Untreue in der Wirtschaft: Eine funktionale Interpretation des Untreuestrafrechts [1 ed.] 9783428534715, 9783428134717

Prominente Strafverfahren im Untreuesektor, etwa im Zusammenhang mit Managervergütungen, Kreditvergaben, Lustreisen, Par

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German Pages 431 Year 2011

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Untreue in der Wirtschaft: Eine funktionale Interpretation des Untreuestrafrechts [1 ed.]
 9783428534715, 9783428134717

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Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 228

Untreue in der Wirtschaft Eine funktionale Interpretation des Untreuestrafrechts

Von

Alexander Bräunig

Duncker & Humblot · Berlin

ALEXANDER BRÄUNIG

Untreue in der Wirtschaft

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von Dr. Dres. h. c. Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 228

Untreue in der Wirtschaft Eine funktionale Interpretation des Untreuestrafrechts

Von

Alexander Bräunig

Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsund Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Prof. Dr. Frank Saliger, Hamburg Die Bucerius Law School – Hochschule für Rechtswissenschaft Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-13471-7 (Print) ISBN 978-3-428-53471-5 (E-Book) ISBN 978-3-428-83471-6 (Print & E-Book)

Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die folgende Untersuchung ist von der Bucerius Law School – Hochschule für Rechtswissenschaft – im Herbst 2009 als Dissertation angenommen worden. Sie wurde sowohl im Erst- als auch Zweitgutachten mit der Note summa cum laude bewertet. Die mündliche Prüfung fand am 11. Mai 2011 statt. Zum Zwecke der Veröffentlichung wurde die Untersuchung an bestimmten Stellen aktualisiert und ergänzt. Intention dieser Arbeit ist es, Präzisierungsregeln für die Auslegung des Untreuestraftatbestands (§ 266 StGB) zu entwickeln, um den vielschichtigen und weitreichenden Anwendungsproblemen des Untreuestrafrechts im Bereich des Wirtschaftslebens entgegenzutreten. Der Konturierungsvorschlag bedient sich einer funktionalen Interpretation, dessen methodologische Voraussetzungen in einem ersten kurzen theoretischen Teil der Arbeit dargestellt werden. Anschließend werden anhand der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 266 StGB praktische Anwendungsprobleme des Untreuestrafrechts untersucht und restringierende Auslegungsmöglichkeiten auf der Grundlage der funktionalen Betrachtung der Untreuestrafbarkeit entwickelt, die dann an praktischen und prominenten aktuellen Fallgestaltungen erprobt werden. Ganz herzlich bedanken möchte ich mich zuvörderst bei Herrn Prof. Dr. Saliger, der als Betreuer meiner Promotion zum Einen in vertrauensvoller Weise Freiräume zur eigenständigen Umsetzung meines Dissertationsprojekts gewährt hat, zum Anderen ein sehr engagierter, interessierter und motivierender Ratgeber für mein Dissertationsprojekt war. Herrn Professor Dr. Erich Samson danke ich für die Mühe der Erstellung des Zweitgutachtens. Mein Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Dres. h. c. Friedrich-Christian Schroeder und Herrn Prof. Dr. Andreas Hoyer, die die Aufnahme der Untersuchung in die Reihe „Strafrechtliche Abhandlungen“ befürwortet haben. Ich bedanke mich insbesondere auch bei der Stiftung der Deutschen Wirtschaft, die mich im gesamten Zeitraum des Entstehensprozesses dieser Arbeit begleitet und gefördert hat. Auch Herrn Rechtsanwalt Dr. Daniel-M. Krause (Anwaltssozietät Krause Lammer Wattenberg), der mir freundlich für wertvolle Ratschläge aus der

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Vorwort

Sicht eines erfahrenen Praktikers zur Verfügung gestanden hat, möchte ich an dieser Stelle Dank sagen. Schließlich bedanke ich mich herzlich bei meiner Familie und meinen Freunden, die auf unterschiedlichste Art und Weise mein Vorhaben unterstützt und gefördert haben. Berlin, im Mai 2011

Alexander Bräunig

Inhaltsverzeichnis A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Methodische und rechtstheoretische Grundlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Funktionale Methode zur theoretischen Systematisierung des Verhältnisses von Wirtschaftsstrafrecht und Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das systemtheoretische Paradigma im Rahmen des Wirtschaftsstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Rechts- und das Wirtschaftssystem als soziale Systeme. . . . . . . . 2. Die Kopplung von Recht und Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Spezifische Anwendung der systemtheoretischen Überlegungen auf den Untreuetatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Funktionalität des Vertrauensschutzes (= Kopplung zur Wirtschaft) . . a) Vermögensbezogenes Vertrauen als Komplexitätsreduktionsmechanismus arbeitsteiligen Wirtschaftens und das PrincipleAgent-Modell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Personales Vertrauen als funktionales Schutzobjekt im Sinne des § 266 StGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Systemvertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Nicht-natürliche Personen als rechtliche Vermögensinhaber und Vertrauen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Privatautonomie und Vermögen als strukturelle Kopplungen von (Straf-)Recht und Wirtschaft und funktionale Schutzobjekte des § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Funktionale Schutzrichtung und normativer Schutzzweck des § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Exkurs: § 266 StGB als Norm des „Wirtschaftsstrafrechts“ . . . . . . . . IV. Systemfunktionaler Ansatz als Rechtsauslegungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . 1. Möglichkeit wirtschaftsadäquater Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Legitimation wirtschaftsadäquater Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . a) Entparadoxierung durch Schaffung von Rechtssicherheit. . . . . . . . b) Konkretisierungsbedarf aufgrund des Zwanges zur Entscheidung bei Unentscheidbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis c) Normakzeptanz, Normzweck und -effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Ökonomische Analyse des Untreuestrafrechts als untergeordneter Teilaspekt der systemtheoretischen Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Begriff des Missbrauchs bei § 266 1. Alt. StGB (Missbrauchsalternative). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tatbestandliche Unterbestimmtheit der Treubruchalternative (§ 266 2. Alt. StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Funktionale strafrechtsautonome Bestimmung der untreueerheblichen Pflichtenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einheit der Rechtsordnung und Außerstrafrechts-Akzessorietät. . . . . . a) Negative (Zivilrechts-)Akzessorietät. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Problemfall: zivilrechtlichte Indifferenz und strafrechtliche Missbilligung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Limitierte Zivilrechtsakzessorietät. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Funktionale strafrechtsautonome Konkretisierung der Vermögensbetreuungspflicht (untreueerhebliche Pflichtenstellung) . . . . . . . . . . . . . a) Phänomenologisch-kasuistische Restriktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Restriktion der Vermögensbetreuungspflicht durch den „Indizienkatalog“ der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das restriktive strafrechtsautonome Kriterium nach Sax . . . . . . . . . c) Schutzrichtungsorientierte und funktionalistische Reformulierung des Saxschen Konkretisierungsansatzes – Die von Systemvertrauen geleitete „Abtretung“ von Privatautonomie mit Vermögensschädigungspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konsequenzen aus dem funktionalen Kriterium einer untreueerheblichen Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dogmatische und anwendungsrestringierende Konsequenzen für die Bestimmung des Treubruchtatbestands. . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einräumung einer besonderen rechtlichen Macht über fremdes Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Sonderfall: Sicherungsverträge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sonderfall: Mietkautionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einräumung einer besonderen tatsächlichen Macht über fremdes Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Einräumung einer besonderen tatsächlichen Macht über fremdes Vermögen aufgrund Rechtsgeschäft, Gesetz oder behördlichen Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis (2) Einräumung einer besonderen tatsächlichen Macht über fremdes Vermögen aufgrund eines faktischen Treuverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Rechtlich begründetes faktisches Treuverhältnis. . . . (b) Tatsächlich begründete/sozialethische Treuverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Treupflicht auch bei wegen Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit nichtigem oder erloschenem Rechtsgeschäft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedarf auch § 266 1. Alt. StGB des Merkmals der Vermögensbetreuungspflicht? (zum Verhältnis von 1. und 2. Alt.) . . . . . . . . . c) „Untreueimmunität“ wirtschaftlichen Handelns im Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begrenzung der Pflichtenstellung auf das wirtschaftliche Innenverhältnis zwischen Vermögensinhaber und Vermögensbetreuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sonderfall: Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen im Rahmen der Entgegennahme überhöhter Vergütungen . . . cc) Sonderfall: Vereitelung des Zuwachses des Treugebervermögens durch den sog. „Kick-back“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unbeachtlichkeit von Dritt-Vermögensinteressen . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Bestimmung des Täterkreises im Rahmen funktionaler Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Täterschaft und Teilnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kette von Treupflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Pflichtenstellung im Rahmen multipersonaler Entscheidungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Anwendbarkeit des § 28 Abs. 1 StGB für Teilnehmer . . . . . . IV. Funktionstheoretisch fundierte Konkretisierung und Restriktion des Tatbestandsmerkmals „Pflichtverletzung“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Funktionaler Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Pflichtenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Funktionale Restriktion und funktionale Konkretisierung von Pflichtverletzungen im Rahmen eines unbestimmten Innenverhältnisses (Ermessensfreiheit) und das Primat des ausdrücklichen materiellen Treugeberwillens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Erfordernis eines strafrechtsautonomen Kriteriums für die Bestimmung von untreuerheblichen Pflichtverletzungen bei Ermessensspielräumen des Treupflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik an der Beschränkung auf „gravierende“ Pflichtverletzungen c) Kritik an der Beschränkung auf „gravierende“ Pflichtverletzungen im Sinne von Verletzungen des materiellen Treugeberinteresses bzw. Unternehmensinteresses . . . . . . . . . . . . . . d) Das funktionale Kriterium untreueerheblicher Pflichtverletzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis aa) Notwendigkeit und Voraussetzungen einer allgemeinen objektiven Regel in der Form eines funktionalen Prinzips . . . bb) Formulierung eines funktionalen Prinzips zur Bestimmung einer untreueerheblichen Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Dogmatische Einordnung und Konsequenzen des funktionalen Kriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Autonomie und Selektivität des funktionalen Kriteriums gegenüber dem „Außerstrafrecht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Adäquanzsicherung von Recht und Wirtschaft . . . . . . . . . (3) Trennung und Verschleifung von Pflichtwidrigkeit und Vermögensschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Entsubjektivierung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals . . . . . e) Das Primat des ausdrücklichen materiellen Treugeberwillens – eingeschränkte Anwendung des funktionalen Kriteriums einer untreueerheblichen Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unterlassen von Vermögensmehrungen: der Treupflichtige als personale Optimierungsfiktion? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unterlassen als Treubruch im Sinne des § 266 2. Alt. StGB . . . . . b) Nichtabwenden vermögensschädigender Ereignisse . . . . . . . . . . . . . c) Nichtvornahme vermögensmehrender Handlungen innerhalb von Ermessensspielräumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gibt es eine Pflicht zur Gewinnmaximierung? . . . . . . . . . . . . . bb) Pflicht zur Gewinnerzeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Keine Pflichtwidrigkeit bei Unterlassen rechts- oder sittenwidriger Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Anwendung des funktionalen Kriteriums: Pflichtwidrigkeit nur bei Unterlassen realer Chancen zur Vermögensmehrung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Pflichtverletzung durch Unterlassen einer „besseren“ Maßnahme zur Vermögensmehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Unterlassen einer Vermögensmehrung im Rahmen einer rechtlich unwirksamen Pflichtenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unterlassen einer Schädigungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Formelle Pflichtverletzungen – Verletzung von Zuständigkeits-, Verfahrens- oder Formvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verletzungen von Compliance-Regeln (zur Untreuerelevanz des Deutschen Corporate Governance Kodex). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Intrinsische Sorgfaltspflicht als formelle Pflicht mit materiellem Indiz innerhalb von Ermessensspielräumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verletzung einer spezifischen Systemlogik außerhalb des Wirtschaftssystems. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verletzung sportlicher Regeln („Bundesligaskandal-Fall“) . . . . . . .

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b) Verstöße gegen „moralische Normen“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Untreue und Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Risiko als strukturelle Konstante der Wirtschaft und wirtschaftlicher Unternehmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Risikogeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Definition und Begriff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht bei Risikoentscheidungen (inkl. Risikogeschäften) innerhalb unternehmerischer Ermessensentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . (1) Pflichtwidrigkeit durch mangelhaftes Risikomanagement (a) Die Funktion eines Risikomanagements . . . . . . . . . . . (b) Mangelhaftes Risikomanagement als formelle Pflichtverletzung mit materiellem Indiz . . . . . . . . . . . (2) Materielles Kriterium der Pflichtwidrigkeit bei Risikoverhalten im Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Notwendigkeit einer Verschleifung von Tathandlung und Vermögensebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Der materielle Maßstab für pflichtwidriges Risiko: statistischer Erwartungswert oder Gewinnwahrscheinlichkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Ausschließlichkeit formeller (prozeduraler) Kriterien bei Unbestimmtheit materieller Kriterien zur Bestimmung untreueerheblicher Pflichtverletzungen durch Risikoentscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Der „wirtschaftlich vernünftige Gesamtplan“ als Restriktionskriterium für die Pflichtwidrigkeit bei Risikogeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sonderfall: Kreditgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Pflichtwidrigkeit einer Kreditvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sonderfall: Folge- und Sanierungskredite . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Rechts- oder sittenwidriges Verhalten des Treupflichtigen. . . . . . . . . . a) Anwendung des funktionalen Kriteriums auch bei Rechtsbrüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechts- oder sittenwidriges Handeln ohne Nachteilspotential . . . . c) Rechts- oder sittenwidriges Handeln mit Nachteilspotential . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Sonderfall: Pflichtwidrigkeit „schwarzer Kassen“ durch Vorenthaltung und Verschleierung von Vermögenswerten (zum „Siemens-Korruptionsfall) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Einverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Funktionale Begründung eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 2. Anforderungen an ein wirksames Einverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umfang der Dispositionsbefugnis des wirtschaftlichen Vermögensinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Begrenzung der Dispositionsbefugnis des wirtschaftlichen Vermögensinhabers (insbesondere durch § 30 GmbHG) nach Meinung von Rechtsprechung und herrschender Lehre . . . . . . . . . . b) Unbeschränkte Dispositionsbefugnis des wirtschaftlichen Vermögensinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Dispositionsfreiheit aufgrund fehlenden Drittschutzes im Rahmen des § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Problematik einer akzessorischen Verwendung des unterbestimmten § 30 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Möglichkeit rechtmäßigen wirtschaftsfunktionalen Alternativverhaltens (Auflösung der Gesellschaft) . . . . . . . . . . dd) Wirtschaftliche Eigentums- und Handlungseinheit . . . . . . . . . . ee) Dysfunktionalität eines personalisierten Systemvertrauens . . . c) Übertragung der untreuestrafrechtlichen Gewährung einer unbegrenzten Dispositionsfreiheit auch auf Aktiengesellschaften und andere Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einverständnis als Untreuehandlung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“ als Kopplungselement zur Wirtschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der wirtschaftliche Vermögensbegriff als Grundlage einer autonomen strukturellen Kopplung von Strafrechts- und Wirtschaftssystem . . . . . . . . 1. Kritik des juristischen Vermögensbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Adäquanzsicherung im Rahmen des wirtschaftlicher Vermögensbegriffs und Kritik einer normativen Beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fremdheit des Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Bestimmung des Vermögensschadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirtschaftlicher Nachteilsbegriff und Prinzip der Gesamtsaldierung zum Tatvollendungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Exkurs: Zusammenhang von Pflichtverletzung und Vermögensschaden im Rahmen der objektiven Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unmittelbarkeitszusammenhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pflichtwidrigkeitszusammenhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schutzzweckzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wertbemessung im Rahmen der Gesamtsaldierung. . . . . . . . . . . . . . . . . a) Objektiver Marktwert zum Tatvollendungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . b) Probleme einer objektiven Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wertlose Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unbewertete Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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223 224 224 226 226 226 227 231 232 232 232 236 237 238 239 239 240 240 242 242 242

Inhaltsverzeichnis

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cc) Hypothetischer Marktwert bei Marktmanipulationen des Treupflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 dd) Börsenwert und Börsenmanipulationen durch sog. „Scalping“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 ee) Geldwerturteil und Zeit – der wirtschaftlich vernünftige Gesamtplan als immanente Voraussetzung einer wirtschaftlichen Gesamtsaldierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 c) Entökonomisierungstendenzen durch Subjektivierungen im Rahmen der Schadensbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 aa) Der personale (oder subjektive) Schadensbegriff . . . . . . . . . . . 246 bb) Der individuelle Schadenseinschlag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 d) Kritik an einer Subjektivierung und Zweckorientierung der personalen Vermögenslehre und der Lehre vom subjektiven Schadenseinschlag als Kontingenzen im funktionalen Kontext. . . 248 aa) Ablehnung einer Subjektivierung wegen der Unbestimmtheit subjektiver „Korrekturen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 bb) Ablehnung einer Subjektivierung durch die funktionale Betrachtung der Schadensebene vor dem Hintergrund intersystemischer Rationalität von Recht und Wirtschaft. . . . 251 cc) Ablehnung einer Subjektivierung aufgrund funktionaler Betrachtung des Verhältnisses von „Vermögensschaden“ und „Pflichtverletzung“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 dd) Ablehnung einer subjektivierten Korrektur wegen der Gefahr einer völligen Entobjektivierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 ee) Ablehnung einer Subjektivierung aufgrund wirkungsähnlicher objektiver Alternative im Rahmen der „Liquidierbarkeitsthese“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 ff) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 e) Die „Liquidierbarkeitsthese“ als objektive normative Korrektur des wirtschaftlichen Schadensbegriffs bei Aufrechterhaltung einer geldwertorientierten entindividualisierten Gesamtsaldierung . . . . . 258 aa) Die Möglichkeit des konkreten Weiterverkaufs im Sinne der Rechtsprechung und Lehre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 bb) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 cc) Orientierung an der prinzipiellen Wiederverkäuflichkeit als normativer Schadensfaktor. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 dd) Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 (1) Indiz für prinzipielle Illiquidität bei nicht handelbaren Gegenleistungen (wie Dienstleistungen, immaterielle Werte) ohne Geldvorteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

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Inhaltsverzeichnis (2) Indiz für prinzipielle Liquidität bei Geldvorteil versprechenden nicht-handelbaren Gegenleistungen (zum Beispiel Dienstleistungen, Betriebsausgaben, immaterielle Werte u. a. Gelderwerbschancen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Indiz für prinzipielle Illiquidität handelbarer Güter bei fehlendem allgemeinen Zugang zu einem rechtlich gebilligten Absatzmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Indiz für prinzipielle Liquidierbarkeit rechtmäßig handelbarer Güter bei Gewinngeschäften . . . . . . . . . . . . . . ee) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Sonderfall: Haushaltsuntreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendbarkeit des § 266 StGB auf öffentliches Vermögen – Wirtschaftsfunktionale Identität von privatem und öffentlichem Vermögen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) (Haushalts-)zweckwidrige Mittelverwendungen . . . . . . . . . . . . (1) Pflichtwidrigkeit (haushalts-)zweckwidriger Mittelverwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Materielle Zweckwidrigkeit als Schaden . . . . . . . . . . . . . . . (a) Materielle Zweckwidrigkeit ohne wirtschaftliche Äquivalenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Materielle Zweckwidrigkeit bei wirtschaftlicher Äquivalenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kritik einer Schadensannahme bei materiell (haushalts-)zweckwidriger Mittelverwendung . . . . . . . . . . (a) Gefahr einer Verdopplung des Tatbestandsmerkmals „Pflichtverletzung“ – Politische Gestaltungsfreiheit kein Vermögensgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Gefahr von Kontingenz durch Politisierung und Moralisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Politisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Moralisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zweckwidrige Mittelverwendung als Untreue im Rahmen der wirtschaftlichen Gesamtsaldierung und der Liquidierbarkeitsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zweckmäßigkeit und Ungleichwertigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zweckgemäße Haushaltsüberziehung (BGHSt 43, 293 ff. „Intendantenfall“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Anwendung der Kriterien des subjektiven Schadenseinschlags auf Fälle der Haushaltsüberschreitung . . . (2) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Haushaltsüberziehungen als Untreue im Rahmen der wirtschaftlichen Gesamtsaldierung und der Liquidierbarkeitsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis ee) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die schadensgleiche Vermögensgefährdung – bedarf ein wirtschaftlicher Schadensbegriff des Instituts des „Gefährdungsschadens“? . . a) Gefahr einer Konversion des § 266 StGB in ein abstraktes Gefährdungsdelikt (Verdopplung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals) und einer Implementierung der Versuchspönalisierung contra legem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konturierung einer „schadensgleichen Vermögensgefährdung“ . . aa) Rechtsimmanente Konturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wirtschaftliche Konturierung der Vermögensgefährdung im Sinne eines „quantitativen Minus“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Funktionale Konturierung einer schadensgleichen Vermögensgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der (wirtschafts-)systemische Zurechnungszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die intrinsische Kompensationsmöglichkeit und Unbeachtlichkeit des effektiven Schadenseintritts bei einer schadensgleichen Vermögensgefährdung . . . . . . . . . . . . . . (3) Unmittelbarkeitszusammenhang (personaler Zurechnungszusammenhang) zwischen Vermögensgefährdung und effektiver Realisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Funktionale Definition einer schadensgleichen Vermögensgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Risikogeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wirtschaftlicher Schadensposten mit intrinsischer Kompensationsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Maßgeblichkeit des Erwerbs des Risikos (Tatvollendungszeitpunkt) und Unbeachtlichkeit des effektiven Schadenseintritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Wirtschaftlicher Differenzschaden . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Funktionale Begründung der Orientierung am wirtschaftlichen „Risikoschaden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Unmittelbarkeitszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Entzug von Dispositionsmacht durch Unterhalten „Schwarzer Kassen“ („Siemens-Fall“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wirtschaftliche Bewertung „schwarzer Kassen“. . . . . . . . (a) Keine automatische wirtschaftliche Negativbewertung „schwarzer Kassen“ aufgrund entzogener Dispositionsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Wirtschaftliche Bewertung anhand des Verwendungszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 285 285

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292 294 294 295 295 295

295 296 297 298 298 299 300

300 303

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Inhaltsverzeichnis (2) Unmittelbarkeit der Schadensrealisierung . . . . . . . . . . . . . . (3) Unmittelbarkeit von schadensgleicher Vermögensgefährdung und Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vermögensgefährdung durch Rechtsverlust. . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unordentliche Buchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Anspruchsgefährdung durch Unterlassen. . . . . . . . . . . . . . . dd) Bekanntgabe von Budgets bzw. Herausgabe von Bieterlisten (Submissionsuntreue) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Fehlleiten öffentlicher Gelder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Fehlende persönliche Eignung (Amtserschleichung) . . . . . . . . gg) Abschluss nachteiliger Verpflichtungsgeschäfte. . . . . . . . . . . . . (1) Der Abschluss eines nachteiligen Verpflichtungsgeschäfts als Zeitpunkt des Schadenseintritts (Tatvollendungszeitpunkt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Genehmigungsbedürftige unausgewogene Geschäfte . . . . hh) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kompensation durch Vermögensvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die wirtschaftliche Werthaltigkeit des Vorteils . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorteilsgleiche Vermögenschancen (faktische Exspektanzen) (1) Vorteilschancen als wirtschaftlich werthaltige Vermögensbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Intrinsische Kompensationsgefährdung bei vorteilsgleichen Vermögenschancen (faktischen Exspektanzen) – Spiegelbildlichkeit zur schadensgleichen Vermögensgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Beispiel: Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Beispielsfall „Berliner Banken-Skandal“. . . . . . . . . . . . . . . bb) Immaterielle Unternehmensvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Marktstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Marketing und Reputation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Beispiel: Unternehmensvorteile durch Bestechungszahlungen (z. B. „Siemens-Korruptionsaffäre“) . . . . . . . . . (4) Beispiel: Unternehmensvorteile durch Sponsoring . . . . . . (a) Pflichtwidrigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Kapitalakquise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Produktivität des Personals (Motivation, Know-How etc.). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Beispiel: Unternehmensvorteile durch Sonderboni für Manager. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Ökonomische Vorteilsposten durch Sonderboni . . . . . (aa) Leistungsanreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis (bb) Wettbewerbsvorteil bei der Personalakquise. . . (b) Beispiel: Unternehmensvorteile durch nachträgliche Anerkennungsprämien („Mannesmann“-Fall). . . . . . (aa) Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (8) Beispiel: Unternehmensvorteile durch Sonderaufwendungen für den Betriebsrat („VW-Affäre“, „SiemensAUB-Affäre“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) „VW-Affäre“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Gehaltssteigerungen ohne vereinbarte Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Lustreisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) „Siemens-AUB-Affäre“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (9) Beispiel: Unternehmensvorteil durch Übernahme von Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (10) Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Immaterieller Unternehmensvorteil als werthaltige Vermögenschance? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Langfristige Komplementarität von immateriellen Unternehmens- und (materiellen) Vermögensvorteilen durch materielle Rückkopplung immaterieller Resonanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Unzulänglichkeit des Grundsatzes der Geldwertadäquanz im Rahmen der Gesamtsaldierung bei immateriellen Vermögensvorteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Problemlösungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Grundsätzliche Abkehr vom Dogma der Adäquanz von Leistung und Gegenleistung. . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Vorschlag einer grundsätzlichen Abkehr vom Dogma der Adäquanz von Leistung und Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Orientierung an einem „Quasi-Geldwert“ (Komparabilitätshypothese) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Normative Restriktion durch den Grundsatz „in dubio pro reo“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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356 357 358 359 362

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Inhaltsverzeichnis (4) Beispiel: Praxis von schwarzen Kassen und Bestechungen bei der Siemens AG („Siemens-Fall“) . . . . . . . . . . . . . (5) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kompensationsgefährdung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorteilsgleiche Vermögenschance mit intrinsischer Kompensationgefährdung – Spiegelbildlichkeit zur schadensgleichen Vermögensgefährdung bei Risikogeschäften. . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vermögensvorteile mit intrinsischer Kompensationgefährdung (z. B. Sanktionsfolgen). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vermögensvorteil und Unmittelbarkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Vorteil – Abgrenzung zum bloßen Schadensausgleich . . (1) Desintegration von Zufall im Rahmen der Gesamtsaldierung zum Tatvollendungszeitpunkt mit Hilfe des Kriteriums des „wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schadensersatzansprüche und Gewährleistungsrechte des Vermögensinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Anfechtungs- und Widerrufsrechte des Vermögensinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Bereithalten liquider Mittel durch den Treupflichtigen . . bb) Ausschluss des Unmittelbarkeitsprinzip bei der Realisierung von Vorteilschancen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Unmittelbarkeit der Vorteilsgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Exkurs: Gewinnabschöpfung im Sinne der §§ 73 ff. StGB bzw. § 17 Abs. 4 OWiG und Unmittelbarkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gefährdung von Vermögensvorteilen durch Verhalten mit Nachteilspotential (Sanktionsfolgen). . . . . . . . . . . . . . . (a) Wirtschaftliche Negativbewertung. . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Unmittelbarkeitszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Staatliche Straf- oder Bußgeldansprüche . . . . . . (bb) Privatrechtliche Schadensersatzansprüche . . . . . (3) Zahlungsunwilligkeit bzw. -unfähigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

E. Subjektive Gesichtspunkte des Untreuestrafrechts im Hinblick auf die Kopplung an die Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begrenzung des subjektiven Tatbestands des § 266 StGB zu Restriktionszwecken? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausschluss des Pflichtwidrigkeitsvorsatzes durch Irrtum. . . . . . . . . . . . . . . III. Vorsatz und schadensgleiche Vermögensgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Versuchsstrafbarkeit de lege ferenda? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

363 364 365

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F. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393

Inhaltsverzeichnis

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I. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 II. Schlusswort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428

A. Einführung In seiner jüngsten Entscheidung zur Untreue (§ 266 StGB) vom 23. Juni 2010 sieht das Bundesverfassungsgericht die Rechtsprechung gehalten Unklarheiten über den Anwendungsbereich des Untreuestraftatbestands durch Präzisierung und Konkretisierung im Rahmen möglicher Auslegung auszuräumen, um damit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 StGB zu genügen.1 Die höchstrichterliche Entscheidung markiert damit vorerst das Ende einer seit Bestehen des § 266 StGB währenden Debatte über dessen Verfassungsmäßigkeit. Sie gibt zudem erneut, vor dem Hintergrund vielschichtiger aktueller dogmatischer Probleme bei der Anwendung des Untreuestrafrechts im Wirtschaftsleben, Anlass dazu, solche Präzisierungsregeln zu entwickeln, die der Komplexität des Wirtschaftslebens als Anwendungsgegenstand des Untreuestrafrechts gerecht werden. Die folgende Arbeit versteht sich als Versuch einer methodologisch an einer funktionalen Interpretation des Untreuestrafrechts anknüpfenden Herleitung von verallgemeinerbaren Präzisierungsregeln, die als eine Antwort auf das Ansinnen des Bundesverfassungsgerichts zur Geltung gelangen könnten. Ihr Ziel ist es, dem Bestimmtheitserfordernis genügende, allerdings über eine bloße „fallgruppenspezifische Obersatzbildung“2 hinausgehende Auslegungsprinzipien zu entwickeln, die in der Praxis zu einer wirtschaftsadäquaten, d.h. der Komplexität des Wirtschaftssystems gerecht werdenden Anwendung des § 266 StGB führen sollen. In seinem Aufsatz „Die Basis des Wirtschaftsstrafrecht“ versinnbildlicht Hassemer die legitime Rolle des Wirtschaftsstrafrechts gegenüber dem Wirtschaftssystem: es solle nicht „Schiedsrichter“, sondern „Linienrichter“ sein.3 Dieses Modell, auf dessen Begründung und seine konkreten Implikationen an vielen Passagen der folgenden Arbeit eingegangen werden wird, bringt eine seit geraumer Zeit offenkundige Grundproblematik des Wirtschaftsstrafrechts zum Ausdruck, nämlich die Gefahr, dass sich rechtliche 1 BVerfG, 2 BvR 2559/08, Beschluss vom 23.6.2010, Leitsätze; Absätze 69 ff., 81, 85 ff.; Entscheidung abrufbar unter http://www.bverfg.de/entscheidungen/ rs20100623_2bvr255908.html. 2 So BVerfG, 2 BvR 2559/08, Beschluss vom 23.6.2010, Absätze 111 f. 3 Hassemer, wistra 2009, S. 171, 173.

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Normativierung derart ausweitet, dass der Regulierungsgegenstand, also die Wirtschaft, in ihrer Autonomie und Funktionsfähigkeit ungerechtfertigterweise beeinträchtigt wird. Dieses Modell macht es erforderlich über die Möglichkeit und die Gebotenheit eines „judicial self restraint“ nachzudenken, um die Gefahr eines ungerechtfertigterweise überbordenden Zugriffs des Untreuestrafrechts auf die Wirtschaft zu verhindern, der sich aus der mangelhaften Klarheit und Festigkeit des § 266 StGB speist. Die Diagnose einer zu einem hypertrophen Zugriff auf die Wirtschaft führenden Selbst-Entgrenzung des Untreuestrafrechts ist deshalb so alt wie der Tatbestand selbst. Stets im Zusammenhang mit der tatbestandlichen Unterbestimmtheit der Untreue taucht das Diktum Mayers aus dem Jahre 1954 auf: „Sofern nicht einer der klassischen alten Fälle der Untreue vorliegt, weiß kein Gericht und keine Anklagebehörde, ob § 266 vorliegt oder nicht“.4 § 266 StGB, so Ransiek, „paßt immer“. „Insbesondere im Wirtschaftsstrafrecht ist das die Norm, die ganz unabhängig davon greift, um welche Spezialmaterie es sich auch immer handelt“.5 Das von einer steten inneren Entwicklungsdynamik gekennzeichnete Wirtschaftssystem hat dabei die Eigenart immer neue „Spezialmaterien“ zu schaffen, was die, wie es Saliger formuliert, gesteigerte „qualitative Anwendungshäufigkeit“ des Untreuestrafrechts6 als ein strukturelles Merkmal umso nachhaltiger befördert. Der Kritik an einer zunehmenden Entgrenzung des Tatbestands verleihen neuerdings Termini wie „Allzweckwaffe“7, „Anwendungshypertrophie“8 oder „Untreuemode“9 Ausdruck. In auffälliger Weise belegt werden die verschwommenen Konturen der Vorschrift und die Unsicherheiten in der Subsumtion innerhalb der Rechtsanwendung10 auch damit, dass Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue mit besonderer Häufigkeit auf der Grundlage des § 153 a Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 StPO gegen Auflagen eingestellt werden.11 Die unzureichende Bestimmtheit und die damit einhergehende, angesichts des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots in Art. 103 Abs. 2 GG 4

Mayer, S. 337. Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 634. 6 Saliger, HRRS 2006, S. 15. Siehe auch Seier, Untreue als Allzweckwaffe, S. 106 f. 7 Seier, Untreue als Allzweckwaffe, S. 105 f. 8 Dahls, NJW 2002, S. 272; siehe auch Rotsch, ZIS 2008, S. 2 f.; Fischer, StraFo 2008, S. 269 f.; Matt, NJW 2005, S. 389. 9 Volhard, FS-Lüderssen, S. 673. 10 Saliger, HRRS 2006, S. 12 ff.; Matt/Saliger, S. 221 ff.; Thomas, FS-Riess, S. 809; allgemein; Steinhögl, S. 83 ff. 11 LG Bonn, NStZ 2001, S. 376 (Fall „Kohl“); Thomas, FS-Riess, S. 809; Saliger, ZIS 2007, S. 477 ff.; Seier, Untreue als Allzweckwaffe, S. 114 f. 5

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nicht unproblematische Ausweitung der Anwendungspraxis hat verschiedene tatbestandliche Anknüpfungspunkte. Zunächst die generalklauselartige Weite und Konturlosigkeit des Pflichtwidrigkeitsbegriffs (insbesondere beim Treubruchtatbestand), zudem ein durch die Einbeziehung subjektiver Elemente bzw. bloßer Gefährdungen überdehnter Schadensbegriff, und schließlich eine – darauf basierende – umfassende Verschleifung von Tathandlung und Taterfolg bis hin zur reziproken Substitution der Tatbestandsmerkmale.12 So einig man sich über die Diagnose einer Restriktionsbedürftigkeit ist, so unklar ist man sich Art und Weise der gebotenen Restriktion.13 Ein spezifisches Bild der Unterbestimmtheit wird gezeichnet, wenn man das funktionale Verhältnis der Untreuenorm als „Zentralnorm des Wirtschaftsstrafrechts“14 zu ihrem wirtschaftlichen Regelungsgegenstand beleuchtet. Diese Untersuchung geht der Hypothese nach, dass das Untreuestrafrecht gerade deshalb einer Extensionstendenz unterliegt, weil das dogmatische Verhältnis zur ökonomischen Realität und Komplexität nicht hinreichend abgestimmt und damit nicht hinreichend funktional gebunden ist. Diese These kann anhand folgender vier Beispiele aus der aktuellen Rechtsprechung eine begründete Anfangsplausibilität gewinnen. • „Mannesmann-Verfahren“ (BGHSt 50, 332 ff.)15 Im Zuge der Übernahme der Mannesmann AG durch Vodafone Airtouch plc hatte sich u. a. der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Mannesmann AG Klaus Esser unter Bewilligung der Mitglieder des Aufsichtsratsausschusses für Vorstandsangelegenheiten, bestehend u. a. aus dem Arbeitsnehmervertreter Klaus Zwickel und dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank AG Joseph Ackermann eine zusätzliche, im Dienstvertrag nicht ver12

Dazu jüngst BVerfG, 2 BvR 2559/08, Beschluss vom 23.6.2010, Absätze 78 f.; MüKoStGB-Dierlamm, § 266, Rn. 3 ff. m. w. N.; ders., NStZ 1997, S. 534; Saliger, ZStW 112 (2000), S. 563 ff., 609 ff. m. w. N.; LK-Schünemann, § 266, Rn. 29 ff.; Kargl, ZStW 113 (2001), S. 569; Weber, FS-Dreher, S. 559; Hamm, NJW 2005, S. 1993; Matt, NJW 2005, S. 390 f.; Seier, Untreue als Allzweckwaffe, S. 110 f.; 112 f.; Hillenkamp, NStZ 1981, S. 161; Kubiciel, NStZ 2005, S. 353 f.; Lesch, ZRP 2002, S. 163; Rose, wistra 2005, S. 281 f.; Krüger, NJW 2002, S. 1180; Dittrich, S. 30 ff. 13 Saliger, ZStW 112 (2000), S. 563 m. w. N. 14 Achenbach/Ransiek-Seier, HWSt, V 2, Rn. 1; siehe auch Schünemann, Organuntreue, S. 7; Rönnau/Hohn, NStZ 2004, S. 113 f. 15 Zur Kritik des Urteils siehe Abschnitt C. IV. 2. b) und insbesondere D. II. 5. a) bb) (7) (b).

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einbarte Sondervergütung i. H. v. 31 Millionen Euro (bestehend aus umgerechnet 16 Mio. Euro „Anerkennungsprämie“ und 15 Mio. Euro Abfindung) für eine dienstvertraglich geschuldete Leistung auszahlen lassen. Insgesamt sollen durch die Zuerkennung von Sonderzahlungen und die Abgeltung von Pensionsansprüchen insgesamt 57 Mio. Euro veruntreut worden sein. Das Landgericht Düsseldorf schloss eine Untreue der Mitglieder des Aufsichtsrats mangels gravierender Pflichtverletzung, und damit auch eine Beihilfehandlung (u. a. von Klaus Esser) aus.16 Durch den Bundesgerichtshof erging eine Revisionsentscheidung (BGHSt 50, 331 ff.). In den dienstvertraglich nicht vereinbarten, nachträglich zuerkannten Anerkennungsprämien für geschuldete Leistungen macht der BGH kompensationslose Sonderzahlungen aus, welche eine treupflichtwidrige Schädigung im Sinne des § 266 StGB begründe.17 Das zu erneuten Verhandlung berufende Landgericht Düsseldorf stellte daraufhin nach Maßgabe von § 153 a Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 StPO das Verfahren gegen Zahlung von Auflagen der sechs Angeklagten in Höhe von 5,8 Mio. Euro ein.18 • „Intendantenfall“ („Bugwellen-Prozess“, BGHSt 43, 293 ff.)19 Für den Haushalt des Württembergischen Staatstheaters, welches Teil der Verwaltung des Landes Baden-Württemberg ist, zeichneten ein Generaldirektor und ein Verwaltungsdirektor verantwortlich. Die Finanzierung erfolgte durch Gelder des Landes und der Stadt Stuttgart, sowie durch eigene Einnahmen, Sponsorengelder und Spenden. Ende des Jahres 1989 wurde den beiden angeklagten Verantwortlichen gewahr, dass es im Jahre 1990 zu einer Haushaltsüberziehung von mindestens 2 Millionen DM kommen könne. Erst im März 1990 wurden Maßnahmen für Einsparungen entwickelt. Die effektive Haushaltsüberziehung, die jedoch ausnahmslos auf zweckentsprechenden Aufwendungen der Angeklagten beruhte, belief sich 1990 auf etwa 5 Millionen DM, die durch einen Nachtragshaushalt ohne Kreditaufnahme durch das Land Baden-Württemberg ausgeglichen wurden. Das Landgericht Stuttgart verwarnte die beiden Angeklagten wegen Untreue.

16 LG Düsseldorf, NJW 2004, S. 3275, 3280 ff.; BGHSt 50, 332 ff.; zum Sachverhalt auch Schünemann, Organuntreue, S. 45 ff.; Dittrich, S. 152 ff. 17 BGHSt 50, 337. 18 Ausführlich und kritisch zu dieser Verfahrenseinstellung Saliger, ZIS 2007, S. 477 ff. 19 Siehe D. II. 3. f) dd).

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• „Siemens-Korruptionsaffäre“20 Leitende Angestellte der Siemens AG führten und billigten bis zum Ende des Jahres 2001 ausländische Nummernkonten (sog. „schwarze Kassen“) insbesondere bei diversen liechtensteinischen Banken, die einem etablierten „System zur Leistung von Bestechungszahlungen“ (sog. „Nützliche Aufwendungen“) dienten. So nutzte die Siemens-Sparte „Power-Generation“ (Siemens PG) Kapital aus diesen geführten Konten, um im Rahmen einer Ausschreibung der staatlich beeinflussten italienischen Aktiengesellschaft Enelpower SpA Schmiergelder i. H. v. 2,65 Mio. e zu zahlen, um an den mit 205,6 Mio. e dotierten Auftrag zu gelangen. Tatsächlich wurde das mit Siemens beteiligte Konsortium mit dem Auftrag versehen. Nachdem sich die Siemens AG in einem italienischen Strafverfahren verantworten und Strafzahlungen sowie Ausgleichzahlungen in Millionenhöhe leisten musste21, erkannte das LG Darmstadt in einem deutschen Verfahren (nebst § 299 Abs. 2 StGB a. F.) aufgrund der geleisteten Bestechungszahlungen eine schadensgleiche Vermögensgefährdung zu Lasten der Siemens AG.22 In seinem Revisionsurteil bestätigte der BGH (BGH, NJW 2009, S. 89 ff.) die Erfüllung des § 266 StGB, stellte jedoch fest, dass „schon das Entziehen und Vorenthalten erheblicher Vermögenswerte unter Einrichtung von verdeckten Kassen“ zu einem „endgültigen Nachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB“ (Leitsatz) geführt habe. Die Bezifferung des Schadens auf die volle Summe der auf der schwarzen Kasse belassenen Gelder sei laut jüngster Untreueentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juni 2010, „wirtschaftlich nachvollziehbar“.23

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Zur Kritik des Urteils siehe Abschnitte C. IV. 7. e), D. II. 4. c) bb), D. II. 4. c) bb) (3), D. II. 5. a) bb) (3), D. II. 5. a) cc) (3), D. II. 5. c) cc) (2) (a). 21 Zum Sachverhalt: LG Darmstadt, Az. 712 Js 5213/04 – KLs, Urteil vom 14. Mai 2007, Urteilstext (juris), Rn. 94; BGH NJW 2009, S. 89 f. 22 Urteilstext (juris), Rn. 149 f. Zudem erkannte das Landgericht auch eine Untreue im Sinne der Treubruchvariante im Führen der schwarzen Kasse, die der Angeklagte von einem ausscheidenden Manager „übernahm“. Dadurch, dass der Angeklagte den Buchführungs- und Bilanzierungspflichten zuwider handelte, die Kasse der Siemens AG nicht offenlegte und sie zu Geheimhaltungszwecken auf eine eigens dafür gegründete liechtensteinische Stiftung verlagerte, habe er die Siemens AG einer schadensgleichen Vermögensgefährdung ausgesetzt. Auf die daraus entnommenen Bestechungszahlungen kam es laut Landgericht nicht mehr an, da diese nurmehr den Schaden vertieft hätten (siehe Urteilstext, Rn. 151 ff.; entsprechend auch BGH NJW 2009, S. 91). 23 BVerfG, 2 BvR 2559/08, Beschluss vom 23.6.2010, Absätze 124 f.; Entscheidung abrufbar unter http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20100623_2bvr255908. html.

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• „Berliner Banken-Skandal“24 Gegen fünf ehemalige Vorstände der Berlin-Hannoverschen Hypothekenbank AG (Berlin-Hyp) ergingen im März 2007 durch das Landgericht Berlin jeweils wegen Untreue zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafen. Die Revision der Verurteilten wurde im Februar 2009 vom BGH verworfen. Die Gerichte sahen es als erwiesen an, dass die Verurteilten durch die Bewilligung eines Kredits in Höhe von 19.589.000 DM an eine Objektgesellschaft gegen die ihnen als Vorstandsmitglieder obliegende Pflicht einer umfassenden und sorgfältigen Bonitätsprüfung verstoßen und somit zu Lasten der Bank eine schadensgleiche Vermögensgefährdung in Höhe von 3.029.000 DM verursacht haben. Mit Beschluss vom 23. Juni 2010 hat das Bundesverfassungsgericht nach einer Verfassungsbeschwerde der Betroffenen die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und das Verfahren an das Landgericht Berlin zurückgewiesen. Das Bundesverfassungsgericht urteilte25, dass der Verzicht des Landgerichts auf eine eigenständige Feststellung des konkreten Schadens unter Berücksichtigung aller im Einzelfall zu würdigenden Vermögensposten ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG gewesen ist.26 Diese vier Fallkonstellationen belegen eine denkbare Tendenz nicht wirtschaftsadäquater Auslegung des § 266 StGB, die als solche aber nicht normativ vorausbestimmt ist. Diese Tendenz zeigt sich bei einer mitunter moralisch aufgeladenen Blickbeschränkung bei der Untersuchung saldierungsfähiger Vorteile im Rahmen von in eine komplexe Systemlogik eingebundenen Wirtschaftsgeschehen (wie etwa im „Mannesmann-Verfahren“, beim „Berliner Banken-Skandal“ oder in der „Siemens-Korruptionsaffäre“). Sie zeigt sich auch bei einer die Abgestimmtheit von rechtlicher Regulierung und wirtschaftlichem Bezugsobjekt entdifferenzierenden, kontingenzbehafteten Subjektivierung bis hin zur Zweckorientierung (vgl. „Intendanten-Fall“). Und nicht weniger speist sich, wie man anhand der „SiemensKorruptionsaffäre“ sowie beim „Berliner Banken-Skandal“ vermuten könnte, die Hypothese aus einer dogmatischen Plastizität, welche die Grenzen zwischen Gefährdung und Vollendung verwischt und praeter legem eine Versuchspönalisierung statuiert.27 24

Siehe BGH, Beschluss vom 4. Februar 2009 – 5 StR 260/08; Landgericht Berlin, Urteil vom 21. März 2007 – (536) 2 StB Js 215/01 (13/04). 25 BVerfG, 2 BvR 2559/08, Beschluss vom 23.6.2010, Leitsätze, Absätze 23 ff., 129 ff. 26 Ausführlicher zur Bewertung als schadensgleiche Vermögensgefährdung im Rahmen von Kreditvergaben siehe D. II. 5. a) aa) (3) und (4); zur Pflichtwidrigkeit von Kreditvergaben siehe C. IV. 6. c). 27 Zur Diagnose der Extensionstendenzen siehe insbesondere Saliger, ZStW 112 (2000), S. 563 ff., 609 ff.

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Wirtschaftsadäquanz als, wie in dieser Untersuchung zu begründen und zu konkretisieren ist, dogmatischer Nachbestimmungsmaßstab des unterbestimmten Untreueparagraphen wird in der Literatur zuweilen aus ganz praktischen Erwägungen zur Forderung erhoben, nämlich um das Funktionieren der Wirtschaft nicht zu gefährden. § 266 StGB, so etwa ein Credo, „bedarf dringend einer weiteren Anpassung an die geänderten strukturellen und handlungstechnischen Gegebenheiten des Wirtschaftslebens“28, sodass nicht jeder als „unangemessen“ empfundener Umgang mit Geld und Vermögen durch wirtschaftliche Entscheidungsträger, d.h. insbesondere eine wirtschaftlich vernünftige Maßnahme in den Bereich der Untreue gerückt wird. Aus der Wirtschaft selber wird gar der Vorwurf unterbreitet, „weltfremde Staatsanwälte“ beabsichtigten mit strafrechtlichen Mitteln „die Trennlinie zwischen unternehmerischer Handlungsfreiheit und Kriminalität“ zu verschieben.29 Es bestehe die Gefahr, dass der deutsche Staat über juristisch dehnbare Begriffe die Wirtschaft „willkürlich“ leite.30 Zweifelsohne plausibel ist jedenfalls, dass eine extensive Kriminalisierung unternehmerischen Handelns die Gefahr birgt, dass „Unternehmer zu Unterlassern“ werden, weil jede unternehmerische Entscheidung einem latenten Strafbarkeitsrisiko ausgesetzt wäre.31 Ein betriebswirtschaftliches „Strafrechtsmanagement“ zur Vermeidung strafrechtlicher Risiken bedarf einer Bestimmtheit und einer klaren Prognosefähigkeit des Untreuestrafrechts, um rationale Entscheidungsregeln zu ermöglichen.32 Die vorliegende Untersuchung versteht sich dabei aber, wie noch zu erläutern ist, nicht primär als rechtsökonomische Kritik, die allein aus der Warte wirtschaftlichen Interesses Normativierungen von Effizienzgesichtspunkten einfordert. Die wirtschaftsadäquate Auslegung wird hier vielmehr als dogmatisch erforderlich vorgestellt. Dennoch geben negative realgesellschaftliche wirtschaftliche Folgen als Wirkungen des Untreuestrafrechts zumindest einen weiteren Grund dazu, zu einer normativ adäquaten dogmatischen Nachbestimmung zu gelangen, die einer möglichst konfliktfreien Konnexität von Recht und ihrem Regelungsgegenstand Wirtschaft geschuldet ist.

