Untreue und Konsens [1 ed.] 9783428515646, 9783428115648

Die Untreue, § 266 StGB, gehört zu den zentralen Normen des deutschen Wirtschaftsstrafrechts. In zahlreichen Fällen mit

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German Pages 308 [309] Year 2005

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Untreue und Konsens [1 ed.]
 9783428515646, 9783428115648

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Edward Schramm • Untreue und Konsens

Strafrechtliche Abhandlungen • Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (t) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von Dr. Dr. h. c. (Breslau) Friedrich-Christian Schroeder ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 159

Untreue und Konsens

Von

Edward Schramm

Duncker & Humblot • Berlin

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Dr. Kristian Kühl, Tübingen Die Juristische Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen hat diese Arbeit im Jahre 2003/2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D 21 Alle Rechte vorbehalten © 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 3-428-11564-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 © Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die Abhandlung wurde der Juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen im Wintersemester 2003/2004 als Dissertation vorgelegt. Rechtsprechung und Schrifttum sind bis April 2004 berücksichtigt. Herr Prof. Dr. Theodor Lenckner regte die Arbeit an und betreute sie. Herr Prof. Dr. Dr. Kristian Kühl übernahm die abschließende Förderung und Erstbegutachtung. Ihnen danke ich hierfür herzlich. Herrn Prof. Dr. Ulrich Weber gilt für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens mein aufrichtiger Dank, und ebenso Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Friedrich-Christian Schroeder für die Aufnahme der Arbeit in diese Schriftenreihe. Roland Seeger, Jochen Herkle und Martin Idler, die beiden treuen Mitstreiter des Doktorandenkolloquiums am Lehrstuhl von Prof. Kühl, sowie Dr. Ken Eckstein danke ich in freundschaftlicher Verbundenheit für ihre überaus wertvollen Anregungen. Dank schulde ich in besonderer Weise schließlich Dr. Stefanie Wentzell, die mich in der entscheidenden Phase der Promotion begleitet hat. Die Dissertation wurde 2004 mit dem Promotionspreis der Eberhard-Karls-Universität Tübingen für die Juristische Fakultät ausgezeichnet. Tübingen, im Mai 2004

Edward Schramm

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

21

1. Kapitel Die dogmatischen Grundlagen A. Grundfragen der Untreue I. Das Rechtsgut des § 266 StGB II. Das typisierte Unrecht

24 24 24 31

1. Die Tatmodalitäten

31

2. Der Status der Freiheit nach außen und innen

33

III. Vermögensbetreuung und Vermögenswahrnehmung

34

1. Die Bedeutung der Vermögensbetreuungspflicht für die Missbrauchs- und Treubruchsvariante

34

2. Die Bedeutung der Vermögenswahrnehmungspflicht für die Treubruchsvariante

38

3. Die dunkle Entstehungsgeschichte

42

4. Definitionen

45

B. Die verbrechenssystematische Einordnung der Einwilligung bei der Untreue .. I. Die allgemeine Abgrenzung von Einverständnis und Einwilligung II. Der entstehungsgeschichtliche Kontext III. Die Zuordnung beim Missbrauchstatbestand

46 46 51 52

1. Gesetzliche Verpflichtungs- und Verfügungsbefugnisse

53

2. Vertretungs- und Verpflichtungsbefugnisse durch behördlichen Auftrag

55

3. Rechtsgeschäftlich eingeräumte Vertretungs- und Verpflichtungsbefugnisse

57

IV. Die Zuordnung beim Treubruchstatbestand

57

1. Die ersten drei Alternativen der Treubruchsuntreue

57

2. Das tatsächliche Treueverhältnis

58

10

Inhaltsverzeichnis V. Die unterschiedlichen Formen der vorherigen Zustimmung

61

1. Einverständnis und Weisung

61

2. Einwilligung und Begründung des Innen Verhältnisses sowie Änderungs Vereinbarung

63

C. Die Einwilligung in die Untreue im Kontext der personalen Unrechtslehre I. Objektive Zurechenbarkeit - Prinzip der Eigenverantwortung II. Handlungs- und Sachverhaltsunwert III. Unterlassungen

64 65 67 69

D. Taterschaft und Teilnahme

70

I. Der täterschaftliche Status des unwirksam Konsentierenden

70

1. Die allgemeine Abgrenzung

70

2. Einheitstäterbegriff

71

II. Treupflicht als strafbegründendes Merkmal

73

2. Kapitel Der Träger der Dispositionsbefugnis A. Natürliche Personen I. Unbeschränkte Geschäftsfähigkeit II. Beschränkte Geschäftsfähigkeit III. Geschäftsunfähige IV. Die familienrechtliche Betreuung

74 74 74 75 79 79

1. Zustimmung des Betreuten

79

2. Zustimmung des Betreuers

80

B. Gesamthandsgemeinschaften und Bruchteilsgemeinschaften I. Gesamthandsgemeinschaften 1. Die zivilrechtliche Vermögens- und Haftungsstruktur

80 80 80

2. Der treupflichtige Personenkreis und die Möglichkeit der Missbrauchsuntreue

82

3. Der Kreis der Geschädigten und Dispositionsbefugnis

83

4. Bankrott bei Konsens

85

a) Anwendbarkeit des § 14 StGB?

86

b) Die GmbH & Co KG

87

II. Bruchteilsgemeinschaften

88

Inhaltsverzeichnis C. Juristische Personen des Privatrechts

88

I. Der eingetragene Idealverein

88

1. Der treupflichtige Personenkreis

88

2. Die Mitgliederversammlung als dispositionsbefugtes Organ

90

3. Die rechtswidrige Einwilligung

91

a) Verstöße gegen die Satzung

91

b) Irrelevanz des Gläubigerschutzes

93

c) Einverständnis durch Satzungsänderung

95

aa) Formale Satzungsänderung bb) Faktische Abweichung von der Satzung d) Mehrheitsverhältnisse bei rechtswidrigem Beschluß

95 96 98

aa) Satzungswidrige Beschlüsse

98

bb) Gesetzeswidrige Beschlüsse

98

II. Die Stiftung des bürgerlichen Rechts

100

1. Struktur

100

2. Treupflicht

100

3. Einverständnis

102

III. Die GmbH 1. Die praktische Relevanz 2. Treupflicht der Organe a) Der Geschäftsführer und mehrköpfige Organe

102 102 103 103

b) Der faktische Geschäftsführer

104

c) Der Aufsichtsrat

106

3. Die umstrittenen Einwilligungsfälle und ihre gesellschaftsrechtliche Bewertung 107 a) Sog. „verdeckte Gewinnausschüttungen" an Gesellschafter

107

b) Offene Ausschüttungen bzw. offene Zuwendungen an die Gesellschafter

110

c) Rückzahlung eigenkapitalersetzender Darlehen

111

d) Existenzvernichtender oder-gefährdender Eingriff

112

4. Die strafrechtliche Bewertung

113

a) Der Regelungsgehalt des § 81a GmbHG

113

b) Die Rechtsprechung nach 1970

116

aa) „Grundsätze eines ordentlichen Kaufmanns"

116

bb) Konkrete Existenzgefährdung für die Gesellschaft als Einwilligungsgrenze 117 cc) Die GmbH als Komplementärin einer GmbH & Co KG

118

Inhaltsverzeichnis

12

c) Gleichklang von Gesellschaftsrecht und Strafrecht?

119

d) Zivilrechtlicher Pflichtverstoß als notwendige Bedingung

122

e) Kaum verschleierter Gläubigerschutz

122

f) Uneingeschränkte Verfügungsmacht der Gesellschafter bei Beachtung der innergesellschaftlichen Kompetenzverteilung

123

aa) Die Gesellschafter als „wirtschaftliche Eigentümer" der GmbH ....

124

bb) Formale Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Einverständnisses 125 cc) Exkurs: Besonderheiten bei einer GmbH als öffentliches Unternehmen 126 g) Keine Treupflicht der Gesellschafter

127

h) Das Insolvenzstrafrecht als richtiger Anknüpfungspunkt

128

i) Funktionale Betrachtung des § 14 StGB

129

IV. Die Aktiengesellschaft 1. Der treupflichtige Personenkreis

132 132

a) Der Vorstand

132

b) Der Aufsichtsrat

133

c) Aktiengesellschaft; Aktionäre; Societas Europae

134

2. Treupflichtverletzungen

135

3. Möglichkeiten eines Einverständnisses

141

a) Verhältnis Vorstand-Aufsichtsrat

141

b) Verhältnis Vorstand-Aktionärsversammlung

142

c) Verhältnis Aktionäre - Vorstand

144

V. Die Genossenschaften VI. Der Konzern

145 147

1. Begriff des Konzerns

147

2. Der aktienrechtliche Konzern

148

a) Die abhängige AG im Vertragskonzern

148

aa) Die treupflichtigen Personen beim herrschenden Unternehmen

149

bb) Treupflicht des beherrschten Unternehmens

150

cc) Die Träger der Dispositionsbefugnis beim beherrschten Unternehmen

151

dd) Die Träger der Dispositionsbefugnis beim herrschenden Unternehmen

152

b) Die abhängige AG im einfachen faktischen AG-Konzern

152

aa) Struktur

153

bb) Die treupflichtigen Personen

153

cc) Dispositionsbefugnis

154

Inhaltsverzeichnis c) Der qualifiziert faktische AG-Konzern

154

aa) Struktur

154

bb) Treunehmer

155

cc) Dispositionsbefugnis

156

3. Der GmbH-Konzern

156

a) Der GmbH-Vertragskonzern

156

b) Der „qualifiziert faktische GmbH-Konzern": § 266 StGB als Ersatz für fehlendes GmbH-Konzernrecht

158

aa) Struktur nach dem „Bremer Vulkan"-Urteil

159

bb) Das herrschende Unternehmen bzw. seine Organe als faktisch Treupflichtige

161

cc) Der Geschäftsführer der abhängigen GmbH

162

dd) Eigeninteresse der GmbH als Dispositionsgrenze?

162

c) Der einfache faktische GmbH-Konzern 4. Der Personengesellschaftskonzern a) Die faktisch konzernierte Personengesellschaft

163 164 165

aa) Der Kreis der Treupflichtigen

166

bb) Dispositionsbefugnis

166

b) Schlicht abhängige Personengesellschaften

167

D. Juristische Personen des Öffentlichen Rechts

168

I. Die Körperschaften des öffentlichen Rechts

168

II. Die Anstalten des öffentlichen Rechts

171

III. Die Stiftungen des öffentlichen Rechts

172

1. Begriff und Stiftungsverfassung

172

2. Möglichkeiten des Einverständnisses

173

3. Kapitel Kundgabe, Form, Verfahren A. Kundgabe I. Der Theorienstreit bei der Einwilligung II. Die Lösungsansätze bei § 266 StGB 1. Tatbestandsbezogene Betrachtungsweise

175 175 175 177 177

14

Inhaltsverzeichnis 2. Normativer Bezugspunkt des Einverständnisses

178

3. Informationsquelle und Rechtssicherheit

179

4. Der Erklärungsadressat

180

B. Formvorschriften

181

I. Außerstrafrechtliche Formvorschriften II. Zur Relevanz der Warnfunktion

181 182

III. Formverstoß als Indiz für Willensmangel C. Verfahrensvorschriften

184 184

4. Kapitel Der Zeitpunkt des Konsenses

186

A. Die vorherige Zustimmung

185

B. Die Zustimmung während der Tatbegehung

187

C. Die widerrufene Zustimmung

187

I. Der Widerruf II. Der mutmaßliche Widerruf eines Einverständnisses D. Die nachträgliche Zustimmung I. Das überkommene Dogma

187 188 189 189

II. Die nachträgliche Zustimmung im Kontext täterfreundlichen Verhaltens des Opfers 191 1. Schutz des Opfers

191

2. Bagatellcharakter und Aussöhnung

192

3. Vermeidung eines Berufsverbots

193

4. Billigung des Täterverhaltens

194

III. Zur Relevanz der ex-tunc- und ex-nunc-Wirkung 1. Die Unterscheidung

195 195

a) Privatrechtliche Genehmigungen

199

b) Die öffentlichrechtliche Genehmigung von Rechtsgeschäften

196

2. Die strafrechtliche Relevanz der nachträglichen Genehmigung mit rückwirkender Kraft i

197

a) Kein Unrechtsausschluß

197

b) Sinn und Zweck der Genehmigung

198

Inhaltsverzeichnis c) Sachlicher Strafaufhebungsgrund

201

aa) Disponibilität des Strafanspruchs

202

bb) Generalpräventive Erwägungen

203

cc) Spezialpräventive Aspekte

204

dd) Absolute (retributive) Straftheorien

205

d) Parallelen zur behördlichen Genehmigung

206

3. Rechtsfolgen bei der nachträglichen Genehmigung ohne Rückwirkung

206

5. Kapitel Willensmängel, Sittenwidrigkeit und Drittinteressen A. Willensmängel I. Irrelevanz der dogmatischen Einordnung II. Gewalt und Drohung 1. Gewalt 2. Drohung

208 208 209 210 210 211

a) Anknüpfung an § 123 BGB

211

b) Notstandsähnliche Lage beim Opfer

212

c) Nötigung als Maßstab

213

III. Täuschung

214

1. Gegenstand des täuschungsbedingten Irrtums

214

2. Rechtsgutsbezogene „Motiv"irrtümer

215

3. Sonstige Motivirrtümer

218

4. Täuschung durch Unterlassen

219

IV. Irrtum

220

1. Inhalts-, Erklärungs-, Eigenschaftsirrtümer

220

2. Unrichtige persönliche Beurteilungen

221

3. Irrtümer aufgrund unterlassener Aufklärung

222

V. Auswirkungen von Willensmängeln auf den Vorsatz B. Sittenwidrigkeit I. Sittenwidrigkeit der Tat

222 223 224

II. Sittenwidrigkeit der Einwilligung oder der Umstände ihres Zustandekommens 225 C. Drittinteressen

225

16

Inhaltsverzeichnis 6. Kapitel Der mutmaßliche Konsens

A. Das mutmaßliche Einverständnis

227 227

I. Weisungsfälle

228

II. Der mutmaßliche Wille beim Risikogeschäft III. Dualismus Tatbestandssausschluss - Rechtfertigung B. Die mutmaßliche Einwilligung

230 234 235

I. Die Konstellationen

235

II. Die Relation zu anderen Rechtfertigungsgründen 1. Geschäftsführung ohne Auftrag

236 236

2. Rechtfertigender Notstand und erlaubtes Risiko

239

3. Einwilligung

240

III. Die inhaltliche Festlegung des mutmaßlichen Willens

241

1. Der Maßstab

241

2. Irrtümer

242

3. Behandlung des Irrtums

243

7. Kapitel Reform der Untreue und europarechtliche Aspekte A. Reform der Untreue in Deutschland I. Die Gesetzesänderungen seit 1933

245 245 246

1. Die Einführung von Regelbeispielen durch das 6. StRG

247

2. Die Abschaffung von Sondertatbeständen

249

II. Mögliche Reformansätze 1. Begrenzung des Täterkreises

251 251

a) Gefahr der Kasuistik

251

b) Das Merkmal der Geschäftsbesorgung im Tatbestand

253

c) Der schweizerische Tatbestand der „ungetreuen Geschäftsbesorgung" ...

254

2. Rückkehr zu Sondertatbeständen

256

a) Positiver präventiver Effekt

256

b) Vorbilder im europäischen Ausland

257

aa) Österreich und Schweiz

257

bb) Frankreich

258

Inhaltsverzeichnis cc) Spanien und Portugal

260

dd) Russische Föderation

261

3. Genauere Umschreibung der einzelnen Pflichtverstöße

262

4. Beschränkung nur auf die Missbrauchsuntreue

264

5. Aufnahme eines Merkmals „unbefugt"

265

6. Einschränkung des subjektiven Tatbestands

265

a) Einfügung einer Bereicherungsabsicht

265

b) Absichtliche bzw. wissentliche Tatbestandsverwirklichung

266

B. Europabezogene Untreuetatbestände

267

I. Die Strafgesetzgebungskompetenz der EU im Lichte des EG-Vertrags und des EU-Verfassungsentwurfs 268 1. EG-Vertrag

267

2. Europäische Verfassung

270

II. Untreue zum Nachteil des EU-Vermögens

272

1. Der strafrechtliche Corpus Juris zum Schutz von EU-Finanzinteressen

272

2. Das Grünbuch der Kommission

274

III. Europaweite Untreuetatbestände

275

1. Harmonisierungsvorschläge des „Freiburg-Symposiums" für Handelsgesellschaften, das Kreditwesen und Börsenwesen 275 2. Die untreueähnlichen Harmonisierungsentwürfe im Einzelnen

276

a) Die ungetreue Geschäftsführung, Art. 45 Europa-Delikte

276

b) Verletzung des Stammkapitals, Art. 46 Europa-Delikte

281

c) Untreue bei Kreditgewährung, Art. 50 Europa-Delikte

282

d) Untreue durch Wertpapierleistungen, Art. 54 Europa-Delikte

283

3. Europaweite Regelung der Einwilligung

284

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

285

Literaturverzeichnis

289

Sachwortverzeichnis

306

2 Schramm

Abkürzungsverzeichnis AG

Aktiengesellschaft

AktG

Aktiengesetz

ÄndG

Änderungsgesetz

Bad.-Württ.

Baden-Württemberg

BB

Betriebs-Berater

BBG

Bundesbeamtengesetz

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGH

Bundesgerichtshof

BGHSt

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BRAO

Bundesrechtsanwaltsordnung

BRRG

Beamtenrechtsrahmengesetz

BT-Drs.

Verhandlungen des Deutschen Bundestages. Drucksachen

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

CJ

Corpus Juris

CJF

Corpus Juris Florenz

DepotG

Depotgesetz

DJZ

Deutsche Juristenzeitung

DStR

Deutsches Steuerrecht

EG

Europäische Gemeinschaft

EGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

EU

Europäische Union

EU-VerfE

Entwurf einer Verfassung für Europa

EUV

Vertrag über die Europäische Union

EWiV

Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung

FamRZ

Zeitschrift für das gesamte Familienrecht

Fs.

Festschrift

GA

Archiv für Strafrecht, begründet von Goltdammer

GBl.

Gesetzblatt

GemO

Gemeindeordnung

GenG

Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften

GewO

Gewerbeordnung

GG

Grundgesetz

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHG

Gesetz betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung

GmbHR

GmbH-Rundschau

Abkürzungsverzeichnis GS

Gedächtnisschrift

GVB1.

Gesetz- und Verordnungsblatt

HGB

Handelsgesetzbuch

HWiStr

Handwörterbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts

InsO

Insolvenzordnung

JA

Juristische Arbeitsblätter

JR

Juristische Rundschau

Jura

Juristische Ausbildung

JuS

Juristische Schulung

JW

Juristische Wochenschrift

JZ

Juristenzeitung

KG

Kommanditgesellschaft

KGaA

Kommanditgesellschaft auf Aktien

KWG

Kreditwesengesetz

LdR

Lexikon des Rechts

LG

Landgericht

LKrO

Landkreisordnung

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

NBBG1. NJW

Bundes-Gesetzblatt des Norddeutschen Bundes Neue Juristische Wochenschrift

NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht

NZG

Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

OHG

Offene Handelsgesellschaft

OLG

Oberlandesgericht

RGBl.

Reichsgesetzblatt

RGSt

Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen

RStGB

Reichsstrafgesetzbuch

SE

Societas Europaea

SoldatenG

Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten

StGB

Strafgesetzbuch

StiftungsG StPO

Stiftungsgesetz Strafprozeßordnung

StraFo

Strafverteidigerforum

StRG

Strafrechtsreformgesetz

StV

Strafverteidiger

wistra

Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht

WM

Wertpapier-Mitteilungen

ZGR ZHR

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis

ZPO

Zivilprozeßordnung

ZStR ZStW

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

2*

Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht

Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht

19

Einleitung Das deutsche Strafgesetzbuch enthält bis heute weder Regelungen über allgemeine Grundsätze der Einwilligung noch trifft es im Zusammenhang mit einzelnen Tatbeständen - von den Ausnahmen des § 216 StGB und § 228 StGB abgesehen - irgendwelche Aussagen über das „Ob" und das „Wie" einer strafbarkeitsausschließenden Zustimmung des Verletzten. Bereits 1919 äußerte Richard Honig im Zuge der Reform des Reichsstrafgesetzbuchs sein Befremden über das Schweigen des Gesetzes: „Wer die Streitfragen kennt, die sich in Theorie und Rechtsprechung an die »Einwilligung des Verletzten' knüpfen, den muß das Schweigen, mit dem der Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch das Einwilligungsproblem übergeht, mit schweren Bedenken erfüllen". 1 Indes hat selbst das für die letzte grundlegende Reform des Allgemeinen Teils zentrale 2. Strafrechtsreformgesetz von 1969 als auch zuvor bereits der Alternativ-Entwurf des StGBs von 1966 auf eine allgemeine Einwilligungsbestimmung verzichtet, da sich die Voraussetzungen der Einwilligung einer generalisierenden und allgemein vertypten Umschreibung entzögen.2 Die Einwilligung des Verletzten bleibt im deutschen Strafrecht, auch am Beginn des 21. Jahrhunderts, ein Gegenstand richterlicher Rechtsfortbildung und eine „Domäne der Strafrechtswissenschaft" (Amelung)3 zugleich. Wendet man sich, wie es in der vorliegenden Arbeit geschehen soll, den Einwilligungsfragen im Zusammenhang mit der Untreue Vorschrift, § 266 StGB, zu, so rückt namentlich ein besonderes Problem in das Blickfeld, das den Gegenstand zahlreicher Urteile und wissenschaftlicher Untersuchungen bildet: Nicht selten treten in der Praxis Fallkonstellationen auf, in denen der Geschäftsführer einer GmbH mit Zustimmung der Gesellschafter das Stammkapital der Gesellschaft antastet und dadurch die Insolvenz des Unternehmens heraufbeschwört. Hier stellt sich dann die Frage, ob die vorherige Zustimmung der Anteilseigner dem Verhalten des Täters die Untreuerelevanz zu nehmen vermag oder ob die gesellschaftsrechtlichen Beschränkungen der Dispositionsbefugnis auch für das Strafrecht verbindlich sind und die im Übrigen bejahte strafbarkeitsausschließende Wirkung einer solchen Zustimmung beseitigen. Die Schwierigkeiten für die in diesem Zusammenhang interessierende Auslegung des Untreuetatbestands entstanden nicht zuletzt dadurch, 1

Honig, Vorwort. 2 Vgl. LK-Hirsch, Vorbem. § 32 Rn. 92, 128. 3

Amelung, Grundrechtsgut, S. 1. - Auch in der weit überwiegenden Zahl der EU-Mitgliedsländer ist die (mutmaßliche) Einwilligung nicht geregelt; vgl. dazu Dannecker, Freiburg-Symposium, S. 165 ff.

22

Einleitung

dass der Gesetzgeber von 1963 bis 1975 sukzessive die gesellschaftsrechtlichen Untreuetatbestände (etwa § 294 AktG, § 81a GmbHG) mit der Begründung aufgehoben hat, es bedürfe ihrer nicht mehr, da ihr Anwendungsbereich mit dem des § 266 StGB identisch sei und folglich dieser ohne weiteres die Funktion der aufgehobenen Vorschriften übernehme. Inwieweit jedoch die Hypothese des Gesetzgebers und mancher Teile des Schrifttums, dass die bisher von den gesellschaftsrechtlichen Untreuetatbeständen erfassten Sachverhalte nunmehr Fälle des § 266 StGB seien, wirklich zutreffend ist, wird auch in dieser Untersuchung erörtert werden;4 denn diese Annahme berührt auch die in diesem Zusammenhang maßgebliche Frage nach der Möglichkeit und den Grenzen einer strafbarkeitsausschließenden Zustimmung von Gesellschaftern zu Handlungen eines vertretungsberechtigten Organs oder sonst Treupflichtigen. Auf diesen speziellen, praktisch sehr bedeutsamen Komplex beschränken sich jedoch nicht die Bezüge, die sich bei einer Betrachtung der Einwilligung im Kontext der Untreue ergeben. Den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bilden vielmehr alle zentralen Bedingungen, die erfüllt sein wollen, wenn ein Handeln des Treunehmers im Konsens mit demjenigen, dessen Vermögensinteressen durch § 266 StGB geschützt werden, die Untreuestrafbarkeit des fraglichen Geschehens beseitigen soll, die ohne eine solche Billigung ohne weiteres zu bejahen wäre. Damit einher geht die Frage, auf welcher dogmatischen Ebene im Verbrechensaufbau ein solcher zustimmender Wille im Rahmen der Untreue zu lokalisieren ist, was auch eine Analyse der tatbestandlichen Struktur voraussetzt. Aus der Entstehungsgeschichte des § 266 StGB nebst deijenigen seiner Vorgänger sowie der wenigen Änderungen der Vorschrift seit ihrem Erlass ergeben sich insoweit keine Anhaltspunkte für eine Lösung der auftretenden Probleme, da sich der Gesetzgeber - soweit ersichtlich - mit der Fragestellung des Ob und des Wie einer Einwilligung im Rahmen der Untreue nicht beschäftigt hat.5 Insoweit vermag nur eine - am im Rahmen der Treubruchsvariante des § 266 StGB sehr weitgehenden Wortlaut ausgerichtete - systematische und teleologische Interpretation unter Einbeziehung der allgemeinen Grundsätze der Einwilligungsdogmatik Lösungsansätze für die auftretenden Streitpunkte zu geben. Unter diesen Prämissen soll im Folgenden das Thema der Einwilligung in die Untreue in den umfassenden Sinn aller Formen des Konsenses von Treugeber und Treunehmer einschließlich der mutmaßlichen und nachträglichen Einwilligung behandelt werden. Um dieser Themenstellung Ausdruck zu verleihen, sind die mannigfaltigen Facetten der Übereinstimmung von „Täter" und „Opfer" bei der Untreue mit dem freilich eher ungewohnten, dafür aber weiten Begriff des Konsenses im Titel dieser Untersuchung umschrieben worden. So wird im 7. Kapitel zunächst analysiert werden, wie § 266 StGB strukturiert ist und inwiefern die (vorherige) Zustimmung des durch die Vorschrift geschützten 4 Vgl. dazu das 2. Kapitel C. III. 5 Vgl. das 7. Kapitel B. II. und zur Genese des heutigen § 266 StGB vgl. 7. Kapitel A. III. 3.

Einleitung

Vermögensträgers erst als ein Rechtfertigungsgrund einzustufen ist oder ob nicht das Unrecht des fraglichen Geschehens deshalb entfällt, weil bereits der objektive Tatbestand des § 266 StGB nicht verwirklicht ist und daher die Rechtfertigungsebene gar nicht mehr in das Blickfeld des Interesses gerät. Dem schließt sich die Betrachtung der Einwilligung im Lichte der Unrechtslehre sowie von Problemen der Beteilung an einer Untreue an. Das 2. Kapitel behandelt die Frage, welchem Personenkreis die Dispositionsbefugnis über das Vermögen zusteht, wobei hier die aktuelle und besonders umstrittene Problematik der Untreue im Bereich von Kapitalgesellschaften vertieft erörtert wird. Im 3. Kapitel soll untersucht werden, welche Anforderungen an die Kundgabe, das Verfahren und die Form der Zustimmungserklärung gestellt werden müssen. Im Mittelpunkt des 4. Kapitels stehen die Diskussion des überkommenen Grundsatzes, dass nur eine Zustimmung im Zeitpunkt der Tatbegehung die Strafbarkeit beseitigt, und die Erörterung der Bedeutsamkeit nachträglicher Genehmigungen für die Untreue. Thema des 5. Kapitels wird sein, in welchem Umfang die Willensmängel der Täuschung, des Zwangs und des Irrtums die strafbarkeitsausschließende Wirkung der Einwilligung aufheben, und ob die Sittenwidrigkeit und andere Drittinteressen der Einwilligung ihre Wirksamkeit nehmen können. Im 6. Kapitel wird analysiert, in welchem Rahmen und auf welcher verbrechenssystematischen Ebene der mutmaßlichen Einwilligung bei § 266 StGB Bedeutung beigemessen werden kann. Auf der Grundlage der bis dahin gewonnenen Erkenntnisse wird schließlich im abschließenden 7. Kapitel eine Stellungnahme dazu abgegeben, inwieweit kriminalpolitische und verfassungsrechtlich begründete Forderungen berechtigt sind, die auf eine Reform der Untreuevorschrift abzielen. Am Ende dieses Kapitels und der Arbeit soll ein Ausblick auf mögliche untreuerelevante Reformen ermöglicht werden, die derzeit unter dem Schlagwort der Europäisierung des Strafrechts diskutiert werden, namentlich hinsichtlich der Einführung vergleichbarer untreueähnlicher Vorschriften zum Schutz der EU-Finanzen sowie zum Zwecke einer Rechtsvereinheitlichung in den EUMitgliedsstaaten, wobei sich auch hier die Frage nach der Bedeutung eines volenti nonfit iniuria 6 stellen wird.

6 Seit jeher wird die Einwilligung mit diesem Rechtsaphorismus verbunden. Die lateinische Formel ist einer Ausführung von Ulpian (Domitius Ulpianus, 170-228 n. Chr.) in den Digesten entlehnt: „nulla inuria est, quae in volentem fiat"; D. 47.10. 1. 5.; vgl. Honig, S. 1 f.; Roxin, AT I, § 13 Rn. 1 m. w. N.

1. Kapitel

Die dogmatischen Grundlagen Will man sich bestimmten Fallkonstellationen der Untreue zuwenden, stößt man bereits am Beginn seiner Überlegungen auf die seit langem kontrovers diskutierten und für die Auslegung des § 266 StGB zentralen Fragen nach dem Rechtsgut und Aufbau des Untreuetatbestands. Wenngleich hier nicht der Meinungsstand in all seinen Facetten und Nuancen dargestellt sowie die hierzu vertretenen Ansichten umfassend gewürdigt werden können, so bedarf es doch der Skizzierung des dogmatischen Gebäudes, innerhalb dessen die in dieser Untersuchung behandelten Komplexe lokalisiert werden. Die Position zum Rechtsgut der Vorschrift, das Verständnis des im Tatbestand typisierten Unrechts und die zugrunde gelegte Bedeutung der Vermögensbetreuungspflicht für das Verhältnis von Missbrauchs- und Treubruchstatbestand stellen zentrale Weichenstellungen dar und bilden naturgemäß die Grundlage, auf der die Antworten auf die untreuespezifischen Fragen der Einwilligung formuliert werden müssen. Sodann bedarf der Klärung, auf welcher verbrechenssystematischen Ebene die Einwilligung im Kontext der Untreue einzuordnen ist. Zu fragen ist auch, wie sich die untreuerelevante Einwilligung in den Zusammenhang der objektiven Zurechnungslehre einbinden läßt. Den Abschluss des Kapitels bildet die Erörterung des Problems, welche Form der Beteiligung an einer Untreue vorliegt, wenn der Einwilligung ihre strafbarkeitsausschließende Wirkung versagt werden muss.

A. Grundfragen der Untreue I. Das Rechtsgut des § 266 StGB Bei der Antwort auf die Frage, welche Schutzrichtung der § 266 StGB aufweist, stehen sich im Wesentlichen zwei Meinungsgruppen gegenüber. Beiden Richtungen ist gemein, dass sie in der Untreue ein Vermögensdelikt sehen; umstritten ist nur, ob - in Einklang mit der herrschenden Meinung - das Vermögen das ausschließliche Rechtsgut ist oder ob darüber hinaus auch - so ein Teil des Schrifttums - das dem Treunehmer entgegengebrachte Vertrauen, das er durch sein Verhalten verletzt hat, zusätzlich durch § 266 StGB geschützt wird. Hingegen finden frühere Interpretationen, wonach die Untreue sich in erster Linie durch die Verletzung einer Pflicht zur Treue gegenüber der Person auszeichne oder, wie dies vor

A. Grundfragen der Untreue

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allem in der nationalsozialistischen Rechtslehre vertreten wurde, die Untreue ein Tatbestand zum Schutz vor einer durch Verrat begangenen Treulosigkeit sei,1 heute keine Anhänger mehr. Aus der systematischen Stellung des § 266 StGB im Kontext des Betrugs und seiner Varianten und letztlich auch aus dem Wortlaut folgt, dass die Untreue unter dem Aspekt des Rechtsguts in die Reihe der Vermögensdelikte einzureihen ist. 2 Sowohl Missbrauchs- wie Treubruchstatbestand verlangen, dass der Täter das Vermögen des Treugebers geschädigt haben muss. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus der Gesetzesformulierung, wo nur von einem „Nachteil" die Rede ist, den der Täter demjenigen, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, zugefügt haben muss. Der Begriff des „Nachteils" ist an sich vieldeutig und könnte nicht nur Vermögensschäden, sondern auch andere Einbussen (z. B. immaterieller oder wirtschaftlich nicht messbarer) umfassen. 3 Jedoch wurde es bislang von niemandem bezweifelt, dass dieses Merkmal nicht nur Vermögensnachteile erfassen soll. Dies läßt sich nicht allein mit der gesetzessystematischen Gemeinsamkeit begründen, dass die Untreue wie andere zentrale Vermögensdelikte, etwa der Betrug, vom Gesetzgeber im 22. Abschnitt des StGB4 lokalisiert wurde, sondern ist zugleich der Logik des Gesetzes anhand der in den beiden Tatbestandsalternativen umschriebenen Tathandlungen geschuldet: Es ergäbe keinen Sinn, wenn das Gesetz zwar einerseits für die 1. Alternative den Missbrauch einer Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, bzw. für die 2. Alternative eine Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verlangt, andererseits aber der Erfolg, der durch die Pflichtverletzung herbeigeführt werden muss, nicht nur ein vermögensbezogener, sondern auch ein anderer sein könnte.5 Dieses Vermögen muss allerdings tatsächlich geschädigt worden, die Tat mithin vollendet sein. Die versuchte Vermögensschädigung ist im Rahmen der Untreue, wo die Strafbarkeit des Versuchs aufgrund der Vergehensnatur der Untreue (§12 Abs. 1 StGB) ausdrücklich angeordnet sein müsste (§ 23 Abs. 1 StGB), weiterhin 1 Vgl. Dahm, in: Gärtner, S. 448 f.; Gürtner/Freisler, S. 88. 2 BGHSt 43, 293, 297; Kindhäuser, LPK, § 266 Rn. 1; Lackner/Kühl, § 266 Rn. 1; Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 1; LK-Schünemann, § 266 Rn. 28. - Zu neueren Tendenzen, die innerhalb des § 263 StGB das Recht auf Wahrheit in den Mittelpunkt des Vermögensbegriffs stellen, vgl. Kindhäuser, ZStW 103 (1991), S. 398; Pawlik, S. 80, 105; zur Kritik daran vgl. etwa Arzt, in: Arzt/Weber, BT, § 20 Rn. 26 ff. 3 Vgl. Müsch, BT 2/Tb. 1, § 8 Rn. 1. 4 Dies gilt ungeachtet dessen, dass das StGB häufiger im gleichen Abschnitt aneinander gereihte Tatbestände enthält, obwohl diese unterschiedliche Schutzzwecke aufweisen (Bspe.: §§ 201 -203; §§ 317, 323a StGB). 5 Die sachliche Berechtigung für eine Auslegung, die jedweden Schaden auch immaterieller Art erfassen könnte, ist nirgendwo ersichtlich, ganz abgesehen davon, dass die zurechenbare Verursachung bestimmter, nicht primär finanzieller Nachteile, die ein Treupflichtiger derjenigen Person zufügt, deren Vermögensinteressen er zu betreuen hat (z. B. die Eltern diejenigen ihres Kindes), vielfach durch andere Strafvorschriften erfasst wird (z. B. in §§ 171, 173 StGB usw.).

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1. Kap.: Die dogmatischen Grundlagen

nicht strafbar. 6 Die im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zum 6. Strafrechtsreformgesetz geplante Einführung einer Versuchsstrafbarkeit 7 wurde nicht umgesetzt.8 Die Entscheidung, insofern alles beim alten zu belassen, ist zu begrüßen. Weder in der Praxis noch in der Wissenschaft 9 wurde der Unterschied etwa zum Betrug, wo der Versuch gem. § 263 Abs. 2 StGB strafbar ist, als systemwidriger Wertungswiderspruch erachtet oder die Straflosigkeit des Untreueversuchs als kriminalpolitisch fragwürdige, schließungsbedürftige Lücke empfunden; vielmehr wurde ganz überwiegend Kritik an dem Gesetzesvorhaben geübt. 10 Abgesehen davon fallen schadensgleiche Vermögensgefährdungen 11 ohnehin unter den Begriff des Nachteils, wie auch die Grenzziehung zwischen dem Stadium der straflosen Vörbereitungshandlung und dem Versuch gerade bei der Untreue mit großen Schwierigkeiten verbunden wäre, was die mit erheblichen Unsicherheiten belastete Auslegung des § 266 StGB noch problembehafteter gemacht hätte, als sie es ohnehin bereits ist. 12 Wie sogleich zu zeigen ist, setzen sowohl Missbrauchs- wie Treubruchsuntreue eine Verletzung vermögensbezogener, fremdnützig typisierter Pflichten aus dem Innenverhältnis voraus. Diese Prämisse könnte nun zu dem Schluss verleiten, das Vertrauen, das dem Täter vom Opfer bzw. kraft Gesetzes von der Rechtsordnung13 oder von einer Behörde als Auftraggeber entgegengebracht wird, zu einem weiteren Rechtsgut neben dem Vermögen zu erheben. 14 Dem muss indes entgegengehalten werden, dass es sich hierbei nicht um eine Besonderheit des § 266 StGB 6 Daran würde auch eine abweichende Strafzumessungsregelung nichts ändern; vgl. Mitsch, BT 2/Tb. 1 § 8 Rn. 5. 7 BT-Drs. 12/8587 S. 43. 8 BT-Drs. 13/9064 S. 20; LK-Schünemann, § 266 vor Rn. 1. 9 And. nur G. Wolf, Rechtswidrige Verwendung, S. 173 ff. 10 Besonders kritisch zur Intension der Reform Matt / Saliger, S. 218: „Totalisierende Tendenz" des 6. StRG. 11 Zu den erheblichen Unsicherheiten bei der Entscheidung, wo die Grenze bei § 266 StGB zwischen abstrakter, strafloser Vermögensrisiken und der konkreten, strafbaren Vermögensgefährdung zu ziehen ist, vgl. etwa Anders, ZStW 114 (2002), S. 468, 485; Saliger, ZStW 112 (2000), S. 574 ff. 12 Eingehend dazu Matt/Saliger, S. 229 ff. 13

So etwa dem gesetzlichen Vertreter eines Kindes, das mangels Verstandesreife die ihn betreffenden komplexen Vermögensfragen nicht überschauen und daher auch kein entsprechendes Vertrauen fassen kann (vgl. auch Nelles, S. 298). Hier ist es daher die Rechtsordnung, die typisiert und mittels familienrechtlicher Kompetenzzuweisung den Eltern das Vertrauen hinsichtlich des Vermögens des Kindes schenkt (dies übersieht Nelles a. a. O.), und das gleiche gilt für Betreuer, Vormünder oder Pfleger: Erweisen sie sich als unzuverlässig, enttäuschen sie mithin das in ihnen gesetzte Vertrauen, so kann das Vormundschaftsgericht ihnen ihre Befugnisse ganz oder teilweise wieder entziehen (vgl. etwa § 1667 Abs. 1, 5 BGB). 14 Dafür z. B. Cramer, in: Schänke/ Schröder 1*, § 266 Rn. 1; Klug, in: Hachenburg 6, § 81a GmbHG Anm. 1; Luthmann, NJW 1960, S. 420; D. Meyer, MDR 1961, S. 894; ders., JuS 1973, S. 215 f.

A. Grundfragen der Untreue

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handelt, es vielmehr weitere zahlreiche, strafrechtlich relevante Verhaltensweisen gibt, die sich dadurch auszeichnen, dass der Täter das Vertrauen der anderen bricht (so z. B. beim Betrug oder der veruntreuenden Unterschlagung, aber auch bei bestimmten Tötungs- und Körperverletzungsdelikten), ohne dass bereits deshalb dieses in den Rang eines Rechtsguts erhoben wird. 15 Bei der Untreue mag dieser Faktor zwar das Täterverhalten insoweit kennzeichnen, als der Täter gerade aufgrund des ihm entgegengebrachten Vertrauens eine Kompetenzstellung erlangt, die ihm den Angriff auf das Vermögen ermöglicht; aber erst mit diesem 2. Schritt - die spezifische Machtstellung des Täters (und die daraus resultierende Vermögensbetreuungspflicht) - und nicht bereits mit dem 1. Schritt - dem Entgegenbringen von Vertrauen als Erwartungshaltung des die Kompetenzstellung begründenden Subjekts wird der Unrechtsbereich des § 266 StGB betreten, weshalb das Vertrauen, wie die h. M. zu Recht betont, 16 kein eigenes Rechtsgut darstellen kann. Andernfalls bestünde zudem die Gefahr, dass das Merkmal der Treupflicht bzw. Vermögensbetreuungspflicht teleologisch auf das Vertrauen hin ausgelegt werden und mithin dessen Verletzung (etwa durch den Verstoß gegen allgemeine Schuldnerpflichten) unter die 2. Alternative fallen müsste, wodurch aber die Bemühungen, den Treubruchstatbestand enger auszulegen, als sein Wortlaut es an sich ermöglicht, wieder hinfällig würden; abgesehen davon würde sich die Frage stellen, ob es das Gesetz wirklich im Sinn haben kann und es verfassungsrechtlich zu rechtfertigen bzw. kriminalpolitisch geboten ist, einen so weitgehenden, letztlich uferlosen strafrechtlichen Schutz vermögensbezogenen Vertrauens zu gewährleisten. Damit ist aber nur gesagt, dass das Vermögen als alleiniger Schutzzweck des § 266 StGB herangezogen werden kann. Doch darüber, was unter Vermögen im Rahmen der §§ 266, 263, 253 StGB zu verstehen ist - und zwar einheitlich 17 - , besteht seit langem Streit. In dieser Untersuchung ist nicht der Raum für eine tiefergehende Behandlung der Problematik des Vermögensbegriffs. Im Folgenden wird im Wesentlichen der von der herrschenden Lehre 18 und in bestimmten Fallkonstellationen auch von der Rechtsprechung19 favorisierte, sog. juristisch-ökono15 LK-Schünemann, § 266 Rn. 28. 16 Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 1; LK-Schünemann, § 266 Rn. 28. 17 Dazu, dass „der Vermögensbegriff* in den genannten drei Tatbeständen „ein einheitlicher ist" ((Kühl) vgl. neben Kühl, JuS 1989, S. 505, a. a. O. vor allem BGHSt 26,436; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 84; NK-Kindhäuser, § 253 Rn. 25; Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 39; Mitsch, BT 2/Tb. 1, § 8 Rn. 35; SK-Samson/Günther, § 266 Rn. 41; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rn. 535; anders bei § 266 StGB weiter Tröndle/ Fischer, § 266 Rn. 17 und enger Dierlamm, NStZ 1997, S. 535. 18 In diesem Sinne - allerdings mit Nuancen in der Beurteilung bestimmter Fallkonstellationen - z. B. Cramer, in: Schänke /Schröder, § 263 Rn. 82; Mitsch, BT 2/Tb. 1, § 7 Rn. 83; Rengier, BT I, § 13 Rn. 55; SK-Samson/Günther, § 263 Rn. 126 ff.; z. T. auch Tröndle/Fischer, § 263 Rn. 29a; ähnlich auch der „(juristisch-ökonomisch) integrierte Vermögensbegriff' (LK-Schünemann, § 266 Rn. 134) von Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 109 ff. („zivilrechtlich konstituiertes Herrschaftsmodell"). 19 RGSt 19, 186; 21, 161; 27, 300; 36, 334; 37, 30; 65, 99; BGHSt 4, 373; 26, 346; 31, 178; NStZ 1987, 407; wistra 1989, 142.

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1. Kap.: Die dogmatischen Grundlagen

mische Vermögensbegriff zugrunde gelegt, wonach zum Vermögen all diejenigen Positionen gehören, die einen wirtschaftlichen Wert besitzen und dem Inhaber „ohne Missbilligung der Rechtsordnung" zustehen. Denn das Strafrecht würde sich in schwere Wertungswidersprüche zur Gesamtrechtsordnung setzen, wenn es Positionen, die im Wirtschaftsleben faktisch einen materiellen Wert aufweisen, denen die übrige Rechtsordnung aber ihren Schutz versagt (z. B. wegen Verstoßes gegen §§ 134, 138 BGB nichtige Ansprüche), letztlich doch einen gewissen rechtlichen Schutz über § 266 StGB (oder auch §§ 263, 253 StGB) gewähren würde. 20 Der Geldwert eines Guts im Wirtschaftsleben bildet somit den unabdingbaren faktischen Bezugspunkt für den Rechtsbegriff des Vermögens: Der treupflichtige Vermögensverwalter, der ein völlig wertloses Buch, das dem Treugeber gehört, an einen Dritten verschenkt, verletzt zwar das Interesse des Eigentümers und begeht daher eine (ggf. veruntreuende) Unterschlagung i. S. d. § 246 Abs. 2 StGB, verwirklicht aber nach der hier vertretenen Ansicht mangels Eintritt des Vermögensschadens nicht den Untreuetatbestand, mag das Affektions- und Entfaltungsinteresse des Treugebers bezüglich des Werkes auch noch so groß sein. Der Geldwert kann aber nicht die alleinige Größe sein, da aus der positiven ökonomischen Bewertung eines Gutes - nämlich als eines, dem im Wirtschaftsleben ein Geldwert beigemessen wird - keineswegs ausnahmslos dessen positive rechtliche Bewertung folgt, vielmehr dem Recht gerade eine Korrektur- und Begrenzungsfunktion zukommt: Mithin kann es nicht Aufgabe des Vermögensstrafrechts sein, jegliche ökonomische Faktizität zu sichern; dieses muss sich vielmehr als Ziel setzen, auf der Tatbestandsebene die außerhalb des Strafrechts stattfindende rechtliche Gestaltung und Bewertung wirtschaftlicher Vorgänge und Zustände zu übernehmen und dadurch zu bestätigen. Auch würde das Prinzip, das Strafrecht als ultima ratio der Konfliktlösung einzusetzen, auf den Kopf gestellt, wenn zwar die übrige Rechtsordnung bestimmten Gegenständen, Forderungen etc. eindeutig die Billigung und rechtliche Durchsetzbarkeit versagen, der Staat aber, obwohl mildere (z. B. zivilrechtliche) Formen des Schutzes zur Verfügung stünden, mit dem scharfen Schwert des strafrechtlichen Sanktionensystems letztlich doch die Position mit rechtlichem Schutz versehen würde. In gewissem Umfang bis heute problematisch ist hingegen der personale Vermögensbegriff, der den Vermögensnachteil in der Verfehlung der vom Vermögensinhaber verfolgten wirtschaftlichen Zwecke 21 sieht. Zwar trifft der Ansatz des personalen Vermögensbegriffs, dass das Vermögensstrafrecht in seinem materialen Kern die Persönlichkeitsentfaltung in gegenständlich-wirtschaftlicher Weise sicherstellen soll, mithin das Vermögen die „gegenständliche Gewährleistung subjektiver,

20 So aber die Anhänger eines rein wirtschaftlichen Vermögensbegriffs; vgl. z. B. RGSt 44, 230; BGHSt 2, 364; 3, 99; 8, 254; 15, 83; Krey/Hellmann, BT/2, Rn 433; teilweise auch Arzt, in: Arzt/Weber, BT, § 20 Rn. 15 ff. 21 Bockelmann, JZ 1952, S. 464; dersFs. Kohlrausch, S. 226, 248; Otto, BT, § 38 Rn. 8; ders., Struktur, S. 34 ff.; Alwart, JZ 1986, S. 565.

A. Grundfragen der Untreue

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auf den wirtschaftlichen Bereich bezogener Entfaltung" (Otto) 22 ist, durchaus zu. Der personale Vermögensbegriff kann, da die Beziehung des Rechtssubjekts zum Rechtsobjekt an die Stelle einer rein objektiv definierten Vermögens gesetzt wird, sogar als »anthropologisch bestechend'23 bezeichnet werden und auch in besonderer Weise verfassungsrechtlichen Gleichklang mit Art. 2 Abs. 1 GG beanspruchen. Doch ist damit noch keineswegs gesagt, dass es die Aufgabe der Tatbestände der §§ 263, 266, 253 StGB ist, diese Entfaltung ausnahmslos und ohne jegliche Einschränkung zu gewährleisten. Bereits die Tatbestandsstruktur der §§ 263, 266 und 253 StGB spricht gegen einen so weitgehenden Vermögensbegriff: Die beim Betrug täuschungsbedingte und bei der Erpressung nötigungsbedingte Vermögensverfügung sowie der Missbrauch der Vertretungsmacht oder die Treupflichtverletzung bei der Untreue stellen oftmals Handlungen dar, die bereits für sich alleine betrachtet vielfach als Verfehlung der vom Vermögensinhaber verfolgten wirtschaftlichen Zwecke angesehen werden können. Hier drohen sich die Grenzen von Tathandlung (Täuschung, Nötigung, Treupflichtverletzung) und Erfolg (Vermögensschaden) zu verwischen, wenn nicht sogar das Merkmal des Vermögensschadens bedeutungslos zu werden, 24 obwohl nach der in dem Gesetz enthaltenen Tatbestandsstruktur bei jeder der drei genannten Vorschriften nicht eine spezielle Tatmodalität zur Vollendung genügt, sondern zusätzlich und strqfbarkeitsbegründend ein Vermögensschaden verlangt wird. Darüber hinaus besteht - entgegen den Beteuerungen der Anhänger des personalen Vermögensbegriffs 25 - durchaus die Gefahr, dass bei einem so weitgehenden Verständnis des Vermögens letztlich doch die Dispositionsfreiheit zum Rechtsgut erhoben würde. 26 Damit verlöre das Merkmal des Vermögensschadens seine in einer langen, mühsamen dogmengeschichtlichen Entwicklung erreichten Konturen 27 und seine Funktion als ein die Strafbarkeit im Ergebnis einschränkendes Tatbestandselement. Denn der personale Vermögensbegriff bezieht in einer problematischen Extension des Strafbarkeitsbereichs solche Verhaltensweisen in den Tatbestand ein, die zwar den subjektiven Zielsetzungen des Vermögensinhabers zuwiderlaufen, 28 objektiv gesehen sich aber darin erschöpfen und bei denen man mit Fug und Recht zu dem Ergebnis kommt, dass das Opfer wirtschaftlich betrachtet nicht wirklich ärmer geworden ist, obwohl es sich u. U. geschädigt 22 Otto, BT, § 38 Rn. 4. 23 So Tiedemann, WSR Bd. 2, S. 99, allerdings mit der Einschränkung: „auf den ersten Blick". 24 Ebenso SK-Samson/Günther, § 263 Rn. 131: »Elimination des Merkmals Vermögensschaden'. 25 Vgl. Bockelmann, JZ 1952, S. 464; Otto, BT, § 51 Rn. 66. 26 Diese Bedenken äußern zu Recht bspw. Cramer, in: Schänke /Schröder, § 263 Rn. 81; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 112; LK-Lackner 10, § 263 Rn. 124; LK-Schünemann, § 266 Rn. 134. 27 Lenckner, JZ 1967, S. 105 (107). 28 Vgl. nur die Beispiele zu § 263 bei Otto, BT, § 51 Rn. 74 ff.

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1. Kap.: Die dogmatischen Grundlagen

fühlen mag. 29 Aus den gleichen Gründen kann erst recht nicht der Ansicht, die ausdrücklich die Dispositionsfreiheit zum Rechtsgut des § 263 StGB 30 oder des § 266 StGB 31 erhebt, gefolgt werden, da dann die Tatbestände der §§ 263, 253, 266 StGB endgültig ihres Charakters als Vermögensdeliktes verlustig gingen. 32 Dies bedeutet indes nicht, dass bei der Bestimmung des Schadens gänzlich die individuelle wirtschaftliche Situation des Betroffenen außer Acht gelassen werden kann. So ist in denjenigen Fällen, in denen eine Leistung ihren sozialen Zweck verfehlt oder trotz rechnerischer Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung ein sog. individueller Schadenseinschlag gegeben ist, ein Vermögensnachteil auch auf der Grundlage des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs zu bejahen,33 wodurch dieser Vermögensbegriff, was kaum bestritten werden kann, eindeutig Züge eines personalen Vermögensbegriffs gewinnt. Letztlich bedienen sich Rechtsprechung und herrschende Lehre damit schlicht des personalen Vermögensbegriffs, ohne dies offen einzuräumen. 34 Dies gilt insbesondere für den Bereich der öffentlichen Verwaltung, wo neben der Möglichkeit eines individuellen Schadenseinschlags35 auch und gerade eine Schadensbegründung durch Zweckverfehlung denkbar ist: 3 6 Dort darf der Mitteleinsatz nicht mit den Maßstäben der Privatwirtschaft gemessen werden, vielmehr unterliegt dieser der haushaltsrechtlichen, zumeist auf die Verfolgung eines speziellen Ziels gerichteten Zweckbindung, die unter der Vorgabe der wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung steht. Diese beiden Ziele, die nach der Rechtsordnung mit staatlichen, kommunalen usw. Mitteln verfolgt werden müssen, bilden einen solch konstitutiven Faktor für das Ob und Wie des Mitteleinsatzes, dass mit der Zweckverfehlung in der Regel der materiale Kern der öffentlichen Gelder angetastet und damit das Vermögen geschädigt wird. 37 Allerdings kann es Gründe für die von der ursprünglichen Zweckbindung abweichenden Mittelverwendung geben, die sachlich zwingend und mit anderen, d. h. gleichwertigen oder übergeordneten Zielsetzungen öffentlicher Gelder vereinbar sind, so dass nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung der Schadenserfolg u. U. entfällt. 38 29 Maiwald, in: Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 41 Rn. 114. 30 In diesem Sinne Weidemann, MDR 1973, S. 992 (993). 31 So bei der Beurteilung der Haushaltsuntreue aber Volk, in: HWiStr Art. Haushaltsuntreue, S. 3. 32 Vgl. BGHSt 43, 293 (299); BGH NJW 2002, 2803: „§ 266 I StGB schützt als ein Vermögensdelikt nur das Vermögen des Geschäftsherrn oder Treugebers als Ganzes, nicht seine Dispositionsbefugnis." 33 Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 43. 34 Otto, BT, § 51 Rn. 63. 35 Vgl. etwa BGHSt 40, 287, 295 m. w. N. 36 Vgl. dazu auch Jordan, JR 2000, S. 139 f. 37 BGHSt 43, 293 (297). 38 BGH NStZ 1984, 550; BGHSt 40, 287 (294); Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 44; LK-Schünemann, § 266 Rn. 143 Fn. 756.

A. Grundfragen der Untreue

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IL Das typisierte Unrecht Sodann ist danach zu fragen, worin die von § 266 StGB erfasste tatbestandsspezifische, mithin die untreuetypische Angriffsform auf das Vermögen besteht.

1. Die Tatmodalitäten Die Missbrauchsuntreue ist, wie oben skizziert, dadurch gekennzeichnet, dass der Täter die ihm eingeräumte Verpflichtungs- oder Verfiigungsbefugnis beim rechtsgeschäftlichen (oder hoheitlichen) Handeln in Außenverhältnis unter Verstoß gegen seine Pflichten im Innenverhältnis gebraucht; das Charakteristische der 1. Alternative des § 266 StGB ist somit ein intern pflichtwidriges, aber extern wirksames Handeln des Täters. 39 Entfaltet hingegen das Täterverhalten im Außenverhältnis für und gegen den Vertretenen nicht die Rechtswirkungen, die ansonsten mit dem Handeln des Treunehmers verbunden sind, ist also bspw. der Vertrag, der vom Vertreter abgeschlossen wird, oder der begünstigende Verwaltungsakt, der vom Beamten erlassen wurde und eine Zahlungsverpflichtung des Staats begründen soll, nichtig, so kommt nur die 2. Alternative des § 266 StGB in Betracht. Dagegen wird im Schrifttum vor allem von Arzt 4 0 und neuerdings von Schünemann eingewandt, dass damit gerade die gravierenden Formen des Vollmachtsmissbrauchs, bei denen das Zivilrecht dem vom Vertreter vorgenommenen Rechtsgeschäft die Wirksamkeit im Außenverhältnis (mangels zivilrechtlicher Schutzbedürftigkeit des Dritten) versagt (z. B. bei kollusivem Zusammenwirken oder evidentem Vollmachtsmissbrauch), nicht vom Missbrauchstatbestand erfasst würden und der Treubruchstatbestand als Auffangtatbestand bei der Fallkonstellation der eigennützigen Treuhand nicht in Betracht komme. 41 Es genüge daher eine Ausübung der Rechtsmacht, d. h. eine auf Rechte und Pflichten einwirkende Handlung oder Unterlassung. 42 Diese Auffassung vermag aber nicht zu überzeugen. Sie führt zu Friktionen mit dem Sinn des Tatbestands, da jede zu einem Vermögensschaden führende, unter die 2. Alternative fallende Treupflichtverletzung, die ein Bevollmächtigter vornimmt, zugleich unter die 1. Alternative fiele, wenn man die Ausübung von Rechtsmacht als eine unmittelbar oder mittelbar Rechtswirkungen erzeugende Handlung definiert. 43 Abgesehen davon „übt" der Täter nicht seine 39 So die h. L.; vgl. etwa Haft, BT, S. 227; LK-Hübner 10 , § 266 Rn. 59 ff.; Krey/Hellmann, BT/2, Rn. 545; Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 266 Rn. 17; L. Müller, LdR, S. 1088; Nelles, S. 520; Rengier, BT I, § 18 Rn. 3; SK-Samson/Günther, § 266 Rn. 10; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rn. 775. 40 Arzt, Fs. Bruns, S. 371 ff. 41 LK-Schünemann, § 266 Rn. 32. 42 LK-Schünemann, § 266 Rn. 33 a. E.

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1. Kap.: Die dogmatischen Grundlagen

Rechtsmacht „aus", wenn diese für den Geschäftsherrn rechtsgeschäftlich folgenlos bleibt, da dann gerade nicht die mit der Rechtsmacht spezifischen Missbrauchsformen erfasst sind. Sodann ist es die Aufgabe des Missbrauchstatbestandes, die zivilrechtlich zum Schutz des Vertragspartners vorgeschriebene Wirksamkeit des Vertreterhandelns trotz des Verstoßes gegen die Pflichten im Innenverhältnis mit einem komplementären strafrechtlichen Schutz des Geschäftsherrn zu verbinden. Dieses sinnvolle, auf einander abgestimmte und miteinander harmonierende Gefüge des zivilrechtlichen und des strafrechtlichen Interessenschutzes in der Dreieckskonstellation Geschäftsherr - Vertreter - Dritter würde gestört, wenn der Missbrauchstatbestand nicht lediglich eine den zivilrechtlichen Interessenschutz ergänzende, sondern diesen darüber hinausgehend verstärkende Funktion innehätte. Auch den Einwand, dass die hier vertretene Auffassung bei der eigennützigen Treuhand (z. B. Sicherungsübereignungen) 44 „unsinnige Strafbarkeitslücken aufreißen" würde, 45 kann man entkräften: Zwar kommt hier der Treubruchstatbestand als Auffangtatbestand mangels vielfach fehlender Treupflicht des Sicherungsnehmers gegenüber dem Treugeber (und umgekehrt) 46 nicht in Betracht, und es ist auch nicht möglich, strafrechtlichen Schutz dadurch zu erreichen, dass man einen eigenständigen strafrechtlichen Eigentumsbegriff bildet und so das Treugut in den Schutzbereich der §§ 242, 246 StGB einbezieht;47 doch ist der Treunehmer gegenüber dem Treugeber durch § 291 StGB geschützt, wie auch das Zivilrecht die Interessen des Treugebers ausreichend wahrt (z. B. durch § 986 S. 2 BGB). 48 Im Übrigen werden die Fälle oftmals so liegen, dass das einen Völlmachtsmissbrauch darstellende Verhalten häufig unter den Treubruchstatbestand fällt, mithin keine Strafbarkeitslücken auftreten. 49 Abgesehen davon würde gerade der Vorzug der 1. Alternative, ein tatbestandlich klares Profil aufzuweisen und einen hinreichend umrissenen Unrechtstypus zu umschreiben, preisgegeben werden, wenn ein vermögensschädigendes Verhalten eines Treupflichtigen, das dem Unrechtstypus der 2. Alternative entspricht, bereits allein deshalb der 1. Alternative zugeschlagen werden würde, nur weil sie im sachlichen Zusammenhang mit der Ausübung der Rechtsmacht steht. 43 So uferlos kann „Ausübung von Rechtsmacht" nicht definiert werden, da andernfalls auch tatsächliche Einwirkungen auf fremdes Vermögen darunter fielen (z. B. eine zivilrechtliche Schadensersatzansprüche auslösende Unterschlagung durch Verwendung einer Sache zu eigenen Zwecken), was nach Schünemann aber gerade nicht der Fall sein soll (vgl. LK-Schünemann, § 266 Rn. 33). 44

Vgl. etwa Palandt/Bassenge, § 903 Rn. 35. 5 L K-Schünemann, § 266 Rn. 32. 4 6 H. M.; vgl. BGH wistra 84, 143 [Sicherungszession]; LK-Hübner 10 , § 266 Rn. 50; Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 26; Möhrenschlager, NStZ 1985, S. 272; Wegenast, S. 119 ff.; anders z. B. Baumann, Sicherungsrechte, S. 64 ff., 150 ff. 4

47

Ansätze dazu bei Otto, Vermögensschutz, S. 149 ff. Vgl. auch G. Haas, S. 72: „Ein über § 289 hinausgehender Schutz bei Missbrauch der Vollrechtsübertragung ist nicht erforderlich". 49 Vgl. Z. B. SK-Samson/Günther, § 266 Rn. 10. 48

A. Grundfragen der Untreue

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Das Unrecht der Treubruchsuntreue stimmt zwar insoweit mit demjenigen der Missbrauchsuntreue überein, als auch dieses einen Verstoß gegen die zwischen Treugeber und Treunehmer vereinbarten oder anderweitig, z. B. gesetzlich vorgeschriebenen Pflichten aus dem Innenverhältnis verlangt. Im Unterschied zur 1. Alternative setzt die 2. Alternative jedoch kein wirksames Handeln im Außenverhältnis voraus; auch rein tatsächliche Verletzungshandlungen oder Rechtsgeschäfte des Treupflichtigen, die keine rechtliche Bindungswirkung für den Treugeber begründen, und ebenso Unterlassungen können von ihr erfasst sein. Folglich liegt hier der Schwerpunkt des Unrechts bei der in erster Linie unmittelbar im Innenverhältnis stattfindenden Verletzung der vermögensbezogenen Pflichten. 50

2. Der Status der Freiheit nach außen und innen Damit ist jedoch das tatbestandlich vertypte Unrecht nur angedeutet, nicht jedoch der tiefere Grund dafür angegeben, warum das Gesetz die interne Pflichtenbindung des Treunehmers mit einem strafrechtlichen Schutz versieht. Er läßt sich in der funktionalen Einbindung des Treunehmers in eine fremde Vermögenssphäre erblicken, 51 durch die das Vermögen des anderen bestimmten Risiken ausgesetzt wird. Diese qualifizierte Zugriffsmöglichkeit wird dadurch geschaffen, dass der Täter entweder in die vermögensbezogene Autonomie des Treugebers einbezogen wird oder in den Fällen, in denen der Vermögensträger zu einer solchen Autonomie nicht in der Lage ist (z. B. eine geschäftsunfähige natürliche oder eine juristische Person), der Handlungsspielraum des Täters zum Zwecke der Betreuung fremder Vermögensinteressen erweitert wird. Damit sind zugleich der Grund und die Grenze des typisierten Untreuestraftatbestandes markiert: Der Täter muss eine gewisse, ihm zugewiesene Machtposition über das fremde Vermögen besitzen - dieses also aufgrund der Stellung des Täters besonderen Risiken ausgesetzt sein - und während seines Handelns die Vermögensinteressen eines anderen betreuen, mithin zum fremden Nutzen handeln. Bei der 1. Alternative des § 266 StGB besteht diese Machtposition darin, dass ihm eine fremdnützige Verpflichtungs- und Verfügungsbefugnis über fremdes Vermögen verliehen wurde. Der Täter ist somit imstande, Verpflichtungen oder Verfügungen nach außen hin rechtswirksam vorzunehmen, die den Vermögensinteressen des Treugebers (bzw. desjenigen, für den der Treunehmer in finanzieller Hinsicht Sorge zu tragen hat) zuwiderlaufen oder sonst nicht seinen Vorgaben entsprechen. Vor diesem Missbrauch der dem Täter zum Nutzen des Vermögensträgers eingeräumten Freiheit nach außen zu schützen, ist Sinn und Zweck der 1. Alternative. 50

Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 23a. In dieser funktionalen Einbindung des Täters in die Vermögenssphäre des anderen liegt bereits ein wesentlicher Unterschied zu den z. B. in den §§ 242, 263 StGB genannten Tatmodalitäten, die vorrangig (wenn auch nicht ausschließlich) durch ein Handeln erfüllt werden, das sich als ein externer Zugriff auf fremdes Vermögen bzw. Eigentum darstellt. 51

3 Schramm

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1. Kap.: Die dogmatischen Grundlagen

Die 2. Alternative verlangt einen Täterstatus, der sich dadurch auszeichnet, dass mit ihm eine Zugriffsmöglichkeit auf fremdes Vermögen verbunden ist, die der Intensität des von den Missbrauchsformen der 1. Alternative erfassen Gefährdungspotentials entspricht. Der Treubruchstatbestand setzt daher spiegelbildlich Freiheit im Inneren voraus: Der Täter muss mithin in die Vermögenssphäre des anderen funktional so intensiv eingebunden sein, dass sich sein Aufgabenbereich nicht in bloß mechanischen, untergeordneten Tätigkeiten erschöpft oder sein Handeln bis in alle Details vorbestimmt ist; vielmehr muss er den Entscheidungsspielraum und die Selbständigkeit im Inneren besitzen, die der Vertretungs- oder Verpflichtungsberechtigte bei der 1. Alternative nach außen hin innehat. Demnach besteht das untreuetypische Verhalten in einem Verstoß gegen die Grenzen einer spezifisch ausgestalteten Freiheit: Es ist ein vorsätzliches, vermögensschädigendes Verhalten desjenigen, dem eine auf den Nutzen fremden Vermögens ausgerichtete Freiheit eingeräumt wurde, der sich dabei aber über die Pflichten hinwegsetzt, die ihm zum Schutz dieses Vermögens auferlegt wurden. Damit stellt sich aber zugleich die Frage, bei welchen Tatbestandsmerkmalen dieser Status des Täters zu verankern ist.

III. Vermögensbetreuung und Vermögenswahrnehmung Der Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB besteht aus drei Satzteilen. Der erste Satzteil betrifft die Missbrauchsuntreue: Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht (...). Der zweite Satzteil betrifft die Treubruchsuntreue: (...) oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt (...). Der in seiner Bedeutung höchst umstrittene dritte Satzteil, zuweilen auch als letzter Satzteil oder SchlussSatz umschrieben, lautet: ( . . . ) und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird (...) bestraft.

1. Die Bedeutung der Vermögensbetreuungspflicht für die Missbrauchs- und Treubruchsvariante Ein Kennzeichen der dem Täter eingeräumten Machtstellung ist bei beiden Alternativen des § 266 StGB, dass sie (zumindest auch) den Vermögensinteressen eines anderen dienen muss. Dies ergibt sich aus dem dritten Satzteil des § 266 Abs. 1 StGB, wonach sowohl bei der 1. wie bei der 2. Alternative der Täter demjenigen einen Nachteil zufügen muss, „dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat". Wer Dispositionsbefugnisse über ein fremdes Vermögen hat, die allein oder

A. Grundfragen der Untreue

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in erster Linie seinen eigenen Interessen dienen, hat eben nicht fremde Interessen zu betreuen. Die Treubruchsvariante, 2. Alternative des § 266 StGB, verlangt darüber hinaus eine weitere Pflichtverletzung dergestalt, dass der Täter die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses „obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt" (sog. Treupflicht) und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, einen Nachteil zufügt. Die inhaltliche Umschreibung dessen, was bei der 2. Alternative des § 266 StGB unter der „Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen" zu verstehen ist, ist nicht minder umstritten und verworren wie die Entscheidung, ob und inwieweit sich diese Vermögenswahrnehmungspflicht von der (nach dem syntaktischen Aufbau der Vorschrift) für beide Alternativen des § 266 StGB erforderlichen Täter-Opfer-Beziehung in Form des Vermögensbetreuungsverhältnisses unterscheidet. Dabei dürfte es sich um eines der schwierigsten und umstrittensten Komplexe des Vermögensstrafrechts handeln. Für Schünemann ist es „ohne Übertreibung .... das dunkelste und verworrenste Kapitel des Besonderen Teils" des StGB überhaupt; 52 Dahs sieht in § 266 StGB gar die rechtlich schwierigste Norm im Besonderen Teil des StGB. 53 Der Rahmen der vorliegenden Untersuchung würde gesprengt, wenn in ihr der Streit zur Gänze neu aufgerollt 54 würde; doch einige skizzenhafte Überlegungen müssen im Folgenden dazu angestellt werden. Zwar ist die Frage in erster Linie im Zusammenhang mit Formen des Scheckkartenmissbrauchs, namentlich durch das einschneidende Scheckkartenurteil (BGHSt 24, 36) ins Blickfeld der Diskussion geraten, und auch hat der Gesetzgeber in diesem Sachzusammenhang eine Antwort mit der Einführung des Straftatbestands des Scheck- und Kreditkartenmissbrauchs, § 266 b StGB, gegeben. Gleichwohl ist man im Allgemeinen von einem Konsens in dieser prinzipiellen Streitfrage weit entfernt; sie bleibt damit aktuell. Nach der herrschenden Meinung (sog. „streng monistische"55 Theorie), wie sie von Hübner begründet 56 und später vom BGH in dem Scheckkartenurteil 57 aufgegriffen wurde, erschöpft sich die Funktion der Vermögens&eirewwngspflicht nicht darin, lediglich die Fremdnützigkeit des Täterhandelns vorzuschreiben; erforderlich sei vielmehr auch für die 1. Alternative, dass der Täter den gleichen Status besitzen müsse wie derjenige der 2. Alternative. Der Täter einer Missbrauchsuntreue müsse ebenso wie derjenige einer Treubruchsuntreue - so die „Gesamt52 LK-Schünemann, § 266 Rn. 1. 53 So Dahs, NJW 2002, S. 273 (neben dem Parteiverrat nach § 356 StGB). 54 Die letzte, sehr gründliche Erörterung zum Problem des Verhältnisses von Missbrauchsund Treubruchstatbestand findet sich bei Wegenast, S. 18 ff. 55 Begriff von LK-Schünemann, § 266 Rn. 10. Hillenkamp spricht dagegen von einer „Spezialitätstheorie"; vgl. Hillenkamp, Probleme, S. 170. 56 Hübner, JZ 1973, S. 407; LK-Hübner 10 , § 266 Rn. 14, 24. 57 BGHSt 24, 386. 3*

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1. Kap.: Die dogmatischen Grundlagen

betrachtungstheorie" der Rechtsprechung - einen gewissen Grad an Selbständigkeit, Bewegungsfreiheit, Ermessensspielraum und Verantwortlichkeit besitzen58 bzw. Aufgaben nach der Art eines Geschäftsbesorgungsauftrags erfüllen. 59 Daneben gibt es eine Minderheitsansicht („neuere dualistische"60 Theorie), die auch für die Missbrauchsuntreue ein Betreuungsverhältnis verlangt, dafür aber bereits die Pflicht, die eingeräumte Befugnis nicht zu missbrauchen, genügen läßt (so etwa Otto und Labsch).61 Eine dritte Meinungsgruppe im Schrifttum (sog. „eingeschränkt monistische"62 Theorie) vertritt einen vermittelnden Standpunkt, wonach für den Missbrauchstatbestand ein fremdnütziges Innenverhältnis erforderlich sei, das nicht die Intensität der Vermögenswahrnehmungspflicht aufweisen müsse (in diesem Sinne z. B. Lenckner und Wegenast). 6 3 Gegen das herrschende, streng monistische Verständnis des Untreuetatbestandes sprechen gewichtige Gründe. Entscheidender Anknüpfungspunkt muss, wie oben dargelegt, der Freiheitsstatus des Täters sein: Dieser ist auch bei einem Vertretungs- oder Verpflichtungsberechtigten, dessen Vorgehen durch die Vorgaben im Innenverhältnis unter Umständen bis ins Detail vorgeschrieben sein kann, kraft seiner nach außen hin bestehenden Entscheidungskompetenz so groß, dass kein Anlass besteht, darüber hinaus gehend noch einen zusätzlichen Freiheitsstatus im Innenverhältnis zum Opfer als strafbarkeitsbegründend zu verlangen. 64 Sodann gibt auch der Wortlaut der Norm einen Anhaltspunkt dafür, dass § 266 StGB zwei selbständige Tatbestände mit unterschiedlichen Angriffsmodalitäten auf fremdes Vermögen enthält. Denn andernfalls müsse vor dem Satzteil „oder die ihm kraft Gesetzes ... obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen" ein „sonst" eingefügt sein, um zum Ausdruck zu bringen, dass die 1. Alternative nur ein, wie häufig formuliert wird, „ausgestanzter Unterfall" (Hüb58 Vgl. BGHSt 3, 392; 13, 317; 22, 190; 28, 23; 33, 340; BGH NStZ-RR 2002, 107; ebenso etwa Lackner/Kühl, § 266 Rn. 9; SK-Samson/Günther, § 266 Rn. 5; Schmidhäuser, BT, 11/60 Tröndle/Fischer, § 266 Rn. 9; Weber, in: Arzt/Weber, BT, § 22 Rn. 68; ähnlich die „integrierte" Untreuetheorie von Kindhäuser, Fs. Lampe, S. 710 ff. 59 BGH NJW 1983,461; G. Haas, S. 39 f. 60 Begriff von LK-Schünemann, § 266 Rn. 10. Hillenkamp wählt die Bezeichnung „Selbständigkeitstheorie"; vgl. Hillenkamp, Probleme, S. 169; zur Theorie vgl. auch Küper, BT, S. 341; Wegenast, S. 50 (Spielart der „Mindermeinung neu"). 61 In diesem Sinne etwa Labsch, NJW 1986, S. 108; Otto, BT, § 54 Rn. 8; tendenziell auch Kargl, ZStW 113 (2001), S. 589. Dadurch werden etwa, anders als bei den monistischen Theorien, die eigennützigen Treuhandverhältnisse in den Schutzbereich des § 266 StGB einbezogen. 62 Bezeichnung wiederum von LK-Schünemann, § 266 Rn. 10. 63 Anhänger dieser eingeschränkt monistischen Theorie sind Lenckner/Perron, in: Schänke/ Schröder, § 266 Rn. 1; Nelles, S. 508; Schlüchter, JuS 1984, S. 675; Steinhilper, Jura 1983, S. 406; Wegenast, S. 134 ff. („Mindermeinung neu"); wohl auch Mitsch, BT 2/Tb. 1 § 8 Rn. 15, 19 (Befugnis „im Interesse des Vermögensinhabers"), der sich aber auch auf die Anhänger der neueren dualistischen Theorie beruft. 64 Vgl. LencknerI Perron, in: Schänke /Schröder,

§ 266 Rn. 1.

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ner) 65 der 2. Alternative ist. 66 Gemeinsame Basis beider Untreuevarianten ist damit die Betreuungspflicht des 3. Satzteils, während die beiden ersten Satzteile die Eigenart und Differenz von Missbrauchs- und Treubruchsuntreue deutlich werden lassen. Würde man außerdem die strengen Voraussetzungen, die für die Vermögenswahrnehmungspflicht der 2. Alternative gelten, mittels des Merkmals der Vermögensbetreuungspflicht auf die 1. Alternative übertragen, wäre der Missbrauchstatbestand letztlich rechtlich überflüssig und praktisch bedeutungslos. Im umgekehrten Fall wäre eine bedenkliche Ausweitung des Treubruchstatbestand zu besorgen: Würde man unter der Prämisse, dass beide Tatbestände eine inhaltlich gleichartige Vermögens&eirewwng.ypflicht voraussetzen, zur Gewährleistung eines weiten Anwendungsbereichs der 1. Alternative Abstriche an die Treupflicht vornehmen, so droht die Gefahr, dass mit der Rückübertragung einer so relativierten Treupflicht auf die 2. Alternative all die Einschränkungen, die an sich für 2. Alternative entwickelt wurden, wieder hinfällig werden. Auch muss man sich fragen, warum das Gesetz nur dieses eine Beispiel - den Missbrauch einer Verpflichtungsoder Verfügungsbefugnis - eigens nennt und hervorhebt, wo es doch eine Vielzahl anderer, typischer Untreuehandlungen gibt, deren Erwähnung im Wortlaut der Vorschrift zumindest ebenso nahe gelegen hätte.67 Beim Treubruchstatbestand hat die Vzrmögensbetreuungspüicht daher die zwei Funktionen, zum einen das Erfordernis eines Vermögensschadens und zum anderen die Person des Geschädigten zu kennzeichnen. Die Fremdnützigkeit der Interessenwahrnehmung ist hingegen sowohl im Merkmal der Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, als auch in der Pflicht, fremde Vermögensinteressen zu betreuen, enthalten. Beim Missbrauchstatbestand kann hingegen die gebotene und von der sog. neueren dualistischen Theorie zu Unrecht ignorierte 68 - Fremdnützigkeit des Täterhandelns als Strafbarkeitsvoraussetzung nur in der Vermögensbetreuungspflicht verankert werden. Der Nachsatz „und dadurch demjenigen, dessen Vermögensinteressen er wahrzunehmen hat, Nachteil zufügt" kennzeichnet somit das Erfordernis eines Vermögensschadens, die Person des Geschädigten und die Fremdnützigkeit des Täterhandelns als notwendige Bedingungen der Strafbarkeit für beide Alternativen des § 266 StGB. 65 LK-Hübner 10, § 266 Rn. 17. 66 Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 1. 67 Bsp.: So die sehr häufig vorkommende, nicht mit der Ausübung von Vertretungsbefugnissen im Außenverhältnissen verbundene Verschiebung von Vermögensgegenständen in die Sphäre des Täters oder eines Dritten. 68 Die Auffassung, dass auch die Missbrauchsuntreue eine Vermögensbetreuungspflicht verlangt, war zugleich ein Grund für die.Schaffung des § 266 b StGB im Jahre 1986. § 266b StGB lässt sich mit Küper als eine spezielle Missbrauchsuntreue ohne Vermögensbetreuungspflicht begreifen, was die Wertung des Gesetzgebers erkennen lässt, dass der allgemeine Missbrauchstatbestand des § 266 StGB eine solche Pflicht vorausssetzt; vgl. Küper, BT, S. 340.

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1. Kap.: Die dogmatischen Grundlagen

Nach der hier vertretenen Ansicht, die mit der eingeschränkt monistische Theorie übereinstimmt, bildet das Vermögensfceirewwrtg5verhältnis in Form eines fremdnützigen Innenverhältnisses damit die Minimalbasis beider Untreuevarianten. 69 Für die Missbrauchsuntreue sind hingegen die Einschränkungen ohne Bedeutung, die für die Treubruchsuntreue und die sie kennzeichnende Verletzung einer Vermögenswahrnehmungspüicht entwickelt wurden. Folgerichtig stehen sich die beiden Untreuealternativen als verschiedene Strafgesetze i. S. d. § 265 StPO gegenüber.70

2. Die Bedeutung der Vermögenswahrnehmungspflicht für die Treubruchsvariante Bei der 2. Alternative des § 266 StGB ist der oben skizzierte Freiheitsstatus im Innern beim Merkmal der Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, zu verankern. Diese Kompetenz, die mit der Vermögenswahrnehmungspflicht gekennzeichnet wird, soll nach der (wohl) herrschenden Lehre dabei im Wesentlichen dem fremdnützig typisierten Schuldverhältnis der Geschäftsbesorgung, wie er in § 675 BGB umschrieben wird, entsprechen71 - jedoch nur hinsichtlich des Typus'. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass die Übernahme dieses zivilrechtlichen Vertragstypus als „Typus" der Vermögenswahrnehmungspflicht nicht ohne gewisse Einschränkungen erfolgen kann: Weder begründet jedes zivilrechtliches Geschäftsbesorgungsverhältnis i. S. d. § 675 BGB - erst recht nicht bereits ein solches i. S. d. §§ 662, 667 BGB 7 2 - bereits eine Treupflicht, noch bestehen Treueverhältnisse nur aus einer derartigen „schuld"rechtlichen, d. h. zivilrechtlichen Beziehung. So besteht kein Zweifel daran, dass es Treueverhältnisse auch im Rahmen öffentlich-rechtlich ausgestalteter Rechtsverhältnisse gibt; zu denken ist beispielsweise an einen Beamten, der für die Vergabe von Sozialleistungen zu69 Vgl. Eisele, GA 2001, S. 381; Haft, BT, S. 225; Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 1; Wegenast, S. 134 ff.; Seelmann, JuS 1982, S. 917; Schlächter, JuS 1984, S. 675; Steinhilper, Jura 1983, S. 406. 70 So im Ergebnis auch BGH NJW 1954, 1616: Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 1; LK-Schünemann, § 266 Rn. 27; Wegenast, S. 137. Differenzierend BGH NJW 1984, 2539. 71 G. Haas, S. 39; Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 23a; Otto, BT, § 54 Rn. 20; LK-Schünemann, § 266 Rn. 73; z. T. auch die Rechtsprechung; vgl. BGH NJW 1983, 6461; BGH NStZ 1989, 72; OLG Koblenz NStZ 1995, 51. 72 Der Geschäftsbesorgungsbegriff in §§ 662, 667 BGB ist nach h. L. im Zivilrecht wesentlich weiter als in § 675 BGB (sog. Trennungstheorie; anders die sog. Einheitstheorie; zu diesem zivilrechtlichen Streit vgl. Larenz, BT I I /1, § 56 V; Martinek, in: Staudinger, § 675 Rn. A 20); so erfasst § 622 BGB Rechtsverhältnisse wie z. B. Dienst- oder Werkverträge (vgl. Ehmann, in: Erman, § 675 BGB Rn. 1; Medicus, BT, Rn. 433), die für eine Vermögensbetreuungspflicht i. S. d. § 266 StGB an sich nicht ausreichen (vgl. Lenckner/Perron, in: Schänke/ Schröder, § 266 Rn. 26).

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ständig ist und dabei einen gewissen Entscheidungsspielraum hat, und seine Treupflicht verletzt, wenn er diese staatlichen Mittel auf sein Privatkonto verschiebt. Umgekehrt läßt die zivilrechtliche Rechtsprechung und Literatur unter § 675 BGB bzw. einen Teil der Vorschriften, auf die § 675 BGB verweist, bisweilen auch bestimmte zivilrechtliche Vertragsgestaltungen fallen, weil „die Interessenlage dies gebietet",73 obwohl im konkreten Fall dem Auftragnehmer u. U. keinerlei Entscheidungsspielräume verblieben sind; dann kann aber der Betreffende mangels des erforderlichen Freiheitsstatus - trotz Vorliegens eines Geschäftsbesorgungsauftrags nicht Täter einer Untreue sein, wenn er seine zivilrechtlichen Pflichten verletzt. 74 Sodann zeichnet sich auch der Begriff der Geschäftsbesorgung durch eine große Unschärfe aus,75 weshalb man im zivilrechtlichen Schrifttum vielfach auf eine vertragstypologische Erfassung aufgrund bestimmter Indizien ausweicht.76 Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass nicht jeder Verstoß gegen Pflichten, die zu befolgen dem Täter innerhalb eines dem Typus der Geschäftsbesorgung entsprechenden Rechtsverhältnisses obliegt, stets zugleich eine Treupflichtverletzung darstellt. Vor diesem Hintergrund mag man Zweifel bekommen, ob mit der Anlehnung an das Geschäftsbesorgungsverhältnis wirklich so viel für eine klar umrissene und einschränkende Auslegung des Merkmals der Vermögenswahrnehmungspflicht gewonnen ist, wie die herrschende Lehre dies behauptet. Es drängt sich die Frage auf, worin der entscheidende Unterschied der zivilrechtlichen vetragstypologischen Bestimmung der Geschäftsbesorgung an Hand von Indizien zu der von der strafrechtlichen Rechtsprechung und einem Teil der Literatur bevorzugte Gesamtbetrachtung anhand bestimmter Anhaltspunkte besteht. Andererseits hat die Rechtsprechung diese von ihr selbst aufgestellten, an sich auf eine restriktive Auslegung ausgerichteten Indizien, vor allem diejenigen der Selbständigkeit und des eigenen Entscheidungsspielraums, bisweilen zu wenig beachtet und so den Untreuetatbestand in bedenklicher Weise ausgeweitet.77 Der herrschenden Lehre ist gleich73 Vgl. MünchKomm-Seiler, BGB, § 675 Rn. 2 und § 662 Rn. 14. 74 Bspe.: So sind beispielsweise Giro- und Anlageberatungsverträge zwar zugleich Geschäftsbesorgungsverträge i. S. d. § 675 BGB (vgl. BGHZ 107, 104, 110 BGH NJW 1983, 1730); doch ist ein Anlageberater, der unselbständig ist und keine eigenverantwortlichen Entscheidungen zu treffen hat, ebenso wenig treupflichtig (vgl. BGH NJW 1991, 1774) wie ein ohne eigenen Entscheidungsspielraum handelnder Sortenkassierer einer Bank (BGH NStZ 1983, 455; Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 266 Rn. 26; weitergehend LK-Schünemann, § 266 Rn. 85). 75 Vgl. etwa Medicus, BT, Rn. 433: Eine „einigermaßen unterscheidungskräftige Definition ... fällt schwer"; Larenz, BT I I /1, § 56 V: „widerstrebt einer genauen Festlegung seines Inhalts durch eine begrifflich scharfe Definition"; Martinek, in: Staudinger, § 675 Rn. A 21: Die bisherigen Bemühungen haben „keine konsentierte begriffliche Konkretisierung gebracht". 76 Vgl. Larenz, BT I I / 1 § 56 V; Martinek, in: Staudinger, § 675 Rn. A 21 ff. 77 Vgl. nur BGH NJW 96, 66 [Mietkaution]; BGH M D R / H 1989, 111 [Kassierer]; weitere Nachw. und Kritik bei Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 266 Rn. 24; LK-Hübner 10 , § 266 Rn. 32; Kindhäuser, Fs. Lampe, S. 721 f.

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1. Kap.: Die dogmatischen Grundlagen

wohl zu folgen, da sie mit der Anknüpfung an das zivilrechtliche Institut der Geschäftsbesorgung zumindest die zwei entscheidenden, zwingend vorauszusetzenden Momente der (1.) selbständigen Wahrnehmung (2.) fremder Vermögensinteressen gewinnt, wie sie in der weitgehend anerkannten, „klassischen", allgemeinen Definition der Geschäftsbesorgung, die von der zivilrechtlichen Rechtsprechung und Literatur entwickelt wurde, enthalten sind. Doch was heißt „Selbständigkeit" und „ein gewisser Entscheidungsspielraum"? Sie bedeuten nicht, dass der Täter absolut selbständig sein muss. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine relative Selbständigkeit, die insoweit gebunden ist, als es sich bei ihr um eine fremdnützige, vermögensbezogene Tätigkeit handelt, deren Rahmen zumeist durch gewisse Vorgaben, Vorschriften, Richtlinien etc. abgesteckt ist. Doch innerhalb dieses Rahmens muss dem Täter eine gewisse Freiheit verbleiben, welche Entscheidung er hinsichtlich des Vermögens eines anderen trifft. So sind beispielsweise bei einem Geldtransportunternehmen, das in der Rechtsform der GmbH auftritt, nicht die Fahrer, wohl aber der Geschäftsführer gegenüber der Firma treupflichtig. Andererseits ist wiederum das Unternehmen i. d. R. nicht gegenüber seinen Auftraggebern (z. B. Banken) treupflichtig, da sich die diesen gegenüber bestehenden Vertragspflichten zumeist darauf beschränken, das Geld zu einem vorgegeben Zeitpunkt bei der Bank abzuholen und zu einem bestimmten Depot zu bringen. Ebenso wenig kommt es - entgegen der von der Rechtsprechung praktizierten Gesamtbetrachtung - auf die Dauer der Tätigkeit oder die Größe des Vermögens, auf die sie sich bezieht, an: 78 Dem Buchhalter ohne Entscheidungskompetenz erwächst auch nach vielen Jahren seiner Beschäftigung keine Treupflicht; ebenso begeht ein Kreditnehmer, der ein Darlehen in Millionenhöhe erhält, keine Untreue, wenn er nach Kündigung des Darlehens seine Rückzahlungspflicht nicht erfüllt. 79 Denn es kann nicht die Aufgabe des § 266 StGB sein, jedweden Verstoß gegen zivilrechtliche (oder vergleichbare öffentlich-rechtliche) vermögensbezogene Pflichten zu poenalisieren und diejenigen Fälle, in denen der Unterschlagungsoder Diebstahlstatbestand erfüllt ist, in einem weitem Umfang zu erfassen und so den Anwendungsbereich des § 266 StGB auf Konstellationen zu erstrecken, bei denen der Angriff auf das Eigentum nicht zugleich mit einem qualifizierten Pflichtverstoß einhergeht. § 266 StGB kann heute nicht mehr als globaler „Auffangtatbestand" für unerwünschte, jedoch nicht unter andere Straftatbestände fallende Verhaltensweisen im Wirtschaftsleben dysfunktionalisiert werden, es sei denn, man würde zu einer kriminalpolitischen Lückenbüßer-Funktion der Untreue zurückkehren, wie sie seinerzeit den Nationalsozialisten vorgeschwebt hatte. 80 Die gebotene Fremdnützigkeit des Täterhandelns wird strafrechtlich nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Treupflichtige neben den Interessen des Treu78 Mitsch, BT 2/Tb. 1, § 8 Rn. 44: SK-Samson/Günther, § 266 Rn. 31. 79 Vgl. auch BGH NStZ 1986, 361, 362 sowie BGH, NStZ 1984, 118, 119. 80

Mehr dazu sogleich unter 3.

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gebers vielfach auch noch eigene Interessen verfolgt (etwa der Geschäftsführer eines Unternehmens, der mit dieser Tätigkeit Einkünfte erzielen möchte und durch eine erfolgreiche Managmenttätigkeit nicht bloß seine Anstellung absichert, sondern zusätzlich finanziell belohnt wird). Auch hier kann an der zum zivilrechtlichen Geschäftsbesorgungsverhältnis i. S. d. § 675 BGB entwickelten Maxime angeknüpft werden, dass es für die Anwendbarkeit dieser Norm unerheblich ist, wenn der Auftragnehmer erhebliche Eigeninteressen verfolgt, sofern nur der Schwerpunkt im Fremdinteresse liegt. 81 Zu beachten ist freilich, dass die Verfolgung eigener Interessen im Verhältnis zum Treugeber dann nicht treupflichtwidrig ist, auch wenn sie seinen Interessen widerspricht, sofern die Voraussetzung erfüllt, dass dieser Egoismus4 des Treunehmers rechtlich zulässig ist. 82 Ein wenig aussagekräftiges Kriterium für die Treupflicht wäre der Gesichtspunkt, ob, wie unlängst von Schünemann vorgeschlagen, die Tätigkeit einer Kontrolle unterliegt: 83 So sind etwa - entgegen Schünemann - die Kassiererin in einem Supermarkt oder der oben erwähnte Fahrer eines Geldtransporters keineswegs einer „gleichzeitigen Steuerung und Überwachung" unterworfen, und doch sind sie gleichwohl nicht treupflichtig, da ihre Tätigkeit bis ins Detail vorgeschrieben ist und der ihnen insoweit noch verbleibende Handlungsspielraum minimal ist. Umgekehrt kann gerade derjenige intensiv kontrolliert werden, dem besonders viele Entscheidungskompetenzen eingeräumt wurden, etwa der Geschäftsführer eines Not leidenden Unternehmens, dem ein permanent tätiger Unternehmensberater zur Seite gestellt wird. Bedenken müssen angemeldet werden, wenn für den Treubruchstatbestand eine besonders qualifizierte Garantenbeziehung zu dem fremden Vermögen verlangt wird, die in der Regel auf Gewinnmehrung gerichtet sein soll. 84 Zwar gehört die Pflicht, das betreute Vermögen zu vermehren (z. B. günstige Anlage von Bargeld oder der Abschluss vorteilhafter Geschäfte für den Geschäftsherrn) regelmäßig zur Treupflicht. 85 Gleichwohl gibt es Treueverhältnisse, die allein auf die Bewahrung des status quo gerichtet sind, 86 wie auch die Rechtsordnung eine Vielzahl von Garanten kennt, die auf fremdes Vermögen Acht geben müssen (z. B. Arbeitnehmer), ohne Treunehmer zu sein. 87 Zudem ist das Merkmal der Garantenstellung selbst 81

Vgl. etwa Martinek, in: Staudinger, § 675 Rn. A 33. Weitergehend wohl Thomas, Fs. Rieß, S. 797, der dort, wo die Verfolgung eigener Interessen zum „tragenden Prinzip der Wirtschaftsordnung" gehört, auch deren Akzeptanz von der Rechtsordnung verlangt. Doch § 266 StGB kann durchaus die Funktion besitzen, bestimmten Praktiken in der Wirtschaftsordnung „einen Riegel vorzuschieben": Wirtschaftsordnung ist mit der Rechtsordnung eben nicht ohne weiteres gleichzusetzen. 83 LK-Schünemann, § 266 Rn. 85. 84 Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 266 Rn. 23a; SK-Samson/Günther, § 266 Rn. 27. 8 5 Vgl. nur Weber, in: Arzt/Weber, BT, § 22 Rn. 76. 86 LK-Schünemann, § 266 Rn. 85. 87 LK-Schünemann, § 266 Rn. 85. 82

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1. Kap.: Die dogmatischen Grundlagen

zunächst ein rein formaler Begriff, der zur Begründung einer Pflicht zum Handeln dient und in hohem Maße konkretisierungsbedürftig ist. 88 Durch das Erfordernis einer Handlungspflicht wird der tatbestandlichen Unschärfe des § 266 StGB somit durchaus in gewissem Maße entgegengesteuert, dem Mangel an Bestimmtheit aber nicht restlos abgeholfen. 89 Dies kann vielmehr nur gelingen, wenn man als Grundlage der Handlungspflicht das Vorliegen eines Geschäftsbesorgungsverhältnisses verlangt. Unter dieser Prämisse ist dann jeder, der selbständig und fremdnützig die Interessen anderer wahrnimmt, Garant, und zwar in Form einer Beschützer- oder Obhutsgarantenstellung.90

3. Die dunkle Entstehungsgeschichte Die Entstehungsgeschichte des § 266 StGB, dessen Absatz 1 bei den Tatbestandsvoraussetzungen seit der Gesetzesänderung durch die Nationalsozialisten 91 im Jahre 1933 bis heute unverändert geblieben ist, steht dem hier bevorzugten Untreueverständnis, wie Wegenast eingehend gezeigt hat, nicht entgegen.92 Die damaligen Gesetzesentwürfe existieren nicht mehr, ebenso wurde offenbar keine Gesetzesbegründung verfasst, und Aufzeichnungen von etwaigen Gesetzesberatungen in Kommissionen, Ausschüssen oder im Reichstag liegen ebenfalls nicht vor. Es handelte sich auch nicht um ein Gesetzgebungsverfahren im herkömmlichen Sinne, da die entsprechende Änderung des RStGB 1933 auf der Grundlage des sog. „Ermächtigungsgesetzes"93 erfolgte und das Gesetz deshalb nicht vom Reichstag und Reichsrat, sondern der Reichsregierung beschlossen wurde. 94 Auf dieses Rechtssetzungsverfahren, das formal in heutiger Zeit eher dem Erlass einer Rechtsverordnung durch einen Minister entsprechen dürfte, wird es wohl zurückzuführen sein, dass Gesetzesmaterialien völlig fehlen. Überliefert sind allein die in einer Fachzeitschrift veröffentlichte Rechtsauffassung des damaligen Ministerialdirektors im Reichsjustizministerium Ernst Schäfer, der den Gesetzestext mutmaßlich verfasst haben soll, 95 und die Erläuterungen von Leopold Schäfer 88 Vgl. nur Kühl, AT, § 18 Rn. 41 ff. 89 Mitsch, BT 2/Tb. 1, § 8 Rn. 40. 90 Vgl. NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 46, 56. 91 Ges. zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften v. 26. 5. 1933, RGBl. I, S. 295; vgl. auch Vogel, ZStW 115 (2003), S. 650. 92 Vgl. Wegenast, S. 146 i. V. m. Fn. 75: Die Entstehungsgeschichte entziehe sich einem eindeutigen Zugriff; es bestehe Unsicherheit, und klare Zuordnungen seien kaum möglich. Wegenast zählt fünf verschiedene Theorien zum Verhältnis von Missbrauchs- zum Treubruchstatbestand. Sein eigener Standpunkt deckt sich im Wesentlichen mit der auch in dieser Arbeit vertretenen Konzeption Lenckners; vgl. Wegenast, S. 134. 93 „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich" v. 24. 3. 1933, RGBl. IS. 141. 94 Vgl. Dunkel, S. 55; Wegenast, S. 27 Fn. 105. 95 Vgl. Dunkel, S. 56; Wegenast, S. 21. Erstmals geäußert wurde die Vermutung von Schwinge; vgl. Schwinge/Siebert, S. 12 Fn. 6.

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in Pfundtner/Neubert, 96 der wohl einer der Sachbearbeiter dieser Gesetzesänderung im Reichsjustizministerium war 97 und dessen Ausführungen daher ebenfalls vielfach den Materialien zugeschlagen werden. 98 Die Vorgängerbestimmung des 1933 reformierten § 266 RStGB war bereits im Reichsstrafgesetzbuch von 1871 enthalten, das komplett die Norm des § 266 Abs. 1 aus dem StGB des Norddeutschen Bundes übernommen hatte. 99 In dieses norddeutsche Strafgesetzbuch wurde 1870 unter der Nr. 2 eine Bestimmung neu aufgenommen, die Bevollmächtigte bestrafte, welche über Forderungen oder andere Vermögensstücke absichtlich zum Nachtheile des Auftraggebers verfügen. § 266 Abs. 1 Nr. 1 RStGB (Treubruch in besonders bedeutsamen Treueverhältnissen) und § 266 Abs. 1 Nr. 3 RStGB (Verletzung von Gewerbepflichten) waren hingegen bereits weitgehend in § 246 des preußischen StGB von 1851 enthalten. § 266 RStGB von 1871 lautet: 101 Abs. 1: „Wegen Untreue werden mit Gefängnis, neben welchem auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden, bestraft: 1. Vormünder, Kuratoren, Güterpfleger, Sequester, Massenverwalter, Vollstrecker letztwilliger Verfügungen und Verwalter von Stiftungen, wenn sie absichtlich zum Nachteile der ihrer Aufsicht anvertrauten Personen oder Sachen handeln; 2. Bevollmächtigte, welche über Forderungen oder andere Vermögensstücke des Auftraggebers absichtlich zum Nachteile desselben verfügen; 3. Feldmesser, Versteigerer, Mäkler, Güterbestätiger, Schaffner, Wäger, Messer, Bracker, Schauer, Stauer und andere zur Betreibung ihres Gewerbes von der Obrigkeit verpflichtete Personen, wenn sie bei den ihnen übertragenen Geschäften absichtlich diejenigen benachteiligen, deren Geschäfte sie besorgen. Abs. 2 Wird die Untreue begangen, um sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zu verschaffen, so kann neben der Gefängnisstrafe auf Geldstrafe bis zu Eintausend Thalern erkannt werden."

Umstritten war bei der Form der Untreue nach Abs. 1 Nr. 2, ob nur derjenige Bevollmächtigte darunter fallen soll, der rechtsgeschäftlich wirksam über die Vermögensgegenstände verfügt (so die sog. Missbrauchstheorie von Binding), 102 oder der Bevollmächtige, der auch anderweitig (z. B. faktisch) nachteilig auf das Ver96 L. Schäfer, in: Pfundtner/Neubert, II. c. 6, S. 12-18. 97 So LK-Schünemann, § 266 Rn. 5 Fn. 24 (unverändert von LK-Hübner 10 , § 266 Rn. 2 Fn. 1 übernommen). 98 Nelles, S. 131. 99 StGB v. 31. 5. 1870 (NBBGL. 1197). 100 Zur rechtsgeschichtlichen Entwicklung der Untreue von der Carolina bis zum RStGB von 1871 vgl. Wrede, S. 21 ff. und speziell zur zivilrechtlichen Genealogie der Missbrauchsuntreue Kiefner, Fs. Stree/Wessels, S. 1205. 101 Gesetz v. 18. 5. 1871 (RGBl. 127). 102

Untreue als Missbrauch rechtlicher Vertretungsmacht; vgl. Binding, S. 396 ff. und H. Mayer, Untreue, S. 309 ff.

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1. Kap.: Die dogmatischen Grundlagen

mögen des Auftraggebers einwirkt (so die sog. Treubruchstheorie des Reichsgerichts). 103 Es ist zumindest, wie die herrschende Lehre 104 unter Berufung auf Ernst und Ludwig Schäfer annimmt, davon auszugehen, dass es Intension der Reform von 1933 war, die Treubruchstheorie mit der Missbrauchstheorie in einem Tatbestand zu »verwerten und kombinieren 4, um damit „Schiebertum und Korruptio n " 1 0 5 zu bekämpfen und alle „strafwürdigen" Fälle „lückenlos" 106 zu erfassen. Gleichzeitig verzichtete er auf die als antiquiert empfundene kasuistische Umschreibung des Täterkreises 107 der Untreue in den Nr. 1,3 des ursprünglichen § 266 RStGB. 108 Welche Bedeutung bei dieser - allerdings nur vordergründig salomonischen109 Lösung der im Nachsatz genannten Vermögensbetreuungspflicht im Rahmen beider Untreuetatbestände zuzumessen ist, bleibt entstehungsgeschichtlich dunkel oder doch zumindest widersprüchlich. 110 Alle Theorien, die zum Verhältnis der beiden Alternativen entwickelt wurden, können vor diesem Hintergrund der unklaren Quellenlage insofern als entstehungsgeschichtlich nicht wirklich abgesichert, sondern zu einem großen Teil als Eigenschöpfung der Rechtswissenschaft und Rechtsprechung angesehen werden. Die verschiedenen Theorien suchen zwar die rechtsgeschichtliche und dogmengeschichtliche Verankerung, indem sie auf die vor Inkrafttreten des § 266 StGB vorherrschenden beiden zentralen Theorien - der Missbrauchs- und Treubruchstheorie - anknüpfen und auf die vorher eingebrachten Gesetzesentwürfe und die Vorläuferbestimmungen in den Partikularstrafgesetzbüchern 111 rekurrieren. Doch ist damit nur der Hintergrund der Entstehung des § 266 StGB und die wesentliche Stoßrichtung der beiden Tatbestände (bei der 1. Alternative im Sinne der Missbrauchs-, bei der 2. Alternative im Sinne der Treubruchstheorie) skizziert. Einigkeit herrscht heute insoweit, dass das Ziel des damaligen Gesetzgebers, alle „strafwürdigen Fälle lückenlos zu erfassen" und „Korruption und Schiebertum" zu bekämpfen, „die Wurzel allen Übels" des § 266 StGB ist, da eine solche Strafbar103

Untreue als Verletzung einer rechtlichen oder auch bloß tatsächlichen Pflicht zur Vermögenssorge, also z. B. auch durch die tatsächliche Einwirkung auf einen Gegenstand; vgl. die Darstellung und die umfassendenden Nachweise, auch zu den weiteren Spielarten der Treubruchstheorie (zivilrechtlich bzw. strafrechtlich gebundene Variante), bei Dunkel, S. 67, H Mayer, Untreue, S. 167 ff.; NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 20-26; LK-Schünemann, § 266 Rn. 6; Wegenast, S. 26. 104 Vgl. nur Weber, in: Arzt/Weber, BT, § 22 Rn. 5. los E. Schäfer, DJZ 1933, Sp. 795. 106

L. Schäfer, in: Pfundtner/Neubert, II. c. 6, S. 13; vgl. auch Schneider-Neuenburg, 1933, S. 324, 330. 107 Vgl. auch 7. Kapitel, A. II. 1. los Dazu Weber, Fs. Dreher, S. 557 f. 109 Weber, in: Arzt/Weber, BT, § 22 Rn. 5. ho Eingehend dazu Wegenast, S. 20 f., 25 ff., 37 ff., 48, 52 ff., 61 ff., 80 ff. in Vgl. dazu Dunkel, S. 53 ff.

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keitsextension zwangsläufig zur Schaffung weiter, die Grenze zur Konturenlosigkeit überschreitende Tatbestandsmerkmale bei der 2. Alternative führen musste. In § 266 StGB spiegelt sich das Strafrechtsverständnis eines totalitären Staates wider. In rechtshistorischer Sicht sollte zudem nicht in Vergessenheit geraten, dass die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Untreue nach dem 30.1.1933 eine der justizförmigen Bemühungen war, um Persönlichkeiten der Weimarer Zeit zu diskreditieren, die der NSDAP missliebig waren. 112 Darüber hinaus ist heute, im Lichte des Grundgesetzes und eines rechtsstaatlichen Strafrechts, ein umfassender strafrechtlicher Vermögensschutz weder rechtssystematisch sinnvoll noch legitimierbar, da andernfalls die totale Pönalisierung zivilrechtlicher bzw. öffentlichrechtlicher vermögensbezogener Pflichten drohen würde. Eine solche Auslegung und Anwendungspraxis wäre - allen Entscheidungsspielräumen zum Trotz, die ein Gesetzgeber auch heute im Bereich des Strafrechts besitzt - , mit dem verfassungsrechtlichen ultima-ratio-Prinzip 113 unvereinbar. 114 Vor diesem Hintergrund erscheint es im Sinne einer rechtsstaatlichen „Straffung" des Tatbestands teleologisch am überzeugendsten, die scharfe Kontur, die allein die 1. Alternative aufweist, spiegelbildlich auf die 2. Alternative zu übertragen: der Missbrauch des Freiheitsstatus4 im Außen Verhältnis (1. Alternative) muss seine Entsprechung in einem Missbrauch des Freiheitsstatus' im Innen Verhältnis (2. Alternative) finden.

4. Definitionen In den folgenden Teilen der Arbeit wird - soweit nichts anderes aufgeführt ist unter dem Begriff der Treupflicht eine Pflichtenstellung verstanden, welche die Voraussetzungen der Vermögenswahrnehmungspflicht i. S. d. Treubruchsuntreue erfüllt (d. h. Fremdnützigkeit und Selbständigkeit der Interessenwahrnehmung) und inzidenter den schwächer ausgestalteten Bedingungen der Vermögensbetreuungspflicht i. S. d. Missbrauchsuntreue - ausreichend ist die Fremdnützigkeit der Dispositionsbefugnisse - genügt. 115 Dies bedeutet: Sofern der Treupflichtige zugleich eine Vertretungs- und Verfügungsbefugnis besitzt, 116 kann er demnach nicht nur eine Treubruchs-, sondern auch eine Missbrauchsuntreue begehen; fehlt es ihm dagegen an diesem Vertretungs- und Verfügungsstatus, kommt die Treubruchsvariante des § 266 zum Zuge. Als Treugeber soll derjenige bezeichnet werden, dessen Vermögen gegenüber die Treupflicht besteht. Der Treunehmer ist umgekehrt derjenige, der diese Treupflicht zu erfüllen hat, mithin treupflichtig ist. 112 Vgl. Dahs, NJW 2002, S. 273. 113

Zum ultima-ratio-Prinzip vgl. BVerfGE 39, 1, 47; Weber, in: Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 3 Rn. 19 sowie 4. Kapitel D I I 2 b). 114 Dahs NJW 2002, S. 273. 115 Vgl. dazu in diesem Kapitel oben A. III. 1. 116 Vgl. dazu in diesem Kapitel unten B. III.

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1. Kap.: Die dogmatischen Grundlagen

B. Die verbrechenssystematische Einordnung der Einwilligung bei der Untreue Den Ausgangspunkt zu den Überlegungen, inwieweit die Zustimmung des Vermögensinhabers das Verhalten des Täters seiner Strafbarkeit wegen Untreue entkleidet, bildet die logisch vorrangige Frage nach deren prinzipieller systematischen Einordnung im Gefüge des Unrechts. Für die herrschende Ansicht ist diese Entscheidung deshalb von Bedeutung, weil sie - nach dem jeweiligen Unrechtsgehalt der interessierenden Strafvorschrift - zwischen tatbestandsausschließendem Einverständnis und rechtfertigender Einwilligung unterscheidet und daraus unterschiedliche Anforderungen für deren Wirksamkeit ableitet. Die dogmatische Verankerung der Zustimmung stellt sich dann jedoch als problemlos dar, wenn man ihr, wie dies von manchen vertreten wird, stets eine bereits das tatbestandsmäßige Unrecht ausschließende Wirkung beimisst. Es bedarf daher zunächst der Erörterung dieses Grundsatzproblems der allgemeinen Verbrechenslehre (dazu I.), um im Anschluss daran auf der Basis der zuvor gewonnenen Grundsätze die Zustimmung im Kontext der Untreue verbrechenssystematisch zuordnen zu können (dazu II.). Ausgeblendet werden dabei jedoch die nachträgliche und die mutmaßliche Einwilligung, die im 4. und. 6. Kapitel behandelt werden.

I. Die allgemeine Abgrenzung von Einverständnis und Einwilligung Die herrschende Meinung folgt im Wesentlichen der 1953 von Geerds herausgearbeiteten Gegenüberstellung von unrechtsausschließender Einwilligung und tatbestandsausschließendem Einverständnis. 117 Setze ein Straftatbestand ausdrücklich oder begrifflich voraus, dass das Handeln gegen oder ohne den Willen des Opfers erfolgen müsse, so entfalle das Unrecht bereits auf der Ebene des Tatbestandes. Dies sei beispielsweise bei § 123 StGB der Fall, wo von einem Eindringen nur gesprochen werden könne, wenn der Täter die geschützten Räumlichkeiten gegen den Willen des Hausrechtsinhabers betrete, sodann bei § 242 StGB, bei dem eine Wegnahme nur bei einem Gewahrsamsbruch ohne die Zustimmung des bisherigen Gewahrsamsinhabers denkbar sei, ebenso bei § 240 StGB, wo begrifflich keine Nötigung vorliege, wenn der Betroffene mit dem verfolgten Zweck und dem Mittel einverstanden sei, oder bei § 177 StGB, der das Fehlen eines Ein verständi g F. Geerds, Einwilligung, S. 1 ff.; ders., GA 1954, S. 262 ff. Ihm folgen grundsätzlich die Rechtsprechung, so etwa BGHSt 17, 359 ff., sowie im Schrifttum Gropp, AT, § 6 Rn. 56 ff.; Haft, AT, S. 104; LK-Hirsch, Vor § 32 Rn. 98; Hoyer, AT, S. 84; Köhler, AT, S. 243 ff.; Kühl, AT, § 9 Rn. 20 ff.; Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 29a; Matt, AT I, Kap. 3 § 5 Rn. 1 ff.; Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 17 Rn. 92 ff.; NK-Paejfgen, Vor § 32 Rn. 45, 152; Otto, AT, § 8 Rn. 105; Sternberg-Lieben, S. 59 ff.; Wessels/Beulke, AT, Rn. 370; im Ansatz ebenso bereits Honig, S. 119.

B. Die verbrechenssystematische Einordnung der Einwilligung bei der Untreue

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nisses bezüglich des Einsatzes des qualifizierten Nötigungsmittels zur Vornahme bestimmter sexueller Handlungen voraussetze. Bei anderen Tatbeständen, bei denen das Rechtsgut zur Disposition des Opfers stünde, die Freiheit der Willensbildung oder -betätigung jedoch nicht das ausschließliche Rechtsgut sei oder dieses doch zumindest nicht mitkonstituiere, könne eine Zustimmung erst die Rechtswidrigkeit beseitigen. Bejaht wird dies für die Sachbeschädigung, § 303 StGB, und auch überwiegend für § 223 StGB, wobei hier umstritten ist, ob bei bestimmten Körperverletzungen, insbesondere dem ärztlichen Heileingriff, unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise • bereits die Tatbestandsmäßigkeit des Handelns entfällt, wie auch sonst - trotz der prinzipiellen Übereinstimmung in dem maßgeblichen allgemeinen Kriterium der Differenzierung - häufig bei der Betrachtung der konkreten Strafvorschrift Uneinigkeit darüber besteht, ob die Zustimmung im Tatbestand oder im Erlaubnistatbestand angesiedelt werden muss. 118 Ebenso herrschen divergierende Ansichten darüber, ob für alle Tatbestände, bei denen der Zustimmung tatbestandsausschließende Wirkung zukommt, die gleichen Maximen bezüglich der Einwilligungsfähigkeit, Form, Kundgabe und Bedeutung von Willensmängeln gelten müssen oder ob hier nicht eine an den Besonderheiten der jeweiligen Norm ausgerichtete Betrachtungsweise Platz greifen muss. 119 Dem gegenüber steht die (im Vordringen begriffene) Lehre, nach der ein zustimmender Wille, sofern dieser berücksichtigungsfähig ist, stets die Tatbestandsmäßigkeit des Handelns beseitige. 120 Der Differenzierung zwischen Einverständnis und Einwilligung fehle es an der sachlichen Grundlage. Begründet wird dies überwiegend damit, dass jedes Rechtsgut zugleich eine Autonomiekomponente aufweise: Dem Individualrechtsgut sei bereits per definitionem das Selbstbestimmungsrecht des Rechtsgutsinhabers immanent, weshalb es überhaupt als die aus Art. 2 Abs. 1 GG fließende Objekts- bzw. verhaltensbezogene Autonomie des Berechtigten zu verstehen sein soll. In der Konsequenz dieser Auffassung liegt es, dass nicht allein beispielsweise bei den §§ 123, 242, 240 StGB, sondern auch bei den § 303 StGB und § 223 StGB das Handeln im Konsens mit dem Opfer das Rechtsgut nicht tangieren soll. Folgerichtig messen die Vertreter dieser Lehrmeinung daher einer Einwilligung in die Untreue immer eine bereits das tatbestandliche Unrecht beseitigende Wirkung bei. 1 2 1 118 Umstritten ist dies bspw. bei § 185 StGB (vgl. Lenckner, in: Schänke /Schröder, § 185 Rn. 15), §§ 201, 203 (s. dazu Lackner/Kühl, Vor § 201 Rn. 2) oder § 239 StGB (vgl. Jescheck/Weigend, AT, § 341 lc). 119 Diese Frage wird im Rahmen dieser Arbeit innerhalb des jeweiligen Kapitels behandelt. 120 So etwa Arzt, Willensmängel, S. 10; Gropengießer, JR 1998, S. 91; Kientzy, S. 32 ff.; Kühne, JZ 1979, S. 242 ff.; Maurach/Zipf, AT I, § 17 Rn. 33; Roxin, AT I, § 13 Rn. 11 ff.; SK-Samson, Vor § 32 Rn. 64; Schlehofer, S. 2; Schmidhäuser, AT, 5/107; Weigend, ZStW 98 (1986), S. 57 ff.; ebenso auf der Grundlage eines „Basismodells" Rönnau, Willensmängel, S. 83 ff.

