden werden, ob es sich um elementare und deshalb auch völkerrechtlich relevante verfassungsrechtliche Erfordernisse handelt oder nicht. Das Verbot der Beseitigung der Wesensgehaltsgarantie w i r d insofern eher als elementar anzusehen sein als die keineswegs einfache und eindeutige Bestimmung des A r t . 59 G G 1 3 8 ; denn ein völkerrechtlicher Vertrag, der m i t innerstaatlicher Wirkung die Wesensgehaltsgarantie beseitigt oder durchbricht, ist nach deutschem Verfassungsrecht unter keinen denkbaren Umständen zustimmungs- oder ratifikationsfähig. Die Kenntnis dieser Verfassungsrechtslage kann ferner mindestens seit dem Saar-Urteil des Bundesverfassungsgerichts bei den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften vorausgesetzt werden; denn diese Entscheidung hat die Wesensgehaltsgarantie sogar i n der dort gegebenen Ausnahmesituation als unverzichtbar bezeichnet 139 . Schließlich kann ein etwaiges Vertrauen auf die Unerheblichkeit der Wesensgehaltsgarantie für die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen auch nicht daran anknüpfen, daß diese Schranke i n Art. 24 Abs. I GG nicht erwähnt ist. Denn diese Vorschrift enthält ebensowenig eine ausdrückliche Ermächtigung zu Abweichungen von der Verfassung 1 4 0 und wurde bzw. w i r d ferner nur von einer Minderheit i m Schrifttum als schrankenlose Ermächtigung angesehen 141 . Alle diese Überlegungen führen dazu, kraft der Ratifikationsklauseln der Gemeinschaftsverträge eine Durchbrechung der Wesensgehaltsgarantie durch den Vertragsabschluß als völkerrechtlich beachtlich anzusehen. Eine derartige Durchbrechung der Wesensgehaltsgarantie beruht freilich, wie bereits ausgeführt wurde, nicht ausdrücklich auf dem Text der Gründungsverträge, sondern ergäbe sich erst aus deren Auslegung durch den Gerichtshof der Gemeinschaften, sofern dieser seine oben erwähnte 136 So überzeugend Geck, Völkerrechtliche W i r k u n g e n (1963), S. 221 f., 226 f.; ähnlich Berber, Völkerrecht I (1960), S. 435/436; abweichend die offenbar überwiegende Meinung, vgl. m. Nachw. Geck, aaO, S. 35 ff.; Dahm, Völkerrecht I I I (1961), S. 29 f. (Unerheblichkeit eines inhaltlichen Widerspruchs von Vertrag u n d Verfassung). 137 Forsthoff, Rechtsgutachten, Wehrbeitrag I (1952), S. 357. 138 Z u A r t . 59 I 2 GG eingehend Geck, Völkerrechtliche W i r k u n g e n (1963), S. 121 ff., 156; A r t . 59 I I 2 GG gehört nach Geck, aaO, S. 73 N. 106, sogar zu den unklarsten Bestimmungen des Grundgesetzes. 139 BVerfG v. 4. 5.1955 (BVerfGE 4, 157/169 f.). Dieses Argument nat allerdings für den Abschluß des E G K S V keine Bedeutung, der bereits am 23. 7.1952· i n K r a f t getreten ist laut Bekanntmachung v. 14.10.1952 ( B G B l I I S. 978). 140 Das w i r d von Vogel, Verfassungsentscheidung (1964), S. 7/8, nicht berücksichtigt. 141 Vgl. die Nachweise oben S. 127 N. 385.

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Gorny

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I V . Deutsche Grundrechte u n d Gemeinschaftsrecht

Rechtsprechung fortsetzt 1 4 2 . Man w i r d daher nicht zu dem Schluß kommen können, daß wegen des erörterten Widerspruchs zum Grundgesetz die Gemeinschaftsverträge insgesamt anfechtbar sind 1 4 3 . Vielmehr ist hier wiederum zu berücksichtigen, daß die völkerrechtlichen Gründungsverträge zwischen den Mitgliedstaaten durch die Aufnahme der Tätigkeit der Gemeinschaften nicht erloschen sind und daß sich die selbständige Gemeinschaftsrechtsordnung nur i m Rahmen dieser Verträge entfalten kann. Die vom Gerichtshof angewandte „dynamische" Auslegungsmethode 144 muß die Grenze ihrer Zulässigkeit deshalb dort erreichen, wo sie dazu führt, daß dem völkerrechtlichen Gründungsvertrag ein Inhalt gegeben wird, der wegen völkerrechtlich relevanter Verfassungswidrigkeit anfechtbar ist. Auch die Auslegungskompetenz des Gerichtshofs ist insoweit durch die völkerrechtlichen Gründungsverträge wegen ihrer — wenn auch eingeschränkten — Bezugnahme auf das Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten begrenzt 145 . Sofern die Bundesrepublik etwa sekundäres Gemeinschaftsrecht innerstaatlich nicht anwendet, weil es den Wesensgehalt von Grundrechten verletzt, entstehen unter den genannten Voraussetzungen schwierige verfahrensrechtliche Fragen. Zunächst scheint es nicht ganz unzweifelhaft zu sein, ob etwa der Gerichtshof gemäß A r t . 5 Abs. I EWGV i n Verbindung mit A r t . 170, 171 EWGV i n dem sog. Beanstandungsverfahren entscheiden kann, ob ein solches Verhalten der Bundesrepublik eine Vertragsverletzung darstellt. Denn nach überwiegender Auffassung entscheidet der Gerichtshof gemäß A r t . 164 ff. EWGV nur über die Auslegung und Anwendung des Vertrages, nicht über dessen Gültigkeit 1 4 6 . Die Zu142

Daraus ergibt sich ferner, daß der Gesichtspunkt des Zeitablaufs seit Vertragsschluß bzw. der Gesichtspunkt der bisherigen beanstandungslosen Vertragsdurchführung hier keine Rolle spielen. Ob sie nach allgemeinem Völkerrecht zum Ausschluß des Anfechtungsrechts führen, ist zweifelhaft. Vgl. dazu Geck, Völkerrechtliche Wirkungen (1963), S. 377 f., 378 f.; Dahm, V ö l k e r recht I I I (1961), S. 29. 143 Rechtsfolge der Verfassungswidrigkeit ist ggf. die Anfechtbarkeit des Vertrages, vgl. Geck , Völkerrechtliche Wirkungen (1963), S. 89 ff. 144 Dazu vgl. m. Nachw. Schlochauer , Gerichtshof als Integrationsfaktor, Festschr. f. Hallstein (1966), S. 447 ff., 450; Oppermann, Verfassungsrechtsprechung, Staat 6 (1967), 463 ff.; ferner Bülck , Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 124 („progressiv-teleologische Rechtsfortbildung"); v. Simson, Rechtliche Gestalt, ZHR 130 (1967), 79. 145 Vgl. Bernhardt , Auslegung (1963), S. 174: „ W i r d der Text verlassen, so ist auch der Bereich der Auslegung überschritten, und es k a n n sich n u r noch u m das . . . Problem handeln, ob u n d durch welche A k t e außerhalb einer formellen Vertragsänderung neues, dem Vertragstext derogierendes Recht entstehen kann." — Wegen der unklaren Fassung der Ratifikationsklauseln ist freilich zweifelhaft, w a n n diese Grenze überschritten w i r d . 148 Vgl. m. Nachw. Tomusdnat , Vorabentscheidung (1964), S. 76; ferner Ule, Gutachten, 46. D J T I I 4 (1966), S. 112; Ehle , EWG-Prozeßrecht, A r t . 177 E W G V Tz. 46; Basse, E u G H u. dt. Zivilgerichtsbarkeit (1967), S. 237.

3. Zulässigkeit nationaler Verfassungskontrolle

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ständigkeitsvorschriften gehen vielmehr von der — ggf. i n Frage gestellten — Gültigkeit der Verträge aus 1 4 7 . W i r d wenigstens die Zuständigkeit des Gerichtshofs zur Entscheidung über die Gültigkeit mit völkerrechtlicher bzw. gemeinschaftsrechtlicher Wirkung bejaht 1 4 8 , überschreitet jedoch der Gerichtshof seine Auslegungszuständigkeit, so ist weiterhin zweifelhaft, ob seine Entscheidung nach allgemeinem Völkerrecht als nichtig anzusehen wäre 1 4 9 , ferner ob i m Streitfalle der Internationale Gerichtshof zur Entscheidung darüber zuständig wäre 1 5 0 . Diesen Fragen weiter nachzugehen, erscheint indessen wenig fruchtbar, da ein derartiger Streifall die Funktionsfähigkeit der Gemeinschaften empfindlich lähmen könnte 1 5 1 . Vielmehr muß eine praktische Lösung des Verhältnisses von Gemeinschaftsrecht und nationalen Grundrechten bestrebt sein, eine Normenkollision von vornherein zu vermeiden. Der von Verfassungswegen gebotenen gemeinschaftsfreundlichen Anwendung der Wesensgehaltssperre muß deshalb aus praktischer Notwendigkeit eine verfassungsfreundliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den Gerichtshof der Gemeinschaften gegenüberstehen 152 . Ein Normwiderspruch zwischen Gemeinschaftsrecht und Grundrechten — und damit eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Gemeinschaften — w i r d letztlich nur vermieden, wenn der Gerichtshof bereit ist, die Gewährleistung des Wesensgehalts der Grundrechte i m Gemeinschaftsrecht anzuerkennen. Eine solche Haltung dürfte seiner Funktion als Integrationsfaktor 1 5 3 eher gerecht werden, als ein Beharren auf der unbedingten Prävalenz des Gemeinschaftsrechts um jeden Preis. Da ein Normwiderspruch vor dem nationalen Forum nur vorliegen kann, wenn sekundäres Gemeinschafts147 Vgl. Mühlenhöver i n : v. d. Groeben-v. Boeckh, I A 63, A r t . 177 E W G V Anm. 2 b, S. 43. 148 Diese Zuständigkeit wäre eine ausschließliche, A r t . 219 E W G V ; vgl. auch A r t . 193 E A G V , 87 EGKSV. Dazu vgl. Schlochauer, Gerichtsbarkeit, ArchVR 3 (1951/52), 395 f. 149 Über Nichtigkeitsgründe vgl. Dahm, Völkerrecht I I (1961), S. 557 ff. (Nichtigkeit u. a. nur, w e n n das Gericht sich offen über die i m Vertrag gezogenen Grenzen hinwegsetzt). 150 Die U n w i r k s a m k e i t von Entscheidungen internationaler Gerichte muß i m Streitfall wiederum von intern. Gerichten festgestellt werden, vgl. Dahm, Völkerrecht I I (1961), S. 559. Vgl. i n diesem Zusammenhang A r t . X des Brüsseler Vertrages v. 17. März 1948 (BGBl. 1955 I I S. 283), der die Unterzeichnerstaaten — darunter auch die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften — ggf. zur A n r u f u n g des Internationalen Gerichtshofes verpflichtet. 151 Vgl. dazu Riese, Rechtsschutz, EuR 1 (1966), 35. 152 Dazu vgl. etwa Friauf, Notwendigkeit, AöR 85 (1960), 224 ff. F ü r das Völkerrecht sieht Geck, Völkerrechtliche W i r k u n g e n (1963), S. 219, i n vertragskonformer Verfassungsauslegung u n d verfassungskonformer Vertragsauslegung die Lösung der Konflikte zwischen Verfassung u n d völkerrechtlichem Vertrag. 153 Darüber vgl. Schlochauer, Gerichtshof als Integrationsfaktor, Festschr. f. Hallstein (1966), S. 431 ff.