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Dahs, NJW 2002, S. 273. So in Manager-Magazin, Ausgabe 08/2003, S. 3. Zur Gefahr des Missbrauchs durch die Strafverfolgungsbehörden auch Dierlamm, NStZ 1997, S. 534; Seier, Untreue als Allzweckwaffe, S. 108 (Staatsanwaltschaft als „Rechnungshof“). 30 Siehe www.zeit.de/online/2005/52/presseschau_22 [2.1.2006]. 31 Honsell, FS-Schmid, S. 226; Seier, Untreue als Allzweckwaffe, S. 108 f. 32 Samson, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2004, S. 117 ff., 124 f.; siehe auch Marxen/Knauer, EwiR § 266 StGB 2/06, S. 224. 29

B. Methodische und rechtstheoretische Grundlegungen I. Funktionale Methode zur theoretischen Systematisierung des Verhältnisses von Wirtschaftsstrafrecht und Wirtschaft Die Fähigkeit des Rechts zur Gestaltung oder Kontrolle sozialer Beziehungen im wirtschaftlichen Verkehr und damit auch das Vermögen auf Wandel und Spezialisierung dieser Beziehungen zu reagieren sind angewiesen auf eine strukturelle Variabilität, d.h. in diesem Zusammenhang auf die Variation der Interpretation der rechtlichen Begrifflichkeiten. Diese Variationen sind aber dann folgerichtig keine, die ihrerseits aus dem (statischen) Begriffsbestand selbst gefolgert werden können, sondern die anhand der Analyse ihrer Funktionen, auch in ihrer Latenz, entwickelt werden müssen. Die Methode einer funktionalen Forschung, die Erkenntnisgewinne aus der Betrachtung von Beziehungen gewinnen will, gewinnt dadurch an Offenheit für unbegrenzte Komplexität.33 In einem Komplexitätsbegriff ist die Welt so konstituiert, dass die Zahl der Möglichkeiten die Zahl der Verwirklichungen übersteigt.34 In einer Abkehr vom Substanzprinzip wird der methodische Ausgangspunkt nicht mehr in der Verfolgung von Gegebenheiten und sicheren Gründen gefunden, die deduktiv oder induktiv erschlossen werden.35 „Bestand ebenso wie Identität werden [. . .] nicht mehr als Wesenskern oder als Invarianz begriffen, sondern als Beziehung zwischen variablen Größen, zwischen System und Umwelt“, deren „‚Wesen‘ sich definiert durch die Bedingung ihrer Ersetzbarkeit“, durch Alternativität unter Berücksichtigung eines funktionalen Bezugsproblems (Äquivalenzfunktionalismus). Funktionen sind daher immer Synthesen einer Mehrzahl von Möglichkeiten. Die funktionale Analyse der Systemtheorie eröffnet einen makroskopischen Blick, der alternative Möglichkeiten von Relationen aus einem Erkenntnisinteresse an Komplexität, Kontingenz und Selektion, aber damit ebenso Dysfunktionalität bzw. deren Folgen mitumfasst36 und damit 33 Komplexität ist das „letzterreichbare sachliche Bezugsproblem der funktionalen Forschung“, so Luhmann, Vertrauen, S. 3; ders, Ausdifferenzierung des Rechts, S. 284 ff. 34 Luhmann, Vertrauen, S. 5; Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, S. 109 f. 35 Luhmann, Zweckbegriff und Systemrationalität, S. 348 f.; ders., Soziolgische Aufklärung, 9 ff., 31 ff.; ders., Ausdifferenzierung des Rechts, S. 282 f. 36 Luhmann, Vertrauen, S. 3; ders., Zweckbegriff und Systemrationalität, S. 197 f., 349; ders., Soziologische Aufklärung, S. 15 ff., 21, 39 f.

II. Das systemtheoretische Paradigma im Rahmen des Wirtschaftsstrafrechts 29

praktisch bedeutsam ist für ein Recht, das sich seiner gesellschaftlichen Funktion bewusst ist37 (siehe ausführlich unter B. IV. 2. c)). „Sie reguliert und präzisiert Bedingungen, unter denen Differenzen einen Unterschied ausmachen“.38 Als theoretische Fassung zur Erklärung und Abstrahierung des Verhältnisses von Wirtschaftsstrafrecht und Wirtschaft ist sie deshalb prädestiniert für komplexitätsadäquate Erkenntnisse alternativer Möglichkeiten von Rechtssatzinterpretationen im Spannungsfeld gesellschaftssystemischer Funktionalität.

II. Das systemtheoretische Paradigma im Rahmen des Wirtschaftsstrafrechts 1. Das Rechts- und das Wirtschaftssystem als soziale Systeme Ausgangspunkt der Systemtheorie Luhmannscher Prägung ist die Differenz zwischen System und Umwelt.39 In dieser Differenz von Innen und Außen, also System und (System-)Umwelt, liegt nicht nur das Konstituens für die Identität von Systemen, sondern auch der Grund von Komplexitätsgefällen. Die Umwelt weist nämlich immer vielfältigere Möglichkeiten aus, als sie durch das System aktualisierbar wären. Der höhere Komplexitätsgrad der Umwelt zwingt das System in seinem Bestreben zur Reduktion von Komplexität zur permanenten Selektion.40 Dieser Prozess der Systembildung führt in sich evolutionär immer weiter funktional ausdifferenzierenden Gesellschaften zur „Systembildung in Systemen“, d.h. zur Differenzierung des Gesellschaftssystems in autonome und arbeitsteilig operierende Teilsysteme, die Soziale Systeme genannt werden.41 Baustein und Definiens sozialer Systeme sind Kommunikationen als die Elemente des Systems. In ausdifferenzierten Gesellschaftssystemen bilden sich charakteristische Kommunikationsweisen heraus, die die Komplexität systemspezifisch selektieren und sich damit auch als Abgren37

Siehe Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 156 ff. Luhmann, Soziale Systeme, S. 83. 39 Luhmann, Soziale Systeme, S. 22 ff., 35 ff. 40 Luhmann, Soziologische Aufklärung, S. 114 ff.; ders., Soziale Systeme, S. 45 ff.; ders., Vertrauen, S. 5, Fn. 12. Die Beziehung der Systeme zur Welt innerhalb der prinzipiellen Überforderung durch Komplexität einerseits und die evolutorische Betrachtung der Entstehung von selektiven Ordnungen zur Komplexitätsreduktion durch System(neu-)bildung andererseits ist der Kern der Systemtheorie. 41 Luhmann, Soziale Systeme, S. 37 ff.; 258 ff.; Riechers, Rechtstheorie 29 (1998), S. 498 ff. 38

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B. Methodische und rechtstheoretische Grundlegungen

zungskriterium gegenüber anderen Systemen (der Umwelt) erweisen. So etwa das Recht, das sich ausschließlich der Rechtskommunikation bedient, oder die Wirtschaft, deren Kommunikation spezifisch wirtschaftlich Handlungen bestimmt und zurechnet.42 Eine selektiv konstituierte Umwelt dient der Grenzerhaltung, die angesichts der übermäßigen Komplexität der Welt, die immer mehr Möglichkeiten enthält, als solche, auf die das System reagieren kann, gleichzeitig Systemerhaltung bedeutet.43 Die Temporalisierung, d.h. die Zeitunterworfenheit, des Systems zwingt es nicht nur zum Prozessieren von Selektion44, sondern auch zur anhaltenden Reproduktion eigener Elemente über den Rekurs auf das Netzwerk der eigenen Elemente (Autopoiesis bzw. operative Kopplung45), denn die Kommunikation muss immer wieder anknüpfend an die vorausgegangenen, aktuellen Kommunikationen neu hervorgebracht und ihrerseits anschlussfähig gehalten werden.46 Dieses selbstreferentielle Operieren behält dabei die Typik der Kommunikation bei und gewährleistet die Geschlossenheit und Autonomie des Systems.47 Ein solches soziales selbsterhaltendes (autopoietisches) Kommunikationssystem ist nun einerseits das Recht, welches mit einer spezifischen Codierung (Recht/Unrecht) über Konditionalprogramme (definierte Tatbestände) operiert, das heißt mit dieser Unterscheidung seine Geschlossenheit absichert, die Wirklichkeit selektiv wahrnimmt und nur mit der Unterscheidung seine gesellschaftlichen Funktion, die Stabilisierung kontrafaktischer Erwartungen, erfüllt.48 Die spezifische Kommunikation des Rechts konstituiert 42 Siehe Luhmann, Soziale Systeme, S. 191 f., 194, 200; ders, Wirtschaft der Gesellschaft, S. 43 ff., 234 f.; ders., Recht der Gesellschaft, S. 51 f., 66 ff. 43 Luhmann, Soziale Systeme, S. 35. Die selbst erzeugte sinnhafte Konstituierung der Welt geschieht über die Selektivität, d.h. durch den impliziten Verweis auf einen Möglichkeitshorizont, der das zu Seligierende nicht auf das Realisierte beschränkt. Soziale Systeme verarbeiten Komplexität somit in der Form von Sinn, einem anhaltenden Prozessieren der Unterscheidung von Aktualität und Möglichkeit, a. a. O., S. 92 ff. 44 Unter „Prozess“ versteht Luhmann die Faktizität des selektiven Geschehens (Soziologische Aufklärung, S. 125 ff.). 45 Zur Begriffsidentität Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 440. 46 Luhmann, Soziale Systeme, S. 58 ff., 70 ff., 79. „Ein System kann man als selbstreferentiell bezeichnen, wenn es die Elemente, aus denen es besteht, als Funktionseinheiten selbst konstituiert und in allen Beziehungen zwischen diesen Elementen eine Verweisung auf diese Selbstkonstitution mitlaufen läßt, auf diese Weise die Selbstkonstitution also laufend reproduziert“ (Selbst-Reproduktion): a. a. O., S. 59. 47 Luhmann, Soziale Systeme, S. 60 ff., 79; ders., Zweckbegriff und Systemrationalität, 1973, S. 143: unter Autonomie ist die Stabilisierung der Systemgrenzen zur Umwelt zu verstehen. 48 Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 38 ff., 60 ff., 76 ff., 124 ff., 165 ff.; ders., Rechtstheorie 17 (1986), S. 171 ff., 194 f.; ders., ARSP 1974, S. 31 ff.; La-

II. Das systemtheoretische Paradigma im Rahmen des Wirtschaftsstrafrechts 31

das soziale System Recht, indem sie immer wieder an die vorausgehende Rechtskommunikation anknüpft und fortwährende Anschlussmöglichkeiten für weitere Rechtskommunikation schafft.49 Ebenso sind auch ausdifferenzierte Wirtschaftssysteme in Gesellschaften als Systeme zu begreifen.50 „Wirtschaften“ ist also ein spezifisch soziales Verhalten und nicht primär an konkrete technisch organisierte Einheiten („Betriebe“ etc.) gebunden.51 Die Operationen des Wirtschaftssystems sind Zahlungen. Das symbolisch generalisierte Medium der Kommunikation ist Geld, anhand dessen die systematisierende Unterscheidung wirtschaftsspezifischer Handlungen nach Zahlen bzw. Nichtzahlen erfolgt und sich die „BiStabilität“ des Systems reproduziert: „Wer zahlungsfähig gemacht wird, kann wiederum nur Zahlungsfähigkeit und Zahlungsunfähigkeit produzieren dadurch, daß er zahlt“.52 Die autopoietische Reproduktion der Wirtschaft läuft im Gegensatz zum Recht also nicht über normative, sondern faktische Bedingungen. Ihre gesellschaftliche Funktion definiert sich als „Erzeugung und Regulierung von Knappheiten zur Entproblematisierung künftiger Bedürfnisbefriedigung“.53 deur, Postmoderne Rechtstheorie, S. 109 ff., 155 ff.; Riechers, Rechtstheorie 29 (1998), S. 528 ff., 548 ff.; Teubner, Recht als autopoietisches System, S. 7 f., 27 f. 41 f., wobei Teubner über den Autopoiesebegriff Luhmanns insoweit hinausgeht, als er die Selbstkonstitution nicht nur auf die Systemelemente, sondern auch auf die Systemkomponenten ausdehnt, d.h. es müssen „auch die Strukturen, Prozesse, Grenzen und Umwelten des Rechts [. . .] sowohl selbstkonstituiert als auch reproduktiv miteinander verkettet sein (Hyperzyklus)“, a. a. O., S. 42 ff., ders., Hyperzyklus, S. 101 ff. 49 Das Rechtssystem existiert folglich als Prozessrealität aller Kommunikationen, die einen Bezug zu der rechtlichen Codierung Recht/Unrecht aufweisen: Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, S. 110. 50 Luhmann, Wirtschaft der Gesellschaft, S. 14, 56 passim. 51 Eidam, S. 22. 52 Luhmann, Wirtschaft der Gesellschaft, S. 14, 52 ff., 134 f., 194 ff. In prämodernen Gesellschaft dominierte der Eigentumscodes (Primärcodierung). Er besagt, „daß in bezug auf alle eigentumsfähigen Güter jeder Eigentümer oder Nichteigentümer ist“. Durch die Entwicklung des Geldes, löste sich die Kontrolle des Tausches durch das Eigentums zugunsten einer Zweitcodierung des Eigentums durch das Geld (a. a. O., S. 189 ff., 197, 456). 53 Siehe auch die entsprechende betriebswirtschaftliche Definition von „Wirtschaft“ bei Wöhe (S. 2). Mit Knappheitserzeugung ist das Phänomen angesprochen, dass es neben der realitätsbedingten Güterknappheit auch eine artifizielle Knappheit des Geldes gibt („Duplikation von Knappheit“). Die Funktionserfüllung der Wirtschaft beschränkt sich daher nicht nur auf Knappheitsreduktion, sondern umfasst die Selbstkonditionierung der Beziehung zwischen Güter- und Geldknappheit durch Preise. Es geht also um die Selbstregulierung zugunsten einer Homöostasierung von zukunftsstabiler Vorsorge (hinsichtlich von Bedürfnissen) und gegenwärtiger Verteilung auch unter Verwendung von Knappheitserzeugung, dazu Luhmann, Wirtschaft der Gesellschaft, S. 63 ff., 194 ff.

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B. Methodische und rechtstheoretische Grundlegungen

2. Die Kopplung von Recht und Wirtschaft Operative Geschlossenheit des Rechts- und Wirtschaftssystems meint nicht kausale Abgeschlossenheit oder Isolierung eines autarken, invarianten Zustandes, der gegenüber der Umwelt indifferente Zwecke realisiert54, sondern beschreibt, dass das System (systemautologisch) „eigene Operationen im Rückgriff und Vorgriff auf andere eigene Operationen erzeugt und nur auf diese Weise bestimmen kann, was zum System gehört und was zur Umwelt“55. Wirtschaft und (Straf-)Recht unterliegen divergierenden Systemrationalitäten. Ökonomischen Handlungsprinzipien, wie das Opportunitätsprinzip, Pragmatismus, Dynamik, Zukunftsorientierung, Effizienzkriterien, Wahrscheinlichkeitsannahmen, stehen die Prinzipien strafrechtlicher Operabilität gegenüber, namentlich das Legalitätsprinzip, bestrafungsorientierte Vergangenheitsbewältigung und die Entscheidbarkeit und Entscheidung anhand von Konditionalprogrammen und eines formalisierten Verfahrens.56 Das schließt aber keineswegs aus, dass trotz der autologischen Operationsweise soziale Systeme kognitiv offen sind für Umwelteinflüsse. Die kognitive Offenheit (und damit auch die Möglichkeit von Irritabiltiät) der Systemoperationen gewährleistet die Einbindung des Rechts (wie auch der Wirtschaft) als gesellschaftliches Teilsystem in das (Gesamt-)Gesellschaftssystem, d.h. auch den übrigen Teilsystemen, für das es eine spezifische Funktion erbringt.57 Infolge der funktionalen Ausdifferenzierung der Gesellschaft in Soziale Systeme ist ein gegenseitiger struktureller Bezug der Systeme (Transferleistungen) im Sinne eines erst autonomieerhaltenden Austauschs unumgänglich. Ein Recht ohne Gesellschaft gibt es genauso wenig wie ein Recht ohne Bedarf an Umweltinformationen. Neben eine gesamtgesellschaftliche Funktion als solche tritt das, was das Recht für seine innergesellschaftliche Umwelt, d.h. die anderen Teilsysteme, zum Beispiel Wirtschaft, erbringt (Leistungen). So ist das Recht Adressat von Leistungserwartungen wie die Herstellung von Verhaltenssteuerung und Konfliktlösung.58 Auch das Strafrecht leistet seinen Beitrag dazu das Wirtschaftssys54

Luhmann, Zweckbegriff und Systemrationalität, 1973, S. 104. Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 44; Teubner, Recht als autopoietisches System, S. 45 passim; Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, S. 116 passim. 56 Siehe veranschaulichend Bussmann, Business Ethics und Wirtschaftsstrafrecht, S. 93. 57 Luhmann, Soziale Systeme, S. 37 ff., 258 ff. 58 Siehe dazu Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 156 ff. Leistungen und nicht Funktionen sind dies deshalb, weil die außerrechtlichen Systeme diese in je spezifischer Form „abrufen“ bzw. selbst „über funktionale Äquivalente verfügen, um das gewünschte Verhalten als Prämisse anderen Verhaltens sicherzustellen“, a. a. O., S. 157.Funktionale Äquivalente sind auch für § 266 StGB nicht unbedeutend, denn zur Vermeidung ungetreuen Verhaltens bezüglich fremden Vermögens existiert ja 55

II. Das systemtheoretische Paradigma im Rahmen des Wirtschaftsstrafrechts 33

tem zu erhalten, indem es dem „Widerspruch gegen identitätsbestimmende Normen“ der Wirtschaft seinerseits widerspricht, und zwar mit Strafe.59 Autonomie autopoietischer Systeme setzt demzufolge immer auch die Beobachtung anderer Systeme und eine darauf gestützte Selbstbeobachtung voraus. Die sich auf die Intersystembeziehung erstreckende Reflexivität äußert sich darin, „dass das System sich durch eigene Programme in die Lage versetzt [. . .] sowohl im Hinblick auf die Ursachen als auch im Hinblick auf die Wirkungen seines Handelns, Informationen der Umwelt aufzunehmen, selektiv zu verarbeiten“.60 Infolge der funktionalen Differenzierung ist aber eine Beeinflussung (Fremdsteuerung) durch Umwelteinflüsse (Kommunikationen anderer sozialer Systeme), also ein direkter Kontakt zu anderen Funktionssystemen, verwehrt, weil sie keine Selektionsfähigkeit nach Maßgabe der Codierung des jeweiligen Kommunikationstypus aufweisen.61 Umweltinformationen können systeminterne Operationen nur initiieren, wenn sie die systemische Geschlossenheit und Stringenz wahren. Eine „Beeinflussung“ (also beispielsweise ein Wirkungszusammenhang zwischen Recht und Wirtschaft) erfolgt deshalb nur insoweit, als das System die extrasystemische Information nach den eigenen selbstreferentiellen Kriterien interpretiert, d.h. im Rahmen des immanenten Unterscheidungshorizonts (Codierung) beobachtet und als eigene Systeminformation „decodiert“ (transformiert, (re-)konstruiert).62 Geschlossenheit setzt also Offenheit voraus, so wie Offenheit aber immer nur aufgrund von Geschlossenheit möglich ist.63 In eins mit der Sicherung von Autonomie steht jedoch auch die Notwendigkeit des reziproken Beeinflussens und Übergreifens ausdifferenzierter Systeme, d.h. ein über die Beobachterbeziehung hinausgreifender realer Umweltkontakt. Die systemische Interferenz von Recht und Wirtschaft, also nicht lediglich eine Strafnorm. Ganze Bereiche des Wirtschaftslebens sind damit befasst derartige Fehlverhalten zu verhindern, denkt man nur an Maßnahmen zur Transparenzverstärkung, zur Verfestigung von Corporate Identities, Anreizsysteme innerhalb der Entlohnungspolitik usw. 59 Jakobs, ZStW 107 (1995), S. 844 ff.; Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 283 f. 60 Luhmann, Zweckbegrif und Systemrationalität, S. 104 f.; ders., Soziale Systeme, S. 63 f. 61 Ein Soziales System kann also nicht „in seiner Umwelt operieren, sich also auch nicht durch eigene Operationen mit seiner Umwelt in Verbindung setzen“: Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 440. Dazu auch Teubner, Verrechtlichung, S. 292, 313 ff., 334 ff.; Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, S. 136. 62 Luhmann, ders, Recht der Gesellschaft, S. 33 ff., 54 ff., 76 ff., 440 ff.; Teubner, Recht als autopoietisches System, S. 107 ff.; Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, S. 155 ff. 63 Luhmann, Soziale Systeme, S. 63 f.; ders., Wirtschaft der Gesellschaft, S. 49.

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B. Methodische und rechtstheoretische Grundlegungen

der „kommunikative Anschluss von System und ‚Lebenswelt‘“ durch intersystemischen Transfer von „Sinnmaterial“ stellt eine Bedingung eines gesamtgesellschaftlich funktionalen und auf wirtschaftliche Gegebenheiten bezogenes, folglich in sich kopplungsbedürftigen Rechtssystems dar.64 Von struktureller Kopplung ist immer dann die Rede, „wenn ein System bestimmte Eigenarten seiner Umwelt dauerhaft voraussetzt und sich strukturell darauf verläßt“65. Bei einer strukturellen Kopplung (und nur dort)66 ist die Selbst- gleich Fremdreferenz, weil es sich bei einer strukturellen Kopplung um Strukturmerkmale (Systemelemente) beider Systeme handelt, die anhand dieser strukturellen Kopplung Freiheiten zur Fortsetzung der eigenen Autopoiesis gewinnen, ohne dass aber Umweltnormen integriert würden. So verhält es sich zum Beispiel mit dem Eigentum bzw. dem Vermögen oder dem Vertrag (Privatautonomie)67, welche sowohl von rechtlicher wie wirtschaftlicher Systemlogik inkorporiert sind und damit eine kommunikative Doppelbedeutung besitzen. Diese intersystemische Interferenz ermöglicht die (irritierende) „Einspeisung“ von Material von dem einen in das andere System, das (operational autonomieerhaltend) nach der jeweiligen Prozesslogik des aufnehmenden Systems (nicht notwendig synchron) verarbeitet wird. Dabei kommt es zum sog. Phänomen der Koevolution: Neue spezifische Anwendungsbereiche werden erschlossen, um auf die Umweltveränderung autologisch adäquat zu reagieren, was ganz automatisch mit einer vermehrten „Unsicherheit“ einhergeht.68 Dies führt zur intrasystemischen Komplexitätssteigerung bzw. Ausdifferenzierung, um die eigene Kohärenz und die umweltbezogene Adaptilität zum Zwecke funktionaler Stabilität zu erhalten. In diesem Sinne ist „Angepasstsein Voraussetzung (nicht Resultat) von Existenz und damit auch Evolution eines Systems“.69 64

Teubner, Recht als autopoietisches System, S. 109 f. Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 441 ff., 464; Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, S. 112; Teubner, Recht als autopoietisches System, S. 106 f. 66 Daher spricht Luhmann auch davon, dass strukturelle Kopplungen die Beeinflussungsmöglichkeiten durch die Umwelt auch beschränken, siehe Recht der Gesellschaft, S. 441, 446. 67 Siehe Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 449, 455 ff., 463 ff.; Calliess, Prozedurales Recht, S. 189. 68 Vgl. Saliger, HRRS 2006, S. 15. (Rechts-)Evolution ist folglich kein „zielorientierter Selektionsprozess“, sondern „Suchmechanismus für Bedingungen der Erhaltung von Variabilität unter Ungewißheit“: Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, S. 88; Luhmann, Ausdifferenzierung des Rechts, S. 105 f. 69 Fögen, Rechtsgeschichte (6), S. 91. 65

II. Das systemtheoretische Paradigma im Rahmen des Wirtschaftsstrafrechts 35

Die gesamtgesellschaftliche Einpassung, die über die Interferenzen der Teilsysteme innerhalb ihrer strukturellen Kopplungen durch Initiierung des jeweiligen Umweltsystems arrangiert wird, bleibt aufgrund der im Sinne operativer Geschlossenheit erfolgenden Anpassungsleistung letztlich immer nur eine „Selbst-Modifikation“ des Systems.70 Evolutive Änderungen im Wirtschaftssystem führen nicht automatisch zu Änderungen im Rechtssystem, sondern nur nach einer möglichen Übersetzung ins Juristische. Anlass für einen evolutiven Impetus ist Variation, d.h. „dass Recht für neue Pläne und neue Probleme, Streitigkeiten und Konflikte in Anspruch genommen wird“, also etwa mit unerwarteten Erwartungen seitens der Wirtschaft konfrontiert wird.71 Die Antwort des Rechtssystems auf wirtschaftliche Variation ist Selektion: sie kann eine Strukturänderung oder Zurückweisung/Ignoranz der „Aufforderung zur Mutation“ bedeuten.72 Vorausgesetzt, in ausdifferenzierten Wirtschaftsbereichen werden kompensationslose Anerkennungsprämien, Vergnügungsreisen oder Bestechungszahlungen (siehe die Fallkonstellationen in der Einführung) als wirtschaftlich sinnvoll kommuniziert, so wäre das für das Rechtssystem an sich unbedeutend, solange sie nicht an dasselbe als konflikthafte Transaktionen herangetragen würden. Erst innerhalb der durch die Gerichtsentscheidungen abgeschlossenen Verfahren wird das Umweltmaterial systemimmanent verarbeitet (Normauslegung und Normanwendung). So wurden etwa seitens der Rechtsprechung alle eingangs erwähnten Fallkonstellationen, in Anknüpfung an tradierten juristischen Sinn, rechtlich mit einer Bejahung des § 266 StGB beantwortet. Der (von Prozessbeteiligten unternommene) Versuch einer Einwirkung wirtschaftlicher Variation auf das Recht scheiterte.73 Theoretisch denkbar wäre aber auch gewesen, dass die Variation, mit der die einzelnen 70

Kölbel, Cultural lag, S. 72. Fögen, Rechtsgeschichte (6), S. 92. 72 Fögen, Rechtsgeschichte (6), S. 93 f.; Luhmann, Ausdifferenzierung des Rechts, S. 14 ff. 73 Siehe Kölbel, Cultural lag, S. 73 f., Fn. 23. Eine Besonderheit ergibt sich bei dem erwähnten Mannesmann-Verfahren insoweit, als der BGH (BGHSt 50, 331 ff.) die erstinstanzliche Verneinung einer Untreue umkehrte und somit die richterliche Bestätigung des Anklagestandpunkts zur Strukturneubildung (Evolution) führte. Gleichwohl scheiterte auch hier der noch beim LG Düsseldorf erfolgreichere (evolutive) Einwirkungsversuch, der sich auf vom bisherigen Rechtsverständnis abgekoppelte wirtschaftliche Systemlogiken berief. Konkret geht es darum, ob nicht auch kompensationslose Anerkennungsprämien Anreizwirkungen für zukünftige Manager entfalten und damit durchaus im rechtlich verstandenen Unternehmensinteresse liegen können. In allen erwähnten Fällen, so die weiter zu erörternde Vermutung, scheint die Starrheit des Dogmas der Adäquanz von Leistung und Gegenleistung als tradiertes juristisches Argumentationsmuster die Einwirkung wirtschaftlicher Variabilität auf den Untreuestraftatbestand strukturell zu blockieren, siehe Thomas, FSRiess, S. 802. 71

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B. Methodische und rechtstheoretische Grundlegungen

Fälle den Untreuestraftatbestand konfrontiert haben, über eine andere, etwa „wirtschaftsoffenere“ Auslegung der Tatbestandsmerkmale selektiert worden wäre, der Tatbestand nicht bejaht worden und damit die (Anwendungs-)Struktur (Bestimmung des Gesetzessinns) des § 266 StGB so geändert worden wäre, dass die Reproduktion in dieser strukturdeterminierten (neuen) Form weitergeführt würde. Ein solches Vorgehen wäre nach Luhmann eine vom Wirtschaftssystem angeregte Rechtsevolution gewesen.74 Die Frage inwieweit § 266 StGB auf die wirtschaftliche Systemlogik bezogen ist und inwieweit sich das Untreuestrafrecht aktuellen Entwicklungen der (tatsächlichen) wirtschaftlichen Systemlogik zugunsten eines systemadäquaten Verhältnisses zwischen Rechts- und Wirtschaftssystem anpassen kann und soll und welche praktischen, konkreten Wirtschaftskommunikationen betroffen sind, soll im Folgenden Gegenstand der Untersuchung sein.

III. Spezifische Anwendung der systemtheoretischen Überlegungen auf den Untreuetatbestand Schlussfolgerungen für die funktionale Schutzrichtung des § 266 StGB zu ziehen setzt voraus zu ergründen, welche Stellung der Untreuetatbestand innerhalb des Verhältnisses von Wirtschafts(straf)recht und Wirtschaft besitzt. 1. Funktionalität des Vertrauensschutzes (= Kopplung zur Wirtschaft) Zunächst liegt es nahe bei § 266 StGB einen funktionalen Schutz von „Vertrauen“ als eine denkbare strukturelle Verbindung von Recht und Wirtschaft anzunehmen.

74 „Evolution heißt: zirkulär produzierte Verstärkung einer Abweichung vom vorherigen Zustand“ (Luhmann, Rechts der Gesellschaft, S. 121, Fn. 157 a. E.). Siehe desweiteren ders., Ausdifferenzierung des Rechts, S. 12 ff.; ders., Recht der Gesellschaft, S. 241 f., 277 f. (Evolution vollzieht sich demnach infolge des triadischen Ablaufs von Variation, Selektion und Restabilisierung). Rechtswandel vollzieht sich nebst Gerichtsentscheidungen insbesondere auch durch die Gesetzgebung. Siehe dazu auch Teubner, Recht als autopoietisches System, S. 66 ff.; Abegg, Evolutorische Rechtstheorie, S. 378 ff.; zur Neuinterpretation als Koevolution im Rahmen von Wirtschaftsstrafverfahren, Kölbel, Cultural lag, S. 73 ff.

III. Spezifische Anwendung der systemtheoretischen Überlegungen

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a) Vermögensbezogenes Vertrauen als Komplexitätsreduktionsmechanismus arbeitsteiligen Wirtschaftens und das Principle-Agent-Modell Die Welt besteht nicht nur aus einer statisch überschaubaren Realität, sondern auch aus unbegrenzten Möglichkeiten. Ebenso komplex ist die soziale Realität – die Interaktion zwischen sich ihrerseits komplex verhaltenden Mitmenschen.75 Um ein austariertes Komplexitätsniveau zu erreichen, das Grundlage sozialer Entäußerung des Menschen überhaupt ist, bedarf es immer auch Komplexitätsreduktionsmechanismen. Eines davon stellt Vertrauen dar.76 Vertrauen ist eine Form der Generalisierung von Verhaltenserwartungen zur adäquaten Komplexitätsreduktion bzw. -steigerung.77 Dabei ist es zunächst ein individualpsychologisches Phänomen. So setzen wirtschaftliche (Austausch-)Beziehungen aufgrund der Unsicherheit von Entscheidungen als Bedingungen ihres Funktionierens Vertrauen voraus, dass der individualisierte Vertrauensnehmer vereinbarungsgemäß agiert.78 75 Soziale Komplexität ergibt sich aus der „Ichhaftigkeit des anderen“, denn wie ein Mitmensch die Welt wahrnimmt, wie er sich in ihr verhält, ist in seinen Möglichkeiten prinzipiell unbegrenzt und würde andere Menschen in eine unüberbrückbare Notlage, Unbestimmtheit und Orientierungslosigkeit des eigenen Selbst versetzen, wenn es bei einem „Alles ist möglich“ bliebe, siehe Luhmann, Vertrauen, S. 1, 6 ff. passim. 76 Komplexitätserweiterung und -absorption sind komplementäre Strukturmerkmale des menschlichen Verhaltens (Luhmann, Vertrauen, S. 8). In einer Welt der Möglichkeiten sind immer auch andere funktionale Äquivalente denkbar (a. a. O., S. 117), ohne dass dies einer funktionalen Analyse einer funktional äquivalenten Alternative Abbruch täte. Zur Geschichte des Begriffs auch unter ethisch-normativem Blickwinkel, Labsch, S. 127 f. 77 Luhmann, Vertrauen, S. 126. Dass Vertrauen auch Komplexität erhöht, liegt darin, dass durch es die Zahl der Verhaltensmöglichkeiten steigt, „die es mit seiner Struktur vereinbaren kann“, gerade „weil im Vertrauen eine wirksamere Form der Reduktion von Komplexität zur Verfügung steht“, Luhmann, Vertrauen, S. 8 f. 78 Zu dieser Betrachtungsweise, siehe Luhmann, Vertrauen, S. 47 ff.; in ökonomisch-empirischer Ausrichtung ausführlich Schmidtchen, Vertrauen und Recht, S. 3 ff.; Nippa/Grigoleit, S. 11 ff. Zur Abgrenzung von „Vertrauen“ gegenüber Zuversicht, Hoffnung, Zutrauen aus ökonomischer Perspektive: Ripperger, S. 34 ff. Vertrauen bezieht sich bei ihr nur auf subjektive endogene Verhaltensunsicherheit, d.h. bezieht sich auf die Willensleistung des Gegenübers, ist danach also „die freiwillige Erbringung einer riskanten Vorleistung unter Verzicht auf explizite vertragliche Sicherungs- und Kontrollmaßnahmen gegen opportunistisches Verhalten (Vertrauenshandlung), in der Erwartung, dass der Vertrauensnehmer motiviert ist, freiwillig auf opportunistisches Verhalten zu verzichten (Vertrauenserwartung)“, a. a. O., S. 60. Für ein systemtheoretisches Verständnis ist dieser Ansatz wegen seiner zu stark ausgeprägten Konkretisierung/Spezialisierung unzureichend. Ist ohne den Verzicht auf Absicherung Vertrauen als individualpsychologisches Phänomen schlechterdings nicht schon verschwunden, so ist insbesondere kritikwürdig, Vertrauen auf

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B. Methodische und rechtstheoretische Grundlegungen

Gerade in Konstellationen, in denen die Rolle der zu vertrauenden Person nur am Erfolg kontrolliert werden kann, wie zum Beispiel bei der Übertragung von zu betreuendem Kapital an einen anderen, kann „trotz aller Bemühungen um Organisation und rationale Planung“ das Handeln nicht „durch sichere Voraussicht seiner Wirkungen geleitet sein“79 und Vertrauen auch nicht durch ökonomische Verrechnung gänzlich in seiner Erforderlichkeit substituiert werden.80 Allen Fällen der Vermögensbetreuung ist die Hierarchisierung innerhalb der Leistungsbeziehung zwischen Vermögensinhaber und Vermögenbetreuer gemein, an den Entscheidungs- und Handlungsmacht delegiert wird. Die „Vergrößerung der Nutzwirkung (der „Effizienz“) des eigenen Wirtschaftens“ wird erreicht durch arbeitsteilige Vermögensdienste.81 Insbesondere bei finanzintensiven Unternehmungen ist die Übernahme großer Kapitalrisieine endogene Erwartung an eine Willenshandlung eines anderen und damit „Systemvertrauen“ allein auf „Zuversicht“ zu beschränken (a. a. O., S. 39 f., 52), ohne – wie es Luhmann tut – Vertrauen auch auf systemische Handlungslogiken zu abstrahieren. 79 Luhmann, Vertrauen, S. 30. 80 Beachtenswert ist, ob im Rahmen arbeitsteiligen wirtschaftlichen Geschehens Vertrauen immer eine eigenständige Kategorie bleibt, oder ob es nicht ökonomisiert substituiert werden kann. Vorstellbar ist, dass innerhalb einer Vereinbarung zwischen Vermögensinhaber und Vermögensfremdem eine Provision für die (eventuell rechtswidrige) Vermögensbetreuungsleistung abgemacht wird, die die Möglichkeit eines Vertrauensbruchs (zum Beispiel weil der Treupflichtige doch nicht mehr in eine rechtlich fragwürdige Anlageform investieren will) ökonomisch mit einrechnet. Ob Vertrauen gebrochen oder ihm entsprochen wird, steht jedoch im Zeitpunkt, in dem Vertrauen erwiesen wird, grundsätzlich noch nicht fest. Ökonomisch gesehen wird die zeitliche Differenz deshalb zuweilen dadurch aufzulösen versucht, dass im Zeitpunkt der vertrauensbasierten Entscheidung der Vertrauensbruch als „Unsicherheitsfaktor“ stochastisch ermittelt und damit zu verrechnen werden soll. Dagegen spricht jedoch – ohne dies an dieser Stelle weitergehend verfolgen zu können – dass die die Zeitdifferenz mathematisch überbrückende Verrechnung von Wahrscheinlichkeiten von Vertrauensbrüchen („Diskontierung der Erwartungssicherheit“) – wenn es sie denn überhaupt in Form von objektivierbarer Wertfunktionen geben kann (skeptisch Luhmann, Vertrauen, S. 29 f., Fn. 4 m. w. N.) – keine Entscheidbarkeit bei Sicherheit herbeiführt und damit für den Entscheidenden das Vertrauensproblem nicht zu lösen taugt (a. a. O., S. 29 f.; ähnlich auch Eidenmüller, JZ 1999, S. 57). Selbst wenn es graduell eine Ökonomisierung von Vertrauensmissbrauchswahrscheinlichkeiten geben kann, so, wie generell mit Ökonomisierungen von Chancen und Risiken operiert wird, so kann dadurch aber dennoch nicht das für den Wirtschaftsakteur voluntative Moment von Vertrauen hinfällig werden, denn trotz Wahrscheinlichkeiten bleibt eine Entscheidung fällig, die von Persönlichkeiten gefällt wird und damit auch qualitativ unersetzbar ist. Vertrauen ist in der arbeitsteiligen Wirtschaft nicht substituierbar, sondern ist eine ihrer Grundlagen, die sie permanent mit anderen Systemen verknüpfen lässt. 81 Sax, JZ 1977, S. 666 f.; Tiedemann, FS-Stree/Wessels 1993, S. 528.

III. Spezifische Anwendung der systemtheoretischen Überlegungen

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ken durch den oder die Eigentümer in nur seltenen Fällen zu leisten, sodass es zu sogenannten Geschäftsführer-Unternehmungen kommt (zum Beispiel bei den Kapitalgesellschaften). Dort ist die Leistung der Kapitaleinlagen, d.h. die (mit den Kapitalrisiken ausgestattete) Kapitalfunktion nicht mehr mit der Leitung des Unternehmens (Management), d.h. den Geschäftsführungsbefugnissen verbunden.82 So haben etwa Manager als Prinzipale einer Gesellschaft oder andere Führungskräfte im Gegensatz zu Unternehmern alle Aufgaben einer Unternehmensführung, jedoch mit Ausnahme der Kapitalbeschaffung, die sie nicht persönlich leisten.83 Diese Trennung führt zu einem „Basiskonflikt zwischen Kapital und Arbeit“84, der sich unter anderem dadurch auszeichnet, dass der Verfügungsbefugte in den Stand versetzt ist, von den jeweils aktuellen oder mutmaßlichen Eignerinteressen abzuweichen. Diese Problematik entspricht der Ausgangskonstellation der PrincipleAgent-Theorie, die auf das prinzipielle Motivationsproblem des Agenten, sich den Interessen und Anweisungen des Prinzipals gemäß zu verhalten, verweist.85 Das Motivationsproblem wurzelt in der asymmetrischen Informationsverteilung zugunsten des Vertrauensnehmers, denn dieser besitzt Informationen, die dem Vermögensinhaber verwahrt bleiben: etwa über besonders sinnvolle Anlagestrategien, die erkennbar bestmögliche Investition, zumindest aber über die wahren Fähigkeiten und Absichten des Vermögensbetreuers. Die Gefahr, dass sich der Agent im Zuge ungleicher Informationsverteilung im Nachhinein abredewidrig, also opportunistisch verhält, wird im gleichen Sinne auch unter dem Stichwort „moral hazard“ behandelt.86 Zwingend verlangt die daraus resultierende Möglichkeit der Vermögensschädigung dem Vermögensinhaber die beschriebene Vertrauensleistung ab. Das Untreuestrafrecht dient durch der Verstärkung von Loyalität einer Reduzierung der „agency costs“, d.h. der Kosten der Abweichung zwischen tatsächlichem und erwartetem Verhalten.87 Recht gewährleistet mit besonderer Sicherheit die Einhaltung bestimmter vertrauensgeleiteter Erwartungen und ist damit Entlastung für Risiko, das 82 Zur Trennung von Eigner und Unternehmensmanagement, siehe Brinkmann, S. 110 ff. 83 Eidam, S. 43 ff., 64 f. m. w. N. 84 Brinkmann, S. 155 ff. 85 Die zentrale Problematik der Principal-Agent-Theorie lautet also: „Have we any justification for assuming that those in control of a modern corporation will also choose to operate it in the interest of the owners?“, so Berle/Means, S. 121 ff., 353; Ross, S. 134 ff. Zur Konzeption und zu Problemlösungsstrategien (etwa durch Anreizsysteme) siehe Ripperger, S. 63 ff.; Nippa/Grigoleit, S. 3 ff., 20 ff. Insbesondere zur Lösungsmöglichkeit der Prinzipal-Agent-Problematik durch die Gestaltung von Managervergütungen siehe Abschnitt D. II. 5. a) bb) (7) (a) (aa). 86 Siehe Schmidtchen, Vertrauen und Recht, S. 6; Schäfer/Ott, S. 322. 87 Birkholz, S. 245 ff.

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B. Methodische und rechtstheoretische Grundlegungen

das Vertrauen mit sich bringt, aber auch sanktionsbewehrte Kontrolle.88 Zu den erst spät dogmatisierten Einzeltatbeständen, welche zwar auf dem Vertrauensprinzip fundieren, aber welche in differenzierter, einschränkender oder konkretisierender Weise darüber hinausgehen, zählt der Untreuetatbestand.89 § 266 StGB ist dem Vertrauensprinzip entwachsen und belegt dies selbst durch den tatbestandlichen Verweis auf Vertrauensverhältnisse, die privatrechtlich formuliert sein können, es aber nicht müssen, wie in dem Fall der Treupflichtverletzungen (§ 266 StGB 2. Alt.).90 Er kann aber nicht bloßes „Vertrauen“ zum Gegenstand haben. Die Reformulierung des Vertrauensprinzips im Rahmen des § 266 StGB fällt vielmehr in einer Differenziertheit aus, die zunächst einen Vermögensbezug aufweisen und Vertrauen als ‚Ko-Phänomen‘ von Recht und Wirtschaft verstehen muss. Insofern ist die straffunktionale Ankopplung an einen bereits konsolidierten Vertrauensgrundsatz in Form des Untreuetatbestands wohl als strafrechtslogisch angepasste und implementierte „Nachkonstruktion“ einzuordnen.91 Die Vertrauensfunktionalität als solche, d.h. unabhängig davon, welche konkrete Art von Vertrauen überhaupt geschützt wird, ist bei beiden Tatbestandsalternativen des § 266 StGB gleichermaßen gegeben, da sie jeweils identisch auf dem sozialen Faktum arbeitsteiligen Wirtschaftens beruht. Der Faktizität einer Vertrauensbeziehung tut daher die Stellung des Täters als „Bevollmächtigter“ im Sinne des § 266 1. Alt. StGB keinen Abbruch.92 88 Luhmann, Vertrauen, S. 41, 118; ders., ARSP Beiheft 8 1974, S. 31 ff. Dabei stehen Recht und Vertrauen nur in weniger ausdifferenzierten Sozialsystemen in einem Entsprechungsverhältnis. In einem komplexeren und ausdifferenzierten Sozialsystem kommt es zu einer Inkongruenz, ohne dass Vertrauen als Entstehungsgrund, beispielsweise des Vertrags, seine wesentliche Bedeutung verlöre. Nichtsdestotrotz sind die Differenziertheit und die entpersonalisierten Motivationsgrundlagen des Rechtssystems viel zu ausgeprägt, als dass es Vertrauen als „allgemeines, diffuses soziales Erfordernis“ deckungsgleich wiederspiegeln könnte. Das Vertrauensprinzip wird vielmehr juristisch codiert und tritt, wie zum Beispiel im Vertragsrecht, nurmehr unselbstständig im Recht, ausdifferenziert eingearbeitet, hervor (Luhmann, Vertrauen, S. 41 f.). 89 Luhmann, Vertrauen, S. 43 f. 90 Vgl. Luhmann, Vertrauen, S. 43. Das bedeutet, dass „Treue“-Pflicht nicht allein auf ein rein privatrechtliches, sondern abstraktes Kriterium verweist, ein unabhängiges „über die vertraglichen Beziehungen hinausgehendes Treueverhältnis“, das Untreue als Bruch eines Vertrauensverhältnisses charakterisieren lässt. So etwa RGSt 69, 61 („Sicherung des gegenseitigen Vertrauens in Handel und Wandel“); BGHSt 9, 92. Kein Zufall ist es daher auch, dass die ökonomischen Analyse von Vertrauen das Zustandekommen eines Vertrauensverhältnisses als impliziten Vertrag begreift, siehe Ripperger, S. 46 ff., 73. 91 Luhmann, Vertrauen, S. 43 f. Recht und Vertrauen sind grundsätzlich getrennte Sphären, die unabhängig voneinander operieren, jedoch und nur „nach Bedarf in wichtigen Einzelfragen koordiniert werden“.

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Denn auf einen Unterschied, ob nun ein Treuhänder im eigenen Namen handelnd Treubruch begeht oder ein bevollmächtigter Vertreter seine Pflichten verletzt, kann es nicht ankommen. Jeder Bruch einer Verpflichtungsoder Verfügungsbefugnis im Innenverhältnis birgt einen Vertrauensbruch als soziales Phänomen. In beiden Fällen ist ein Vermögensfremder mit Vermögenswirkung für einen anderen in eine wirtschaftlich dem Vermögensinhaber gebührenden Machtstellung versetzt und hat die Möglichkeit dem Vermögensinhaber einen Schaden zuzufügen93. Diese (zukünftige) Möglichkeit ist immer mit Vertrauen verbunden.94 Schädigungspotential und Vertrauen sind bei der sozialen Wirklichkeit der Untreue (§ 266 StGB) interdependent. Dadurch, dass § 266 StGB Vertrauen nur insoweit schützt, als es um einen Missbrauch einer (im Vertrauen eingeräumten) besonderen Machtstellung über fremdes Vermögen95 mit der Folge eines Vermögensschadens geht, vollzieht das Recht hier eine im Weiteren zu klärende funktionale Beschränkung eines bloßen, undifferenzierten Vertrauensschutz.96 Aus Rechtssicht handelt es sich um eine Selbstbeschränkung, um „undisziplinierten Auswüchsen“ im Sinne von „undifferenzierten Begründungen“ auszuweichen.97 Nicht jeder Bruch von vermögensrelevantem Vertrauen wird sanktioniert, sondern nur ein Vertrauen, das immer die Möglichkeit einer Vermögensschädigung mitdenken muss98 (siehe bei C. III. 2.). Die Vertrauensfunktionalität ist also eingebettet in die Struktur des Wirtschaftsbezuges, d.h. dem Vermögensschutz des § 266 StGB99 (dazu auch unter B. III. 3.). 92

Siehe Labsch, S. 133 ff. m. w. N. Siehe Sax, JZ 1977, S. 666 f., 704 f.; Burkhardt, NJW 1973, S. 2190 f.; Kindhäuser, FS-Lampe, S. 718. 94 „Vertrauen bezieht sich also stets auf eine kritische Alternative, in der der Schaden beim Vertrauensbruch größer sein kann als der Vorteil, der aus dem Vertrauenserweis gezogen wird. Der Vertrauende macht sich mithin an der Möglichkeit übergroßen Schadens die Selektivität des Handelns anderer bewusst und stellt sich ihr“, so Luhmann, Vertrauen, S. 28 f. 95 Sax, JZ 1977, S. 666 f. 96 Zur Verbundenheit von Treuepflichten mit dem Wesen der sie mitkonstituierenden Rechtsbeziehungen vgl. auch Labsch, S. 128 ff., 131. 97 Luhmann, Vertrauen, S. 43 f. 98 Daraus folgt, dass bei vollkommener Information (und Rationalität) Vertrauen nicht mehr notwendig sein würde: Ripperger, S. 41 ff. 99 Der Vertrauensschutz erfährt nicht nur in § 266 StGB Berücksichtigung, sondern ging konstitutiv auch in andere Straftatbestände ein, insbesondere in § 263 StGB. Der Betrugstatbestand knüpft an die Funktionalität des Güteraustausches an, der bedingt wird durch das Vertrauen in die Wahrheit konsentierter Tatsachen. Damit ist nicht lediglich Vertrauen in die Wahrheit der Aussage eines anderen geschützt, sondern in allgemeiner Hinsicht – entsprechend zu § 266 StGB – auch das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit entpersonalisierter Handlungssysteme, deren Be93

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b) Personales Vertrauen als funktionales Schutzobjekt im Sinne des § 266 StGB? Fraglich ist, ob Vertrauen im Sinne eines personalen Vertrauens zwischen Vermögensinhaber und Betreuungspflichtigem Gegenstand eines untreuespezifischen Vertrauensschutzes sein kann. Unmittelbar einleuchtend ist dies, wenn eine kraft Rechtsgeschäft zwischen zwei natürlichen Personen vermittelte Vermögensbetreuungspflicht vorliegt100. Der faktische Schutz des Vertrauens setzt dann an der Übertragung von Macht über das fremde Vermögen im „besonderen Vertrauen“ in die Redlichkeit des Vermögensbetreuers an101 und wird auch insoweit auf wirtschaftlich funktionale Privatautonomie in Bezug auf das übertragene Vermögen beschränkt.102 Eine Besonderheit besteht jedoch dann, wenn im besonderen Falle einer aufgrund behördlichen Auftrags oder aufgrund Gesetzes begründeten Verdingung fremde Informationsverarbeitung ist, siehe Luhmann, Vertrauen, S. 66 f. Im Gegensatz zu § 263 schützt § 266 StGB das Vermögen jedoch „von innen“ (LKSchünemann, § 266, Rn. 1; Kindhäuser, FS-Lampe, S. 709 f.), rekurriert aber gleichfalls auf die Funktion des Vertrauens. Man könnte die Intensität des Vertrauensschutzes bei § 266 StGB als noch größer als bei § 263 bezeichnen, da dem Opfer in Betrugsfällen durchaus Selbstschutzmöglichkeiten zur Verfügung stehen, wohingegen der Treugeber im Sinne des § 266 StGB dem Treunehmer gänzlich ausgeliefert sei, so Schünemann, NStZ 2005, S. 474. Andererseits muss dabei auch berücksichtigt werden, dass sich im Falle des § 266 StGB dem Schädigungspotential bewusst ausgesetzt wird. 100 Zu juristischen Personen und den Fällen der aufgrund behördlichen Auftrags oder Gesetzes entstanden Vermögensbetreuungspflicht siehe Abschnitt B. III. 1. d). 101 Sax, JZ 1977, S. 666. Insoweit ist es gänzlich unerheblich, ob der Treugeber zu einem späteren Zeitpunkt dem Treupflichtigen sein Vertrauen entzieht, etwa weil er plötzlich dessen vermögensschädigende Absichten durchschaut (anders Labsch, S. 143 f.). Denn im Tatzeitpunkt bezieht sich der Vertrauensbruch immer auf das Vertrauen, das der Übertragung der Vermögensmacht anhaftete und dessen Grundlage es gewesen ist. Als „konstitutive Übertragungsvoraussetzung bei Einräumung der Täterposition“ (Labsch, S. 150) verstanden, ist das Vertrauen zwar kein Schutzzweck (siehe dazu auch im folgenden Abschnitt B. III. 3.), aber funktionale Schutzrichtung im Rahmen der Abtretung der Privatautonomie. Im Übrigen wäre auch empirisch nicht gesagt, dass der Treugeber bei dem Verdacht vermögensschädigender Handlungen des Treupflichtigen sein Vertrauen – und in Betracht kommt hier ohnehin nur das persönliche Vertrauen – gänzlich verliert. Das Systemvertrauen bleibt von unberührt. Labsch (S. 145) kommt daher auch nicht umhin, dem konkreten ein „abstraktes Vertrauen“ gegenüberzustellen. 102 Insoweit ist folgerichtig, keine untreueerhebliche Pflichtenstellung eines vom Erblasser Bevollmächtigten, der eine über den Tod hinaus wirkende Vollmacht innehat, gegenüber den Erben zu erkennen, siehe KG NStE Nr. 34.