121 Vgl. Roxin AT I, § 13 Rn. 54.

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1. Kap.: Die dogmatischen Grundlagen

Der letztgenannten Ansicht kann im Allgemeinen insoweit gefolgt werden, als sie bei Individualrechtsgütern in dem Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht des Berechtigten ein konstitutives Element des Unrechts sieht. 122 Dieses weist jedoch, wie von den Vertretern dieser Theorie nicht angemessen berücksichtigt wird, zwei kumulative Komponenten auf: Zunächst kennzeichnet es - genuin strafrechtlich - die Ebene des Tatbestandes, und zwar in positiver Hinsicht durch die objektiv und subjektiv zurechenbare Realisierung eines Sachverhalts, der dem gesetzlich vertypten, strafrechtlich verbotenen Handlungsmuster entspricht; ist dieses spezifisch strafrechtliche Unrecht an sich zunächst gegeben, so ist im Anschluss daran zu fragen, ob insoweit auch die Rechtswidrigkeit zu bejahen ist, die (als lediglich formale Kategorie) 123 negativ gekennzeichnet ist durch das Fehlen eines gesetzlich oder gewohnheitsrechtlich vertypten, das prinzipielle Verbot ausnahmsweise aufhebenden Rechtfertigungsgrundes, der aus allen Gebieten der Rechtsordnung stammen kann. 124 Dieser „Gesamtunrechtstatbestand"125 kann somit, bildlich gesprochen, mit den zwei Seiten einer Medaille oder mit einem zwar aus zwei Teilen bestehenden, sich aber zu einem kohärenten Ganzen zusammenfügenden, materiellen Wertungskomplex umschrieben werden: Ist eine Handlung nicht tatbestandsmäßig oder zwar tatbestandsmäßig, aber nicht rechtswidrig, stellt sie kein strafrechtliches Unrecht dar; es ist erst mit erfülltem Tatbestand und nicht verwirklichtem Erlaubnistatbestand gegeben, so dass sich erst dann die Frage der Schuld stellt. 126 Die im Tatbestand vertypte Verbotsmaterie weist jedoch nicht ausnahmslos bei allen Strafvorschriften, die Individualinteressen schützen sollen, das Element des Verstoßes gegen das Selbstbestimmungsrecht auf. Das Autonomieprinzip hat tatbestandlich zum einen dann Bedeutung, wenn die Selbstbestimmung ein wesentlicher Aspekt des geschützten Rechtsguts ist, zum anderen dann, wenn bei einem Erfolgsdelikt die Gefahrschaffung bzw. - realisierung sich nach Tatherrschaftskriterien als eigenverantwortliche Selbstgefährdung oder - Verletzung des Opfers darstellt und daher dem Täter nicht zurechenbar ist. 1 2 7 Verhält es sich hingegen so, dass der im Tatbestand umschriebene, negative Zustand zunächst herbeigeführt wurde, das Opfer aber diesem vom Täter tatherrschaftlich bestimmten Geschehen, 122 Vgl. auch Köhler, AT, S. 245. 123 Im Anschluss an Welzel, LB, S. 52 die h. M.; vgl. etwa LK-Hirsch, Vor § 32 Rn. 11; Jescheck/Weigend, AT, § 2411; Roxin, AT I, § 14 Rn. 3. 124 So die h. M.; vgl. etwa Köhler, AT, S. 239; Roxin, AT I, § 14 Rn. 31 m. w. N.; grundlegend zum Prinzip der Einheit der Rechtsordnung bei den Rechtfertigungsgründen Engisch, Einheit, S. 55 ff. 125 Vgl. Köhler, AT, S. 236; Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 44: Der Begriff vereinigt die tatbestandlich definierte Verbotsnorm und den (rechtfertigenden) Erlaubnistatbestand. Zur materiellen „Funktionseinheit von Tatbestand und Rechtswidrigkeit" siehe auch Sternberg-Lieben, S. 68. 126 Jescheck/Weigend, AT, § 39 I 1; Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 20; SK-Rudolphi, Vorbem. 2 vor § 19, jeweils m. w. N. 127 Zum Verantwortungsprinzip als Zurechnungsaspekt vgl. etwa Kühl, AT, § 4 Rn. 83 ff.; Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 100 ff.; Schumann, S. 5 ff.

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mithin der Fremdverletzung oder -gefährdung (eigenverantwortlich) zugestimmt hatte, so entfällt das Unrecht erst auf der Ebene der Rechtswidrigkeit. Würde man die Selbstbestimmung stets und ausschließlich als Bestandteil des Rechtsguts ansehen, würde der materiellen Werteinbuße, die mit einer Sachbeschädigung und Körperverletzung verbunden ist, und damit dem entscheidenden Punkt der Rechtsguts Verletzung nicht ausreichend Rechnung getragen. 128 Die Autonomie des einzelnen setzt, soweit sie sich auf seinen Körper oder ihm gehörende, sinnlich wahrnehmbare, körperliche Gegenstände erstrecken soll, deren Existenz und rechtlichen Schutz als Eigenwert gerade voraus: Eine Selbstbestimmung in Bezug auf eine Sache oder den menschlichen Körper, ohne dass diese vorhanden sind, ist nicht denkbar. Hier spricht daher - im Unterschied zu den Sachverhalten, bei denen ohne ein Handeln gegen den Willen des anderen von einem strafrechtlich schützenswerten Rechtsgut sinnvollerweise nicht die Rede sein kann - alles dafür, dass der Autonomieaspekt erst in einem zweiten Schritt auf der Rechtfertigungsebene zum Tragen kommt. In diesen Fällen ist das Rechtsgut die Voraussetzung (und nicht lediglich der Ausdruck) von Autonomie. 129 Auch drohen sich die Grenzen zum Nötigungstatbestand zu verwischen, wenn das Opfer mit Gewalt oder Drohungen zur Beschädigung einer ihm gehörenden Sache oder der Verletzung seines Körpers gezwungen wird. Der Nötigungsaspekt würde vernachlässigt werden, wenn man in solchen Fällen allein § 303 StGB oder § 223 StGB bejahen und den über die erzwungene Sachbeschädigung oder Körperverletzung hinausgehenden, zusätzlichen Angriff auf die Willensfreiheit als irrelevant ansehen würde. 130 Vielmehr ist hier neben der Sachbeschädigung bzw. Körperverletzung in mittelbarer Täterschaft tateinheitlich auch eine Nötigung gegeben. Bedenken müssen auch geäußert werden, wenn behauptet wird, es sei eine bloße stilistische Zufälligkeit oder ein an der Unzulänglichkeit der deutschen Sprache liegendes Phänomen, wenn man - im Unterschied bspw. zum Eindringen in § 123 StGB - das Handeln wider dem Willen des Opfers beim Körperverletzungs- oder Sachbeschädigungstatbestand nicht in den in diesen Normen aufgeführten Begriffen (Beschädigen, Zerstören, körperliches Misshandeln, Gesundheitsbeschädigung) unmittelbar zum Ausdruck bringen könne, es aber teleologisch - quasi als ungeschriebenes Merkmal - im Tatbestand enthalten sei. 131 Die Sprache ist hier vielmehr ein getreues Abbild des Geschehens und seiner normativen Bewertung. Eine Vorschrift, die für einen Hausfriedensbruch ein Betreten genügen ließe, wäre sinnlos, denn das Betreten einer Räumlichkeit ist ein an sich wertindifferenter Vör128 Ebenso z. B. Gropp, AT, § 6 Rn. 57; LK-Hirsch, Vor § 32 Rn. 98; Köhler, AT, S. 245; Kühl, AT, § 9 Rn. 22. 129 Jescheck/Weigend, AT, § 34 I 2 b; Geppert, ZStW 83 (1971), S. 964 ff.; Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vörbem. §§ 32 ff. Rn. 33a. Bedenken auch bei Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 9 Rn. 9. 13° Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vörbem. §§ 32 ff. Rn. 33a; für eine eigenständige Bedeutung der Nötigung nur bei der Sachbeschädigung Roxin, AT I, § 13 Rn. 15. i3i Roxin, AT I, § 13 Rn. 30; Schlehofer, S. 2. 4 Schramm

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1. Kap.: Die dogmatischen Grundlagen

gang, weshalb es hier zusätzlich den Begriff „Eindringen" erfordert, um das tatbestandliche Unrecht treffend zu kennzeichnen. Bei der Körperverletzung oder der Sachbeschädigung bedarf es hingegen zur Charakterisierung des vertypten Unrechts nicht der Anreicherung mit einem Handeln wider dem Willen des Betroffenen, da der Akt als solcher und sein sprachliches Abbild das tatbestandliche Unrecht erschöpfend erfasst. 132 Die strafbarkeitsausschließende Wirkung der rechtfertigenden Einwilligung beruht auf dem dogmatischen Prinzip des mangelnden Interesses: Der Rechtsgutsinhaber verzichtet, wie Mezger als erster gezeigt hat, auf den Fortbestand des status quo und damit zugleich auf einen entsprechenden rechtlichen Schutz. 133 Dieser Entscheidung wird zwar regelmäßig ein interner Konflikt und die Abwägung des Für und Wider beim Betroffenen vorangegangen sein, wie auch die Rechtsordnung aufgrund einer externen Bewertung der berührten Interessen darüber befindet, welche Grenzen der Dispositionsbefugnis - insbesondere im Bereich von Leib (§ 228 StGB) und Leben (§ 216 StGB) - gesetzt sind. 134 Innerhalb dieses Rahmens135 bildet jedoch den tragenden Grund der Rechtfertigung die insoweit rechtlich akzeptierte, aus seinem gem. Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht 136 fließende Entscheidung des Betroffenen, den strafnormativen Schutz seiner Interessen aufzugeben. Andere wiederum verankern die Einwilligung in dem jeweiligen Grundrecht, das den Schutz desjenigen Gutes zum Inhalt hat, dessen Beeinträchtigung vom Opfer konsentiert wurde. 137 Dies wäre beim strafrechtlichen Schutz des Rechtsguts Vermögen' das Grundrecht auf Eigentum gem. Art. 14 GG: Die Eigentumsgaran132 LK-Hirsch, Vor § 32 Rn. 98; Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 33a. Auch dürfte das Gesetz in § 228 StGB mit gutem Grund das Adjektiv „rechtswidrig" (und eben nicht „tatbestandsmäßig") verwenden (anders Sternberg/Lieben, Schranken, S. 62 Rn. 29). 133 Mezger, LB, S. 207, 225 sowie BGHSt 17, 359 (360); Gropp, AT, § 6 Rn. 37; Köhler, AT, S. 243 („Selbstbestimmung des besonderen Willens"); Kühl, AT, § 9 Rn. 23; Lackner/ Kühl, Vor § 32 Rn. 10; Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 33; Matt, AT I, Kap. 3 § 5 Rn. 13; Tröndle/Fischer, Vor § 32 Rn. 3b; Wessels/Beulke, AT, Rn. 370; weitgehend auch LK-Hirsch, Vor § 32 Rn. 105 („Normschutzverzicht"). 134 Vgl. Noll, S. 74 ff.; Jescheck/Weigend, AT, § 34 II 3. Das Güterabwägungsprinzip Nolls (vgl. dazu auch Rönnau, Willensmängel, S. 16) versagt aber dort, wo Rechtsgüter der unbeschränkten Dispositionsbefugnis ihres Inhabers unterliegen; vgl. Lenckner, GA 1985, S. 303. 135 Nur innerhalb dieser objektiven Schranken kann Selbstbestimmung „Interessenwahrnehmung nach eigenem Ermessen" (Mitsch, in: Baumann /Weber/Mitsch, AT, § 17 Rn. 97) bedeuten. 136 Vgl. nur Jescheck/Weigend, AT, § 34 I I 2; Kühl, AT, § 9 Rn. 20; zur verfassungsrechtlichen Legitimation vgl. auch Rönnau, Willensmängel, S. 9 f. sowie Sternberg/Lieben, S. 17 ff., der zu Recht darauf hinweist, dass die Poenalisierung des Täterverhaltens trotz Einwilligung des Opfers einen mittelbaren Grundrechtseingriff in die Freiheitssphäre des Opfers bedeuten würde. 137 Vgl. Sternberg-Lieben, S. 18 ff., 30.

B. Die verbrechenssystematische Einordnung der Einwilligung bei der Untreue

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tie erstreckt sich nicht allein auf das Eigentum im zivilrechtlichen Sinne, sondern auf alle Vermögenswerte, durch Gesetz inhaltlich bestimmte und beschränkte Rechtspositionen, wenngleich nicht auf „das" Vermögen des Bürgers als solches. 138 Aus der verfassungsrechtlich gebotenen Anbindung der (rechtfertigenden oder tatbestandsausschließenden) Einwilligung im Allgemeinen an das Freiheitsgrundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG oder im Besonderen bei der Untreue an Art. 14 Abs. 1 GG dürften sich jedoch kaum wirklich weitergehende Erkenntnisse für die Klärung der strafrechtlichen Einwilligungsprobleme gewinnen lassen: 139 Art. 2 Abs. 1 GG mag normenhierarchisch die rechtliche Grundlage der Einwilligung darstellen, sagt aber nichts über die Dogmatik und strafrechtliche Beachtlichkeit einer Einwilligung aus. 140 Das gleiche gilt für das Grundrecht auf Eigentum, Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, das unter der Inhalts- und Schrankenbestimmung des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG steht. Ob sich beispielsweise aus der Verankerung der untreuespezifischen Einwilligung in Art. 14 GG die Bedeutungslosigkeit des nicht in Art. 14 GG, aber in Art. 2 Abs. 1 GG genannten Sittengesetzes als Einwilligungsschranke ergibt, 141 mag man bezweifeln, da das Sittengesetz verfassungsrechtlich praktisch keine Bedeutung mehr hat. 1 4 2 Sowohl die allgemeine Handlungsfreiheit als auch die Eigentumsgarantie markieren insofern nur die äußerste Grenze, die auch das Strafrecht nicht überschreiten darf. 143 Im Übrigen besitzt der Gesetzgeber einen weitgehenden Gestaltungsspielraum und kann insbesondere Strafnormen schaffen, innerhalb derer der Konsens mit dem Rechtsgutsinhaber bereits den Tatbestand entfallen läßt, während bei anderen Strafvorschriften diese Übereinstimmung erst rechtfertigend wirkt. Es ist somit an der Differenzierung zwischen tatbestandsausschließendem Einverständnis und rechtfertigender Einwilligung anhand der eingangs skizzierten Grundsätze festzuhalten. An diesen soll im Folgenden der Untreuetatbestand gemessen werden.

II. Der entstehungsgeschichtliche Kontext Ob die Probleme, die im Hinblick auf die Einwilligung bei der Untreue auftreten, im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Reform des § 266 StGB im Jahre 1933 diskutiert oder möglicherweise sogar entschieden werden sollten, kann angesichts der (weiterhin) fehlenden Gesetzesmaterialien nicht sicher geklärt wer138

Vgl. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, 139 Skeptisch auch Göbel, S. 22. 140 So mit Recht Göbel, S. 22 mit Fn. 20.

Art. 14 Rn. 164 m. umfass. Nachw.

141 So Sternberg-Lieben, S. 30. 142 Vgl. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 2 Rn. 34 ff. 143 Etwa im Verbot totaler Schutzlosigkeit (alles ist erlaubt) bzw. totalen Schutzes (alles ist verboten). Zum verfassungsrechtlichen Anspruch auf Schutz gegen Eingriffe Dritte vgl. Murswiek, in: Sachs, Art. 2 GG Rn. 24 ff. 4*

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1. Kap.: Die dogmatischen Grundlagen

den. 144 Zählt man zu den Gesetzesquellen im weiteren Sinne die Beiträge von Ernst Schäfer 145 aus dem Jahre 1933 und diejenigen von Leopold Schäfer 146 anno 1940 hinzu, stößt man dort zumindest nicht auf irgendwelche einwilligungsbezogenen Erläuterungen. Allerdings findet man in der - noch im gleichen Jahr des Inkrafttretens der Reform erschienenen - Abhandlung von Schwinge / Siebert zu den zivil- und strafrechtlichen Aspekten des neuen Untreuestrafrechts knappe Ausführungen zu diesem Thema. So wird zunächst von dem für die strafrechtlichen Ausführungen der Monographie zuständigen, am Gesetzgebungsverfahren allerdings in keiner Weise beteiligten Strafrechtslehrer Schwinge darauf hingewiesen, dass die „Einwilligung die Rechtswidrigkeit der schädigenden Handlung" ,ausschließen' könne. 147 Dies scheint zumindest im engen entstehungsgeschichtlichen Kontext für einen Rechtfertigungscharakter der Zustimmung bei § 266 StGB zu sprechen. Bei dieser Einschätzung darf jedoch nicht die dogmengeschichtliche Chronologie übersehen werden: Die Differenzierung zwischen einem tatbestandsausschließenden Einverständnis und einer rechtfertigenden Einwilligung wurde, wie bereits eben ausgeführt, von Geerds erst im Jahre 1953, also 17 Jahre nach Erscheinen der Erläuterungen von Schwinge/Siebert, entwickelt. Insofern läßt sich deshalb Schwinge mit seiner Bezugnahme auf die Rechtswidrigkeit kaum dahingehend interpretieren, dass er den dogmatischen Streit, ob die Einwilligung bei § 266 StGB tatbestandsausschließend oder rechtfertigend ist, entscheiden wollte. Im Anschluss daran geht Schwinge lediglich auf ein spezielles Einwilligungsproblem ein, nämlich das bei einer Untreue im Zusammenhang einer Aktiengesellschaft, und erklärt, dass ein Handeln des Vorstands auf Anweisung des Aufsichtsrats die strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht ausschließe, weil der „Machtgeber" des Vorstands die Gesellschaft und nicht der Aufsichtsrat sei. 148

III. Die Zuordnung beim Missbrauchstatbestand Die 1. Alternative des § 266 Abs. 1 StGB verlangt, dass der Täter die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, „missbraucht" und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, einen Nachteil zufügt. Der Begriff des Missbrauchs wird dabei - nahezu unbestritten - definiert als ein im Außenverhältnis wirksames, rechtsgeschäftliches oder hoheitliches Han144

Vgl. dazu bereits oben 7. Kapitel A. III. 3. 145 E. Schäfer, DJZ 1933, Sp. 789 ff. 146 L. Schäfer, in: Pfundtner/Neubert, II. c. 6, S. 13 ff. 147 Vgl. Schwinge/Siebert, S. 38 f. 148 Schwinge/Siebert, vgl. 2. Kapitel C. IV. 3.

S. 39. Zur Frage der Dispositionsbefugnis bei Aktiengesellschaften

B. Die verbrechenssystematische Einordnung der Einwilligung bei der Untreue

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dein (bzw. Unterlassen), durch das der Täter gegen seine Pflichten i m Innenverhältnis verstößt. 1 4 9 Umgekehrt formuliert: die bestimmungsgemäße Ausübung der Verpflichtungs- oder Vertretungsbefugnis ist niemals eine Untreue; das entscheidende unrechtskonstitutive Element des Missbrauchstatbestands ist der i m Handeln zu Tage tretende Widerspruch zu den internen Bindungen.

1. Gesetzliche Verpflichtungs- und Verfügungsbefugnisse Unter den Befugnissen, die „durch Gesetz" ,eingeräumt' werden, sind diejenigen zu verstehen, in denen das Gesetz einer natürlichen Person aufgrund der von ihr eingenommenen Stellung die Kompetenz verleiht, über das Vermögen eines anderen zu verfügen bzw. ihn vermögensbezogen zu verpflichten. Beispiele hierfür sind aus dem Bürgerlichen Recht die Befugnisse der Eltern (§§ 1626 Abs. 1 S. 2, 1629 Abs. 1 S. 1 BGB), des Vereinsvorstands (§ 26 Abs. 2 S. 1 BGB), Betreuers (§ 1902 BGB), Vormunds (§ 1793 S. 1 BGB) oder des Pflegers (§ 1915 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 1793 S. 1 BGB), aus dem Handels- und Gesellschaftsrecht diejenigen des Prokuristen (§ 49 Abs. 1 HGB), des Vorstands einer Aktiengesellschaft (§ 78 Abs. 1 AktG) bzw. Genossenschaft (§ 24 GenG) oder des Geschäftsführers einer GmbH (§ 35 Abs. 1 GmbHG), 150 aus dem Zivilprozessrecht die des Gerichtsvollziehers, Prozessbevollmächtigten (§ 81 ZPO) oder Prozesspflegers (§§ 57 f. ZPO) und aus dem Öffentlichen Recht bspw. diejenigen des Bürgermeisters (so etwa § 42 Abs. 1 S. 2 GemO Bad.-Württ.) oder Landrats (vgl. z. B. § 37 Abs. 1 S. 2 LKrO Bad.-Württ.) sowie im Bereich staatlich-fiskalischen Handelns die Bundes- und Landesminister, sofern sie nicht ihre Vertretungsbefugnis auf nachgeordnete Behörden übertragen haben, was in großem Umfang geschehen ist. 1 5 1 Auch hoheitliches bzw. schlichthoheitliches Handeln kann eine wirksame, vermögensmindernde Ausübung von Rechtsmacht darstellen; so ist etwa der eben bereits genannte Gerichtsvollzieher hoheitlich tätig, wenn er pfändet und damit verfügt, 152 wobei ihm das Gesetz (§§ 753 f., 804 f. ZPO) diese Kompetenz zuweist. Wenn das Gesetz dem Handeln des gesetzlichen Vertreters bereits i m Außenverhältnis Schranken setzt, er sich über diese aber hinwegsetzt, so kann er denjenigen, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, nicht wirksam verpflichten bzw. über dessen Vermögen nicht wirksam verfügen. Der Missbrauchstatbestand kommt hier gar nicht zum Zuge, da der Vertreter dann „ohne Vertretungsmacht" i. S. d. 149 Dazu oben 1. Kapitel A. II. 1. 150 Nach Rengier, BT I, § 18 Rn. 3, soll es sich dabei um rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnisse handeln. Dagegen spricht, dass man zwar rechtsgeschäftlich zum Prokuristen, GmbH-Geschäftsführer oder Vorstand einer AG bestellt wird, es aber das Gesetz ist, das die Vertretungsbefugnisse und ihren jeweiligen Umfang vorschreibt. 151 Schilken, in: Staudinger, Vorbem. zu §§ 164 ff. BGB Rn. 28 m. w. N. Die Vertretungsregelungen des Bundes und der Länder sind - wie insbes. in der Kommentarliteratur zur ZPO durchgängig bemängelt wird - unübersehbar, oft nicht allgemein zugänglich und werden immer wieder geändert; vgl. MünchKomm-Patzina, ZPO, § 18 Rn. 3. 152 Vgl. BGHSt 15, 274, 276.

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1. Kap.: Die dogmatischen Grundlagen

§ 177 Abs. 1 BGB handelt und das Rechtsgeschäft schwebend unwirksam i s t , 1 5 3 so dass nur die Möglichkeit einer Treubruchsuntreue b l e i b t . 1 5 4 Das gleiche gilt in den Fällen, in denen zivilrechtlich die externe Wirksamkeit der Vollmachtsausübung durch den Gedanken des Rechtsmissbrauchs eingeschränkt wird, was insbesondere bei Evidenz des Vollmachtsmissbrauchs oder kollusivem Zusammenwirken der Fall i s t . 1 5 5 Soweit jedoch das Vermögen nicht allein i n die Hände des gesetzlichen Vertreters bzw. gesetzlich Verfügungsberechtigten gelegt ist, sondern dem Inhaber des Vermögens gänzlich oder teilweise die Verpflichtungs- und Verfügungskompetenz über dieses verbleibt, steht diesem auch die Zwecksetzungsbefugnis über sein Vermögen - quasi die „monetäre Richtlinienkompetenz" - zu. In diesem Rahmen verstößt folglich der Vertreter i m Außenverhältnis nicht gegen seine Pflichten aus dem Innenverhältnis, wenn der Vermögensinhaber der Disposition zugestimmt hat. Durch das Einverständnis entfällt somit das objektive Tatbestandsmerkmal des Missbrauchs. 156 Dies ist anhand folgender Beispiele zu zeigen: Bsp. 1: Ein Vereinsvorsitzender möchte für den Verein ein Gebäude erwerben, kraft Satzung sind ihm jedoch Grundstücksgeschäfte jeder Art untersagt. Die Mitglieder des Vereins beschließen in ihrer Versammlung den Kauf eines Grundstücks, um die satzungsmäßigen Zwecke des Vereins besser verfolgen zu können. Wenig später schließt der Vorsitzende namens des Vereins den Kaufvertrag mit dem bisherigen Grundstückseigentümer ab. Ohne die Entscheidung der Mitglieder hätte er einen zwar satzungswidrigen, aber gem. §§ 27 Abs. 2 S. 2, 68, 70 BGB im Außenverhältnis wirksamen Grundstückskaufvertrag abgeschlossen.157 Der Beschluss der Mitgliederversammlung entkleidet sein Handeln jedoch von vornherein der Pflichtwidrigkeit; er war an diesen gem. §§27 Abs. 3, 665 BGB sogar gebunden. Somit hat er nicht seine gesetzliche Vertretungsmacht i. S. d. § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB missbraucht. Bsp. 2: Der vermögende, voll geschäftsfähige Körperbehinderte K, der wegen seines Handicaps seine Geschäfte nicht selbst tätigen kann, beauftragt seinen Betreuer B, er möge im Namen des K und mit dessen Geld ein bestimmtes Gemälde im Wert vom € 10.000erwerben, was B auch tut. - Unterstellt, dass ein solches Geschäft nicht zum Aufgabenkreis des Betreuers (§ 1902 BGB) gehört, hätte B ohne den Auftrag des K im Außenverhältnis wirksam, 158 aber intern pflichtwidrig verfügt. Da er jedoch dem Wunsch des K 153 Palandt/Heinrichs, § 178 Rn. 1, 5. § 177 BGB greift auch beim Handeln von Organen öffentlich-rechtlicher Körperschaften außerhalb ihrer Vertretungsmacht ein (BGHZ 32, 381). 154 H. M.; vgl. LK-Hübner 10 , § 266 Rn. 70; Lackner/Kühl, § 266 Rn. 6. 155 Vgl. dazu oben 1. Kapitel A. II. 1. Zur Problematik der Voraussetzungen und Rechtsfolgen rechtsmissbräuchlich ausgeübter Vertretungsmacht vgl. Palandt/Heinrichs, § 164 BGB Rn. 13 f.; MünchKomm-ZsT.-//. Schramm, BGB, § 167 Rn. 36 ff. 156 Auch nach der sog. neueren dualistischen Theorie kommt man zu diesem Ergebnis; vgl. auch Mitsch, BT 2/Tb. 1, § 8 Rn. 29. 1 57 Die Beschränkung seiner Vertretungsmacht wirkt, sofern es an einem entsprechenden Eintrag im Vereinsregister mangelt, nicht im Verhältnis gegenüber Dritten, sondern nur intern; vgl. dazu Palandt/Thomas, § 26 Rn. 5. 158 Vgl. Palandt/Diederichsen, § 1901 Rn. 3 und § 1902 Rn. 1.

B. Die verbrechenssystematische Einordnung der Einwilligung bei der Untreue

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entsprochen hat (§ 1901 Abs. 2 S. 1 BGB) und somit im Einklang mit seinen Pflichten aus dem Innenverhältnis gehandelt hat, liegt kein Missbrauch seiner Vertretungsmacht i. S. d. 1. Alternative vor.

Besonders deutlich wird der tatbestandsausschließende Charakter der Zustimmung, wenn sie in die Form einer für den Adressaten rechtlich bindenden Weisung gekleidet ist, 1 5 9 in der inzidenter eine Zustimmung des Anweisenden zum fraglichen Geschehen naturgemäß zum Ausdruck kommt und dann Einverständnischarakter erhält, wenn der Vorgesetzte zugleich dispositionsbefugt ist. 1 6 0 Solche Weisungsverhältnisse kennt die Rechtsordnung bei gesetzlichen (und auch bei rechtsgeschäftlich begründeten) Verpflichtungs- oder Verfügungsbefugnissen in zahlreichen Formen; so muss beispielsweise der Geschäftsführer einer GmbH die Beschlüsse der Gesellschafter befolgen (§ 37 Abs. 1 GmbHG), der Vorstand einer AG nach den Vorgaben der Satzung u. U. den Vorgaben der Aktionärshauptversammlung bzw. des Aufsichtsrats Genüge leisten (vgl. §§82 Abs. 2, 111 Abs. 4, 119 AktG) 1 6 1 oder ein Bürgermeister sich an die Beschlüsse des Gemeinderats halten (vgl. etwa § 43 Abs. 1 GemO Bad.-Württ.). Steht sodann das im Außenverhältnis wirksame Handeln im Widerspruch zur Weisung, etwa weil sich der Vertreter nicht für den vorgesehenen Vertragspartner entschieden hat oder er (mit rechtsgeschäftlichem Erklärungsgehalt) untätig blieb, 1 6 2 so ist sein Verhalten ein Missbrauch seiner Rechtsmacht. Umgekehrt formuliert: Das weisungsgemäße Handeln ist gerade der ordnungsgemäße Gebrauch der aus dieser Stellung erwachsenden Möglichkeiten. 163

2. Vertretungs- und Verpflichtungsbefugnisse durch behördlichen Auftrag Vertretungs- und Verpflichtungskompetenzen können auch durch behördlichen Auftrag begründet werden, d. h. dadurch, dass ein Verwaltungsexterner zur Erledigung eines Sonderauftrags oder eine verwaltungsinterne Person im Rahmen der ihm gewöhnlich zugewiesenen Dienstgeschäfte die öffentliche Hand vertritt bzw. verpflichtet. 164 Da die rechtsgeschäftliche Beauftragung eine eigens vom Gesetz genannte, weitere Form der Entstehung von Vertretungskompetenzen ist, andererseits auch typische Dienstgeschäfte mit Dritten erfasst werden, muss es sich beim 159 Vgl. Wessels/Hillenkamp, 160

BT/2, Rn. 762.

Zur Abgrenzung von Einverständnis und Weisung vgl. unten 1. Kapitel IV. 1. 161 Vgl. dazu 2. Kapitel C. III. (GmbH) und C. IV. (AG). 162 Zum Unterlassen vgl. auch unten 1. Kapitel C. III. und zur Möglichkeit eines Missbrauchs durch Unterlassen vgl. Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 16. 163 Vgl. auch Mitsch, BT 2/Tb. 1, § 8 Rn. 50. 164 RGSt 19, 184; 69, 336; 73, 236; LK-Schünemann, § 266 Rn. 48; Lackner/Kühl, § 266 Rn. 5a; Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 9; Tröndle/Fischer, § 266 Rn. 3.

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1. Kap.: Die dogmatischen Grundlagen

behördlichen Auftrag um einen solchen öffentlich-rechtlicher Natur handeln, der die Kompetenz zur Entscheidung über das Vermögen der öffentlichen Hand berechtigt. 165 Dabei beschränkt sich die Vertretungs- und Verpflichtungsbefugnis tatbestandlich auch hier nicht auf rechtsgeschäftliches Handeln, sondern umfasst zugleich hoheitliches und schlichthoheitliches Handeln. So liegt im Bereich des Verwaltungsrechts eine Verpflichtungsbefugnis i. S. d. 1. Alternative vor, wenn ein Amtsträger für die Erteilung eines den Bürger begünstigenden,166 den Staat aber belastenden Verwaltungsakts zuständig ist und er mit seinem Handeln eine wirksame Zahlungsverpflichtung der staatlichen Verwaltung begründen kann; 167 soweit hier die Vertretungs- und Verpflichtungsbefugnis nicht bereits kraft Gesetz mit dem Status des Täters verbunden ist, 1 6 8 stellt die innerdienstliche Übertragung dieser Aufgaben (z. B. innerhalb eines Sozialamts) auf einen Beamten oder Verwaltungsangestellten in aller Regel einen behördlichen Auftrag dar. Die Macht, im Innen Verhältnis den Rahmen für die dem Beauftragten auferlegten Pflichten zu ziehen, steht dem Auftraggeber zu; besonders augenfällig ist dies, wenn es um die Verleihung von Vertretungsverhältnissen an einen Beamten oder Angestellten des öffentlichen Dienstes geht, ist eine solche Stellung doch stets mit einem Weisungsrecht des Dienstherrn verbunden. Wenn hier der Beauftragte die Weisungen des Vorgesetzen befolgen muss, folgt aus dem ErstRecht-Schluss, dass er nicht intern pflichtwidrig handelt und damit nicht die Voraussetzungen des Missbrauchs erfüllt, wenn er sich für sein Handeln, das an sich gegen die Bindungen im Innenverhältnis verstoßen würde, die Zustimmung seines Dienstherrn einholt. Wenn beispielsweise mit der Tätigkeit eines im Beschaffungswesen einer Universitätsklinik beschäftigten (und damit in der Regel treupflichtigen) 169 Beamten die Befugnis verbunden ist, im Namen der Universität Einkäufe nur bis zu einem bestimmten Betrag zu tätigen, er aber für die Klinik einen medizinischen Apparat, dessen Kaufpreis diesen Rahmen übersteigt, bestellt, so handelt er nicht missbräuchlich, wenn er hierfür die Zustimmung der zuständigen Stellen erhalten hat. 1 7 0 165 Die Frage, ob mehrere Entstehungsgründe gleichzeitig vorliegen können (so etwa Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 266 Rn. 7) ist ohne praktische Bedeutung, wenn wenigstens einer von ihnen gegeben ist. Letztlich wird man bei der Subsumtion unter die Entstehungstatbestände entscheidend darauf abstellen können, durch wen die Vertretungsmacht unmittelbar angeordnet wird; knüpft bspw. das Gesetz an eine rechtsgeschäftlich entstandene Stellung die Vertretungsmacht an, so ist es primär das Gesetz, das diese anordnet, wird der Vertretungsberechtigte noch zusätzlich bevollmächtigt, sind beide Tatbestandsmerkmale gegeben. 166 Z. B. Sozialhilfe-, Wohngeld-, Bafög-, Arbeitslosengeldbescheid. 167 Vgl. LK-Schünemann, § 266 Rn. 43. 168 So etwa bei einem Gerichtsvollzieher im Fall der Verpfändung oder Beschlagnahme; vgl. BGHSt 13, 274, 276. 169 Zur Treupflicht des für die Material Verwaltung einer Universität zuständigen Personenkreises vgl. auch BGH NJW 2002, 2802.

B. Die verbrechenssystematische Einordnung der Einwilligung bei der Untreue

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3. Rechtsgeschäftlich eingeräumte Vertretungs- und Verpflichtungsbefugnisse Die dritte Gruppe der durch § 266 StGB geschützten Repräsentationsformen bilden die Bevollmächtigung i. S. d. §§ 163 ff. BGB und die Verfügungsbefugnis des Nichtberechtigten i. S. d. § 185 Abs. 1 BGB (z. B. des Kommissionärs gem. § 383 HGB und anderer „verdeckter" Stellvertreter). 171 Der Unterschied zwischen beiden zivilrechtlichen Instituten besteht zum einen darin, dass die Bevollmächtigung schuld- wie sachenrechtliche Wirkungen für den Vollmachtgeber entfalten kann, während sich § 185 BGB allein auf Verfügungsgeschäfte bezieht (d. h. die Übertragung, Aufhebung, Belastung oder inhaltliche Änderung eines Rechts), 172 und zum anderen darin, dass der Verfügende - i. U. zum Publizitätsprinzip bei der Vollmacht - nicht kenntlich zu machen braucht, dass er über ein fremdes Recht verfügt. 173 Bereits aus dem Wortlaut des § 185 Abs. 1 BGB erschließt sich unmittelbar die Bedeutung der Einwilligung des Verfügungsberechtigten für § 266 StGB: Wenn die Untreue tatbestandlich voraussetzt, dass der Täter wirksam über fremdes Vermögen verfügt, die Verfügung des Nichtberechtigten aber - im Falle des § 185 Abs. 1 BGB - von vorneherein nur bei gegebener Einwilligung des Verfügungsberechtigten wirksam ist, kann die Einwilligung nur tatbestandsausschließend sein. Das gleiche gilt im Ergebnis für die Bevollmächtigung: Die Pflichten im Innenverhältnis definiert der Geschäftsherr; entspricht das Geschäft seinem vorher (ausdrücklich oder konkludent) kundgegebenen Willen, handelt der Vertreter pflichtgemäß und somit gerade nicht missbräuchlich. Dies gilt erst recht dann, wenn der Bevollmächtigte - was regelmäßig der Fall sein dürfte (vgl. etwa § 665 BGB) weisungsgebunden ist.

IV. Die Zuordnung beim Treubruchstatbestand 1. Die ersten drei Alternativen der Treubruchsuntreue Die 2. Alternative des § 266 StGB verlangt, dass der Täter die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses „obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt" (sog. Treupflicht) und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, einen Nachteil zufügt. Das für die Einordnung der Einwilligung entscheidende Merkmal 170 Eine andere Frage ist es, inwieweit die Erteilung eines Einverständnisses oder einer Weisung rechtsmissbräuchlich ist und deshalb eine strafrechtliche Haftung des Treugebers auslösen kann; vgl. dazu 1. Kapitel I. D. 1; zum Irrtum des Treunehmers vgl. 1. Kapitel I. C. 2. 171 Weben in: Arzt/Weber, BT, § 22 Rn. 14.

1 72 Zur zivilrechtlichen Definition MünchKomm-^.-//. Schramm, BGB, § 185 Rn. 5. 173 Palandt/Heinrichs, § 185 BGB Rn. 7.

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1. Kap.: Die dogmatischen Grundlagen

ist die Vermögenswahrnehmungspflicht. Von einem Verstoß gegen diese Pflicht kann, wie beim Merkmal des Missbrauchs innerhalb der 1. Variante, nur dann die Rede sein, wenn der Täter die Schranken missachtet, die ihm durch das Innenverhältnis gesetzt sind. Soweit derjenige, der über das Vermögen dispositionsbefugt ist und daher über die Ausgestaltung des Innenverhältnisses bestimmen kann, seine Zustimmung zum Verhalten des Treupflichtigen gegeben hat, stellt dieses keinen Verstoß gegen die Treupflicht dar. Folglich ist auch beim Treubruchstatbestand die vorherige Zustimmung des Treugebers bereits ein tatbestandsausschließendes Einverständnis.

2. Das tatsächliche Treueverhältnis Problematisch könnte jedoch sein, ob diese Einordnung nicht nur für die ersten drei Alternativen des Treubruchstatbestandes (Treupflicht kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts) gilt, sondern auch für die 4. Alternative, das sog. faktische „Treueverhältnis", zutrifft. Darunter fallen folgende Sonderbeziehungen zwischen einer Person und einem fremden Vermögen: - Unwirksamkeit des Betreuungsverhältnisses: Das BetreuungsVerhältnis ist außerstrafrechtlich von Anfang an (z. B. wegen eines Form- oder Verfahrensfehlers, Geschäftsunfähigkeit des Vertragspartners) oder rückwirkend (z. B. wegen Anfechtung) unwirksam. 174 Umstritten ist dabei jedoch, ob dies auch dann gilt, wenn die Nichtigkeit auf außerstrafrechtlichen Missbilligung beruht, insbesondere ob ein wegen Sittenwidrigkeit oder Gesetzesverstoß nichtiges Auftragsverhältnis eine Treupflicht begründen kann; 175 dies wird von einem Teil der Literatur 1 7 6 und in älteren Urteilen 177 zu Recht deshalb verneint, weil es zu nicht auflösbaren Wertungswidersprüchen führen würde, wollte man einem Verhältnis, das von der übrigen Rechtsordnung ausdrücklich missbilligt wird, strafrechtlichen Vermögensschutz gewähren und dadurch letztlich doch billigen. - Fortwirkende Treupflichten: Das Rechtsverhältnis vermögensfürsorglicher Art ist zwar erloschen, der Betroffene hat aber weiterhin einen faktischen Zugriff auf das fremde Vermögen: Soweit es sich hierbei um tatsächliche Dispositionsmöglichkeiten handelt, die auf dem erloschenen Treueverhältnis beruhen, begründen diese zugleich eine Treupflicht, allerdings in erster Linie in Form eines strafrechtlich sanktionierten SchädigungsVerbots. 174

Vgl. etwa die Zusammenstellung bei LK-Schünemann, § 266 Rn. 63. Bejahend die h. M. bei interessenwidriger Eigenverwertung des vom Opfer Erhaltenen; vgl. BGHSt 8, 256; 20, 143; BGH NJW 1984, 800; Lackner/Kühl, § 266 Rn. 10; Otto, BT, § 14 Rn. 28; LK-Schünemann, § 266 Rn. 65; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rn. 774. 176 Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 31; Mitsch, B T / 2 Tb. 1, § 8 Rn. 38; SK-Samson/Günther, § 266 Rn. 36; Seelmann, JuS 1983, S. 32; Seier, in: Achenbach/Wannemacher, § 21 II Rn. 129; wohl auch Kühl, JuS 1989, S. 505, 513. 175

1 77 RGSt 70, 9; BGH NJW 1954, 889; OLG Braunschweig NJW 1950, 656.

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Bei Beendigung des Innenverhältnisses stellt der bloße Verstoß gegen Herausgabepflichten als solcher noch nicht bereits eine Untreue dar. Entscheidend ist vielmehr, warum der Treunehmer seiner Herausgabepflicht nicht nachkommt. Beruht dies bspw. bei einem Anwalt, dem das Mandat entzogen wurde, darauf, dass er die ihm zugeflossenen, seinem ExMandanten zustehenden Gelder für eigene Zwecke verbraucht, so geschieht dies unter Ausnutzung seines Freiheitsstatus'; er begeht eine Untreue, da insoweit ein Schädigungsverbot als strafrechtliche Treupflicht nachwirkt. 178 Ist das Unterlassen der Zahlung hingegen z. B. auf eine Verärgerung über den Mandanten zurückzuführen, tastet der Anwalt das Geld aber nicht an, so stellt dies eine Verletzung nicht untreuespezifischer, bloßer Schuldnerpflichten dar, die nicht unter § 266 StGB fällt. 1 7 9

- Vielfach werden zum Treueverhältnis i. S. d. 4. Variante des § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB solche Verhältnisse gezählt, in denen der Auftragnehmer und der Treupflichtige nicht identisch ist, insbesondere dann, wenn dieser nur Erfüllungsgehilfen oder Vertreter des Auftragnehmers sind, ohne selbst vertragliche usw. Pflichten gegenüber demjenigen, dessen Vermögensinteressen sie wahrzunehmen haben, eingegangen zu sein. Jedoch bedarf es in solchen Fällen nicht eines Rückgriffs auf die 4. Variante: In aller Regel wird der Erfüllungsgehilfe bzw. Vertreter bereits aufgrund der inhaltlichen Ausgestaltung des zwischen ihm und dem Auftragnehmer bestehenden Innenverhältnisses und damit aufgrund Gesetzes, behördlichen Auftrags oder eines Rechtsgeschäfts treupflichtig sein; somit ermöglichen bereits die ersten drei Varianten des § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB eine Ausdehnung der Treupflicht auf weitere Personen, ohne dass man hierfür das „Treueverhältnis" bemühen muss. 180 Darüber hinaus kann eine faktische Treupflicht des Täters nur in Betracht kommen, wenn die mangelhafte Rechtsposition lediglich in der fehlenden Wirksamkeit bzw. dem Erlöschen des Innenverhältnisses begründet liegt, dem Täter ansonsten aber ein mit den Treueverhältnissen der Var. 1 - 3 des Treubruchstatbestandes vergleichbares Maß an Selbständigkeit und Entscheidungsspielräumen eingeräumt wurde bzw. verbleibt. Sodann bedarf es der Klarstellung, nach welchen Maßstäben sich ein Treupflichtverstoß bemisst. Ist die Rechtsbeziehung im Innenverhältnis, das bei den ersten drei Varianten der Treubruchsuntreue die Grenzen des Handelns bestimmt, nicht oder nicht mehr wirksam, muss als Entscheidungsgrundlage für ihre vierte Variante folgerichtig auf zwei Momente abgestellt werden:

178

Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 34 179 Vgl. auch BGH NStZ 1986, 361; Franzheim, StV 1986, S. 409; dazu, dass hingegen im Zeitpunkt eines bestehenden Auftragsverhältnisses etwas anderes gelten kann, vgl. BGH, wistra 1987, 65; OLG Karlsruhe, NStZ 1990, 82; bei Verstoß des Anwalts gegen die Herausgabepflicht jedoch i. d. R. § 266 bejahend LK-Schünemann, § 266 Rn. 102; Seier, in: Achenbach/Wannemacher, § 21 I I Rn. 193 ff. 180 Ebenso G. Haas, S. 32.

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1. Kap.: Die dogmatischen Grundlagen

Zunächst muss erstens geklärt werden, welche Pflichten dem Treunehmer trotz der Unwirksamkeit bzw. des Erlöschens des zugrunde gelegten Rechtsverhältnisses außerstrafrechtlich auferlegt sind. So begeht bei einem erloschenen Treueverhältnis derjenige eine Untreue, der gegen das Schädigungsverbot verstößt, das bspw. das Zivilrecht auch nach der Erfüllung von Verträgen vorsieht und mit einer Schadensersatzpflicht aus positiver Forderungsverletzung bzw. culpa post contractum finitum sanktioniert. 181 Allerdings wird bei einem erloschenen Treueverhältnis ein Unterlassen in aller Regel keinen Verstoß gegen das in begrenztem Umfang fortbestehende Schädigungsverbot begründen. 182 Hingegen können bei einem nichtigen oder schwebend unwirksamen Auftrag (abgesehen von den zu sitten- oder gesetzeswidrigen Zwecken begründeten und deshalb nichtigen Treuverhältnissen) durchaus zivilrechtliche Handlungspflichten bestehen, die zugleich strafrechtlich sanktioniert sind (Bsp.: Der Leiter einer Metzgerei, dessen Anstellungsvertrag, wie sich später herausstellt, von Anfang an unwirksam ist, tritt diese Stelle nicht an, wodurch das eingelagerte Fleisch verdirbt).

Diese Pflichten müssen sich sodann zweitens auf den Bereich erstrecken, hinsichtlich dessen dem Täter kraft des ihm eingeräumten Freiheitsstatus' eine spezifische, fremden Nutzen dienende Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen des anderen ermöglicht wurde. Dann kann aber für die Bewertung der Einwilligung nichts anderes gelten als bei § 266 Abs. 1 Alt. 2 Var. 1 - 3 StGB, d. h. von einem Verstoß gegen fremde Vermögensinteressen und damit von einer Treupflichtverletzung kann keine Rede mehr sein, wenn derjenige zugestimmt hat, der im Falle eines (noch) wirksamen Innenverhältnisses für diese Entscheidung zuständig gewesen wäre. 183 Mithin entkleidet auch beim faktischen Treueverhältnis die Zustimmung desjenigen, der bei einem rechtlich wirksamen Treueverhältnis i. S. der ersten drei Varianten des § 266 Abs. 1 StGB dispositionsbefugt gewesen wäre, das Verhalten des Treupflichtigen bereits seiner Treuwidrigkeit, weshalb sie hier ebenso ein tatbestandsausschließendes Einverständnis darstellt. Damit läßt sich als Zwischenergebnis festhalten, dass die Einwilligung des Dispositionsbefugten in eine Maßnahme des Treunehmers, die ohne diese Zustimmung eine pflichtwidrige wäre, bereits den Tatbestand entfallen läßt. Entgegen der früheren Rechtsprechung bzw. Literatur 184 und im Einklang mit der herrschenden Meinung 185 stellt damit die vorherige Zustimmung des Dispositionsbefugten bei beiden Varianten der Untreue ein tatbestandsausschließendes Einverständnis dar. 181 Vgl. etwa J. Schmidt, in: Staudinger, § 242 Rn. 887 ff. 182 Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 34; anders LK-Schünemann, § 266 Rn. 62. 183 Zum Kreis der Dispositionsberechtigten vgl. das 2. Kapitel 184 BGHSt 3, 39; BGHSt 9, 216. ebenso Schwinge/Siebert, S. 38 f. 185 Vgl. etwa BGH NJW 2000, 154; Jordan, JR 2000, S. 137; Kindhäuser, LPK, § 266 Rn. 23; Lackner/Kühl, § 266 Rn. 20; Lenckner/Perron, § 266 Rn. 21; LK-Schünemann, § 266 Rn. 21; Weber, in: Arzt /Weber, BT, § 22 Rn. 70.

B. Die verbrechenssystematische Einordnung der Einwilligung bei der Untreue

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V. Die unterschiedlichen Formen der vorherigen Zustimmung 1. Einverständnis und Weisung Bisweilen wird im Schrifttum im Rahmen der Untreue zwischen dem Begriff des Einverständnisses (bzw. der Einwilligung) und demjenigen der Weisung unterschieden.186 Dies hat in zweierlei Hinsicht seine Berechtigung: Zunächst bringt es in voluntativer Hinsicht zum Ausdruck, dass der Treugeber bei einer Weisung den ausdrücklichen Auftrag zur Vornahme 187 einer Handlung erteilt, während er beim Einverständnis einer von einem anderen vorgeschlagenen Maßnahme vor deren Durchführung zustimmt. Darüber hinaus kennzeichnet der Begriff Weisung rechtlich das hierarchische Verhältnis, das zwischen dem Weisungsgeber und dem Weisungsempfänger besteht und dadurch im Innenverhältnis abgesichert wird, dass einer Weisung des insofern Übergeordneten auch eine an den Untergeordneten gerichtete rechtliche Bindungswirkung zukommt. Letzteres wird etwa deutlich im Beamtenrecht, wo in den §§ 55 BBG, 38 BRRG ausdrücklich von der Weisungsgebundenheit eines Beamten die Rede ist; im Gesellschaftsrecht wird z. B. in § 37 Abs. 1 GmbHG angedeutet, dass im Rahmen einer GmbH die Gesellschafterbeschlüsse, welche die Geschäftsführung betreffen (§ 46 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG), für den Geschäftsführer verbindlich sind. Im Arbeitsrecht ist es das Direktionsrecht des Arbeitgebers, aus dem vielfach eine Weisungsgebundenheit des Angestellten, etwa eines Prokuristen gegenüber dem Geschäftsführer, folgt. 1 8 8 Allerdings stellen eher allgemein gehaltene Vorgaben, die den Charakter eines Appells tragen, noch keine Weisung dar. 189 Auch im Übrigen erscheint es sachgerecht, mit Flum und Wessels / Hillenkamp 1 9 0 zwischen einer weisungsgebundenen und einer einverständlichen Geschäftsführung zu differenzieren. Der von Waßmer und Hillenkamp vertretenen Ansicht, wonach zwischen Einverständnis und Weisung nicht unterschieden werden könne und sich Wirksamkeit und Wirkung der Weisung ohne Unterschied nach den Regeln des Einverständnisses richte,191 wird man nur mit der Einschränkung folgen können, als sich vielfach die Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Einverständnisses mit denjenigen der Weisung decken. Sofern derjenige, der die verbindliche Weisung erteilen kann, zugleich der Dispositionsbefugte für das betroffene Rechtsgut ist (z. B. der Alleingesellschafter einer GmbH, der dem Geschäftsführer Anweisungen gibt), enthält die Weisung, wie oben bereits angedeu186 So z. B. Flum, S. 76 f. 187 Praktisch häufiger wird die Weisung jedoch eine Limitierungsfunktion besitzen, d. h. sie soll den Spielraum des Treupflichtigen begrenzen; vgl. dazu auch BGH NJW 2001, 3639. 188 Dazu im Zusammenhang des § 266 StGB vgl. BGH NJW 2001, 3123, 3124. 189 BGH NJW 2001, 3639. 190 Flum, S. 76 f.; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rn. 762; ebenso Lenckner/Perron, Schänke/ Schröder, § 266 Rn. 20. 191 Waßmer, S. 36; Wessels/Hillenkamp,

BT/2, Rn. 762.

in:

62

1. Kap.: Die dogmatischen Grundlagen

tet, 1 9 2 ohnehin zugleich inzidenter ein Einverständnis, denn es erscheint denklogisch ausgeschlossen, mit einem Verhalten nicht einverstanden zu sein, das man mit einer Weisung gerade herbeiführen möchte. Allerdings führt die Unwirksamkeit der Weisung - entsprechendes gilt für die schwebende Unwirksamkeit 193 - nicht zwangsläufig zur Unwirksamkeit des in ihr enthaltenen (und miterklärten) Einverständnisses. Namentlich ist hinsichtlich der Prämissen für die strafrechtliche Bedeutsamkeit einer Weisung bzw. eines Einverständnisses der spezifische Kontext des § 266 StGB zu beachten. So kann zwar eine Weisung, wenn sie öffentlichrechtlich oder zivilrechtlich unwirksam ist, strafrechtlich vielfach keine tatbestandsausschließende Wirkung entfalten, weil das Verhalten - unter dem Blickwinkel der unverbindlichen Weisung - pflichtwidrig ist; dennoch kann sie insoweit strafrechtlich beachtlich sein, als die mit der Weisung konkludent miterklärte Einwilligung wirksam ist, sofern die zivilrechtliche Unverbindlichkeit der Weisung auf Gründen beruht, die nicht auf das Einverständnis bei § 266 StGB „durchschlagen". 194 So wird gesellschaftsrechtlich etwa eine Weisung, die den Geschäftsführer zu einer verbotswidrigen Auszahlung des GmbH-Stammkapitals an die Gesellschafter veranlassen soll, wegen Verstoßes gegen § 30 Abs. 1 GmbHG für unverbindlich angesehen; strafrechtlich würde dies freilich erst dann für das miterklärte Einverständnis von Bedeutung sein, wenn die Zwecke, die mit dem Gebot der Stammkapitalerhaltung verfolgt werden, zu denjenigen des § 266 StGB gehören und damit die Strafbarkeit nach dieser Vorschrift auch nicht durch ein Einverständnis des Dispositionsbefugten beseitigt werden kann. 195 Umgekehrt muss jedoch eine Weisung, die zivil- oder öffentlichrechtlich wirksam und damit für den Treunehmer verbindlich ist, auch strafrechtlich beachtlich sein, sofern es einen Gleichklang der jeweils geschützten Interessen gibt. Dieses Ergebnis folgt nicht erst aus der Überlegung, dass es einen Wertungswiderspruch zwischen den Rechtsgebieten bedeuten würde, einen Treunehmer einerseits zu einer Handlung zu verpflichten, ihn andererseits für sein Verhalten strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. 196 Es ist auch in der Tatbestandsstruktur des § 266 StGB selbst angelegt: Bei einer verbindlichen Weisung ist das Verhalten des Treunehmers im Innenverhältnis in aller Regel gerade pflichtgemäß, weshalb es keine Treupflichtverletzung darstellen kann und deshalb bereits der objektive Tatbestand des § 266 StGB entfällt. Nimmt etwa der treupflichtige Testamentsvollstrecker im Rahmen der Nachlassverwaltung (§ 2205 BGB) Rechtsgeschäfte vor, die auf Anordnungen beruhen, die ein Erblasser durch letztwillige Verfügungen gem. 192 Siehe 1. Kapitel B. II. 1. 193 Etwa eines Gesellschafterbeschlusses; vgl. Flum, S. 77. 194 And. z. B. Flum, S. 77. 195 Nach der hier vertretenen Ansicht ist dies jedoch nicht der Fall; vgl. unten 2. Kapitel C. III. 4. 196 So für den GmbH-Geschäftsführer Flum, S. 77.

B. Die verbrechenssystematische Einordnung der Einwilligung bei der Untreue

63

§§ 2203, 2216 BGB mit Bindungswirkung für den Testamentsvollstrecker getroffen hat, so kann dies bereits nicht den Tatbestand der Untreue verwirklichen. 197 Der Treunehmer würde vielmehr eine Untreue begehen, wenn er der rechtlich verbindlichen Weisung des Treugebers gerade nicht nachkommen würde. 198 Die Ebene des Tatbestands wird in den Fallgruppen der Weisung allerdings dann verlassen, wenn in Über-Unterordnungsverhältnissen ein Treupflichtiger die Weisung zur Vornahme einer vermögensschädigenden Disposition von einer dienstvorgesetzten Person erhält, die nicht in der Lage ist, das Innenverhältnis zwischen Untergebenem und Treugeber zu definieren. 199 Wäre die Anordnung bzw. der Befehl rechtmäßig, so handelte auch der Untergebene i. d. R. gerechtfertigt. 200 Doch eine Weisung, die auf die Begehung einer Straftat, wie z. B. eine Untreue, gerichtet ist, ist rechtswidrig, und so darf sie der Angewiesene in aller Regel nicht befolgen (vgl. § 11 Abs. 2 S. 2 SoldatenG; § 56 Abs. 2 S. 3 BBG; § 38 Abs. 2 S. 2 BRRG). 201 Ausnahmsweise ist jedoch eine Weisung trotz ihrer Rechtswidrigkeit für den Untergebenen verbindlich (vgl. § 56 Abs. 2 S. 3 BBG): Dann entfällt nach h. M. die Schuld, während die überzeugendere Minderheitsmeinung bereits eine rechtfertigende Wirkung der Weisung annimmt, da das Recht von dem Weisungsadressaten nicht einerseits (strafrechtlich) die Nichtbefolgung, andererseits (dienstrechtlich) die Befolgung verlangen kann. 202

2. Einwilligung und Begründung des Innenverhältnisses sowie Änderungsvereinbarung Ebenso wird vielfach temporär zwischen dem Einverständnis (bzw. der Einwilligung) und der Begründung des Innenverhältnisses differenziert: Bei der Errichtung des Innenverhältnisses, also zu Beginn des Auftragsverhältnisses, werden die Grenzen des intern rechtlich Erlaubten definiert, während von einem Einverständnis sinnvollerweise nur gesprochen werden kann, wenn der Dispositionsbefugte einer Maßnahme einzelfallbezogen zustimmt, die ohne diese Billigung gegen die bestehenden Bindungen aus dem Innenverhältnis verstoßen würde. Deshalb erscheint es präziser, nicht von einem Einverständnis, sondern von einer Änderung, d. h. Erweiterung des Innenverhältnisses zu reden, wenn die Zustimmung des Dispositionsberechtigten sich nicht lediglich auf eine ganz bestimmte Vermögensdisposition des Treunehmers erstreckt, sondern das Innenver197 So auch BGH GA 1977, 342. 198 Sofern ein Schaden eintritt vgl. Flum, S. 77. 199 Eingehend zu Fragen der Weisung Lenckner, in: Schänke /Schröder, Rn. 87 ff. m. w. N. 200 LK-Hirsch, Vor § 32 Rn. 173. 201 Zu Irrtumsfragen vgl. Lenckner, in: Schänke /Schröder, 202 Dazu Roxin, AT I, § 17 Rn. 17 m. w. N.

Vörbem. §§ 32 ff.

Vörbem. §§ 32 ff. Rn. 89.

64

1. Kap.: Die dogmatischen Grundlagen

hältnis als Ganzes insoweit ändert, als künftig generell der Umfang des rechtlich Erlaubten erweitert wird. Eine solche Änderungsvereinbarung kann beispielsweise in einer ausdrücklichen oder konkludenten Nachtragsvereinbarung erblickt werden, die den bisherigen, maßgeblichen Vertrag ergänzt oder abbedingt.203 Bei einer (konkludenten) Vertragsänderung muss die Erklärung die Form einer Willenserklärung besitzen; ihr Erklärungsgehalt bestimmt sich dann nach § 133, 157 BGB. Allerdings verwendet der BGH den Begriff des Einverständnisses auch dann, wenn sich die Änderung des Vertrags, der dem Innenverhältnis zugrunde liegt, auf eine große Zahl von Geschäftsvorgängen bezieht und deshalb das Innenverhältnis eher grundsätzlich und weniger einzelfallbezogen geändert wurde. 204 Doch ist damit nur gesagt, dass es eine unterschiedliche Weite der vorherigen Billigung gibt. Die Wirksamkeitsvoraussetzungen des Einverständnisses und der Änderung des Innenverhältnisses sind jedoch die gleichen: Ein Dispositionsbefugter, der einwilligungsfähig ist und frei von Willensmängeln handelt, muss ex-ante die fragliche Disposition des Treunehmers gebilligt haben; ist dies der Fall, liegt kein Missbrauch bzw. keine Treupflichtverletzung vor. In allen Fällen entfällt damit bereits der objektive Tatbestand des § 266 StGB. Von der vorherigen, ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck gebrachten Billigung des Täterverhaltens durch den Verfügungsberechtigten sind jedoch die Konstellationen zu unterscheiden, in denen die Maßnahme dem nur hypothetischen Willen des Dispositionsbefugten entspricht (mutmaßliche Einwilligung) oder er sie nachträglich billigt (Genehmigung). Nicht nur hinsichtlich der dogmatischen Einordnung im Verbrechensaufbau, sondern auch hinsichtlich ihrer Wirksamkeitsvoraussetzungen unterscheiden sie sich so wesentlich vom Einverständnis, dass ihre Darstellung in ein gesondertes Kapitel verwiesen werden muss. 205

C. Die Einwilligung in die Untreue im Kontext der personalen Unrechtslehre Für die Untreue als Erfolgsdelikt kann nichts anderes gelten als für andere Tatbestände, die den Eintritt eines bestimmten Ereignisses verlangen. Auch bei § 266 StGB muss, wie zudem der Wortlaut vorgibt („und dadurch ... einen Nachteil zufügt"), der Erfolg kausal (beim Unterlassen: quasi-kausal)206 auf das Verhalten des 203 BGH NJW 2001, 3638 (insoweit in BGHSt 47, 8 nicht abgedruckt). 204 BGH NJW 2001, 3638. Im Rahmen einer Duldung von Abrechnungen, die mit dem ursprünglichen Rahmenvertrag nicht vereinbar waren, führt der BGH a. a. O. aus: „Ob die Begleichung der - gemessen an der Rahmenvereinbarung überhöhten - Rechnungen als Einverständnis in eine konkludente Vertragsänderung angesehen werden durfte, ist nach §§ 133, 157 BGB zu beurteilen'4. 205

Siehe dazu unten 4. Kapitel D und 6. Kapitel.

C. Die Einwilligung in die Untreue im Kontext der personalen Unrechtslehre

65

Täters zurückzuführen sein. Dies setzt voraus, dass der Erfolg ein isoliertes, in der Außenwelt eintretendes Ereignis ist, das in einem der pflichtwidrigen Handlung und sei es nur aufgrund einer sog. juristischen Sekunde - zeitlich nachfolgenden Moment eintritt, und dass die Vermögenseinbuße durch die treuwidrige Handlung verursacht worden ist. 2 0 7

I. Objektive Zurechenbarkeit Prinzip der Eigenverantwortung Außerdem muss, auf der Grundlage der heute vorherrschenden Lehre von der objektiven Zurechnung, 208 der vermögensnachteilige Erfolg dem Täter objektiv zurechenbar sein, die Vermögenseinbuße sich mithin als sein Werk darstellen. Passt man die allgemeine Zurechnungsregel für Erfolgsdelikte 209 an die besonderen Verhältnisse des § 266 StGB an, so bedeutet dies: Der Täter muss treupflichtwidrig das Risiko eines Vermögensschadens geschaffen bzw. erhöht haben und sich gerade diese 210 Pflichtwidrigkeit im konkret eingetretenen Erfolg verwirklicht haben. 211 Sodann greift für die Untreue als Vörsatzdelikt wegen ihres zugleich gegebenen Pflichtdeliktscharakters das ansonsten nur für Fahrlässigkeitsdelikte anerkannte 212 Prinzip ein, dass die objektive Zurechenbarkeit des Erfolgs auch dann entfällt, wenn der Vermögensschaden bei einem treupflichtgemäßen Verhalten des Täters eingetreten wäre. 213 Mit dem eben skizzierten Ergebnis des tatbestandsausschließenden Einverständnisses ist auch die Wertungskongruenz der Untreue als Erfolgsdelikt, wonach nur bei Eintritt eines Vermögensschadens als Erfolg der objektive Tatbestand verwirklicht ist, mit der Berücksichtigung des Selbstverantwortungsprinzips im Rahmen der objektiven Zurechnung gewährleistet. Zwar kann hier nicht auf den Gedanken der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung zurückgegriffen werden, denn innerhalb dieser Kategorie wird die verbotsnormbezogene Pflichtwidrigkeit der Gefahr206

Zum Kausalitätserfordernis bei Erfolgsdelikten Kühl, AT, § 4 Rn. 6 ff.; Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 71/72. 207 Zur Kausalitätsproblematik in der Parteispendenaffäre von Altbundeskanzler Helmut Kohl vgl. Krüger, NJW 2002, S. 1180 gegen Velten, NJW 2002, S. 2853 ff. 208 Dazu Kühl, AT, § 4 Rn. 36 ff.; Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 92. 209 Zu dieser Formel vgl. etwa Roxin, AT I, § 11 Rn. 42; Lenckner, in Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 92, alle mit umfass. Nachw. 2 10 Einen Unmittelbarkeitszusammenhang bei § 266 StGB fordert auch Haft, NJW 1996, S. 238. 211

Der BGH spricht ganz ähnlich von dem Erfordernis, dass der Vermögensschaden „auf die Pflichtwidrigkeit zurückzuführen" sein müsse; vgl. BGH NJW 2000, 2364, 2365. 2 2 * Vgl. Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 99. 2 i3 Vgl. Mitsch, BT 2/Tb. 1, § 8 Rn. 36. 5 Schramm

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1. Kap.: Die dogmatischen Grundlagen

Schaffung unter der Voraussetzung verneint, dass das Opfer eigenverantwortlich handelt und die (zumindest quasi-mittäterschaftliche) Tatherrschaft über das risikobehaftete Geschehen ausübt. 214 In Einverständnisfällen bei der Untreue wird aber die Tatherrschaft vielfach gerade beim Treunehmer liegen; von einer quasi-mittäterschaftlichen Tatherrschaft des Einwilligenden wird i. d. R. nicht ausgegangen werden können. Da jedoch bei der Untreue das Moment der Selbstverantwortung des Opfers bereits im Merkmal des Missbrauchs bei der 1. Alt. des § 266 StGB bzw. der Pflichtverletzung bei der 2. Alternative enthalten ist, entfällt aus diesem Grund dann doch die Pflichtwidrigkeit der Gefahrschaffung unter dem Aspekt der Eigenverantwortung. Die selbstverantwortliche Gefährdung oder Verletzung von Rechtsgütern erhält bei einem Pflichtdelikt wie § 266 StGB daher eine andere Ausprägung als bei einem „reinen" Erfolgsdelikt wie etwa den Körperverletzungsoder Tötungstatbeständen, mag auch jeweils als gemeinsamer Nenner das (strafrechts-) pflichtwidrige Verhalten des Täters zu verneinen sein. Sofern der Zustimmende bei der Erteilung seines Einverständnisses jedoch nicht über eigenes Vermögen entscheidet, sondern selbst treupflichtig ist und fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen hat, tritt das Selbstverantwortungsprinzip in den Hintergrund. Vielmehr überlagert dann im Rahmen der objektiven Zurechnung die Verantwortung des Treunehmers für den Treugeber dessen Eigenverantwortung. Dann kann dem Treunehmer der Erfolg objektiv zurechenbar sein und eine Haftung wegen Untreue begründen, falls er seinen vermögensbezogenen Schutzpflichten nicht nachgekommen ist. 2 1 5 Dieses Prinzip der NichtZurechenbarkeit opfervermittelt-eigenverantwortlicher Vermögensschäden einerseits und der Zurechenbarkeit drittvermittelt-fremdverantwortlich herbeigeführter Vermögensnachteile andererseits findet ihre tatbestandsspezifische Konkretisierung im Rahmen des § 266 StGB dergestalt, dass die Pflichtwidrigkeit der Gefahrschaffung in einem Ungenügen hinsichtlich derjenigen Verhaltensanforderungen besteht, die der Tatbestand ausdrücklich umschreibt. Dieses Versagen besteht bei beiden Alternativen des § 266 StGB in der Missachtung der dem Treunehmer auferlegten internen Bindungen, wie sie im Missbrauchs verhalten der 1. Alternative und dem Verstoß gegen die Vermögenswahrnehmungspflicht der 2. Alternative zum Ausdruck kommt. § 266 StGB ist somit verbrechenskategorial ein Tatbestand, der sich aus einem Erfolgs- und Pflichtelement zusammensetzt; die Untreue ist mithin ein Vermögensdelikt, das Pflicht- und Erfolgsdelikt zugleich ist.

214 Vgl. etwa Kühl, AT, § 4 Rn. 83 ff.; Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 107, 103; Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 101 ff.; Roxin, Fs. Gallas, S. 249 f.; SK-Rudolphi, Rn. 79 ff. vor § 1. 215 Zur entsprechenden Problematik bei Garantenstellungen vgl. Lenckner, in: Schänke/ Schröder, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 101d.

C. Die Einwilligung in die Untreue im Kontext der personalen Unrechtslehre

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II. Handlungs- und Sachverhaltsunwert Wie oben dargelegt wurde, kommt ein solcher Pflichtverstoß jedoch nur in Betracht, wenn dem Täter ein spezifischer Status verliehen wurde, der mit einer gewissen Entscheidungsfreiheit verbunden ist. Während dieser Status beim Missbrauchstatbestand bereits durch die Einräumung der Vertretungs- und Verpflichtungsbefugnis begründet wird, bedarf es hierfür beim Treubruchstatbestand einer Beziehung nach Art eines Geschäftsbesorgungsauftrags; erst dann kann von einer Treupflichtverletzung im Sinne der 2. Alternative die Rede sein. Überträgt man dieses Untreueverständnis in die Kategorien der personalen Unrechtslehre, die überwiegend zwischen dem Handlungs- und Erfolgs- bzw. Sachverhaltsunwert des Täterverhaltens differenziert, bedeutet dies: Der Erfolgs- bzw. Sachverhaltsunwert, d. h. der äußere wertwidrige Zustand, der gegen die Bewertungsnorm verstößt, 216 besteht bei der Untreue in den beiden kumulativ erforderlichen Momenten, dass 1. ein Vermögensschaden bei einem Treugebers herbeigeführt wurde, und dass 2. dieser Schaden auf das Verhalten eines Treupflichtigen zurückzuführen ist. Die objektive Negativität des Verhaltens erschöpft sich bei der Untreue nicht in der Verursachung eines Vermögensschadens, sondern setzt zusätzlich zwingend voraus, dass diesen jemand verursacht hat, der den Status des Treupflichtigen innehat. Die Herbeiführung eines Vermögensschadens durch einen Treupflichtigen ist damit bei § 266 StGB Ausdruck des Verstoßes gegen ein „Nicht-sein-Sollen" 217 und damit bereits gegen die Bewertungsnorm. Bezieht man darüber hinaus, wie dies bei § 266 StGB notwendigerweise der Fall sein muss, in die Bewertungsnorm den Aspekt des Einverständnisses ein, so bedeutet dies, dass nur ein solches Handeln des Treunehmers nicht sein soll, das nicht im Einklang mit dem Willen des Dispositionsbefugten steht. Mit dem Einverständnis entfällt somit zugleich der Erfolgsunwert. Der Handlungsunwert, d. h. die fehlerhafte Willensbildung des Täters, durch welche er die Bestimmungsnorm verletzt, 218 ist dagegen das „Nicht-tun-Sollen" 219 in Form des (vorsätzlichen) Verstoßes gegen die ihm vom Treugeber im Innenverhältnis auferlegten Pflichten. Dabei genügt es zwar für die objektive Zurechenbarkeit des Vermögensschadens (bzw. ist es erforderlich), dass der Täter diesen Erfolg objektiv treupflichtwidrig (und insoweit fahrlässig) herbeiführt. Insofern enthält auch das Erfolgsdelikt des § 266 StGB ein Fahrlässigkeitselement: Die für die objektive Zurechenbarkeit erforderliche objektive Pflichtwidrigkeit der Gefahrschaf216 Dazu und zu davon abweichenden Konzepten vgl. Gallas, Fs. Bockelmann, S. 161 ff.; Kühl, AT, § 3 Rn. 5; Jescheck/Weigend, AT, § 24 III; Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 49, 57; Roxin, AT I, § 10 Rn. 88 ff. 217 Vgl. Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vörbem. §§ 13 ff. Rn. 49. 218 Vgl. etwa Engisch, Gerechtigkeit, S. 33; Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 52 ff.; Roxin, AT I, § 10 Rn. 88 ff., alle m. w. N. zu davon abweichenden Lehren. 219 Vgl Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 49.

5*

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1. Kap.: Die dogmatischen Grundlagen

fung ist nichts anderes als das objektive Unrecht der Fahrlässigkeit, 220 so dass im objektiven Tatbestand des § 266 StGB in gewisser Weise eine fahrlässige Untreue (pflichtwidrige Herbeiführung eines Vermögensschadens) enthalten ist. 2 2 1 Gleichwohl hat sich der Gesetzgeber nicht für die Bestrafung der fahrlässigen Untreue entscheiden können. Dies mag auf den ersten Blick „als befremdliche Einengung des Tatbestands zugunsten des Täters erschein", ist aber kriminalpolitisch sinnvoll, „um die noch größere Gefahr der Verantwortungsscheu aus dem Geschäftsleben zu beseitigen" (Maiwald). 222 Daher ist nach der Entscheidung des Gesetzes (§ 15 StGB) der für eine Untreue erforderliche Handlungsunwert erst dann gegeben, wenn der Täter vorsätzlich gegen seine Pflichten verstößt und damit durch sein Verhalten den vorsatzspezifischen Intentionsunwert verwirklicht. Da die Zustimmung des Vermögensinhabers das Verhalten des Täters bereits seiner objektiven Pflichtwidrigkeit entkleidet, kann der Täter in diesem Fall keinen auf die Verwirklichung des Erfolgsunrechts bezogenen Handlungsunwert verwirklichen. Soweit der Treunehmer irrig von einem Verstoß gegen die internen Bindungen ausgegangen ist, bleibt dies strafrechtlich folgenlos, da die Tat mangels Pflichtverstoß nicht tatbestandsmäßig ist, der Versuch und damit auch der untaugliche Versuch der Untreue aber nicht unter Strafe gestellt sind. 223 Geht dagegen der Täter irrig davon aus, der Dispositionsbefugte habe zugestimmt, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall ist, oder ist er sich, falls ein Einverständnis zwar vorliegt, dieses aber aus normativen Gründen (z. B. wegen Unzuständigkeit oder tatbestandsrelevantem Pflichtverstoß des Zustimmenden) unwirksam ist, der Pflichtwidrigkeit seines Handelns nicht bewußt, 224 so entfällt der vorsätzliche Handlungsunwert, 225 was im Ergebnis gem. § 16 Abs. 1 S. 2 StGB Straflosigkeit bedeutet, denn die fahrlässige Untreue ist, wie bereits ausgeführt, nicht unter Strafe gestellt. Bezieht man in diese Betrachtung noch die normlogische Kategorie der Schutz- und Gewährleistungsnorm ein, 2 2 6 so kommt man zu dem Ergebnis, dass die zum Schutz des Vermögensinhabers poenalisierte Pflichtwidrigkeit des Täterverhaltens und damit die Gewährleistungsfunktion des § 266 StGB entfällt, wenn das Opfer damit einverstanden war und damit selbst auf die strafrechtliche Bestandsgarantie für sein Vermögen verzichtet hat. Der vom Täter realisierbare Erfolgs- und darauf bezogene Handlungsunwert bei § 266 StGB 220

Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 93. Dies ändert aber nichts daran, dass sich Fahrlässigkeit und Vorsatz nicht nur unrechtsquantitativ, sondern auch unrechtsqualitativ unterscheiden. 22 * Vgl. dazu auch Roxin, AT I, § 11 Rn. 44; Schünemann, GA 1999, S. 217. 222 Maurach/Schroeder/Maiwald, BT/Tb. 1,§ 45 Rn. 52. 22 3 Vgl. in diesem Kapitel oben A. I. 224 Vgl. dazu, namentlich zur Abgrenzung vom Verbotsirrtum, unten 2. Kapitel C. IV. 2) sowie BGH NJW 2001, 2411, 2414; wistra 1987, 137; NJW 1990, 3219, 3220; krit. LK-Schünemann, § 266 Rn. 153. 225 Vgl. Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 49. 22 6 Dazu Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 49, 57 m. w. N.

C. Die Einwilligung in die Untreue im Kontext der personalen Unrechtslehre

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ist damit abhängig von dem Schutzinteresse des Treugebers: Die Grenzen seiner Zustimmung sind die Grenzen des für den Täter Erlaubten.

I I I . Unterlassungen Das Einverständnis des Treugebers kann des Weiteren nicht nur auf ein Tun, sondern auch auf ein Unterlassen des Treunehmers, sowohl beim Missbrauchs- wie Treubruchstatbestand, 227 bezogen sein. Doch ist diese Zustimmung nur dann von Bedeutung, wenn der Treupflichtige in tatbestandlich relevanter Weise zum Handeln verpflichtet ist. Ob und in welchem Umfang der Treunehmer dazu verpflichtet ist, das ihm anvertraute Vermögen zu mehren, kann nur anhand der konkreten Ausgestaltung des jeweiligen Treueverhältnisses entschieden werden und ist zwar in der Regel, 228 aber keineswegs stets der Fall. 2 2 9 Er ist aber zumindest dazu verpflichtet, den Bestand des ihm anvertrauten Vermögens zu wahren, es mithin vor der Realisierung drohender Vermögensschäden zu schützen. Zwar ist bei weitem nicht jeder Beschützergarant zugleich treupflichtig, 230 aber der Treupflichtige zugleich Garant, 231 und zwar in Form einer Beschützergarantenstellung, die ihn zur aktiven Obhut über das fremde Vermögen verpflichtet. § 13 Abs. 1 StGB als Regelung für das unechte Unterlassungsdelikt ist daher auf § 266 StGB von vorneherein unanwendbar, 232 denn zum einen ist jeder Treunehmer von vorneherein Garant, und zum anderen ist es begrifflich und logisch ausgeschlossen, dass ein anderer Garantenpflichtiger, der nicht treupflichtig ist, zugleich Täter eine Untreue sein kann. Soweit also eine Handlungspflicht des Treupflichtigen besteht, verwirklicht er durch sein Unterlassen den Untreuetatbestand; in diesen Fallkonstellationen trägt § 266 StGB, der ansonsten (im Normalfall des aktiven Tuns) ein Begehungsdelikt ist, zugleich den Charakter eines echten Unterlassungsdelikts.233 Folgerichtig kommt systematisch, wie bei den „reinen" echten Unterlassungsdelikten und anderen, der Untreue vergleichbaren „Mischdelikten", die sowohl ein aktives Tun als auch ein Unterlassen umfassen, 234 eine fakultative 227 Vgl. dazu die Zusammenstellung von Fällen bei Schmid, in: Müller-Gugenberger/ Bieneck, § 31 Rn. 52 ff., 112 ff. 228 Vgl. auch Mitsch, BT 2/Tb. 1, § 8 Rn. 43. 229

So auch LK-Schünemann, § 266 Rn. 86 gegen Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 266 Rn. 23a, die freilich nur „in der Regel" von einer auf Vermögensmehrung ausgerichteten Treupflicht ausgehen. 230

Bspe.: Der Nachtwächter einer Fabrik oder ein aufgrund Ingerenz Handlungspflichtiger (Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 266 Rn. 23a). 231 Vgl. dazu bereits in diesem Kapitel oben A. III. 2. sowie SK-Samson/Günther, § 266 Rn. 27; Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 266 Rn. 23a. 232 Rengier, BT I, § 18 Rn. 20; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rn. 765. 233 Stree, in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 135-137. 23 4 Bspe. bei Kühl, AT, § 18 Rn. 1.

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1. Kap.: Die dogmatischen Grundlagen

Strafmilderung nach § 13 Abs. 2 StGB - sei es in direkter, sei es in analoger Anwendung - nicht in Betracht. 235 Das Unterlassen ist aber, soweit es geringeres Unrecht darstellt, im Rahmen der Strafzumessung strafmildernd zu berücksichtigen, denn ein passives Schädigenlassen wiegt vielfach leichter als ein aktives Schädigen. Hat hingegen der Vermögensinhaber der Unterlassung des Treunehmers zugestimmt, mangelt es an der Verletzung der Handlungspflicht und damit an der objektiven Tatbestandsmäßigkeit.

D. Täterschaft und Teilnahme I. Der täterschaftliche Status des unwirksam Konsentierenden Ist das Einverständnis wirksam, entfällt der Tatbestand, so dass weder der Handelnde noch der Zustimmende als Täter oder Gehilfe bzw. Anstifter einer Untreue in Betracht kommen können. Die Problematik täterschaftlicher Tatbegehung durch den Dispositionsbefugten stellt sich somit im hier interessierenden Zusammenhang vor allem in den Fällen, in denen sein Einverständnis als strafrechtlich unwirksam anzusehen ist (z. B. mangels Zuständigkeit, wegen Rechtsmissbräuchlichkeit oder einverständnisrelevantem Willensmangel). Das unwirksame Einverständnis beseitigt, falls es zudem den dann wieder auflebenden allgemeinen Regeln aus dem Innenverhältnis 236 widerspricht, nicht die Pflichtwidrigkeit des Täterhandelns. Sodann weist der Zustimmende selbst - wenngleich nicht stets, so doch in vielen Fällen - die Eigenschaft auf, nicht in eigener Person der Inhaber des Vermögens zu sein, sondern - wie der unmittelbar Handelnde auch - gegenüber dem Vermögen des anderen treupflichtig zu sein. Ist dann der (unwirksam) zustimmende Treugeber möglicherweise nur Anstifter bzw. Gehilfe oder macht er sich stets einer mitoder alleintäterschaftlich begangenen Untreue schuldig?

1. Die allgemeine Abgrenzung Entschiede man diese Konstellation wie bei den sog. Allgemeindelikten, die von jedermann begangen werden können, nach den beiden heute im Wesentlichen vertretenen Theorien zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme, d. h. mit der Rechtsprechung subjektiv nach Interessengesichtspunkten bzw. mit der herrschenden Lehre nach Tatherrschaftsgesichtspunkten, 237 so wären differenzierte Ergeb235 SK-Rudolphe § 13 Rn. 6; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rn. 765. Für unmittelbare Anwendbarkeit jedoch BGHSt 36, 227 ff.; Kindhäuser, LPK, § 266 Rn. 5; Lackner/Kühl, § 266 Rn. 2; für analoge Anwendung LK-Schünemann, § 266 Rn. 161. 236 Vgl. NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 98. 237 Zur Problematik, deren ausführlichere Darstellung den Rahmen der Arbeit sprengen würde, vgl. etwa LK-Roxin, § 25 Rn. 1 ff.; Kühl, AT, § 20 Rn. 17 ff.

D. Täterschaft und Teilnahme

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nisse denkbar: Sofern dem Zustimmenden über sein Einverständnis nicht die Mittatherrschaft über das Geschehen zuwächst bzw. er keine eigene Interessen mit der Tat verfolgt, käme nur eine Haftung als „Randfigur" wegen Anstiftung oder Beihilfe in Betracht. Sobald er aber über seine Zustimmung das Geschehen zumindest mitsteuert oder es ihm um seine persönlichen Interessen geht, gelänge man zu einer mit- oder nebentäterschaftlichen Stellung. Daran anknüpfend fordert Maiwald auch für § 266 StGB, dass nicht jede Treupflichtverletzung des Treunehmers diesen sofort zum Täter des Delikts mache, sondern nur eine solche, die ihm bezüglich seines Handelns die Tatherrschaft verschafft; hingegen sei er nur Gehilfe, wenn er als Pflichtenträger, aber ohne Tatherrschaft handle. 238

2. Einheitstäterbegriff Die ganz herrschende Meinung nimmt aber zu Recht eine solche Differenzierung nicht vor und geht vielmehr bei der Untreue, terminologisch angelehnt an § 14 OWiG, von einem Einheitstäterbegriff ms.239 Zwar kann der Zustimmungsberechtigte in aller Regel keine Missbrauchsuntreue begehen, weil es ihm dazu an einer entsprechenden eigenen Rechtsmacht im Außenverhältnis fehlen wird. 2 4 0 Doch nach der tatbestandlichen Struktur der Treubruchsvariante des § 266 StGB begründet jeder Verstoß gegen die internen Bindungen eine Treupflichtverletzung. Der Pflichtverstoß kann sowohl durch tatherrschaftliches Verhalten des Treunehmers als auch durch die Veranlassung oder Unterstützung fremden tatherrschaftlichen Handelns begangen werden: 241 Er ist mithin tatherrschaftsneutral 242 und markiert den Akt, mittels dessen der als Täter einer Untreue in Betracht kommende Treunehmer tatsächlich zum Täter wird, sofern sein Handeln zugleich vermögensschädigend ist. Somit fallen auch Handlungen des Dispositionsbefugten, die ansonsten unter die Kategorie der Anstiftung oder Beihilfe fallen würden - und zwar auch solche durch Unterlassen, falls eine entsprechend ausgerichtete Handlungspflicht aus der sich im Treueverhältnis manifestierenden Garantenstellung besteht 243 - , nicht lediglich unter §§ 26, 27 StGB, sondern bewirken sogleich die Täterschaft des Entscheidungsträgers gem. § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB. Sind mehrere Beteiligte des untreurelevanten Geschehens vermögensbetreuungspflichtig, etwa innerhalb eines 238 Maiwald, in: Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 45 Rn. 21; vgl. auch SK-Hoyer, § 25 Rn. 22. 239 Vgl. Cramer/Heine, in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 84; SK-Samson/ Günther, § 266 Rn. 51; Mitsch, BT 2/Tb. 1, § 8 Rn. 53; LK-Roxin, § 25 Rn. 38; Seier, in: Achenbach/Wannemacher, § 21 I I Rn. 57; Tiedemann, in: Scholz, Vor §§ 82 ff. GmbHG Rn. 18 Fn. 66. 240 Bsp.: Der Aufsichtsrat einer AG; zu dessen täterschaftlichen Status unten 2. Kapitel C. IV. 1 sowie Tiedemann, Fs. Tröndle, S. 322. 241 Vgl. Mitsch, BT 2/Tb. 1, § 8 Rn. 53. 242 Seier, in: Achenbach/Wannenmacher, § 21 II Rn. 57. 243 Vgl. Tiedemann, in: Scholz, Vor §§ 82 ff. GmbHG Rn. 18.

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1. Kap.: Die dogmatischen Grundlagen

Gremiums, so begründet dies unter denjenigen, deren Treupflicht sich auf die konkrete Entscheidung erstreckt, 244 einen täterschaftlichen Tatbeitrag. 245 Kommen beispielsweise mehrere Mitglieder eines Aufsichtsorgans ihren Kontrollpflichten, wie sie ihnen im Rahmen der ihnen zugewiesenen Ressorts auferlegt sind, nicht nach, in dem sie nicht gegen den Abschluss hochriskanter Verträge durch die Geschäftsführung einschreiten, so haften sie für ihre Kollegialentscheidung wegen mittäterschaftlich begangener Untreue. 246 Die bei den unechten Unterlassungsdelikten auftretende Frage, ob ein Garant stets Täter oder auch nur Gehilfe bzw. Anstifter sein kann, 247 stellt sich daher bei der Einheitstäterkonzeption des § 266 StGB nicht: der Vermögensgarant, der treupflichtwidrig unterlässt, ist bereits wegen dieses Treupflichtverstoßes stets Täter einer Untreue. Der nicht treupflichtige Beteiligte (Extraneus) nimmt dagegen den Status des Anstifters oder Gehilfen ein. Inwiefern es auch sonst verbrechenskategorial eine Kategorie der Pflichtdelikte gibt, bei denen die Tatherrschaft als maßgebendes Kriterium suspendiert wird 2 4 8 und jede Pflichtverletzung die Täterschaft begründet, 249 braucht indes im Rahmen dieser Untersuchung nicht geklärt zu werden. Auch in der Rechtsprechung findet man eine in Richtung der Einheitstäterschaft weisende Entscheidung, wenngleich zum inzwischen aufgehobenen GmbH-rechtlichen Untreuetatbestand des § 81a GmbHG und unter dem - auch von Schünemann und Kindhäuser aufgegriffenen 250 - Vorbehalt, dass „regelmäßig" Täterschaft anzunehmen sei, ohne dass allerdings deutlich wurde, wann eine Ausnahme von dieser Regel in Betracht kommen kann. So hat der BGH in BGHSt 9, 203 hervorgehoben, dass sich „aus der Eigenart des Tatbestands" ergebe, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats einer GmbH, sofern nur die sonstigen Merkmale des Tatbestandes vorliegen, „regelmäßig als Täter" 251 nach § 81a GmbHG haften, wenn sie den Geschäftsführer bei einer von ihm begangenen Untreue unterstützen. Hierbei stellt der BGH entscheidend auf die besondere Pflichtenstellung des Aufsichtsrats im Rahmen des § 81a GmbHG ab; diese entspricht aber der Treupflicht im Rahmen des § 266 StGB, so dass keine Bedenken bestehen, die Entscheidung auf § 266 StGB zu übertragen. Einheitstäterschaft bedeutet freilich nicht, dass jeder Tatbeitrag der Beteiligten gleich zu gewichten ist; vielmehr ist bei der Strafzumessung zu differenzieren. So wird ein Unterlassen regelmäßig weniger schwer ins Gewicht fallen als ein aktives 244

Zur treupflichtbegrenzenden Arbeitsteilung innerhalb eines Gremiums vgl. BGH NStZ 2001,433. 24 5 Vgl. Roxin, Täterschaft, S. 361. 24 6 Dies setzt freilich Risikokenntnis voraus; vgl. Kiethe, W M 2003, S. 861, 869. 247 Vgl. Kühl, AT, § 20 Rn. 229 ff. 24

« Vgl. Müsch, BT 2/Tb. 1, § 8 Rn. 53. 9 So etwa LK-Roxin, § 25 Rn. 38; Winkelbauer, Fs. Lenckner, S. 657; kritisch zur Substitutionstheorie Roxins etwa SK-Hoyer, § 25 Rn. 22. 2 50 LK-Schünemann, § 266 Rn. 160; NK-Kindhäuser, § 266 Rn. 186. 24

2

51 Vgl. BGHSt 9, 203, 218.

D. Täterschaft und Teilnahme

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Tun; und derjenige, der treuwidrig seine Zustimmung zu einem pflichtwidrigen Verhalten des Treunehmers erteilt, leistet zuweilen eher einen Tatbeitrag, dessen Bedeutung erheblich relativiert ist.

IL Treupflicht als strafbegründendes Merkmal Mangelt es demjenigen, der das Einverständnis erteilt, oder einem sonstigen Beteiligten an der Vermögensbetreuungspflicht, so scheidet eine Bestrafung wegen täterschaftlich begangener Untreue aus. Bei ihm kann dann allenfalls eine Anstiftung oder Beihilfe zur Untreue in Betracht kommen. Dies führt sogleich zu der Frage, ob die Pflichtenstellung des Täters ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB ist, was zur Konsequenz hätte, dass die Strafe des nicht treupflichtigen Teilnehmers zwingend nach §§28 Abs. 1, 49 Abs. 1 StGB zu mildern wäre. Beruht außerdem die Gehilfenstellung nicht nur auf der fehlenden Treupflicht, sondern darüber hinaus auf der Stellung des Beteiligten als Randfigur des Geschehens, käme, sofern diese eine Beihilfe darstellt, eine doppelte Strafmilderung nach § 28 Abs. 1 StGB und § 27 Abs. 1 StGB in Betracht. Nicht übersehen werden kann, dass, wie Lenckner anmerkt, 252 das Vermögen gegenüber dem Täterkreis besonders anfällig ist. Doch ist schon deshalb die Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB auf Teilnehmer abzulehnen? Die Gefährdung des Opfervermögens beruht auf dem Freiheitsstatus des Täters, der - vom faktischen Treueverhältnis bei der 2. Alternative abgesehen - auf einer rechtlich begründeten Kompetenzstellung (Gesetz, behördlicher Auftrag, Rechtsgeschäft) beruht, die zugleich mit einer besonderen Pflichtenbm&xmg, der er unterliegt, korrespondiert. 253 Gefährdungs- und Pflichtenmoment sind daher eng miteinander verknüpft, was es rechtfertigt, in dem Missbrauch der Vertretungs- und Verpflichtungsbefugnis (1. Alternative) bzw. der Treupflichtverletzung (2. Alternative) ein Kennzeichen des nur vom Täter realisierbaren und insofern personalen Unrechts zu sehen 254 und damit auf den Teilnehmer die Regelung des § 28 Abs. 1 StGB anzuwenden.255

252

Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, 53 Vgl. auch LK-Roxin, § 28 Rn. 66.

§ 266 Rn. 52.

2

254 And. Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 266 Rn. 52. - Nach h. M. handelt es sich dabei um ein besonderes persönliches Verhältnis i. S. d. § 28 Abs. 1 i. V. m. § 14 Abs. 1 StGB; vgl. SK-Hoyer, § 28 Rn. 16. 2 55 Herrschende Meinung; vgl. BGHSt 41,1; LK-Roxin § 28 Rn. 66; Lackner/Kühl, § 266 Rn. 2, alle m. w. N.

2. Kapitel

Der Träger der Dispositionsbefugnis Ein wirksames Einverständnis setzt zunächst voraus, dass derjenige, der die Zustimmung zu der fraglichen Disposition des Treunehmers erteilt, die Macht besitzt, über das jeweilige Vermögen zu verfügen. Er muss mithin die Kompetenz innehaben, das Innenverhältnis zwischen dem geschützten Vermögensträger und dem Treupflichtigen so zu gestalten, dass die Zustimmung die interne Pflichtwidrigkeit des Verhaltens beseitigt. Im Folgenden sollen die wichtigsten Arten der einzelnen Vermögensträger unter dem Blickwinkel untersucht werden, wer dort jeweils die Verfügungsmacht über das Vermögen ausübt. Problematisch sind dabei die Konstellationen, in denen zwischen den Beteiligten ein komplexes Beziehungsgeflecht besteht und die Rechtsordnung mehreren Personen die Entscheidungszuständigkeit über ein Vermögen zuweist, was insbesondere der Fall ist, wenn handels- und gesellschaftsrechtliche Vorgaben dieses Verhältnis mitprägen bzw. das öffentliche Recht die Entscheidungsprozesse mitbestimmt.

A. Natürliche Personen Ist das fremde Vermögen, das durch die Disposition des Treunehmers betroffen ist, dasjenige einer natürlichen Person i. S. d. § 1 BGB, so ist danach zu differenzieren, ob es sich bei ihr um einen unbeschränkt geschäftsfähigen, beschränkt geschäftsfähigen, geschäftsunfähigen oder einen betreuten Menschen handelt.

I. Unbeschränkte Geschäftsfähigkeit Das alleinige Vermögen einer unbeschränkt geschäftsfähigen natürlichen Person unterliegt auch ihrer alleinigen rechtlichen Herrschaftsmacht. Dies gilt namentlich bei Alleineigentum an einer Sache. Dann kann der Treugeber unter Untreuegesichtspunkten mit seinem Vermögen tun und lassen, was er will, und ohne Begrenzungen1 in Dispositionen des Treunehmers einwilligen.

1 Zur (Ir-)relevanz von Sittenwidrigkeit und Drittinteressen als objektive Einwilligungsschranken vgl. 5. Kapitel B. I, II.

A. Natürliche Personen

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IL Beschränkte Geschäftsfähigkeit Ob ein i. S. d. § 107 BGB beschränkt Geschäftsfähiger in eine Vermögenseinbuße, die ihm von einem anderen zugefügt wird, wirksam einwilligen kann, ist seit langer Zeit heftig umstritten. Eine von Lenckner begründete Minderheitsmeinung stellt hierbei das Fehlen der vollen Geschäftsfähigkeit in den Mittelpunkt der Bewertung. 2 Die Entscheidung dürfe für das Strafrecht nicht anders lauten als für das Zivilrecht, das nicht nur bei rechtsgeschäftlichen Dispositionen, sondern auch bei sonstigen Beeinträchtigungen vermögensrelevanter Rechte von beschränkt Geschäftsfähigen die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters - d. h. praktisch zumeist der Eltern (§ 1629 Abs. 1 BGB), zuweilen aber auch des Vormunds (§ 1793 Abs. 1 BGB) - verlange. Die herrschende Meinung hingegen möchte bei Vermögensdelikten nichts anderes gelten lassen als bei den sonstigen Deliktsformen, in denen disponible Individualrechtsgüter auf dem Spiel stehen: Hier wie dort komme es auf die natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit an; überschaue der Minderjährige die Tragweite seiner Entscheidung, könne für Vermögenseinbußen nichts anderes gelten als beispielsweise für Körperverletzungen oder Beleidigungen; die Einwilligung sei nach strafrechtsautonomen Kriterien zu bestimmen.3 Doch kommt es bei der Untreue auf diesen Streit überhaupt an? Jakobs hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die von der herrschenden Meinung vertretene Formel, nach der für das Einverständnis das faktische Vorliegen des Willens ausreiche, für diejenigen Tatbestände missverständlich sei, „bei denen nur ein Wille des nach zivilrechtlichen Grundsätzen Verfügungsbefugten den Tatbestand ausschließt".4 Um einen solchen Tatbestand handelt es sich jedoch bei der Untreue zumindest dann, sofern es um strafrechtlich relevante Treueverhältnisse geht, die rechtsgeschäftlich begründet wurden und deren Wirksamkeit und Umfang sich folgerichtig auch nach den zivilrechtlichen Vorschriften über die Willenserklärungen bemessen muss. Dies räumen die Gegner der Geschäftsfähigkeits-Lösung selbst ein. So kommt beispielsweise Roxin zu dem Ergebnis, dass der Missbrauchstatbestand auch dann erfüllt sei, wenn der Minderjährige eine Zustimmungserklärung erteilt, diese mangels rechtsgeschäftlicher Wirksamkeit die zivilrechtliche Handlungsbefugnis des Vermögensbetreuers nicht erweitere; dass dem Minderjährigen Sinn und Tragweite seiner Entscheidung klar seien, ändere daran nichts.5 Bedeutung erlangt die Kontroverse jedoch dann, wenn es sich um gesetzliche Treueverhältnisse handelt, bei denen das Innenverhältnis nicht durch eine Willenserklärung verändert werden kann, sondern sich dessen Umfang nach anderen Vorschriften, sei es zivil- oder öffentlich-rechtlicher Natur, bemisst. Zu denken wäre 2 Lenckner, ZStW 72 (1960), S. 446,456. 3 So etwa LK-Hirsch, Vor § 32 Rn. 118; Jescheck/Weigend, AT, § 34 IV; Kühl, AT, § 9 Rn. 33; Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 9 Rn. 25; Wessels/Beulke, AT, Rn. 375. 4 Jakobs, AT, 7/106 mit dem Beispiel des § 142 StGB. 5 Roxin, AT I, § 13 Rn. 54.

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

etwa an den Fall, dass Eltern kraft der ihnen gesetzlich eingeräumten Vertretungsmacht einen Vertrag im Namen und mit dem „Plazet" ihres Kindes abschließen und dadurch dessen Vermögen gefährden (z. B. hochriskante Spekulationsgeschäfte). Ein weiteres Beispiel wäre ein vom Minderjährigen im eigenen Namen und ohne Rücksprache mit den Eltern geschlossener Vertrag mit einem Börsenspekulanten, dieses Auftrags Verhältnis jedoch mangels Einwilligung der Eltern schwebend unwirksam 6 (§ 107 Abs. 1 BGB) oder wegen Verweigerung der Genehmigung (§ 108 Abs. 1 BGB) definitiv nicht wirksam zustande gekommen ist; ein Einverständnis des Minderjährigen in ihn betreffende Geschäfte des Spekulanten wäre dann ohne Bezug zu einem wirksamen Innenverhältnis, weshalb ihm strafrechtlicher Schutz nur über die Konstruktion eines tatsächlichen Treueverhältnisses i. S. d. vierten Variante der Treubruchsalternative 7 gewährt werden kann. Da dieser Grundsatzfrage somit auch für die Untreue eine gewisse Relevanz besitzt, bedarf es einer Antwort. Die herrschende Lehre trifft mit dem Argument, dass es widersprüchlich sei, wenn ein Siebzehnjähriger zwar in die Verletzung seines Körpers, nicht aber seines Eigentums oder Vermögens einwilligen könne, auf den ersten Blick einen „wunden Punkt" der Minderheitsmeinung. Doch auf dem zweiten Blick zeigt sich, dass die Möglichkeiten eines Minderjährigen, in Körperverletzungen wirksam einzuwilligen, in ihrer Reichweite begrenzt sind: Bei schwerwiegenden Eingriffen (z. B. Operationen), die über alterstypische, fast schon sozialadäquat zu nennende Verletzungshandlungen (Prügeleien etc.) hinausgehen, genügt die alleinige Zustimmung des Minderjährigen nicht, sondern bedarf es zusätzlich eines Konsenses mit den Eltern. 8 Sodann lebt auch das Zivilrecht mit diesem „Widerspruch", wenn dort für Eingriffe in Vermögensrechte die Geschäftsfähigkeit verlangt wird, für Verletzungen höchstpersönlicher Rechtsgüter hingegen die Einsichtsfähigkeit genügt.9 Daher kann bei letztgenannten Eingriffen von einer wirklich strafrechtsautonomen Bestimmung der Einwilligungsfähigkeit insoweit gar keine Rede sein, da sie in diesem Punkt völlig mit dem Zivilrecht im Einklang steht. Darüber hinaus darf die Eigenart der betroffenen Rechtsgüter und ihre Differenz nicht übersehen werden. Diejenigen geschützten Interessen, die mit dem Begriff „höchstpersönliche Rechtsgüter" umschrieben werden, betreffen Bereiche, 6 D. h. die Parteien können aus dem Rechtsgeschäft keine Rechte und Pflichten ableiten, sind aber daran gebunden; Palandt/Heinrichs, § 108 Rn. 1. 7

Dazu, dass dieses gerade dann in Betracht kommt, wenn ein Betreuungsverhältnis unwirksam ist, vgl. Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 30 und LK-Schünemann, § 266 Rn. 61 ff., wobei beide allerdings nicht explizit den Fall der schwebenden Unwirksamkeit, wie sie im Rahmen des § 108 Abs. 1 BGB angeordnet ist, nennen. 8 Vgl. BGH NJW 1972, 335, 337; MünchKomm-P.Huber, BGB, § 1626 Rn. 39 ff.; Gernhuber/Coester-Waltjen, § 57 VII4. 9 So bleibt etwa - anders als die Einwilligung in eine Operation - die Rechtswirksamkeit eines ärztlichen Behandlungsvertrags mit den daran geknüpften zivilrechtlichen Folgen von der Einwilligung oder Genehmigung der Eltern nach §§ 107, 1626 BGB abhängig; vgl. BGHZ 29, 33, 37 (= NJW 1959, 811); Michalski, in: Erman, § 1626 Rn. 16; MünchKomm-P. Huber, BGB, § 1626 Rn. 45.

A. Natürliche Personen

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die so konstitutiv mit der individuellen Entwicklung und Selbstbestimmung zusammenhängen, dass die Fremdbestimmung (z. B. durch die Eltern) trotz vorliegender Entwicklungsreife des Minderjährigen höchst problematisch wäre und darüber hinaus starre Altersgrenzen an der Sache vorbeigingen. 10 Des Weiteren sorgt die Anknüpfung an die Altersgrenzen der §§ 107 ff. BGB auch im Strafrecht für die Rechtssicherheit, die im Zivilrecht damit verbunden und bezweckt ist. Es ist somit - ohne dass es auf die Entscheidung ankommt, ob die Zustimmung tatbestandsausschließend oder rechtfertigend ist - daran festzuhalten, dass bei Eingriffen in Vermögensrechte eines beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen eine unrechtsbeseitigende Wirkung erst eintritt, wenn die Eltern der Verfügung zugestimmt haben. Für das Strafrecht eine von den zivilrechtlichen „Fesseln" befreite, darüber hinausgehende Entscheidungszuständigkeit des Minderjährigen annehmen zu wollen, erscheint zumindest im Bereich des Vermögensstrafrechts nicht möglich. Dies bedeutet für § 266 StGB, dass die Zuständigkeit für Dispositionen über das Vermögen eines minderjährigen Kindes nicht anders entschieden werden kann als im Zivilrecht: ohne die Zustimmung der Eltern (bzw. des Vormunds) kein wirksames Einverständnis des Minderjährigen. Eine strafrechtliche Relativierung des zivilrechtlichen Minderjährigenschutzes ist nicht angezeigt. Geringe Schäden bzw. ein Alter des Opfers an der Grenze zur Volljährigkeit lassen sich auf der Ebene der Strafzumessung bzw. mit Hilfe der strafverfahrensrechtlichen Instrumentarien (§ 266 Abs. 2 StGB i. V. m. § 248a StGB; §§ 153, 153a StPO) angemessen berücksichtigen. Eine andere Frage ist es, inwieweit den gesetzlichen Vertretern des Minderjährigen bei der Erteilung ihrer Zustimmung zu vermögensschädigenden Dispositionen von Treupflichtigen rechtliche Grenzen gesetzt sind. Hierbei unterstellt das Gesetz selbst bestimmte gefährliche und bedeutsame Geschäfte, die die Eltern kraft ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht vornehmen dürfen, der gerichtlichen Kontrolle, indem sie der familien- oder vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung vorbehalten bleiben;11 dann bedarf aber auch die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters einer entsprechenden gerichtlichen Genehmigung.12 Daneben zeigt die zivilrechtliche Regelung des § 1666 BGB, wann der Staat in den - an sich vor Eingriffen gem. Art. 6 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützten - Bereich der Familie eindringen darf und im Interesse des Kindes ausnahmsweise zur Ausübung eines Wächteramtes berufen ist. Seit 1998 ist der Verstoß gegen die Grundsätze der Vermögenssorge (als Ausprägung der elterlichen Sorge, § 1626 Abs. 1 BGB) ausdrücklich als Tatbestand für familiengerichtliche Maßnahmen (z. B. Entziehung des Sorgerechts, Ersatzpflegschaft) in § 1666 Abs. 1, 2 BGB genannt. Es spricht alles dafür, dass die in § 1666 BGB zum Ausio Vgl. Lenckner, ZStW 72 (1960), S. 446,457. h Z. B. hinsichtlich Grundstücksgeschäften (§§ 1643, 1821 BGB); vgl. nur Rauscher, Rn. 1034 ff. 12 Statt aller Soergel / Hefermehl, § 107 Rn. 15.

2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

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druck gekommene Wertung, namentlich die in § 1666 Abs. 2 Var. 2 BGB als Eingriffsvoraussetzung genannte Verletzung der mit der Vermögenssorge genannten Pflichten, auch die Grenze markiert, ab der die Zustimmung der Eltern wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam ist - und daher den Täter auch nicht von seiner strafrechtlichen Haftung wegen Untreue befreit. Vielmehr kann dann die Zustimmung sogar eine strafbare Beteiligung der Eltern an der Haupttat des Treupflichtigen darstellen, nämlich in Form der (Mit-)täterschaft und nicht bloß wegen Anstiftung oder Beihilfe. 13 Des Weiteren können die Eltern kraft der ihnen gesetzlich auferlegten elterlichen Sorge (§ 1626 BGB) und der damit ausgelösten strafrechtlichen Treupflicht 14 selbst Täter einer Untreue sein, wenn sie über das Vermögen ihres Kindes disponieren und dabei gegen diejenigen Grundsätze verstoßen, die eine ordentliche Vermögenssorge kennzeichnen. Dies wäre etwa der Fall, wenn sie ihr eigenes Vermögen mit dem des Kindes vermischen, das Geld des Kindes entgegen § 1642 BGB nicht nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung anlegen oder das Kindesvermögen für den eigenen Unterhalt bzw. die Tilgung eigener Schulden verwenden. 15 Auch hier sind die Entscheidungszuständigkeiten im Zivilrecht klar verteilt und für das Vermögensstrafrecht verbindlich: Ein etwaiges Einverständnis des Minderjährigen hinsichtlich der ihn betreffenden Dispositionen der Eltern ist ohne Belang; 16 bei vermögensgefährdenden Maßnahmen der Eltern sollen gerade diejenigen entscheiden und eingreifen können, die nach § 1666 BGB dazu berufen sind, und nicht der zu Schützende. Selbstverständlich können auch strafrechtlich die eben angedeuteten familiengerichtlichen Zustimmungsvorbehalte nicht durch die Konstruktion eines Einverständnisses des Kindes überspielt werden. Auch kann bei Eltern als Tätern oder Teilnehmern einer Untreue, die als „Haus- und Familienuntreue" gem. § 266 Abs. 2 StGB i. V. m. § 247 StGB ein Antragsdelikt wäre, der Strafantrag nur durch einen vom Vörmundschaftsgericht bestellten Ergänzungspfleger (§ 1909 BGB) gestellt werden; 17 denn die gesetzliche Regel des § 77 Abs. 3 StGB greift in den Fällen, in denen die Eltern selbst an einer Straftat beteiligt sind, nicht ein, sondern schließt sie vielmehr von der Vertretung aus.18

13 Dazu 1. Kapitel D. I. 2. 14 LK-Schünemann, § 266 Rn. 48, 123; zur entsprechenden Treupflicht des Vormunds BGH NJW 1990, 3129. 15 Beispiele aus der Kommentarliteratur zu § 1666 Abs. 2; vgl. MünchKomm-O/zen, BGB, § 1666 Rn. 40; Palandt/Diederichsen, § 1666 Rn. 44. 16 Dies gilt auch in rechtsgeschäftlicher Hinsicht; vgl. BayObLG FamRZ 1994, 1191, 1193; MünchKomm-Olzen, BGB, § 1666 Rn. 141. 17 18

Einzelheiten bei LK-Schünemann, § 266 Rn. 181. Stree/Sternberg-Lieben, in: Schänke /Schröder,

§ 77 Rn. 21.

A. Natürliche Personen

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III. Geschäftsunfähige Konsequenterweise kann für die Entscheidung, ob die Zustimmung einer zum Kreis der in § 104 BGB genannten Geschäftsunfähigen gehörenden Person strafrechtlich relevant ist, nichts anderes gelten als bei dem Einverständnis eines beschränkt Geschäftsfähigen: Der Nichtigkeit von Willenserklärungen eines Geschäftsunfähigen gem. § 105 Abs. 1 BGB korrespondiert die Unbeachtlichkeit seiner Zustimmung für die strafrechtliche Haftung des Täters wegen einer Vermögensstraftat.

IV. Die familienrechtliche Betreuung 1. Zustimmung des Betreuten Für die Entscheidung, ob ein Betreuter i. S. d. § 1896 BGB überhaupt ein wirksames Einverständnis erteilen kann, ist darauf abzustellen, ob er im Hinblick auf die fragliche Disposition als geschäftsfähig anzusehen ist. Als Betreute kommen nur körperlich, geistig oder seelisch behinderte Menschen in Betracht, die volljährig und damit - wie alle Volljährigen nach BGB-Grundsätzen - grundsätzlich als geschäftsfähig anzusehen sind. Denn die Anordnung der Betreuung hat keinen Einfluss auf die Geschäftsfähigkeit; 19 auch ist die Bestellung eines Betreuers davon unabhängig, ob der Betreute geschäftsunfähig oder geschäftsfähig ist. 20 Der Betreuung kommt vielmehr (nur) gem. § 1896 Abs. 1 BGB die Funktion zu, dass jemand für einen anderen diejenigen Dinge besorgt, die er wegen einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung selbst nicht erledigen kann. 21 Ein behinderter Mensch aus der Gruppe der geschäftsfähigen Betreuten kann somit in pflichtwidrige Maßnahmen des Treupflichtigen ebenso einwilligen wie ein nichtbehinderter geschäftsfähiger Mensch. Allerdings muss namentlich bei psychisch und/oder geistig behinderten Menschen ein besonderes Augenmerk darauf gerichtet werden, ob sie trotz ihrer Geschäftsfähigkeit im konkreten Fall wirklich die Bedeutung und Tragweite ihrer Entscheidung überblickt haben. Hier ist sorgfältig darauf zu achten, ob der Betreute nicht doch beispielsweise seine Zustimmung zu einem „finanziellen Abenteuer" erteilt hat, ohne die Risiken für sein Vermögen wirklich überschaut zu haben.

19 Palandt/Heinrichs, Einf. v. § 104 Rn. 2; Bienwald, in: Staudinger, Vorbem. §§ 1896 ff. Rn. 40; MünchKomm-Schwab 3, BGB, § 1896 Rn. 75. 20 Jürgens, § 1903 BGB Rn. 4. 21 Vgl. Bienwald, BetreuungsR, § 1896 BGB Rn. 67.

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

2. Zustimmung des Betreuers Besteht beim Betreuten jedoch eine natürliche Geschäftsunfähigkeit i. S. d. § 104 Nr. 2 BGB, ist - ebenso wie bei einem Kind unter 7 Jahren - die Zustimmung ohne strafrechtlichen Belang. Hier kann allein der Betreuer als gesetzlicher Vertreter des Betreuten (§ 1902 BGB) ein strafbarkeitsausschließendes Einverständnis bezüglich der Disposition eines treupflichtigen Dritten erteilen. Dabei hat der Betreuer diejenigen Grundsätze zu befolgen, an die er ebenso gebunden ist, wenn das Gericht für rechtsgeschäftliches Handeln des Betreuten einen Einwilligungsvorbehalt gem. § 1903 BGB angeordnet hat: Er muss das Gebot beachten, die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht (§ 1901 Abs. 1 S. 1 BGB). Dabei bedeutet „Wohl" nicht nur Fürsorge und Schutz, sondern auch die Ermöglichung selbständigen Lebens nach den Vorstellungen und Wünschen des Betreuten (§ 1901 Abs. 2 S. 2 BGB), wodurch im Innen Verhältnis für den Betreuer ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen objektiv gefassten „Paternalismus" und der Pflicht entsteht, den subjektiv definierten und damit u. U. unvernünftigen, auch Vermögensrisiken oder Vermögensschäden auslösenden Wünschen des Betreuten zu entsprechen.22 Hinsichtlich der strafrechtlichen Bewertung der Zustimmung ist zu beachten, dass der Betreuer selbst gegenüber dem Betreuten vermögensbetreuungspflichtig ist. 23 Er kann sich daher der Treubruchsuntreue und, sofern er sich seiner gesetzlich eingeräumten Vertretungsmacht nach § 1902 BGB bedient,24 einer Missbrauchsuntreue schuldig machen. Sofern sein Einverständnis rechtsmissbräuchlich ist, was bei einem Verstoß gegen § 1901 Abs. 1, 2 BGB der Fall sein kann, begeht er dadurch selbst täterschaftlich 25 eine Untreue.

B. Gesamthandsgemeinschaften und Bruchteilsgemeinschaften I. Gesamthandsgemeinschaften 1. Die zivilrechtliche Vermögens- und Haftungsstruktur Die handelsrechtlichen Personengesellschaften und das ihnen zugrunde liegende Institut der BGB-Gesellschaft 26 zeichnen sich - im hier interessierenden Zusam22 Zur Subjektivität des Begriffs „Betreutenwohls" und zur Selbstschädigung als Bindungsgrenze vgl. Bienwald, in: Staudinger, § 1901 Rn. 25 ff.; Palandt/Diederichsen, § 1901 Rn. 5 ff.; MünchKomm-Schwab, BGB, § 1901 Rn. 8. 2 3 Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 266 Rn. 25; vgl. auch OLG Stuttgart NJW 1999, 1564 (betr. Abwicklung des Betreuungsverhältnisses nach Tod des Betreuten). 24

Was etwa bei der Erteilung der Zustimmung in ein unter Einwilligungsvorbehalt stehendes Geschäft der Fall sein kann; vgl. Bienwald, BetreuungsR, § 1902 BGB Rn. 21. 2 5 Vgl. 1. Kapitel D. I. 2.