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I V . Deutsche Grundrechte und Gemeinschaftsrecht

recht gültig, d. h. vertragsgemäß, erlassen worden ist, muß ggf. auch das Bundesverfassungsgericht vor einer Entscheidung der innerstaatlichen Normenkollision eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Gemeinschaften gemäß A r t . 177 EWGV herbeiführen 1 5 4 . Dieser erhält dadurch Gelegenheit, eine den Wesensgehalt von Grundrechten verletzende Norm des sekundären Gemeinschaftsrechts für ungültig zu erklären. Solange dieses Verfahren einen Normwiderspruch verhindert, kann die Frage nach der gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit nationaler Verfassungskontrolle letztlich offenbleiben 155 .

4. Mittelbare Verfassungskontrolle durch das Bundesverfassungsgericht

Verfahrensrechtlich ist von besonderem Interesse, ob das Bundesverfassungsgericht zuständig ist, eine Beeinträchtigung des Wesensgehalts von Grundrechten durch Normen des Europäischen Gemeinschaftsrechts zu verhindern. Unproblematisch ist insofern die Verfassungskontrolle des primären Gemeinschaftsrechts. Das Bundesverfassungsgericht prüft formell die Übereinstimmung der Vertragsgesetze m i t dem Grundgesetz 156 . Da sich der normative Inhalt des i m Vertragsgesetz ausgesprochenen Anwendungsbefehls jeweils aus dem Vertrag ergibt, kann das Gericht mittelbar auch das primäre Gemeinschaftsrecht am Grundgesetz messen und über seine Verbindlichkeit mit innerstaatlicher Wirkung entscheiden. Der Hechtsbestand des primären Gemeinschaftsrechts auf der Ebene der Gemeinschaften bleibt unberührt 1 5 7 . Die Gerichtsbarkeit des Bundesverfassungsgerichts ist durch eine konkurrierende Zuständigkeit des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften insoweit nicht ausgeschlossen; denn die Verträge haben dem Gerichtshof nicht die Zuständigkeit verliehen, über die Gültigkeit der Verträge mit innerstaatlicher Wirkung zu entscheiden 158 . Soweit eine Bestimmung des Primärrechts mit dem 154 So die w o h l überwiegende Meinung, vgl. m. Nachw. Ule, Gutachten, 46. D J T I I 4 (1966), S. 114 N. 346. iss p ü r eine Parallelregelung zur Vermeidung von Konflikten hat sich Frowein, Verhältnis, A W D 1964, 236, hinsichtlich des Verhältnisses von Gemeinschaftsrecht u n d einfachem nationalen Recht ausgesprochen. 156 BVerfG v. 30.7.1952 (BVerfGE 1, 396/410 ff.); v. 4.5.1955 (BVerfGE 4, 157/162 f.) — abstr. Normenkontrolle; v. 21.3.1957 (BVerfGE 6, 290/294 f.) — Verfassungsbeschw.; v. 26.3.1957 (BVerfGE 6, 309/326 f.); v. 21.3.1961 (BVerfGE 12, 281/288 f.) — konkr. Normenkontrolle; v. 20. 3.1963 (BVerfGE 15, 377/348); v. 7. 4.1965 (BVerfGE 18, 441/450) — Verfassungsbeschw. 157 Badura , Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 68 m. w. Nachw. 158 Vgl. m. Nachw. Tomuschat , Vorabentscheidung (1964), S. 76; Ehle, E W G Prozeßrecht, A r t . 177 E W G V Tz. 46, A r t . 220/222 E W G V Tz. 20; ferner Ule, Gutachten, 46. D J T I I 4 (1966), S. 112.

4. Mittelbare Verfassungskontrolle

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Grundgesetz unvereinbar ist, kann sich das Bundesverfassungsgericht darauf beschränken, die teilweise Nichtigkeit des Vertragsgesetzes insoweit auszusprechen, sofern der Vertrag nicht bei Wegfall der innerstaatlichen Verbindlichkeit dieser Bestimmung seinen Sinn verliert 1 5 9 . Nachdem die Frist für eine unmittelbare Verfassungsbeschwerde gegen die Vertragsgesetze verstrichen ist (§ 93 Abs. I I BVerfGG), kann das Bundesverfassungsgericht durch einen Antrag auf abstrakte Normenkontrolle gemäß Art. 93 Abs. I Nr. 2 GG, durch eine Vorlage zur konkreten Normenkontrolle gemäß A r t . 100 Abs. I GG oder durch eine Verfassungsbeschwerde gegen einen deutschen Hoheitsakt zur Ausführung des primären Gemeinschaftsrechts (§§ 90, 95 Abs. I I I S. 2 BVerfGG) mit einer Überprüfung primären Gemeinschaftsrechts befaßt werden 1 6 0 . Hingegen ist bisher noch nicht zweifelsfrei geklärt, ob das Bundesverfassungsgericht auch innerstaatlich verbindliches sekundäres Gemeinschaftsrecht am Grundgesetz messen kann. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine unmittelbare Verfassungsbeschwerde gegen sekundäres Gemeinschaftsrecht nicht zulässig, weil Rechtsetzungsakte der Gemeinschaftsorgane nicht Hoheitsakte der deutschen öffentlichen Gewalt gemäß § 90 BVerfGG sind 1 6 1 . Die Hoheitsgewalt der Gemeinschaften ist auch nach der hier zugrunde gelegten Auffassung ungeachtet der Beteiligung der Bundesrepublik an der Gründung der Gemeinschaften und an der Willensbildung ihrer Organe eine eigenständige, nicht-nationale Gemeinschaftsgewalt. Damit ist indessen eine Verfassungskontrolle des sekundären Gemeinschaftsrechts keineswegs ausgeschlossen162. Vielmehr ist hier ebenso eine mittelbare Überprüfung möglich, wie dies hinsichtlich des primären Gemeinschaftsrechts der Fall ist. Das ergibt sich aus der hier vertretenen materiellrechtlichen Auffassung des Anwendungsbefehls, ferner aus der anerkannten Zulässigkeit einer mittelbaren Verfassungsmäßigkeitsprüfung des Primärrechts über die Vertragsgesetze und aus der anerkannten Zulässigkeit einer Teilnichtigerklärung des Vertragsgesetzes unter gewissen Voraussetzungen. 159

Vgl. BVerfG v. 5.7.1967 (BVerfGE 22, 134/152); Badura , Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 140 (Schlußwort); Hoffmann , Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 117; Ehle, EWG-Prozeßrecht, A r t . 220 E W G V Tz. 21; a. A. (Unteilbarkeit) Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 45. 160 Vgl. Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 68; Sigloch, i n : Maunz/Sigloch/Schmidt-Bleibtreu/Klein, BVerfGG (Loseblatt-Werk/Stand 1967), § 80 Randnr. 55 a. 161 BVerfG v. 18.10.1967 (BVerfGE 22, 293/295 ff.). I m Schrifttum w a r die Frage str., vgl. m. Nachw. Badura, Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 90 N. 234; Erler, Grundgesetz, W D S t R L 18 (1960), 36; Stern, Konkrete N o r menkontrolle, AöR 91 (1966), 241/242 N. 73; Ehle, EWG-Prozeßrecht, A r t . 220/ 222 E W G V Tz. 23. 162 So offenbar auch BVerfG v. 28.10.1967 (BVerfGE 22, 293/298 f.).

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I V . Deutsche Grundrechte u n d Gemeinschaftsrecht

Nach der hier zugrunde gelegten Auffassung beruht die innerstaatliche Verbindlichkeit auch des Sekundärrechts und seine — verfassungsmäßig begrenzte — Prävalenz vor den Grundrechten des Grundgesetzes mittelbar auf dem innerstaatlichen Anwendungsbefehl i n Verbindung m i t der Durchbrechungsermächtigung des A r t . 24 Abs. I GG. Danach kann der Anwendungsbefehl auch dem Sekundärrecht eine Prävalenz vor den Grundrechten nur soweit verschaffen, als das Grundgesetz dies zuläßt. Die Frage, wieweit die von dem primären Gemeinschaftsrecht beanspruchte Prävalenz von Sekundärnormen sich innerstaatlich durchsetzt, ist somit gleichbedeutend mit der Frage, wieweit der innerstaatliche A n wendungsbefehl diesem Prävalenzanspruch zu entsprechen vermag. Sie ist jeweils nur dadurch zu beantworten, daß — mittelbar — Sekundärnormen und Durchbrechungsermächtigung miteinander verglichen werden. Da letztlich auch die innerstaatliche Verbindlichkeit des Sekundärrechts auf dem i m Vertragsgesetz ausgesprochenen Anwendungsbefehl beruht und da ferner das Vertragsgesetz auch teilweise unwirksam sein kann, kann über die Vertragsgesetze, die formell Gegenstand der Verfassungskontrolle sind, mittelbar jede innerstaatlich verbindliche Norm des sekundären Gemeinschaftsrechts auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung geprüft werden. Dieser Weg ist bereits vorgezeichnet durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des durch den Überleitungsvertrag 1 6 3 aufrechterhaltenen Besatzungsrechts, soweit dieses seinen auf der Besatzungsgewalt beruhenden Vorrang vor dem deutschen Recht verloren hat und mindestens formell auf der Anordnung der Weitergeltung durch das Zustimmungsgesetz zum Überleitungsvertrag beruht 1 6 4 . A u f Grund seiner Prüfungskompetenz über das Vertragsgesetz kann das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden, „ob der Gesetzgeber auch solchem Besatzungsrecht Fortgeltung sichern durfte, das mit dem Grundgesetz nicht vereinbar i s t " 1 6 5 . Dabei urteilt das Gericht über die Verfassungsmäßigkeit dieses Rechts nur mittelbar. Je nachdem, ob ein Widerspruch des aufrechterhaltenen Rechts m i t der Verfassung besteht oder nicht, spricht das Gericht die Nichtigkeit des Zustimmungsgesetzes insoweit — also nur teilweise — aus oder bestätigt seine Verfassungsmäßigkeit insoweit 1 6 6 . Diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist deshalb hier von Interesse, weil die in Frage kommenden 163 Vertrag zur Regelung aus K r i e g u n d Besatzung entstandener Fragen v o m 26. 5.1952/23.10.1954 (BGBl. 1955 I I S. 405). 164 BVerfG v. 21. 3.1963 (BVerfGE 12, 281/288 ff.); v. 20. 3.1963 (BVerfGE 15, 337/348 ff.). 165 BVerfG v. 21. 3.1961 (BVerfGE 12, 281/290). 166 Vgl. BVerfG v. 21.3.1961 (BVerfGE 12, 281/294); v. 16.2.1965 (BVerfGE 18, 353/357/361).