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mögensbetreuungspflicht (sowohl bei der Missbrauchs- als auch bei der Treubruchalternative) zumindest im Zeitpunkt der Vermögensmachtabtretung gar nicht zwingend mit persönlichem Vertrauen gerechnet werden kann. Denn ob die Eltern, ein Vormund, Betreuer, Testamentsvollstrecker, Insolvenzverwalter, Nachlassrichter, Gerichtsvollzieher mit Vermögensmacht ausgestattet werden, hängt grundsätzlich von gesetzlichen Bestimmungen ab und nicht primär von einer individuellen vertrauensgeleiteten Übertragung von Vermögensmacht durch den eigentlichen Vermögensinhaber.103 Desweiteren besteht im Rahmen wirtschaftlicher Handlungsflexibilität auch die Möglichkeit, dass Vermögensinhaber und Auftraggeber getrennte Persönlichkeiten sind.104 Auch in solchen Fällen ist ein faktisches persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Vermögensinhaber und -betreuer nicht zwingend gegeben. Privatautonomie wird in den genannten Fällen allerdings, abstrakt gesprochen, aus Rechtsgründen nach Maßgabe rechtlicher Regelung ausgeübt. Vertrauen kann in solchen Zusammenhängen lediglich insoweit existieren, als im Treueverhältnis eine auf Gesetz oder behördlichen Auftrag beruhende Fürsorgepflicht wurzelt, die das persönliche Vertrauen verrechtlicht.105 Durch eine solche Fiktion scheitert aber für diese Sachverhalte, wie auch Nelles zu Recht feststellt, ein persönliches faktisches Vertrauen.106 Das muss aber, was Nelles unberücksichtigt lässt, nicht für ein Vertrauen als systemische Kategorie gelten (siehe im Folgenden), welches persönliches Vertrauen transzendiert. c) Systemvertrauen Jenseits eines personifizierten Vertrauensverständnisses, welches einer Allgemeingültigkeit für die funktionale Betrachtung des Untreuestraftatbestands entbehrt, kann das Phänomen Vertrauen auch als eigengesetzliche soziale Beziehung zu verstehen sein, welche zu einem Systemvertrauen ausreift und damit den indviduellen persönlichen Kontakt abstrahiert.107 103 So auch Nelles, S. 297 f.; zu den gesetzlichen Bestimmungen siehe Lackner/ Kühl, § 266, Rn. 5a und 10 i. V. m. 5a; Schramm, NStZ 2000, S. 398 f. 104 Siehe BGH NStZ 2000, S. 375; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 32. 105 Vgl. BGH NJW 1957, 597; Welzel, S. 387 f. Anders dagegen schließt Labsch (S. 151 f.) jegliches Vertrauen aus, obwohl nicht ersichtlich ist, wie eine Person selbst bei gesetzlich vorgesetzten Vermögensbetreuungspflichtigen vertrauenslos ist. Gerade die Existenz von gesetzlichen Vermögensbetreuungspflichten ist Ausdruck eines Vertrauens, wenn sie dazu dient „zuverlässigen“ Personen die notwendige Vermögensbetreuungspflicht zu übertragen. 106 Nelles, S. 297 f. 107 Luhmann, Vertrauen, S. 6, 27, 61 ff., 118.

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Luhmann macht die Möglichkeit unreflektierter Kontinuitätserwartungen gegenüber systemischen Prozessen als Grund für eine Regelhaftigkeit des sozialen Lebens und überhaupt des gesamten Rechts aus, weil erst dieses Vertrauen intersubjektiv übereinstimmende Typisierungen hervorruft.108 Damit ist gesagt, dass Vertrauen mit diversen Systembildungen immer vernetzt ist109. Dieser transsystemische Charakter von Vertrauen spricht besonders für die Eignung zu Vernetzungsleistungen von Systemen, deren sich das Untreuestrafrecht zugunsten einer Sicherung von wirtschaftlichen Prozessen mutmaßlich bedient. § 266 StGB sichert sowohl in den Fällen der gesetzlich oder durch behördlichen Auftrag110 begründeten als auch in den Fällen der rechtsgeschäftlich begründeten und durch persönliches Vertrauen eingeräumten Machtstellung über fremdes Vermögen den Schutz des Vertrauens in die generalisierte ökonomische Zuweisungs- und Handlungslogik innerhalb von Privatautonomie, insbesondere auch in die Erhaltung bzw. Vermehrung des Vermögens, welches einer Person – persönlich oder unpersönlich – abgetreten wurde. Es geht dabei um ein Vertrauen nicht primär als individualpsychologisches Phänomen gegenüber der Redlichkeit eines Anderen, sondern um ein Systemvertrauen im Rahmen einer Vermögensmacht eines Anderen.111 D.h. einerseits ein Vertrauen in die Wirksamkeit der außerstrafrechtlichen Teilrechtssysteme, die qua Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft Vermögensbetreuungspflichten begründen: Deren Verbindlichkeitserwartung wird durch die Schutzrichtung des § 266 StGB gleichsam wiederholt. 108 „Man kann sich in höherem Maße riskantes Vertrauen [. . .] leisten, wenn man dem Recht vertraut“: Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 132. 109 Siehe Luhmann, Vertrauen, S. 4 f. 110 Hierbei könnte man erwägen, ob die Vermögensmachtstellung qua behördlichem Auftrag (wie auch zum Beispiel qua Rechtsgeschäft mit einer durch einen Geschäftsführer vertretenen GmbH) nicht auch von persönlichem Vertrauen geleitet und daher nicht wie gesetzliche Begründungen von Vermögensbetreuungspflichten zu behandeln ist. Da behördliche Aufträge in den meisten Fällen mit Entscheidungsspielräumen belegt sein dürften, welche durch Personen im Amt ausgeschöpft werden, ist hier eine gewisse Form von „behördlicher Privatautonomie“ indiziert. Da aber auch ein Beamter trotz mitunter persönlicherem Verhältnis zum Vermögensfremden dennoch nicht „Vermögensinhaber“ ist, kann sein Vertrauen, ebenso wie bei allen juristischen Personen (siehe im folgenden Abschnitt B. III. 1. d)), nicht ein persönliches Vertrauen der „juristischen“ Person ohne Weiteres abbilden. 111 Siehe auch Otto, MschKrim 1980, S. 399 f.: Wirtschaftskriminelle Verhaltensweisen zeichnen sich dadurch aus, dass sie „das Vertrauen in die geltende Wirtschaftsordnung insgesamt oder in einzelne Institute und damit den Bestand und die Arbeitsweise dieser Wirtschaftsordnung gefährden“. Vgl. auch Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 58 ff.

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Andererseits aber auch ein Vertrauen in das Wirtschaftssystem und der ihr eigenen Handlungslogiken, denen zu entsprechen von dem Vermögensbetreuer erwartet wird. Denn wird einem Vermögensfremden – ob durch Rechtsgeschäft, Gesetz oder behördlichen Auftrag – besondere Macht über sein Vermögen eingeräumt, so vertraut der Vermögensinhaber darauf, dass das fortgegebene Vermögen gemäß der wirtschaftlichen Handlungslogik betreut wird, soweit keine konkreten Abmachungen getroffen sind (beispielsweise bei Ermessensentscheidungen)112, das Vermögen ihm weiterhin wirtschaftlich gebührt und diese wirtschaftliche Zuweisung nicht unterbrochen wird, auch nicht dadurch, dass ein Dritter gutgläubig oder der Treunehmer Eigentum erwirbt.113 Hier wird auch deutlich, dass im Wirtschaftssystem Reduktion von Komplexität durch die Selektionsleistung des Geldes (und man wird an dieser Stelle allgemein Vermögen sagen können) als „übertragbare Freiheit zu unbegrenzter Güterwahl“ immer verbunden ist mit privatautonomer Entscheidung, denn die Frage „wie diese Komplexität reduziert wird, wie, wann, wem gegenüber und wofür der einzelne sein Geld ausgibt [oder es zur Betreuung überträgt, A. B.]“ ist Ausdruck und Voraussetzung der „Institutionalisierung allgemeiner individueller Freiheit“.114 Ähnliches gilt dann, wenn es jemandem gesetzlich gebührt eine Machtstellung über fremdes Vermögen einzunehmen. Der Vermögensinhaber vertraut auch hier darauf oder darf darauf vertrauen, dass die Übertragung von Vermögensmacht und „privatautonomer Entscheidungsrechte“ nicht einhergeht mit einer Veränderung der wirtschaftlichen Vermögenszuweisungs- und Handlungslogik, also verhaftet bleibt in einer bruchlosen Aufrechterhaltung der Privatautonomie. 112 Siehe dazu in Abschnitt C. IV. 2. d) cc) (1); vgl. auch Wassmer, S. 59: „Auch ohne ausdrückliche risikopolitische Anweisungen erwartet der Treugeber eine bestimmte Risikopolitik. Dies zeigt allein die Tatsache, daß er auf ausdrückliche Vorgaben verzichtet“; vgl. unter theoretischer Perspektive auch Luhmann, Vertrauen, S. 61. Im Übrigen vertraut der Vermögensinhaber auch darauf, dass das der Vermögensbetreuungspflicht zugrunde liegende wirtschaftliche Verhalten (die Vermögensmehrung vor allem) innerhalb generalisierter wirtschaftlicher Erwartungsstrukturen auch funktioniert; so beispielsweise das Vertrauen in das Vorhandensein und die Funktionsfähigkeit von Geld, Vermögen etc. (siehe Luhmann, Vertrauen, S. 63). Dieses Vertrauen in das Wirtschaftssystem als solchem unterfällt jedoch nicht dem funktionalen Schutz des § 266. 113 Siehe Sax, JZ 1977, S. 666 f., 704 f. § 266 StGB bestätigt und schützt dieses Vertrauen, erfüllt wird es im Übertretungsfalle aber nur durch zivilrechtliche Herausgabe- oder Schadensersatzpflichten. 114 Luhmann, Soziologische Aufklärung, S. 214 f. passim; ders., Vertrauen, S. 63 f., 66.

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Schließlich vertraut der Vermögensinhaber auch darauf, dass sein persönliches und Systemvertrauen geschützt wird und im Falle eines vermögensschädigenden Vertrauensbruchs der Vermögensfremde bestraft wird.115 Dieses Vertrauen in den Vertrauenschutz selbst schützt § 266 StGB jedoch deshalb nicht, weil § 266 StGB es erst erzeugt. Ein solcher Schutz ist an die oben erörterte Anwendungseffizienz geknüpft. Das von Individuen getragene Vertrauen kann von § 266 StGB also nur funktional geschützt, nicht aber erfüllt, d.h. ein Vertrauensverlust kann nicht durch § 266 StGB kompensiert werden. Kompensiert und nicht nur negativ geschützt werden kann das Vermögen aber beispielsweise durch § 823 BGB i. V. m. § 266 StGB.116 d) Nicht-natürliche Personen als rechtliche Vermögensinhaber und Vertrauen Separat und differenzierter zu begutachten ist die Vertrauensfunktionalität für die Fälle, in denen der Vermögensinhaber gar keine natürliche Person ist, sondern etwa eine juristische Person. Nur dann kann ein Systemvertrauen allgemeines funktionales Merkmal einer untreueerheblichen Pflichtenstellung sein, wenn es auch in jenen Fallgestaltungen besteht. Nicht-natürliche Personen sind „gesetzgeberische Zweckschöpfungen“ von rechts- und handlungsfähigen Personenzusammenschlüssen oder -mehrheiten, die sich gegenüber ihren Mitgliedern (natürlichen Personen) verselbstständigt haben.117 Juristische Personen (zum Beispiel ein wirtschaftlicher Verein, § 22 BGB, insbesondere eine Aktiengesellschaft, § 1 AktG, eine GmbH, § 13 Abs. 1 GmbHG oder eine Stiftung des bürgerlichen Rechts, § 80 BGB, aber auch juristische Personen des öffentlichen Rechts118), sowie aber auch Gesamthandgemeinschaften (zum Beispiel Personengesellschaften wie die oHG, siehe § 124 Abs. 1 HGB) haben eine Rechtspersönlichkeit und unterscheiden sich in ihren Beziehungen zu anderen Privatrechtssubjekten nicht wesentlich von den privatrechtlichen Beziehungen zwischen Menschen. Sie sind nicht nur rechtsfähig, sondern mit Hilfe der für sie handelnden Organe auch geschäftsfähig und grundsätzlich vermögensfähig119. 115 Dazu zum Beispiel Bussmann/Lüdemann, S. 138 ff. Geerds nennt dies „Vertrauen in die Unverbrüchlichkeit des Rechts“ (Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 63). 116 Siehe BGHZ 100, 191; BGH NJW 1999, 2817. 117 Palandt-Heinrichs, Einf. v. § 21, Rn. 1 ff. Unternehmen sind als Organisationen Soziale (Sub-)Systeme innerhalb des Funktionssystems Wirtschaft: siehe Lieckweg, S. 273 ff.; Teubner, Soziale Systeme 1999, S. 8. 118 Siehe Palandt-Heinrichs, Einf. v. § 21, Rn. 3.

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Eine Selbstverständlichkeit ist es, dass für entpersonalisierte Rechtsräger, wie juristische Personen, Rechte und Rechtsstellungen nur insoweit offenstehen als „diese nicht die menschliche Natur ihres Trägers voraussetzen“.120 Für eine Analyse der Vertrauensfunktionalität innerhalb von § 266 StGB ist diese Entpersonalisierung der Opfereigenschaft bedeutsam. Denn es liegt auf der Hand, dass beispielsweise eine AG kein Träger von Systemvertrauen sein kann, wenn man Vertrauen als „Willensleistung“ und „Zutrauen zu eigenen Erwartungen“121 definiert. Denkbar ist aber, dass eine Art ‚ursprüngliches‘ Vertrauen eines in seiner Art zweckgeschöpften Wirtschaftsakteurs zur Herstellung funktionaler Äquivalenz durch gesetzliche Regelungen projiziert und normiert wird.122 Wer aber ist Träger dieses Vertrauens? aa) Außenverhältnis Die Tatsache, dass ohne Menschen keine juristische Personen handeln, aktiv am Wirtschaftsprozess teilhaben können, spricht gegen die Vorstellung, juristische Personen könnten eigene Vertrauensleistungen erbringen. Für solche in Betracht kommen allerdings natürliche Personen, die als Organe oder Vertretungsstellen die Geschäftsfähigkeit der juristischen Personen gewährleisten. Besonders naheliegend ist das in den Fällen, in denen eine wirtschaftliche Einheit von juristischer und der für sie handelnder natürlicher Person besteht, wie beispielsweise bei GmbH-Gesellschaftern, die nicht faktische Geschäftsführer sind123 (siehe dazu bei C. V. 3.). Wie aber verhält es sich, wenn die Vertretung einer juristischen Person nicht ihrem „wirtschaftlichen“ Eigentümer obliegt, also etwa beispielsweise bei Vereinen, Stiftungen, juristischen Personen des öffentlichen Rechts, Aktiengesellschaften? 119

Palandt-Heinrichs, Einf. v. § 21, Rn. 8. Palandt-Heinrichs, Einf. v. § 21, Rn. 8 f. Unter systemtheoretischem Blickwinkel, in dem „Person“ lediglich als artifizieller Begriff Verwendung findet, ergibt sich das Differenzpotential zwischen „Organisation“ als Kollektivakteur und handelndem Individuum aus der Differenz von Sozialsystem und psychischem System, siehe Hutter/Teubner, S. 118 ff., 130 ff., 138 f. 121 Luhmann, Vertrauen, S. 39, 1. 122 Auch eine gesetzliche Normierung von Vertrauen (im Sinne von abstrahierender Substitution von Erwartungen) ist gemeint, wenn der BGH beispielsweise von „gesetzlich gewährleisteten Eigeninteressen der GmbH“ spricht (BGH NJW 1997, S. 69). Der Schutz des „Unternehmensinteresses“ im Rahmen von § 87 Abs. 1 AktG wäre dann zum Beispiel ein Fall einer Normierung im Sinne einer Vertrauenssubstitution. 123 Siehe §§ 6 Abs. 3 S. 1, 35 Abs. 1 GmbHG. Zur fehlenden Treupflicht der Gesellschafter siehe Schramm, S. 127 f. 120

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Gemeinsames Merkmal ist auch hier, dass die Träger von Dispositionsbefugnis bei Gesamthandgemeinschaften wie bei juristischen Personen immer natürliche Personen sind. Steht ein Vermögensfremder bei Rechtsgeschäften mit Gesamthandgemeinschaften oder juristischen Personen immer natürlichen Personen gegenüber, die Dispositions- und damit Vertrauensträger sind, so gilt das zum Systemvertrauen im Rahmen von natürlichen Personen Geschilderte für die rechtlichen Vertreter ebenso, denn die Verhaltenserwartungen, die der juristischen Person (oder Gesamthandgemeinschaft) – als „Akteursfiktion der Wirtschafts- und Rechtspraxis“124 – zugerechnet werden, werden durch jene Vertreter verkörpert, repräsentiert und ausgeübt. Dann aber würde, so könnte man vermuten, durch die „rechtliche Zweckschöpfung“ der nichtnatürlichen Vermögensträger die Vermögensinhabereigenschaft und der Vertrauensinhabereigenschaft getrennt und § 266 StGB, funktional betrachtet, gar nicht anwendbar sein. Dies ist jedoch deshalb nicht der Fall, weil, wie oben gezeigt, der Anspruch an wirtschaftlich funktionale Äquivalenz an juristische Personen (oder Gesamthandgemeinschaften) nur insoweit gerichtet wird, als diese nicht die menschliche Natur voraussetzen. Infolge dessen setzen sie die menschliche Natur immer voraus, wenn sie ökonomisch und damit vertrauensgeleitet handeln können. Aus diesem Grund sind die sie vertretenen und ihr zuzurechnenden Personen immer auch Teil der Gesellschaft (zum Beispiel ist der Vorstand Teil der Verfassung der Aktiengesellschaft, § 76 AktG), zwar nicht im Sinne ‚wirtschaftlicher Eigentums-Einheit‘, jedoch im Sinne ‚wirtschaftlicher Handlungs-Einheit‘. Nur an wirtschaftlichem Handeln knüpft Vertrauen überhaupt erst an. Die „rechtliche Zweckschöpfung“ kann also wirtschaftlich äquivalent handeln, weil vertrauensgeleitete natürliche Personen integraler Bestandteil sind, die die juristische Person (oder Gesamthandgemeinschaft) in dieselbe Vertrauenslogik miteinbezieht, wie sie für natürliche Personen erörtert wurde. bb) Innenverhältnis Weiterhin zu klären bleibt aber dann noch das ‚Vertrauensverhältnis‘ zwischen der juristischen Person (oder Gesamthandgemeinschaft) und ihrem Vertreter. Bedeutsam ist das beispielsweise dann, wenn es um das (pflichtwidrige) Selbstkontrahieren eines treupflichtigen Organs mit sich selbst (als Unternehmer)125, um ihre Pflichten gegenüber der Aktiengesellschaft verletzende Aufsichtsratsmitglieder (siehe zum Beispiel § 87 Abs. 1 AktG) oder um veruntreuende Beamten geht. Wie bereits ausgeführt, stehen juristische 124 125

Hutter/Teubner, S. 130 ff. Siehe Thomas, FS-Riess, S. 798.

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Personen (bzw. Gesamthandgemeinschaften) zu ihren Vertretern bzw. Organen in einer ‚wirtschaftlichen Handlungseinheit‘, d.h. auch hier kommen als Vertrauensträger lediglich die natürlichen Personen in Betracht. Sinnvoll ist es, zunächst zu prüfen, ob andere Teile der wirtschaftlichen Handlungseinheit, also zum Beispiel der juristischen Person, natürliche Personenqualität besitzen und zugleich deren wirtschaftliche Eigentümer sind126. Naheliegend ist es beispielsweise, dass Aufsichtsratsmitglieder einer AG durch ihre Kompetenzen als Aufsichts- und Kontrollorgan mit Überwachungsfunktionen (beispielsweise i. S. d. § 87 Abs. 1 S. 1 AktG) Tätigkeiten vollziehen, die im Interesse und im Vertrauen der Aktionäre, also den wirtschaftlichen Vermögensinhabern liegen. Deren Privatautonomie und deren Vertrauen wurde gesetzlich durch das Aktiengesetz teils übernommen und ausgestaltet. Nämliches gilt für das Verhältnis zwischen Betreutem und Betreuer, Insolventem und Insolvenzverwalter, Erben und Testamentsvollstrecker usw. Ein solches vertrauensgeleitetes Innenverhältnis, zum Beispiel zwischen den Aktionären und den Aufsichtsratsmitgliedern als Organe einer AG, stellt sich vor diesem Hintergrund als internes Außenverhältnis dar, für welches die zum Außenverhältnis getätigten Ausführungen gleichfalls gelten. Diese Betrachtung kann man nun – was an dieser Stelle nicht zu leisten ist – auf beliebige Konstellationen von gesellschaftsinternen Innenverhältnissen übertragen und so vertrauensgeleitete Vermögensbetreuungsverhältnisse herauskristallisieren.127 In einer Variation scheint dieser Weg jedoch nicht möglich. Und zwar dann, wenn ein anderer natürlicher wirtschaftlicher Eigentümer nicht existiert, so zum Beispiel in einer Ein-Mann-GmbH oder bei konsensualem Vorgehen aller Gesellschafter einer GmbH. Dort spricht die Vertrauensfunktionalität dafür, die Möglichkeit der Untreue generell zu verneinen (siehe dazu C. V. 3. b)). e) Zusammenfassung Soweit es um die Beantwortung der Frage geht, ob § 266 StGB das Vertrauen des Vermögensinhabers gegenüber dem Vermögensbetreuungspflich126 Zum Beispiel bei verselbstständigten Vermögensmassen andere (Mit-)Träger der Vermögensmasse, siehe BGHSt 34, 221; BGH NStZ 1987, S. 279. 127 Auch Vermögensbetreuungspflichtigen, die für juristische Personen des öffentlichen Rechts dispositionsbefugt sind, wird Vertrauen entgegengebracht, nicht von dem Vermögensinhaber selbst, also zum Beispiel einem Land oder einem (staatlichen) Theater, sondern letztlich von dem wirtschaftlichen Inhaber, den Staatsbürgern.

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tigen schützt, kann es sich nur um ein Systemvertrauen des natürlichen wirtschaftlichen Eigentümers handeln, welches allen untreueerheblichen Konstellationen zu eigen ist. 2. Privatautonomie und Vermögen als strukturelle Kopplungen von (Straf-)Recht und Wirtschaft und funktionale Schutzobjekte des § 266 StGB Rechts- und Wirtschaftssystem sind über das Eigentum strukturell verkoppelt (siehe B. II. 2.). Ist Eigentum für das Wirtschaftssystem ein Code, mit Hilfe dessen das System konditionierbar wird, weil feststellbar wird, wem welche Güter zugeordnet werden128, ist es im Rechtssystem ein mit gesicherten Rechten versehenes Institut, mit dessen Universalität „jedermann den Eigentümer als Eigentümer zu respektieren hat, sofern nicht das Rechtssystem selbst Einschränkungen vorsieht“129. Mit dem Eigentum verbunden ist die Dispositionsfähigkeit bzw. Verfügungsmöglichkeit ohne dass es auf eine andere Zustimmung als allein des Eigentümers ankäme.130 In der Vertragsfreiheit liegt daher eine weitere strukturelle Kopplung beider Systeme, die die Unterscheidungen von Unterscheidungen nach Transaktionen stabilisiert: wer nach der Transaktion Eigentümer ist und wer nicht, bestimmt sich nach privatautonomer Bestimmung (Vertrag) und wird rechtlich gesichert.131 Die Tatbestandsmerkmale „Vermögensbetreuungspflichtverletzung“ und „Vermögensschaden“ sind beide Ausdruck einer auf die autonome Vermögensmacht des Treugebers gerichteten Schutzwirkung. a) Privatautonomie Einer Person wird also zum Zwecke des „Dienstes“ am Vermögen ein Vermögensmacht-Überschuss durch Rechtsgeschäft mit dem Vermögensinhaber oder durch rechtliche Regelung (zum Beispiel Gesetz) verliehen, d.h. ihr wird ein eigener Selektionsspielraum verschafft. In der prädominierenden funktionalen Bedeutung der Privatautonomie zeigt sich, dass der Untreuetatbestand nicht die Sanktionierung ökonomisch inadäquater „Ersatzhandlungen“ des Vermögensinhabers durch den Vermögensfremden konstituiert, sondern auf eine asymmetrische Informations- und Leistungsvertei128

Luhmann, Wirtschaft der Gesellschaft, S. 187 ff. Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 266 f., 491 f. 130 Luhmann spricht insoweit von der „Unterbrechung von Konsenserfordernissen“ als Sinn des Eigentums, Recht der Gesellschaft, S. 454 f. 131 Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 455 ff., 459, 464 f., 491 f. 129

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lung im Rahmen einer arbeitsteiligen Wirtschaft zurückgeht.132 Es kann nicht etwa die beste Investitionsoption einer Kapitalanlage als der eigentliche Wille des Vermögensinhabers fingiert und damit die Untreue als strafrechtliche Verkörperung eines Korrektivs zu Gunsten einer wirtschaftlich optimalen Vermehrungsstrategie von Kapital erhoben werden (siehe C. IV. 3. c) bb) (4)). Der Untreuestrafgrund liegt nicht primär darin, dass ökonomisch verobjektivierbar optimale Vermögenszustände, in die eventuell von irgendjemandem vertraut worden ist, nicht erreicht werden. Ebenso wie § 263 StGB nicht die marktmäßige Preisbildung, sondern nur die individuellen Voraussetzungen schützen kann.133 Das charakteristische Verhältnis zum Vertrauensschutz liegt vielmehr darin, dass es sich bei den Merkmalen Privatautonomie und Vermögen um allgemein-objektive intersystemisch strukturelle Schutzrichtungen handelt, die vom individuellen Systemvertrauen immer schon mitumfasst sind. Der Schutz des Vertrauens wird insoweit spezifiziert durch den Schutz der Privatautonomie. Vertrauensschutz ist daher gegenüber dem Schutz der Privatautonomie nurmehr Sekundäreffekt, d.h. er ist im Kanon der Schutzfunktionen notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die funktionale Bedeutung des § 266 StGB. Verkauft zum Beispiel ein Hehler abredewidrig die Sache und eignet sich den Erlös an, begeht er damit keine Untreue134. Nämliches gilt auch im Rahmen gegenseitiger Verträge, in denen keine Privatautonomie (besondere Vermögensmacht) „übertragen“ wird (siehe dazu später bei C. III. 2. b))135. Eine untreueerhebliche Pflichtenstellung ist nur bei einer Einräumung einer besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Macht gegeben, also nur dann, wenn ein Surplus an Macht über das Vermögen verliehen wird, das rein wirtschaftlich über das zur „Verwirklichung des vom Berechtigten verfolgten Zieles“ erforderliche Maß hinausgeht136, d.h., wenn mithin ein Stück Privatautonomie „abgetreten“ wird. Deshalb reicht es – im Gegensatz zu § 246 Abs. 2 StGB – für die Verwirklichung des § 266 StGB regelmäßig nicht aus, wenn im Vertrauen der bloße Besitz an Vermögensfremde übertragen wird, die die Sache für sich verwerten. Denn in diesen Fällen ist keine besondere Machtstellung über fremdes Vermögen, sondern lediglich eine jeden Fremdbesitz charakterisierende allgemeine Macht ein132 Sax, JZ 1977, S. 666 f.; Schäfer/Ott, S. 517 f.; Luhmann, Wirtschaft der Gesellschaft, S. 219 f.; Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 31, Rn. 156. 133 Thomas, FS-Riess, S. 795 m. w. N. 134 Siehe Sax, JZ 1977, S. 704, Fn. 51. 135 Wird im Rahmen von gegenseitigen Verträgen vermögensschädigend Vertrauen missbraucht, ist auf § 263 StGB zu verweisen, siehe auch Thomas, FS-Riess, S. 797. 136 Sax, JZ 1977, S. 704.

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geräumt.137 Im Zusammenspiel von Vertrauensschutz und Schutz der Privatautonomie im Sinne von wirtschaftlicher Vermögenszuordnung bei § 266 StGB liegt gerade das systematisch-dogmatische Abgrenzungskriterium gegenüber dem Unterschlagungstatbestand. Auch die nur allgemeine Macht eines Schuldners begründet keine untreuetaugliche Pflichtenstellung138, denn die Verfolgung eigener Interessen innerhalb vertraglicher Austauschbeziehungen bedeutet, dass bei dem Vermögensfremden gerade die eigene Privatautonomie Ausdruck findet und nicht privatautonome Vermögensmacht des Vertragspartners an den Vermögensfremden abgetreten wird. Insoweit liegt, wie Thomas139 ausführt, ein „Interessengegensatz“ vor, bei dem die rechtliche Macht wirtschaftlich dem gebührt, der sie innehat. Der Schutz der Privatautonomie im Sinne der Aufrechterhaltung wirtschaftlicher Zuweisungslogik ist bei der Stipulierung schuldrechtlicher Verpflichtungen – mit Ausnahme etwa der gegenüber § 266 StGB in dieser Hinsicht zivilrechtlichen Parallelnorm § 667 BGB140 – unbedeutend. Anders gewendet zeigt sich darin, dass der Vertrauens- und Vermögensschutz bei § 266 StGB den Schutz der Privatautonomie als Kontinuitätsgarant, als spezifisches Verbindungsmerkmal der beiden anderen Schutzrichtungen, erfordert. Dieser Schutz der Privatautonomie ist der abstrakte Ausdruck des Kontinuums einer „intimisierten“ Vermögensmachtzuordnung (Innenverhältnis) innerhalb eines Interessenkonflikts (Außenverhältnis).141 In ihrer Funktion wirkt der Schutz der Kontinuität der Privatautonomie damit auch begrenzend. Denn nur dort, wo innerhalb einer Vermögens137

Siehe Sax, JZ 1977, S. 743. Sax, JZ 1977, S. 666. 139 Thomas, FS-Riess, S. 796 f. 140 Siehe Palandt-Sprau, § 667, Rn. 2. Gleichwohl erzeugen auch „untreuekompensierende“ privatrechtliche Verpflichtungen, beispielsweise gemäß § 667 BGB auf Herausgabe von Provisionen oder Schmiergeldern (siehe BGHZ 39, 1 ff.; BGH NJW 1982, S. 1752 f.) keine untreueerhebliche Pflichtenstellung, da auch sie nur eine allgemeine rechtliche Macht als Schuldner vermitteln, siehe BGH NStZ 1995, S. 233 f.; Rönnau, JuS 2003, S. 233). 141 Das Innenverhältnis i. R. d. § 266 StGB ist folglich nicht durch einen prinzipiellen Interessenkonflikt gekennzeichnet (anders im Außenverhältnis, siehe dazu Abschnitt C. III. 3. c)). Das wird schon dadurch deutlich, dass es § 266 StGB nicht darauf ankommt, ob der Veruntreuende eigennützig gehandelt hat. Damit ist auch zu bezweifeln, dass § 266 StGB als „strafrechtliche Ergänzung des § 181 BGB“ begriffen werden kann, weil es bei § 181 BGB auch um eine Interessenkollision „bei gegenläufigen Handlungszielen für ein und dieselbe Person“ geht (Dannecker, NZG 2000, S. 243 f.). Richtig ist, dass der Treupflichtige immer die Möglichkeit besitzt von den Treugeberinteressen abweichende Handlungsziele zu verfolgen (denn ihm wurde privatautonome Macht „abgetreten“). Es kollidieren dadurch aber keine privatautonomen Interessen, sondern es wurde schlicht die Pflicht zu treugeberinteressentreuem Verhalten verletzt. 138

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betreuungsrelation eigene Privatautonomie „abgetreten“ wird, tritt die Privatautonomie des Vermögensbetreuers zur Seite, allerdings ohne zu entfallen. Außerhalb des Innenverhältnisses ist das Verfolgen eigener Interessen unbeschränkt.142 b) Vermögen Die Eigentumsordnung wird in § 266 StGB durch die wirtschaftliche Zuweisungsordnung überlagert: Im Unterschied zu § 246 StGB greift § 266 StGB auch in den Fällen, in denen der Vermögensbetreuungspflichtige Eigentum erworben hat. § 266 StGB ist insoweit im Schutz anderer gebührender Sachen über § 246 StGB „hinausgewachsen“.143 „Strafrechtlich entscheidet es allein, ob der Pflichtige mehr rechtliche Macht über das Vermögen erlangt, als ihm dem Vermögensinhaber gegenüber wirtschaftlich zustehen soll“, d.h. ob er eine derivativ eingeräumte überschießende Macht (Entscheidungskompetenz, „abgetretene Privatautonomie“) besitzt.144 Die Einräumung besonderer Macht über fremdes Vermögen übersteigt zwar grundsätzlich das zur „Verwirklichung des vom Berechtigten verfolgten Zieles“ erforderliche Maß, ökonomisch jedoch vollzieht sich dabei immer die Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Vermögenszuordnung.145 Der Untreuestraftatbestand „vervollständigt“ die Privatautonomie anhand ökonomischer Vermögenszuweisungslogik über die Eigentums- und Besitzordnung hinaus. Deshalb ist auch davon zu sprechen, dass § 266 StGB im Gegensatz etwa zu § 263 StGB dem Schutz fremden Vermögens von innen dient.146 Vermögensschutz von innen muss sich auf eine wirtschaftliche Erweiterung dieses rechtsdogmatisch eingeschränkten Vermögensbezuges einlassen, die dann ebenfalls unter die spezifische vermögensbezogene Schutzwirkung fällt. Diese ‚innere Erweiterung‘ ist im Rechtsverständnis dann nurmehr durch den Grundsatz der Privatautonomie zu fassen, die eine Aufrechterhaltung jener wirtschaftlichen Zuweisungslogik nicht sachenrechtlich verkürzt. 142 Zum wirtschaftswissenschaftlichen Theorem des rational egoistischen Menschen (sog. REM-Hypothese), statt aller: Schäfer/Ott, S. 58 ff. 143 Sax, JZ 1977, S. 705. 144 Sax, JZ 1977, S. 704; Kindhäuser, FS-Lampe, S. 718, 721; Schramm, S. 33. Entsprechend in der Perspektive der Principle-Agent-Theorie zum Beispiel Birkholz, S. 245 ff., 252 oder Ross, S. 134: „A principal-agent relationship arises between at least two parties, in which one (the agent) acts on behalf or as representative of the other (the principal) to perform services which involve delegating decision-making authority“. 145 Sax, JZ 1977, S. 704. 146 LK-Schünemann, § 266, Rn. 1; Saliger, HRRS 2006, S. 17.

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3. Funktionale Schutzrichtung und normativer Schutzzweck des § 266 StGB Das Rechtsgut, d.h. der Schutzzweck einer Norm als Auslegungskriterium im Rahmen einer teleologischen Argumentation ist seinerseits Produkt einer Auslegung.147 § 266 StGB schützt als Vermögensdelikt im engeren Sinne das Vermögen.148 Nach überwiegender Rechtsprechung und Literatur handele es sich bei der Untreue um ein reines Vermögensdelikt. Die reinen Vermögensdelikte (wie §§ 263, 266 StGB) schützen ausnahmslos das Vermögen, wohingegen die sonstigen Vermögensdelikte (§§ 253 ff., 264, 264a) neben dem Vermögen weitere Rechtsgüter, wie zum Beispiel die Dispositionsfreiheit, schützen.149 Auffallend ist, dass sich die Beschränkung der Schutzrichtung des § 266 StGB auf das „Vermögen“ gerade aus der Sorge um eine Ausweitung der Anwendung des Untreueparagraphen auf Lädierungen der Dispositionsbefugnis speist.150 In der Tat wird nämlich in Teilen die Auffassung vertreten, § 266 StGB schütze über das Vermögen hinaus auch das „Vertrauensverhältnis zwischen Täter und Opfer“ bzw. die Dispositionsfreiheit des Tatopfers sowie auch das Vertrauen in die Redlichkeit des Geschäftsverkehrs oder als Rechtsgüter des § 266 StGB.151 Insbesondere überindividuelle und damit nichtdispositive, dem Vermögensschutz ebenbürtige Schutzzwecke würden durch die tatbestandliche Auslegung zu einer Ausweitung der Anwendung des § 266 StGB führen, weil der Vermögensinhaber insoweit nicht einmal durch Einverständnis die Strafbarkeit ausschließen könnte.152

147 Dazu und auch zum mehrdimensionalen Rechtsgutbegriff Nelles, S. 287 f. m. w. N. 148 Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 1; Lackner/Kühl, § 266, Rn. 1. Abzugrenzen von den Vermögensdelikten sind die Eigentumsdelikte wie §§ 242 ff., 249, 252 StGB, denn das Eigentum verkörpert zwar regelmäßig einen Vermögenswert, wird jedoch auch unabhängig von seinem Wert geschützt, siehe Rengier, BT 1, § 1, Rn. 1; Maurach/Schröder/Maiwald, BT 1, § 31, Rn. 8. 149 BGHSt 16, 325; Lackner/Kühl, § 263, Rn. 1 f.; NK-Kindhäuser, § 266, Rn. 9 ff.; Labsch, Jura 1987, S. 343 f.; Fischer, § 266, Rn. 2; Schönke/SchröderPerron, § 266, Rn. 1; Nelles, S. 305. 150 Vgl. auch BGHSt 43, 297; statt vieler Nelles, 298 ff.; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 1; Schramm, S. 27. 151 Siehe BGH NStZ 1984, S. 550; Dunkel, GA 1977, S. 344 f.; Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 76, 116 ff.; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 747. 152 Nelles, S. 300. Das Verständnis des Rechtsgutes einer Norm als teleologisches Argument würde paradoxiert werden, wenn die soziale Funktion der Strafnorm immer auch Rechtsgut wäre. Individualrechtsschützende Straftatbestände wären dann prinzipiell gar nicht mehr denkbar (a. a. O.).

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Weder „individuelles Systemvertrauen“ noch die „Privatautonomie“ des Vermögensinhabers sind daher gleichwertige Schutzzwecke des Untreuestrafrechts. Dabei kann eine funktionale Betrachtung zur Ergründung der Schutzrichtung jedoch nicht stehen bleiben. Denn die Ausblendung weiterer Schutzgüter des § 266 StGB scheint die Konturlosigkeit des Tatbestandes ausgleichen zu wollen, ohne dabei jedoch zu berücksichtigen, dass eine funktionale Betrachtung, die den Vermögensschutz im Lichte eines spezifischen funktionalen Kontextes sieht, der Konturierung gerade dienlich sein könnte und dass die anhand des gesamten Tatbestandes ausdifferenzierte Betrachtung der funktionalen Schutzwirkung des § 266 StGB weder eine Relativierung seines Vermögensschutzcharakters noch eine Öffnung des Vermögensschutzes hin zur Pönalisierung von Verletzungen der Dispositionsbefugnis bedeutet. Die normative Abzielung auf den Schutz von Vermögen und die Ablehnung weiterer selbstständiger Schutzzwecke bedeutet nämlich nicht, den Schutz „individuellen Systemvertrauens“ und der „Privatautonomie“ als sachlogische Spezifika (Bestandteile) des Schutzzweckes „Vermögen“ zu versagen, die innerhalb dieses Schutzzweckcharakters restriktive teleologische Auslegungskriterien zur Verfügung stellen. Die Ansicht, daß § 266 StGB ausschließlich das Vermögen schützt, ist daher unzureichend. Die Differenziertheit der Schutzrichtung begründet sich nämlich auch daraus, dass eine funktionale Analyse am gesamten Tatbestand interessiert sein muss, der bei § 266 StGB neben dem Schaden des Vermögens eben auch eine Pflichtverletzung umfasst. Diese Pflichtverletzung ist, wie noch genauer zu zeigen ist, zwar an dem unangezweifelten Charakter des § 266 StGB als Vermögensschutznorm orientiert, birgt aber selbstständige Wertungsgesichtspunkte.153 Innerhalb des Vermögensschutzes als Schutzzweck ergibt der 153

Neben der auf eine Begrenzung des § 266 StGB als reines Vermögensdelikt zielenden Ansicht, den Vertrauensschutz – zu Recht – nicht als eigenen Schutzzweck des § 266 StGB zu erheben, ist allerdings selbst ein im lediglich funktionalen Zusammenhang mit § 266 StGB stehender Vertrauensschutz nicht unumstritten. Labsch relativiert die funktionale Bedeutung von Vertrauen gänzlich, wenn er schlussfolgert: „Für die Existenz von Untreue-Unrecht sind konkrete oder überindividuelle [„abstrakte“] Vertrauensgesichtspunkte nicht konstitutiv“ (Labsch, S. 147) Richtig mag daran sein, dass der Vertrauensbruch nicht die Tathandlung darstellt (vgl. S. 146, 150). Daraus aber zu schließen, dass Vertrauen letztlich nur als motivationale Kategorie einen „Beweggrund zur Übertragung einer Vermögensbetreuungspflicht“ liefert (S. 151), übersieht, dass Vertrauen notwendiges funktionales Merkmal einer Übertragung von Vermögensmacht und damit ein Merkmal der Pflichtverletzung ist und damit funktional im Schutz des § 266 StGB steht. Er übersieht die Notwendigkeit der Personalisierung des Wirtschaftsbezugs, den § 266 StGB durch den Schutz der „Vermögensinteressen“ des Treugebers erfordert. Dieser Bezug findet statt in der personalisierten Abtretung von Privatautonomie, die jedoch immer behaftet mit einem Schädigungspotential ist. Dieses Potential setzt grundsätzlich

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B. Methodische und rechtstheoretische Grundlegungen

Wortlaut des § 266 StGB und die funktionale Analyse seines Sinns Anlass dazu bei „individuellem Systemvertrauen“ und „Privatautonomie“ von funktionalen Schutzrichtungen zu sprechen, die den Schutzzweck spezifizieren und charakterisieren und die für die Interpretation dann nur insoweit beachtlich sind, als sie selbst im Licht des Schutzzweckes ausgelegt werden. Aus dem Charakter einer Vermögensschutznorm folgt daher nicht zwingend, dass aus dem Handlungsunwert selbst keine weiteren faktischen funktionalen Schutzwirkungen im Rahmen des Normzwecks „Vermögensschutz“ deduzierbar wären, die zwar selbst nicht über den Vermögensschutz ragen, aber diesen selbst in einen schutzspezifischen erweiterten Voraussetzungskontext stellen. So liegt die differenzierte Bezugnahme auf den Vertrauensgrundsatz innerhalb des § 266 StGB beispielsweise gerade in einer ökonomischen Relativierung anhand des Vermögensschutzes. Das Postulat funktionaler Schutzrichtungen erweitert also in Wirklichkeit nicht den Anwendungshorizont der Untreue, sondern verschließt sich einer ausgeweiteten Anwendung des § 266 StGB für nicht hinreichend ökonomisierte Konstellationen wie zum Beispiel „sozialethische Treueverhältnisse“.154 Lehnt man es ab, § 266 StGB neben dem Vermögensschutz noch weitere Schutzzwecke zuzuordnen aber sieht man wie die herrschende Auffassung richtigerweise gleichwohl den spezifischen Unrechtsgehalt der Untreue „durch ihre Angriffsform, ihren Handlungsunwert“ verwirklicht, d.h. wertet man den Bruch von Vertrauen und die Verletzung von Privatautonomie als „eigene Angriffsmodalitäten auf das Vermögen“, die erst Unrechtsgehalt der Untreue begründen155, so ist innerhalb eines solchen ArgumentationsstranSystemvertrauen voraus, dass mindestens konstitutive Voraussetzung des Treugebers bei Einräumung von Vermögensmacht ist. Wenn Labsch feststellt, der „maßgebliche Inhalt einer Verhaltenspflicht“ bei § 266 StGB könne „nur in einem reinen Vermögensbezug“ bestehen (S. 155), so ist nicht nachvollziehbar, wie das Handlungsunrecht sich ohne spezifischen (auf Vertrauen und Privatautonomie bezogenen) Gehalt noch von Tathandlungen anderer Vermögensschutznormen abgrenzen, geschweige denn wie sich die Tathandlung funktional überhaupt mit dem Vermögensschaden im Sinne eines Handlung-Erfolgs-Zusammenhangs verbinden ließe. Zudem übersieht Labsch, wenn er Vertrauen als funktionales Kophänomen und Verbindungselement von Recht und Wirtschaft nicht hinreichend hervorhebt, dass der Anwendungsbezug des Untreuestrafrechts auf die Wirtschaft die Notwendigkeit hervorbringt Kopplungspunkte innerhalb des gesamten Tatbestands offenzulegen. Weil arbeitsteiliges Wirtschaften nicht ohne Vertrauen in der oben geschilderten Dimension funktioniert, kann dies die Rechtsdogmatik nicht gänzlich übersehen. Eine „ausschließlich vermögensbezogene Pflicht“ (Labsch, S. 156; siehe aber auch Müller-Gugenberger-Schmid, § 31, Rn. 6 f.) ist zur Spezifikation der Untreue als Vermögensdelikt und zur funktionalen Bestimmung im Verhältnis zur Wirtschaft unterkomplex. 154 Vgl. anders aber Welzel, S. 388, insbesondere auch Labsch, S. 140 f.