B. Gesamthandsgemeinschaften und Bruchteilsgemeinschaften

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menhang - dadurch aus, dass das Gesellschaftsvermögen gesamthänderisch gebunden ist. Für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts bedeutet dies, dass der einzelne Gesellschafter - im Unterschied zur Bruchteilsgemeinschaft - nicht über seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen und den einzelnen dazugehörenden Gegenständen verfügen kann (§718 BGB), weil nur die Gesellschafter gemeinsam über das Vermögen als Ganzes sowie einzelne Teile davon verfügen können (§719 Abs. 1 BGB). Nichts anderes gilt im Wesentlichen für die Offene Handelsgesellschaft (§ 105 Abs. 3 HGB), die Kommanditgesellschaft (§§161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB; nicht jedoch die Kommanditgesellschaft auf Aktien, KGaA, die gem. § 278 AktG eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, sowie entsprechend die GmbH & Co KGaA), die GmbH & Co KG, 21 die durch das Partnerschaftsgesetz 1994 für Freiberufler geschaffene sog. Partnerschaft (§ 1 Abs. 4 PartnerschaftsG), 28 die Europäische Wirtschaftliche Interessengemeinschaft (EWIV), 2 9 die Vorgründungsgesellschaften von Kapitalgesellschaften (z. B. einer Vör-GmbH), die ebenfalls regelmäßig als BGB-Gesellschaften anzusehen sind, die Erbengemeinschaft nach § 2032 BGB oder den nichtrechtsfähigen Verein? 0 Für die Schulden der Gesellschaft haften die Gesellschafter in der Regel gesamtschuldnerisch mit ihrem eigenen Vermögen, so z. B. die Gesellschafter einer OHG gem. § 128 HGB und diejenigen einer KG gem. §§ 161 Abs. 1, 171 HGB. Denn Gesamthandsgemeinschaften sind keine juristischen Personen mit einer entsprechenden Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen. Das Gesellschaftsvermögen der Gesamthandsgemeinschaft erlangt eine gewisse rechtliche Verselbständigung, die anerkanntermaßen bei der OHG und KG dazu führt, dass diese als teilrechtsfähig anzusehen sind, 31 während dies bei der BGBGesellschaft - insbesondere im Hinblick auf die Haftungsmassen für Verbindlichkeiten der Gesellschaften - seit langem als eine der „schwierigsten und umstrittensten Fragen der gegenwärtigen Zivilrechtsdogmatik" 32 äußerst kontrovers diskutiert wird. 33 Allerdings wird nunmehr in der jüngsten BGH-Rechtsprechung die 26 Der BGB-Gesellschaft kommt aufgrund der in §§ 105 Abs. 2,161 Abs. 2 HGB angeordneten Verweisungen eine Auffangfunktion gegenüber den Personengesellschaften des Handelsrechts zu; vgl. nur Schücking, in: Münch. Handb. GesR, § 1 Rn. 14. 27 Zur GmbH & Co KG vgl. sogleich 2. Kapitel B. I. 4. und C. IV. 4. 28 Diese neue Form der Personengesellschaft als „freiberufliche Schwester der OHG" hat etwa bei Rechtsanwälten, Steuerberatern oder Ärzten eine wachsende praktische Bedeutung erlangt; vgl. etwa Grunewald, S. 170 ff.; Seibert, in: Münch. Handb. GesR, §§ 30 ff. 29 Vgl. etwa Hueck, § 12 II 2, 14 V 1 (OHG), 18 I I 1, V 3 (KG) sowie Eisenhardt, Rn. 75a (EWIV). 30 Vgl. Palandt/Heinrichs, Vor § 21 Rn. 2 u. § 54 Rn. 7. 31 Vgl. etwa die OHG und KG, die gem. §§ 124, 161 Abs. 2 HGB unter ihrem Firmennamen Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, dingliche Rechte an Grundstücken erwerben sowie klagen und verklagt werden können. 32 K Schmidt, GesellschaftsR, § 8 III 4. 33 Nach der früher herrschenden sog. Theorie der Doppelverpflichtung tritt der handelnde Gesellschafter im Namen der teilrechtsfähigen Gesellschaft, im eigenen Namen und demjeni6 Schramm

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

Teilrechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts anerkannt und mithin deren Status demjenigen einer OHG (§ 124 HGB) angeglichen; nach der insoweit vom BGH übernommenen sog. Akzessorietätstheorie 34 wird damit im Außenverhältnis nur die Gesellschaft, nicht aber zugleich der Gesellschafter verpflichtet, während die Gesellschafter allerdings mit ihrem Privatvermögen kraft Gesetzes gem. § 128 HGB analog für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (i. d. R. gesamtschuldnerisch) haften. 35

2. Der treupflichtige Personenkreis und die Möglichkeit der Missbrauchsuntreue Als vermögensbetreuungspflichtig bei Gesamthandsgemeinschaften sind namentlich diejenigen anzusehen, die Geschäftsführungsbefugnisse innehaben. Dies sind vor allem die geschäftsführenden Gesellschafter, 36 beispielsweise bei der OHG alle Gesellschafter (§ 125 HGB), bei der KG der Komplementär (§ 164 HGB), bei der GmbH & Co KG entsprechend der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und bei der KGaA der Vorstand der Komplementär-Aktiengesellschaft. Daneben kann es, etwa bei einer Personenhandelsgesellschaft, treupflichtige faktische Geschäftsführer 37 oder andere Personen geben, die Aufgaben übernommen haben, die eine Treupflicht auslösen können (z. B. Prokuristen nach § 49 HGB). Es muss allerdings angesichts der Teilrechtsfähigkeit der meisten Gesamthandsgemeinschaften die Frage aufgeworfen werden, ob in den Fällen, in denen der geschäftsführende Gesellschafter im Außenverhältnis im Namen der Gesellschaft gehandelt hat, d. h. aufgrund der (Teil-)Rechtsfähigkeit z. B. der OHG und KG nur die Gesellschaft, nicht aber die Gesellschafter verpflicht hat, überhaupt noch eine Missbrauchsuntreue begehen kann. Wenn, wie dies hier vertreten wird, das Vermögen der Gesellschaft im strafrechtlichen Sinne dasjenige der Gesellschafter ist, die Gesellschafter aber bei einem Handeln für die Gesellschaft nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen gar nicht im Außenverhältnis berechtigt oder verpflichtet werden können (sondern nur die Gesellschaft), so kann auch, sofern nicht andergen der anderen Gesellschafter auf (in diesem Sinne etwa H. P Westermann, in: Erman, § 714 BGB Rn. 10; MünchKomm-Ulmer 3, BGB, § 714 Rn. 26). 34 Vgl. BGH NJW 2001, 1056 m. Anm. K Schmidt, NJW 2001, 993 und Timme/Hülk, JuS 2001, 536; Flume, Personengesellschaft, §§ 4, 5; Grunewald, Kap. 1. A. Rn. 54 f.; mit Einschränkungen auch K Schmidt, GesellschaftsR, § 8 III 4 d). 35 Diese Haftung der Gesellschafter kraft Gesetzes ist deutlich gläubigerfreundlicher als die frühere Bewertung auf der Grundlage der Doppelverpflichtungstheorie; vgl. MünchKomm-Ulme?, BGB, § 714 Rn. 28. 36 Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 266 Rn. 25. 3 7 BGHSt 34, 221, 222. Zur entsprechenden Problematik bei der GmbH 2. Kapitel C. IV. 2. a).

B. Gesamthandsgemeinschaften und Bruchteilsgemeinschaften

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weitig im Außenverhältnis wirksam (auch) für die Gesellschafter gehandelt wird, keine Missbrauchsuntreue zum Nachteil der Gesellschafter begangen werden. Die (analoge) Anwendung des § 128 HGB auf Gesamthandsgemeinschaften begründet nur die Haftung der Gesellschafter für die Schuld der Gesellschaft, nicht aber eine Vertretungs- und Verpflichtungsbefugnis i. S. der 1. Alternative des § 266 Abs. 1 StGB. Die dogmatische Differenzierung von Schuld und Haftung, wie sie das Zivil- und Zwangsvollstreckungsrecht kennt, 38 muss daher auch beim Missbrauchstatbestand zum Tragen kommen. Dies führt indes nicht zu Strafbarkeitslücken, da hier statt dessen eine Treubruchsuntreue zum Nachteil der einzelnen Gesellschafter in Betracht kommen kann (etwa wegen einer pflichtwidrigen Maßnahme, die wegen der persönlichen Haftung der Gesellschafter eine Gefährdung ihres Vermögens auslöst).

3. Der Kreis der Geschädigten und Dispositionsbefugnis Für die strafrechtliche Bewertung der Untreue im Zusammenhang mit Gesamthandsvermögen ist insbesondere von Bedeutung, wer bei pflichtwidrigen Dispositionen (etwa eines treupflichtigen Geschäftsführers einer KG) als Geschädigter anzusehen ist und, logisch vorrangig, auf welche Person sich die Treupflicht überhaupt bezieht. Diese Entscheidung hängt davon ab, welcher zivilrechtliche Wertungsgesichtspunkt als maßgeblich für die Untreue angesehen wird. Eine Minderheitsmeinung stellt dabei für bestimmte Formen der Gesamthandsgemeinschaften deren Teilrechtsfähigkeit in den Mittelpunkt; es bestehe eine Treupflicht gegenüber der Gesellschaft, deren Vermögenseinbuße als relevanter Maßstab für den Vermögensschaden gelten müsse.39 Darüber hinaus stehe bei entsprechendem kriminalpolitischen Bedürfnis wenig entgegen, im Wege der Rechtsfortbildung einen eigenständigen strafrechtlichen Schutz des Vermögens einer KG zu verwirklichen. 40 Die herrschende Meinung hingegen drängt den Aspekt der Teilrechtsfähigkeit in den Hintergrund und betont den zum Ausdruck kommenden Mangel an Rechtsfähigkeit; folgerichtig komme es bei der Schadensfeststellung darauf an, ob nicht die Gesellschaft, sondern der einzelne Gesellschafter einen Nachteil erlitten habe.41

38 Vgl. etwa Timme/Hülk, JuS 2001, S. 536. 39 So H Schäfer, NJW 1983, S. 2850 f., für die KG; ebenso für die Vor-GmbH C. Schäfer, GmbHR 1993, S. 719 ff., sowie Hentschke, S. 150, 222: selbständiger Vermögensträger mit vor dem Zugriff des Geschäftsführers bzw. Gesellschafters geschütztem Stammkapital. 40 So Tiedemann, in: Scholz, Vor §§ 82 ff. GmbHG Rn. 26, 27. Ein solches Schutzbedürfnis erkennt Tiedemann aber bislang noch nicht. 41 Aus der Rspr. exemplarisch BGHSt 34, 22 und NJW 2003, 2996 (GmbH & Co KG), BGH wistra 1984, 71 (KG), BGH wistra 92, 25 (GmbH-Vorgesellschaft); aus dem Schrifttum z. B. Lackner/Kühl, § 266 Rn. 3; Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 39; LK-Schünemann, § 266 Rn. 140. 6*

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

Um diesen Streit entscheiden zu können, sind zunächst die unterschiedlichen Tatbestandsebenen der Untreue in das Blickfeld zu rücken. In Fragen gekleidet: 1. Wessen Vermögen hat der Täter zu betreuen? 2. Welchem Vermögen fügt der Täter einen Schaden zu? 3. Wer gestaltet das vermögensbezogene Innenverhältnis zwischen Betreutem und Betreuer? Die beiden ersten Fragen können freilich nicht unterschiedlich beantwortet werden: Derjenige, über dessen Vermögen der Täter die Verpflichtungs- oder Verfügungsbefugnis hat (1. Alternative des § 266 StGB) bzw. derjenige, dessen Vermögensinteressen er wahrzunehmen hat (2. Alternative des § 266 StGB), kann kein anderer sein als derjenige, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat (Nachsatz für beide Alternativen), dem er mithin einen Vermögensnachteil zufügen muss. Hingegen ist es ein ganz geläufiges Phänomen bei der Untreue, dass derjenige, der die Definitionsmacht für den Inhalt der Pflichtenbindung im Innenverhältnis besitzt, eine andere Person sein kann als derjenige, um dessen Vermögensinteressen es geht (z. B. im Verhältnis zwischen Eltern und Kindesvermögen oder im Verhältnis zwischen den Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft und dem Gesellschaftsvermögen). Entscheidend im Zusammenhang mit der Gesamthandsgemeinschaft ist damit die Frage, wem gegenüber der Täter treupflichtig ist. Die Fremdheit des Vermögens ist ein Begriff, der in Relation zu zwei Bezugsgrößen zu sehen ist. Zum einen kennzeichnet der Gesetzesterminus das Verhältnis des Treupflichtigen zum betreuten Vermögen: ein Vermögen, über das eine Person die alleinige Verwaltungs- und Verfügungskompetenz mit einer nur ihr zustehenden Bestimmungsmacht hinsichtlich des Innenverhältnis besitzt, ist für sie nicht fremd. Zum anderen dient er zugleich der näheren Bestimmung des Vermögensträgers, wenn nicht nur eine Person, sondern mehrere Zurechnungssubjekte hierfür in Frage kommen und entschieden werden muss, wer von ihnen der „Fremde" ist, dessen Vermögen der Täter zu betreuen hat. Bei der Entscheidung im Hinblick auf die Gesamthandsgemeinschaft muss aber der Aspekt ihrer mangelnden Rechtsfähigkeit in den Vordergrund gerückt werden. Teilrechtsfähigkeit bedeutet eben, wie auch im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum hervorgehoben wird, nicht, dass aus der OHG, KG, GmbH & Co KG oder der Gesellschaft bürgerlichen Rechts praktisch eine juristische Person des Privatrechts wird, 42 mit der eine Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftskapital einhergeht. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall: die persönliche Haftung der Gesellschafter bleibt gerade bestehen.43 Auch der Umstand, dass nur die geschäftsführenden Gesellschafter als Kaufleute im Rechtsverkehr auftreten, 44 nicht dagegen die Gesellschaft, ist Ausdruck der personalistischen Struktur der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Insbesondere der Haftungsaspekt, d. h. diese - über den Gesellschafteranteil weit hinausgehende - Dimension des Schadens macht es erforderlich, den 42 Vgl. Grunewald, Kap. 1. A. Rn. 54. 43 Röhricht, Diskussion 2003, S. 4. 44 Vgl. nur OLG Karlsruhe NJW-RR 1991, 493.

B. Gesamthandsgemeinschaften und Bruchteilsgemeinschaften

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einzelnen Gesellschafter als fremden Vermögensträger anzusehen, da andernfalls ein Schadenserfolg aus dem tatbestandlichen Unrecht herausgenommen würde, der in einem untrennbaren und unmittelbaren Zusammenhang mit der Treupflichtverletzung steht.45 Zu Recht hat daher der BGH für die Schadensberechnung bei betreutem Gesamthandsvermögen gefordert, dass nicht allein die Beeinträchtigung des jeweiligen Gesellschaftsanteils, sondern darüber hinaus derjenige Schaden, der dem Gesellschafter aufgrund seiner persönlichen Haftung entstehen kann, berücksichtigt werden muss.46 Soweit im Einzelfall nur das Gesellschaftsvermögen betroffen ist und eine darüber hinausgehende Schädigung des übrigen Vermögens des Gesellschafters nicht eingetreten ist (so z. B. bei Kommanditisten einer KG, die nur mit ihrem Gesellschaftsanteil haften), 47 ist der einzelne Gesellschaftsanteil ebenfalls den Gesellschaftern rechtlich als ihr Vermögen zuzuordnen, da gesamthänderisch gebundenes Vermögen nicht einem rechtsfähigen Subjekt zugerechnet werden kann. Eine das Gesellschaftsvermögen mit Zustimmung aller Gesellschafter vermindernde Maßnahme ist daher nicht missbräuchlich i. S. d. 1. Alternative und auch nicht pflichtwidrig i. S. d. 2. Alternative des § 266 StGB. 48 Hieraus folgt zugleich zwingend, dass es für ein tatbestandsausschließendes Einverständnis nicht auf einen auf das Vermögen der Gesamthand bezogenen, gemeinsamen Entscheidungsprozeß aller Gesellschafter einer Gesamthandsgemeinschaft ankommt, sondern vielmehr singulär festgestellt werden muss, ob der einzelne Gesellschafter in die sein jeweiliges Vermögen belastende Maßnahme des Treupflichtigen eingewilligt hat. 4. Bankrott bei Konsens Die hier interessierenden Komplexe der Untreue müssen auch im Zusammenhang mit den insolvenzstrafrechtlichen Tatbeständen der §§ 283 ff. StGB gesehen werden. Handelt der Geschäftsführer einer Personenhandelsgesellschaft im Konsens mit allen übrigen Gesellschaftern, stellt sich die Frage, ob er sich statt einer 45 So z. B. bei einer treuwidrigen Begründung von Verbindlichkeiten, die mit Hilfe des bloßen Gesellschaftsvermögens nicht beglichen werden können und daher auch das übrige Vermögen der Gesellschafter belasten. - Dazu, dass für eine GmbH & Co KG nichts anderes gelten kann, vgl. Tiedemann, in: Scholz, Vor §§ 82 ff. GmbHG Rn. 26. 4 6 Besonders deutlich in BGHR § 266 Abs. 1 Nachteil 3. 47

Ebenso muß die Entscheidung lauten für den nichtrechtsfähigen Verein, der ebenfalls eine Gesamthandsgemeinschaft ist (§ 54 S. 1 BGB), und bei dem die Haftung allein auf das Sondervermögen beschränkt ist, sofern es sich um einen Idealverein handelt (Palandt/Heinrichs, § 54 Rn. 12; K. Schmidt, GesellschaftsR, § 25 III 2 a). Nichts anderes kann auch für eine GmbH vor ihrer Eintragung in das Handelsregister gelten (BGH wistra 1992, 25; and. etwa Hentschke, S. 150, 222), die überwiegend als BGB-Gesellschaft eingestuft wird (BGHZ 80, 129, 135 [= NJW 1981, 1373]). 4 « Vgl. BGHSt 3, 23, 25; BGH wistra 1988, 113, 115; Reiß, wistra 1989, S. 83.

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

Untreue wegen eines Insolvenzdelikts, z. B. eines Bankrotts gem. § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB, schuldig machen kann. Man denke etwa an den Fall, dass der Komplementär einer KG in einer Krisensituation der Gesellschaft mit der Zustimmung aller übrigen Gesellschafter Vermögensgegenstände beiseite schafft, z. B. Firmengelder oder die Büroausstattung der KG seinem Privatvermögen einverleibt. Die Antwort hängt entscheidend davon ab, ob überhaupt und, falls ja, unter welchen Bedingungen die Zurechnungsnorm des § 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB auf Personenhandelsgesellschaften anwendbar ist.

a) Anwendbarkeit des § 14 StGB? Es ist bereits im Grundsatz umstritten, ob § 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB, trotz seines an sich eindeutigen Wortlauts, für vertretungsberechtigte Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft, namentlich im Rahmen der Insolvenzdelikte, zur Anwendung gelangt. Dies wird von der herrschenden Lehre für § 283 StGB überwiegend mit der überzeugenden Begründung verneint, dass die Gesellschafter selbst bereits unmittelbare Schuldner der geschützten Gläubiger seien (vgl. §128 HGB) und zudem von den Insolvenzgründen sowie der objektiven Bedingung der Strafbarkeit (§ 283 Abs. 6 StGB) direkt betroffen seien.49 Die Gegenansicht begründet hingegen die Anwendung des § 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB auch auf Personenhandelsgesellschaften mit dessen Wortlaut, der insolvenzrechtlich angeordneten Schuldnereigenschaft von Personenhandelsgesellschaften in § 11 Abs. 2 Nr. 2 InsO und der andernfalls ungerechtfertigten Benachteilung von Kommanditisten einer KG, die nicht unter § 14 StGB fallen können.50 Nach der Rechtsprechung soll zumindest auf Kommanditgesellschaften § 14 StGB anwendbar sein, was etwa dann der Fall ist, wenn ein Kommanditist faktischer Geschäftsführer der KG ist. 51 Dieser Streit ist keineswegs nur von akademischer, sondern erheblicher praktischer Bedeutung,52 setzt doch die Anwendbarkeit des § 14 StGB nach herrschender Meinung zusätzlich voraus, dass der Täter im (wirtschaftlichen) Interesse der vertretenen Gesellschaft gehandelt haben muss, was bei egoistischem Handeln des vertretungsberechtigten Gesellschafters an sich verneint werden müsste.53 Allerdings bejaht der BGH - in Modifikation der von ihm favorisierten, aber zu 49 Vgl. etwa Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 14 Rn. 20/21; Winkelbauer, wistra 1986, S. 18; ders. JR 1988, S. 34. 50 Vgl. Bieneck, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 77 Rn. 9; LK-Tiedemann, Vor § 283 Rn. 65. 51 BGH wistra 1987, 217. 52 Vgl. Winkelbauer, wistra 1986, 18. 53 Vgl. dazu etwa BGHSt 30, 127; BGHSt 34, 221; Bieneck, in: Müller-Gugenberger/ Bieneck, § 77 Rn. 21 ff.

B. Gesamthandsgemeinschaften und Bruchteilsgemeinschaften

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kritisierenden 54 Interessentheorie - das erforderliche Handeln im Interesse der Gesellschaft bereits dann, wenn bei einer KG der Täter im Einverständnis mit allen Gesellschaftern handelt, mag der Täter dabei auch eigennützige Interessen verfolgen. 55

b) Die GmbH & Co KG Komplizierter ist die insolvenzstrafrechtliche Situation bei der GmbH & Co KG. Denn einerseits handelt es sich bei ihr an sich um eine Personenhandelsgesellschaft; andererseits ist Komplementärin der KG eine GmbH und deren Geschäftsführer ist zugleich der vertretungsberechtigte Gesellschafter der GmbH & Co. KG. In diesem Fall kommt es zu einer zweistufigen 56 Zurechnung der von § 283 StGB vorausgesetzten Schuldnereigenschaft des Täters. Zunächst ist die GmbH als Komplementärin und damit über § 14 Abs. I Nr. 2 StGB als geschäftsführungsberechtigte, formal unbeschränkt haftende Schuldnerin anzusehen. Über § 14 Abs. I Nr. 1 StGB wird dann das Schuldnermerkmal auf den Geschäftsführer der GmbH übergewälzt, der damit strafrechtlich haftender Geschäftsführer der GmbH und der GmbH & Co KG zugleich ist. Handelt dieser im Interesse oder Einverständnis aller Gesellschafter der KG, kommt nach der Rechtsprechung im Rahmen einer GmbH & Co KG (ebenso wie bei der KG) eine Bestrafung nach § 283 StGB i. V. m. § 14 StGB in Betracht. 57 Fehlt es jedoch am Einverständnis aller oder einzelner Gesellschafter, ist vielmehr - wie bei den anderen Personenhandelsgesellschaften - nicht der Tatbestand des Bankrotts einschlägig, sondern nur eine Untreue zum jeweiligen Nachteil des nicht konsentierenden KG-Gesellschafters denkbar. 58 Beispiele dafür wären unberechtigte Entnahmen durch den Geschäftsführer, die Zahlung unzulässiger Provisionen oder der Abschluss ungünstiger Verträge. 59 Davon strikt zu trennen ist die Frage, ob sich der GmbH & Co KG-Geschäftsführer bei vorliegendem Konsens aller GmbH-Gesellschafter auch im Hinblick auf die GmbH als Geschädigte wegen eines Bankrotts oder einer Untreue zum Nachteil der GmbH als Komplementärin strafbar machen kann. Hier ist dann auf die Grundsätze zurückzugreifen, die für die Untreue zum Nachteil einer GmbH gelten.60 54 Vgl. dazu 2. Kapitel C. III. 4. i). 55 BGHSt 34, 222, 223 mit krit. Bspr. Weber, StV 1988, S. 16 und Winkelbauer, JR 1988, S. 33. 56 Vgl. Bieneck, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 77 Rn. 10, 30; LK-Tiedemann, Vor § 283 Rn. 65. 57 BGH wistra 1984, 71; Schaal, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Vor §§ 82- 85 GmbHG Rn. 28. 58 Einzelheiten unter 2. Kapitel C. III. 4. 59 Vgl. Schmid, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 28 Rn. 74 m. w. N. zur Rspr. 60 Vgl. 2. Kapitel, C. III. 4. c).

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

II. Bruchteilsgemeinschaften Soweit es sich um eine Bruchteilsgemeinschaft handelt, etwa bei Miteigentum an dem geschützten Objekt, so ist der Vermögensgegenstand mehreren (natürlichen oder juristischen) Personen rechtlich zugeordnet. Hier kommt sowohl eine Treupflicht der Teilhaber untereinander 61 als auch eine Treupflicht eines Dritten gegenüber den Teilhabern in Betracht. Sofern sich die Treupflicht des Täters auch auf die anderen Teilhaber (z. B. Miteigentümer) erstreckt, so müssen alle Teilhaber ihr Einverständnis erklären, wenn der Treunehmer über den Gegenstand als Ganzen verfügen möchte (vgl. § 747 S. 2 BGB). Sofern der Treunehmer nur über einzelne Anteile verfügt, kommt, da jeder Teilhaber einer Bruchteilsgemeinschaft über seinen Anteil gem. § 747 S. 1 BGB disponieren kann, nur denjenigen gegenüber eine Untreue in Betracht, die nicht mit der Verfügung über ihren Anteil einverstanden waren.

C. Juristische Personen des Privatrechts I. Der eingetragene Idealverein Am Beginn der Erörterungen zur Dispositionsbefugnis bei den juristischen Personen des Privatrechts soll der eingetragene Verein mit nichtwirtschaftlicher Zielsetzung, mithin der vereinsrechtliche „Normalfall" i. S. d. § 21 BGB, stehen.62 Dieser sei auch deshalb an die Spitze gestellt und nachfolgend ausführlicher analysiert, weil der eingetragene Verein mit seiner körperschaftlichen Struktur das typologische Modell für Kapitalgesellschaften wie die Aktiengesellschaft oder GmbH bildet 63 und daher die für den Verein entwickelten Lösungen für Probleme des Einverständnisses bei der Untreue auch als Vorlagen für entsprechende Komplexe bei Kapitalgesellschaften dienen können. Hierzu bedarf es zunächst eines Blicks auf den Kreis der treupflichtigen Personen in einem Verein, um sodann die Frage nach den Möglichkeiten eines Einverständnisses zu erörtern.

1. Der treupflichtige Personenkreis Keinem Zweifel kann es unterliegen, dass der Vorstand des Vereins und insbesondere der Vereinsvorsitzende dem Verein gegenüber vermögensbetreuungspflichtig ist. 64 Der Vorstand ist zur ordnungsgemäßen Vermögensverwaltung, d. h. 61 LK-Schünemann, § 266 Rn. 123. 62

Zum nichtrechtsfähigen Verein, dessen Vermögen gesamthänderisch gebunden ist, vgl. 2. Kapitel B. I. 63 Larenz/Wolf, AT, § 9 Rn. 56, 58.

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zur Erhaltung und Vermehrung des Vereinsvermögens unter Beachtung der satzungsmäßigen Zwecke des Vereins verpflichtet; darin besteht gerade eine der wesentlichen Aufgaben des Vorstands.65 Es handelt sich dabei um ein treuhänderisches Verhältnis, das zugleich den Charakter einer Geschäftsbesorgung i. S. d. § 675 BGB trägt 66 und damit auch den etwas strengeren Anforderungen der herrschenden Lehre für die Vermögensbetreuungspflicht beim Treubruchstatbestand genügt. Wie weit diese Treupflicht reicht, hängt von der konkreten Satzung des Vereins (vgl. § 30 BGB) und den übrigen Umständen des Einzelfalls ab. Insbesondere kann es - was namentlich bei Großvereinen der Fall ist 6 7 - eine Aufteilung der Geschäftsführung nach Sachgebieten geben; sofern demnach neben dem Vorsitzenden zudem ein geschäftsführender Vorstand oder ein Schatzmeister, Vereinskassierer o. dgl. bestellt wurde, ist ihnen in aller Regel, im Rahmen ihres Ressorts und meist intern in einer Geschäfts- oder Vereinsordnung geregelt, 68 in besonderer Weise die Wahrung der Vermögensinteressen des Vereins anvertraut worden, so dass auch sie (anstelle oder neben dem Vereinsvorstand) vermögensbetreuungspflichtig und Täter einer Untreue sein können. Als gesetzlicher Vertreter des Vereins (§ 26 Abs. 2 BGB) kann sich der Vereinsvorstand durch im Außenverhältnis wirksames Handeln einer Missbrauchsuntreue schuldig machen, sei es (nur) mittäterschaftlich, wenn Gesamtvertretung vorliegt oder mehrere einzelvertretungsberechtigte Vorstandsmitglieder zusammenwirken, sei es nur alleintäterschaftlich, wenn die Satzung eine Einzelvertretung erlaubt. 69 Bei anderen Formen intern pflichtwidrigen Handelns kommt eine Treubruchsuntreue in Betracht. Dies gilt auch für die ebenfalls treupflichtigen sog. besonderen Vertreter (§ 30 BGB) und Liquidatoren (§§ 48, 49 BGB). Nicht vermögensbetreuungspflichtig ist jedoch das einzelne Vereinsmitglied, dessen mitgliedschaftlicher Rechtsstatus zwar eine vereinsrechtliche Treupflicht auslöst,70 nicht aber schon die untreuespezifische Treupflicht begründet, es sei denn, dass das Mitglied zugleich eines der eben genannten Vereinsämter ausübt oder anderweitig mit einer Geschäftsbesorgung i. S. d. § 675 BGB betraut wurde. 71 64 Vgl. BGH NJW 1975, 1234; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 18; BGH wistra 2001, 340, 341; OLG Hamm NJW 1982, 190, 191 und wistra 1999, 351, 353; Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 25; LK-Schünemann, § 266 Rn. 130; Seier, JuS 2002, S. 238. 65 Besonders deutlich zu § 266 StGB herausgearbeitet von Eisele, GA 2001, S. 387. 66 Eisele, Haftungsfreistellung, S. 157-159, mit eingehenden Nachweisen aus der zivilrechtlichen Literatur. 67 Vgl. Sauter/Schweyer, Rn. 277. 68 Vgl. Sauter/Schweyer, Rn. 151 - 154. 69 Zu den umstrittenen Fragen, wann Gesamt- oder Einzelvertretung vorliegt, und wie bei Gesamtvertretung die Mehrheitsverhältnisse für eine wirksame Beschlussfassung sein müssen, vgl. Larenz/Wolf, AT, § 10 Rn. 71. 70 Dazu MünchKomm-Reuter, BGB, § 38 Rn. 25; Weich, in: Staudinger, § 35 Rn. 7; Palandt/Heinrichs, § 38 BGB Rn. 1. 71 Vgl. auch Eisele, GA 2001, 381; Nelles, S. 547 ff.

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

Auch ein „faktisches" Vorstandsmitglied, das zwar nicht zum Vorstand gehört, letztlich aber in der Sache Vorstandsfunktionen ausübt, kann als vermögensbetreuungspflichtig angesehen werden, und zwar in der Variante des sog. „tatsächlichen Treueverhältnisses" im Rahmen des Treubruchtatbestandes. Da das Kennzeichen der Untreue darin besteht, dass es der Treugeber ist, der den Freiheitsstatus des Treunehmers erweitert und ihm so eine entsprechende Einwirkungsmöglichkeit auf das Vermögen des Treugebers verschafft, kann allerdings eine eigenmächtige Ausübung von Organfunktionen für die Begründung des tatbestandspezifischen Täterstatus' nicht genügen; vielmehr muss das faktische Vorstandsmitglied die Aufgaben im Einklang mit dem tatsächlich vorliegenden Einverständnis 72 oder doch zumindest mutmaßlichen Willen des Vermögensträgers, d. h. des Vereins repräsentiert durch den Vorstand - wahrnehmen. 73 Hierfür mag man sogar das bewusste Dulden eines solchen Gebarens genügen lassen,74 sofern die Möglichkeit bestand, dieser Faktizität durch entsprechende Maßnahmen entgegenzutreten und damit ihre Aufrechterhaltung doch auch Ausdruck der vermögensbezogenen Autonomie des Treugebers ist. Täter einer Missbrauchsuntreue kann der faktische Vorstand allerdings nur dann sein, wenn seine Vertretungsmacht auf einer Bevollmächtigung durch den ordentlichen Vorstand beruht; denn eine Duldungs- und Anscheinsvollmacht vermag keine Verpflichtungs- oder Verfügungsbefugnis i. S. d. Missbrauchstatbestands zu begründen. 75

2. Die Mitgliederversammlung als dispositionsbefugtes Organ Die zentrale Frage bei der Vereinsuntreue unter Einwilligungsgesichtspunkten lautet, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die Mitgliederversammlung ihr Einverständnis in kritische Dispositionen des Vereinsvorstands geben kann. Unbestritten ist insoweit, dass die Mitgliederversammlung als dispositionsbefugt über das Vereinsvermögen anzusehen ist und als oberstes Organ des Vereins das „letzte Wort" haben muss: Der Mitgliederversammlung kommt, soweit in der Satzung nichts anders vorgesehen ist, gem. § 32 Abs. 1 S. 1 BGB die letzte Entscheidung in allen Vereinsangelegenheiten zu; 7 6 auch leitet der Vorstand seine Stellung gem. § 27 Abs. 1 BGB von der Mitgliederversammlung ab, die ihm aus korporationsrechtlichen Gründen sowie gem. §§27 Abs. 3, 665 BGB Weisungen, gerade auch für die Geschäftsführung, erteilen kann. 77 Zudem definiert die Mitgliederversammlung kraft ihrer Kompetenz, die - wiederum von den 72 So im Falle faktischer GmbH-Geschäftsführertätigkeit etwa auch BGH NJW1997,66,67. 73 Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 266 Rn. 30. 74 Weber, in: Arzt/Weber, BT, § 22 Rn. 54; Eisele, GA 2001, 387; wohl auch Lenckner/ Perron, in: Schönke/Schröder, § 266 Rn. 30. 75 BGH wistra 1992, 66; Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 266 Rn. 4. 76 Larenz/Wolf, AT, § 10 Rn. 57. 77 Dazu Eisele, GA 2001, S. 388 f.

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(vereinsgründenden) Mitgliedern geschaffene (§§ 57, 59 BGB) - Satzung zu ändern (§ 33 BGB), einen zentralen Maßstab für die Pflichten des Vorstands im Innenverhältnis und damit auch für den Umgang mit dem Vereinsvermögen. Schließlich können die Mitglieder gem. § 33 Abs. 1 S. 2 BGB sogar den Zweck des Vereins ändern, wofür freilich die Zustimmung sämtlicher Mitglieder erforderlich ist. Ein tatbestandsausschließendes Einverständnis ist dabei insbesondere dann anzunehmen, wenn der Vorstand für bestimmte Rechtsgeschäfte (etwa zu Kreditoder Grundstücksgeschäften) kraft Satzung der Zustimmung der Mitgliederversammlung bedarf (§ 26 Abs. 2 S. 2 BGB): 78 Erst mit diesem Plazet wird das Handeln des Vorstands pflichtgemäß; ohne diesen Konsens mit den Mitgliedern wird die Möglichkeit einer Untreue durch den Vorstand eröffnet. 79 Ebenso kommt die strafbarkeitsausschließende Wirkung einer Einwilligung in Betracht, wenn dem Vorstand die Vornahme bestimmter Geschäfte kraft Satzung überhaupt untersagt ist, die Mitgliederversammlung ihm aber ausnahmsweise und einzelfallbezogen die Zustimmung zur Vornahme eines im Übrigen ordnungsgemäßen, namentlich im Einklang mit dem Vereinszweck liegenden Geschäfts erteilt.

3. Die rechtswidrige Einwilligung Klärungsbedürftig ist insbesondere, ob dem Einverständnis dann seine strafbarkeitsausschließende Wirkung versagt bleibt, wenn die Zustimmung selbst gesetzeswidrig ist oder den satzungsdefinierten Zwecken des Vereins bzw. sonstigen vermögensbezogenen Vorgaben aus der Satzung zuwiderläuft. Hierzu bedarf es eines genaueren Blicks auf die unterschiedlichen Formen rechtswidriger Einwilligungen.

a) Verstöße gegen die Satzung Der zustimmende Beschluss der Mitgliederversammlung muss zunächst an der Satzung gemessen werden. Ein Beschluss, der nicht im Einklang mit der Satzung steht und auch nicht als satzungsändernder Beschluss eingestuft werden kann, 80 verstößt nicht nur gegen das Zivilrecht, 81 sondern läßt auch strafrechtlich die Pflichtwidrigkeit des Organhandelns unberührt. 82 Dies soll anhand einiger von der Rechtsprechung entschiedener Fälle verdeutlicht werden. 78 Dazu und zu weiteren Möglichkeiten der Beschränkung der Vertretungsmacht Weich, in: Staudinger, § 26 Rn. 11. 79 Etwa eine Missbrauchsuntreue, sofern nicht die Beschränkung der Vertretungsmacht im Vereinsregister eingetragen oder dem Dritten bekannt ist (§§ 70, 68 BGB); vgl. Sauter/ Schweyer, Rn. 234. 80 Dazu sogleich unter (3).

81 Vgl. Sauter/Schweyer,

Rn. 278.

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

Als erstes Beispiel wäre etwa aus dem Bereich der - rechtlich als Vereine behandelten - Parteien der Umgang der PDS im Jahre 1989/1990 mit ihrem einstigen, noch von der SED herrührenden Parteivermögen zu nennen: Insgesamt über 100 Millionen DM entzogen der stellvertretende Parteivorsitzende und weitere Mitarbeiter im klaren Widerspruch zu den Zwecken der Partei vor dem Zugriff Dritter, etwa durch entsprechende Transaktionen ins Ausland. Der BGH hat hierzu betont, dass es auf die Zustimmung von Parteigremien unterhalb der Parteitagsebene nicht angekommen wäre, weil diese Zustimmung wegen eines Verstoßes gegen die Ziele der Partei satzungswidrig und damit rechtlich unbeachtlich gewesen wäre. 83 Ohne Belang wäre ein Einverständnis auch in dem vom BGH behandelten Fall eines Tierschutz Vereins gewesen, der auf das maßgebliche Betreiben des Vorsitzenden durch Beteiligung am Bau einer Reitsportanlage ein fremdes Vorhaben mit weit über den Finanzverhältnissen des Vereins liegenden Mitteln finanziert hat, das nur zum kleineren Teil auch Vereinszwecken dienen sollte. 84 Zu Recht betonte das Gericht, dass sich die Verfügungen des Vorsitzenden, auch wenn seine Vertretungsmacht nicht eingeschränkt sein sollte, im Rahmen des Satzungszwecks und dessen halten müssen, was der vertretene Verein nach seinen Satzungszwecken zu leisten in der Lage ist. Der BGH hatte zwar keinen Anlass, sich zu Aspekten einer Einwilligung durch die Mitglieder zu äußern, hatte doch der Vorsitzende der Mitgliederversammlung bei den jährlichen Kassenberichten die Beteiligung an der Reitanlage, welche die finanziellen Möglichkeiten des Tierschutzvereins weit überstieg, verschwiegen. Aber im hier interessierenden Zusammenhang sei ergänzend nachgetragen, dass ein zustimmender Beschluss der Mitgliederversammlung die Pflichtwidrigkeit nur dann beseitigt hätte, wenn durch ihn zugleich der Vereinszweck - etwa vom allgemeinen Tierschutz weg hin zur Pferdezucht - verändert worden wäre. Als weiteres Beispiel wäre der (ebenfalls vom BGH entschiedene) Fall zu nennen, in dem Vorstandsmitglieder eines Kreisverbandes des Deutschen Roten Kreuz in dessen Namen ein Grundstück ankauften und mit ihrem Geschäftsführer einen Erbbaurechtsvertrag schlossen, um dem Geschäftsführer die Errichtung eines Wohnhauses (noch kurz vor dessen Pensionierung) zu ermöglichen. 85 Zwar schloss sich der BGH der Vorinstanz an, indem es den Freispruch von der Untreue wegen fehlenden Vorsatzes der Vorstandsmitglieder unbeanstandet ließ, und ebenso läßt er es offen, ob das Handeln objektiv pflichtwidrig und überhaupt ein Vermögensschaden entstanden ist. Zutreffend hat aber das OLG Hamm im Rahmen des vorgeschalteten Zwischenverfahrens festgestellt, dass der Abschluss eines gegen die Vereinssatzung verstoßenden Rechtsgeschäfts durch die Vorstandsmitglieder auch 82 BGH wistra 1994, 25, 27; OLG Hamm wistra 1999, 353; entspr. zu einer AStA OLG Hamm NJW 1982, 190, 192. 83 BGH wistra 1994, 25, 27. 84 BGH NStE § 266 Nr. 30. 85 BGH wistra 2001, 340.

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dann den Tatbestand der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB in Form des sog. Missbrauchstatbestandes erfüllen kann, wenn die Mitgliederversammlung des Vereins dieses Rechtsgeschäft genehmigt; dies gilt insbesondere dann, wenn dem Verein als Vermögensschaden der Verlust der Gemeinnützigkeit droht. 86

b) Irrelevanz des Gläubigerschutzes Fraglich ist jedoch, ob ein solcher untreuerelevanter, auch durch ein Einverständnis der Vereinsmitglieder nicht aufhebbarer Treupflichtverstoß dann anzunehmen ist, wenn durch das verbotene Verhalten des Vorstands in erster Linie die Vermögensinteressen von Gläubigern des Vereins tangiert werden. Letzteres könnte man der BGH-Rspr. andeutungsweise entnehmen, wenn das Gericht im eben skizzierten Fall des Tierschutzvereins es als treuwidriges Verhalten eines Vorsitzenden bezeichnet, einen Verein durch die Unterstützung sachfremder Anliegen „in die Gefahr der Überschuldung" zu bringen. 87 Anders als etwa das Gesellschaftsrecht enthält das Vereinsrecht indes keine Bestimmungen zur Kapitalaufbringung, Kapitalerhaltung oder Mindestausstattung eines nichtwirtschaftlichen Vereins. Ebenso fehlen Vorschriften zur Bilanzierung, zur Wirtschaftsprüfung oder Rückzahlung von Einlagen, wenngleich die h. M. heute aus § 666 BGB i. V. m. § 27 Abs. 3 BGB eine Pflicht des Vorstands zur Buchführung und periodischen Rechnungslegung herausliest. 88 Explizit geregelt ist in diesem Zusammenhang nur die Insolvenzantragspflicht des Vorstands, wenn der Verein zahlungsunfähig geworden oder überschuldet ist (§ 42 Abs. 2 BGB), sowie die Art und Weise der Liquidation (§§ 47 ff. BGB). Ab diesem Zeitpunkt kann ein vertretungsberechtigtes Organ des Vereins über die Zurechnungsnorm des § 14 StGB einen Bankrott (§ 283 StGB) begehen. Und auch die Liquidatoren sind, wie eben bereits angedeutet, vermögensbetreuungspflichtig sowohl gegenüber dem Verein als auch gegenüber seinen Gläubigern, 89 so dass insofern eine Untreue durch Benachteilung von Gläubigerinteressen in Betracht kommt. Anders aber als die Liquidatoren sind die Mitglieder des Vereinsvorstands nur den Vermögensinteressen des Vereins, nicht aber denjenigen seiner Gläubiger verpflichtet. 90 Zu einem gegenteiligen Ergebnis käme man nur, wenn man sich die von der herrschenden Meinung favorisierte Argumentation zur Untreue von GmbH-Geschäftsführern in Krisensituationen des Unternehmens91 als Vorbild nähme und auch auf den Verein übertragen würde: Danach könnte man im Allgemeinen ein 86 87 88 89 90

OLG Hamm wistra 1999, 353. BGH NStE § 266 Nr. 30. Vgl. MünchKomm-Reuter, BGB, § 27 Rn. 39. Vgl. dazu § 49 Abs. 1 BGB. So i. E. auch Nelles, S. 549.

91 Dazu 2. Kapitel C. III. 4.

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

rechtlich schützenswertes Eigeninteresse einer juristischen Person an ihrem Fortbestand annehmen, der insofern auch für die Gesellschafter bzw. analog beim Verein für die Mitglieder unantastbar sein müsse. Auf dieser Grundlage könnte man trotz einer etwaigen vorherigen Billigung durch die Mitgliederversammlung - eine vom Vorstand begangene Untreue bejahen, wenn dieser durch Schmälerungen des Vereinsvermögens die Existenz oder Liquidität des Vereins gefährdet. Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass - von den Ausnahmekonstellationen einer persönlichen Haftung des Vereinsvorstands 92 bzw. der Durchgriffshaftung der Mitglieder 93 abgesehen - es ein durchaus strafrechtlich schützenswertes Interesse der Vereinsgläubiger am Erhalt des Vereinsvermögens gibt, ist dies doch regelmäßig die einzige Vermögensmasse, die für die Erfüllung der Vereinsverbindlichkeiten zur Verfügung steht. Darüber hinaus kann ein Verein seinen Vereinszweck nur dann erfüllen, wenn er dafür die entsprechenden materiellen Voraussetzungen erhält bzw. bewahrt; zu dieser Sicherung des Vereinsvermögens ist der Vorstand strafrechtlich verpflichtet. Eine Zustimmung der Mitgliederversammlung zu einer existenzgefährdenden Maßnahme des Vorstands wäre damit zivilrechtlich unwirksam, weil rechtswidrig. Doch führt dies bereits automatisch auch im Kontext des § 266 StGB zur Unwirksamkeit der Einwilligung? Diese Frage ist mit Nein zu beantworten. Zum einen sind es die Vereinsmitglieder, die den Verein gem. § 41 BGB auflösen können und an die dann, falls es die Satzung vorsieht oder die Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 BGB gegeben sind, das überschüssige Vereinsvermögen (sofern nach der Liquidation vorhanden, § 49 BGB) fällt. Zum anderen bestimmen sie, wie bereits angedeutet, über den Inhalt der Satzung und damit auch über den Modus des Umgangs mit dem Vereins vermögen, und können sogar unter der Maßgabe des § 33 Abs. 1 S. 2 BGB den Vereinszweck ändern. Die Vereinsmitglieder sind damit als Inhaber des Vereinsvermögens anzusehen, denen bei ihren Entscheidungen inhaltlich innerhalb des spezifischen Schutzbereichs der Untreue im Hinblick auf die Relevanz von Gläubigerinteressen, wie auch Eisele zu Recht betont, 94 keine Grenzen gesetzt sind. Strafrechtlicher Gläubigerschutz in Krisensituationen des Vereins wird - sofern man von den Vermögensbetreuungspflichtigen und damit als Täter des § 266 StGB in Betracht kommenden Liquidatoren oder ggf. (vorläufigen) Insolvenzverwaltern 95 des Vereins absieht - vielmehr über die Straftatbestände der §§ 283 ff. StGB gewährleistet. So kann auch bei Vereinen mit den Insolvenzgründen der Über92 Etwa im Falle der §§ 31, 840 BGB; vgl. Stöber, Rn. 401. 93 Vgl. BGHZ 54, 222 (= NJW 1970, 2015); der Anlass für eine solche Durchgriffshaftung dürfte allerdings nur selten gegeben sein; vgl. Stöber, Rn. 391; MünchKomm-Reuter, BGB, Vor § 21 Rn. 46. 94 Eisele, GA 2001, S. 391. 95 Zu Untreue durch Insolvenzverwalter vgl. Richter, NZI 2002, S. 128 ff.; Schramm, NStZ 2000, S. 398 ff.

C. Juristische Personen des Privatrechts

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schuldung und Zahlungsunfähigkeit (vgl. § 11 Abs. 1 S. 1 InsO; § 42 BGB) eine der objektiven Strafbarkeitsbedingungen des Bankrottatbestands (§ 283 StGB) erfüllt werden, und der Vorstand bzw. jedes Vorstandsmitglied eines rechtsfähigen Vereins kommt anerkanntermaßen über § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB als Täter eines Bankrotts in Betracht. 96 Kommt es zu einer Insolvenzverschleppung (d. h. einer unterlassenen Beantragung des Insolvenzverfahrens), 97 so begründet dies (nur) eine zivilrechtliche Haftung des gem. § 42 Abs. 2 S. 2 BGB zur Antragsstellung verpflichteten Vorstands. Im Unterschied zur strafrechtlichen Haftung wegen Insolvenzverschleppung bei GmbH (§ 84 GmbHG), Aktiengesellschaft (§ 401 AktG), Genossenschaft (§ 148 GenG), der Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung und bei Personenhandelsgesellschaften, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, 98 ist die Insolvenzverschleppung beim Verein straflos.

c) Einverständnis

durch Satzungsänderung

Im Rahmen des § 266 StGB muss allerdings der zustimmende Beschluss der Mitgliederversammlung bestimmten Vorgaben des Vereinsrechts genügen; vor allem dürfen im Hinblick auf die Rechte der Minderheit im Verein die Vorgaben aus dem BGB für die erforderlichen Mehrheitsverhältnisse bei Beschlussfassungen nicht aus den Angeln gehoben werden. Hierbei soll im Folgenden zwischen Beschlüssen, die mit dem in der Satzung definierten Vereinszweck nicht in Einklang zu bringen sind, und solchen, die sonstigen Vorgaben aus der Satzung widersprechen, differenziert werden.

aa) Formale Satzungsänderung Widerspricht eine Maßnahme dem Vereinszweck, so führt eine vorherige Änderung des Vereinszwecks durch eine formgerechte Änderung der Satzung ( § 7 1 BGB) zum Wegfall der Pflichtwidrigkeit. Soweit die Zustimmung zu vereinsschädigenden Maßnahmen zwar im Übrigen im Widerspruch zur Satzung steht, aber an sich mit dem Vereinszweck noch in Einklang zu bringen ist, kann die wegen des Verstoßes gegen die Satzung gegebene interne Pflichtwidrigkeit eines Treupflichtigen - ebenso wie bei der Änderung des Vereinszwecks - dadurch aufgehoben werden, dass vor der entsprechenden Maßnahme die Satzung dergestalt geändert wird, dass diese nunmehr mit dem Handeln des Treunehmers übereinstimmt. Hierzu muss der satzungsändernde Beschluss aber nach § 33 Abs. 1 S. 1 BGB von einer 96

Vgl. nur Bieneck, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 77 Rn. 5; LK-Tiedemann, § 283 Rn. 64. 97 Vgl. dazu Bieneck. in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 84 Rn. 1. 98 Bieneck, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 84 Rn. 22.

Vor

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

Dreiviertelmehrheit" der in der Mitgliederversammlung erschienenen Mitglieder getragen sein. Ein Beispiel hierfür wäre etwa die Streichung eines Passus' in der Satzung, dass Geschäfte ab einer gewissen Größenordnung nur mit Zustimmung der Mitgliederversammlung vorgenommen werden dürfen; mit dieser Änderung entfiele künftig eine Untreue, wenn der Vorstand solche Geschäfte ohne das vorherige Plazet der Mitglieder tätigt.

bb) Faktische Abweichung von der Satzung Allerdings wäre es aus strafrechtlicher Sicht ein blanker Formalismus, wenn nur eine vorausgehende, entsprechende inhaltliche Abänderung der Satzung, durch welche die Maßnahme in Einklang mit den Vereinszielen (oder anderen Bestimmungen der Satzung) gebracht wird, die Pflichtwidrigkeit beseitigen könnte. Auch im Zivilrecht ist das Phänomen der sog. Satzungsdurchbrechung bekannt, d. h. der Abweichung von der Satzung durch einen nicht satzungsändernden Beschluss im Einzelfall. 100 Die herrschende Meinung im KapitalgesellschaftsTQcht 101 und eine Minderheitsmeinung im Vereinsrecht 102 hält eine sog. punktuelle Satzungsdurchbrechung für zulässig oder betrachtet sie mit der BGHRspr. zumindest als „jedenfalls nicht nichtig". 103 Begründet wird dies vor allem damit, dass es ein Interesse daran gebe, Satzung und Vereinsregister nicht mit Eintragungen zu belasten, die zum Schutz von Gläubigern und späteren Mitgliedern nicht erforderlich seien. Allerdings wird die Übertragung dieses Grundsatzes auf den Verein von der (noch) herrschenden Lehre in der vereinsrechtlichen Literatur abgelehnt, da für eine solche Abweichung von den vereinsrechtlichen Vorgaben kein Anlass bestünde.104 Die Vereinsziele bilden den konstitutiven Faktor eines Vereins schlechthin; der Vereinszweck ist die allen Mitgliedern gemeinsame Grundlage, warum sie sich zusammengeschlossen haben bzw. dem Verein beitreten. 105 Es mag zwar von vereinsrechtlicher Warte aus betrachtet nicht möglich sein, diese elementare Vorgabe aus dem Innenverhältnis mit einem bloßen Beschluss der Mitgliederversammlung, der nicht den vereinsrechtlichen Vorgaben genügt, aufheben zu können. Die Anerkennung des Mitgliederbeschlusses wäre aber strafrechtlich durchaus konsequent. 99 § 33 BGB enthält allerdings dispositives Recht, so dass die Satzung vom Erfordernis der Dreiviertelmehrheit abweichen kann; vgl. Soergel / Hadding, § 33 Rn. 6. 100 Zur Terminologie vgl. BGHZ 123, 15 (= NJW 1993, 2246); MünchKomm-teKte/; BGB, § 33 Rn. 10.

101 BGHZ 123, 15 (= NJW 1993, 2246); BGH W M 1981, 1218, 1219; Priester, (1987), S. 52, 55. 102 MünchKomm-Ztewte/; BGB, § 33 Rn. 10. 103 BGHZ 123, 15, 19 (= NJW 1993, 2246). 104 So etwa Weick, in: Staudinger, § 33 Rn. 9 m. w. N. 105 Larenz/Wolf, AT, § 10 Rn. 14.

ZHR 151

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Denn es kann nicht Aufgabe des § 266 StGB sein, alle Verstöße gegen das Satzungsänderungsverfahren zu sanktionieren; vielmehr wird seine Funktion, die Zwecksetzung des Vereins in vermögensbezogener Hinsicht mit einem strafrechtlichen Schutz zu flankieren, nicht dadurch in Frage gestellt, wenn diejenigen, die diesen Zweck bestimmen, in der Sache zugestimmt haben. Für das Strafrecht kommt es somit auf den Inhalt der Entscheidung, mithin den zum Ausdruck gekommenen Konsens, an, nicht hingegen auf die strafrechtliche Absicherung der Verwendung entsprechender Terminologien („satzungsändernder Beschluss") und des förmlichen Verfahrens ( § 7 1 BGB: Eintragung in das Vereinsregister; § 77 BGB: notarielle Beurkundung). Die einzelfallbezogene, vorherige Zustimmung der Mitgliederversammlung vermag die Pflichtwidrigkeit also zu beseitigen, auch wenn deswegen nicht sogleich die Satzung förmlich geändert wurde. Allerdings wird man Vorsicht walten lassen müssen bei der Bejahung des Vorliegens der Wirksamkeitsvoraussetzungen eines solchen Einverständnisses kraft Satzungsdurchbrechung. Die zustimmenden Mitglieder müssen sich wirklich dessen bewusst gewesen sein, eine von der Satzung und namentlich vom definierten Satzungszweck abweichende Einzelfallentscheidung herbeizuführen. Außerdem bedarf es auch hier der Beachtung der gesetzlich bzw. satzungsmäßig vorgesehenen MehrheitsVerhältnisse nach § 33 Abs. 1 S. 1 BGB. Man denke etwa an einen großen Sportverein aus der Bundesliga, für den es angemessen sein mag, dem Trainer und den professionellen Spielern ein außergewöhnlich hohes Gehalt zu zahlen. Bei einem kleineren Amateur-Sportverein von lediglich lokaler Bedeutung, bei dem der ideelle, gemeinnützige und ehrenamtliche Aspekt der Arbeit im Vordergrund steht, wäre hingegen eine Entlohnung von Mitarbeitern in diesem Umfang pflichtwidrig, weil mit den Zielen des Vereins schlechterdings nicht in Einklang zu bringen. Ein Einverständnis der Mitgliederversammlung in eine solche unangemessen hohe Vergütung wäre somit unbeachtlich, sofern nicht die Mitglieder entweder durch eine vorherige satzungsgemäße Änderung des Vereinszwecks oder doch zumindest - nach der hier vertretenen Ansicht - durch eine faktische Zustimmung dem Verein eine Zielsetzung verleihen, die eine solche Entlohnung rechtfertigen würde. So betont auch die zivilrechtliche Literatur, dass ein eindeutiger Fall von Zweckänderung vorliegt, wenn ein bisheriger Amateurverein sein Haupttätigkeitsfeld auf den Profisport verlagert; denn damit tritt an die Stelle des ideellen ein erwerbswirtschaftlicher Vereinszweck. Für eine solche Änderung des Vereinszwecks bedarf es dann aber gem. § 33 Abs. 1 S. 1 BGB der Zustimmung eines jeden Vereinsmitglieds, wobei allerdings die Satzung vom Erfordernis der Einstimmigkeit abweichen kann. 106

106 Vgl. nur Hadding, in: Soergel, § 33 BGB Rn. 12. 7 Schramm

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

d) Mehrheitsverhältnisse

bei rechtswidrigem

Beschluss

Teilweise abweichend von den hier vertretenen Lösungsansätzen soll nach Eisele das Vereinsvermögen allen Mitgliedern zugeordnet sein; daher müssten bei rechtswidrigen Beschlüssen alle Mitglieder der Maßnahme zustimmen. 107 Uneingeschränkt gefolgt werden kann dabei Eiseies Ausgangsposition, soweit er den Vereinsmitgliedern die Entscheidungskompetenz betreffend das Vermögen zubilligt. Nicht uneingeschränkt überzeugt er jedoch hinsichtlich der von ihm geforderten Mehrheitsverhältnisse bei rechtswidrigen Beschlüssen.

aa) Satzungswidrige Beschlüsse Denn soweit die Rechtswidrigkeit sich aus einem Verstoß gegen die Satzung ergibt, kann es hinsichtlich der erforderlichen Mehrheitsverhältnisse keine strengeren Regeln geben, als es das Zivilrecht gerade für die Fälle der Satzungs- bzw. Vereinszweckänderung vorsieht. Dies bedeutet im Einzelnen: Soweit sich die Rechtwidrigkeit des Beschlusses aus rein formalen Gründen ergibt (etwa weil die Mitgliederversammlung nicht form- oder fristgerecht einberufen wurde), kommt es darauf im Rahmen des § 266 StGB ohnehin nicht an, da der Verstoß gegen die Einhaltung formeller Vorschriften an sich nicht untreuerelevant ist, 1 0 8 sofern nur die in der Satzung vorgeschriebene Mehrheit die Entscheidung trifft. Falls sich sodann die Rechtswidrigkeit aus einem Verstoß gegen die inhaltlichen Vorgaben aus der Satzung ergibt, bleibt festzuhalten, dass Satzung wie Vereinszweck - eben im Rahmen bestimmter Mehrheitsverhältnisse - zur Disposition der Mitglieder stehen: eine Veränderung des Vereins zwecks, durch welche erst die Maßnahme gedeckt würde, kann durch einen entsprechenden Beschluss i. S. d. § 33 Abs. 1 S. 2 BGB (allerdings aller [!] Vereinsmitglieder) formuliert werden. Für die übrigen Verstöße gegen die Satzung genügt ein von der Mitgliederversammlung für den Einzelfall gewährter Dispens von den Vorgaben aus der Satzung, wofür i. d. R. eine Dreiviertelmehrheit vorgeschrieben ist; 1 0 9 entspricht ein Mitgliederbeschluss nicht diesen Voraussetzungen, ist er zivil- wie strafrechtlich unbeachtlich.

bb) Gesetzeswidrige Beschlüsse Soweit sich schließlich die Rechtswidrigkeit aus einem Verstoß gegen gesetzliche Bestimmungen außerhalb des Vereinsrechts ergibt, kann hinsichtlich dieses il107 Eisele, GA 2001, S. 390, 392. 108 So auch Eisele, GA 2001, S. 393. 109 Vgl. oben Abschnitt C. 3. c) aa).

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legalen Umgangs mit Vereinsvermögen - etwa wegen Verstoßes gegen Strafgesetze - ein strafbarkeitsausschließendes Einverständnis sehr wohl von einer Mehrheit der Mitglieder, die nicht alle umschließen muss, erteilt werden. Hierbei ist zunächst darauf abzustellen, ob die Mittelverwendung im Einklang mit dem Vereinszweck steht oder nicht. Wenn etwa der Verein die Baugenehmigung für ein dringend benötigtes Vereinsheim nur durch die Bestechung des für die Genehmigung zuständigen Leiters des Baurechtsamtes erhalten kann, so erfolgt die Verwendung der Vereinsmittel zum Zwecke dieser Korruption - im Lichte des Vereinszwecks gesehen - in Übereinstimmung mit den Vereinsinteressen. Dann ist das Verhalten des Vorstands nicht spezifisch treupflichtwidrig; auf eine Zustimmung der Mitglieder kommt es gar nicht an. Soweit sie nicht den Vereinsinteressen entspricht, hängt es davon ab, ob ein entsprechender satzungsdurchbrechender Beschluss der Mitgliederversammlung unter Beachtung der eben skizzierten Mehrheitsverhältnisse vorliegt; ist dies der Fall, entfällt durch den Beschluss der Mitgliederversammlung die Treupflichtwidrigkeit des Verhaltens, mag die Entscheidung der Vereinsmitglieder im Übrigen auch gesetzeswidrig sein. Umgekehrt formuliert: Bei einem das Vereinsvermögen tangierenden Beschluss der Mitgliederversammlung, der gegen gesetzliche Vorgaben verstößt, kann sich die - etwa durch § 134 BGB ausgelöste - zivilrechtliche Unbeachtlichkeit der Einwilligung strafrechtlich nur dann in der Unwirksamkeit des Einverständnisses niederschlagen, sofern in einer wertenden Betrachtungsweise die Zwecksetzung der Vorschrift auch unter untreuespezifischen Gesichtspunkten für den Umgang mit dem Vereinsvermögen verbindlich sein muss. Letzteres wäre etwa bei einem Fußballverein der Fall, dessen Vorsitzender mit Zustimmung der Mitgliederversammlung die Spieler der gegnerischen Mannschaft besticht, damit seine eigene Mannschaft nicht absteigt; ein solches Verhalten wäre wegen Verstoßes gegen die anerkannten Regeln des Sports satzungszweck- und zugleich treupflichtwidrig. 110 Aber beim Einsatz des Geldes für illegale Maßnahmen, die dem Vereinszweck gerade dienen, ist dies nicht der Fall. Dies führt auch in aller Regel nicht zu unerträglichen Strafbarkeitslücken, da vielfach die Gesetzeswidrigkeit des Vorgangs anderweitig durch Strafvorschriften sanktioniert wird: „Schmieren" etwa die Vorstandsmitglieder eines Vereins wie im obigen Fall den Beamten zur Erlangung einer Baugenehmigung, so machen sie sich der Vorteilsgewährung bzw. Bestechung (§§ 333, 334 StGB) und umgekehrt der Beamte nach §§ 331, 332 StGB schuldig. Stimmen die Mitglieder davor dieser Vorgehensweise zu oder regen sie dazu an, können sie sich wegen Beihilfe oder Anstiftung zur Bestechung usw. strafbar machen, sofern sich nicht nach allgemeinen Grundsätzen sogar eine mittäterschaftliche Haftung ergibt.

no So im sog. Bundesligaskandalfall auch BGH NJW 1975, 1234. 1*

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

II. Die Stiftung des bürgerlichen Rechts111 1. Struktur Als weitere juristische Person des BGB und damit potentielles Opfer einer Untreue ist die Stiftung des bürgerlichen Rechts 112 zu nennen.113 Dieses Rechtsinstitut erlebt seit einigen Jahren einen großen Aufschwung, nicht zuletzt wegen steuerrechtlicher Privilegien infolge der Reform des Stiftungssteuerrechts im Jahre 2000. Eine Konsolidierung dieses Interesses an der Gründung von Stiftungen soll auch durch das im Juli 2002 reformierte 114 Stiftungszivilrecht gewährleistet werden, das die rechtlichen Anforderungen für das Entstehen einer Stiftung nunmehr bundeseinheitlich und abschließend regelt mit dem Ziel, mittels der Ersetzung des bisherigen Konzessionsverfahrens durch ein Anerkennungsverfahren die Gründung einer Stiftung zu vereinfachen, zu fördern und transparenter zu gestalten.115 In organisationsrechtlicher Hinsicht blieb das Stiftungsrecht indes unverändert. 116 So ist es weiterhin der Vorstand der Stiftung, der gem. §§ 86, 26 BGB die Stiftung gerichtlich und außergerichtlich vertritt. Darüber hinaus kann der Stifter im Stiftungsvertrag vorsehen, dass es weitere Stiftungsorgane gibt, oder den Vorstand dazu ermächtigen, selbst weitere Organe zu schaffen, etwa einen Geschäftsführer, einen Generalsekretär (so bei der Volkswagen-Stiftung), einen wissenschaftlichen Beirat (etwa bei der Gottlieb-Daimler-und-Karl-Benz-Stiftung) oder ein Kuratorium 117 zur Beratung des Vorstands. 118

2. Treupflicht Bei allen Organen ist davon auszugehen, dass sie treupflichtig sind. Dies gilt namentlich für den Vorstand, der schon kraft seiner gesetzlichen Stellung ein um111 Die Stiftung des öffentlichen Rechts wird im Rahmen dieser Untersuchung in einem eigenen Abschnitt, 2. Kapitel D. III., behandelt. 112 Zu beachten ist hierbei, dass sich zuweilen eingetragene Vereine als Stiftung bezeichnen, obwohl sie formaljuristisch Vereine sind, wie z. B. die Konrad-Adenauer-Stiftung und die Hanns-Seidel-Stiftung. Beachte auch MürvchKomm-Reuter, BGB, Vor § 80 Rn. 38 ff. 113 Zu den hier nicht behandelten Ersatzformen der Stiftung, etwa der Stiftungs-GmbH, vgl. nur MünchKomm-fowtej; BGB, Vor § 80 Rn. 38 ff. 114 Gesetz zur Modernisierung des Stiftungsrechts v. 15. 7. 2002, BGBl. I S. 2634. 115 BT-Drs. 14/8277 S. 5; BT-Drs. 14/8894, S. 1; Andrick/Suerbaum, NJW 2002, S. 2906. 116 Ein grundlegender Systemwechsel hat nicht stattgefunden; vgl. Andrick/Suerbaum, NJW 2002, S. 2910. 117 Zuweilen wird aber auch der Vorstand als Kuratorium bezeichnet, so etwa bei der Volkswagen-Stiftung, die nach § 6 der Satzung durch das Kuratorium gerichtlich und außergerichtlich vertreten wird; ein als „Vorstand" bezeichnetes Organ kennt die VW-Stiftung gar nicht. Iis MünchKomm-Reuter, BGB, § 85 Rn. 6; BT-Drs. 14/8277, S. 8.

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fassendes tatsächliches wie rechtliches Zugriffsrecht auf das Vermögen der Stiftung hat und deren Geschäfte i. S. d. zivilrechtlichen Auftragsrechts 119 besorgt. Nichts anderes kann aber auch für entsprechende Berater- oder Aufsichtsgremien gelten, die eine stiftungszweckgemäße Verwendung des Geldes absichern müssen; treupflichtig sind sie dann, wenn ihnen - vergleichbar dem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft - bei ihrer Beratungs- oder Kontrolltätigkeit gewisse Entscheidungsspielräume eingeräumt wurden, was in der Regel der Fall sein dürfte. Nicht vermögensbetreuungspflichtig sind jedoch die sog. Destinatäre (= die Empfänger der Stiftungsleistungen), da sie bloße Nutznießer der Stiftung sind und ihnen in aller Regel 120 keine Entscheidungs- oder Mitwirkungsbefugnisse bei der Vergabe des Geldes eingeräumt werden. Der Vorstand kann wegen seiner Befugnis zur wirksamen Vertretung der Stiftung im Außen Verhältnis (§§ 86, 26 BGB) eine Missbrauchsuntreue begehen,121 daneben durch andere Formen vermögensschädigenden Fehlverhaltens auch eine Treubruchsuntreue; für die übrigen Organe kann nur der Treubruchstatbestand einschlägig sein, sofern nicht Vertretungsmacht verliehen wurde und deshalb auch der Missbrauchstatbestand verwirklicht werden kann. Maßgebliche Bezugsgröße für die Bindungen des Vorstands im Innenverhältnis ist der in der Satzung festgehaltene Stiftungszweck; innerhalb dieses Rahmens verfügt der Vorstand über einen „ungewöhnlichen Handlungsspielraum". 122 In der Sache besteht die Geschäftsführungstätigkeit des Vorstands vornehmlich in der ordnungsgemäßen Verwaltung des Stiftungsvermögens und seinem Einsatz zur bestmöglichen Verwirklichung des Stiftungszwecks; daneben bestimmen die übrigen Vorgaben aus der Satzung, etwaige Geschäftsordnungen oder Anstellungsverträge den Rahmen der Geschäftsführungsaufgaben. 123 Mithin sind Rechtsgeschäfte und andere vermögensbezogenen Maßnahmen zu unterlassen, welche diesem Satzungszweck zuwiderlaufen oder dessen Realisierung gefährden. Ähnlich wie beim Verein kann eine satzungswidrige Maßnahme dadurch verhindert werden, dass der Stiftungszweck oder andere Bestimmungen in der Satzung verändert werden: Sofern nicht die Satzung selbst eine Satzungsänderung durch Organe der Stiftung vorsieht, 124 sind solche Änderungen nach der Maßgabe des jeweils einschlägigen Landesrechts (z. B. § 6 Abs. 4 StiftungsG Bad.-Württ.) 125 zulässig. Im Übrigen 119 §§ 86, 27 Abs. 3, 664 ff. BGB; vgl. Hof, in: Seifart/v.

Campenhausen, § 9 Rn. 27.

120 Zur Ausnahme, der Einräumung von Wert- und Verwaltungsrechten, vgl. BGHZ 99, 344 ( = NJW 1987, 2364); MünchKomm-Reuter, BGB, § 85 Rn. 9. 121 Zur Frage, wann Beschränkungen aus dem Innenverhältnis ausnahmsweise sich auch im Außenverhältnis auswirken, vgl. Hof, in: Seifart/v. Campenhausen, § 9 Rn. 32. 122 Hof, in: Seifart/v. Campenhausen, § 9 Rn. 44. 123 Vgl. nur Rawert, in: Staudinger, § 86 Rn. 12. 124 Dass dies stiftungsrechtlich zulässig ist, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zur Stiftungsrechtsreform, vgl. BT-Drs. 14/8277 S. 8. 125 V. 4. 10. 1977 (GBl. I S. 408), letztes ÄndG v. 23. 7. 1993, GBl. I S. 533.

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

kommt gem. § 87 Abs. 1 BGB eine Stiftungszweckänderung auch durch die für die Anerkennung der Stiftung zuständige Behörde in Betracht.

3. Einverständnis Anders als die übrigen juristischen Personen des Privatrechts ist die Stiftung nicht verbandsmäßig organisiert, d. h. sie hat im Unterschied etwa zu einem Verein oder einer GmbH keine Mitglieder oder Gesellschafter, weshalb bei einer Stiftung ein tatbestandsausschließendes Einverständnis durch Mitglieder oder eine Mitgliederversammlung in Ermangelung ihrer Existenz nicht denkbar ist. Auch dem Stifter sind mit der Genehmigung der Stiftung grundsätzlich alle Einwirkungsmöglichkeiten abgeschnitten,126 sofern die Stiftungssatzung nichts anderes vorsieht. 127 Ein Einverständnis ist daher nur dann möglich, falls die Stiftungssatzung einer bestimmten Person die Möglichkeit zu einer Zustimmung oder zu einer das Innenverhältnis verändernden Entscheidung einräumt. Dies wäre etwa der Fall, wenn die Stiftungssatzung vorsieht, dass der Vorstand Grundstücksgeschäfte nur mit Zustimmung eines Kuratoriums o. dgl. vornehmen darf und dieses sein Plazet erteilt. Darüber hinaus können nach den landesrechtlichen Stiftungsgesetzen für bestimmte Rechtsgeschäfte Genehmigungsvorbehalte der Aufsichtsbehörde angeordnet sein. 128 Allerdings sind die Möglichkeiten eines Einverständnisses für das Kuratorium eingeschränkt: Sofern das Einverständnis selbst treuwidrig ist (z. B. Billigung der Auszahlung von Stiftungsgeldern an ein nicht satzungsgemäßes Projekt), ist es unbeachtlich und beseitigt nicht die Pflichtwidrigkeit des Täterhandelns. 129 Es kann darüber hinaus eine strafrechtliche Haftung des Zustimmenden wegen (mit-)täterschaftlich begangener 130 Untreue auslösen, sofern er treupflichtig ist.

I I I . Die GmbH 1. Die praktische Relevanz Eine besondere praktische Bedeutung gewinnt die Problematik der gesellschaftsrechtlichen Untreue bei der GmbH, wo die Diskussion über die Relevanz der Einwilligung der Gesellschafter in an sich untreuetypische Handlungen der Geschäftsführer eine zentrale Rolle spielt. Es hängt auch mit der zahlenmäßigen Bedeutung der GmbH zusammen, dass solche Fallkonstellationen in der Praxis häufig 126

Hof, in: Seifart/v. Campenhausen, § 9 Rn. 44. i 2 ? Vgl. dazu auch Rawert, in: Hopt/Reuter, S. 130. So etwa in § 13 Abs. 1 StiftungsG Bad.-Württ. (o. Fn. 124). 129 Der Täter, der aufgrund einer fehlerhaften rechtlichen Bewertung irrig von der Wirksamkeit der Zustimmung ausgeht, wird regelmäßig einem Verbotsirrtum, § 17 StGB, unterliegen. 130 Dazu 1. Kapitel D. I. 2.

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auftreten: Die GmbH ist eine weit verbreitete Gesellschaftsform 131 vor allem in der mittelständischen Wirtschaft, was darauf zurückzuführen ist, dass die GmbH einerseits wegen ihrer starken personalistischen Prägung den Gesellschaftern trotz der grundsätzlichen Gestaltung der GmbH als Kapitalgesellschaft - einen weitgehenden Einfluss auf die Geschäftsführung ermöglicht, andererseits die Gesellschafter wegen der Haftungsbeschränkung der GmbH auf das Gesellschaftsvermögen (§13 Abs. 2 GmbHG) eine persönliche Haftung im Regelfall nicht zu befürchten haben 132 und zudem zur Gründung der GmbH nur ein Stammkapital von 25.000 EUR aufzubringen brauchen (§ 5 Abs. 1 GmbHG). Eben diese rechtliche Mittelstellung der GmbH als gesellschaftsrechtliche Mischform zwischen Personen- und Kapitalgesellschaft 133 eröffnet den Gesellschaftern einen Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen, der eine erhebliche rechtspolitische Dimension aufweist. Denn die (vielfach als unzureichend empfundenen) Haftungs- und Insolvenzregelungen bei der GmbH haben dazu geführt, dass diese Rechtsform von manchen auch deshalb gewählt wird, weil es die Haftungsbeschränkung und das relative geringe Stammkapital erleichtert, fast beliebig Gesellschaften zu gründen, bei denen später - im Falle ihrer Insolvenz 134 - die Liquidation mangels Masse scheitert, woraufhin die Gesellschafter dann oftmals wiederum eine GmbH gründen, ohne dass die Altgesellschaft und deren Gläubiger etwas von den Erträgen der neuen GmbH erhalten. Diese Vorgänge im Wirtschaftsleben, die erhebliche volkswirtschaftliche Schäden auslösen, muss sich nicht nur die zivilrechtliche Gesetzgebung und Rechtspraxis, sondern auch das Strafrecht vor Augen halten, „wenn die Unternehmensführung in GmbH eine legitime Form der Haftungsbeschränkung bleiben soll". 1 3 5

2. Treupflicht der Organe a) Der Geschäftsführer

und mehrköpfige

Organe

Als vermögensbetreuungspflichtig gegenüber der GmbH ist zunächst der formelle Geschäftsführer anzusehen. Er besitzt die fremdnützige Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis, kann also tauglicher Täter einer Missbrauchsuntreue sein, und 131 Vgl. nur K. Schmidt, GesellschaftsR, § 33 I 2. So wurden allein im Jahre 2000 über 91.000 neue Gesellschaften mit beschränkter Haftung angemeldet (Statistisches Jahrbuch 2003, S. 134). 132 Zu den Ausnahmen eines Haftungsdurchgriffs auf das Privatvermögen der Gesellschafter vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 GmbHG Rn. 15 ff.; Emmerich, in: Scholz, § 13 GmbHG Rn. 76 ff. 133 Vgl. dazu K. Schmidt, GesellschaftsR, § 33 I I 1. 134 Im Jahre 2002 wurden fast 20. 000 GmbHs (im Jahr 2000 „nur" 16. 000) GmbHs insolvent; vgl. Statistisches Jahrbuch 2003, S. 138. 135 K. Schmidt, GesellschaftsR, § 33 I I 2 d).

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besorgt dabei i. S. d. § 675 BGB auch die Geschäfte der GmbH, ist mithin zugleich tauglicher Täter einer Treubruchsuntreue. 136 Soweit der Geschäftsführer in ein Gremium oder Kollegialorgan eingebunden ist, bemisst sich der Inhalt und Umfang seiner Treupflicht nach der jeweiligen internen Aufgabenverteilung. Üblicherweise muss er jedes zulässige Mittel ergreifen, um das Zustandekommen eines rechtswidrigen Beschlusses zu verhindern; 137 gelingt ihm dies nicht und wird er überstimmt, muss er zur Schadensverhütung aktiv werden 138 und zumindest die Gesellschafter warnen. 139 Zu einer Begrenzung seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit kann es allerdings dann kommen, wenn innerhalb eines mehrköpfigen Organs unterschiedliche Aufgaben- und damit auch differenzierte Verantwortungsbereiche bestehen. Dann haftet der Geschäftsführer nach dem Verantwortungsprinzip 140 nicht wegen Untreue, wenn es sich um eine Zustimmung handelt, die er im (berechtigten) Vertrauen auf die Richtigkeit der ihm vorgelegten Informationen und damit pflichtgemäß erteilt. 141 Soweit es aber Anlass zu Zweifeln und Unstimmigkeiten gibt, muss der Geschäftsführer u. U. nachfragen und gegebenenfalls eigene Kontrollen vornehmen bzw. veranlassen. Sofern er dabei gegen seine Pflichten aus dem Innenverhältnis verstößt, etwa durch das Unterlassen einer Überprüfung, reichen aber Nachlässigkeit oder eine sonstige fahrlässige Untätigkeit für die Tatbestandsverwirklichung nicht aus; nur bei einer (bedingt) vorsätzlichen 142 Treupflichtverletzung kann sich ein Treunehmer der Untreue schuldig machen.

b) Der faktische Geschäftsführer Treupflichtig ist auch der sog. faktische Geschäftsführer. Darunter versteht man der Form nach eine solche Ausübung von Geschäftsführungsaufgaben, die auf gar keinem Rechtsverhältnis zwischen Gesellschaft und Handelndem beruhen, weil ein solches absichtlich unterblieben ist (z. B. bei Strohmännern), 143 oder die auf einem nicht bzw. nicht mehr wirksamen Geschäftsführervertrag zurückzuführen 136 BGH NJW 1997, 154, 155; Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 25; Tiedemann, in: Scholz, Vor §§ 82 ff. GmbHG Rn. 15. 137 BGHSt 9, 203 in einem obiter dictum betr. Mitglieder des Aufsichtsrats einer AG; etwas enger bzgl. Kollegialentscheidungen das Lederspray-Urteil des BGH, BGHSt 37, 106, 126; dazu LK-Schünemann, § 266 Rn. 215 c) aa). 138 Kohlmann, GmbH-Geschäftsführer, Rn. 176. 139 LK-Schünemann, § 266 Rn. 125 c) aa). 1 40 Zu diesem Zurechnungstopos vgl. Lenckner, in: Schänke /Schröder, Rn. 101/101a. 141 Vgl. entsprechend BGHSt 46, 30, 35. 142 Vgl. 1. Kapitel C. II.

Vorbem. §§ 13 ff.

143 Str.; vgl. BGH NJW 1997, 67; zu den Motiven solcher faktischer Geschäftsführung Kohlmann, GmbH-Geschäftsführer, Rn. 11.

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sind. 144 Die prinzipielle Möglichkeit diese Täterqualifikation ergibt sich, wie etwa Schünemann zu Recht hervorhebt, bereits unmittelbar aus der Struktur des Treubruchstatbestands, erfasst dieser doch gerade mit der 4. Variante des Treueverhältnisses faktische Machtpositionen über fremdes Vermögen; die Problematik tatsächlicher Geschäftsführer, wie sie bei Delikten, die formell einen Geschäftsführer voraussetzen (z. B. §§ 82, 84 GmbHG), 145 sowie im Rahmen des § 14 Abs. 3 StGB kontrovers 146 diskutiert wird, stellt sich bei § 266 StGB somit nicht. 147 Eine solche täterschaftsbegründende faktische Geschäftsführung setzt dem Umfange nach voraus, dass die betreffende Person die Geschäftsführung tatsächlich aufgenommen und einen maßgeblichen Einfluss auf die wesentlichen Geschäftsvorgänge ausgeübt hat, 1 4 8 wobei im Einzelnen umstritten ist, ob dem faktischen Geschäftsführer ein Übergewicht oder eine überragende Stellung gegenüber dem förmlichen Geschäftsführer zukommen muss. 149 Ferner setzt die Treupflicht des faktischen Geschäftsführers voraus, dass dieser im (mutmaßlichen) Einverständnis 1 5 0 oder doch zumindest mit Duldung der Gesellschafter gehandelt hat. Sofern darin eine konkludente Bevollmächtigung liegt, kann der tatsächliche Geschäftsführer auch den Missbrauchstatbestand verwirklichen. 151 Zu einem faktischen Geschäftsführer kann auch der Gesellschafter werden, sofern er aktiv auf das Geschehen in dem Unternehmen einwirkt und dadurch wie ein Geschäftsführer die Geschäftsbesorgung für das fremde Vermögen übernimmt. So kann in der extremen Ausübung des Weisungsrechts im Einzelfall eine versteckte Übertragung von Geschäftsführerbefugnissen gesehen werden. 152 Das gilt erst recht, wenn der Gesellschafter die Geschäfte selbst führt, mithin allein bestimmt, was in der GmbH geschäftlich geschieht und die formellen Geschäftsführer etwa nur dann hinzuzieht, wenn dies zur Wahrung gesetzlicher Formvorschriften unerlässlich ist. 1 5 3 Nach den gleichen Grundsätzen kann sich innerhalb einer faktisch konzernierten GmbH die Treupflicht des herrschenden Gesellschafters er144 Für eine Beschränkung der 4. Alt. auf solche intendierten bzw. erloschenen Betreuungsverhältnisse Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 30. 145 Dazu Tiedemann, in: Scholz, § 82 GmbHG Rn. 39 ff. 146 Vgl. Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 14 Rn. 42/43.

147 LK-Schünemann, § 266 Rn. 125 b); Tiedemann, in: Scholz, Vor §§ 82 ff. GmbHG Rn. 15. 148 Die Details sind streitig und können hier nicht behandelt werden. - Vgl. BGHSt 31, 118; weitere Rspr. - Nachweise bei Kohlmann, GmbH-Geschäftsführer, Rn. 11 ff.; eingehende Darstellung bei Schmid, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 30 Rn. 10 ff. m. umfass. Lit.Nachw. 149 Vgl. Schmid, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 30 Rn. 15. 150 Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 30; Tiedemann, in: Scholz, Vor § 82 ff. GmbHG Rn. 15. 151 Schaal, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, 152 V g l . BGH NJW 1997, 66, 67. 153 So der Sachverhalt in BGHSt 22, 101, 103.

Vor §§ 82- 85 GmbHG Rn. 12.

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

geben. 154 Der nicht (faktisch) geschäftsführende Gesellschafter ist hingegen, wie später zu zeigen ist, 1 5 5 nicht treupflichtig.

c) Der Aufsichtsrat Sofern die GmbH darüber hinaus weitere Organe eingerichtet hat, etwa einen Aufsichtsrat oder Beirat, so sind auch dessen Mitglieder gegenüber der GmbH innerhalb des ihnen zugewiesenen Aufgabenbereichs vermögensbetreuungspflichtig. 1 5 6 Der Aufsichtsrat einer GmbH kann sich namentlich einer Treubruchsuntreue durch Unterlassen schuldig machen, wenn er nicht gegenüber Unregelmäßigkeiten in der Geschäftsführung einschreitet. 157 Dies gilt namentlich für den fakultativen Aufsichtsrat i. S. d. § 52 Abs. 1 GmbHG, der eine vergleichbare Kontroll-, Personal- und Sachkompetenz besitzen kann wie der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft. 158 Soweit es sich um einen obligatorischen Aufsichtsrat handelt, 1 5 9 hängt es vom gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereich ab, ob und inwieweit die Aufsichtsratsmitglieder eine Untreue begehen können. Sind die Kompetenzen so weitreichend wie beispielsweise nach dem Betriebsverfassungsgesetz,160 besteht auch eine entsprechend umfassende strafrechtliche Haftung wegen Untreue, z. B. bei der Kontrolle der Geschäftsführung oder der Ausübung der Personalkompetenz. Soweit es sich bei einem Beirat allerdings um ein Gruppenorgan handelt, das aus den Gesellschaftern besteht bzw. die Interessen der Gesellschafter vertritt, 161 kann eine Treupflicht des Beirats folgerichtig nur angenommen werden, wenn man auch dem einzelnen Gesellschafter eine (gewisse) Vermögensbetreuungspflicht auferlegt; letzteres ist jedoch umstritten und wird im Rahmen dieser Untersuchung später behandelt werden. 162

154 BGHZ 149, 10 („Bremer Vulkan-Urteil" = NJW 2001, 3622); dazu 2. Kapitel C. VI. 3. 155

Diese Problematik wird unten, 2. Kapitel C. III. 4. g), behandelt. 156 Kohlmann, in: Hachenburg, Vor § 82 GmbHG Rn. 73; Schaal, in: Rowedder/SchmidtLeithoff, Vor §§ 82- 85 GmbHG Rn. 73; LK-Schünemann, § 266 Rn. 60. 157 BGHSt 9, 203, 215; Tiedemann, in: Scholz, Vor §§ 82 ff. GmbHG Rn. 18. In der Entscheidung wurde aber zu Unrecht die Unwirksamkeit des Einverständnisses angenommen; zur Irrelevanz der Gläubigerinteressen im Rahmen des § 266 vgl. 2. Kapitel C. III 4. 158 Dazu unten 2. Kapitel C. IV. 1. 159 Dazu Uwe H. Schneider, in: Scholz, § 52 GmbHG Rn. 8 ff. 160 Vgl. die Zusammenstellung bei Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 52 GmbHG Rn. 73 ff., 165 ff., 190 ff. 161 Vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 52 GmbHG Rn. 43: Dem Beirat können alle Aufgaben übertragen werden, die der Gesellschafterversammlung obliegen. 162 2. Kapitel C. III. 4. g).

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3. Die umstrittenen Einwilligungsfälle und ihre gesellschaftsrechtliche Bewertung Ist damit der Kreis der Treupflichtigen zunächst abgesteckt, stellt sich sodann die Frage, wer für die Erteilung eines Einverständnisses in Dispositionen der Treunehmer zuständig ist. Die identische Problematik tritt auf, wenn es um die Schädigung einer GmbH geht, die zugleich Gesellschafterin einer anderen Gesellschaft, etwa Komplementärin bei einer GmbH & Co. KG, ist. Im Folgenden werden die Fallkonstellationen dargestellt, die weitgehend den Gegenstand der strafrechtlichen Rechtsprechung bilden und die im gesellschaftsund strafrechtlichen Schrifttum vorrangig erörtert werden. 163 In diesem Rahmen wird sogleich die gesellschaftsrechtliche Bewertung dieser Fälle mit angefühlt. Im Anschluss daran wird unter 4. der komplexen Frage nachgegangen werden, inwiefern hierbei die Wertungen, die hinter der gesellschaftsrechtlichen Behandlung der Fälle stehen, mit dem Sinn und Zweck des Untreuetatbestands in Einklang gebracht werden können und müssen.

a) Sog. „verdeckte Gewinnausschüttungen " an Gesellschafter Die erste Fallgruppe, die die strafrechtliche Judikatur des RG und des BGH beschäftigte, hat Sachverhalte zum Gegenstand, in denen ein Geschäftsführer mittels eines Rechtsgeschäfts den Gesellschaftern nicht ausgewiesene Gewinne oder sonstige Vermögensteile der GmbH zukommen läßt, nachdem die Gesellschafter - bzw. bei der Einmann-GmbH der Geschäftsführer in seiner Eigenschaft als alleiniger Gesellschafter - diesen Maßnahmen zugestimmt haben, ohne dabei das förmliche Gewinnverteilungsverfahren zu wahren. Beispiele aus der Rechtsprechung: - RGSt 42, 278: Der Geschäftsführer einer Privattelefongesellschaft, der zugleich deren alleiniger Gesellschafter war, bezog ein überhöhtes Gehalt und erhielt Beträge für Repräsentation sowie Reisespesen, die außer Verhältnis zu der Vermögenslage der Gesellschaft standen. - BGH GmbHR 1954, 75: Der geschäftsführende Alleingesellschafter einer GmbH trennte sein Privatvermögen nicht vom Gesellschaftsvermögen, verbuchte ferner nicht die Barbeträge, die er der Gesellschaftskasse entnahm, und erhielt zusätzlich zu seinem Gehalt von 1000 DM jeden Monat weitere 700 DM zur Bestreitung von Reisekosten. - BGHR StGB § 266 Abs. 1, Nachteil 18: Der Gesellschafter G bewirkte gemeinsam mit dem Geschäftsführer, dass die GmbH von G und dessen Brüdern Grundstücke zu einem überhöhten Preis kaufte. 164 163 Soweit ein Einverständnis von der Satzung der GmbH abweicht, gelten die für den Verein getroffenen Aussagen entsprechend (vgl. 2. Kapitel C. I. 1), d. h. eine Satzungsabweichung bzw. Satzungsdurchbrechung ist bei Einverständnis aller Gesellschafter erlaubt und damit nicht pflichtwidrig.

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- BGH wistra 1991, 187: Der Geschäftsführer und Mitgesellschafter einer GmbH sicherte eine Darlehensschuld der Mitgesellschafterin (seiner Ehefrau), indem er mit ihrem Einverständnis die GmbH als selbstschuldnerische Bürgin für die Darlehensschuld in Höhe von 400.000 DM einsetzte und im Rahmen der Bürgschaftserklärung vom Konto der GmbH 145.000 DM auf das Konto der Ehefrau überweisen ließ.

Für die Bezeichnung dieser Fallkonstellationen hat sich in der gesellschafts- und strafrechtlichen Rechtsprechung 165 und Literatur 166 der aus dem Steuerrecht stammende 167 Begriff der sog. „verdeckten Gewinnausschüttung" eingebürgert. Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt nach der herrschenden Meinung im Gesellschaftsrecht vor, wenn der Geschäftsführer einzelnen oder allen Gesellschaftern außerhalb der förmlichen Gewinnverteilung Leistungen aus dem Gesellschaftsvermögen ohne angemessenes Äquivalent gewährt. 168 In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich dabei um die Zuwendung eines Vermögensvorteils an die Gesellschafter, den die Gesellschaft einem Dritten bei der Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Gesellschafters nicht gewährt hätte. 169 Neben den oben genannten Beispielen aus der Strafrechtsprechung lassen sich hier aufführen: 1 7 0 fingierte Austauschverträge, inäquivalente Gegenleistungen (z. B. überhöhte Geschäftsführerbezüge an Gesellschaftergeschäftsführer), fingierte Beschäftigungsverhältnisse, zu hohe Verzinsung von Gesellschafterdarlehen einerseits wie andererseits gering- oder unverzinsliche Darlehensgewährung an Gesellschafter. Die Rechtsprechung und wohl überwiegende Meinung im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum hält die verdeckte Gewinnausschüttung für grundsätzlich zulässig. 1 7 1 Allerdings unterliegt sie teilweise erheblichen Einschränkungen, deren Gewichtung aber höchst umstritten ist: - Gebot der Erhaltung des Stammkapitals: Unstreitig ist allerdings, dass verdeckte Gewinnausschüttungen aller Art an den Grenzen des § 30 Abs. 1 GmbHG zu 164 Allerdings bleibt bei dieser Entscheidung offen, ob alle Gesellschafter zugestimmt haben. 165 Zur strafrechtlichen Judikatur vgl. BGHSt 34, 379; 35, 333, zur zivilrechtlichen Rechtsprechung z. B. BGH NJW 1987, 1194, 1195. 166 Zum gesellschaftsrechtlichen Schrifttum vgl. nur Baumbach/Hueck, GmbHG, § 29 Rn. 70; Emmerich, in: Scholz, § 29 GmbHG Rn. 113; K.Schmidt, GesellschaftsR, §§ 29 I I 2a, 37 III 2 c, V I 3 d; Tries, S. 1 ff., 12 ff. m. w. N. Aus dem strafrechtlichen Schrifttum vgl. etwa Krekeler /Werner, StraFo 2003, S. 374 m. w. N. auch zur Frage, wann hier die Missbrauchs und wann die Treubruchs Variante zum Zuge kommen kann. 167 Eingehend dazu Mihm, S. 29 ff. 168 Vgl. etwa Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 GmbHG Rn. 68; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 29 GmbHG Rn. 55. 169 Sog. hypothetisches Drittgeschäft als Maßstab; vgl. BGHZ 111, 224, 227 (= NJW 1990, 2625); Emmerich, in: Scholz, § 29 GmbHG Rn. 98. 170 Vgl. Emmerich, in: Scholz, § 29 GmbHG Rn. 99. 171 Vgl. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 GmbHG Rn. 71; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 29 GmbHG Rn. 56.

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messen sind. Nach § 30 Abs. 1 GmbHG darf das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden. Wie der Begriff des Stammkapitals zu definieren ist, ist umstritten. Nach einer geläufigen Definition umschreibt der Terminus „die durch den Gesellschaftsvertrag betragsmäßig zu bestimmende feste Größe, die die Gesamthöhe der mindestens aufzubringenden Gesellschaftereinlagen angibt und zugleich die rechnerische Grenze bezeichnet, unterhalb derer das Gesellschaftsvermögen durch Leistung an die Gesellschafter als solche nicht geschmälert werden darf'. 1 7 2

Geschieht diese Auszahlung doch, so hat die GmbH gegen den Gesellschafter einen Rückgabeanspruch nach § 31 Abs. 1 GmbHG bzw. nach Bereicherungsrecht und die übrigen Gesellschafter sind dem Risiko der Ausfallhaftung, § 31 Abs. 3 GmbHG, ausgesetzt.173 - Innergesellschaftliche Kompetenzverteilung: Sodann ist eine verdeckte Gewinnausschüttung unzulässig, wenn sie gegen die innergesellschaftliche Kompetenzverteilung verstößt. In der Sache handelt es sich bei der verdeckten Gewinnausschüttung um eine besondere Form der Ergebnisverwendung i. S. d. §§ 29, 46 Nr. 1 GmbHG. Dies bedeutet, dass der Gewinnausschüttung ein entsprechender Gesellschafterbeschluss mit der vorgeschriebenen Mehrheit zugrunde liegen muss. Allerdings kann, sofern der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, eine etwaige Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, der in der Bevorzugung einzelner Gesellschafter liegen kann, analog § 53 Abs. 3 GmbHG nur mit Zustimmung der dadurch benachteiligten Gesellschafter zulässig sein. Dies bedeutet, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung an einzelne Gesellschafter dann unzulässig ist, wenn sie nicht ausnahmsweise durch den Gesellschaftsvertrag gedeckt ist oder ihm sämtliche benachteiligten Gesellschafter zugestimmt haben. 174 Ist letzteres nicht der Fall, hat die Gesellschaft einen Rückforderungsanspruch. 175 Wendet sich hingegen der geschäftsführende Alleingesellschafter einer GmbH einen Vermögensgegenstand zu, so ist dies, da er gesellschaftsrechtlich allein für die Gewinnverteilung zuständig ist, konsequenterweise kein Verstoß gegen die innergesellschaftliche Kompetenzverteilung, so dass dies nach den eben skizzierten Grundsätzen des Gesellschaftsrechts erst dann unzulässig ist, wenn gegen § 30 GmbHG verstoßen wird. 1 7 6 172 Flum, S. 147; Winter, in: Scholz, § 5 GmbHG Rn. 10; Wodicka, S. 112. Dazu, dass dem Begriff eine bilanzielle Funktion zukommt und nicht mit dem Eigenkapital bzw. dem Kapital im kredit- und betriebswirtschaftlichen Sinn verwechselt werden darf, vgl. z. B. K .Schmidt, GesellschaftsR, § 37 III 1 d. 173 Vgl. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 GmbHG Rn. 78; Emmerich, in: Scholz. § 29 GmbHG Rn. 103 ff. 174 Vgl. Emmerich, in: Scholz, § 29 GmbHG Rn. 104; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/ Hueck, § 29 GmbHG Rn. 75. 175 Zur Frage der Anspruchsgrundlage vgl. K. Schmidt, GesellschaftsR, § 37 III 2d. 176 H. M.; vgl. BGHZ 122, 333, 336 (= NJW 1993, 1922); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 29 GmbHG Rn. 71 a. E., 76.

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

- Benachteiligung von Mitgesellschaftern: Nicht alle Gesellschafter kommen gleichermaßen in den Genuss der Vergünstigung. Hier besteht dann ein Ausgleichsanspruch der übergangenen Gesellschafter bzw. ein Kondiktionsanspruch. 177 - Sonstige Restriktionen: Daneben gibt es weitere Beschränkungen der verdeckten Gewinnausschüttungen aus der Treupflicht der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern, sofern ein Gesellschafter seinen Einfluss zur Durchsetzung einer verdeckten Gewinnausschüttung missbraucht 178 sowie bei Gewinnausschüttungen an Dritte, die dem Gesellschafter nahe stehen.179 b) Offene Ausschüttungen bzw. offene Zuwendungen an die Gesellschafter Bei den offenen Ausschüttungen handelt es sich um Vermögensauskehrungen an die Gesellschafter, die im Rahmen der Gewinnverteilung erfolgen. Im Unterschied zu den eben skizzierten verdeckten Vermögenszuwendungen erfolgt hier die Gewinnverteilung „offen", d. h. unter Einhaltung des förmlichen Gewinnverteilungsverfahrens (§§ 29 Abs. 1, 46 Nr. 1, 42a GmbHG). Zu den offenen Ausschüttungen zählen auch die während des laufenden Geschäftsjahres vorgenommenen sog. Vorabausschüttungen an die Gesellschafter: Hier wird aufgrund eines von den Gesellschaftern gefassten ordnungsgemäßen Beschlusses der erwartete Gewinn vorab verteilt. 180 Gesellschaftsrechtlich gelten die gleichen Grundsätze wie bei der sog. verdeckten Gewinnausschüttung. Die offene Ausschüttung ist zulässig, solange nicht das Verbot des § 30 GmbHG, das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen auszuzahlen, verletzt wird. 1 8 1 Der maßgebliche zeitliche Bezugspunkt für den Verstoß gegen § 30 GmbHG ist - wie bei den verdeckten Vermögensverlagerungen - der Zeitpunkt der Ausschüttung. Eine weitere, praktisch häufig vorkommende Fallgruppe bilden Sachverhalte, in denen sich die Gesellschafter offen Vermögensgegenstände der Gesellschaft aneignen, ohne dass diese Maßnahme in ein Umsatzgeschäft gekleidet ist oder ein förmlicher Gesellschafterbeschluss vorliegt. 182 177 Vgl. Emmerich, in: Scholz, § 29 GmbHG Rn. 108. 178 Zu den Fallgruppen Emmerich, in: Scholz, § 29 GmbHG Rn. 109; Hueck/Fastrich, § 29 Rn. 74, 76 a. E. 179 Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 29 Rn. 58. 180 Vgl. nur Baumbach/Hueck, GmbHG, § 29 Rn. 60; K. Schmidt, GesellschaftsR, § 37 V I 3 c). 181 Ergibt später die Jahresbilanz, dass der erwartete Gewinn nicht erzielt wurde, müssen die Gesellschafter die Vorabausschüttung zurückgewähren, sofern ein Ausgleich nicht durch Auflösung von Rücklagen möglich ist; vgl. Emmerich, in: Scholz, § 29 GmbHG Rn. 136 ff. 182 Vor allem bei Ein-Mann-GmbH, die sich in einer wirtschaftlichen Krise befinden, treten diese Fälle häufig auf; der Gesellschafter bezweckt damit regelmäßig, seine Einlage vor dem Zugriff der Gläubiger zu sichern oder über das Gesellschaftsvermögen private Aufwendungen zu finanzieren; vgl. auch Flum, S. 14.

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C. Juristische Personen des Privatrechts

- BGHSt 30, 127: Der Geschäftsführer und einziger Gesellschafter einer Bau-GmbH brachte für eigene Zwecke 1,1 Mio. DM an sich, in dem er vom Konto der GmbH Barabhebungen vornahm, Schecks zu ihren Lasten einreichte und Kundenschecks einbehielt. Er wollte aus dem von ihm befürchteten Zusammenbruch der GmbH „nicht mit leeren Taschen" hervorgehen. Außerdem setzte er sich mit einem PKW der GmbH, den er für sich behalten wollte, ins Ausland ab. - BGH NStZ 1984, 118: Der geschäftsführende Alleingesellschafter veranlasste die Schuldner der GmbH, offene Rechnungsbeträge nicht auf das Konto der GmbH, sondern auf ein anderes Konto zu überweisen; von dort hob er die überwiesenen Beträge fast vollständig ab und verwendete das Geld ausschließlich für sich. - BGHSt 35, 333: Zum Zweck der Steuerhinterziehung verlagerte der alleinige Geschäftsführer und Mitgesellschafter einer Bau-GmbH mit Zustimmung der übrigen Gesellschafter vom Gesellschaftsvermögen 1,5 Mio. DM in vier private Bauvorhaben, von denen drei ihm und eines seinem Bruder gehörten. - BGH wistra 1992, 141: Ein Gesellschafter bewirkte in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der GmbH, dass 113 Zahlungen in Höhe von insgesamt 67.500 DM, die der GmbH geschuldet waren, nicht dem GmbH-Geschäftskonto, sondern seinem eigenen Privatkonto oder dem Konto seiner Lebensgefährtin gutgeschrieben wurden.

Auch hier muss die innergesellschaftliche Kompetenzverteilung, namentlich der Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet werden. Darüber hinaus greift das Ausschüttungsverbot des § 30 Abs. 1 GmbHG ein. Der Anwendungsbereich des § 30 Abs. 1 GmbHG ist nicht auf die oben skizzierten verdeckten und offenen Ausschüttungen beschränkt, sondern erfasst jede Form der Substanzausschüttung, die das GmbHStammkapital tangiert. 183 Entgegen des Wortlauts des § 30 Abs. 1 GmbHG, der es nahe legen würde, dass nur „Zahlungen" an die Gesellschafter verboten werden, interpretiert die ganz h. M. das Ausschüttungsverbot umfassend: Nicht nur die Zahlung von Geld, sondern auch die „Zahlung" in Form gegenständlicher Substanzausschüttungen (z. B. Aneignung von Geld, Firmen-PKWs usw.) werden hiervon erfasst.

c) Rückzahlung eigenkapitalersetzender

Darlehen

Entsprechende Probleme treten auch bei der Rückzahlung sog. eigenkapitalersetzender Darlehen auf. 1 8 4 Darunter versteht man einerseits Darlehen mit Eigenkapitalfunktion nach §§ 30, 31 GmbHG und solchen, die gem. §§ 32a, 32b GmbHG ein Gesellschafter der Gesellschaft in einem Zeitpunkt gewährt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten, weil die Gesellschaft sonst auf dem Kapitalmarkt keine Mittel mehr zu den üblichen Konditionen erhält. 185 Nach der h. M. im Gesellschaftsrecht ist das eigenkapital183 Vgl. Flum, S. 11; Roth, in: Roth/Altmeppen, § 30 GmbHG Rn. 1 ff. 184 Vgl. etwa Härtung, NJW 1996, S. 229; Muhler, wistra 1994, S. 282. 185

Dazu Bieneck, in: Müller-Gugenberger/Bieneck,

§ 80 Rn. 4.

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

ersetzende Darlehen wie Stammkapital gebunden, weshalb es dem Rückzahlungsverbot des § 30 Abs. 1 GmbHG unterliegt. 186

d) Existenzvernichtender

oder -gefährdender

Eingriff

Neben den bisher skizzierten Fällen, in denen die zustimmenden Gesellschafter zugleich Empfänger der entzogenen Vermögensgegenstände sind, gibt es Konstellationen, in denen der alleingeschäftsführende Gesellschafter oder ein Geschäftsführer mit Zustimmung (oder auf Veranlassung) der Gesellschafter das Vermögen der GmbH schmälert, ohne dass dies den Charakter einer (offenen oder verdeckten) Gewinnausschüttung tragen muss. Ein Beispiel hierfür wäre die Weisung an einen Geschäftsführer, das Gesellschaftsvermögen auf einen Dritten zu übertragen, ohne hierfür einen angemessenen Ausgleich zu erhalten, so dass die GmbH am Ende vermögenslos und nur noch Träger von Verbindlichkeiten ist. Dabei kann es sich um ein Geschehen z. B. in einem Konzern handeln, in dem durch Vermögensverschiebungen zugunsten anderer Unternehmen die Existenz einer abhängigen GmbH vernichtet bzw. gefährdet wird, oder in einer mehrgliedrigen, von Interessengegensätzen der Gesellschafter beherrschten GmbH, in der ein dominierender Gesellschafter einseitig, aber mit Zustimmung der anderen Gesellschafter eine vermögensschädigende Disposition durchsetzt und so die Gesellschaft in die Insolvenz führt. Im Rahmen des Gesellschaftsrechts greifen in diesen Fällen nunmehr diejenigen Haftungsregeln ein, die der 2. Zivilsenat des BGH in der „Bremer Vulkan"-Entscheidung entwickelt 187 und in den Urteilen zur „KBV" und zur „Ausfallhaftung" bestätigt und ausgebaut hat. 1 8 8 Mit der Zielsetzung, den Schutz der Gläubiger einer GmbH, deren Gesellschafter einverständlich handeln, deutlich zu verbessern, hat hier der BGH das Kapitalerhaltungsgebot des § 30 Abs. 1 GmbH insoweit ausgedehnt, als unter dem Stichwort des existenzvernichtenden Eingriffs die Reichweite der deliktsrechtlichen Haftung (§ 823 Abs. 2 i. V. m. § 266 StGB), der Ausfallhaftung (§31 Abs. 3 GmbHG) und der Durchgriffshaftung der Gesellschafter wegen Missbrauchs der Rechtsform vergrößert wurde. 189

186 Vgl. BGHZ 90, 370 (= NJW 1984, 1891); Härtung, NJW 1996, S. 231 f.; K Schmidt, in: Scholz, §§ 32a, 32b GmbHG Rn. 76 ff. 187 Vgl. BGHZ 149, 10 mit Bspr. Altmeppen, NJW 2002, 32 und K Schmidt, NJW 2001, 3577; dazu näher unten 2. Kapitel C. II. 4. c) und C. VI. 3. b). iss BGHZ 151, 181 (= NJW 2002, 3024 [KBV]; BGHZ 150, 61 (= NJW 2002, 1803 [Ausfallhaftung]). Dazu Henze, NZG 2003, 649; Westermann, NZG 2002, 1129. 189 Vgl. etwa Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 13 GmbHG Rn. 93 ff.

C. Juristische Personen des Privatrechts

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4. Die strafrechtliche Bewertung Bei der strafrechtlichen Bewertung solcher und vergleichbarer Fallkonstellationen sub specie der Untreue zum Nachteil einer GmbH sind zunächst zwei Gesetzesphasen zu unterscheiden, nämlich diejenige von 1933 bis 1970, in der im GmbHGesetz eine eigene Untreuevorschrift (§ 81a GmbHG a. F.) enthalten war, und die von 1970 bis heute fortwährende Gesetzeslage, nach der eine Verurteilung wegen Untreue nur noch nach § 266 StGB in Betracht kommt. Einen Blick auf die GmbHrechtliche Untreue bedarf es dabei schon deshalb, weil der Gesetzgeber die Vorschrift 1969 mit der Begründung gestrichen hat, sie sei überflüssig, weil die in § 81a GmbHG beschriebenen Tathandlungen bereits durch § 266 StGB erfasst seien. 190

a) Der Regelungsgehalt des § 81a GmbHG Der spezifisch auf die GmbH zugeschnittene Straftatbestand des § 81a GmbHG wurde zeitgleich mit der Neufassung des § 266 StGB im Jahre 1933 in das GmbHG eingeführt. Nach dieser Vorschrift wurde mit Gefängnis oder Geldstrafe bestraft, „wer als Geschäftsführer, Liquidator oder Mitglied eines Aufsichtsrats oder eines ähnlichen Organs einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung vorsätzlich zum Nachteil der Gesellschaft handelt". Was hat den Gesetzgeber seinerzeit dazu bewogen, neben dem § 266 StGB eine weitere Untreuevorschrift speziell zum Schutz der GmbH einzuführen? Der sich sofort aufdrängende Gedanke, dies sei deshalb geschehen, weil die Vorschrift andere Fallkonstellationen als § 266 StGB erfasse, scheint sich beim genaueren Hinsehen als falsch herauszustellen: So war es während der Geltung des § 81a GmbHG die übereinstimmende Ansicht von Rechtsprechung und herrschender Lehre, dass der Anwendungsbereich der beiden Straftatbestände deckungsgleich sei - Tiedemann spricht von einer „totalen Spezialität des § 81a GmbHG gegenüber § 266 StGB" 1 9 1 - und man deshalb 1970 sehr wohl den § 81a GmbHG abschaffen konnte, ohne dass dadurch eine Strafbarkeitslücke entstehen würde. 192 Dass § 266 StGB „wohl sämtliche Fälle" des § 81a GmbHG „mitumfaßt", hat bereits der Gesetzgeber 1933 angenommen, und die Einführung des § 81a GmbHG und aller anderen Untreuevorschriften in sonstigen Gesetzen - allein damit begründet, dass der Gesetzgeber „auf ihre generalpräventive Wirkung nicht verzichten wollte". 1 9 3 Aufschlussreich für heutige Streitfragen im hier interessierenden Zusammenhang ist die Regelung des § 81a GmbHG sowie die zu ihr ergangene Rechtspre190 BT-Drs. V/4094 S. 56. 191 Tiedemann, in: Scholz, Vor §§ 82 ff. GmbHG Rn. 11. 192 Schaal, in: Rowedder / Schmidt-Leithoff, Vor §§ 82-85 GmbHG Rn. 9. 193 Schäfer, DRiZ 1933, S. 791, 796. 8 Schramm

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

chung in zwei Punkten: Zunächst fällt auf, dass als Täter einer Untreue in § 81a GmbHG in Form eines numerus clausus 194 zwar der Geschäftsführer, Liquidator und das Mitglied eines Aufsichtsrats oder vergleichbaren Organs genannt werden, aber die Gesellschafter nicht zum Täterkreis des § 81a GmbHG gehörten; geht man von einer Deckungsgleichheit der Anwendungsbereiche von § 266 StGB und § 81a GmbHG aus, muss folgerichtig angenommen werden, dass die Gesellschafter zumindest nicht als Täter an einer Untreue i. S. d. § 266 StGB mitwirken konnten, weil sie keine - wie immer geartete - täterschaftsbegründende Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Gesellschaftsvermögen hatten. Sie kämen daher als Beteiligte - wenn überhaupt - nur als Gehilfen oder Anstifter in Betracht. Allerdings ergibt sich aus der Analyse der zu § 81a GmbHG ergangenen Rechtsprechung - zumindest soweit sie veröffentlicht wurde - , dass kein einziger Gesellschafter wegen Teilnahme an einer Untreue verurteilt wurde. Weit bedeutsamer, ja entscheidend ist hier jedoch eine zweite Frage im Zusammenhang mit § 81a GmbHG, nämlich diejenige, ob die Vorschrift auch dem Schutz der Gläubigerinteressen diente. In der reichsgerichtlichen Rechtsprechung wurde darauf keine eindeutige Antwort gegeben;195 im Zusammenhang mit § 312 a. F. HGB, der die Untreue zum Nachteil einer Aktiengesellschaft regelte, sprach das RG in Bezug auf die AG (und nicht die GmbH) 1 9 6 aus, dass diese Vorschrift kein Schutzgesetz für Gläubiger sei, 197 während bei einer Ein-Mann-GmbH, die ein Zwecksparunternehmen betrieb, hervorgehoben wurde, dass „die Fähigkeit, ihre Pflichten gegenüber ihren Gläubigern, namentlich gegenüber ihren Sparern zu erfüllen, weder vereitelt noch gefährdet" 198 werden dürfe. Deutlicher brachte hingegen das Schrifttum zum Ausdruck, dass § 81a GmbHG keinerlei Schutzwirkung für die Gläubiger entfalte. 199 Auch der BGH schien zunächst der Linie des Reichsgerichts zu folgen und rückte ebenfalls den vom Reichsgericht betonten Aspekt der eigenen Rechtspersönlichkeit in den Mittelpunkt der Argumentation: 200 Ohne Bedeutung sei, dass die gesetzlichen Vörschrif194 Etwas zurückhaltender Ransiek, Fs. Kohlmann, S. 222: „wohl" abschließende Regelung. 195

Vgl. Kohlmann, Fs. Werner, S. 388: Zum Teil erhebliche Divergenzen zwischen den verschiedenen höchstrichterlichen Entscheidungen. 196 Diesen Unterschied betont Klug, in: Hachenburg 6, § 81a GmbHG Anm. 45. 197 RG JW 1935, 3301, 3302. Gegen die Ausweitung dieser Einschränkung auf § 81a GmbH Klug in: Hachenburg 6, § 81a GmbHG Anm. 45. 198 RGSt 71, 353 (zu § 81a GmbHG). Nach LK-Schünemann vertritt das RG darin eine Art strenge Körperschaftstheorie, nach der die Gesellschafter eine Schädigung des Gesellschaftsvermögens nicht gestatten könne, so dass die Pflichtwidrigkeit einer Schädigung auch bei Zustimmung aller Gesellschafter nicht entfallen könne. Ob diese Entscheidung wirklich so verstanden werden kann, erscheint im Hinblick darauf zweifelhaft, dass der Gläubigerschutz bei einem Zwecksparunternehmen in besonders außergewöhnlicher Weise zum Gesellschaftszweck gehört; vgl. auch Meilicke, BB 1988, 1263. 199 So z. B. Baumbach/Hueck 12, § 81a GmbHG, Anm. 1. 200 BGHSt 3, 23, 24; BGHSt 3, 32, 39 f.