4. Mittelbare Verfassungskontrolle

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besatzungsrechtlichen Vorschriften naturgemäß nicht Bestandteil des Überleitungsvertrages selbst sind, sondern i n dessen A r t . I Abs. 1 nur generell i n Bezug genommen werden. Das Zustimmungsgesetz ist somit nur mittelbar Rechtsgrundlage ihrer Fortgeltung durch eine Verweisung i n dem Vertrag, welchem zugestimmt wurde. Gleichwohl hat das Bundesverfassungsgericht nicht nur die Verfassungsmäßigkeit der Verweisungsnorm, sondern die Verfassungsmäßigkeit der i n Bezug genommenen Normen selbst geprüft. Die Parallelität einer mittelbaren Verfassungskontrolle sekundären Gemeinschaftsrechts liegt auf der Hand. Nach der hier zugrunde gelegten Auffassung des Anwendungsbefehls muß es deshalb gleichfalls für zulässig angesehen werden, daß das Bundesverfassungsgericht kraft seiner Prüfungskompetenz für das Vertragsgesetz darüber entscheidet, ob der Gesetzgeber die innerstaatliche Verbindlichkeit solchen sekundären Gemeinschaftsrechts ermöglichen durfte, das mit dem Wesensgehalt von Grundrechten offensichtlich unvereinbar ist 1 6 7 . Ein Unterschied zu der erwähnten Prüfung aufrechterhaltenen Besatzungsrechts besteht zwar darin, daß der Anwendungsbefehl für das Gemeinschaftsrecht Normen für beachtlich erklärt, die von den Gemeinschaftsorganen erst noch zu setzen waren oder i n Zukunft noch zu setzen sind. Dieser Unterschied kann jedoch für eine mittelbare Prüfung der Verfassungsmäßigkeit jener Normen nicht von Bedeutung sein. Sofern das Bundesverfassungsgericht das Vertragsgesetz insoweit — d. h. also teilweise — für nichtig erklärt, als es durch die Zustimmung etwa zu A r t . 189 EWGV die Beachtlichkeit einer Norm des sekundären Gemeinschaftsrechts anordnet, so entfällt dadurch die innerstaatliche Verbindlichkeit dieser Sekundärnorm. I h r Rechtsbestand auf der Ebene der Gemeinschaften bleibt davon unberührt 168. Eine verfassungskonforme Auslegung des Zustimmungsgesetzes mit dem Ergebnis, daß der Anwendungsbefehl sich auf eine verfassungswidrige Sekundärnorm nicht erstreckt, ist dagegen nicht möglich, weil die Auslegung des dem Anwendungsbefehl zugrunde liegenden primären Gemeinschaftsrechts insoweit nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Gemeinschaften nicht mehr offen ist 1 6 9 . Diese mittelbare Verfassungskontrolle jeder innerstaatlich verbindlichen Norm des Sekundärrechts kann das Bundesverfassungsgericht in 167 ;pü r Zulässigkeit einer mittelbaren Verfassungskontrolle des Sekundärrechts auch Sigloch i n : Maunz/Sigloch/Schmidt-Bleibtreu/Klein, BVerfGG, § 80 Randnr. 55 u. 55 a ; vgl. ferner die i n dieser Hinsicht nicht eindeutigen F o r m u lierungen von Badura , Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 68, vor I.; Hoffmann , Diskussionsbeitrag, W D S t R L 23 (1966), 117. 168

Vgl. dazu allgemein Badura , Verfassungsstruktur, W D S t R L 23 (1966), 68. Das ist das K r i t e r i u m für die Zulässigkeit der verfassungskonformen Auslegung von Vertragsgesetzen, vgl. BVerfG v. 4. 5.1955 (BVerfGE 4, 157/ 186). 169

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I V . Deutsche Grundrechte u n d Gemeinschaftsrecht

den bereits als zulässig erkannten Verfahren der abstrakten und der konkreten Normenkontrolle des Zustimmungsgesetzes sowie der Verfassungsbeschwerde gegen einen deutschen Hoheitsakt, der sich auf Normen des sekundären Gemeinschaftsrechts stützt, ausüben 170 .

170 Ebenso für konkrete Normenkontrolle u n d Verfassungsbeschwerde loch i n : Maunz/Sigloch/Schmidt-Bleibtreu/Klein, BVerfGG, § 80 Randnr. 55 a ; ablehnend (ohne die Zulässigkeit mittelbarer Verfassungskontrolle erörtern) Lechner , BVerfGG (2), § 13 Ziff. 11 A n m . 4 a bb, § 13 Ziff. 6 A n m . S. 70, § 90 A n m . 2 S. 307.

Sig55, zu 3a

V . Zusammenfassung u n d Ergebnisse 1. Die Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Diskussion über das Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Verfassungsrecht hat i m Hinblick auf die Bundesgrundrechte ergeben, daß i m Schrifttum die Frage nach der Verbindlichkeit der Grundrechte sehr eng mit der Rangfrage verknüpft wird. Die Verbindlichkeit der Grundrechte bei der Anwendung von primärem und sekundärem Gemeinschaftsrecht durch deutsche Staatsorgane w i r d unterschiedlich beurteilt. Die wohl überwiegende Meinung i m Schrifttum verneint die Verbindlichkeit der Grundrechte gegenüber dem sekundären Gemeinschaftsrecht. Bei den Vertretern dieser Meinung handelt es sich fast durchweg um Autoren, die i m Gemeinschaftsrecht die Regelung seines Verhältnisses zum nationalen Recht finden. Die Unverbindlichkeit der Grundrechte gegenüber dem Sekundärrecht wird, soweit Äußerungen zu dieser Frage vorliegen, gemäß Art. 24 Abs. I GG für verfassungsmäßig angesehen. Hingegen w i r d nur vereinzelt angenommen, daß die Grundrechte gegenüber dem primären Gemeinschaftsrecht nicht verbindlich sind. Der Umfang der Verbindlichkeit der Grundrechte w i r d insofern davon abhängig gemacht, ob und wie weit Art. 24 Abs. I GG inhaltliche Abweichungen des primären Gemeinschaftsrechts vom Grundgesetz zuläßt. Der unantastbare Mindestbestand der Grundrechte, der insofern häufig mit dem änderungsfesten Verfassungskern gemäß Art. 79 Abs. I I I GG gleichgesetzt wird, w i r d jedoch zumeist nicht präzise umschrieben. 2. Eine Prävalenz des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts vor dem nationalen Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland kann rechtslogisch nur in zwei (alternativen) Formen bestehen: als Prävalenz kraft Höherrangigkeit oder als Prävalenz kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung. I m Schrifttum w i r d dem primären und dem sekundären Gemeinschaftsrecht überwiegend eine Prävalenz kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung gegenüber dem Grundgesetz zugeschrieben. Allerdings w i r d der Umfang dieser Prävalenz hinsichtlich der Bundesgrundrechte nach den vorstehend angeführten Ergebnissen der Bestandsaufnahme unterschiedlich bestimmt. 3. Als außerstaatliches Recht bedarf das (primäre) Gemeinschaftsrecht für seine innerstaatliche Geltung der Anerkennung durch den staatlichen Anwendungsbefehl. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Gemeinschaften ist dem primären Gemeinschaftsrecht durch Auslegung ein

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V. Zusammenfassung und Ergebnisse

Anspruch auf uneingeschränkte Prävalenz des innerstaatlich wirksamen primären und sekundären Gemeinschaftsrechts gegenüber dem nationalen Verfassungsrecht zu entnehmen. Da der entsprechende Anwendungsbefehl nur i m Einklang mit der Verfassung erteilt werden darf, kann eine innerstaatliche Prävalenz des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts jedoch nur kraft einer verfassungsrechtlichen Ermächtigung eintreten. Eine teleologische Auslegung des Art. 24 Abs. I GG ergibt insofern, daß diese Bestimmung zu Abweichungen des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts vom Grundgesetz ermächtigt. Diese Ermächtigung ist durch den entsprechend anwendbaren Art. 79 Abs. I I I GG beschränkt. 4. Die vom Gemeinschaftsrecht beanspruchte unbedingte Prävalenz beinhaltet eine durch die nationalen Verfassungen unbeschränkte Generalermächtigung zu Grundrechtseinschränkungen für das Gemeinschaftsrecht jeder A r t . A r t . 24 Abs. I GG ermächtigt i n Verbindung mit Art. 79 Abs. I I I , A r t . 20 Abs. I I I GG jedoch nicht dazu, dem primären und dem sekundären Gemeinschaftsrecht eine Prävalenz gegenüber dem Wesensgehalt der Grundrechte einzuräumen. Primäres und sekundäres Gemeinschaftsrecht sind somit innerstaatlich nicht anwendbar, soweit sie dem Wesensgehalt der Grundrechte widersprechen. I m Hinblick auf den Wesensgehalt bestimmt sich die Einschränkbarkeit der Grundrechte durch das primäre und das sekundäre Gemeinschaftsrecht nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Interessenabwägung, wie sie u. a. der Drei-Stufen-Theorie des Bundesverfassungsgerichts zu A r t . 12 Abs. I GG zugrunde liegen. I n die Interessenabwägung zwischen grundrechtlichem Freiheitsanspruch und Gemeinwohl ist die Funktionsfähigkeit der Integrationsgemeinschaften einzubeziehen. 5. Ob die Bundesrepublik Deutschland die Gemeinschaftsverträge verletzt, wenn sie grundrechtswidriges sekundäres Gemeinschaftsrecht nicht anwendet, ist mit Rücksicht auf die Ratifikationsklauseln der Verträge zweifelhaft. Über die Vertragsgesetze, die formell Gegenstand der Verfassungskontrolle sind, kann mittelbar auch jede innerstaatlich verbindliche Norm des sekundären Gemeinschaftsschaftsrechts auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung geprüft werden. Diese mittelbare Verfassungskontrolle kann das Bundesverfassungsgericht i m Verfahren der abstrakten und der konkreten Normenkontrolle des Zustimmungsgesetzes sov/ie der Verfassungsbeschwerde gegen einen deutschen Hoheitsakt zur Ausführung sekundären Gemeinschaftsrechts ausüben.

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Schrifttum

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Ipsen: Der deutsche Jurist u n d das Europäische Gemeinschaftsrecht. Schlußvortrag auf dem 45. Deutschen Juristentag, Karlsruhe 1964, i n : Verhandlungen des 45. Deutschen Juristentages, Band I I , T e i l L, München/Berlin 1965 (zit. : Schlußvortrag) — Das Verhältnis des Rechts der europäischen Gemeinschaften zum nationalen Recht, i n : A k t u e l l e Fragen des europäischen Gemeinschaftsrechts. Europarechtliches K o l l o q u i u m 1964 (Abhandlungen aus dem Gesamten B ü r gerlichen Recht, Handelsrecht u n d Wirtschaftsrecht, H. 29), Stuttgart 1965, S. 1—27 (zit. : Verhältnis) — Richtlinien-Ergebnisse, i n : Z u r Integration Europas. Festschrift für Carl Friedrich Ophüls, Karlsruhe 1965, S. 67—84 (zit. : Richtlinien-Ergebnisse) — Diskussionsbeitrag, i n : W D S t R L 23 (1966), 128—136 — Als Bundesstaat i n der Gemeinschaft, i n : Probleme des Europäischen Rechts. Festschrift für Walter Hallstein, F r a n k f u r t a. M. 1966, S. 248—265 (zit. : Bundesstaat) — A n m e r k u n g zum U r t e i l des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften v. 16. 6.1966 — Rs. 57/65 —, i n : EuR 1 (1966), 356—359 (zit. : Urteilsanmerkung) — Rede zur Ehrenpromotion von Professor Dr. Dr. h. c. Walter Hallstein durch die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Hamburg, in: EuR 2 (1967), 193—201 (zit. : Ehrenpromotion) — A n m e r k u n g zum Beschluß des Bundesverfassungsgerichts v. 18.10.1967, i n : EuR 2 (1968), 137—141 (zit. : Entscheidungsanmerkung) Jacobi: Die D i k t a t u r des Reichspräsidenten nach A r t . 48 der Reichsverfassung (2. Bericht auf der Staatsrechtslehrertagung i n Jena 1924), i n : W D S t R L 1 (1924), 105—136 (zit. : D i k t a t u r des Reichspräsidenten) Jäckel, H a r t m u t : Grundrechtsgeltung u n d Grundrechtssicherung. Eine rechtsdogmatische Studie zu A r t i k e l 19 Abs. 2 GG, B e r l i n 1967 (zit. : Grundrechtsgeltung) Jaenicke: Die Sicherung des übernationalen Charakters der Organe internationaler Organisationen, i n : ZaöRV 14 (1952), 46—117 (zit. : Sicherung) — Die Europäische Gemeinschaft f ü r Kohle u n d Stahl (Montan-Union). S t r u k t u r u n d Funktionen ihrer Organe, i n : ZaöRV 14 (1951), 727—788 (zit.: EGKS) — Der übernationale Charakter der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, i n : ZaöRV 19 (1958), 153—196 (zit. : Übernationaler Charakter) — Diskussionsbeitrag, i n : BerDGesVöR 2 (1958), 130—133 — A r t . „Supranationale Organisation", i n : Wörterbuch des Völkerrechts (hrsg. von Strupp-Schlochauer), 3. Band, B e r l i n 1962, S. 423—428 — Das Verhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht u n d nationalem Recht i n der Agrarmarktorganisation der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, i n : ZaöRV 23 (1963), 485—535 (zit. : Verhältnis) 12*