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ges bereits eine zweipolige Differenzierung eines reinen Vermögensbezuges funktional von den Komponenten „Vertrauen“ und „Privatautonomie“ vorgenommen, die damit die hier vertretenen Bezugnahme auf die Schutzrichtungen jenseits des reinen Vermögensbezuges eröffnet. Die funktional selbstständigen (faktischen) Schutzrichtungen (also nicht im Sinne von Schutzzwecken)156 bedingen als Spezifika erst den Vermögensschutz in einer arbeitsteiligen Wirtschaft, ohne jedoch eigentliche Zwecke des § 266 StGB zu sein.157 Gerade in dieser spezifischen Angriffsmodalität und ihrer Auslegung liegt eine besondere wirtschaftspolitische Bedeutung des Untreuestrafrechts.158 Der praktische Gewinn einer solchen Beurteilung liegt in einer funktionsspezifischen Konturierung des Untreuedelikts. Ein rein abstraktes Verständnis des Vermögensschutzes durch § 266 StGB, das sich von Vertrauen und konkreter Privatautonomie funktional abkoppelt, würde das personale Substrat vernachlässigen und damit die Untreue als Schutznorm für individualisiertes Vermögen tendenziell von konkreten Vermögensinteressen ablösen159, führt mithin gerade zu einer Tendenz einer Ausweitung der tatbestandlichen Anwendung (siehe z. B. C. IV. 7. b), C. V. 3. b) aa), D. II. 3. f) bb) (3) (a)). 155 Siehe RGSt 71, 155, 158; BGHSt 6, 188; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 2, 5; LK-Schünemann, § 266, Rn. 28; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 1; Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 641; Schramm, S. 26 f. 156 In der Perspektive funktionaler Analytik ist der Begriff des Zwecks nur relativ brauchbar. Entfernt von einem monokausalem Determinismus erschöpft er sich als Leitformel für mögliche System-Umwelt-Relationen. Systemtheoretisch wäre es folglich falsch den Normzweck des § 266 StGB auf eine Relation zu beschränken, denn ungeachtet der wertgeleiteten Begründung des telos der Norm, die der sozialwissenschaftlichen Forschung nicht unbeschränkt zugänglich ist, zeichnet sich die SystemUmwelt-Beziehung prinzipiell durch komplexe Variabilität aus, die nicht lediglich einen Mittel-Zweck-Zusammenhang vor dem Hintergrund eines einzigen statischen Umweltproblems berücksichtigen lässt. Eine Begutachtung der intersystemischen Stellung des § 266 StGB kann die funktionale Schutzrichtung nicht verkürzen, weil in jeder Relation sowohl Potential für Konflikt als auch Alternativität für die gesamte Relationierung liegt. Vgl. Luhmann, Soziologische Aufklärung, S. 15 ff., 39 ff. 157 Der Schutz von Vertrauen und Privatautonomie ist also durchaus als Kondensat des Vermögensschutzes zu verstehen, jedoch nicht als allgemeines, sondern als spezifisches, weil es dies nur unter den Bedingungen wirtschaftlicher Arbeitsteilung ist. Die funktionale Analyse des Schutzverhältnisses immunisiert denn auch § 266 StGB gegen ethisch-teleologische Schutzzweckbestimmungen, so etwa die These von Bruns (zum Beispiel S. 5 ff.), Strafrecht bezwecke nicht primär Rechtsgüterschutz, sondern den Schutz sozialethischer Gesinnung (kritisch dazu und m. w. N.: Lüderssen, FS-Harnack, S. 492 ff.). 158 Siehe nur Fehling/Faust/Rönnau, JuS 2006, S. 24. 159 Vgl. auch Otto, MschKrim 1980, S. 399 f.

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B. Methodische und rechtstheoretische Grundlegungen

Das Wirtschaftssystem als solches, d.h. die „Funktionen und Institutionen des Wirtschaftslebens“160 schützt § 266 StGB jedoch allenfalls mittelbar durch den individualisierten Vermögensschutz. 4. Zusammenfassung Der Vermögensschutz des § 266 ist kein „isolierter“ oder „reiner“, sondern knüpft an einen Schutz der Privatautonomie im Sinne der Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Zuweisungslogik an, welche wiederum an einen Vertrauensschutz gebunden ist.

Schutz von Systemvertrauen Schutz der Privatautonomie i. S. der Aufrechterhaltung wirtschaftlicher Zuweisungslogik Schutz des Vermögens (Schutzzweck)

Pflichtverletzung

Vermögensschaden

Die Spezifikation des funktionalen Schutzes von Vertrauen durch Privatautonomie und Privatautonomie durch Vermögen fokussiert einen Vermögensschutz von innen (d.h. einen solchen im Zusammenhang mit dem Schutz von Vertrauen und Privatautonomie des Vermögensinhabers) und konkretisiert daher den normativen Telos der funktionalen Schutzrichtungen, also den Schutzzweck. Gleichzeitig ermöglicht der Komplexitätszuwachs, wie es auch Alwart nahelegt, entgegen einer Tendenz zu einer Verabsolutierung des Rechtsguts „Vermögen“, die Möglichkeit einer Restriktion.161 Schutzzweck des § 266 StGB ist allein das Vermögen. Vertrauen und Privatautonomie stellen keine zusätzlichen Rechtsgüter dar. Sie sind aber intrinsische funktionale Schutzrichtungen des Untreuestrafrechts und damit Eckpfeiler einer restriktiven Konturierung einer Untreue-Interpretation.

160

Volk, JZ 1982, S. 87. Siehe Alwart (JZ 2006, S. 547): „Wer das komplexe Wirtschaftsstrafrecht, weil er am Rechtsgutsgedanken klebt [. . .] nicht begründen kann, der kann es auch nicht begrenzen“. 161

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5. Exkurs: § 266 StGB als Norm des „Wirtschaftsstrafrechts“ Im Zuge der Erörterung soll – ohne Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu können – die Frage nach der keineswegs unumstrittenen Einordnung des § 266 StGB als Norm des „Wirtschaftsstrafrechts“ beantwortet werden. Die Begriffsbestimmung von „Wirtschaftskriminalität“ erfolgt besonders uneinheitlich und wird von unterschiedlichen Merkmalen geleitet, die insbesondere die Verknüpfung von „Wirtschaftsbezug“ und „Rechtsbezug“ bzw. „Kriminalitätsbezug“ herzustellen beabsichtigen162, um die in der Begründung unzulängliche, dogmatisch-kasuistische, letztlich politische, Definition von Wirtschaftskriminalität, die auch durch die strafprozessuale Regelung der Zuständigkeit von Wirtschaftsstrafkammern (§ 74 c GVG; bei Untreue § 74 c Abs. 1 S. 1 Nr. 6 GVG) zum Ausdruck kommt, zu erweitern. So sind etwa Tiedemann oder Otto der Ansicht, dass nur die Fälle der Untreue zur Wirtschaftskriminalität gehören, bei denen das abstrakte Vertrauen in Bestand und Funktion der Wirtschaftsordnung verletzt werde.163 Dagegen vertritt Achenbach, dass sich Wirtschaftsstrafrecht – in Abkoppelung vom Rechtsgutsgedanken – durch eine phänomenologische Näherung beschreiben lasse, die die Täter- bzw. Opferzugehörigkeit zum Wirtschaftsleben, den Unternehmensbezug einer Straftat, zur Einordnung heranzieht.164 Allerdings ist schon die Definition des Rechtsgebiets „Wirtschaftsrecht“ durch Abgrenzung vom übrigen Recht problematisch und umstritten.165 Ein systemfunktionaler Erklärungsansatz wird von Assmann vertreten, der zum Zwecke dieser funktionalen Eingrenzung der Frage nachgeht, was die Herausbildung der „Anomalie“ „Wirtschaftsrecht“ begründete. Eine solche evolutionäre Betrachtung des Systemelements „Wirtschaftsrecht“ verweist auf eine Funktion der „Ergänzung und Kritik von Privatrecht“166, denn innerhalb einer „aus einer Privatrechtsgesellschaft herausgetretenen Wirtschaft“ bedarf es eines funktionalen Beitrags für die Verarbeitung von Widersprüchen von Recht und wirtschaftlicher Entwicklung.167 Wirtschafts162 Siehe nur Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 30 ff., 41 ff.; Wabnitz-Janovsky-Dannecker, Kap. 1, Rn. 5 ff. 163 Tiedemann, ZRP 1970, S. 259; Otto, MschrKrim 1980, S. 399 f. Wirtschaftsdelinquenz bezeichne nach Otto also die sozialschädlichen Verhaltensweisen, die das Vertrauen in die Wirtschaftsordnung oder einzelne ihrer Institute und damit den Bestand und die Arbeitsweise dieser Wirtschaftsordnung gefährden, unabhängig davon, ob deren Schutzzweck primär auf individuelle Rechtsgüter bezogen ist. 164 Achenbach, FS-BGH, S. 594; Achenbach/Ransiek-Achenbach, HWSt, I 1, Rn. 1. 165 Assmann, S. 151 ff. m. w. N. 166 Assmann, S. 150 ff., 154. Zur Interdependenz von Privatrecht und Wirtschaftsordnung siehe Brinkmann, S. 61 ff.

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recht als Ergänzung oder Annex geht über das Teilrechtsgebiet „Privatrecht“ aber notwendigerweise hinaus. Denn mit einer Vermittlerrolle des Wirtschaftsrecht zwischen Privat- und öffentlichem (also auch Straf-)Recht geht es beim Wirtschaftsrecht auch um Korrektivleistungen. Wirtschaftsrecht umfasse daher nicht nur die „Instrumentierung des Rechts durch die Marktsubjekte in ihrem Eigeninteresse“, sondern auch die „Instrumentierung durch staatliche Akteure“.168 Gerade in der Autonomie des Wirtschaftssystems und seinem Abstand zur moralischen Lebenswelt sehen Bussmann und Lüdemann im Wirtschaftsstrafrecht auch eine „Integrationsstrategie anderer Lebensbereiche“, eine „Anbindung wirtschaftlicher Handlungsspielräume und ihrer rein ökonomischen Rationalität an moralische Kategorien“.169 Verallgemeinernd kann man daher sagen, dass Wirtschafts(straf)recht einem gesamtgesellschaftlichen (u. A. auch eigens wirtschaftlichen) Bedürfnis Geltung verschafft Unterregulation zu kompensieren.170 Diese Sichtweise umfasst auch die Überlegung, dass sich Wirtschaftsrechtsnormen auch auf die Stabilisierung eines bereits ausdifferenzierten Wirtschaftssystems beschränken können171, welches des Schutzes seiner eigenen zum Zwecke der Verbesserung von evolutionären Chancen selbstorganisierten Strukturmerkmale wie Vertrauen, Privatautonomie und Vermögen bedarf, und welches ohne diese gesamtgesellschaftlich nicht (mehr) integrierbar wäre. Die kontrafaktische Stabilisierung von Erwartungen einer ausdifferenzierten Wirtschaft kompensiert daher auch Unterregulation, indem sie regulativ die Selbstregulation der Wirtschaft stabilisiert. Von einem „hypertrophen Zugriff“ kann nun aber nur dort die Rede sein, wo zum Einen ein Kontakt möglich ist und zum Anderen dieser Kontakt 167 Assmann, S. 156 ff.: Ausgangspunkt der Genese des Wirtschaftsrechts ist also das Privatrecht, d.h. die prinzipielle „Befreiung aller wirtschaftlichen Vorgänge von [. . .] staatlichen [. . .] Bindungen und deren Verlagerung in die Rechtsverhältnisse privater, autonomer und willensbegabter Marktsubjekte“. 168 Assmann, S. 158 ff., 202 f., 224, m. w. N., wobei Assmann hier die Korrektivleistungen vornehmlich als Beschränkung privatautonomen Wirtschaftens identifiziert, welche aufgrund unterschiedlicher Erwägungen, zum Beispiel innerhalb eines sozialstaatlichen oder Umweltschutzkontextes ergehen. 169 Bussmann/Lüdemann, S. 135. 170 Auf die Möglichkeit von Selbstbeschränkungen der Wirtschaft zur Verbesserung evolutionärer Chancen weisen Bussmann/Lüdemann (S. 136 m. w. N.) hin. 171 Siehe Assmann, S. 204 f. Ebenso stellt Geerds (Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 39 ff.) den Zusammenhang von Regelverstoß und Wirtschaftsstörung als Wesensmerkmal des Wirtschaftsstrafrechts her. „Wirtschaftsstörend“ ist dabei schon ein Verhalten, das die „Funktionstüchtigkeit einzelner wesentlicher Teilbereiche, Funktionsmechanismen oder Institute des Wirtschaftslebens beeinträchtigt“ (a. a. O., S. 40).

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eine Beeinflussung zulässt. Nur dort kann entschieden werden, wo das zu Entscheidende vom Entscheidenden begreifbar ist. Will das Recht Wirtschaft regulieren, so bedarf es prima facie einer Funktion, die spezifisch das ausdrückt, was vom Recht „wirtschaftlich gewollt“ wird. Eine funktionale Theorie des Zugriffs des Untreuestraftatbestandes auf die Wirtschaft impliziert, dass der Tatbestand wirtschaftlich kommuniziert, nicht erst dessen Anwendung. Denn was anderes irritieren kann, muss prinzipiell dessen „Sprache“ sprechen.172 Vielmehr noch ist diese kommunikative Verknüpfung Voraussetzung dafür, dass das Recht von sich aus Rücksicht auf ökonomische Handlungsbedingungen nehmen kann, denn nur wo die wirtschaftlichen Prinzipien zugleich in Rechtsbegriffe transformiert sind, kann Auslegungsregulation zur Passförmigkeit der Systemlogiken reifen. Der Gegenstand, also spezifische Rationalitätskriterien des Objekt- und Regelungsbereichs „Wirtschaft“, muss in einem gegenstandsbezogenen ‚Wirtschafts-Strafrecht‘ dem Gesagten zufolge auch programmatisch implementiert sein, um an die Eigenlogik des Wirtschaftssystems anknüpfen zu können und eine intersystemische Vernetzung zu manifestieren.173 Diese ‚Ökonomisierung‘ von Normen, die die Wahl der Rechtsfolge in einen Zusammenhang mit ökonomischen Begriffen im Normprogramm stellt, ist zugleich Grund und Garant für eine Verrechtlichung wirtschaftlicher Beziehungen.174 Eine Strafnorm ist folglich immer dann Wirtschaftsstrafrecht, wenn sie objektiv lediglich solche tatbestandlichen Funktionselemente inkorporiert, die sowohl innerhalb der Logik des Rechts- wie auch des Wirtschaftssystems operationalisierbar, also begrifflich „verstehbar“ sind. Wenn der gesamte objektive Straftatbestand funktional durch strukturelle Kopplungen zum Wirtschaftssystem programmiert ist, handelt es sich um Wirtschaftsstrafrecht. Wie vorausgehend gezeigt (siehe B. III. 4.), liegen diese Voraussetzungen im Falle des § 266 StGB vor.

172 Vgl. Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, S. 155 f.; Jakobs, ZStW 107 (1995), S. 846 ff. 173 Umweltkriterien sind nur und erst von rechtlicher Relevanz, wenn sie in Rechtskategorien transformiert worden sind, siehe Teubner, Soziale Systeme 5, 1999, S. 7, 17. Das „innere Modell der Außenwelt“ ermöglicht dann auch erst die Erfüllung der Konfliktlösungsfunktion des Rechts, Teubner, Generalklauseln, S. 19 ff. 174 Siehe Assmann, S. 218 f.

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B. Methodische und rechtstheoretische Grundlegungen

IV. Systemfunktionaler Ansatz als Rechtsauslegungsmaßstab Erkenntnisse über die funktionale Stellung des § 266 StGB zwischen ‚Recht‘ und ‚Wirtschaft‘ sind unerlässlich, um Aussagen über die Stimmigkeit und Adäquanz von Untreuestrafrecht einerseits und Wirtschaftssystem andererseits zu treffen. Ohne praktische Relevanz wäre es indessen, wenn sich ein wirtschaftsadäquater oder -inadäquater Wirkungszusammenhang des Untreuestrafrechts lediglich deskriptiv beschreiben ließe, ohne daraus auch Folgerungen zu ziehen. Stellt man nämlich fest, dass der Tatbestand des § 266 StGB wirtschaftliche Paradoxien oder Ineffizienzen hervorruft, d.h. wortlautmäßig auf die Wirtschaft hypertroph zugreift, so könnte man lediglich die grundlegende (rechtspolitische) Frage nach der Rechtfertigung der Norm als solche aufwerfen oder Rechtsänderungsvorschläge unterbreiten. Normzweck, Normgenese und Normtext sprechen dieser Überlegung jedoch jede Anfangsplausibilität ab. Die dargestellten funktionalen Schutz- und Entstehungsgründe einer Untreuepönalisierung sind – wie auch im Folgenden zu vertiefen ist – mit einem Wirtschaftsbezug versehen, der vom Ansatz her schon nicht auf Entdifferenzierung, sondern, einen „aktiven Umweltentwurf“175 bekennend, gerade auf „Aufrechterhaltung“ wirtschaftlicher Prozesse abzielt, indem er auf die „strukturelle Kopplung“ zum Wirtschaftssystem verweist. Zum Anderen zeichnet der Umstand des Wortlautes, dessen Unterbestimmtheit allerseits beklagt wird176, gerade das Bild einer Anwendungs- und nicht einer strukturellen Hypertrophie. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die untreuespezifische Häufung von „FallgruppenRichterrecht“177. Die untreuestrafrechtliche Offenheit im Sinne von rechtsgenerischer Unterbestimmtheit spricht für die systemische KopplungsOffenheit und für die verstärkte Möglichkeit von Neuinterpretationen (also gerichtsgetragener Rechtsevolution).178 In diesem Sinne ist der Untreuetatbestand mit einer zivilrechtlichen Generalklausel vergleichbar, die in ihrer Unterbestimmtheit die Modellierung der Anwendungsrealität restriktiv vornehmen und damit der Adaptilität des Rechts an seine Umwelt besonders 175

Vgl. Teubner, Generalklauseln, S. 19 ff. Siehe Sax, JZ 1977, S. 663 (Enscheidbarkeit nach dem Motto „Glücksfall der Intuition“); Saliger, HRRS 2006, S. 12 ff. m. w. N.; ders., ZStW 112 (2000), S. 563 ff., 609 ff. m. w. N.; MüKoStGB-Dierlamm, § 266, Rn. 3 ff. m. w. N.; ders., NStZ 1997, S. 534; LK-Schünemann, § 266, Rn. 29 ff.; Weber, FS-Dreher, S. 559; Hamm, NJW 2005, S. 1993; Matt, NJW 2005, S. 390 f.; Kubiciel, NStZ 2005, S. 353 f.; Lesch, ZRP 2002, S. 163. 177 Saliger, HRRS 2006, S. 15; Rotsch, ZIS 2007, S. 260; Zwiehoff, FS-Eisenhardt, S. 577. 178 Kölbel, Cultural lag, S. 80, Fn. 55. 176

IV. Systemfunktionaler Ansatz als Rechtsauslegungsmaßstab

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dienlich sind179, wenngleich mit der Möglichkeit verbunden in problematische Disharmonie zur wirtschaftlichen Realität zu treten. Wenn also wirtschaftliche Entdifferenzierung mit tatbestandliche Offenheit einhergeht, so ist die theoretisch relevante (wie in den weiteren Abschnitten praktisch zu beantwortende) Frage, ob nicht gerade aufgrund der Anwendungsvarianz des § 266 StGB eine wirtschaftsadäquate Auslegung der insbesondere unbestimmten Tatbestandsmerkmale möglich und normativ geboten ist. 1. Möglichkeit wirtschaftsadäquater Rechtsanwendung Systeme können sich selbst beobachten (Reflexion) und sich selbst konstituieren (Autopoiesis)180 (siehe B. II. 1.). Die die Positivität des Rechts auszeichnenden selbstreferentiell konstituierten Komponenten des Rechtssystems, Rechtsnorm und Rechtsakt, stehen hinsichtlich eigener Selbstbeobachtung (die ihrerseits eine Systemoperation ist) jedoch auf einem blinden Fleck. Um Beobachtungen unterscheiden zu können, bedarf es einer Beobachtung zweiter Ordnung. Eine solche reflexive Beobachtung des Rechtssystems leistet die Dogmatik (Rechtstheorie, Rechts-Wissenschaft) als selbstselektiv realisiertes Emergenzniveau des Rechts181. Betrachtet man, dass Dogmatik nicht von sich aus die „Erkennung gesellschaftlicher Probleme bedeutet, sondern erst auf diesen aufbauend Möglichkeiten und Grenzen benennt“182, so lässt sie sich als die abstrakteste Form von Sinnbestimmungspotential für das Rechtssystem charakterisieren.183 „Sie gibt den Gegenstand als auch die Spannweite der Argumentation (‚was ist möglich‘) an“.184 Dogmatik umrahmt also den Horizont des juristisch Möglichen, ist gleichsam ein Filter für endogene Nutzungsmöglichkeiten rechtsexogener Umstände, und ermöglicht damit zum Einen die Aufrechterhaltung der 179

Vgl. Teubner, Generalklauseln, S. 19 ff. Teubner, Hyperzyklus, S. 94 ff., 99 ff. 181 Teubner, Recht als autopoietisches System, S. 45; ders., Hyperzyklus, S. 101 ff., 108. Assmann, S. 223. Reflexivität des Rechts meint an dieser Stelle seine Selbstbeobachtungs – beziehungsweise – programmierungsleistung, nicht die Anwendung des Rechts auf sich selbst im Sinne seiner Positivierung durch Rechtsetzung, welche eine Normierung der Normierung im Sinne einer abstrakten Vorselektion zulässiger Rechtsnormen erfordert (zum Beispiel mit Hilfe der Verfassung), siehe zu dieser zweiten Bedeutung des Begriffs der Reflexivität zum Beispiel Luhmann, Soziale Systeme, S. 617 ff.; ders., Vertrauen, S. 87. Zur strukturellen Kopplung der Rechtstheorie mit dem Wissenschaftssystem, siehe Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 543 f. 182 Assmann, S. 117. 183 Luhmann, Rechtssystem und Rechtsdogmatik, S. 19. 184 Assmann, S. 99. 180

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B. Methodische und rechtstheoretische Grundlegungen

Kontinuität des Ineinandergreifens der zyklisch organisierten Systemkomponenten im Sinne normativer Binnenkohärenz185, zum Anderen „Systemsynchronisation“ koevolutiver Anpassungsmöglichkeiten – richtet man den Blick auf die Beziehung des Rechts zu ihrem Objektbereich „Wirtschaft“.186 Letzteres kann dadurch erreicht werden187, dass der Rechtsbestand in seinem Verhältnis zur asynchronen rechtsexternen Entwicklung reflektiert wird, „innere Modelle der Außenwelt in eine programmspezifische und operationale Sprache umgesetzt werden“188 und damit der Rechtsprechung vorreflektierte Strukturüberlegungen dienstbar gemacht werden, die bei Aktivierung des Rechtssystems durch einen „Rechtsfall“ zu einer systemadäquaten Strukturneubildung zugunsten gesamtgesellschaftlicher Adäquanz führen können.189 Dogmatik leistet also auch eine wesentliche Funktion, wenn es um Rechtsevolutionen durch Rechtssprechung geht. Denn Strukturneubildungen, die sich dauerhaft im autopoietischen Reproduktionsprozess des Rechts integrieren lassen und sich für „Folgefälle bewähren“ müssen, müssen sich in „juristischer Passförmigkeit dogmatisch einarbeiten lassen“.190 Dogmatische Interpretationsleistungen sind also nicht nur für Rechtsänderungsvorschläge bedeutsam, sondern fließen selbst auch in normative Regeln und Prinzipien ein, die dann wiederum die gerichtliche Entscheidungspraxis beeinflussen, wenn die (prinzipiell zur Multireferenz fähige) richterliche Entscheidungsprärogative bei Beurteilungsspielräumen andere im „Systemgedächtnis“ abgefasste Handlungslogiken nicht ausblendet.191 Die Relationierung von Relationierungen192 durch die Beobachtung intrawie intersystemischer Strukturen ist Voraussetzung für Selbstbearbeitungs185

Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 275, 503. Oftmals sind Rechtsverfahren schlechtweg zu „langsam“, um auf wirtschaftliche Neuerung zeitadäquat zu reagieren: Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 442 f. Ausführlich zur synchronisationsdefizitären Koevolution Kölbel, Cultural lag, S. 73 ff.; Assmann, S. 126 ff.; Abegg, Ancilla Iuris 2006, S. 31 f. 187 Eine völlige zeitliche Abstimmung ist aufgrund der autonomen Systemrationalitäten und einer geeigneten Rechtsanpassungsempirie schlechterdings unmöglich, siehe Kölbel, Cultural lag, S. 77 ff., Fn. 47. Zudem ist die Rechtsdogmatik selbst mit zeitlichen Verzügen und ungeklärten Kontroversen ausgestattet, dto., Fn. 52. 188 Assmann, S. 98 f. Zur „Eigenzeit“ der Rechtsentwicklung, siehe Riechers, Rechtstheorie 29 (1998), S. 534 f. 189 Siehe auch Teubner, Generalklauseln, S. 29 f. 190 Kölbel, Cultural lag, S. 74. 191 Siehe Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 366. Dort weist er auf die mögliche Rechtsquellenqualität der Dogmatik hin. Vgl. auch Wiethölter, KritV 1986, S. 27 f. Zur Multireferenz von Organisationen (wie hier der Gerichte), siehe Lieckweg, S. 273 ff. 186

IV. Systemfunktionaler Ansatz als Rechtsauslegungsmaßstab

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leistungen („sekundäre Leistungen“193) in Bezug auf positivrechtliche Normen. Insofern können die reflexiven Mechanismen des Rechtssystems Komplexitätspotential erweitern und halten das Recht dynamisch im Hinblick auf außerrechtliche Veränderungen, insbesondere in der Wirtschaft. Innerhalb dieses Selbstbezuges begreift sich das Recht in Beziehung zu seiner Umwelt, der Wirtschaft, und damit sich selbst auch als Umwelt für das Wirtschaftssystem.194 Will das Rechtssystem auf gesteigerte Komplexität kognitiver Bezüge reagieren, ist „Lernfähigkeit“ im Sinne einer spezifischen Ausschöpfung der normativen Anschlussmöglichkeiten vonnöten. Die nachvollzogene Ausdifferenzierung des Rechts durch programmatische Auslegung könnte die Kongruenz rechtlicher und wirtschaftlicher Elemente wiederherstellen. Die Ausdifferenzierung des Umweltsystems Wirtschaft stellt permanente Anforderungen an den Erhalt der Autonomie des Rechts bei Erhalt seiner Funktionalität.195 Unabdingbare Voraussetzung ist dementsprechend die Wahrung der rechtlichen Binnenkohärenz, d.h. die 192 So Luhmann zur Beschreibung der Rechtsdogmatik: Rechtssystem und Rechtsdogmatik, S. 18; Teubner, Recht als autopoietisches System, S. 45. 193 Vgl. Luhmann, Vertrauen, S. 85 f. 194 Siehe Luhmann, Zweckbegrif und Systemrationalität, S. 104 f.; ders., Soziale Systeme, S. 63 f.; Assmann, S. 13; Riechers, Rechtstheorie 29 (1998), S. 546 ff. 195 Die Öffnung der Elemente an Fremdsysteme geht mit der Notwendigkeit der steten Rückkopplung an das System einher. So muss der Untreuestraftatbestand trotz offener und für wirtschaftliche Kategorien verstehbarer Merkmale immer mit den Prinzipien des Strafrechts und des Rechts Kompatibilität aufweisen und die spezifische Aufgabe innerhalb des Rechtssystems erfüllen. Die Bindung an die „rechtsimmanenten Bedingungen der sachlichen Konsistenz von Entscheidungen“ erfährt jedoch aufgrund der Differenzierungen, die die juristische Dogmatik leisten kann, eine Lockerung. Denn durch Abstrahierung und Spezifikation kann die „kategoriale Struktur“ des Rechts eine höhere Anpassungsfähigkeit hinsichtlich fluktuierender gesellschaftlicher Zustände erlangen (siehe Luhmann, ARSP 1974 Beiheft 8, S. 42 f., 44). Beispielsweise könnte in den laut BGH strafbaren Fällen der kompensationslosen Anerkennungsprämien für Vorstandsmitglieder (BGHSt 50, 331 f.) eine weitergehende Abstrahierung und ökonomische Spezifikation zu dem Schluss kommen, dass der Vermögensnachteil auch durch einen wirtschaftlich wertvollen symbolischen Vermögensvorteil kompensiert worden sein könnte, der darin besteht, dass die Anreizwirkung sich auf zukünftige Vorstandsmitglieder erstreckt, die eine ebensolche Entlohnung erwarten (siehe ausgiebig in Abschnitt D. II. 5 a) bb) (7)). Weder das Konditionalprogramm noch die Rechtsprinzipien werden jedoch durch die dogmatischen Bemühungen um Adäquanz umgehbar oder vernachlässigbar: sie sind vielmehr präformativ für eine innere Modellbildung der Außenwelt (Wirtschaft) (siehe Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 503. Teubner, Generalklauseln, S. 23 ff., 29 f.; ders., Verrechtlichung, S. 314 f.).

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B. Methodische und rechtstheoretische Grundlegungen

Nichtwidersprüchlichkeit des § 266 StGB im Verhältnis zur Rechtsordnung in toto196 (siehe dazu auch C. III. 1.). Im Ergebnis dazu lässt sich festhalten, dass eine wirtschaftsadäquate Auslegung des Untreuestraftatbestands im Rahmen der rechtlichen Unterbestimmtheit durch eine funktional orientierte Rechtstheorie grundsätzlich möglich ist. Zu klären bleibt an der Stelle jedoch, ob die wirtschaftskonforme Interpretation auch unter normativen Gesichtspunkten legitim ist. 2. Legitimation wirtschaftsadäquater Rechtsanwendung Zunächst liegt einer Harmonisierung des Rechts mit ökonomischer Effizienz kein allfälliges globales Rechtsprinzip mit Verfassungsrang zugrunde, sodass es etwa bereits aus binnenrechtlichen Gründen einer wirtschaftsadäquaten Auslegung bedürfe.197 Die rechtstheoretische Empfehlung zur wirtschaftsadäquaten Auslegung tritt vielmehr von außen an die Rechtsanwendung heran. Dabei kann die funktionale, rechtstheoretische Perspektive des Recht-Wirtschaft-Verhältnisses im Fall des Untreuestrafrechts als (rechts-)wissenschaftliche Fremdbeschreibung die binnenperspektivische Operationen des Rechtssystems (Rechtsanwendung) aber auch von sich aus nicht ersetzen, ergänzen oder steuern.198 Sie kann aber Argumente und Schlussfolgerungen liefern, die ein umgehbares Inadäquanzverhältnis zur Wirtschaft im Recht irritiert und zugleich in der alternativen Adäquanz 196 Das bedeutet die „Anwendung der ganzen Rechtsordnung auf den Einzelfall“, die Ergänzung von lückenhaften Tatbestandsmerkmalen durch andere Normen (Engisch, S. 28 f.) oder die Verklammerung der Rechtsteile durch allgemeine Prinzipien, etwa die Privatautonomie (a. a. O., S. 35, 65 f.). Ein Widerspruch ist gegeben, wenn das Recht billigt und zugleich missbilligt. Darunter fällt der Normwiderspruch aber auch der (Prinzipien-)Widerspruch zwischen heterogenen Rechtsteilen (siehe Engisch, S. 42 f., 46, 56 ff., 65 f.). Die Bezugnahme des Strafrechts auf die Wirtschaft im Falle der Untreue, die sich wortlautmäßig originär privatrechtlichen Begriffen bedient (zum Beispiel „durch Rechtsgeschäft“) kann also nicht vonstatten gehen, ohne dass sie mit der Privatrechtsordnung rückgekoppelt ist. Die Privatechtsordnung umfasst den „Vertrag als Handlungsmodell“ und den „Wille als Zurechnungsform“ als Koordinierungselemente der bürgerlichen Privatautonomie (Assmann, S. 163). Die Ergänzung (Annexfunktion) des Untreuestrafrechts bezüglich der Privatrechtsordnung liegt dann geradezu prototypisch in der Sicherung dieser Koordinierungselemente mit strafrechtlichen Mitteln. 197 Siehe Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 463 ff. 198 Siehe nur Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 24, 503. „Daß Gerichte entscheiden müssen, ist der Ausgangspunkt des juristischen Universums [. . .] Und deshalb muß das Recht als ein von sich selbst ausgehendes geschlossenes Universum begriffen werden, in dem auch unter extremen sozialen Spannungen das ‚rein juristische Argumentieren‘ praktiziert werden kann, das selber entscheidet, welche Interpretationsspielräume es sich leisten kann“ (a. a. O., S. 317 f.). Vgl. auch Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 477.

IV. Systemfunktionaler Ansatz als Rechtsauslegungsmaßstab

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eine Handhabung spezifischer normativer Defizienzen bzw. Unbestimmtheiten des Untreuestrafrechts anbietet. a) Entparadoxierung durch Schaffung von Rechtssicherheit Der Umstand, dass § 266 StGB nicht mit einer anwendbarkeitsgefälligen tatbestandlichen Präzision ausgestattet ist, lässt einen Blick auf das Verhältnis zu dem in Art. 103 Abs. 2 GG niedergelegten Bestimmtheitsgebot werfen, an dessen Einhaltung durch den Untreuetatbestand bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juni 2010 desöfteren Zweifel geäußert wurden.199 Art. 103 Abs. 2 GG gebietet „klar das Verbotene von dem Erlaubten abzugrenzen“200, woraus zu folgern ist, dass die Legitimität des § 266 StGB nur bei gelösten Strukturproblemen seiner Anwendbarkeit gewährleistet ist.201 Das Grundgesetz statuiert die gesetzgeberische Pflicht die Strafbarkeitsprämissen so präzise zu formulieren, dass für den Normadressaten die Tragweite und der Anwendungsbereich der Strafnorm ipso iure zu erkennen ist. Die Bindung staatlichen Strafens an das Bestimmtheitsgebot spiegelt das zur Ausübung bürgerlicher Freiheitsrechte notwendige Vertrauen wider für nicht sanktionsbedrohte Handlungsvollzüge auch nicht strafrechtlich belangt zu werden.202 Im Kern fordert Art. 103 Abs. 2 GG die „Vorhersehbarkeit“ der Normanwendung, d.h., dass „der Einzelne die Möglichkeit hat, den durch die Strafnorm geschützten Wert sowie das Verbot bestimmter Verhaltensweisen zu erkennen und die staatliche Reaktion vorauszusehen“.203 Unter der Voraussetzung, dass die Rechtsprechung Unklarheiten über den Anwendungsbereich des § 266 StGB durch Präzisierung und Konkretisierung im Wege der Auslegung ausräumt, genüge, so das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss, der Untreuetatbestand dem Gebot des Art. 103 Abs. 2 GG.204 Die Schaffung von Rechtssicherheit 199

Siehe Fn. 10. BVerfGE 25, 269. 201 Saliger, HRRS 2006, S. 17. Ähnlich auch Luhmann, der darauf aufmerksam macht, dass die Systemtheorie insoweit mehr als Ethik leiste, als sie „Spezifikationsleistungen der Systeme begreifbar macht“ (Vertrauen, S. 125). 202 Vgl. BverfGE 75, 340; 78, 381 f.; 105, 135, 153. 203 BVerfGE 45, 372; BGH NJW 2005, 375 f.; Kubiciel, NStZ 2005, S. 354. Der Aspekt der generalisierten Vorhersehbarkeit lässt sich vertrauenstheoretisch fassen: „Vertrauen kann nur in der Gegenwart gewonnen und erhalten werden. Nicht die ungewisse Zukunft, aber auch nicht die Vergangenheit, kann Vertrauen erwecken, da auch das Gewesene nicht vor der Möglichkeit künftiger Entdeckung einer anderen Vergangenheit sicher ist“ (Luhmann, Vertrauen, S. 13). 204 BVerfG, 2 BvR 2559/08, Beschluss vom 23.6.2010, Leitsätze; Absätze 69 ff., 81. Entscheidung abrufbar unter http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20100623_ 2bvr255908.html. 200

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B. Methodische und rechtstheoretische Grundlegungen

durch eine Konkretisierung („Nachbestimmung“) des Untreuestrafrechts ist daher zu einem höchstrichterlichen Gebot gereift. Dem Vorhersehbarkeitserfordernis kann indes nicht ohne Berücksichtigung der Auslegungspraxis entsprochen werden.205 Diesem Umstand der Verzahnung von notwendiger Vorhersehbarkeit und Auslegung wird ein funktionaler Restriktionsansatz gerecht. Wenn und weil Vorhersehbarkeit weniger von Kasuistik als von sinnhaften Strukturprinzipien des Anwendungskontextes geprägt ist, bedarf § 266 StGB (wie jede andere unterbestimmte Norm) der Einlassung auf die Logik des zu regelnden (und regelbaren) Anwendungsbereichs.206 Diese Sichtweise streitet also dafür, dass eine unterbestimmte wirtschaftsbezogene Strafnorm dem Vorhersehbarkeitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG nur entsprochen werden kann, wenn sie in ihrer aus der rechtlichen Unterbestimmtheit erwachsenden auslegungsvarianten Normanwendung nicht dem wirtschaftssystemisch manifestierten Erwartungshorizont entgegengerichtet ist. Andernfalls wäre schwerlich ein „Anlass für die Erkenntnis eines ernsthaften Strafbarkeitsrisikos durch den Normadressaten“ zu behaupten.207 Dies ist je problematischer desto rechtlich unbestimmter ein Tatbestand ausfällt, denn auch ein „Fallgruppen-Richterrecht“208, aber auch verfahrenspraktische Ausweichprozeduren (Komplexitätsreduktionen) wie Abspracheverfahren209, können zur Rechtsunsicherheit im Rahmen der Rechtsanwendung führen, weil sie einer objektiv-deduktiven Methode entbehren.210 So kritisiert Sax etwa, dass die Anwendungsunbestimmtheit zu einem Auslegungsprinzip „Glücksfall der Intuition“211 führe. 205 Insbesondere gilt dies bei einem seitens der normanwendenden Rechtsprechung vorgenommenen Einbau neuer „auslegungsprägender“ Rechtsgüter, also neu bewertender Änderung in der tradierten Judikatur, siehe ausführlich bei Saliger/ Gaede, HRRS 2008, S. 63 f., Fn. 49, m. w. N. 206 Gerade die sich aus allgemeinen gehaltenen Formulierungen ergebende rechtliche Unterbestimmtheit wird damit gerechtfertigt, flexibel zukünftige Entwicklungen des Anwendungsbereich erfassen zu können, siehe Müller-Gugenberger-Schmid, § 31, Rn. 8 f. 207 Siehe Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 64. 208 Saliger, HRRS 2006, S. 15. Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 41. 209 Siehe schon oben; zudem Kölbel, Cultural lag, S. 75 f. m. w. N.; Steinhögl, S. 83 f. 210 Rotsch, ZIS 2007, S. 260; kritisch zu Abspracheverfahren, Saliger, ZIS 2007, S. 478 ff. Daher ist auch die Sichtweise des Bundesverfassungsgericht kritisch zu betrachten, nach der hinreichende Konkretisierung schon durch „fallgruppenspezifische Obersatzbildung“ gewährleistet sei, siehe BVerfG, 2 BvR 2559/08, Beschluss vom 23.6.2010, Absätze 111 f. 211 Sax, JZ 1977, S. 663.

IV. Systemfunktionaler Ansatz als Rechtsauslegungsmaßstab

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Die Fallgruppenbildung könnte sich nicht nur für das Verhältnis zur Wirtschaft, also wirtschaftlich, sondern auch für die Binnenbeziehungen im Recht als Indiz für Dysfunktionalität erweisen. Besonders problematisch unter dem Gesichtspunkt der Dysfunktionalität, auch vor dem Hintergrund des Rechtssicherheitserfordernisses, sind „divergierende binnenspezifische Regeln“ innerhalb der Fallgruppen.212 Die die richterliche Rechtsfortbildung verursachende Unterbestimmtheit führt überdies zu einer Implementation einer möglicherweise durch „Überfeinerung“ („Hyperplasie“) gekennzeichneter Strafrechtsdogmatik.213 Die starke Fallorientiertheit innerhalb der Dogmatik provoziert eine Diskontinuität, die sich permanent zwischen Vergangenheit und Zukunft auftut. Insbesondere mangelt es einer kasuistisch orientierten Dogmatik an einem hinreichenden „Tempo“, um einer Synchronisation der Koevolution von Recht und Wirtschaft zu genügen.214 Vor diesem Hintergrund der kasuistischen Fallgruppenkomplexität könnte man in die Versuchung kommen die Möglichkeit der Verfahrenseinstellungen gemäß § 153 a StPO als funktional äquivalente Entscheidungen des Rechts aufzufassen, mittels deren eine intersystemische Harmonisierung herbeigeführt werden könne, die bei Anwendung des materiellen Rechts eben nicht gesichert scheine. Jedoch handelt es sich bei Verfahrenseinstellungen um Entscheidungen aufgrund relativer Rechtsunsicherheit, aus denen die Wirtschaft keine materiellrechtlichen Erwartungen „verinnerlichen“ kann. Ihr muss ein Deal als undifferenzierter Abbruch eines Problems erscheinen, der nur im Einzelfall Vorteile einbringen kann (zum Beispiel Medialisierungsvorteile o. ä.). In vielen Fällen fällt die Strafe als wirtschaftlich eindeutig gewünschter Anreizfaktor für wirtschaftlich nicht schädigendes Verhalten aus, weil die Geldauflage im Sinne des § 153 a StPO keine Strafe darstellt.215 Das Entscheiden bei Rechtsunsicherheit mittels Abreden führt zudem zu Binnenparadoxien des Rechts. Das zeigt sich insbesondere am Legitimationsproblem von Deals im Hinblick auf das Gleichbehandlungsverbot, aber auch daran, dass Verfahrenseinstellungen materielles Recht als abstraktes Recht konkreten Willensentscheidungen unterstellen.216 Der Deal ist keine Verwirklichung von (wirtschaftsadäquaten) Rechtsprinzipien. Er stellt daher auch keine zur intersystemischen Harmonisierung geeignete komplexitätsadäquate Prozeduralisierungsplattform dar. Die Gründe der 212

Saliger, HRRS 2006, S. 15. Rotsch, ZIS 2007, S. 263 f. 214 Siehe Luhmann, ARSP 1974 Beiheft 8, S. 40 f.; Kölbel, Cultural lag, S. 73 ff. 215 Siehe Saliger, ZIS 2007, S. 480 m. w. N. Kritisch zur Ausweichfunktion des § 153 a StPO bei ungeklärten Fragen des materiellen Strafrechts auch Seier, Untreue als Allzweckwaffe, S. 114 f. 216 Siehe dazu Saliger, ZIS 2007, S. 479 ff. Es kommt zu „Verschleifungen zwischen Legalität und Opportunität“ (S. 482). 213

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B. Methodische und rechtstheoretische Grundlegungen

Entscheidung (Verfahrenseinstellung) liegen nicht in materiellen Prinzipien des Rechts (und damit auch nicht der Wirtschaft), sondern in einzelfallabhängigen prozesstaktischen bzw. prozessökonomischen Umständen.217 Eine an den Folgen gemessene Konkretisierung von Auslegungsalternativen ist deshalb immer eine Entscheidung zugunsten der Rechtssicherheit, weil einer Entformalisierung des materiellen Strafrechts im Sinne (kontingenter) Reduktionen der Strafbarkeitsvoraussetzungen durch eine Zugriffserschwerung zumindest entgegengewirkt werden kann.218 Daher ist die anwendungsrestringierende Miteinbeziehung ökonomischer Logik in die Auslegung offener Wirtschaftsstraftatbeständen ein Regulativ, das zu einer Synchronisation führt, welche nicht von der Fallerfahrung abhängig ist, sondern prinziipiert ist, d.h. einen generalisierbaren Begründungszusammenhang darbietet. Die dadurch gewonnene systematisierte Abstraktheit verhält sich innerhalb dieses Verständnisses proportional zur Rechtssicherheit.219 Den Mangel an Rechtsvertrauen kann also ein Anknüpfen an „vertraute“ ökonomische Handlungslogiken ausfüllen. Die Betonung liegt dabei jedoch auf prinzipiierbare (normativ generalisierbaren) Logiken (vgl. z. B. C. IV. 2. d) bb)), die im Gegensatz zu Folgenorientierungen im Sinne von empirischen Einzelfallprognosen die richtigerweise an der Folgenorientierung des Rechts kritisierten Präzisierungs- und Kalkulierbarkeitsmängel weniger bis gar nicht aufweisen.220 Wenn es ureigene Funktion des Rechts ist, Vorhersehbarkeiten und Erwartungen (erst) normativ zu sichern221, sind ökonomische Kontrafaktizitäten innerhalb der auslegungsvarianten Normanwendung für einen Rechtsbürger, der zugleich immer auch homo oeconomicus ist, schlechterdings nicht vorhersehbar. Soweit keine kontrafaktische Rechtserwartung entgegensteht, kann also von dem Recht secundum legem 217 Saliger/Sinner schlagen daher einen „systemtranszendenten Ansatz“ vor, um dem materiellen Recht das originäre Verwirklichungspotential zu sichern, etwa durch Verbrechensqualifizierung de lege ferenda innerhalb des Programms des § 266 StGB, um in entsprechend schweren Fällen § 153 a StPO unanwendbar zu machen (ZIS 2007, S. 482). 218 Vgl. Assmann, S. 221; Albrecht, KritV 1988, S. 183 f., 194, 196 ff.; Steinhögl, S. 83 f. Zur Rechtsunsicherheit durch realweltliche Desintegration des Rechts siehe auch Rotsch, ZIS 2008, S. 6; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 397 ff. 219 Vgl. Luhmann, ARSP 1974 Beiheft 8, S. 41 f., 44. 220 Zu dieser Problematik siehe Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 280 Fn. 84, S. 309. 221 Luhmann, ARSP Beiheft 8 1974, S. 31 ff.; ders., Ausdifferenzierung des Rechts, S. 73 ff.; Wiethölter, KJ 1985, S. 135, 137; Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 41 f.