C. Juristische Personen des Privatrechts

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ten über den Erhalt des Gesellschaftsvermögens letztlich den Schutz der Gläubiger im Auge hätten; maßgebend sei allein, dass das Gesetz die GmbH mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet habe und weder ihre Organe noch ihre Gesellschafter berechtigt hat, das Vermögen der Gesellschaft willkürlich preiszugeben (BGHSt 3, 32,40). Dies änderte sich jedoch mit einem BGH-Urteil aus dem Jahre 1954, 201 in dem der Geschäftsführer einer GmbH, der zugleich ihr Alleingesellschafter war, erhebliche Barbeträge zu privaten Zwecken der Gesellschaftskasse entnahm und damit das Unternehmen in den Konkurs trieb. In dieser Entscheidung heißt es ausdrücklich, dass eine „willkürliche Entnahme von Gesellschaftsvermögen ... auch dem Gesellschafter nicht erlaubt" ist, „der zugleich einziger Gesellschafter ist, weil er im Hinblick auf den Ausschluss seiner persönlichen Haftung das Gesellschaftsvermögen im Interesse der Gläubiger zu erhalten hat, wie dies das GmbHG vorschreibt". 202 In seiner Anmerkung zu diesem Urteil meint daher Schneider, dass sich die bis dahin vertretene Ansicht, § 81a GmbHG diene nicht auch dem Gläubigerschutz und sei daher kein Schutzgesetz i. S. d. § 823 S. 2 BGB, von nun an „nicht mehr aufrechterhalten lassen" könne. 203 Auch in einer späteren Entscheidung betonte der BGH den Aspekt des Gläubigerschutzes. 204 Daraufhin ging man ebenso in der Kommentarliteratur überwiegend davon aus, dass es bei der Vorschrift zumindest auch um die Befriedigungsinteressen der Gläubiger gehe. 205 Doch war die Annahme des Gesetzgebers von 1970 wirklich richtig, der Anwendungsbereich des § 81a GmbHG sei mit demjenigen des § 266 StGB identisch und § 81a GmbHG deshalb überflüssig? - Diese Annahme war falsch, denn es war niemals Aufgabe des § 266 StGB, einen allgemeinen Gläubigerschutz zu gewähren, sondern nur die Vermögensinteressen einer ganz speziellen Gruppe von Gläubigern zu wahren, nämlich deijenigen, denen der Täter zugleich treupflichtig ist, oder anders formuliert: die einen spezifisch durch § 266 StGB strafrechtlich geschützten Treueanspruch gegenüber dem Täter besitzen. Doch bei dem Gläubiger einer GmbH (einschließlich der Arbeitnehmer) kann nicht schon aufgrund der Gläubigerstellung als solcher von einem solchen Treueanspruch die Rede sein, sondern erst dann, wenn die oben entwickelten 206 zusätzlichen Vo201 BGH, Urt. v. 24. 3. 1954-3 StR 934/52 = GmbHR 1954, 75. 202 BGH GmbHR 1954, 75. 203 H. Schneider, GmbHR 1954, S. 75; vgl. auch Birkholz, S. 42 f. Nach Flum, S. 84, hingegen sei die Entscheidung kein Beleg dafür, dass § 81a GmbHG ein Schutzgesetz für Gläubiger gewesen sei. 204 BGHSt 9, 203, 206; vgl. dazu Kohlmann, Fs. Werner, S. 391. 205 Vgl. Scholz 5, § 81a Rn. 2; jüngst Anders, ZStW 114 (2002), S. 487. Nach Klug, in: Hachenburg 6, § 81a GmbHG Anm. 1 sollen neben den finanziellen Interessen der Gesellschaft und der Gläubiger sogar diejenigen der Arbeitnehmer einzubeziehen sein, wobei Klug selbst einräumt, dass die Arbeitnehmer meistens auch zugleich Gesellschaftsgläubiger seien und bereits insoweit erfasst seien. 206 Vgl. 1. Kapitel A. III. l.,2. 8*

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raussetzungen der Vermögensbetreuungspflicht gegeben sind. Im Verhältnis Arbeitgeber - Arbeitnehmer ist dem im Regelfall nicht so und bei anderen Verpflichtungen des Alltags ebenfalls nicht, sofern sie nicht auf einem Rechtsverhältnis beruhen, das den Charakter einer Geschäftsbesorgung trägt. Einen generellen Schutz für jeden Gläubiger gewähren - in bestimmten Krisensituationen des Schuldners - nur die §§ 283 ff. StGB.

b) Die Rechtsprechung nach 1970 Insofern stand die Praxis mit der Abschaffung des § 81a GmbHG im Jahre 1970 durchaus vor einem teleologischen Problem: § 266 StGB hatte bis dahin eindeutig keine gläubigerschützende Funktion, sollte aber gleichwohl § 81a GmbHG einschließen, der diese Aufgabe zumindest auch hatte. Die Rechtsprechung löste diesen Konflikt auf eine Weise und mit einer Begründung, die, vordergründig betrachtet, dem Gläubigerschutz keine Bedeutung zuzumessen scheint, bei näherer Betrachtung aber letztlich gerade diesen praktisch gewährleistet - und in der Sache, wie zu vermuten ist, inzidenter auch gewährleisten soll. 201 Die erste veröffentlichte Entscheidung des BGH zu dieser Fragestellung schien zunächst an die in der eben genannten, aus dem Jahre 1954 stammenden Entscheidung anzuknüpfen, wobei allerdings der Gläubigerschutzaspekt sogleich und unmittelbar mit der Rechtsfähigkeit der GmbH in Zusammenhang gebracht wurde, wenn es dort heißt, § 266 StGB schütze die GmbH „als eigene Rechtspersönlichkeit, über deren Vermögen die Anteilseigner schon im Interesse der Gesellschaftsgläubiger nur im Rahmen der Vorschriften des GmbH-Gesetzes verfügen können". 2 0 8 Doch einige Jahre später stellte der BGH klar, dass diese Aussage nicht im Sinne einer gläubigerschützenden Funktion des § 266 StGB missverstanden werden dürfe, sondern die alleinige Aufgabe im Schutz der eigenen Rechtspersönlichkeit der GmbH liege. 209 Damit war zunächst geklärt, dass der strafrechtliche Schutz des GmbH-Vermögens nicht gänzlich zur Disposition der Gesellschafter steht. Schwer tat sich die Rechtsprechung jedoch damit, diesem Schutz eine präzise Grenze zu setzen. aa) „Grundsätze eines ordentlichen Kaufmanns" In seiner am weitesten gehenden Entscheidung - BGHSt 34, 179 - zeigt der BGH ein sehr breit gestreutes Spektrum an Handlungen auf, die - auch bei einem 207 Übersicht zur Entwicklung der Rspr. auch bei Birkholz, S. 29 ff.; Kohlmann, in: Hachenburg, Vor § 82 GmbHG Rn. 184 ff.; Labsch, S. 57 ff.; 74 ff.; knapper Anders, ZStW 114 (2002), S. 480 f. m. w. N. auch zu den Parallelen im französischen Recht. 2 08 BGH wistra 1983, 71. 2 09 BGHSt 34, 379.

C. Juristische Personen des Privatrechts

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Einverständnis der Gesellschafter - als Treupflichtverstöße i. S. d. § 266 StGB in Betracht kämen. 210 Zentraler Anknüpfungspunkt dafür sei die Missachtung der „Grundsätze eines ordentlichen Kaufmanns". Darunter sollen beispielsweise Kapitalentnahmen fallen, die einen Verstoß gegen die Stammkapitalerhaltungsvorschrift des § 30 GmbHG darstellen; es genügten aber auch die Missachtung der Pflicht nach § 41 GmbHG und schon eine „undurchsichtige Buchführung", wobei es für die Strafbarkeit noch nicht einmal erforderlich sei, dass dadurch das Stammkapital der GmbH oder deren Liquidität unmittelbar gefährdet wurde. In all diesen Konstellationen sei eine Zustimmung der Gesellschafter gesetzeswidrig und deshalb auch strafrechtlich unbeachtlich. Dieses Urteil ist aber selbst bei denjenigen, die dem BGH in seiner Ausgangsthese zustimmen, nach der die GmbH als eigene Rechtspersönlichkeit geschützt werde, auf massive Kritik gestoßen. Insbesondere wurde - neben der Unbestimmtheit der „Grundsätze eines ordentlichen Kaufmanns" 211 - nahezu unisono bemängelt, dass hier strafrechtlich etwas sanktioniert würde, was gesellschaftsrechtlich zulässig ist: denn verdeckte Gewinnausschüttungen, die mit Zustimmung der Gesellschafter geschehen, sind nach GmbH-rechtlichen Grundsätzen erlaubt, sofern nicht dadurch das Stammkapital angetastet oder die innergesellschaftliche Kompetenzverteilung in Frage gestellt würde. 212 Der Geschäftsführer, der angewiesen wird, eine verdeckte Gewinnausschüttung zu bewirken, ist nach dem Zivilrecht sogar dazu verpflichtet, den Weisungen der Gesellschafter Folge zu leisten, sofern nicht das Stammkapital angegriffen wird. 2 1 3 Die unrichtige Verbuchung sei außerdem möglicherweise ein Steuervergehen, eine Straftat nach § 82 Abs. 1, 2 GmbHG bzw. § 331 HGB oder nach dem Insolvenzstrafrecht, z. B. §§ 283 Abs. 1 Nr. 5, 283b StGB, nicht aber als Untreue zu ahnden. 214

bb) Konkrete Existenzgefährdung für die Gesellschaft als Einwilligungsgrenze Von der Entscheidung BGHSt 34, 179 hat sich aber der gleiche (3.) Senat des BGH bereits ein Jahr später in der Sache distanziert, ohne dies freilich explizit hervorzuheben: eine „lückenhafte oder falsche Buchführung" genüge für sich allein nicht, „wenn sie auch mit den Grundsätzen des ordentlichen Kaufmanns unvereinbar ist ( . . . ) Einverständliche Entnahmen bereits erzielter Gewinne sind an 210 Das in dieser Entscheidung zum Ausdruck gekommene Rechts Verständnis bezeichnet LK-Schünemann, § 266 Rn. 125 c) bb) als „eine Art eingeschränkter Körperschaftstheorie". 211 Plastisch Meilicke, BB 1988, S. 1264: Durch die Einfügung dieses Begriffs erhalte § 266 StGB eine „wächserne Nase, die man nach Belieben kneten kann". 212 Reiß, wistra 1989, S. 81, 82. 213 Meilicke BB 1988, S. 1261, 1263. 214 Meilicke, BB 1988, S. 1263; Vonnemann, GmbHR 1988, S. 333.

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

sich erlaubt ( . . . ) " . 2 1 5 Erst dann liege ein Vermögensschaden vor, wenn durch die Entnahmen „die Existenz oder die Liquidität einer GmbH gefährdet wird", wobei dies nahe liegt, wenn es „sich um relativ große Entnahmen handelt und die Gesellschaft in absehbarem zeitlichem Zusammenhang damit in Konkurs gerät"216 Diese Linie verfolgt der 3. Strafsenat des BGH bis heute; 217 auch der 1. Senat und 5. Senat haben sich ihr inzwischen ausdrücklich angeschlossen218 und dabei betont, Gesellschafter dürften nur dann nicht über das Gesellschaftsvermögen verfügen, wenn dadurch eine konkrete Existenzgefährdung für die Gesellschaft entstünde, was jedenfalls bei einem Angriff auf das durch § 30 GmbHG geschützte Stammkapital der Fall sei. Darüber hinaus wird von der Rechtsprechung eine Untreue dann bejaht, wenn die Liquidität der GmbH gefährdet, 219 eine Überschuldung herbeigeführt oder vertieft, 220 die GmbH „ausgehöhlt" wird oder ihr die Produktionsgrundlagen entzogen würden. 221

cc) Die GmbH als Komplementärin einer GmbH & Co KG Diese Grundsätze wendet der BGH auch auf die Komplementär-GmbH einer GmbH & Co KG an. 2 2 2 Dabei kommt es nicht darauf an, ob die GmbH kapitalund verlustmäßig an der KG vertraglich beteiligt ist, oder dieser gegenüber nur, wie es häufig der Fall ist, einen Anspruch auf Erstattung ihrer Auslagen hat. 223 Denn die GmbH muss als persönlich haftende Gesellschafterin die Haftung für die Schulden der KG gem. § 161 Abs. 1 HGB übernehmen. Führt diese Haftung dazu, dass das Stammkapital der GmbH angetastet, deren Existenz gefährdet 224 oder eine bestehende Überschuldung vertieft wird, soll dies - wie bei einer eigenständigen GmbH - eine Untreue auch bei Zustimmung aller GmbH-Gesellschafter begründen. 225 Gibt es hingegen eine kapitalmäßige Beteiligung der GmbH an der KG, 215 BGHSt 35, 333, 336. 216 BGH a. a. O. S. 338. 217 BGH NJW 1997, 66, 69. 218 BGH NJW 2000, 154, 155. mit zust. Anm. Gehrlein, NJW 2000, S. 1089. BGH wistra 2003,457. 219 BGHSt 35, 331, 339. 220 BGH NJW 1993, 1278. 221 BGH NJW 1997, 66, 69; wistra 2003,457,460. 222 Vgl. BGH wistra 1984, 71; BGH wistra 1987, 216. 223 BGH wistra 1984, 71; Schaal, in: Rowedder/Schmidt-Leithojf, Rn. 26. 224 BGH NJW 2000, 154, 155 und NJW 2003, 2996, 2999. 225 Schmid, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, §§ 82 ff. GmbHG Rn. 26.

Vor §§ 82- 85 GmbHG

§ 31 Rn. 131; Tiedemann, in: Scholz, Vor

C. Juristische Personen des Privatrechts

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soll es eine Untreue zum Nachteil der GmbH darstellen, wenn durch Entnahmen bei der KG direkt auf den Gesellschafteranteil der GmbH zugegriffen wird. 2 2 6 Die GmbH & Co KG als solche ist aber nicht selbst strafrechtlich schutzfähig, sondern nur ihre Gesellschafter. 227 Willigen diese gemeinsam in die Maßnahmen ein, soll es an einer Untreue fehlen, aber, quasi als strafrechtliche „Notbremse" 228 zum Schutz der KG-Gläubiger, die Anwendung des Bankrotts (§§ 283, 14 StGB) in Betracht kommen. 229

c) Gleichklang von Gesellschaftsrecht

und Straf recht?

Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum ist diese Rechtsprechung ganz oder teilweise auf Zustimmung, teilweise aber auch auf völlige Ablehnung gestoßen. Dabei sind unter denjenigen, die dem BGH im Ausgangspunkt Gefolgschaft leisten, zwei Gruppen auszumachen: Die (wohl inzwischen herrschende) Meinung im Schrifttum, die für einen völligen Gleichklang der gesellschaftsrechtlichen Bewertung mit der strafrechtlichen Beurteilung eintritt (sog. eingeschränkte Gesellschaftertheorie), 230 folgt der neueren BGH-Rechtsprechung der Strafsenate mit der Einschränkung, dass die strafrechtliche Treupflichtwidrigkeit i. S. d. § 266 StGB nicht anders bestimmt werden dürfe, als dies der für das Gesellschaftsrecht zuständige Zivilsenat des BGH unternehme: mithin sei die Zustimmung der Gesellschafter zu einer verdeckten Gewinnausschüttung erst bei einem Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 GmbHG rechtsmissbräuchlich und damit unbeachtlich. 2 3 1 Eine darüber hinaus gehende Haftung, die sich in vereinzelten BGH-Urteilen findet und sich in „schwer operationalisierbaren Generalklauseln" 232 wie etwa „wirtschaftliche Gefährdung", „Liquiditätsgefährdung" oder „Rechtsmissbräuchlichkeit" niederschlägt, wird insoweit dann abgelehnt. Der Verstoß gegen das Verbot nach § 30 Abs. 1 GmbHG bleibt aber auch nach der richtungweisenden und tendenziell restriktiven Entscheidung BGHSt 35, 333 nur eine von mehreren Fallkonstellationen, in der die Rechtsprechung eine Pflichtwidrigkeit bejaht, die zustimmungsimmun auch durch ein Einverständnis der Anteilseigner nicht behoben werden könne. Denn nicht übersehen werden darf, dass 226

Schmid, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 31 Rn. 131. 7 Vgl. oben 2. Kapitel B. I. 228 Härtung, NJW 1994, 135. 22 9 Dazu bereits 2. Kapitel B. I. 4. 2 30 Terminus von LK-Schünemann, § 266 Rn. 125 c) bb). 22

2 31 Für § 266 StGB nur bei Verstoß gegen § 30 GmbHG z. B. Achenbach, BGH-FG, S. 599; Brammsen, DB 1989, S. 1613 ff.; Flum, S. 167 ff.; Kohlmann, Fs. Werner, S. 403 ff.; C. Schäfer, GmbHR 1993, S. 793 ff.; LK-Schünemann, § 266 Rn. 125 (bb); Tiedemann, in: Scholz, Vor §§ 82 ff. GmbHG Rn. 15; Wonnemann, GmbHR 1988, S. 330 ff.; weitgehend auch Ulmer, Fs. Pfeiffer, S. 860 ff. 232 Schünemann, L M § 309 AktG 1965 Nr. 1 H. 5/2002.

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

die Rechtsprechung der Strafsenate in den vergangenen Jahren immer noch insoweit von derjenigen der Zivilsenate abzuweichen drohte, als der Gesellschaftsrechtssenat nur Verstöße gegen § 30 GmbHG als gesellschaftsrechtswidrig eingestuft hat, während die Strafrechtssenate darüber hinausgehend Maßnahmen für treupflichtwidrig ansehen, die zu einer bloßen Existenz- oder Liquiditätsge/ä/irdung der GmbH führen, auch wenn dadurch das Stammkapital der GmbH noch nicht angetastet, aber die Gesellschaft in absehbarem zeitlichem Zusammenhang damit insolvent wird. Man mochte dieser Dissonanz nicht allzu große Bedeutung beimessen und so zu dem Ergebnis kommen, dass die praktischen Auswirkungen dieser Unterschiede zwischen Zivil- und Strafrechtssenaten „eher gering zu veranschlagen sind". 233 Und auch Anhänger der auf die Kriterien der Existenz- oder Liquiditätsgefährdung ausgerichteten BGH-Rechtsprechung betonen, dass „in jedem Fall" vermieden werden müsse, „dass strafrechtlich geahndet wird, was gesellschaftsrechtlich erlaubt ist" (Tiedemann).234 Doch ändert dies nichts daran, dass bislang die Gefahr von Wertungswidersprüchen bestand, mithin strafrechtlich ein Verhalten sanktioniert wurde, das zivilrechtlich erlaubt war. Denn im Falle der Schmälerung des GmbH-Vermögens, das nicht zur Deckung des Stammkapitals benötigt wird, haftete weder der Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2 GmbHG noch hatte die GmbH gegen den begünstigten Gesellschafter einen Herausgabeanspruch nach §§31 Abs. 1, 32 GmbHG. Aber strafrechtlich beging er, sofern eine (nicht stammkapitalantastende) Liquiditäts- oder Existenzgefährdung heraufbeschworen wird, eine Untreue - selbst dann, wenn alle Gesellschafter der Gewinnausschüttung zugestimmt haben. Einer so weit verstandenen und auch vom BGH praktizierten Auslegung des § 266 StGB, etwa für verdeckte Gewinnausschüttungen, folgen namhafte Stimmen in der Literatur, von denen beispielhaft Tiedemann235 und Lackner / Kühl 236 genannt seien. Inwieweit sich umgekehrt im Gesellschaftsrecht der vom Strafrecht favorisierte, auf den Schutz der GmbH-Existenz gerichtete Vermögensschutz neben dem wertbezogenen Stammkapitalschutz durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. 237 Das GmbH-Recht steht seit geraumer Zeit in einer sehr lebhaften Entwicklung. Tiedemann etwa stellt im Gesellschaftsrecht die zunehmende Anerkennung eines für die Gesellschafter nicht disponiblen Bestandsinteresses der GmbH fest. 238 Ebenso 233 Gehrlein, NJW 2000, S. 1089. Nach Ulmer, Fs. Pfeiffer, S. 853, 859 soll hingegen ein „Wertungsgleichgewicht zwischen GmbH-Recht und Strafrecht" bestehen, was so aber nicht ganz zutreffend ist. 234 Tiedemann, in: Scholz, Vor §§ 82 ff. GmbHG Rn. 15. 235 Tiedemann, in: Scholz, Vor §§ 82 ff. GmbHG Rn. 15: „Beeinträchtigung der Existenz oder der Liquidität der GmbH". 236 Lackner/Kühl, § 266 Rn. 20; ebenso Auer, S. 206; Fleck, ZGR 1990, S. 31; Mihm, S. 101 ff.; Schaal, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Vor §§ 82- 85 GmbHG Rn 17; Schmid, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 31 Rn. 63; i. E. auch Zieschang, Fs. Kohlmann, S. 351, 356; wohl auch Gribbohm, ZGR 1990, S. 1 ff.; Kindhäuser, LPK, § 266 Rn. 26; ders. NK, § 266 Rn. 105; teilw. weitergehend Wodicka, S. 252 ff. 237 Vgl. Lutter/Hommelhojf, 30 Rn. 7.

C. Juristische Personen des Privatrechts

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deutet etwa Harm Peter Westermann an, ob nicht § 30 GmbHG ausdehnend angewendet werden müsse und existenzgefährdende Maßnahmen künftig anders bilanziert werden könnten als bislang, wodurch sich im Ergebnis eine gewisse Annäherung des Gesellschaftsrechts an das Strafrecht ergeben würde. Im Übrigen lautet jedoch das Fazit Westermanns: „Die strafrechtliche Judikatur ist" - wegen ihres Widerspruchs zum Gesellschaftsrecht - „abzulehnen". 239 Eine deutliche Annäherung der Zivilrechtsprechung an die Strafrechtsprechung hat es, zumindest im Ergebnis, in einem Urteil des 2. Zivilsenats aus dem Jahre 2001 gegeben, in dem es um die Frage der Haftung wegen Schadensersatzes nach § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. § 266 StGB ging (sog. „Bremer Vulkan-Urteil") 2 4 0 Der Alleingesellschafter einer von ihm abhängigen, konzernierten GmbH habe, so der BGH, darauf zu achten, dass er „deren Stammkapital erhalte und ihren Bestandsschutz gewährleiste" und somit „die Existenz der Gesellschaft nicht gefährde". Inwiefern damit die zivilrechtliche Rechtsprechung zur Gänze auf die Linie der Strafsenate eingeschwenkt ist, bleibt abzuwarten. Denn muss ein Zivilsenat bei der Frage der deliktischen Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB auf einen Straftatbestand wie bspw. § 266 StGB Bezug nehmen, erscheint es konsequent, dass er die entsprechende strafrechtliche Bewertung der Strafsenate zur GmbH-rechtlichen Untreue zugrunde legt. Das Bremer Vulkan-Urteil des 2. Zivilsenats - das strafrechtliche Urteil des BGH zur „Bremer Vulkan" steht noch aus - und die beiden nachfolgenden Entscheidungen (BKV, Ausfallhaftung) müssen zwar nicht zwangsläufig bedeuten, dass die der strafrechtlichen Auslegung des § 266 StGB durch den BGH zugrundeliegenden Bewertungen mit der neuen gesellschaftsrechtlichen Betrachtung der Ausfall- und Durchgriffshaftung bei existenzgefährendem Eingriff gänzlich übereinstimmen. Allerdings läßt das Gesellschaftsrecht eine entsprechende, über das Konzernrecht hinausgehende allgemeine Tendenz erkennen, die Gesellschafter dazu zu verpflichten, den Bestand der Gesellschaft und die Integrität ihres Vermögens soweit zu respektieren, „wie dies zum Schutz der berechtigten Belange ihrer Gläubiger geboten ist" (Röhricht). 241 Und umgekehrt wird in strafrechtlicher Hinsicht, im Rahmen der Untreue innerhalb eines Konzerns, die Bremer VulkanEntscheidung große Bedeutung erlangen. 242 Dass im Rahmen der deliktischen Haftung über § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB zudem ein rechtlicher circulus vitiosus entstehen kann, wenn das Zivilrecht auf das Strafrecht verweist, das wiederum auf die zivilrechtlichen Wertungen im Innenverhältnis Bezug nehmen muss, zeigt ebenfalls das „Bremer Vulkan"-Urteil, es sei denn, man will dem Strafrecht eine quasi gesellschaftsrechtsgestaltende Bedeutung beimessen.243

238 Tiedemann, WirtschaftsstrafR, Rn. 215, und in: Scholz, Vor §§ 82 GmbHG Rn. 15. 239 Vgl. H. P. Westermann, in: Scholz, § 30 GmbHG Rn. 8. 240 BGHZ 149, 10 (= NJW 2001, 3622). 241 Röhrich, Diskussion 2002, S. 30. 242 Mehr zum „Bremer Vulkan"-Urteil und GmbH-Konzern vgl. 2.Kapitel C. VI. 3. 243 Dazu unten 2. Kapitel C. VI. 3 b).

122

2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

d) Zivilrechtlicher

Pflichtverstoß

als notwendige Bedingung

Im Übrigen erschiene es problematisch, über das Strafrecht etwas zu sanktionieren, was das Gesellschaftsrecht erlaubt. Es kann nicht die Aufgabe des § 266 StGB sein, eigenständig den Umfang der Verhaltenspflichten, die dem Geschäftsführer auferlegt sind, zu erweitern. Das Unrecht der Untreue besteht konstitutiv im Verstoß gegen die internen Bindungen, wie sie das jeweilige Rechtsgebiet für die konkrete Beziehung vorsieht. An dem in BGHSt 34, 179 festgelegten, oben genannten Maßstab, der weit über die zivilrechtliche Bestandsgarantie hinausgeht, kann daher nicht festgehalten werden.

e) Kaum verschleierter

Gläubigerschutz

Damit ist aber keinesfalls gesagt, dass jede Verletzung einer internen Pflicht sogleich eine Treupflichtverletzung ist. Die Gesellschaftsrechtswidrigkeit im Innenverhältnis ist eine notwendige, nicht aber zugleich hinreichende Bedingung für die Treupflichtwidrigkeit. Konkret auf den GmbH-Geschäftsführer bezogen heißt dies: innerhalb der Rechtsbeziehung zwischen ihm und der GmbH kann es Pflichten geben, deren Verstoß zwar zivilrechtliche Sanktionen auslöst, nicht aber zwangsläufig einen Untreuevorwurf begründet. Das Innenverhältnis ist keinem totalen strafrechtlichen Schutz über die Untreue unterworfen. Dies ist von der herrschenden Meinung anerkannt - freilich in dem anderen Zusammenhang, dass der Treupflichtige solchen Verhaltensanforderungen nicht entspricht, die sich in nichts von gewöhnlichen Schuldnerpflichten unterscheiden (z. B. bloße Erstattungs- oder Herausgabepflichten); denn Beziehungen, die sich insgesamt als Treueverhältnis i. S. d. § 266 Abs. 1 StGB darstellen, können Verpflichtungen enthalten, deren Einhaltung nicht vom Untreuetatbestand geschützt ist. 2 4 4 Aber der Bezugspunkt des fehlenden funktionalen Zusammenhangs mit den Aufgaben, die einem Treupflichtigen auferlegt sind, läßt sich ohne weiteres auch auf die Pflicht zum Erhalt des Stammkapitals beziehen. Denn es ist nicht die Funktion der Stammkapitalerhaltungsvorschrift - und auch nicht die Funktion des „strafrechtlichen" Gebots i. S. d. BGH-Rechtsprechung, die Existenz und Liquidität der GmbH nicht zu gefährden - , den Vermögensinteressen der GmbH zu dienen. Sinn und Zweck dieser Gebote ist es in erster Linie, die Existenz der GmbH im Befriedigungsinteresse der Gläubiger zu sichern. 245 Man mag dagegen in der Rechtsprechung noch so sehr und immer wieder den Aspekt der eigenen Rechtspersönlichkeit der GmbH betonen und beteuern, dass es einen Kernbereich - eben das Stammkapital - gebe, der für Geschäftsführer wie Gesell244 Vgl. BGH NJW 2002, 2801, 2802; Lenckner/Perron, Rn. 23. 245 Arloth, NStZ 1990, S. 573.

in: Schänke /Schröder,

§ 266

C. Juristische Personen des Privatrechts

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schafter unantastbar sei. Man mag auch im Schrifttum hervorheben, dass die gesellschaftsrechtliche Zuordnung des Haftungsfonds Stammkapital zum Vermögen der GmbH das entscheidende Moment sei, und warum dem so ist, sei letztlich unerheblich. 246 Das ist aber ein rein formaler Standpunkt, der den Blick auf die materielle Funktion der Vorschriften verstellt: ihr tieferer Grund ist einzig und allein der Gläubigerschutz 247 „§ 30 ist die zentrale Gläubigerschutzbestimmung zur Erhaltung des Stammkapitals" (Altmeppen). 248 Es gibt keinen anderen Grund, der das Stammerhaltungskapitalgebot rechtfertigt, als der Aspekt, einen gewissen Kapitalstock als Haftungsfonds zu erhalten, damit die GmbH als Schuldnerin ihre Verbindlichkeiten oder doch einen Teil davon erfüllen kann. So formuliert Tiedemann, ein Anhänger der BGH-Rechtsprechung, ganz offen: Die GmbH ist „als juristische Person gegenüber dem einzelnen Gesellschafter rechtlich selbständig und um der Gläubigerinteressen willen schutzbedürftig". 249 Ganz ähnlich formuliert Schaal, dass es in diesem Rahmen um den Schutz der Haftungsgrundlage für die Gläubiger gehe. 250

f) Uneingeschränkte Verfügungsmacht der Gesellschafter bei Beachtung der innergesellschaftlichen Kompetenzverteilung Im Rahmen der Untreue - und nur in diesem Sinne - ist aber die Dispositionsfreiheit der Gesellschafter über das Vermögen der GmbH unbeschränkt 251 (sog. strenge Gesellschaftertheorie). 252 Denn die ihnen auferlegten gesellschaftsrechtlichen Pflichten, die ihre Entscheidungsspielräume einschränken, dienen Trägern von Interessen - denjenigen der Gesellschaftsgläubiger einschließlich der Arbeitnehmer bzw. der Allgemeinheit - , auf die es, sofern ihnen gegenüber keine Treupflicht besteht, nicht ankommt.

246 So explizit Ransiek, Fs. Kohlmann S. 212: „überzeugender" „Etikettenschwindel" der herrschenden Meinung. 24 7 Vgl. nur Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 30 GmbHG Rn. 1: „größte Bedeutung für Gläubigerschutz"; H. R Westermann, in: Scholz, § 30 GmbHG Rn. 2: die Regelung soll den „Gläubigerschutz" verwirklichen. 248 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 30 GmbHG Rn. 1. 249 Tiedemann, in: Scholz, Vor §§ 82 ff. GmbHG Rn. 15. Nach Tiedemann beseitige das Einverständnis der Gesellschafter nicht die Pflichtwidrigkeit, sondern das Tatbestandsmerkmal des Vermögensschadens, soweit Disponibilität bestünde (ebenso ders., Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 215). Es steht jedoch bereits das Innenverhältnis zur Disposition der Treugeber, nicht nur das Vermögen (und damit der Nachteil). 2 50 Schaal, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, Vor §§ 82- 85 GmbHG Rn. 16. 2 51 So im Ergebnis auch, wenn auch teilweise in der Begründung divergierend, Arloth, NStZ 1990, S. 570; Birkholz, S. 279; Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 21; Reiß, wistra 1989, S. 83 f.; Tröndle/Fischer, § 266 Rn. 53: keine Zweiteilung des Gesellschaftsvermögens. 252 Der Begriff stammt von Schiinemann; vgl. LK-Schünemann, § 266 Rn. 15.

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

aa) Die Gesellschafter als „wirtschaftliche Eigentümer" der GmbH Insofern darf man die Gesellschafter im Kontext des § 266 StGB (!) zu Recht mit Labsch und Lenckner als die „wirtschaftlichen Eigentümer der GmbH" bezeichnen, 253 kommt doch bei § 266 StGB die eingangs skizzierte (oben III. 1. a) personenhandelsrechtliche Komponente der GmbH besonders zum Ausdruck. Die Gesellschafter sind das oberste Willensorgan der Gesellschaft für die Regelung der inneren Angelegenheiten:254 Sie allein können - sei es durch den Gesellschaftsvertrag, sei es durch Beschlüsse (§ 37 Abs. 1 GmbHG) - definieren, was der Geschäftsführer bei der Vertretung im Außenverhältnis beachten muss; sie sind für die zentralen geschäftlichen Entscheidungen zuständig (etwa die Gewinnverteilung oder die Entlassung des Geschäftsführers, vgl. § 46 GmbHG); und sie haben auch das Recht, aus freien Stücken die Gesellschaft aufzulösen (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG). Im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum findet diese Ansicht durchaus, wenngleich bislang nur vereinzelt, Resonanz. So betont Altmeppen eindringlich, dass das Stammkapitalerhaltungsgebot das gebundene Kapital der GmbH keineswegs zum Vermögen der Gläubiger mache, das allein zu ihrem Schutz nur bei Meidung einer Bestrafung wegen Untreue verkürzt werden dürfe. Auch bei Unterdeckung gehört das Vermögen der GmbH „niemals den Gesellschaftsgläubigern", weshalb diese auch nicht der „Herr des Schutzguts i. S. d. § 266 StGB sein könne". 255 Im Übrigen stellt er ebenfalls auf die überragende Stellung der Gesellschafter ab und verweist den Gläubigerschutz zu Recht in die Straftatbestände der §§ 283 ff. StGB, des § 84 GmbHG und § 263 StGB. Nach Nelles soll dies zur Folge haben, dass von vorneherein kein fremdes Vermögen betroffen sei, weil die Gesellschafter aufgrund ihrer Befugnis, die Zwecke des Vermögenseinsatzes autonom zu bestimmen, in ihrer Gesamtheit als Inhaber des Gesellschaftsvermögen anzusehen seien. 256 Es erscheint indes zweifelhaft, die durch das Gesellschaftsrecht vorgenommene Trennung von Gesellschaftervermögen und demjenigen der GmbH (oder einer anderen Kapitalgesellschaft) strafrechtlich aufheben zu wollen 2 5 7 und in einer solchen Grundsatzfrage der zivilrechtlichen Zuordnung zu widersprechen. 258 Das Problem des Einverständnisses bei Kapital- und Personengesellschaften ist 253 So sieht es übrigens im Ergebnis auch der Oberste Gerichtshof Österreichs im Rahmen der Untreue, wie sie in § 153 StGB-Österreich erfasst ist (dazu unten 7. Kapitel A. II. 2 b) aa), für die Einmann-GmbH, wo allerdings aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise die „Fremdheit" des Vermögens verneint wird, während in den anderen Fällen der vorherigen Zustimmung bereits das Merkmal des Missbrauchs nicht gegeben ist; vgl. Kienapfel, § 153 Rn. 19,78; Kirchbacher/Presslauer, in: Wiener Kommentar, 2. A., § 153 ÖStGB RN. 37. 254 Ebenso Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 43 GmbHG Rn. 74. 2 55 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 43 GmbHG Rn. 74. 2 56 Nelles, S. 483 ff., 512 ff. 2 57 Vgl. auch Arloth, NStZ 1990, S. 573. 2 58 Vgl Nelles, S.515.

. Juristische Personen des

iechts

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dogmatisch besser auf der Ebene der Dispositionsbefugnis und damit auf derjenigen der Pflichtwidrigkeit aufgehoben. 259 Im Ergebnis und bezüglich der wesentlichen Argumentationsmuster bestehen freilich keine Unterschiede zwischen Nelles' Verständnis und der hier vertretenen Ansicht.

bb) Formale Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Einverständnisses Die Zustimmung der Gesellschafter der GmbH schließt deshalb auch dann den Tatbestand aus, wenn durch die Handlung das Stammkapital angegriffen oder sonst die Existenz der GmbH gefährdet wird. Erst dann stellt eine im Konsens mit einzelnen Gesellschaftern vorgenommene Handlung eine Untreue dar, wenn durch die Maßnahme (verdeckte Gewinnausschüttung usw.) gegen die innergesellschaftliche Kompetenzverteilung verstoßen wird. Das bedeutet, dass das Einverständnis den im Rahmen eines Mehrheitsbeschlusses nach §§ 47, 48 GmbHG vorgegebenen oder den im Gesellschaftsvertrag bzw. der Satzung vorgeschriebenen Mehrheitsverhältnissen genügen muss. 260 Einstimmigkeit ist damit im Rahmen des Aufgabenbereichs der Gesellschafter nach § 46 GmbHG, etwa hinsichtlich der Gewinnverwendung (§ 46 Nr. 1,47 Abs. 1 GmbHG) nicht erforderlich, und zwar auch dann nicht, wenn die Zustimmung außerhalb einer Gesellschaftsversammlung getroffen wird. 2 6 1 Es kommt insofern auf den mehrheitlichen Konsens in der Sache und nicht auf die Form der Beschlussfassung an; andernfalls würde die Strafbarkeit wegen Untreue bei bloß mehrheitlicher, nicht aber einstimmiger Zustimmung von der Durchführung eines formgerechten gesellschaftsrechtlichen Beschlussverfahrens abhängen, dessen strafrechtliche Sanktionierung indes nicht Sinn und Zweck des § 266 StGB sein kann. 262 Punktuelle Satzungsdurchbrechungen ohne förmliche Satzungsänderungen sind bei Beachtung der Mehrheitsverhältnisse ( 3 / 4 -Mehrheit gem. § 52 Abs. 2 GmbHG) zulässig und tatbestandsausschließend.263 Solange diese innergesellschaftliche Zuständigkeitsverteilung respektiert wurde, was insbesondere dann der Fall ist, wenn der Geschäftsführer zugleich Alleingesellschafter ist, begeht der im Konsens mit den Gesellschaftern handelnde Geschäftsführer unter dem Blickwinkel der Untreue - und nur in diesem Lichte keine tatbestandsrelevante Pflichtverletzung, selbst wenn er dadurch die GmbH „in den Ruin treibt" und deren Gläubiger einschließlich ihrer Arbeitnehmer „mit leeren Händen" zurückbleiben. 259 Vgl. auch C. Schäfer, GmbHR 1992, S. 512: Bloße Verlagerung zentraler Wertungsfragen. Zur Kritik an Nelles aus der Sicht der eingeschränkten Gesellschaftertheorie vgl. Radtke, GmbHR 1998, S. 314 f. 260 Vgl. auch Kohlmann, in: Hachenburg, Vor § 82 GmbHG Rn. 204. 261 So aber Tiedemann, WirtschaftsstrafR, Rn. 217, und in: Scholz, Vor §§ 82 ff. GmbHG Rn. 15. 262 Ebenso beim Verstoß gegen § 46 Nr. 1 GmbHG BGHSt 35,332, 337. 263 Zu Satzungsdurchbrechungen vgl. auch oben 2. Kapitel C. I. 3. c).

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

cc) Exkurs: Besonderheiten bei einer GmbH als öffentliches Unternehmen Naturgemäß andere Grundsätze müssen gelten, wenn es sich bei der GmbH um ein öffentliches Unternehmen handelt. 264 Ein solches Unternehmen stellt meist Verwaltung im funktionellen Sinne dar (z. B. im Bereich der Kulturarbeit, aber auch Daseinsvorsorge wie Krankenhäuser, Nahverkehr, Energieversorgung, Abfallbeseitigung), die allerdings durch einen privatrechtlich organisierte Verwaltungsträger durchgeführt wird. Diese Unternehmen werden i. d. R. durch die öffentliche Hand gegründet; denkbar ist auch, dass sich die Verwaltung an einem solchen Unternehmen beteiligt. 265 Zur Auswahl stehen dabei als privatrechtliche Organisationstypen z. B. die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien, ein eingetragener Verein und eben auch die GmbH. Die GmbH als öffentliches Unternehmen besitzt nicht den gleichen Rechtsstatus wie eine private GmbH. So ist die GmbH rechtlich relativ fest in die staatliche Organisation eingebunden: So entscheidet die Verwaltung über die Bestellung der Gesellschaftsorgane und beeinflusst bei den Entscheidungen der Geschäftsführungsorgane sowie mittels Überwachungsorganen (z. B. einen Aufsichtsrat) das Unternehmen in seinem Sinne. 266 Darüber hinaus gelten für die Gründung privatrechtlich organisierter Verwaltungsträger und Unternehmen des Bundes, der Länder und Kommunen spezielle Zulässigkeitsvoraussetzungen und besondere haushaltsrechtliche Regeln. 267 Zentrale Bedeutung erlangt im Rahmen des § 266 StGB die besondere öffentliche Zweckbindung des Unternehmens. Zwar gibt es auch erwerbswirtschaftliche, auf reine Gewinnerzielung gerichtete öffentliche Unternehmen, die sich in nichts von einer GmbH in privater Hand unterscheiden. 268 Aber in der Regel kommt bei öffentlichen Unternehmen neben der erwerbswirtschaftlichen, auf Gewinn orientierten Tätigkeit kumulativ und entscheidend hinzu, dass das Unternehmen nicht Privat-, sondern Gemeinwohlinteressen verfolgen muss, 269 und dass es nicht Privat-, sondern Steuergelder verwaltet. 270 Diese spezifische Ausrichtung öffentlicher Unternehmen begrenzt nicht nur im Innenverhältnis die Handlungsspielräume des GmbH-Geschäftsführers, sondern beschränkt auch die Dispositionsbefugnis der Verwaltung als (Allein- oder Mit-) 264

Zum schillernden Begriff eingehend Püttner, S. 23 ff. 65 Stober, NJW 1984, S. 450. 2 *6 Vgl. Stober, NJW 1984, S. 454 f. 2

2 *7 Vgl. § 26 BundeshaushaltsO v. 19. 8. 1969 (BGBl. 1 1969), § 44 HaushaltsgrundsätzeG v. 19. 8. 1969 (BGBl. I 1273), in Baden-Württemberg vgl. für Unternehmen des Landes § 65 LandeshaushaltsO (v. 19. 10. 1971, GBl. I 428) und für diejenigen der Gemeinden § 102 Abs. 1 Nr. 1 GemO (v. 24. 7. 2000, GBl. I 582). 268 Bspe.: Ratskeller, Brauereien, Porzellanmanufakturen, Weinbau. 2 69 Püttner, S. 129 f. 270 Stober, NJW 1984, 455.

. Juristische Personen des

iechts

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Gesellschafter und erweitert die Möglichkeit eines Vermögensschadens unter dem Blickwinkel des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs, der die Zweckbindung öffentlicher Mittel als personale Komponente einbezieht.271 Erklärt sich etwa eine Stadt über ihre entsprechenden Organe mit dem Vorschlag des Geschäftsführers ihrer Abfallbeseitigungs-GmbH einverstanden, dass die Gemeinderatsmitglieder für ihre Müllbeseitigung weniger Gebühren als andere Bürger zu entrichten haben, so wäre eine solche treupflichtwidrige und vermögensschädigende Privilegierung bestimmter Personengruppen mit der Gemeinwohlausrichtung eines städtischen Abfallbeseitigungsunternehmens unvereinbar. Ferner kann etwa ein völlig übertriebener Repräsentationsaufwand, der von einer Stadtwerke-GmbH betrieben wird, 2 7 2 eine Untreue selbst dann begründen, wenn die Stadt bzw. ihre Organe damit einverstanden gewesen wären.

g) Keine Treupflicht

der Gesellschafter

Auf der Grundlage der hier vertretenen Ansicht muss konsequenterweise eine Treupflicht der Gesellschafter gegenüber dem Vermögen der GmbH verneint werden, sofern sie nicht als deren faktische Geschäftsführer anzusehen sind. Gesellschafter verfolgen mit der GmbH als deren wirtschaftliche Eigentümer nicht fremde, sondern eigene Vermögensinteressen. 273 Derjenige, der durch § 266 StGB geschützt wird, kann nicht Täter nach § 266 StGB sein. Auch die frühere Rechtslage, nach der gem. § 81a GmbHG die Gesellschafter eben nicht eine GmbH-rechtliche Untreue begehen konnten, spricht für diese Auslegung. 274 Damit macht sich ein Gesellschafter auch dann nicht einer (mit-)täterschaftlich begangenen Untreue schuldig, wenn er die Zustimmung zu einer Disposition des Geschäftsführers erteilt, durch welche eine starke Gefahr für die wirtschaftliche Existenz der GmbH begründet oder deren Stammkapital angetastet wird. Aber auch eine Anstiftung oder Beihilfe durch die Erteilung des Einverständnisses kommt nicht in Betracht, fehlt es doch gerade dank der Zustimmung der Gesellschafter an einer Untreue des Geschäftsführers als Haupttat. Wer hingegen der eingeschränkten Gesellschaftertheorie folgt, muss sich mit der Frage auseinandersetzen, ob er in diesem Fall den Gesellschafter als (Mit-)Täter bzw. Teilnehmer der vom Geschäftsführer begangenen Untreue ansieht. Soweit sich hierzu explizite Stellungnahmen im Schrifttum finden, fallen diese disparat aus: So wird eine Treupflicht der Gesellschafter entweder mit der 271 Dazu 1. Kapitel A. I. 272 Vgl. OLG Hamm NStZ 1986, 119 m. Anm. Molketin, NStZ 1987, 369. 273 Explizit als Vertreter der strengen Gesellschaftertheorie etwa Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 21; i. E. auch Flum, S. 229 ff.; Härtung, NJW 1996, 232. Als Anhänger der eingeschränkten Gesellschaftertheorie gegen die Treupflicht Kohlmann, in: Hachenburg, Vor § 82 GmbHG Rn. 74 und LK-Schünemann, § 266 Rn. 125 b) a. E. 274 Vgl. oben 2. Kapitel III. 4. a) sowie Härtung, NJW 1996, 232.

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

Begründung verneint, dass § 30 GmbHG nur die Freiheit der Gesellschafter begrenze, nicht aber mit der Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen gleichgesetzt werden könne; 275 manche bejahen eine Treupflicht der Gesellschafter generell bei Erteilung einer treuwidrigen Einwilligung, 276 während andere eine (nur) auf die Erhaltung des Stammkapitals beschränkte Treupflicht mit der Begründung annehmen, dass die Verpflichtung nach § 30 GmbHG auch den Gesellschaftern obliege und darüber hinaus fremdnützig typisiert sei. 277 Zuweilen wird auch eine Anstiftung des Gesellschafters zur Untreue des Geschäftsführers angenommen, soweit ein Gesellschafter sich auf Anweisungen beschränkt und er seine gesetzliche Rolle nicht überschreitet. 278 Davon zu unterscheiden ist die Entscheidung, ob nicht die Besonderheiten bei Konzernverhältnissen dazu führen müssen, dass es strafrechtlich sanktionierte Treupflichten der Gesellschafter im Rahmen eines GmbH-Konzerns gibt. 2 7 9

h) Das Insolvenzstrafrecht

als richtiger Anknüpfungspunkt

Fallkonstellationen, in denen die Existenz oder die Liquidität der Gesellschaft gefährdet wird oder ihr Stammkapital angetastet wird, sollten dort verankert werden, wo sie nach der ratio legis und Systematik des Besonderen Teils auch hingehören: in das Insolvenzstrafrecht. Insbesondere der Bankrott (§ 283 StGB) erfasst gerade solche Fälle, in denen bei Vorliegen einer wirtschaftlichen Krisensituation, nämlich der Überschuldung bzw. der drohenden oder eingetretenen Zahlungsunfähigkeit, Bestandteile des GmbH-Vermögens beiseite geschafft werden. 280 Kohlmann hat bereits 1984 in seiner gründlichen Analyse der BGH-Rechtsprechung festgestellt, 281 dass wenngleich nicht allen, so doch in den meisten Verurteilungen eines GmbH-Geschäftsführers wegen Untreue trotz Zustimmung der Gesellschafter Sachverhalte zugrunde gelegen haben, in denen die GmbH in Konkurs (bzw. Insolvenz) geriet bzw. mangels Masse das Konkurs- (bzw. Insolvenzverfahren) nicht eröffnet wurde. Ein ähnlicher Befund ergibt sich bei einer Untersuchung der einschlägigen BGH-Urteile der letzten Jahre. So wurde in BGHSt 34, 333 der 275 Flum, S. 229 ff. 276 Gribbohm, ZGR 1990, S. 1, 14; Schaal, in: Rowedder/Schmidt-Leithojf, Vor §§ 82-85 GmbHG Rn. 13. 277 Richter, GmbHR, 1984, S. 144 f.; ebenso Radtke, GmbHR 1998, S. 367 f.; Ransiek, Fs. Kohlmann, S. 222; Wodicka, S. 293 ff. 278 LK-Schünemann, § 266 Rn. 125 b). 279 Dazu 2. Kapitel C. VI. 3. 280 Zum innerhalb des Freiburg-Symposiums im Jahre 2000 eingebrachten Entwurf eines Straftatbestands (Art. 46 Europa-Delikte), der die Verletzung des Stammkapitals unter Strafe stellt, ohne dass eine Insolvenzgrund vorliegen muss, vgl. unten 7. Kapitel B. II. 2. b). 281 Kohlmann, Fs. Werner, S. 404; bestätigt wird diese Analyse bspw. von Reiß, wistra 1989, S. 82.

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Geschäftsführer einer in Konkurs 282 geratenen Ein-Mann-GmbH wegen Untreue verurteilt; im Urteil BGH NJW 2002, 154, 155 wurde hingegen wegen Untreue freigesprochen, da eine Gefährdung des Stammkapitals einer GmbH oder deren (drohende) Zahlungsunfähigkeit nicht belegt war und ein Einverständnis der Gesellschafter vorgelegen habe. Daraus wird nicht nur ersichtlich, dass in den Fällen der Verurteilung wegen Untreue vielfach zugleich die wort- und inhaltsgleichen objektiven Strafbarkeitsbedingungen des § 283 Abs. 6 StGB erfüllt waren. Es wird auch deutlich, dass damit unter den § 266 StGB Fallkonstellationen subsumiert werden, die funktional gerade dem § 283 StGB zugedacht sind. Außerdem geht sie noch darüber hinaus, indem sie eine Untreuestrafbarkeit des Geschäftsführers wegen Existenzgefährdung usw. selbst dann annimmt, wenn der GmbH-Geschäftsführer entweder zugleich als alleiniger Gesellschafter oder im Einverständnis mit allen Gesellschaftern der GmbH-Vermögen entzieht, ohne dass eine Krisensituation i. S. d. § 283 Abs. 1 StGB herbeigeführt wird oder vorliegt. 283

i) Funktionale Betrachtung des § 14 StGB Die Antwort auf die Frage, warum denn die Rechtsprechung die einschlägigen Fälle dem Regime des § 266 StGB und nicht des § 283 StGB unterstellt, findet man in der vom BGH und einem Teil des Schrifttums favorisierten Auslegung der Organ- und Vertreterhaftung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Ohne diese Vorschrift liefen all diejenigen Delikte - etwa diejenigen des Insolvenzstrafrechts - insofern leer, als das vertretungsberechtigte Organ einer Kapitalgesellschaft wie z. B. der Geschäftsführer einer GmbH mangels Vorliegens des besonderen persönlichen Merkmals (etwa die Schuldnereigenschaft in § 283 StGB) an sich nicht als Täter in Betracht kommen können. Deshalb werden über § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB diese Merkmale auf das handelnde Organ übergewälzt. Allerdings setzt dies, wie sich aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 StGB ergibt, voraus, dass der Täter „als" vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person gehandelt hat. Dies könne, so die Rechtsprechung, aber nur angenommen werden, wenn der Täter im wirtschaftlichen Interesse der Gesellschaft gehandelt habe. Verfolge er hingegen nur eigene Belange oder die wirtschaftlichen Interessen Dritter (z. B. der Gesellschafter), handle er eben nicht „als" Organ. Die Konsequenz dieser sog. Interessentheorie, die geschichtlich in einer komplizierten Veränderung der rechtlichen Bezugsgrößen für das seinerzeitige Konkursstrafrecht wurzelt, 284 liegt für die hier erörterten Fallkonstellationen auf der Hand: Sobald der Geschäftsführer Vermögen der GmbH an die Gesellschafter (z. B. in 282 Vgl. auch BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 33. 283 Arloth, NStZ 1990, S. 572 f. 284 Vgl. dazu Achenbach BGH-FG, S. 600 ff. 9 Schramm

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

Form von verdeckten Gewinnausschüttungen) oder an sich selbst auskehrt, ist § 1 4 StGB nicht einschlägig, da die Vermögens Verschiebung gesellschaftsfremden Zwecken dient; in einem solchen Fall kann er sich dann aber wegen einer Untreue strafbar machen. 285 Dass damit in weiten Bereichen der Tatbestand des § 283 StGB bei eigen- oder fremdnützigem Handeln des GmbH-Geschäftsführers - mithin bei Handlungen, die man eigentlich als geradezu idealtypische Bankrotthandlungen bezeichnen könnte - keine Bedeutung erlangt, zeigt, wie problembehaftet diese Interessenformel ist. Mit ihr verbaut sich der BGH in den hier interessierenden Fällen - der Schmälerung des Gesellschaftsvermögens durch den Geschäftsführer mit Zustimmung der Gesellschafter - selbst den Zugang zu § 283 StGB und muss sich einen Tatbestand - eben den § 266 StGB - suchen, der dem zweifelsfrei in solchen Fallkonstellationen gegeben Strafbarkeitsbedürfnis Rechnung trägt und wegen seiner weiten Tatbestandsfassung entsprechend „zweckentfremdet" werden kann. Dass diese bezogen auf § 283 StGB strafbarkeitseinschränkende und bezogen auf § 266 StGB strafbarkeitsausdehnende Auslegung des § 14 StGB nicht bloß zu einer Tatbestandsverschiebung vom § 283 StGB auf den § 266 StGB, sondern auch zu Widersprüchen und Verwerfungen führt, kann ebenfalls nicht übersehen werden. So ist beispielsweise bei der Untreue der Versuch straflos; ebenso gibt es keine Fahrlässigkeitshaftung. § 283 StGB hingegen kennt auch die Versuchsstrafbarkeit (§ 283 Abs. 3 StGB) sowie einige Formen fahrlässigen Bankrotts (§ 283 Abs. 4, 5 StGB). Darüber hinaus tritt eine problematische Ungleichbehandlung zu bestimmten Bankrotthandlungen eines Einzelkaufmanns auf, für dessen strafrechtliche Haftung - wie auch bei den Gesellschaftern einer Personenhandelsgesellschaft 286 - ein Rückgriff auf § 14 StGB nicht erforderlich ist und der sich daher nach § 283 Abs. 1 Nrn. 5, 6, 7 StGB sowie § 283b StGB bei eigennützigem Handeln strafbar machen kann; der GmbH-Geschäftsführer, der dies gleichfalls zum eigenen Nutzen tut, ist hingegen straflos, weil solche Vorgänge wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 14 nicht unter § 283 StGB subsumiert werden können und auch nicht unter § 266 StGB fallen. 287 Auch will es nicht einleuchten, warum auf eigen- oder fremdnützig handelnde GmbH-Geschäftsführer § 6 Abs. 2 S. 2 GmbHG nicht anwendbar sein soll, sehr wohl aber auf Kaufleute. 288 Die systemwidrige Verlagerung des Gläubigerschutzes vom § 283 StGB in den § 266 StGB führt somit in manchen Fällen zu einer Privilegierung des Täters, 289 285 Vgl. auch Arloth, NStZ 1990, S. 570. 286 Vgl. Bieneck, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 77 Rn. 32. Hingegen wird überwiegend bei der GmbH & Co KG, obwohl Personenhandelsgesellschaft, auf den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH § 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB und damit die Interessentheorie, wenn auch modifiziert, angewendet; dazu BGH wistra 1984, 71; Bieneck ebd. Rn. 30 ff.; Winkelbauer, wistra 1986, S. 17 ff. 287 Vgl. Arloth, NStZ 1990, S. 572. 288 Zum abschließenden Charakter dieser Vorschrift vgl. 4. Kapitel D. II.

C. Juristische Personen des Privatrechts

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in anderen Fällen zu seiner Benachteiligung. Warum das Gesetz auf eine solche gesetzessystematische Disharmonie und Ungleichbehandlung ausgerichtet sein soll, bleibt begründungsbedürftig. Insofern korrigiert, um eine Formulierung von Achenbach aufzugreifen, die eingeschränkte Gesellschaftertheorie mit ihrer Ausdehnung der Untreue auf das Vermögen der GmbH nur diejenigen verfehlten Resultate, die aus der Rechtsprechung des BGH zur Abgrenzung von Bankrott und Untreue resultieren. 290 Wenn Fälle, die in der Sache Bankrotthandlungen sind, strafrechtlich auch beim Bankrottatbestand angesiedelt werden sollen, muss das Hindernis, das über die Interessenformel aufgebaut wurde, beseitigt, mithin diese Formel aufgegeben werden. In der Literatur wurden hierzu schon einige Erfolg versprechende Ansätze entwickelt, um zu einer sachgerechten Lösung zu kommen. Am überzeugendsten ist dabei eine funktionale Betrachtungsweise, die darauf abstellt, ob die Tätigkeit, die das vertretungsberechtigte Organ ausübt, einen Bezug zum übertragenen Aufgabenkreis aufweist. Dies bedeutet bei rechtsgeschäftlichem Handeln - mithin beim Missbrauchstatbestand, sofern es um eine Verpflichtung oder Verfügung geht 291 - , dass der Täter „als" Organ handelt, wenn er als Vertreter, mithin im Namen des und für den Vertretenen auftritt. Diese Formel wirft aber gerade dann Probleme auf, wenn ein nicht rechtsgeschäftliches Handeln zu beurteilen ist. Dann genügt es, dass sich dieses, so Lenckner, „seiner Art nach (also nicht notwendig in der besonderen Ausführung)" 2 9 2 als Wahrnehmung der Angelegenheiten des Treugebers darstellt. In ähnlicher Weise stellt Tiedemann darauf ab, „ob der Täter bei der Tatausführung rechtliche oder tatsächliche Wirkungsmöglichkeiten einsetzt, die ihm gerade aus seiner Organ- oder Vertreterstellung erwachsen". 293 Weber tritt ebenfalls für einen objektiv-funktionalen Zusammenhang zwischen Täterhandeln und dem Auftrag ein und verlangt, dass der Täter eine Handlung vornimmt, „die funktional als Wahrnehmung seiner Geschäftsführungsbefugnis erscheint" und nicht „nur gelegentlich seiner Geschäftsführertätigkeit" erfolgt. 294 Entscheidend kann, wie die funktionale Betrachtungsweise zu Recht hervorhebt, nicht sein, wessen Interessen das vertretungsberechtigte Organ verfolgt, sondern ob die Straftat in einem Bezug zu den Möglichkeiten steht, die das Organ gerade 289

Dazu, dass nach § 6 I I GmbHG bzw. § 76 III AktG ein wegen einer Insolvenzstraftat Verurteilter bereits per se, ein wegen Untreue Verurteilter aber nur beim Vorliegen weiterer Voraussetzungen für fünf Jahre nicht GmbH-Geschäftsführer oder AG-Vorstandsmitglied sein kann, vgl. 4. Kapitel D. II. 3. 290 Achenbach, BGH-FG, S. 600. 291 Bei anderen Formen rechtsgeschäftlichem Handelns (z. B. Kündigung) greift der Treubruchstatbestand ein. 292 Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 14 Rn. 26. 293 Tiedemann, NJW 1986, S. 1842, 1845; LK-Tiedemann, Vor § 283 Rn. 77-85. 294 Weber, StV 1988, S. 17. *

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

aufgrund seiner Funktion besitzt. Dieser funktionale Zusammenhang wird aber bereits dann zu bejahen sein, wenn die Organstellung des Täters die Begehung der Straftat ermöglicht oder sie zumindest erleichtert oder begünstigt. Könnte die Tat aber durch eine x-beliebige andere Person begangen werden, fehlt es an diesem funktionalen Zusammenhang. Beruht beispielsweise die Vermögensverschiebung auf der Ausübung einer organspezifischen Vertretungsmacht (z. B. Abschluss selbstbegünstigender Verträge, Überweisungsaufträge an die Bank), so sind die Voraussetzungen des § 14 StGB auch dann gegeben, wenn der Täter allein aus egoistischen Motiven gehandelt hat. Das gleiche gilt, wenn der Täter Gelder oder Vermögensgegenstände unterschlägt, sofern ihm der Zugriff auf diese Gegenstände aufgrund seiner Organstellung ermöglicht oder erleichtert wurde (z. B. weil er einen Schlüssel zum Safe etc. hatte). Ebenso handelt er als Vertreter, wenn er Geschäftsgeheimnisse ausplaudert oder weitergibt, da er seine Kenntnis über sie nur oder in erster Linie seiner Organstellung verdanken wird. Sobald das Organ aber praktisch wie eine Privatperson ohne Organfunktion eine „gewöhnliche" Sachbeschädigung oder einen „normalen" Diebstahl begeht, ist der erforderliche spezifische Organbezug nicht gegeben.

IV. Die Aktiengesellschaft Mit der Aktiengesellschaft ist eine weitere Kapitalgesellschaftsform und juristische Person des Privatrechts neben der GmbH benannt, bei der verschiedene Untreuekonstellationen denkbar sind und sich damit auch entsprechende Einverständnisfragen stellen können. Hierbei muss zunächst geklärt werden, welche Personen aus dem organisatorischen Kontext der Aktiengesellschaft als treupflichtig gegenüber der Gesellschaft angesehen werden müssen, bevor auf die denkbaren Pflichtverletzungen und die Möglichkeiten eines Einverständnisses eingegangen werden kann.

1. Der treupflichtige Personenkreis a) Der Vorstand Allgemein anerkannt ist die Stellung als Treupflichtiger bei den Mitgliedern des Vorstands. 295 Dieser leitet das Unternehmen (§ 76 Abs. 1 AktG) und übt weisungsfrei und unter eigener Verantwortung 296 die Geschäftsführungsbefugnis aus (§ 77 295 Vgl. etwa BGH NJW 1988, 2483; StV 1995, 302 u. 2002, 137; Lampe, GA 1989, S. 241, 246; LK-Schünemann, § 266 Rn. 49, 126; Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder § 266 Rn. 25; Schmid, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 31 Rn. 97. 296 Rittner, JZ 1980, S. 113, 117.

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AktG), hat mithin die Entscheidungskompetenzen, die schlechthin typisch für ein Treueverhältnis sind. Da der Vorstand gem. §§78 Abs. 1, 82 Abs. 1 AktG die unbeschränkte und unbeschränkbare 297 Vertretungsbefugnis besitzt, kommen seine Mitglieder auch als Täter einer Missbrauchsuntreue in Betracht, sofern sie durch Satzung die Einzelvertretungsbefugnis besitzen; ist hingegen der gesetzliche Normalfall, die Gesamtvertretung, gegeben (§ 78 Abs. 2 S. 1 AktG), können sie nur durch gemeinschaftliches rechtgeschäftliches Handeln den Missbrauchstatbestand verwirklichen. 298 Treupflichtig kann auch das faktische Vorstandsmitglied einer AG sein; 299 es gelten die oben zum faktischen Vorstand eines Vereins und zum faktischen Geschäftsführer einer GmbH entwickelten Grundsätze. 300

b) Der Aufsichtsrat Unbestritten ist die Eigenschaft als Treupflichtiger auch bei den Mitgliedern des Aufsichtsrats. 301 Bei ihrer gesetzlichen Verpflichtung, die Geschäftsführung des Vorstands zu überwachen (§111 Abs. 1 AktG), müssen sie Fürsorge für das Vermögen der Aktiengesellschaft tragen. Der Aufsichtsrat hat seine Tätigkeit am Unternehmensinteresse auszurichten, das in der Erhaltung und langfristigen Rentabilität des Unternehmens zu sehen ist. 3 0 2 Dabei ist dem Aufsichtsrat auch der für das Treueverhältnis erforderliche Entscheidungsspielraum eingeräumt. 303 Als Täter einer Missbrauchsuntreue zum Nachteil der AG kommen seine Mitglieder freilich nur im Ausnahmefall in Betracht: 304 Der Aufsichtsrat darf die Gesellschaft gem. §112 AktG nur gegenüber den Vorstandsmitgliedern vertreten (z. B. hinsichtlich des Abschlusses des Anstellungsvertrags, der Höhe der Vergütung nach § 87 Abs. 1 AktG 3 0 5 und die Erhebung von Schadensersatzklagen gegen Mitglieder des Vorstands),306 sofern sich nicht ausnahmsweise eine Vertretungsbefugnis für die Gesellschaft im Übrigen aus anderen Gründen, etwa aus einer von den Vorstandsmitgliedern verliehenen Untervollmacht, ergibt. Somit können Aufsichtsratsmitglieder 297 298 299 300

Vgl. Hüffer, § 78 AktG Rn. 5. Vgl. auch BGH StV 2002, 137, 138. BGHSt 21, 101,203. Vgl. oben 2. Kapitel C. I. 1, III. 2.

301 OLG Hamm NStZ 1986, 119 (inzidenter); Cramer, Fs. Stree/Wessels, S. 564; Dreher, JZ 1990, S. 896; Poseck, S. 76 ff.; Schmid, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 31 Rn. 75; Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 266 Rn. 25. Dies gilt einschließlich der Arbeiter, die kraft Mitbestimmungsgesetz dem Aufsichtsrat angehören; LK-Schünemann, § 266 Rn. 126. 302 Schmid, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 31 Rn. 75 Fn. 170. 303 304 305 306

Poseck, S. 80-82. Eingehend dazu Poseck, S. 65-76. Zum Fall Mannesmann vgl. unten 2. Poseck, S. 66.

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

in aller Regel nur eine Treubruchsuntreue begehen, namentlich durch Defizite bei der Ausübung der Kontrolle über den Vorstand (also durch ein Unterlassen), aber auch durch die Erteilung einer treuwidrigen Zustimmung zu einem zustimmungsbedürftigen Rechtsgeschäft nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG. 3 0 7 Unbeachtlich ist dabei die in den letzten Jahrzehnten zu beobachtende Entwicklung, dass bei der Besetzung von Aufsichtsratsposten vieler Aktiengesellschaften weniger die scharfe Kontrolle des Vorstands im Mittelpunkt stand als vielmehr die Gewinnung von Beratern und Helfern aus dem Kreis der Geschäftspartner, namentlich der Haus- und Emissionsbanken und Lieferanten, sogar der Wettbewerber. 308 Denn die mit dieser „Besetzungspolitik" verfolgten Zwecke lassen - ebenso wie die weitere Funktion des Aufsichtsrats, die Mitbestimmung der Arbeitnehmer zu gewährleisten - die in § 111 AktG statuierte und damit gesetzlich vorgeschriebene Kontrollpflicht als Zentralaufgabe des Aufsichtsrats unberührt. Ebenso mag man aus dem Charakter der Aufsichtratstätigkeit als eines in aller Regel bloß in beruflicher Nebentätigkeit ausgeübten Amtes ableiten, bei der Untreuehaftung eines Aufsichtsratsmitglieds dürfe der Bogen nicht überspannt werden, namentlich hinsichtlich der möglichen Konflikte von Unternehmensinteresse und Eigeninteressen des Mitglieds; gleichwohl stellt auch dies die Treupflicht nicht grundsätzlich in Frage. 309

c) Aktiengesellschaft;

Aktionäre; Societas Europae

Soweit die Aktiengesellschaft gegenüber Dritten vermögensbetreuungspflichtig ist (z. B. eine Bank gegenüber ihren Kunden 310 ), wird deren Treupflicht über § 14 StGB auf die Mitglieder des Vorstands „übergewälzt". 311 Diese Pflichten schlagen hingegen nicht auf den Aufsichtsrat durch. Sofern der Kunde durch ein Vorstandsmitglied oder Aufsichtsratsmitglied unter Verletzung der der Bank obliegenden Treupflicht geschädigt wird, so kann nur das Vorstandsmitglied wegen täterschaftlich begangener Untreue bestraft werden, während für das (insofern nicht treupflichtige) Aufsichtsratmitglied lediglich Beihilfe zur Untreue in Betracht kommt. 3 1 2 Nicht vermögensbetreuungspflichtig sind hingegen die Aktionäre, weder im Verhältnis der Aktionäre untereinander, noch in ihrem Verhältnis zum Aufsichtsrat, noch im Verhältnis der Aktionäre zur AG selbst, 313 sofern sie nicht zugleich Vor307

Vgl. Lüderssen, Fs. Lampe, S. 731. 308 Tiedemann, Fs. Tröndle, S. 321. 309 Tiedemann, Fs. Tröndle, S. 323 f. 310 Sofern es sich um Geschäftsbesorgungsverträge handelt; zur Treuepflicht im Zusammenhang einer Kreditgewährung vgl. Tiedemann, Fs. Kohlmann, S. 309. 311 Entsprechend zur GmbH Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 14 Rn. 5. 312 Cramer, Fs. Stree/ Wessels, S. 565. Zur Frage der Anwendbarkeit von § 28 I vgl. i. Kapitel D. II. 313 LG Köln wistra 1988, 279; LK-Schünemann, § 266 Rn. 107.

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stands- oder Aufsichtsratsmitglieder sind und gerade in dieser Eigenschaft handeln: Aktionäre stehen in einer eher losen Verbindung zur Aktiengesellschaft und verfolgen dabei in erster Linie ihre eigenen Interessen und nicht diejenigen der Gesellschaft. 314 Wenn es im aktienrechtlichen Schrifttum heißt, die Aktionäre besäßen eine „Treupflicht" gegenüber der Aktiengesellschaft, so ist damit die gesellschaftsrechtliche Pflicht bei Ausübung des Stimm- und Anfechtungsrechts, nicht aber die strafrechtliche Treupflicht in § 266 StGB gemeint. 315 Dies gilt gleichermaßen für Minderheits- wie Mehrheitsaktionäre, sofern sie nicht ausnahmsweise aufgrund ihrer tatsächlichen Macht- und Einflussposition in einem faktischen Treueverhältnis zur Gesellschaft stehen.316 In der ab Oktober 2004 möglichen Europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea, SE) 3 1 7 kann bei dualistischer Ausgestaltung der Unternehmensleitung (Vorstand einerseits, Aufsichtsrat andererseits) hinsichtlich der Treueverhältnisse nichts anderes gelten als bei der organisatorisch identisch ausgerichteten Aktiengesellschaft nach dem bisherigen deutschen Aktienrecht. Aber auch bei künftig auch in Deutschland möglichen, einer dem angloamerikanischen Rechtssystem entlehnten monistischen Geschäftsleitung (board-System) der SE, d. h. bei der Vermischung von Leitungs-, Überwachungs- und Kontrollfunktionen in einem einzigen Verwaltungsorgan, sind alle Mitglieder des Verwaltungsorgans treupflichtig, 3 1 8 freilich begrenzt durch den Rahmen der ihnen jeweils zugewiesenen Leitungs- bzw. Überwachungsaufgaben.

2. Treupflichtverletzungen Für die Pflichten der Vorstandsmitglieder im Innenverhältnis gilt, dass sie inhaltlich an die Vorgaben des Aktiengesetzes, der Satzung und ggf. einer Geschäftsordnung (§ 77 Abs. 2 AktG) gebunden sind. Im Übrigen sind sie aber, wie bereits angedeutet, weisungsfrei und mit einem weiten Entschließungsspielraum ausgestattet. Als Sorgfaltsmaßstab bei der Ausübung ihrer Tätigkeit kann § 77 Abs. 1 AktG herangezogen werden, wonach sie bei der Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden haben, wobei daran zu erinnern ist, dass nur vorsätzliche, nicht aber fahrlässige Treupflichtverletzungen im Rahmen des § 266 StGB unter Strafe gestellt sind. Bei den Treupflichtverletzungen des Aufsichtsrats wird es sich meist um Verstöße gegen die Kontrollpflicht und damit um Unterlassungen handeln. 319 Diese 314 LG Köln wistra 1988, 279, 280. 315 LK-Schünemann, § 266 Rn. 107. 316

Seier, in: Achenbach/Wannemacher, § 21 Rn. 185. 317 Dazu Thoma/Leuering, NJW 2002, S. 1449, 1451. 318 Immer unter der Maßgabe, dass deutsches Strafrecht und damit § 266 StGB überhaupt einschlägig ist. 319 Dazu Poseck, S. 82 ff.

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

Möglichkeit der Tatbegehung durch Verletzung einer Handlungspflicht wird entgegen Cramer auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass im Rahmen nicht zustimmungsbedürftiger Geschäftsführungsmaßnahmen der Aufsichtsrat auf den Vorstand keine rechtsverbindlichen Einfluss nehmen, sondern nur innerhalb seines tatsächlichen Herrschaftsbereichs Stellungnahmen und Beanstandungen abgeben kann. 320 Denn zumindest zu diesen Kontrollmaßnahmen ist der Aufsichtsrat gerade auch rechtlich verpflichtet: wenngleich er damit letztlich die Handlung des Vorstands möglicherweise nicht verhindert, ändert dies doch nichts daran, dass der Aufsichtsrat diesen Versuch unternehmen muss. Zu Recht bezeichnet Tiedemann daher die Position des Aufsichtsrats als eine Beschützergarantenstellung zugunsten des Gesellschaftsvermögens gegenüber Schädigungen durch den Vorstand. 321 Allerdings begründet die von Tiedemann ebenfalls hervorgehobene Stellung des Aufsichtsrats, ein Überwachungsgarant zugunsten Dritter gegenüber Straftaten seitens des Vorstands zu sein, erst dann eine Haftung wegen Untreue, wenn gegenüber den durch die Überwachungspflicht geschützten Dritten zugleich eine Treupflicht bestand; dies dürfte nur ausnahmsweise der Fall sein, schuldet der Aufsichtsrat seine Treue doch in aller Regel der Aktiengesellschaft und nicht Dritten. 322 Aber auch ein aktives Mitwirken, etwa in Form anstiftender 323 oder bekräftigender Einflussnahme auf den Vorstand, oder die Schädigung durch ausschließlich eigenes Tun ist denkbar. Die aktive oder passive Beteiligung von Aufsichtsratsmitgliedern an vermögensschädigenden Treupflichtverletzungen des Vorstands begründet dabei nicht lediglich eine strafrechtliche Haftung wegen Teilnahme, sondern vielmehr sogar wegen Täterschaft, 324 da nach der Tatbestandsfassung des § 266 StGB bereits die - mit einem Vermögensnachteil verbundene - Verletzung der strafrechtlichen Treupflicht den objektiven Tatbestand erfüllt und damit die Pflichtverletzung als solche in aller Regel bereits täterschaftsbegründend ist. 3 2 5 Ausnahmsweise ist ein Aufsichtsrat mit echten Leitungsaufgaben betraut, die durch entsprechende Führungs- und Gestaltungsfunktionen konkretisiert werden. Hierher gehört auch die Festsetzung der Bezüge der Vorstandsmitglieder nach § 87 Abs. 1 AktG. Jüngst hat im spektakulären Fall Mannesmann/Vodafone die Strafbarkeit von Aufsichtsratsmitgliedern wegen Untreue aufgrund der von ihnen festgesetzten Höhe der Vergütungen für Vorstandsmitglieder besondere Bedeutung erlangt. Der Aufsichtsratsausschuß für Vörstandsangelegenheiten der MannesmannAG, die später von dem britischen Mobilfunkunternehmen Vodafone übernommen 320 321 322 323 324 325

Cramer, Fs. Stree/ Wessels, S. 572. Tiedemann, Fs. Tröndle, S. 322. Vgl. auch Cramer, Fs. Stree/ Wessels, S. 565. BGH NJW 2002, S. 1585-1589. BGHSt 9, 203, 217 (zu § 81a GmbHG); Tiedemann, Fs. Tröndle, S. 322. Dazu 1. Kapitel D. I.

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wurde, gewährte im Jahre 2000 seinen damaligen bzw. bereits ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern sog. Anerkennungsprämien in Millionenhöhe. 326 Inwiefern der treupflichtige Aufsichtsrat der Mannesmann AG dadurch seine Pflichten aus dem Innenverhältnis verletzt hat, bemisst sich nach den Bindungen, die das Aktienrecht dem Gremium auferlegt. In § 116 AktG wird im Allgemeinen vorgeschrieben, dass ein Aufsichtsrat analog § 93 AktG die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsratsmitglieds anzuwenden hat. Zudem legt im Besonderen für die Bezüge von Vorstandsmitgliedern § 87 Abs. 1 S. 1 AktG fest, dass zwischen ihnen und den Leistung des Vorstandsmitglieds sowie der Lage der Gesellschaft ein Angemessenheitsverhältnis bestehen muss. 327 Es würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen, wollte man hier den Fall, der noch nicht erstinstanzlich entschieden ist, in der gebotenen Gründlichkeit analysieren; zudem spielen dabei, soweit ersichtlich, Fragen der Einwilligung keine Rolle. Festzuhalten bleibt hier zumindest, dass formale Fehler, die dem Aufsichtsrat während des Beschlussverfahrens unterlaufen sind, noch nicht zu einer Untreue führen; 328 die strafrechtliche Sanktionierung der Beachtung von Verfahrensvorschriften gehört, wie noch zu zeigen sein wird, nicht zur Aufgabe des § 266 StGB, sofern sie nicht dem Schutz des Treugebers dienen. 329 In materieller Hinsicht ist die in § 87 Abs. 1 AktG geforderte Angemessenheit der Vorstandsbezüge ein Bestandteil der Pflichten des Aufsichtsrats in seinem Verhältnis zur AG; die Aufsichtsratsmitglieder haben hier Ermessensspielräume, 330 müssen selbständig über die Höhe der Vergütung befinden und dabei den Nutzen des Unternehmens verfolgen. Allerdings begründet der Verstoß gegen § 87 Abs. 1 AktG als solches noch keine Untreue. Denn der Vergütungsbeschluss trägt den Charakter einer unternehmerischen Entscheidung, die generell nur in Extremfällen strafrechtlicher Korrektur zugänglich sein sollte. 331 Dieser stellt erst dann eine Untreue dar, wenn der Verstoß gegen gesellschaftsrechtliche Vorgaben - so der BGH bei unternehmerischen Entscheidungen durch Leitungsorgane im Zusammenhang mit der Spendenvergabe durch eine A G 3 3 2 oder mit einer Kreditvergabe durch einen Bankleiter einer Sparkasse 333 - als „gravierende Pflichtverletzung" (BGHSt 47, 187) einzustufen ist. Im Schrifttum stellt man ähnlich darauf ab, ob mit der Vergütungsentscheidung eine „eindeutig unvertretbare, objektiv nicht nachvollziehbare Leistung von belohnenden Bezügen als unternehmerische Fehlentscheidungen" (Tiede-

326 Vgl. LG Düsseldorf NJW 2003, 2536. Die Rede ist von 74 Millionen DM. Vgl. Der Spiegel v. 5. 4. 2004, Nr. 15/2004, S. 52. 327 Vgl. Rönnau/Hohn, NStZ 2004, S. 114; Tiedemann, WirtschaftsstrafR, Rn. 121 -123. 328 Ebenso Rönnau/Hohn, NStZ 2004, S. 114; Tiedemann, WirtschaftsstrafR, Rn. 122. 329 Vgl. 3. Kapitel C. 330 Vgl. nur Hüffer, AktienG, § 87 AktG Rn. 1. 331 Tiedemann, WirtschaftsstrafR, Rn. 122. 332 Zu BGHSt 47, 207 dazu sogleich unten. 333 BGHSt 47, 148.

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mann) verbunden w a r . 3 3 4 Tiedemann stuft die Zahlungen an die Vorstandsmitglieder, die „ungeheure Leistungen erbracht hätten", 3 3 5 „nicht als grundlose, sondern als noch vertretbare unternehmerische Entscheidung ein." Nach Rönnau und Hohn dagegen ist die nachträgliche Vergütungserhöhung (sog. appreciation awards) eine „Verschwendung der anvertrauten Gesellschaftsmittel" und damit eine Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht. Für dieses Ergebnis spricht zunächst, dass nachträgliche Belohnungen, die für einen außergewöhnlichen Einsatzes gewährt werden, zwar grundsätzlich i m Sinne des Unternehmens sein können, dass aber Zahlungen in dieser H ö h e 3 3 6 - nach den überkommenen Maßstäben der bundesdeutschen Rechts- und Wirtschaftsordnung - die Grenze dessen überschreiten, was i m Interesse des Unternehmens als noch angemessen eingestuft werden kann. Ob die gezahlten Summen aber nicht „lediglich" unangemessen, sondern darüber hinaus „eindeutig unvertretbar" oder - was wohl auf das gleiche hinauslaufen dürfte „grob pflichtwidrig" waren, steht auf einem anderen Blatt und muss für jeden Begünstigten gesondert erörtert und geprüft werden, was i m Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden kann. Eine andere Frage ist es, ob die Aufsichtsratsmitglieder die Umstände, die der (möglichen) Pflichtwidrigkeit zugrunde liegen, nicht kannten oder sie sich - aufgrund einer entsprechenden Rechtsberatung - der Pflichtwidrigkeit ihres Handelns nicht bewusst waren, wobei auch im letztgenannten Fall nicht erst ein Verbotsirrtum (§17 StGB), sondern bereits ein Tatbestandsirrtum (§ 16 StGB) in Betracht kommt: 3 3 7 Der Treupflichtverstoß bei der Untreue ist - wie bei zahlreichen anderen Pflichtdelikten (z. B. §§ 170, 325, 332 StGB) bereits ein objektives Tatbestandsmerkmal, weshalb sich der Vorsatz auch auf diesen rechtlichen »Umstand' (als normatives Tatbestandsmerkmal) erstrecken muss. Dagegen kommt im Rahmen des § 266 StGB ein Verbotsirrtum (erst) dann in Betracht, wenn der Täter sich über die (z. B. aktienrechtliche) Pflichtwidrigkeit seines Handelns im Klaren ist, er diese aber irrigerweise für nicht strafrechtsrelevant hält. Klärungsbedürftig ist auch, ob Vorstandsmitglieder, die diese Zahlungen erhalten haben, selbst wegen Untreue bzw. Anstiftung oder Beihilfe dazu haften. Zwar verfolgt ein Vorstandsmitglied mit seinen Vergütungswünschen in zulässiger Weise seine eigenen Interessen; auch trifft nicht er, sondern der Aufsichtsrat nach § 87 Abs. 1 AktG die maßgebliche Entscheidung. Dies darf das Vorstandsmitglied indes nicht dazu veranlassen, diejenigen, die eine Vergütungsentscheidung nach dem gesetzlichen Maßstab der Angemessenheit zu treffen haben, zu einer unangemessenen Zahlung zu bestimmen oder dies entsprechend zu fördern. Der Wahrnehmung eigener Vermögensinteressen sind dort Grenzen gesetzt, wo deren Durchsetzung mit der Verletzung fremder Vermögensinteressen durch andere verbunden wäre. Das Vorstandsmitglied 334

Ebenso Rönnau/Hohn, NStZ 2004, S. 120: nur bei „eindeutig unvertretbarem Verhalten". 33 s Vgl. Tiedemann, WirtschaftsstrafR, Rn. 123, 156. 336 Einer der Vorstandsmitglieder erhielt 32 Millionen DM Prämie (Der Spiegel v. 5. 4. 2004, Nr. 15/2004, S. 52). 337 Vgl. BGH NJW 2001, 2412, 2414 (Haushaltsuntreue) und oben 1. Kapitel C. II. Zur entspr. Problematik bei § 170 vgl. Lenckner, in: Schönke/Schröder, § 170 Rn. 33a, bei § 325 vgl. Stree/Heine, in: Schönke/Schröder, § 325 Rn. 8 und bei § 332 vgl. Cramer, in: Schönke /Schröder, § 332 Rn. 22. Zur ansonsten ausreichenden Kenntnis vom (allgemeinen) Verbotensein der Handlung vgl. Lackner/Kühl, § 17 Rn. 2; Kühl AT § 13 Rn. 58.

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darf überzogene oder „unverschämte" Forderungen stellen, nicht jedoch schlechterdings unvertretbare Beträge verlangen. Andernfalls trägt er Mitverantwortung für die von anderen begangene Untreue; er ist dann zwar als Täter straflos, nicht aber als Teilnehmer. 338

Da es sich bei Vorstands- und Aufsichtsratsentscheidungen vielfach um solche eines mehrköpfigen Gremiums handelt, richtet sich der Inhalt und Umfang der Treupflicht des jeweiligen Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglieds nach der internen Arbeitsteilung und Aufgabenverteilung. Hierzu kann sinngemäß an das angeknüpft werden, was oben zu Gremienentscheidungen bei der GmbH, namentlich zum Vertrauensschutz und etwaigen Kontrollpflichten ausgeführt wurde. 339 Insbesondere im Vergleich zur Untreue bei der GmbH hält sich die praktische Bedeutung der Untreue zum Nachteil einer Aktiengesellschaft in Grenzen. Soweit ersichtlich, hatte die Rechtsprechung - gemessen an der Zahl der sonstigen Untreueentscheidungen - bislang eher selten über untreuebezogene Treupflichtverletzung von Mitgliedern des Vorstands oder des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft zu entscheiden. Die jüngste Entscheidung des Bundesgerichtshofs, sie stammt von Ende 2001, betraf den Vorstandsvorsitzenden einer Verkehrs-Aktiengesellschaft, der unter Verstoß gegen seine internen Bindungen einem Sportverein über drei Jahre aus dem Vermögen der AG drei Spenden von insgesamt 45.000 DM zukommen ließ. 3 4 0 Der 1. Strafsenat des BGH ließ letztlich offen, ob dies bereits Missbrauchsuntreue gewesen sei, da die Vertretungsverhältnisse (Einzel- oder Gesamtvertretung) nicht ganz klar seien, was aber letztlich unerheblich sei, da zumindest auch eine Treupflichtverletzung i. S. d. Treubruchbruchtatbestands vorgelegen habe. Veranlasst wurden diese Zuwendungen durch einen Minister, der bei der zweiten und dritten Spende auch Aufsichtsratsvorsitzender der Verkehrs-AG war. Nahm man bei der ersten Spende daher nur Anstiftung zur Untreue an, ging der BGH bei der 2. und 3. Spende zu Recht von einer täterschaftlichen Beteiligung des Ministers aus, hatte er doch zu diesem Zeitpunkt aufgrund seines Aufsichtsratsvorsitzes die täterschaftsbegründende Stellung des Treupflichtigen eingenommen. Die Strafbarkeit wegen Treubruchsuntreue knüpfte der BGH an die von ihm bejahte „gravierende Pflichtverletzung" des Aufsichtsratsvorsitzenden. Zu Recht bemängelt Otto, dass das Kriterium der „gravierenden Pflichtverletzung" dunkel bleibt 3 4 1 und, sofern es nicht bloß zur Abgrenzung von kleineren oder bagatellartigen Unregelmäßigkeiten dienen soll, eher dahin gehend präzisiert werden müsse, dass eine stritte unternehmerische Entscheidung „evident sachwidrig" sein müsse. 342 Sein Vorschlag, die 338 Enger Thomas, Fs. Rieß, S. 799 (notwendige Teilnahme). 339 Vgl. oben 2. Kapitel C. III. 2. a). 340 BGHSt 47, 187. 341 Krit. auch Beckemper, NStZ 2002, S. 324: bislang unbekanntes Kriterium, dessen Auswirkungen auf § 266 völlig offen seien. - Es erinnert an die grobe Fahrlässigkeit (zum Fahrlässigkeitscharakter des obj. Untreuetatbestands vgl. 1. Kapitel C. II.). 342 Otto, Fs. Kohlmann, S. 187, 202.

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Schwelle zur „evidenten Sachwidrigkeit" erst bei einer „unvertretbaren" Entscheidung überschritten zu sehen, bedeutet allerdings im Ergebnis eine erhebliche Einschränkung des Tatbestands, wenn man mit Otto hierfür einen entsprechenden „einheitlichen Konsens der einschlägigen Fachleute" fordern würde: Eine einmütige rechtliche Bewertung wird sich bei „unternehmerischen Entscheidungen, die strittig beurteilt werden können", gerade nicht ergeben. Ein überwiegender Konsens dahingehend, dass die Entscheidung eindeutig unvertretbar war, dürfte daher genügen.

Eine andere Entscheidung des BGH betraf den Vorstandsvorsitzenden einer AG, der ohne nähere Begründung als tauglicher Täter einer Untreue angesehen wurde offenbar hielt das Gericht die Treupflicht des Vorstandsvorsitzenden für selbstverständlich. Eine Treupflichtverletzung wurde jedoch mangels untreuespezifischen Fehlverhaltens - die Nichtherausgabe von Schmiergeldern ist eine tatbestandsirrelevante Verletzung bloßer Schuldnerpflichen 3 4 3 bzw. der Schaden wegen denkbarer Nachteilskompensation verneint. 344 Einige Jahre zuvor hatte der BGH über die Kommissionsgeschäfte von zwei Vorstandsmitgliedern einer Bank-AG zu befinden. Auch hier verlor der BGH kein Wort über deren Treupflicht, sondern ging inzidenter von dieser Pflichtenstellung aus und setzte sich hauptsächlich damit auseinander, welcher Art die Geschäfte des Vorstands waren, ob sie gesetzeswidrige Transaktionen bedeuteten und ob der Schaden nicht wegen Nachteilsausgleich entfalle. Die beiden einzigen (veröffentlichten) Entscheidungen des Reichsgerichts zur AG-bezogenen Untreue drehten sich um einen Vorstand, der die Verteilung von Dividenden herbeiführte, obwohl die Gesellschaft keinen Gewinn gemacht hatte und die Dividenden aus dem Grundvermögen gewonnen werden mussten,345 sowie um ein leitendes Vorstandsmitglied einer AG, die einem Dritten Zuwendungen machte, die weit über das Maß der bei solchen Unternehmen üblichen Vergütungen hinausging. 346

343 Vgl. BGH NJW 2001, 2102, 2105; NStZ 2001, 545; Schramm, NStZ 2000, S. 398, 399 m. w. N. Hier kann auch kein Betrug durch Unterlassen angenommen, vielmehr muß - zumindest in diesen Fällen - vom Fehlen einer äquivalenten (§ 13 I I StGB) Aufklärungspflicht ausgegangen werden (Lüderssen, Fs. Kohlmann, S. 177, 184), will man nicht das Ergebnis fehlender Untreuestrafbarkeit derogieren (krit. Pawlik, 1999, S. 112) und die zivilrechtliche Herausgabepflicht nach § 667 BGB zu einer strafrechtlichen Pflicht überdehnen. Abgesehen davon kann das Strafgesetz nicht im Sinn haben, für eine doppelte Bestrafung zu sorgen, d. h. nicht nur die „Bestechung" in den §§ 299, 331 ff. StGB unter Strafe zu stellen, sondern das typischerweise mit „Schmiergeldzahlungen" einhergehende Verschweigen und Nichtabführen der „Provisionen" etc. auch noch über § 263 StGB zu erfassen. Bestechung / Bestechlichkeit bzw. Vorteilsannahme/Vorteilsgewährung an sich ist weder zugleich Betrug noch Untreue, es sei denn, es kommen Umstände hinzu, die untreue- und betrugsspezifischen Untreuegehalt besitzen, wie etwa bei § 266 StGB eine pflichtwidrige und vermögensschädigende Vermögensdisposition des Treunehmers als Folge /Ziel /Motiv des „Schmierens" (wie hier auch LG Magdeburg wistra 2002, 156, 157; zum Vorliegen der 2. Var. des § 266 Abs. 1 StGB und zu den Besonderheiten beim kick-back-deal Rönnau, Fs. Kohlmann, S. 246). 344 BGH StV 1995, 302. 345 RGSt 71, 344. 346 RGSt 49, 358, 364.

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3. Möglichkeiten eines Einverständnisses Theoretisch sind vier Konstellationen vorstellbar, in denen ein Einverständnis in Betracht kommen könnte: Im Verhältnis Vorstand-Aufsichtsrat dergestalt, dass 1. der Aufsichtsrat in pflichtwidrige Maßnahmen des Vorstands und umgekehrt 2. der Vorstand in solche des Aufsichtsrats einwilligt; sodann 3. im Verhältnis Aktionäre Vorstand in der Form, dass die Aktionäre mit den internen Vorgaben widersprechenden vermögensschädigenden Handlungen des Vorstands einverstanden sind sowie 4. im Verhältnis Aktionäre-Aufsichtsrat durch die Zustimmung der Aktionäre in entsprechende Treupflichtverletzungen des Aufsichtsrats.

a) Verhältnis

Vorstand - Auf sichtsrat

In der ersten Fallgruppe dürfte indes eine strafbarkeitsausschließende Wirkung der Zustimmung durch den Aufsichtsrat nur äußerst selten in Betracht kommen, bedeutet es doch gerade eine Verletzung der - sich auch zu einer strafrechtlichen Treupflicht verdichtenden - Kontrollpflicht des Aufsichtsrats, wenn er pflichtwidrigen und gesellschaftsschädigenden Verfügungen des Vorstands ausdrücklich zustimmt bzw. sie zu monieren unterlässt. 347 Ein solches Einverständnis wäre treuwidrig und würde die Aufsichtsratsmitglieder selbst zu Tätern einer Treubruchsuntreue machen, weshalb es auch für den Vorstand strafrechtlich unbeachtlich wäre und damit an dessen Strafbarkeit wegen Untreue nichts ändern würde. Etwas anderes kann hier etwa dann gelten, sofern die Satzung gem. § 111 Abs. 4 S. 2 AktG für bestimmte Geschäfte des Vorstands eine Mitwirkungsbefugnis des Aufsichtsrats vorsieht: Rechtstatsächlich findet man solche Zustimmungsvorbehalte etwa für die Aufnahme von Krediten ab einer bestimmten Größenordnung, für den Erwerb oder die Veräußerung von Grundstücken oder Beteiligungen und die Aufnahme eines neuen Zweigs der Geschäftstätigkeit. 348 Sofern ohne eine solche Zustimmung die Maßnahme im Innenverhältnis pflichtwidrig wäre, würde sie, wenn sie gleichwohl im Außenverhältnis wirksam ist und einen Vermögensnachteil auslöst, eine Missbrauchsuntreue darstellen, bei anderen Handlungsweisen eine Treubruchsuntreue. Das bedeutet umkehrt, dass eine diesbezüglich erteilte Zustimmung des Aufsichtsrats dann in der Sache ein tatbestandsausschließendes Einverständnis sein kann. Soweit aber die Zustimmung des Aufsichtsrats selbst wiederum pflichtwidrig wäre (z. B. ein Darlehensvertrag gebilligt wird, ohne dass auf ausreichende Sicherheiten geachtet wurde), so beseitigt sie nicht die Pflichtwidrigkeit des Handelns des Vorstands und bedeutet vielmehr für die Aufsichtsratsmitglieder selbst eine mögliche Strafbarkeit wegen Untreue.

347

Seier, in: Achenbach/Wannemacher, S. 574. 348 Vgl. Cramer, Fs. Stree/Wessels, S. 574.

§ 21 III Rn. 182. Cramer, Fs. Stree / Wessels,

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Darüber hinaus kann das Einverständnis die Pflichtwidrigkeit in den Fällen beseitigen, in denen gesetzliche Bestimmungen für eine vom Vorstand getroffene Maßnahme den zustimmenden Beschluss des Aufsichtsrats verlangen. So darf etwa nach dem Aktiengesetz Vorstandsmitgliedern oder leitenden Angestellten ein Kredit nur im Konsens mit dem Aufsichtsrat gewährt werden (§ 83 Abs. 1 AktG); geschieht dies nicht, ist der Kreditvertrag zwar gültig 3 4 9 und liegt damit, sofern auch ein Vermögensschaden, etwa wegen fehlender Kreditsicherheiten, gegeben ist, eine Missbrauchsuntreue vor; aber das Darlehen muss gem. § 89 Abs. 4 AktG sofort zurückgezahlt werden. Für Banken schreibt das Kreditwesengesetz (KWG) vor, dass bestimmte Kredite (z. B. ein sog. Organkredit nach § 15 KWG) nur mit Zustimmung des Aufsichtsorgans vergeben werden dürfen. 350 Aber auch hier gilt, dass die Billigung des Vorgangs durch den Aufsichtsrat dann strafrechtlich unbeachtlich ist, wenn der Zustimmung selbst (etwa wegen des Verstoßes gegen Kreditobergrenzen oder des Fehlens von Kreditsicherheiten) der Makel der Treuwidrigkeit anhaftet. 351 Der zweite Fall - der Vorstand willigt in Treupflichtverstöße des Aufsichtsrats ein - ist bereits gesellschaftsrechtlich nicht vorgesehen, steht doch der Aufsichtsrat als Kontrollorgan über den Vorstandsmitgliedern und nicht umgekehrt; ein Einverständnis erscheint allenfalls dann denkbar, wenn die Satzung der Gesellschaft solche Mitwirkungsbefugnisse des Vorstands für Maßnahmen des Aufsichtsrats vorsieht. Aber auch hier wäre dann zu beachten, dass es in aller Regel selbst eine strafrechtliche Haftung des Vorstands wegen Untreue begründen würde, gesellschaftsschädigenden Maßnahmen des Aufsichtsrats zuzustimmen.

b) Verhältnis

Vorstand - Aktionärsversammlung

Umstritten ist die Möglichkeit eines Einverständnisses in der dritten Konstellation, d. h. bei der Frage, ob sich der Vorstand auf entlastende Beschlüsse der Aktionärsversammlung berufen kann. Teilweise wird hier ein Tatbestandsausschluss kraft Aktionärsbeschlusses für gar nicht möglich gehalten, da die Vorstandsmitglieder gem. § 76 Abs. 1 AktG die Gesellschaft in eigener Verantwortung leiten würden und damit losgelöst von der Willensbildung in der Hauptversammlung seien. 352 Richtigerweise wird man differenzieren müssen: Soweit die Aktionäre kraft Aktienrechts oder Satzung dazu befugt sind, die im Innenverhältnis bestehenden Pflichten des Vorstands neu oder anders zu definieren, spricht nichts dagegen, der 349 So die h. M.; vgl. Geßler/Hefermehl, § 89 AktG Rn. 44; Hüffer, § 89 Rn. 8. 350 Dazu und zu weiteren Kontrollmechanismen bei der Kreditvergabe Erbs /KohlhaasFuhrmann, § 16 KWG Nr. 2, 3; Laskos, S. 33 ff.; Nack, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 66 Rn. 33 ff. 351 Zu untreuerelevanten Pflichtwidrigkeiten bei Kreditvergaben vgl. BGHSt 46, 30; BGH wistra 2002, S. 101 ff. und eingehend Nack, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 66 Rn. 81. 352 Seier, in: Achenbach/Wannemacher, § 21 I I Rn. 182.

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Aktionärsversammlung die Kompetenz für die Zustimmung in ein einzelnes Geschäft zuzuerkennen. Zwar haben die Aktionäre nicht die Befugnis zur Geschäftsführung, die gem. § 76 Abs. 1 AktG in den Händen des Vorstands liegt. Sie haben aber als die wirtschaftlichen Eigentümer des Unternehmens im Übrigen weitgehende Entscheidungskompetenzen, namentlich gerade hinsichtlich der die Rechtsverhältnisse des Vorstands besonders prägenden Satzungsänderungen (§119 Abs. 1 Nr. 5 AktG), als auch hinsichtlich der „finanzpolitischen" Entscheidungen bezüglich der Verwendung des Bilanzgewinns, der Entlastung des Vorstands und Aufsichtsrats und Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und -herabsetzung (§ 119 Abs. 1 Nrn. 2, 6 AktG). Darüber hinaus sind die Aktionäre auch nicht gänzlich von Entscheidungen, die die Geschäftsführung betreffen, ausgeschlossen: Gem. § 119 Abs. 2 AktG darf die Hauptversammlung über Fragen der Geschäftsführung durchaus entscheiden, sofern es ein entsprechendes Verlangen des Vorstands gibt. Unter Umständen kann der Vorstand sogar dazu verpflichtet sein, grundlegende Entscheidungen der Geschäftsführung, etwa hinsichtlich der Ausgliederung von Unternehmensteilen, der Hauptversammlung vorzulegen. 353 Soweit es jedoch das Aktienrecht nicht zulässt, dass Aktionäre Einfluss nehmen dürfen, namentlich hinsichtlich bestimmter gesetzes- oder satzungswidriger Dispositionen des Vorstands, kann auch in aller Regel kein tatbestandsausschließendes Einverständnis in Betracht kommen. Andernfalls würde sich das Strafrecht in einen Wertungswiderspruch zum Aktienrecht setzen. Die innergesellschaftliche Kompetenzverteilung muss auch im Rahmen des § 266 StGB Geltung beanspruchen. Allerdings sind auch hier die Besonderheiten des Untreuetatbestands zu beachten: Ein Verstoß gegen die Pflichten im Innenverhältnis ist nur beachtlich, wenn der Schutzzweck der die interne Verbotswidrigkeit begründenden Norm identisch ist mit der Schutzrichtung des § 266 StGB. Dies gilt es insbesondere bei Fehl verhalten des Vorstands zu beachten, das die Interessen der Gläubiger der Aktiengesellschaft berührt, so etwa die Rückgewähr von Einlagen entgegen § 93 Abs. 3 Nr. 1 AktG oder die gegen § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG verstoßende Leistung von Zahlungen, nachdem sich die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft ergeben hat. Da es die Aufgabe des § 266 StGB ist, nur einen besonderen „Gläubiger" zu schützen, nämlich den Treugeber, 354 können - ebenso wie bei der GmbH - Verstöße gegen Vorschriften, die ganz andere Gläubiger, nämlich diejenigen des Treugebers schützen, keine Verstöße gegen die untreuespezifische Treupflicht sein, sofern die Hauptversammlung der Maßnahme zugestimmt hat. 3 5 5 Auch das Aktienrecht verneint eine Ersatzpflicht bei Sorgfaltspflichtverstößen des 353 Sog. Holzmüller-Entscheidung; BGHZ 83, 122 (= NJW 1982, 1703); vgl. auch jüngst die Gelatine-Entscheidung BGH NJW 2004, 1860. 354 Vgl. dazu entsprechend 2. Kapitel C. III. 4. a) am Ende. 355 So auch Nelles, S. 552.

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Vorstands, wenn die Handlung gem. § 93 Abs. 4 S. 1 AktG auf einem gesetzmäßigen (d. h. weder anfechtbaren noch nichtigen) 356 Ex-Ante-Beschluß der Hauptversammlung im Rahmen ihrer organschaftlichen Zuständigkeit 357 beruht. Es ist nicht ersichtlich, warum die Entscheidung für § 266 StGB anders lauten sollte als bei § 94 Abs. 4 S. 1 AktG. Soweit Gläubigerinteressen auf dem Spiel stehen, greifen damit nur die (auch für die Aktionäre beachtlichen)358 gläubigerschützenden Straftatbestände der §§ 283 ff. StGB ein; die Rechte eines Gläubigers des Unternehmens stehen gerade nicht zur Disposition der Aktionäre, so dass bei den Strafvorschriften des Bankrotts usw. das Einverständnis der Gesellschafter gänzlich ohne Belang ist.

c) Verhältnis Aktionäre - Vorstand Die Möglichkeit eines von den Aktionären erteilten Einverständnisses in pflichtwidrige Maßnahmen des Aufsichtsrats (etwa der Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen, sofern vermögensschädigend)359 ist im Schrifttum, soweit ersichtlich, bislang nicht diskutiert worden. Auch hier spricht alles für die soeben bereits im Verhältnis von Aktionärsversammlung und Vorstand favorisierte Lösung, die den Treupflichtverstoß gesellschaftsrechtsakzessorisch 360 an der gesetzlichen Ausgestaltung des Innenverhältnis orientiert: Soweit die Aktionäre kraft Aktienrechts oder Satzung dazu befugt sind, die im Innenverhältnis bestehenden Pflichten des Aufsichtsrats neu oder anders zu definieren, ist die Aktionärsversammlung als kompetent anzusehen, in sorgfaltswidrige Maßnahmen des Aufsichtsrats einzuwilligen und diese damit ihrer Treupflichtwidrigkeit zu entkleiden. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Verhalten des Aufsichtsrats auf einem gesetzmäßigen Beschluss der Hauptversammlung beruht und deshalb ein Schadensersatzanspruch gem. §§ 116, 93 Abs. 3 AktG ausgeschlossen ist: Nach § 116 AktG gelten für Aufsichtsratsmitglieder hinsichtlich der zivilrechtlichen Sorgfaltspflichten und der Schadensersatzhaftung die gleichen Grundsätze des § 93 AktG wie für den Vorstand.

356 Wiesner, Handb. GesellschaftsR, IV, § 26 Rn. 13. 357 Hüffer, AktG, § 93 Rn. 25; zu den Ausnahmefällen eines pflichtwidrigen und damit unbeachtlichen Beschlusses einer Hauptversammlung in diesem Kontext vgl. dens., a. a. O. Rn. 26 m. w. N. 358 Nelles, S. 553. 359 Poseck, S. 85. Zur strafrechtlichen Sanktionierung von Geheimhaltungspflichten vgl. auch §§ 333 HGB, 315 UmwG und § 404 AktG. 360 Vgl. auch Tiedemann, WirtschaftsstrafR, Rn. 6: Die Treupflichtwidrigkeit in § 266 StGB verweise konkludent auf außerstrafrechtliche Normen.

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V. Die Genossenschaften Als weitere juristische Person des Privatrechts ist die eingetragene Genossenschaft zu nennen, deren Vermögen gleichfalls das geschützte Treugut einer Untreue darstellen kann. Der frühere, seit Anbeginn (1889) im Genossenschaftsgesetz (GenG) enthaltene Spezialtatbestand der genossenschaftsrechtlichen Untreue (§ 146 GenG) 361 wurde, ebenso wie die anderen Spezialvorschriften zur gesellschaftsbezogenen Untreue, 1969 abgeschafft. 362 Deshalb kann auch bei der Genossenschaft nur noch der allgemeine Untreuetatbestand des § 266 StGB zum Zuge kommen. Zivilrechtlich betrachtet ist die Genossenschaft ein mit Rechtsfähigkeit ausgestatteter Verein, der eine nicht geschlossene (d. h. freie und wechselnde) Mitgliederzahl aufweist und dessen Zweck personenbezogen darauf gerichtet ist, den Erwerb und die Wirtschaft der Mitglieder (Genossen) zu fördern 363 (§ 1 Abs. 1 GenG); zur Erlangung der Rechtsfähigkeit muss er in das Genossenschaftsregister eingetragen werden (§13 GenG). Dabei hat jede Genossenschaft notwendig drei Organe, nämlich den Vorstand (§§ 24 ff. GenG), die Generalversammlung als Versammlung der Genossen (§§ 43 ff. GenG) und den Aufsichtsrat (§§ 36 ff. GenG). Innerhalb des organisatorisch zur Genossenschaft gehörenden Personenkreises sind in erster Linie die Mitglieder des Vorstands treupflichtig. 364 Sie können sowohl den Treubruchstatbestand als auch - aufgrund der ihnen eingeräumten Vertretungsmacht (§ 24 Abs. 1 GenG) - den Missbrauchstatbestand verwirklichen. So stellt es eine Treubruchsuntreue dar, wenn Mitglieder eines Genossenschaftsvorstandes ihr Gehalt in der von ihnen zwar für berechtigt erachteten, jedoch vom Aufsichtsrat nicht festgesetzten Höhe entnehmen.365 Taugliche Täter können aber auch die Aufsichtsratsmitglieder sein, vorrangig im Hinblick auf eine Treubruchsuntreue (z. B. durch Unterlassen einer vermögensschützenden Kontrollmaßnahme), aber auch bezüglich der Missbrauchsuntreue, sofern sie von ihrer gegenüber den Vorstandsmitgliedern bestehenden Vertretungsmacht (§ 39 GenG) in einer pflichtwidrigen Weise Gebrauch machen (z. B. im Anstellungsvertrag den Vorstandsmitgliedern überhöhte Gehälter gewähren). Nicht vermögensbetreuungspflichtig sind jedoch die Genossen (sofern nicht zum Vorstand oder Aufsichtsrat 361 Vgl. Nelles, S. 45. - § 146 Abs. 1 GenG lautete: „Mitglieder des Vorstandes oder Aufsichtsraths und Liquidatoren werden, wenn sie absichtlich zum Nachtheile der Genossenschaft handeln, mit Gefängniß und zugleich mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark bestraft". 3 62 Abgeschafft durch das 1. StRG v. 25. 6. 1969 (BGBl. 1645 ff.); vgl. Nelles, S. 648. 363 Zur Rechtsnatur der Genossenschaft vgl. etwa Beuthien, § 1 GenG Rn. 2 ff.; Pöhlmann, in: Hettrich/Pöhlmann/Gräser/Röhrich, § 1 GenG Rn. 1 ff. 3 64 Nelles, S. 32; LK-Schünemann, § 266 Rn. 77. 3 65 So der Fall RGSt 62, 357, 361, der allerdings § 146 GenG a. F. betraf, von LK-Schünemann, § 266 Rn. 77, aber zu Recht auch für § 266 StGB als Beispiel einer Untreue herangezogen.

10 Schramm

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gehörend), 366 da diese in aller Regel keine Geschäfte für die Genossenschaft besorgen und sich auch nach der von der Rechtsprechung favorisierten Gesamtbetrachtung die Stellung als Treunehmer nicht ergibt: soweit die Genossen in der Generalversammlung Entscheidungsmacht ausüben, dient diese primär der Verwirklichung der eigenen mitgliedschaftlichen Interessen. Sofern die Genossenschaft das Stadium der Liquidation erreichen sollte, kommt auch eine Untreue durch die Liquidatoren, und falls ein Insolvenzverfahren eingeleitet wurde, eine solche durch den Insolvenzverwalter in Betracht. Die internen Bindungen, die den Maßstab für den Missbrauch wie den Treubruch liefern, ergeben sich vor allem aus den Vorgaben des Genossenschaftsgesetzes und des Statuts. Denkbare Pflichtverstöße des Vorstands sind etwa in § 34 Abs. 3 GenG aufgelistet, z. B. die gesetzes- oder statuswidrige Auszahlung von Geschäftsguthaben oder Verteilung von Genossenschaftsvermögen bzw. Gewährung von Krediten. Die Vorstandsmitglieder müssen im Übrigen die Sorgfalt eines, wie es § 34 Abs. 1 GenG für ihre zivilrechtliche Haftung formuliert, „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters der Genossenschaft" anwenden. Als maßgebliche Entscheidungsträger und damit als dispositionsbefugt über das Vermögen der Genossenschaft sind die Genossen anzusehen, die ihr Recht auf Mitverwaltung (sog. „personalistische" Struktur der Genossenschaft) 367 innerhalb der genossenschaftsrechtlich als Generalversammlung bezeichneten Mitgliederversammlung ausüben: So bestimmt die Generalversammlung über die Abänderung des Statuts und hat die in § 48 Abs. 1 GenG genannten Rechte; sie entscheidet z. B. über die Feststellung des Jahresabschlusses, die Verwendung des Jahresüberschusses oder die Deckung des Fehlbetrags sowie über die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats. Hinsichtlich der strafrechtlich erforderlichen Mehrheitsverhältnisse genügt die einfache Stimmenmehrheit nach § 43 Abs. 2 GenG, sofern nicht das Genossenschaftsgesetz oder die Satzung andere Mehrheitsverhältnisse vorsehen. Anders stellt sich die Situation freilich dar, wenn es aufgrund der konsensual mit dem Vorstand herbeigeführten Verbindlichkeit o. dgl. im Insolvenzfall zur Durchbrechung der an sich nur auf die Genossenschaft beschränkten Haftung für Verbindlichkeiten (§2 GenG) kommt und eine Haftung der einzelnen Genossen in Form einer vereinbarten Nachschusspflicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 GenG ausgelöst wird: Dann kann nicht auf formale Mehrheitsverhältnisse abgestellt werden, sondern es müssen vielmehr all diejenigen Genossen der Maßnahme ex-ante zugestimmt haben, denen gegenüber die Genossenschaft wegen der Maßnahme einen Nachschussanspruch hat. Daneben gibt es Mitspracherechte des Aufsichtsrats, wie sie das GenG, etwa in § 39 Abs. 2 GenG, vorsieht, aber auch die Satzung (das Statut) gem. § 38 Abs. 3 366 Wegen der personalistischen, nicht auf den bloßen Kapitalbeteiligungszweck ausgerichteten Struktur der Genossenschaft können nicht Externe, sondern nur Genossen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sein; vgl. §§ 24 Abs. 2 S. 1, 36 Abs. 1 S. 1 GenG. 367 Vgl. Beuthien, § 1 GenG Rn. 2; K.Müller, § 1 GenG Rn. 2.

C. Juristische Personen des Privatrechts

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GenG vorschreiben kann. In diesem Fall wird erst durch ein Handeln im vorher herbeigeführten Konsens mit dem Aufsichtsrat die Treupflichtwidrigkeit des Organhandelns (z. B. die Gewährung eines Kredits an ein Vorstandsmitglied) beseitigt.

VI. Der Konzern Anerkanntermaßen besteht die Möglichkeit einer Untreue ferner dann, wenn Unternehmen in Form eines sog. Konzerns miteinander verbunden sind. Damit stellt sich zugleich die Frage, wer in konzerngeprägten Treueverhältnissen als dispositionsbefugt über das jeweilig betroffene Vermögen und damit als der für ein Einverständnis zuständige Entscheidungsträger anzusehen ist. Hierzu bedarf es zunächst der Klärung terminologischer Fragen sowie der gesellschafts- bzw. handelsrechtlichen Struktur von Konzernen, wobei sich die Darstellung in dieser Arbeit wegen der außerordentlichen Komplexität der Materie und Verflechtungen skizzenhaft auf wenige Grundzüge beschränken muss.

1. Begriff des Konzerns Unter einen Konzern versteht man, allgemein betrachtet, eine mittels gesellschaftsrechtlicher Instrumentarien geschaffene Verbindung mehrerer Unternehmen, die bei fortdauernder rechtlicher Selbständigkeit der sie tragenden Gesellschaften in wirtschaftlicher Abhängigkeit zueinander stehen.368 Dabei kann es zu Verbindungen von Unternehmen mit unterschiedlichen Rechtsformen und zu höchst komplexen Formen der Konzernierung kommen. 369 Nicht zwangsläufig muss damit die Zusammenfassung mehrerer Unternehmen unter einer einheitlichen Konzernleitung gemeint sein; unter das Konzernrecht fallen vielmehr auch wesentlich schwächer ausgeprägte Abhängigkeitsbeziehungen ohne gemeinsame Geschäftsleitung. 370 Die wirtschaftliche Bedeutung des Konzernrechts zeigt sich darin, dass zwei Drittel aller Aktiengesellschaften sowie mindestens die Hälfte aller GmbHs als konzernverflochten gelten. 371 Der Konzern besitzt weder eine eigene Rechtsform, noch existiert ein besonderes Konzernregister, noch hat der Unternehmensverbund eigene Organe. Die zusammengeschlossenen Rechtsträger behalten vielmehr ihre eigene Rechtspersönlichkeit. 372 Deshalb ist eine Untreue zum Nachteil des Konzerns als Ganzes nicht möglich; geschädigt werden kann nur das einzelne Unternehmen. 368 Vgl. Seier, in: Achenbach/Wannemacher, Habersack, §111. 369

Schmid, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, ?o Timm, JuS 1999, S. 554.

3

371 Vgl. Timm, JuS 1999, S. 554. 72 Timm, JuS 1999, S. 554.

3

10*

§ 21 II Rn. 248; Emmerich/Sonnenschein/ § 31 Rn. 113.

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

Gesetzlich geregelt ist in diesem Bereich bislang lediglich das Recht für die Verbindung von Aktiengesellschaften in §§ 15 ff. AktG und §§ 291 ff. AktG, wobei die Regelungen in den §§ 15 ff. AktG vielfach als rechtsformunabhängiger „allgemeiner Teil" 3 7 3 des deutschen Konzernrechts bezeichnet werden und insofern auch für GmbH-Konzerne gelten. Daher soll im Folgenden zunächst (2.) auf den aktienrechtlichen Konzern eingegangen werden, bevor die praktisch besonders bedeutsamen Formen des GmbH-Konzerns unter (3.) sowie der Personengesellschaftskonzern (4.) erörtert werden.

2. Der aktienrechtliche Konzern Üblicherweise werden Konzerne in die zwei Gruppen des Vertragskonzerns und des faktischen Konzerns unterteilt. a) Die abhängige AG im Vertragskonzern Der Vertragskonzern wird durch den Abschluss eines Unternehmensvertrags zwischen dem herrschenden und dem abhängigen Unternehmen begründet. Dieser Vertrag ist vielfach so gestaltet, dass die AG oder eine KGaA ihre Leitung derjenigen eines anderen Unternehmens unterstellt, so dass ein Beherrschungsvertrags i. S. d. § 291 Abs. 1 S. 1 Var. 1 AktG vorliegt, und das beherrschte Unternehmen dazu verpflichtet wird, seinen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen, mithin ein sog. Gewinnabführungsvertrag i. S. d. § 291 Abs. 1 S. 1 Var. 2 AktG geschlossen wurde. Zwar nicht aus dem Gewinnabführungsvertrag, 374 aber aus dem Beherrschungsvertrag folgt ein Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens gegenüber dem beherrschten Unternehmen (§ 308 Abs. 1 S. 1 AktG), wobei diese Weisungen für den Vorstand der abhängigen Aktiengesellschaft sogar dann rechtlich verbindlich sind, wenn deren Befolgung das beherrschte Unternehmen zwar schädigen, dadurch aber die Interessen des herrschenden Unternehmens oder des Konzerns gewahrt werden (§ 308 Abs. 1 S. 2 AktG). Das herrschende Unternehmen muss nach der Intension des Gesetzgebers nicht zwangsläufig eine AG, sondern kann auch, wie sich im Übrigen zugleich aus dem Wortlaut des § 291 Abs. 1 AktG ergibt, eine andere Rechtsform besitzen, z. B. eine GmbH 3 7 5 sein. Durch die Einflussmöglichkeiten des herrschenden Unternehmens werden erhebliche Risiken nicht nur für die (Minderheits-)Gesellschafter des beherrschten Unternehmens geschaffen, sondern auch und gerade für dessen Gläubiger (einschließlich der Arbeitnehmer), da Leistungen, die aufgrund von Unternehmensverträgen an das herrschende Unternehmen erbracht werden, nicht den Kapitalerhal373

Emmerich/Habersack/Sonnenschein, Emmerich/Habersack/Sonnenschein, 37 5 Vgl. Kindler, JuS 1992, S. 636, 637. 374

§ 2 I. § 121; K. Schmidt, GesellschaftR, § 31 III 2.