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Schrifttum

Jellinek, Georg : Gesetz und Verordnung. Staatsrechtliche Untersuchungen auf rechtsgeschichtlicher u n d rechts vergleichender Grundlage, Freiburg 1887/ Neudruck Aalen 1964 — Allgemeine Staatslehre, 3. A u f l . 1913, 4. Neudruck B e r l i n 1922 Jellinek, Walter: Das verfassungsändernde Reichsgesetz, i n : Handbuch des Deutschen Staatsrechts (hrsg. von Anschütz-Thoma), 2. Band, Tübingen 1932, S. 182—189 — Verwaltungsrecht, 3. Aufl., Neudruck Offenburg 1948 (zit.: VR) Jerusalem, Franz W.: Das Recht der Montanunion, B e r l i n / F r a n k f u r t a. M. 1954 (zit. : Montanunion) Jesch: Gesetz u n d Verwaltung. Eine Problemstudie zum Wandel des Gesetzmäßigkeitsprinzipes, Tübingen 1961 Kaiser: Z u r gegenwärtigen Differenzierung von Recht u n d Staat. Staatstheoretische Lehren der Integration, i n : ÖZÖR 10 (1959/60), 413—423 (zit. : Differenzierung) — Zur Anwendung von A r t . 85 Abs. 3 des EWG-Vertrages auf Gruppen von Kartellverträgen. Fragen der Zuständigkeit des Rates u n d der Kommission, Köln/Berlin/Bonn/München 1964 (zit.: Zur A n w e n d u n g von A r t . 85 Abs. 3 des EWGV) — Die i m Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten, i n : Z u r Integration Europas. Festschrift f ü r Carl Friedrich Ophüls, Karlsruhe 1965, S. 107—124 (zit. : Die i m Rat vereinigten Vertreter) — Das Europarecht i n der Krise der Gemeinschaften, i n : EuR 1 (1966), 3—24 (zit. : Europarecht i n der Krise) — Bewahrung u n d Veränderung demokratischer u n d rechtsstaatlicher V e r fassungsstruktur i n den internationalen Gemeinschaften (Bericht auf der Staatsrechtslehrertagung i n K i e l 1964), i n : W D S t R L 23 (1966), 1—29 (zit. : Verfassungsstruktur) — M o d i der Integration, ökonomische Elemente und juristische Relevanz, i n : Probleme des Europäischen Rechts. Festschrift für Walter Hallstein, F r a n k furt a. M. 1966, S. 266—274 Kaufmann, E.: Rechtsgutachten zum Vertrage über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft u n d zum Deutschlandvertrage, i n : Der K a m p f u m den Wehrbeitrag (hrsg. v o m I n s t i t u t für Staatslehre und Politik), 2. Halbband, München 1953, S. 42—71 Kelsen: Allgemeine Staatslehre, 1. Aufl. (1925), Nachdruck Bad Homburg v. d. H./Berlin/Zürich 1966 (zit. : Allg. Staatslehre) — Reine Rechtslehre. M i t einem Anhang: Das Problem der Gerechtigkeit, 2. Aufl., Wien 1960 Klein, Friedrich: Rechtsgutachten i m Auftrage der Niedersächsischen Landesregierung v o m 31.10.1952, i n : Der K a m p f u m den Wehrbeitrag (hrsg. v o m I n s t i t u t für Staatslehre u n d Politik), 2. Halbband, München 1953, S. 456— 504 (zit. : Rechtsgutachten)

Schrifttum Klein , Friedrich: Die Europäische Menschenrechts-Konvention und A r t i k e l 25 des Bonner Grundgesetzes, i n : Festschrift für Rudolf L a u n zu seinem 80. Geburtstag (Jahrbuch für internationales Recht, Band X I ) , Göttingen 1962, S. 149—177 (zit. : Europ. Menschenrechts-Konvention) Klein, K a r l Heinz: Die Übertragung von Hoheitsrechten, B e r l i n 1952 (zit. : Übertragung) Knies, Wolf gang: Schranken der Kunstfreiheit als verfassungsrechtliches Problem, München 1967 (zit. : Schranken der Kunstfreiheit) Knopp, Werner: Über die Pflicht deutscher Gerichte zur Vorlage von A u s legungsfragen an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach A r t . 177 des EWG-Vertrages, i n : J Z 1961, 305—312 (zit. : Vorlage von Auslegungsfragen) — Uber die Aufgabenteilung zwischen dem Europäischen Gerichtshof und den nationalen Gerichten bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts, i n : Festschrift für Philipp Möhring, München/Berlin 1965, S. 449—481 (zit. : Aufgabenteilung) Körner, Gerhard: Bayerische Verfassungsbeschwerde und Bundesrecht, i n : DÖV 1962, 295—300 (zit. : Bayerische Verfassungsbeschwerde) Koppensteiner : Intervention, Wettbewerb u n d Unternehmen, i n : B B 1967, 217—224 (zit. : Intervention) Kotthoff: Das Rangverhältnis zwischen supranationalem Recht u n d dem Recht der Mitgliedstaaten i n den europäischen Gemeinschaften, Diss. M a r b u r g 1966 (zit. : Rangverhältnis) Krämer, Hans-Rachebald: Das Recht der Europäischen Integrationsgemeinschaften u n d die deutschen Grundrechte, Diss. K i e l 1962 (Maschinenschrift) (zit. : Integrationsgemeinschaften u. Grundrechte) Kraus , Herbert: Betrachtungen über die rechtliche S t r u k t u r der Europäischen Gemeinschaft für Kohle u n d Stahl, i n : Rechtsprobleme i n Staat u n d Kirche. Festschrift für Rudolf Smend zum 70. Geburtstag, Göttingen 1952, S. 189— 209 (zit. : Rechtliche Struktur) — Rechtsgutachten über die parlamentarische Behandlung von verfassungsändernden Zustimmungsgesetzen zu völkerrechtlichen Verträgen, i n : Der K a m p f u m den Wehrbeitrag (hrsg. v o m I n s t i t u t für Staatslehre u n d Politik), 1. Halbband, München 1952, S. 139—147 (zit. : Rechtsgutachten) — Das Erfordernis struktureller Kongruenz zwischen der Verfassung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft u n d dem Grundgesetz (Rechtsgutachtliche Äußerung), i n : Der K a m p f u m den Wehrbeitrag (hrsg. v o m I n s t i t u t f ü r Staatslehre u n d Politik), 2. Halbband,. München 1953, S. 545—554 (zit. : Rechtsgutachten) — Der deutsche Richter u n d das Völkerrecht, i n : Gegenwartsprobleme des internationalen Rechts u n d der Rechtsphilosophie. Festschrift f ü r Rudolf L a u n zu seinem 70. Geburtstag, H a m b u r g 1953, S. 223—238 (zit. : Der Deutsche Richter)

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Schrifttum

Kreplin: Die Richtlinie als Instrument zur Rechtsangleichung nach A r t . 100 EWG-Vertrag, i n : N J W 1965, 467—471 (zit. : Richtlinie) Krüger, Herbert: Grundgesetz u n d Kartellgesetzgebung, Göttingen 1950 — Die Einschränkung von Grundrechten nach dem Grundgesetz, i n : D V B l . 1950, 625—629 (zit. : Einschränkung von Grundrechten) — Der Wesensgehalt der Grundrechte i. S. des A r t . 19 GG, i n : DÖV 1955, 597—602 (zit. : Wesensgehalt) — Über die H e r k u n f t der Gewalt der Staaten und der sog. supranationalen Organisationen, i n : DÖV 1959, 721—726 (zit. : Herkunft) — A r t . „Verfassung", i n : Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, 11. Band, Stuttgart/Tübingen/Göttingen 1961, S. 72—82 — Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1966 Kruse, Hans: Strukturelle Kongruenz u n d Homogenität, i n : Mensch u n d Staat i n Recht u n d Geschichte. Festschrift f ü r Herbert Kraus, Kitzingen 1954, S. 112—127 (zit. : Strukturelle Kongruenz) Küchenhoff, Dietrich: Grundrechte u n d europäisches Staatengemeinschaftsrecht, i n : DÖV 1963,161—168 (zit.: Grundrechte) Küchenhoff, Erich: Ungeschriebene Bundeszuständigkeiten u n d Verfassungsauslegung, i n : D V B l . 1951, 585—588, 617—621 (zit. : Bundeszuständigkeiten) Laband: Deutsches Reichsstaatsrecht, 5. Aufl., Tübingen 1909 (zit. : Reichsstaatsrecht) Lagrange: Die Rechtsnatur der Europäischen Gemeinschaft für Kohle u n d Stahl u n d der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Versuch einer vergleichenden Studie, i n : ZgesHR 124 (1962), 88—109 (zit. : Rechtsnatur) Lambach: Probleme einer Bindung der nach A r t . 24 (1) des Grundgesetzes den Europäischen Gemeinschaften übertragenen Hoheitsgewalt an die Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats, insbesondere an die G r u n d rechte, Diss. München 1964 (zit. : Probleme) Larenz: Methodenlehre der Rechtswissenschaft, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960 (zit. : Methodenlehre) Lechner: Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Kommentar, 2. Aufl., München 1967 (zit.: BVerfGG) Leibholz: Die Verfassungsdurchbrechung. Betrachtungen aus Anlaß der geplanten parlamentarischen Reichspräsidentenwahl v o m Januar 1932, i n : AöR N F 22 (1932), 1—26 Leisner: Grundrechte u n d Privatrecht, München 1960 Lerche: Übermaß u n d Verfassungsrecht. Z u r Bindung des Gesetzgebers an die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit u n d der Erforderlichkeit, Köln/Berlin/ München/Bonn 1961