IV. Systemfunktionaler Ansatz als Rechtsauslegungsmaßstab

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(Art. 103 Abs. 2 GG) erwartet werden, die Erwartung des wirtschaftlich zu Erwartenden nicht zu boykottieren, man könnte sagen: sachgerecht zu sein, soweit der außerrechtliche Maßstab auf eindeutige rechtskonforme Inhalte beschränkt ist.222 b) Konkretisierungsbedarf aufgrund des Zwanges zur Entscheidung bei Unentscheidbarkeit Die rechtseigenen Kriterien, die das Austarieren eines homöostatischen System-Umwelt-Bezuges, d.h. eines Grenzgleichgewichtes223, bezwecken, können bei Variabilität der Umwelt und der Intersystembeziehung nicht ausschließlich aus dem „Bestand an Positivem Recht (Normmaterial), Dogmatik, Begriffen, Theorien, Lehren, Methoden und Entscheidungen“ geschöpft werden, sondern müssen – bei Beibehaltung der Binärität der Codierung – auch an reflexive Kriterien einer variablen System-Umwelt-Beziehung orientiert werden, d.h. auch Alternativen innerhalb systemischer Strukturalität und Operabilität in einem selbstprogrammierenden Duktus – etwa der Normauslegung – berücksichtigen. Gerade bei normativer Unterbestimmtheit, einem unzulänglichen „materiellen Kern“ in § 266 StGB224, setzt Entscheiden, dem sich die Rechtsprechung bei aller Unbestimmtheit des Rechts nicht entziehen kann, aber hinreichende Entscheidungsgründe voraus, die, wenn nicht aus dem Rechtssatz selbst, so aus dem rechtsprogrammatisch einverleibten Objektbereich heraus entwickelt werden müssen225, wenn Offenheit nicht Kontingenz bedeuten 222 Vor diesem Hintergrund könnte man den Vorhersehbarkeitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG als Norm ausmachen, die – als Auslegungshilfe – an den gesellschaftlichen Erwartungshorizont in toto erinnert sowie daran, dass Normativierung von Erwartungen durch das Strafrecht nicht normative Kontrafaktizität bei normativer Unterbestimmtheit bedeutet. Damit ist nicht gefordert, die wirtschaftliche Logik als „Natur der Sache“ begründungslos in den Stand einer Rechtsquellenqualität zu setzen (zur Kritik und weiteren Nachweisen, Rüthers, S. 515 ff.), sondern die Auslegungsbedürftigkeit, die nur mit einer ökonomischen Auslegbarkeit zusammenhängt, auch einer ökonomischen Auslegung zuzuführen. Ohne die Bezugnahme auf vorgebene Tatsachen aus der Wirtschaft, wäre § 266 StGB gar nicht (normzweckgerecht) auslegbar (vgl. auch Rüthers, S. 514; Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 40 ff.). 223 Stabilisierungen von Intersystembeziehungen haben nur labilen Charakter. Ihre Dynamik, als Suche von Stabilisierung und Passförmigkeit verstanden, resultiert aus der Vielzahl heterarchischer Verknüpfungsmöglichkeiten intra- und intersystemischer Regeln. „Ordnung wird aus Chaos generiert und Ordnung erzeugt Chaos“: Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, S. 112; Teubner/Willke, 10 ff. 224 Kubiciel, NStZ 2005, S. 354. 225 Luhmann, Ausdifferenzierung des Rechts, S. 414 f.; siehe auch Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 30, 41, 124 ff. („faktische Auslegung“); Ransiek, ZStW

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soll.226 Alwart weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass beispielsweise im Mannesmann-Verfahren eine normative Bewertung von Zahlungen hoch dotierter Vergütungen als Untreue ohne hinreichende Beachtung der wirtschaftlichen Faktizitäten notwendigerweise am „sozialethisch substantiellen Strafrecht“ vorbeigehe, da ihr die Vorgaben fehlen.227 Nicht zuletzt stellen „offene“ Tatbestände gerade den Bezug zu gesellschaftlichen, insbesondere ökonomischen Entwicklungen und Logiken, zur „Natur der Sache“ als vorgegebene Tatsache her, um dessentwillen sich die Elastizität richterlicher Normsetzung durch Auslegung auch erst rechtfertigt.228 Insofern ist eine methodische Diskrepanz von „juristischer Sub116 (2004), S. 645 (Orientierung am „Lebensbereich“). Es wird an anderen Stellen auf die Paradoxie des Entscheidens hingewiesen. Man kann nur entscheiden, wenn und weil man nicht entscheiden kann. Könnte man entscheiden, wäre die Entscheidung eine Erkenntnis oder „Lösung“, keine Entscheidung. Siehe dazu Luhmann, RdG, S. 308 317 („Wenn das Recht nicht gefunden werden kann, muß es eben erfunden werden [. . .] Die Paradoxie der unentscheidbaren Entscheidung muß auf die eine oder andere Weise entfaltet, das heißt: in Unterscheidungen übersetzt werden, die man handhaben kann“); Fögen, FS-Kramer, S. 3 ff., 12. Innerhalb wirtschaftsbezogener Entscheidungen des Rechts stellt der wirtschaftliche Kalkül auch lediglich ein Entscheidungsgrund dar, der mit Gegengründen wieder kompensiert werden könnte. Somit käme man wieder zum Ausgangspunkt der Unentscheidbarkeit. Gerade jedoch bei normativ unterbestimmten Normen, die definierte Regelungsbereiche betreffen, welche ihrerseits die zu regelnde Problematik nicht entscheiden müssen, weil sie aufgrund ihrer eigenen Prinzipien eine „Erkenntnis“ oder „Lösung“ bereithalten, könnte man argumentieren, dass die Übernahme von rechtlichen Entscheidungsgründen aus der Wirtschaft in den Fällen, denen gegenüber sich das Recht selbst indifferent verhält verhält, eine Form implementierbarer Entscheidbarkeit darbietet. Haben etwa kompensationslose Anerkennungsprämien für ausscheidende Manager wirtschaftlich einen Sinn, stellen sie mithin wirtschaftlich etwa einen Vorteil dar (zum Beispiel durch Anreizwirkungen auf folgende Manager), so könnte das Rechtssprechung (die hier Untreue gegeben sieht, BGHSt 50, 331 f.) die Paradoxie der Entscheidung bei Unentscheidbarkeit durch die Übernahme wirtschaftsadäquater Entscheidungsgründe zwar nicht auflösen (denn die Übernahme des wirtschaftlichen Kalküls ist selbst eine Entscheidung), jedoch systemisch so in den Regelungsbereich zurück-transferieren, dass es zumindest innerhalb dessen keine Paradoxie erzeugt. Man käme insoweit etwa zu einer wirtschaftlich präformierten Entscheidbarkeit bei rechtlicher Unentscheidbarkeit, die – unter Umständen – doch faktisch die Paradoxie auflösen könnte. Die rechtliche Entscheidung für die Implantation wirtschaftlicher Entscheidbarkeit wäre dann selbstverständlich Ausdruck der Autopoiesis des Rechts, weil das Recht tut, „was es zu seiner permanenten Reproduktion tun muss: entscheiden“ (Fögen, FS-Kramer, S. 19). 226 „Kontingent ist etwas, was weder notwendig ist, noch unmöglich ist, was also so, wie es ist (war, sein wird), sein kann, aber auch anders möglich ist“: Luhmann, Soziale Systeme, S. 152. 227 Alwart, JZ 2006, S. 548. 228 Siehe dazu Rüthers, S. 394, 477, 514 ff.; vgl. Fn. 216. Oder auch Engisch (S. 63), der darauf hinweist, dass es ein teleologischer Widerspruch wäre, wenn

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sumtion“ und „Bestimmung der Wirklichkeit“ kein verallgemeinerbarer Grundsatz.229 Eine an den Gesetzmäßigkeiten der Lebenswelt orientierte rechtsfortbildende Regelbildung widerspricht dabei nicht einer Selbststeuerung des autonomen Rechtssystems, weil die normative Implementierung wirtschaftlicher Sachgesetzlichkeiten die Entscheidung trotz Unterbestimmtheit ermöglicht und dann gerade der Autonomie des Rechts zuträglich wird.230 Die Möglichkeit einer ‚Steuerung‘ durch ‚selbst gesetztes‘ Recht ist nur die Möglichkeit der nach eigenen Kriterien folgenden Interpretation und Anwendung von Recht durch das Rechtssystem selbst. Diese vollzieht sich aber immer im Lichte der in der Rechtsordnung geltenden Rechtsprinzipien.231 Soweit ein strafrechtliches Rechtsgut verletzt ist, zieht das Strafrecht notwendigerweise eine Grenze gegenüber wirtschaftlicher Handlungsfreiheit (einem „Linienrichter“ gleich232). Dogmatik verlässt damit nicht die strukturellen constraints des Rechts, die die Selektion von Umwelteinflüssen steuern. c) Normakzeptanz, Normzweck und -effizienz Eine auf einen teleologischen Regelvollzug gerichtete Rechtswissenschaft als Realwissenschaft wird darauf bedacht sein die Folgen der Normanwendung zu erforschen.233 Jede nur im Ansatz funktional ausgerichtete Theorie entbindet nicht von der Feststellung, dass eine Rechtsnorm ein gesellschaftliches Problem lösen soll. Sowohl Recht als auch Wirtschaft sind Teilsysteme einer Gesamtgesellschaft mit einer spezifischen Problemlösungskompetenz, die voraussetzt, dass eine das System dem jeweils anderen hinreichend Freiheit zum Funktionieren lässt. Strafrecht und Gesellschaft, Untreuestrafrecht und Wirtschaft stehen daher in einem Verhältnis gegensei„der Gesetzgeber bestimmte Zwecke anstrebt, ohne aber die unerläßlichen Mittel zu wollen“. Indifferenzerzeugungseffekten können „Disziplinierungsinstrumente“ aus der Wirtschaft durchaus abträglich sein, siehe Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 459. 229 Strikt jedoch Schünemann, NStZ 2008, S. 432. 230 Siehe auch Brinkmann, S. 61 ff. 231 „Der Realwissenschaftler kann dem Richter helfen, die richtige Antwort zu finden und zu begründen – nicht weniger, aber auch nicht mehr“: Eidenmüller, JZ 1999, S. 59. Es führt also „keine Brücke von der Wirtschaft zum Recht“, so Fögen, Rechtsgeschichte (6), S. 94. 232 Siehe schon zu Beginn der Arbeit: Hassemer, wistra 2009, S. 171, 173. 233 Rechtsnormen sind in realwissenschaftlicher Perspektive dann Antecedensbedingungen einer prognostisch ausgerichteten Rechtswirkungsforschung: vgl. Eidenmüller, JZ 1999, S. 53 f. m. w. N., S. 58. Desweiteren Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 378 ff., 382; Hassemer, wistra 2009, S. 170; Brinkmann, S. 61 ff.

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tigen Bedingens.234 Eine ‚vorgefertigte‘ Übereinstimmung rechtlicher wie wirtschaftlicher Elemente innerhalb des § 266 StGB schwindet in dem Maße, als es um Unterbestimmtheit, also um eine Defizienz an begrenzter Zuordnung von rechtlichen und wirtschaftlichen Elementen geht, das Recht qua § 266 StGB also in zu wenig begrenzter Weise auf wirtschaftliche Handlungsweisen zugreift. Die Lückenhaftigkeit gesetzlicher Regelungen kann nun Bezugsobjekt einer „realwissenschaftlich betriebenen Rechtswissenschaft“ sein, die „über die Realfolgen alternativer Entscheidungsmöglichkeiten informieren“ kann und einem intrinsischen Potential an (wirtschaftlicher) Dynamik gerecht wird, d.h. sich auf die Komplexität des Wirtschaftssystems einlässt und zu wirtschaftlichen und damit auch gesellschaftlichen Dysfunktionalitäten führende unterkomplexe Zugriffe verhindert.235 Für eine Norm wie § 266 StGB, die sich durch eine spezifische Unterbestimmtheit auszeichnet ist eine Wirkungsforschung von sich aus nicht hinreichend ergiebig. Einerseits wegen des praktischen Grundes, dass die Taxonomie von jedweden Wirkungserwartungen nicht von einem Ist-Bestand der Umweltbedingungen ausgehen kann, auf die der Untreuetatbestand stößt. Vielmehr müssten die Prognosen sich auf den Wandel in der Wirtschaft beziehen, was das originäre Forschungsfeld einer empirischen Rechtswissenschaft aber verlassen würde. Zum Anderen kann unter theoretischer Perspektive, soweit es um gegenstandsadäquate Rechtsanwendung geht, eine abstrakt-prognostische Selbstanpassung des Rechts nicht erwartet werden, wenn es im Recht selbst keinen Anlass dazu gibt. Auch dieser praktische Grund streitet für eine Orientierung an der prinzipiierten wirtschaftlichen Logik. Im Rahmen der Auslegung von Wirtschaftsstraftatbeständen dient die Betrachtung wirtschaftlicher Logik also zur Ermittlung der ratio legis der Norm und ihrer effizienten Anwendung.236 Eine solche Rechtsdogmatik, die selbstprogrammatische Aktualisierungen in Angemessenheit der Funktionsmodi des regulierten Wirtschaftsbereichs hervorruft, wenn sie auf Auslegungsalternativen verweist, kann nämlich verhindern, dass die fortschreitende Ausdifferenzierung des Rechts einhergeht mit einer paradoxen Erwartungshaltung gegenüber einem sich ebenso fortlaufend ausdifferenzierenden Wirtschaftssystem, welches Verhalten tradiert, das wirtschaftlich akzeptiert wird und sich teilweise als immun gegenüber rechtlicher Regulierung verhält.237 234 Vgl. Jakobs, ZStW 107 (1995), S. 846 ff.; Hassemer, wistra 2009, S. 169 ff.; Bussmann/Lüdemann, S. 129 ff. 235 Hassemer, wistra 2009, S. 170 f.; Eidenmüller, JZ 1999, S. 58; Raiser, ZHR 1980, S. 219; van Aaken, S. 146 ff.; Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, S. 112; Teubner, Generalklauseln, S. 19 ff.; ders., Verrechtlichung, S. 342. 236 Siehe Birkholz, S. 219 ff., 238.

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Die Interdependenz von Recht und Wirtschaft238 im Untreuestraftatbestand kann dazu führen, dass der rechtliche Zugriff auf wirtschaftliche Zusammenhänge mit nicht antizipierten, nicht intendierten Wirkungen auf wirtschaftliche Prozesse einhergeht, etwa verminderte Investitionstätigkeiten, Innovationshemmung etc. Oder aber er mündet in sogenannte (organisationssoziologisch bedingte) Neutralisationstechniken (beispielsweise die Diffusion von Verantwortungsbereichen) oder Ausweichstrategien, mit Hilfe deren die Wirtschaft die rechtliche Wirksamkeit zu zerstreuen bzw. zu umgehen sucht.239 Ein wirksames Rechtssystem orientiert sich, weil Geschlossenheit im Sinne von Autonomie – wie oben erörtert – Offenheit unter Sicherung der Stabilisierung der System-Umwelt-Grenze voraussetzt, reflexiv an seiner Wirksamkeit in bestimmten Sozialzusammenhängen, einschließlich an der Kenntnis solcher Sozialzusammenhänge mit für das Recht „vorgeordneter Komplexität“ (Vorstrukturierung).240 Denn die Maximierung nur der Rechtsrationalität führt nicht zur Bewältigung von Problemen im Wirtschaftssystem.241 Ohne die rechtliche Berücksichtigung (ja sogar Implementation) von Selbstorganisation und Selbststeuerung (Selbstlenkung) des Wirtschaftssystems, d.h. ohne die reflexive Orientierung des Rechts auf seine Rolle, dass das Recht für die „anderen Teilsysteme eine brauchbare Umwelt darstellen müsse“242, bestünde die Gefahr eines defizitären, paradoxen, respektive schädlichen Wirkungszusammenhang zwischen Recht und Wirtschaft und damit unter gesamtgesellschaftlicher Perspektive einer „Ineffektivität“ des Rechts. Ebenso wie das Rechtssystem lässt sich das Wirtschaftssystem nur 237

Siehe Thomas, FS-Riess, S. 802; Teubner, Verrechtlichung, S. 315 f. Wirtschaft ist im Sinne von Interdependenz nicht nur abhängig von rechtlicher Ordnungs- und Sicherungsleistung, die wiederum auf ökonomische Bezugsgrößen angewiesen ist, sondern bereits selbst „strukturell“ durch Recht „präformiert“, siehe Assmann, S. 7. Dies wird beim Untreuestrafrecht deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass ökonomische Vertrauensfunktionalität mit dem Vertragsrecht, die durch § 266 StGB zu schützende wirtschaftliche Zuweisungslogik mit verfassungsrechtlich verankerter Privatautonomie oder der wirtschaftliche Vermögensbegriff mit dem Recht auf „Eigentum“ im Zusammenhang steht usw. 239 Dazu ausführlich Hefendehl, MschrKrim 2005, S. 452 ff., 456 f.; siehe auch Alwart, JZ 2006, S. 548. 240 Teubner, Recht als autopoietisches System, S. 109 f.; Hassemer, wistra 2009, S. 170 f.; Assmann, S. 127; Raiser, ZHR 1980, S. 219; Rüthers, S. 193 ff.; Wiethölter, KJ 1985, S. 135, 137; Schäfer/Ott, S. 16 f. Ebenso Günther, FS-Weber, S. 313, der die Notwendigkeit „präzisierender Kautelen“ für die Anwendung der Untreue im Wirtschaftsleben bespricht. 241 Teubner/Willke, S. 17 f., 27; Otto, MschrKrim 1980, S. 404. 242 Teubner/Willke, S. 14. Zur Begrenzung der Steuerungskapazität des Strafrechts für wirtschaftliche Eigenlogiken auch Alwart, JZ 2006, S. 548; Hassemer, wistra 2009, S. 173. 238

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unter Berücksichtigung der Eigenrationalität steuern, wenn eine gesamtgesellschaftlich konfliktträchtige Entdifferenzierung wirtschaftlicher Zusammenhänge, d.h. die diffuse Orientierung des Wirtschaftssystems an nicht eigener Codierung, nicht in Kauf genommen werden soll.243 Teubner fasst die Folgen der Beeinflussung außerrechtlicher Lebensbereiche unter Missachtung von deren eigenlogischer Spezifität unter dem Begriff des regulatorischen Trilemmas zusammen. „Jeder regulatorische Eingriff, der diese Grenzen überschreitet, ist entweder irrelevant oder hat desintegrierende Wirkungen für den gesellschaftlichen Lebensbereich oder aber desintegrierende Wirkungen auf das regulatorische Recht selbst zu Folge“.244 Ist nach Engisch Dogmatik als Aufgabe zu verstehen die Einheit der Rechtsordnung durch „Ergänzung von Tatbestand und Rechtsfolge aus der gesamten Rechtsordnung“ herzustellen245, so hat eine rechtssystemtheoretisch informierte Dogmatik mit gesamtgesellschaftlichem Blick die Ergänzung der gesamten Rechtsordnung aus dem intersystemischen Ordnungsverhältnis heraus herzustellen und die intrasystemische Ergänzungsleistung im Sinne Engischs dort effektiv steuerbar zu machen, wo es Alternativen von Ergänzungen gibt. § 266 StGB schützt funktional Vertrauen, Privatautonomie und Vermögen und damit das Prozessieren arbeitsteiligen Wirtschaftens. Er ist in das Recht übertragene und umgesetzte Normierung lebensweltlicher wirtschaftsrationaler Erwartungen.246 Seine umweltunverträgliche (referenzwidrige) Anwendung wäre normzweckwidrig. Überdies bewirkt angesichts der Anwendungsdefizienzen des § 266 StGB eine profilierte Passförmigkeit zum Wirtschaftssystem durch Einbindung der Objektlogik gleichzeitig gerade die Möglichkeit zunehmender Befreiung von wirtschaftlicher „Korruption“ des Untreuestrafrechts in seiner Anwendung. Wird man sich bewusst, dass Verfahrenseinstellungen gemäß § 153 a StPO nicht selten auf die (auch unter verteidigungsstrategischen Gesichtspunkten und mit besonderem wirtschaftlichen Aufwand) vorgetragene Komplexität die wirtschaftlichen Grenzen der Rechtspflege überschreitet, so 243

Siehe Assmann, S. 95 m. w. N.; Teubner/Willke, S. 15; 17 f.; Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, S. 136 f.; Hassemer, wistra 2009, S. 171 ff.; Otto, MschrKrim 1980, S. 404, Albrecht, KritV 1988, S. 197 f. Assmann beschreibt dort auch ‚Ökonomisierungstendenzen‘ in der Rechtsmethodologie, allem voran die ökonomische Analyse des Rechts, als „Syndrome“ einer solchen Ineffektivität. Siehe auch Kölbel, Cultural lag, S. 76: „Wirtschaftsstrafnormen stehen gewissermaßen unter dem Vorbehalt des Wirtschaftskalküls“. Desweiteren van Aaken, S. 26 ff., 146 ff. 244 Teubner, Verrechtlichung, S. 316, siehe auch Prittwitz, S. 251 f. m. w. N. 245 Engisch, S. 70. 246 Vgl. Bussmann, Kritische Kriminologie und Systemtheorie, S. 113 f.

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wird deutlich, dass in solchen Fällen die wirtschaftliche Logik das Recht insoweit beeinflusst („korrumpiert“), als es dieses zur Anwendung des Opportunitätsprinzips als Entscheidung „zwingt“, obwohl bei Unabhängigkeit vom wirtschaftlichen Kalkül auf der Entscheidungsebene und einer regulären Normanwendung etwa ein Freispruch oder eine Verurteilung erfolgt wäre.247 Einem solchen Regulierungsprozess durch die Wirtschaft würde das Recht sich zugunsten eines Autonomiezuwachses sogar gerade entziehen, wenn es eigene Unterbestimmtheit durch die verfestigte selbstkonturierende und damit selbstbeschränkende Auswahl passförmiger Fremdreferenz ausfüllt, die die dem Recht eigentlich zustehenden Entscheidbarkeitspotentiale reintegriert. Mit dem Verlangen nach der Widerspruchsfreiheit ist also nicht gesagt, dass die Richtigkeitsgesichtspunkte durch die alleinige Anknüpfung an den Regelungsgegenstand erwachsen, also die wirtschaftliche Sinn- und Zweckhaftigkeit248 (siehe B. IV. 2. b)). Die Folgenorientierung als rationale Entscheidungshilfe sichert aber eigene systemische Rationalität und Anwendbarkeit gerade des Untreuetatbestands, der die ökonomische Rationalität schon immer miteinverleibt hat. Die realwissenschaftliche Ausrichtung der Rechtswissenschaft ist als notwendige „Metaebene“ legitimer Ausfluss ihres praktischen Charakters und ihrer teleologischen Konzeption.249 247 Anschaulich Boers/Theile/Karliczek, S. 121 f.; Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 453; Landau, NStZ 2007, S. 122 f., 129 („Verfahrensverzögerung als Verteidigungsziel“), Lüdemann/Bussmann, KrimJ 1989, S. 66 f. Zweifelhaft wäre des demnach verallgemeinernd davon zu sprechen, dass die Praxis der Verfahrenseinstellungen den „einheitlichen Geltungsanspruch des Strafrechts“ bewahrt (vgl. Steinhögl, S. 125). Ebenso zweifelhaft die Kopplungsbedürftigkeit des materiellen Programms auf die Anwendungsebene zu verlagern (siehe Steinhögl, S. 129), denn dort können ökonomische Prinzipien nicht mehr in das Rechtssystem integriert (formalisiert) werden. Ökonomisierungen auf der Entscheidungsebene selbst bedeutet Funktionsdefizit (Entdifferenzierung). Näher liegt es, dass Programm des § 266 StGB wirtschaftsadäquat und bestimmter zu gestalten und vielmehr die Absprachepraxis (im Zuge einer allgemeinen Entpönalisierung, siehe etwa Seibert, S. 356 f.) zu formalisieren, sodass jedenfalls an das Binnenprinzip der Anwendungsgleichheit angeknüpft werden kann. Dann nämlich wird, wie Steinhögl formuliert (a. a. O.), die Ankopplung an die Wirtschaft (Integration in das materielle Programm) auch nicht zwangsläufig „durch den Verlust von an Gerechtigkeit orientierter Rationalität bezahlt“. 248 Die Trennung von empirischer Folgenanalyse und normativer Folgenbewertung ist auch in rechtsökonomischer Literatur anerkannt, siehe Schäfer/Ott, S. 16 f. Überdies untersucht die funktionale Betrachtung den Untreuestraftatbestand auf spezifische Aushandlungsprozesse zwischen abstrakten Systeminteressen ohne damit aber die Möglichkeit zu leugnen andere, zum Beispiel moralisch-philosophische Blickrichtungen einzunehmen, tut dies aber aufgrund ihrer methodisch funktionalistisch-realwissenschaftlichen Geschlossenheit nicht selbst. 249 Eidenmüller, JZ 1999, S. 61.

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B. Methodische und rechtstheoretische Grundlegungen

V. Die Ökonomische Analyse des Untreuestrafrechts als untergeordneter Teilaspekt der systemtheoretischen Analyse Da das Untreuestrafrecht die sanktionsbewehrte Kontrolle eines gegebenen wirtschaftlichen Handlungsrahmens und damit eine Verrechtlichung ökonomisch „gelebter“ Erwartungen vollzieht, geht es primär nicht – wie einem wesentlichen Teil des Wirtschaftsrechts – um eine wirtschaftspolitische Steuerung von Wirtschaft, sondern um eine Stabilisierung durch das ‚Regiment‘ des Strafrechts (siehe B. IV. 2. c)). Gerade die Gestaltungsmacht eines wirtschaftliche Prozesse selbstständig (um-)strukturierenden Rechts wäre aber Ansatzpunkt für eine ökonomische Analyse des an Stelle der Ökonomie „handelnden“ Rechts, die das Recht als „fremden“ Eingriffsfaktor unter Gesichtspunkten wirtschaftlichen Effizienzdenkens betrachtet und bewertet.250 Sinn und Zweck des Untreuestrafrechts ist aus der Sicht der Wirtschaft aber nicht etwa ein „artifizieller“ Änderungs- oder Verzerrungsmodus hinsichtlich wirtschaftlicher Eigenlogik, der etwa Vermögenszuordnungen umgestaltet oder Privatautonomie beschränkt. § 266 StGB ist nicht als „Transformation von Sozial- in Rechtsverhältnisse und umgekehrt“251 im konstitutiven Sinne zu lesen, sondern stellt Verletzungen von bereits (privatrechtlich, wirtschaftlich) konstituierten Rechts- und Sozialverhältnissen, eine spezifische fehlgeschlagene Transaktion, unter Strafe, dient also seiner Zweckgeschichte nach dem Schutz einer rechtlich wie wirtschaftlich bereits vorgefundenen Adäquanz, wie sie sich in dem in den intersystemisch begreifbaren Begriffen wie des „Vertrauens“, der „Privatautonomie“ und dem „Vermögen“ darbietet. Eine ökonomische Analyse des Sinn und Zwecks des Untreuestrafrechts-Programms als solchem scheint daher unergiebig. Möglicherweise aber liefert die Ökonomische Theorie des Rechts Anhaltspunkte in Detailfragen der Normauslegung bzw. Normanwendung, wenn die ökonomisierten Rechtsbegriffe vom Recht in seinen Anwendungsalternativen innerhalb von Konkretisierungsspielräumen nicht mehr im Rahmen der Adäquanz (Kongruenz) der rechtlich und ökonomischen Systemrationalitäten interpretierbar sind. Da aber gerade das Verhältnis von Untreuestrafrecht und Wirtschaft in die Blickrichtung der Untersuchung fällt und im Ansatz von einer Adäquanz auszugehen ist, die sowohl zugunsten des Rechts als auch zugunsten 250 Siehe Schäfer/Ott, S. 8 ff.; Mathis, S. 20 ff., 41 ff., 194 ff.; Adams, Ökonomische Theorie, S. 34 ff., jeweils m. w. N. Effizienz meint in diesem Sinne die Produktivität bzw. Leistungsfähigkeit des Wirtschaftssystems, näher dazu Mathis, S. 193 f. m. w. N. 251 Assmann, S. 228.

V. Die Ökonomische Analyse des Untreuestrafrechts

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der Wirtschaft gedehnt oder überdehnt werden kann, ist es von besonderer Bedeutung eine „bidirektionale“ Perspektive einzunehmen. Die Wahrung von Autonomie und Binnenkohärenz des Rechts, resp. Strafrechts (siehe B. III. 2. b)) kann – und will – die Ökonomische Theorie des Rechts, die Recht als subsystemspezifische Realität selektiv beobachtet, also nicht außerhalb des Verhältnisses von Recht und Wirtschaft steht252, nicht leisten. In der funktionalen Methode der Systemtheorie liegt dahingegen das Bestreben, „Blickbegrenzungen der Handlungsperspektive aufzuheben und durch transintentionale Forschung mehr Komplexität zu erfassen“ und mit Hilfe dieses holistischen Theorieansatzes einen themenspezifischen „Universalhorizont“ einzunehmen253, der mit ökonomischer Effizienz nicht die Konsistenz rechtlicher Normativität und das beidseitige „konstitutive Verhältnis“254 vergisst. Ein solches konstitutives Verhältnis verliert sich ohnehin in der konkreten rechtlichen Entscheidung, in die ein wirtschaftliches Argument keinen direkten Eingang findet.255 In ihr kann nur rechtlich kommuniziert werden. Eine funktionale Interpretation vermag den ökonomischen Sinngehalt einer Norm rechtlich in sie zu reintegrieren. Diese Arbeit verfolgt nicht das Ziel einem systemischen Teil des Untreuestrafrechts per se einen Zugriff auf den anderen zu sichern, sondern nimmt kritisch das Reziprozitätsverhältnis in der Programmierung des § 266 StGB in den Fokus. Die Frage also, ob die Anwendung des § 266 StGB wirtschaftliche Prozesse bis hin zur Effizienzgefährdung irritiert oder entdifferenziert, geht gleichzeitig notwendig einher mit der Frage, ob dies überhaupt rechtlich vermeidbar wäre.256 Somit wird in den Einzelfällen die ökonomische Analyse des Rechts einen Teilaspekt einer systemtheoretischen Betrachtung einnehmen, ohne argumentationsleitend diskutiert zu werden. Damit entfällt auch eine großen Raum greifende Erörterung einer Normativierung ökonomischen Zweckden252 Kritisch insoweit zur Rechtsökonomik (Homo oeconomicus, Rational Choice, Kosten-Nutzen-Kalkülen) statt vieler: Hutter/Teubner, S. 114 ff., 127 ff. „Die Ökonomie kann das, was sie kann: sie liefert nur ‚one view of the cathedral‘, Schmidtchen, Wozu Strafrecht? Another View of the Cathedral, S. 20. 253 Luhmann, Soziale Systeme, S. 84; ders., Vertrauen, S. 3, Fn. 7 a. E., m. w. N.; ders., Zweckbegriff und Systemrationalität, S. 345 ff. 254 Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 452 f. 255 Siehe Riechers, Rechtstheorie 29 (1998), S. 525 ff.; Birkholz, S. 178 ff., 219 ff. 256 Im Übrigen auch mit der Frage, ob ein hypertrophierte Zugriff auf die ökonomischer Eigenlogik, gesamtgesellschaftlich zweckhaft oder gewollt ist oder auch, welche rechts-, wirtschafts- und sozialethischen Positionen man zu dieser Problematik einnehmen könnte. Eine solche umfassende Sichtweise kann indes im Rahmen dieser rechtstheoretisch und rechtspraktisch orientierten Arbeit nicht geleistet werden.

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B. Methodische und rechtstheoretische Grundlegungen

kens, denn die Zielrichtung dieser Arbeit ist es nicht, das Strafrecht in seiner Dogmatik zur optimalen Adaptilität aus Sicht der ökonomischen Prozesslogik zu verpflichten. Auch wenn, wie angedeutet, Perspektiven der ökonomischen Analyse nicht ausgespart werden sollen, so ist der Grundsatz der Beschäftigung mit vorliegender Thematik eine am Ist-Bestand juristischer Codierungen von Untreuefällen orientierte Analyse des Verhältnisses des § 266 StGB und wirtschaftlicher Eigenlogik. Insoweit können aufgrund Auslegungsvariabilität des § 266 StGB Empfehlungen abgegeben werden, die auf eine konfliktfreie Bezugnahme auf die Wirtschaft zielen, ohne damit eine (einen Sein-Sollen-Fehlschluss nahelegende) rechtlich-normative Aufladung ökonomisch-empirischer Gesetzmäßigkeiten und Interessen zu bezwecken.

VI. Zusammenfassung Eine funktionale Theorie des Rechts ist nicht primär auf die Faktizität gerichtet, sondern auf die rechtliche (Re-)Harmonisierung von Normativität und Faktizität. Ihre Intention ist es, die (rechtssystemadäquaten) Alternativen der Auslegung zu ergründen, die in möglichst abstrakter Weise mit dem Wirtschaftssystem korrespondieren. Eine funktionale Betrachtung der Kopplung von Untreuestrafrecht und Wirtschaft entledigt sich dann angesichts des vagen Wortlauts gerade einer rechtlichen Überkomplexität so wie aber immer auch einer rechtlichen Unterkomplexität. Vielmehr geht es um den Aufbau einer Komplexitätsadäquanz von Recht und Wirtschaft, d.h. der gegenseitigen Berücksichtigung jeweiliger Komplexität. Eine Dogmatik, die die Komplexität der Wirtschaft berücksichtigt und praxisrelevant ist, ist daher keine unterkomplexe Dogmatik. Eine Dehypertrophierung, die Selbstbeschränkung im kompromisslosen Zugriff des einen Systems auf ein anderes, ist gerade Voraussetzung für gesamtgesellschaftlichen Komplexitätsaufbau. Zudem dient sie einer Nachbestimmung des Anwendungshorizonts in Entsprechung zur verfassungsrechtlich gebotenen Begrenztheit des Strafrechts. Soweit das Untreuestrafrecht rechtliche Un- oder Unterbestimmtheiten aufweist, ist eine Orientierung an der Logik des Regelungsgegenstandes, d.h. eine wirtschaftsadäquate Interpretation des § 266 StGB, geboten und gerechtfertigt.

C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 266 StGB I. Der Begriff des Missbrauchs bei § 266 1. Alt. StGB (Missbrauchsalternative) Gemäß § 266 1. Alt. StGB ist wegen Untreue strafbar, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt. Die prägnanteste Definition des Merkmals ‚Missbrauch‘ beschreibt diesen als die Einhaltung des rechtlichen Könnens unter der Verletzung des rechtlichen Dürfens.257 Bei § 266 1. Alt. StGB ist das rechtliche Können die Verpflichtungs- oder Verfügungsbefugnis gegenüber dem treugeberischen Vermögen. Die Einhaltung des rechtlichen Könnens als „Gebrauch“ der Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis setzt damit die (zivil-)rechtlich wirksame Ausübung dieser Befugnis voraus.258 Das Missbrauchen der Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis unter der Voraussetzung eines wirksamen Außenverhältnisses kann dementsprechend treffender als „Miss(ge)brauch“259 formuliert werden. Er ist aus der Art und dem Inhalt der Befugnisgrundlage ableitbar.260 Somit fungiert der Missbrauchstatbestand als 257 BGHSt 5, 63 m. w. N.; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 6; LK-Schünemann, Rn. 50; Schwinge/Siebert, S. 27; Krey/Hellmann, BT 2, Rn. 545 f. 258 BGH NStE Nr. 28 (wer als Bevollmächtigter als Eigentümer der dem Vollmachtgeber gehörenden Sachen auftritt, übt nicht wirksam die Befugnis aus); SKSamson/Günther, § 266, Rn. 10; Seier/Martin, JuS 2001, S. 875 ff.; Küper, BT, S. 349; a. A. LK-Schünemann, § 266, Rn. 34, 50 f. Richtig an der kritisch Auffassung Schünemanns (so auch ders., Organtreue, S. 13 ff.) ist die Ablehnung einer strengen Zivilrechtsakzessorietät des Vermögensstrafrechts. Eine ausführliche Diskussion ist an dieser Stelle nicht möglich. Zu beachten ist jedoch, dass die strenge Zivilrechtsakzessorietät durch die Auffangfunktion des Treubruchtatbestands letztlich keine Begrenzung der Autonomie des Untreuestrafrechts bewirkt. Wenn also eine Orientierung an zivilrechtlichen Maßstäben nur maßgeblich dafür ist, ob die erste oder zweite Alternative des § 266 StGB greift, bleibt die nicht zivilrechtsakzessorisch restringierte strafrechtsautonome Beurteilung im Rahmen des Treubruchtatbestands funktional erhalten. 259 Labsch, Jura 1987, S. 413.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

„strafrechtliche ‚Verlängerung‘ der zivilrechtlichen Differenzierung zwischen dem Innen- und Außenverhältnis“.261 Kein Missbrauch liegt vor, wenn die eingeräumte Vertretungsmacht nach außen nicht weiter reicht als die im Innenverhältnis eingeräumte Befugnis. Ist nämlich die Zuwiderhandlung zugleich eine Überschreitung der Vertretungsmacht, so ist dieses Rechtsgeschäft gemäß § 164 Abs. 1 BGB unwirksam und der Vertreter haftet (soweit nicht ein Fall der Anscheinsvollmacht vorliegt; siehe für diesen Fall C. III. 3. a) aa)) dem Dritten nach § 179 BGB selbst, beispielsweise wenn ein Verkaufsvertreter den ihm vorgeschriebenen Verkaufspreis unterschreitet.262 Eine Abtretung von Privatautonomie als funktionales Spezifikum liegt in einem solchen Fall nicht vor. Die Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnis für fremdes Vermögen sind an die zivilrechtlichen Regelungen gebunden. • Wirksame Verfügung: Eine Verfügung ist ein Rechtsgeschäft, das ein Recht überträgt, belastet, ändert oder aufhebt.263 Sie verpflichtet nicht und begründet auch keine Rechte, ändert aber die Zuordnungsverhältnisse innerhalb der Rechtslage. Rein tatsächliche Einwirkungen wie die Verbindung (§ 947 BGB), Vermischung (§ 948 BGB), Verarbeitung (§ 950 BGB), Sachbeschädigungen oder der Eigenverbrauch fallen nicht unter den Verfügungsbegriff.264 Die Verfügung wirkt nur, wenn der Verfügende Verfügungsmacht hat. Sie ist 260 SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 17. Aus dem Innenverhältnis zuwiderlaufenden Absichten, zum Beispiel das auftragsgemäß erlangte Geld für sich zu behalten, kann indes nicht auf eine Missbrauchshandlung geschlossen werden (BGH wistra 1984, S. 143; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 20; Schönke/Schröder-Perron, § 266, R. 19; Wittig/Reinhart, NStZ 1996, S. 469 f.; Heinitz, FS-Mayer, S. 436) Die Einhaltung des rechtlichen Könnens bei äußerlich-formaler Einhaltung des rechtlichen Dürfens allein mit der gleichzeitigen Absicht zu dessen Verletzung ändert an der rechtlichen Wirksamkeit nämlich noch nichts. 261 Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 31, Rn. 47. 262 Heinitz, FS-Mayer, S. 434 ff.; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 17 f.; Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 31, Rn. 72. Anders jedoch LK-Schünemann, § 266, Rn. 51. 263 BGHZ 1, 304; 13, 1. 264 Rengier, BT, § 18, Rn. 5; Arzt, FS-Bruns, S. 365 ff.; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 9. Anders Wittig/Reinhart, die für einen strafrechtsautonomen Verfügungsbegriff plädieren und jedes Handeln des Täters genügen lassen wollen (NStZ 1996, S. 469). Tatsächliche Einwirkungen fallen jedoch nach der hier vertretenen Auffassung allein unter den Treubruchtatbestand. Die Pflichtenstellung im Rahmen des § 266 1.Alt. StGB zeichnet sich gerade durch die Abtretung eines „Mehr an rechtlicher Macht“ aus (dazu ausführlich in Abschnitt C. III. 2. c)).

I. Der Begriff des Missbrauchs bei § 266 1. Alt. StGB

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Bestandteil desjenigen Rechts, über das verfügt werden soll und steht deshalb grundsätzlich dem Rechtsinhaber zu. Bedeutende Ausnahme zu diesem Grundsatz ist die Verfügungsmacht des Nichtberechtigten aufgrund Ermächtigung durch den Vermögensinhaber (§ 185 BGB). Es genügt aber nicht, wenn sich die Rechtsmacht bloß aus den Vorschriften zum Schutz des Rechtsverkehrs ergibt.265 Im Sachenrecht ersetzt der gute Glaube des Erwerbers an das Eigentum des im Grundbuch stehenden oder unmittelbar besitzenden Veräußerers die fehlende Verfügungsmacht (siehe §§ 892 f., 932 ff., 936, 1207). In Einzelfällen ist auch schon der gute Glaube an die Verfügungsmacht des veräußernden Nichteigentümers hinreichend (siehe §§ 135 Abs. 2, 161 Abs. 3 BGB oder § 366 Abs. 2, 3 HGB) oder der gute Glaube an die Zustimmung des vermeintlichen Eigentümers beim wissentlichen Erwerb vom Nichteigentümer (§ 932 Abs. 1 BGB analog). In der Gesamtheit dieser Fälle des Gutglaubenserwerbs liegt jedoch keine Fiktion der Verfügungsmacht etwa kraft rechtswirkungsgleichen Rechtsscheins vor, sondern eine zum Zwecke des Schutzes des Rechtsverkehrs getroffene Sonderreglung, die gerade am Fehlen der Verfügungsmacht ansetzt. • Wirksame Verpflichtung: Einen anderen verpflichtet, wer dessen Vermögen schuldrechtlich mit einer Verbindlichkeit belastet.266 Damit fällt zum Beispiel die Fallkonstellation aus der Missbrauchsalternative heraus, in der die unter Verletzung der Befugnisse aus dem Innenverhältnis eingegangene Bindung des Vermögensinhabers auf einer Anscheinsvollmacht des Vertreters beruht. Sie ist weder durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumt, sondern ist deren Rechtsschein, d.h. ergibt sich aus rein tatsächlichen Umständen. Die gleichwohl vorhandene Rechtskraft der Anscheinsvollmacht folgt aus den auf § 242 BGB beruhenden Regeln über den schuldhaft verursachten Rechtsschein der Vollmacht zum Schutz des Rechtsverkehrs.267 Die Anscheinsvollmacht stellt daher selbst keine (echte) Vollmacht dar.268 Entsprechendes gilt für Ange265 BGHSt 5, 63 (danach ist Macht in diesen Fällen lediglich eine „Reflexwirkung“ des Drittschutzes); siehe auch BGHZ 56, 123; Sax, JZ 1977, S. 704, 745 m. w. N.; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 13; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 751. 266 LK-Schünemann, § 266, Rn. 46 f.; Labsch, Jura 1987, 350. 267 BGHZ 40, 204; NJW 1998, 1854; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 45, Rn. 17; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 13; Krey/Hellmann, BT 2, Rn. 548. 268 BGHZ 86, 275; 102, 60; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 4.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

stellte gemäß § 56 HGB, deren Rechtshandlungen Rechtswirkung lediglich aufgrund der Rechtsscheinsregelungen zukommt.269 Dafür, dass § 266 StGB im Zusammenhang mit einer Anscheinsvollmacht nicht anwendbar ist, spricht auch die Tatsache, dass die Machtstellung des Geschäftsführers nicht aufgrund einer im Vertrauen abgetretenen privatautonomen Vermögensmacht resultiert (und auch nicht auf einer gesetzlichen Machtstellung, die das Vertrauen bzw. die Privatautonomie des Vermögensinhabers durch Normierung „substituiert“ (siehe schon B. III. 1.). Vielmehr dient die Anscheinsvollmacht gerade dem Schutz des Rechtsverkehrs und dem Vertrauen des Dritten. Somit steht eine Anwendung des § 266 StGB auf die Anscheinsvollmacht nicht im Lichte seiner funktionalen Schutzrichtung. • Rechtsgrundlagen der Befugnis Eine große Anzahl gesetzlicher Regelungen sieht Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnisse vor, zu deren Begründung es eines Rechtsgeschäfts bedarf.270 Dies gilt für die vereins- oder gesellschaftsrechtlich bestellten Organe der juristischen Personen (zum Beispiel der Geschäftsführer einer GmbH gemäß §§ 6, 35 GmbHG, Vorstandsmitglieder einer AG nach §§ 78 ff., 93 AktG und Mitglieder des Aufsichtsrats einer AG nach § 112 AktG271, Vorstände (rechtsfähiger) Vereine und Stiftungen (§§ 26 f., 86 BGB)) bzw. die Vertreter von Personengesellschaften (zum Beispiel geschäftsführende Gesellschafter einer OHG gemäß §§ 125 ff. HGB, Komplementäre einer KG nach §§ 161 Abs. 2, 170, 125 HGB, Geschäftsführer einer GmbH & Co KG (§§ 161 Abs. 2, 125 HGB, 35 GmbHG i. V. m. § 14 StGB) oder geschäftsführende Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft gemäß §§ 709, 714), deren Befugnis zugleich „durch Gesetz“ ausgestaltet werden. Aufgrund eines Rechtsgeschäfts werden fernerhin befugt der Handlungsbevollmächtigte (§ 54 HGB) und Abschlussvertreter (§ 55 HGB), der Prokurist (§§ 48 ff. HGB) oder der Kommissionär (§§ 383 Abs. 1, 384 Abs. 1 HGB)272. 269 Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 4, 8. Vgl. mit den schon oben vorgenommenen Ausführungen zu §§ 932 ff. BGB, 366 HGB. 270 Lackner/Kühl, § 266, Rn. 5a m. w. N.; Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 31, Rn. 14 f. m. w. N. 271 Poseck, S. 66. Der Aufsichtsrat kann, obwohl er nicht gesetzlicher Vertreter einer AG ist, sondern Aufsichts- und Kontrollorgan, dann missbräuchlich Handeln, wenn er die AG gegenüber den Vorstandsmitgliedern vertritt. Beispielsweise soweit es beispielsweise um den Abschluss (oder Widerruf) des Anstellungsvertrags (§ 84 AktG), die Festsetzung/Herabsetzung der Vorstandsvergütung (§ 87 AktG) oder die Erhebung von Schadensersatzklagen gegen Vorstandsmitglieder (§§ 112, 92 Abs. 2 AktG, siehe auch BGH NJW 1997, S. 1926 ff.) geht.

I. Der Begriff des Missbrauchs bei § 266 1. Alt. StGB

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Sowohl gesetzliche Verpflichtungs- als auch die Verfügungsbefugnisse werden weiterhin begründet durch Rechtsverhältnisse wie – den gesetzlichen Vermögenssorgerechten (der Eltern, § 1626 Abs. 1 BGB, des Vormunds, § 1793 Abs. 1 BGB und im Rahmen des Betreuungsrechts, §§ 1896 ff. BGB) – dem gesetzlichen Vermögensverwaltungsrecht von behördlich oder gerichtlich Beauftragten, wie des Insolvenzverwalters bezüglich der Insolvenzmasse (§§ 22, 56, 80 Abs. 1 InsO)273, des Testamentsvollstreckers (§ 2205 S. 1, S. 2 BGB)274 bzw. des Richters oder Rechtspflegers im Zusammenhang mit Nachlassgegenständen275 oder auch des Gerichtsvollziehers (§§ 753, 814 ff. ZPO)276 – die Amtsträgerschaft, wenn sie fiskalische Aufgaben der Exekutive umfasst.277 Durch solche gesetzlichen Regelungen eingeräumt ist die Verpflichtungsoder Verfügungsbefugnis, welche dem Täter nicht aufgrund eines gerade auf ihre Begründung gerichteten Verleihungsaktes, sondern aufgrund gesetzlicher Regelung als Inhaber einer bestimmten Stellung zukommt.278 Durch behördlichen Auftrag erhält Verpflichtungs- und Verfügungsbefugnis gemeinhin derjenige, dessen dienstliche Obliegenheit die Vornahme solcher Befugnisse ist.279 Wichtigster Fall einer Befugnis zur Verpflichtung eines anderen stellt die rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht nach Maßgabe der §§ 164 ff. BGB dar. Die Verfügungsbefugnis ergibt sich vornehmlich aus einer auf der Einwilligung des Berechtigen beruhenden Ermächtigung (§ 185 BGB).280 Die Verfügung bzw. Verpflichtung können unwirksam und mangels Bindungswirkung nicht missbräuchlich im Sinne des § 266 StGB sein, wenn der Geschäftsherr mit einem Dritten kollusiv zum Nachteil des Vermögens272 Siehe insbesondere OLG Köln JMBl. NRW 1959, S. 138, das die Erfüllung der Missbrauchsalternative bei Verkauf der Waren durch den Kommissionär unterhalb der vereinbarten Preisgrenze bejahte. 273 Siehe auch BGH wistra 1998, S. 150; Schramm, NStZ 2000, S. 398 f. 274 Die Verfügungsmacht des Rechtsinhabers kann durch Veräußerungsverbote, §§ 135 Abs. 1, 136 BGB, insbesondere durch einstweilige Verfügungen von Gerichten, §§ 135 Abs. 1, 136 BGB i. V. m. 935, 938 ZPO, beschränkt sein. 275 BGHSt 35, 224 ff. 276 Siehe auch BGHSt 13, 276. 277 Fabricius, NStZ 1993, S. 414 f. 278 Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 8. 279 SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 14. 280 RGSt 56, 123; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 10.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

inhabers zusammenwirkt oder anderweitig evident seine Vollmacht missbraucht, da das Überschreiten des rechtlichen Dürfens im Innenverhältnis nicht im Rahmen des rechtlichen Könnens liegt.281 Für solche Fälle einer Verletzung von Vertrauen und Privatautonomie kommt jedoch regelmäßig der Treubruchtatbestand in Betracht.282 Dasselbe gilt für Fälle, bei denen das Innerverhältnis etwa nach §§ 134, 138 BGB nichtig ist.283

II. Tatbestandliche Unterbestimmtheit der Treubruchalternative (§ 266 2. Alt. StGB) Im Gegensatz zum Missbrauchstatbestand ergibt sich aus dem Tatbestand der Treubruchalternative die Pflichtenstellung, d.h. die Einräumung einer besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Macht über fremdes Vermögen, nicht explizit. Handelt es sich bei § 266 1. Alt. StGB um die Pönalisierung eines gesetzlich bestimmt umschriebenen tatsächlichen Verhaltens, durch das der Täter seine Pflicht verletzt (Teilrechtsexternalisierung in Form einer bestimmten Binnenkopplung), so geht bei der zweiten Alternative die Tathandlung gerade in der Pflichtverletzung auf, ohne dass schon im Wortlaut ein tatsächliches Verletzungsverhalten bestimmt wäre. Eine aus sich heraus zutreffende Einhaltung des Bestimmtheitsgrundsatzes scheitert also daran, dass die zweite Alternative die „Pflichtverletzung“ als normatives Merkmal nur als eine „Eigenschaft“ eines nicht näher umschriebenen tatsächlichen Verhaltens zum Ausdruck bringt.284 Die Abstraktion der Tathandlung durch das Merkmal „Pflichtverletzung“ ist extensionsanfällig, weil sie nicht eo ipso eine untreueerhebliche Konkretisierung (Besonderung) erbringen kann285 und in einem unbegrenzt akzessorischen Verständnis der Pflichtwidrigkeit an sich jede Verletzung einer dem Vermögensinteresse des Vermögensinhabers dienende Pflicht sowie schon der schiere Verstoß gegen Treu und Glauben als untreueerheblich in Betracht kommt.286 Überdies zieht dies auch die Möglichkeit einer Überlappung des Pflichtwidrigkeits281 Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 17; Weber, FS-Dreher, S. 565; Küper, BT, S. 349 f.; Heinitz, FS-Mayer, S. 435. 282 SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 10. 283 SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 19; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 45, Rn. 15; LK-Schünemann, § 266, Rn. 52; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 11, 18; einschränkend Nelles, S. 516 ff. 284 Kargl, ZStW 113 (2001), S. 589; Sax, JZ 1977, S. 664; Rengier, BT, § 18, Rn. 9. 285 Sax, JZ 1977, S. 664, Fn. 17; siehe auch auch Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 645 f. 286 SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 22; Hamm, NJW 2005, 1993 f.