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tungsvorschriften der §§ 57, 58, 60 AktG unterliegen. Allerdings wird ein gewisser Gesellschafter- sowie Gläubigerschutz dadurch erreicht, dass das herrschende Unternehmen zum einen gem. § 302 AktG die jährlich auftretenden Verluste zu übernehmen hat und zum anderen (erst) nach Beendigung des Unternehmensvertrags Sicherheit gem. § 303 Abs. 1 AktG für die Forderungen der Gläubiger zu leisten hat. 3 7 6 Die Minderheitsaktionäre erhalten einen angemessenen Ausgleich in Form fester oder variabler Dividendengarantien (§ 304 AktG) und eine Abfindung bei freiwilligem Ausscheiden aus der Gesellschaft (§ 305 AktG).

aa) Die treupflichtigen Personen beim herrschenden Unternehmen - Treupflicht gegenüber beherrschter Gesellschaft: Innerhalb eines Vertragskonzerns folgt, wie Schünemann unter Berufung auf Ewald zu Recht hervorhebt, die untreuerelevante Fürsorgepflicht gegenüber der beherrschten Gesellschaft aus der rechtlich anerkannten und deshalb durchsetzbaren Herrschaftsposition der Konzernmutter. 377 Diese trägt gesellschaftsrechtlich zugleich den Charakter einer Geschäftsbesorgung i. S. d. § 675 BGB, so dass das herrschende Unternehmen ebenso wie andere Geschäftsbesorger bestimmte Schutz- und Fürsorgepflichten treffen; 378 damit sind auch Voraussetzungen einer Treupflicht i. S. d. 2. Alternative des § 266 Abs. 1 StGB gegeben. Hierbei bedarf es nicht des § 14 StGB, um eine Treupflicht derjenigen Personen zu begründen, die für das herrschende Unternehmen handeln (etwa die Vorstandsmitglieder einer AG oder der Geschäftsführer einer GmbH). Denn sie sind bereits kraft ihrer aktienrechtlichen Stellung unmittelbar als taugliche Täter einer Untreue anzusehen, da § 309 Abs. 1 AktG nicht nur der Gesellschaft, sondern direkt auch den gesetzlichen Vertretern bei der Ausübung ihrer Weisungsmacht die Sorgfaltspflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers auferlegt. 379 Gleichgültig, ob es sich bei dem vertraglich abhängigen Unternehmen um eine Aktiengesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft auf Aktien handelt, ist sie, als formal weiterhin selbständig gebliebenes Unternehmen, als Treugeberin anzusehen. Diese Pflichtenstellung entfällt jedoch, falls es zu einer Eingliederung gem. § 319 AktG kommt, weil das Vermögen der eingegliederten Gesellschaft völlig zur Disposition der Muttergesellschaft steht. Allerdings kommen die Organe des herrschenden Unternehmens nicht als Täter einer Missbrauchsuntreue zum Nachteil des abhängigen Unternehmens in Betracht. Denn der Beherrschungsvertrag räumt zwar Weisungsbefugnisse ein, nicht jedoch das Recht, über das Vermögen der abhängigen Gesellschaft zu verfügen oder die Befugnis, dieses zu ver376 Vgl. dazu Kindler, JuS 1992, S. 636, 637; K Schmidt, GesellschaftR, § 31 III 2 d); Timm, JuS 1999, S. 554. 377 LK-Schünemann, § 266 Rn. 128. 378 Emmerich/Habersack/Sonnenschein, § 11 III 2. 379 Ewald, S. 109; LK-Schünemann, § 266 Rn. 128.

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

pflichten. 380 Insofern kann das herrschende Unternehmen, genauer: das anweisende Organ, nur den Treubruchstatbestand verwirklichen.

- Treupflicht gegenüber Aktionären? Fraglich ist jedoch, ob auch eine Treupflicht der herrschenden Gesellschaft zum Schutz der Aktionäre des beherrschten Unternehmens besteht. Dies ist freilich zu verneinen, da das beherrschende Unternehmen keine Aufgaben übernimmt, die einer Geschäftsbesorgung i. S. d. § 675 BGB entsprechen. Allerdings sind die Interessen der Aktionäre mittelbar über den Schutz der beherrschten Aktiengesellschaft erfasst, da die aktienrechtlich vorgeschriebenen, innergesellschaftlichen Zustimmungskompetenzen der Minderheitsaktionäre im Regelfall auch im Rahmen des § 266 StGB beachtlich sind. - Treupflicht gegenüber Konzernmutter: Darüber hinaus sind die Organe der Konzernmutter auch dieser selbst gegenüber treupflichtig. Hierfür kann zunächst auf die allgemeinen Grundsätze zurückgegriffen werden, die für die jeweilige Gesellschaft in den vorangegangenen Abschnitten entwickelt wurden. Das Innenverhältnis zwischen Treunehmer und der Gesellschaft wird dann aber auch durch das Konzernrecht geprägt. Als Beispiel läßt sich eine Entscheidung des OLG Koblenz 381 nennen, in dem ein leitender Angeseilter der Muttergesellschaft Gelder und Schecks einer Tochtergesellschaft, die er geleitet hat, beiseite geschafft hatte. Das Gericht bejahte eine Treupflicht des Angestellten und sah in dem Verstoß gegen den Gewinnabführungsvertrag zugleich eine Treubruchsuntreue.

bb) Treupflicht des beherrschten Unternehmens - Treupflicht gegenüber Konzernmutter: Daneben kann umgekehrt eine Treupflicht des beherrschten Unternehmens bzw. seiner Organe gegenüber der Konzernmutter in Betracht kommen. Daran ist namentlich zu denken, wenn der Vorstand der abhängigen AG gegen verbindliche Weisungen verstößt 382 oder seinen Pflichten aus einem Gewinn- oder Ergebnisabführungsvertrag nicht nachkommt und diese Gelder beiseiteschafft. 383 - Treupflicht gegenüber abhängiger Gesellschaft: Daneben besteht auch eine Treupflicht des Vorstands des beherrschten Unternehmens gegenüber der eigenen Gesellschaft; prinzipiell kann hier kein Unterschied zur Treupflicht des Vorstands einer unabhängigen Gesellschaft dieser gegenüber ausgemacht werden. 384 Allerdings können für das abhängige Unternehmen nachteilige, aber im 380 Vgl. Emmerich/Habersack/Sonnenschein, § 23 IV 3.; Ewald, S. 104 f. 381 OLG Koblenz, wistra 1984, 79. Zu dieser Entscheidung vgl. auch Seier, in: Achenbach/Wannemacher, Rn. 249. 382 Bsp. von Ewald, S. 119. 383 Seier, in: Achenbach/Wannemacher, § 21 II Rn. 250. 384 Ewald, S. 158.

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übergeordneten sog. Konzerninteresse 385 liegende Maßnahmen zulässig sein, die bei einer unverbundenen AG eine Untreue darstellen würden

cc) Die Träger der Dispositionsbefugnis beim beherrschten Unternehmen - Aufsichtsrat und Hauptversammlung: Wer innerhalb der abhängigen AG als Trägerin der Dispositionsbefugnis anzusehen ist, bestimmt sich nach der innergesellschaftlichen Kompetenzverteilung. Dem Grunde nach kann hier nichts anderes gelten als bei der unverbundenen Aktiengesellschaft: 386 Dasjenige Organ, das nach dem Aktienrecht bzw. der Satzung für die Definition der jeweiligen Pflichten im Innenverhältnis zuständig ist, ist auch als dispositionsbefugt anzusehen. Dies kann, je nach betroffenem Zuständigkeitsbereich, der Aufsichtsrat oder die Aktionärsversammlung der abhängigen AG sein. - Einschränkungen durch das Weisungsrecht: Allerdings wird beim Vertragskonzern die Notwendigkeit eines Einverständnisses für Maßnahmen, die der Vorstand der abhängigen AG auf Weisung der herrschenden AG, GmbH usw. vornimmt, nur sehr selten bestehen. Der Beherrschungsvertrag räumt dem herrschenden Unternehmen weitgehende Eingriffsbefugnisse in das Vermögen der abhängigen AG ein und entkleidet diese Maßnahme damit vor vornherein im Innenverhältnis der Pflichtwidrigkeit. Erreicht wird dies dadurch, dass das Gesetz den Weisungen nach § 308 Abs. 1, 2 AktG, wie eben bereits angedeutet, eine sehr weitreichende BindungsWirkung verleiht. Der Beherrschungsvertrag führt somit dazu, dass die nach § 76 AktG an sich für den Vorstand einer unverbundenen AG vorgesehene Eigenverantwortlichkeit der Geschäftsführung nahezu preisgegeben wird und damit tief in das innere Kompetenzgefüge der beherrschten Gesellschaft eingegriffen wird. 3 8 7 Diese „Fremdbestimmung" erreicht sogar die Ebene des Aufsichtsrats: Maßnahmen, die ansonsten nur mit der Zustimmung des Aufsichtsrats durchgeführt werden dürfen, können im Vertragskonzern bereits durch das herrschende Unternehmen allein bzw. gegen den Willen den Aufsichtsrats durchgesetzt werden (§ 308 Abs. 3 AktG). Bei der Ausübung seiner Weisungsmacht ist der Vorstand der herrschenden AG freilich nicht grenzenlos frei, sondern in einem gewissen, wenngleich beschränkten Umfang treupflichtig, sowohl im gesellschaftsrechtlichen 388 wie strafrechtlichen 385 Vgl. Seier, in: Achenbach/Wannemacher, § 21 I I Rn. 252; Emmerich/Habersack/Sonnenschein, § 23 V 2 a). 386 Vgl. daher die Ausführungen 2. Kapitel C. IV. 3. 387 Vgl. Timm, JuS 1999, S. 761. 388 Vgl. etwa § 309 I I AktG, wonach der Vorstand der herrschenden AG schadensersatzpflichtig wird, wenn z. B. bei der Erteilung von Weisungen nicht die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt wurde.

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

Sinne. Soweit er sich bei der Einflussnahme auf die Geschäftsleitung der abhängigen AG treupflichtwidrig verhält, bemisst sich die Zuständigkeit für das Einverständnis nach den allgemeinen Grundsätzen, d. h. es wird, je nach den betroffenen Zuständigkeitsbereichen, auf das Einverständnis der Aktionäre bzw. des Vorstands der abhängigen AG ankommen. - Zwingende Zuständigkeiten des Aufsichtsrats und der Hauptversammlung: rüber hinaus gibt, wie im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum betont wird, 3 8 9 der Beherrschungsvertrag dem herrschenden Unternehmen nicht die Möglichkeit, in die zwingenden Zuständigkeiten von Aufsichtsrat und Hauptversammlung einzugreifen. Soweit sich beispielsweise das Einverständnis auf Gegenstände erstreckt, die im Beherrschungsvertrag geregelt werden müssen, ist auch im Strafrecht an den dafür in §§ 293 ff. AktG gesetzlich vorgesehenen Entscheidungsträgern und Mehrheitsverhältnissen festzuhalten: So bestimmt § 293 AktG, dass ein Unternehmensvertrag wie z. B. ein Beherrschungsvertrag nach § 291 Abs. 1 Var. 1 AktG nur mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam wird, wofür eine Mehrheit von mindestens drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals zustande kommen muss. Für entsprechende Änderungen, etwa einer Intensivierung der Beherrschung, gelten diese Grundsätze entsprechend, § 295 AktG. Das bedeutet zugleich, dass hinsichtlich der auf den Beherrschungsvertrag bezogenen Vorgänge (Abschluss, Änderung, Aufhebung) das Einverständnis der Aktionäre (Hauptversammlung) unter Beachtung der gesetzes- bzw. satzungsmäßig vorgegebenen Mehrheitsverhältnisse vorliegen muss.

dd) Die Träger der Dispositionsbefugnis beim herrschenden Unternehmen Im Bereich der Konzernmutter bestimmt ebenfalls die aktienrechtlich geprägte organisatorische Struktur und die für sie festgelegten Zuständigkeits- und Mehrheitsregeln, wer als dispositionsbefugt über das Vermögen anzusehen ist. Sofern bei Entscheidungen des Vorstands der Aufsichtsrat mitbestimmen kann, ist sein Plazet einzuholen; muss hingegen die vorgesehene Maßnahme der Hauptversammlung vorgelegt werden, so haben die Aktionäre darüber abzustimmen.

b) Die abhängige AG im einfachen faktischen AG-Konzern Den Gegenpol zum Vertragskonzern bilden die faktischen Konzerne, d. h. solche Verbindungen von Unternehmen, die zwar nicht durch einen Beherrschungsund/oder Gewinnabführungsvertrag, aber durch andere, tatsächlich geprägte Formen der Verflechtung gekennzeichnet sind. Hierbei kristallisieren sich die beiden 389 Vgl. Emmerich /Habersack/Sonnenschein,

§ 23 V 1 b).

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Gruppen des sog. einfach faktischen und sog. qualifiziert faktischen Konzerns heraus. aa) Struktur Als einfache faktische Konzerne werden relativ lockere Zusammenschlüsse von Unternehmen angesehen, in denen das herrschende Unternehmen der abhängigen Aktiengesellschaft bzw. Kommanditgesellschaft auf Aktien ein gewisses Maß an Selbständigkeit belässt. Ein Beherrschungsvertrag liegt gerade nicht vor. Stattdessen ist lediglich eine einfache Abhängigkeit i. S. d. § 17 AktG gegeben. Die Einzelheiten des faktischen Konzerns sind im Wesentlichen in den §§ 311318 AktG geregelt. Insbesondere gibt es hier, anders als beim Vertragskonzern, ein rechtliches System, das, anders als das globale Weisungs- und Haftungssystem des Vertragskonzernrechts, singulär an der nachteiligen Einzelmaßnahme des herrschenden Unternehmens anknüpft und einen Anspruch auf eine (allerdings zeitlich erheblich gestreckte) Kompensation für nachteilige Rechtsgeschäfte oder andere zu ihrem Nachteil getroffene bzw. unterlassene Maßnahmen kraft Gesetz vorsieht. Dadurch sollen die Eigenständigkeit der abhängigen Gesellschaft sowie die Interessen der Aktionäre geschützt werden. Dieser Zweck soll zudem durch das Schadensersatzsystem des § 319 AktG verfolgt werden, der einen deliktischen Anspruch der abhängigen Gesellschaft gegen das herrschende Unternehmen vorsieht. Anders als beim Vertragskonzern herrscht beim einfachen faktischen Konzern keine Bindung des Vorstands der abhängigen AG an die Weisungen des herrschenden Unternehmens. Dessen Vorstand verbleibt weiterhin seine Eigenverantwortung i. S. d. § 76 Abs. 1 AktG; es bestehen daher keine Folgepflichten.

bb) Die treupflichtigen Personen - Treupflicht der Organe der abhängigen Gesellschaft dieser gegenüber: Die fortbestehenden Entscheidungsspielräume des Vorstands und seine damit verbundene unveränderte Eigenverantwortung muss sich bei der Untreue in der Weise durchschlagen, dass die Treupflicht des Vorstands der abhängigen AG beim einfachen faktischen Konzern im Wesentlichen in dem gleichen Umfang besteht wie bei einer einfachen, unverbundenen Aktiengesellschaft. Nichts anderes kann auch für den Aufsichtsrat gelten, dessen Kompetenzen gleichfalls unberührt bleiben. 390 Allerdings kann eine Handlung, die im Falle einer unverbundenen AG eine Treupflichtverletzung darstellen würde, bei einer faktisch verbundenen AG im Konzerninteresse zulässig sein; dann würde sich ein Einverständnis erübrigen. 390 Vgl. daher oben 2. Kapitel C. IV. 1.

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

- Treupflicht der herrschenden Gesellschaft gegenüber beherrschter Gesellschaft: Daneben kommt auch eine Vermögensbetreuungspflicht des herrschenden Unternehmen bzw. der Organe, die auf die beherrschte Firma einwirken, dieser gegenüber in Betracht. Allerdings folgt diese strafrechtliche Treupflicht nicht bereits aus der Stellung als Gesellschafter: Sofern das herrschende Unternehmen an der AG bzw. KGaA lediglich allein- oder mehrheitsbeteiligt ist, ist eine Vermögensbetreuungspflicht nicht anzuerkennen. 391 Eine Treupflicht kann sich hier nur aufgrund besonderer Umstände, namentlich aufgrund einer faktischen Betrachtungsweise ergeben. Das Ob und das Wie der Treupflicht hängt dann entscheidend davon ab, wie massiv auf die Geschäftsführung im abhängigen Unternehmen eingegriffen wird. Übernimmt das herrschende Unternehmen, wenngleich nicht (was wegen § 76 AktG unmöglich wäre) de jure, aber doch de facto die Geschäftsleitung oder übt es diese gemeinsam mit dem Vorstand aus, so hat es einen qualifizierten Zugriff auf das AG-Vermögen, das es (bzw. seine Organe) sodann - vergleichbar einem faktischen Vorstand 392 - auch zum tauglichen Täter einer Untreue qualifiziert.

cc) Dispositionsbefugnis Hinsichtlich der Verfügungsmacht sind die allgemeinen Grundsätze heranzuziehen, die oben für die nicht konzernierte Aktiengesellschaft entwickelt wurden. Dies bedeutet, dass es, je nach der im Aktiengesetz bzw. der Satzung der AG geregelten Zuständigkeitsverteilung für die verschiedenen Gegenstände der Entscheidung, der Aufsichtsrat bzw. die Aktionärsversammlung der abhängigen AG sind, die über die Aufhebung der - andernfalls in Ermangelung eines Einverständnisses gegebenen - Pflichtwidrigkeit entscheiden müssen. Soweit allerdings, etwa aufgrund vertraglicher Vereinbarungen, Zustimmungsbefugnisse des faktisch herrschenden Unternehmens gesellschaftsrechtlich beachtlich sind, schlagen sie auch auf das Innenverhältnis bei § 266 StGB durch und begründen insofern auch eine Dispositionsbefugnis der herrschenden Gesellschaft.

c) Der qualifiziert

faktische AG-Konzern

aa) Struktur Zwischen Vertragskonzern und rein faktischem Konzern steht der sog. qualifiziert faktische Konzern. Von einem solchen Konzern spricht man, wenn es dem abhängigen Unternehmen an Selbständigkeit fehlt, mithin die Beherrschungsdichte 391 Vgl. Seier, in: Achenbach/Wannemacher, 392 Vgl. dazu oben 2. Kapitel C. IV. 1.

§ 21 II.

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so groß geworden ist, dass eine Isolation einzelner Maßnahmen zur Geschäftsleitung, wie sie den einfachen faktischen Konzern kennzeichnet, gar nicht mehr möglich ist. 3 9 3 Da ein einzelnes sog. nachteiliges Rechtsgeschäft kaum noch feststellbar ist, greifen die Vorschriften des § 311 AktG über die Schranken des Einflusses des beherrschenden Unternehmens hier deshalb nicht. Das auf Einzeleingriff, Nachteilsausgleich und Schadensersatzpflicht aufgebaute Haftungssystem der §§ 311, 317 AktG ist hier funktionsunfähig. 394 Gerade im Bereich faktisch qualifizierter Konzerne hat sich das richterliche Konzernrecht weitgehend entwickelt, allerdings ganz überwiegend anhand von Fällen mit einer GmbH als abhängiger Gesellschaft. Im Bereich der konzernierten AG ist hingegen bis heute umstritten, ob ein qualifiziert faktischer AG-Konzern überhaupt zulässig ist bzw. ob er nicht rechtswidrig sei. 395 Die Rechtswidrigkeit wird von Teilen der gesellschaftsrechtlichen Literatur mit dem Argument begründet, dass andernfalls die gesetzlich bestimmte Weisungsfreiheit des Vorstands (§ 76 Abs. 1 AktG) ausgehöhlt würde. Andere wiederum halten einen qualifiziert faktischen AG-Konzern durchaus für zulässig. Der Streit braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn zwischen den beiden Meinungsgruppen herrscht insofern Einigkeit, als - unabhängig von der Frage, ob ein solch qualifiziert faktsicher AGKonzern einen rechtswidrigen Zustand begründet oder nicht - hier analog die vertragskonzernrechtlichen Vorschriften zum Schutz der abhängigen Gesellschafter und der Minderheitsaktionäre gelten müssten: So ist das herrschende Unternehmen einer Haftung analog §§ 302, 303 AktG unterworfen, und zum Schutz außenstehender Aktionäre gelten entsprechend die §§ 304, 305 AktG. 3 9 6

bb) Treunehmer Es gelten sinngemäß die oben zum einfachen faktischen AG-Konzern genannten Grundsätze. Treupflichtig gegenüber dem abhängigen Unternehmen sind naturgemäß dessen Organe, also der Vorstand und der Aufsichtsrat. Darüber hinaus kann auch eine Treupflicht des herrschenden Unternehmens bestehen, sofern dieses faktisch die Geschäftsführung über das beherrschte Unternehmen übernommen hat.

393 K. Schmidt, GesellschaftR, § 31IV 4; Timm, JuS 1999, S. 659. 394 Schmid, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 31 Rn. 113. 395 Vgl. die Darstellung des Streitstands bei Timm, JuS 1999, S. 871. Nach Emmerich/Habersack/ Sonnenschein, § 28 I, sind „qualifiziert faktische Aktienkonzerne sowie entsprechende Abhängigkeitsverhältnisse, soweit ersichtlich, wenig verbreitet". 396 Vgl. Emmerich/Habersack/Sonnenschein, § 28 I I 2.

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

cc) Dispositionsbefugnis Träger der Dispositionsbefugnis bei einer beherrschten AG innerhalb eines faktisch qualifizierten AG-Konzern wären, je nach dem betroffenen Zuständigkeitsbereich, die Hauptversammlung der Aktionäre bzw. der Aufsichtsrat, letzteres auch deshalb, weil sich das beherrschende Unternehmen, anders als beim Vertragskonzern, nicht über die Entscheidungen des Aufsichtsrats hinwegsetzen kann; denn § 308 Abs. 2 AktG findet keine analoge Anwendung auf einfache oder qualifiziert faktische Konzerne. Hinsichtlich des Vermögens des herrschenden Unternehmens kommt es auf dessen Organisation und Rechtsform an, um die Dispositionsbefugnis bestimmen zu können; die jeweils für das unverbundene Unternehmen entwickelten allgemeinen Grundsätze 397 kommen hier im Wesentlichen zur Anwendung.

3. Der GmbH-Konzern Die eben genannte Differenzierung Vertragskonzern - faktischer Konzern qualifiziert faktischer Konzern findet man nicht allein bei der Verbindung von Aktiengesellschaften, sondern auch dann, wenn mehrere Gesellschaften mbH miteinander verbunden sind bzw. solche Unternehmensverbindungen entstehen, in denen in der Rolle der abhängigen Gesellschaften eine GmbH beteiligt ist. 3 9 8 In diesem Bereich erlangen Untreuefälle zunehmend praktische Bedeutung; so hat sich auch die Rechtsprechung bis hin zum BGH mit entsprechenden Konstellationen einer möglicherweise vorliegenden Untreue beschäftigen müssen. Sofern das von der GmbH beherrschte Unternehmen keine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien ist, auf das die Konzernregelungen der §§ 294 ff. AktG unmittelbar Anwendung finden würden, 399 existieren - im Unterschied zum AGKonzern - für den GmbH-Konzern überhaupt keine gesetzlichen Regelungen.400 Dieser Bereich ist ausschließlich durch die richterliche Rechtsfortbildung und ein kaum noch überschaubares Schrifttum geprägt. 401

a) Der GmbH-Vertragskonzern Auch eine GmbH als Untergesellschaft kann einen Beherrschungs- und bzw. oder Gewinnabführungsvertrag mit einem anderen Unternehmen abschließen. Sol397 2. Kapitel B, C. I - IV. 398 Schmid, in: Müller-Gugenberger/Bieneck. 399 Vgl. etwa Ransiek, Fs. Kohlmann, S. 207. 400

§ 31 Rn. 113a.

Zu entspr. Regierungsentwürfen und Reformbemühungen in den 70er Jahren des 20. Jhrdts. vgl. Arth. Kaufmann, S. 128. 401 Vgl. K Schmidt, GesellschaftsR, § 39; Timm, JuS 1999, S. 553.

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che Verträge kommen zwar eher selten vor, da der Geschäftsführer einer GmbH, anders als der Vorstand einer Aktiengesellschaft, den Vorstellungen der Gesellschafter gem. §§37 Abs. 1, 46 Nr. 5, 6 GmbHG zu folgen verpflichtet ist und insofern bereits die Binnenstruktur der GmbH konzernfreundlich ausgestaltet ist. Das herrschende Unternehmen kann somit bereits durch die Stellung als Gesellschafter der GmbH auf diese einen maßgeblichen Einfluss ausüben. Gleichwohl hat der GmbH-Vertragskonzern Bedeutung erlangt, und zwar nicht nur aus steuerrechtlichen Gründen, 402 sondern auch wegen gewisser handelsrechtlicher Vorteile: So kann beim Vertragskonzern das herrschende Unternehmen unmittelbar wirksame Weisungen an den Geschäftsführer der subalternen GmbH richten, ohne zuvor den „Umweg" über einen in einer Gesellschafterversammlung zu treffenden Gesellschafterbeschluss gehen zu müssen.403 Dies schließt sogar das Recht ein, analog § 308 Abs. 1 AktG Weisungen zu erteilen, die nachteilig für die GmbH sind. Aus der rechtlichen und durchsetzbaren Herrschaftsposition der Konzernmutter folgt zugleich ihre Stellung als Treunehmerin gegenüber der abhängigen GmbH. Dementsprechend sind die Organe des herrschenden Unternehmens - bei einer Aktiengesellschaft der Vorstand, bei einer GmbH die Geschäftsführer - in die Pflicht genommen und zur pflichtgemäßen Ausübung ihres Weisungsrechts angehalten. Als dispositionsbefugt über das Vermögen der abhängigen GmbH sind deren Gesellschafter anzusehen. Ist jemand alleingeschäftsführender Gesellschafter (sog. Ein-Mann-GmbH), genügt sein Einverständnis; gibt es hingegen mehrere Anteilseigner, hängt es hinsichtlich der erforderlichen Mehrheitsverhältnisse von den Grundsätzen des GmbH-Rechts bzw. den Bestimmungen in der Satzung ab, ab welcher Stimmenzahl die notwendige Mehrheit für einen Beschluss vorliegt, der die ohne einen solchen Beschluss zu bejahende Pflichtwidrigkeit des Treunehmers beseitigt. 404 Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass nach der h. M. im Gesellschaftsrecht der Abschluss des Gewinnabführungs- und / oder Beherrschungsvertrags einer Änderung des Gesellschaftszwecks und Vermehrung der Leistung an die Gesellschaft entspricht, so dass die § 33 Abs. 1 S. 2 BGB und § 53 Abs. 3 GmbHG analog anzuwenden sind, d. h. der Vertrag der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter bedarf. 405 Für das Strafrecht kann die Entscheidung nicht anders lauten als im Gesellschaftsrecht, da der mit den strengen Mehrheitsverhältnissen intendierte (Minderheiten-)Gesellschafterschutz auch im Rahmen des Untreuetatbestands nicht vernachlässigt werden kann. Das herrschende Unternehmen hat, so-

402

Dazu Emmerich /Habersack/Sonnenschein, 403 Timm, JuS 1999, S. 763.

§ 32 I.

404 Vgl. dazu oben 2. Kapitel C. III. 4. f) bb). 405 Einstimmigkeitsprinzip; vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, Anh § 13 GmbHG Rn. 26 ff.; Emmerich/Habersack/Sonnenschein, § 32 I I 3, beide m. w. N. auch zur Gegenansicht, die eine satzungsändernde 3 /4-Mehrheit genügen lässt.

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

fern es zugleich Gesellschafter des abhängigen Unternehmens ist, dabei allerdings ebenfalls ein Stimmrecht. Es stellt sich indes die Frage, ob die herrschende Konzernmutter bei der Ausübung ihrer Weisungsmacht den Beschränkungen unterworfen ist, die bei einer unverbundenen GmbH nach der (wohl) herrschenden Meinung dem Einverständnis der GmbH-Gesellschafter Grenzen setzen, namentlich, ob die Konzernmutter, ebenso wie die Gesellschafter einer nicht konzernierten GmbH, stammkapitaloder liquiditätsgefahrdenden Maßnahmen der Geschäftsführer wirksam zustimmen (bzw. eine entsprechende Weisung erteilen) können. Dieses Problem soll sogleich im Anschluss im Rahmen des qualifiziert faktischen GmbH-Konzerns erörtert werden, da diese Problematik hier am intensivsten diskutiert wird und auch jüngst höchstrichterlich entschieden wurde. Soweit eine Ausgleichungspflicht des herrschenden Unternehmens besteht, etwa aufgrund eines Gewinnund Verlustabführungsvertrags mit der GmbH, bleibt zudem zu berücksichtigen, dass dieser Anspruch den Schaden entfallen lassen kann, sofern er wirtschaftlich sicher ist. 4 0 6

b) Der „ qualifiziert faktische GmbH-Konzern ": § 266 StGB als Ersatz für fehlendes GmbH-Konzernrecht Die praktisch bedeutsamste Form der Konzernierung im Bereich der Gesellschaften mit beschränkter Haftung bildet hingegen der faktische GmbH-Konzern. 407 Denn allein bereits aufgrund der, wie soeben schon angedeutet, kraft Gesetzes starken Stellung der Gesellschafter, namentlich ihres Weisungsrechts gegenüber dem GmbH-Geschäftsführer, wird die Bildung einer Konzernstruktur mit einer GmbH als Konzerntochter ermöglicht, ohne dass es hierfür zusätzlich eines Beherrschungsvertrags oder einer anderen bestimmten Form eines Gründungsakts 408 bedarf. In diesem Bereich definiert nach h. M. § 266 StGB auch die Mindestanforderungen an das Verhalten im Konzern und stellt damit, wie Tiedemann hervorhebt, in gewisser Weise einen Ersatz für die fehlenden gesetzlichen Regelungen zum GmbH-Konzern dar. 409 Letzteres wird vor allem in dem richtungsweisenden „Bremer Vulkan"-Urteil des 2. Zivilsenats zum einstigen „qualifiziert faktischen GmbH-Konzern" deutlich.

406 Vgl. etwa den BASF/Glasurit-Beispielsfall bei Tiedemann, WirtschaftsstrafR, Rn. 218. 407

So etwa in Form von steuerrechtlich motivierten Betriebsaufspaltungen; vgl. Bittmann /Terstegen, wistra 1995, S. 250. 408 Bittmann/TerStegen, wistra 1995, S. 349. 409 Vgl. Tiedemann, in: Scholz, Vor §§ 82 ff. GmbHG Rn. 22; in ähnliche Richtung Ransiek, Fs. Kohlmann, S. 210.

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aa) Struktur nach dem „Bremer Vulkan"-Urteil Besondere Bedeutung hat hier namentlich der sog. qualifiziert faktische GmbHKonzern erlangt. Strukturell ähnlich wie bei der qualifiziert faktischen AG-Konzernierung stellt sich die Einflußnahme des herrschenden Unternehmens auf die Geschäftsleitung im Rahmen des qualifiziert faktischen GmbH-Konzerns dar. Hierbei ist jedoch in der Rechtsprechung des BGH in Zivilsachen, die durch extreme Schwankungen geprägt war, 4 1 0 jüngst durch das sog. „Bremer Vulkan"-Urteil 4 1 1 ein Wandel in der Rechtsprechung zu konstatieren, der die Rechtsfigur des qualifiziert faktischen Konzerns überhaupt in Frage stellt. Das Urteil des BGH in Strafsachen zum „Bremer Vulkan"-Komplex steht noch aus. In seiner früheren Rechtsprechung ging der BGH von dieser Art eines gesellschaftsrechtlichen Zusammenschlusses aus; dieser war an die Regelungen zum Konzern im Aktiengesetz, namentlich denjenigen zur Haftung der Konzernmutter wegen Verlustausgleichs (§ 302 AktG analog) und zur persönlichen Haftung der gesetzlichen Vertreter (§ 309 Abs. 2 AktG analog), angelehnt. Der BGH stellte hierfür zunächst auf die dauernde und umfassende Ausübung der Leistungsmacht ab. Dieser Konzerntatbestand sei in Anlehnung an §§ 15 ff. AktG zu bestimmen gewesen; er sei beispielsweise zu bejahen, wenn das abhängige Unternehmen wie eine unselbständige Betriebsabteilung behandelt würde, das herrschende Unternehmen die Tagesgeschäfte an sich zieht oder ein sog. „Cash"-Managment betrieben wird. 4 1 2 Allerdings reiche dies noch nicht aus, um eine Ausfallhaftung der herrschenden Konzernmutter in analoger Anwendung der § 303 AktG und § 322 Abs. 2, 3 AktG zu begründen. Welche zusätzlichen Voraussetzungen für diese strenge Gesellschafterhaftung vorliegen müssen, wurde dann von der Rechtsprechung in den letzten beiden Jahrzehnten unterschiedlich beurteilt. Ging man zunächst früher nicht von einer aktienrechtlichen, sondern zivilrechtlichen Haftung nach § 826 BGB aus, 413 schwenkte der BGH auf eine an §§ 303, 322 AktG orientierte Betrachtungsweise um und verlangte neben der eben genannten Leitungsdichte für die Ausfallhaftung des herrschenden Unternehmens zudem, dass dieses nicht dartun kann, ein pflichtgemäß handelnder Geschäftsführer einer selbständigen GmbH hätte die Geschäfte ebenso geführt; 414 später wurde die Haftung der Konzernmutter noch weiter verschärft 415 und in der sog. Video-Entscheidung auch auf die Ein-Mann-GmbH erstreckt, deren geschäftsführender Alleingesellschafter weitere Unternehmen betrieb. 416 Auf die Kritik im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum hin wurde diese gläubigerfreundliche 410 411 412 413 414 415 416

Röhricht, Fs. BGH, S. 83. BGHZ 149,10 (= NJW 2001, 3622). Bspe. von Bittmann/TerStegen, wistra 1995, S. 250, 252. BGHZ 31, 258 ff. (= NJW 1960, 285). BGH NJW 1986,188 ff. Vgl. BGH NJW 1989,1800 ff. BGH NJW 1991, 3142 ff.

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Rechtspraxis zu Gunsten des herrschenden Gesellschafters dahingehend relativiert und an das GmbH-Recht angenähert, dass erst bei einem Missbrauch der Leitungsmacht, der in der schädigenden Überlagerung des Eigeninteresses der Gesellschaft durch die Konzernspitze besteht (sog. Verhaltenshaftung), 417 die Haftungsbeschränkung des § 13 Abs. 2 GmbHG durchbrochen sei und eine (persönliche) Ausfallhaftung der Gesellschafter in Betracht kommen könne. 418 In der „Bremer Vulkan "-Entscheidung vom September 2001 hat sich der B G H 4 1 9 dann, wie die überwiegende Ansicht der Kommentatoren dieses Urteils feststellt, explizit von den Modellen der Gläubigersicherung im Vertragskonzern (§§ 302 ff. AktG) oder des Benachteiligungsausgleichs im faktischen AG-Konzern (§§ 311 ff. AktG) endgültig gelöst und sich von der Rechtsfigur des qualifiziert faktischen GmbH-Konzerns verabschiedet. 420 Im Urteil hat der BGH (im ersten Leitsatz) festgehalten, dass der Schutz einer abhängigen GmbH gegen Eingriffe ihres Alleingesellschafters nicht dem Haftungssystem des Konzernrechts des Aktienrechts (§§ 291 ff., 311 ff. AktG) folge 4 2 1 Dieser sei vielmehr auf die Erhaltung ihres Stammkapitals und die Gewährleistung ihres Bestandsschutzes beschränkt, der eine angemessene Rücksichtnahme auf die Eigenbelange der GmbH erfordere; an einer solchen Rücksichtnahme fehle es, wenn die GmbH infolge der Eingriffe ihres Alleingesellschafters ihren Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen könne. Dann würden die Gesellschafter deliktisch nach § 823 Abs. 2 BGB wegen der von ihnen begangenen Untreue haften. In dieser Betrachtungsweise liegt aber auch die gesellschaftsrechtliche und zugleich strafrechtliche Problematik dieses Urteils: Denn der 2. Zivilsenat musste im Rahmen der Haftungsfrage auf das Strafrecht Bezug nehmen, das aber aufgrund seiner tatbestandlichen Struktur „nach Art eines renvoi bei der Pflichtwidrigkeit" (Schünemann)422 auf das Gesellschaftsrecht zurückweist. Hier droht ein rechtlicher circulus vitiosus zu entstehen. Man kann es aber auch mit den bereits eingangs zitierten Sätzen von Tiedemann so deuten, dass aus der Sicht des BGH der Untreuetatbestand innerhalb des faktischen GmbH-Konzerns die Pflichten, die für das herrschende Unternehmen und seine Organe bestehen, definiert und zugleich strafrechtlich sanktioniert. 423 Das führt, in Abwandlung eines Satzes von Peters, 424 zu einer zivilrechtsgestaltenden Kraft des Strafrechts - die ultima ratio 417 Timm, JuS 1999, S. 659. 418 BGH NJW 1993, 1200 ff. 419 Geprägt durch die Rechtsansicht des Vorsitzenden diese Senats Volker Röhricht; zu dessen gesellschaftsrechtlicher Bewertung des faktischen GmbH-Konzerns vgl. Fs. BGH, S. 107 ff. 420 Vgl. etwa Altmeppen, NJW 2002, S. 321; Goette, DStR 2001, S. 1857; Lampert, JA 2002, S. 355; Luttermann, BB 2001, S. 2433; Ulmer, ZIP 2001, S. 2021; alle m. w. N. 421 Vgl. Ransiek, Fs. Kohlmann, S. 200: Umgestaltung der strafrechtlichen Konzernhaftung von einer „Konzernzustands- oder Strukturhaftung" hin zu einer „Verhaltenshaftung". 422 Schünemann, in: BGH L M § 309 AktG 1965 H. 5/2002. 423 Tiedemann, in: Scholz, Vor §§ 82 ff. GmbHG Rn. 22.

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der Rechtsordnung (das Strafrecht) würde die prima ratio (das Gesellschaftsrecht) definieren. Freilich hat der 2. Zivilsenat das Konzept des Gläubigerschutzes nicht nur auf eine deliktische Haftung der Gesellschafter wegen Untreue gestützt, sondern auch genuin gesellschaftsrechtlich unter dem Aspekt der Durchgriffs- bzw. Ausfallhaftung der Gesellschafter wegen existenzvernichtender Eingriffe in das Gesellschaftsvermögen erweitert und dies in den Entscheidungen zur KBV und zur Ausfallhaftung bestätigt und präzisiert. 425

bb) Das herrschende Unternehmen bzw. seine Organe als faktisch Treupflichtige Das herrschende Unternehmen ist, sofern es zugleich Gesellschafter des faktisch abhängigen Unternehmens ist, nicht bereits aufgrund seiner Stellung als (Allein-) Gesellschafter oder aufgrund einer Weisung als treupflichtig anzusehen.426 Insoweit kann an die Grundsätze, die oben für die Gesellschafter einer unverbundenen GmbH entwickelt wurden, 427 angeknüpft werden. Allerdings kann die faktische Einflussnahme auf die Geschäftsführung der abhängigen GmbH so groß werden, dass das herrschende Unternehmen bzw. dessen Organ die Stellung eines faktischen Geschäftsführers der abhängigen Gesellschaft erlangt und damit vermögensbetreuungspflichtig wird. 4 2 8 Sofern der Treupflichtige dann dominierend in der Sphäre des herrschenden wie beherrschten Unternehmens mitwirkt, muss er, wie der BGH zu Recht betont hat, beiden Pflichtenstellungen gerecht werden. Die Konzernmutter ist dabei zivil- wie gesellschaftsrechtlich zu einem pfleglichen Umgang mit dem Vermögen der Konzerntochter verpflichtet. 429 An diese Betrachtungsweise hat zumindest im Ergebnis der 2. Zivilsenat des BGH im „Bremer Vulkan"-Urteil angeknüpft, in dem eine vom Bremer Vulkan Verbund AG (BVV) abhängige Werft-GmbH dazu veranlasst wurde, einem Liquiditätsverbund des Konzerns beizutreten; so wurden frei verfügbare liquide Mittel der GmbH, die ursprünglich EG-Beihilfen waren, in einen konzerninternen Pool eingebracht, wodurch schließlich bei der GmbH eine Überschuldung von 233 Mio. DM ausgelöst wurde. 430 Dieses Cash-Managment, d. h. die Verwaltung des Liquiditätsverbundes, stellt in der Sache, woraufhin Schünemann zu Recht hinweist, eine 424 Auf Karl Peters geht die Formulierung von der „strafrechtsgestaltenden Kraft des Strafprozeßrechts" zurück. 42 5 Vgl. oben 2. Kapitel C. III. 3. d). 42 6 Ebenso Schünemann, L M § 309 AktG 1965 Nr. 1 H. 5/2002; Tiedemann, in: Scholz, Vor §§ 82 ff. GmbHG Rn. 23; anders Ewald, S. 109. 42 7 2. Kapitel C. III. 4. f) aa). 42 8 Dazu bereits oben 2. Kapitel C. III. 2. a). 429 BGH NJW 1997, 66, 67. 430

Der Konkurs trat wegen einer späteren Ausgliederung der GmbH nicht ein; vgl. BGHZ 149, 18 (= NJW 2001, 3623). 11 Schramm

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Geschäftsbesorgung für das Vermögen der abhängigen GmbH dar. 431 Unklar bleibt allerdings in der Entscheidung, worin der 2. Zivilsenat genau die Tathandlung erblickt hat. Unzutreffend ging übrigens der Zivilsenat davon aus, dass es hier des § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB bedarf, um die Treupflicht des herrschenden Unternehmens auf die Organe überwälzen zu können. 432 Denn die persönliche strafrechtliche Verantwortlichkeit der Organe ergibt sich bereits unmittelbar aus dem tatsächlichen Treueverhältnis (4. Variante der Treubruchsuntreue), das auf der von den Organen tatsächlich übernommenen Leitung der Geschäftsbesorgung beruht. 433

cc) Der Geschäftsführer der abhängigen GmbH Der Geschäftsführer der abhängigen GmbH ist gegenüber der GmbH vermögensbetreuungspflichtig; 434 seine Stellung ist nicht anders zu bewerten als diejenige eines Geschäftsführers bei der selbständigen GmbH. Allerdings sind seine Entscheidungsspielräume im qualifiziert faktischen Konzern infolge der von der Konzern-Mutter übernommenen Leitungsmacht stark eingeschränkt. Sofern er sich bei seiner Geschäftsführung entsprechend den gesetzlichen Vorgaben (§§ 37 Abs. 1, 46 GmbHG) an die Weisungen oder Zustimmungen der Gesellschafter oder bei einer 100%-Firmentochter an diejenigen des Alleingesellschafters hält, kommt er seinen Bindungen aus dem Innen Verhältnis gerade nach und mangelt es folglich an einer Treupflichtverletzung, mag dadurch auch die abhängige GmbH geschädigt werden. 435 dd) Eigeninteresse der GmbH als Dispositionsgrenze? Problematisch sind hingegen die Fallkonstellationen, in denen der Geschäftsführer mit Einverständnis oder auf Weisung der Gesellschafter bzw. als geschäftsführender Alleingesellschafter Handlungen vornimmt, die im Falle einer normalen GmbH nach den Grundsätzen der h. M. trotz des Konsenses mit den Gesellschaftern als vermögensschädigende Treupflichtverletzungen angesehen werden. Gemeint sind damit die oben im Rahmen der GmbH skizzierten Fälle, in denen der Täter das Stammkapital angreift oder konkret gefährdet, die Existenz oder Liquidität der Gesellschaft aufs Spiel setzt, deren Überschuldung herbeiführt oder eine bei ihr bereits bestehende Überschuldung noch vertieft. 436 Nach der herrschenden 431 Schünemann, L M § 309 AktG 1965 Nr. 1 H. 5/2002. 432 BGHZ 149, 18 (= NJW 2001, 3623). 433 Vgl. dazu bereits oben 2. Kapitel C. III 2. a) sowie Schünemann, L M § 309 AktG 1965 Nr. 1 H. 5/2002. 434 Tiedemann, in: Scholz, Vor §§ 82 ff. GmbHG Rn. 25. 435 Tiedemann, in: Scholz, Vor §§ 82 ff. GmbHG Rn. 23, 24. 436 Vgl. dazu oben 2. Kapitel C. II. 4 a, b, und etwa die Zusammenstellung der Entscheidungen bei Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 266 Rn. 21.

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Meinung ist in diesen Konstellationen ein vermögensschädigender Treupflichtverstoß gegeben, der zum Schutz des GmbH-Eigeninteresses auch nicht zur Disposition der Gesellschafter steht. Der BGH hat dies, wiederum in der „Bremer Vulkan"-Entscheidung, auf den faktischen GmbH-Konzern übertragen, wenngleich, soweit ersichtlich, nicht in einer Konstellation des Einverständnisses, so aber in dem vergleichbaren Fall, in dem das abhängige Unternehmen zu Maßnahmen „veranlasst" 437 wird, die zur Existenzgefährdung führen. Bringe, so der BGH im zweiten Leitsatz der Entscheidung, der Alleingesellschafter die von ihm abhängige GmbH dazu, ihre liquiden Mittel in einen von ihm beherrschten konzernierten Liquiditätsverbund einzubringen, treffe ihn die Pflicht, bei Dispositionen über ihr Vermögen auf ihr Eigeninteresse an der Aufrechterhaltung ihrer Fähigkeit, ihren Verbindlichkeiten nachzukommen, angemessene Rücksicht zu nehmen und ihre Existenz nicht zu gefährden. Komme er dieser Verpflichtung nicht nach, könne er sich eines Treubruchs im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB schuldig machen. 438 Dieser Auffassung steht aber entgegen, dass Gläubigerschutz nicht die Aufgabe des § 266 StGB ist und die Gesellschafter als wirtschaftliche Eigentümer der GmbH im untreuestrafrechtlichen Sinne daher frei über das Vermögen der Gesellschaft verfügen dürfen. 439 Entsprechendes gilt entgegen dem BGH auch für die konzerniert faktische Ein-Mann-GmbH: In den Fällen, in denen der Geschäftsführer zugleich alleiniger Gesellschafter der GmbH ist, kommt eine Untreue schon deshalb nicht in Betracht, weil er in diesem Fall zugleich die Dispositionsbefugnis für die GmbH ausübt und damit bereits kraft seiner Stellung inzidenter mit jeder Maßnahme, die er vornimmt, zugleich einverstanden ist. Dies gilt, wie bereits ausgeführt, auch dann, wenn er dadurch die GmbH in eine existenzgefährdende Krise bringt, ihr Stammkapital antastet usw., da solche zum Schutz der Firmengläubiger bestehenden Rechtsgrundsätze mit dem Schutzzweck des § 266 StGB nicht in Einklang zu bringen sind. c) Der einfache faktische GmbH-Konzern Ebenso wie beim qualifiziert faktischen GmbH-Konzern fehlt es beim einfachen faktischen GmbH-Konzern an einer vertraglich ausgestalteten Abhängigkeitsbeziehung zwischen herrschendem Unternehmen und der beherrschten GmbH. Der Unterschied zum qualfiziert-faktischen Konzern besteht darin, dass die Konzernmutter dabei nicht die Leitungsmacht über das andere Unternehmen ausübt, sondern bei diesem lediglich einzelne Eingriffe vornimmt, die voneinander abgrenzbar sind und nicht die Dichte erreichen, die für eine Leitungsstruktur kennzeichnend sind. 440 437

Gemeint ist damit wohl in der Sache: angewiesen wird. 438 BGHZ 149, 10 (= NJW 2001, 3622). Ihm folgend etwa Ransiek, Fs. Kohlmann, S. 207, 217. 439 Vgl. dazu 2. Kapitel C. III. 4. Ii*

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

Nahezu unbestritten ist, dass auf die nicht beherrschungsvertraglich gebundene, lediglich einfach faktisch gebundene GmbH die §§ 311 ff. AktG keine analoge Anwendung finden. Auch kommt eine Ausfallhaftung der Gesellschafter analog § 302 AktG nicht in Betracht. Allerdings besteht eine allgemeine zivilrechtliche Treupflicht der Hauptgesellschafter gegenüber der GmbH, bei deren Verletzung Schadensersatzansprüche der abhängigen GmbH gegen die Konzernmutter in Betracht kommen. Somit bestimmt der Konzerntatbestand nur die Intensität der vom beherrschenden Unternehmen zu beachtenden gesellschaftsrechtlichen Treupflicht; die gesellschaftsrechtlichen Rechtsfolgen sind indes keine anderen als bei der nicht konzernmäßig verbundenen GmbH. 4 4 1 Dies gilt erst recht nach dem „Bremer Vulkane-Urteil, wo vom 2. Zivilsenat des BGH offenkundig für alle abhängigen GmbHs, also auch solche im „einfachen faktischen Konzern", eine analoge Anwendbarkeit des aktienrechtlichen Haftungssystems auf das faktische Konzernverhältnis abgelehnt wurde. Für § 266 StGB ergeben sich daraus folgende Konsequenzen: Dass der Geschäftsführer der beherrschten GmbH dieser gegenüber treupflichtig ist, liegt auf der Hand. Fraglich ist aber, ob dies auch für ihre Gesellschafter gilt, d. h. ob sich die gesellschaftsrechtliche Treupflicht zu einer im Kontext des § 266 StGB strafrechtlichen Treupflicht verdichtet. Hier kann die Entscheidung nicht anders lauten als bei der unverbundenen GmbH, wo eine täterschaftliche Stellung des Gesellschafters in der Regel nicht gegeben ist und nur dann ausnahmsweise in Betracht kommt, wenn er faktischer Mitgeschäftsführer der GmbH ist. Auch hinsichtlich der Dispositionsbefugnis kann nichts anderes gelten als bei der unverbundenen GmbH. Somit sind auch die Gesellschafter der faktisch konzernierten GmbH als dispositionsbefugt über das Gesellschaftsvermögen anzusehen. Die herrschende Meinung muss allerdings von der Verfügungsbefugnis der Gesellschafter einer einfach-faktisch konzernierten GmbH solche Maßnahmen der Geschäftsführung herausnehmen, die das Stammkapital antasten oder sonst eine Existenzgefährdung der GmbH auslösen. Nach der hier vertretenen Ansicht ist jedoch auch in diesen Fällen aufgrund untreuespezifischer Erwägungen ein wirksames Einverständnis möglich, sofern nur die erforderlichen Mehrheitsverhältnisse gewahrt sind. 4. Der Personengesellschaftskonzern Bei einem Konzern aus Personengesellschaften kann es zu unterschiedlichen Formen der Konzernierung kommen. Häufig handelt es sich um verschachtelte GmbH & Co KGs desselben Initiatorenkreises, wie sie bei Publikumskommanditgesellschaften, z. B. in der Baubranche, vorkommen. 442 Spezifische gesetzliche 440 Vgl. Arth. Kaufmann, S. 131 f. 441 Vgl. Arth. Kaufmann, S. 132. 442 Vgl. Schmid, in: Müller-Gugenberger/Bieneck,

§ 31 Rn. 113a.

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Regelungen zum personengesellschaftlichen Konzern findet man im HGB nicht; dieses geht vielmehr bis heute von der unverbundenen Personengesellschaft aus. Insofern war und ist es Aufgabe der Rechtsprechung und Literatur, die auftretenden Fälle und Probleme rechtlich zu bewältigen. Die Rechtsmaterie des Personengesellschaftskonzerns ist in besonderem Maße im Fluss gewesen; inzwischen gibt es jedoch einen gewissen Bestand gesicherter Rechtserkenntnisse hinsichtlich der Rechtsfolgenseite, während die dogmatischen Begründungsansätze höchst unterschiedlich ausfallen. 443 Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf die Fälle, in denen sich eine Personengesellschaft in Abhängigkeit von einer anderen Gesellschaft befindet; denn sofern die Personengesellschaft das herrschende Unternehmen darstellt, das beherrschte Unternehmen hingegen eine Kapitalgesellschaft in Form der AG oder GmbH ist, kann an die Grundsätze angeknüpft werden, die in den obigen Ausführungen zur jeweiligen Rechtsform der beherrschten Kapitalgesellschaft aufgestellt wurden. Auch soll eine Beschränkung auf faktische Personengesellschaftskonzerne erfolgen. Denn ob es angesichts des im Personengesellschaftsrecht vorherrschenden Prinzips der Selbstorganschaft (OHG: §§ 114, 115 HGB; KG: §§161 Abs. 2, 164 HGB) überhaupt einen Personengesellschaftskonzern in Form eines Vfcriragskonzerns geben kann, ist gesellschaftsrechtlich sehr umstritten und höchstrichterlich noch nicht geklärt, 444 weshalb eine strafrechtliche Bewertung auf unsicherer Grundlage stattfinden müsste.

a) Die faktisch konzernierte

Personengesellschaft

Doch ist weitgehend anerkannt, dass es rechtlich zulässige und damit auch normativ zu bewältigende Strukturen der Konzernierung bei Personengesellschaften gibt, die denjenigen eines vertraglichen oder qualifiziert faktischen AG- oder GmbH-Konzerns zumindest ähneln. 445 Kennzeichnend für die konzernierte Personengesellschaft ist die überwiegende Ausrichtung der Geschäftsleitung auf das Interesse des herrschenden Unternehmens. Von Bedeutung ist hierbei zunächst, ob die Gesellschafter einen Konzernierungsbeschluss gefasst haben. Da es sich bei der Konzernierung um eine Änderung des Zwecks der Gesellschaft handelt, müssen ihr grundsätzlich alle Gesellschafter zugestimmt haben. 446 Fehlt es daran, ist die Konzernierung rechtswidrig, was Schadensersatzansprüche auslöst, wenn der herrschende Gesellschafter dem weiterhin fortbestehenden Interesse der Gesellschaft zuwiderhandelt. 447 Liegt hin443 444 445 446 447

Loßmann/Wied, JuS 2000, S. 959; Timm, JuS 1999, S. 966. Vgl. Emmerich/Habersack/Sonnenschein, § 34 III 1. Leßmann/Wied, JuS 2000, S. 962. Emmerich/Habersack/Sonnenschein, § 34 I I 1 a). Leßmann/Wied, JuS 2000, S. 963.

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

gegen ein Konzernierungsbeschluß vor, ist der Maßstab für die Treuwidrigkeit nicht mehr das ursprüngliche Interesse der Gesellschaft, sondern nunmehr das Konzerninteresse. Auch folgt aus dem Konzernierungsbeschluß ein eingeschränktes Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens analog § 308 AktG. 4 4 8

aa) Der Kreis der Treupflichtigen Als vermögensbetreuungspflichtig ist derjenige Gesellschafter anzusehen, der kraft Vertrags, kraft Gesetzes oder nach den Grundsätzen der faktischen Geschäftsführung die Geschäfte für die abhängige Gesellschaft besorgt. 449 Bei einer Kommanditgesellschaft ist dies kraft Gesetzes (§§ 161 Abs. 2, 114 Abs. 2, 164 S. 1, 170 HGB) der Komplementär. Sofern der Komplementär selbst eine juristische Person ist (z. B. eine GmbH bei der GmbH & Co. KG), übernimmt derjenige die strafrechtliche Treupflicht, der Geschäftsführer dieses Unternehmens ist. Bei einer Offenen Handelsgesellschaft kommt grundsätzlich jeder Gesellschafter aufgrund seiner gesetzlich zugewiesenen Kompetenz, die Geschäfte für die OHG zu führen (§ 114 Abs. 1 HGB), auch als Treunehmer in Betracht, sofern nicht durch den Gesellschafts vertrag die Geschäftsführung auf bestimmte Personen beschränkt wurde (§ 114 Abs. 2 HGB). Nicht übersehen werden darf jedoch, dass der geschäftsführende Gesellschafter gegenüber der OHG oder KG mangels ihrer Rechtsfähigkeit nicht treupflichtig sein kann, sondern nur gegenüber deren Gesellschafter. 450 Darüber hinaus können die herrschende Gesellschaft bzw. deren Organe als sog. faktische Organe treupflichtig gegenüber dem abhängigen Unternehmen sein 4 5 1 Sofern der Gesellschafter oder ein faktischer Geschäftsführer demnach strafrechtlich treupflichtig ist, begründet ein Verstoß gegen die Bindungen im Innenverhältnis auch die strafrechtliche Treupflichtwidrigkeit seines Handelns. Ob ein solches Fehlverhalten vorliegt, ist insbesondere auch danach zu bemessen, ob der Geschäftsführer die Interessen der abhängigen Gesellschaft oder die des Konzerns zu verfolgen hat, was davon abhängt, ob ein Konzernierungsbeschluß ergangen ist oder nicht. bb) Dispositionsbefugnis Wegen der gesamthänderischen Bindung des Vermögens bei einer OHG und KG und der entsprechenden gesamtschuldnerischen Haftung der Gesellschafter tritt der Schaden nur hinsichtlich des einzelnen Gesellschafteranteils ein. Dispositions448

Emmerich/Habersack/Sonnenschein, 449 Vgl. dazu bereits 2. Kapitel B. I. 450 Dazu 2. Kapitel B. I. 2, 3.

§ 34 I I 1 b).

451 Zum faktischen Treueverhältnis vgl. 7. Kapitel B. III. 2 und zum faktischen Organ 2. Kapitel C. I. 1. (Verein), III 2 a) (GmbH), VI. 3. b) (faktischer GmbH-Konzern).

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befugt sind demnach, wie bei der unverbundenen Personengesellschaft, 452 die Gesellschafter. Insofern kann jeder Gesellschafter hinsichtlich der jeweils ihn betreffenden Maßnahme sein Einverständnis erteilen, nicht jedoch für den Anteil der anderen Gesellschafter oder „die" OHG, KG oder GmbH & Co KG. Soweit der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter ist, willigt er in der Sache naturgemäß in seinen eigenen Treupflichtverstoß ein, so dass insoweit eine Untreue zu seinem eigenen Nachteil ausgeschlossen ist.

b) Schlicht abhängige Personengesellschaften Handelt es sich hingegen um eine „schlicht" oder „einfach abhängige" Personengesellschaft, 453 deren Leitung nicht durch ein anderes Unternehmen übernommen wird, sondern von diesem lediglich beeinflusst wird, ist die rechtliche Situation im Wesentlichen so wie bei der unverbundenen Personengesellschaft. Entscheidender Maßstab für die Bindungen des Geschäftsführers im Innenverhältnis bleibt das eigene ursprüngliche Gesellschaftsinteresse der beherrschten Gesellschaft. Allerdings sind die Bindungen im Innen Verhältnis strenger als bei der unverbundenen Gesellschaft, 454 insbesondere hinsichtlich des Verbots, jede Form der Schädigung der abhängigen Gesellschaft zu unterlassen, sowie hinsichtlich der Mitspracherechte der anderen Gesellschafter: Soweit der herrschende Gesellschafter selbst bzw. dessen Unternehmen mit der abhängigen Gesellschaft Geschäfte abschließen möchte, besteht hierfür nach h. M. - obwohl an sich kein außergewöhnliches Geschäft i. S. d. § 116 Abs. 2 HGB - ein generelles Zustimmungserfordernis aller Gesellschafter. 455 Hinsichtlich der Treupflicht und Dispositionsbefugnis gelten im Übrigen die allgemeinen Grundsätze für Personenhandelsgesellschaften: 456 Die Personen, die für die Geschäftsführung bei der abhängigen Personengesellschaft zuständig sind oder sie faktisch ausüben, sind treupflichtig. Die Verfügungsmacht über das Vermögen liegt bei den Gesellschaftern, und zwar jeweils bezogen auf ihren jeweiligen individuellen Gesellschaftsanteil.

452 Vgl. daher 2. Kapitel B. I. 453 Zur Terminologie vgl. Emmerich/Habersack/Sonnenschein, JuS 2000, S. 960 f. 454 BGH NJW 1976, 191; Emmerich/Habersack/Sonnenschein, 455 Leßmann/Wied, S. 962. 456 Dazu 2. Kapitel B. I.

§ 34 I; Leßmann/Wied, § 341. 1.

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

D. Juristische Personen des Öffentlichen Rechts Abschließend soll der Blick von den juristischen Personen des Privatrechts auf diejenigen des Öffentlichen Rechts gerichtet werden. Auch sie können als rechtlich verselbständigte Vermögensträger wie die eben behandelten Vereine, GmbHs usw. wegen der tatbestandlich vorausgesetzten „Fremdheit" der zu schützenden Vermögensinteressen zu den Geschädigten einer Untreue zählen und kommen damit auch innerhalb des tatbestandsspezifischen Treueverhältnisses als Treugeber in Betracht.

I. Die Körperschaften des öffentlichen Rechts Zu den juristischen Personen des öffentlichen Rechts zählen zunächst die Körperschaften des öffentlichen Rechts. Bei ihnen handelt es sich um durch staatlichen Hoheitsakt geschaffene, mitgliedschaftlich verfasste, unabhängig vom Wechsel der Mitglieder bestehende und mit hoheitlicher Gewalt ausgestattete Verwaltungsträger, die öffentliche Aufgaben erfüllen. 457 Die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind damit - anders als die Anstalten - verbandsförmig organisiert und somit wesentlich auf der (freiwilligen oder Zwangs-) Mitgliedschaft der ihnen zugehörigen Personen aufgebaut. Die laufende Verwaltung ist einem gewählten Organ übertragen, das wegen der ihm eingeräumten Verwaltungs- und Vertretungskompetenzen in aller Regel als vermögensbetreuungspflichtig anzusehen ist. Die mitgliedschaftliche Verfasstheit der Körperschaft bedeutet vor allem, dass die Mitglieder - in dem gesetzlich vorgegebenen Rahmen - einen (mehr oder minder) großen Einfluss auf die Entscheidungen der Angelegenheiten der Körperschaft ausüben, etwa bei entsprechenden „Mitgliederversammlungen" oder mittels der von ihnen gewählten Vertretern in einem Repräsentationsorgan 4 5 8 Sofern dies wie im Regelfall - das Recht einschließt, auf die Bildung der Organe der Körperschaft und die im Rahmen der Verwaltung zu treffenden (Finanz-) Entscheidungen Einfluss zu nehmen, besitzen sie auch eine Definitionsmacht über das Vermögen der Körperschaft. Dann können sie mithin als Dispositionsbefugte auch eine Zustimmung zu Maßnahmen erklären, die ohne diesen Konsens pflichtwidrig wären, die m. a. W. ein tatbestandsausschließendes Einverständnis darstellt. Ist jedoch die Zustimmung untreuespezifisch selbst treuwidrig (z. B. bei der Billigung eindeutig zweckwidriger oder haushaltsrechtlich unzulässiger Geldausgaben), so kann sie keine unrechtsbeseitigende Wirkung entfalten. Es existiert eine wohl kaum mehr überschaubare Vielzahl von Körperschaften des öffentlichen Rechts. 459 Man denke nur an die Gebietskörperschaften (wie z. B. 457 Vgl. etwa Bull, Rn. 169; Rudolf, in: Erichsen, Allgem. VwR, § 52 Rn. 11. 458 Vgl. Maurer, § 23 Rn. 40. Bsp.: Die Kammerversammlung einer Rechtsanwaltskammer nach §§ 85 ff. BRAO.

D. Juristische Personen des Öffentlichen Rechts

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Gemeinden, Bundesländer oder die Bundesrepublik), die Hochschulen, die Personal- und Vereinskörperschaften (etwa Berufskammern, Handwerksinnungen und -kammern), Realkörperschaften (z. B. die Jagdgenossenschaften), Verbandskörperschaften (z. B. Zweckverbände) oder mit Einschränkungen auch die Kirchen. Sodann können Körperschaften selbst wiederum eine Körperschaft gründen, z. B. verschiedene Landkreise einen Zweckverband. Im Rahmen dieser Untersuchung kann nicht einmal ansatzweise ein Überblick über die verschiedenen Treugeber und Treunehmer, die denkbaren Treupflichtverletzungen und die jeweiligen Träger der Dispositionsbefugnis gegeben werden. Exemplarisch seien jedoch einige Körperschaften herausgegriffen, bei denen zum einen Untreuefälle praktische Bedeutung erlangt haben - sie waren sämtlich Gegenstand von BGH-Entscheidungen , und die zum anderen unter dem besonderen Blickwinkel der Einwilligung erörtert werden sollen. Mit der Frage der Untreue zum Nachteil des Staates (etwa der Bundesrepublik, eines Bundeslandes oder einer anderen Gebietskörperschaft) oder der Kommunen hat sich der BGH immer wieder beschäftigen müssen. So bildet insbesondere die Problematik der Haushaltsuntreue den Gegenstand mehrerer Entscheidungen.460 Die jüngsten Fälle betrafen die Überziehung des Haushalts bei an sich zweckgemäßer Verwendung der Mittel im Kulturbereich durch den Leiter eines staatlichen Theaters 461 und die Auskehr von nicht verbrauchten Haushaltsmitteln entgegen des haushaltsrechtlichen Grundsatzes der sparsamen Verwaltung durch einen Staatssekretär bzw. die Abteilungsleiter eines Gesundheitsministeriums. 462 Daneben treten auch Fälle der zweckwidrigen und damit haushaltsrechtlich unzulässigen Verwendung von Haushaltsmitteln (z. B. die Verwendung von Portomittel für Schulausflüge durch den Schulleiter, 463 die Bildung von schwarzen Kassen zur Finanzierung teurer Gagen von Künstlern durch den Leiter eines Kulturamts 464 bzw. die durch einen Landrat veranlasste pflichtwidrige Verwendung von Haushaltsmitteln eines Bundeslands beim Betrieb eines Aussiedlerwohnheims 465) oder die gleichfalls nach den Regeln der Haushaltsrechts verbotene, zur Vermeidung des Verfalls von Mitteln stattfindende „haushaltstechnische" Verlagerung der Gelder von einen Verwaltungszweig in den anderen (etwa vom Bundesverteidigungsministerium zum Bundesnachrichtendienst). 466 459 Nachfolgende Beispiele aus Maurer, § 23 Rn. 30 ff. 460 Aus dem strafrechtlichen Schrifttum zur Haushaltsuntreue, insbes. zur besonders umstrittenen Frage der Schadensberechnung, vgl. jüngst Münz, S. 164 ff.; Schünemann, StV 2003, S. 463; Wolf, wistra 2003, S. 334. 461 Fall Gönnenwein; BGHSt 43, 293 (Land Baden-Württemberg); zu Recht zustimmend Lackner/Kühl, § 266 Rn. 17 c; Thomas, Fs. Rieß, S. 808. 462 BGH NJW 2001, 2411 (Land Brandenburg). 463 BGH NStZ 1986,455 (Landschaftsverband Rheinland). 464 BGH NStZ 1984, 549 (Stadt). 465 BGH wistra 2002, 300 (Freistaat Thüringen). 466 BGHSt 40, 287, 293 (Bundesrepublik Deutschland).

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

In diesen Fällen der Haushaltsuntreue ist davon auszugehen, dass durch eine vorherige Zustimmung des jeweiligen Haushaltsgesetzgebers als Dispositionsbefugten (bspw. beim Bund der Bundestag mit seiner alleinigen Entscheidungsund Feststellungskompetenz für Haushaltsvorlagen der Bundesregierung 467 gem. Art. 110 Abs. 3 GG, bei den Ländern die Länderparlamente), etwa in Form einer entsprechenden Änderung des Haushaltshaltsplans, oder der Entscheidung eines anderen für Haushaltsentscheidungen rechtlich zuständigen Dispositionsbefugten (etwa die Einwilligung 468 des Bundesfinanzministers bei außerplanmäßigen Ausgaben gem. Art. 112 GG i. V. m. § 27 Abs. 1 BHO; bei den Kommunen der Gemeinderat usw.) die Pflichtwidrigkeit des Handelns beseitigt hätte 4 6 9 Ein weiteres Beispiel für die Schädigung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und der - durch die Treuwidrigkeit seinerzeit begrenzten - Reichweite des Einverständnisses wäre der (ebenfalls vom BGH entschiedene) Fall, der Entscheidungsprozesse in einer Verbandskörperschaft betraf. Der Verbandsvorsteher eines kommunalen Abwasserverbands hatte treupflichtwidrige und vermögensschädigende Zahlungen veranlasst. 470 In concreto ging es um die Bezahlung von Geldstrafen sowie von Gerichts- und Anwaltskosten, die zwei Mitarbeitern des Abwasserverbands wegen der von ihnen im Zusammenhang mit ihrer dienstlichen Tätigkeit verübten Umweltdelikte auferlegt wurden. Die Verbandsversammlung als dispositionsbefugtes Organ hatte vorher ihre Zustimmung zur Bezahlung der Geldstrafen usw. erteilt. Der BGH entschied sich hier - durchaus überzeugend - für eine differenzierte Betrachtungsweise: Hinsichtlich der Bezahlung der Geldstrafen war diese Mittelverwendung eindeutig zweckwidrig und konnte daher auch nicht wirksam genehmigt werden, weshalb, so der BGH, der Zustimmung „keine tatbestands- oder unrechtsausschließende Wirkung" 4 7 1 zukam. Die Bezahlung der Gerichts- und Anwaltskosten, die ebenfalls von einem Beschluß der Verbandsversammlung gedeckt war, wurde hingegen in der Sache vom Gericht nicht beanstandet, da die Übernahme der Kosten für die Rechtsschutzgewährung durchaus im Einklang mit der gesetzlichen Fürsorgepflicht des Verbands für seine Mitarbeiter stehen könne. 472

467 Piduch, Art. 110 GG Rn. 15. 468 Piduch, Art. 112 GG Rn. 10. 469 Zur Frage, ob Fraktionszuschüsse als Haushaltsmittel einzustufen sind, verneinend Lesch, ZRP 2002, S. 161 f.: Vermögensträger sei vielmehr die Fraktion, weshalb den Fraktionsmitgliedern die Dispositionsbefugnis zustehe. 470 BGH NJW 1991, 990. 471 BGH NJW 1991,991. 472 Letztlich hat der BGH diese Frage aber offengelassen, da zumindest der Untreue Vorsatz des Verbandsvorstehers gefehlt habe; vgl. BGH a. a. O. S. 992.

D. Juristische Personen des Öffentlichen Rechts

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II. Die Anstalten des öffentlichen Rechts Die Anstalt des öffentlichen Rechts ist ein nicht verbandsmäßig organisierter Verwaltungsträger zur dauerhaften Verfolgung eines bestimmten Verwaltungszwecks des Anstaltsträgers. 473 Anders als die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind sie nicht von den Mitgliedern getragen, sondern haben nur Benutzer. 474 Bei der Gruppe der Anstalten des öffentlichen Rechts gibt es sowohl nichtrechtsfähige, teilrechtsfähige als auch voll rechtsfähige (und damit juristische) Personen des öffentlichen Rechts. Die vollrechtsfähigen Anstalten stellen sich dabei als eine Form der mittelbaren Staatsverwaltung dar, die als rechtlich selbständige Einheit mit Satzungsgewalt ausgestattet sind. Allerdings sind sie nicht mitgliedschaftlich organisiert, d. h. ihre Funktion wird durch einen sog. Anstaltszweck definiert, der i. d. R. gesetzlich vorgegeben ist. Man denke etwa an die frühere Bundesanstalt für Arbeit, 475 die kommunalen Sparkassen, 476 die Rundfunkanstalten oder die Filmförderungsanstalt. 477 Exemplarisch seien die deutschen Studentenwerke herausgegriffen, die kraft der jeweiligen Ländergesetze (vgl. etwa § 1 Abs. 1 StWG Bad.-Württ.) 478 sämtlich vollrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts sind. Sie nehmen die Aufgabe der sozialen Betreuung und Förderung der Studierenden wahr, führen die Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz durch, errichten und bewirtschaften die Verpflegungseinrichtungen, bauen und verwalten Studentenwohnheime und stellen Beratungsdienste zur Verfügung usw. 479 Die wegen ihrer Entscheidungsmacht in aller Regel als vermögensbetreuungspflichtig einzustufenden Organe einer Anstalt des öffentlichen Rechts werden gemeinhin als Verwaltungsrat oder Vorstand bezeichnet; vielfach gibt es sodann einen führenden Kopf, etwa den Geschäftsführer der Anstalt, der als Vollzugsorgan in qualifizierter Weise die Vermögensinteressen der Anstalt zu wahren hat und mit Vertretungsmacht ausgestattet ist, 4 8 0 weshalb er zum Täterkreis sowohl einer Missbrauchs wie Treubruchsuntreue gehören kann. Soweit es sich um eine Gremienentscheidung handelt, wie vielfach z. B. bei der Kreditvergabe durch Sparkassen, kommen freilich, je nach der internen Aufgabenverteilung, unterschiedliche Verantwortlichkeiten der Beteiligten in Frage. 481 473 474

So an Otto Mayer anknüpfend Maurer, § 23 Rn. 46. Rudolf, in: Erichsen, Allg. VwR, § 52 Rn. 15.

475 Sie heißt neuerdings Bundesagentur für Arbeit und zählt nunmehr zu den Körperschaften des öffentlichen Rechts.mit Selbstverwaltung; vgl. § 367 SGB I (BGBl. 2003 I S. 2876). 476 Zu jüngsten Bestrebungen, die Sparkassen zu privatisieren und aus ihrer öffentlichrechtlichen Rechtsform zu entlassen, vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 28. 08. 2002, S. 11. 477 Bspe. von Maurer, § 23 Rn. 48. 4 ™ Studentenwerksgesetz (StWG) v. 19. 7. 1999 (GBl. S. 299). 47 9 Vgl. § 2 StWG Bad.-Württ. 480 Vgl. etwa § 5 III 1 StWG Bad.-Württ.

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

Die Anstalten des öffentlichen Rechts sind in aller Regel organisatorisch zum einen durch den die Anstalt errichtenden Verwaltungsträger, den sog. Anstaltsträger, 482 und andererseits durch bestimmte Gremien geprägt, denen unterschiedliche Funktionen zukommen. Es hängt von deren gesetzlich und in der Anstaltssatzung zugewiesenen Kompetenzen ab, inwiefern sie bei vermögensrelevanten Entscheidungen der Anstaltsleitung ein Kontroll-, Zustimmungs- oder Mitspracherecht besitzen und insofern als dispositionsbefugt über das Vermögen der Anstalt anzusehen sind. So hat der Anstaltsträger etwa häufig nicht nur die Rechtsaufsicht über die Anstalt, sondern auch weitergehende Einwirkungsrechte wie z. B. Weisungsbefugnisse und Genehmigungsvorbehalte.483 Bei den eben genannten Studentenwerken in Baden-Württemberg ist es der Verwaltungsrat, der sehr weitreichende Aufsichts- und Mitspracherechte besitzt, z. B. über die Verwendung des Jahresabschlusses entscheidet und dessen Zustimmung vom Geschäftsführer bei außergewöhnlichen Geschäften (z. B. Übernahme von Bürgschaften, Gewähren von Krediten usw.) 484 eingeholt werden muss. Über die Satzung entscheidet freilich eine sog. Vertreterversammlung; 485 soweit diese also durch eine entsprechende Satzungsregelung die Pflichtwidrigkeit der Handlung des Geschäftsführers beseitigen könnte, ist diese als dispositionsbefugt anzusehen. Die Benutzer einer Anstalt, welche die Anstaltsleistungen in Anspruch nehmen (z. B. der Fernsehzuschauer einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt), haben jedoch in aller Regel keine auf das Vermögen der Anstalt bezogene Mitspracheoder Mitbestimmungsrechte. 486 Sie besitzen damit auch keine (und sei es eine nur eingeschränkte) Dispositionsbefugnis.

III. Die Stiftungen des öffentlichen Rechts 1. Begriff und Stiftungsverfassung Schließlich sei auf die dritte Gruppe der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die sog. Stiftungen des öffentlichen Rechts, eingegangen. Eine Stiftung des öffentlichen Rechts ist ein öffentlich-rechtlicher, mit Rechtsfähigkeit ausgestatteter Vermögensbestand, der vom Stifter einem bestimmten (Stiftungs-)Zweck gewidmet worden ist. Die Errichtung und die Rechtsverhältnisse einer öffentlich-rechtlichen Stiftung richten sich - sofern nicht im Einzelfall eine bundesunmittelbare Stiftung des öffentlichen Rechts durch ein spezielles Bundesgesetz geschaffen 481 BGHSt 46, 30, 35; BGHSt 47, 148, 156. 482 So sind die Sparkassen „Töchter" der Städte und Kreise, in denen sie ihren Sitz haben; vgl. Bull, Rn. 170. 483 Vgl. Maurer, § 23 Rn. 51. 484 §6 Abs. 1, 2 StWG. 485 § 8 Abs. 1 StWG. 486 Vgl. Maurer, § 23 Rn. 55.

D. Juristische Personen des Öffentlichen Rechts

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wird 4 8 7 - nach dem Landesrecht. So bestimmt § 17 Abs. 2 StiftungsG Bad.Württ. 4 8 8 dass eine Stiftung des öffentlichen Rechts nur für Zwecke errichtet werden kann, die der Erfüllung öffentlicher Aufgaben von besonderem Interesse dienen; in Baden-Württemberg wären dies beispielhaft das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg und auf der Bundesebene die Alexander-von-Humboldt-Stiftung in Bonn-Bad Godesberg oder die Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" in Berlin. 489 Darin zeigt sich - neben der öffentlich-rechtlichen Struktur der Organisation, namentlich der Fähigkeit zur Ausübung hoheitlicher Gewalt, und der Art der Errichtung durch einen staatlichen Hoheitsakt als Stiftungsakt - ein weiterer Unterschied zu den Stiftungen des bürgerlichen Rechts, mit denen nicht nur öffentliche, sondern auch rein private Interessen verfolgt werden können (z. B. in einer ausschließlich privatnützigen Familienstiftung). 490 Hinsichtlich der organisatorischen Struktur unterscheiden sich die Stiftungen des öffentlichen Rechts, obschon Teil der mittelbaren Staatsverwaltung, 491 freilich nicht wesentlich von denjenigen des Privatrechts. So bestimmt etwa das badenwürttembergische Stiftungsrecht (§19 StiftungsG Bad-Württ.), dass auch für die Stiftungen des Öffentlichen Rechts bezüglich des Stiftungsgeschäfts, der Stiftungssatzung, der Stiftungsverwaltung und des Stiftungsvermögens die für die Stiftungen des Bürgerlichen Rechts geltenden Vorschriften anwendbar sind. So handelt auch eine öffentlich-rechtliche Stiftung mittels eines Organs, das die Stiftung gerichtlich und außergerichtlich vertritt und das gemeinhin ebenfalls als Vorstand bezeichnet wird. Daneben können weitere Gremien, die den Vorstand beraten bzw. kontrollieren, geschaffen werden. 492 So hat etwa die Stiftung Weimarer Klassik 493 einen Vorstand, der aus dem Präsidenten und den Verwaltungsdirektor besteht; der Präsident vertritt die Stiftung gerichtlich und außergerichtlich; daneben gibt es einen Stiftungsrat, dem eine Überwachungs-, Beratungs- und Entscheidungsfunktion zukommt, und ein Direktorium.

2. Möglichkeiten des Einverständnisses Wegen der Vergleichbarkeit der organisationsrechtlichen Verfassung und der rechtlichen Ausgestaltung des Innenverhältnisses kann für Fragen der Treupflicht 487

Vgl. die Zusammenstellung bei v. Campenhausen, in: Seifart/v. Rn. 7. 488 v. 4. 10. 1977, GBl. Bad.- Württ. S. 408. 4 89 Vgl. Maurer, § 23 Rn. 52.

Campenhausen, § 15

490

Zum Stiftungsbegriff und den Erscheinungsformen der Stiftung vgl. auch Rawert, in: Hopt/Reuter, S. 109 ff. 49 1 Vgl. v. Campenhausen, in: Seifart/v. Campenhausen, § 15 Rn. 2. 492

Vgl. v. Campenhausen, in: Seifart/v. Campenhausen, § 19 Rn. 3. Zu den Einzelheiten vgl. das Thüringer Gesetz über die Errichtung der Stiftung Weimarer Klassik v. 8. Juli 1994, GVB1. S. 801. 493

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2. Kap.: Der Träger der Dispositionsbefugnis

und des Einverständnisses sinngemäß an die oben für die Stiftung des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze 494 angeknüpft werden. Das bedeutet unter anderem, dass bezogen auf Maßnahmen des Vorstands mangels mitgliedschaftlicher Struktur der Stiftung 495 nur die Kontroll- und Beratungsgremien im Rahmen der ihnen zugewiesenen Mitsprachekompetenz ihr Einverständnis geben können. Wegen der strengen Bindung öffentlich-rechtlicher Stiftungen an die Bundeshaushaltsordnung bzw. die landesrechtlichen Haushaltsgrundsätzegesetze 4 9 6 und der Pflicht zur Verwirklichung von Weiten der Allgemeinheit, so in Baden-Württemberg an die „Erfüllung öffentlicher Aufgaben von besonderem Interesse", dürften die Spielräume für ein Einverständnis allerdings wesentlich enger sein als bei privaten Stiftungen (etwa hinsichtlich des zulässigen Repräsentationsaufwands, der für die Stiftung betrieben werden darf). Die Stifter oder Nutznießer der Stiftung (die sog. Destinatäre) sind hingegen in aller Regel weder treupflichtig noch dispositionsbefugt.

494 Vgl. oben 2. Kapitel C. II. 495 Vgl. v. Campenhausen, in: Seifart/v. 496 Vgl. v. Campenhausen, in: Seifart/v.

Campenhausen, § 16 Rn. 10. Campenhausen, § 20 Rn. 3.

3. Kapitel

Kundgabe, Form, Verfahren

Von großer Virulenz für das auf den Untreuetatbestand bezogene Einverständnis sind auch weitere Grundsatzfragen der Einwilligung. Geklärt werden soll im Folgenden, ob das Einverständnis des Treugebers erst dann Wirksamkeit entfaltet, wenn es dem Treunehmer zugegangen ist oder ob die bloße Kundgabe, womöglich sogar nur die lediglich innere Zustimmung genügt. Sodann bedarf der Klärung, inwiefern Form- und Verfahrensvorschriften, die im konkreten außerstrafrechtlichen Regelungszusammenhang für die Zustimmung zur fraglichen Maßnahme vorgesehen sind, im Falle ihrer Nichtbeachtung auch die Wirksamkeit der Einwilligung entfallen lassen können.

A. Kundgabe I. Der Theorienstreit bei der Einwilligung Der erste Komplex, der im Folgenden behandelt werden soll, betrifft die gebotene Dimension der Zustimmungsartikulation. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts herrschte hier bezüglich der rechtfertigenden Einwilligung ein Streit zwischen zwei grundsätzlichen Positionen, die als „Rechtsgeschäftstheorie" bzw. „Willenser/:/ärHHgstheorie" einerseits und „Rechtshandlungstheorie" bzw. „Willensnc&tangstheorie" andererseits bezeichnet wurden. Dabei handelte es sich um Modelle, die den Anspruch erhoben, das Wesen der Einwilligung an sich zu beschreiben, und auf dieser Grundlage zugleich die Antworten auf Einzelfragen, so insbesondere auch auf diejenige nach den Erfordernissen hinsichtlich der Zustimmungserklärung, geben wollten. Nach der im Wesentlichen von Zitelmann begründeten Rechtsgeschäftstheorie bedeutet eine Straftat einen Eingriff in ein subjektives Recht. Die Einwilligung, mittels derer dem Täter die Verfügung über dieses subjektives Recht des Opfers gestattet wird, müsse sich demnach an den Regeln ausrichten, die Rechtsordnung auch sonst für solche Handlungen vorsehe, namentlich an denjenigen, die das Bürgerliche Gesetzbuch für Verfügungen über subjektive Rechte kenne: da diese sich nach rechtsgeschäftlichen Grundsätzen bemessen würden, könne im Strafrecht nichts anderes gelten. Mithin seien die Prinzipien der §§182 ff. BGB anwendbar

176

3. Kap.: Kundgabe, Form, Verfahren

und damit auch die Regeln über die Willenserklärung (§§ 119 ff. BGB). Dies bedeutet: Eine Einwilligung setzt die Kundgabe des rechtlich Gewollten nach außen und in aller Regel auch eine Kenntnisnahme durch den Adressaten der Erklärung voraus, wie auch eine Willenserklärung für ihre Wirksamkeit in aller Regel den Zugang beim anderen (gem. §§ 130 ff. BGB) erfordert. 1 Gegen ein solches Verständnis ist jedoch einzuwenden, dass bei den Regeln zur Wirksamkeit von Rechtsgeschäften andere Interessen und Zielsetzungen im Vordergrund stehen als bei der strafrechtlichen Einwilligung (bzw. dem Einverständnis): Während es bei den Vorschriften über die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften um die Bindungswirkung einer Willenserklärung im Rechtsverkehr, d. h. im Verhältnis von Vertragspartnern geht (mit all ihren zivilprozessualen Implikationen wie z. B. ggf. zwangsweiser Durchsetzung des erworbenen Rechts), steht bei der strafrechtlichen Bewertung der Einwilligung (negativ formuliert) der Gedanke des strafrechtlichen Rechtsschutzverzichtes bzw. (positiv formuliert) die Gewährleistung grundrechtlich garantierter Handlungsfreiheit und Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG) 2 bzw. des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) 3 im Vordergrund. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Dispositionen über Vermögenswerte, die von vorneherein nicht nach den Maßstäben des Zivilrechts beurteilt werden können, sondern eigenen Gesetzmäßigkeiten unterliegen, z. B. im Bereich der Verwaltung öffentlichen Vermögens. Auch kann man den Kontext unterschiedlicher Normarten hervorheben und in einer Einwilligung regulativ den bloßen Verzicht auf Schutznormen sehen, während sich Willenserklärungen auf konstitutive Normen zur Teilnahme am Rechtsverkehr erstrecken. 4 Allerdings kann selbstverständlich in einem zivilrechtlichen Vertrag zugleich eine Einwilligung, auch und gerade für den Bereich des § 266 StGB - in Form eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses - enthalten sein. Wird beispielsweise der zwischen den Gesellschaftern einer GmbH und dem Geschäftsführer geschlossener Arbeitsvertrag dergestalt geändert, dass dem Geschäftsführer mehr Zugriffsmöglichkeiten auf das GmbH-Vermögen eröffnet werden (z. B. er auch riskante Spekulationsgeschäfte vornehmen darf), so ist mit diesem Änderungsvertrag zugleich eine Zustimmungserklärung verbunden, die als Einverständnis den Tatbestand des § 266 StGB bei Vornahme solcher Dispositionen ausschließt. Allerdings würde sich in diesem Falle die Frage stellen, ob begrifflich überhaupt noch von einem einzelfallbezogenen Einverständnis die Rede sein kann und man statt dessen nicht besser von einem sogar grundlegend veränderten Innenverhältnis sprechen sollte. Zumindest haben solchen Verträge wie z. B. Arbeitsverträge, Werkverträge, Geschäftsbesorgungsverhältnisse ganz andere Vöraussetzun1 Zitelmann, AcP 99 (1906), S. 1, 56 ff.; ebenso Frank, StGB, 11. - 14 Auflage, 1914, vor § 51 S. 111,113; ab der 15. Auflage (1924, S. 133) gab Frank diese Position aber auf. 2 Vgl. Amelung, ZStW 104 (1992), S. 547; Roxin AT I § 13 Rn. 42. 3 4

Zur grundrechtlichen Verankerung der Einwilligung vgl. 7. Kapitel B. I. So Amelung, Irrtum und Täuschung, S. 14 ff.; Rönnau, Willensmängel, S. 178.

A. Kundgabe

177

gen und auch erheblich weitergehende rechtliche Dimensionen, als sie sich aus einem Einverständnis ergeben würde. 5 Die Gegenposition wird von der sog. Willensrichtungstheorie vertreten, nach der es nur auf die innere Zustimmung zu der fraglichen Maßnahme ankommen soll. Allein maßgeblich sei die Entscheidung des Betroffenen für den Rechtsgutsverzicht, mithin „der rein seelische Vorgang", der nicht nach außen hin kundgetan zu werden braucht.6 Zwischen diesen beiden Extrempositionen steht die (heute herrschende) vermittelnde Theorie, 7 die insofern Ähnlichkeiten mit der Rechtsgeschäftstheorie aufweist, als nach ihr die rein innere Billigung nicht ausreicht und sie ebenfalls eine (zumindest konkludente) Kundgabe der Erklärung nach außen verlang. Im Unterschied zu dieser wiederum und in Übereinstimmung mit der Willensrichtungstheorie muss diese Erklärung aber nicht den Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Willenserklärung genügen und ist sie bereits dann kundgetan, wenn nicht der Betroffene, sondern ein x-beliebiger Dritter von der Zustimmung Kenntnis erlangt hat.8

II. Die Lösungsansätze bei § 266 StGB 1. Tatbestandsbezogene Betrachtungsweise Für die Entscheidung im Rahmen des § 266 StGB ist zunächst daran zu erinnern, dass diese - wie auch sonst bei einem tatbestandsausschließenden Einverständnis - nur tatbestandsbezogen ausfallen kann. Insofern ist am Axiom der herrschenden Meinung festzuhalten, dass die Voraussetzungen des Einverständnisses nicht absolut, sondern nur relativ; eben nach der Unrechtsnatur des jeweilig tatbestandlich vertypten Unrechts, bestimmt werden können.9 „Jede schematische Lösung", die Voraussetzungen des Einverständnisses einheitlich für jede Vorschrift nach den gleichen Regeln bestimmen zu wollen, hat sich inzwischen „als unangemessen erwiesen" (Stratenwerth / Kuhlen). 10 Demnach ist auch die Ansicht, die für jedes Einverständnis - unabhängig davon, um welchen Tatbestand es sich handelt 5 Roxin, AT I, § 13 Rn. 42. 6 So etwa Mezger, S. 208; Joecks, Vor § 32 Rn. 21; ähnlich Jakobs, der grundsätzlich der Willensrichtungstheorie folgt (AT 7 /115), andererseits aber die soziale Relevanz eines innerlichen Willen ohne jede Objektivierung bezweifelt (AT 7/110 Fn. 162) und zumindest bei Mentalreservation und Erklärungsirrtum die Regeln über Willenserklärungen anwenden will (7/110). 7 Diese vermittelnde Theorie wird auch als „eingeschränkte Willenserklärungstheorie" (so LK-Hirsch, Vor § 32 Rn. 109) bezeichnet. 8 So etwa Jescheck/Weigend, AT, § 34 IV 2; Roxin, AT I, § 13 Rn. 44. 9 Ebenso z. B. Jakobs, AT, 7/104; Jescheck/Weigend, AT, § 34 I. 2. a); Kühl, AT, § 9 Rn. 44 Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 32; wohl auch Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rn. 760 durch den Verweis auf Wessels/Beulke, AT, Rn. 371, 378. 10 Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 9 Rn. 11.

12 Schramm

178

3. Kap.: Kundgabe, Form, Verfahren

- die bloße innere Faktizität der Zustimmung genügen lassen will, 1 1 zu grobkörnig und wird vielmals den Besonderheiten des im Tatbestand enthaltenen Unrechts nicht hinreichend Rechnung tragen. Dies zeigt sich gerade bei der Untreue.

2. Normativer Bezugspunkt des Einverständnisses Im Unterschied beispielsweise zu § 123 StGB oder § 242 StGB, wo der vom Täter zu verwirklichende Unwert gerade in der Verletzung einer Faktizität, nämlich dem entgegenstehenden, „nackten" Willen, besteht und alles dafür spricht, folgerichtig für den Tatbestandsausschluss auch auf das bloße Vorliegen der inneren Tatsache, der rein innerpsychischen Zustimmung, abzustellen, steht im Mittelpunkt des Unrechts bei § 266 StGB die Verletzung von Pflichten mit Vermögensbezug. Soweit es sich dabei um eine rechtsgeschäftlich begründete Vermögensbetreuungspflicht handelt, die auch den rechtsgeschäftlichen Umgang des Treunehmers mit dem zu betreuenden Vermögen betrifft, würde sich das Strafrecht - in einen kaum auflösbaren Widerspruch - von den zivilrechtlichen Entscheidungen über die Disponibilität von Vermögenswerten äußerst weit entfernen, wenn es denn gar nicht auf eine wie immer geartete Artikulation des Treugeberwillens abstellen würde. Autonomie im rechtsgeschäftlichen Bereich manifestiert sich in unserer Rechtsordnung eben nicht ohne die Manifestation eines entsprechenden Willens. Dabei muss nicht nur bei Treupflichten, die auf Rechtsgeschäften beruhen oder diese zum Gegenstand haben, sondern auch bei den übrigen Formen der Treueverhältnisse der gleiche Maßstab gelten: Es handelt sich beim Einverständnis stets um eine Entscheidung, die sich auf die - je nachdem zivilrechtliche oder öffentlichrechtliche - Pflichtenstellung des Täters (mit tatbestandlichen ,,Eingriffs"rechten) und die Befugnisse des Opfers auswirkt, mithin zentral einen normativen Charakter trägt. Anders als beispielsweise bei § 242 StGB oder § 123 StGB erschöpft sich der strafrechtliche Unwertgehalt nicht allein in dem Verstoß gegen eine strafrechtliche Pflicht (z. B. Du sollst nicht stehlen bzw. den Hausfrieden brechen). Vielmehr liegt die missbilligte Handlung in einem Verstoß gegen eine strafrechtliche Pflicht begründet, die dualistisch zugleich eine andere Pflichtenbindung in sich aufgenommen hat: Der Tatbestand gibt vor, dass gegen das tatbestandliche Gebot bzw. Verbot erst dann verstoßen werden kann, wenn zugleich ein zivil- bzw. öffentlichrechtliches Handlungsverbot (bzw. Unterlassungsgebot) verletzt wird: Du sollst nicht Deine Pflichten aus dem Innen Verhältnis verletzen! Das Einverständnis bei § 266 StGB muss deshalb dem „Minimum" genügen, das die Rechtsordnung auch sonst als Wirksamkeitsvoraussetzung für rechts- und pflichtengestaltende Entscheidungen verlangt: 12 ein In-Erscheinung-treten der Entscheidung nach außen in 11 So etwa Geerds, z. B. in ZStW 72 (1960), S. 42,45; Wessels/Beulke, AT, Rn. 366. 12 So werden bspw. im Verfassungs- und Verwaltungsrecht Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsakte erlassen (und nicht einfach nur gedanklich ersonnen), und im Zivilrecht, wie bereits oben erwähnt, etwa der rechtsgeschäftliche Wille erklärt.

A. Kundgabe

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Form der KundgabeP Bei mehreren Verfügungsberechtigten hinsichtlich des betroffenen Vermögens ist eine entsprechende Äußerung aller Dispositionsbefugter erforderlich. 14 3. Informationsquelle und Rechtssicherheit Dies geschieht auch deshalb, damit der Normadressat weiß, woran er ist und was er rechtlich zu tun und zu unterlassen hat. Die Einwilligungserklärung ist generell, wie Amelung im Anschluss an die Sprechakttheorie von Searle sowie an Phillips entwickelt hat, 15 auch ein Informationsmittel, das seine Funktion ohne eine Kundgabe nach außen einbüßen würde. Die Willenskundgabe ist „die einzige sichere Informationsquelle, die - gegebenenfalls durch Nachfragen - genutzt werden muss, um das Risiko einer Willensverfehlung zu minimieren" (Amelung). 16 Zieht man diesen Blickwinkel der Willensverfehlung heran, so mag sich ein Täter, der leichtfertig von den Voraussetzungen eines Einverständnisses ausgeht, ohne dass es dafür einen äußeren Anlass in Form einer Kundgabe gibt, möglicherweise eher veranlasst sehen, in die Vermögenssphäre des Opfers schädigend einzugreifen. Daher wären auch die kriminalpolitischen Konsequenzen eines Verzichts auf die Kundgabe für den Irrtumsbereich erheblich: Es würde der Bedeutung der Interessen, die bei § 266 StGB auf dem Spiel stehen können - u. U. der Zugriffsmöglichkeit des Täters auf das gesamte Vermögen, das jemand besitzt - , nicht gerecht werden, wenn bereits ein Irrtum, der an die bloß innere Faktizität einer Zustimmung anknüpfen würde, zum Wegfall des subjektiven Tatbestandes und damit zur völligen Straflosigkeit des Täters führen würde: 17 die Möglichkeit einer strafrechtliche Fahrlässigkeitshaftung des irrenden Täters nach § 16 Abs. 1 S. 2 StGB ist wegen der Straflosigkeit fahrlässiger Untreue nicht möglich. Insofern gebietet entgegen Waßmer 18 auch der Opferschutz für den Bezugspunkt des Tätervorsatzes einen nach außen getretenen Kundgabeakt. Umgekehrt erscheint es auch aus der Sicht des potentiellen Täters, des Treunehmers, unbefriedigend, ihm lediglich die Berufung auf das Fehlen des Vorsatzes zu 13 Explizit für eine Kundgabe des Einverständnisses bei § 266 z. B. Lenckner, in: Schänke/ Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 32; LK-Hirsch, Rn. 102 vor § 32; wohl auch Weber, in: Arzt/Weber, BT, § 22 Rn. 70; ausdrücklich dagegen Waßmer, S. 43. 14 Vgl. Sternberg/Lieben, S. 87 ff. 15

Amelung, Irrtum und Täuschung, S. 14. Amelung, Irrtum und Täuschung, S. 44; ihm folgend Rönnau, Willensmängel, S. 178. Inwiefern allerdings entgegen Amelung und Rönnau nicht auch ein strafrechtliche Einverständnis in gewisser Weise Planungsgrundlage für Rechtsfolgen sein kann, braucht hier nicht behandelt zu werden. Zur Widerruflichkeit des Einverständnisses vgl. 4. Kapitel C. 17 Ähnlich die Argumentation von Roxin im Zusammenhang mit dem Einverständnis bei § 177 StGB: „ . . . haltlosen Tatbestandsirrtümern des Täters" wäre „ein viel zu weites Feld eröffnet" (•ders., AT I, § 13 Rn. 48). 16

18 Waßmer, S. 43. 12*

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3. Kap.: Kundgabe, Form, Verfahren

ermöglichen, wenn der Treugeber innerlich seine Zustimmung zu der fraglichen Maßnahme widerrufen hat, ohne dies nach außen hin kundgetan zu haben. Richtigerweise fehlt es dann bereits an der Verwirklichung des objektiven Tatbestands, wenn das Opfer zwar der fraglichen Maßnahme innerlich widersprochen hatte, es aber keinerlei objektive Anhaltspunkte für einen entgegenstehenden Willen des Treugebers gab. Darüber hinaus wird vielfach, z. B. von Roxin, vorgebracht, dass auch aus Gründen der Rechtssicherheit, namentlich der Feststellbarkeit und Beweisbarkeit der Einwilligung, 19 auf einen Kundgabeakt nicht verzichtet werden könne. Dieses Argument will freilich zumindest im Hinblick auf das Strafverfahren nicht gänzlich einleuchten, sind doch strafprozessuale Beweisprobleme beim Nachweis innerpsychischer Sachverhalte, so z. B. beim Vorsatz oder im Rahmen des § 263 StGB beim Vortäuschen innerer Tatsachen, durchaus geläufige Phänomene, die aber nicht zur Abschaffung dieser Institute bzw. Tatbestandsmerkmale im materiellen Recht geführt haben. Daher erscheint es, wie etwa Göbel und Waßmer (als Anhänger der Willensrichtungstheorie) insofern zu Recht betonen, als nicht unproblematisch, eine grundsätzliche strafrechtsdogmatische, d. h. materiell-rechtliche Rechtsfrage von der Beweisbarkeit abhängig zu machen, wenn in der Sache vergleichbare andere materielle Rechtsfragen nicht an diesem formellrechtlichen Maßstab gemessen werden. 20 Dies ändert aber nichts daran, dass auch dieser (wenngleich nicht zwingende) Aspekt bei § 266 StGB für die Kundgabe des Einverständnisses und damit die sinngemäße Anwendung der für die rechtfertigende Einwilligung entwickelte) vermittelnde (modifiziert-abgeschwächte) Willenserklärungstheorie sprechen kann.

4. Der Erklärungsadressat Allerdings bedarf es nicht der Erklärung der Zustimmung gegenüber dem Treunehmer. Es reicht aus, wenn irgendjemand von dieser Zustimmung Kenntnis erlangt und sich insofern der Entschluss des Täters objektiv manifestiert hat. 21 Wenn beispielsweise ein Bankkunde gegenüber einem Mitarbeiter des Instituts signalisiert, er finde es nach dem Motto „wer nichts wagt, der nichts gewinnt" richtig, dass der für ihn zuständige Anlageberater riskante Spekulationsgeschäfte mit seinem Geld vornehme, so genügt dies für den Ausschluss des objektiven Tatbestandes. Sofern der Treunehmer nichts vom Einverständnis des Treugebers weiß, wäre dies an sich ein Fall des Versuchs: Der Handlungsunwert ist gegeben, der Erfolgsunwert erschöpft sich nur im Ansetzen zu einer Pflichtverletzung. Jedoch ist der 19 Vgl. Roxin, AT I, § 13 Rn. 44: „ein nicht hervortretender Gedanke i s t . . . mangels Feststellbarkeit nicht zur Anknüpfung von Rechtsfolgen geeignet". 20 Göbel, S. 135-137; Waßmer, S. 43; gegen dieses Beweisargument bei der rechtfertigenden Einwilligung auch Joecks, Vor § 32 Rn. 21. 21 Roxin, AT I, § 13 Rn. 46.

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rvorschriften

181

Versuch bei der Untreue nicht strafbar, folglich kann auch der in Unkenntnis des Einverständnisses handelnde Täter gem. § 23 Abs. 1 StGB nicht bestraft werden.

B. Formvorschriften Einen weiteren umstrittenen Punkt berührt man mit der Frage, ob eine Einwilligung bereits deshalb ihre Wirksamkeit verliert, weil sie nicht den Formerfordernissen genügt, die das Gesetz an sich für diese Maßnahme - im jeweiligen öffentlich-rechtlichen oder zivilrechtlichen Zusammenhang - verlangt. Diese Problematik wird zwar meist im Zusammenhang der rechtfertigenden Einwilligung erörtert, 22 ist aber auch, wie im Folgenden zu zeigen ist, beim tatbestandsausschließenden Einverständnis von Relevanz.

I. Außerstrafrechtliche Formvorschriften Allerdings ist im rechtsgeschäftlichen Bereich, sofern die Wirksamkeit des vom Treunehmer geschlossenen Vertrags usw. von der Zustimmung des Dispositionsbefugten abhängt, dieses Formproblem eher selten gegeben: Auch dann, wenn ein Rechtsgeschäft einer Form bedarf, ist die Zustimmung hierzu als „Hilfsrechtsgeschäft" 23 gem. § 182 Abs. 2 BGB formfrei; dies gilt nach h. M . 2 4 selbst dort, wo der Zustimmende der wirtschaftlich vom Rechtsgeschäft Betroffene ist und eine Schriftform auch für die Zustimmung ihre Funktion, etwa vor Übereilung und Unachtsamkeit zu schützen, erfüllen könnte (z. B. bei der Genehmigung von Grundstücksgeschäften). Die wenigen Vorschriften, die abweichend von der Regelung in § 182 Abs. 2 BGB eine bestimmte Form für die Zustimmung vorschreiben, sind die §§ 1516 Abs. 2, 1517 Abs. 1, 1730,1750 Abs. 1, 2120, 2291 Abs. 2 BGB sowie §§5, 10, 12 DepotG. 25 Im gesellschaftsrechtlichen Bereich wäre beispielsweise an all die Maßnahmen der Gesellschafter zu denken, die einer bestimmten Form bedürfen, etwa an die Änderung einer GmbH-Satzung durch Gesellschafterbeschluss, der notariell beurkundet werden muss (§53 GmbHG). Ein anderes, praktisch sehr bedeutsames Bei-

22

So etwa am Beispiel arzneimittelrechtlich relevanter Einwilligungen (§§ 40 Abs. 2 Nr. 2, 41 Nr. 6 AMG) bei Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. § 32 ff. Rn. 43 und LKHirsch, Vor§32Rn. 111. 23 MünchKomm-K.-H. Schramm, BGB, Vor § 182 Rn. 2. 2

* BGH NJW 1994, 1344; MünchKomm-/s:.-//. Schramm, BGB, § 182 Rn. 15; anders etwa MünchKomm-Einsele, BGB, § 125 Rn. 33; H. Palm, in: Erman, § 182 Rn. 4. 2 5 Vgl. Leptien, in: Soergel, § 182 Rn. 5; MünchKomm-^.-//. Schramm, BGB, § 182 Rn. 18.

182

3. Kap.: Kundgabe, Form, Verfahren

spiel aus dem Bereich der GmbH sind Gesellschafterbeschlüsse, die eine sog. verdeckte Gewinnausschüttung betreffen. 26 Nach § 46 Nr. 2 GmbHG unterliegt die Gewinnverwendung der Bestimmung der Gesellschafter. Damit ist auch die Gewinnverteilung, sofern sie, was zulässig ist, in verdeckter Form erfolgt, der Beschlussfassung der Gesellschafter überlassen. Die Beschlüsse erfolgen nach § 48 Abs. 1 GmbHG in Gesellschafterversammlungen Die Gesellschafterzustimmung zu einer verdeckten Gewinnausschüttung kann prinzipiell auch außerhalb einer Gesellschafterversammlung erteilt werden; jedoch schreibt § 48 Abs. 3 GmbHG dann vor, dass die Gesellschafter sich schriftlich mit dem Beschluss oder schriftlich mit der Abgabe der Stimmen einverstanden erklärt haben müssen. Allerdings kann in den Gesellschaftsverträgen auch vorgesehen sein, dass telefonisch oder telegrafisch usw. abgestimmt werden kann. Bei Ein-Mann-Gesellschaften ist jedoch lediglich eine Niederschrift über die Beschlussfassung aufzunehmen und zu unterzeichnen. Hier genügt dann eine Anweisung an die Geschäftsführung durch Fernschreiben oder Telefax seitens des alleinigen Gesellschafters. 27

Zahlreiche Erfordernisse an bestimmte Formen der Zustimmung finden sich im Bereich der juristischen Personen des öffentlichen Rechts. So enthalten z. B. die meisten deutschen Gemeindeordnungen Vorschriften, wonach für Verpflichtungserklärungen bei privatrechtlichen Rechtsgeschäften oder in öffentlich-rechtlichen Verträgen 28 ein bestätigender Beschluss eines anderen Organs der Körperschaft oder der Aufsichtsbehörde vorliegen muss, etwa bei der Gewährung von Sicherheiten für Dritte. 29 Umstritten ist dabei, inwiefern für diese Vorgaben die privatrechtlichen Formvorschriften wie z. B. § 125 BGB gelten oder es sich dabei nicht vielmehr um Zuständigkeits- und Vertretungsregeln handelt, welche die Vertretungsmacht gem. § 177 f. BGB beschränken.30

II. Zur Relevanz der Warnfunktion Soweit hiernach im außerstrafrechtlichen Regelungskomplex die Einwilligung überhaupt einer Form bedarf, wäre es denkbar, diese auch für das Strafrecht als verbindlich anzusehen, sofern, wie es Lenckner betont, die Formvorschriften, etwa wegen der auf dem Spiel stehenden Vermögenswerte, dem Schutze vor übereilten Handlungen dienen31 und damit der „Gefahr von einwilligungsrelevanten Fehlvor26 27

Vgl. dazu bereits oben 2. Kapitel C. III. 3. a). Meilicke BB 1988, 1262.

2

« Vgl. Gern, Rn. 370. Vgl. etwa § 117 GemO Bad.-Württ. (v. 24. 7. 2000, GBl. S. 582). 30 So die h. M.; vgl. BGH NJW 1984, 606; H. Palm, in: Erman, § 125 Rn. 13; für eine Formvorschrift aber z. B. MünchKomm-Einsele, BGB, § 125 Rn. 28; Hefermehl, in: Soergel, § 125 Rn. 2. 29

31

Entsprechendes müsste auch für die Belehrungsfunktion einer Formvorschrift, z. B. bei einer vorgeschriebenen Beurkundung durch den Notar, gelten.

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rvorschriften

183

Stellungen" vorbeugen sollen. 32 Allerdings müsse dann dem Täter nach den Überlegungen, wie sie auch abstrakten Gefährdungsdelikten zugrunde liegen würden, die Möglichkeit gegeben werden, den Gegenbeweis der vollverantwortlichen Entscheidung des Betroffenen anzutreten. Würden hingegen mit dem Formerfordernis ausschließlich Beweiszwecke verfolgt, so sei ihre Nichtbeachtung unschädlich.33 Dieser Ansicht ist zu konzedieren, dass sie aus Sorge vor übereilten Entschlüssen des Betroffenen den strafrechtlichen Schutz des Opfers in den Mittelpunkt rückt. Darüber hinaus führt sie, sofern die Beachtung der Form zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung für die etwa zivilrechtliche Rechtsfolge ist, zu einem Gleichklang von außerstrafrechtlicher und strafrechtlicher Bewertung. Zwar läßt sich gegen das Auseinanderdividieren von Beweis- und Warnfunktion einwenden, dass die Formvorschriften, die vor übereilten Entscheidungen schützen sollen, häufig zugleich Entschlüsse zum Gegenstand haben, bei denen wegen ihrer großer Bedeutung für den Betroffenen (z. B. in finanzieller Hinsicht) ein besonderes Interesse daran besteht, dass die getroffene Entscheidung auch bewiesen werden kann. Die Beweisfunktion einer Formvorschrift ist jedoch für das Einverständnis unerheblich: Dem genuin (form6l\-)strafrechtlichen Beweisinteresse wird schon dadurch in der Sache Rechnung getragen, dass nach der hier vertretenen Ansicht eine wie immer geartete Kundgabe erforderlich ist; soweit außerstrafrechtlich mit dem Formzwang Beweisinteressen verfolgt werden, dienen diese nicht strafprozessualen, sondern anderen Beweiszwecken, z. B. denjenigen im Geschäftsverkehr oder im Zivilprozess. Allerdings ist eine gewisse Skepsis dahingehend angebracht, ob die außerstrafrechtliche Warnfunktion des Formerfordernisses auch auf die Wirksamkeit einer Einwilligung „durchschlagen" muss: So kann die Nichteinhaltung der Formvorschrift eine „bloße Formalität" sein, wenn der Betroffene (z. B. aufgrund eigener Sachkunde, Belehrung durch andere) im Übrigen sich ganz und gar darüber im Klaren war, welche Entscheidung er getroffen hat. Beschließen daher beispielsweise die Gesellschafter einer GmbH - in voller Kenntnis der Tragweite ihrer Entscheidung - , den Satzungszweck des Unternehmens zu ändern (z. B. durch Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags mit einem Konzern 34 ), so handelt der Geschäftsführer, der den Entschluss umsetzt, auch dann nicht treuwidrig, wenn die gesetzlich vorgeschriebene notarielle Form für die Satzungsänderung (§ 52 GmbHG) nicht eingehalten wurde. Oder ist die Zustimmung im Bereich des öffentlichen Rechts an sich an die Form eines Verwaltungsakts oder eines Gesetzes gebunden,35 so genügt die formlose Manifestation der Zustimmung als solcher, um der pflichtwidrigen Maßnahme ihre Untreuerelevanz zu nehmen, sofern den Zustimmenden die Bedeutung und Tragweite ihrer Entscheidung bewusst war. 32 33 34 35

Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 43. Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 43. Zu diesem Erfordernis beim GmbH-Vertragskonzern vgl. 2. Kapitel C. VI. 3. a). Zu juristischen Personen als Träger der Dispositionsbefugnis vgl. 2. Kapitel D.

184

3. Kap.: Kundgabe, Form, Verfahren

III. Formverstoß als Indiz für Willensmangel Mit der wohl herrschenden Meinung ist deshalb daran festzuhalten, dass in den Fällen, in denen ein Gesetz für die Einwilligungserklärung eine besondere Form vorschreibt, das Einverständnis auch dann beachtlich ist, wenn die Form nicht eingehalten wurde, 36 es sich mithin zwar nicht um ein förmliches, aber immerhin um ein materielles Einverständnis handelt. Hierbei darf nicht übersehen werden, dass selbst dann, wenn der Betroffene durch sein formloses Einverständnis aus dem Schutz des Strafrechts herausgenommen wird, der mit der Formvorschrift bezweckte Schutz im Kontext des jeweiligen Rechtsgebiets erhalten bleibt (z. B. hinsichtlich der Unverbindlichkeit nachteiliger Willenserklärungen gem. § 125 BGB). Allerdings sollte man die Nichteinhaltung der Formvorschrift im Strafprozess zum Anlass nehmen, besonders kritisch nachzuprüfen, ob der Einwilligende sich wirklich des Umfangs und der Tragweite seiner Entscheidung bewusst war. Das Fehlen der vorgesehenen Form wird vielfach ein gewichtiges Indiz dafür sein, dass bei der Erteilung der Zustimmung ein Einverständnismangel vorgelegen hat, d. h. doch nicht alles „mit rechten Dingen zugegangen ist", der Betroffene somit möglicherweise doch nicht hinreichend informiert oder belehrt, möglicherweise gar „überrumpelt" worden ist und damit keine vollverantwortliche, die maßgeblichen Konsequenzen nicht bedenkende Entscheidung getroffen hat.

C. Verfahrensvorschriften Nach den gleichen Maßstäben ist zu entscheiden, wenn für die Erteilung des Einverständnisses nicht das Verfahren, das gesetzlich oder durch Vertrag bzw. Statut an sich für den Entscheidungsprozeß vorgesehen ist, eingehalten wurde. Man denke hier etwa an das Verfahren hinsichtlich der Einberufung und Beschlussfassung von Mitgliederversammlungen eines Vereins, von Gesellschafterversammlungen einer GmbH oder von Hauptversammlungen der Aktionäre. So wenig es der Sinn des § 266 StGB ist, gesetzliche Formvorschriften zu sanktionieren, sowenig kann seine Aufgabe darin bestehen, bloße Verfahrensverstöße per se zu kriminellen Unrecht zu erheben. Entscheidend muss auch hier sein, welchem Zweck die Verfahrensvorschrift dient, d. h. ob durch den Verfahrensfehler zugleich ein im Rahmen des § 266 StGB einverständnisrelevantes Moment berührt wurde. Soweit der Verfahrensverstoß etwa darin besteht, dass die Regeln über die Zuständigkeit missachtet wurden, d. h. eine nicht dispositionsbefugte Person über die Maßnahme entschieden hat, versteht sich die Unwirksamkeit der Einwilligung mangels Zuständigkeit des Entscheidungsträgers von selbst. Handelt es sich hin36 LK-Hirsch, Vor § 32 Rn. 111; Waßmer, S. 42.

C. Verfahrensvorschriften

185

gegen um einen rein formalen Verstoß (z. B. die Nichtbeachtung von Fristen), während im Übrigen die für die Zustimmung zuständigen Personen eine vollverantwortliche Entscheidung treffen konnten, so kann dem Verfahrensfehler mangels Einwilligungsrelevanz keine Bedeutung zukommen. Dies gilt erst recht, wenn der formale Verstoß rechtzeitig geheilt wurde: Ist beispielsweise bei einer Mitgliederversammlung eines Vereins entgegen den Vorgaben der Satzung oder bei einer GmbH die Gesellschafterversammlung unter Missachtung der §§ 48 ff. GmbHG einberufen worden, z. B. weil bei der Einladung ein Vereinsmitglied oder ein Gesellschafter übersehen wurde, so schließt die Zustimmung des Mitglieds bzw. der Gesellschafter den Tatbestand des § 266 StGB gleichwohl aus, sofern der bei der Mitglieder- bzw. Gesellschafterversammlung abwesende Gesellschafter usw. der Maßnahme vor ihrer Durchführung anderweitig in Kenntnis aller entscheidungsrelevanter Umstände zugestimmt hat oder trotz der unterbliebenen oder verspäteten Ladung bei der maßgeblichen Versammlung zugegen war.