Schrifttum Lörcher, Gino: Der Abschluß völkerrechtlicher Verträge nach dem Recht der drei Europäischen Gemeinschaften (E.G.K.S., E.W.G. u n d E.A.G.). E i n Beitrag zur Rechtsstellung organisierter Staatenverbindungen, Bonn 1965 (zit. : Abschluß völkerrechtlicher Verträge) Loewenstein , K a r l : Erscheinungsformen der Verfassungsänderung. Verfassungsrechtsdogmatische Untersuchungen zu A r t i k e l 76 der Reichsverfassung, Tübingen 1931 (zit. : Erscheinungsformen) von Mangoldt-Klein , Friedrich: Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, 2. Aufl., B e r l i n / F r a n k f u r t a. M., Band 1, Nachdruck 1966, Band 2,1964 (zit.: BGG) Matthies: Die Bindungswirkung von Urteilen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften, i n : Probleme des Europäischen Rechts. Festschrift für Walter Hallstein, F r a n k f u r t a. M . 1966, S. 304—321 (zit. : Bindungswirkung) Matz: Entstehungsgeschichte der A r t i k e l des Grundgesetzes ( A r t i k e l 24), i n : J b ö f f R N F 1 (1951), 222—229 Maunz : Verfassungsrechtliche Grundlagen der deutsch-alliierten Verträge (Gutachten), i n : Der K a m p f u m den Wehrbeitrag (hrsg. v o m I n s t i t u t f ü r Staatslehre und Politik), 2. Halbband, München 1953, S. 591—619 (zit. : Rechtsgutachten) — Deutsches Staatsrecht. E i n Studienbuch, 16. Aufl., München/Berlin 1968 (zit. : Staatsrecht) Maunz-Dürig: Grundgesetz. Kommentar, Band I u n d I I , Berlin/München (Loseblatt/Stand 1966) (zit.: GG) Maunz!Sigloch!Schmidt-Bleibtreu/Klein: Bundesverfassungsgerichtsgesetz m i t Nebengesetzen. Kommentar, München/Berlin (Loseblatt/Stand 1967) (zit.: BVerfGG) Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht, 1. Band, 3. Aufl. (1924), Nachdruck B e r l i n 1961 (zit. : Dt. Verwaltungsrecht I) von Meibom: Zur rechtlichen Systematik der Beschlußfähigkeit der Organe der Europäischen Gemeinschaften, i n : B B 1959, 583—584 (zit.: Beschlußfähigkeit) — Beiträge zum Europarecht, i n : N J W 1965, 465—467 Meier, Gert: A n m e r k u n g zum Beschluß des Bundesverfassungsgerichts v. 5. 7. 1967, i n : N J W 1967, 2109—2110 (zit. : Entscheidungsanmerkung) — Vorrang des Gemeinschaftsrechts u n d Justiziabilität von Gemeinschaftsnormen, i n : A W D 1967, 413—415 (zit. : Vorrang) — Z u r Geltung von Gemeinschaftsnormen i m staatlichen Bereich, i n : A W D 1968, 205—212 (zit.: Geltung) — A n m e r k u n g zum Beschluß des Bundesverfassungsgerichts v. 18.10.1967, i n : DVB1.1968, 467—470 (zit. : Entscheidungsanmerkung)

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Menzel: Erläuterung des A r t . 24 u n d Nachtrag zur Erläuterung des A r t . 79 Abs. 1 i m Kommentar zum Bonner Grundgesetz (Bonner Kommentar), (bearb. von Abraham, Badura u. a.), Hamburg (Loseblatt 1950 ff./Stand 1967) — Gutachten über die Notwendigkeit eines verfassungsändernden Gesetzes zur Errichtung deutscher bewaffneter Streitkräfte i m Rahmen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, i n : Der K a m p f u m den Wehrbeitrag (hrsg. v o m I n s t i t u t für Staatslehre u n d Politik), 1. Halbband, München 1952, S. 280—322 (zit. : Rechtsgutachten) — Diskussionsbeitrag, i n : W D S t R L 18 (1960), 97—100 — Diskusisonsbeitrag, i n : BerDGesVöR 4 (1961), 125—126 Merk : Diskussionsbeitrag, in: W D S t R L 18 (1960), 88 — Deutsches Verwaltungsrecht, 1. Band, B e r l i n 1962 (zit. : V R I) Merkl , A d o l f : Die Lehre von der Rechtskraft, entwickelt aus dem Rechtsbegriff. Eine rechtstheoretische Untersuchung, Leipzig/Wien 1923 (zit.: Rechtskraft) Meyer-Arndt, Lüder: Rechtsfragen der Grundgesetzänderung, i n : AöR 82 (1957), 275—300 (zit. : Grundgesetzänderung) Meyer-Lindenberg: Die Menschenrechte i m Völkerrecht, i n : BerDGesVöR 4 (1961), 84—119 (zit. : Menschenrechte) Möhring, P h i l i p p : Rechtsvereinheitlichung u n d Rechtsgarantien i m E W G Bereich, i n : N J W 1965, 2225—2230 (zit. : Rechtsvereinheitlichung) — Entflechtungsmaßnahmen der EWG-Kommission bei Unternehmenskonzentrationen nach deutschem Recht, i n : Rechtsvergleichung u n d Rechtsvereinheitlichung. Festschrift zum fünfzigjährigen Bestehen des Instituts für ausländisches u n d internationales P r i v a t - u n d Wirtschaftsrecht der U n i v e r sität Heidelberg, Heidelberg 1967, S. 345—356 (zit. : Entflechtungsmaßnahmen) Möller, Wolfdietrich: Die Verordnung der Europäischen Gemeinschaften, Göttingen 1967 (zit. : Verordnung) Mosler : Die Wendung zum supranationalen Gedanken i m Schumanplan, i n : Recht - Staat - Wirtschaft, 3. Band, Düsseldorf 1951, S. 245—259 (zit. : Wendung) — Der Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle u n d Stahl. E n t stehung und Qualifizierung, i n : ZaöRV 14 (1951), 1—45 (zit.: EGKS) — Internationale Organisation u n d Staatsverfassung, i n : Rechtsfragen der internationalen Organisation. Festschrift für Hans Wehberg, F r a n k f u r t a. Μ . 1956, S. 273—300 — Das Völkerrecht i n der Praxis der deutschen Gerichte, Karlsruhe 1957 (zit. : Praxis) — Diskussionsbeitrag, i n : BerDGesVöR 2 (1958), 118—122

Schrifttum Mosler: Die Gewährleistung des Völkerrechts durch die nationale Verfassung, dargestellt am Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, i n : Problèmes Contemporains de Droit Comparò, Tome Premier: Cinq Problèmes Contemporains de Droit Comparé, Tokio (Institut Japonais de Droit Comparé Université Chuo) 1962, S. 161—178 (zit. : Gewährleistung) — National- u n d Gemeinschaftsinteressen i m Verfahren des E W G - M i n i s t e r rats, i n : ZaöRV 26 (1966), 1 ff. (zit. : National- u. Gemeinschaftsinteressen) Much, Walter: Die Amtshaftung i m Recht der Europäischen Gemeinschaft für Kohle u n d Stahl, auf der Grundlage einer rechtsvergleichenden Untersuchung der Amtshaftungssysteme i n Deutschland und i n Frankreich, Frankfurt a. M. 1952 (zit. : Amtshaftung) Mühlenhöver: Erläuterung des A r t . 177 EWGV, i n : Handbuch für Europäische Wirtschaft (hrsg. von v. d. Groeben-Boeckh), Abschnitt I A 63 (Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Kommentar), Baden-Baden (Loseblatt/Stand 1967) Münch, F r i t z : Internationale Organisationen m i t Hoheitsrechten, i n : Rechtsfragen der internationalen Organisation. Festschrift für Hans Wehberg, F r a n k f u r t a. M. 1956, S. 301—323 (zit. : Intern. Organisationen) — Die Abgrenzung des Rechtsbereiches der supranationalen Gemeinschaft gegenüber dem innerstaatlichen Recht, i n : BerDGesVöR 2 (1958), 73—92 (zit. : Abgrenzung) — Föderalismus, Völkerrecht und Gemeinschaften, i n : DÖV 1962, 649—652 (zit. : Föderalismus) Nawiasky: Allgemeine Rechtslehre als System der rechtlichen Grundbegriffe, 2. Aufl., Einsiedeln/Zürich/Köln 1948 (zit. : Allg. Rechtslehre) — Die Grundgedanken des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Systematische Darstellung u n d kritische Würdigung, Stuttgart/Köln 1950 (zit. : Grundgedanken) — Allgemeine Staatslehre, 3. T e i l — Staatsrechtslehre, Einsiedeln/Zürich/Köln 1956 (zit.: Staatslehre I I I ) Nicolay sen: Bericht über die aktuelle Entwicklung des Gemeinschaftsrechts, i n : N J W 1964, 964—967 (zit. : A k t u e l l e Entwicklung) — Niederlassungsrecht u n d Rechtsangleichung, i n : Aktuelle Fragen des europäischen Gemeinschaftsrechts. Europarechtliches K o l l o q u i u m 1964 (Abhandlungen aus dem Gesamten Bürgerlichen Recht, Handelsrecht und W i r t schaftsrecht, H. 29), Stuttgart 1965, S. 91—108 (zit. : Niederlassungsrecht) — A n m e r k u n g zum U r t e i l des Finanzgerichts des Saarlandes v o m 15.11.1966, in: EuR 2 (1967), 146—154 (zit. : Urteilsanmerkung) Ophüls: Juristische Gedanken des Schumanplans, i n : N J W 1951, 289—292 (zit. : Grundgedanken)

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Ophüls: Quellen u n d Aufbau des Europäischen Gemeinschaftsrechts, i n : N J W 1963,1697—1701 (zit.: Quellen) — Die Geltungsnormen des Europäischen Gemeinschaftsrechts, i n : Festschrift für Otto Riese, Karlsruhe 1964, S. 1—26 (zit. : Geltungsnormen) — Deutsches Zustimmungsgesetz zum E W G - V e r t r a g teilweise verfassungswidrig?, i n : A W D 1964, 65—69 (zit. : Zustimmungsgesetz) — Diskussionsbeitrag, i n : Das Auskunftsrecht gegenüber Unternehmen u n d Unternehmenszusammenschlüssen innerhalb internationaler Gemeinschaften. Verhandlungen der Fachgruppe f ü r Europarecht anläßlich der Tagung für Rechtsvergleichung i n Wien 1963, F r a n k f u r t a. M./Berlin 1964, S. 79—80 — Staatshoheit u n d Gemeinschaftshoheit. Wandlungen des Souveränitätsbegriffs, i n : Recht i m Wandel. Festschrift 150 Jahre Carl Heymanns Verlag, Köln/Berlin/Bonn/München 1965, S. 519—590 (zit. : Staatshoheit) — Le problème des dispositions directement applicables (self-executing) des traités internationaux, et son application aux traités instituant les Communautés (Deutscher Landesbericht), i n : Deuxième Colloque international de droit Européen (La Haye 24—26 octobre 1963), Zwolle 1966, S. 203—234 (zit. : Landesbericht) — Z u r ideengeschichtlichen H e r k u n f t der Gemeinschaftsverfassung, i n : Probleme des Europäischen Rechts. Festschrift für Walter Hallstein, F r a n k furt a. M . 1966, S. 387—413 (zit.: Herkunft) Oppermann, Thomas: Deutsche u n d Europäische Verfassungsrechtsprechung. Vergleichende Gedanken zur J u d i k a t u r des Bundesverfassungsgerichts und des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften, i n : Der Staat 6 (1967), 445—466 (zit. : Verfassungsrechtsprechung) Partsch: Die A n w e n d u n g des Völkerrechts i m innerstaatlichen Recht. Überprüfung der Transformationslehre. Bericht, i n : BerDGesVöR 6 (1964) (zit. : Anwendung) — Die Rechte u n d Freiheiten der europäischen Menschenrechtskonvention, i n : Die Grundrechte. Handbuch der Theorie u n d Praxis der Grundrechte (hrsg. von Bettermann-Neumann-Nipperdey), 1. Band, 1. Halbband, B e r l i n 1966, S. 235—492 (zit. : Menschenrechtskonvention) Pestalozza, Christian Graf von: Kritische Bemerkungen zu Methoden u n d Prinzipien der Grundrechtsauslegung i n der Bundesrepublik Deutschland, i n : Der Staat 2 (1963), 425—449 (zit. : Grundrechtsauslegung) Peters , Hans: Lehrbuch der Verwaltung, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1949 (zit. : Verwaltung) Pfeifer:

Diskussionsbeitrag, i n : W D S t R L 18 (1960), 85

Platz , Klaus W i l h e l m : EWG-Niederlassungsrecht und individuelle Rechtspositionen, K ö l n / B e r l i n 1966 (zit. : Niederlassungsrecht)