III. Funktionale strafrechtsautonome Bestimmung

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merkmals durch die Vermögensschädigung, d.h. die Ableitung der Pflichtverletzung aus der Nachteilszufügung nach sich287 (siehe dazu unten unter C. IV. 2. d) aa) (4)). Die generalklauselartige Formulierung des Treubruchtatbestands führt aus diesen Gründen zu einer vielfach und zu Recht kritisierten Qualifikation der Untreue als Blanketttatbestand, „Rahmenvorschrift“288 oder „Auffangtatbestand“289, die nach einem Restriktionskriterium verlangt.

III. Funktionale strafrechtsautonome Bestimmung der untreueerheblichen Pflichtenstellung 1. Einheit der Rechtsordnung und Außerstrafrechts-Akzessorietät Die Verletzung einer aufgrund Rechtsgeschäft, Gesetz oder behördlichen Auftrag eingeräumten Pflicht im Rahmen der Treubruchalternative ist das Element der rechtlichen Binnenkopplung des § 266 StGB: die gesamte Rechtsordnung fungiert zunächst als taugliche Quelle zur Begründung der Pflichtenstellung und der Vermögensbetreuungspflichten im Rahmen der Untreue.290 Denn anders als bei der Missbrauchsalternative, die das zwingend wirksame Gebrauchen der Verpflichtungs- oder Verfügungsbefugnis voraussetzt, liegt bei der Treubruchalternative eine sie bestimmende spezifizierte außerstrafrechtliche Kopplung nicht vor. Diese Öffnung zum außerstrafrechtlichen Recht – im Folgenden wird exemplarisch nurmehr vom Zivilrecht gesprochen – kann nun zwei strukturelle Erscheinungen nach sich ziehen: zum Einen kann es Fallkonstellationen geben, deren Behandlung im Rahmen eines allein am Zivilrechtsimport orientierten Pflichtwidrigkeitsbegriffs unterbestimmt bleibt, namentlich rechts- oder sittenwidrig begründete Treueverhältnisse, die unter strafrechtlichen Wertungsgesichtspunkten nicht ohne Weiteres zu vernachlässigen sind (siehe bei C. III. 3. a) cc)). Zum Anderen führt die unselektierte Aufnahme von außerstrafrechtlichen Pflichtverletzungen in ein unterbestimmtes Pflichtwidrigkeitsmerkmal zu der besagten Hypertrophie, die § 266 StGB als Annexnorm des gesamten 287 Saliger, ZStW 112 (2000), S. 612 f. passim. So auch der BGH in BGHSt 43, 296 f., der dort dem Vorgehen widerstrebt, aus einem negativen Gesamtergebnis der Wirtschaftslage auf die Pflichtwidrigkeit des Mitteleinsatzes zu schließen. Siehe auch Schünemann, NStZ 2006, S. 198, der diesen Effekt mit „Schutzzweckkonnexität der Pflichtverletzung“ zum Ausdruck bringt. 288 RGSt 69, 62. 289 Dierlamm, NStZ 1997, S. 534 ff. 290 Siehe Sax, JZ 1977, S. 664 f., Saliger, HRRS 2006, S. 14.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

Pflichtwidrigkeitsrechts eine ausufernde Pönalisierungswirkung zuschreibt. Das führt dazu, dass das Programm des § 266 StGB an beliebige andere Programme angekoppelt wird und der Untreuetatbestand zum „Superdelikt“ („Universaldelikt“) des StGB avanciert.291 Ohne „Filter der Unrechtstransformation“ könnte § 266 StGB zu Zwecken ‚umfunktionalisiert‘ werden, die über den Vermögensschutz hinausgehen. Die Wertung und die Selektivität muss daher anhand eines allgemeinen strafrechtsautonomen (untreueautologischen) Kriteriums der Untreueerheblichkeit der Pflichtenstellung (siehe C. III. 2. c)) und der Vermögensbetreuungspflicht (siehe C. IV. 2. d) bb)) erfolgen.292 Gerade vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich gebotenen Pflicht zur Tatbestimmtheit der Strafgesetze, bedarf es der Pflichtverletzung als strafrechtsdogmatische Kategorie.293 So weist Schünemann grundsätzlich darauf hin, dass „es für eine teleologisch-vernünftige Gesetzesauslegung fast selbstverständlich“ ist, „daß die Einzelanforderungen [. . .] im Hinblick auf den strafrechtlichen Vermögensbegriff als geschütztem Rechtsgut [. . .] konkretisiert werden müssen“. Die Entwicklung eines solchen untreuespezifischen Kriteriums muss allerdings konform mit der rechtlichen Binnenlogik sein (siehe B. IV. 2. b)). Eine strafrechts- bzw. untreuespezifische Selektion außerstrafrechtlicher Informationen anhand eines strafrechtsautonomen Kriteriums untersteht dabei dem normativen Grundsatz von der Einheit der Rechtsordnung, d.h. der Notwendigkeit einer binnenrechtlich einheitlichen Bewertung von Recht/ Unrecht, und dem ultima-ratio-Charakter des Strafrechts294, welches unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit grundsätzlich das letzte Mittel darzustellen habe, dessen sich der Staat bedienen darf. 291

In dieser Tendenz argumentiert Schäfer, DJZ 1933, S. 795. Kritisch dazu etwa Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 73; Matt/Saliger, S. 227; Kubiciel, NStZ 2005, S. 357; Seier, Untreue als Allzweckwaffe, S. 109 f.; Hamm, NJW 2005, S. 1993. 292 Die funktionale Analyse der Kopplungspunkte von Strafrecht und Wirtschaft führt höchstens vermeintlich zu einer kritikwürdigen ‚Befreiung vom zivilistischen Denken‘ (zur Kritik an der Forderung von Bruns (S. 51 ff. passim) siehe: Lüderssen, FS-Harnack, S. 487 ff., 497; Schünemann, NStZ 2006, S. 198 f., 202). Denn Kopplungen koppeln Systeme. Eine Unvereinbarkeit der gekoppelten Strukturen zwischen Teilrechtssystemen (Strafrecht, Zivilrecht) ist im funktionalen Sinne insoweit nicht möglich, als die Teilrechtssysteme durch ihren funktionsspezifischen Umweltbezug begriffliche Parallelität erfahren (ohne dass dies aber die teilrechts- und programmspezifischen Unterschiede nivellieren könnte). 293 LK-Schünemann, § 266, Rn. 33; ders., NStZ 2006, S. 198 f., 202 f.; Kubiciel, NStZ 2005, S. 353 ff. 294 Grundlegend BVerfGE 39, 46 f.; BGHSt 2, 367 f. m. w. N.; vgl. auch LKSchünemann, § 266, Rn. 33; Poseck, S. 23; Birkholz, S. 88 ff.; Mosiek, wistra 2003, S. 373.

III. Funktionale strafrechtsautonome Bestimmung

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a) Negative (Zivilrechts-)Akzessorietät Jede untreuespezifische Behandlung des Pflichtwidrigkeitsbegriffs muss die negative Zivilrechtsakzessorietät integrieren. Man versteht darunter, dass das, was das Zivilrecht erlaube, nicht strafbewehrt sein könne.295 Damit greift der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung in seiner eigentlichen Bedeutung unmittelbar ein.296 Die Restriktionswirkung kommt dabei nicht nur eindeutigen Befugnisnormen zu, sondern auch Normen, die Ermessens- und Beurteilungsspielräume eröffnen. Insgesamt gilt also: Wer innerhalb außerstrafrechtlicher Regelungsrahmen rechtmäßig handelt, muss darauf vertrauen können keine strafrechtliche Missbilligung zu erfahren.297 b) Problemfall: zivilrechtlichte Indifferenz und strafrechtliche Missbilligung? Ein weiteres Problem der Akzessorietät heben insbesondere Samson und Kubiciel hervor: Über die Frage, was zivilrechtlich gebilligt wird oder nicht, kann es insbesondere bei unbestimmten Rechtsbegriffen Uneinigkeit geben. Eine strikte Ankopplung des Strafrechts an das Zivilrecht bedeutet dann jedoch faktisch eine unter dem Bestimmtheitsaspekt problematische Maßstabslosigkeit, insbesondere durch die Ankopplung an die ZivilrechtsAusleger (sogenannte „Zivil- oder Gesellschaftsrechtlerakzessorietät“).298 Wenn das „Außerstrafrecht“ eine Handlung weder eindeutig verbietet noch erlaubt, ist die Ankopplung durch ein strafrechtliches Konditionalprogramm 295 Günther, FS-Weber, S. 314.; Lüderssen, FS-Harnack, S. 487 f.; Samson, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2004, S. 112; Dittrich, S. 34 f.; Dierlamm, StraFo 2005, S. 398. 296 Siehe Engisch, S. 56 ff., 61. Ginge man im Falle des Pflichtwidrigkeitsbegriffs von einer gänzlich strafrechtsheteronomen strengen Akzessorietät aus, würde die strafrechtliche Rechtsfolge der zivilrechtlichen Rechtsfolge von vornherein nicht widersprechen können. Die Wertung eines streng zivilrechtsakzessorischen Tatbestandsmerkmals innerhalb einer Strafrechtsnorm würde vielmehr dazu führen, dass die Rechtsfolge des Straftatbestands erst gar nicht ‚aktiviert‘ würde. Das ist aber nicht gegeben, wenn man ein allgemeines strafrechtsautonomes Kriterium behauptet. Deshalb ist die Wirkung der Einheit der Rechtsordnung insoweit limitierend. 297 Hamm, NJW 2005, S. 1995; Tiedemann, FS-Dünnebier, S. 531; siehe dazu auch Dierlamm (StraFo 2005, S. 400), der allerdings dann zu weit geht, wenn er die zivilrechtliche Unbestimmtheit (Nichtregulierung) einer zivilrechtlichen Billigung gleichsetzt und ihr Sperrwirkung gegenüber strafrechtlicher Missbilligung zuschreibt. Siehe ausführlicher dazu Abschnitt C. IV. 2. d) cc). 298 Samson, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2004, S. 112; Rönnau, NStZ 2006, S. 220; Kubiciel, NStZ 2005, S. 355; Rönnau/Hohn, NStZ 2004, S. 114.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

(namentlich den untreuestrafrechtlichen Pflichtwidrigkeitsbegriff) eine Unbestimmtheitsakzessorietät. Darin liegt ein Grund für die Notwendigkeit eines strafrechtsautonomen Kriteriums. Die Indifferenz eines strikten außerstrafrechtlichen Bezuges liegt auch dann vor, wenn das Zivilrecht bereits die Entstehung der Pflichtenstellung missbilligt und nur deshalb nicht die tatsächliche Verletzungshandlung, d.h. die Pflichtverletzung missbilligt. Kennt zum Beispiel das Zivilrecht eine Vermögensbetreuungspflicht mangels zivilrechtlicher Wirksamkeit nicht an, so folgt daraus nicht, dass das Strafrecht an sich die Vermögensbetreuungspflicht nicht als Tatsache anerkennen kann und autonome Schutzwirkungen innerhalb eines strafrechtsspezifischen Bezugs zum Regelungsgegenstand entfaltet.299 Dezidiert spricht der Wortlaut der Treubruchalternative nämlich auch von „Treueverhältnis“. Anders als die Anhänger einer strikten Zivilrechtsakzessorietät300 vertreten, kann die Untreuestrafbarkeit (im Sinne des § 266 2. Alt. StGB) der Treupflichtverletzung – in den Grenzen der funktionalen Bestimmtheit (die eine strafrechtlich enge Auslegung befördert) – grundsätzlich unabhängig von spezialgesetzlich spezifizierten zivilrechtlichen Pflichtverletzungen gegeben sein.301 Das Ausbleiben einer (außerstrafrechtlich-)spezialgesetzlichen Kriminalisierung einer Pflichtverletzung lässt also kein generelles Indiz für eine Untreuestraflosigkeit zu.302 Heraus299 Vgl. schon RGSt 44, 241 f., 246: „Liegt es in den Zielen der bürgerlichen Rechtsordnung, das, was dem Sittengesetze widerspricht, nicht zum Rechte werden zu lassen, so fordert es umgekehrt die Aufgabe des Strafrechts, den in der bewußten Auflehnung gegen die öffentliche Rechtsordnung sich kundgebenden [. . .] Willen [. . .] unter das Gesetz zurückzubeugen“. Anders Lüderssen (FS-Lampe, S. 729), Rönnau/Hohn (NStZ 2004, S. 114) und Tiedemann (FS-Weber, S. 322), die die Zivilrechtsakzessorietät offenbar auf diese Fälle ausweiten und ein nicht-strafrechtliches Verbot als notwendige Bedingung für ein strafrechtliches Verbot einfordern. 300 Im Sinne einer strengen Akzessorietät Lüderssen, FS-Lampe, S. 729; Rönnau/ Hohn, NStZ 2004, S. 114; Günther, FS-Weber, S. 314 oder Tiedemann, FS-Weber, S. 322. 301 Saliger, HRRS 2006, S. 16. Zur Strafrechtsautonomie: LK-Schünemann, § 266, Rn. 33; ders., NStZ 2006, S. 198 f., 202 f.; Kubiciel, NStZ 2005, S. 353 ff. 302 Siehe Sax, JZ 1977, S. 747; Saliger, HRRS 2006, S. 16; Schünemann, NStZ 2005, S. 474. Ähnlich auch Bruns (S. 51 ff.), bei dem jedoch die prinzipielle Unabhängigkeit vom Zivilrecht i. S. e. Abkehr von Akzessorietät nicht nur mit Bestimmtheitsdefiziten des Tatbestandes oder Widersprüchlichkeiten zwischen den Teilrechtsordnungen einhergehen muss, sondern grundlegend auch mit einer prinzipiellen Abkehr autonomer Funktionalität des Strafrechts insgesamt, zugunsten einer heterogenen Instrumentalisierbarkeit. Denn die im Ansatz her begrüßenswerte Orientierung des Strafrechts auch an Tatsächlichem (siehe zum Beispiel 64 f. zum wirtschaftlichen Vermögensbegriff) entspringt nicht einem autonomen funktionalen Verständnis, sondern einer heteronomen Imprägnierbarkeit des Rechts durch die „tatsächlichen Verhältnisse“. Wo zivilrechtliche Maßstäbe auch als denkbare vorgeordnete Kopplungsspezifika von Recht und Wirtschaft gänzlich abgelehnt werden,

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stellen wird sich allerdings, dass das tatsächliche Treueverhältnis nur dem strafrechtsautonomen Kriterium genügt, wenn es auf rechtlichem Grund basiert (dazu bei C. III. 3. a) aa)). Eine Vorselektion von für den Untreuestraftatbestand geeigneten, spezial- insbesondere zivilgesetzlich bereits kriminalisierten oder nicht geeigneten, weil spezialgesetzlich nicht kriminalisierten Pflichtverletzungen wäre auch deshalb unschlüssig, weil die untreuerelevante Kriminalisierung Bedingung für die Möglichkeit der Kriminalisierung als Untreue bzw. die Nichtkriminalisierung Bedingung für die Nichtkriminalisierung würde.303 Diese Zirkularität würde die Wertungseinheit des Straftatbestandes aufheben. Eine Restriktion im Sinne eines Komplexitätszuwachses würde allein durch die Externalisierung von originär strafrechtlichen Entscheidbarkeiten erzeugt werden. Damit wäre das gesamte Tatbestandsmerkmal „Pflichtverletzung“ für das Strafrecht in seinem spezifischen Wertungshorizont unverfügbar gemacht, weil die strafrechtlich relevante Bewertung nicht nur dem Strafrecht fremden Bewertungsgesichtspunkten zugänglich gemacht, sondern auch gegenüber den anderen Voraussetzungen des § 266 StGB entkontextualisiert würde. c) Limitierte Zivilrechtsakzessorietät Das Strafrecht ist nicht Selbstzweck, sondern operiert nach dem Gebote des ultima-ratio-Prinzips, demzufolge es als „Sekundärmaterie“ dem Zivilrecht erst hinzutritt, wenn der Rechtsgüterschutz es als ultima ratio gebietet. Dieses Stufenverhältnis wird unter den Begriff der „limitierten“ Zivilrechtsakzessorietät gefasst.304 Einfach ausgedrückt heißt das: Was das Zivilrecht missbilligt, muss nicht auch das Strafrecht missbilligen.305 Wenn es das jedoch tut, dann findet dieser Grundsatz einen besonderen Niederschlag dann, wenn zivilrechtliche Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe strafrechtlich zugrunde gelegt werden. Was das Zivilrecht missbilligt, darf das Strafrecht nur insoweit rezipieren und missbilligen, als es „um anerkannte, also gesicherte Wertungen geht“306. Demgemäß urteilt herrscht auch kein Bewusstsein für eine wirtschaftsadäquate Interpretation einer Vermögensstrafrechtsnorm. Die politische Motivation einer funktionalisierenden (nicht funktionalen) Interpretation wird daher unübersehbar (siehe zum Beispiel S. 6 f.). 303 Siehe insbesondere Saliger, HRRS 2006, S. 16. 304 Gemäß diesem Grundsatz der Divergenz der Rechtsfolgen ist nicht jeder nach den Regelungen des BGB zu leistender Schadensersatz notwendig mit einer Schadenssanktionierungsnorm im Strafrecht verknüpft (positive Antinomie). 305 Siehe zum Beispiel BGHSt 2, 367 f. m. w. N.; vgl. auch LK-Schünemann, § 266, Rn. 33; Dittrich, S. 33 ff. m. w. N.; Birkholz, S. 88 ff.; Mosiek, wistra 2003, S. 373. 306 BGHSt 4, 32.

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auch das Bundesverfassungsgericht, dass die Anwendung einer außerstrafrechtlichen Norm im Strafrecht „unter strafrechtlichen Gesichtspunkten und nach Maßstäben zu würdigen ist, die für die Auslegung von Strafgesetzen gelten“307. Auch für missbilligende Vertragsklauseln mit Unbestimmtheitsgrad kann nur ein entsprechender Maßstab gelten. Verstöße nach Treu und Glauben bedürfen daher einer strafrechtsimmanenten Beschränkung durch ein strafrechtsautonomes Kriterium, um den strafrechtsspezifischen verfassungsrechtlich gebotenen Anforderungen an Bestimmtheit zu genügen.308 d) Zusammenfassung Insgesamt stehen sich Strafrecht und Zivilrecht im Verhältnis asymmetrischer Akzessorietät gegenüber.309 Unter dem Blickwinkel der funktional notwendigen Ausdifferenzierung innerhalb des Rechtssystems meint die Einheit der Rechtsordnung nur die Nicht-Selbstwidersprüchlichkeit, nicht aber eine wertungsäquivalente Rechtsfolgen-Einheit der ja gerade auch hinsichtlich der Rechtsfolgen ausdifferenzierten Teilrechtsgebiete310. Die Erwägungen zur zivilrechtlichen Indifferenz und zur limitierten Akzessorietät zum „Außerstrafrecht“ begründen die Suche nach einem strafrechtsautonomen Kriterium des Pflichtwidrigkeitsmerkmals unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung, die in der negativen Akzessorietät ihren Ausdruck findet.

307

Siehe BVerfGE 48, 60 f. Tiedemann, FS-Dünnebier, S. 532 ff. m. w. N. 309 Dierlamm, StraFo 2005, S. 398; Engisch, S. 77; Otto, MschrKrim 1980, S. 400; Lüderssen, FS-Lampe, S. 729. Wer neben das „umfassende Garantiesystem des Privat- und Vollstreckungsrecht ein ebenso totales System strafrechtlichen Vermögensschutzes stellt, verkennt das Wesen des Strafrechts, welches prinzipiell [. . .] fragmentarischer Natur ist“: Mayer, S. 338. 310 Siehe auch Engisch, S. 57 f. Diese definitorische Fassung verweist, funktional gesehen, auf eine Binnenkohärenz von Wirtschaftsrecht und Wirtschaftsstrafrecht, soweit es um ihre jeweilige Ökonomisierung (d.h. der Verarbeitung des Bezuges zum Wirtschaftssytem) geht. Das heißt folglich aber nicht, dass Wirtschaftsstrafrecht und Wirtschaftsrecht nicht mit der Ökonomisierung jeweils anders umgehen können, sondern nur, dass dies nicht im Recht als Ganzen widersprüchlich sein kann. 308

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2. Funktionale strafrechtsautonome Konkretisierung der Vermögensbetreuungspflicht (untreueerhebliche Pflichtenstellung) a) Phänomenologisch-kasuistische Restriktion aa) Restriktion der Vermögensbetreuungspflicht durch den „Indizienkatalog“ der Rechtsprechung Zur Verhinderung einer konturlosen Ausdehnung des Tatbestands und zur Kennzeichnung des spezifischen Untreueunrechts wird der Weg einer restriktiven Auslegung der untreuespezifischen Vermögensbetreuungspflicht verfolgt. Schon das Reichsgericht betonte, dass der sprachliche Inhalt der Ausdrücke „Wahrnehmen“, „Betreuen“, „Vermögensinteressen“ lediglich auf Pflichtverletzungen „von einem gewissen Gewicht“ hindeute.311 Judikatur und Lehre entwickelten in der Folge restringierende Indizien, die eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB konkretisieren. Danach soll eine Pflicht nur dann untreueerheblich sein, wenn sie erstens dem Verpflichteten einen Ermessensspielraum für eigenverantwortliche Entscheidungen gewährt, d.h. eine gewisse Selbstständigkeit und Freiheit zu eigenen Dispositionen (wirtschaftliche Bewegungsfreiheit) belässt.312 Zweitens dürfe sich die obligatorische Handlung nicht nur in einer mechanischen, wirtschaftlich nicht bedeutenden Tätigkeiten oder die bloße Verfügungsmöglichkeit erschöpfen.313 Schließlich müsse es sich um eine Verpflichtung handeln, die sich auf eine Tätigkeit von einer gewissen Dauer bezieht.314 Diesen Kriterien nicht stand halten zum Beispiel Botendienste315, Kassierer- oder Buchhaltertätigkeiten ohne „alleinverantwortliche“ Verantwortungsbereiche, insbesondere mit eingeschränkter Kontrollpflicht316, wie auch der bloße Umgang des Arbeitnehmers mit Arbeitgebereigentum.317 311

RGSt 69, 61 f. RGSt 69, 61 f.; BGHSt 1, 189; 3, 293 f.; 4, 172; 5, 188 f.; 13, 317 ff.; OLG Düsseldorf, NJW 1998, 690 f.; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 23, 23a, 25.; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 27 ff. 313 RGSt 69, 61 f., 280; BGH GA 1979, 143 f.; BGH NStZ 1982, S. 201; BGH wistra 1989, S. 61; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 29 f.; Rengier, BT 1, § 18, Rn. 9; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 23a, der darauf hinweist, dass die Höhe der Vermögenswerte unbeachtlich ist. 314 RGSt 69, 61, 280. Anders: LK-Schünemann, § 266, Rn. 87; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 31. 315 RGSt 69, 62; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 11. 316 BGHSt 13, 318 f.; BGH wistra 1989, 60 f.; BGH wistra 1987, 27; OLG Köln, NJW 1963, 1992; BGH NStZ 1994, S. 586; Mayer, S. 337. 312

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Zur Restriktion der Vermögensbetreuungspflicht wird also vorausgesetzt, dass die Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen den typischen und wesentlichen Inhalt des rechtlich begründeten oder faktisch bestehenden Treueverhältnisses bildet, denn sonst wäre schon jede Nebenpflichtverletzung im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB strafbewehrt. Der Täter muss also eine besondere Vermögensfürsorgepflicht bzw. Hauptpflicht verletzt haben, der nicht bloß untergeordnete Bedeutung zukomme. Damit scheidet auch die allgemeine Pflicht einen Vertrag zu erfüllen und ihm Rahmen dessen auf den anderen Vertragsteil Rücksicht zu nehmen als Vermögensbetreuungspflicht aus.318 Die Indizien reformulieren gleichsam die für den wesentlichen Inhalt der Vermögensbetreuungspflicht erforderliche eigenverantwortliche Sorge des Treunehmers für fremdes Vermögen.319 bb) Kritik Der phänomenologisch-kasuistische Indizienkatalog ist jedoch Bedenken in mehrfacher Hinsicht ausgesetzt: a) Bereits das Reichsgericht sah in der Folge der durch RGSt 69, 61 f. statuierten Formeln zur Konkretisierung untreuerelevanter Pflichtverletzungen, dass es sich nur um „Anhaltspunkte – aber auch nur solche“ handeln könne und betont damit auch die Einschätzung, dass die Beurteilung, ob ein Treueverhältnis vorliegt oder nicht, der Betrachtung der „besonderen Umstände des einzelnen Falles“ vorbehalten sein solle.320 Auch der BGH sieht in der Erfüllung einzelner vom ihm anerkannter Erheblichkeitsindizien lediglich Anhaltspunkte, die nicht kumulativ erfüllt sein müssen. So kann etwa das Maß der Selbstständigkeit durch die Dauer oder die wirtschaftliche Bedeutung der Tätigkeit substituiert werden. Maßgebend sei letztlich Inhalt und Umfang der Treuabrede, wie sich durch Auslegung ergibt.321 Wenn die Verpflichtung fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen den typischen und wesentlichen Inhalt des Treueverhältnisses bilden muss, so stellt sich die Frage, was dieses Wesentliche verallgemeinerbar ist, das sich von anderen aus dem Treueverhältnis entspringenden Pflichten, welche auf das Treugebervermögen zu wirken tauglich sind, konkret abgrenzbar macht, 317

BGHSt 4, 171 f.; 5, 187 f. Vgl. auch BGHSt 24, 388; BGH NJW 1988, 2483 f.; Fischer, § 266, Rn. 29. 319 RGSt 69, 147; BGHSt 4, 172; 5, 188 f.; 6, 318; 22, 191 f.; 33, 250 f.; Saliger, HRRS 2006, S. 10 ff.; ders., Parteiengesetz, S. 26 f.; LK-Schünemann, § 266, Rn. 75; Lackner/Kühl, § 266, Rn. 11. 320 RGSt 69, 62, 280. Zum begrenzten Erkenntniswert der Anhaltspunkte auch LK-Schünemann, § 266, Rn. 87; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 31. 321 BGHSt 13, 317; 47, 297; BGHSt 13, 317; OLG Hamm NJW 1973, S. 1810. 318

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d.h. wann die Pflicht Hauptpflicht bzw. Pflicht „von einem gewissen Gewicht und einer gewissen Bedeutung“322 und damit Vermögensbetreuungspflicht ist. Die Vagheit der indiziellen Kriterien mangelt es an Verallgemeinerbarkeit.323 Das problematische Verhältnis zum verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot wird durch eine aufgrund des nur indiziellen Charakters der Kriterien notwendig kasuistische Judikatur daher auch nicht aufgelöst.324 b) Die Anwendung des Indizienkatalogs hinsichtlich untreueerheblicher Vermögensbetreuungspflichten, hat überdies in einigen Fällen die beabsichtige Abgrenzung gegenüber bloßen Schuldnerpflichten verfehlt.325 So erkennt beispielsweise RGSt 73, 236 eine untreueerhebliche Pflichtenstellung eines zur Einziehung der Rundfunkgebührenpflicht behördlich Beauftragten, RGSt 77, 339 f. die eines sachverständigen Vermögensschätzers, BGHSt 8, 150 im Rahmen von bloßen Auftragsverträgen in generalisierter Weise untreuerelevante Unterlassenspflichten oder BGHSt 13, 318, dass „das Einkassieren, Verwalten und Abliefern von Geld für den Auftraggeber [. . .] als Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen“ anzusehen sei. Ebenso bestätigt BGHSt 18, 313, nach dem in der Verletzung einer Auszahlungspflicht eines Bademeisters durch Zueignung von auszuzahlenden Geldern nicht nur Unterschlagung (§ 246 StGB), sondern ein Treubruch liegen soll, die Tendenz einer Umwandlung bloßer Eigentums- in Untreuedelikte. cc) Zusammenfassung Eine den Bedarf von Rechtssicherheit befriedigende Konturierung des tatbestandlichen Merkmals der Vermögensbetreuungspflicht wird mit den Erheblichkeitsindizien aufgrund ihrer Vagheit als Restriktionskriterien nicht verallgemeinerbar zum Ausdruck gebracht. b) Das restriktive strafrechtsautonome Kriterium nach Sax Die zu bewältigende Aufgabe einer restringierenden, den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG genügenden Nach-Bestimmung des Wortlauts ist unzureichend gelöst, wenn es nur um die Ergründung der „Eigenschaften der gesetzlich normierten ‚Eigenschaft‘ allen untreueerheblichen Verhal322

RGSt 69, 280; BGH GA 1979, S. 143. Siehe Weber, FS-Dreher, S. 566; Dierlamm, NStZ 1997, S. 534; Kindhäuser, FS-Lampe, S. 715 ff.; Heinitz, FS-Mayer, S. 438 f.; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 24 ff. 324 LK-Schünemann, § 266, Rn. 31. 325 Siehe auch Sax, JZ 1977, S. 663. 323

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tens“ geht. Daher liegt nach Sax umgekehrt die eigentliche Aufgabe der Restriktion des Wortlauts auf untreueerhebliche Pflichtverletzungen darin zu definieren „welchen Verhaltensvollzügen unter welchen Voraussetzungen die ‚Eigenschaft‘ zukommt, die Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zu verletzen“. „Die Verletzung dieser Pflicht ist dann nicht [. . .] der Grund für die Untreueerheblichkeit eines Verletzungsverhaltens, sondern [. . .] die Folge eines Verletzungsverhaltens, das in einer von ihr unabhängigen Weise als untreueerheblich festgestellt ist“.326 Andernfalls führe es dazu, dass begründungslos eine Vermögensbetreuungspflicht im Rahmen des Treubruchs angenommen wird, „aus der dann folge, ob jemand in seiner Beziehung zu fremden Vermögen eine besondere Pflichtenstellung einnimmt“327, sodass das „Wesentliche einer untreueerheblichen Beziehung zu fremden Vermögen“ aus den Pflichten deduziert wird anstatt aus der Pflichtenstellung selbst, „die jemand in bezug auf das fremde Vermögen hat“ und dies, obschon den Pflichten die Pflichtenstellung vorangeht.328 Das verallgemeinerungsfähige Wesentliche der Pflichtenstellung speise sich nun Sax zufolge einerseits aus der besonderen Stellung des Vermögensbetreuers, die sich von der bloßen Stellung eines Schuldners gegenüber dem Gläubiger (Leistungspflicht) bzw. Besitzer gegenüber dem Eigentümer (Pflicht die Sache abredegemäß zu gebrauchen) abhebt. Andererseits aber nicht ausschließlich aus einer isoliert zu betrachtenden Vertrauensstellung, da das Vertrauen in den Betreuer nur eine „innere Voraussetzung“ für den besonderen Umstand sei jemandem die Sache im Rahmen einer besonderen Stellung anzuvertrauen. Für Sax ist das von den besonderen Inhalten ihrer Pflichten unabhängige Besondere der Pflichtenstellung das Einräumen einer besonderen Macht über fremdes Vermögen im besonderen Vertrauen auf die Redlichkeit des Betreuers. Die besondere sei insbesondere deshalb mehr als die allgemeine Macht (etwa eines bloßen Schuldners oder Besitzers), „weil der Pflichtige in aller Regel mehr Macht erhält, als zur Verwirklichung des vom Vermögensträger verfolgten vermögensbedeutsamen Zieles eigentlich notwendig wäre“, d.h. „als ihm dem Vermögensinhaber gegenüber wirtschaftlich zustehen soll“.329 326

Sax, JZ 1977, S. 665; vgl. auch Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht,

S. 40. 327

Sax, JZ 1977, S. 666. So aber auch schon RGSt 73, 300: Verträge, „die ihrem Wesen nach keine Treueverpflichtung begründen“, können, wenn sie verletzt werden, keine Untreuestrafbarkeit bewirken. 329 Sax, JZ 1977, S. 666, 704, ähnlich auch Kindhäuser, der von „überschießender Macht“ spricht (FS-Lampe, S. 718). Funktional nicht hinreichend ist es daher, dass Modell der Pflichtenstellung auf die Besorgung fremder Vermögensangelegenheiten zu fußen (siehe zum Treubruch Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 23 ff. mit entsprechenden nachgelagerten Restriktionsansätzen). 328

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Auch bei der Einwirkung auf fremdes Vermögen durch Unterlassen330 ergeben sich nach Sax Treuepflichten nicht schon aus jeder Garantenstellung.331 Auch bei der Untreue durch Unterlassen ist in Abgrenzung zur bloß allgemeinen Macht und zu den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien einer untreueerheblichen Pflichtenstellung, die auch hier lediglich Nuancen der Physiognomie der Einräumung einer besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Macht über fremdes Vermögen darstellen, die Frage nach dem verallgemeinerbaren Kriterium der eingeräumten besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Macht zu stellen, die einer „rechtlichen Verfügungsmacht praktisch gleichsteht“. Wem also in Vertrauen die besondere Macht über fremdes Vermögen eingeräumt wird, der ist vermögensbetreuungspflichtig (zum Unterlassen siehe C. IV. 3.). Wendet man dieses Kriterium an, folgt beispielsweise daraus, dass der Nachtwächter einer Fabrik nicht in untreueerheblicher Pflichtenstellung steht.332 c) Schutzrichtungsorientierte und funktionalistische Reformulierung des Saxschen Konkretisierungsansatzes – Die von Systemvertrauen geleitete „Abtretung“ von Privatautonomie mit Vermögensschädigungspotential Das Saxsche Kriterium zur Bestimmung einer untreueerheblichen Vermögensbetreuungspflicht (Pflichtenstellung), nämlich die auf Vertrauen gegründete besondere Macht über fremdes Vermögen, ist eine strafrechtsautonom bestimmte normative Kategorie. Dieses strafrechsautonome Kriterium wird dem einheitlichen Sanktionsmaß aller tatbestandlicher Varianten gerecht, in dem die besondere Macht über fremdes Vermögen jeweils als „an inhaltlichem Gewicht gleichwertig“333 aufgefasst wird. Am Kriterium einer untreuerheblichen Pflichtenstellung nach Sax wurde jedoch insbesondere durch Labsch Kritik geübt: Der Saxsche Konkretisierungsansatz weise einen inhaltlichen Typisierungsmangel auf und begnüge 330

Problematisch, aber an dieser Stelle nicht weiter problematisierbar, ist, ob bei einem Unterlassen gemäß § 266 2. Alt. StGB eine Anwendung des § 13 Abs. 2 StGB erfolgt. Einerseits wird dies bejaht, denn § 13 Abs. 2 sei als allgemeine Vergünstigung für alle unechten Unterlassensdelikte zu verstehen: BGH NStZ-RR 1997, 357; BGHSt 36, 227 ff.; Lackner/Kühl, § 266, Rn. 2.Verneint wird die Anwendung des § 13 Abs. 2 StGB mit der Begründung, dass es sich bei § 266 2. Alt. bereits um ein echtes Unterlassensdelikt handele: SK-Rudolphi, § 13, Rn. 4, 6, 65; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 38; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 35; Schönke/Schröder-Stree, Vor § 13, Rn. 137; § 13, Rn. 1a; Güntge, wistra 1996, S. 88; Rengier, BT 1, § 18, Rn. 20b. 331 Sax, JZ 1977, S. 747 f.; siehe auch Jakobs, FS-Dahs, S. 55 ff. 332 So auch Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 23a. 333 Sax, JZ 1977, S. 746.

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sich formell damit, die wesenstypische „besondere Macht“ einer unspezifischen „allgemeinen Macht“ gegenüberzustellen. Zudem ergebe sich die „übergreifende Untreue“ im Saxschen Ansatz nicht unmittelbar aus dem Wortlaut.334 Richtig ist, dass Sax eine besondere Formalisierung betreibt. Diese ist allerdings in Vergegenwärtigung eines angestrebten allgemeinen Kriteriums einer untreuerelevanten Pflichtenstellung unerlässlich. Labsch lässt unbeachtet, dass Sax die „besondere Macht“ bereits in einem quasifunktionalen Ansatz durchaus spezifiziert hat, nämlich dadurch, dass dem Treupflichtigen im Vertrauen mehr Macht eingeräumt sein muss als ihm wirtschaftlich gebührt.335 Das Saxsche Kriterium könnte sich bei Beibehaltung seiner Allgemeinheit als tauglich für eine inhaltliche Bestimmung erweisen und darüber hinaus eine weitergehende Begründung erfahren, indem es im Kontext der funktionalen Schutzrichtung, d.h. als rechtsdogmatische Fassung der funktionalen Stellung des § 266 StGB innerhalb des sozietären und systemischen Zusammenhangs von Recht und Wirtschaft, reformulierbar ist. Die Implementierung des Grundsatzes der Privatautonomie erfolgt im Rahmen des § 266 StGB in spezifischer Weise. Gegenseitige Verträge leben von dem im Grundsatz „do ut des“ zum Ausdruck gebrachten „Interessengegensatz“336. Beide ‚Privatautonomien‘ kondensieren vertrauensgeleitet zu einem wirtschaftlichen Akt, der beide Interessen befriedigen soll. Bei der untreuerelevanten Pflichtenstellung geht es jedoch, wie es die Analyse der funktionalen Bedeutung nahelegte (siehe B. III. 1.), um die Abtretung eines Teils eigener Privatautonomie und zwar im Rahmen eines Vertrauens, jedoch nicht, wie Sax meint in die Redlichkeit des Gegenübers, sondern eines Systemvertrauens (siehe B. III. 1. c)). D.h. der Treunehmer wird in den Stand gesetzt, statt des Treugebers selbst Entscheidungsmacht über dessen Vermögen auszuüben. Vertragsgegenstand ist sozusagen allein das Handeln im Interesse des Vermögensinhabers. Im Außenverhältnis kann dabei natürlich ein Vertragsverhältnis vorliegen, aufgrund dessen der Vermögensfremde regelmäßig eine Vergütung bzw. Provision erhält, die, selbst wenn sie ungerechtfertigt ist, nicht untreuerelevant ist.337 Im Innenverhältnis erlangt der Vermögensfremde indes die origi334

Labsch, S. 206 f. Siehe Sax, JZ 1977, S. 705, Fn. 55. 336 Thomas, FS-Riess, S. 796. 337 Ein Rechtsanwalt, dem Treupflichten bezüglich der ordnungsgemäßen Verfolgung eines Anspruchs seines Mandanten obliegt, verletzt nicht dadurch eine Treupflicht, dass er höhere als geschuldete gesetzliche Gebühren erhebt (vgl. OLG Karlsruhe, NStZ 1991, S. 240). Ebenso schädigt ein Parteivorsitzender seine Partei nicht im Sinne des § 266 StGB, wenn er versehentliche Überzahlungen seiner Aufwandsentschädigungen annimmt (siehe BGH wistra 1986, S. 256). 335

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när dem Vermögensinhaber zustehende besondere Machtstellung über das zu betreuende Vermögen. Der Inhaber erhält im Innenverhältnis die faktische Vermögensbetreuungsleistung, etwa die Mehrung des Vermögens, und im Außenverhältnis den vertraglichen Anspruch auf die Betreuungsleistung. Im Gegensatz zum Vermögensinhaber verfolgt der -betreuer nicht nur eigene Interessen. Die Interessensdivergenz geht auf die Vermögensbetreuungsrelation, die Pflicht zur Fremdvermögensfürsorge, d.h. auf die „Vereinnahmung“ durch die Privatautonomie im Sinne der Aufrechterhaltung wirtschaftlicher Zuweisungslogik zurück, deren Schutz § 266 StGB funktional umfasst.338 d) Zusammenfassung Das Charakteristikum einer untreueerheblichen Pflichtenstellung ist das spezifische Vermögensschädigungspotential. Das Spezifikum liegt in allen Fällen der Untreue darin, dass im (System-)Vertrauen mehr besondere Macht über fremdes Vermögen (Privatautonomie) eingeräumt wird, als wirtschaftlichem „Sinn“ gemäß gebührt. Aus diesem für alle Untreuehandlungen verallgemeinerbaren Verständnis der Vermögensbetreuungspflicht ergibt sich eine grundsätzliche Abkopplung gegenüber akzessorischen, in der Konsequenz kasuistischen Definitionen und damit eine sowohl strafrechtsdogmatische als auch funktionale Begründung für eine strafrechtsautonome Kategorie zur Bestimmung einer untreueerheblichen Vermögensbetreuungspflicht. 3. Konsequenzen aus dem funktionalen Kriterium einer untreueerheblichen Vermögensbetreuungspflicht a) Dogmatische und anwendungsrestringierende Konsequenzen für die Bestimmung des Treubruchtatbestands Das funktional reformulierte Saxsche Kriterium einer untreueerheblichen Pflichtenstellung, nämlich die im (System-)Vertrauen eingeräumte besondere Macht über fremdes Vermögen soll im Folgenden anlehnend an Sax differenziert werden, nach besonderer rechtlicher und besonderer tatsächlicher Macht. Innerhalb dieser Differenzierung ist danach zu fragen, welche Anwendungseinschränkungen für den unterbestimmten Treubruchtatbestand (§ 266 2. Alt. StGB) aus funktionaler Sicht abzuleiten sind.

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Siehe auch LK-Schünemann, § 266, Rn. 77.

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aa) Einräumung einer besonderen rechtlichen Macht über fremdes Vermögen Möglich ist die Einräumung besonderer rechtlicher Macht über fremdes Vermögen. Die Einräumung einer besonderen rechtlichen Macht entfällt bei der Einräumung allgemeiner rechtlicher Macht. Das gilt zum Beispiel für die bloße Besitzübertragung, denn die Einwirkungsbefugnis auf die Sache trifft jeden Besitzer339, für die lediglich gesetzliche Wirkung schuldbefreiender Leistungsannahme (siehe §§ 370, 407 BGB) bzw. für die gesetzlichem Befugnisse eines jeden Schuldners (zum Beispiel §§ 372 ff. BGB, §§ 369, 371 HGB)340. Daher bestehen auch beim Factoring und beim Leasing keine Vermögensbetreuungspflichten.341 Von einer Einräumung einer besonderen rechtlichen Macht ist vielmehr bei allen Fällen zu sprechen, bei denen ein Surplus an rechtlicher Macht verliehen wird, die über das zur „Verwirklichung des vom Berechtigten verfolgten Zieles“ erforderliche Maß hinausgeht, also ein dem Pflichtigen mehr an rechtlicher Macht zugewiesen wird, als ihm wirtschaftlich zustehen soll (eine Art wirtschaftlicher Dispositionsexzess). So beispielsweise die Aufsichts- und Kontrollpflichten, denen der nicht selbst unternehmerisch entscheidende, sondern überwachende Aufsichtsrat gemäß § 111 Abs. 1 AktG untersteht342 oder die Wahrnehmungspflichten von Amtsträgern bezüglich öffentlicher Aufgaben, soweit sie nicht Vertretungsbefugnisse „kraft Amtes“ darstellen (dann Missbrauchsalternative).343 Dieser Typus des Treueverhältnisses steht dem Einräumen von Verpflichtungs- oder Verfügungsmacht inhaltlich-qualitativ gleich.344 (1) Sonderfall: Sicherungsverträge Nach Sax u. a. fallen unter die „Einräumung besonderer rechtlicher Macht“ auch treuhänderische Rechtsgeschäfte345 bzw. treuhandähnliche 339 Ein im Auftrag Geld abhebender Geschäftsführer, der das Eigentum des Geldes unmittelbar dem stellvertretenen Geschäftsherrn verschafft, verletzt lediglich die allgemeine rechtliche Macht eines jeden Fremdbesitzers, wenn er das Geld für sich verwendet. Es greift § 246 StGB. Siehe Sax, JZ 1977, S. 705, Fn. 55. 340 BGH NStZ 1986, S. 361; wistra 2001, S. 305; OLG Hamm, NStZ-RR 2000, S. 236; Sax, JZ 1977, S. 704; Fischer, § 266, Rn. 29; Lackner/Kühl, § 266, Rn. 12 f.; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 23. 341 Müller/Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 31, Rn. 40 f. m. w. N. 342 Siehe dazu auch Dierlamm, StraFo 2005, S. 399. 343 Siehe Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 31, Rn. 130 f. 344 Sax, JZ 1977, S. 704. 345 Zum Beispiel Sicherungsübereignung, -abtretung, Treuhandkonten. Im Falle der Treuhand ist es unerheblich, ob es sich um eine fremd- oder eigennützige han-

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Rechtsgeschäfte346. Eine solche Ausweitung der untreueerheblichen Pflichtenstellung auf Sicherungsverträge wird jedoch von der h. M. sowohl hinsichtlich Sicherungsgeber als auch Sicherungsnehmer abgelehnt.347 Dabei liegt die Ablehnung durchaus in der Konsequenz des Saxschen Kriteriums selbst: denn das Einräumen mehr rechtlicher Macht als es wirtschaftlich gebührt, bedeutet auch, dass dieses Mehr nicht eigentliches Ziel des Treugeber ist, weil er dafür selbst eine unmittelbare vertragliche Gegenleistung erhält. Überträgt also der Treugeber Eigentum zur Sicherheit, so ist dies in regulären Fällen lediglich ein zu erfüllender Bestandteil eines Sicherungsvertrags und beispielsweise Voraussetzung dafür, dass der Treugeber einen Kredit erhält. Auch die Vereinbarung eines verlängerten Eigentumsvorbehalts ist aus vertraglicher Sicht im eigentlichen Sinne kein wirtschaftliches Mehr, sondern die Vorstufe der Erfüllung des reziproken Vertrags. Insofern kann in diesen Fällen die Einräumung rechtlicher Macht in seiner Gänze als allgemeine Vertragspflicht angesehen werden, also als Bedingung für die Gegenleistung und nicht als eigentliches Ziel des Vertrages348 (siehe dazu auch unten C. III. 3. c)). In den herkömmlichen Treubruchfällen aber ist die Einräumung besonderer rechtlicher Macht dagegen selbst Telos des Vertrags, beispielsweise die Übertragung des Eigentums an einen Vermögensverwalter, damit dieser es im Interesse des Vermögensinhabers betreut. delt, da in beiden Fällen die rechtliche Macht des Vermögensbetreuungspflichtigen größer ist, als es ihm wirtschaftlich gebührt, siehe Sax, JZ 1977, S. 704, Fn. 46. 346 Zum Beispiel die Bestellung von Nutzungspfandrechten (§§ 1213 ff. BGB), der Weiterverkauf der unter Eigentumsvorbehalt erworbenen Sache im eigenen Namen oder der Weiterverkauf im eigenen Namen zu Lasten des Kommittenten und ohne Vereinbarung eines antezipierten Besitzkonstituts erworbener Sachen durch den Kommissionär, siehe Sax, JZ 1977, S. 704, Fn. 47; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 26. 347 Siehe BGHSt 22, 191 f.; BGH wistra 1987, S. 136 f.; wistra 1984, S. 143; BGH MDR 1990, S. 888; Rengier, BT 1, § 18, Rn. 13; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 26 m. w. N. 348 So ist es beispielsweise so, dass ein Sicherungsnehmer, dem das Eigentum an einer Sache übertragen wird, bei abredewidriger und schädigender Verwertung Untreue begeht, ein Besitzer einer Sache. dem nicht mehr Macht zukommt als jedem beliebigen Fremdbesitzer einer Sache, nicht Untreue, sondern Unterschlagung (§ 246 StGB). Denn lediglich im ersten Fall wird dem Pflichtigen privatautonome Vermögensmacht „übertragen“, d.h. erlangt er mehr (rechtliche) Macht (VollrechtsEigentum), als es ihm angesichts wirtschaftlicher Zuweisungslogik gebührt. Folgerichtig steht dem auch nicht entgegen, dass durch eine der Abrede zuwiderlaufende Verwertung der Sache (unter Wert) der Sicherungsnehmer in den meisten Fällen selbst wirtschaftliche Einbußen hinzunehmen habe, denn wirtschaftlich gebührt die Sache dem Vermögensinhaber (hier: dem Sicherungsgeber), Sax, JZ 1977, S. 704 f., Fn. 45, m. w. N.