4. Kapitel

Der Zeitpunkt des Konsenses Im folgenden Kapitel sollen die Anforderungen bestimmt werden, die in zeitlicher Hinsicht an eine Einwilligung gestellt werden müssen, damit sie im Kontext des § 266 StGB ihre strafbarkeitsausschließende Wirkung entfalten kann. In dieser Beziehung ist zwischen vier Grundkonstellationen zu differenzieren, nämlich des vor der Tatbegehung erklärten und im Tatzeitpunkt noch vorliegendem Einverständnisses (A.), der erst während der Tatausführung erklärten Zustimmung (B.), des zwar vorher erklärten, aber noch vor bzw. während der Tatbegehung widerrufenen Einverständnisses (C.) und der erst nach der Tatbegehung erteilten Genehmigung1 (D.).

A. Die vorherige Zustimmung In temporärer Hinsicht setzt die Zustimmung i. S. eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses voraus, dass sie im Zeitpunkt des Tatgeschehens vorliegt. Der Treugeber muss somit vor der tatbestandlich relevanten Handlung (bzw. Unterlassung) des Treunehmers, spätestens aber bei deren Beginn zugestimmt haben und sein Plazet im Augenblick des Handelns (bzw. Unterlassens) des Treunehmers aufrechterhalten haben. Sind diese Bedingungen, wie sie für das Einverständnis allgemein anerkannt sind,2 erfüllt, so entfällt der objektive Tatbestand des § 266 StGB mangels Missbrauch bzw. Treupflichtverletzung. Inwiefern während des Tatgeschehens das Einverständnis bloß innerlich vorzuliegen braucht oder doch zumindest zugleich nach außen hin kundgetan worden sein muss, ist ein davon zu unterscheidender, anderer Aspekt, der im vorangegangenen 3. Kapitel behandelt worden ist.

1 Nachfolgend ist mit dem Begriff der Genehmigung in Anlehnung an § 184 BGB in der Regel diejenige Zustimmung gemeint, die nachträglich erteilt wird. Dies sei betont, weil es vielfältige Formen der Zustimmung gibt, die auch dann als Genehmigung bezeichnet werden, wenn sie im Voraus erteilt werden; vgl. etwa die vorherige Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nach §§ 1904 ff. BGB. In methodischer Hinsicht vgl. dazu Larenz/Canaris, S. 142. 2 Vgl. nur Köhler, AT, S. 249; Kühl, AT, § 9 Rn. 32; Lenckner, in: Schänke / Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 44 m. w. N.

C. Die widerrufene Zustimmung

187

B. Die Zustimmung während der Tatbegehung Wird die Zustimmung erst nach dem Anfang der Tatausführung, aber vor der Vollendung erteilt, d. h. nach begonnener Treupflichtverletzung, aber vor dem Eintritt des Vermögensschadens, beseitigt dies ebenfalls die Strafbarkeit wegen Untreue. Die bei anderen Tatbeständen gegebene Möglichkeit, in einem solchen Fall aufgrund des bis dahin verwirklichten Unrechts3 wegen Versuchs zu bestrafen, 4 besteht bei § 266 StGB nicht, da der Versuch der Untreue weiterhin straflos ist.5 Allerdings ist der Treunehmer wegen Untreue haftbar, wenn sich die Treupflichtverletzung zwar noch nicht in einem Vermögensverlust niedergeschlagen, aber schon einen Vermögensschaden i. S. einer schadensgleichen Vermögensgefährdung ausgelöst hat und damit § 266 StGB doch bereits vollendet war, bevor der Treugeber sein Plazet erteilt hatte.

C. Die widerrufene Zustimmung I. Der Widerruf Ein Einverständnis ist keine Willensäußerung, das, vergleichbar einer zivilrechtlichen Willenserklärung, eine rechtliche BindungsWirkung für die Zukunft entfalten soll. Es steht statt dessen im Licht einer genuin strafrechtlichen Betrachtungsweise: es manifestiert, in Fortentwicklung der Lehre von Mezger, den spezifischen Verzicht des Rechtsgutsträgers auf strafrechtlichen Schutz des jeweils betroffenen Rechtsguts.6 Das Strafrecht ist umgekehrt gehalten, gerade im Sinne der von ihm rechtlich zu gewährleistenden Autonomie, dem Betroffenen die Möglichkeit einzuräumen, von einer getroffenen Entscheidung, der Erteilung der Zustimmung, wieder Abstand zu nehmen. So wird die Geltung des strafrechtlichen Verbots im Sinne des Betroffenen und im Rahmen der ihm eingeräumten Disponibilität reaktualisiert. Durch die Distanzierung vom früheren Konsens stellt das Opfer seine Rechtsgüter wieder unter den strafrechtlichen Schutz, so auch denjenigen des § 266 StGB. Ein Einverständnis im Allgemeinen und dasjenige bei der Untreue im Besonderen sind daher frei widerruflich. 7 Ausnahmsweise kann freilich ein Einwilligender an seine Zustimmung gebunden sein, was z. B. der Fall ist, wenn er sich vertraglich zur Duldung eines Eingriffs durch den Treunehmer verpflichtet hat.8 Im letztgenannten Fall liegt also 3 4 5 6 7

Vgl. dazu Maeck, S. 68. Vgl. RG JW 1934, 2335; LK-Hirsch, 112 vor § 32. Vgl. 1. Kapitel A. I. Vgl. 1. Kapitel B. I. und 3. Kapitel A. I. Statt aller Roxin, AT I, § 13 Rn. 50.

8 Roxin,

A T I, § 13 R n . 4 3 , 5 0 .

4. Kap.: Der Zeitpunkt des Konsenses

188

selbst dann keine Untreue vor, wenn der Treugeber mit dem Eingriff im Tatzeitpunkt nicht einverstanden ist. Daraus wird teilweise im Schrifttum der Schluss gezogen, dass man in einem solchen Fall die Straflosigkeit gar nicht mit dem Einverständnis bzw. einer Einwilligung begründen könne, sondern die vertragliche Bindung vielmehr einen eigenständigen Rechtfertigungsgrund darstellen würde. 9 Gegen diese Annahme spricht freilich, dass die erteilte Einwilligung die Quelle der Erlaubnis darstellt und sich die Bindung gerade auf die Fortgeltung des Einverständnisses bezieht.10 Abgesehen davon stellt sich in diesen Fällen im Rahmen des § 266 StGB die Frage der Rechtfertigung nicht, da ein durch einen Vertrag des Treugebers vorgegebener Konsens mit dem Eingriff das Verhalten des Treunehmers in der Regel bereits der Pflichtwidrigkeit im Innenverhältnis entkleidet und damit die in der vertraglichen Regelung zum Ausdruck kommende Zustimmung schon den Tatbestand ausschließen wird. Soweit allerdings, wie im Regelfall, der Treugeber seine Zustimmung widerrufen kann, begründet deren Rücknahme nur dann eine Strafbarkeit des Treunehmers, wenn der Widerruf vor der Ausführung der treupflichtwidrigen Handlung stattfindet. Wird hingegen erst widerrufen, nachdem der Treunehmer mit der dank des bis dahin bestehenden Einverständnisses eben pflichtgemäßen - Handlung begonnen hat, kommt eine Haftung wegen Untreue naturgemäß nur noch hinsichtlich des künftigen Geschehens ab Zeitpunkt des artikulierten Widerrufs in Betracht. Letzteres gilt auch bezüglich bereits ausgelöster Geschehensabläufe, wenn deren Reversibilität, sofern der Treunehmer zu einer Korrektur überhaupt rechtlich verpflichtet sein sollte, praktisch möglich ist. 11 Kommt etwa der Widerruf eines Einverständnisses erst, nachdem der Treunehmer einen Vertrag für den Treugeber abgeschlossen hatte, so mag sich der Treupflichtige u. U. um einen Aufhebungsvertrag bemühen müssen; aber der Vertragsschluss als solcher bleibt pflichtgemäß und damit tatbestandsirrelevant.

II. Der mutmaßliche Widerruf eines Einverständnisses Im Schrifttum wird, namentlich von Lenckner, Hirsch und Mitsch, neben dem Widerruf eines Einverständnisses zu Recht auch ein mutmaßlicher Widerruf für möglich gehalten.12 Dahinter steht ein Gedanke, der spiegelbildlich in der mutmaßlichen Einwilligung enthalten ist: Ist es dort das Fehlen eines Bestandsschutzinteresse des Rechtsgutsträgers, das aufgrund einer pflichtgemäßen Prüfung vermutet wird, 13 ist es beim mutmaßlichen Widerruf gerade das (ebenfalls nur hypo9 So z. B. Noll, S. 132. 10 LK-Hirsch, 113 vor § 32. 11 Vgl. auch LK-Hirsch, 113 vor § 32. 12 Lenckner, in: Schönke/Schröder, § 3 2 ; Mitsch,

i n : Baumann/Weber/Mitsch,

Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 44; LK-Hirsch, Rn. 113 Vor A T , § 17 R n .

107.

D. Die nachträgliche Zustimmung

189

thetische) Vorhandensein eines Bestandsschutzinteresses, das seine ursprüngliche Relevanz, das es vor dem Einverständnis hatte, wiedererlangt. Dieser Gesichtspunkt spielt vor allem eine Rolle in den Fällen, in denen begründete Zweifel am Fortbestand eines einstmals manifestierten Konsenses auftreten. Dies wird vor allem dann in Betracht zu ziehen sein, wenn sich z. B. die objektiven Umstände nach der Erteilung der Zustimmung in einverständnisrelevanter Weise geändert haben oder die Zustimmung sehr lange zurückliegt und deshalb die Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Einverständnis von damals nicht mehr dem wahren Willen des Rechtsgutsträgers von heute entspricht. 14 Die Wirksamkeit des mutmaßlichen Widerrufs bemisst sich freilich nach den gleichen Maßstäben, die von der mutmaßlichen Einwilligung bekannt sind. Insbesondere ist ein mutmaßlicher Widerruf gegenüber einem tatsächlich artikulierten Willen stets subsidiär: Sofern die Möglichkeit besteht, beim Betroffenen nachzufragen, ob er an seiner Entscheidung von damals festhält, muss er auch gefragt werden; 15 allerdings entfällt ausnahmsweise die Erkundigungspflicht, wenn davon auszugehen ist, dass der Betroffene auf eine solche Nachfrage keinen Wert legt. 16 Außerdem darf der Täter nicht „nach Gutdünken", sondern erst nach einer objektiv pflichtgemäßen Prüfung der Umstände von der Begehung der Tat Abstand neh-

D. Die nachträgliche Zustimmung I. Das überkommene Dogma Es ist ein überkommenes und kaum 18 angefochtenes Dogma der Einwilligungslehre, dass die nachträgliche Zustimmung keinerlei Bedeutung für die Strafbarkeit des Täterverhaltens erlangt. Vertreten wird dieser Standpunkt nicht nur in den Straftatlehren zum Allgemeinen Teil, wo man immer wieder auf Aussagen stößt wie folgende: „Eine nachträgliche Genehmigung (z. B. der Bestohlene schenkt dem Dieb die Sache nach Entdeckung der Tat) ist auf die Tatbestandserfüllung ohne Einfluß" (Roxin), „unbeachtlich" (Lenckner,) oder „für das Unrecht bedeutungslos" (Jakobs).19 Auch die Rechtsprechung läßt an der (vermeintlichen) Richtigkeit dieses Ergebnisses keine Zweifel aufkommen: So heißt es bereits in einer 13 Vgl. 6. Kapitel B. I. 14 Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 44. 15 Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 17 Rn. 106. 16

Vgl. entsprechend 6. Kapitel B. I. 17 Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch,

AT, § 17 Rn. 106.

18 Zu den wenigen Gegenstimmen vgl. sogleich unten 4. Kap. D. 2. b). 19 Vgl. Roxin, AT I, § 13 Rn. 50; Lenckner, in: Schänke /Schröder, Rn. 44; Jakobs, AT, 7/131.

Vorbem. §§ 32 ff.

4. Kap.: Der Zeitpunkt des Konsenses

190

Entscheidung des Reichgerichts von 1937 im Zusammenhang mit Verstößen gegen das Devisengesetz, dass durch eine nachträgliche Genehmigung der Deviseneinfuhr durch die Devisenstelle die Strafbarkeit einer schon vorher vollendeten Devisenzuwiderhandlung nicht beseitigt wird. 20 Der BGH hat dies wenige Jahre später, wiederum im Kontext devisenrechtlicher Sanktionen, bestätigt: Eine nachträglich erteilte Einzelgenehmigung sei, wie jede Genehmigung im Strafrecht, für die vorher begangene Tat ohne Bedeutung.21 Im Zusammenhang mit einer Körperverletzung hat der BGH hervorgehoben, dass als eine Einwilligung nur ein Verhalten in Betracht komme, durch das der Träger unmissverständlich zu verstehen gebe, er wolle das Rechtsgut der Einwirkung eines anderen preisgeben und insoweit auf Strafrechtsschutz verzichten; daher müsse sich die Einwilligung auf ein bevorstehendes, in der Zukunft liegendes Verhalten eines anderen beziehen.22 Darüber hinaus wird explizit im Zusammenhang des § 266 StGB sowohl von der Rechtsprechung wie der Literatur behauptet, dass die Genehmigung am verwirklichten Tatbestand bzw. Unrecht nichts ändere, sondern allenfalls bei der Strafzumessung zu Gunsten des Täters Berücksichtigung finden könne. So heißt es in den Kommentierungen zu § 266 StGB, etwa bei Hübner und Schünemann unter Berufung auf unveröffentlichte BGH-Entscheidungen, dass die nachträgliche Genehmigung dem Betreuer nichts nütze, weil Tatbestand und Rechtswidrigkeit sich nach dem Zeitpunkt der Tat bestimmen würden; 23 die nachträgliche Zustimmung zur ungetreuen Handlung sei für den Tatbestand rechtsunerheblich, könne aber im Rahmen der §§ 153 ff., 154 f. StPO oder auch bei der Strafzumessung Bedeutung gewinnen.24 Das OLG Hamm hat ebenfalls im Zusammenhang des § 266 StGB und unter Berufung auf Hübner ausgeführt, dass eine eventuell vorliegende nachträgliche Zustimmung (hier: des Aufsichtsrats einer Stadtwerke-GmbH in pflichtwidrige Dispositionen des kaufmännischen Direktors) ohne jede Bedeutung bleiben müsse, weil sich Tatbestandserfüllung und Rechtswidrigkeit nach dem Tatzeitpunkt, nicht nach dem ihrer Entdeckung richten würden. 25 Bei der Suche nach einer dogmatischen Begründung für das Ergebnis, dass die Genehmigung (als Nachtatverhalten des Opfers) auf der Ebene des (tatbestandlichen) Unrechts und der Schuld unbeachtlich sei, könnte man - so verfährt etwa Hillenkamp 26 - auf das zum Nachtatverhalten des Täters entwickelte Dogma Bezug nehmen, dass die beiden Größen Unrecht und Schuld mit der Vollendung der Tat „für immer feststehen" und „sich später nicht mehr ändern können" (so Arth. Kaufmann unter Berufung auf Gallas und Bockelmann);27 auch findet man bei Hil20 RGJW 1938,739. 21 BGHSt 7, 294. 22 BGHSt 17, 359, 360. 23 LK-Hübner 10 , § 266 Rn. 87; LK-Schünemann, § 266 Rn. 100. 24 LK-Hübner

10

, § 266 Rn. 101 ; LK-Schünemann, § 266 Rn. 157.

25 OLG Hamm, NStZ 1986, 118. 26

Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 245.

D. Die nachträgliche Zustimmung

191

lenkamp zur Verdeutlichung dieses Ergebnisses den Hinweis auf naturwissenschaftlich geprägte Metaphern wie diejenige, dass im Zeitpunkt des Nachtatverhaltens (wiederum des Täters) die Schuld „längst in einen unwandelbar festen Aggregatszustand übergegangen ist" (Max E. Mayer) 28 und daher nur noch bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden könne. Als spezielle dogmatische Grundlage für das Ergebnis wird aber auch das bereits erwähnte Argument aus BGHSt 17, 359 herangezogen, wonach mit dem Fehlen der Einwilligung im Tatzeitpunkt das Unrecht gegeben und damit der Strafanspruch des Staates entstanden sei, der durch die Genehmigung rückwirkend nicht mehr beseitigt werden könne. 29 Weitgehend anerkannt ist aber auch, dass das Unrecht der Tat durch die nachträgliche Zustimmung zumindest gemindert sei. Hier spricht man dann häufig von einer „unvollkommen rechtfertigenden Einwilligung" (Maeck) 30 oder einem sog. „einwilligungsnahen Fall" (Hillenkamp), 31 der zwar nicht ausreiche, um die Tat zu rechtfertigen, aber zu einer Unrechtsminderung durchaus tauge.32

II. Die nachträgliche Zustimmung im Kontext täterfreundlichen Verhaltens des Opfers Zunächst soll im Folgenden untersucht werden, welche Interessen der Verletzte mit einem täterfreundlichen Verhalten verfolgt, um feststellen zu können, welche Form von Nachtatverhalten des Untreueopfers überhaupt den Erklärungsgehalt eines nachträglichen Einverständnisses aufzuweisen kann.

1. Schutz des Opfers Der durch eine Untreuehandlung Verletzte kann aus höchst unterschiedlichen Beweggründen ein Interesse daran habe, dass der Täter nicht der Strafverfolgung ausgesetzt wird. Zunächst mag etwa das Opfer selbst sich nicht den Belastungen eines Zugriffs der Polizei (§ 163 Abs. 1 StPO) oder eines Ermittlungsverfahrens (§§ 60 ff. StPO) und den damit verbunden persönlichen und sächlichen Beweis27 Vgl. Arth.Kaufmann, Schuldprinzip, S. 259 m. w. N., betr. die Einlassung des Angeklagten im Prozess. 2 8 Max E. Mayer, ZStW 27 (1907), S. 922 betr. Geständnis und Leugnen des Angeklagten im Strafprozess. 29

So etwa Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 245. 30 Maeck, S. 56, 68. 31 Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 240. 32 In diesem Sinne Frisch, Straftatsystem, S. 14; Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 241; Maeck, S. 68.

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4. Kap.: Der Zeitpunkt des Konsenses

erhebungen (§ 160 Abs. 2 StPO) aussetzen.33 Dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit steht auch vielfach das Interesse des Verletzten an der Geheimhaltung der Straftat oder am Ruhenlassen gewisser familiärer Vorgänge gegenüber.34 Dem letztgenannten Aspekt wird vom Gesetz durch das Antragsrecht bei der Hausund Familienuntreue, §§ 266 Abs. 2, 247 Abs. 3 StGB, Rechnung getragen. Wie bedeutsam der Schutz des Opfers vor dem Strafverfahren sein kann, zeigt sich immer wieder gerade im Bereich der Wirtschaftskriminalität: Zuweilen wird durch ein Strafverfahren - z. B. gegen den Geschäftsführer einer GmbH - der Ruf eines Unternehmens (z. B. infolge von Presseberichten) ruiniert, dessen Liquidität gefährdet oder erst die Insolvenz herbeigeführt. So wird etwa in der Entscheidung BGHSt 34, 379 ausgeführt, dass nicht die als Untreue eingestuften Vermögensdispositionen des Geschäftsführers die Liquidität und das Stammkapital der GmbH beeinträchtigt hätten, sondern „der Konkurs der GmbH allein durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und deren Bekanntwerden bei Auftraggebern verursacht worden sei". 35

2. Bagatellcharakter und Aussöhnung Des Weiteren kann sich für den Verletzten eine Strafverfolgung dann erübrigen, wenn das Geschehen für ihn Bagatellcharakter aufweist und der Schaden so geringfügig ist, dass eine Strafe aus seiner Sicht unangemessen wäre. Für einen solchen Fall der Untreue bezüglich geringwertiger Sachen sieht das Gesetz gem. §§ 266 Abs. 2, 248a StGB vor, dass eine Strafverfolgung wegen Untreue nur auf Antrag verfolgt wird, sofern nicht ein staatliches Einschreiten wegen des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung geboten ist. Allerdings ist die Bagatellgrenze im spezifischen Kontext der Untreue, wo es in der Regel um nicht unbeträchtliche Geldsummen geht, sehr niedrig angesetzt, wenn man den beim Diebstahl angenommenen Grenzbetrag von 50 Euro 36 auch auf § 266 StGB anwenden wollte. Zwar erscheint bei § 266 StGB eine normspezifische Relativierung i. S. einer Anhebung dieses Betrags geboten, doch kann dieser Aspekt im Rahmen dieser Untersuchung nicht diskutiert werden. Ferner kann der Umstand, dass das Opfer seine Aussöhnung mit dem Täter erklärt und ihm dessen Verhalten verzeiht, ein Motiv dafür sein, dass der Verletzte ihn mit Nachsicht behandelt und kein Genugtuungsverlangen mehr hat. Die nachträgliche Verzeihung soll nach herrschender Meinung weder den Tatbestand aus33 Dies ist ein Grund dafür, weshalb bestimmte Delikte nur auf einen Strafantrag (§§ 77 ff. StGB) hin verfolgt werden, z. B. §§ 182, 194, 205, 238; vgl. dazu etwa LK-Jähnke, Vorbem. § 77 Rn. 4; SK-Rudolphi, Vorbem. § 77 Rn. 3. 34 Stree/Sternberg-Lieben, in: Schänke /Schröder, § 77 Rn. 4. 3 5 BGHSt 34, 379, 383. 3 6 OLG Hamm NJW 2004, 3145.

D. Die nachträgliche Zustimmung

193

schließen37 noch zum Verlust des Strafantragsrechts (falls vorhanden) führen; 38 sie könne jedoch strafmildernd wirken. 39

3. Vermeidung eines Berufsverbots Die Verzeihung wird auch dort oftmals eine Rolle spielen, wo ein Unternehmen sich mit einer Verfehlung eines Mitarbeiters, der sich bspw. bisher untadelig verhalten und Verdienste erworben hat, konfrontiert sieht und ein Interesse daran hat, den Mitarbeiter trotz seiner etwa begangenen Untreue weiter zu beschäftigen. Wer wegen Untreue verurteilt wurde, kommt allerdings grundsätzlich weiterhin als Mitglied des Vorstands einer AG (vgl. § 76 Abs. 3 S. 3 AktG) oder Geschäftsführer einer GmbH in Frage (vgl. § 6 Abs. 2 S. 3 GmbHG), da in diesen Vorschriften nur auf §§ 283-283d StGB verwiesen wird, somit zwar die Strafvorschriften des Insolvenzstrafrechts, 40 nicht aber § 266 StGB als Ausschlusstatbestand aufgeführt ist. Auf die Aufnahme weiterer Straftatbestände hat der Gesetzgeber ausdrücklich verzichtet, so dass es sich hier um eine abschließende Aufzählung handelt und eine analoge Anwendung auf andere Verurteilungen nicht in Betracht kommt 4 1 Allerdings kann ein wegen Untreue Verurteilter dann für fünf Jahre nicht GmbH-Geschäftsführer oder AG-Vorstandsmitglied gem. § 6 Abs. 2 S. 4 GmbHG, § 76 Abs. 3 S. 4 AktG sein, wenn gegen ihn zugleich ein entsprechendes Berufsverbot gem. § 70 StGB verhängt wurde oder von der Ordnungsbehörde die Ausübung des Gewerbes gem. § 35 Abs. 1 GewO untersagt wurde; letztgenanntes kommt als ultima ratio dann in Betracht, wenn ein Gewerbetreibender (d. h. die Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft bzw. die gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person) und die in § 35 Abs. 1 S. 2 GewO genannten Personen unzuverlässig sind, was bei der Begehung von Straftaten, namentlich bei Vermögensdelikten wie etwa einer (wiederholt begangenen) Untreue der Fall sein kann. 42 Auch wird bei einer juristischen Person gem. § 151 Abs. 1 Nr. 1, 2 i. V. m. § 149 Abs. 2 Nr. lb) GewO die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit der Vertretungsberechtigten (z. B. eines GmbH-Geschäftsführers) oder der mit der Leitung des Betriebs Beauftragten in das Gewerbezentralregister eingetragen. 43

37 38 39 40

Vgl. RGSt 14, 202, 204. RGSt 14, 202, 204; Stree/Sternberg-Lieben, in: Schänke /Schröder, § 77 Rn. 31. vgl. OGHSt 3, 140; Bruns, S. 626; Maeck, S. 29 f.; Zipf, Strafmaßrevision, S. 105. Vgl. Uwe H. Schneider, in: Scholz, § 6 GmbHG Rn. 21.

41 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn. 6 m. w. N. 42 Vgl. BVerwGE 24, 28; GewA 65, 7; VGH Bad.-Württ. GewA 70, 64; Heß, in: Friauf, GewO, § 35 Rn. 56; Tettinger /Wank, GewO, § 35 Rn. 37.

43 Vgl. Tettinger/Wank, 13 Schramm

GewO, § 151 Rn. 5.

194

4. Kap.: Der Zeitpunkt des Konsenses

4. Billigung des Täterverhaltens Von der Verzeihung zu unterscheiden ist schließlich das nachträgliche EinverständnisWährend das Opfer sich bei der Verzeihung mit dem Täter aussöhnt, diese also iäterbezogen ist, erklärt es sich bei der ex-post-Genehmigung nachträglich mit dem Verhalten und den Resultaten des Täters einverstanden und handelt folglich tafbezogen. Die nachträgliche Zustimmung wird zwar regelmäßig auch zu einer Aussöhnung mit dem Täter führen; umgekehrt bedeutet jedoch eine Verzeihung nicht zwangsläufig zugleich eine nachträgliche Billigung des Tatgeschehens i. S. einer Genehmigung etwa eines Missbrauchs von Vertretungsbefugnissen oder einer Treupflichtverletzung. Auch kann das Unterlassen der - im Rahmen der Untreue allerdings gem. § 266 Abs. 2 StGB nur in den engen Grenzen der §§ 247, 248 StGB möglichen - Strafantragsstellung auf ganz anderen Gründen als der Billigung des Täterverhaltens beruhen. 45 Als Typen für eine nachträgliche, billigende Zustimmung seien angeführt: 1. Beispiel - Falsus procurator: Dem Treunehmer ist vom Treugeber zwar keine Vertretungsmacht i. S. d. § 164 BGB eingeräumt worden, er handelt aber gleichwohl im Namen des Treugebers (gem. § 177 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam) rechtsgeschäftlich. 46 Man denke etwa an den Verkauf von Gegenständen des Treugebers an den Dritten (§ 433 BGB) oder den Abschluss eines Darlehensvertrags (§ 488 BGB), in dem der Treugeber als Kreditgeber auftreten soll. Ein solches Verhalten kann zwar mangels wirksamer Vertretung im Außenverhältnis keine Missbrauchsuntreue, wohl aber eine Treubruchsuntreue darstellen, wenn mit dem Handeln auch vermögensschädigende Dispositionen einhergehen (z. B. Besitzverlust, Überweisung von Geld usw.). Zivilrechtlich besteht aber für den Vertretenen die Möglichkeit, das Rechtsgeschäft nachträglich gem. §§ 177 Abs. 1, 184 Abs. 1 BGB genehmigen. 2. Beispiel - Konvaleszenz bei Verfügung eines Nichtberechtigten: Der Treupflichtige veräußert pflichtwidrig im eigenen Namen ihm anvertrautes Treugut an einen Dritten. Auch hier kommt in Ermangelung einer ex-ante erteilten Verfügungsbefugnis und eines wirksamen Verhaltens im Außenverhältnis keine Missbrauchs-, 47 sondern nur eine Treubruchsuntreue in Betracht. Der Treugeber kann aber die Veräußerung, sofern kein gutgläubiger Eigentumserwerb in Betracht kommt 48 (etwa weil der Erwerber bösgläubig, § 932 Abs. 1, 2 BGB, oder die Sache gem. § 935 Abs. 1 BGB abhanden gekommen war), mit rückwirkender Kraft 49 gem. §§ 185 Abs. 2 S. 1 Var. 1, 184 BGB genehmigen.50 44

Zu dieser Differenzierung vgl. Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 244. 5 Vgl. auch Maiwald, GA 1970, S. 35. 4 6 Nicht jeder Vermögensbetreuungspflichtige ist mit einer Vertretungs- oder Verpflichtungsbefugnis ausgestattet, und nicht jeder Vertretungsberechtigte ist treupflichtig. 4

4 4

? Vgl. BGH NStE Nr. 28, wo der Täter aber nicht treupflichtig war. » Vgl. Palandt/Heinrichs, § 185 Rn. 9.

D. Die nachträgliche Zustimmung

195

III. Zur Relevanz der ex-tunc- und ex-nunc-Wirkung 1. Die Unterscheidung Üblicherweise wird in der Rechtsordnung zwischen nachträglich erteilten Genehmigungen, die ihre rechtlichen Wirkungen erst mit ihrer Erteilung für die Zukunft entfalten (sog. Genehmigungen mit ex-nunc-Wirkung), und solchen unterschieden, deren rechtliche Wirkung sich rückwirkend auf den Zeitpunkt des genehmigungsfähigen Verhaltens erstrecken (Genehmigungen mit ex-tunc-Wirkung). Durch die Wirksamkeit der Zustimmung ex-tunc will das Gesetz erreichen, dass ein materiell zustimmungsfähiger Komplex von nun an (und nur insofern exnunc) 51 rechtlich so behandelt wird, als wäre der Mangel der Zustimmung von Anfang an (und insofern ex-tunc) nicht vorhanden gewesen.

a) Privatrechtliche

Genehmigungen

Im Bereich des Bürgerlichen Rechts greift für genehmigungsfähiges, schwebend unwirksames rechtsgeschäftliches Handeln die Regel des § 184 Abs. 1 BGB ein, wonach die Geltung der Rechtsfolgen durch die nachträgliche Zustimmung (Genehmigung) auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurückwirkt, soweit nicht ein anderes gesetzlich oder vertraglich bestimmt ist. 52 Die rückwirkende Kraft der Genehmigung beruht dabei auf einem rechtstechnischen Kunstgriff, nach der das durch die Genehmigung wirksame Rechtsgeschäft so behandelt wird, als sei es bereits mit seiner Vornahme wirksam geworden. Diese vom Gesetzgeber angeordnete Fiktion wird überwiegend sowohl für sachlogisch richtig als auch insofern für sachgerecht gehalten, als sie dem Interesse der Parteien entspricht, die Rechtswirkungen sofort zu Geltung zu bringen. 53 Im Zivilrecht wären solche Genehmigungen mit ex-tunc-Wirkung beispielsweise solche nach § 177 Abs. 1 BGB (Genehmigung des Handelns eines falsus procurator) oder nach § 108 Abs. 1 BGB (Vertragsschluss des Minderjährigen ohne Einwilligung der Eltern). Hat hingegen ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand verfügt, ohne zuvor die Einwilligung des Berechtigten einzuholen, so hat dies nach § 185 Abs. 1 S. 1, 1. Fall BGB ebenfalls rückwirkende Kraft, während die anderen in § 185 Abs. 2 BGB genannten Möglichkeiten des ex-post-Erwerbs lediglich ex-nunc wirken. 54 49 Vgl. etwa Flume, Rechtsgeschäft, S. 902; UK-BGB / Dörner, § 185 Rn. 8. 50

Vergleichbares Beispiel bei Brennenstuhl, S. 114. Zu dieser Simultaneität von ex-nunc- und ex-tunc-Wirkung bei der rückwirkenden Genehmigung nach § 184 BGB vgl. Flume, Rechtsgeschäft, S. 899. 52 Vgl. Larenz/Wolf, AT, § 44 Rn. 49. 53 Vgl. Gursky, in: Staudinger, § 184 Rn. 30. 54 Vgl. Brox, AT, Rn. 463; Soergel/Leptien, § 185 Rn. 2. 51

13*

196

4. Kap.: Der Zeitpunkt des Konsenses

Im Gesellschaftsrecht gibt es solche rückwirkenden Genehmigungen etwa bei der Aktiengesellschaft im Rahmen des § 111 IV S. 2 AktG (Zustimmung des Aufsichtsrats zu Geschäften des Vorstands)55 oder des § 89 Abs. 5 AktG (nachträgliche Zustimmung des Aufsichtsrats in Kreditbewilligungen an Vorstandsmitglieder). 56 Bei der GmbH hingegen sind die im Rahmen der Geschäftsführertätigkeit u. U. vorgegebenen Zustimmungserfordernisse im Außenverhältnis gem. § 37 Abs. 2 GmbHG in aller Regel unbeachtlich; dort treten die rechtlichen Folgen des zustimmungsbedürftigen Rechtsgeschäfts bereits mit dessen Vornahme auch ohne Zustimmung der Gesellschafter, des Aufsichtsrats usw. ein. 57 Die Beschränkungen i. S. des § 37 Abs. 1 GmbHG wirken insoweit nur im Innen Verhältnis als Verpflichtung gegenüber der GmbH, 58 es sei denn, dass der Geschäftsführer die Innenbeschränkungen als Vorbehalt in ein Außengeschäft einbringt und damit etwa die Genehmigungsbedürftigkeit auch Wirksamkeitsvoraussetzung im Außenverhältnis wird. 59 Von einer solchen Zustimmung, deren Erteilung für die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts erforderlich ist, ist aber die sog. „unechte" oder „uneigentliche" Zustimmung zu unterscheiden.60 Damit sind solche Formen des Konsenses gemeint, bei denen das Gesetz den Begriff der Zustimmung in der Bedeutung der zustimmenden Teilnahme bei einem Beschluss verwendet (z. B. bei § 709 Abs. 1 BGB, §§ 115 Abs. 2, 119 Abs. 1 HGB). In diesen Fällen greift § 184 BGB nicht ein, eine Rückwirkung kommt deshalb nicht in Betracht. Wenn aber der für den Beschluss erforderliche Mitwirkungsakt noch nachträglich vorgenommen werden kann (z. B. bei § 53 Abs. 3 GmbHG), ist auch die Regelung des § 184 BGB wieder anwendbar.61 - Auf eine Einwilligung, die keine rechtsgeschäftliche Handlung betrifft, sind die §§ 182 ff. BGB nicht anwendbar.

b) Die öffentlichrechtliche

Genehmigung von Rechtsgeschäften

Ein differenziertes Bild ergibt sich ebenso, wenn die Wirksamkeit privater Rechtsgeschäfte von der Genehmigung einer Behörde oder eines Gerichts abhängig gemacht wird. Auch bei diesen Konstellationen ist das Rechtsgeschäft bis zur Genehmigung im Zustand der schwebenden Unwirksamkeit. 62 Ob die nachträgli55 Vgl. Hoffmann-Becking, Münch. HandB GesR, § 29 Rn. 41; Hüffer, § 111 Rn. 19; Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 111 Rn. 80. 56 Vgl. Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, § 89 Rn. 20. 57 Vgl. Lutter/Hommelhoff, § 37 Rn. 2; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 37 GmbHG Rn. 20. 58 Vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, § 37 GmbHG Rn. 31. 59 Vgl. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, § 37 GmbHG Rn. 20. 60 Zur Terminologie vgl. MimchKomm-K-.H.Schramm, BGB, Vor § 182 Rn. 17. 61 MünchKomm-K.-H. Schramm, BGB, Vor § 182 Rn. 17. 62 BGH NJW 1993, 648, 650; MünchKomm-KH Schramm, BGB, Vor § 182 Rn. 22.

D. Die nachträgliche Zustimmung

197

che Genehmigung dabei rückwirkende Kraft entfaltet, kann nicht einheitlich für alle Genehmigungen bestimmt werden, sondern richtet sich nach dem Sinn und Zweck, der mit dem Verwaltungsakt verfolgt wird. Allerdings wird in der zivilrechtlichen Kommentarliteratur betont, dass von einer solchen Rückwirkung regelmäßig ausgegangen werden kann und die Regelung des § 184 BGB als Ausdruck eines generellen Rechtsprinzips auch für die öffentlich-rechtliche Genehmigung eine zumindest analoge Geltung beanspruchen könne.63 Zu den öffentlich-rechtlichen Genehmigungen, die mit einer ex-tunc-Wirkung versehen sind, zählen z. B. die vormundschaftlichen Genehmigungen von Rechtsgeschäften, die ein Vertreter ohne die vorherige Zustimmung des Gerichts vorgenommen hat: Schließt etwa ein Vormund einen Vertrag ohne diesen nach § 1828 BGB erforderlichen gerichtlichen Hoheitsakt, so ist der Vertrag gem. § 1829 BGB bis zur nachträglichen Genehmigung schwebend unwirksam. Mit dem Plazet des Vörmundschaftsgerichts wird analog § 184 BGB der Vertrag usw. in der Regel rückwirkend wirksam. 64

2. Die strafrechtliche Relevanz der nachträglichen Genehmigung mit rückwirkender Kraft Der herrschenden Meinung ist zu widersprechen, sofern die gesetzlichen Regeln, die das Dürfen des Treupflichtigen im Innenverhältnis bestimmen, die Möglichkeit einer Genehmigung für das fragliche Geschehen vorsehen und dieser Genehmigung zugleich eine ex-tunc-Wirkung beimessen. Sobald also die Genehmigung mit rückwirkender Kraft die Pflichtwidrigkeit des Täterhandelns beseitigt, kann dies auch nicht vom Strafrecht im Rahmen des § 266 StGB ignoriert werden, setzt dieses doch zur Unrechtsbegründung gerade an der Treupflichtverletzung des Treunehmers an. Wenn die außerstrafrechtliche Regelung mit ihren Vorgaben für das Verhalten des Treunehmers im Innenverhältnis die Pflichtwidrigkeit des Treugebers und damit seine Strafbarkeit begründen kann, wäre es nur folgerichtig, einem Verhalten des Treugebers, das die Pflichtwidrigkeit nachträglich mit rückwirkender Kraft aufheben kann, auch eine strafbarkeitsausschließende Wirkung beizumessen.

a) Kein Unrechtsausschluss Allerdings ist - und an dieser Entscheidung führt dogmatisch kein Weg vorbei mit der ursprünglichen Treupflichtverletzung ohne Zustimmung des Dispositions63 So etwa MünchKomm-jfif-//. Schramm, BGB, Vor § 182 Rn. 27. 64 So zu §§ 1828, 1829 I 2 BGB RGZ 142, 59, 62; Palandt/Diederichsen, Gursky, in: Staudinger, § 184 Rn. 35.

§ 1828 Rn. 4;

4. Kap.: Der Zeitpunkt des Konsenses

198

befugten das tatbestandliche Unrecht des vermögensschädigenden Handelns gegen bzw. ohne den Willen des Entscheidungsträgers verwirklicht. 65 Richtigerweise kann somit eine nachträgliche Genehmigung den Tatbestand und auch die Rechtswidrigkeit nicht ausschließen, da andernfalls der Erfolgs- und Handlungsunwert unbeachtet bliebe, der in dem „Ungehorsam" liegt, den der Täter gegenüber den Mitwirkungsbefugnissen der Zustimmungsperson gezeigt hat. Dem entspricht auch die Wertung im Zivilrecht im Falle des § 185 Abs. 2 S. 1 Fall 1 BGB: 6 6 So kann der Berechtigte, der die Verfügung genehmigt, gegen den Verfügenden neben dem bereicherungsrechtlichen Anspruch aus § 816 BGB einen Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB geltend machen.67 Begründet wird dies damit, dass die Genehmigung den Verfügenden nicht zu einem Berechtigten macht, sondern seinen Status als Nichtberechtigten nicht verändert, mithin der Eingriff in das fremde Recht rechtswidrig bleibt, obwohl das Rechtsgeschäft als solches Wirksamkeit erlangt. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Diskussion in der Schweiz zur nachträglichen Genehmigung im Zusammenhang mit dem Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung nach dem schweizerischen Art. 158 StGB. 68 Dort wird sogar ein Tatbestandsausschluss für sinnvoll gehalten: Im Zusammenhang mit dem Missbrauchstatbestand des Art. 158 Abs. 2 StGB-Schweiz führt Donatsch aus,69 dass in dem Fall, in dem der Vertretene das Vertreterhandeln ohne Vertretungsmacht nachträglich genehmigt, es sich regelmäßig verbieten würde, von einem Schaden auszugehen. Der Täter könne dann aber wegen einer (in der Schweiz strafbaren) versuchten Tatbegehung belangt werden (getreu dem Prinzip, dass ,eine krumme Sache eine krumme Sache bleibe, selbst wenn sie glatt gehe' 7 0 ), da in der Genehmigung weder eine Einwilligung im Sinne eines Rechtfertigungstatbestandes noch ein tatbestandsausschließendes Einverständnis liege. Allerdings könne eine Versuchsstrafbarkeit dann immer noch unbillig sein, weshalb die dogmatischen Probleme mit der nachträglichen Genehmigung gesetzlich im Zusammenhang mit der Einführung eines gesellschaftsrechtlichen Sondertatbestands geregelt werden sollten.71

b) Sinn und Zweck der Genehmigung Darüber hinaus darf nicht, wie insbesondere Brennenstuhl herausgearbeitet hat, übersehen werden, welche Motive derjenige verfolgt, der nachträglich das Gesche65 Vgl. auch Maiwald, GA 1970, S. 35. 66 Vgl. Brennenstuhl, S. 119 f. 67 BGH NJW 1991, 695; Palandt/Thomas, § 816 Rn. 9. Zur Funktion dieses Schadensersatzanspruchs vgl. Weber, Fs. Baur, S. 143: Rechtstechnische Hilfe für den Fall, dass der Bereicherungsanspruch das Ersatzinteresse des Berechtigten nicht zu befriedigen vermag, weil der Nichtberechtigte unter Wert verkauft hat. 68 Vgl. dazu 7. Kapitel A. II. 2. c). 69 Donatsch, ZStrR 114 (1996), S. 216 ff. 70 Donatsch, ZStrR 114 (1996), S. 218. 71

Donatsch,

ZStrR 114 (1996), S. 220.

D. Die nachträgliche Zustimmung

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hen genehmigt. Stimmt der Dispositionsbefugte etwa, wie in dem oben genannten 2. Beispielsfall, der Verfügung, die der Treunehmer vorgenommen hat, nachträglich zu, so wird dies oftmals nur darauf beruhen, dass er gegen ihn einen Kondiktionsanspruch gem. § 816 BGB erlangen möchte. Ohne diese Genehmigung hätte er zwar einen Vindikationsanspruch gem. § 985 BGB gegen den Erwerber, doch kann u. U. dieser Anspruch leerlaufen, weil der Erwerber unbekannt oder unerreichbar ist. Die Genehmigung gem. § 185 Abs. 2 S. 1 Var. 1 BGB beinhaltet somit vielfach keine nachträgliches Einverstandensein mit der Verfügung, sondern ist nur eine praktisch sehr wichtige Form der „Schadensbegrenzung durch das Opfer": es ist Ausdruck der aus der Sicht des Genehmigenden wirtschaftlichen Vernunft, sich, wenn schon der Verlust der Sache eingetreten ist, wenigstens am Erlös der Sache so weit als möglich schadlos zu halten. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Vorgehen gem. § 185 BGB gegen den möglicherweise unbekannten Besitzer wenig aussichtsreich erscheint. 72 Vor diesem Hintergrund wird man der Feststellung von Weber nicht uneingeschränkt folgen können, dass der Berechtigte durch die Genehmigung „zum Ausdruck bringt, dass er die Einmischung des Dritten in seine sachenrechtliche Sphäre nicht als derart störend empfindet, dass er ihre Wirkungen nicht hinnehmen könnte". 73 Allerdings kann in der Genehmigung ausnahmsweise auch eine Billigung der Verfügung liegen, so z. B. dann, wenn etwa der unberechtigt Verfügende kaufmännisch geschickt einen hohen Verkaufserlös erzielt hat oder der Berechtigte aus anderen Gründen inzwischen das Interesse an der Wiedererlangung des Gegenstands verloren hat 74 und statt dessen über die Genehmigung des Geschäfts gem. § 816 Abs. 1 BGB den Anspruch auf Auskehrung des Erlöses vorzieht. Das gleiche kann etwa für die Genehmigung des vom falsus procurator vorgenommenen Rechtsgeschäft gem. § 177 Abs. 1 BGB gelten: Die Möglichkeit der Genehmigung wird der Vertretene gerade dann für sich in Anspruch nehmen, wenn das vom Vertreter vorgenommene, schwebend unwirksame Rechtsgeschäft für ihn vorteilhaft ist oder aus anderen, z. B. immateriellen Gründen von ihm gebilligt wird. Die Interessenlage bei der nachträglichen Genehmigung ist also komplex und eine differenzierte Betrachtungsweise daher geboten. Nur in dem Fall, in dem der Treugeber nachträglich das Verhalten des Täters billigt, es also ex-post gesehen „will", besteht Anlass, der nachträglichen Genehmigung strafbarkeitsausschließende Bedeutung zukommen zu lassen. Man mag freilich in dem Umstand, dass es für die vorherige Zustimmung auf eine solche Billigung nicht ankomme und auch die etwa im Innern nur widerwillig, letztlich aber doch erteilte Zustimmung tatbestandsausschließend sei, eine sachlich nicht notwendige Einschränkung oder einen Wertungswiderspruch zum hier aufgestellten Billigungserfordernis bei der nachträglichen Zustimmung sehen. Jedoch bringt der Dispositionsbefugte beim 72 MünchKomm-Liefc, BGB, § 816 Rn. 24. 73 Weber, GS Schlüchter, S. 252. 74 Vgl. Lorenz, in: Staudinger, § 816 BGB Rn. 9.

200

4. Kap.: Der Zeitpunkt des Konsenses

vorherigen Einverständnis seine Zustimmung zum Verhalten des Täters zum Ausdruck, er findet sich - um Kategorien des dolus eventualis aufzugreifen - mit ihm ab und entscheidet sich für den Treunehmer und das von ihm in Aussicht genommene Geschehen. Bei der nachträglichen Genehmigung sagt der Treugeber zwar auch im nachhinein „Ja", was ganz in seinem Belieben steht und Ausfluss seiner Privatautonomie ist; 75 aber er genehmigt nicht stets deshalb, weil er das Verhalten des Täters bejaht, sondern möglicherweise nur deshalb, um die erwünschten zivilrechtlichen Folgen auszulösen, ohne sich mit dem vorherigen Autonomieverstoß des Täters wirklich abfinden zu wollen. Dann besteht aber auch kein Anlass, den Täter nur deshalb zu privilegieren und in den Genuss der Straflosigkeit kommen zu lassen, weil das Opfer praktisch sich selbst zu helfen weiß. Ein weiterer Einwand gegen die hier vertretene Ansicht könnte lauten, es als wenig glücklich anzusehen, dass der Richter die Motivationslage des Treugebers im Zeitpunkt der Erteilung der nachträglichen Genehmigung erforschen müsse, was mit erheblichen Problemen bei der Beweiswürdigung verbunden sei. Doch vor der Schwierigkeit, innerpsychische Haltungen oder Gesinnungen feststellen zu müssen, steht man vielfach im Strafverfahren, primär im Hinblick auf den Täter, 76 vielfach aber auch auf das Opfer bezogen. Doch mit einer entsprechenden Würdigung der objektiven und subjektiven Umstände des Geschehens dürfte sich die Billigung mit einer für die Entscheidungsfindung des Gerichts ausreichenden Gewissheit feststellen lassen. Als Zwischenergebnis kann damit festgehalten werden, dass die Genehmigung nur in den Fällen, in denen sie kumulativ rückwirkende Kraft besitzt und zugleich Ausdruck der Billigung des Täterverhaltens ist, einem vorherigen Einverständnis ähnelt und insofern in der Rechtsfolge, der Straflosigkeit des Täterverhaltens, gleichgestellt werden kann. Unter dieser Einschränkung kann dann auch in der Sache der von Weber - in seinen grundlegenden Untersuchungen zur strafrechtsgestaltenden Kraft des Zivilrechts - getroffenen Feststellung zugestimmt werden, dass „eine noch andauernde strafwürdige Rechtsgutsverletzung zu verneinen." 77 Dabei könnte man mit Weber die Gewichtung auf die StrafWürdigkeit legen, definiert etwa als „Angemessenheit des in der Strafe liegenden Eingriffs angesichts der Art und des Gewichts der Tat" (Frisch). 78 Einleuchtend wäre es freilich auch, die Dogmatik von Lenckner aufgreifend, die Strafwürdigkeit zwar zu bejahen, aber stattdessen die Strafbedürftigkeit i. S. der Notwendigkeit einer Strafe verneinen. 79 75 Weber, Fs. Baur S. 142; ders., GS Schlüchter, S. 252. 76 Bspe.: dolus eventualis; die tätersubjektiven Mordmerkmale; innere Tatsachen beim Betrug usw. 77 So Weber, Fs. Baur, S. 143, für alle nachträglichen Genehmigungen ohne die hier vorgenommene Beschränkung auf solche mit Billigungscharakter. 78 Frisch, Fs. Stree/Wessels, S. 79. 79 Nach Lenckner erübrigt sich eine Kategorie der Strafwürdigkeit. Mit dem Begriff der Strafbedürftigkeit seien dagegen Umstände gemeint, die trotz gegebenen Unrechts und trotz der Schuld des Täters ausnahmsweise die „Notwendigkeit einer Bestrafung" entfallen lassen. Insbesondere bei Vorliegen eines Strafaufhebungsgrundes fehle die Strafbedürftigkeit {Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 14).

D. Die nachträgliche Zustimmung

201

Ferner erscheint in diesen Fällen auch eine Strafbarkeit des Täters unter dem Blickwinkel, dass das Strafrecht verfassungsrechtlich nur als ultima ratio der Konfliktlösung 80 legitimierbar ist, nicht angemessen. Denn der Eingriff in die Autonomie des Opfers wird durch die nachträgliche, rückwirkende Genehmigung derart relativiert, dass der Konflikt ein nur noch so geringes Gewicht besitzt, das nicht notwendigerweise das Regime des Strafrechts zum Einsatz kommen muss. Darüber hinaus muss es verfassungsrechtlich zweifelhaft erscheinen, ein nach zivilrechtlichen Kriterien nachträglich rechtmäßig gewordenes Verhalten ausnahmslos zu bestrafen. 81

c) Sachlicher Strafaufhebungsgrund In solchen Fällen besteht somit kein Anlass, den insoweit noch für einen strafrechtlichen Tadel verbleibenden Verstoß gegen die Bindungen im Innenverhältnis während der Tatbegehung als so gewichtig anzusehen, dass die Schwelle zur Strafbarkeit überschritten wird. Die besseren Gründe sprechen dafür, die nachträgliche Genehmigung, sofern sie Billigungscharakter besitzt, als einen „Strafaufhebungsgrund" (Weber) 82 anzuerkennen, der auf einer dem Tatbestand, der Rechtswidrigkeit und Schuld nachfolgenden vierten Deliktsstufe anzusiedeln ist. Als Strafaufhebungsgründe bezeichnet man Umstände, die, anders als bei den Strafausschließungsgründen, 83 nicht schon während, sondern erst nach Begehung der Tat eintreten und die bereits begründete Strafbarkeit rückwirkend wieder beseitigen. 84 Zu solchen Gründen, die von einer bereits verwirkten Strafe befreien, gehören nach herrschender Meinung etwa der Rücktritt vom Versuch, § 24 StGB, ebenso derjenige vom Versuch der Beteiligung, § 31 StGB, 85 die Rücktritte nach so Dazu BVerfGE 39, 1, 47; Weber, in: Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 3 Rn. 19; Jescheck/Weigend, AT, § 11. 2.; Roxin, AT I, § 2 Rn. 3. - Zur verfassungsrechtlichen Verankerung des ultima-ratio-Prinzips vgl. auch Felix, S. 298 ff. 81 Vgl. dazu Felix, S. 303 ff., nach der die Bestrafung zivil- oder öffentlichrechtlich erlaubten Verhaltens verfassungswidrig ist. 82 Weber, Fs. Baur, S. 143, und GS Schlüchter, S. 250. Weber nimmt dies für alle Genehmigungen nach §§184 II, 185 BGB an, allerdings ohne die hier vorgenommene Beschränkung auf solche mit Billigungscharakter. 83 Zur Terminologie krit. NK-Paeffgen, Vor § 32 Rn. 291 und LK-Hirsch, Vor § 32 Rn. 225, wonach „Strafausschließungsgrund" der Oberbegriff sei, unter den auch der Strafaufhebungsgrund falle. 84 Für diese Kategorie etwa Gropp, AT, § 8 Rn. 21; Jescheck/Weigend, AT, § 52 I I ; Köhler, AT, S. 468; Lackner/Kühl, Vor § 13 Rn. 29; Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 133; Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 7 Rn. 30; Weber, in: Baumann/Weber/ Mitsch, AT, § 12 Rn. 21, 23; Wessels/Beulke, AT, Rn. 495. Für eine Beschränkung der Kategorie der Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe auf Fälle, in denen außerstrafrechtliche Zwecksetzungen den Vorrang gegenüber dem Bestrafungsbedürfnis gewinnen, Roxin, AT I, § 23 Rn. 21 ff.; ähnlich Bloy, S. 224 ff. 85 Vgl. nur Lackner/Kühl, § 24 Rn. 1 m. w. N.

202

4. Kap.: Der Zeitpunkt des Konsenses

§§ 149 Abs. 2, 264 V StGB, die Begnadigung (Art. 60 Abs. 2 GG) und die Amnestie.86 Die genannten Strafaufhebungsgründe sind recht heterogen und lassen sich nicht auf einen gemeinsamen Nenner zurückführen. Die nachträgliche Genehmigung wäre allerdings insofern ein Ausnahmefall unter den Strafaufhebungsgründen, als zu diesen bislang, soweit ersichtlich, überwiegend Sachverhalte gezählt wurden, in denen ein kriminalpolitisch billigenswertes Verhalten des Täters das Strafbedürfnis entfallen läßt. 87 Nur bei der Amnestie können Gründe (des Amnestierenden, der Allgemeinheit) eine Rolle spielen, die möglicherweise mit einem positiv zu bewertenden Verhalten des Täters nichts zu tun haben müssen. Die Kategorie der Strafaufhebungsgründe ist aber auch, wie im Folgenden zu zeigen ist, durchaus offen für die Einbeziehung von Formen des strafbarkeitsausschließendem Nachtatverhaltens des Opfers.

aa) Disponibilität des Strafanspruchs Gegen die strafbarkeitsausschließende Wirkung einer nachträglichen Einwilligung ließe sich, etwa mit Weber, einwenden, dass durch eine solche Betrachtungsweise der durch das ursprünglich pflichtwidrige Verhalten entstandene staatliche Strafanspruch zur nachträglichen Disposition des Verletzten stünde, was nicht akzeptiert werden könne. 88 Hierzu ist, was den zeitlichen Bezugspunkt anbelangt, zunächst festzuhalten, dass es bestimmte Formen des Nachtatverhaltens des Täters gibt, bei denen die herrschende Meinung ebenfalls und aus guten Gründen keine Bedenken hat, den ursprünglich entstandenen Strafanspruch des Staates zur Disposition einer Person, nämlich des Täters zu stellen. Man denke hier nur an den Rücktritt vom Versuch gem. § 24 StGB oder die Tätige Reue nach §§ 306 e Abs. 2, 314 a Abs. 3, 320 Abs. 3, 330 b Abs. 1 S. 2 StGB; liegen deren Voraussetzungen vor, ordnet das Gesetz zwingend die Straflosigkeit des Täterverhaltens (und nicht nur eine fakultative oder zwingende Strafmilderung wie in § 306 e Abs. 1, 314a Abs. 2 u. 3, 320 Abs. 1 u. 2, 330 b Abs. 1 S. 1 StGB) an. Darüber hinaus relativiert Weber selbst den von ihm gewählten Topos der Indisponibilität des staatlichen Strafanspruch für den Betroffenen, wenn er bezogen auf rechtsgeschäftliche Eingriffe in fremdes Vermögen die (rhetorisch gemeinte) Frage stellt, 89 ob im Falle des § 185 Abs. 2 BGB der Täter wirklich strafbar sein soll, obwohl die Verfügung voll wirksam werde. Die überzeugende Antwort Webers lautet daher für diese Fälle, dass die Strafwürdigkeit vielmehr entfallen sei. 90 86 BGHSt 3, 134; BGHSt 4, 287, 289. 87 Vgl. Maurach,/Zipf AT I, § 35 Rn. 31. 88 Weber, in: Baumann/Weber^, AT, S. 327 (nicht übernommen von Mitsch, in: Baumann/ Weber/Mitsch, AT, § 17 Rn. 105); vgl. dazu auch Brennenstuhl , S. 112, 128. 89 Weber, in: Baumann/Weber*, AT, S. 327. 90 Weber, Fs. Baur S. 143 mit FN 53, S. 144 mit Fn. 56; ders., GS Schlüchter, S. 251.

D. Die nachträgliche Zustimmung

203

Zudem besteht gerade in Einwilligungsfällen eine besonders ausgeprägte Wechselbezliglichkeit zwischen dem Handeln des Täters wider den Willen des Rechtsgutsträgers einerseits und dem dadurch entstehenden staatlichen Strafanspruch andererseits. Auch die nachträgliche Genehmigung ist, ebenso wie die vorherige Zustimmung, Ausdruck der Autonomie des Vermögensträgers. Wenn aber die Handlung, die den rechtlichen Bezugspunkt der Einwilligung bildet, im nachhinein zivil- oder öffentlichrechtlich wirksam im Sinne des Betroffenen und als Ausdruck seiner freien Selbstbestimmung über seine Güter umgestaltet werden kann und dies aufgrund der Rückwirkung die rechtlich identischen Folgen zeitigt wie eine vorherige Zustimmung, so kann für das Strafrecht kein Anlass bestehen, an dem Strafanspruch des Staates, der an sich durch das Handeln ohne Einverständnis zunächst begründet wurde, weiter festzuhalten. Durch die rückwirkende Genehmigung mit Billigungscharakter wird vielmehr dem entstandenen Strafanspruch der notwendige Bezugspunkt und damit die Grundlage entzogen.91 Zu diesem Ergebnis führt auch eine Betrachtung im Blickwinkel der geläufigen Strafzwecktheorien.

bb) Generalpräventive Erwägungen Betrachtet man das Geschehen unter dem Gesichtspunkt der negativen Generalprävention, 92 ist zunächst zu konstatieren, dass die dogmatische Konstruktion der (erst nachträglichen) Strafaufhebung den im Tatbestand definierten Normbefehl, sich nicht über die Bindungen im Innenverhältnis hinwegzusetzen, gerade nicht außer Kraft setzt, sondern ihn vielmehr unberührt läßt. Der negative Präventionszweck der bei § 266 StGB angedrohten Strafe, die Bevölkerung im Allgemeinen präventiv von der Begehung einer Untreue abzuhalten, ist somit auch in dem Fall gewahrt, in dem es - was in aller Regel zudem nur sehr selten auftritt - später zu einer Genehmigung des Täterverhaltens kommen sollte. Auch unter dem Aspekt der positiven Generalprävention, der „gemeinhin in der Erhaltung und Stärkung des Vertrauens in die Bestands- und Durchsetzungskraft der Rechtsordnung gesehen wird" (Roxin), 93 stößt es nicht auf Bedenken, der bil91 Gegen die hier vertretene Lösung wird von Brennenstuhl, S. 129 eingewandt, der Verletzte könne sich die nachträgliche Genehmigung vom Täter bezahlen lasse, so dass Manipulationen Tür und Tor eröffnet werden. Dem ist entgegenzuhalten, dass solche Probleme etwa auch bei der Bezahlung vor der Zustimmung als auch bei einem Antragsdelikt, das § 266 im Allgemeinen allerdings nicht ist, z. B. bei der „bezahlten" Rücknahme eines Strafantrags (§ 77d StGB) auftreten können, ohne dass deshalb die Rücknahme unwirksam wird. Soweit Brennenstuhl, S. 126 f., darüber hinaus die Ungerechtigkeit der strafrechtlichen Privilegierung des gegenüber einem bösgläubigen Erwerber handelnden Verkäufers anführt, wird man der Nichtgenehmigungsfähigkeit dergestalt Rechnung tragen können, dass im Falle der nachträglichen Billigung mit strafrechtlicher ex-nunc-Wirkung (dazu sogleich unter d) eine Bagatellkonstellation nach § 153 StPO angenommen werden kann. 92 Zur negativen Generalprävention vgl. etwa Lenckner, Strafe, S. 11; Roxin, AT I, § 3 Rn. 11; Weber, in: Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 3 Rn. 36.

204

4. Kap.: Der Zeitpunkt des Konsenses

ligenden nachträglichen Genehmigung die Strafwürdigkeit zu versagen. Denn eine „positive Stabilisierung des Rechtsbewusstseins der Bevölkerung" mit einer „straftatverhindernden Funktion" als „Fernwirkung" 94 ist in den Fällen nicht erforderlich, in denen die Rechtsordnung - als Bezugspunkt des Rechtsbewusstseins - die Möglichkeit vorsieht, das an sich zunächst pflichtwidrige Verhalten des Täters durch die nachträgliche Zustimmung zu einem vom Entscheidungsträger erlaubten Geschehen rückwirkend umzugestalten; insofern ist gar keine andauernde und damit strafbedürftige Destabilisierung eingetreten. Daher kann in diesem Falle, so Weber, „von einer Beunruhigung der Rechtsgemeinschaft nicht mehr gesprochen werden". 95

cc) Spezialpräventive Aspekte Ebenso ließe es sich mit dem Strafzweck der Spezialprävention, den Täter von künftigen Straftaten abzuhalten,96 im Einklang bringen, den Täter trotz seines Treupflichtverstoßes straflos zu lassen, wenn das Opfer nachträglich genehmigt hat. Denn in einem solchen Fall, in dem derjenige, um dessen Schutz es geht, eben das Opfer, 97 sich das Verhalten des Täters durch eine rechtlich vorgesehene Möglichkeit rückwirkend zu eigen macht und zugleich billigt, besteht kein Anlass, präventiv im Hinblick auf künftig denkbare Treupflichtverstöße eine strafrechtliche Sanktion zu verhängen. Das Fehlen eines solchen spezialpräventiven Strafbedürfnisses führt auch nicht zur Schutzlosigkeit potentieller Untreueopfer des Täters. Insbesondere kann es eine Anerkennung eines strafrechtlich bedeutsamen Vertrauens des Täters auf die Erteilung einer ex-tunc wirkenden Genehmigung mit Billigungscharakter nicht geben. Die (irrige) Prognose, der Vermögensinhaber könne möglicherweise das Verhalten des Treunehmers genehmigen, ist völlig unbeachtlich, wenn diese Genehmigung wider Erwarten später nicht erteilt werden sollte. 98 Denn die nachträgliche Genehmigung erfüllt ihren Sinn und Zweck, der wirtschaftlichen Autonomie des Treugebers zu dienen, völlig unabhängig davon, ob der Täter von der Erteilung ausgeht oder nicht. Bei der rückwirkenden Genehmigung mit Billigungscharakter handelt es sich um einen vom persönlichen Verhalten des Täters unabhängigen, allein vom Nachtatverhalten des Opfers geprägten, sachlichen Strafaufhebungsgrund. Dementsprechend spricht nichts dagegen, dass sich auch derjenige, der als Anstifter 93 Dazu und zu den verschiedenen Spielarten der positiven Generalprävention vgl. Roxin, AT I, § 3 Rn. 26 ff. 94 So die Umschreibung bei Weber, in: Baumann / Weber/Mitsch, AT, § 3 Rn. 30. 95 Weber, Fs. Baur, S. 145. 96 Vgl. Lenckner, Strafe, S. 12; Roxin, AT I, § 3 Rn. 11. 97 Bzw. die zur Wahrnehmung der Opferinteressen berufenen Personen. 98 In solchen Fällen kommt aber u. U. ein mutmaßliches Einverständnis bzw. eine mutmaßliche Einwilligung in Betracht; vgl. dazu unten 6. Kapitel A., B. III., IV.

D. Die nachträgliche Zustimmung

205

oder Gehilfe an der Untreue beteiligt war, auf eine solche Genehmigung berufen und nicht wegen Teilnahme bestraft werden kann."

dd) Absolute (retributive) Straftheorien Auch im Lichte einer absoluten Straftheorie, die den Ausgleichs- und Vergeltungscharakter der Strafe in den Mittelpunkt stellt, 100 läßt sich die Straflosigkeit des Täterverhaltens begründen. Denn der Täter hat zwar Unrecht verwirklicht, indem er sich bei der Tatbegehung über seine Bindungen im Innenverhältnis hinweggesetzt und das Opfer geschädigt hat: die in diesen Fällen außerstrafrechtlich begründete Pflichtwidrigkeit im Innenverhältnis ist insofern eine notwendige Bedingung für die Verwirklichung des Missbrauchs wie Treubruchstatbestands. Dabei ist hier jedoch eine Besonderheit zu beachten, die der geläufigen These, wonach im Lichte absoluter Straftheorien dem Nachtatverhalten des Täters oder des Opfers keine Bedeutung beigemessen werden könne, widerspricht: Indem das Handeln nach erfolgter Genehmigung im Sinne der Opferautonomie außerstrafrechtlich so behandelt wird, als sei es von Anfang an gültig, wird wechselbezüglich auch der strafrechtliche Unrechtsgehalt des ursprünglichen Verstoßes gegen die Opferautonomie bildlich gesprochen „nach unten abgesenkt" und, wenn es zugleich den mit einem vorherigen Einverständnis vergleichbaren Billigungscharakter besitzt, in einem Umfang reduziert, dass er unterhalb der Schwelle zum strafwürdigen Unrecht liegt. 1 0 1 Eine ähnliche Wertung wird übrigens auch beim Rücktritt vom Versuch vorgenommen, wo der im Versuch liegende Bruch der Rechtsordnung zwar nicht entfällt, aber so wesentlich abgeschwächt wird, dass auf Strafe verzichtet werden kann. 102 99

Zur entsprechenden Konsequenz bei den sachlichen Strafausschließungsgründen vgl. Maurach/Zipf, AT I, § 35 Rn. 32. 100 Rechtsphilosophisch zurückzuführen auf Kant (dazu Höffe, S. 213 ff. sowie Kühl, Rechtsphilosophie, S. 30 ff.) und Hegel (dazu Mohr, S. 95 ff.). Vgl. auch NK-Hassemer, Vörbem. § 1 Rn. 413 f.: zur Renaissance der absoluten Straftheorie - vor dem Hintergrund zum Teil gescheiterter Resozialisierungskonzepte und zeitlich unbestimmter Strafen - insbesondere in den neuesten „neoklassischen" nordamerikanischen und skandinavischen Strafzwecktheorien, in denen die „Weisheit absoluter Strafbegründung" ,wiederentdeckt' werde, vgl. Hassemer ebd. m. w. N. Zur Reaktualisierung in der deutschen Strafrechtswissenschaft, etwa bei Ernst Amadeus Wolffund Michael Köhler, vgl. Schünemann, Fs. Lüderssen, S. 327 m. w. N. 101 Günther könnte auf der Grundlage seiner Rechtfertigungsdogmatik hier möglicherweise einen sog. „Strafunrechtsausschließungsgrund" annehmen, der nur das strafrechtlich relevante Unrecht beseitigt, ohne damit zugleich der Tat das Prädikat „rechtmäßig" zu verleihen; vgl. SK-Günther, Vor § 32 Rn. 18, 20. Allerdings meint Günther - im hier interessierenden Kontext - in erster Linie Konstellationen der „Rechtfertigungsnähe", spricht aber auch das geminderte Unrecht der tatbestandlichen Verbotsmaterie an (SK-Günther, Vor § 32 Rn. 18), um die es bei einem tatbestandlichen Einverständnis als Vergleichsgröße bei der Untreue eher gehen müsste. 102 V g l . Stratenwerth/Kuhlen,

A T I, § 7 Rn.

30.

206

4. Kap.: Der Zeitpunkt des Konsenses

d) Parallelen zur behördlichen Genehmigung Darüber hinaus fügt sich das hier vertretene Ergebnis harmonisch in vergleichbare Konstellationen behördlicher Genehmigungen ein, wie sie etwa beim Korruptions- und Umweltstrafrecht auftreten können. Dort sind gleichfalls Fälle denkbar, in denen eine Genehmigung vor bzw. während der Tatbegehung zwar nicht erteilt wurde, das Geschehen an sich aber genehmigungsfähig war. Wenn dann der Entscheidungsträger im Nachhinein die Genehmigung erteilt, stellt sich auch hier die Frage, welche Auswirkungen es auf die Strafbarkeit hat und auf welcher verbrechenssystematischen Ebene diese zum Tragen kommen. Zwar sind die Interessenlagen (z. B. Schutz der Umwelt, der staatlichen Integrität usw.) hier vielfach anders als bei der Untreue, aber der normative Ausgangspunkt (Nichterteilung Genehmigung - materielle Genehmigungsfähigkeit - Erteilung einer nachträglichen Genehmigung) ist identisch. So sieht das Strafgesetz selbst in den Fällen der Vorteilsannahme bzw. Vorteilsgewährung ausdrücklich vor, dass der Täter nicht bestraft wird, wenn er gem. §§ 331 Abs. 3 Var. 2, 333 Abs. 3 Var. 2 StGB die Annahme des Vorteils bei der zuständigen Behörde anzeigt und diese die Annahme genehmigt. Sofern es sich nicht um eine vorherige Zustimmung handelt, die nach h. M. Rechtfertigungscharakter besitzt, 103 nimmt im Falle einer nachträglichen Genehmigung die herrschende Meinung zu Recht einen Strafaufhebungsgrund an. 1 0 4 Im Umweltstrafrecht stellen sich entsprechende Fragen bei Konstellationen, in denen der Täter ohne Genehmigung (oder gegen eine vollziehbare Anordnung oder Untersagung) gehandelt hat, aber später eine Genehmigung erteilt wird bzw. hätte erteilt werden müssen (oder der vollziehbare Verwaltungsakt wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben wurde). Hier soll, da ein tatbestandsmäßiges und rechtswidriges Verhalten vorliege, nach der inzwischen wohl herrschenden Ansicht, in der nachträglichen Erteilung der Genehmigung (bzw. Aufhebung des belastenden Verwaltungsakts) ein Strafaufhebungsgrund zur Anwendung gelangen.105

3. Rechtsfolgen bei der nachträglichen Genehmigung ohne Rückwirkung Die nachträgliche Billigung, die allerdings keine außerstrafrechtliche Rückwirkung nach sich zieht und daher nur für die Zukunft wirken kann, kann die durch den vermögensschädigenden Treupflichtverstoß begründete Strafwürdigkeit nicht 103 So die h. M.; vgl. BGH NJW 2002, 2801, 2805; Cramer, in: Schönke/Schröder, § 331 Rn. 46, alle m. w. N. 104 Vgl. Cramer, in: Schönke/Schröder, § 331 Rn. 50; Lackner/Kühl, § 331 Rn. 16; SKRudolphi, § 331 Rn. 50; Tröndle/Fischer, § 331 Rn. 36. 105 Vgl. Winkelbauer, Verwaltungsakzessorietät, S. 65; ders., NStZ 1988, S. 203; Cramer/ Heine, in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 324 ff. Rn. 21.

D. Die nachträgliche Zustimmung

207

aufheben. Sie vermag aber - insofern in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung 106 - die Strafwürdigkeit des verwirklichten Unrechts relativieren. Ein solcher „einverständnisnaher" Fall 1 0 7 kann zum einen auf der Rechtsfolgenseite, namentlich als Faktor im Rahmen der Strafzumessung, positiv zu Gunsten des Täters in Form einer Strafmilderung zu Buche schlagen.108 Zum anderen wird die Staatsanwaltschaft bereits im Rahmen des Ermittlungsverfahrens bzw. das Gericht im späteren Hauptverfahren eine Einstellung des Verfahrens, etwa gem. §§ 153, 153a, 154 StPO, in Betracht ziehen, sofern es sich um einen der dort vorausgesetzten Bagatellfälle handelt.

106 Vgl. die Nachweise in diesem Kapitel zu D. I. 107

Terminologisch angelehnt an den Begriff des „einwilligungsnahen" Sachverhalts, der nach Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 244, vorliegen soll, wenn der Mangel der rechtfertigenden Einwilligung temporärer Natur ist (etwa weil sie nach Tatbegehung erteilt wurde). los

V g l . Brennenstuhl

S. 129 f.

5. Kapitel

Willensmängel, Sittenwidrigkeit und Drittinteressen Erteilt der Dispositionsbefugte seine Einwilligung, so kann sie ihre strafbarkeitsausschließende Wirkung erst dann entfalten, wenn die vorangegangene Willensbildung oder deren Kundgabe in ihren zentralen Momenten nicht mangelbehaftet war. Dementsprechend muss, wie die herrschende Meinung hervorhebt, 1 auch im Rahmen des § 266 StGB das Einverständnis des Treugebers der Ausdruck einer von Willensmängeln unbeeinflussten, wirklich autonomen Entscheidung sein, damit der objektive Tatbestand als nicht verwirklicht angesehen werden kann. Den Arten, Voraussetzungen und Rechtsfolgen dieser Willensdefekte soll im folgenden Abschnitt nachgegangen werden. Geklärt werden soll außerdem im Anschluss daran, ob auch Aspekte der Sittenwidrigkeit oder etwaige Interessen Dritter objektive Beschränkungen für die Wirksamkeit eines Einverständnisses bei der Untreue darstellen.

A. Willensmängel Mit dem Begriff Willensmangel sind solche Beschränkungen der Entscheidungsfreiheit gemeint, die darauf beruhen, dass die Zustimmung durch die Ausübung von Gewalt, die Androhung eines Übels, durch eine Täuschung oder einen dem Treugeber unterlaufenen Irrtum bestimmt oder beeinflusst wurde. 2 Der Terminus entstammt der Dogmatik des Zivilrechts, wo er in den Bereich der Lehre von den Willenserklärungen gehört: 3 Eine Willenserklärung, die auf einem Irrtum oder Erklärungsfehler (§ 119 Abs. 1 BGB), einem Eigenschaftsirrtum (§ 119 Abs. 2 BGB), einer arglistigen Täuschung oder einer Drohung (§ 123 Abs. 1 BGB) beruht, ist für den Betroffenen solange verbindlich, als er sie nicht anficht. Wie bereits oben im Zusammenhang mit der Form des Einverständnisses dargelegt wurde, 4 ist eine (tatbestandsausschließende oder rechtfertigende) Einwilligung in ihrem Wesen freilich 1 BGH NStZ 1997, 124, 125; Seier, in: Achenbach/Wannemacher, S. 43 ff.; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rn. 758. 2 Vgl. auch Rönnau, Willensmängel, S. 187. 3 Vgl. Amelung, Irrtum und Täuschung, S. 1. 4 Vgl. 3. Kapitel A. I.

§ 21 II Rn. 79; Waßmer,

A. Willensmängel

209

- entgegen der früher vorherrschenden Rechtsgeschäftstheorie - nach heutigem Verständnis dem Grundsatz nach keine Willenserklärung, sondern eine genuin strafrechtlich zu definierende Manifestation von Autonomie. Dies schließt es freilich nicht aus, bei einzelnen Aspekten des Einverständnisses, auch hinsichtlich möglicher Willensdefekte, das Strafrecht an die zivilrechtlichen Entscheidungen dort anzunähern, wo die Interessenlage und die Schutzrichtung der Pflichten übereinstimmen.

I. Irrelevanz der dogmatischen Einordnung Für die strafrechtliche Bewertung der Willensmängel kommt der dogmatischen Zuordnung der vorherigen Einwilligung zur Tatbestandsebene des § 266 StGB keine präjudizielle Bedeutung zu.5 Wie bereits angedeutet,6 können die Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Einverständnisses - entgegen Geerds7 - nicht nach einheitlichen Maßstäben für alle Strafvorschriften, in denen die Zustimmung den Tatbestand ausschließt, festgelegt werden.8 Vielmehr müssen sie, wie vor allem Lenckner nachgewiesen hat,9 relativ, d. h. anhand des besonderen Unrechtsgehalts der Vorschrift und der Schutzwürdigkeit des jeweiligen Kreises der Opfer, bestimmt werden. Es würde vielfach zu unbefriedigenden, an der Sache vorbeigehenden Ergebnissen führen, wenn man stets den für die „klassischen" Fälle des Einverständnisses (namentlich die Tatbestände der §§ 123, 242 StGB) entwickelten Grundsatz aufgreifen würde, es komme bei den Willensmängeln lediglich auf ein wie auch immer geartetes - „natürliches" oder „rein tatsächliches"10 Einverständnis an, weshalb Willensmängel stets unbeachtlich seien.11 Gerade im Bereich eines Handelns, dessen Strafbarkeit vielfach vom Verstoß gegen zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Vorgaben abhängt, wie es insbesondere in aller Regel sowohl beim Missbrauchs- wie Treubruchstatbestand der Untreue der Fall ist, bedarf es anderer Maßstäbe als reiner „Faktizität". In diesem Kontext kann die Entscheidung naturgemäß nur anhand in hohem Maße normativ geprägter Kriterien erfolgen. Allein mit Hilfe solcher rechtlich definierter Kennzeichen kann die Grenze zwischen beachtlichen Fehlvorstellungen, Manipulationen, Zwangslagen usw. und solchen Defiziten bei der Entscheidungsfindung und -bildung markiert werden, die als unbeachtlich anzusehen sind und deshalb an der Wirksamkeit des Einverständnisses 5

Ebenso Arzt, Willensmängel, S. 26. 6 Vgl. 3. Kapitel A. III. 2. 7 Geerds, GA 1954, S. 262, 266 ff. 8 So die herrschende Meinung; vgl. Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 32; LK-Hirsch, Vor § 32 Rn. 100, beide m. w. N. 9 Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 9 Rn. 12 zu Lenckner, ZStW 72 (1960), S. 448 ff. 10

So lauten vielfach die verwendeten Begrifflichkeiten; vgl. etwa die aufgeführten Belege bei LK-Hirsch, Vor § 32 Rn. 100. " Geerds, GA 1954, S. 268 f. 14 Schramm

210

5. Kap.: Willensmängel, Sittenwidrigkeit und Drittinteressen

nichts ändern. 12 Nichts anderes meint auch Hillenkamp, wenn er die von Wessels stammende Formulierung aufgreift, wonach bei § 266 StGB die Wirksamkeit eines Einverständnisses im Prinzip nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen ist, wie dies bei einer rechtfertigenden Einwilligung, z. B. in eine Körperverletzung, zu geschehen pflegt . 1 3

II. Gewalt und Drohung Sofern die Einwilligung auf äußerem Zwang beruhte, etwa der Ausübung von körperlicher Gewalt oder der angedrohten Realisierung eines Übels für den Fall, dass die Zustimmung nicht erteilt werde, so muss gefragt werden, welchen Intensitätsgrad dieser Zwang erreicht haben muss, damit von einer unfreien und folglich unwirksamen Einwilligung ausgegangen werden kann.

1. Gewalt Beruhte die Erklärung auf vis absoluta, d. h. unwiderstehlichem Zwang, oder auf vis compulsiva, d. h. einer gegenwärtigen Übelszufügung mit dem Zweck, zu einem bestimmten Verhalten zu motivieren, 14 so schließt dies stets die Wirksamkeit des Einverständnisses aus. Von einer Entscheidung, die Ausdruck persönlicher Autonomie ist, kann bei einer Zustimmung, die mit unwiderstehlicher oder willensbeugender Gewalt erzwungen wurde, naturgemäß keine Rede sein. Wertungsdivergenzen zum Zivilrecht treten dabei nicht auf: Bei vis absoluta liegt von vorneherein keine Willenserklärung vor, weshalb sich die Frage einer Anfechtung gar nicht stellt; so stellt eine durch Führung der widerstrebenden Hand erzwungene Unterschrift keine Willenserklärung des Gezwungenen dar, ebenso nicht ein durch Schläge erzwungenes Wechselakzept.15 Die Konstellationen der vis compulsiva, die im Strafrecht - etwa im Rahmen des § 240 StGB - unter das Merkmal der Gewalt subsumiert wird, 16 werden dagegen im Zivilrecht, soweit ersichtlich, als Fall der Drohung bzw. als das Kennzeichen der Drohung schlechthin angesehen.17

12 Jescheck/Weigend, AT, § 34 I. 2. a); Kühl, AT, § 9 Rn. 44; Wessels / Beulke, AT, Rn. 365. 13 Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rn. 760; ebenso Rengier, BT I, § 18 Rn. 20a. 14

der, 15 16 17

Zu diesen beiden Erscheinungsformen der Gewalt vgl. etwa Eser, in: Schänke /SchröVorbem. §§ 234 ff. Rn. 13, 15; Rönnau, Willensmängel, S. 232. So die Beispiele bei Soergel/Hefermehl, § 123 Rn. 39. Vgl. LK-Träger/Altvater, § 240 Rn. 38 ff.; Wessels/ Hettinger, BT /1, Rn. 396. Vgl. MünchKomm-tframe/; BGB, § 123 Rn. 45.

A. Willensmängel

211

2. Drohung a) Anknüpfung an § 123 BGB Bei der Drohung wäre es denkbar, auf die dogmatischen Grundsätze zu rekurrieren, die im Zivilrecht für die widerrechtliche Drohung als Anfechtungsgrund im BGB, § 123 Abs. 1 BGB, entwickelt wurden. Dies läge auch deshalb nahe, da beim Missbrauchstatbestand im Falle rechtsgeschäftlichen Handelns, aber auch beim Treubruchstatbestand, sofern das Treueverhältnis aufgrund eines Rechtsgeschäfts besteht, das für den Missbrauch bzw. die Treupflichtverletzung im Innenverhältnis maßgebliche Rechtsverhältnis zivilrechtlich zu beurteilen ist. In diesen Konstellationen wird das Einverständnis vielfach, wenngleich nicht immer, zugleich eine Willenserklärung darstellen; ist dies der Fall, kann der Auftraggeber das Innenverhältnis im Falle der Drohung nach § 121 BGB über eine Anfechtungserklärung in der Weise ändern, dass mit Wirkung ex tunc der Rechtszustand, wie er vor der Abgabe der angefochtenen Willenserklärung bestand, wiederhergestellt wird. Doch bleibt zu bedenken, dass die Anfechtungsnormen des BGB besondere Regelungen darstellen, deren Ratio mit derjenigen der Einwilligung nicht übereinstimmen. Die Möglichkeit der Anfechtung bezweckt einerseits den Schutz der zivilrechtlichen Autonomie des Bedrohten; dementsprechend werden von der zivilrechtlichen Rechtsprechung und Literatur schon relativ schwache Formen der Täuschung als ausreichend für eine Anfechtung akzeptiert. Andererseits stellen die Formalien, die dabei zu beachten sind (namentlich die Notwendigkeit einer Anfechtungserklärung), und der Umstand, dass die Drohung die Willenserklärung als solche noch nicht unwirksam macht, zivilrechtliche Sicherungsmechanismen zum Schutz des Vertrauens beim Vertragspartner dar. Im Strafrecht geht es hingegen um den Schutz personaler Freiheit, im Falle des § 266 StGB in Form des (juristischökonomisch beschränkten) Vermögens des Treugebers - und damit um ein genuin strafrechtliches Unwerturteil über den nicht konsensuellen Eingriff in eine fremde Rechtssphäre. Es bedarf darüber hinaus in formaler Hinsicht auch nicht einer wie immer gearteten, der zivilrechtlichen Anfechtungserklärung vergleichbaren „strafrechtlichen Anfechtungserklärung", um im Strafrecht die Einwilligung bei Willensmängeln ihrer Wirksamkeit zu entkleiden: Im Strafrecht muss die Einwilligung zum Tatzeitpunkt feststehen, d. h. das Einverständnis muss von Anfang an wirksam oder ohne Anfechtung unwirksam sein.18 Die zivilrechtlichen Anfechtungsregeln können daher als Maßstab für die strafrechtliche Einwilligung weder hinsichtlich der in ihnen definierten formalen noch inhaltlichen Bedingungen uneingeschränkt analog angewendet werden. Allerdings wird, wenn die Voraussetzungen der widerrechtlichen Drohung als Anfechtungsvoraussetzung gegeben sind, dies ein erster Anhaltspunkt dafür sein, dass sie auch für die strafrechtliche Einwilligung als beachtlich anzusehen sind. Immerhin knüpfen das strafrechtliche Unwerturteil des § 266 StGB und das Gestaltungsrecht des § 123 Abs. 1 BGB beide 18 Roxin,

14*

A T I , § 1 3 R n . 6 8 ; Waßmer,

S. 4 3 .

212

5. Kap.: Willensmängel, Sittenwidrigkeit und Drittinteressen

auf der Opferseite an der drohungsbedingten Verletzung „der freien Selbstbestimmung des Erklärenden" 19 an. Ein bloßer Angriff auf die Dispositionsfreiheit bedeutet allerdings noch keine Verletzung des Rechtsguts Vermögen. 20

b) Notstandsähnliche Lage beim Opfer Von Rudolphi und Joecks ist vorgeschlagen worden, dass die Drohung eine vergleichbare Zwangslage wie diejenige des in einem entschuldigenden Notstand nach § 35 StGB handelnden Täters herbeiführen müsse, um der Einwilligung ihre Wirksamkeit zu nehmen.21 Doch ein Anlass dafür, diese für die rechtfertigende Einwilligung (namentlich für Körperverletzungen) entwickelte Einschränkung 22 auch auf das tatbestandsausschließende Einverständnis bei § 266 StGB zu erstrecken, ist nicht ersichtlich und leuchtet auch bei der rechtfertigenden Einwilligung nicht ein: Bei der tatbestandsausschließenden wie rechtfertigenden Einwilligung geht es meist um den Umgang des Opfers mit seinen eigenen Gütern, d. h. den Konsens mit einer durch einen Dritten (z. B. den Treunehmer) vermittelten Selbstschädigung. Der entschuldigende Notstand betrifft hingegen die ganz andere Situation der Fremdverletzung, 23 d. h. dass jemand wegen der Notlage, in der sich elementare Rechtsgüter seiner selbst oder seiner Sympathieperson befinden, in die Rechtssphäre eines Dritten eingreift und ihm deshalb kein strafrechtlicher Vorwurf gemacht werden kann. 24 Aber auch in den Fällen, in denen der Dispositionsbefugte nicht zugleich der Träger des zu betreuenden fremden Vermögens und u. U. sogar selbst vermögensbetreuungspflichtig ist, 25 „hinkt" diese Analogie: Die Verfügungsmacht ist dann Ausdruck zwar nicht der Identität, aber doch einer engen rechtlichen Verbindung zwischen dem Dispositionsbefugten und dem Vermögen des Treugebers, so dass das Einverständnis auch hier näher an einer Selbstschädigung als einer Fremdschädigung zu lokalisieren wäre. Die zu bewertenden Sachverhalte sind mithin zu unterschiedlich, als dass eine analoge Anwendung des § 35 StGB auf Einwilligungsmängel angezeigt wäre. 26

19 MünchKomm-tfram*?/; BGB, § 123 Rn. 1. 20

Dazu bereits oben 1. Kapitel A. I. 21 So aber Joecks, Vor § 32 Rn. 26. Zu einer weiteren Minderheitsmeinung, die auf § 34 StGB abstellen will, vgl. die Nachweise bei Rönnau, Willensmängel, S. 438 und Lenckner, in: Schänke/ Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 48. 22 Vgl. etwa Kühl, AT, § 9 Rn. 36. 23 Vgl. auch Rönnau, Willensmängel, S. 437. 24 Kühl, AT, § 12 Rn. 26. 2

5 Etwa im Verhältnis der Eltern zum Kindesvermögen oder eines Organs zum Vermögen der juristischen Person. 2 6 Rönnau, Willensmängel, S. 437.

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A. Willensmängel

c) Nötigung als Maßstab Nicht ganz unproblematisch ist auch die von der herrschenden Meinung 27 favorisierte Anknüpfung an § 240 StGB. Danach soll die Einwilligung erst dann unwirksam sein, wenn sie auf einem Nötigungserfolg beruht, d. h. der Zustimmende zum Opfer einer „Drohung mit einem empfindlichen Übel" (einschließlich der Verwerflichkeit nach § 240 Abs. 2 StGB) geworden ist. 28 Doch wird im Rahmen des § 240 StGB bei der Empfindlichkeit des angedrohten Übels in einer eher objektiven Betrachtungsweise darauf abgestellt, ob das Opfer der Drohung nicht in „besonnener Selbstbehauptung" standhalten kann. 29 Bei der Einwilligung kommt es aber nicht auf die Zumutbarkeit von Widerstand oder generalisierende Maßstäbe, sondern vielmehr darauf an, ob das konkrete Opfer das angekündigte Geschehen als Übel empfindet: ist es etwa (z. B. wegen Altersgebrechlichkeit oder einer Krankheit) ungewöhnlich überängstlich oder überdurchschnittlich wagemutig, so muss sich dies auch beim Einverständnis entsprechend auswirken. 30 Darüber hinaus geht es bei § 240 StGB darum, ein mit einer strafrechtlichen Sanktion versehenes Unwerturteil über Beeinträchtigungen abzugeben, welche die Freiheit der Willensbetätigung bzw. -bildung betreffen. Das Einverständnis hingegen hat einen anderen objektiven, teleologischen Bezugspunkt und betrifft die Willensbildung hinsichtlich der Preisgabe des jeweilig tatbestandsspezifischen Rechtsguts wie etwa dem Vermögen. 31 Wegen dieser auf das jeweilige Individuum zugeschnittenen Bestimmung des Übels sowie des anderen rechtsgutsbezogenen Bezugspunkts erscheint deshalb allenfalls eine Anlehnung an die Nötigungsmittel des § 240 angezeigt, aber deren uneingeschränkte Übertragung auf die Willensmängel bei einem Einverständnis bzw. der Einwilligung nicht gänzlich überzeugend. 32 Daher kann auch bei einer Drohung unterhalb der Schwelle zum § 240 StGB ausnahmsweise ebenfalls ein Einverständnis unwirksam sein, sofern das in Aussicht gestellte Übel die vermögensbezogene Entscheidungsfreiheit nicht unerheblich und widerrechtlich beeinträchtigt hat. 33

27 So etwa OLG Hamm NJW 1987, 1034; LK-Hirsch, Vor § 32 Rn. 120; Roxin, AT I, § 13 Rn. 87; weitgehend auch Rönnau, Willensmängel, S. 438. 28 Vgl. Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 48. 29 Vgl. Küper, BT, S. 100; vermittelnd Weber, in: Arzt/Weber, BT, § 9 Rn. 49. Die Rechtsprechung stellt seit einiger Zeit darauf ab, ob „von diesem Bedrohten in seiner Lage erwartet werden kann, dass er der Bedrohung in besonnener Selbstbehauptung" standhält; vgl. die Nachweise bei Küper a. a. O. 30 Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 48. 31 Ähnlich Lenckner, in: Schönke /Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 48: Es gehe nicht um die Straftatbestandsmäßigkeit einer Drohung, sondern um die Wirksamkeit der Einwilligung. 32 Krit. auch Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 17 Rn. 107, der stattdessen auf die Rechtswidrigkeit des angedrohten Übels abstellen will, dabei aber offenläßt, welche Rechtswidrigkeit er meint. 33 Mitsch,

i n : Baumann/Weber/Mitsch,

A T , § 17 R n .

107.

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5. Kap.: Willensmängel, Sittenwidrigkeit und Drittinteressen

Freilich wird man ein drohungsbedingtes Einverständnis zumindest dann für unbeachtlich erklären, wenn durch die Drohung der Tatbestand der Nötigung verwirklicht wird sowie die Verwerflichkeit der Tat nach § 240 Abs. 2 StGB feststeht. Dann sieht das Strafrecht die Entscheidungsfreiheit des betroffenen Opfers in einem so beträchtlichen Ausmaß als verletzt an, dass konsequenterweise strafrechtlich auch von einem autonomen Einverständnis nicht mehr ausgegangen werden kann. 34 Unter dem Blickwinkel des § 240 StGB und damit unter demjenigen des § 266 StGB liegt kein wirksames Einverständnis vor, wenn z. B. der Vermögensverwalter die Einwilligung in ein Spekulationsgeschäft erreicht, in dem er dem Treugeber mit einer Strafanzeige wegen Steuerhinterziehung droht. 35

III. Täuschung Als eine weitere, von einem Willensmangel beeinflusste Entscheidung kommt sodann die durch eine Täuschung erschlichene Zustimmung in Betracht. Täuschung bedeutet: Der Treunehmer oder ein Dritter ruft entweder durch aktives Tun, in Form einer Desinformation, beim Dispositionsbefugten ein fehlerhaftes Vörstellungsbild hervor oder er unterlässt es trotz einer bestehenden Aufklärungspflicht zielgerichtet, einen bereits vorhandenen Irrtum des Dispositionsbefugten zu beseitigen bzw. bei ihm die Entstehung eines solchen zu verhindern. Insofern handelt es sich bei der Täuschung letztlich um einen Unterfall des irrtumsbedingten Willensmangels, der sich dadurch auszeichnet, dass es der Treunehmer ist, der den Irrtum des Treugebers verursacht und sich dadurch als Täuschender zum „Herrn über die Einwilligung aufwirft". 36

1. Gegenstand des täuschungsbedingten Irrtums Da ein Geschehen sehr viele Facetten des Tatsächlichen aufweisen und dementsprechend über zahlreiche Aspekte eines Vorgangs getäuscht werden kann, ist zunächst die Frage aufzuwerfen, auf welche der Zustimmung zugrunde liegenden Umstände sich die Täuschung beziehen muss. Einigkeit herrscht dabei insoweit, als eine die Wirksamkeit einer Einwilligung ausschließende Täuschung zumindest dann vorliegt, wenn der Getäuschte sich gar nicht darüber im Klaren ist, dass er sein Rechtsgut überhaupt - bei § 266 StGB sein ganzes Vermögen oder Teile davon - preisgibt. 37 Wenn also etwa der Treugeber 34 So etwa Waßmer, S. 46. 35 Bsp. von Waßmer, S. 46. 36 Amelung, Irrtum und Täuschung, S. 72. 37 Vgl. Jakobs, AT, 7 /117: Irrtum „über das Ob" der durch die Eingriffshandlung mit dem Gut stattfindenden nachteiligen Veränderung.

A. Willensmängel

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auf Veranlassung des Treunehmers gutgläubig seine Unterschrift unter ein angebliches Glückwunschschreiben zum Geburtstag setzt, das in Wahrheit ein vermögensschädigender Vertrag (z. B. ein Schuldversprechen oder -anerkenntnis nach §§ 780, 781 BGB) ist, der Treunehmer ihn somit über den vermögensschädigenden oder -gefährdenden Charakter der Unterschrift im Unklaren läßt, so ist das treuwidrige Verhalten nicht durch die Zustimmung seiner Pflichtwidrigkeit enthoben.38 Ebenso besteht Konsens darüber, dass solche Täuschungen einwilligungshindernd sind, die zur Unkenntnis über Bedeutung, Tragweite und Auswirkungen des Rechtsgutsverzichts führen. Für die Untreue heißt dies, dass dann das Einverständnis unwirksam ist, wenn das Opfer sich zwar über die Vermögensrelevanz der Entscheidung im Klaren ist, es aber nicht die Dimensionen überschaut, namentlich dass es durch sein Einverständnis zu einem Verlust oder einer Gefährdung seines Vermögens beiträgt. Dies ist etwa der Fall, wenn der Treunehmer über die Risiken eines Rechtsgeschäfts täuscht, z. B. vorsätzlich den Marktwert eines in Wahrheit insolvenzgefährdeten Unternehmens, für das er Anteile kauft, zu hoch veranschlagt und sich dadurch das Einverständnis des Treugebers zu dem fraglichen Kauf erschleicht.

2. Rechtsgutsbezogene „Motiv"irrtümer Problematisch sind aber solche Konstellationen, in denen das Opfer sehr wohl um den vermögensschädigenden Charakter seiner Handlung weiß, es aber über die Begleitumstände oder die Motive, die mit seiner Zustimmung verfolgt wurden, getäuscht wurde. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn der Geschäftsführer einer GmbH die Zustimmung der Gesellschafter einholt, um sich selbst im Namen der Firma ein zinsloses Darlehen zu gewähren, weil er damit angeblich einen Studienaufenthalt seiner Tochter im Ausland finanzieren, er sich aber in Wahrheit von dem Betrag einen neuen Sportwagen kaufen will. Oder der Geschäftsführer bringt die Gesellschafter dazu, einer Spende des Unternehmens an eine gemeinnützige Organisation, etwa einen Sportverein, zuzustimmen, weil dieser Verein Not leidend sei und das Geld dringend benötige; tatsächlich handelt es sich dabei aber um einen prosperierenden, wirtschaftlich erfolgreichen Verein, der eine solche Spende zwar gut gebrauchen kann, aber nicht für das Überleben benötigt. Wer der Ansicht folgt, jeder Irrtum, der dem Dispositionsbefugten aufgrund Täuschung unterlaufe, also auch der Motivirrtum, sei beachtlich, sofern dieser tum kausal für die Einwilligung wurde, muss in den eben genannten Fällen Einwilligung jede tatbestandsausschließende Wirkung versagen.39 Nach der

der Irrder Ge-

38 Hier kommt darüber hinaus ein (versuchter) Betrug in Betracht. Zur Tateinheit zwischen Betrug und Untreue, wenn eine Untreue mit den Mitteln des Betrugs begangen wird, vgl. Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 54.

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5. Kap.: Willensmängel, Sittenwidrigkeit und Drittinteressen

genansicht, die von Arzt begründet wurde 40 und zahlreiche Anhänger gefunden hat, soll eine Täuschung erst dann vorliegen, wenn sie zu einem rechts gutsbezogenen Irrtum, etwa über Art, Bedeutung, Ausmaß oder Tragweite des Vermögensverlustes, führt; Motivirrtümer dagegen seien grundsätzlich unbeachtlich. Die Problematik wird vor allem im Zusammenhang mit dem Straftatbestand der Körperverletzung diskutiert, in denen Fälle denkbar sind, dass sich jemand über die Bedeutung des körperlichen Eingriffs gänzlich im Klaren ist, er aber über ein Motiv, das ihn zur Zustimmung der Verletzungshandlung veranlasst hat, getäuscht wurde. 41 Bei der Untreue hingegen relativiert sich die Bedeutung dieser dogmatischen Kontroverse doch erheblich. Denn zum Rechtsgut Vermögen in seiner juristischökonomischen Ausprägung mit personalen Bezügen, wie die herrschende Meinung das Vermögen zu Recht versteht, 42 gehören in bestimmten Konstellationen auch diejenigen Zwecke, die der Vermögensinhaber mit seinem Kapital usw. verfolgen möchte. Folgerichtig kann auch ein Schaden i. S. d. § 266 StGB vorliegen, wenn der Treunehmer andere, vermögensrelevante Zwecke verfolgt, als der Treugeber sich das vorgestellt hat, mag auch das vorgenommene Geschäft summa summarum, rein wirtschaftlich gesehen, keinen Nachteil für ihn gebracht haben oder ein Vorteil gar nicht angestrebt gewesen sein. Man denke beispielsweise an die Fälle des individuellen Schadenseinschlags, wo eine Leistung zwar rechnerisch gleichwertig ist, aber nicht den individuellen Bedürfnissen des Betroffenen entspricht und deshalb vielfach ein Schaden bejaht werden kann. 43 Aber auch an den Anwendungsbereich der Zweckverfehlungslehre ist zu erinnern, d. h. an solche Sachverhalte, in denen von vorneherein keine vollwertige Gegenleistung erwartet, aber der damit verfolgte Zweck, etwa ein gemeinnütziges, karitatives oder altruistisches Ziel, nicht erreicht wurde. 44 Auch die zweckwidrige Verwendung öffentlicher Mittel gehört hierher. 45 Somit geht die Rechtsordnung selbst, wenngleich in gewissen Grenzen, davon aus, dass auch die Motive des Vermögensinhabers, die ihn zu einem bestimmten Einsatz seiner Mittel veranlasst haben, nicht nur zivilrechtlich, sondern auch strafrechtlich schützenswert sind. Bezieht man demnach mit der herrschenden Meinung 39 So etwa Amelung, Irrtum und Täuschung, S. 72 ff.; LK-Hirsch, Vor § 32 Rn. 19; Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 17 Rn. 109; Rönnau, Willensmängel, S. 430 ff. 40 Arzt, Willensmängel, S. 17. 41 Dazu etwa Kühl, AT, § 9 Rn. 37 ff. 42 Vgl. dazu 1. Kapitel A. I. 43 Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 266 Rn. 43; LK-Schünemann, § 266 Rn. 142. 44 Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 266 Rn. 43; Wessels/Hillenkamp, BT/2, Rn. III. anders LK-Schünemann, § 266 Rn. 142, der zum gleichen Ergebnis kommt, dies aber nicht als Problem des Schadensbegriffs, sondern als „die nach viktimodogmatischen Maximen zu beurteilende Relevanz des Motivirrtums bei einer bewussten Selbstschädigung" annimmt. 45 BGH NStZ 1984, 550; Schmidt-Hieber, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 32 Rn. 5.

A. Willensmängel

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die Verfolgung altruistischer Zwecke in den Vermögensbegriff ein, so ist es nicht überzeugend, zu behaupten, dass die Täuschung über einen altruistischen Zweck die Wirksamkeit der Einwilligung nicht berühre, weil kein rechtsgutsbezogener Irrtum vorliege. 46 Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass erst (oder: bereits) dann eine einwilligungshindernde Täuschung vorliegt, wenn der Treunehmer diejenigen Zwecke oder besondere Interessen verfehlen würde, die auch in solchen Fällen vermögensschadensrelevant sind, in denen der Täter gar nicht den Versuch unternommen hat, sein Opfer zu täuschen und dessen Einverständnis zu erschleichen. Es ist in diesem Bereich kein Grund für eine Ungleichbehandlung von nicht konsensuellen und täuschungsbedingt konsensuellen Treupflichtverstößen ersichtlich. Es würde vielmehr einen nicht einleuchtenden Weitungswiderspruch bedeuten, wenn innerhalb eines erschlichenen Einverständnisses solche Motive und individuelle Bedürfnisse des Betroffenen als strafbarkeitsausschließend (weil die Wirksamkeit der Einwilligung nicht beseitigend) angesehen würden, deren Verfehlung umgekehrt gerade einen Schaden darstellen würde, wenn der Täter keine Einwilligung eingeholt und pflichtwidrig gehandelt hat. Anders formuliert: die Täuschung über solche subjektiven Zielsetzungen und Bedürfnisse des Vermögensinhabers ist beachtlich i. S. v. die Wirksamkeit eines Einverständnisses ausschließend, soweit diese subjektive Momente auch in den Schutzbereich des strafrechtlichen Vermögensbegriffs fallen. Falls sich der Treunehmer etwa, um die obigen Beispiele wieder aufzugreifen, die Zustimmung zu einer Spende erschleicht, die ohne ein Einverständnis treupflichtwidrig wäre und nach den Grundsätzen der Zweckverfehlungslehre auch einen Vermögensnachteil begründen würde, so fehlt es an einem wirksamen tatbestandsausschließenden Einverständnis, wenn der Treugeber über den wahren Zweck der Spende getäuscht wurde. Ebenso muss einem durch Täuschung erlangtem Einverständnis die Wirksamkeit versagt werden, das sich auf eine Maßnahme bezieht, deren Aufwand zwar zu einem wirtschaftlich gleichwertigen Vermögenszuwachs führt, aber den individuellen Bedürfnissen des Treugebers eklatant widerspricht. Ein Beispiel hierfür wäre es, wenn der Treugeber aufgrund falscher Angaben zum tatsächlichen Repräsentationsbedürfnis (z. B. hinsichtlich einer Geburtstags- oder Weihnachtsfeier) die Zustimmung zu einem völlig übertriebenen Repräsentationsaufwand erteilt; oder: wenn das Plazet zum Kauf einer technischen Ausrüstung (z. B. Computerausstattung) gegeben wird, die das Unternehmen in Wahrheit, entgegen den Angaben des Treunehmers, gar nicht oder nicht in diesem Ausmaß benötigt. Diffiziler sind diejenigen Fälle, in denen der Treugeber ökonomische und altruistische Zwecke gleichzeitig verfolgt. Man denke etwa an den von Waßmer gebildeten Fall eines Einverständnisses, in dem der Vermögensverwalter dem Treugeber erklärt, dass Warentermingeschäfte mit Kaffeebohnen ethisch unbedenklich seien, da die gegebenenfalls entstehenden Verluste den Erzeugern in der Dritten 46 So aber

Waßmer,

S. 45.

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5. Kap.: Willensmängel, Sittenwidrigkeit und Drittinteressen

Welt als Gewinne zugute kämen; in Wahrheit fallen diese aber bei einigen wenigen Spekulanten in den Industrieländern an. 47 Ein weiteres Beispiel wäre das Einverständnis in eine Vermögensanlage, hinsichtlich derer der Treunehmer vorgibt, das Geld in Ethikfonds anzulegen, die angeblich gezielt in ökologische Projekte investieren; in Wahrheit enthalten die Öko-Fonds aber auch Aktien umweltgefährdender Erdöl-, Atomenergie- und Chemieunternehmen.48 In beiden Fällen darf der Zweckverfehlungsgedanke, der nur ausnahmsweise zur Schadensbegründung herangezogen werden kann, nicht zur Regel gemacht werden. Andernfalls würden die ökonomischen Interessen, d. h. die Absicht des Anlegers auf Gewinnerzielung, zu einem sekundären Moment herabgestuft, obwohl sie ein primäres oder doch zumindest gleichrangiges Ziel der Vereinbarung bildet. Hierbei ist genau zwischen der Treupflichtverletzung und dem Vermögensschaden zu differenzieren: 49 Zwar kann davon ausgegangen werden, dass die ethische Ausrichtung eines Fonds auf dem Wertpapiermarkt durchaus ein wertbildender und kursrelevanter Faktor ist, weshalb der Treunehmer in beiden Fällen über vermögensrelevante Umstände, nämlich über im Anlagengeschäft verkehrswesentliche, wertbildende Eigenschaften täuscht. Er kommt somit nicht seiner aus dem Innenverhältnis resultierenden Pflicht zur wahrheitsgemäßen Information des Treugebers nach. 50 Deshalb kann auch kein wirksames Einverständnis des Treugebers vorliegen, 51 da in solchen Fällen nicht mehr von einer autonomen Entscheidung gesprochen werden kann, sondern die Vermögensdisposition heteronom bestimmt ist. So lange diese Aktiengeschäfte unter ökonomischen Gesichtspunkten per saldo aber keinen Vermögensverlust des Treugebers auslösen, der Treugeber also mit den „schmutzigen" Fonds einen Gewinn oder zumindest keinen Verlust erzielt, liegt darin kein Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB. Würde man das Verfehlen der in den eben genannten Beispielen genannten ökologischen oder „entwicklungspolitischen" Ziele doch als Vermögensschaden einstufen wollen, liefe dies im Ergebnis darauf hinaus, letztlich doch die bloße Dispositionsfreiheit zum Rechtsgut zu erheben, wodurch, wie bereits dargelegt, 52 die Konturen des Tatbestands gänzlich zu zerfließen drohen.

3. Sonstige Motivirrtümer Soweit allerdings die Motive zu dem Kreis der Zwecke gehören, die nicht dem strafrechtlichen Vermögensbegriff zugeordnet werden können, bieten sich für täuschungsbedingte Irrtümer drei Lösungen an, die von der rechtfertigenden Einwil47 Waßmer, S. 45. 48 Ebenfalls ein Beispiel von Waßmer, S. 45. 49 Dazu bereits oben 1. Kapitel A. I. 50

Vgl. etwa die Auskunftspflicht bei entgeltlichen Geschäftsbesorgungen nach §§ 675, 667 BGB. 51 Anders Waßmer, S. 45. 52 Vgl. dazu 1. Kapitel A. I.

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ligung bekannt sich: man erklärt schlechthin jeden Motivirrtum für bedeutsam;53 man hält jeden Motivirrtum für unerheblich; 54 oder man versagt erst dann der Einwilligung die Wirksamkeit, wenn beim Einwilligenden eine nötigungsähnliche Situation vorgelegen hat, d. h. er sich zur Erteilung der Zustimmung genötigt gesehen hat, weil ohne diese Zustimmung ein aus seiner Sicht empfindliches Übel eingetreten wäre. 55 Die letztgenannte Ansicht verdient den Vorzug, da sie die Kongruenz mit der Lösung der nötigungsbedingten Willensmängeln Gewalt und Drohung und damit eine in der Sache gebotene Gleichbehandlung vergleichbarer Autonomiebeeinträchtigungen wahrt. Man stelle sich etwa vor, dass beispielsweise ein GmbH-Geschäftsführer die Gesellschafter dazu bewegt, ihre Zustimmung zur Veräußerung eines wertvollen Grundstücks zu erteilen, weil er wahrheitswidrig behauptet, dass andernfalls die Verbindlichkeiten des Unternehmens nicht beglichen werden könnten und die Insolvenz drohe. Sofern diese Ankündigung eine drohungsähnlichen Zwangssituation bei den Gesellschaftern auslöst, kann ihrer Zustimmung keine tatbestandsausschließende Bedeutung beigemessen werden. Das gleiche gilt für den Fall, dass ein Vermögensverwalter einen Geldanleger dadurch unter Druck setzt, in dem er ihm wahrheitswidrig erklärt, dass hochbrisante Devisentermingeschäfte zur Absicherung von bestehenden Warenterminkontrakten erforderlich seien.56 Sonstige Motivirrtümer, die nicht in den rechtsgutsbezogenen Schutzbereich des § 266 StGB fallen, bleiben dagegen unbeachtlich, lassen sie doch die Autonomie hinsichtlich der Verfügung über das Vermögen unangetastet. Gibt sich beispielsweise der Vermögensverwalter als Mitglied einer schlagenden Verbindung zu erkennen, während er in Wirklichkeit niemals in einer Studentenverbindung war, so berührt dieser Umstand die Wirksamkeit der Einwilligung nicht, da zwar die fachliche Qualifikation in Vermögensangelegenheiten, nicht aber die Zugehörigkeit zu einer solchen Vereinigung in aller Regel für die Verwaltung fremden Vermögens rechtlich erheblich ist. 57

4. Täuschung durch Unterlassen Sofern der Treunehmer dem Dispositionsbefugten beim Einholen des Einverständnisses rechtsgutsbezogene Aspekte seines Vorgehens mit Tauschungsabsicht 53 So Amelung, Irrtum und Täuschung, S. 36-44; Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 17 Rn. 109; LK-Hirsch, Vor § 32 Rn. 118. 54 So Arzt, Willensmängel, S. 19-24. 55 So, allerdings teilw. mit Unterschieden in der Behandlung bestimmter Spezialfälle der Körperverletzung, Kühl, AT, § 9 Rn. 39; Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 47; Roxin, AT I, § 12 Rn. 74. 56 Bsp. von Waßmer, S. 46. 57 Ähnliches Beispiel bei Waßmer, S. 44.

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5. Kap.: Willensmängel, Sittenwidrigkeit und Drittinteressen

vorsätzlich verschweigt, mangelt es der Zustimmung ebenfalls an tatbestandsausschließender Kraft. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Treunehmer bereits kraft seines Treueverhältnisses in der Regel eine entsprechende Aufklärungspflicht besitzt, wenn man, wie hier, die Treupflicht bei der Treubruchsvariante als eine besonders qualifizierte Garantenbeziehung versteht, die den Charakter einer Geschäftsbesorgung tragen muss.58 Dann trifft den Treunehmer nicht nur eine Unterlassungspflicht, d. h. alles zu unterlassen, was das Vermögen des Treugebers schädigt, sondern zugleich eine Handlungspflicht, d. h. Handlungen vorzunehmen, mit denen den Vorgaben aus dem Innenverhältnis Genüge getan wird. Allerdings bemisst sich das „Ob" und „Wie" der gebotenen Aufklärung nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, wie im Folgenden beim Irrtum durch Unterlassen darzule59

gen ist.

IV. Irrtum 1. Inhalts-, Erklärungs-, Eigenschaftsirrtümer Ein Inhaltsirrtum i. S. d. § 119 Abs. 1 Var. 1 BGB oder ein Erklärungsirrtum nach § 119 Abs. 1 Var. 2 BGB sind als Willensmängel einzustufen, die Bedeutung auch für das strafrechtliche Einverständnis erlangen. 60 Beruht der Irrtum auf anderen Gründen, etwa auf einem Eigenschaftsirrtum i. S. d. § 119 Abs. 2 BGB, kann nichts anderes gelten, sofern solche Eigenschaftsirrtümer sich auf die marktwertbildenden Faktoren, etwa eines zu erwerbenden oder zu veräußernden Gegenstands, erstrecken. Voraussetzung ist hierbei freilich wie bei der Täuschung, dass es sich um rechtsgutsbezogene Fehlvorstellungen handelt, da kein Grund für eine abweichende Behandlung der beiden Willensmängel ersichtlich ist. 61 Zu solchen Fehlvorstellungen mit Rechtsgutsbezug können beim Irrtum, ebenso wie bei der Täuschung, allerdings auch Motivirrtümer und damit auch die genannten Eigenschaftsirrtümer nach § 119 Abs. 2 BGB zählen, sofern man diese überhaupt als Motivirrtümer einstufen kann, was zivilrechtlich umstritten ist. 62 Klärungsbedürftig ist jedoch, ob ein solcher Irrtum per se zur Unwirksamkeit des auf ihm beruhenden Einverständnisses führt. Hierbei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die übrige Rechtsordnung vielfach, so z. B. auch das Umweltstrafrecht (vgl. § 330 d Nr. 5 StGB) 63 und das Zivilrecht (§119 BGB einerseits, § 123 BGB andererseits), 64 den Irrenden schwächer schützt als denjenigen, der, manipu58 Vgl. 1. Kapitel A. III. 1, 2. 59 Dazu sogleich 5. Kapitel B. IV. 3. 60 Lenckner, in: Schänke /Schröder,

Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 46; Waßmer, S. 45.

61 Waßmer, S. 45. 62 Zur Darstellung des Streitstands vgl. etwa Medicus, AT, Rn. 767. 63 Ein Irrtum der Genehmigungsbehörde ist im Katalog des § 330 d StGB nicht genannt.

A. Willensmängel

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liert durch eine Drohung oder Täuschung, seinen verfälschten Willen kundtut. Sodann könnte auch das Verantwortungsprinzip für eine unterschiedliche Bewertung sprechen: Solange der Treunehmer nicht den Willensmangel zurechenbar herbeigeführt hat, dieser also allein auf einer fehlerhaften Willensbildung im Bereich des Opfers beruht, mag man zu dem Schluss kommen, einen tatbestandsrelevanten objektiven Treupflichtverstoß des Treunehmers auszuschließen, d. h. dem Einverständnis nicht die Wirksamkeit abzusprechen.65 Gleichwohl führt kein Weg daran vorbei, dass in diesen Fällen das Einverständnis nicht dem wahren Willen des Betroffenen entspricht und deshalb auch nicht Ausdruck seiner Autonomie ist. 66 Das auf einem Irrtum beruhende Einverständnis ist somit doch als unwirksam und damit nicht den objektiven Tatbestand ausschließend anzusehen.67

2. Unrichtige persönliche Beurteilungen Ausnahmsweise ist ein Einverständnis trotz eines rechtsgutsbezogenen Irrtums, der dem Treugeber unterläuft, tatbestandsausschließend, sofern es sich um eine Fehlvorstellung handelt, die auf einer unrichtigen persönlichen Beurteilung beruht, 68 die im ausschließlichen Verantwortungsbereich des Opfers liegt. In der Sache handelt es sich bei diesen persönlichen Bewertungsfehlern um Motivirrtümer, die zivil- 6 9 wie strafrechtlich grundsätzlich allein in der Risikosphäre des Erklärenden wurzeln. Man denke etwa an ein hochriskantes Spekulationsgeschäft, dessen Gefährlichkeit der Treugeber trotz Kenntnis aller Umstände unterschätzt: Nimmt hier der Treunehmer mit Einverständnis des Treugebers dieses Risikogeschäft vor, so bedeutet dies keine Untreue, da der Treugeber dann nach der Art eines Spielers sein Vermögen bewusst aufs Spiel gesetzt hat. Auch hier ist es, wie beim nicht täuschungsbedingten Irrtum, das Verantwortungsprinzip, in dessen Lichte der Willensmangel objektiv als ein der Sphäre des Opfers zurechenbarer Willensmangel erscheint und deshalb die auf einer subjektiven Fehleinschätzung beruhende Zustimmung als tatbestandsausschließend anzusehen ist.