Schrifttum Prasch , Gerhard: Die unmittelbare W i r k u n g des EWG-Vertrages auf die W i r t schaftsunternehmen. Eine Untersuchung zur Frage der unmittelbaren V e r bindlichkeit von Bestimmungen des EWG-Vertrages u n d ihrer Bedeutung für die Einzelnen, Baden-Baden 1967 (zit. : Unmittelbare Wirkung) Quaritsch: Das parlamentslose Parlamentsgesetz. Rang u n d Geltung der Rechtssätze i m demokratischen Staat, untersucht am hamburgischen Planungsrecht, 2. Aufl., H a m b u r g 1961 (zit. : Parlamentsgesetz) — Kirchenvertrag u n d Staatsgesetz. Z u m Problem der E i n w i r k u n g nachträglicher Verfassungs- u n d Gesetzesänderungen auf die von Staat u n d evangelischen Kirchen geschlossenen Verträge, i n : Hamburger Festschrift für Friedrich Schack, Hamburg 1966, S. 125—141 (zit. : Kirchenvertrag) Rabe: Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, H a m burg 1963 (zit. : Verordnungsrecht) — Bericht über die Diskussion, i n : A k t u e l l e Fragen des europäischen Gemeinschaftsrechts. Europaredltliches K o l l o q u i u m 1964 (Abhandlungen aus dem Gesamten Bürgerlichen Recht, Handelsrecht u n d Wirtschaftsrecht, H. 29), Stuttgart 1965, S. 109—119 Riese , Otto: Über den Rechtsschutz innerhalb der Europäischen Gemeinschaften, i n : EuR 1 (1966), 24—54 (zit. : Rechtsschutz) Roselieb: Z u r Frage der Supranationalität, i n : ÖZöR 12 (1962/63), 461—518 (zit. : Supranationalität) Rudolf , Walter: Völkerrecht u n d deutsches Recht. Theoretische u n d dogmatische Untersuchungen über die Anwendung völkerrechtlicher Normen i n der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1967 (zit. : Völkerrecht) Runge, Christian: Das Recht der Europäischen Gemeinschaften, i n : JuS 1964, 305—308, 341—345, 391—395, 474—477; 1965, 9—14 (zit. : Recht d. Europ. Gemeinschaften) Rupp, Hans-Heinrich: Das U r t e i l des Bundesverfassungsgerichts zum Sammlungsgesetz — eine Wende i n der Grundrechtsinterpretation des A r t . 2 Abs. 1 GG?, i n : N J W 1966, 2037—2040 (zit. : BVerfG zum Sammlungsgesetz) Sattler , Andreas: Das Prinzip der „funktionellen Integration" u n d die Einigung Europas. Die Übertragung von Hoheitsrechten u n d ihre Konsequenzen, untersucht am Beispiel der Europäischen Gemeinschaften, Göttingen 1967 (zit. : Funktionelle Integration) Scheuner: B e i t r i t t der Bundesrepublik zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und Grundgesetz. Rechtsgutachten, i n : Der K a m p f u m den Wehrbeitrag (hrsg. v o m I n s t i t u t f ü r Staatslehre u n d Politik), 2. Halbband, München 1953, S. 94—156 — Die Rechtsetzungsbefugnis internationaler Gemeinschaften, i n : Völkerrecht u n d rechtliches Weltbild. Festschrift für A l f r e d Verdross, Wien 1960, S. 229— 242 (zit.: Rechtsetzungsbefugnis)

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Schrifttum

Scheuner : Diskussionsbeitrag, i n : W D S t R L 23 (1966), 106—109 Schlochauer: Die Gerichtsbarkeit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, i n : ArchVR 3 (1951/52), 385—414 (zit. : Gerichtsbarkeit) — Der übernationale Charakter der Europäischen Gemeinschaft für Kohle u n d Stahl, i n : JZ 1951, 289—290 (zit. : Ubernationaler Charakter) — Der Rechtsschutz gegenüber der Tätigkeit internationaler und übernationaler Behörden, F r a n k f u r t a. M. 1952 (zit. : Rechtsschutz) — Z u r Frage der Rechtsnatur der Europäischen Gemeinschaft für Kohle u n d Stahl, i n : Rechtsfragen der internationalen Organisation. Festschrift für Hans Wehberg, F r a n k f u r t a. M. 1956, S. 361—373 (zit.: Rechtsnatur) — Diskussionsbeitrag, i n : BerDGesVöR 2 (1958), 116—118 — Das Verhältnis des Rechts der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, i n : ArchVR 11 (1963/ 64), 1—34 (zit. : Verhältnis) — Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften als Integrationsfaktor, i n : Probleme des Europäischen Rechts. Festschrift für Walter Hallstein, F r a n k f u r t a. M. 1966, S. 431—452 (zit. : Gerichtshof) Schmidt-Bleibtreu/Klein, Franz: Kommentar zum Grundgesetz f ü r die B u n desrepublik Deutschland, Neuwied/Berlin 1967 (zit.: GG) Schmitt , Carl: Verfassungslehre, B e r l i n 1928, Neudruck B e r l i n - N e u k ö l l n 1954 — I n h a l t u n d Bedeutung des zweiten Hauptteils der Reichsverfassung, i n : Handbuch des Deutschen Staatsrechts (hrsg. von Anschütz-Thoma), 2. Band, Tübingen 1932, S. 572—606 (zit. : I n h a l t u. Bedeutung) von Schmoller-Maier-Tobler: Handbuch des Besatzungsrechts, Tübingen (Loseblatt/Stand 1957) (zit. : Hdb-Besatzungsrecht) Schnorr, Gerhard: Das Arbeitsrecht als Gegenstand internationaler Rechtsetzung, München/Berlin 1960 (zit. : Arbeitsrecht) Schröcker : Das vertragswidrige Gesetz, i n : D V B l . 1958, 369—377, 410—418 (zit. : Vertragswidriges Gesetz) Schumann, Ekkehard: Das Verhältnis des deutschen Richters zum Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften. Die A n w e n d u n g von Gemeinschaftsrecht durch deutsche Gerichte, i n : Z Z P 78 (1965), 77—130 (zit. : Verhältnis) Scupin: Die Rechtslage der Wirtschaft unter dem Bonner Grundgesetz, M ü n ster i. W. 1950 (zit. : Rechtslage d. Wirtschaft) Seidl-Hohenveldern : Das Recht der Internationalen Organisationen einschließlich der Supranationalen Gemeinschaften, K ö l n / B e r l i n / B o n n / M ü n chen 1967 (zit. : Intern. Organisationen)

Schrifttum Seiwerth, Jakob: Zur Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegenüber Grundrechtsverletzungen des Gesetzgebers durch Unterlassen, B e r l i n 1962 (zit. : Verfassungsbeschwerde) von Simson: Der politische W i l l e als Gegenstand der Europäischen Gemeinschaftsverträge, i n : Festschrift für Otto Riese, Karlsruhe 1964, S. 83—98 (zit. : Der politische Wille) — Z u r rechtlichen Gestalt der europäischen Integration, i n : ZgesHR 130 (1967), 63—81 (zit.: Rechtliche Gestalt) Smend: Gutachtliche Äußerung zur Frage der Erforderlichkeit einer Änderung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland als Voraussetzung des deutschen Wehrbeitrages zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, i n : Der K a m p f u m den Wehrbeitrag (hrsg. v o m I n s t i t u t für Staatslehre u n d Politik), 2. Halbband, München 1953, S. 559—566 Spanner: Verfassungsrecht u n d politische Wirklichkeit bei der Rechtskontrolle von Staatsverträgen, i n : Die moderne Demokratie und i h r Recht. Festschrift f ü r Gerhard Leibholz, 2. Band: Staats- u n d Verfassungsrecht, T ü bingen 1966, S. 607—627 (zit. : Rechtskontrolle) Spengler: Wettbewerbsbeschränkungen i m Recht der Europäischen W i r t schaftsgemeinschaft, i n : Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und Europäisches Kartellrecht. Gemeinschaftskommentar (hrsg. von M ü l l e r Henneberg/Schwartz), 2. Aufl., Köln/Berlin/Bonn/München 1963, S 1394— 1471 Steiger, Heinhard: Staatlichkeit u n d Überstaatlichkeit. Eine Untersuchung zur rechtlichen u n d politischen Stellung der Europäischen Gemeinschaften, B e r l i n 1966 (zit. : Staatlichkeit) — Besprechung von: Wagner, Heinz, Grundbegriffe des Beschlußrechts der Europäischen Gemeinschaften, K ö l n , Berlin, Bonn, München 1965, in: Der Staat 6 (1967), 123—125 (zit. : Buchbesprechung) Stein, Ekkehart: Das Recht des Kindes auf Selbstentfaltung i n der Schule. Verfassungsrechtliche Überlegungen zur freiheitlichen Ordnung des Schulwesens, Neuwied/Berlin 1967 (zit.: Recht des Kindes) Steindorff: Schuman-Plan u n d europäischer Bundesstaat, i n : Europa-Archiv 6 (1951), 3955—3960 (zit. : Schuman-Plan) — Die Nichtigkeitsklage (Le recours pour excès de pouvoir) i m Recht der Europäischen Gemeinschaft für Kohle u n d Stahl. E i n rechtsvergleichender Beitrag zur verwaltungsgerichtlichen Kontrolle der Hohen Behörde, F r a n k furt a. M. 1952 (zit. : Nichtigkeitsklage) — A r t . „Europäische Gemeinschaft für Kohle u n d Stahl", i n : Wörterbuch des Völkerrechts (hrsg. von Strupp-Schlochauer), 1. Band, B e r l i n 1960, S. 458— 466 (zit.: EGKS)

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Schrifttum

Steindorff: A r t . „Europäische Wirtschaftsgemeinschaft", i n : Wörterbuch des Völkerrechts (hrsg. von Strupp-Schlochauer), 1. Band, B e r l i n 1960, S. 479— 484 (zit.: EWG) — Rechtsschutz u n d Verfahren i m Recht der europäischen Gemeinschaften. Ausgewählte Probleme, Baden-Baden 1964 (zit. : Rechtsschutz) — Der Gleichheitssatz i m Wirtschaftsrecht des Gemeinsamen Marktes, B e r l i n 1965 Stern , Klaus: Das Bundesverfassungsgericht u n d die sog. konkrete Normenkontrolle nach A r t . 100 Abs. 1 GG, i n : AöR 91 (1966), 223—253 (zit. : Konkrete Normenkontrolle) Strauß , Walter: Diskussionsbeitrag, i n : Das Auskunftsrecht gegenüber U n t e r nehmen und Unternehmenszusammenschlüssen innerhalb internationaler Gemeinschaften. Verhandlungen der Fachgruppe für Europarecht anläßlich der Tagung für Rechtsvergleichung i n Wien 1963, F r a n k f u r t a. M./Berlin 1964, S. 85 Thieme: Das Grundgesetz u n d die öffentliche Gewalt internationaler Staatengemeinschaften (Mitbericht auf der Staatsrechtslehrertagung i n Erlangen 1959), i n : W D S t R L 18 (1960), 50—77 (zit.: Grundgesetz) Thiesing : Erläuterung des A r t . 222 EWGV, i n : Handbuch für Europäische Wirtschaft (hrsg. von v. d. Groeben-v. Boeckh), Abschnitt I A 67 (Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Kommentar), Baden-Baden (Loseblatt/Stand 1967) Tomuschat : Die gerichtliche Vorabentscheidung nach den Verträgen über die europäischen Gemeinschaften, K ö l n / B e r l i n 1964 (zit. : Vorabentscheidung) — Der Vorbehalt der Ausübung öffentlicher Gewalt i n den Berufsfreiheitsregelungen des EWG-Vertrages u n d die freie A d v o k a t u r i m Gemeinsamen M a r k t , i n : ZaöRV 27 (1967), 53—93 (zit. .-Vorbehalt) Triepel: Völkerrecht u n d Landesrecht, Leipzig 1899 — Die Kompetenzen des Bundesstaates und die geschriebene Verfassung, i n : Staatsrechtliche Abhandlungen. Festgabe f ü r Paul Laband, Band I I , T ü bingen 1908, S. 247—335 (zit. : Kompetenzen d. Bundesstaates) — Staatsrecht u n d Politik. Rede beim A n t r i t t e des Rektorats der FriedrichWilhelms-Universität zu B e r l i n a m 15. Oktober 1926, B e r l i n 1926 Uber: Freiheit des Berufs. A r t i k e l 12 des Grundgesetzes. Nach einer rechtsgrundsätzlichen Betrachtung der individuellen Freiheit, H a m b u r g 1952 — Arbeitszwang, Zwangsarbeit, Dienstpflichten, i n : Hamburger Festschrift für Friedrich Schack, H a m b u r g 1966, S. 167—182 (zit.: Arbeitszwang) Ule: Empfiehlt es sich, die Bestimmungen des europäischen Gemeinschaftsrechts über den Rechtsschutz zu ändern u n d zu ergänzen? Gutachten, i n : Verhandlungen des 46. Deutschen Juristentages, Band I, T e i l 4, München/ B e r l i n 1966 (zit. : Gutachten)