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Festhalten kann man daher Folgendes: bei Sicherungsverträgen ist die Einräumung rechtlicher Macht wirtschaftliches Mittel (Verschaffung eines Sicherungswerts) zum rechtlichen Zweck (Vertragserfüllung)349. Bei typischen untreuerelevanten Vermögensbetreuungspflichten erfolgt die Einräumung rechtlicher Mittel (zum Beispiel Eigentumsverschaffung) zum wirtschaftlichen Zweck (zum Beispiel Vermögensbetreuung, -mehrung). Deshalb übersteigt auch nur im letzten Fall die rechtliche Macht das, was wirtschaftlich gebührt.350 Anders ist dies bloß im Falle einer Übersicherung, denn die Einräumung rechtlicher Macht über das die vertraglichen Zwecke übersteigende Kapital ist nicht mehr nur wirtschaftliches Mittel. Deutlich wird, dass insoweit die rechtliche Macht das übersteigt, was wirtschaftlich gebührt. (2) Sonderfall: Mietkautionen Problematisch zeigt sich auch der Umgang mit Mietkautionen. So wird teilweise eine Vermögensbetreuungspflicht des Vermieters einer Wohnung bei der Verwendung der Mietkaution bejaht.351 Andererseits abgelehnt.352 Rein ökonomisch gesehen ist eine Anlagepflicht aus § 551 Abs. 3 S. 1 BGB nicht ohne Weiteres eine Vermögensbetreuungspflicht. Denn es wird im eigentlichen Sinne keine Privatautonomie abgetreten, sondern eine rechtliche Pflicht gegenüber dem Vermieter erfüllt.353 Wie bei Sicherungsverträ349 Wird das Surplus an Vermögensmacht, die der Vermögensinhaber abtritt, durch eine (im „Synallagma“ zu dieser Abtretung stehenden) Gegenleistung kompensiert, so stehen sich die Parteien im nicht untreueerheblichen Außenverhältnis gegenüber, siehe dazu auch in Abschnitt C. III. 3. c). 350 Vertraut der Inhaber einer EC-Karte diese samt Geheimzahl einer anderen Person an, damit diese für ihn fortlaufend Beträge abhebt, so ist der Beauftragte tauglicher Täter des § 266 2.Alt. StGB, siehe OLG Hamm, NStZ-RR 2004, S. 111 f. Denn der Vermögensinhaber tritt dem Treunehmer mehr Vermögensmacht ab, als diesem wirtschaftlich gebührt. Gleichzeitig kommt der Treugeber zwar in den Genuss einer Leistung. Diese ist jedoch nicht, wie im Falle der Sicherungsverträge, eine Kompensation für die Verschaffung der Vermögensmacht; sie setzt die Verschaffung lediglich voraus. Die Dienstleistung wird vertraglich u. U. anderweitig vergütet. Die Verschaffung der Vermögensmacht ist also rechtliches Mittel zum wirtschaftlichen Zweck (nämlich die Inanspruchnahme der Leistung des Treugebers, namentlich die kontinuierliche Liquidierung des Buchgeldes in dessen Interesse). 351 BGH NJW 2008, S. 1827 ff.; BGHSt 41, 228 f.; Rengier, BT 1, § 18, Rn. 14; LK-Schünemann, § 266, Rn. 113. Eine gesetzliche Vermögensbetreuungspflicht existiere jedoch nur bei Wohnraummietverhältnissen i. S. d. § 551 BGB, nicht aber für Gewerbemietverhältnissen (dazu BGH NJW 2008, S. 1827 f.). 352 OLG Düsseldorf, wistra 1994, S. 33; BGH NStZ 1996, S. 81 (keine „Dienste und Handreichungen“); Satzger, Jura 1998, 570 ff.; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 26; Lackner/Kühl, § 266, Rn. 12.; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 29.

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gen dient auch hier die wirtschaftliche Macht der rechtlichen Erfüllung des Sicherungsanspruchs des Vermieters. Der ablehnenden Haltung ist also beizupflichten, weil kein Mehr an Macht eingeräumt wird als dem Vermögensbetreuer (Vermieter) wirtschaftlich zustehen soll, denn nur die Sicherheit soll dem Vermieter wirtschaftlich zustehen, und kein weitergehender Spielraum an Vermögensmachtausübung, wie beispielsweise die Zinsfestsetzungsmacht (bzw. -pflicht), die das Gesetz ja bereits selbst in § 551 Abs. 3 S. 1 BGB konkretisiert. D.h. die Anlagepflicht ist nicht Ausdruck einer Vermögensbetreuungspflicht i. S. einer zum Zwecke zur Kapitalanlage abgetretener Privatautonomie, sondern lediglich eine gesetzliche Konkretisierung des vertragswesentlichen Sicherungsrechtes des Vermieters zugunsten der wirtschaftlichen Interessen des Mieters.354 Deshalb hat der Vermieter, ebenso wie der Mieter, der schädigend über die Mietkaution verfügt355, nicht mehr Macht als ihm wirtschaftlich zusteht. Anders hingegen dürfte es zu bewerten sein, wenn die Parteien eine individuelle Anlageform im Sinne des § 551 Abs. 3 S. 2 BGB vereinbart haben. § 551 Abs. 3 S. 2 gewährt nämlich die Abtretung spezifischer privatautonomer Vermögensmacht. Dadurch wird das eigentliche Sicherungsinteresse des Vermieters durch eine zusätzliche Vereinbarung beider Parteien ergänzt. Eine solche Vereinbarung, ohne darauf an dieser Stelle vertiefend eingehen zu können, steht insoweit jenseits des Mietverhältnisses und könnte als integrierte oder ergänzende Vermögensverwaltungsvereinbarung aufgefasst werden, im Rahmen deren durchaus die Verschaffung rechtlicher oder tatsächlicher Macht einer wirtschaftlichen Erfüllung dient. Eine solche Sondervereinbarung könnte demnach eine Vermögensbetreuungspflicht begründen. 353 So stellte das OLG Düsseldorf (NJW 1989, S. 1171) fest: Sinn und Zweck der Vereinbarung und Gewährung einer Mietkaution sind in erster Linie die Befriedigung des Sicherheitsbedürfnisses des Vermieters für etwaige Ansprüche gegen den Mieter aus dem Mietvertragsverhältnis. Da insoweit das eigene Interesse des Vermieters über das des Mieters dominiert, scheidet die für die Verwirklichung des Treuebruchtatbestandes erforderliche Verletzung einer besonderen Betreuungspflicht des Vermieters aus, wenn dieser über die erhaltene Mietkaution vertragswidrig verfügt. 354 Dass es zentral nicht um die Abtretung privatautonomer Vermögensmacht geht, ergibt sich schon daraus, dass § 551 Abs. 3 S. 1 BGB ungeachtet alternativer effektiver Geldanlagen anordnet, dass die Kaution bei einem Kreditinstitut zu dem für Spareinlagen üblichen Zinssatz anzulegen ist. Dadurch kommt zum Ausdruck, dass privatautonome Verfügungsmacht, die ja auch aus der Sicht des Treugebers ganz individuelle, anderweitige Anlageformen umfassen müsste, gerade nicht „abgetreten“ wird. 355 Kein Treubruch des Mieters liegt also vor, wenn dieser vertragswidrig ein als Mietkaution eingerichtetes Postsparbuch auflöst (Satzger, JA 1998, S. 928 f.; Rengier, BT 1, § 18, Rn. 14; anders aber: BayObLG wistra 1998, S. 157).

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bb) Einräumung einer besonderen tatsächlichen Macht über fremdes Vermögen Eine besondere Pflichtenstellung ergibt sich auch dadurch, dass im Vertrauen eine besondere tatsächliche Macht über das fremde Vermögen eingeräumt ist. So scheidet auch für diese Typus die bloße (d.h. lediglich allgemeine) Macht eines Besitzers als untreueerhebliche Pflichtenstellung aus.356 In derartigen Konstellationen kommt § 246 Abs. 2 StGB zum Zuge. Auch liegt Unterschlagung, nicht Untreue, vor, wenn Angestellte, die zum Einkassieren und Abliefern von Geld beauftragt sind, ohne dass ihnen zu bestimmten Zwecken das Eigentum übertragen worden ist, sich das Geld aneignen.357 Weiterhin scheidet Treubruch des zum Abheben von Geld mit unmittelbarem Eigentumserwerb des Auftraggebers Beauftragten aus, wenn dieser sich selbst das Geld aneignet, denn die tatsächliche Macht sich selbst statt dem Auftraggeber das Eigentum am Geld zu verschaffen hat „jeder Besitzer einer fremden Sache in bezug auf den Erlös, den er durch ihre unredliche Veräußerung an einen Gutgläubigen erzielt“.358 Auch andere aus schlichtem Besitz herrührende tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten wie die eigene Verwendung der „anvertrauten“ fremden Sache, die Beschädigung oder die Zerstörung sind Machtstellungen, die jeder Besitzstellung innewohnen und daher keinen Missbrauch einer besonderen tatsächlichen Macht darstellen.359 Schließlich begeht kein Treubruch, wer die tatsächlichen Möglichkeiten, die nur aufgrund einer eingeräumten besonderen rechtlichen Macht entstanden, missbraucht, da die tatsächlichen Möglichkeiten „jeder in bezug auf fremdes Vermögen Befugte“ innehat und sie damit „keine besondere tatsächliche Macht“ darstellen. Gibt zum Beispiel der zur Auflassung Bevollmächtigte vor (ohne dass es sich um eine Scheinvollmacht handelte) auch zur Entgegennahme des Geldes berechtigt zu sein, so liegt in dem Eigenverbrauch des erlangten Geldes kein Treubruch, sondern 356

Sax, JZ 1977, S. 743, entsprechend auch Schünemann (in LK, § 266, Rn. 61), der von einer „untreuespezifischen Herrschaftsposition“ spricht. 357 s. BGHSt 13, 315 ff.; 18, 313. 358 Sax, JZ 1977, S. 744, Fn. 76. Allerdings verletzt der zum Abheben von Buchgeld Bevollmächtigter die erteilte Verfügungsbefugnis über das fremde Vermögen (§ 266 Abs. 1 1.Alt. StGB), indem er unmittelbar sich selbst, nicht dem Auftraggeber, das Eigentum verschafft. 359 Sax, JZ 1977, S. 744. Hinzuweisen ist indes darauf, dass die Selbstbenutzung, Beschädigung oder Zertsörung durchaus Untreuehandlungen sein können, wenn sie „Ausdruck für das Unterlassen der aus anderem Grund obliegenden Pflege des fremden Vermögens“ sind, zum Beispiel die Vernachlässigung des einem Vermögensverwalter anvertrauten Hauses oder die Selbstnutzung einer Wohnung durch den Hausverwalter, der für die Vermietung Sorge zu tragen hat. Dieser begeht zwar nicht wegen der Besitzergreifung der Wohnung Untreue, sondern eventuell wegen des Unterlassens der Vermietung, siehe Sax, JZ 1977, S. 744, Fn. 72, 73.

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eine Betrugs- und Unterschlagungshandlung des in Eigentum des Vollmachtgebers übergegangenen Geldes.360 (1) Einräumung einer besonderen tatsächlichen Macht über fremdes Vermögen aufgrund Rechtsgeschäft, Gesetz oder behördlichen Auftrag In den meisten Fällen liegt ein Treubruch im Rahmen einer besonderen tatsächlichen Machtstellung dann vor, wenn ein Vermögensinhaber dem Vermögensfremden keine „Einzelanweisungen“, sondern beispielsweise durch einen Auftrag (Rechtsgeschäft) die Befugnis erteilt „nach Maßgabe einer allgemeinen Weisung auf das Vermögen, es erhaltend, pflegend, vermehrend, tatsächlich einzuwirken“361. Dies sind die typischen Konstellationen der Verwaltung von Vermögen oder Vermögensteilen, wie Immobilien, Kapital, Unternehmen oder Wertpapiere, bei denen der Vermögensinhaber „in der Regel das Vollrecht“ behält und den Betreuer „im weiteren Rahmen ‚schalten und walten‘ lässt“.362 Davon umfasst ist auch die Stellung, die einem Vermögensbetreuer zukommt, welchem obliegt geschäftliche Bewegungen des fremden Vermögens, also Vermögenszu- und -abgänge zu buchen und damit zu Kontroll- und Prüfungszwecken zu dokumentieren. „Denn da der Saldo sämtlicher Buchungen den jeweiligen Vermögensstand ergibt, hat jeder Buchungspflichtige die besondere Macht, auf das fremde Vermögen in einer Weise tatsächlich einzuwirken, die einer rechtlichen Verfügungs- und Verpflichtungbefugnis praktisch gleichsteht“.363 Die Verschleierung des wahrheitsgemäßen Vermögensbestandes durch Falschbuchung ist deshalb Treubruch.364 (2) Einräumung einer besonderen tatsächlichen Macht über fremdes Vermögen aufgrund eines faktischen Treuverhältnisses Fraglich ist, ob eine besondere Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen nicht nur aus einem Rechtsgeschäft, Gesetz oder behördlichen Auftrag, sondern aus „einem vorweg bestimmbaren ‚Treueverhältnis‘ [. . .] gefolgert werden kann“.365 Die Antwort darauf liegt nach Sax in ihrer 360

Siehe Sax, JZ 1977, S. 744. Sax, JZ 1977, S. 747. Zur Unabhängigkeit der Treupflichtverletzung von spezialgesetzlich spezifizierten zivilrechtlichen Pflichtverletzungen siehe auch Schünemann, NStZ 2005, S. 474. 362 Siehe BGHSt 13, 318; Sax, JZ 1977, S. 747. 363 Sax, JZ 1977, S. 748. 364 So zum Beispiel ein Schalterbeamter, der Gelder unterschlägt und dies durch eine Falschbuchung verdeckt: BGHSt 13, 315 ff. 365 Siehe ausgiebig Sax, JZ 1977, S. 705 f. 361

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Umkehrung des hinter der Frage stehenden Ansatzes. Nicht aus einem Treueverhältnis sei das Bestehen einer besonderen Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zu folgern. Vielmehr leite sich die Faktizität eines Treueverhältnisses gerade umgekehrt aus der besonderen Pflicht ab366, wenn sie im Einzelfall begründbar ist. Für deren Begründung ist auf das allgemeine, strafrechtsautonom konzipierte, Kriterium der untreueerheblichen Pflichtenstellung zurückzukommen. Eine besondere Pflichtenstellung charakterisiert sich dadurch, dass eine besondere Macht über das fremde Vermögen eingeräumt ist, in diesem Fall eine besondere tatsächliche Macht. Eine Trennung von besonderer Macht über das Vermögen und der wirtschaftlichen Zuweisung begründet insoweit grundsätzlich eine Pflichtenstellung, denn die „Übertragung“ von Privatautonomie ist immer mit einer Pflicht verbunden, wenn die aus ihr ableitbare Machtstellung wirtschaftlich gebunden bleibt an den eigentlichen Vermögensinhaber. Die Vermögensbetreuungspflicht folgt strafrechtsautonom aus der Divergenz von Vermögensmacht bei Konstanz wirtschaftlicher Zuordnung. Fraglich ist in welchen Fällen ein faktisches Treueverhältnis dem Kriterium gerecht wird. (a) Rechtlich begründetes faktisches Treuverhältnis Unter rechtlich begründeten faktischen Treueverhältnissen versteht man die Einräumung besonderer tatsächlicher Macht, die nicht aufgrund von Rechtsgeschäft, Gesetz oder behördlichem Auftrag erfolgt, aber dennoch rein rechtlichen Ursprungs sind.367 Die rechtlich begründeten faktischen Treueverhältnisse als untreuerelevante Vermögensbetreuungspflichten gewinnen nach verbreiteter Ansicht ihre Bestimmung in Anknüpfung an Handlungspflichten (Garantenpflichten) in § 13 StGB.368 (aa) Eine besondere tatsächliche Macht vermittelt zunächst „das Rechtsverhältnis, das die Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen rechtlich begründen sollte, das aber nicht rechtswirksam entstanden (rechtlich gescheitert) oder das erloschen ist, in dessen Rahmen jedoch „dem Vermögensfremden tatsächliche Macht über das Vermögen des anderen verbleibt“.369 366

Sax, JZ 1977, S. 705 f. Siehe Keuffel-Hospach, S. 44, 65, 165 f.; Arzt/Weber, BT, § 22, Rn. 50 f. LK-Schünemann, § 266, Rn. 61 ff. 368 Siehe SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 27; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 23a; Fischer, § 266, Rn. 31; siehe dazu auch Jakobs, FS-Dahs, S. 56 f. 369 Sax, JZ 1977, S. 706, Fn. 64, 744, 749; Keuffel-Hospach, S. 33 ff., 88 ff. (erloschene Rechtsverhältnisse); S. 46 ff., 114 ff. (unwirksame Rechtsverhältnisse), jeweils m. w. N. 367

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Damit kann „die vorgesehen gewesene rechtliche Pflicht kraft des ‚subsidiären‘ gesetzlichen Verpflichtungsgrundes ‚Treuverhältnis‘ tatsächlich unverändert fortbestehen“.370 Die Begründung für dieses „Nachrücken des tatsächlichen Verpflichtungsgrundes“ stellt sich als Sonderfall der Frage dar, wie aus einem rein tatsächlichen Treueverhältnis eine Rechtspflicht folgen könne. An einigen Stellen wird vertreten, dass die Statuierung der (Rechts-) Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen durch das faktische Treueverhältnis aus der gegenüber dem zivilrechtsakzessorischen Treueverhältnis subsidiären Stellung folge und damit in § 266 StGB gesetzlich festgelegt und nicht weiter begründungsbedürftig sei.371 Das faktische Treueverhältnis allerdings lediglich als Verlängerung des außerstrafrechtlich gebundenen Treueverhältnisses, also als subsidiären „Lückenfüller“ für den „rechtlichen“ Treubruch- bzw. den Missbrauchtatbestand zu verstehen, führte zu Widersprüchen. So weist Sax auf die Fallgestaltung hin, in der die Eigentumsübertragung bezüglich zweckgebundener Gelder an einen sich diese Gelder selbst aneignenden Vermögensbetreuer nicht rechtswirksam wird. Wäre die Eigentumsübertragung wirksam gewesen, so läge Treubruch vor. Allein nur aus diesem Grund nun dem wegen des gescheiterten Eigentumerwerbs mit nur allgemeiner Macht über die Gelder ausgestatteten Besitzer eine „an die Stelle der vorgesehenen rechtlichen die durch ein ‚Treuverhältnis‘ begründete tatsächliche Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen“ aufzuerlegen, widerspräche den Fällen, in denen jeder bloße Besitzer seine nur allgemeine Besitzmacht missbraucht. Zudem würde ein Vermögensbetreuungspflichtiger, der die Nichtigkeit der Eigentumsübertragung verkennt und eigentlich wegen der Straflosigkeit des (untauglichen) Versuchs der Untreue unbelangt bliebe, wegen eines „lückenfüllenden“ faktischen Treueverhältnisses wegen vollendeter Untreue bestraft.372 Deshalb zeigt sich auch hier die Notwendigkeit eines allgemeinen strafrechtsautonom-selektierenden normativen Kriteriums zur Bestimmung einer untreueerheblichen Pflichtverletzung, welches sich von einer automatischen Substitution des außerstrafrechtlich akzessorischen Treueverhältnisses durch ein faktisches Treueverhältnis abhebt und damit den Strafgrund in Bezug auf das faktische Treueverhältnis verständlich macht. Die Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen im Rahmen des faktischen Treueverhältnisses folgt also nur, „wenn dem Vermögensfremden trotz Unwirksamkeit der vorgesehenen besonderen rechtlichen Macht eine besondere Pflicht in Bezug auf das fremde Vermögen verbleibt“.373 Ein dergestalt 370 371 372

Sax, JZ 1977, S. 744. Schwinge/Siebert, S. 38. Siehe Sax, JZ 1977, S. 745.

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funktional konturierter § 266 StGB „schützt“ in diesem Sinne also nicht das zivilrechtlich missbilligte Rechtsverhältnis, sondern sanktioniert den Missbrauch im Vertrauen eingeräumter faktischer Vermögensmacht. Wann im Einzelnen eine besondere tatsächliche Einwirkungsmacht bezüglich fremden Vermögens vorliegt, bedarf dann aber weitergehender Begründung. So liegt besondere tatsächliche Macht über fremdes Vermögen vor, wenn eine „unwirksame Rechtsstellung kraft gesetzlichen Rechtsscheins als bestehend oder fortbestehend gilt“ (zum Beispiel im Rahmen von §§ 170–172 BGB, §§ 169, 171 BGB i. V. m. §§ 15 Abs. 2 S. 1, 53 HGB; §§ 674, 729, 1698 a, b, 1893 Abs. 1, 2218 Abs. 1 BGB).374 Dazu gehören ferner die aufgrund unwirksamen Bestellungsakts, faktischen Organstellungen. So verbleibt dem unwirksam durch den Aufsichtsrat bestellten Vorstandsmitglied einer AG oder einem nicht förmlich bestellten Geschäftsführer einer GmbH durch faktische Herrschaft tatsächliche Einwirkungsmacht über das fremde Vermögen.375 Handlungen eines faktischen Organs, beispielsweise eines faktischen GmbH-Geschäftsführers, können nämlich mit einer tatsächlichen Macht über fremdes Vermögen ausgestattet sein, und zwar ungeachtet eines unwirksamen oder erloschenen Bestellungsaktes, wenn die Täterstellung nach den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht für die Gesellschaft rechtsgeschäftliche Rechtswirkungen auslösen kann.376 Nicht darunter fallen jedoch die dem Schutz des Rechtsverkehrs geschuldeten Rechtsscheinstatbestände wie zum Beispiel §§ 932, 407, 370 BGB, da der rechtswirksame Vermögenseingriff lediglich auf einem bloßen Reflex der gesetzlichen Rechtsscheinsregelung zu Gunsten des Gutgläubigen und 373

Sax, JZ 1977, S. 745; Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 31, Rn. 19. Sax, JZ 1977, S. 745 f., Fn. 84. 375 Siehe BGH, MDR 1996, S. 1279; BGHSt 21, 101 und BGHSt 3, 37 ff.; Tiedemann, NJW 1986, S. 1845. Wird das unwirksame Rechtsverhältnis jedoch nicht faktisch fortgesetzt, so verlässt der Betroffene die untreueerhebliche Pflichtenstellung. Ein Prokurist, der nach seinem Ausscheiden gegen die vertragliche Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots für die Zeit nach seinem Ausscheiden verstößt, handelt nicht untreueerheblich, siehe Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 31, Rn. 102 m. w. N. 376 Vgl. BGHSt 3, 37 ff.; 21, 104; 34, 382 ff.; LK-Schünemann, § 266, Rn. 61 ff., 125. Andererseits kann auch nicht jede allgemeine tatsächliche Einwirkungsmacht genügen, sodass zu Recht nebst zumindest faktischem (konkludenten) ‚Bestellungsakt‘ eine überragende Stellung gegenüber den formell bestellten (Mit-)Gesellschaftern im Hinblick auf grundlegende Unternehmensentscheidungen erforderlich ist, die dann die Besonderheit der tatsächlichen Macht begründen lässt, siehe dazu BGHSt 46, 65; BGH NJW 1997, S. 67; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 133 ff. m. w. N. In einem solchen Fall liegt eine rechtlich begründete Einräumung einer besonderen tatsächlichen Macht vor. 374

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nicht „auf der Ausübung“ der dem Vermögensfremden verbliebenen tatsächlichen Macht beruht.377 (bb) Fehlt eine rechtliche Befugnis des Vermögensfremden den Vermögensinhaber zu verpflichten oder über dessen Vermögen zu verfügen von vornherein und ist auch die Erteilung einer solchen Befugnis nicht beabsichtigt, so kann ein faktisches Rechtsverhältnis, also die besondere tatsächliche Machtstellung des Vermögensfremden bezüglich dem Vermögen des Vermögensinhabers „zufolge des von diesem schuldhaft verursachten Rechtsscheins“ entstanden sein, der es dem Vermögenspflichtigen erlaubt rechtswirksam auf das fremde Vermögen einzuwirken.378 Dazu gehört die durch das wissentliche Dulden des Vermögensinhabers verschaffte besondere tatsächliche Macht über das Vermögen (Duldungsvollmacht), ebenso der durch den Vermögensinhaber in Unkenntnis erzeugte Rechtsschein der Bevollmächtigung eines Dritten bei der Möglichkeit der Kenntnis und Verhinderung (Anscheinsvollmacht) und auch die Scheinvertretung von Personen, die aufgrund ihrer beruflichen oder rechtsgeschäftlichen Stellung nach der Verkehrsauffassung als mit einer Vollmacht ausgestattet angesehen werden (Einräumung einer Stellung).379 (b) Tatsächlich begründete/sozialethische Treuverhältnisse Problematisch erweist sich, ob nicht rechtlich begründete tatsächliche Treueverhältnisse auch eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB hervorrufen können. Gemeint sind also die Fälle, in denen die Besonderheit der Pflicht ihren Grund gar nicht mehr im Rechtlichen findet (wie bei aa)), sondern ein rein faktisch oder aus Sittlichkeitsaspekten heraus begründetes Treueverhältnis ist. Welzel bejaht eine solche ausgedehnte Anwendung des Merkmals des „Treueverhältnisses“, indem er an den Gedanken der Garantenstellung an377 BGHSt 5, 63; Sax, JZ 1977, S. 745. In Entsprechung dazu begründet auch eine unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag nicht die Anwendung des Treubruchtatbestands; es werden lediglich bestimmte Rechtsfolgen an das Handeln des auftraglosen Geschäftsführers geknüpft, siehe Eisele, GA 2001, S. 385 f. 378 Sax, JZ 1977, S. 746; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 30. 379 Siehe Sax, JZ 1977, S. 746; Palandt-Heinrichs, § 173, Rn. 11 ff. Die „Scheinvollmacht kraft Stellung“ ist beispielsweise im Rahmen von § 54 Abs. 3 HGB gegeben oder bei Sachverhalten, in denen „ein zur Auflassung Bevollmächtigter üblicherweise zum Inkasso [. . .] bevollmächtigt ist [. . .] und der Käufer daher auf eine Bevollmächtigung seines Geschäftspartners auch in dieser Hinsicht vertrauen durfte“, siehe Sax, JZ 1977, S. 746, Fn. 95. Eine „Scheinvollmacht kraft Stellung“ scheidet allerdings immer dann aus, wenn das Fehlen oder die Einschränkung der Vollmacht „unschwer zu erkennen“ war, so etwa bei einem Schalterbeamten von Kreditinstituten, siehe RGZ 86, 89; 118, 239.

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knüpft und vor diesem Hintergrund das faktische Treueverhältnis als „ein rechtlich erhebliches, sozialethisches Treuverhältnis“ versteht.380 Das Gleiche soll, insbesondere nach älterer Rechtsprechung, auch für sozialethisch fundierte, sittlich-faktische Treueverhältnisse wie Ehe oder Familie Geltung beanspruchen.381 Eine zufriedenstellende Beurteilung, wann eine solche rechtliche „Erheblichkeit“ eines „sozialethischen“ Treueverhältnisses vorliegen soll, versagt angesichts ungenannter verallgemeinerbarer Kriterien und belässt die tatsächlich begründete „Vermögensbetreuungspflicht“ in einer die Tatbestandsweite erheblich ausweitende Unbestimmtheit, allenfalls in einem steten Verweis auf die Kasuistik der Rechtsprechung zurück. Sie sind damit im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere aus Art. 103 Abs. 2 GG, nicht vertretbar und begründen infolgedessen kein Treueverhältnis im Sinne von § 266 2. Alt. StGB.382 In Betrachtung des funktionalen Kriteriums einer untreueerheblichen Pflichtenstellung könnte man den Ausschluss tatsächlich begründeter tatsächlicher Treueverhältnisse auch schon damit rechtfertigen, dass die Einräumung tatsächlicher Macht im Sinne einer „Abtretung“ von Vermögensmacht, also eine untreuespezifische Herrschaftsposition, gar nicht vorliegen kann, wenn die Einwirkungsmacht allein aus einer faktischen Stellung ergibt, die nicht nur regelmäßig bloße allgemeine Macht vermittelt, sondern sich überdies nur reflexartig aus einem Verhältnis ergibt und damit gar keine Einräumung des Stücks an vermögensbezogener Privatautonomie manifestiert.383 Damit scheidet eine funktionale Äquivalenz zu den anderem Typen besonderer tatsächlicher Macht aus. (c) Treupflicht auch bei wegen Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit nichtigem oder erloschenem Rechtsgeschäft? Eine in der Literatur umfassend behandelte Sonderproblematik liegt in der Frage, ob eine Treupflicht auch bei einem wegen Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit (§§ 134, 138 BGB) nichtigem Rechtsverhältnis vorliegen kann. Unter Bezugnahme auf die Argumentation, die sich auch im Zusammenhang mit dem Vermögensbegriff findet, wird dies einerseits bejaht. Die zi380

Welzel, S. 387 f.; vgl. auch BGH, wistra 1997, S. 101. Siehe zum Beispiel RGSt 70, 207; weitere Nachweise bei Keuffel-Hospach, S. 73 ff. 382 Keuffel-Hospach, S. 131 ff., 141 ff., 153; Sax, JZ 1977, S. 705; Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 643. 383 Und dieser Übertragungsakt erstreckt sich über eine symbolische Wirkung hinaus. Er ist Ausdruck eines bewussten vertrauensgeleiteten Verzichts auf eigene Vermögensmacht. 381

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vilrechtliche Missbilligung wegen Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit nichtiger Rechtsgeschäfte führe nicht notwendig zum Ausscheiden als Grundlage eines faktischen untreuerelevanten Treueverhältnisses, d.h. wird strafrechtlich nicht notwendig internalisiert.384 Eine Treupflicht sei also auch bei rechts- oder sittenwidrigen und deshalb nichtigen Betreuungsverhältnissen anzunehmen. Darunter falle insbesondere auch die sog. Ganovenuntreue, also der Untreue am ergaunerten Vermögen zum Nachteil des „Ganoven“, weil zwischen „Ganoven“ kein rechtsfreier Raum eröffnet werden könne, der es Täter gestatte sich an vermögenswerten rechtswidrig erlangten Rechtspositionen zu vergreifen.385 Es sei schließlich auch mit kriminalpolitischen Nachteilen verbunden, wenn § 266 StGB bei rechts- oder sittenwidrigen Geschäften dann nicht zur Anwendung gelangen könnte, „wenn Gauner und Verbrecher, zum Beispiel Devisenschieber, Schwarzhändler, Geldfälscher und staatsfeindliche Agenten, sich im Rahmen der Untreue ungestraft auf Kosten ihrer Komplicen bereichern dürften“.386 Andererseits wird darauf verwiesen, dass es rechtlich selbstwidersprüchlich sei, wenn rechts- oder sittenwidrige Abmachungen unter strafrechtlichen Schutz gestellt würden. So beruft sich die in solchen Fällen das faktische Treueverhältnis ablehnende Auffassung (sogenannte „juristische Treupflichttheorie“ im Gegensatz zur „faktischen Treupflichttheorie“387) auf den Gedanken der Einheit der Rechtsordnung, weil das Strafrecht nicht schützen könne, was das Zivilrecht missbilligt.388 Im Übrigen mangele es (für die Vertreter normativ ausgerichteter Vermögens- und Schadensbegriffe) an einem für die untreueerhebliche Pflichtenstellung erforderlichen Schadenspotentials, der auf die Pflichtenstellung vorauswirke.389 Ein Vorgriff auf den Meinungsstreit in Bezug auf den Vermögens- und Schadensbegriff kann durch die konsequente Anwendung des Kriteriums für eine untreueerhebliche Pflichtenstellung vermieden werden. 384 Vgl. BGHSt 8, 254 ff., 258; 20, 145; BGH NJW 1956, S. 152; BGH, NStZ-RR 1999, S. 186; Rengier, BT 1, § 18, Rn. 19; LK-Schünemann, § 266, Rn. 33, 61, 65. 385 RGSt 44, 248 f: eine Straflosigkeit sei geradezu ein Anreiz für Verbrecher, sich seine Opfer in den Kreisen der sittlich schwachen Personen zu suchen. Siehe auch BGHSt 8, 258; BGH NJW 1984, S. 800. 386 Bruns, NJW 1956, S. 153. 387 So Kühl (NJW 1989, S. 513 m. w. N.) unter Verweis auf Hillenkamp. 388 RGSt 70, 9 (im Ergebnis); Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 11, 31; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 36; Dierlamm, StraFo 2005, S. 398; Maurach/ Schroeder/Maiwald, BT 1, § 45, Rn. 15, 28. 389 Siehe Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 31 m. w. N.; siehe auch Fischer, § 266, Rn. 33 f. m. w. N.

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Festzustellen ist nämlich, dass ein nichtiges Rechtsverhältnis dann nicht zu einem faktischen Treueverhältnis werden kann, wenn schon das Charakteristikum (funktionales Kriterium) einer untreueerheblichen Pflichtenstellung fehlt. Bevollmächtigt ein Dieb einen Hehler zur Veräußerung einer gestohlenen Sache im eigenen Namen und ermächtigt er ihn zum Erwerb des Eigentums am Erlös (inkl. Verwaltung für den Dieb bzw. Herausgabe an ihn), so scheidet die Einräumung besonderer rechtlicher Macht wegen Sittenwidrigkeit von Vollmacht und Ermächtigung aus. Betrachtet man nun die tatsächliche Macht, so stellt man fest, dass der Dieb als nichtbefugter Nichteigentümer der Sache dem Hehler auch keine besondere, sondern nur allgemeine, tatsächliche Macht in Form einer Besitzerstellung einräumen konnte. Keine Untreue stellt deshalb eine abredewidrige Verwendung des Erlöses durch den Hehler dar, weil jeder Besitzer einer fremden Sache durch Veräußerung an Gutgläubige den Erlös zu Eigentum erlangen kann und für sich verbrauchen kann.390 Eine schrankenlose strafrechtliche Billigung wegen Rechts- oder Sittenwidrigkeit nichtiger Vermögensbetreuungspflichtverhältnisse würde aus funktionaler Sicht auch zu einem besonders auffälligen Selbstwiderspruch des Rechts führen. Stellte man nicht auf die Interessen dessen, dem die Vermögensmacht wirtschaftlich gebührt, sondern allein auf die Vermögensinteressen des Diebes ab, würde man in den Fällen der Ablieferung von Diebesgut oder des Erlöses aus der Hehlerei an die Polizei oder den (wirtschaftlichen) Eigentümer durch den zur Vermögensbetreuung beauftragten Hehler, eine Untreuehandlung bejahen. Damit kollidierte das Strafrechtsregimes schon mit dem eigenen Wertungsmaßstab und strahlte in diesen Fällen kriminalpolitisch eine nicht unbedenkliche Signalwirkung durch den strafrechtlichen Anreiz zur Perpetuierung zivilrechtlicher Missstände aus.391 Durch die Integration der zivilrechtlich unwirksamen aber -hypothetischstrafrechtlich faktischen Pflicht würde zwar die Konsistenz der Funktion des Vertrauensmerkmals erhalten, gleichzeitig aber gegen das Primat der Rechtsordnung als solche, insbesondere ihren gegenüber dem Vertrauensschutz prävalenten Schutz der Privatautonomie mit ihrem wirtschaftlichen Zuweisungsgehalt (im Falle der Rückgabe der Diebesbeute deckt sie sich mit der Restituierungsfunktion des Eigentumsschutzes) ausgespielt. Wirtschaftlich gebührt die Sache nämlich dem wahren Vermögensinhaber. 390

Siehe Sax, JZ 1977, S. 704 f., Fn. 51. Der Verlus des mittelbaren Besitzes als Missbrauch einer lediglich allgemeinen Besitzmacht ist keine untreueerhebliche Handlung, da diese immer an eine besondere Machtstellung anknüpft: ders., JZ 1977, S. 750, Fn. 133. 391 Vgl. auch Kühl (NJW 1989, S. 511), der jedoch dieses Argument auf der Schadensebene gegen den wirtschaftlichen Vermögensbegriff vorbringt.

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Festzuhalten ist, dass ein aufgrund Rechts- oder Sittenwidrigkeit nichtiges Vermögensbetreuungspflichtverhältnis schon aus normativen Gründen (Vermeidung von Selbstwidersprüchlichkeit) nicht untreueerheblich ist, wenn die Rechts- oder Sittenwidrigkeit auf der Lädierung der Privatautonomie dessen, dem die Sache wirtschaftlich gebührt, beruht (beispielsweise wenn die Sache Diebesbeute ist). Eine Verallgemeinerung dahingehend, dass alle wegen Rechts- oder Sittenwidrigkeit nichtigen Rechtsgeschäfte keine untreuetaugliche Pflichtenstellung begründen können, ist damit jedoch nicht beschrieben, denn das Strafrecht muss nicht missbilligen, was das Zivilrecht missbilligt (siehe C. III. 1. c)). Schünemann betont in diesem Zusammenhang den aporetischen Charakter einer zivilrechtsakzessorischen Interpretation des Treubruchtatbestands, der darin liegt, dass einem rein tatsächlichen Verhältnis rechtliche Verpflichtungskraft zugesprochen werde müsse.392 In Vergegenwärtigung der Funktion des Schutzes von Vertrauen und Privatautonomie macht es nämlich an sich keinen Unterschied, ob die Treupflicht zivilrechtlich missbilligt wird oder nicht. Aus dem Gesagten folgt: Ist der Treugeber (oder der vertretene Treugeber) wirtschaftlicher Vermögensinhaber, so ist danach zu fragen, ob die nichtige besondere rechtliche Macht eine besondere tatsächliche Macht des Treunehmers, d.h. eine untreuespezifische Herrschaftsposition zurücklässt. Das ist zu bejahen, wenn dem Treunehmer Gelder anvertraut werden, die zu sitten- oder rechtswidrigen Zwecken, beispielsweise zur Spionage, zur Bestechungszahlung oder etwa auch zur Steuerhinterziehung durch Verschaffen von Kapital ins Ausland zu Anlagezwecken verwendet werden sollten. In diesen Fällen wurde an den Treunehmer ein Mehr zwar nicht an rechtlicher, jedoch tatsächlicher Vermögensmacht abgetreten als diesem gebührt. Denn auch „Scheinberechtigten“, deren besondere rechtliche Macht nicht nur erloschen ist, sondern gar nicht erst entstand, aber entstehen sollte, kann Vertretungsmacht kraft gesetzlicher Rechtsscheinswirkung zukommen. Denkbar wäre auch, die verbleibende besondere tatsächliche Macht in der besonderen Autorisierung durch den Vermögensinhaber erblicken. Der Treunehmer ist dann nicht, wie der Hehler bloßer Besitzer oder Schuldner, wenn er, informiert und autorisiert, ohne Weiteres die besondere Macht hat Spionage, Bestechung oder Steuerfluchten effektiv zu realisieren. Vielmehr dürfte der Treugeber seine strafbaren Handlungen mitunter vorab selbst vorbereitet, organisiert oder abgesprochen haben, sodass er diese eigene besondere Stellung (im rechts- oder sittenwidrigen Wirtschaftsgeschehen) als besondere tatsächliche wirtschaftlich überschießende Vermögensmacht auf den Treunehmer überträgt. 392

LK-Schünemann, § 266, Rn. 61.

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b) Bedarf auch § 266 1. Alt. StGB des Merkmals der Vermögensbetreuungspflicht? (zum Verhältnis von 1. und 2. Alt.) Nicht unumstritten ist, ob § 266 1. Alt. StGB ebenso wie § 266 2. Alt StGB das Vorliegen einer Vermögensbetreuungspflicht zur Voraussetzung hat. Insbesondere in Fällen des Kreditkarten- und Scheckmissbrauchs kann aufgrund der fehlenden besonderen Vermögensbetreuungspflicht das Vorliegen des Missbrauchstatbestands zweifelhaft sein.393 Die Relevanz dieser Problematik in Bezug auf die Untreue wurde allerdings seit Einführung des den Kredit- und Scheckkartenmissbrauch spezialgesetzlich regelnden § 266 b StGB am 1.8.1986 weitestgehend entschärft. Gleichwohl ersetzt sie nicht die Begründung dafür, dass die Missbrauchsalternative einer Vermögensbetreuungspflicht bedarf. Zuweilen wird das Erfordernis abgelehnt.394 Durch Reform des Untreuetatbestands vom 26.5.1933 wurde durch die bis heute geltende Fassung eine Vereinigung von „Missbrauchstheorie“ und „Treubruchtheorie“ erreicht.395 Erstere sieht das essentielle Unrecht in der Ausnutzung der Vertretungs- bzw. Verfügungsmacht, letztere in der Verletzung der obliegenden Treupflicht zur Vermögensfürsorge. Gleichwohl werden zuweilen beide Tatbestandsalternativen als verschiedene Strafgesetze im Sinne des § 265 StPO aufgefasst.396 Nach der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Lehre erweist sich die Missbrauchsalternative als enger und präzisierter Spezialfall des Treubruchtatbestands.397 Beide Tatbestandsalternativen verbinde jedoch das Erfordernis einer Vermögensbetreuungspflicht (sog. „monistische Lehre“398), sodass die Vermögensbetreuungspflicht auch den Täter der Missbrauchsalternative treffen muss.399 393

So sieht der BGH, dass der Täter gegenüber der Scheckkartenausstellerin bzw. der Kreditfirma keine über die bloße Vertragstreue hinausgehende Unterlassenspflicht und damit keine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 1. Alt. StGB habe, BGHSt 24, 387 f. (Scheckkartenmissbrauch); 33, 250 (Kreditkartenmissbrauch). Perron verweist (in: Schönke/Schröder, § 266, Rn. 12) darauf, dass der mit Hilfe einer Kreditkarte kaufende Täter kein fremdes, sondern eigenes Geschäft besorgt; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 764; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 11. 394 Labsch, Jura 1987, S. 346; Otto, Grundkurs, § 54, Rn. 9 ff.; Arzt, FS-Bruns, S. 382. 395 Zur entstehungsgeschichtlichen Ableitung eines einheitlichen Erfordernisses einer Vermögensbetreuungspflicht, siehe Welzel, S. 248 ff. 396 BGH NJW 1954, S. 1616; NJW 1984, S. 2540; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 2. 397 BGHSt 50, 342; OLG Hamm NJW 1968, 1940; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 45, Rn. 11; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 5. 398 Kindhäuser, FS-Lampe, S. 710 ff.

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Diese Ansicht findet ihre Begründung in der Auslegung des Wortlauts („dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat“), aus dem der Bezug der Vermögensbetreuungspflicht auf beide Begehungsformen der Untreue ableitbar ist.400 Grundsätzlich ist das Merkmal „Wahrnehmen“ so wie das Merkmal „Betreuen“ im Sinne von fürsorglicher Hinwendung als ein eine bloße „Wahrnehmung“ im Sinne von Wahrung überlagerndes Merkmal zu verstehen. Gerade die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht über die Vermögensschädigung hinaus begründet den spezifischen Unrechtsgehalt der Untreue.401 Verneinte man das Erfordernis der Vermögensbetreuungspflicht bei der 1.Alternative, bestünde auch die Gefahr einer tatbestandlichen Ausuferung. Der Missbrauchstatbestand würde dann trotz gleichem Unwertgehalt Fälle mit geringerem kriminellen Unwertgehalt umfassen.402 Dieser Gesichtspunkt begründet ein wertungserhaltendes Restriktionsbedürfnis zugunsten des einheitlichen Erfordernisses der Vermögensbetreuungspflicht403 Zum gleichen Ergebnis gelangt auch eine funktionale Betrachtung, die die vertrauensgeleitete Übertragung einer in der Privatautonomie des Vermögensinhabers begründeten besonderen Machtstellung über dessen Vermögen als untreuespezifische Generalisierung statuiert404 (siehe ausführlich 399 BGHSt 35, 227; 33, 250; 24, 387; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 45, Rn. 11, 18; NK- Kindhäuser, § 266, Rn. 3; Nelles, S. 186 ff., 218 ff., 502 ff.; Nelles, S. 218 ff.; Lackner/Kühl, § 266, Rn. 4; Fabricius, NStZ 1993, S. 415 f.; Wittig/ Reinhart, NStZ 1996, S. 471. Auch existiert eine vermittelnde Ansicht, die das Spezifikum beider gleichberechtigten Alternativen in der Einräumung fremdnütziger Dispositionsbefugnisse erblickt. Die Vermögensbetreuungspflicht als „kumulatives Tatbestandselement“ sei „kleinster gemeinsamer Nenner“, ohne in beiden Fällen inhaltsgleiches Merkmal zu sein, siehe Wegenast, S. 136, 138 ff., 142 ff.; Schönke/ Schröder-Perron, § 266, Rn. 2, 23a. Aufgrund der funktionalen Begründung einer Vermögensbetreuungspflicht auch für § 266 1.Alt. StGB (ausführlich im folgenden Abschnitt C. III. 2. c)) kann sich einer differenzierten Auslegung dieser Pflicht je nach Tatbestandsalternative nicht angeschlossen werden. 400 Sax, JZ 1977, S. 666, 702; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 5; Dunkel, GA 1977, S. 333 f.; OLG Hamm NJW 1977, S. 1835; Wegenast, S. 138 ff. 401 SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 5. Zur teleologischen Begründung auch: Dunkel, GA 1977, S. 335. 402 Siehe Dunkel, GA 1977, S. 335 f.; Wegenast, S. 135, 142. 403 Rengier, BT 1, § 18, Rn. 2, 8; Schreiber/Beulke, JuS 1977, S. 657; Lackner/ Kühl, § 266, Rn. 4, 21; Labsch, S. 196 ff.; Krey/Hellmann, BT 2, Rn. 542 f.; Arzt/ Weber, BT, § 22, Rn. 68; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 45, Rn. 18; Wegenast, 1994, S. 136, 142; Nelles, 186 ff., S. 218 ff., 502 ff. 404 Siehe schon Sax, JZ 1977, S. 702: Unter dem Missbrauchstatbestand versteht man einen „verhaltenstypisch umschriebenen Fall des Missbrauchs der besonderen Macht“. Der Missbrauchstatbestand ist nach Sax gegenüber dem Treubruch ein spezieller Untreue-Fall, aber kein Unterfall des Treubruchtatbestands, da der, der seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder den Vermögensinhaber zu ver-

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bei C. III. 2. c)), durch die auch der einheitliche Unwertgehalt beider Alternativen zum Ausdruck gebracht wird. Die Vertretungs- oder Verfügungsmacht des Vermögensbetreuers ist immer Folge einer vertrauensgeleiteten Übertragung von Privatautonomie und stellt eine besondere (rechtliche) Machtstellung dar. Das Vermögensschädigungspotential ist in beiden Alternativen Möglichkeit einer im Vertrauen eingeräumten Machtstellung.405 Einheitsbildendes Moment des Tatbestands ist also die untreueerhebliche Pflichtenstellung im Sinne wirtschaftlicher Vertretungsmacht.406 Die Vermögensbetreuungspflicht ist tatbestandliches Pendant zur Schutzrichtung bezüglich der Privatautonomie im Sinne der Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Zuweisungslogik. Die Verletzung der aufgrund des Innenverhältnisses im Vertrauen abgetretener Privatautonomie ist wesentlicher Unwertgehalt der Untreue und bezieht sich daher auch auf beide tatbestandliche Alternativen. Im Ergebnis steht also die untreueerhebliche Pflichtenstellung (Vermögensbetreuungspflicht) in beiden tatbestandlichen Alternativen in einem funktional identischen Kontext. Beide Alternativen sind Unterfälle der Untreue. Bei der ersten Alternative wird im Vertrauen die besondere rechtliche Macht zur Verpflichtung des Treugebers oder Verfügung über das Treugebervermögen, im Rahmen der zweiten Alternative wird im Vertrauen besondere rechtliche Macht oder besondere tatsächliche Macht über das Vermögen des Treugebers abgetreten. pflichten, missbraucht, ebenso „notwendig und automatisch seine ‚Pflicht‘“, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt. Weil dem Vermögensbetreuer in beiden Alternativen des § 266 StGB besondere Macht anvertraut und diese mit der Folge der Vermögensschädigung missbraucht wurde, „so steht es zugleich notwendig fest, daß er den Nachteil dem zugefügt hat, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat“. Der Untreuetatbestand ist Sax zufolge daher so zu lesen, dass derjenige Untreue begeht, der „die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag, Rechtsgeschäft oder ein Treueverhältnis eingeräumte besondere Macht über fremdes Vermögen, insbesondere die Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt“. 405 Damit erweitert die funktionale Betrachtung auch die insbesondere von Wegenast (S. 136, 138 ff., 142 ff.) vertretene Beschränkung der Gemeinsamkeit der Vermögensbetreuungspflicht beider Alternativen auf den Fremdnützigkeitsaspekt. 406 Wirtschaftliche Vertretungsmacht ist die funktionale Verallgemeinerung einer nur rechtlichen Vertretungsmacht, die bei der 2. Alternative nicht erforderlich ist, beispielsweise in Fällen, in denen der Treunehmer Eigentümer wird und aufgrund des Treugebervertrauens in dessen Vermögensinteresse handelt. Die noch von Welzel (S. 386) zum Zwecke einer Einheitsbildung konstruierte ‚Nähe‘ des Treubruchs zum Inhalt und zur Bedeutung der Vertretungs- bzw. Verfügungsmacht in der 1. Alternative wird durch die funktionale Sichtweise konkretsierbar und verallgemeinerbar.