64 Bei Erklärungs- und Inhaltsirrtum: unverzügliche Anfechtung (§121 BGB), Haftung des Anfechtenden wegen negativem Interesse (§ 122 BGB). Bei Täuschung oder Drohung: großzügigere Anfechtungsfrist (§ 124 BGB), Haftung des Drohenden usw. z. B. aus c. i. c. und unerlaubter Handlung. 65 Kühne, JZ 1979, S. 244; Roxin, AT I, § 13 Rn. 79. 66 Ähnlich Amelung, Irrtum und Täuschung, S. 47: Kein „Abbild der Wertentscheidung" des Einwilligenden. 67 Ebenso Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 46; Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 9 Rn. 27. - Zu den Konsequenzen für den Vorsatz des Treunehmers vgl. sogleich 5. Kapitel A. IV. 68 Vgl. Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 46; Waßmer, S. 45. 69 V g l . Larenz/Wolf,

AT, § 3 6 R n . 9.

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5. Kap.: Willensmängel, Sittenwidrigkeit und Drittinteressen

3. Irrtümer aufgrund unterlassener Aufklärung Besondere Bedeutung erlangen Irrtümer, die auf einer fehlerhaften oder unterbliebenen Aufklärung durch den Treupflichtigen beruhen, sofern er rechtlich dazu verpflichtet ist, 70 er mithin rechtlich für den Defekt zuständig ist. 71 Dem Treugeber muss grundsätzlich die Art, Bedeutung und Tragweite der Maßnahme, die der Treunehmer vornehmen will, erkennbar sein, damit er in den Stand versetzt wird, das Für und Wider einer von ihm erteilten Zustimmung abzuwägen. Wegen der zwischen dem Treugeber und Treunehmer bestehenden Sonderbeziehung in Form des Treueverhältnisses wird der Treupflichtige vielfach nicht einfach auf das Vorliegen eines Einverständnisses vertrauen dürfen, sondern aktiv zu einer fehlerfreien Willensbildung beitragen müssen. Man denke hier nur an einen Notar, der die Beteiligten eines von ihm beurkundeten Rechtsgeschäfts über die Bedeutung und Tragweite ihrer Entscheidung zu belehren hat. 72 Für die Entscheidung, welche Aufklärung geleistet werden muss, können unterschiedliche Momente von Bedeutung sein. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Dimension der Maßnahme wird die Aufklärungspflicht umso umfassender sein, je größer das Risiko - die Misserfolgsgefahr - ist, das mit der fraglichen Maßnahme verbunden ist. Ähnliches gilt bei wirtschaftlicher Unerfahrenheit des Treugebers: Je weniger geschäftliche Praxis der Treugeber aufweist, desto umfangreicher muss er über die geschäftlichen Folgen und Risiken des Eingriffs informiert werden. Allerdings ist eine weitergehende Aufklärung entbehrlich, wenn der Treugeber eigene Sachkunde besitzt, d. h. anderweitig hinreichend informiert ist, etwa aufgrund eigener Ausbildung in Vermögensangelegenheiten oder infolge der Konsultierung anderer, fachkundiger Personen. Einer Aufklärung bedarf es außerdem dann nicht, wenn der Treugeber erkennbar darauf verzichten will, mithin ein sog. Aufklärungsverzicht vorliegt. Freilich darf ein solcher Verzicht nicht aus einem besonders vertrauensseligen, unterwürfigen oder schüchternem Verhalten des Treugebers hergeleitet werden.

V. Auswirkungen von Willensmängeln auf den Vorsatz Wendet der Treunehmer Drohung, Zwang oder Täuschung an, um das Einverständnis des Treugebers zu erlangen, so ist dessen Zustimmung, wie oben ausgeführt wurde, von vorneherein unwirksam. Dass der kundgegebene Wille ver70 Hierbei lassen sich Grundsätze aufstellen, die aus anderen Einwilligungssituationen mit vergleichbaren Interessenkonflikten und einem Gefälle zwischen dem Wissen des Treunehmers und demjenigen des Treugebers bekannt sind; man denke etwa nur - unbeschadet aller großen Unterschiede im Tatsächlichen - an den Komplex der Aufklärungspflichten im Bereich des ärztlichen Heileingriffs; vgl. Roxin, AT I, § 13 Rn. 80. 71 Vgl. auch Jakobs, AT, 14/8. 72 Vgl. etwa den Fall BGH NJW 1990, 3219.

B. Sitten Widrigkeit

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fälscht ist und nicht dem wahren Willen des Betroffenen entspricht, weiß der Treupflichtige; ein Vertrauenstatbestand, der eine davon abweichende Betrachtung zuließe, wurde somit nicht geschaffen. Der Treunehmer begeht dann einen vorsätzlichen Treupflichtverstoß, wenn er trotz der von ihm zu verantwortenden Unbeachtlichkeit des Einverständnisses die fragliche Maßnahme durchführt. Nicht anders verhält es sich beim täuschungsbedingten Irrtum: Hier wird die fehlerbehaftete Zustimmung nicht erst in solchen Fällen unwirksam, in denen der Täter den Irrtum erkennt und ihn rechtsmissbräuchlich ausnutzt,73 sondern bereits mit der irrtumsbehafteten Kundgabe der Zustimmung. Sobald der Treupflichtige erkennt, dass dem Treugeber ein Irrtum unterlaufen ist, muss er ab diesem Zeitpunkt im Einklang mit dem wahren Willen des Treugebers handeln, d. h. er darf dann, soweit möglich, die in Wahrheit gar nicht konsensuelle Tat nicht ausführen bzw. muss die weitere Ausführung der Tat stoppen und den Betroffenen fragen, ob er trotz seines fehlerhaft artikulierten Willens an seinem Einverständnis festhält. Unterlässt er dies, handelt er mit Vorsatz hinsichtlich des Missbrauchs bzw. Treubruchs. Hat der Treunehmer hingegen den Willensmangel, der die Entscheidung des Treugebers bestimmt hat, nicht erkannt, so fehlt es gem. § 16 Abs. 1 StGB an der Verwirklichung des subjektiven Untreuetatbestands. Hätte der Treupflichtige den Willensmangel erkennen können, so führt dies ebenfalls zur Straflosigkeit, da die fahrlässige Untreue nicht unter Strafe gestellt ist. Hat er dagegen den Willensmangel erkannt, gewichtet er ihn aber falsch, indem er ihm keine rechtliche Bedeutung zumißt, unterliegt er einem Verbotsirrtum, § 17 StGB, der regelmäßig vermeidbar sein dürfte.

B. Sittenwidrigkeit Beschränken demnach beim Opfer vorliegende Willensmängel die Wirksamkeit einer Einwilligung, so soll im Folgenden der Frage nachgegangen werden, ob diese Folge auch bei Umständen eintritt, die das Geschehen mit dem „Makel" der Sittenwidrigkeit belegen. Man denke etwa an den Fall, dass jemand ein hochriskantes Spekulationsgeschäft eingeht, um seine bedürftigen Familienangehörigen auf Kosten der Allgemeinheit vor das finanzielle Nichts zu stellen und dadurch auf die Sozialhilfe zu verweisen. 74

73 So aber Kühne, JZ 1979, S. 244; Roxin, AT I, § 13 Rn. 79. 74 Beispiel von Waßmer, S. 47.

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5. Kap.: Willensmängel, Sittenwidrigkeit und Drittinteressen

I. Sittenwidrigkeit der Tat § 228 StGB schreibt für eine Körperverletzung vor, dass diese, so sie mit der Einwilligung des Betroffenen vorgenommen wird, nur dann rechtswidrig ist, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt. Im Bereich des § 266 StGB ist jedoch eine Erstreckung dieser Sittenwidrigkeitsschranke aus § 228 StGB auf die konsensuelle Tat in der Regel weder kriminalpolitisch erforderlich noch teleologisch richtig.75 Erklären sich also z. B. alle Gesellschafter der GmbH gegenüber dem GmbH-Geschäftsführer damit einverstanden, dass mit dem Geld der Gesellschaft Darbietungen während einer Firmenparty finanziert werden, deren vertragliche Basis wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 BGB unwirksam ist, so stellt dies - mangels Verstoßes gegen die Bindungen im Innenverhältnis - keine Untreue dar. 76 Eine solche Extension des § 228 StGB auf § 266 StGB, wie dies auch sonst die früher herrschende Meinung für alle Individualrechtsgüter angenommen hat, 77 ließe sich nicht mit dem Sittengesetz als „Einwilligungsschranke 4' in Art. 2 Abs. 1 GG legitimieren 78 und wäre im Übrigen auch im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Analogieverbot, Art. 103 Abs. 2 GG, in hohem Maße begründungsbedürftig: Die Regelung des § 228 StGB erstreckt sich vielmehr in erster Linie auf Körperverletzungen. Sie kann sich daher sinngemäß allenfalls auf vergleichbare höchstpersönliche Rechtsgüter wie z. B. die Ehre (§ 185 StGB), 79 nicht aber auf das Vermögen beziehen,80 sofern man nicht, was hier nicht zu diskutiert werden braucht, eine Ausdehnung des § 228 StGB auf andere Tatbestände stets ablehnt81 oder die Bestimmung mit Sternberg-Lieben gar für verfassungswidrig hält. 82 Jedoch kommt dann die Sittenwidrigkeit als Einwilligungsschranke bei § 266 StGB in Betracht, wenn die Sittenwidrigkeit nicht auf die Allgemeinheit oder Dritte bezogen ist, 83 sondern sich gerade auf den Vermögensschutz des betroffenen Treugebers erstreckt. Man denke etwa an einen wucherischen Kreditvertrag (§ 138 Abs. 2 BGB) oder eine sittenwidrige Bürgschaft (§ 138 Abs. 1 BGB), die ein vermögensbetreuungspflichtiger Vermögensverwalter im Namen eines als Darlehensnehmers bzw. Bürgen vorgesehenen Minderjährigen abschließt und hierfür vorher 75 So bereits Waßmer, S. 47. 76 Vgl. Thomas, Fs. Rieß, S. 805. 77 Vgl. etwa Geerds, GA 1954, S. 268. 78 Vgl. dazu bereits 7. Kapitel B. I. 79 Vgl. etwa Lenckner, in: Schänke /Schröder, so Göbel, S. 66.

Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 37.

81 So die wohl herrschende Meinung; vgl. etwa Kühl, AT, § 9 Rn. 30; Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 17 Rn. 112; Roxin, AT I, § 13 Rn. 41. 82 So Sternberg-Lieben, S. 136 ff. wegen angeblicher Unbestimmtheit des § 228 StGB. Allerdings dürften die Unschärfen bei § 228 StGB nicht größer sein als bei anderen Vorschriften des StGB, etwa bei §§ 185, 266 StGB. 83 Zu diesen beiden Fallgruppen bei sittenwidrigen Rechtsgeschäften vgl. nur Palandt/ Heinrichs, § 138 Rn. 40 ff.

C. Drittinteressen

225

die Zustimmung der dispositionsbefugten Eltern einholt. Stimmen die Eltern einem solchen sittenwidrigen bzw. wucherischen Rechtsgeschäft zu, muss deren Einverständnis unwirksam sein, mag sich hier darüber hinaus die Unwirksamkeit der Zustimmung auch aus dem Verstoß gegen die Grundsätze der Vermögenssorge nach § 1626 BGB ergeben. 84

II. Sittenwidrigkeit der Einwilligung oder der Umstände ihres Zustandekommens Aus den genannten Gründen wäre ebenso ein solches Sittenwidrigkeitskorrektiv, das sich bereits auf das Einverständnis als solches oder die Art und Weise, in der die Zustimmung erlangt wurde, beziehen würde, unerheblich, sofern sich darin nicht zugleich ein einverständnisrelevanter Willensmangel erblicken läßt 85 oder die Sittenwidrigkeit die Funktion besitzt, dem Vermögensschutz des Betroffenen zu dienen. Abgesehen davon würde es nicht einleuchten, den Treugeber strafrechtlich zu schützen und den Treupflichtigen in solchen Fällen wegen Untreue zu bestrafen, in denen der Treugeber aus unsittlichen Motiven einwilligt und ihm daher der Verstoß anzulasten ist. „Die Verletzung fremder Selbstbestimmung entfällt auch dort, wo der Betroffene aus unmoralischen Gründen einwilligt, ganz abgesehen davon, dass die Unmoral des Betroffenen nicht das Verhalten des Täters strafwürdig machen kann" (Stratenwerth / Kuhlen). 86

C. Drittinteressen Fraglich ist auch, ob die Interessen Dritter eine Einwilligungsschranke im Allgemeinen bzw. eine Einverständnisschranke bei § 266 StGB begründen. Im Zusammenhang mit der Untreue zum Nachteil einer GmbH wurde bereits näher dargelegt,87 dass der Schutz von Gläubigern des Treugebers nicht die Aufgabe des § 266 StGB ist, sondern allenfalls durch spezielle Gläubigerschutznormen, z. B. die §§ 283 ff. StGB, gewährleistet wird. Auch sind Schranken der Sittenwidrigkeit, die nicht im Vermögensinteresse des Treugebers, sondern nur im Interesse der Allgemeinheit oder Dritter bestehen, im Rahmen des § 266 StGB, wie bereits angedeutet,88 unbeachtlich. Entsprechendes gilt für die in Art. 14 Abs. 3 GG vorgeschriebene Sozialbindung des Eigentums. Zwar soll nach Jakobs wegen dieser Sozialbindung die Wirkungs84 Vgl. dazu bereits 2. Kapitel A. II. 85

Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vörbem. §§ 32 ff. Rn. 38. 86 Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 9 Rn. 23; Waßmer, S. 49. S7 Vgl. 2. Kapitel C. III. 4. 88

Vgl. 5. Kapitel B. I.

15 Schramm

226

5. Kap.: Willensmängel, Sittenwidrigkeit und Drittinteressen

losigkeit einer Einwilligung nicht auszuschließen sein, wenn etwa jemand aus Protest gegen die Steuergesetzgebung in die Sprengung seiner Fabrik einwilligt oder der Eigentümer wegen der Mietpreisbindung der Zerstörung seines voll funktionsfähigen Wohnhauses zustimmt. 89 Doch wenn die Rechtsordnung die Zerstörung dieser Gegenstände durch den Eigentümer selbst erlaubt, muss gefragt werden, warum dagegen der konsensuell durchgefühlten Zerstörung (§ 303 StGB) durch einen Dritten, der auch treupflichtig i. S. d. § 266 StGB sein kann, die unrechtsbeseitigende Kraft, sowohl im Hinblick auf § 303 als auch § 266 StGB, fehlen soll. 90 Mit einer restriktiven Handhabung der Einwilligungsregeln lassen sich bestimmte strafrechtliche Sanktionen bei Verstößen gegen Art. 14 Abs. 3 GG auf jeden Fall nicht begründen, sondern allenfalls durch eigens dafür geschaffene besondere Straftatbestände 91 oder gesetzlich statuierte Einwilligungsschranken zugunsten höherrangiger Drittinteressen. 92 Nichts anderes gilt für sonstige Drittinteressen wie etwa diejenigen „des viel zitierten Steuerzahlers", 93 des Wettbewerbs, der Sexualpolitik, den Belangen des Leistungssports, der Sozialversicherung 94 oder des Denkmalschutzes. Ist etwa der Eigentümer eines unter Denkmalschutz stehenden Hauses damit einverstanden, dass sein Haus- und Finanzverwalter das höchst baufällige Gebäude dem Erdboden gleichmachen läßt, ist dies weder eine Zerstörung von Bauwerken, § 305 StGB, noch eine Untreue, § 266 StGB. Denn der Schutzzweck des § 305 bzw. § 266 StGB erschöpft sich im Eigentum bzw. Vermögen. Außerhalb des Schutzbereichs des Tatbestands liegenden, überindividuellen Interessen muss deshalb anderweitig Rechnung getragen werden, wobei vielfach entsprechende Sanktionen bereits bestehen, etwa beim Denkmalschutz in Form entsprechender Bußgeldvorschriften. 95 Würde man solche Drittinteressen in den Anwendungsbereich der Eigentums- und Vermögensdelikte einbeziehen, so drohte eine „Rechtsgutsvertauschung" (Sternberg-Lieben), die mit dem Sinn und Zweck der Strafbewehrung von Individualrechtsgütern, die Individualautonomie zu sichern, unvereinbar wäre. 96 Es läßt sich daher axiomatisch feststellen, dass sich Einwilligungsschranken nicht mit dem Schutz von tatbestandsexternen Drittinteressen begründen lassen.97 89 Jakobs, AT, 7/111 Fn. 166. 90 Göbel, S. 65. 91 Göbel, S. 65. 92 Sternberg-Lieben, S. 523. 93 Usch, ZRP 2002, S. 162. 94 Bspe. von Sternberg-Lieben, S. 521 ff. 95 Vgl. etwa § 27 Abs. 1 DenkmalschutzG Bad.-Württ. v.6. 12. 1983 (GBl. I 797, letztes ÄndG v. 14. 3. 2001, GBl. 189), der die Zerstörung von Kulturdenkmälern ohne Genehmigung mit einer Geldbuße bis 500.000 DM ahndet. 96 Vgl. Sternberg-Lieben, S. 526. 97 Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 37; Lesch, ZRP 2002, S. 162; prinzipiell auch BGH NJW 2000, 154, wo aber in der Sache doch der Schutz von Drittinteressen durch die Untreue betrieben wird (vgl. oben 2. Kapitel C. III. 4. e).

6. Kapitel

D e r mutmaßliche Konsens Der Terminus des „mutmaßlichen Konsenses" ist in der Strafrechtsdogmatik nicht geläufig. Vielmehr wird häufig nur von der mutmaßlichen Einwilligung gesprochen, und zwar als einem Rechtfertigungsgrund, der in sachlich großer Nähe zur Einwilligung steht, aber wegen seiner lediglich hypothetischen Übereinstimmung mit dem Willen des Betroffen nur das „Surrogat" 1 eines Einverständnisses bzw. einer Einwilligung darstellen kann. Daneben gibt es, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, einen mutmaßlichen Konsens, dem bereits eine tatbestandsausschließende Wirkung zukommt.

A. Das mutmaßliche Einverständnis Bei Straftaten, deren deliktischer Charakter im Handeln gegen den Willen des Betroffenen besteht, dessen Zustimmung mithin bereits den objektiven Tatbestand entfallen läßt,2 wird teilweise im Schrifttum die Möglichkeit bejaht, den mutmaßlichen Willen als strafbarkeitsausschließenden Faktor schon auf der Tatbestandsebene zu berücksichtigen. Für diese Konstellationen wird dann - entweder generell für die willensbezogenen Delikte (so von Lange/Ludwig) 3 oder speziell für § 266 StGB (so von Schünemann und Mitsch) 4 - mit dem Begriff des mutmaßlichen Einverständnisses gearbeitet: Durch den Gebrauch dieses geläufig auf den Tatbestandsauschluß bezogenen Terminus' „Einverständnis" wollen die Verfechter der Tatbestandslösung deutlich machen, dass hier ebenfalls wie beim erteilten Einverständnis bereits der objektive Tatbestand und nicht erst die Rechtswidrigkeit entfalle. 5 Inwiefern die mutmaßliche Zustimmung verbrechenssystematisch dem 1

So die geläufige Formulierung; vgl. etwa Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch, Rn. 115; Lenckner, in: Schänke/Schröder, Vörbem. §§ 32 ff. Rn. 54. 2 Dazu 1. Kapitel B. I. 3 Ludwig/Lange, JuS 2000, S. 446. 4 LK-Schünemann, § 266 Rn. 57; Mitsch, BT 2/Tb. 1, § 8 Rn. 31, 47.

AT, § 17

5 Soweit der BGH im Zusammenhang mit der Zulässigkeit der Sterbehilfe jüngst von einem „mutmaßlichen Einverständnis" spricht, meint er gleichwohl ganz offensichtlich die mutmaßliche Einwilligung als Rechtfertigungsgrund; vgl. BGHSt 40, 257. 6 Zum Vorliegen des Eindringens bei mutmaßlicher Zustimmung vgl. einerseits (tatbestandsausschließend) SK-Rudolphi, § 123 Rn. 18, andererseits (rechtfertigend) Lenckner, in: Schänke/Schröder, § 123 Rn. 14/15.

15'

228

6. Kap.: Der mutmaßliche Konsens

Tatbestand zugeordnet werden muss, wird ausdrücklich etwa im Rahmen des Hausfriedensbruchs 6 oder des Diebstahls7, aber auch bei der Urkundenfälschung - insoweit selbst innerhalb der Rechtsprechung8 - sowie bei der Untreue diskutiert. Überzeugungskraft erlangt eine solche tatbestandsbezogene Betrachtungsweise bei § 266 StGB dann, wenn sie sich in Einklang mit dem tatbestandstypisierten Unrecht der Untreue bringen läßt. Es ist möglich, ein solches mutmaßliche Einverständnis anzuerkennen, wenn es keinen unverrückbaren und alle Eventualitäten umfassenden, klaren Auftrag gibt und damit das zwischen Treugeber und Treunehmer bestehende Innenverhältnis einen Spielraum für Entscheidungen läßt, die auf Mutmaßungen über den Willen des Treugebers beruhen dürfen. Wenn man also bei einem etwa zivilrechtlich ausgestalteten Innenverhältnis aufgrund der in diesem Rechtsgebiet vorherrschenden Wertungen zu dem Ergebnis kommt, das Verhalten des Treunehmers war wegen mutmaßlicher Übereinstimmung mit dem Willen des Treugebers objektiv nicht sorgfaltswidrig und damit intern nicht pflichtwidrig, so ist wegen der gerade pflichtgemäßen oder doch zumindest nicht pflichtwidrigen Risikoschaffung bereits der Deliktstypus des § 266 StGB ausgeschlossen. Insofern kann man von einem erlaubten - weil mangels Pflichtwidrigkeit tatbestandsausschließenden - Risiko sprechen, da die Handlung auch dann pflichtgemäß bleibt, wenn sich herausstellen sollte, dass sie nicht dem Willen des Treugebers entsprochen hat. Beispiele eines solchen Ausschlusses der Pflichtwidrigkeit und insoweit anerkennungswürdigen mutmaßlichen Einverständnisses wären Aufwendungen ohne materielles Äquivalent zum Schutz des guten Rufes des Geschäftsherrn oder die kurzfristige Entnahme von Bagatellbeträgen.9

I. Weisungsfalle Ein mutmaßliches Einverständnis kommt insbesondere in den Fällen einer Weisung, 10 d. h. bei solchen Treuverhältnissen in Betracht, in denen der Treunehmer zwar weisungsgebunden ist, er aber gleichwohl von einer Weisung des Treugebers abweichen möchte. Eine solche Abweichung läge beispielsweise vor, wenn der Treunehmer ein anderes Geschäftsergebnis erzielt (statt der X-Aktien kauft er Y-Aktien), wenn er das vom Auftraggeber gewünschte Ziel auf einem anderen als vom Auftraggeber vorgeschriebenen Wege erreicht (statt bei Unternehmer A kauft er bei Unternehmer B) oder wenn er in dem von der Weisung betroffenen Punkt untätig bleibt. 11 Von Bedeutung ist dies gerade bei den für die Treueverhältnisse 7

Eser, in: Schänke /Schröder, § 242 Rn. 6 u. 36. 8 Vgl. BayObLGSt 1987, 108 (= NStZ 1988, 313): Das BayObLG hat aber die Möglichkeit eines solchen von der Vorinstanz (LG München) bejahten tatbestandsausschließenden mutmaßlichen Einverständnisses bei § 267 StGB kategorisch ausgeschlossen. 9

Bspe. von LYL-Schünemann, § 266 Rn. 157. 10 Vgl. dazu bereits 7. Kapitel B. V. 11 Bspe. von MünchKomm-Sei/i?/; BGB, § 665 Rn. 27.

A. Das mutmaßliche Einverständnis

229

bei der Untreue prototypischen entgeltlichen Geschäftsbesorgungen, bei denen die Weisungsgebundenheit des Treunehmers gegenüber dem Treugeber ausdrücklich in § 675 BGB i. V. m. § 665 BGB angeordnet ist. Aber auch im Gesellschaftsrecht spielen solche Fälle eine Rolle. So ist etwa der Geschäftsführer einer GmbH gem. § 37 Abs. 1 GmbHG an die Beschlüsse und Weisungen der Gesellschafter gebunden. Ferner kennt das Arbeitsrecht Weisungsbefugnisse im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers gegenüber seinen Angestellten.12 Soweit diese Mitarbeiter zugleich den Status des Treunehmers innehaben, stellt sich auch hier die Frage, wann von einer Weisung des Arbeitgebers abgewichen darf, ohne hierdurch eine (Treu-)Pflichtverstoß zu begehen. Zunächst soll am Beispiel der GmbH verdeutlicht werden, inwiefern die Abweichung von einer Weisung - damit einer an sich bindenden Vorgabe aus dem Innenverhältnis - zivilrechtlich, sei es unmittelbar nach § 665 BGB, sei es in entsprechender Anwendung, erlaubt ist: War den GmbH-Gesellschaftern bei der Beschlussfassung eine Sachlage nicht hinreichend bekannt und konnte der Geschäftsführer davon ausgehen, dass sie bei Kenntnis der ganzen Sachverhalts eine andere Entscheidung getroffen hätten, so handelt er bereits nach den Grundsätzen des § 665 BGB und auch gesellschaftsrechtlich nicht rechtswidrig, wenn er in „denkendem Gehorsam" 13 von der Weisung abweicht und eine Maßnahme durchführt, von der er annehmen darf, dass die Gesellschafter sie bei Kenntnis der Sachlage billigen würden. 14 Das gleiche gilt, wenn sich die der Weisung zugrunde liegenden Umstände zwischenzeitlich so verändert haben, dass die Ausführung unzweckmäßig wäre. 15 Unter Umständen kann der Geschäftsführer nach § 665 BGB sogar verpflichtet sein, von der erteilten Weisung abzuweichen.16 Freilich bleibt der Geschäftsführer dazu aufgerufen, einen neuen Gesellschafterentscheid herbeizuführen (sog. Anzeige» und Wartepflicht); 17 wenn aber etwa mit dem Aufschub einer Maßnahme eine Gefahr für den Weisungsgeber verbunden wäre, kommt nach § 665 S. 2 BGB eine von der Weisung abweichende Ausführungshandlung (und nicht lediglich das Nichtbefolgen der Weisung durch Unterlassen oder Abwarten) in Betracht. 18 Ebenso kann die Abweichung von der Weisung pflichtgemäß sein, wenn sich das Treueverhältnis nach den Regeln des Arbeitsrechts bestimmt. Allerdings hat der Arbeitnehmer in den Fällen, in denen ein Arbeitgeber eine unzweckmäßige Weisung erteilt, zunächst die Pflicht, den Weisungsgeber zu warnen. Ist dies nicht 12 Vgl. dazu Blomeyer, in: Münch. Handb. ArbeitsR, § 48 Rn. 32, und Richardi, ebd., § 12 Rn. 50; außerdem oben 1. Kapitel B. V. 13

So die prägnante Formulierung von Heck, zit. bei MünchKomm-Se/fe/; BGB, § 665

Rn. 2. 14

Mertens, in: Hachenburg, § 37 GmbHG Rn. 27. 15 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 23. 16 Vgl. dazu MünchKomm-Si?*/^ BGB, § 665 Rn. 26. 17 MünchKomm-Seiler, BGB, § 665 Rn. 16. 18 Lutter/Hommelhoff,

GmbHG, § 37 Rn. 23.

230

6. Kap.: Der mutmaßliche Konsens

möglich, kann es die ordentliche Erfüllung der Arbeitspflicht verlangen, dass der Arbeitnehmer ihr zuwider handelt. Erteilt etwa ein Unternehmer seinem leitenden Angestellten die Weisung, eine Aktie abzustoßen, die wahrscheinlich bald sehr rasch steigen wird, und erkennt dies der Angestellte, so darf er von ihr abweichen, wenn er den Unternehmer vorher nicht mehr verständigen kann. 19 Ist die Weisung hingegen rechtswidrig (z. B. wegen Verstoßes gegen den Tarifvertrag, Gesetze usw.), braucht der Arbeitnehmer sie nicht zu befolgen. 20 Ist demnach die aufgrund einer Mutmaßung vorgenommene Maßnahme bereits wegen der Form und Ausgestaltung des konkreten Innenverhältnisses nicht pflichtwidrig, so gewinnt die Ebene der Rechtwidrigkeit und des Rechtfertigungsgrunds der mutmaßlichen Einwilligung gar keine Bedeutung mehr. Insofern ist bei der rechtlichen Bewertung des nur mutmaßlichen Konsenses stets zu bedenken, ob sich der Täter mit seiner Entscheidung nicht bereits seinen Vorgaben aus dem Innenverhältnis entsprechend pflichtgemäß (oder doch zumindest nicht pflichtwidrig) verhalten hat. Hierzu bedarf es der Analyse des konkreten Rechts-, mithin Treueverhältnisses zwischen Treugeber und Treunehmer, um feststellen zu können, ob dieses bereits den Eingriff erlaubt. Davon wird man insbesondere dann ausgehen können, wenn der Treunehmer Handlungen vornimmt, die im (mutmaßlichen) ökonomischen Interesse des Treugebers sind. Die systematische Zuordnung zum Tatbestand hat aber auch zur Folge, dass der subjektive (Un)rechtsbezugspunkt des mutmaßlichen Einverständnisses im subjektiven Tatbestand und nicht im subjektiven Erlaubnistatbestand liegt. Dies wird insbesondere für die Behandlung der Irrtumsproblematik deutlich: Geht der Täter irrig von den tatsächlichen Voraussetzungen eines mutmaßlichen Einverständnisses aus, handelt es sich um einen vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum 21 und nicht erst um einen auf die Rechtswidrigkeitsebene bezogenen Erlaubnis- oder Erlaubnistatbestandsirrtum. 22

II. Der mutmaßliche Wille beim Risikogeschäft Daneben wird zuweilen der Begriff des mutmaßlichen Willens oder des mutmaßlichen Einverständnisses im Zusammenhang mit dem sog. Risikogeschäft erwähnt. Was unter einem Risikogeschäft verstanden werden soll, ist freilich sehr umstritten: Manche definieren es als ein Rechtsgeschäft, „für das wesentlich ist, dass die Prognose, ob die fragliche Maßnahme zu einem Gewinn oder Verlust führt, mit einem erhöhten Maß an Ungewißheit belastet ist" (so Lenckner), 23 oder als eine „geschäftliche Disposition", „die eine Fehlentscheidung sein kann" (so 19 20 21 22 23

Dazu Gamillscheg, § 2, 1 (4), S. 27. Gamillscheg, § 2, 1 (5) (a), S. 27. Vgl. dazu auch 5. Kapitel A. V. Zu Irrtumsfragen bei der mutmaßlichen Einwilligung vgl. unten 6. Kapitel B. IV. Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 20 m. w. N.

A. Das mutmaßliche Einverständnis

231

Hillenkamp) 24 oder schlicht nur als ein „gewagtes Geschäft" (so Schünemann).25 Nach der Rechtsprechung wiederum ist es zu bejahen, „wenn der Täter nach Art eines Spielers bewusst und entgegen den Regeln kaufmännischer Sorgfalt eine ... äußerst gesteigerte Verlustgefahr auf sich nimmt, nur um eine höchst zweifelhafte Gewinnaussicht zu erhalten". 26 Beispiele hierfür wären etwa die Vergabe von „ihrer Natur nach mit einem Risiko behafteten" 27 Kredite (z. B. von Sanierungskrediten oder sog. Aval-Krediten), 28 Spekulationsgeschäfte (z. B. Warenterminhandel), 29 Schmiergeldzahlungen,30 Investitionen in Werbung usw. 31 Maßgebliches Kriterium für die Treupflichtverletzung ist hierbei nicht der objektive (Miss)erfolg, sondern die Begründung eines missbilligten Risikos bereits durch den Abschluss des Geschäfts. 32 Zur Diskussion wird hier häufig nicht eine Treubruchs-, sondern ein Missbrauchsuntreue stehen, handelt doch der Treunehmer bei einem Risikogeschäfts in aller Regel rechtsgeschäftlich, und zwar im Außenverhältnis rechtlich wirksam, für den Treugeber. Dies muss jedoch nicht automatisch einen Vermögensschaden, etwa in Form einer schadensgleichen Vermögensgefährdung, bedeuten, da dieser durch den Eintritt eine Kompensation entfallen kann. 33 So entfällt etwa der Schaden, wenn in zwar pflichtwidriger Weise mit dem Vermögen spekuliert wurde, dabei aber ein großer Gewinn erzielt wurde. „In manchen Bereichen", so die eingängige Formulierung von Hübner, „ist die Spekulation verpönt, in anderen ist sie das tägliche Brot". 34 So ist bei der Entscheidung, welche Risikogeschäfte noch im Einklang mit den Vorgaben aus dem Innenverhältnis stehen, die Rechtsgrundlage der Pflicht und dabei zunächst der im Innenverhältnis durch explizite Rechtsvorschriften gezogene Rahmen zu berücksichtigen. Ein Kind (als Treugeber) etwa kann nicht wirksam in hochriskante Geschäfte einwilligen, die Eltern mit dem Kindesvermögen vornehmen. Solche gewagten Rechtsgeschäfte werden im Rahmen des § 1642 BGB von der Rechtsordnung generell missbilligt, weshalb dem Kind, aus Gründen des Schutzes auch vor sich selbst, 24 In seiner an der betriebswirtschaftlichen Entscheidungslehre orientierten, sehr weitgehenden Definition; vgl. Hillenkamp, NStZ 1981, S. 161,165. 25 LK-Schünemann, § 266 Rn. 95. 26 BGH NJW 1990, 3219; BGH GA 1977, 342; BGH wistra 1982, 149, 150; BGH StV 2004, 424. 27 BGHSt 46, 30, 34; BGH NJW 2002, 1213 m. krit. Anm. Keller/Sauer, wistra 2002, S. 365. 28 Zur Untreue durch Kreditvergaben vgl. BGH wistra 1985, 190; Aldenhoff/Kuhn, ZIP 2004, S. 103, Gallandi, wistra 2001, S. 281. 29 BGH NStZ 1992, 602.m. Anm. Molketin (zu § 263). 30 BGH NJW 1975, 1234, 1235.

31 Vgl. die Zusammenstellungen bei Hillenkamp, NStZ 1981, S. 161, 165 und LK Schünemann, § 266 Rn. 95. 32 Dazu Krüger, NJW 2002, S. 1178, 1180; Otto, BT, § 54 Rn. 30. 33 So zu Recht LK-Schünemann, § 266 Rn. 98. 34 LK-Hübner i0, § 266 Rn. 84; übernommen von LK-Schünemann, § 266 Rn. 95.

232

6. Kap.: Der mutmaßliche Konsens

kein entsprechendes Mitbestimmungsrecht eingeräumt werden kann. 35 Ebenso macht sich z. B. der Bürgermeister einer baden-württembergischen Gemeinde strafbar, der die ihm gesetzlich durch die Gemeindeordnung36 übertragene Befugnis zur Anlage des gemeindlichen Geldvermögens dahin missbraucht, dass er, entgegen dem gemeinderechtlichen Sicherungsgebot, hochspekulative Geldgeschäfte tätigt. 37 Ein Einverständnis des Gemeinderats oder der Aufsichtsbehörden wäre in einem solchen Fall unbeachtlich.38 Sodann können sich aus der Art des Vertrags, d. h. des konkreten Geschäftsbesorgungsverhältnisses Beschränkungen ergeben, die auch bei hochriskanten Geschäften, etwa Warentermingeschäften, den Entscheidungsspielraum des Treunehmers einschränken und ihn zu einem umsichtigen und verantwortungsbewussten Umgang mit dem ihm zu Spekulationszwecken anvertrauten Geld zwingen. 39 Ganz anders sieht hingegen die rechtliche Bewertung aus, wenn der Treugeber bewusst ein Unternehmen beauftragt, von dem er weiß, dass es sich hochriskanter Spekulationsgeschäfte auf dem Rohstoff- und Edelmetallmarkt oder im Börsen- und Devisengeschäft verschrieben hat. Soweit aber dem Treugeber die Dispositionsbefugnis über das Vermögen zusteht, er somit wirksam vermögensgefährdenden Maßnahmen des Treunehmers zustimmen kann, braucht in denjenigen Fällen, in denen der Treugeber zumindest konkludent erklärt, er sei mit dem riskanten Geschäft einverstanden, gar nicht auf einen mutmaßlichen Willen abgestellt zu werden, da es insofern einen wirklichen und nicht bloß gemutmaßten Willen gibt, an dem sich der Treunehmer zu orientieren hat. 40 Bewegt er sich dabei innerhalb der vom Berechtigten vorgegebenen Risikogrenzen, 41 begeht er keine Treupflichtverletzung. Umgekehrt nimmt der Treunehmer dann ein pflichtwidriges und damit strafbares Risikogeschäft vor, wenn der Treugeber es sich gerade in Kenntnis der Risiken, etwa bei einem Warentermingeschäft, abgedungen hat, dass ein solches „Trading" nur nach seiner ausdrücklichen Zustimmung durchgeführt werden darf, der Treunehmer es aber unterlässt, das Einverständnis einzuholen 4 2 Darüber hinaus kann das Einverständnis wegen eines Willensmangels unwirksam sein, wenn es der Beauftragte an der notwendigen Transparenz gegenüber dem Treugeber hat fehlen lassen und daher dessen Entscheidungsfreiheit tangiert wurde. Man denke hier etwa an eine Zustimmung zu einem Risikogeschäft, die auf undurchsichtigen Informationen in fremder Sprache, dem Verschweigen der tatsächlichen Umstände oder auftretenden Kosten, dem Verstecken bereits erlittener Verluste usw. beruhte. 43 35

36 37 38 39 40 41

Vgl. dazu oben 2. Kapitel A. II. sowie LK-Schünemann, § 266 Rn. 95. §§ 42 Abs 1,44 Abs 2 GemO Bad.-Württ. LG Stuttgart, Kommunal-Kassen-Zeitschrift 1997, 173. Zu Untreue von Körperschaften des öffentlichen Rechts vgl. auch 2. Kapitel D. II. Vgl. BGH NJW 1984, 800. So zu Recht Waßmer, S. 37 f.

Ähnlich Hillenkamp, NStZ 1981, S. 165: Anstreben eines Ziels in den Grenzen der vom Vermögensinhabers „abgesteckten Risikopolitik". 42 BGH NJW 1984, 800.

A. Das mutmaßliche Einverständnis

233

Fehlt es jedoch überhaupt an der Konkretisierung des Pflichtenkreises, ist der Risikobereich nicht klar abgesteckt oder mangelt es an einem Einverständnis, so bedarf es anderer Kriterien, um bestimmen zu können, was sich im Rahmen des Erlaubten bewegt. Hier spricht dann alles dafür, auf den einzelfallbezogenen mutmaßlichen Willen des Treugebers abzustellen: wenn schon der wirkliche Wille des Treugebers als die entscheidende Grundlage des Innenverhältnisses nicht hinreichend präzise ermittelt werden kann, so muss wenigstens eine Annäherung an den wirklichen, und dies bedeutet: letztlich bloß hypothetischen Willen erfolgen. Dieser ist dann nach der Individualität des Treugebers, dem Zweck des Auftrags, dem beauftragten Unternehmen und der für die Form des Auftrags typischen Sorgfaltspflichten zu ermitteln. Freilich kann hinsichtlich des Verfahrens, mit dem der hypothetische Wille bestimmt werden muss, und der übrigen Wirksamkeitsvoraussetzungen im Rahmen des mutmaßlichen Einverständnisses in der Sache nichts anderes gelten als bei der mutmaßlichen Einwilligung als Rechtfertigungsgrund. 44 Es kommt auch hier darauf an, in einer objektiven ex-ante-Betrachtung die individuelle Einstellung des Treugebers zu bestimmen; der Treugeber muss dispositionsbefugt und einverständnisfähig sein; temporärer Bezugspunkt ist der mutmaßliche Wille im Zeitpunkt der Handlung. Sofern das konkrete Treuverhältnis vorrangig auf eine sichere Geldanlage und risikoarme Vermögensverwaltung angelegt ist, wird die Entscheidung für den Treunehmer in aller Regel lauten, ein denkbares risikoreiches Rechtsgeschäft eben nicht vorzunehmen, weil ein solches nicht im Einklang mit den vom Treugeber verfolgten Zwecken stünde. Auch in den meisten anderen Treueverhältnissen wird man die Regel aufstellen können, dass risikoreiche Rechtsgeschäfte zu unterbleiben haben, sofern nicht Umstände die Annahme nahe legen (etwa eine bekannte Spekulationsfreudigkeit des Treugebers), dass der Rechtsgutsträger mit dem „Eingriff 4 einverstanden gewesen wäre. Dies sei etwa an dem einem unveröffentlichten BGH-Urteil entlehnten Beispiel von Hillenkamp verdeutlicht, in dem eine geschäftsunerfahrene ältere Dame ihr Vermögen in die Hände eines sie auch wirtschaftlich beratenden Rechtsanwalts gelegt hat, ohne dass irgendwelche Erklärungen der Treugeberin zu den von ihr zugelassenen Risiken vorlagen. Der Anwalt verlor das Geld in höchst unsicheren Geschäften, die er für die alte Dame abgeschlossen hatte. Mangels expliziter oder konkludenter Vorgaben kann - wegen der Dominanz des Treugeberwillens bei der Bestimmung des Innenverhältnisses - richtigerweise nur daran angeknüpft werden, womit die Treugeberin mutmaßlich einverstanden gewesen wäre. Das ist aber im Zweifel dasjenige, was dem Zweck des Auftrags und der für das Treueverhältnis üblichen Sorgfalt entspricht. 45 In dem genannten Fall konnte aber von der Beach43

Vgl. dazu entsprechend zum schweizerischen Strafrecht Bernasconi, Fs. Schmid, S. 271. Vgl. dazu sogleich 6. Kapitel B. II., III. 4 5 Hillenkamp, NStZ 1981, S. 161, 167; Lenckner/Perron, in: Schänke/ Schröder, § 266 Rn. 20. 44

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6. Kap.: Der mutmaßliche Konsens

tung dieser Maßstäbe nicht die Rede sein, weshalb der BGH die Verurteilung wegen Untreue bestätigt hat.

III. Dualismus Tatbestandssausschluss - Rechtfertigung Nicht entschieden werden muss im Zusammenhang des § 266 StGB, ob es sich beim mutmaßlichen Einverständnis um ein Tatbestandseinschränkungsprinzip 46 handelt. Zwar wird in jüngster Zeit darüber diskutiert, ob das mutmaßliche Einverständnis allgemeingültige Bedeutung für all diejenigen Tatbestände beanspruchen darf, bei denen eine vorher erteilte Einwilligung bereits tatbestandsausschließend wäre, sofern Fallkonstellationen zur Diskussion stehen, die unter dem übergreifenden Aspekt eines tatbestandsausschließenden mutmaßlichen Konsenses zusammengefasst und eingeordnet werden könnten.47 Bei der Untreue aber ist damit nur ein Begriff bezeichnet, der bestimmte Sachverhaltskonstellationen umschließt, deren positive oder zumindest nicht negative rechtliche Bewertung im außerstrafrechtlich geprägten Innenverhältnis konsequent in den insofern akzessorischen Tatbestandsmerkmalen des Missbrauchs bzw. der Treupflicht zu verankern ist. Daher kommt zumindest bei § 266 StGB dem mutmaßlichen Einverständnis keine eigenständige Bedeutung neben der Prüfung des Missbrauchs bzw. des Treuebruchs zu, sondern ist in dieser vielmehr enthalten. Alles, was jedoch außerhalb des Rahmens liegt, der durch das jeweilige, konkrete Innenverhältnis gezogen wird, kann bei § 266 StGB nur auf der Rechtswidrigkeitsebene Bedeutung erlangen. 48 Eine intern pflichtwidrige Maßnahme kann insofern allenfalls gerechtfertigt, nicht aber, weil dies ein Widerspruch in sich selbst wäre, nicht tatbestandsmäßig sein. Dies wird vor allem bei derjenigen Sachlage der Fall sein, in der wegen des eindeutig eigennützigen Verhaltens des Treunehmers ein mutmaßliches Einverständnis, etwa nach den Grundsätzen des § 665 BGB, nicht in Betracht bekommt und damit die zivilrechtliche Pflichtwidrigkeit nicht ausgeschlossen ist. Insofern besteht bei der Berücksichtigung hypothetischer Willensbildung im Rahmen des § 266 StGB das Phänomen eines Dualismus' dergestalt, dass sie entweder als ein tatbestandsausschließendes mutmaßliches Einverständnis oder als eine rechtfertigende mutmaßliche Einwilligung Bedeutung erlangen kann, wobei es sich freilich um gegenseitig sich logisch ausschließende Möglichkeiten handelt. Es müssen daher Abstriche gemacht werden von dem ansonsten herrschenden 46 Zur vergleichbaren Diskussion bei der sozialen Adäquanz oder dem Bagatellprinzip vgl. Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 68. 47 Eingehend dazu Ludwig/Lange, JuS 2000, S. 446. 4 8 Dies verkennen Ludwig/Lange, JuS 2000, S. 446, die bei den willensbezogenen Delikten, bei denen eine Einwilligung tatbestandsausschließend wäre, stets ein mutmaßliches Einverständnis annehmen.

B. Die mutmaßliche Einwilligung

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Dogma, dass bei der mutmaßlichen Einwilligung nicht zwischen Fällen des Tatbestandsausschlusses und der Rechtfertigung zu differenzieren sei, sondern es vielmehr stets nur um Rechtfertigung gehe, da das Entfallen bestimmter Tatbestandsmerkmale nur bei tatsächlichem Einverständnis in Betracht komme. 49 Der mutmaßliche Wille des Betroffenen kann bei der Untreue damit, je nach Fallkonstellation, auf der Tatbestandsebene oder erst auf der Rechtfertigungsebene zum Tragen kommen. Dies ist auch der Grund dafür, warum in der Überschrift dieses Kapitels der Terminus „mutmaßlicher Konsens" verwendet und in der Sache als Oberbegriff für das tatbestandsausschließende mutmaßliche Einverständnis und die rechtfertigende mutmaßliche Einwilligung gewählt wurde.

B. Die mutmaßliche Einwilligung Ganz überwiegend wird die Straflosigkeit, die durch die mutmaßliche Einwilligung begründet wird, in der allgemeinen Verbrechenslehre auf der Rechtfertigungsebene angesiedelt, jene somit als ein (gewohnheitsrechtlich anerkannter) Rechtfertigungsgrund sui generis eingestuft.

I. Die Konstellationen Die mutmaßliche Einwilligung im Allgemeinen erstreckt sich in erster Linie auf solche Konstellationen, in denen ein tatbestandsausschließendes Einverständnis (bzw. eine rechtfertigende Einwilligung) nicht oder nicht rechtzeitig eingeholt werden kann, man aber bei Würdigung der Umstände zu dem Ergebnis gelangt, dass der Betroffene seine Zustimmung erklären würde, wenn er gefragt werden würde. 50 Meist, wenn auch nicht immer, wird es sich dabei um Situationen handeln, die man mit der Formel „Gefahr in Verzug" kennzeichnen kann. 51 In zweiter Linie erfasst die hypothetische Einwilligung auch,52 wenngleich dies nicht unumstritten ist, 53 solche Fälle, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass der nicht konsultierte Rechtsgutsträger, dessen Befragung durchaus möglich gewesen wäre, keinen Wert auf die vorherige Einholung seines Plazets gelegt hätte: dann kann man mit gutem Grund auf seine Befragung verzichten und das Verhalten als erlaubt 4

9 So etwa formuliert von LK-Hirsch, Vor § 32 Rn. 131. so Vgl. etwa BGHSt 35, 246; Lackner/Kühl, Vor § 32 Rn. 21; Lenckner, in: Schönke/ Schröder, Vorbem. §§32 ff. Rn. 54. 51 Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 17 Rn. 116. 52 Tiedemann, JuS 1970, S. 108, 109; Jescheck./Weigend, AT, § 34 VII. 1.; Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 54. 53 Die h. M. lehnt diese Position ab; vgl. etwa die Kritik an Tiedemann bei Roxin, AT I, § 18 Rn. 11, der bspw. eine strafprozessuale Lösung befürwortet.

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6. Kap.: Der mutmaßliche Konsens

ansehen. Darunter fallen vorrangig solche Fälle, in denen z. B. persönliche, altruistische, auch auf das Erbringen von Opfern gerichtete Bindungen bestehen oder lediglich Bagatelleinbußen zu erwarten sind; hier wird man, sofern nicht Indizien für eine entgegengesetzte Willensbildung bestehen, am ehesten von einer Zustimmung ohne Rücksprache ausgehen dürfen. Im Besonderen bei der Untreue wird ebenfalls zu Recht eine Rechtfertigung aufgrund eines gemutmaßten Konsenses mit dem Treugeber für möglich gehalten. Denkbar ist dies etwa dann, wenn der Treunehmer sich eindeutig pflichtwidrig verhält (z. B. sich in einer wirtschaftlichen Not, der er ausgesetzt ist, durch einen eigennützigen Griff in die Kasse bedient), er aber davon ausgehen konnte, dass der Treugeber (z. B. mit der eben genannten Form der eigenmächtigen Darlehens Verschaffung aus dessen Mitteln) einverstanden gewesen wäre. Letzteres kann der Fall sein, wenn der Treunehmer zur Schadenskompensation bereit und fähig war, 54 wobei in solchen Fällen nach der herrschenden Meinung bereits der Tatbestand mangels eines Schadens ausgeschlossen sein soll. 55

II. Die Relation zu anderen Rechtfertigungsgründen Sofern dem hypothetischen Willen rechtfertigende Kraft beizumessen ist, stellt sich die Frage, wo die mutmaßliche Einwilligung im Kontext der Rechtfertigungsgründe zu verankern ist. Anders formuliert ist dogmatisch zu klären, ob der mutmaßlichen Einwilligung überhaupt eine eigenständige Bedeutung zukommt oder ob sie nicht vielleicht nur die Ausprägung anderer Rechtfertigungsgründe darstellt und damit auch deren jeweiligen inhaltlichen Vorgaben ausgesetzt ist.

1. Geschäftsführung ohne Auftrag Nahe läge die Assoziation, sie an den zivilrechtlichen Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag zu orientieren oder sie gar - in noch strengerer Zivilrechtsakzessorietät - als eine strafrechtlich bedeutsame Ausprägung dieses bürgerlichrechtlichen Instituts anzusehen:56 Die Bestimmungen der §§ 677 ff. BGB regeln doch gerade die Rechtstellung desjenigen, der ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne von ihm beauftragt zu sein; sie meinen also praktisch den „Normalfall" der mutmaßlichen Einwilligung. Dennoch wird von der ganz herrschenden Meinung eine Anwendbarkeit der Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag auf die mutmaßliche Einwilligung 54

Beispiel von Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 48. 55 Vgl. BGHSt 15, 342; LK-Schünemann, § 266 Rn. 139. Dagegen etwa Lenckner/Perron, § 266 Rn. 42. 56 In diese Richtung argumentiert etwa Schroth, JuS 1992, S. 476, 479.

B. Die mutmaßliche Einwilligung

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abgelehnt. Begründet wird dies vor allem damit, dass in das Strafrecht nicht die vom BGB statuierte Pflicht übernommen werden könne, dass das Geschäft gem. § 677 BGB so zu führen sei, „wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen es erfordert". Mit „Interesse" ist der objektive Nutzen des Geschäftsherrn gemeint, d. h. dasjenige, was nach der Anschauung des Verkehrs dem Geschäftsherrn sachlich vorteilhaft ist. 57 Doch bei der mutmaßlichen Einwilligung kommt es, anders als bei § 677 BGB, nicht auf die Verwirklichung der objektiv wohlverstandenen Interessen des Geschäftsherrn an; auch unsinnige, unvernünftige, selbstschädigende oder exzentrische Vorstellungen des Geschäftsherrn über den Umgang mit seinen Gütern müssen vom Täter, bei § 266 StGB vom Treunehmer, respektiert werden. Ein „Paternalismus", der nur Handlungen im objektiv definierten, etwa ökonomisch vernünftigen Interesse erlauben würde, wäre auch mit Art. 2 bzw. Art. 14 des Grundgesetzes kaum in Einklang zu bringen: diese Grundrechte garantieren die Handlungsfreiheit des einzelnen bzw. das Eigentum und sind, was im Einzelnen freilich umstritten ist, als verfassungsrechtliche Grundlage der Einwilligung in die Untreue anzusehen;58 die mutmaßliche Einwilligung beruht insofern auf einem „Zuendedenken des Einwilligungsgedankens" (.Roxin). 59 Darüber hinaus sprechen teleologische Gründe für die herrschende Meinung. Der Sorgfaltsmaßstab des § 677 BGB muss in erster Linie als Handlungsmaßstab60 für die zivilrechtliche Schadensersatzhaftung im Rahmen des § 678 BGB und namentlich im Kontext des § 683 BGB gesehen werden, der einen Anspruch auf Aufwendungsersatz nur dann vorsieht, wenn die Geschäftsführung neben dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen auch seinem Interesse entsprochen hat. 61 Bei ökonomisch interessenwidrigen, aber im Sinne des Betroffenen vorgenommenen Geschäfte bleibt der Geschäftsführer somit auf seinen Aufwendungen sitzen.62 Bei der mutmaßlichen Einwilligung geht es aber nicht um Erstattungsansprüche des Täters, sondern um die Frage, wann er in die Rechte - bei § 266 StGB in die Vermögenssphäre des Treugebers - eingreifen darf. Von Normen aus diesem Bereich kann nur § 679 BGB eine gewisse strafrechtliche Relevanz für sich in Anspruch nehmen, da er Eingriffsrechte des Geschäfts57 58 59 60

MünchKomm-Seiler, BGB, § 677 Rn. 44. Zum Streit vgl. 7. Kapitel B. I. (am Ende). Roxin, AT I, § 18 Rn. 8. Vgl. nur MünchKomm-Seiler, BGB, § 677 Rn. 45.

61 Hat eine unvernünftige Geschäftsführung wirklich seinem Willen entsprochen, so soll die Interessenwidrigkeit nach einer beachtlichen Meinungsgruppe im Zivilrecht unbeachtlich sein; vgl. die Darstellung des Streits bei MünchKomm-Seiler, BGB, § 683 Rn. 13, der aber mit der h. M. daran festhält, dass beide Merkmale, Interesse und Wille, für § 683 BGB gegeben sein müsse. 62 Dafür wird aber dann dem Geschäftsherrn eine Herausgabepflicht (§ 684 BGB) auferlegt. Allerdings besteht bei nachträglicher Genehmigung doch ein Aufwendungsersatzanspruch, § 684 S. 2 BGB.

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6. Kap.: Der mutmaßliche Konsens

führers in bestimmten gesetzlich definierten Fällen auch dann begründet, wenn dies dem (mutmaßlichen) Willen des Geschäftsherrn widerspricht. § 679 BGB legitimiert Eingriffe im Interesse der Allgemeinheit (1. Alternative) und der gesetzlichen Unterhaltsschuldner (2. Alternative) des Geschäftsherrn, aber nicht zwangsläufig solche im Interesse seiner Autonomie. Mit dem Rechtfertigungsgrund der mutmaßlichen Einwilligung und dem ihn tragenden Grundgedanken hat § 679 BGB somit nichts zu tun. 63 Diese Regelung stellt vielmehr einen eigenständigen Rechtfertigungsgrund dar, 64 der auch bei § 266 StGB Bedeutung erlangen könnte, so etwa dann, wenn der Treunehmer eigenmächtig mit dem Geld des Treugebers dessen Unterhaltspflichten erfüllt, obwohl er weiß, dass dies der Treugeber gerade nicht wünscht.65 Allerdings spricht man sich vielfach dafür aus, wegen der hier kollidierenden Interessen und erforderlichen Interessenabwägung gleich auf § 34 StGB zurückzugreifen. 66 Dies erscheint aber unter dem Aspekt der Einheit der Rechtsordnung insofern problematisch, weil andernfalls das Risiko bestünde, dass die Vermögensverschiebung trotz des Vorliegens der § 679 BGB-Voraussetzungen im Falle einer negativen Interessenabwägung bei § 34 StGB kriminalisiert würde, obwohl das Zivilrecht sie mit gutem Grund ausdrücklich billigt; ein solches Ergebnis würde in der Tat einen schwer erklärlichen Weitungswiderspruch in sich tragen. 67 Allerdings wird in den Fällen des § 679 BGB zu prüfen sein, ob nicht die Strafbarkeit bereits auf der Tatbestandsebene mangels Vorliegen eines Schadens infolge Kompensation entfällt. Es kann nämlich, wie nahezu einhellig anerkannt ist, keinen Nachteil für den Treugeber begründen, wenn der Treunehmer weisungs- oder sonst intern pflichtwidrig eine dem Treugeber obliegenden Schuld tilgt: Wer ein von der Rechtsordnung gewolltes Ergebnis - die Erfüllung einer einredefreien und fälligen Verbindlichkeit - herbeiführt, kann in strafrechtlicher Hinsicht unmöglich so betrachtet werden, als ob er eine negativ zu bewertende Vermögensverringerung in Form eines Vermögensschadens verursacht habe. Vielmehr erlangt er mit der Aufgabe des für die Tilgung der Schuld eingesetzten Vermögenswertes einen äquivalenten Ausgleich in Form der Befreiung von dieser Verbindlichkeit. 68 Insofern ist im Rahmen des § 266 StGB die praktische Bedeutung der Regelung des § 679 als strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund ohnehin sehr gering, da die Erfüllung einer Zahlungspflicht (etwa der in § 679 BGB genannten gesetzlichen Unterhalts63 Roxin, AT I, § 18 Rn. 9, der entgegen LK-Hirsch Vor § 32 Rn. 137 hier keinen Fall der mutmaßlichen Einwilligung annimmt. 64 So auch Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 363 f.; Schroth, JuS 1992, S. 479; Roxin, AT I, § 18 Rn. 9; Weber, Fs. Baur, S. 139 f. 65 Beispiel von Weber, Fs. Baur, S. 133, 139 f. 66 LK-Hirsch, Vor § 32 Rn. 130. 67 So außer den in Fn. 160 genannten Autoren auch Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 9 Rn. 41. 68 RGSt 75, 225, 230; BGH NStZ 1995, 185; Lackner/Kühl, § 266 Rn. 17 m. w. N.

B. Die mutmaßliche Einwilligung

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pflichten) schon den Tatbestand entfallen läßt und sich die Frage einer Rechtfertigung deshalb gar nicht mehr stellt. 69

2. Rechtfertigender Notstand und erlaubtes Risiko Häufig wird die hypothetische Einwilligung als eigenständiger Rechtfertigungsgrand zumindest „neben" den rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB) oder diesen sehr angenähert70 platziert. Dies erscheint insofern richtig, als in den Fällen, in denen Indizien für eine bestimmte Willensbildung des Betroffenen fehlen, ein ähnlicher Entscheidungsprozeß stattfindet wie bei der Interessenabwägung nach § 34 StGB mit dem Ziel, durch den Eingriff ein für den Betroffenen objektiv vernünftiges Ergebnis 71 zu erreichen. Dass dieses pragmatisch-vernünftig begründete Ergebnis auch vom Betroffenen gewollt sei, erscheint dann plausibel und rechtlich nicht zu beanstanden. Sofern aber Anzeichen dafür bestehen, dass seine Vorstellungen davon abweichen, sind diese zu respektieren: der autonome Wille des Betroffenen hat eindeutig den Regelungsvorrang. 72 Wegen der von der Interessenabwägung bei § 34 StGB abweichenden Priorität subjektiver Zwecksetzungen kann daher mit der herrschenden Meinung die mutmaßliche Einwilligung nicht als ein Unterfall des § 34 StGB angesehen werden. 73 Überwiegend wird auch die Kategorie des erlaubten Risikos ins Spiel gebracht, um das dogmatische Gerüst der mutmaßlichen Einwilligung abzubilden; insbesondere ordnen manche sie unter das für verschiedene Rechtfertigungsgründe „gemeinsame Strukturprinzip" 74 des erlaubten Risikos ein. 75 Es kann hier nicht der Ort sein, die höchst umstrittene Problematik, die mit dem Terminus des erlaubten Risikos verbunden ist, auch nur ansatzweise darzulegen. Insoweit geklärt ist aber im Kontext der mutmaßlichen Einwilligung, dass sich im Falle der pflichtgemäßen Prüfung an der rechtfertigenden Wirkung der mutmaßlichen Einwilligung nichts ändert, wenn sich ex-post herausstellen sollte, dass der Betroffene mit der fraglichen Maßnahme nicht einverstanden war. Denn die Entscheidung aufgrund einer bloßen Vorstellung, die in Ermangelung eines artikulierten Willens nur durch eine Spekulation gewonnen werden kann, birgt immer ein Fehleinschätzungsrisiko in 69

A. A. in diesem Fall wohl Weber, Fs. Baur, S. 140. In diese Richtung Schmidhäuser, AT, 6/87, 6/90, der stattdessen von einem Rechtfertigungsgrund des „dringlichen Interesses" spricht, dessen Unterschied zu § 34 in erster Linie in der Identität des Trägers von Eingriffs- und Rettungsgut bestehe. 70

71

Vgl. auch Köhler, AT, S. 259: „objektiv-normale Vörzugsentscheidung". And. aber Noll, S. 137-139: Schuldausschluss; Schmidhäuser, AT, 9/87. 73 BGHSt 35, 246, 249 f. (zu §§ 223 ff. StGB). 74 Jescheck/Weigend, AT, § 361. 1. 72

75 So etwa Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 11; Roxin, AT I, § 18 Rn. 2 indes bestreitet eine Sonderstellung der unter dem Begriff des erlaubten Risikos zusammengefassten Rechtfertigungsgründe.

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6. Kap.: Der mutmaßliche Konsens

sich; niemand außer dem Rechtsgutinhaber kann mit absoluter Sicherheit sagen, wie er sich im Zeitpunkt der Handlung entschieden hätte. 76 Aus diesem Grund muss dem Betroffenen auch in einem gewissen Rahmen das Recht zugebilligt werden, sich in actu gegen solche Maßnahmen zu wehren, die zwar von einer mutmaßlichen Einwilligung gedeckt sind, aber dennoch seinen Vorstellungen widersprechen. Eine Berufung auf § 32 StGB und die Gewährung eines Eingriffsrechts kommt dabei aber nicht in Betracht, da bei Vorliegen der mutmaßlichen Einwilligung die Rechtswidrigkeit des Angriffs entfällt. Hier bietet sich nur der Ausweg einer sog. schlichten Handlungsbefugnis im Rahmen des § 34 StGB an; 77 dies gilt auch für einen Dritten, der u. U. besser als der Eingreifende weiß, was der Rechtsgutsinhaber will, und ihm so im Wege der Notstandshilfe gegen den Täter beistehen kann.

3. Einwilligung Die größte dogmatische Nähe besitzt die mutmaßliche Einwilligung jedoch zur Einwilligung, und zwar unabhängig davon, ob es sich im Fall einer tatsächlich vorliegenden Einwilligungserklärung um die Form des tatbestandsausschließenden Einverständnisses oder der rechtfertigenden Einwilligung gehandelt hätte. Zum einen beruht die hypothetische Einwilligung ebenso wie die tatsächlich erteilte auf demselben Prinzip des fehlenden „Bestandsschutz"interesses des Betroffenen: 78 ebenso wie bei der Einwilligung vom Betroffenen gerade nicht die Unversehrtheit des Rechtsgutes gewünscht wird, so wenig legt er auch bei der mutmaßlichen Einwilligung auf strafrechtlichen Rechtsschutz wert - das Strafrecht muss vielmehr seinem (mutmaßlichen) Willen in Form der strafrechtlichen Erlaubnis für den Eingreifenden Rechnung tragen. Zum anderen gibt es große Übereinstimmungen hinsichtlich der vom Täter zu beachtenden Voraussetzungen für einen Eingriff, sofern sich nicht aus der Rechtsnatur der mutmaßlichen Einwilligung Besonderheiten ergeben. Klarheit herrscht hierbei zunächst bei der Entscheidung, auf welche Person als Entscheidungsträger abgestellt werden muss, wenn es darum geht, die Bezugspunkte für den hypothetischen Willen zu bestimmen. Dies kann nur deijenige sein, der als der zuständige Entscheidungsträger im Rahmen des tatbestandsausschließenden Einverständnisses gefragt werden müsste, mithin bei § 266 StGB derjenige, der als dispositionsbefugt über das Rechtsgut Vermögen 79 (dazu Kapitel 2) anzusehen ist. Eine weitere Konvergenz zum Einverständnis besteht darin, dass der Dis76 Mitsch, in: Baumann/ Weber/Mitsch, AT, § 17 Rn. 116. 77 Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 11; Roxin, AT I, § 18 Rn. 2. 78 Vgl. dazu bereits oben das 1. Kapitel B. I. sowie Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 54. 79 Zu den einzelnen Trägern der Verfügungsmacht s. oben das 2. Kapitel.

B. Die mutmaßliche Einwilligung

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positionsbefugte im fraglichen Tatzeitpunkt auch einverständnisfähig sein muss. Hat diese Fähigkeit zur Einschätzung der Bedeutung und Tragweite des Entschlusses gefehlt und hätte folglich ein Dritter als Entscheidungsträger an Stelle des eigentlichen Dispositionsbefugten handeln müssen (z. B. ein gesetzlicher Vertreter), so kommt es auf den mutmaßlichen Willen dieses Dritten und nicht auf denjenigen des Rechtsgutsträgers an, sofern der gesetzliche Vertreter nicht rechtzeitig erreicht werden kann. Wenn also beispielsweise ein Jugendlicher mit einem unvernünftigen Rechtsgeschäft (etwa dem Verkauf einer ihm zur Konfirmation geschenkten Golduhr) einverstanden gewesen wäre, er aber wegen der maßgeblichen zivilrechtlichen Wertung gem. § 106 BGB nur beschränkt geschäftsfähig ist, so ist (nach der oben entwickelten, hier vertretenen Ansicht) nicht an seinen potentiellen Willen, sondern an denjenigen seiner Eltern anzuknüpfen. 80 Ebenso ist der temporäre Bezugspunkt für den hypothetischen Willen der gleiche wie beim Einverständnis. 81 Es kommt nicht darauf an, ob der Dispositionsbefugte irgendwann vor oder nach der fraglichen Maßnahme zugestimmt hätte; auch ist, wie Stratenwerth zu Recht betont, das eigene nachträgliche Urteil nicht verlässlich, da es eben erst im nachhinein gebildet wurde. 82 Entscheidend ist vielmehr, welchen Willen er im Zeitpunkt der vom Treunehmer vorgenommenen Handlung gebildet hätte. Insofern ist die nachträgliche Genehmigung zumindest im speziellen Kontext der mutmaßlichen Einwilligung unerheblich.

I I I . Die inhaltliche Festlegung des mutmaßlichen Willens 1. Der Maßstab An die Stelle des erklärten Willens tritt bei der mutmaßlichen Einwilligung der hypothetische Wille, wie er aufgrund einer objektiv-sorgfaltsgemäßen und subjektiv-pflichtgemäßen, gewissenhaften Erforschung zu ermitteln ist. 83 Primäres Ziel der Prüfung muss es dabei sein, die individuelle Einstellung des Betroffenen zu ermitteln, d. h. sich in seine Person, sein Wesen, seine Wertvorstellung und seine Interessen hineinzuversetzen und zu fragen, wie seine Stellungnahme zum Verhalten des Täters ausgefallen wäre. 84 Hierbei ist allein der subjektiv definierte Umgang des Dispositionsbefugten mit seinem Vermögen der Maßstab, mag dieser auch noch so unvernünftig, nonkonformistisch, eigensinnig, anomal oder exzentrisch mit seinen Gütern umgehen. so Dazu 2. Kapitel A. II. 81 Dazu das 5. Kapitel 82 Stratenwerth, AT I 4 , § 9 Rn. 40. 83 So die herrschende Meinung; vgl. Kühl, AT, § 9 Rn. 47; Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 57; Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 17 Rn. 124. 84 Im Kontext des § 223 StGB genauso BGH NJW 2002, 886. 16 Schramm

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6. Kap.: Der mutmaßliche Konsens

Beurteilungsgrundlage bilden hierfür zunächst solche Tatsachen, aus denen auf eine bestimmte Willensrichtung des Rechtsgutsinhabers geschlossen werden kann, wie etwa frühere Erklärungen oder sonstige Verhaltensweisen des Einwilligungsinhabers. 85 War er etwa bereits früher damit einverstanden, dass der Geschäftsführer sich mit Beträgen aus der Firmenkasse gegen Ende eines Monats ein Darlehen gewährt hatte, so spricht vieles für eine solch konsensuelle Haltung des Treugebers auch bei einer Wiederholung. Fehlen jedoch solche Indizien für eine besondere, vom Durchschnitt abweichende Willensbildung des Dispositionsbefugten, so muss sich die Wahrscheinlichkeitsentscheidung letztlich daran auszurichten, wie „man" sich in einer solchen Situation objektiv interessengerecht und vernünftig verhalten würde. Im Schrifttum finden sich für den Maßstab Kriterien wie etwa die „objektiv-normale Vorzugsentscheidung" (Köhler), 86 „eine nach objektiven Maßstäben vernünftige Entscheidung" (Lenckner) 87, „was aus objektiver Sicht seinem Interesse - seinem wahren Wohl - entspricht" (Mitsch), 88 was „gemeinhin als normal und vernünftig gilt" (Stratenwerth / Kuhlen) 89 oder andere, damit ohne weiteres vergleichbare Formulierungen, z. B. dass davon ausgegangen werden kann, „dass der Betroffene das für sich beste will" (Kühl). 90

2. Irrtümer Da der Wille nur hypothetisch bestimmt werden kann, besteht das Risiko, dass sich die vom Täter vorgenommene Entscheidung ex-post als falsch erweist, d. h. der Betroffene im Tatzeitpunkt, hätte man ihn fragen können, nicht mit der in Rede stehenden Maßnahme einverstanden gewesen wäre. Denkbar ist dies beispielsweise dann, wenn der bislang zu sehr risikoreichen Spekulationsgeschäften neigende Treugeber sich plötzlich eines anderen besinnt und zu einem ökonomisch vorsichtigen Verhalten entschließt, der Treunehmer von dieser veränderten Haltung des Treugebers aber noch nichts erfahren hat. Vörstellbar ist aber auch der umgekehrte Fall, dass ein Treugeber, der bislang mit seinem Geld sparsam und vernünftig umgegangen ist, plötzlich in „Saus und Braus" leben möchte und aus diesem Grunde vom Treunehmer - in Unkenntnis dieses Sinneswandels - vorgenommene Dispositionen abgelehnt hätte, die auf einen Bestandsschutz des Vermögens gerichtet waren. Klärungsbedürftig ist hierbei die Vorfrage, ob der Treunehmer überhaupt zu einer besonderen Prüfung des hypothetischen Willens verpflichtet ist oder es hier

85 86 87 88 89 90

Vgl. etwa Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 17 Rn. 121. Köhler, AT, S. 259. Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vörbem. §§ 32 ff. Rn. 56. Mitsch, in: Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 17 Rn. 121. Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 9 Rn. 40. Kühl, AT, § 9 Rn. 46.

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nicht als subjektive Rechtfertigungsvoraussetzung genügt, dass der Täter aufgrund von einfach strukturierten Überlegungen, wie sie bei vielen anderen Rechtfertigungsgründen für ausreichend angesehen werden, von der Kongruenz seiner Entscheidung mit dem Willen des Treugebers ausgegangen ist. Hierbei sprechen die besseren Gründe für eine besondere Prüfungspflicht des Täters. Zum einen läßt sich die Anerkennung eines Eingriffs durch die Rechtsordnung, der durch eine exante bestehende Ungewissheit gekennzeichnet ist, mithin Elemente des erlaubten Risikos enthält, nur legitimieren, wenn der Eingreifende sich sorgfältig und gewissenhaft über den mutmaßlichen Willen des Betroffenen Gedanken gemacht hat; dazu kann es auch gehören, entsprechende Untersuchungen und Nachforschungen, etwa bei Mitarbeitern, Angehörigen etc., anzustellen. Zum anderen gehört die mutmaßliche Einwilligung rechtfertigungssystematisch zu den Erlaubnistatbeständen, die ein Recht zum Handeln, aber kein duldungspflichtiges Eingriffsrecht begründen. Wegen des mit der Hypothese begründeten Irrtumsrisikos kann es sein, dass eine andere Person, etwa das Opfer selbst oder ein sachkundiger Dritter, besser Bescheid wissen über die Interessenlage des Treugebers; ihnen muss daher die Rechtsordnung die Möglichkeit eröffnen, dem Eingriff unter den Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstands entgegenzutreten.91 Es kann aber auch zur Fallkonstellation kommen, dass der Täter die Umstände gar nicht oder nur sehr oberflächlich geprüft hat, er aber trotzdem das Richtige trifft, d. h. seine Handlung trotzdem dem Willen des Rechtsgutsinhabers entsprochen hat. Da es das zentrale Telos der mutmaßlichen Einwilligung ist, dem Opferwillen und -interesse zur Geltung zu verhelfen, ist die Pflichtwidrigkeit der unterlassenen Prüfung unerheblich, d. h. die Tat ist gerechtfertigt. 92

3. Behandlung des Irrtums Sofern der Täter trotz subjektiv pflichtgemäßer Prüfung zur Fehlvorstellung über den Willen des Treugebers gelangt war, herrscht im Ergebnis insofern Einigkeit, als alle zu dem Ergebnis kommen, dass das Verhalten des Betroffenen straflos bleiben muss. Manche plädieren dafür, in einer solchen Konstellation die Regeln über den Erlaubnistatbestandsirrtum anzuwenden.93 Wenn man jedoch, wie dies auch hier vertreten wird, die subjektiv pflichtgemäße Prüfung zum konstitutiven Bestandteil dieses Rechtfertigungsgrundes erklärt, so sind sämtliche Voraussetzungen für eine Rechtfertigung gegeben; es fehlt dann insofern ein Irrtum und damit die Notwendigkeit, die Problematik über die Anwendung der Irrtumsregeln zu bewältigen.94 91

Eine Berufung auf § 32 StGB scheidet aus, weil ein von einer schlichten Handlungsbefugnis gedeckter Angriff nicht rechtswidrig ist. 9 2 Vgl. Kühl, AT, § 9 Rn. 47; Jescheck/Weigend, AT, § 34 VII2. 9 3 So etwa Roxin, AT I, § 18 Rn. 30. 94

16*

Lenckner, in: Schänke /Schröder,

Vörbem. §§32 ff. Rn. 60.

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6. Kap.: Der mutmaßliche Konsens

Um einen Erlaubnistatbestandsirrtum handelt es sich hingegen, wenn der Täter sich in einem Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen einer mutmaßlichen Einwilligung befunden hat. Hierbei sind drei Fallgruppen denkbar. In der ersten Konstellation nimmt der Täter aufgrund einer objektiv nicht pflichtgemäßen Prüfung irrig Umstände an, die, wenn sie tatsächlich vorliegen würden, das hypothetische Wahrscheinlichkeitsurteil legitimieren würde, der Betroffene sei mit dem Verhalten einverstanden. Sodann sind Fälle vorstellbar, in denen der Täter den Sachverhalt zwar richtig erfasst, er aber aufgrund einer falschen Würdigung der Umstände meint, die Indizien sprächen für eine hypothetische Zustimmung. Und zur dritten Fallgruppe gehören solche Konstellationen, in denen sich jemand über Umstände irrt, die nicht erst den mutmaßlichen Willen des anderen betreffen, sondern andere Momente dieses Rechtfertigungsgrundes, die im Falle ihres Vorliegens auch die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung rechtfertigen würden (z. B. Irrtum über die Person des Dispositionsbefugten). 95 Für die Untreue heißt dies, dass in diesen drei Formen des Erlaubnistatbestandsirrtums § 16 Abs. 1 StGB analog zur Anwendung gelangt und mithin die Haftung wegen einer vorsätzlichen Untreue entfällt; 96 die nach § 16 Abs. 1 S. 2 StGB an sich vorzunehmende Prüfung einer fahrlässigen Begehung erübrigt sich bei § 266 StGB, da die fahrlässige Untreue nicht unter Strafe gestellt ist. 97 Als ein Verbotsirrtum, § 17 StGB, bzw. - im Falle des Unterlassens - ein Gebotsirrtum hingegen ist es einzustufen, wenn sich die Fehlvorstellung auf die rechtliche Voraussetzungen dieses Rechtfertigungsgrundes erstreckt. Dies wäre etwa gegeben, wenn der Täter glaubt, nur eine objektive vernünftige Entscheidung treffen zu müssen und dass den Besonderheiten des Opferwillens keine Beachtung geschenkt werden dürfe. 98 Nach der hier vertretenen Auffassung gehört dazu auch die pflichtgemäße Prüfung der für die hypothetischen Willensbildung maßgeblichen Umstände: wer meint, schon aufgrund einer oberflächlichen Würdigung der Umstände zum vermögensmindernden Eingriff berechtigt zu sein, unterliegt einem (vermeidbaren) Verbotsirrtum nach § 17 StGB. 99

95 Vgl. Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 60. 96 Sofern man nicht der strengen Schuldtheorie folgt, die § 17 anwenden will; zum Streit um die Bewertung des Erlaubnistatbestandsirrtums, der in dieser Arbeit auch nicht ansatzweise dargestellt werden kann, vgl. Gropp, AT, § 13 Rn. 96 ff.; Wessels/Beulke, AT, Rn. 467. 97 Vgl. 1. Kapitel C. II. 98 Vgl. auch Roxin, AT I, § 18 Rn. 31. 99 Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 32 ff. Rn. 60.

7. Kapitel

Reform der Untreue und europarechtliche Aspekte A. Reform der Untreue in Deutschland Die Weite und mangelnde Konturenschärfe des § 266 StGB, vorrangig diejenige seiner Treubruchsvariante, wurden in der Vergangenheit bereits vielfach beklagt. So formulierte Hellmuth Mayer 1954 den Satz, der inzwischen zu einem „Klassiker" der Untreuediskussion gewordenen ist: „Sofern nicht einer der klassischen alten Fälle der Untreue vorliegt, weiß kein Gericht und keine Anklagebehörde, ob § 266 vorliegt oder nicht". 1 Labsch erklärte 1983 den Untreuetatbestand wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot sogar für verfassungswidrig. 2 Zwar fand diese Behauptung in der Rechtsprechung und Literatur zunächst gar keinen Beifall. 3 Doch fast 20 Jahre später fällt das Urteil von Rainer Hamm nicht positiver aus, wenn er meint, „dass der uns aus der Nazizeit erhalten gebliebene § 266 StGB unter der Geltung des Bestimmtheitsgebots (Art. 103 Abs. 2 GG) zumindest in der herrschenden Anwendungspraxis verfassungswidrig ist". 4 Zwar wird man sich diesen Befunden in ihrer Schärfe nicht uneingeschränkt anschließen können, bemühen sich doch Rechtsprechung und Wissenschaft immerhin seit über fünf Jahrzehnten um eine rechtsstaatlich akzeptable Konturierung des Tatbestands. Namentlich das Kriterium der Geschäftsbesorgung kann - anders als diffuse „Gesamtbetrachtungen" - zu einer gewissen Präzisierung des Täterstatus' beitragen.5 Darüber hinaus kann der Zweckentfremdung des § 266 StGB für tatbestandsexterne Zwecke durch eine teleologisch ausgerichtete Dogmatik begegnet werden.6 Gleichwohl wird dem ernüchternden Fazit von Otto nur schwerlich widersprochen werden können, dass man von einem Konsens über eine präzise und allen Bestimmtheitsanforderungen genügende Beschreibung der Täterposition des Untreuetatbestands weit entfernt ist. 7 Darüber hinaus stößt der von der Rechtspre1

H Mayer, Materialien, S. 337. 2 Labsch, S. 189 ff. 3

Vgl. etwa LK-Schünemann, § 266 Rn. 30 m. w. N. 4 Hamm, NJW 2001, 1694. 5 Dazu 1. Kapitel A. III. 6 Vgl. 5. Kapitel C. 7

Otto, Freiburg-Symposium, S. 363.

246

7. Kap.: Reform der Untreue und europarechtliche Aspekte

chung unternommenen Versuch, die Weite des Treubruchstatbestands durch besonders strenge Anforderungen an die Feststellung des Vorsatzes zu kompensieren,8 weiterhin auf entschiedene Kritik im Schrifttum. 9 Nicht anders lautet der Befund hinsichtlich der Frage, ob ein Ersatzanspruch des Opfers dann den Schaden entfallen läßt, wenn der Täter zum Ersatz willens und fähig ist. 10 Die Unsicherheit im Umgang mit § 266 StGB zeigt sich auch darin, dass in Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Untreue sehr häufig das Instrument der Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit nach § 153a StPO eingesetzt wird, was zwar die Unschuldsvermutung unberührt läßt, bei Betroffenen dennoch einen „bitteren Nachgeschmack" hinterläßt. 11 So gibt der Tatbestand seit einigen Jahrzehnten Anlaß zu Reformerwägungen, die auf eine restriktivere Fassung des Tatbestandes und damit einen engeren Anwendungsbereich gerichtet sind. Bislang haben diese in erster Linie von der Strafrechtswissenschaft 12 an den Tag gelegten Bemühungen aber nicht zu einer Umformulierung des Tatbestandes durch den Gesetzgeber geführt. Sowohl der 1962 vorgelegte Gesetzesentwurf zur Untreue (§ 263 E 1962),13 der das pflichtwidrige Führen der Verwaltung oder Aufsicht durch einen abschließend genannten Täterkreis erfasst, als auch die später in die Diskussion eingebrachten Gesetzesvorschläge einschließlich der im Aiternativ-Entwurf von 1977 enthaltenen Norm des § 183 im Vorfeld der Untreue 14 wurden niemals Gegenstand eines Gesetzgebungsprozesses.

I. Die Gesetzesänderungen seit 1933 Die Gesetzesänderungen, die seit dem Erlass der Vorschrift im Jahre 1933 ergangen sind, 15 betrafen niemals die tatbestandlichen Voraussetzungen der Untreue in Abs. 1, sondern lediglich die in Abs. 2 und dem früheren Abs. 3 enthaltenen Qualifikationen sowie die Rechtsfolgen- und strafprozessuale Seite, z. B. die Regelun8 BGHNJW 1975, 1234, 136. 9 Vgl. etwa Hillenkamp, NStZ 1981, S. 161, 163; LK-Schünemann, § 266 Rn. 151. 10 So etwa BGHSt 15, 342; Lackner/Kühl, § 266 Rn. 17; dagegen etwa Labsch, wistra 1985, S. 1, 8. 11 Deutlich Thomas, Fs. Rieß, S. 809; § 153 a StPO dürfe nicht zu einem „Abfalleimer für die fehlende Rechtssicherheit einer zentralen Norm im Kernstrafrecht" denaturiert werden. 12 Namentlich von Weber, vgl. etwa Weber, Fs. Dreher, S. 555-571. Weitere Reformvorschläge stammen von Winter, Labsch, Otto und Nelles. Dazu mehr im fortlaufenden Text oben. 13 Vgl. dazu G. Haas, S. 119 ff. und Winter, S. 1 ff., der seinen eigenen Reformvorschlag (a. a. O. S. 127) stark an den E 1962 anlehnt und diesen nur um das Erfordernis eines „nicht unbedeutenden" Vermögensnachteil erweitert; dagegen G. Haas, S. 125 f. 14 Eine dem § 185 AE 1977 entlehnte Vorschrift gegen den Scheck - und Kreditkartenmissbrauch wurde später freilich in Form des § 266b im Jahre 1986 eingefühlt. 15 Zusammenstellung bei LK-Schünemann, § 266 vor Rn. 1, S. 4 - 6 .

A. Reform der Untreue in Deutschland

247

gen zu den besonders schweren Fällen, 16 zum Strafantragsrecht 17 und zur Art der Strafe. 18

1. Die Einführung von Regelbeispielen durch das 6. StRG Die letzte Änderung erfolgte durch das 6. Strafrechtsreformgesetz von 1998,19 das die bisherigen Absätze 2 und 3 des § 266 StGB zusammengefasst hat und hinsichtlich der besonders schweren Fälle der Untreue auf die Regelbeispiele beim Betrug in § 263 Abs. 3 StGB verweist, die allerdings nicht ausnahmslos,20 sondern nur teilweise auf die Untreue übertragbar sind. So dürfte das Regelbeispiel Nr. 7, die Strafschärfung wegen gewerbs- oder bandenmäßigem Handeln (§ 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB) im Rahmen der Untreue zwar nur sehr selten von Gewicht sein, da diese gewerbsmäßigen Ziele bzw. Gruppen, im Unterschied zum Betrug, bei § 266 bislang, so weit ersichtlich, so gut wie keine Rolle gespielt haben und wohl auch in Zukunft atypisch bleiben dürften. 21 Denkbar sind freilich auch hier - über den Bandenbegriff erfassbare - Fälle organisierter Kriminalität, etwa im Bereich von illegalen, treuwidrigen „Kooperationen" im Wirtschaftsbereich oder korrupte Strukturen im staatlichen Sektor, etwa langjährige treupflichtwidrige Vermögensschädigungen mehrerer Amtsträger infolge Bestechung. Schließlich sind auch Tathandlungen solcher Treunehmer vorstellbar, die sich mittels der Begehung einer Untreue eine dauerhafte (zusätzliche) Einnahmequelle verschaffen (wollen) und damit gewerbsmäßig handeln. Fraglich erscheint es, den Verweis in § 266 Abs. 2 StGB auf § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB so zu verstehen, dass sich die Bande zur fortgesetzten Begehung von Taten nach § 266 StGB verbunden haben muss (Fischer) 22 und nicht, wie es unter gänzlicher Übernahme des Wortlauts aus § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB teilweise vertreten wird, zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug. Der Wortlaut des Gesetzes ist hier eindeutig und kann nicht einfach durch einen Austausch der Gesetzbegriffe verändert werden 23. Die Regelbeispiele des § 263 Abs. 3 StGB stellen aber ihrer Rechtsnatur nach Strafzumessungsregeln dar, weshalb eine am Bandenbetrug nach § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB orien16 Einerseits Einschränkung durch das 3. StÄG v. 4. 8. 1953 (BGBl. I 735), andererseits Ausweitung durch das 6. StRG v. 20. 1. 1998 (BGBl. 1721). 17 Ebenfalls durch das 3. StÄG (vgl. Fn. 15). 18 1. StRG v. 25. 6. 1969 (BGBl. 1645). 19 V g l . F n . 15. 20 Vgl. etwa die Kritik von LK-Schünemann, § 266 Rn. 177 („kapitale Fehlleistung des Gesetzgebers", „die man mit guten Gründen wegen offensichtlicher Unvernunft für rechtsstaatswidrig und somit nichtig erklären könnte") und von Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 428 („mißlungener Verweis"). 21 "LK-Schünemann, § 266 Rn. 176. 22 Tröndle/Fischer, § 266 Rn. 83b. 23 Nach Cramer, in: Schönke/Schröder, Vorbem. §§ 263 ff. Rn. 18, ein Verstoß gegen das Analogieverbot.

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7. Kap.: Reform der Untreue und europarechtliche Aspekte

tierende Strafzumessung zu einer vergleichbaren „Bandenuntreue" nach §§ 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StGB kommen kann, sofern sich die „Bandenuntreue" deutlich vom Normalfall der Untreue abhebt und vom Unwertgehalt dem Bandenbetrug in etwa entspricht . Dies würde dann keinen Verstoß gegen das Analogieverbot darstellen. 24

Bedeutsamer ist jedoch die erste Variante des Regelbeispiels Nr. 2, das einen Vermögensverlust großen Ausmaßes betrifft (§ 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB); schon bislang wurde bei Schäden, die außergewöhnlich hoch waren, ein besonders schwerer Fall des § 266 Abs. 2 StGB a. F. (Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zehn Jahren) angenommen.25 Ebenso dürfte die zweite Variante der Nr. 2 (Absicht, durch die fortgesetzte Begehung einer Untreue eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen) Bedeutung erlangen: Es sind durchaus Fälle denkbar, 26 in denen der Täter gegenüber einer Vielzahl von Personen vermögensbetreuungspflichtig ist (z. B. ein Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzschuldner, den Insolvenzgläubigern und Massegläubigern). 27 Unmittelbar einleuchtend ist auch das Regelbeispiel Nr. 3, denn gerade Untreuetäter können wegen der ihnen eingeräumten Machtposition über fremdes Vermögen 28 andere Personen in die Gefahr einer wirtschaftlichen Not bringen, wobei das Gesetzt, wie die Wortwahl andeutet („Person", „Not"), nur natürliche Personen meint. Wichtig im Bereich der Untreue zum Nachteil der öffentlichen Hand ist das Regelbeispiel Nr. 4: Entgegen der herrschenden Lehre 29 bedeutet es keinen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot, wenn die Amtsträgerstellung eine Doppelnatur hat und nicht nur die Treupflicht, sondern auch die Voraussetzungen eines Regelbeispiels erfüllt; der Gesetzgeber wäre, worauf der BGH zu Recht hinweist, nicht gehindert, den Qualifikationstatbestand einer Amtsuntreue einzuführen. 30 Kaum relevant wird hingegen das Regelbeispiel Nr. 5, weil die darin geforderte Vörtäuschung eines Versicherungsfalls zwar Tathandlung des Betrugs, nicht aber eine solche der Untreue ist. 31

24 Vgl. Eser, in: Schänke /Schröder, § 1 Rn. 29; zur verfassungsrechtlichen Problematik des Analogieverbots im Zusammenhang mit Regelbeispielen Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 404. 25 Zu § 266 Abs. 2 StGB a. F. vgl. etwa BGH NJW 1984, 2539. 26 Entgegen Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 266 Rn. 53 und LK-Schünemann, § 266 Rn. 176; skeptisch auch Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 429. 27 Vgl. dazu Schramm, NStZ 2000, S. 398. 28 Dazu 1. Kapitel A. II. 2. 29 So etwa Lackner/Kühl, § 266 Rn. 22; Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 266 Rn. 53 LK-Schünemann, Rn. 176. 30 So zu Recht BGH NStZ 2000, 592; insoweit zustimmend Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 430.

31 Eisele, Regelbeispielsmethode, S. 431 \Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, § 266 Rn. 53; LK-Schünemann, § 266 Rn. 176. Man könnte allenfalls an den treupflichtigen Mitarbeiter einer Versicherung denken, der an einem Versicherungsbetrug mitwirkt und die Entscheidung über die von der Versicherung erbrachte Leistung beeinflußt.

A. Reform der Untreue in Deutschland

249

2. Die Abschaffung von Sondertatbeständen Daneben hat der Gesetzgeber teilweise bereits in den fünfziger, vorrangig aber in den sechziger und insbesondere frühen siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine Vielzahl von im Nebenstrafrecht angesiedelten, speziellen Untreuevorschriften 32 aufgehoben, zuweilen explizit mit der Begründung, diese Vorschriften seien überflüssig, da die von ihnen erfassten Fälle ohnehin unter § 266 StGB fallen würden und diese Vorschrift damit genügen würde. Zur Schaffung dieser Sondertatbestände hatte sich der Gesetzgeber zweier unterschiedlicher Methoden bedient. Die erste Vorgehensweise, die ausschließlich in der Zeit vor 1933 praktiziert wurde, war durch eine bestimmte Art der Verweisungstechnik gekennzeichnet, mittels derer der Tatbestand des § 266 StGB a. F. 33 auf weitere Personengruppen ausgedehnt wurde, indem diese den Vormündern des § 266 Abs. 1 Nr. 1 StGB a. F. gleichgestellt wurden und sie dann, so zumeist der Gesetzesworlaut, ,der Strafbestimmung des § 266 unterlagen4, sofern der Täter „absichtlich zum Nachteil" des geschützten Vermögensträgers gehandelt hatte. Zu dieser ersten Gruppe der Sondervorschriften zählten namentlich: die Organuntreue bei der Krankenversicherung (§ 42 Abs. 3 ArbeiterkrankenversicherungsG), 34 bei der Versicherungsanstalt für die Invaliditätsversicherung (§ 93 InvalidenversicherungG) 35 bei der Gewerbeunfallgenossenschaft (§ 45 GewerbeunfallversicherungsG) 36 und der Hilfskasse (§ 34 HilfskassenG). 37 Die zweite Vörgehensweise bestand in der Schaffung originärer Tatbestände, die erschöpfend die Strafbarkeitsvoraussetzungen bezeichneten und keinen Verweis auf den § 266 StGB enthielten. Zu dieser zweiten Gruppe, die wesentlich größer als die eben skizzierte erste Gruppe war, gehörten namentlich: 38 - die verschiedenen Formen ungetreuen Handelns durch Organe einer juristischen Person, wobei die Tathandlung meist umschrieben war mit einem „vorsätzlichen Handeln zum Nachteil der Gesellschaft"; so z. B. aktienrechtliche Organuntreue (§ 294 AktG); 3 9 die reichsversicherungsrechtliche Organuntreue (§ 23 RVO); 40 32 Vgl. etwa die Zusammenstellungen bei Weber, Fs. Dreher, S. 555 f. und eingehend zu den Tatbeständen, die Gesellschaften schützen sollte, Nelles, S. 40-90 mit umfassenden Gesetzesregister und dem Wortlaut der aufgehobenen Bestimmungen im Anhang S. 615-667. 33 Abgedruckt im 1. Kapitel A. III. 3. 3 * v. 25. 5. 1903, RGBl. I, 233 ff., aufgehoben durch die ReichsversicherungsO (RVO) v. 19. 7. 1911 (RGBl. 1509 ff.). 3 5 v. 13. 7. 1899, RGBl. 1463 ff., aufgehoben durch die RVO (Fn. 30). 3 6 v. 30. 6. 1900, RGBl. I 573, 585 ff., aufgehoben durch die RVO (Fn. 30); weitere durch die RVO aufgehobene Gesetze zur Unfallversicherung bei Nelles, S. 661. 37 v. 7. 4. 1876, RGBl. 1125 ff., aufgehoben durch G. v. 20. 12. 1911, RGBl. 1985 ff. 38

Bei der nachfolgenden Auflistung wird diejenige Bestimmung genannt, die als letzte gegolten hat, bevor der nebenstrafrechtliche Sondertatbestand abgeschafft wurde. 3 9 v. 30. 1. 1937, RGB1.1 107, 163; aufgehoben durch G. v. 6. 9. 1965, BGBl. 11185. 40 v. 19. 7. 1911, RGBl. 1509 ff., aufgehoben durch G. v. 3. 8. 1967, BGBl. I 845 ff.

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7. Kap.: Reform der Untreue und europarechtliche Aspekte

die Organuntreue bei Genossenschaften (§ 146 GenossenschaftsG), 41 bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung (§ 81a GmbHG) 42 oder bei der Versicherungsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (§ 268 Arbeitsvermittlungs- und ArbeitslosenversicherungsG). 43 - im Sozialversicherungsrecht die Bestrafung von Arbeitgebern, welche die vom Arbeitnehmer einbehaltenen Beiträge für die unterschiedlichen Sozialversicherungen nicht an die Versicherungsträger abführten; so z. B. in §§ 529, 1428 ReichsversicherungsO 44 oder zeitlich davor etwa in § 225 Arbeitsvermittlungsund ArbeitslosenversicherungsG 45 und § 234 Reichsknappschaftsgesetz; 46 - sowie bestimmte Formen der Untreue, die auf den speziellen Täterkreis und die von ihm wahrgenommenen Aufgaben zugeschnitten waren, weshalb die Tathandlung meist genauer umschrieben wurde als in den eben erwähnten Tatbeständen der Organuntreue, in denen immer nur von einem „Handeln zum Nachteil der Gesellschaft" gesprochen wird; als Beispiele seien genannt die Kommissionärsuntreue im Börsenrecht (§ 95 BörsenG) 47 oder die versicherungsaufsichtsrechtliche Organuntreue (§ 135 des Gesetzes zur Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen); 48 allgemeiner gehalten war aber die Untreue zum Nachteil der Pfandbriefgläubiger (§ 36 HypothekenbankG).49 Von den Sondertatbeständen mit einer gewissen Untreuekomponente sind heute nur noch die Depotunterschlagung (§ 34 DepotG) sowie der durch das 2. WiKG 5 0 geschaffene Tatbestand des § 266a StGB in Kraft, der die eben erwähnten und bis dahin in sozialversicherungsrechtlichen Gesetzen enthaltenen Strafvorschriften zur Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen teilweise in einer Norm zusammenfasst. Vor diesem legislatorischen Hintergrund eines seit 1933 unveränderten Tatbestands des § 266 StGB sowie der Abschaffung nahezu aller Untreue-Sondertatbestände ist im Folgenden zu klären, in welcher Art und Weise eine Tatbestandspräzisierung des § 266 StGB sinnvoll erscheint, namentlich auch eine Regelung im Hinblick auf Fragen des Einverständnisses (z. B. durch die Einfügung eines 41 v. 1. 5. 1889, RGBl. I S. 55; aufgehoben durch das 1. StRG v. 25. 6. 1969, BGBl. I S. 645 ff. 42 v. 26. 5. 1933, RGBl. I S. 295; aufgehoben durch das 1. StRG (Fn. 37). 43 v. 16. 7. 1927, RGBl. I S. 187; aufgehoben durch G. v. 23. 12. 1956, BGBl. I S. 1018 ff. 44 v. 19. 7. 1911, RGBl. I S. 509; aufgehoben durch das 2. WiKG v. 15. 5. 1986, BGBl. I S. 721 ff. 45 v. 16. 7. 1927, RGBl. I S. 187; aufgehoben durch das 2. WiKG (vgl. Fn. 40). 46 v. 23. 6. 1923, RGBl. I S. 431; aufgehoben durch das 2. WiKG (vgl. Fn. 40). 47 v. 22. 6. 1896, RGBl. I S. 295.; aufgehoben durch das EGStGB v. 2. 3. 1974, BGBl. I S. 469 ff. 48 v. 12. 5. 1901, RGBl. I S. 139; aufgehoben durch das EGStGB (vgl. Fn. 43). 49 v. 13. 7. 1899, RGBl. IS. 375; aufgehoben durch Ges. v. 14. 1. 1963, BGBl. I S. 13 ff. 50 vgl. Fn. 40.

A. Reform der Untreue in Deutschland

251

spezifischen Tatbestandsmerkmals) erforderlich ist, und inwiefern eine (zumindest teilweise) Rückkehr zu Sondertatbeständen angezeigt ist.

II. Mögliche Reformansätze 1. Begrenzung des Täterkreises Entschiede man sich für eine ausdrückliche Benennung des konkreten Täterkreises wie in der von 1871 bis 1933 geltenden Fassung des § 266 StGB, so würde durch diese Aufzählung, falls sie als numerus clausus ausgestaltet würde (vergleichbar dem heutigen § 203 StGB), 51 das Risiko beseitigt, dass in der Praxis nicht nur ausdrücklich genannte, sondern darüber hinaus weitere, mit bestimmten Vermögensfunktionen ausgestattete Personen zu tauglichen Tätern der Untreue erklärt würden. Mit dieser Gesetzestechnik könnte man beispielsweise erreichen, dass im Rahmen einer GmbH-rechtlichen Untreue nur der Geschäftsführer den Tatbestand verwirklichen kann, nicht aber der Gesellschafter bzw. der Geschäftsführer, der zugleich Alleingesellschafter ist; damit wäre bereits ein kontrovers diskutiertes Problem des Einverständnisses in diesem Komplex durch den Gesetzgeber entschieden. Einen relativ eingegrenzten Täterkreis enthält etwa einer der beiden von Labsch in seiner Dissertation entwickelten Gesetzesentwürfe. 52 Sein neuer „§ 266b, Untreue von Vermögensverwaltern und Aufsichtsorganen" soll an die Stelle der Treubruchsuntreue treten. Die erste Begrenzung erfolgt dadurch, dass als Täter von vorneherein nur derjenige in Betracht kommt, der „rechtswirksam" Verwaltungsaufgaben übernommen hat, womit offenbar faktische Organe wie z. B. faktische Geschäftsführer, aber auch die übrigen bisherigen faktischen Treueverhältnisse der Treubruchsuntreue aus dem Tatbestand ausgeschieden werden sollen. Die zweite Einschränkung wird dadurch erreicht, dass zu solchen, notwendigerweise rechtswirksam bestellten Vermögens Verwaltern u. a. die vertretungsberechtigten Organe einer juristischen Personen, Vormünder, Pfleger, Testamentsvollstrecker und Konkursverwalter gehören. Allerdings fügt Labsch am Ende nach dieser offenbar nicht abschließend gemeinten Aufzählung noch sonstige Vermögensverwalter kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags oder Rechtsgeschäfts ein.

a) Gefahr der Kasuistik Generell spricht gegen eine Enumeration einschlägiger Berufsgruppen bereits die gesetzestechnische Erwägung, dass eine solch begrenzende Aufzählung des Tä51 Vgl. nur Lackner/Kühl, 52 Vgl. Labsch, S. 344 f.

§ 203 Rn. 2.

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7. Kap.: Reform der Untreue und europarechtliche Aspekte

terkreises zumindest bei einem allgemeinen Untreuetatbestand in gewisser Weise einen Rückschritt in die (längst überwunden geglaubte) Gesetzgebungstechnik des 19. Jahrhunderts bedeuten würde. Die Parallelen zum ungeliebt kasuistischen § 266 StGB des Reichsstrafgesetzbuch mit seiner „tragikomischen Aufzählung von Berufsgruppen mit Treupflicht kraft Amtes" (Maiwald) 53 lägen auf der Hand. Auch bestünde die Gefahr, dass Personen aus dem Tatbestand herausfielen, die zwar nicht im Tatbestand genannt werden, womöglich aber die gleiche Machtposition über fremdes Vermögen innehaben wie die explizit erwähnten Täter. Mitglieder von Berufen, die der Gesetzgeber übersehen hat oder deren Entstehung er noch nicht berücksichtigen konnte, könnten unter Untreuegesichtspunkten frei schalten und walten, während andere mit vergleichbarem Status - weil ausdrücklich genannt - strafrechtlich haftbar gemacht werden könnten. Insofern ist die seit 1933 generell gehaltene Formulierung der Vermögensbetreuungspflicht als Tätervoraussetzung einer Untreue schon ein Fortschritt gegenüber den kasuistischen Vorläuferbestimmungen im preußischen und norddeutschen StGB sowie im RStGB. 54 Darüber hinaus wäre beim allgemeinen Untreuetatbestand des § 266 StGB eine solch explizite Nennung jeder potentiellen Tätergruppe schlechterdings unvorstellbar, ohne aus dem Tatbestand ein unförmiges Gebilde zu machen: So erwähnt Schünemann in seiner tiefschürfenden Kommentierung zum Treubruchstatbestand über 80 Treueverhältnisse mit einer weit darüber hinausgehenden Zahl von Treupflichtigen 55 und nennen Lenckner/ Perron in ihrer Kommentierung allein (und diese lediglich als Beispiele) über 50 verschiedene Berufsgruppen, 56 die als Täter des § 266 StGB in Betracht kommen. Mag das Strafgesetzbuch auch sonst Strafvorschriften mit komplexer Struktur enthalten, deren Text sehr lang ist und sich z. T. über zwei und mehr Seiten erstreckt (z. B. §§ 184 aF, 203, 283 StGB), so dürfte es sich doch von selbst verstehen, dass alle Formen denkbarer Treunehmer kaum in einem einzigen Tatbestand des § 266 StGB aufgeführt werden könnten. Allerdings wäre es ohne weiteres denkbar und auch unproblematisch, die Vorzüge einer generellen Täterdefinition, die in einer größeren Anpassungsfähigkeit der Vorschrift an übersehene oder im Zeitpunkt des Gesetzeserlasses noch nicht absehbare Berufe etc. bestehen, mit der Anschaulichkeit und Limitierungsfunktion der Benennung konkreter Tätergruppen zu kombinieren. Dieses Phänomen der Gesetzestechnik ist namentlich bei der Beschreibung der Tathandlungen57 oder Opfer, aber auch zur Kennzeichnung der Täter 58 ganz üblich und kennzeichnet viele Tat53 Maurach/Schweder/Maiwald, 54

§ 45 I Rn. 8.

Vgl. 1. Kapitel A. III. und eingehend zur Geschichte des § 266 von der Constitutio Criminalis Carolina von 1532 bis zu den Partikularstrafgesetzbüchern des 19. Jahrhunderts Wrede, S. 21 ff., dessen Ausführungen allerdings Anklänge an die im Erscheinungsjahr seiner Untersuchung 1938 vorherrschende nationalsozialistische Strafrechtslehre enthält. 55 LK-Schünemann, § 266 Rn. 120 ff. 56 Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 266 Rn. 25. 57 Willkürlich herausgegriffen etwa § 94 Abs. 1, § 107a Abs. 1 StGB.

A. Reform der Untreue in Deutschland

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bestände des StGB. So könnte man, entsprechend der Vorgehensweise von Labsch, einige typische Treueverhältnisse explizit zur Konkretisierung im Tatbestand zu nennen, ansonsten aber an einer allgemeinen Umschreibung des Täterkreises festzuhalten. So böte sich etwa eine Formulierung an, wonach derjenige sich wegen Untreue strafbar macht, der fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen hat, namentlich das vertretungsberechtigte Organ, der Betreuer usw., und durch ein pflichtwidriges Verhalten das Vermögen schädigt.

b) Das Merkmal der Geschäftsbesorgung im Tatbestand Darüber hinaus käme aber auch eine präzisere, allgemeine Umschreibung der für den täterschaftlichen Status erforderlichen Qualifikation in Betracht. Der bislang im Gesetz verwendete Begriff der Vermögensbetreuungspflicht bzw. der Vermögenswahrnehmungspflicht ist, wie alle Auslegungsbemühungen zu § 266 StGB zeigen, zur Kennzeichnung der erforderlichen Täterqualifikation bei der Treubruchsuntreue viel zu unscharf, 59 während bei der Missbrauchsuntreue sowohl vom Täterkreis als auch von der Tathandlung alles weitgehend so genau umschrieben wird, dass insofern gar kein oder allenfalls am Rande ein Reformbedarf besteht.60 Daher erscheint es in erster Linie bei der Treubruchsuntreue erstrebenswert, die Vermögensbetreuungspflicht im Sinne der für Geschäftsbesorgungsverhältnisse (§ 675 BGB) charakteristischen Pflichten im Tatbestand genauer zu definieren. Hierdurch würde zumindest eine gewisse Eingrenzung dahingehend erzielt, dass all die untergeordneten Tätigkeiten, die keinen qualifizierten Zugriff auf fremdes Vermögen erlauben, von vorneherein nicht für § 266 StGB in Betracht kämen. Auch gewönnen die Merkmale der Fremdnützigkeit und der Selbständigkeit der Interessenwahrnehmung als konstitutive Elemente eines Geschäftsbesorgungsverhältnisses zugleich zentrale Bedeutung für § 266 StGB. Darüber hinaus wäre auch der Gesetzgeber dazu aufgerufen, in den Gesetzesmaterialien deutlich darauf hinzuweisen, dass dem nationalsozialistischen Reformmotiv, wonach dem § 266 StGB eine „lückenlose" Auffangfunktion für „alle strafwürdigen Fälle" zukommen müsse, heute keinerlei Bedeutung mehr beizumessen ist und das Geschäftsbesorgungsmerkmal eine zugleich straftatbestmdslimitierende Funktion besitzt.

58

Vgl. etwa § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB, wo mit der Formulierung „Angehörigen von Heilberufen ...". der Täterkreis generell am Schluss der Nr. 1 umschrieben wird und vorher die Ärzte etc. konkret benannt werden. 59 Dazu bereits oben 1. Kapitel A. III. 2. 60 Labsch, S. 344 f., jedoch möchte den Missbrauchstatbestand um Wissentlichkeit hinsichtlich des Missbrauchs und einer Bereicherungsabsicht erweitern. Gegen diese Begrenzung der Missbrauchsuntreue G. Haas, S. 55. Zur Einschränkung des subjektiven Tatbestands durch Einfügung von Elementen des dolus directus I. und II. Grades vgl. sogleich 7. Kapitel A. II. 6, zur Beschränkung der Untreue auf den Missbrauchstatbestand 7. Kapitel A. II. 4.

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7. Kap.: Reform der Untreue und europarechtliche Aspekte

Um dieses strafbarkeitseinschränkende Merkmal in die Vorschrift einzubauen, könnte man den Vorschlag von Nelles aufgreifen 61 und § 266 StGB de lege ferenda wie folgt umformulieren: § 266 StGB Untreue neue Fassung (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer 1. die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder 2. ein fremdes Geschäft unter Verletzung der ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegenden Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, besorgt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, einen Vermögensschaden zufügt.... (2) In besonders schweren Fällen ...

Dieser Gesetzesvorschlag mag den Einwand provozieren, dass ein bekanntes Abgrenzungskriterium „unter neuer Flagge segle" und ein dogmatisch unproblematisches Treueverhältnis, die Geschäftsbesorgung, zum Standard erhoben werde. Dem läßt sich freilich entgegnen, dass mit dieser Änderung der strengere Maßstab des Geschäftsbesorgungsverhältnisses, der von der Rechtsprechung keineswegs stets beachtet und vielfach zugunsten einer diffusen Gesamtbetrachtung aufgegeben wurde, bindend vorgeschrieben würde. Insofern wäre die Neuregelung nicht nur „alter Wein in neuen Schläuchen", sondern durchaus von praktischem Gewicht und würde im Übrigen den Tatbestand klarer im Sinne der hier vertretenen Ansicht ausgestalten, wonach nur bei der Nr. 2, nicht aber schon bei der Nr. 1 ein Geschäftsbesorgungsverhältnis Grundlage der Betreuungspflicht ist. Durch die Einbeziehung faktischer Treueverhältnisse entgeht sie auch dem kriminalpolitischen Manko des Vorschlags von Labsch, nicht wirksam entstandene Verwaltungsbefugnisse aus dem Tatbestand auszunehmen.62 c) Der schweizerische Tatbestand der „ ungetreuen Geschäftsbesorgung " Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die nicht nur sprachliche Übereinstimmung dieses Gesetzesvorschlags mit dem schweizerischen Strafrecht, wo der seit 1. 1. 1995 geltende Art. 158 des Schweizerischen StGB (StGB-Schweiz) das Erfordernis einer Geschäftsbesorgung in seiner Überschrift „Ungetreue Geschäftsbesorgung" erwähnt. Der Tatbestand der Ungetreuen Geschäftsbesorgung, § 158 StGB-Schweiz, lautet: (1) Wer aufgrund des Gesetzes, eines behördlichen Auftrages oder eines Rechtsgeschäfts damit betraut ist, Vermögen eines andern zu verwalten oder eine solche Vermögensverwal61 Nelles, S. 540. 62 Labsch, S. 343 f.

A. Reform der Untreue in Deutschland

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tung zu beaufsichtigen, und dabei unter Verletzung seiner Pflichten bewirkt oder zulässt, dass der andere am Vermögen geschädigt wird, wird mit Gefängnis bestraft. Wer als Geschäftsführer ohne Auftrag gleich handelt, wird mit der gleichen Strafe belegt. Handelt der Täter in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmäßig zu bereichern, so kann auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren erkannt werden. (2) Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmäßig zu bereichern, die ihm durch das Gesetz, einen behördlichen Auftrag oder ein Rechtsgeschäft eingeräumte Ermächtigung, jemanden zu vertreten, missbraucht und dadurch den Vertretenen am Vermögen schädigt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft. (3) Die ungetreue Geschäftsbesorgung zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.

Nach Nr. 1 des Art. 158 StGB-Schweiz begeht einen Treubruch, wer aufgrund des Gesetzes, eines behördlichen Auftrags oder eines Rechtsgeschäfts damit betraut ist, Vermögen eines anderen zu verwalten oder eine solche Vermögensverwaltung zu beaufsichtigen, und dabei unter Verletzung seiner Pflichten bewirkt oder zulässt, dass der andere am Vermögen geschädigt wird. Diese Pflicht wird, ganz ähnlich dem Verständnis der Treupflicht im deutschen Treubruchstatbestand des § 266 StGB, von der schweizerischen Rechtsprechung und Strafrechtswissenschaft nur dann bejaht, wenn der Verpflichtete mit hinreichender Selbständigkeit über das fremde Vermögen verfügen kann und dies in fremdem Interesse geschieht.63 Das ist in der Sache nichts anderes als eine Stellung, die, soweit erkennbar, auch nach deutschem Recht als Geschäftsbesorgung einzustufen wäre. Dass dabei die Überschrift der Vörläuferbestimmung, § 159 StGB-Schweiz, von „ungetreue Geschäftsführung" im Jahre 1995 durch die „ungetreue Geschäftsbesorgung" ersetzt wurde, hing damit zusammen, dass der Täterkreis auf Geschäftsführer ohne Auftrag sowie diejenigen erweitert wurden, die mit der Aufsicht der Vermögensverwaltung betraut sind (z. B. Verwaltungsräte, Stiftungsaufsichten, Vörmundschaftsbehörden). 64 Allerdings enthält der Art. 158 StGB-Schweiz seit 1995 in dessen Nr. 2 auch eine Missbrauchstatbestand, wonach derjenige sich strafbar macht, der die ihm durch Gesetz, einen behördlichen Auftrag oder ein Rechtsgeschäft eingeräumte Ermächtigung, jemanden zu vertreten, missbraucht und dadurch einen Vermögensschaden herbeiführt. Diese Missbrauchsuntreue wird ebenfalls von der Überschrift der Norm „ungetreue Geschäftsbesorgung" erfasst, obwohl der Missbrauch einer Vertretungsmacht, anders als die Treubruchsuntreue in Art. 158 Abs. 1 StGBSchweiz, nicht zusätzlich die Verletzung einer Treupflicht voraussetzt.

63 Vgl. Bernasconi, Fs. Schmid, S. 257; Donatsch, ZStrR 114 (1996), S. 203 f.; Honseil, Fs. Schmid, S. 229. Dabei sind aber in der Rspr. vergleichbare Tendenzen einer „Gesamtbetrachtung" erkennbar wie in der deutschen Rechtsprechung; vgl. auch Rehberg, Art. 158, zu Ziff. 1, S. 226. 64 Donatsch, ZStR 114 (1996), S. 201, 207 f.; krit. zu diesem neuen Tatbestand Honseil, Fs. Schmid, S. 229: „Ausuferung des strafrechtlichen Vermögensschutzes".