Schrifttum Vie: Der Europäische Gerichtshof und die deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit, i n : DVB1.1967,1—11 (zit. : Der Europäische Gerichtshof) Verdross-Verosta-Zemanek:

Völkerrecht, 5. Aufl., Wien 1964

Vogel, Klaus: Die Verfassungsentscheidung des Grundgesetzes für eine internationale Zusammenarbeit. E i n Diskussionsbeitrag zu einer Frage der Staatstheorie sowie des geltenden deutschen Staatsrechts, Tübingen 1964 (zit.: Verfassungsentscheidung) — Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm. Eine U n tersuchung über die Grundfragen des sog. Internationalen Verwaltungsund Steuerrechts, F r a n k f u r t a. M./Berlin 1965 (zit. : Anwendungsbereich) — Diskussionsbeitrag, i n : W D S t R L 23 (1966), 115 — Gesetzgeber u n d V e r w a l t u n g (Bericht auf der Staatsrechtslehrertagung i n Würzburg 1965), i n : W D S t R L 24 (1966), 125—179 Wagner, C a r l - L u d w i g : Das Recht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und die nationale Rechtsordnung der Mitgliedstaaten, i n : DÖV 1965, 307— 314 (zit.: EWG-Recht u. Mitgliedstaaten) Wagner, Heinz: Grundbegriffe des Beschlußrechts der Europäischen Gemeinschaften, Köln/Berlin/Bonn/München 1965 (zit. : Beschlußrecht) Wengler: Betrachtungen über den Zusammenhang der Rechtsnormen i n der Rechtsordnung u n d die Verschiedenheit der Rechtsordnungen, i n : Gegenwartsprobleme des Internationalen Rechts u n d der Rechtsphilosophie. Festschrift für Rudolf L a u n zu seinem 70. Geburtstag, H a m b u r g 1953, S. 719—743 (zit.: Betrachtungen) — Die Rechtsnatur der Bekanntmachung über das I n k r a f t t r e t e n völkerrechtlicher Verträge für den Staatsbürger, i n : N J W 1962, 231—233 (zit. : Rechtsnatur) — Völkerrecht, Band I u n d I I , Berlin/Göttingen/Heidelberg 1964 — Diskussionsbeitrag, i n : W D S t R L 23 (1966), 109—115 — A n m e r k u n g zum Beschluß des Bundesverfassungsgerichts v. 18.10.1967, i n : JZ 1968,100—102 (zit. : Entscheidungsanmerkung) — Grundrechtsminimum und Äquivalenz der Grundrechtsschutzsysteme, i n : JZ 1968, 327—329 (zit. : Grundrechtsminimum) Wernicke : Erläuterung des A r t . 1 i m Kommentar zum Bonner Grundgesetz (Bonner Kommentar), (bearb. von Abraham, Badura u. a.), H a m b u r g (Loseblatt 1950 ff./Stand 1967) Wohlfarth: Europäisches Recht. Von der Befugnis der Organe der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Rechtsetzung, i n : J I R 9 (1959/60), 12—32 (zit. : Europ. Recht) — Anfänge einer europäischen Rechtsordnung u n d i h r Verhältnis zum deutschen Recht, i n : Juristen-Jahrbuch 3 (1962/63), 241—275 (zit.: Anfänge)

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Schrifttum

V/ohlfarth : Das Auskunftsrecht gegenüber Unternehmen u n d Unternehmenszusammenschlüssen innerhalb internationaler Gemeinschaften (Mitbericht auf der Tagung für Rechtsvergleichung i n Wien 1963), F r a n k f u r t a. M./Berlin 1964, S. 27—48 (zit. : Auskunftsrecht) — Europäische u n d deutsche Rechtsordnung (Beiträge zum internationalen Wirtschaftsrecht u n d Atomenergierecht, Band 1, Η . 4), Göttingen 1965, S. 157—187 (zit. : Europ. u. dt. Rechtsordnung) Wohlfarth-Everling-Glaesner-Sprung: Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Kommentar zum Vertrag, Berlin/Frankfurt a. M. 1960 (zit.: EWG) Wolff , Hans J.: Verwaltungsrecht I. E i n Studienbuch, 7. Aufl., München 1968 (zit. : V R I) Zacher, Hans F.: Ratifizierungsgesetz u n d Normenkontrolle, in: D V B l . 1955, 649—653, 696—697 (zit. : Ratifizierungsgesetz) Zemanek: Das Vertragsrecht der internationalen Organisationen, Wien 1957 (zit. : Vertragsrecht) — A r t . „Supranationale Institutionen", i n : Staatslexikon. Recht - Wirtschaft Gesellschaft (hrsg. von der Görres-Gesellschaft), 7. Band, 6. Aufl., Freiburg 1962, Sp. 894—898 Zeidler, Wolf gang: Die Unverbrüchlichkeit der Grundrechte. Zur Bedeutung der A r t . 1, 79 Abs. 3 BGG, i n : D V B l . 1950, 598—600 (zit. : Unverbrüchlichkeit) Zinn-Stein: Die Verfassung des Landes Hessen. Kommentar, 1. Band, Bad Homburg v. d. H./Berlin 1954 (zit. : Hess. Verfassung I) Zippelius: Erläuterungen des A r t . 1 Abs. I u n d I I (Zweitbearbeitung) i m Kommentar zum Bonner Grundgesetz (Bonner Kommentar), (bearb. von Abraham, Badura u. a.), Hamburg (Loseblatt 1950 ff./Stand 1967) Zweigert: Der Einfluß des europäischen Gemeinschaftsrechts auf die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, i n : RabelsZ 28 (1964), 601—643 (zit.: Einfluß)

Materialien Schriftsatz der Antragsteller v o m 14. 7.1952 i n dem Verfahren auf A n t r a g der Bundestagsabgeordneten Luise Albertz u n d anderer Mitglieder des B u n destages, i n : Der K a m p f u m den Wehrbeitrag (hrsg. v o m I n s t i t u t f ü r Staatslehre u n d Politik), 1. Halbband, München 1952, S. 254—259 Stenographisches Protokoll der 2. mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht am 18. 7.1952, i n : Der K a m p f u m den Wehrbeitrag (hrsg. v o m I n s t i t u t f ü r Staatslehre u n d Politik), 1. Halbband, München 1952, S. 370—435

Sachregister Agrarmarktordnungen 17 Anerkennung — des Gemeinschaftsrechts 50, 52, 74, 83 — verfassungsrechtliche Begrenzung 116 f., 151 — als Vollzugsbefehl 75 Anwendungsbefehl 52, 74, 83 — verfassungskonforme Auslegung 156 — I n h a l t nach Vollzugslehre 156 — für Gemeinschaftsrecht als Transformationsakt oder Vollzugsbefehl 99 ff. — für Gemeinschaftsrecht: I n h a l t 100 — Erforderlichkeit für primäres Gemeinschaftsrecht 20, 26, 98 — kein A. für sekundäres Gemeinschaftsrecht 151 — Erforderlichkeit f ü r Völkerrecht 96 — Teilnichtigkeit 156 s. auch Vertragsgesetze, Zustimmungsgesetze — und Verfassung 116 — nach deutschem Verfassungsrecht 114 f. Anwendungsvorrang (Gegensatz: Geltungsvorrang) 34 Anm., 58 A n m . Arzneimittelwerbemaßnahmen 16 Anm. Aufopferungsentschädigung 31 Auslegung — dynamische 162 — gemeinschaftskonforme 32 — verbindliche A. des E W G V 112 — verfassungsfreundliche A. des Gemeinschaf tsrechts 163 — verfassungskonforme A. der Gemeinschaftsverträge 13 f. — verfassungskonforme A. der Z u stimmungsgesetze 167 — vertragskonforme A. allgemein 33, 155 Anm., 163 Anm. Beanstandungsverfahren 162 J3

Gorny

Besatzungsrecht — Geltungsgrund i m Vergleich zum Gemeinschaftsrecht 101 Bundesrecht bricht Landesrecht 25, 68 — als Rechtsanwendungsvorrang 70 bundesstaatsähnliche S t r u k t u r der Gemeinschaften 46 s. auch Integration, bundesstaatsähnliche Costa/ENEL 19,112 Derogation — Begriff 59 Dienstbarkeit — völkerrechtliche 43 dinglicher Verzicht 43 ff., 74 Anm., 91 A n m . D i r e k t w i r k u n g der Richtlinie 107 f. Diskriminierungsverbote 12 Drei-Stufen-Theorie (Art. 12 GG) 154 Durchbrechungsermächtigung gem. A r t . 24 I GG 151 f. — Grenzen 128 ff. s. auch Integrationskompetenz, Verfassungsabweichung, Verfassungsdurchbrechung Effektivitätsgrundsatz 34, 48 Eigenständigkeit der Gemeinschaftsrechtsordnung 18, 52,112 s. auch Selbständigkeit der G. einheitliche Geltung des Gemeinschaftsrechts 50 f., 149 s. auch Rechtseinheit Einheit der Rechtsordnung 56 — bezogen auf nationales und Gemeinschaftsrecht 67 Einheit der Verfassung 128, 141, 149, 155 Enteignungsentschädigung 31 Erzeugerorganisationen 16 Anm. Europäische Menschenrechtskonvention — Bindung der Gemeinschaften 13

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Sachregister

faktische Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts 117 f. Fehlerkalkül 65 Freiheitsrechtsanspruch 150 Freiheitsvermutung 142,153,155 Funktionsfähigkeit der Gemeinschaften 48, 50, 148 f., 155,163 funktionelle Einheit der Gemeinschaften 114 Geltungsanspruch des Gemeinschaftsrechts 49, 73, 102, 109 ff. Geltungsbeschränkung der Verfassung (gem. A r t . 24 I GG) 50, 53, 67, 81,117 Anm., 122, 132,148 Geltungsnormen des Gemeinschaftsrechts 63 Anm., 78 Geltungsvorrang 59 A n m . gemeinsame Rechtsgrundsätze 14 f., 28 A n m . Gemeinschaftsaufsicht 37 Gemeinschaftscharakter des Gemeinschaftsrechts 48, 50, 53 gemeinschaftsfreundliches Verhalten 15 A n m . Gemeinschaftsgewalt 52, 79, 83 f., 93 Gemeinschaftsrecht — bricht nationales Recht 48, 52, 68, 71 — innerstaatliche Geltung 102 ff. — Geltungsgrundlage 52, 88 f., 93 f. — als internes Staatengemeinschaftsrecht 86, 88 — als Völkerrecht 81, 86 — und nationales Recht allgemein 22 f., 24 Gemeinschaftszwang 37 genereller Gesetzesvorbehalt — W i r k u n g des A r t . 24 I GG 150, 154 Gerichtsbarkeit des BVerfG 41, 51, 164 f. s. auch Zuständigkeit des BVerfG Gesetzesvorbehalte — des Grundrechtskataloges 28, 35 Anm., 36, 38 f., 121,133,151 — verfassungsrechtliche 57,121 f. Gleichheitssatz 12 Grundrechte — Abänderlichkeit 138 f. — Bestandsgarantie nationaler G. i m Gemeinschaftsrecht 137 s. auch Grundrechtsvorbehalt — Bindung der Gemeinschaftsorgane an nationale G. 11 f.