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7. Kap.: Reform der Untreue und europarechtliche Aspekte

2. Rückkehr zu Sondertatbeständen Eine darüber hinausgehende Einschränkung des Täterkreises durch konkrete Benennung der tätertauglichen Berufsgruppen erschiene nur sinnvoll, wenn der Gesetzgeber sich dazu entschließen würde, auf dem Gebiet des Nebenstrafrechts zu den einstigen Untreuetatbeständen, etwa denjenigen der soeben erwähnten jeweiligen Organuntreue, zurückzukehren, diese mithin wieder in Kraft zu setzen. Denkbar wäre auch, ganz neue oder zumindest verbesserte besondere Untreuevorschriften als Annex der Fachgesetze zu schaffen, die bestimmte, genau definierte Handlungs- und Unterlassungspflichten enthalten könnten, mit denen evidenten Schutzbedürfnissen, z. B. besonders gefährlichen Phänomenen der heutigen Wirtschaftskriminalität oder typischen Interessenkonflikten im Bereich des Gesellschaftsstrafrechts 65 Rechnung getragen werden könnte.

a) Positiver präventiver

Effekt

Es ist davon auszugehen, dass solche Vorschriften in besonderer Weise spezialund generalpräventive Wirkungen entfalten könnten; mit ihnen dürften deshalb bestimmte Berufsgruppen bereits durch die Erwähnung im Tatbestand konkret angesprochen werden, die sich dann höchstwahrscheinlich auch angesprochen fühlen würden, weil ihnen zusammen mit den nichtstrafrechtlichen Bestimmungen des Spezialgesetzes (z. B. dem GmbHG) zugleich Existenz und Inhalt des strafrechtlichen Sondertatbestandes vor Augen gehalten würde. Die Bereiche, in denen ein solcher Präventionseffekt besonders hilfreich zu sein verspricht, wären etwa z. B. diejenigen der Verwendung von Haushaltsmitteln, z. B. durch Minister, bei der Haushaltsuntreue, der Verwaltung staatlicher Gelder durch spezielle Beamtengruppen bei der Amtsuntreue. Besonders Erfolg versprechend dürfte die Schaffung eines Sondertatbestandes im Bereich der GmbH sein: Die Streichung von § 81a GmbHG hat hier, wie Tiedemann mit gutem Grund vermutet, zu erheblichen Einbußen an Generalprävention geführt. Auch ist der Inhalt des § 266 StGB in der GmbH-Praxis weitgehend unbekannt, weshalb die Norm der verbreiteten Neigung zur Vermengung von Privat- und Gesellschaftsvermögen nicht ausreichend entgegenwirken kann. 66 Soweit mit der Auflistung konkreter Funktionsträger eine zugleich vom Gesetzgeber intendierte Begrenzung des Täterkreis verbunden wäre, käme dem eine erhellende und klarstellende Funktion insofern zu, als jede Erstreckung der Vorschrift auf im Tatbestand nicht genannte Personen wider das Analogieverbot wäre. Es könnten damit auch strittige Fragen des Einverständnisses in einzelnen Bereichen geklärt werden. So könnten beispielsweise Gesellschafter einer Kapitalgesell65 Vgl. Tiedemann, in: Scholz, Vor §§ 82 ff. GmbHG Rn. 11. 66 Tiedemann, in: Scholz, Vor §§ 82 ff. GmbHG Rn. 11.

A. Reform der Untreue in Deutschland

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schaft, die mit an sich pflichtwidrigen Handlungen des Geschäftsführers einverstanden sind, dann zumindest nicht als Täter haften, wenn sie von vorneherein in der Vorschrift nicht erwähnt würden. Ist danach mangels Täterqualität des Betroffenen der spezielle Untreuetatbestand nicht einschlägig, ließe sich ein Rückgriff auf die allgemeine Untreuevorschrift, durch den dieses Ergebnis der Straflosigkeit wieder aufgehoben werden könnte, dadurch vermeiden, dass man § 266 StGB nicht als lex generalis, sondern den jeweiligen Sondertatbestand als abschließende Regelung für das konkrete pflichtwidrige Verhalten ansieht, sofern dies vom Gesetzgeber so gewollt ist.

b) Vorbilder

im europäischen Ausland

Gerade im Bereich der besonders umstrittenen gesellschaftsrechtlichen Untreue könnte sich der bundesdeutsche Gesetzgeber, sollte er sich zur Einführung spezieller Untreuevorschriften entschließen, nicht nur an die eigene, deutsche Tradition solcher Sondervorschriften erinnern, sondern sich auch an zahlreichen Vorbildern aus dem europäischen Ausland orientieren. Tiedemann hat bereits im Jahre 1977 darauf hingewiesen,67 dass im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Untreue die Berechenbarkeit der Strafbarkeit und der Ausschaltung von Zufallsergebnissen von besonderem Gewicht sei. Aus seiner Sicht ist dem im französischen und romanischen Rechtskreis favorisierte System besonderer Untreuetatbestände der Vorzug gegenüber den deutschen „globalen und pauschalen" Untreuetatbestand zu geben: „Nicht die Schädigung der Gesellschaft sollte verboten werden, sondern einzelne gefährliche Akte unter Strafe gestellt werden". 68 Es würde freilich den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen, würden im Folgenden vertiefte rechtsvergleichende Untersuchungen zu diesem Thema vorgelegt werden. Exemplarisch und andeutungsweise werden die Nachbarländer Schweiz, Österreich und Frankreich herausgegriffen. Außerdem wird ein Blick auf Russland geworfen werden. Zur Rechtslage in anderen Staaten Europas muss an dieser Stelle auf das rechtsvergleichende Schrifttum verwiesen werden. 69

aa) Österreich und Schweiz Das Strafrecht in Österreich kennt nur einen allgemeinen Untreuetatbestand, §153 StGB-Österreich, der zudem nur Formen der Missbrauchs-, nicht aber der Treubruchsuntreue erfasst. 70 Diese Begrenzung auf die Missbrauchsuntreue hat 67

Tiedemann, Fs. Würtenberger, S. 241 ff. Tiedemann, Fs. Würtenberger, S. 252. 69 Vgl. etwa Foffani, Freiburg-Symposium, S. 329 ff.; Tiedemann, Fs. Würtenberger, S. 249 ff. 70 Vgl. Kirchbacher/Presslauer, in: Wiener Kommentar, 2. A., § 153 ÖStGB Rn. 1 ff. 68

17 Schramm

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7. Kap.: Reform der Untreue und europarechtliche Aspekte

historische Gründe: Die Vorschrift wurde 1931 eingefügt und beruht auf einem deutsch-österreichischen Entwurf von 1927, weshalb die im Jahre 1933 durchgeführte Umgestaltung des deutschen § 266 StGB keine Berücksichtigung finden konnte. Damit ließ es der österreichische Gesetzgeber auch in späteren Strafrechtsreformen sein Bewenden.71 § 153 StGB-Österreich lautet: Untreue. (1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch dem anderen einen Vermögensnachteil zufügt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Wer durch die Tat einen 2 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, wer einen 40 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.

Eine Strafmilderung sieht § 166 StGB-Österreich für die Begehung der Untreue im Familienkreis vor. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Tätigen Reue nach § 167 Abs. 1 StGB-Österreich. Spezielle Vorschriften zum Schutz von Gesellschaften vor einer Untreuehandlung, etwa bestimmte Formen der Organuntreue, existieren dagegen im österreichischen Strafrecht nicht. Im Rahmen des § 153 StGB-Österreich ist die Möglichkeit eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses, welche das Merkmal des Missbrauchs entfallen läßt, weitgehend anerkannt. Voraussetzung hierfür ist, dass der Treunehmer seinen Informationspflichten rechtzeitig, wahrheitsgetreu und vollständig nachgekommen ist und das Einverständnis auch sonst nicht missbräuchlich ist. 72 Wie das deutsche und österreichische Recht begnügt sich auch die Schweiz mit einer allgemeinen Untreue-Vorschrift, die dort „ungetreue Geschäftsbesorgung" genannt wird, Art. 158 Schweizerisches StGB. 73 Spezifische Strafbestimmungen im Handels- oder Gesellschaftsrecht, die Untreuecharakter besitzen, sucht man dagegen vergebens.74 Die vorherige Einwilligung des Treugebers wird dabei ebenfalls als tatbestandsausschließend angesehen, während der nachträglichen Genehmigung immerhin eine schadensbeseitigende Wirkung beigemessen wird. 75

bb) Frankreich Das französische Strafrecht hingegen kennt nicht nur den allgemeinen, untreueähnlichen Tatbestand des abus de confiance , Art. 314 code pénal, 76 sondern auch 71 Vgl. Liebscher, in: Wiener Kommentar, 1. Aufl. 1979, § 153 ÖStGB Rn. 1 ff. 72 Vgl. etwa Kienapfel, § 153 Rn. 78 m. w. N. 73 Zum Wortlaut der Vorschrift und ihren Regelungsgehalt vgl. bereits in diesem Kapitel oben A. II. 1. c). 74 Vgl. Donatsch, ZStrR 114 (1996), S. 220. 75 Vgl. oben 4. Kapitel D. III 2 a) sowie Donatsch, ZStrR 114 (1996), S. 218.

A. Reform der Untreue in Deutschland

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den gesellschaftsrechtlichen Straftatbestand des abus des biens sociaux, der Untreue zum Nachteil von Kapitalgesellschaften. Dieser abus des biens sociaux ist in den Artikeln 425 Nr. 4 und 437 Nr. 3 des französischen Gesetzes über die Handelsgesellschaften enthalten.77 Die beiden Rechtsgüter dieser Vorschrift bilden die biens, d. h. die beweglichen und unbeweglichen Gegenstände des Vermögens, und der crédit de la société, der Ruf des Unternehmens am Markt im Sinne seiner Kreditwürdigkeit. 78 Täter dieser Untreue können im Rahmen einer société à responsabilité limitée („GmbH") die gérants („Geschäftsführer") und innerhalb einer société anonyme („Aktiengesellschaft") der président, les administrateurs ou les directeurs généraux d'une société anonyme („der Präsident, die Verwaltungsratsmitglieder oder die Generaldirektoren einer Aktiengesellschaft") sein. 79 Die Tathandlung besteht in der usage des biens ou du crédit de la société qu ' ils savaient contraire à Vintérêt de celle-ci („eine Verwendung des Vermögens oder des Kredits der Gesellschaft, von der sie wussten, dass sie konträr zum Interesse der Gesellschaft war"). Dies muss in subjektiver Hinsicht de mauvaise foi („vorsätzlich") und à des fins personelles ou pour favoriser une autre société ou entreprise dans laquelle ils etaient intéressés directement ou indirectement („zu persönlichen Zwecken oder um eine andere Gesellschaft oder ein Unternehmen zu bevorzugen, an denen sie direkt oder indirekt interessiert waren"). Innerhalb dieses Tatbestandes ist die Einwilligung der Gesellschafter, wie Anders in der jüngsten Analyse des Tatbestands dargelegt hat, nach der Rechtsprechung des obersten französischen Gerichtshofs, der cour de cassation, gänzlich folgenlos. Denn maßgeblich für das Interesse, dem zuwider der Täter gehandelt haben muß, ist nicht dasjenige der Gesellschafter, sondern vielmehr der Gesellschaft, das konsequenterweise nicht zur Disposition der Gesellschafter steht. Der zentrale Schutzzweck des Strafrechts, auch hinsichtlich der Individualrechtsgüter, wird in Frankreich ohnehin in der Verfolgung öffentlicher Interessen, intérêts générales, gesehen, und so ist man, laut Dannecker und Vogel, zurückhaltend mit der Anerkennung einer Einwilligung, consentement de la victime, als Tatbestandsausschließungs- oder als Rechtfertigungsgrund. Nur wenn das betroffene Gut zur unbe76 Die Vorschrift lautet in der Übersetzung von Bauknecht/Lüdicke, S. 187: Untreue begeht, wer zum Nachteil eines anderen Geld, Wertgegenstände oder irgendein Vermögensgut, die ihm übergeben wurden, und die er mit der Verpflichtung übernommen hat, sie zurückzubringen oder einen bestimmten Gebrauch davon zu machen, unterschlägt (detourner). Darüber hinaus enthält nach LK-Schünemann, § 266 Rn. 195 auch der Tatbestand des Betrugs ( escroquerie , Art. 313 code pénal) untreueähnliche Komponenten; vgl. dazu auch LK-Tiedemann, Vor § 263 Rn. 63 ff. 77 Gesetz v. 24. 7. 1966 betr. die société à responsabilité limitée (GmbH) und die société anonyme (Aktiengesellschaft). Abgedruckt sind diese Bestimmungen z. B. bei Anders, ZStW 114 (2002), S. 470,476 mit Fußnote 52. 78 Anders, ZStW 114 (2002), S. 473. 79 Der abus wird durch weitere Bestimmung darüber hinaus auf weitere Gesellschaftsformen, so z. B. die société en commandite par action (vergleichbar der KG aA) und die société cooperative (Genossenschaft) erstreckt; dazu Anders, ZStW 114 (2002), S. 471 Fn. 15.

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7. Kap.: Reform der Untreue und europarechtliche Aspekte

schränkten Disposition des Opfers stehe (Vermögen, Freiheit), der Tatbestand mithin ein Handeln gegen oder ohne den Willen voraussetzt, ist die Einwilligung beachtlich. Sie schließt dann aber bereits mangels eines élément de l'infraction 80 die Tatbestandsmäßigkeit aus.81 Darüber hinaus erstreckt sich der Vermögensbegriffs innerhalb des Tatbestands des abus de biens sociaux auf die „intérêts " (Interessen) aller, welche als Teil der Gesellschaft angesehen werden können, damit unter anderem auch die Gläubiger einschließlich der Arbeitnehmer der Gesellschaft. Der cour de cassation hat hierzu festgestellt: Der „abus de biens sociaux a pour de protégér non seulement les intérêts des associés , mais aussi le patrimonie de la société et les intérêts des tiers qui contractent avec elle " (die Untreue zum Nachteil der Gesellschaft schützt nicht nur die Interessen der Gesellschafter, sondern auch diejenigen der Unternehmensführung sowie der Dritten, die mit ihr Verträge abgeschlossen haben). Bei einem so weit gefassten Kreis der geschützten Träger von Vermögensinteressen erscheint es auch praktisch kaum möglich, dass alle betroffenen Personen ihre Einwilligung in einen abus erteilen.

cc) Spanien und Portugal Im Strafrecht Spaniens besteht eine duale Struktur von Regelungen zur Untreue, die einerseits aus verstreuten Straftatbeständen besteht, die einzelne Elemente des deutschen Untreuetatbestands enthalten, und die andererseits einen speziellen Tatbestand der gesellschaftsbezogenen Untreue aufweist. Spezifische, gesellschaftsbezogene Straftatbestände enthält der spanische Código Penal von 1995.82 Im Rahmen des Kapitels XIII des Código Penál (Art. 290-297) über die gesellschaftsrechtlichen Straftaten, de los delitos societarios, stellt in der Sache der Tatbestand des Art. 295 StGB-Spanien, die ungetreue Vermögensverwaltung - administración desleal -, eine spezielle Untreuevorschrift zum Schutz von Gesellschaftsvermögen mit zwei Varianten dar. 83 Danach machen sich die Verwalter einer Gesellschaft strafbar, wenn sie - 1. Var. - unter Missbrauch von Funktionen in betrügerischer Weise über die Sachen der Gesellschaft verfügen oder - 2. Var. - zu Lasten der Gesellschaft vermögensschädigende Verpflichtungen eingehen.84 Hierbei fällt auf, so Vgl. Dannecker, Freiburg-Symposium, S. 164. si Vogel, GA 1998, S. 135 m. w. N. 82 Vgl. Tiedemann, JZ 1996, S. 648. 83 Grundlegend dazu Nieto Martin, el delito, S. 245 ff.; vgl. dazu auch Fojfani, in: Freiburg-Symposium, S. 330. 84 Abdruck und Übersetzung des Textes bei Hoffmann, S. 173. Die von Hoffmann mit „berufliche Untreue" übersetzte deslealtad profesional, die im Kapitel V I I des Codigo Penal geregelt, hat hingegen mit der deutschen Untreue so gut wie nichts zu tun; sie erfasst vielmehr Formen des Fehlverhaltens von Rechtsanwälten im Zusammenhang mit ihrer Berufsausübung.

A. Reform der Untreue in Deutschland

261

dass bei der 1. Alternative explizit auch der De-facto-Geschäftsführer Täter einer Untreue sein kann und ferner, ähnlich dem deutschen § 266 StGB, ein spezifischer funktionaler Zusammenhang zwischen dem Status des Täters und der Verfügung bestehen muss. Darüber hinaus finden sich spezielle, untreueähnliche Sondertatbestände, etwa für den Bereich der Amtsuntreue in den Art. 432-434 Codigo Penal.85 Daneben enthält das Codigo Penál einen Tatbestand der Unterschlagung, Art. 252, de la apropiación indebida (widerrechtliche Zueigung). Art. 252 Codigo Penál ist weiter als der deutsche § 246 StGB und erfasst etwa, anders als die deutsche Unterschlagung und ähnlich wie die deutsche Untreue, nicht nur die Zueignung von fremden beweglichen Sachen, sondern auch von anderen Vermögenswerten. Art. 252 Codigo Penál enthält zudem mit seiner - über die Zueignung im engeren Sinne hinausgehenden, ersten Variante - eine zweite Variante, die in der Veruntreuung von zu verwaltenden Geldern besteht und damit Sachverhalte erfasst, die auch unter den deutschen Missbrauchstatbestand bzw. Treubruchstatbestand fallen können. In diesem Zusammenhang ist von Interesse, dass bezüglich des spanischen Unterschlagungstatbestands das Einverständnis, consentimiento , als tatbestandsausschließend angesehen wird und diese Wirkung vom obersten spanischen Gericht 1997 auch bei einer Zustimmung, die von allen Gesellschafters eines Unternehmens erteilt wurde, angenommen wurde. 86 Das portugiesische Strafgesetzbuch enthält dagegen mit der Strafvorschrift der Indifelidade in § 224 einen allgemeinen Untreuetatbestand. Täter kann derjenige sein, der den auf Gesetz oder Rechtsgeschäft beruhenden Auftrag besitzt, über fremde Vermögensinteressen zu verfügen oder diese zu verwalten oder zu beaufsichtigen. Die Tathandlung besteht in einer gravierenden Pflichtverletzung, die zu einem bedeutenden Schaden geführt haben muss. Daneben existiert für Unternehmen des öffentlichen und genossenschaftlichen Bereichs der Sondertatbestand der schädigenden Verwaltung, Administragäo dañosa, in § 253. 87

dd) Russische Föderation Ein untreueähnlicher Sondertatbestand stellt der in der russischen Föderation geltende Tatbestand des Missbrauchs von Befugnissen durch leitende Personen, Art. 201 StGB-Russland dar. 88 Die Strafvorschrift 89 wurde in das neu geschaffene Strafgesetzbuch der russischen Föderation von 1996 aufgenommen, das am 1. 1. 85 Vgl. auch LK-Schünemann, § 266 Rn. 194. 86 Vgl. Nieto Martin, Revista Penal 2002, S. 65 mit Fn. 50 STS de 28-10-1997, RJ 1997/7843. 87 Zu den Einzelheiten vgl. die Kommentierung von Gongalves. 88 Vgl. dazu Schittenhelm, Landesbericht, S. 1225; Schroeder, ZStW 114 (2002), S. 233. 89 Abdruck der dt. Übersetzung dieser Strafvorschrift bei Schroeder/Bednarz,

S. 162.

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7. Kap.: Reform der Untreue und europarechtliche Aspekte

1997 in Kraft getreten ist. 90 Durch sie wird der Missbrauch der Befugnisse durch das Leitungspersonal in kommerziellen oder sonstigen Organisationen (etwa Parteien, Gewerkschaften, Stiftungen mit Ausnahmen staatlicher oder kommunaler Einrichtungen) 91 erfasst, sofern es im Widerspruch zu den gesetzlichen Interessen der Organisation steht. In subjektiver Hinsicht werden besondere Absichten der Täter vorausgesetzt. Mit dieser Strafvorschrift, die im Rahmen dieser Untersuchung nicht näher behandelt werden kann, „scheint dem Gesetzgeber", so Schroeder, „eine sachgemäße Beschränkung des Untreuetatbestandes und zugleich eine bedenkenswerte Bereicherung des Wirtschaftsstrafrechts gelungen zu sein". 92 Daneben kennt das Strafrecht der russischen Föderation weitere untreueähnliche Tatbestände, so diejenige der Unterschlagung und Veruntreuung von Eigentum (=Vermögen), 93 Art. 160 StGB-Russland, sowie die Strafvorschrift der Herbeiführung eines Vermögensschadens durch Täuschung oder Vertrauensmissbrauch, Art. 165 StGB-Russland. Das russische StGB enthält darüber hinaus Regelungen zur Haushaltsuntreue und Veruntreuung von Mitteln aus staatlichen Fonds: So stellt Art. 285.1 StGBRussland den Verbrauch von Haushaltsmitteln, der nicht den haushaltsrechtlichen Vorgaben genügt, unter Strafe, sofern er in großem Umfang 94 geschieht; Abs. 2 enthält einen Qualifikationstatbestand für Fälle der Begehung durch eine Personengruppe nach vorheriger Vereinbarung (Nr. 1) sowie für Schäden in besonders großem Umfang (Nr. 2). 95 In Art. 285.2 StGB-Russland wird der zweckwidrige Verbrauch von Mitteln aus außeretatmäßigen, stattlichen Fonds unter Strafe gestellt, wobei auch hier Abs. 2 eine Strafschärfung für die gleichen Konstellationen wie in Art. 285.1 Abs. 2 StGB-Russland anordnet.

3. Genauere Umschreibung der einzelnen Pflichtverstöße Erwägenswert erscheint sodann, die denkbaren Formen der Treupflichtverletzung - positiv umschrieben - bereits tatbestandlich genauer zu bezeichnen oder doch zumindest diejenigen - negativ umschrieben - herausfallen zu lassen, die möglicherweise in zivil- oder öffentlichrechtlicher, nicht aber in untreuespezifischer Hinsicht als pflichtwidrig einzustufen sind. 90 Zur Entstehungsgeschichte vgl. Lammich, ZStW 109 (1997) S. 417; Schittenhelm, Landesbericht, S. 1216 m. w. N. Zur Entwicklung des sowjetischen Wirtschaftsstrafrechts in der vorherigen Phase der Perestrojka vgl. Schittenhelm, Strafe, S. 735 ff. Vgl. Schroeder/Bednarz, S. 32. 92 Schroeder, ZStW 114 (2002), S. 233. 93 Vgl. Schroeder/Bednarz, S. 130 Fn. 1. Abdruck von Art. 160 und Art. 165 StGB-Russland in dt. Übersetzung bei Schroeder/Bednarz, S. 133 u. 137. 94 Als großer Umfang gilt dabei eine Summe von Haushaltsmitteln von mehr als 1.500 000 Rubel; vgl. dazu Schroeder in seiner neuen Übersetzung des russischen StGB (noch unveröffentlicht). 95 D. h. von mehr als 7 Millionen Rubel; vgl. Schroeder (Fn. 94).

A. Reform der Untreue in Deutschland

263

Einen entsprechenden Vorschlag hat etwa Labsch in seinem Entwurf zum Tatbestand des „§ 266b, Untreue von Vermögensverwaltern und Aufsichtsorganen" unterbreitet: 96 Danach macht sich derjenige, dem „rechtswirksam" die „Verwaltung" eines „anderen Vermögens" übertragen wurde, wegen Untreue strafbar, der es pflichtwidrig unterlässt, eine mögliche Vermögensmehrung vorzunehmen, drohende Schädigungen abzuwenden bzw. ihnen vorzubeugen oder pflichtwidrige Anordnungen über den tatsächlichen Einsatz der Vermögensgegenstände trifft und dadurch einen Vermögensschaden herbeiführt. Außerdem mache sich derjenige wegen Untreue strafbar, der pflichtwidrig und vermögensschädigend eine Vermögensverwaltung beaufsichtige. 97 Gegen den Entwurf von Labsch läßt sich en detail einwenden, dass nicht jeder der von Labsch abschließend genannten Täter zwangsläufig zur Vermögensmehrung verpflichtet ist: Soll etwa ein Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter jede Chance zu einem Vermögenszuwachs wirklich ergreifen? Steht nicht hier oftmals (nur) die Sicherung des status quo im Vordergrund? Das allgemeine Schädigungsverbot in § 266b Abs. 2 begegnet hingegen keinen Bedenken und entspricht einer schon heute für den Treubruchstatbestand weitgehend anerkannten Form treuwidrigen Verhaltens. 98 Angesichts der Fülle der denkbaren, tatbestandlich relevanten Pflichtverstöße scheint eine konkretisierte Benennung der verschiedenen Formen des Fehlverhaltens zumindest im Rahmen der allgemeinen Untreuevorschrift des § 266 StGB nicht möglich, ohne in eine Kasuistik zu verfallen, die den gleichen Einwänden ausgesetzt wäre wie ein (bereits diskutierter) 99 numerus clausus explizit benannter Tätergruppen. Eine solche präzisere Umschreibung der möglichen Pflichtverstöße wäre nur praktikabel und möglicherweise spezial- wie generalpräventiv sinnvoll, wenn der Gesetzgeber sich dazu entschließen würde, zu speziellen Untreuevorschriften zurückzukehren oder solche zu schaffen, z. B. den Sondertatbestand einer Haushaltsuntreue, GmbH- oder AG-Untreue, Gesellschafteruntreue, Vereinsuntreue, Amtsuntreue usw. Denkbar wäre es freilich durchaus, in Anlehnung an die eben skizzierten russischen Untreuebestimmungen nur besonders schwere Pflichtverstöße bzw. nur solche Schädigungen, die ein bestimmtes Ausmaß erreichen, tatbestandlich vorauszusetzen. Als nicht notwendig muss es dabei erscheinen, die Möglichkeit einer Einwilligung und ihrer tatbestandsausschließenden Wirkung ausdrücklich im Gesetz zu 96 Vgl. Labsch, S. 345. 97 Vgl. Labsch, S. 345. 98 Über dessen Umfang freilich gestritten wird, namentlich hinsichtlich dessen, ob der Täter eine Untreue nur hinsichtlich der ihm anvertrauten Vermögensgegenstände begehen kann oder ob sich das Schädigungsverbot auch auf solche Vermögenswerte erstreckt, die außerhalb seines Aufgabenbereichs liegen, der Zugriff auf diese durch die ihm eingeräumte Machtposition aber erleichtert wird; dazu Lenckner/ Perron, in: Schönke /Schröder, § 266 Rn. 36 m. w. N. 99 In diesem Kapitel oben A. II. 1.

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7. Kap.: Reform der Untreue und europarechtliche Aspekte

erwähnen. Die Konsequenz, dass die Zustimmung des Vermögensinhabers bereits die Pflichtwidrigkeit beseitigt, ist inzwischen so weitgehend anerkannt, 100 dass eine insoweit streitschlichtende Entscheidung des Gesetzgebers nicht erforderlich ist. Im übrigen richten sich die Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Einverständnisses, wie in dieser Arbeit versucht wurde zu zeigen, vielfach nach den Eigenarten des zu betreuenden Vermögens bzw. Vermögensträgers, so dass auch hier der Gesetzgeber, wollte er jene im Tatbestand erwähnen, wiederum in eine Technik gesetzesaufblähender Kasuistik verfallen müsste.

4. Beschränkung nur auf die Missbrauchsuntreue Kaum gangbar dürfte der Weg sein, in Anlehnung an die „klassische" Missbrauchstheorie Bindings 101 zu § 266 StGB a. F. - und wie beispielsweise noch heute in Österreich - den Untreuetatbestand allein auf den Missbrauchstatbestand zu begrenzen und den Treubruchstatbestand zu streichen. So groß die Skepsis gegen die vielfach bei § 266 StGB als Rechtfertigung bemühte angebliche kriminalpolitische Notwendigkeit einer weiten Tatbestandsfassung auch sein mag: zu eng wäre ein solcher auf die Missbrauchsuntreue beschränkter Tatbestand, da dieser noch nicht einmal dem Unwert des Missbrauchs äquivalente Handlungen von Bevollmächtigten wie z. B. Unterlassungen oder Formen kollusiven Zusammenwirkens usw. erfassen würde. Wenngleich der Untreuetatbestand weit in das Gebiet der Unterschlagung, § 246 Abs. 2 StGB, hineingreift, 102 so würde doch der Unterschlagungstatbestand vor allem wegen seiner derzeit engen Tatbestandsfassung und Begrenzung auf fremde Sachen, d. h. körperliche Gegenstände 1 0 3 keine kriminalpolitisch befriedigende Alternative für eine Treubruchsuntreue darstellen, sofern man nicht den Unterschlagungstatbestand, wie dies in anderen Rechtsordnungen geschehen ist, 1 0 4 auf unkörperliche Vermögenswerte erstreckt: Andernfalls blieben vom Sach- und Zueignungsbegriff des § 246 StGB nicht erfasste, aber untreuetypische Handlungen wie Verfügungen über Forderungen, Buch- oder Giralgeldern, der Verrat von Geschäftsgeheimnissen oder Vermögensschädigungen ohne Zueignungscharakter straflos. Nach wie vor zutreffend und aktuell ist damit die Diagnose von Weber, wonach eine Beschränkung des § 266 StGB auf den Missbrauchstatbestand nicht in Betracht kommt. 105

100 Dazu 1. Kapitel B. III., IV. 101 Dazu oben 1. Kapitel A. III.3. 102 Vgl. Lenckner, JZ 1973, S. 796, auch zum Konkurrenzverhältnis von § 266 zu § 246 StGB. 103 Zum Sachbegriff vgl. auch LK-Ruß, § 246 Rn. 2; Eser, in: Schänke /Schröder, § 246 Rn. 4. 104 wie etwa in Spanien; vgl. oben 2 b) cc). 105

Weber,

Fs. Dreher, S. 565.

A. Reform der Untreue in Deutschland

265

5. Aufnahme eines Merkmals „unbefugt" Sodann könnte ein Gesetzgeber sich mit dem Gedanken tragen, namentlich mit Blick auf die Möglichkeiten eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses, de lege ferenda das Merkmal „unbefugt" in den Tatbestand des § 266 StGB aufzunehmen. Es könnte dann die Funktion übernehmen, die dieser Gesetzesbegriff in anderen Straftatbeständen besitzt. So hat etwa das Merkmal in § 203 StGB eine Doppelfunktion: Es dient nicht allein dazu, auf die Möglichkeit der Rechtfertigung aufgrund besonderer Offenbarungsbefugnisse oder -pflichten hinzuweisen, sondern begrenzt teilweise bereits den Tatbestand: denn es entfällt bereits der objektive Tatbestand, wenn die Geheimnisoffenbarung mit Zustimmung des Verfügungsberechtigten vorgenommen wird und dadurch befugt ist. 1 0 6 Gleichwohl bleibt auch hier zu bedenken, was in der Sache mit der Erweiterung des Tatbestands um dieses Merkmal gewonnen wäre. Der Ertrag wäre, vorsichtig formuliert, wohl eher bescheiden. Ein maßgeblicher Theorienstreit oder unterschiedliche Rechtsauffassungen zwischen Rechtsprechung und Literatur würden nicht bereits durch eine solche Erweiterung des Tatbestands einer Lösung zugeführt. Der Terminus hätte in erster Linie eine lediglich deklaratorische Funktion, indem der Rechtsanwender explizit darauf hingewiesen würde, dass im Rahmen der Prüfung des § 266 StGB besonderes Augenmerk auf solche Umstände gelegt werden müsse, die bereits den Tatbestand oder doch zumindest die Rechtswidrigkeit entfallen ließen. Daraus wird aber zugleich deutlich, dass die Notwendigkeit einer solchen Gesetzesänderung nicht besteht, denn ein Rechtsanwender wird - wenn der Sachverhalt dafür Anlass gibt - den Aspekt, ob der Treunehmer befugt gehandelt hat (d. h. wegen eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses, wegen einer rechtfertigenden mutmaßlichen Einwilligung), auch ohne einen entsprechenden Hinweis im Gesetz bedenken. Darüber hinaus erklärt sich bereits aus der momentanen Fassung des § 266 StGB sein typischer Unrechtsgehalt, anders als Vorschriften wie etwa § 107a 1. Alt. und § .132a StGB, deren Tatbestände erst durch die Begrenzung mittels des Merkmals „unbefugt" einen vernünftigen Sinn ergeben. 107

6. Einschränkung des subjektiven Tatbestands a) Einfügung einer Bereicherungsabsicht Eine weitere Möglichkeit zur Restriktion des § 266 StGB wäre eine Einschränkung des subjektiven Tatbestandes. So könnte zunächst etwa zum Vorsatz hinsichtSo Lenckner, in: Schänke /Schröder, § 203 Rn. 21; anders aber die wohl herrschende Meinung, vgl. Lackner/Kühl, 2 vor § 201. 107 Dazu Lenckner, in: Schänke /Schröder, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 65.

266

7. Kap.: Reform der Untreue und europarechtliche Aspekte

lieh der Pflichtverletzung und der Schadenszufügung erweiternd, wie es das Gesetz für andere Vermögensdelikte wie den Betrug (§ 263 StGB), Raub (§ 249 StGB) oder der Erpressung (§ 253 StGB) vorschreibt, de lege ferenda eine Eigen- und/ oder Drittbereicherungsabsicht des Täters hinzutreten. 108 In dogmatischer Hinsicht wäre damit eine Verschiebung des spezifischen Unrechtsgehalts der Untreue verbunden: Ist sie bislang ausschließlich ein Pflicht- und Vermögensschädigungsdelikt, gewänne sie durch die Einfügung einer Bereicherungsabsicht zugleich den Charakter eines Delikts, das eine überschießende innere Tendenz zur Vermögensverschiebung voraussetzt. Ob mit dieser Verlagerung im Deliktscharakter zugleich eine Begrenzung der strafrechtlichen Haftung verbunden wäre, muss jedoch bezweifelt werden, da zwar nicht in allen, 109 aber doch in den meisten Untreuefällen der Täter mit seinem Handeln zugleich die Absicht verfolgt, sich oder einem Dritten einen Vermögensvorteil zukommen zu lassen, auf den er oder der Dritte kein Anspruch hat. Diese empirische Annahme wird in der Rechtsprechung zur Untreue, wenn es um Fragen der Strafzumessung geht, bestätigt: So darf, wie der BGH betont, ein Handeln aus Gewinnsucht oder egoistischem Interesse nicht strafschärfend berücksichtigt werden, da ein solches Motiv im Regelfall zur Tatbestandsverwirklichung nicht nur eines Betrugs, sondern auch einer Untreue gehöre. 110 Andernfalls würde gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoßen. Umgekehrt sei es gerade strafmildernd zu berücksichtigen, wenn der Täter sich nicht bereichert habe. 111

b) Absichtliche bzw. wissentliche Tatbestandsverwirklichung Darüber hinaus wäre es vorstellbar, eine Begrenzung des strafbaren Untreuebereichs dadurch zu erreichen, dass man im subjektiven Tatbestand den dolus eventualis, anders als bislang, 112 nicht genügen läßt und stattdessen einen dolus directus I. Grades (Absicht) oder II. Grades (wissentlich) verlangt. Dieses Erfordernis könnte entweder nur im Rahmen des sehr weit geratenen Treubruchstatbestands oder auch für den Missbrauchstatbestand aufgestellt werden, wo indes wegen dessen klarer Konturierung eine Einschränkung sich nicht aufdrängen würde. Diese Absicht bzw. das sichere Wissen könnte sich sodann auf die Pflichtverletzung, die ihr zu Grunde zulegenden Umstände und / oder den Eintritt eines Vermögensschadens beziehen.

108 G. Haas, S. 142. 109 Vgl. BGH NStZ 193, 455 und insbesondere BGH wistra 1987, 27, wonach bei fehlendem Eigennutz des Täters die Strafe gemildert kann. ho BGH NStZ 1981, 343; Niemeyer, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, in BGH wistra 1987, 27, 28. ii2 BGH NJW 1975, 1234, 1236; Lackner/Kühl,

§ 266 Rn. 49.

§ 21 Rn. 47.

B. Europabezogene Untreuetatbestände

267

Gegen diese Einschränkung, bezogen auf den Eintritt eines Vermögensnachteils, spricht, dass auch bei den anderen Vermögensdelikten (etwa beim Betrug) eine solche Begrenzung im Subjektiven nicht verlangt wird und ein derartiges Erfordernis insofern einen „Fremdkörper" in der Systematik dieser Delikte darstellen würde. Diskutabel erscheint jedoch, zumindest beim Treubruchstatbestand, eine Restriktion bei der Treupflichtverletzung dergestalt vorzunehmen, dass der Täter die Umstände genau gekannt haben muss, die seinem Verhalten dem Charakter des Pflichtwidrigen verleihen, oder dass er mit zielgerichtetem Willen seinen Pflichten nicht nachgekommen ist. Dennoch ist auch hier der Einwand zu erheben, dass eine solche Restriktion die Gefahr in sich bergen würde, den Treubruchstatbestand häufig leerlaufen zu lassen, da ein solcher Nachweis des sicheren Wissens bzw. der absichtlichen Treupflichtverletzung wohl - trotz des u. U. evident verantwortungslosen und damit strafwürdigen Umgangs mit fremden Gütern - eher selten erbracht werden könnte. Darüber hinaus genügt auch bei anderen Tatbeständen, in denen eine spezifische Pflichtverletzung das strafbare Unrecht ausmacht (z. B. die Verletzung von Unterhalts- 113 oder Fürsorgepflichten, 114 von verwaltungsrechtlichen Pflichten 115 usw.), vielfach 116 bereits der bedingte Vorsatz für die Verwirklichung des subjektiven Tatbestands.117 Auch wenn der Gesetzgeber darin frei wäre, die bisherige Systematik zu durchbrechen, änderte dies doch nichts daran, dass ein wirklich einleuchtender Grund für diese Ungleichbehandlung innerhalb der Pflichtdelikte und damit einhergehenden „Privilegierung" der Treupflichtigen nicht erkennbar wäre.

B. Europabezogene Untreuetatbestände Mit der europaweiten Ausdehnung wirtschaftlicher Betätigung, ermöglicht und gefördert durch die Vereinheitlichung bzw. Harmonisierung ihrer zivil-, handelsund gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten, geht auch eine Europäisierung des Wirtschaftssira/rec/zta - einer seit jeher in besonderem Maße von außerstrafrechtlichen Bestimmungen akzessorischen Rechtsmaterie 118 - einher. Die Verflechtung des nationalen Strafrechts mit dem Gemeinschaftsrecht hat in den vergangenen Jahren an Dichte stetig zugenommen. Erwähnt seien exemplarisch die Bereiche der Geldfälschung, der Geldwäsche, 113 § 170 Abs. 1 StGB. 114 § 171 Abs. 1 StGB. 115 Vgl. etwa § 325 Abs. 1 StGB. 116 Eine Ausnahme davon wäre § 225 StGB, der die „böswillige Verletzung" einer Pflicht verlangt. i n Vgl. Lackner/Kühl, § 170 Rn. 11, § 171 Rn. 7, § 325 Rn. 16. 118

Vgl. nur Tiedemann, WirtschaftsstrafR, Rn. 2.

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7. Kap.: Reform der Untreue und europarechtliche Aspekte

des Subventionsbetrugs, der Korruption und Umweltkriminalität. 119 Bislang ist der deutsche Untreuetatbestand allerdings unangetastet geblieben. Zum Abschluss dieser Untersuchung soll ein kleiner Ausblick auf eine mögliche künftige Strafgesetzgebung für Europa gewagt werden, soweit sie den Regelungsbereich des § 266 StGB betrifft. Es sind legislative, auch für das deutsche Strafrecht bedeutsame Entwicklungen zur Untreue absehbar, wie sie sich aus Entwürfen zu Straftatbeständen abzeichnen, die unter der Flagge Europas segeln und deren Unrechtsgehalt der jetzigen, deutschen Untreue entsprechen oder doch zumindest ähneln. Nachfolgend sollen zwei unterschiedliche Gruppen von Vermögensträgern herausgegriffen werden. So existieren Entwürfe, welche auf den Schutz des Vermögens der Europäischen Union auch vor untreueähnlichen Beeinträchtigungen gerichtet sind. Teilweise wurden sie bereits, so etwa im Bereich des Subventionsbetrugs 120 oder durch eine Gleichstellung der ausländischen Amtsträger mit deutschen Amtsträgern, 121 in nationales Recht umgesetzt (1. Gruppe). Sodann wurden erste Entwürfe für neue, eigenständige Straftatbestände ausgearbeitet, die den gesamten europäischen Wirtschaftsraum betreffen und damit zugleich einen Regelungsbereich berühren, der bislang ausschließlich dem nationalen Strafgesetzgeber vorbehalten war. Mit diesen Gesetzesvorschlägen werden Wege zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Rechtsraums in einem Europa ohne Grenzen 122 auch im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts aufgezeigt (2. Gruppe).

I. Die Strafgesetzgebungskompetenz der EU im Lichte des EG-Vertrags und des EU-Verfassungsentwurfs 1. EG-Vertrag Freilich ist nach der gegenwärtigen 123 Rechtslage auf der Ebene des EU-Rechts die Schaffung eines solchen EU-weiten Straftatbestandes unmittelbar nicht möglich. Bislang hat die Europäische Union weder eine eigene „Kompetenzen-Kompetenz" und Strafgesetzgebungskompetenz noch eine diesbezügliche Justizhoheit, da ihr die Mitgliedsstaaten keine entsprechenden Befugnisse zugewiesen haben, 119

Vgl. die Zusammenstellungen bei Tiedemann, WirtschaftsstrafR, Rn. 54, und Vogel, in: Zieschang/Hilgendorf/Laubenthal, S. 43. 120 Durch das EG-Finanzschutzgesetz wurde der Tatbestand des Subventionsbetrugs, § 264 StGB, auf EU-Subventionen und damit die Finanzen der Europäischen Gemeinschaft erstreckt; vgl. nur Lackner/Kühl, Vor § 1 Rn. 13 und § 264 Rn. 5. 121 So durch das EU-Bestechungsgesetz v. 10. 9. 1998, BGBl. I I 2340, die eine Gleichstellung von EU-Amtsträgern mit inländischen Amtsträgern anordnet, und § 5 Nr. 14a StGB, der den räumlichen Geltungsbereich der Abgeordnetenbestechung erweitert hat; vgl. Lackner/Kühl, Vor § 1 Rn. 13, Rn. 1 vor § 5 und Anhang V Nr. 3. 122 Schünemann, GA 2004, S. 198. 123 Stand des Manuskripts: April 2004.

B. Europabezogene Untreuetatbestände

269

was nach dem Grundprinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 EGV) jedoch erforderlich wäre. 124 Immerhin wird für die erste Gruppe, die den Bereich der (strafrechtlichen) Vorschriften zum Schutz der EU-Finanzinteressen betrifft, die Schaffung europaweiter Straftatbestände auf der Grundlage des EG-Vertrags direkt durch die EG sowohl von der Kommission als auch namhaften Stimmen in der Literatur für zulässig erachtet. 125 Deren Befürworter berufen sich auf den Wortlaut des Art. 280 Abs. 1 EGV, wonach nicht nur die Mitgliedsstaaten der EG, sondern auch die Gemeinschaft selbst mit präventiven und effektiven Maßnahmen den Betrug sowie sonstige Delikte bekämpfe, die sich gegen die EG-Finanzinteressen richten. Insbesondere sei nach Art. 280 Abs. 4 S. 1 EGV der Rat dazu befugt, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, was sogar das Recht einschließe, im Wege einer Verordnung i. S. des Art. 249 Abs. 2 EGV - somit als eine Art „europäisches Gesetz" 126 auf der Grundlage des sog. 1. Pfeilers der E U 1 2 7 - allgemein und unmittelbar in den Mitgliedsstaaten geltendes Strafrecht zu schaffen. Nach dieser Ansicht stünde der Einführung einer EG-weiten Untreuevorschrift zum Schutze der EG-Finanzinteressen durch den EG-Rat selbst nichts im Wege. Überwiegend wird allerdings mit guten Gründen eine originäre Rechtssetzungskompetenz der EU im Regelungsbereich des Art. 280 EGV abgelehnt. So hebt zunächst selbst Art. 280 Abs. 4 S. 2 EGV hervor, dass die Strafbestimmungen der Mitgliedsländer von den Maßnahmen des Rats unberührt bleiben. Insofern enthält Art. 280 Abs. 4 S. 2 EGV einen expliziten Souveränitätsvorbehalt, und jede originäre EG-Strafbestimmung würde zwangsläufig das nationale Strafrecht tangieren. Auch werden Zweifel daran geäußert, ob es dem Willen der Vertragsparteien entspricht, der EG eine - über die Befugnis zu Verwaltungssanktionen (namentlich Geldbußen)128 hinausgehende - entsprechende kriminalstrafrechtliche Ergänzungskompetenz zu verleihen. 129 Auf Art. 280 EGV stützt das Europäische Parlament und die EU-Kommission auch ihren Vorschlag für eine Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft. 130 Mit dieser Richtlinie wäre allerdings keine unmittelbare Rechtsset124 Vgl. nur Satzger, S. 33. 125

So etwa vorsichtig von Tiedemann, Fs. Lenckner, S. 411, 415 („offenbar beschlossene Einräumung einer Strafrechtsetzungsbefugnis"). 126 Zur Verordnung als dem eigentlichen Gesetzgebungsakt der EU vgl. Satzger, S. 26 mwN. 1 27 Die Europäische Union wird von drei Säulen getragen. Die erste Säule ist die Gemeinschaftsdimension, die etwa die Bestimmungen des EGV umfassen, die zweite Säule ist die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik nach Titel V des EUV, die dritte Säule bildet die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen nach Titel V I des EUV; vgl. dazu Vogel, in: Zieschang /Hilgendorf/Laubenthal, S. 36. 128 Vgl. Jung, JuS 2000, S. 420. 129 Vgl. die Nachweise bei Satzger, in: Streinz, Art. 280 Rn. 20 Fn. 62. 130 2001/0115 (COD) = Abi. C 240 E/125 v. 23. Mai 2001.

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7. Kap.: Reform der Untreue und europarechtliche Aspekte

zung verbunden; vielmehr sind für die Umsetzung in nationales Recht die Mitgliedsstaaten zuständig. Zudem ist zu beachten, dass nach Art. 3 dieses Vorschlags zwar der „Betrug" zum Nachteil der EU-Finanzinteressen pönalisiert wird; aber erfasst werden soll damit auch die missbräuchliche Verwendung von Mitteln aus dem Haushalt der EU zu anderen Zwecke als denen, für die sie ursprünglich gewährt worden ist. Das ist, wie Hefendehl hervorgehoben hat, im Sinne der deutschen Strafrechtstradition im Grunde genommen kein Betrug, sondern vielmehr eine (Haushalts-)Untreue; 131 allerdings ist die zweckwidrige Verwendung von EU-Subventionen in Deutschland nach der Gesetzessprache ebenfalls ein Betrug in Form des Subventions„betrugs", § 264 StGB, obwohl auch hier in Wahrheit nicht der Unrechtscharakter einer Täuschung, sondern der Tatbestand (§ 264 Nr. 2, VII Nr. 2 StGB) vielmehr die Verletzung einer untreueähnlichen 132 Pflicht unter Strafe stellt. Ob diese Richtlinie verabschiedet werden wird, wird bezweifelt, 133 kann an dieser Stelle freilich nicht vorhergesagt werden; zumindest steht der Vorschlag auf dem Legislativ- und Arbeitsprogramm der EU für das Jahr 2004.

2. Europäische Verfassung Allerdings zeichnet sich in dem Bereich des strafrechtlichen Schutzes der EUFinanzen ein tiefgreifender Wandel an, falls die vom Europäischen Konvent am 18. Juli 2003 vorgelegte Europäische Verfassung in der momentanen Fassung des Entwurfs (zumindest die in diesem Zusammenhang interessierenden Passagen) in Kraft treten sollte. So enthält der Verfassungsentwurf mit Art. III-321 EU-VerfE Regelungen, die, an Art. 280 EGV anlehnend, die Bekämpfung des Betrugs und sonstiger gegen die finanziellen Interessen der EU gerichteter rechtswidriger Taten zum Gegenstand haben. Allerdings wurde der bisher in Art. 280 Abs. 4 EGV enthaltene Souveränitätsvorbehalt nicht in den Verfassungsentwurf aufgenommen. Es ist davon auszugehen, dass es sich dabei nicht um ein Redaktionsversehen, sondern um eine bewußte Entscheidung der Entwurfsverfasser handelt, mithin eine Streichung und Aufhebung des alten Art. 280 Art 4 EGV intendiert ist. Damit wäre mit Inkrafttreten der EU-Verfassung eine originäre Strafgesetzgebungskompetenz der EU zum Schutz ihrer Finanzinteressen gegeben. Art. III-175 Abs. 3 EU-VerfE sieht zu diesem Zweck sogar (fakultativ) die Einsetzung einer Europäischen Staatsanwaltschaft vor. Noch ungeklärt ist dabei aber die Frage der Ergänzungs- oder Ersatzfunktion, d. h. ob die so geschaffenen EU-Strafbestimmungen die nationalen Strafbestimmungen, welche den Schutz der EU-Finanzen betreffen, nur vervollständigen oder gar verdrängen sollen. 131

Hefendehl, Fs. Lüderssen, S. 414. Vgl. Lenckner/Perron, in: Schänke /Schröder, § 264 Rn. 49a. Nur untreueähnlich ist dies deshalb, weil der Subventionsempfänger zwar mit den Geldern in einer bestimmten Weise verfahren soll, diese ihm also anvertraut wurden, er dabei hinsichtlich der Verwendung der Gelder i. d. R. keinerlei eigene Entscheidungsbefugnisse besitzt und zudem nicht im fremden Interesse handelt. 133 Vgl. auch Vogel, in: Zieschang/Hilgendorf/Laubenthal, S. 32 Fn. 6. 132

B. Europabezogene Untreuetatbestände

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Für die zweite Gruppe der nachstehend diskutierten Untreuevorschriften - der europaweiten Untreue im Allgemeinen ohne eine Beschränkung auf die EU als „Opfer" - besteht jedoch bislang keine Gesetzgebungskompetenz der EU. Denkbar wäre aber schon heute eine inhaltliche Umgestaltung des heutigen § 266 StGB in Fortführung der europaweiten Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Strafrechte. Als rechtliches Instrumentarium dieser Angleichung können entweder völkerrechtliche Übereinkommen, Maßnahmen im Rahmen der sog. Dritten Säule des Vertragswerks der EG - der intergouvernementalen Zusammenarbeit etwa in Form von (früher als Gemeinsame Maßnahme bezeichneten) sog. EU-Rahmenbeschlüssen - , oder Sekundärrechtsakte im Rahmen des sog. Ersten Pfeilers wie z. B. Richtlinien i. S. des Art. 249 Abs. 3 EGV dienen. Die Europäische Union könnte auf diesem Wege auf der Tatbestandsebene gewisse Mindestanforderungen festlegen und so dem nationalen Gesetzgeber vorgeben, in seine Strafvorschriften, die einen Untreuecharakter besitzen, bestimmte Tatbestandsmerkmale aufzunehmen. Die EU könnte zudem auf der Rechtsfolgenseite einen Rahmen für die Bestrafung wegen Untreue vorgeben, etwa in Form von sog. „Mindesthöchststrafen". 134 Allerdings bedürfte es auch für solche Regelungen einer entsprechenden Rechtsgrundlage. Ob diese Harmonisierungsakte beispielsweise auf Art. 280 Abs. 4 EGV gestützt werden könnten, ist allerdings ebenfalls höchst umstritten. 135 Jedoch ergäben sich mit Inkrafttreten der EU-Verfassung Änderungen in der Rechtssetzungskompetenz der EU, welche die Zulässigkeit der Einführung dieser sog. Europadelikte in einem neuen Licht erscheinen lassen. Zwar hält auch die EUVerfassung in Art. 9 Abs. 1, 2 EU-VerfE ausdrücklich am überkommenen Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung fest und billigt eine (strafrechtliche) Rechtssetzung nur im Rahmen der Zuständigkeit, die der EU durch die Mitgliedsstaaten zugewiesen wurden. Im Strafrecht bleibt somit die entscheidende Kompetenz bei den Mitgliedsstaaten: der EU-Verfassungsentwurf sieht die Befugnis zur Schaffung einer solchen Materie, die man etwa als „Unionsstrafrecht", „Euro-Strafrecht" oder „Unionsstrafgesetzgesetzbuch" bezeichnen könnte, nicht vor. Aber Art. III-172 Abs. 1 S. 1 EU-VerfE schreibt eine supranationale Strafgesetzgebungsbefugnis in Form einer Rahmengesetzgebungskompetenz der EU vor, welche ihr die Festlegung von Straftaten und Strafrahmen erlaubt, sofern es sich um einen Bereich besonders schwerer Kriminalität handelt, der grenzüberschreitende Dimensionen aufweist. 136 In Art. III-172 Abs. 1 S. 2 EU-VerfE werden die Formen solch gravierender „cross boarder"-Kriminalität aufgezählt, darunter auch der schillernde Begriff der Organisierten Kriminalität, mit dem man etwa Formen organisierter Untreue erfassen könnte. Artikel III-172 Abs. 1 S. 3 EU-VerfE sieht die Möglichkeit vor, dass der Ministerrat per Beschluss diesen Katalog erweitert, sofern Entwick-

134

Die Geeignetheit und Erforderlichkeit im Sinne der Verbesserung eines Rechtsgüterschutzes nachdrücklich bezweifelnd Schünemann, GA 2004, S. 196. 135 Zur Diskussion vgl. statt aller Satzger, in: Streinz, Art. 280 Rn. 20 mit umfass. Nachw. 136 Vgl. Tiedemann, WirtschaftsstrafR, Rn. 85a.

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7. Kap.: Reform der Untreue und europarechtliche Aspekte

lungen der Kriminalität dazu einen Anlass geben. Darüber hinaus ist in Art. III 172 Abs. 2 EU-VerfE eine Rahmengesetzgebungskompetenz für Straftaten und Strafen in denjenigen Rechtsmaterien konzipiert, in denen Harmonisierungsmaßnahmen vorgenommen wurden, sofern die Angleichung des Strafrechts für die Verfolgung der politischen Ziele der EU unerlässlich ist. Insofern wären künftig in besonderem Maße flankierende strafrechtliche Regelungen in Form von EU-Rahmengesetzen zur Assimilierung harmonisierter Regelungsmaterien, etwa im Bereich des Zivil- und Verwaltungsrechts, denkbar.

II. Untreue zum Nachteil des EU-Vermögens 1. Der strafrechtliche Corpus Juris zum Schutz von EU-Finanzinteressen Auf den Schutz des Haushaltes der Europäischen Gemeinschaft ist der „Corpus Iuris der strafrechtlichen Regelungen zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union" (CJ) gerichtet. Er wurde 1995 und 1996 im Auftrag des Europäischen Parlaments und der Kommission der Europäischen Gemeinschaft von einer Arbeitsgruppe entwickelt, die sich im Wesentlichen aus Vertretern der Europäischen Strafrechtsvereinigungen zusammensetzte. Bei dieser Expertenstudie 137 handelt es sich um einen Entwurf europaweit geltender materiell- und formellrechtlicher Regelungen,138 mit denen die Verfolgung EU-haushaltsschädigender Straftaten auf supranationaler Ebene und in den Mitgliedsstaaten verbessert werden soll. 1 3 9 Dabei enthält der Corpus Juris mit den Art. 4, 5 CJ zwei Bestimmungen mit Untreuecharakter, d. h. nach Täterkreis und Tatbestandsvoraussetzungen unterschiedlich geregelte Fälle der Amtsuntreue. 140 Zu Fragen der Einwilligung schweigt der Entwurf allerdings. Art. 4 CJ, misappropriation offiinds, frz. Abus de fonction, erfasst den „Missbrauch von Amtsbefugnissen", 142 in Abs. 1 lit a) die Handlung eines Beamten, der über die Gewährung einer Subvention oder einer Abgabenbefreiung zugunsten einer Person entscheidet, die hierzu offensichtlich nicht berechtigt ist. Das unterscheidet sich kaum vom deutschen Recht, wo derjenige sich wegen Untreue strafbar macht, der etwa als zuständiger Sachbearbeiter für staatliche Subventionen, Sozialleistungen usw. jemandem eine Leistung zukommen läßt, auf die er keinen 137 138 139 140

Vgl. Vogel, GA 2002, S. 533. Dazu Sieber, in: Delmas-Marty, Corpus Juris, S. 6 f. Vgl. Huber, in: Huber, Corpus Juris, S. 3. So Otto, Jura 2000, S. 102 f.; ders., in: Huber, Corpus Juris, S. 157.

141 Delmas-Marty, Corpus Juris, S. 123. Hier besteht eine Verwechslungsgefahr der französischen Bezeichnung von Art. 4 CJ (abus de fonction) mit der englischen Bezeichnung des Art. 5 CJ (abuse of office). 1 42 So die deutsche Übersetzung der Vorschrift bei Delmas-Marty, Corpus Juris, S. 36, 85.

B. Europabezogene Untreuetatbestände

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Anspruch hat. 143 Art. 4 CJ setzt allerdings, anders als § 266 StGB, keinen Schaden voraus; es genügt, wenn ein „offensichtlich" Nichtberechtiger begünstigt wird, was allerdings nach § 266 StGB unter Zweckverfehlungsgesichtspunkten einen Schaden begründen würde, sofern das Geld an jemanden fließt, der keinen Anspruch darauf hat. 1 4 4 Art. 4 CJ entspricht daher (nur) teilweise dem deutschrechtlichen Untreuetatbestand. Der abuse of ojfice, frz. Malversation, 145 Art. 5 CJ, übersetzbar als „Amtspflichtverletzung", 146 schreibt die Strafbarkeit eines Vertrauensbruchs europäischer Amtsträger vor, wenn sie als Verwalter von Gemeinschaftshaushaltsmitteln fungieren. Das ist im Wesentlichen nichts anderes als eine EU-Haushaltsuntreue. Der Tatbestand des Art. 5 CJ ist erfüllt, wenn ein zur Verfügung über Gemeinschaftshaushaltsmittel oder zum Vertragsschluss im Namen der Gemeinschaften förmlich autorisierter europäischer Amtsträger die ihm zustehenden Handlungsbefugnisse in der Weise missbraucht, dass er den ihm anvertrauten Interessen schadet. 147 Art. 5 CJ weist besonders deutliche Parallelen zum deutschen § 266 StGB auf 1 4 8 und enthält Komponenten der Missbrauchsuntreue (Verfügungsbefugnis, Vertretungsmacht) und der Treubruchsuntreue, wenn dort ein Missbrauch von Handlungsbefugnissen genannt wird, der möglicherweise nicht erst bei wirksamem Handeln im Außen Verhältnis, sondern in den Fällen des Treubruchs vorliegen soll. Allerdings wird das Merkmal des Missbrauchs weder im Gesetz noch in den Kommentaren der Experten näher definiert. 149 Unterdessen ist im Jahre 1999, nachdem der CJ kritisch diskutiert wurde, 150 in Florenz eine überarbeitete Fassung des Corpus ausgearbeitet und dem Europäischen Parlament vorgelegt worden, der sog. Corpus Juris Florence (CJF; bisweilen auch als „Corpus Juris 2000" bezeichnet).151 Art. 4 CJ, frz. abus de fonction, engl. 143

Vgl. auch BGHSt 32, 203 zur Vermögensbetreuungspflicht eines Bearbeiters für Subventionsanträge; weitere Nachweise bei Lenckner/Perron, in: Schönke /Schröder, § 266 Rn. 25. 144 „Gravierende Einwände" gegen die Strafwürdigkeit der in Art. 4 erfassten Verhaltensweisen äußert Otto, Jura 2000, S. 103. 145 Delmas-Marty, Corpus Juris, S. 123. 146

So die Übersetzung der Norm ins Deutsche bei Delmas-Marty, Corpus Juris, S. 36, 85. Delmas-Marty, Corpus Juris, S. 36. 148 So auch Delmas-Marty, Corpus Juris, S. 36; Sicurella, in: Delmas-Marty/Vervaele, The Implementation, S. 116 und S. 241 f. Vgl. Weigend, StV 2001, S. 65. 150 Vgl. Braum, JZ 2000, S. 495. 147

151 Vgl. Braum, JZ 2000, S. 494 f. Der Text des CJF ist bislang nur auf Englisch (DelmasMarty/Vervaele, The Implementation, S. 187 ff.) und Französisch erschienen. Verwirrung stiftet es jedoch, wenn in der Gesetzessynthese von Delmas-Marty /Vervaele, The Implementation, S. 116, Art. 4 CJ als abuse of ojfice und Art. 5 CJ als misappropriation of funds überschrieben wird, später jedoch bei Delmas-Marty/Vervaele, The Implementation, S. 191 - in Übereinstimmung mit der deutschen und französischen Fassung bei Delmas-Marty, Corpus 18 Schramm

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7. Kap.: Reform der Untreue und europarechtliche Aspekte

misappropriation offiinds, Missbrauch von Amtsbefugnissen, wurde numerisch umbenannt in Art. 6 CJF, 152 sodann wurden die beiden Lit. a und b gestrichen und in einem Satz zusammengefasst. Der frühere Artikel Art. 5 CJ, frz. malversation, engl, abuse of office, dt. Amtspflichtverletzung, 153 ist nunmehr Art. 7 CJF, in seinem Regelungsgehalt wurde die Vorschrift allerdings allgemeiner formuliert und dergestalt gefaßt, dass nunmehr derjenige europäische Amtsträger (an official responsible for the managment of Community funds) sich wegen Amtsmißbrauchs (abuse of office) strafbar macht, der seine Befugnisse mißbraucht (if he abuses his powers) und dadurch die finanziellen Interessen der EU schädigt (and thereby damages the financial interests of the European Communities). Bedauerlicherweise wurde damit die etwas präzisere Benennung des Täterkreises im alten Art. 5 CJ („zur Verfügung über Gemeinschaftshaushaltsmittel oder zum Vertragsschluss im Namen der Gemeinschaften") aufgegeben. Darüber hinaus ist das Merkmal des Missbrauchs von Befugnissen, wie bereits in Art. 5 CJ, weiterhin so unscharf formuliert, dass im Hinblick auf die zulässige (und im deutschen Verfassungsrecht gebotene) Bestimmtheit eines Straftatbestands Bedenken auftreten könnten. Auch bleibt dunkel, worin dieser Missbrauch konkret bestehen soll (Verstoß gegen Bindungen im Innenverhältnis? Nur rechtswirksames Handeln? Oder ähnliche Weite wie der deutsche Treubruchstatbestand?). Nach Art. 7 Abs. 2 CJF soll der abuse of office subsidiären Charakter gegenüber den anderen Tatbeständen des CJF besit154

zen. Ob der Corpus Juris, in seiner ursprünglichen Fassung oder derjenigen von Florenz, jemals umgesetzt werden wird, ist derzeit nicht absehbar. Von manchen wird ihm Modellcharakter für die Vereinheitlichung des europäischen Strafrechts beigemessen, während andere darin eher eine Wunschvorstellung einzelner Idealisten sehen.155 Das politische Schicksal dieser Initiative ist momentan völlig offen.

2. Das Grünbuch der Kommission Die Kommission der EU hat Ende 2001 ein sog. Grünbuch zum strafrechtlichen Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft und zur Schaffung einer Europäischen Staatsanwaltschaft einstimmig verabschiedet. 156 Auch wenn die politische Zukunft dieser Initiative ungewiss ist, gibt sie einen wichtigen Anstoß für Juris, S. 36 und S. 123 - der frühere Artikel 4 CJ mit misappropriation mit abuse of office tituliert wird. 152 Vgl. Delmas-Marty/Vervaele, The Implementation, S. 191. 153 Vgl. Delmas-Marty /Vervaele, The Implementation, S. 117. 154 Vgl. Delmas-Marty /Vervaele, The Implementation, S. 191. 155 Hefendehl, Fs. Lüderssen, S. 413.

of funds und Art. 5 CJ

156 Die deutsche Fassung des Grünbuchs findet man im Internet unter http: / / www.europa. eu.int. / comm / anti_fraud / green_paper / document / green_paper_de.pdf.

B. Europabezogene Untreuetatbestände

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weitere kriminalpolitische Diskussionen.157 Allerdings enthält das Grünbuch im hier interessierenden Zusammenhang keine eigenen Gesetzesvorschläge, sondern greift im Wesentlichen die Gedankengänge des Corpus Juris 158 in seiner abgewandelten Fassung von Florenz auf. Im Zusammenhang mit dem Missbrauch von Amtsbefugnissen wird sehr vorsichtig formuliert: Es „könnte die Aufnahme des allgemeineren, subsidiären Straftatbestands des Amtsmissbrauchs zum Nachteil der finanziellen Interessen der Gemeinschaften ins Auge gefasst werden". 159 Dabei wird dann in einer Fußnote „insbesondere" auf Art. 7 CJF verwiesen. Im Text wird sodann ausgeführt, dass sich derjenige strafbar mache, der mit der Verwaltung der finanziellen Interessen der Gemeinschaften betraut worden war und diese unter Missbrauch der ihm übertragenen Befugnisse schädigt. Das ist in der Sache nichts anderes als eine Wiedergabe des abuse of office i. d. F. des Art. 7 CJF. Zu den Möglichkeiten einer Einwilligung in eine Tat nach Art. 6, 7 CJF schweigt das Grünbuch ebenso wie bereits der Corpus Juris und Corpus Juris Florenz.

III. Europaweite Untreuetatbestände 1. Harmonisierungsvorschläge des „Freiburg-Symposiums" für Handelsgesellschaften, das Kreditwesen und Börsenwesen In besonderer Weise bemerkenswert sind die während des sog. Freiburg-Symposiums im Jahre 2000 von Tiedemann vorgestellten Entwürfe zur Harmonisierung des europäischen Wirtschaftsstrafrechts. Sie sollen, so Tiedemann, den soeben behandelten florentinischen Corpus Juris aus dem Jahre 2000 in der Sache ergänzen. 160 Die während des Symposiums diskutierten und kritisierten Gesetzesentwürfe wurden in neue Harmonisierungsvorschläge eingearbeitet, die nachstehend, dem terminologischen Vorschlag Tiedemanns folgend, als Europa-Delikte bezeichnet werden. 161 Diejenigen Teile, die untreueähnliche Tatbestände betreffen, namentlich im Bereich des Handelsgesellschaftsrechts, aber auch für das Kredit- und Wertpapierwesen, wurden z. T. von Quintero, 162 im Wesentlichen aber von Foffani überarbeitet. Diese Gesetzesentwürfe sollen den weiteren Weg zu einem in ganz Europa einheitlichen Handelsgesellschaftsstrafrecht ebnen und bilden einen Teil eines anvisierten Europastrafrechts.

157 Vgl. dazu Vogel, GA 2002, S. 533. 158 Vgl. Schünemann, GA 2002, S. 510. 159 Grünbuch (o. Fn. 127), auf S. 43 unter Punkt 5. 2. 2. 4. 160 161

Tiedemann, in: Freiburg-Symposium, Vorwort, S. IX.

Tiedemann, in: Freiburg-Symposium, Vorwort, S. IX. 162 Vgl. Waßmer, JZ 1999, S. 1099, 1100. 18'

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7. Kap.: Reform der Untreue und europarechtliche Aspekte

Gerade wegen des verschiedenartigen gesetzgeberischen Panoramas und teilweise erheblicher Unterschiede in der strafrechtlichen Erfassung innerhalb der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten, stelle sich, wie rechtsvergleichende Untersuchungen zeigen, so Foffani, die dringende Frage nach einer europäischen Harmonisierung. 163 Mit Recht weist Foffani darauf hin, dass sich diese Vereinheitlichung im Bereich des Zivil- und Gesellschaftsrechts schon „intensiv und engmaschig" durchgesetzt habe. 164 Auch könne sich ein extrem vielfältiges Strafrecht als wettbewerbsverzerrender Faktor innerhalb des gemeinsamen europäischen Marktes erweisen. Auf welchem legislativen Wege diese Vorschläge in nationales Recht überführt werden könnten (ob durch Verordnungen, Richtlinien 165 oder parallel nationalstaatlich identische Strafgesetzgebung anhand eines Modellstrafgesetzbuchs), hat Vogel en detail dargelegt 166 und braucht deshalb an dieser Stelle nicht näher dargelegt werden.

2. Die untreueähnlichen Harmonisierungsentwürfe im Einzelnen a) Die ungetreue Geschäftsführung,

Art. 45 Europa-Delikte

Der von Quintero und Foffani vorgeschlagene und mit der Überschrift „Ungetreue Geschäftsführung" versehene Art. 45 der Europa-Delikte lautet: 167 1. Mit [ . . . ] wird bestraft, wer als Inhaber von Entscheidungsmacht in einer Handelsgesellschaft, insbesondere in einer Europäischen Privatgesellschaft, unter Verletzung seiner Pflichten zur Wahrnehmung der Vermögensinteressen der Handelsgesellschaften Handlungen vornimmt oder unterlässt, von denen er weiß, dass sie für die Gesellschaft einen Vermögensnachteil begründen. Dem Vermögensnachteil nach Satz 1 steht eine Wertminderung des Gesellschaftsvermögens gleich. 2. Handelsgesellschaft ist jede Gesellschaft im Sinne der EG-Richtlinie vom 16. November 1990, auch die Gesellschaft in Gründung oder Liquidation. 3. In Bezug auf einen Konzern ist ein Nachteil für die Gesellschaft nicht anzunehmen, wenn dieser durch ernsthaft zu erwartende Vorteile, die sich aus der Konzernzugehörigkeit ergeben, ausgeglichen wird.

Mit Art. 45 Europa-Delikte würde ein gesellschaftsrechtlicher Sondertatbestand geschaffen, der sich von der allgemeinen Treupflichtverletzung in der Untreue „nach germanischem Muster" (Foffani) durch eine etwas konkretere Umschreibung des Täterkreises und der zu schützenden Interessen unterscheidet. Damit wird 163 Vgl. dazu auch Schünemann, GA 2002, S. 513, wonach in den Medien derzeit eine „die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit de facto beeinträchtigende Atmosphäre der Europatümelei" vorherrsche. 164 Vgl. Foffani, Freiburg-Symposium, S. 326. 165

Zur Bindungswirkung der EU-Richtliniengebung vgl. Eisele, JZ 2001,1157. 166 Vogel , Freiburg-Symposium, S. 91. !67 Abgedruckt auch in: Freiburg-Symposium, S. 474.

B. Europabezogene Untreuetatbestände

277

die Intention verfolgt, eine „allgemeine Lösung innerhalb des Handelsgesellschaftsstrafrechts" herbeizuführen und eine dem französischen abus de bien sociawt 168 oder der spanischen administración fraudulenta 169 angenäherte Regelung geschaffen. Darüber hinaus will Foffani nur wirkliche Vermögenseinbußen und nicht bereits die bloße Vermögensgefährdung unter den Tatbestand fallen lassen. 170 Der bemerkenswerte Gesetzesentwurf, der mit der in dieser Untersuchung aufgestellten Forderung nach der Schaffung präziser Untreue- oder untreueähnlicher Tatbestände für spezielle Tätergruppen gänzlich harmoniert, wirft allerdings einige Fragen auf. Dies gilt zunächst hinsichtlich der Umschreibung des Täterkreises mit „Inhaber von Entscheidungsmacht". Darunter fallen etwa der Geschäftsführer, Defacto-Geschäftsführer, der Vorstand einer Aktiengesellschaft usw. Aber dazu könnte man auch die Gesellschafter zählen, sofern sie, etwa aufgrund eines Weisungsrechts wie die Gesellschafter einer GmbH nach deutschem Recht, auf die Entscheidungen im Unternehmen Einfluss nehmen können. Dies erscheint aber dann problematisch, wenn die Pflichten gerade durch die Gesellschafter definiert werden und sie als wirtschaftliche Eigentümer der Gesellschaft gelten können, wie dies in Deutschland bei Gesellschaftern einer GmbH der Fall ist. 1 7 1 Auch müsste geklärt werden, ob nur diejenigen, die Geschäftsführer sind oder auf die Geschäfte der Gesellschaft einwirken, Täter des Art. 45 Europa-Delikte sein können - dies legen Gesetzesüberschrift und der Tatbestandswortlaut nahe - oder ob nicht auch Aufsichtsräte oder vergleichbare Kontrollorgane mit Überwachungsfunktionen vom Tatbestand erfasst werden sollen. Inwiefern dieses Ergebnis über die (von Schünemann und Tiedemann geschaffene) Regelung zur unechten Unterlassung in Art. 15 Europa-Delikte erreicht werden kann, ist ebenfalls noch ungeklärt. Sodann erscheint das Merkmal der Pflichtverletzung als einer Präzisierung zugänglich. Andernfalls drohen ähnliche, schwerlich hinnehmbare Tatbestandsextensionen, wie sie vom deutschen Treubruchstatbestand und seiner dort vorgeschriebenen Treuepflichtverletzung bekannt sind. Eine mögliche Beschränkung könnte darin bestehen, dass es sich, einem Vorschlag von Otto folgend, beim Täter um eine Person innerhalb eines Geschäftsbesorgungsverhältnisses handeln muss, d. h. die zur fremdnützigen, selbständigen und eigenverantwortlichen Wahrung der Vermögensinteressen eines anderen berechtigt und verpflichtet ist. 1 7 2 Ob man allerdings den Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung nur auf die Missbrauchsuntreue beschränken sollte, erscheint zweifelhaft. 173 Zumindest scheint Otto eine solche Restriktion für sinnvoll zu halten, wenn er für Art. 45 Europa-Delikte klares Dazu in diesem Kapitel oben A. II. 2. b) (2). 169

Dazu in diesem Kapitel oben A. II. 2. b) (3). Vgl. Foffani, Freiburg-Symposium, S. 330. Dazu oben 2. Kapitel C. III. 4. f) aa). 172 Otto, Freiburg-Symposium, S. 363. 173 Bedenken dazu bereits in diesem Kapitel oben unter A. II. 4. 170

278

7. Kap.: Reform der Untreue und europarechtliche Aspekte

stellend „den Missbrauch von Verpflichtungs- und Verfügungsbefugnissen" verlangt. 174 In terminologischer Hinsicht mag man darüber hinaus Zweifel daran äußern, ob mit dem Gesetzesbegriff „Vermögensnachteil" hinreichend deutlich wird, dass Vermögensgefährdungen für die Vollendung der ungetreuen Geschäftsbesorgung nicht ausreichen. Der Begriff des „Vermögensnachteils" in § 266 StGB erfasst nach ganz h. M. auch Vermögensgefährdungen, sofern sie eine schadensgleiche Dimension aufweisen. 175 Andererseits würde ein Terminus wie etwa ein dem deutschen Betrugstatbestand entlehntes Merkmal des Vermögensschadens auch nicht weiterhelfen, da auch der Schadensbegriff in § 263 StGB bestimmte Vermögensgefährdungen erfasst. 176 Innerhalb des europäischen Modellstrafgesetzbuchs könnte gewiss ein Begriff, der sich sprachlich von den bisherigen Formulierungen im deutschen Vermögensstrafrecht unterscheidet, etwas deutlicher die Gesetzesintention deutlich machen, etwa dasjenige der Vermögenseinbuße oder der tatsächlichen Vermögenseinbuße. Andererseits wäre in methodischer Hinsicht niemand daran gehindert, den Vermögensschaden bei Art. 45 Europa-Delikte anders auszulegen als etwa im Rahmen der §§ 263, 266 StGB - die Relativität der Rechtsbegriffe ist seit jeher ein geläufiges Phänomen von Rechtsordnungen. 177 Abgesehen davon muss bezweifelt werden, ob der Verzicht auf die Sanktionierung schadensgleicher Vermögensgefährdungen kriminalpolitisch sinnvoll ist (z. B. bei hochriskanten Spekulationsgeschäften usw.). Zumindest bedürfte der Verzicht auf die tatbestandliche Erfassung von Risikosituationen einer weiteren, intensiven Diskussion. Dass in Art. 45 Abs. 1 S. 2 Europa-Delikte auch der Wertverlust als Vermögensnachteil erwähnt wird, um auszuschließen, dass eine bloße Gefährdung des Rechtsguts strafbegründend wirke, 1 7 8 deutet zwar die ,gesetzgeberische4 Restriktionsintention sinnvollerweise auch im Tatbestand an, erscheint aber gleichwohl nicht zwingend nötig: Die Wertminderung könnte, wie dies schon bislang im deutschen Strafrecht gerade bei der Vergabe riskanter Kredite 179 möglich ist, in einer sinnvollen teleologischen Interpretation bereits unter den Vermögensnachteil subsumiert werden. Dass ein Vermögensschaden sowohl in der Minderung des Bestandes an Vermögensobjekten als auch in der Minderung ihres Wertes liegen kann, hat zudem insbesondere Otto ausgeführt, dessen Erläuterungen in der Formulierung des Art. 45 Nr. 1 S. 2 Europa-Delikte adaptiert wurden. 180 174

Otto, Freiburg-Symposium, S. 363. 175 Lackner/Kühl, § 266 Rn. 17a m. w. N. 176 Vgl. nur Lackner/Kühl, § 263 Rn. 40. 177 Vgl. Engisch, Juristisches Denken, S. 94; Lenckner, ZStW 106 (1994), S. 511; Vogel, Juristische Methodik, S. 116. 178 Fojfani, Freiburg-Symposium, S. 330. 179 Etwa beim Erwerb eines Anspruchs (z. B. auf Rückzahlung eines Darlehens), der seinen Preis nicht wert ist; vgl. dazu allgemein Keller/Sauer, wistra 2002, S. 365 Fn. 9. 180 Vgl. Fojfani, Freiburg-Symposium, S. 330 mit Fn. 59 und dazu Otto, Freiburg-Symposium, S. S. 362 f.

B. Europabezogene Untreuetatbestände

279

Verbesserungsfähig ist die tatbestandliche Bezeichnung des Kreises der geschützten Gesellschaftsformen und des Wirtschaftsraumes, in dem sie sich betätigen. Quintero hat für die Europa-Delikte ursprünglich einen internationalen Bezug dergestalt gefordert, dass die Delikte nur auf Gesellschaften Anwendung finden dürfen, die in mehr als einem Mitgliedsstaat aktiv sind. 181 Der Entwurf hingegen nimmt in Art. 45 Abs. 2 und Art. 46 Europa-Delikte für den geschützten Vermögensträger „Handelsgesellschaft" Bezug auf „jede Gesellschaft im Sinne der EG-Richtlinie vom 16. 11. 1990, auch die Gesellschaft in Gründung oder Liquidation". Damit könnten zum einen auch Gesellschaften erfasst sein, die sich in nur einem einzigen Mitgliedsland wirtschaftlich betätigen. Zum anderen scheint, da, soweit ersichtlich, 182 zwar Verordnungen, aber überhaupt keine auf den 16. 11. 1990 datierte EU-Richtlinien existieren, mit diesem Verweis offenbar die sog. GmbH & Co KG-Richtlinie 90/604/EWG vom 8. 11. 1990 gemeint zu sein, die im EU-Amtsblatt vom 16. 11. 1990 veröffentlicht wurde. Dies gibt aber zu Irritationen Anlass: Diese Richtlinie betrifft die Bilanzierung bei der OHG und KG, sofern deren unbeschränkt haftende Gesellschafter ausschließlich Kapitalgesellschaften sind. 183 Unmöglich kann Art. 45 Europa-Delikte nur diese Gesellschaftsformen meinen. Die Erläuterung von Foffani, die „Blanketttechnik" werde „nur für die Definition des Begriffs der Handelsgesellschaft durch Verweis auf europäische Richtlinien (insbesondere die EG-Richtlinie vom 16. November 1990) verwendet", 184 vermag ebenfalls nicht zu einer Präzisierung beizutragen. Ein spezifisch europarechtlicher oder europaweit anerkannter oder definierter Begriff der Handelsgesellschaft existiert nämlich, soweit ersichtlich, nicht. In europäischen Richtlinien wird daher üblicherweise die konkrete, vom Regelungsgehalt betroffene Gesellschaftsform des jeweiligen nationalen Rechts explizit genannt; so wird etwa im Rahmen der Publizitätsrichtlinie vom 9. 3. 1968 185 und der Kapitalrichtlinie vom 25. 7. 1998 186 für Deutschland auf die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die GmbH Bezug genommen. Zwischen den Mitgliedsstaaten bestehen im Übrigen große Divergenzen hinsichtlich der Terminologien und Klassifikationen. So wird zwar in den meisten Mitgliedsstaaten zwischen Zivil- und Handelsgesellschaften unterschieden; aber dem englischen und dänischen Recht etwa ist die Unterscheidung zwischen zivil- und handelsrechtlichen Gesellschaftsformen unbekannt.187 Ebenso wenig bietet sich eine tatbestandliche Anknüpfung an die 181 Vgl. den Tagungsbericht von Waßmer, JZ 1999, S. 1100 f. 182 So zumindest lautet der Befund des Verf. dieser Untersuchung nach längeren Recherchen mit freundlicher Unterstützung von Tobias Freudenberg. 183 EG-Richtlinie 90/605/EWG vom 8. 11. 1990, veröffentlicht im Amtsblatt EG Nr. L 317 vom 16. 11. 1990; in Deutschland nicht umgesetzt. Vgl. dazu Hohloch, in: Hohloch, B. I. Rn. 55. 184 Vgl. Foffani, Freiburg-Symposium, S. 327 f. 185 ABl. Nr. L 65/8; dazu Habersack, Rn. 133. 186 ABl. Nr. L 26 /1; dazu Habersack, Rn. 205.

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7. Kap.: Reform der Untreue und europarechtliche Aspekte

Differenzierung von Kapital- und Personengesellschaften an: So ist etwa die GmbH in Frankreich und Belgien eine Personengesellschaft, in Deutschland aber eine Kapitalgesellschaft. Wenig aussagekräftig wäre auch eine Differenzierung nach der eigenen Rechtspersönlichkeit: Im Gegensatz zum deutschen und britischen Gesellschaftsrecht besitzen nämlich viele Personengesellschaften anderer EG-Mitgliedsstaaten eigene Rechtspersönlichkeit. 188 Da der Tatbestand der ungetreuen Geschäftsführung ausdrücklich verlangt, dass der Schaden die Gesellschaft betreffen muss, können damit solche Gesellschaften nicht gemeint sein, bei denen der Vermögensnachteil nur bei den Gesellschaftern eintritt. Geschützt wären danach in Deutschland die Kapitalgesellschaften des Gesellschaftsrechts, d. h. die GmbH, Aktiengesellschaft und Kommanditgesellschaft auf Aktien. Hinsichtlich der teilrechtsfähigen Gesellschaften der OHG, KG und Gesellschaft bürgerlichen Rechts kommt es nach der herkömmlichen deutschen Dogmatik hingegen für den Schaden bei § 266 StGB darauf an, ob er bei den Gesellschaftern eingetreten ist. 1 8 9 Es könnte daher im Rahmen des Art. 45 EuropaDelikte nur ein verändertes Verständnis des Vermögensschadens dazu führen, diese Gesamthandsgemeinschaften als Geschädigte anzusehen. Zumindest muss geklärt werden, welche Tatbestandsrelevanz ein Vermögensnachteil besitzen soll, der sich nicht auf ein etwaiges „Vermögen" der OHG, KG usw. beschränkt, sondern - z. B. wegen der persönlichen Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft - darüber hinaus das Privatvermögen der Gesellschafter antastet. Die schon geschaffenen oder absehbaren supranationalen, d. h. europäischen Gesellschaftsformen 190 dürften, wie der Hinweis im Tatbestand auf die (noch nicht umgesetzte) Europäische Privatgesellschaft zeigt, unter den Begriff der Handelsgesellschaft fallen. Zu diesen zählen etwa die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV), die Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europae, SE), 191 die Europäische Genossenschaft (EUGEN) und die Europäische Gegenseitigkeitsgesellschaft (EUGGES). Präziser gestaltet ist der subjektive Tatbestand. Vordergründig wird der Eindruck erweckt, dass sich der Vorsatz nur auf den Vermögensnachteil erstrecken muss („.. .weiß, dass er für die Gesellschaft einen Vermögensnachteil begründet") und Fahrlässigkeit hinsichtlich der Pflichtverletzung genügen könnte. Jedoch schreibt Art. 5 Abs. 2 Europa-Delikte in seinem Entwurf von Vögel vor, dass eine Fahrlässigkeitshaftung nur dann in Betracht kommt, wenn sie ausdrücklich gesetzlich vorgesehen ist. Letzteres ist bei Art. 45 Europa-Delikte aber nicht der Fall, da vor dem Merkmal der „Verletzung seiner Pflichten" und auch sonst im Tatbestand das Adjektiv „fahrlässig" fehlt. Offenbar soll durch das Erfordernis des Wissens um 187 188 189 190

Vgl. Schwarz, Rn. 285. So Schwarz, Rn. 287. Eingehend dazu 2. Kapitel B. Zu diesen vgl. Hohloch, in: Hohloch, C. II. Rn. 74 ff.; Schwarz, Rn. 567 ff.

191 Zur gesamthänderischen Bindung des EWIV-Vermögens vgl. 2. Kapitel B. I. 1.

B. Europabezogene Untreuetatbestände

281

den Vermögensnachteil in subjektiver Hinsicht mehr verlangt werden als die Kenntnis um die Möglichkeit eines Schadenseintritts. Nicht zu beanstanden ist, dass, wie beim deutschen § 266 StGB, der Versuch der ungetreuen Geschäftsführung nicht unter Strafe gestellt wird. Nach Art. 18 Abs. 2 Europa-Delikte ist der Versuch nur strafbar, wenn dies ausdrücklich gesetzlich vorgesehen ist, was bei Art. 45 Europa-Delikte aber nicht der Fall ist.

b) Verletzung des Stammkapitals, Art. 46 Europa-Delikte Der wiederum von Foffani fortentwickelte Art. 46, Verletzung des Stammkapitals, lautet: 192 Mit [ . . . ] wird bestraft, wer als Inhaber von Entscheidungsmacht in einer Handelsgesellschaft im Sinne des Art. 45 Abs. 2 durch gesetzwidrige Gewinnverteilung oder Rückzahlung der Kapitaleinlage, durch gesetzwidrigen Erwerb von eigenen Aktien oder Anteilen oder durch eine sonstige Pflichtverletzung bei der Ausübung seiner Funktionen das Gesellschaftsvermögen auf weniger als die Summe von Stammkapital und Pflichtrücklage verringert.

Diese Vorschrift zum Schutz der Vermögensinteressen der Gesellschaftsgläubiger verdient Beifall. Es besteht, wie gerade die Diskussion dieser Fälle im Rahmen dieser Untersuchung gezeigt hat, das unabweisbare kriminalpolitische Bedürfnis, mit Strafe zu reagieren, wenn das Stammkapital einer Kapitalgesellschaft angetastet wird. Nichts anderes besagen die Rechtsprechung und der überwiegende Teil der Lehre zur Begrenzung des Einverständnisses bei einer Untreue zum Nachteil einer GmbH, sofern dieses sich auf eine Handlung bezieht, mit der das Stammkapital angetastet oder anderweitig die Existenz der Gesellschaft gefährdet wird. 1 9 3 Begrüßt werden muss insbesondere, dass durch die Einführung einer solchen Bestimmung dieser Streit, der seit langen bei § 266 StGB um den Schutz der Gläubigerinteressen und die Möglichkeiten eines Einverständnisses durch die GmbH-Gesellschafter tobt, 1 9 4 beigelegt werden würde. Die Zweckentfremdung des § 266 StGB in Richtung eines tatbestandsexternen Gläubigerschutzes würde beendet, sofern man Art. 46 Europa-Delikte als abschließende Regelung zum Schutz der Gläubiger ansehen würde, die einen Rückgriff auf § 266 StGB nicht erlaubt. Klärungsbedürftig ist jedoch auch im Rahmen des Art. 46 Europa-Delikte, ob die Gesellschafter als „Inhaber von Leitungsmacht" angesehen werden können bzw. sollen. Zumindest ist es unter dem Gesichtspunkt des spezifischen Gläubigerschutzes unerheblich, ob es z. B. im Rahmen einer GmbH der Geschäftsführer oder der Gesellschafter ist, der das Stammkapital antastet. Insofern erscheint es überlegenswert, ob man den Täterkreis nicht anders benennt als denjenigen in Art. 45 192 Vgl. Freiburg-Symposium, S. 474. 193 Vgl. dazu 2. Kapitel C. III. 3. 194 Eingehend dazu 2. Kapitel C. III. 4.

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7. Kap.: Reform der Untreue und europarechtliche Aspekte

Europa-Delikte oder doch, falls der Gesellschafter nicht als jemand angesehen werden soll, der Entscheidungsmacht innehat, erweitert und neben dem Inhaber der Entscheidungsmacht zusätzlich den Gesellschafter als Täter im Tatbestand anfügt. Die Pflichtverletzungen, die zu einer Reduzierung des Stammkapitals führen, können dabei, wie dies offenbar auch im vorliegenden Entwurf geschieht, anhand des typischen gesellschaftsrechtlichen Fehlverhaltens in diesem Bereich definiert werden. Darüber hinaus gewinnt Art. 46 Europa-Delikte nur bei solchen Gesellschaften Bedeutung, für die überhaupt die Bildung und Aufrechterhaltung eines Stammkapitals oder einer Pflichtrücklage vorgeschrieben ist, was in Deutschland bei der OHG, KG und Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht der Fall ist. Diese Ungleichbehandlung von Gläubigern einer Kapitalgesellschaft einerseits und denjenigen einer Personengesellschaft andererseits erscheint sinnvoll. Anders ist die Situation hingegen beim Bankrottatbestand des Art. 48 Europa-Delikte 195 sowie etwa beim deutschen Insolvenzstrafrecht, 196 wo die Gläubiger beider Gesellschaftsformen strafrechtlich geschützt sind.

c) Untreue bei Kreditgewährung,

Art. 50 Europa-Delikte

Der Foffanische Art. 50, Untreue bei Kreditgewährung, hat folgenden Inhalt: 197 Mit [ . . . ] wird bestraft, wer als Inhaber von Entscheidungsmacht oder als Angestellter eines Kreditinstituts gegen Vorschriften verstößt, welche die Kreditgewährung oder die Beschränkung des Kreditrisikos betreffen, und dadurch in einer mit einer sorgfältigen und vorsichtigen Kreditführung unvereinbaren Weise einen Kredit gewährt oder gewähren läßt, die Bedingungen eines Kredits verändert oder es unterlässt, einen Kredit zu widerrufen, und dadurch einen Vermögensnachteil für das Kreditinstitut herbeiführt.

Mit diesem Tatbestand würden solche Fälle pflichtwidriger Kreditvergabe erfasst, die in Deutschland schon bisher nach § 266 StGB strafrechtlich relevant waren. 198 Sofern man, wie vorgeschlagen von Otto, die Pflichten innerhalb des Tatbestands der ungetreuen Geschäftsführung, Art. 45 Europa-Delikte, in Richtung der Geschäftsbesorgung umformulieren würde, würden die maßgeblichen Fälle des Art. 50 Europa-Delikte ohne weiteres unter Art. 45 Europa-Delikte fallen; dann könnte man - mit Otto - den Tatbestand des Art. 50 Europa-Delikte letztlich für überflüssig halten. 199 Geschieht diese Umgestaltung jedoch nicht, bedarf es durch195

Normadressat ist „der Unternehmer"; vgl. dazu Foffani, Freiburg-Symposium, S. 318 f. Normadressat ist „der Schuldner" und damit i. d. R. auch der Gesellschafter einer Handelsgesellschaft; eingehend dazu LK-Tiedemann, Vor § 283 Rn. 62. M Vgl. Freiburg-Symposium, S. 474. 198 Vgl. nur BGHSt 47, 148; eingehend dazu Nack, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, 196

§66.

199

Folgerichtig

Otto,

Freiburg-Symposium, S. 363.

B. Europabezogene Untreuetatbestände

283

aus der Benennung eines Täterkreises, der neben dem Inhaber der Entscheidungsmacht (gemeint ist wohl der Bankdirektor, -vorstand usw.) auch den Angestellten des Kreditinstituts erfasst, da diese im europäischen Ausland, anders als nach den deutschen Vorgaben im K W G , 2 0 0 vielfach mit der Kompetenz ausgestattet sind, Kredite zu vergeben, ohne zugleich Bankleiter etc. zu sein. Foffani weist zu Recht darauf hin, dass Art. 50 Europa-Delikte durchaus an deutsche Vorschläge im Alternativ-Entwurf aus dem Jahre 1977 anknüpft. Auch würde eine Entlastung und damit stärkere Konturierung des allgemeinen Untreuetatbestands eintreten. 201 Möglicherweise wäre zugleich der präventive Erfolg eines eigenen Tatbestands zur pflichtwidrigen Kreditgewährung größer als derjenige durch § 266 StGB. Bedenken geäußert werden müssen jedoch hinsichtlich des sehr weit gefassten Tatbestandserfordernisses des Verstoßes gegen Pflichten, „welche die Kreditgewährung oder die Beschränkung des Kreditrisikos betreffen". Denn es ist eine Vielzahl von Pflichtverstößen im Zusammenhang mit einer Kreditvergabe denkbar, welche an sich noch nicht vermögensgefährdend sind (etwa mangelhafte Dokumentationen, fehlende Mitwirkung bestimmter Gremien). In der Tat bekommt in der jetzigen Tatbestandsfassung der Verstoß gegen Gesetze, Satzungen und andere Normen, welche das Kreditwesen betreffen, „ein Gewicht, das ihm keineswegs zukommt". 2 0 2 Unrechtskonstitutiv ist vielmehr die unerlaubt riskante Kreditvergabe. Klärungsbedürftig ist schließlich, ob der Begriff des Vermögensnachteils in Art. 50 Europa-Delikte so eng ausgelegt werden soll wie in Art. 45 Europa-Delikte, d. h. unter Ausschluss von Vermögensgefährdungen, die aber geradezu den „Normalfall" unzulässiger Kreditvergaben betreffen.

d) Untreue durch Wertpapierleistungen,

Art. 54 Europa-Delikte

Eine weitere Spezialregelung enthält Art. 54 Europa-Delikte, die Untreue bei Wertpapierleistungen: Wer eine Wertpapierleistung erbringt und dadurch einen Vermögensverlust großen Ausmaßes für den Kunden verursacht, wird mit [ . . . ] bestraft, wenn er sich in einem Interessenkonflikt gegenüber dem Kunden befindet und seine Befugnisse missbraucht, die ihm obliegenden Pflichten verletzt oder sonst in einer mit den Grundsätzen eines sorgfältigen und gewissenhaften Wertpapierdienstleisters unvereinbaren Weise handelt.

Zu dieser Regelung ist anzumerken, dass die 3. Variante, der Verstoß gegen die Grundsätze eines sorgfältigen und gewissenhaften Wertpapierdienstleisters, sehr weit gefasst ist und zu einer bedenklichen Pönalisierung sämtlicher zivilrechtlicher Pflichtverstöße im Wertpapiergeschäft zu führen droht, was aber nicht der Sinn der Vorschrift sein kann. Auch muss gefragt werden, worin die selbständige Bedeutung 200 Vgl. Mack, in: Müller-Gugenberger/Bieneck, 201 Foffani, Freiburg-Symposium, S, 339. 202 Otto, Freiburg-Symposium, S. 363.

§ 66 Rn. 10 ff.

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7. Kap.: Reform der Untreue und europarechtliche Aspekte

der 2. Variante, des Verstoßes gegen die einem Wertpapierdienstleister obliegenden Pflichten besteht, wenn die 3. Variante doch gerade den typischen Sorgfaltsmaßstab für einen Pflichtverstoß nennt.

3. Europaweite Regelung der Einwilligung Von besonderem Interesse ist schließlich, dass der „Allgemeine Teil" des anvisierten Europa-Modellstrafgesetzbuchs keinen Gesetzesvorschlag zur Einwilligung und mutmaßlichen Einwilligung enthält. Die Empfehlung zur gesetzgeberischen „Enthaltsamkeit" wird von Dannecker damit begründet, dass zum einen die Einwilligung in den meisten Mitgliedsländern der EU nicht kodifiziert sei: So fehle es nicht nur in Deutschland, sondern beispielsweise auch in Frankreich, Österreich und England an einer entsprechenden Regelung. Zum anderen sei die strafbarkeitsausschließende Wirkung eines Handelns im Konsens mit dem Opfer in einigen Staaten nur höchst eingeschränkt anerkannt, etwa in Frankreich, weshalb eine allgemeine Einwilligungsregelung politisch kaum durchsetzbar sein dürfte. Auch sei es sinnvoller, spezialgesetzliche Regelungen für ganz bestimmte Regelungsbereiche (etwa Heileingriff, Transplantationen usw.) zu treffen, um den Besonderheiten des spezifischen Interessenkonflikts Rechnung zu tragen. Danneckers Resümee lautet daher, dass auf eine allgemeine Kodifikation der rechtfertigenden Einwilligung und der mutmaßlichen Einwilligung verzichtet werden sollte. 203 Es überrascht daher nicht, dass folgerichtig auch im „Besonderen Teil" der Europadelikte Regelungen zur Einwilligung, etwa in eine Untreue, fehlen. Damit würde sich für die europäische Gemeinschaft eine Entwicklung abzeichnen, die Richard Honig für das deutsche Strafrecht schon vor über 80 Jahren in den Sätzen, an die zu Beginn dieser Untersuchung einleitend erinnert wurde, bemängelt hat. Mag auch manche Streitfrage vom Gesetzgeber (etwa hinsichtlich der systematischen Einordnung, der Bedeutung der Sittenwidrigkeit, der Einwilligungsfähigkeit von Minderjährigen etc.) entschieden werden können, so hat doch angesichts der Komplexität der Einwilligungsfragen der Verzicht auf eine generelle Regelung seine guten Gründe. Sodann ist auch für § 266 StGB oder eine ihrer untreueähnlichen Variationen eine spezielle Regelung des Einverständnisses weder absehbar noch erscheint sie vordringlich. So sei die Prognose gewagt, dass es auch künftig der Rechtsprechung und Strafrechtswissenschaft, sei es auf nationaler Ebene, sei es im Panorama eines vereinigten Europas, vorbehalten bleiben dürfte, für das Strafrecht das Institut der Einwilligung aufzugreifen, fortzuentwickeln und im Besonderen, so für die Untreue und künftige untreueähnliche Vorschriften, zu entscheiden, wann ein vorheriger, mutmaßlicher oder nachträglicher Konsens mit dem Opfer die Bestrafung des Täters entfallen läßt.

203 Dannecker, Freiburg-Symposium, S. 165.

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse I. Das Rechtsgut der Untreue (§ 266 StGB) bildet, wie eingangs im ersten Kapitel dargelegt wird, das Vermögen, das auf der Grundlage eines juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs zu bestimmen ist. Allerdings hat dieser Vermögensbegriff, namentlich in den Konstellationen des individuellen Schadenseinschlags und der Zweckverfehlung, in großem Umfang die individuelle Verhältnisse des Vermögensinhabers sowie die Zwecke, die er mit seinem Vermögen verfolgen möchte, einzubeziehen. Der personale Vermögensbegriff bildet somit die „dritte Säule" des Vermögens. Allerdings begründet der Angriff auf die Dispositionsfreiheit des Treugebers zwar vielfach einen Treupflichtverstoß, dieser als solcher aber noch nicht einen Schaden, da andernfalls das Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils seine Funktion als (auch) straflimitierendes Merkmal verlieren und so die Untreue sinnwidrig zu einem Delikt gegen die Dispositionsfreiheit umgestaltet würde. Sowohl die Missbrauchsuntreue (§ 266 Abs. 1 Var. 1 StGB) als auch die Treubruchsuntreue (§ 266 Abs. 1 Var. 2 StGB), mithin beide Formen der Untreue, setzen voraus, dass der Täter eine Vermögensbetreuungspflicht besitzt. Diese Treupflicht verletzt er, wenn ihm der Zugriff auf das fremde Vermögen im alleinigen oder primären Interesse des Vermögensinhabers eingeräumt wurde. Bei der Missbrauchsuntreue muss hinzukommen, dass der Treupflichtige durch ein fremdnütziges Handeln, das im Außenverhältnis für den Vertretenen rechtlich wirksam ist, gegen seine interne Bindungen verstößt und so einen Schaden auslöst. Kennzeichen der Treubruchsuntreue ist hingegen ein Verhalten, das seinen Unwertgehalt durch den Verstoß gegen die Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, erhält. Diesen Status hat der Täter inne, wenn er eine besonders ausgestaltete Garantenstellung gegenüber dem Vermögen des Treugebers übernommen hat, die den Charakter einer Geschäftsbesorgung nach § 675 BGB trägt. Durch die Anbindung an dieses zivilrechtliche Institut werden die zentralen Momente der Treubruchsuntreue, die Fremdnützigkeit und Selbständigkeit der Interessenwahrnehmung für andere, konstituiert. Die Untreue läßt sich folglich als ein Delikt verstehen, dessen Unrechtsgehalt darin besteht, dass der Täter in die Vermögenssphäre des Opfers eingebunden wird und dabei die Grenzen der ihm eingeräumten Freiheit überschreitet. An der Unterscheidung zwischen tatbestandsausschließender Einwilligung (sog. Einverständnis) und rechtfertigender Einwilligung ist festzuhalten. Der Treugeber bzw. Dispositionsbefugte entkleidet durch seine Zustimmung das Verhalten des Treunehmers der Pflichtwidrigkeit im Innenverhältnis, weshalb im Rahmen der 1.

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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

Alternative des § 266 StGB das Merkmal des „Missbrauchs" und innerhalb der 2. Alternative dasjenige der „Verletzung" der Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, entfällt. Die Zustimmung des Treugebers bei § 266 StGB gehört deshalb zur Kategorie des den objektiven Tatbestand ausschließenden Einverständnisses. Es entfällt mit dem Treupflichtverstoß ein zentrales Merkmal des Erfolgsunwerts einer Untreue, weshalb dem Treunehmer die im Konsens mit dem Dispositionsbefugten vorgenommenen Schädigungen objektiv nicht zurechenbar sind. Die gedankliche Reihenfolge bei der Prüfung einer Treuepflichtverletzung, bei der ein Einverständnis zur Diskussion steht, vollzieht sich damit in fünf Schritten: 1. Welche Pflichten sind dem Treunehmer auferlegt? 2. Sind diese Pflichten vermögensbezogener Natur? 3. Tragen sie auch den Charakter einer Geschäftsbesorgung? 4. Bildet die fragliche Handlung den Bezugspunkt einer derartigen Pflicht? 5. Hat der zuständige Vermögensinhaber wirksam ex-ante zugestimmt? Sofern derjenige, der die Verfügungsmacht über das Vermögen besitzt, diesem gegenüber selbst treupflichtig ist, kann er sich durch die Erteilung eines pflichtwidrigen Einverständnisses selbst einer Untreue schuldig machen. Wegen der tatbestandlichen Struktur des § 266 StGB als Pflichtdelikt begründet dies stets eine täterschaftliche Stellung des Dispositionsbefugten. Die Vermögensbetreuungspflicht ist ein besonderes, strafbegründendes Merkmal nach § 28 Abs. 1 StGB. II. Es bestimmt sich nach der außerstrafrechtlich geprägten rechtlichen Ausgestaltung der Beziehung zwischen Treugeber und Treunehmer, wer die Verfügungsmacht besitzt und damit als der für die Erteilung der Zustimmung zuständige Entscheidungsträger anzusehen ist. Hierzu seien aus dem zweiten Kapitel folgende drei Träger der Dispositionsbefugnis exemplarisch herausgegriffen: Bei beschränkt geschäftsfähigen Vermögensinhabern bemisst sich, entgegen der herrschenden Lehre, die Dispositionsbefugnis nicht danach, ob dem Minderjährigen die Tragweite seiner Erklärung bewusst war. Vielmehr besitzt dessen gesetzlicher Vertreter familien- wie strafrechtlich stets ein Mitspracherecht und zugleich eine Fürsorgepflicht hinsichtlich solcher Maßnahmen, die ein treupflichtiger Dritter mit dem Vermögen des Kindes vornehmen möchte. Bei Gesamthandsgemeinschaften wie etwa der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der OHG oder KG führt die rechtliche Verselbständigung zwar dazu, dass im Außenverhältnis nur die Gemeinschaft, nicht aber deren Gesellschafter berechtigt und verpflichtet werden. Wegen der fehlenden eigenen Rechtspersönlichkeit der Gemeinschaft sowie der persönlichen Haftung der Gesellschafter liegt die Dispositionsbefugnis jedoch weiterhin in den Händen der Gesellschafter, bezogen auf seinen jeweiligen Gesellschaftsanteil. Die Gesellschafter einer GmbH sind im Rahmen des § 266 StGB über das Vermögen der Gesellschaft unbeschränkt dispositionsbefugt. Soweit die herrschende

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Meinung ein durch den Untreuetatbestand sanktioniertes Verbot der Existenzgefährdung annimmt, verleiht sie dem Tatbestand eine gläubigerschützende Funktion, die aber nicht die Aufgabe des § 266 StGB ist und damit auf eine unzulässige Rechtsgutsvertauschung bzw. - ausweitung hinausläuft. Die Aufgabe, strafrechtlich die Vermögensinteressen der Gläubiger zu wahren, kann nur durch das Insolvenztatbestände der §§ 283 ff. StGB erfüllt werden. Dies erfordert jedoch, dass man sich auch im Bereich von juristischen Personen von der Anwendung der Interessenformel im Rahmen des § 14 StGB verabschiedet und zu einer funktionalen Betrachtungsweise der Organ- und Vertreterhaftung übergeht. Für die strafrechtliche Haftung im „faktischen GmbH-Konzern" können ebenfalls keine anderen Grundsätze gelten. III. Die bloß innere Zustimmung zum Verhalten des Treunehmers begründet, wie im dritten Kapitel erörtert wird, noch kein Einverständnis, sondern erfordert zusätzlich die Kundgabe des zustimmenden Willens gegenüber einem Dritten. Soweit außerstrafrechtlich eine Form für die Zustimmungserklärung vorgeschrieben ist, führt der Verstoß gegen die Form noch nicht zur Unwirksamkeit des Einverständnisses. Dies gilt selbst dann, wenn dem Formzwang die Funktion zukommt, vor übereilten Entscheidungen zu schützen oder zu warnen bzw. ihr eine Belehrung vorauszustellen; allerdings ist in diesen Fällen der Verstoß gegen die Form ein schwerwiegendes Indiz dafür, dass beim Dispositionsbefugten ein die Wirksamkeit des Einverständnisses ausschließender Willensmangel vorgelegen hat. Entsprechendes gilt für gesetzliche Vorgaben, die das Verfahren der Zustimmung betreffen: entscheidend muss auch hier sein, dass in materieller Hinsicht ein Einverständnis gegeben war. IV. Nur die vor der Tatausführung erklärte Zustimmung kann, wie im vierten Kapitel ausgeführt wird, ein tatbestandsausschließendes Einverständnis darstellen. Stimmt der Dispositionsbefugte erst während der Tatbegehung, aber vor Eintritt des Schadens ein, entfällt eine Strafbarkeit des Treunehmers wegen Untreue, da deren Versuch nicht unter Strafe gestellt ist. Eine nachträglich erteilte Zustimmung stellt einen Strafaufhebungsgrund dar, sofern diese Genehmigung ex-tunc-Wirkung besitzt und der Dispositionsbefugte mit ihr darüber hinaus sein Einverstandensein mit dem vorangegangenen Verhalten des Täters zum Ausdruck bringt. V. Unter den Willensmängeln, die etwa auf Gewalt, Drohung, Täuschung oder einem Irrtum beruhen, sind - was im fünften Kapitel behandelt wird - in aller Regel nur solche Defekte beachtlich, die rechtsgutsbezogen sind, d. h. die vermögensbezogene Dimension des Täterverhaltens betreffen. Soweit allerdings die Motive für den Einsatz des Geldes usw. zu dem Bereich gehören, der dem Vermögen zuzurechnen ist (z. B. in den Fällen der Zweckverfehlung), sind Motivirrtümer zugleich rechtsgutsbezogene Fehlvorstellungen, welche die Wirksamkeit des Einverständnisses ausschließen. VI. Kann davon ausgegangen werden, dass der Treugeber mit der fraglichen Maßnahme des Treunehmers einverstanden gewesen wäre, kann dies, wie im

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sechsten Kapitel gezeigt wird, in Form eines mutmaßlichen Einverständnisses bereits den Tatbestand ausschließen, sofern diese Einbeziehung hypothetischer Erwägungen schon nach dem Innenverhältnis zulässig ist und damit als nicht pflichtwidrig einzustufen ist. Dies kann namentlich bei einem sog. Risikogeschäft der Fall sein, sofern der Rahmen der Risiken, die der Treunehmer eingehen darf, nicht bereits durch gesetzliche Bestimmungen oder die Vorgaben aus Vereinbarungen usw. eindeutig festgelegt ist. Ansonsten kann eine Rechtfertigung wegen mutmaßlicher Einwilligung in Betracht kommen. VII. Eine Reform des § 266 StGB auf der nationalen Ebene könnte - wie im siebten Kapitel ausgeführt - so gestaltet werden, dass das tatbestandslimitierende Merkmal der Geschäftsbesorgung bei der Treubruchsuntreue an die Stelle der Vermögenswahrnehmungspflicht tritt. Auch können spezielle Untreueregelungen, die sich an einen ganz bestimmten Kreis von Täter wenden und besondere Pflichtverstöße im Tatbestand nennen (z. B. Organuntreue, Haushaltsuntreue), spezial- und generalpräventiv durchaus sinnvoll sein. Auf der europarechtlichen Ebene gibt es Bemühungen, untreueähnliche Handlungen zum Nachteil der EU-Interessen in absehbarer Zeit strafrechtlich zu sanktionieren. Zudem werden inzwischen erste Gesetzesentwürfe vorgelegt, die auf eine europaweite Harmonisierung der Untreuetatbestände im Bereich des Handelsgesellschaftsrechts abzielen. Diese geben wertvolle Impulse und bilden eine konstruktive Grundlage für eine denkbare einheitliche Strafgesetzgebung in der Europäischen Union für den Bereich des Wirtschaftsstrafrechts. Die Einführung einer Einwilligungsregelung im Allgemeinen für das Strafrecht und für die untreueähnlichen Tatbestände im Besonderen ist dabei momentan nicht geplant, wofür angesichts der Komplexität der Regelungsmaterie gute Gründe sprechen.

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Zieschang, Frank: Strafbarkeit des Geschäftsführers einer GmbH wegen Untreue trotz Zustimmung sämtlicher Gesellschafter?, in: Festschrift für Günter Kohlmann. Köln 2003. S. 351 ff. (zit.: Zieschang, Fs. Kohlmann). Zieschang, Frank/ Hilgendorf, Eric / Laubenthal, Klaus: Strafrecht und Kriminalität in Europa. Baden-Baden 2003 (zit.: Bearb., in: Zieschang/Hilgendorf/Laubenthal). Zipf, Heinz: Die Strafmaßrevision. Eine strafrechtsdogmatische Untersuchung über den systematischen Aufbau der Strafzumessung und ihrer Revisibilität im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht. München 1969 (zit.: Zipf, Strafmaßrevision). Zöllner, Wolfgang (Hrsg.): Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Auflage, Köln, Berlin, Bonn, München 1996 (zit.: Bearbeiter, in: Kölner Kommentar zum AktG).

20 Schramm

Sachwortverzeichnis Aktiengesellschaft 132 - Faktischer AG-Konzern 152 - Konstellationen Einverständnis 141 - Treupflichtiger Personenkreis 132 - Treupflichtverletzungen 135 Anstalten des öffentlichen Rechts 171 Aufsichtsrat 52 - AG 133, 139,141 - Genossenschaft 145 - GmbH 72 - Konzern 151,155, 156 - Mannesmann 136 Beschränkt Geschäftsfähige 75 Bestechung s. Schmiergelder Betreuung i. S. d. Familienrechts 79 Bremer Vulkan-Urteil (2. Zivilsenat) 112, 121, 159 Bruchteilsgemeinschaften 88 Corpus Juris s. Europäisierung der Untreue Drittinteressen 225 Einheitstäterbegriff bei Untreue 71 Eltern s. beschränkt Geschäftsfähige Entstehungsgeschichte 42, 51 Erfolgsunwert 67 EU-Finanzen 269, 270 - Richtlinienvorschlag 269 Europäisierung der Untreue 267 - Corpus Juris 272 - Corpus Juris Florenz 273 - Drei Säulen 269, 271 - EG-Vertrag 268 - Einwilligung 284 - Europäische Verfassung 270 - Freiburg-Symposium 275 - Grünbuch der Kommission 274

Fahrlässigkeit 68, 104 Faktisches Treueverhältnis 58 Form der Einwilligung 181 Freiheitsstatus des Treunehmers 33 Garantenbeziehung 41 Genehmigung s. nachträgliche Zustimmung Genossenschaften 145 Gesamthandsgemeinschaften 80 - Bankrott 85 - Dispositionsbefugnis 83 - Schaden 84 GeschäftsbesorgungsVerhältnis 38, 253 Geschäftsunfähige 79 Gesetzesänderungen seit 1933 246 GmbH 102 - § 81a GmbHG 113 - Existenzgefährdender Eingriff 112, 118,

121,160 - Faktischer Geschäftsführer 104 - Gläubigerschutz 122 - Öffentliches Unternehmen 126 - Rechtsprechung nach 1970 116 - Stammkapital 108, 117, 281 - Treupflicht der Gesellschafter 105, 127 - Treupflichtiger Personenkreis 103 GmbH & Co KG 118 Handlungsunwert 67 Haushaltsuntreue 169 Insolvenzstrafrecht 87 - Berufsverbot 193 - GmbH 103,117, 128 - Personenhandelsgesellschaft 85 - Verein 93 Irrtum des Treugebers s. Willensmängel des Treugebers Irrtum des Treunehmers 68, 138, 223, 230, 244

Sachwortverzeichnis Juristische Personen des öffentlichen Rechts 168 Konzern 147 - AG-Vertragskonzern 148 - Begriff 147 - Einfach faktischer GmbH-Konzern 163 - GmbH-Vertragskonzern 156 - Personengesellschaftskonzern 164 - Qualifiziert faktischer AG-Konzern 154 - Qualifiziert-faktischer GmbH-Konzern 158 Körperschaften des öffentlichen Rechts 168 Kundgabe 175 Mannesmann 136 Missbrauchstatbestand - Tatmodalitäten 31 - Zuordnung der Einwilligung 52 Missbrauchstheorie 43, 264 Mittäterschaft bei Kollegialentscheidung 72 Mutmaßliche Einwilligung - Bestimmung des Willens 241 - Fallkonstellationen 235 Mutmaßliches Einverständnis 227 - Risikogeschäft 230 - Tatbestandsausschluß 234 - Weisungsfälle 228 Nachteil 25 Nachträgliche Zustimmung 189 - Billigungscharakter 194 - ex-tunc und ex-nunc 195 - Interessen des Verletzten 191 - Strafaufhebungsgrund 201 - Überkommenes Dogma 189 - Unrechtsausschluß 197 Nationalsozialismus 25, 40, 42, 45, 245, 252, 253 - Ermächtigungsgesetz 42 Objektive Zurechnung 65 Organ- und Vertreterhaftung - Funktionale Betrachtungsweise 129 - GmbH & Co KG 87 - Interessentheorie 87, 129 - Personenhandelsgesellschaften 86 Österreich 124

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Portugal 261 Rechtsgut 24 - Dispositionsfreiheit 29 - Treue 25 - Vermögen 25 - Vertrauen 26 Rechtsgutsvertauschung 226 Reform der Untreue 245 Regelbeispiele 247 Russland 261 Schaden - Individueller Schadenseinschlag 30 - Zweckverfehlung 30 Schmiergeld 140 - Verein 99 Schweiz 254, 258 Sittenwidrigkeit 223 - Einwilligung 225 - Tat 224 Spanien 260 Stiftung des bürgerlichen Rechts 100 Stiftungen des öffentlichen Rechts 172 Strafbegründendes Merkmal 73 Tatbestandsausschließendes Einverständnis - Allgemeine Dogmatik 46 - Verfassungsrechtliche Garantie 50 Tatbestandsirrtum 68,138 Täterschaft und Teilnahme 70 Totalitäres Strafrechtsverständnis 45 Treubruchstatbestand - Tatmodalitäten 33 - Zuordnung der Einwilligung 57 Treubruchstheorie 44 Unterlassungen 69 Verein 88 - Insolvenz 93 - Rechtswidrige Einwilligung 91 - Satzungsdurchbrechung 96 - Treupflichtige Personen 88 Verfahrensvorschriften 184 Vermögen 27 - juristisch-ökonomischer Vermögensbegriff 28

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arverzeichnis

- personaler Vermögensbegriff 28,127,216, 285 Vermögensbetreuungspflicht 34 Vermögenswahrnehmungspflicht 38 Versuch 25, 68, 180, 187, 198

- Mutmaßliches Einverständnis 228

Weisung 55,61, 117 - AG 132, 150 - AG-Konzern 148, 151 - Aktiengesellschaft 52 - Allgemein 55 - Dienstrecht 56 - GmbH 117 - GmbH-Konzern 157,162

- Auswirkungen auf Vorsatz 222

- Verein 90 Widerruf der Zustimmung 187 - Mutmaßlicher Widerruf 188 Willensmängel des Treugebers 208 - Drohung 211 - Gewalt 210 - Irrtum 220 - Motivirrtümer 215 - Täuschung 214 Zeitpunkt des Konsenses 186