— als ungeschriebenes Gemeinschaftsrecht 14 f., 16 Anm. — Generaleinschränkung 38, 137, 147, 150 — Gewährleistung i m Gemeinschaftsrecht 12,163 — Menschenrechtsgehalt 139,140 Anm. — Unverbrüchlichkeit 130 s. auch Wesensgehalt, Wesensgehaltsgarantie Grundrechtsdurchbrechung 117, 121, 135 Grundrechtseinschränkung — durch Gemeinschaftsrecht 21 f., 28, 38 f., 133,137, 150 f., 155 — Generalermächtigung zur G. 137 f. Grundrechtskongruenz des primären Gemeinschaftsrechts 144 f., 148 Grundrechtsverletzungen — als Ermessensmißbrauch 15 — konkrete 16 Grundrechtsvorbehalt i m Gemeinschaftsrecht 12,146 s. auch Grundrechte/Bestandsgarantie Herren der Verträge 85 A n m . Hierarchie der Rechtsquellen 51, 61 Hoheitsrechte — Begriff 89 Höherrangigkeit — K r i t e r i u m 57, 72 Integration — bundesstaatsähnliche 23, 37 f., 42 Integrationsbereitschaft — kein vorrangiges Verfassungsprinzip 128 Integrationskompetenz — Einschränkung 127 s. auch Durchbrechungsermächtigung Integrationsziel des A r t . 24 I GG 125 Interessenabwägung 154 f. s. auch Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Kernbrennstoffeigentum 16 A n m . Koalitionsfreiheit 16 A n m . Kollisionsnorm entsprechend A r t . 31 GG 21, 69 Kollisionsnormen des Gemeinschaftsrechts 24, 50,110 f., 113

Sachregister Kompetenzvorrang (Gegensatz: Rechtsanwendungsvorrang) 69, 76 Kongruenzbetrachtung — ausschließliche 147 f., 150 s. auch Strukturvergleich legislatives Unrecht 31 A n m . lex posterior 32 lex superior 57 logische Stufung der Normen 63 materielle Rechtsstaatlichkeit 141 __ Niederlassungsfreiheit 17 Normenkollision (Normwiderspruch) 56, 67, 69,163 f. Prävalenz — Begriff 58 — A u s w i r k u n g der unbedingten P. des Gemeinschaftsrechts 135 — k r a f t Ermächtigung 59 — k r a f t verfassungsrechtlicher E r mächtigung 67,132 — k r a f t verfassungsrechtlicher Ermächtigung i m Schrifttum 71 ff. — des Gemeinschaftsrechts/Formen 67,131 f. — unbedingte P. des Gemeinschaftsrechts 147 f. — k r a f t Höherrangigkeit 58 f., 68 f., 132 — k r a f t Höherrangigkeit des Gemeinschaftsrechts/Kriterien 71 f. — k r a f t Höherrangigkeit i m Schriftt u m 72 ff. — keine P. k r a f t Höherrangigkeit völkerrechtlicher Verträge 78 — k r a f t ermächtigter Verfassungsdurchbrechung 122 s. auch Vorrang Programmsätze 104 f. Qualifizierung des Gemeinschaftsrechts 25, 81, 84 ff. Rangbegriff — formeller 56 A n m . Rangkriterium 57 Anm., 59 A n m . Rangordnung — Notwendigkeit einer R. 66 f. — der Rechtsquellen 56, 60, 64 Rangordnungslehre 21, 60 ff., 65 Rangordnungsnormen 23 f., 63 A n m . 13*

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Rangnormen — gemeinschaftsrechtliche 49, 52 Rangstufe 56 Rangverhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem V e r fassungsrecht s. Prävalenz Ratifikation 41 Anm., 158 Ratifizierungsklauseln 158 f., 161 Rechtsangleichung — i m Berufs- und Gewerberecht 16 Anm., 17 — i m Versicherungsaufsichtsrecht 16 A n m . Rechtsanwendungsvorrang (Gegensatz: Kompetenzvorrang) 69 f., 76 Rechtseinheit i n den Europäischen Gemeinschaften 93,149 s. auch einheitliche Geltung Rechtserzeugungssystem 65 f. Rechtserzwingungssystem 65 f. Saar-Urteil des BVerfG 116 Anm., 141 Anm., 161 Sachnormen 63 Anm. Selbständigkeit der Gemeinschaftsrechtsordnung 37, 51, 77, 79 s. auch Eigenständigkeit der G. self-executing 26,103 semantische Stufen 62 Staatengemeinschaftsrecht 26, 86, 88 Staatenverbindungen 23, 81 f., 88 Staatsqualität — fehlende S. der Gemeinschaften 82, 85 f. Staatsservitut 43 strukturelle Kongruenz — Bedeutungen/Funktion 30,130 f. — Notwendigkeit 144 Strukturvergleich — Bedeutung des ausschließlichen S. 146 f. s. auch Kongruenzbetrachtung Stufentheorie der Rechtsordnung (Merkl/Kelsen) 61 ff. Subventions verbot 16 A n m . supranational — Bedeutungen 87 f. supranationale Organisation — K r i t e r i e n 87 f. supranationales Recht 26 Anm., 94 f. Suspension — Begriff 59

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Sachregister

Transformation — des (primären) Gemeinschaftsrechts 26, 27 Anm., 31, 52, 74, 83, 110 — u n d innerbündische Umschaltung 97 Transformationsfunktion 75 A n m . Transformationslehre 19, 50 Anm., 74, 156 — Anwendungsbefehl nach T. 97 transformiertes Vertragsvölkerrecht — Rang i n der Bundesrepublik 27 Übertragung von Hoheitsrechten 42, 90 ff., 125 Übertragungs-Inkorporierung 115 Überleitungsvertrag 166 Umschaltung — innerbündische 96 f. unbeanstandete Vertragsdurchführung 117 f., 162 A n m . unmittelbare Verbindlichkeit — Begriff 102 f. — des primären Gemeinschaftsrechts 103 ff. — des sekundären Gemeinschaftsrechts 106 ff. Verfassungen der Gemeinschaften 95 Verfassungsänderung — materielle V. gem. A r t . 24 I GG 28, 129,131 — stillschweigende 119 — vorweggenommene 122 f. Verfassungsabweichungen — Zulässigkeit 27 f., 29 ff., 35, 38 f., 44, 46 f., 49 f., 54 f., 72, 110, 120, 122, 125, 129, 133 s. auch Durchbrechungsermächtigung, Verfassungsdurchbrechung Verfassungsbeschwerde — gegen EWG-Verordnungen (BVerfG) 16 Anm., 19,165 — gegen sekundäres Gemeinschaftsrecht 165 s. auch Verfassungskontrolle Verfassungsdurchbrechung — Begriffe 118 ff. — ermächtigte V. 120 — verfassungachtende V. 120 A n m . — Zulässigkeit gem. A r t . 24 I GG 21 f., 39, 73, 117 f., 122 ff., 128, 131, 133, 142 s. auch Durchbrechungsermächtigung, Verfassungsabweichung

verfassungsfreier Raum 46 Verfassungsgeber — europäischer 127 — zweiter V. i m GG 123, 127 Verfassungskern — änderungsfester V. 35 f., 44, 54, 129, 133,143 s. auch verfassungsrechtliche Substanzgrenze Verfassungskontrolle — des primären Gemeinschaftsrechts 19, 22, 44, 80,118,164 f. — des sekundären Gemeinschaftsrechts 18 f., 22, 30, 35 f., 39 ff., 45 f., 77, 80, 117, 165 ff. verfassungskräftige Selbstbindung 45 f. Verfassungsrang der Ubertragungsgesetze 46,105 f. verfassungsrechtliche Substanzgrenze 28 f., 38 s. auch Verfassungskern Verfassungswidrigkeit völkerrechtlicher Verträge 41 Anm., 77 f., 157 f. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 152 ff. — gemeinschaftsfreundliche A n w e n dung 155 Versorgungsregelung gem. A r t . 52—76 E A G V 16 Anm. Vertragsgesetze — Teilnichtigkeit 165,167 s. auch Anwendungsbefehl, Zustimmungsgesetze vertragschließende Gewalt — Verfassungsbindung 116 f. Vertragsverletzung bei Nichtanwendung von Gemeinschaftsrecht 41 Anm., 118,157 ff. Vertrauenstheorie über die Anfechtbarkeit verfassungswidriger v ö l kerrechtlicher Verträge 158, 160 f. völkerrechtliche Methode 23 ff., 27 ff., 34, 39 A n m . Vollzugslehre 74, 97, 99 f., 104 f., 156 Vollzugsbefehl — nach Vollzugslehre 97 — f ü r Gemeinschaftsrecht 79 — innerbündische Umschaltung und V. 97 — m i t starker W i r k u n g (starker V o l l zug) 44 Anm., 74 Anm., 76 Anm., 101 f.

Sachregister Vorabentscheidung bei Widerspruch zwischen Gemeinschaftsrecht und Grundrechten 164 Vorrang — Begriff 57 — des Bundesrechts 68 — des Gemeinschaftsrechts 18, 22, 29, 32, 34 f., 37, 42, 46, 49 f., 55 f., 59, 73 — des Gesetzes 57 — juristischer 64 — logischer 64 s. auch Prävalenz Wesensgehalt der Grundrechte — Begriff 152 ff. — absoluter Begriff 153 f. — relativer Begriff 152 f. — Unantastbarkeit gegenüber Gemeinschaitsrecht 149 f., 156 — innerstaatliche Unantastbarkeit 140 ff. — Gewährleistung i m Gemeinschaftsrecht 163 s. auch Grundrechte, Grundrechtseinschränkung Wesensgehaltsgarantie — Aufhebung 147 — Beachtung i m Gemeinschafts.recht 149

— innerstaatlich 142 s. auch Grundrechte, Grundrechtseinschränkung Wesensgehaltssperre — gemeinschaftsfreundliche A n w e n dung 163 Zeitablauf seit Vertragsschluß 162 A n m . Zuständigkeit — für Entscheidung über Gültigkeit der Verträge 162 ff. — des BVerfG für Verfassungskontrolle des sekundären Gemeinschaftsrechts 30, 36, 40 f., 51, 165 ff. s. auch Gerichtsbarkeit des BVerfG — des E u G H für Auslegung der Gemeinschaftsverträge 39, 112, 114, 162 Zustimmungsgesetze — verfassungskonform 36 — Teilnichtigkeit 41, 52,166 f. s. auch Anwendungsbefehl, Vertragsgesetze Zwangslizensierung von Patienten 16 A n m . Zweck-Mittel-Schluß bzgl. A r t . 24 I GG 126 Zwischenrang 34