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c) „Untreueimmunität“ wirtschaftlichen Handelns im Außenverhältnis aa) Begrenzung der Pflichtenstellung auf das wirtschaftliche Innenverhältnis zwischen Vermögensinhaber und Vermögensbetreuer Der strafrechtliche Schutz von vermögensschädigenden Vertrauensbrüchen im Rahmen von gegenseitigen Schuldverhältnissen, also im „Außenverhältnis“, bei denen es selbst nicht zur Übertragung von Privatautonomie, sondern nur zu deren jeweiliger „Behauptung“ kommt, wird mangels dieses spezifischen Schutzes der Privatautonomie durch § 266 StGB nicht gewährt und muss daher § 263 StGB vorbehalten bleiben.407 Diese Unterscheidung von Innen- und Außenverhältnis ist Ausfluss des allgemeinen Kriteriums zur Bestimmung von Vermögensbetreuungspflichten und ist für ihre Begrenzung praktisch vonnöten. Ausschlaggebend wird dies beispielsweise bei einer GmbH, die mit der vertraglichen Klausel erworben wird, dass ihr Erhalt zu gewährleisten sei – so geschehen in einem Fall, bei dem die Treuhandanstalt einen Kaufvertrag mit einer „Schutzklausel“ versah, welche die an eine GmbH (Holding-Gesellschaft) verkaufte GmbH u. a. „vor einer Ausplünderung durch Verkauf des Immobilienbestands oder sonstiger wesentlicher Betriebsgrundlagen“ schützte.408 In der Nichteinhaltung dieser Vereinbarung sah der BGH die „vertraglich anerkannte besondere Schutzwürdigkeit“ der GmbH verletzt und bejahte eine untreuerelevante Pflichtverletzung. Hier zeigt sich die vom BGH nicht hinreichend beachtete Divergenz von Außenverhältnis (der Vertrag zwischen der Treuhandanstalt und der erwerbenden GmbH) und Innenverhältnis (im vorliegenden Fall die Stellung des faktischen Alleingesellschafters der erwerbenden GmbH der erworbenen GmbH gegenüber), wenn er aus der Austauschbeziehung über die Vermögensbetreuungsrelation im Innenverhältnis hinaus ein Treueverhältnis ableitet, obschon ja schuldrechtliche Verpflichtungen aus gegenseitigen Verträgen gar keine Vermögensbetreuungspflicht konstituieren.409 407 Siehe Thomas, FS-Riess, S. 797. Die Bejahung der Untreue bei Vorliegen eines einfachen Kaufvertrags mit der Begründung, dass dieser „auf derart ausgeprägter Vertrauensgrundlage“ beruhe (so etwa noch Schwinge, JW 1935, S. 2054.), vernachlässigt nicht nur das Kriterium der besonderen Machtstellung, sondern widerspricht dem an obiger Stelle für § 266 StGB erörterten funktionalen Verständnis von Vertrauen, das immer auch ein Vertrauen in die Aufrechterhaltung privatautonomer Vermögensmacht ist. 408 BGH NJW 1997, S. 66, 69. 409 Thomas, FS-Riess, S. 796 f.; Saliger, ZStW 112 (2000), S. 566 ff. m. w. N. Dem entspricht auch im Ansatz die aktuelle BGH-Rechtsprechung zur Veruntreuung von Subventionen: Der Empfänger von Subventionen nehme durch die Zuwendung

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Die im Innenverhältnis liegende „Vereinnahmung“ des Vermögensfremden durch die Privatautonomie des Vermögensinhabers (Aufrechterhaltung wirtschaftlicher Zuweisungslogik) gebietet in der Konsequenz des Autonomiegrundsatzes aber die Aufrechterhaltung der Privatautonomie im Sinne der Verfolgung wirtschaftlicher Eigeninteressen des Vermögensbetreuers, insoweit seine Vermögensbetreuungspflicht dem Vermögensinhaber gegenüber nicht beeinträchtigt wird. „Jeder darf seine eigenen (geldwerten) Interessen als Entgelt für seine Leistung auch dann verfolgen, wenn er diese Leistung im Rahmen eines Vermögensbetreuungsverhältnisses erbringt“.410 Das gilt nur dann nicht, wenn das Außenverhältnis mit dem Innenverhältnis identisch zusammenfällt, so beim Selbstkontrahieren, etwa wenn der Vermögensbetreuungspflichtige als Organ für eine Gesellschaft mit sich selbst einen Vertrag abschließt, zum Beispiel den der treugeberischen Vermögensmasse entnommenen Betrag kreditiert. Denn insoweit jemand für die Gesellschaft handeln kann, ist er vermögensbetreuungspflichtig mit der Folge, dass die Verfolgung eigener wirtschaftlicher Zwecke den Wertungen aus diesem Innenverhältnis unterliegt.411 Der Schutz des Innenverhältnises wird also keineswegs dadurch preisgegeben, dass der Vermögensbetreuungspflichtige als „wirtschaftlicher Dritter“ Vertragspartei der Gesellschaft ist. Das Gleiche gilt, wenn der Treupflichtige das Innen- in das Außenverhältnis konvertiert, beispielsweise wenn er sich selbst aus dem Treugebervermögen Gehaltserhöhungen gewährt. Wenn sich der Treupflichtige verpflichtet für einen bestimmten im Außenverhältnis vereinbarten Betrag das Treugebervermögen zu betreuen und entnimmt er dem Treugebervermögen zur Eigenentlohnung zusätzliches Geld, so ist dies schon deshalb pflichtwidrig, weil der Treupflichtige innerhalb seiner Pflichtenstellung den Vermögensinteressen des Treugebers dienlich sein muss und nicht selbst daraus erweiterte Bedingungen für die Pflichterfüllung verwirklichen darf.412 Eine Wandelung des Außen- in ein untreueerhebliches Innenverhältnis liegt schließlich auch in der Nutzung von Vermögenszuwachspotentialen noch nicht Vermögensinteressen der öffentlichen Hand war. Deren Wahrung sei für ihn nicht die wesentliche Verpflichtung, die ihm aus seinem mit dem Staat abgeschlossenen Rechtsgeschäft erwachse (BGHSt 49, 154 f.). Der Subventionsempfänger wird insoweit nicht fremdnützig tätig. Eine zweckwidrige Verwendung einer Subvention werde vielmehr durch § 264 Abs. 1 Nr. 2 StGB pönalisiert (a. a. O., 156 f.). 410 Thomas, FS-Riess, S. 797. 411 Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 42; Thomas, FS-Riess, S. 798; MüllerGugenberger/Bieneck-Schmid, § 266, Rn. 71 f. Hat der Treupflichtige allerdings einen Geldanspruch gegen das ihm zur Verwaltung anvertraute Vermögen, so fehlt es an einem Schaden, wenn der Treupflichtige sich den Betrag entnimmt (siehe BGH wistra 1995, S. 144). 412 Vgl. auch RGSt 68, 373 f.

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des Vermögensinhabers für sich selbst, beispielsweise wenn der Treupflichtige die sich als Vermögensvorteile für den Treugeber darstellenden (insbesondere aus dessen zum Vermögen gehörenden Kundenkreis erwachsenden) Gewinnaussichten (siehe unten bei D. II. 5. a) aa)) für sich selbst in Anspruch nimmt. Darin liegt eine aktive Vernichtung einer tatsächlichen Anwartschaft des Treugbers, aber auch eine weitergehende nachteilige Beschränkung des Kundenkreises und damit weiteren Potentials an Geschäftsabschlüssen zuungunsten des Treugebers.413 Erschließt sich der Treupflichtige im Außenverhältnis die Kundschaft jedoch selbst, gilt das Nämliche nur, wenn er treugeberisches Vermögen einsetzt (denn sobald es eingesetzt wird, ergibt sich ja eine konkrete vermögenswerte Gewinnaussicht) und damit das Innen- in ein Außenverhältnis transformiert. Investiert der Treupflichtige eigenes Kapital und erschließt sich eigene Kundschaft, so handelt es sich hingegen um ein untreueunerhebliches Verfolgen eigener Interessen im Außenverhältnis. Es kommt allenfalls eine Vereitelung einer Vermögensvermehrung durch Unterlassen in Betracht (siehe C. IV. 3.), wenn der Treupflichtige lediglich für sich selbst Gewinne erwirtschaftet, jedoch pflichtwidrig für den Treugeber untätig bleibt. bb) Sonderfall: Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen im Rahmen der Entgegennahme überhöhter Vergütungen Ein Vorstandsmitglied (bzw. entsprechend ein Aufsichtsratsmitglied) einer Aktiengesellschaft ist bezüglich des Gesellschaftsvermögens grundsätzlich vermögensbetreuungspflichtig, aber steht zu ihr im Außenverhältnis, wenn seine eigene, ja nicht von ihm selbst festgesetzte, Vergütung in Rede steht.414 Innerhalb dieses Außenverhältnisses könne daher, so Thomas, das Vorstandsmitglied auch seine eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgen: „§ 87 AktG verwehrt es nicht, Gesamtbezüge zu fordern oder entgegenzunehmen, die selbst den weit gefassten Rahmen dieser Vorschrift sprengen“415 (zu überhöhten Vergütungen/Sondervergütungen siehe auch unten bei D. II. 5. a) bb) (7)). Die Gegenauffassung verweigert sich hingegen nicht der Möglichkeit einer strafbaren Teilnahme im Rahmen einer eigenen Begünstigung durch die 413

Siehe RGSt 71, 333 ff.; BGHSt 20, 144 f. LG Braunschweig, Urteil vom 22.02.2008, Az: 6 KLs 20/07, („VW-Affäre“), (juris) Rn. 346, 394: „Bei der Treupflicht ist also zu differenzieren, ob die Tätigkeit innerhalb oder außerhalb der Oganfunktion liegt“. 415 Thomas, FS-Riess, S. 797: Allenfalls § 263 StGB greift bei die Vergütung betreffenden Täuschungshandlung zum Schaden der AG. 414

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Entgegennahme von Gehaltszahlungen, die ihrerseits eine Untreue darstellen. Soweit es um den „Bereich des eigenen Gehalts“ geht, schließe das Außenverhältnis aber die Treupflicht aus, sodass es zwar nicht zur Straflosigkeit, jedoch zur Strafmilderung gemäß § 28 Abs. 1 StGB komme416 (C. III. 3. e) dd)). Thomas zufolge liege ein „Wertungswiderspruch“ vor, wenn das Recht des Vorstands zur Durchsetzung seiner Vergütungsvorstellung gegenüber dem Aufsichtsrat bzw. zur Entgegennahme seiner Vergütung gebilligt, gleichzeitig jedoch zu einer Bestrafung wegen Anstiftung oder Beihilfe zur Untreue der Aufsichtsratsmitglieder führen würde.417 Dieser in der Tat vorhandene Wertungswiderspruch ergibt sich dabei jedoch nicht aus der Strafrechtsdogmatik. Denn der rechtmäßige, also straffreie, Empfang von Leistungen, deretwegen der Leistungsgeber strafbar ist, schließt nicht zwingend aus, dass dessen Anstiftung oder die Beihilfe durch den Leistungsempfänger strafbar ist. Beispielsweise kann ein Angeklagter von der Unwahrheit einer Zeugenaussage ohne strafrechtliche Konsequenzen profitieren, stiftet er jedoch zu der Falschaussage an, so wird er nach §§ 153, 26 StGB bestraft. Anstiftung und Beihilfe sind also aus strafrechtssystematischer Sicht möglich, wenn der Leistungsnehmer im Außenverhältnis ungetreue Vergütungen annimmt. Der Wertungswiderspruch kann jedoch in einer Diskrepanz zur funktionalen Rolle von „Privatautonomie“ im Untreuestrafrecht liegen. Deshalb ist, mit Thomas, zu Recht zu fragen, ob das Verfolgen wirtschaftlich-egoistischer Interessen durch den Gehaltsempfänger legitimerweise eine vorsätzliche Teilnahme an einer Untreuehandlung durch die unzulässigen Gehaltszahlungen ausschließen kann. Das Vorsatzerfordernis kann insbesondere bei der Anstiftung entfallen. Kennt etwa der Vorstand die finanzielle Situation der Gesellschaft noch nicht, so entfällt der Anstiftervorsatz. Nimmt der Vorstand jedoch laufende Bezüge entgegen, ist ihm die wirtschaftliche Situation des Unternehmens regelmäßig geläufig, sodass hier das Vorsatzerfordernis nicht als Mittel zur Strafbarkeitsvermeidung geeignet ist.418 416 LG Braunschweig, Urteil vom 22.02.2008, Az: 6 KLs 20/07, (juris) Rn. 348, 392 ff.; vgl. auch Peltzer, FS-Lutter, S. 578; Schäfer, DJZ 1933, S. 795. Auch das Reichsgericht (RG JW 1933, S. 2954) vertrat die Auffassung, „daß ein Vorstandsmitglied [in diesem Fall einer Genossenschaft, A. B.] sich durch die Annahme eines übermäßig hohen, aber vom Aufsichtsrat bewilligten Gehalts“ strafbar mache. 417 Thomas, FS-Riess, S. 799. Vgl. zum Beispiel bezüglich eines Aufsichtsrats als Zahlungsempfänger: LG Braunschweig, Urteil vom 22.02.2008, Az: 6 KLs 20/07, (juris) Rn. 334 vs. Rn. 346 ff. 394. 418 Thomas, FS-Riess, S. 799.

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In Betracht zu ziehen ist der Topos der notwendigen Beihilfe, der insbesondere im Rahmen von § 283 c StGB dem begünstigten Gläubiger zugute kommt, wenn dessen Forderung von einem Gesamtschuldner vorab der Insolvenz erfüllt wird. Dabei ist der Ausschluss der Beihilfe jedoch nur auf den „notwendigen“ Empfang der Tilgungsleistung beschränkt.419 Nur insoweit sich der Vorstand also auf den reinen Empfang der Vergütung beschränkt, d.h. ohne weitere Handlungen zur Erfolgsbewirkung vornimmt, kann der Ausschluss der Beihilfe bei § 266 StGB zur Geltung gelangen. Auch hier ist die Restriktionsmöglichkeit praktisch nicht hinreichend.420 Der Beitrag der Beihilfe kann jedoch nach verbreiteter Auffassung trotz vorsätzlichen Handelns gänzlich eingeschränkt sein, wenn sich der kausale Beitrag zur Haupttat im Rahmen einer „professionellen Adäquanz“, d.h. der leges professionis, bewegt.421 Thomas zieht deshalb für die Untreue durch überhöhte Gehaltszahlungen den Schluss, dass der geschäftliche Usus, „die einfache Verfolgung eigener Interessen im Außenverhältnis“, eine „Solidarisierung des Leistungsempfängers mit dem Vermögensbetreuungspflichtigen, der pflichtwidrig und schädigend handelt“, ausschließt. Die Pflichtwidrigkeit der Untreuehandlung des Treupflichtigen greife nur dann auf den Teilnehmer über und rechtfertigt dessen Strafbarkeit, insoweit er den Schutzbereich des Außenverhältnisses verlasse.422 Dem ist zuzustimmen. Eine vorschnelle Wertung des Verfolgens eigener Interessen als Solidarisierung mit dem Untreuetäter verkennt den Umstand, dass das Abtreten von Privatautonomie des Vermögensinhabers nicht die Negierung der Privatautonomie des Leistungsempfängers (ob er nun seinerseits vermögensbetreuungspflichtig ist oder nicht) bewirkt. Die Einschränkung seiner eigenen Privatautonomie zugunsten der Verwirklichung derer des Vermögensinhabers ist nur im Rahmen des Innenverhältnisses gerechtfertigt. Im Außenverhältnis wird dem Leistungsempfänger zugebilligt seine eigenen wirtschaftlichen Interessen zu verfolgen. Erst wer also in das „Lager“ des Treupflichtigen eindringt und dessen Interessen (mit-)verfolgt, verlässt das Außenverhältnis. Ihn erfasst, so Thomas, die „Klammer der Pflichtwidrigkeit“. Nicht unter eine ‚immunisierende‘ „professionelle Adäquanz“ fällt zum Beispiel das kollusive Zusammenwirken zwischen Treupflichtigem und Gehilfen. Vereinbaren beide unter Aufteilung des Gewinns die Zahlung eines überhöhten Preises zuungunsten des Vermögensinhabers, so ist eine Solida419 420 421 422

BGH NJW 1993, S. 1279. Siehe Thomas, FS-Riess, S. 799. Siehe auch LK-Schünemann, § 266, Rn. 163. Siehe BGH wistra 1993, 23; Hassemer, wistra 1995, S. 83. Thomas, FS-Riess, S. 800.

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risierung mit dem Haupttäter auch dann anzunehmen, wenn der Gehilfe äußerlich im Rahmen des Geschäftsüblichen agiert423. Das Gesagte lässt sich als Entscheidungsregel wie folgt zusammenfassend: Wer in eigenem wirtschaftlichen Interesse die ungetreue (überhöhte) Leistung an ihn selbst befördert, verwirklicht damit im „Außenverhältnis“ eigene Privatautonomie, die nicht durch die Privatautonomie des Vermögensinhabers beschränkt ist. Ein solches Verhalten stellt keine eine Teilnahmestrafbarkeit begründende Solidarisierung mit dem Bruch der an den Treupflichtigen abgetretenen Privatautonomie des Vermögensinhabers durch den Treupflichtigen dar. Für das Fehlverhalten des Treupflichtigen im Innenverhältnis kann jedoch der Teilnehmer verantwortlich gemacht werden, der, wie beispielsweise durch kollusives Zusammenwirken mit dem Treupflichtigen, das „Außenverhältnis“ verlässt und sich somit bewusst mit der Lädierung der Privatautonomie des Vermögensinhabers solidarisiert. Die Förderung und Entgegennahme eigener überhöhter und damit ungetreuer Vergütungen begründet daher nicht ohne Weiteres eine Beihilfe zur Untreue. cc) Sonderfall: Vereitelung des Zuwachses des Treugebervermögens durch den sog. „Kick-back“ Ein weiteres Beispiel für die Bedeutung der Differenzierung von Innenund Außenverhältnis ist die Entgegennahme von Provisionen, Honoraren oder Schmiergeldern durch den Treupflichtigen. Vermögensbetreuungspflichtige Personen können für die Vermittlung von Aufträgen oder anderweitigen Vertragsabschlüssen zwischen der vertretenen Person und einem Dritten grundsätzlich von diesem Provisionen, Honorare oder Schmiergelder entgegennehmen, ohne dass dies ihre Vermögensbetreuungspflicht verletzt. Denn insoweit handeln sie im Außenverhältnis. Zwar wird dadurch eine zivilrechtliche Herausgabepflicht (siehe § 667 BGB), nicht aber Untreue begründet.424 Anders ist es nur, wenn der Treupflichtige durch diese Vermittlungstätigkeit dem Vermögensinhaber einen Nachteil zufügt, indem er die optimale Vermögensmehrung dadurch vereitelt, dass er das Geschäft kollusiv zu einem überhöhten Preis abschließt, in den die Provision oder die Beste423

BGH wistra 1993, 23; vgl. auch BGH wistra 2000, S. 342 f. Beihilfe durch neutrales Handeln nur bei ausdrücklicher oder stillschweigender Kollusion: LKSchünemann, § 266, Rn. 163. 424 BGHSt 47, 298; BGH NJW 2001, S. 2105; Thomas, FS-Riess, S. 798 m. w. N.

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chungsgelder (zu Lasten des Geschäftsherrn) eingepreist sind. Hier wird der Bereich des legitimen Verfolgens eigener wirtschaftlicher Interessen (Außenverhältnis) verlassen. Als Beispiel dafür ist die Konstellation des sog. „kick-back“ (oder auch „Retrozession“425) zu nennen. Dort vereinbaren der Treupflichtige und der Dritte (der Vertragspartner des Geschäftsherrn) eine Provision bzw. Schmiergeldzahlung für den Treupflichtigen und entsprechend dazu, dass der Auftrag in Höhe dieser Zahlung zu Lasten des Geschäftsherrn mit einem Aufschlag versehen wird, welcher nach Geschäftsabschluss an den Treupflichtigen ausbezahlt wird.426 Ausschlaggebendes Kriterium dabei ist, dass die in kollusiver Weise in dem Aufschlag eingepreiste Zahlung zu Lasten des Vermögensinhabers grundsätzlich nicht notwendig für den Geschäftsabschluss mit dem Dritten ist. Insoweit es sich also um eine Vereinbarung eines die Gegenleistung übersteigenden Preises handelt, da der Treupflichtige eine vom Wert der Gegenleistung nicht gedeckte, in der Höhe der Provision oder des Schmiergelds überhöhte Zahlungspflicht zu Lasten des Treugebers vereinbart, ist § 266 StGB ohne Weiteres erfüllt.427 Entsprechendes gilt, wenn ein treupflichtiger Anlageberater eine Anlage ausschließlich wegen der für ihn abfallenden Provision durchführt, oder im Falle des sog. Churning, d.h. dem Umschichten eines Wertpapierdepots durch den Vermögensverwalter lediglich zu dem Zweck Provisionen für sich selbst zu erlangen, ohne dass jeweils ein wirtschaftlicher Vorteil erkennbar wäre.428 Pflichtwidrigkeit liegt ebenfalls vor, wenn die Gegenleistung trotz kollusiv vereinbarten Aufschlags zwar wirtschaftlich der Leistung entspricht, aber im Innenverhältnis eine Vermögensmehrungspflicht vereinbart wurde (siehe ausführlich bei C. IV. 2. e)). Soweit also der Geschäftspartner bereit wäre, die Leistung zu einem um den Betrag der Provision oder Schmiergeldzahlung geminderten Betrag zu erbringen, d.h. eine Möglichkeit eines günstigeren Geschäfts vorliegt, ist die Vereitelung dieser Möglichkeit eine Verletzung der im Innenverhältnis vereinbarten Vermögensmehrungspflicht. 425

Park-Zieschang, Teil 3, Kapitel 2, T1 § 266, Rn. 69. BGH NStZ 1995, S. 233 f.; wistra 1991, S. 138; 1998, S. 61; BGH MDR/D 1969, S. 534; Rengier, BT 1, § 18, Rn. 21; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 26; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 36; Rönnau, FS-Kohlmann, S. 240 ff., 247 f.; Schünemann, NStZ 2006, S. 199 f.; Park-Zieschang, Teil 3, Kapitel 2, T1 § 266, Rn. 63 f.; Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 31, Rn. 139. 427 Entsprechend auch Rönnau, FS-Kohlmann, S. 260 f. 428 Vgl. Park-Zieschang, Teil 3, Kapitel 2, T1 § 266, Rn. 47 f., 51 ff., 63 ff. m. w. N. 426

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„Denn [die] aufgrund der Bewertung der Leistungen durch den Verhandlungspartner deutlich gewordene Möglichkeit eines dem betreuten Vermögen vorteilhaften (sich vermögensmehrend auswirkenden) Vertragsschlusses darf der Treupflichtige nicht vereiteln oder unberücksichtigt lassen, um [. . .] für sich den Betrag zu erlangen, den der Treugeber mit Sicherheit erspart oder zusätzlich bekommen hätte, wenn die Möglichkeit des vorteilhafteren Vertragsschlusses im Interesse des betreuten Vermögens genutzt worden wäre“.429 Grundsätzlich gilt zwar, dass die Pflicht zum absolut optimalen Handeln, d.h. aus der Möglichkeit bei einer gegebenen Gewinnsituation den Gewinn noch weiter zu steigern, rechtlich nicht statuiert ist430 (dazu C. IV. 3. c) aa)). Bedeutsam ist aber, ob sich eine gewinnträchtigere Handlungsalternative derart verdichtet hat, dass ihre Nichtwahrnehmung ein im Sinne einer Schadenserzeugungslogik stehendes pflichtwidriges Unterlassen einer relativ optimalen Möglichkeit sowie – auf der Schadensebene – eine Schädigung durch Zerstörung einer Anwartschaft darstellt.431 (siehe ausführlich bei C. IV. 3. c)). Im Fall eines „Kick-back“ kommt es jedoch auf den Gesichtspunkt des „Unterlassens“ insoweit nicht an, als aufgrund kollusiven Zusammenwirkens der Treupflichtige trotz Gleichwertigkeit von Leistung und Ge429

BGHSt 31, 235. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH liegt bei der Vereinbarung von Schmiergeldzahlungen in Form eines prozentualen Preisaufschlags schon regelmäßig ein Untreuenachteil vor, siehe BGHSt 49, 332 f. („System-Schreiber-Urteil“); BGH NStZ 2006, S. 213 („Kölner Müllskandal“) m. w. N.; BGH NJW 2006, S. 2866 f. („Wuppertaler Korruptionsskandal“): „In solchen Fällen liegt es nach der Lebenserfahrung nahe, dass auf diese Art erzielte Preise höher liegen als die im Wettbewerb erreichbaren Marktpreise“. 430 Siehe Schünemann, NStZ 2006, S. 200. 431 Steht ein hypothetischer Gewinn (Preisnachlass) für den Geschäftsherrn, der alternativ zu einer Provisionszahlung in Betracht zu ziehen ist, hingegen „unter dem Vorbehalt einer Straftat gegen den Wettbewerb“, d.h. wäre er (wie bei der rein wirtschaftlich gewinnträchtigen Ausschreibungsmanipulation im „Kölner Müllskandal“) nur über einen Rechtsbruch (sc. dem Verrat der Gebote der Mitbewerber) realisierbar, so sei die Exspektanz rechtswidrig und könne nicht Gegenstand einer Verpflichtung sein, so Bernsmann, StV 2005, S. 578. Daran ist Kritik zu üben. In Betracht kommen kann im Rahmen einer faktischen Betrachtung nur, ob sich die Pflichtwidrigkeit aufgrund prinzipiell erwartbarer Sanktionsfolgen ergibt (vgl. auch C. IV. 7.). Im Ergebnis ist allerdings zustimmend festzuhalten, dass eine Pflichtwidrigkeit nicht allein deshalb ausgeschlossen werden kann, weil ein Mehr an Gewinn nur über eine rechtswidrige Handlungsalternative erzeugbar ist, d.h. weil die Möglichkeiten einer „legalen Preisreduzierung“ fehlen. Dazu auch Saliger, NJW 2006, S. 3378. Zudem bleibt nach der hier vertretenen Auffassung auch nach einer möglichen Bejahung der Pflichtwidrigkeit eine Gesamtsaldierung, in deren Rahmen auch die Gegenleistungen für wettbewerbswidriges Verhalten unter wirtschaftlicher Betrachtung Berücksichtigung finden und in derartigen Fällen zum Ausschluss einer Untreuestrafbarkeit (wie i. E. Bernsmann, a. a. O.) führen.

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genleistung durch aktives Tun den Schein eines in Wirklichkeit suboptimalen Optimums zu Lasten des Vermögensinhabers konstruiert. Es wird vielmehr eine konkrete Gewinnaussicht durch eigenes Dazutun gemindert (zu Exspektanzen siehe D. II. 5. a) aa)), und somit das Treugebervermögen durch aktives Tun einer prinzipiellen Schädigungserwartung ausgesetzt, die zur Annahme einer untreueerheblichen Pflichtverletzung führt (vgl. C. IV. 2. d) bb)). Allerdings ist auf der Schadensebene eine differenzierte wirtschaftliche Betrachtung vorzunehmen.432 Für die Pflichtwidrigkeit gilt jedoch: Wer Zahlungen von Provisionen, Honoraren oder Schmiergeldern an sich selbst ohne Einverständnis des Treugebers im Wege kollusiven Zusammenarbeitens mit dem Vertragspartner des Treugebers vereinbart, welche zu Lasten des Vermögensinhabers eingepreist werden, verlässt das Außenverhältnis und handelt pflichtwidrig. d) Unbeachtlichkeit von Dritt-Vermögensinteressen Der „Treuhand-Fall“ (siehe C. III. 3. a) (2) (a)) veranschaulicht eine weitere Konsequenz. Eine Vermögensbetreuungspflicht ist erst recht abzulehnen, wenn, wie vom BGH übersehen, noch nicht einmal eine wirtschaftliche Identität von Vertragsgläubiger (Treuhand) und Vermögensinhaber (die GmbH als „Drittbegünstigte“) gegeben ist. Es verbietet sich eine untreueerhebliche Vermögensbetreuungspflicht aus wirtschafts- oder sozialpolitischen, d.h. ganz allgemein: Drittinteressen, abzuleiten.433 Diese Erkenntnis ist auch unmittelbare Kosequenz aus dem funktionalen Kriterium einer untreueerheblichen Pflichtenstellung (siehe C. III. 2. d)). Eine vertrauensgeleitete Abtretung besonderer Macht über fremdes Vermögen ist ausnahmslos im Rahmen des intersubjektiven Verhältnisses von Vermögensinhaber und Treupflichtigem denkbar. Als weitere Folgerung neben der notwendigen Differenzierung von Außen- und Innenverhältnis bleibt daher festzuhalten, dass Drittinteressen im Rahmen der Bestimmung einer untreueerheblichen Pflichtenstellung keinerlei Relevanz zukommt.

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Differenziert zu beurteilen ist zum Beispiel, ob der Zahlungsfluss an den Treunehmer von dem Geschäftspartner eventuell auch dazu diente, den Treunehmer für weitere Geschäfte „geneigt zu machen“ (vgl. BGHSt 31, 235), sodass immer im Einzelfall zu prüfen ist, ob der dem Treunehmer zugeflossene Betrag letztlich wirklich dem Treugeber entging. Zur Schädigung durch „kick-back“ siehe zudem: Rönnau, FS-Kohlmann, S. 249 ff.; Schünemann, NStZ 2006, S. 200; Saliger, NJW 2006, S. 3378. 433 Saliger, ZStW 112 (2000), S. 571 m. w. N.

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e) Die Bestimmung des Täterkreises im Rahmen funktionaler Betrachtung aa) Täterschaft und Teilnahme Innerhalb der Tätersystematik des Strafgesetzbuches gehört der Untreuetatbestand zu den Sonderdelikten.434 Untreuetäter kann nur sein, wer vermögensbetreuungspflichtig ist. Die Täterqualität wird anhand der Vermögensbetreuungspflicht funktional bestimmt.435 So weisen die untreueerheblichen Pflichtenstellungen die jeweilig Verpflichteten als potentielle Untreuetäter aus.436 Innerhalb der Sonderdelikte nimmt § 266 StGB daher eine Sonderstellung ein: Täterschaft und Tathandlung sind begrifflich und inhaltlich verknüpft. Die Tätereigenschaft, nämlich die Pflichtenstellung, die § 266 StGB zum Sonderdelikt macht, haftet immer auch der Tathandlung an, denn eine Vermögensbetreuungspflichtverletzung ist nie ohne Vermögensbetreuungspflicht denkbar (anders das Verhältnis zwischen Tätereigenschaft und Tathandlung zum Beispiel bei §§ 331 ff. StGB). Derjenige ist Beteiligter, den keine Pflicht trifft.437 bb) Kette von Treupflichtigen Eine Besonderheit liegt vor, wenn sich der Treupflichtige zur Ausführung seiner Verpflichtungen eigenen Personals oder selbstständig Handelnder bedient. Grundsätzlich gilt, dass die Treupflicht nicht den Vermögensinteres434

Zum Beispiel: BGHSt 13, 331; Fischer, § 266, Rn. 79. Anders war dies noch in der ursprünglichen Fassung der Untreue (§ 266) im RStGB von 1871. Dort, wie auch schon bei den Vorgängerbestimmungen (§ 246 prStGB und § 266 StGB des Norddeutschen Bundes) beschränkte sich die Strafbarkeit auf einzelne Berufsgruppen, so zum Beispiel Vormünder, Kuratoren, Güterspfleger etc. Die Vorschrift enthielt keinen abstrakt umschriebenen Täterkreis. Eine dahin gehende Änderung erfuhr Vorschrift erst durch die Reform vom 26.05.1933, siehe RGBl. I, 295, siehe MüKoStGB-Dierlamm, § 266, Rn. 9, NK-Kindhäuser, § 263, Rn. 13. 436 So ergeben sich insbesondere Vermögensbetreuungspflichten von Aufsichtsräten einer Gesellschaft dieser und ihren Mitgliedern gegenüber (BGHSt 47, 201), von Bürgermeistern gegenüber der Gemeinde (RG JW 34, S. 2773; BGH GA 1956, S. 122), von Geschäftsführern einer GmbH dieser gegenüber (BGH MDR 1979, S. 456; BGH wistra 1993, S. 143), von geschäftsführenden Gesellschaftern einer Personengesellschaft gegenüber ihren Mitgesellschaftern (RGSt 73, 300), von Insolvenzverwaltern gegenüber den Insolvenzschuldnern und -gläubigern (BGHSt 15, 342), von Testamentsvollstreckern den Erben und Vermächtnisnehmern gegenüber (RGSt 75, 242), von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft oder eines Verbands bzw. Vereins diesen gegenüber (RGSt 71, 344; BGH NJW 1991, S. 990), oder von Vermögensverwaltern aller Art gegenüber den Vermögensinhabern. 437 Vgl. BGH StV 1995, S. 73. 435

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sen des Auftraggebers des Täters zu gelten braucht, sondern sich auch auf die eines Dritten (des Vermögensinhabers) beziehen kann. Daher werden die Vertreter wie Beauftragten des Treupflichtigen ihrerseits selbst unmittelbar treupflichtig, soweit diese Pflichtenstellung selbst untreueerheblich ist. Daher bedarf es dann für die Vertreter und Beauftragten des Vermögensbetreuungspflichtigen des § 14 StGB nicht.438 cc) Pflichtenstellung im Rahmen multipersonaler Entscheidungsprozesse Gerade das Merkmal der Arbeitsteilung in modernen Wirtschaften und der hohe Grad an Ausdifferenziertheit von Entscheidungsverfahren (zum Beispiel bei Mergers & Acquisition–Transaktionen oder Kreditvergaben), bei denen mehrere Personen hierarchisch oder heterarchisch eingebunden sind und die Leitungsgremien eigentlich nurmehr formale Letztentscheidungen treffen, machen es schwer unter der Vielzahl der Beteiligten den eigentlichen Vermögensbetreuungspflichtigen ausfindig zu machen.439 Nach Maßgabe des allgemeinen Kriteriums ist das Auffinden des Vermögensbetreuungspflichtigen indes nicht das wesentliche Problem, da nicht eine beliebige Vielzahl an der Entscheidung beteiligter Mitarbeitender in einer untreueerhebliche Pflichtenstellung steht, sondern nur diejenigen Personen, denen letztlich – sei es auch „nur“ formal – besondere Vermögensmacht eingeräumt wurde. Die Frage, ob im Rahmen multipersonaler Entscheidungsfindungen die untreueerhebliche Pflicht auch tatsächlich verletzt 438 Siehe BGH NJW 1983, S. 1807; OLG Hamburg, JR 1963, S. 392; Schönke/ Schröder-Perron, § 266, Rn. 32. Auf den ersten Blick ist fraglich, ob sich die Pflichtenstellung des eigenverantwortlichen Vertreters oder Beauftragten nicht gegenüber dem Treupflichtigen selbst und nicht unmittelbar gegenüber dem Vermögensinhaber definieren lässt. Dafür spricht, dass der Treupflichtige (wohl möglich sogar als rechtlicher Eigentümer des Vermögens, welches wirtschaftlich dem Treugeber gebührt) seinem Vertreter oder Beauftragten selber im Vertrauen besondere Macht über die an ihn selbst eingeräumte besondere Macht über fremdes Vermögen einräumt, d.h. die an ihn abgetretene Privatautonomie als „eigene“ wiederum an den Vertreter (Beauftragten) abtritt. Der Vertreter (Beauftragte) würde dann unmittelbar gegenüber dem Treupflichtigen Untreue begehen. Ungeachtet der Abgrenzungsschwierigkeiten zu § 14 StGB (und der Gefahr einer doppelten Untreue gegenüber verschiedenen Opfern durch dieselbe Handlung) überzeugt diese Sichtweise schon deshalb nicht, weil die Person, der die Vermögensmacht wirtschaftlich gebührt immer identisch der ursprüngliche Vermögensinhaber ist. Gerade das „wirtschaftliche Band“, welches aufrechterhalten wird, bezieht die Pflichtenstellung immer zurück auf den wirtschaftlichen Vermögensinhaber. „Abgetretene“ Privatautonomie wird also nicht zur Privatautonomie dessen, an den abgetreten wurde, obschon dieser die besondere Macht hat, welcher aus dieser Privatautonomie resultiert. 439 Siehe Dahs, NJW 2002, S. 273.

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wurde, ist dann unter Sorgfaltspflichtsgesichtspunkten zu diskutieren (siehe z. B. C. IV. 4. b)). dd) Anwendbarkeit des § 28 Abs. 1 StGB für Teilnehmer Ein weiteres Problem im Rahmen des Täterkreises ist, ob § 28 Abs. 1 StGB für Teilnehmer gilt. Fraglich ist nämlich, ob die Sonderbeziehung des Treupflichtigen zum Geschädigten, d.h. die Pflichtenstellung persönliches Merkmal gemäß § 28 Abs. 1 StGB mit der Folge einer Strafmilderung für den Teilnehmer ist. Für die ablehnende Haltung erkläre sich die Beschränkung des Täterkreises allein aus der besonderen Anfälligkeit des Vermögens ihm gegenüber und nicht durch den Gedanken eines spezifisch personalen Unrechts.440 Bejahend wird argumentiert, dass die Treupflicht neben besonderen Zugriffsmöglichkeiten die besondere personale Nähe des Täters zum Treugeber kennzeichne. Die Vermögensbetreuungspflicht sei demnach persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB.441 Dem ist zuzustimmen. Aus funktionaler Sicht wäre eine Nichtanwendung des § 28 Abs. 1 StGB ein hypertrophierter Zugriff, weil der Vermögensschutz nicht mehr im Kontext der funktionalen Schutzrichtungen, nämlich dem individuellen Schutz von Vertrauen und Privatautonomie, verstanden würde. Die untreuespezifische Machtstellung ist gerade das Charakteristikum der Position potentieller Täter, welches die Nähe zum Vermögen in personalisierter Weise umfasst (siehe C. III. 3. e) aa)). § 28 Abs. 1 StGB ist sonach auf Teilnehmer anzuwenden.

IV. Funktionstheoretisch fundierte Konkretisierung und Restriktion des Tatbestandsmerkmals „Pflichtverletzung“ Wer gegenüber dem Vermögensinhaber treupflichtig ist, d.h. in einer untreueerheblichen Pflichtenstellung steht, kann nun verschiedene Pflichten verletzen. Nicht jede Pflichtverletzung im Rahmen eines Treueverhältnisses ist jedoch notwendigerweise vom Untreuetatbestand geschützt. Der folgenden Abschnitt widmet sich der Frage, welche Pflichtverletzungen solche im Sinne des § 266 StGB sind, d.h. welche Restriktionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, um den Kreis potentieller Untreuehandlungen zu konturie440

So Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 52. BGHSt 26, 54; BGH wistra 1997, S. 100; siehe auch LG Braunschweig, Urteil vom 22.02.2008, Az: 6 KLs 20/07, (juris) Rn. 393 f.; Fischer, § 266, Rn. 80; Schramm, S. 73. 441

IV. Funktionstheoretisch fundierte Konkretisierung

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ren. Zielrichtung ist dabei die Untersuchung, ob eine funktionale Betrachtung des Untreuestraftatbestands ein allgemeines restriktives Kriterium für untreueerhebliche Pflichtverletzungen zur Verfügung stellen kann. 1. Funktionaler Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Pflichtenstellung Zum Zwecke einer Restriktion des Tatbestandsmerkmals „Pflichtverletzung“ wird neuerdings ein funktionaler Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und der Machtstellung des Untreuetäters gefordert.442 Damit ist gemeint, dass die Tathandlung „unter Ausnutzung der besonderen Zugriffsmöglichkeit erfolgen“ muss.443 Ohne diese Begrenzung wäre beispielsweise ein Vorstandsmitglied wegen Untreue strafbar, wenn es in einen Supermarkt der eigenen Kette einbricht und Weinflaschen entwendet. Oder auch ein Geschäftsführer, der einen Firmen-PKW vorsätzlich in eine Halteverbotszone abstellt, sodass die Bußgelder und Abschleppkosten die GmbH treffen.444 Die Pflichtverletzung muss sich deshalb als „signifikante Ausübung“ der internen Machtstellung und nicht nur „bei Gelegenheit“ ergeben.445 Der funktionale Zusammenhang kann anhand eines Indizienkatalogs konkretisiert werden, der auf die spezifischen Zugriffsmöglichkeiten für den Vermögensbetreuungspflichtigen, nicht vorhandene Hindernisse durch Kontrolle446 bzw. die Möglichkeit der Überwindung von Tathindernissen aufgrund der besonderen Machtstellung447 verweist. Dieser Begrenzung ist zuzustimmen, denn sie erweitert praktisch die Betrachtung eines „untreueimmunen“ Außenverhältnisses. Nicht mehr nur die einen Interessengegensatz bergende Verfolgung berechtigter privatautonomer Interessen steht im Außenverhältnis (siehe C. III. 3. c)), sondern auch jede andere sonstige Handlung außerhalb der Vermögensbetreuungsrelation. Allerdings kann zur Begründung nicht darauf zurückgegriffen werden, dass der Vermögenspflichtige außerhalb der Vermögensbetreuungsrelation eigene 442 Siehe schon BGH NJW 1992, S. 251 („innerer Zusammenhang“ zwischen Vermögens-betreuungspflicht und Täterhandeln); NJW 1988, S. 2485; ausführlich: Saliger, HRRS 2006, S. 18 m. w. N.; ders., Parteiengesetz, S. 33 ff.; Rönnau/Hohn, NStZ 2004, S. 114; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 23; Mosiek, wistra 2003, S. 373; Schlösser/Dörfler, wistra 2007, S. 329. 443 Burkhardt, NJW 1973, S. 2190 f.; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 40. 444 Siehe Saliger, HRRS 2006, S. 18. 445 Saliger, HRRS 2006, S. 18; ders., Parteiengesetz, S. 30 ff.; Thomas, FS-Riess, S. 795; Burkhardt, NJW 1973, S. 2190. 446 Burkhardt, NJW 1973, S. 2191; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 40. 447 Siehe Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 36.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

wirtschaftliche Interessen verfolgen kann und im Rahmen privatautonomen Wirtschaftens auch können muss. Denn der Einbruch in den Supermarkt durch den Geschäftsführer oder anderweitiges rechtswidriges Verhalten lassen sich gerade nicht als legitime Verfolgung von Interessen im Wirtschaftsverkehr darstellen. In all diesen Fällen aber greift der Strafgrund und seine spezifische funktionale Schutzrichtung als Restriktionsanlass: das Schädigungspotential einer Untreuehandlung folgt nämlich aus der internen Machtstellung. Das Schädigungspotential muss sich demgemäß in der Pflichtverletzung konkret realisieren448 (vgl. C. III. 2. c)). Der Schutz der Privatautonomie des Vermögensinhabers beschränkt im Rahmen des Untreuetatbestands das Handeln des Treupflichtigen nur hinsichtlich seiner besonderen Machtstellung. Ein unbegrenztes Vertrauen in die allgemeine Rechtstreue des Treupflichtigen schützt § 266 StGB hingegen nicht. Nicht hinreichend wäre es daher lediglich zu fordern, dass die Pflichtverletzung innerhalb des betreuten Pflichtenkreises vollzogen wird. Eine Restriktionstauglichkeit wäre dann nämlich deshalb zu verneinen, weil eine Vermögensbetreuungspflicht auch das allgemeine Schädigungsverbot umfasst449 und man damit wiederum zu dem Ergebnis käme, dass auch das stehlende Vorstandsmitglied vom Untreuestraftatbestand erfasst werden würde.450 Die Restriktion durch den funktionalen Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Machtstellung darf jedoch wiederum nicht so eng verstanden werden, dass eine Pflichtverletzung nur insoweit anzunehmen wäre, als die Qualität der Tathandlung ausschließlich von einer besonderen Machtstellung abhängt, sodass also Handlungen als Tathandlungen auszuschließen wären, die faktisch auch von einer nicht vermögensbetreuungspflichtigen Person begangen werden könnten.451 Die Verneinung einer Untreuestrafbarkeit eines Hauptkassierers im Zusammenhang mit einer einfachen Abrechnungsmanipulation kann sich in der Konsequenz nicht darauf stützen, dass die falsche Manipulation auch der Pförtner hätte begehen können.452 Diese Restriktionsgrenze beim Merkmal der Pflichtverletzung für Umstände, in denen auch nicht vermögensbetreuungspflichtige Personen die Tat faktisch hätten begehen können, kann jedoch nicht überzeugend mit dem 448 § 266 StGB schützt das Vermögen „von innen“. Dazu schon Sax, JZ 1977, S. 660 ff passim; Saliger, HRRS 2006, S. 18; siehe auch BGH wistra 1986, S. 71. 449 Siehe nur LK-Schünemann, § 266, Rn. 94; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 36. 450 Dazu Saliger, HRRS 2006, S. 18. 451 So Burkhardt, NJW 1973, S. 2191. 452 Dazu BGHSt 17, 360, 361 f.; Saliger, HRRS 2006, S. 18.

IV. Funktionstheoretisch fundierte Konkretisierung

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Hinweis begründet werden, dass auch die Körperverletzung im Amt (§ 340 StGB) nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass die Körperverletzung auch tatsächlich eine anderen Person begehen kann. Denn die Verwerflichkeit der Untreue speist sich vorwiegend aus dem Missbrauch einer vertrauensbasierten Machtstellung über fremdes Vermögen. Bei der Körperverletzung im Amt begründet sich die Verwerflichkeit insbesondere schon aus der (tatsächlichen) Körperverletzung, die in § 223 StGB in allgemeiner Weise mit Strafe bedroht wird. Die Ämterstellung ist lediglich ein Erschwerungsgrund. Körperverletzung und die Ämterstellung sind nicht an sich verzahnt. Der Sonderdeliktscharakter bedeutet hier also nicht, dass die Tathandlung faktisch nur durch den Täter selbst begehbar ist. Anders verhält es sich aber bei der Untreue, in der die Pflichtverletzung eines Vermögenspflichtigen sanktionsbewehrt ist. Täterschaft und Tathandlung sind begrifflich und inhaltlich verknüpft (siehe schon oben bei C. III. 3. e)). Jeder, der eine Vermögensbetreuungspflicht verletzt, hat eine Vermögensbetreuungspflicht inne und ist tauglicher Täter.453 Dem ist zu entnehmen, dass eine isolierte faktische Tathandlung außerhalb des § 266 StGB (im Gegensatz zu einer Tathandlung im Sinne des § 340 StGB) gar nicht existiert. Die Pflichtverletzung ist „die Folge eines Verletzungsverhaltens, das in einer von ihr unabhängigen Weise vorher als untreueerheblich festgestellt ist“454. Deshalb bedarf es nach der schon engen Auslegung der Pflichtverletzung durch das Merkmal des Missbrauchs einer vertrauensbasierten besonderen Machtstellung bezüglich fremden Vermögens nicht noch des Rekurses auf faktische Möglichkeiten. Dieser Missbrauch ist isoliert faktisch nicht möglich, sodass es schon deshalb nicht auf die Frage ankommt, ob ein anderer die Pflichtverletzung hätte faktisch erreichen können. Das Merkmal der untreueerheblichen Pflichtenstellung restringiert also ex ante das Merkmal der Pflichtverletzung, indem es gleichzeitig auch eine weitergehende Restriktion bei einem hypothetischen „faktischen Alternativverhalten durch Dritte“ versagt. Für das funktionale Verhältnis von Pflichtenstellung und Pflichtwidrigkeit im Rahmen von § 266 StGB lässt sich als Ergebnis festhalten, dass der Schutz der Privatautonomie des Vermögensinhabers das Handeln des Treupflichtigen nur hinsichtlich seiner besonderen Machtstellung beschränkt und Handlungen außerhalb des Treueverhältnisses unberücksichtigt lässt. Die Tathandlung muss, um eine untreueerhebliche Pflichtverletzung zu sein, aus der untreueerheblichen Pflichtenstellung resultieren, d.h. unter Ausnutzung der besonderen Zugriffsmöglichkeit erfolgen. 453 454

Saliger, HRRS 2006, S. 18. Sax, JZ 1977, S. 745, 665.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

2. Funktionale Restriktion und funktionale Konkretisierung von Pflichtverletzungen im Rahmen eines unbestimmten Innenverhältnisses (Ermessensfreiheit) und das Primat des ausdrücklichen materiellen Treugeberwillens a) Das Erfordernis eines strafrechtsautonomen Kriteriums für die Bestimmung von untreuerheblichen Pflichtverletzungen bei Ermessensspielräumen des Treupflichtigen Die Trennung von Vermögenseigner und Vermögensverwalter in einer arbeitsteiligen Wirtschaft macht insbesondere zum Zwecke der Überwindung von asymmetrischer Informationsverteilung Sinn. Notwendig damit verbunden sind Spielräume des Treupflichtigen beim Umgang mit der ihm übertragenen Vermögensmacht. So verweisen beispielsweise Vermögensbetreuungspflichten aufstellende Normen wie § 43 GmbHG für GmbH-Geschäftsführer, §§ 76, 93 AktG für AG-Vorstände oder § 166 i. V. m. § 93 AktG für Aufsichtsräte einer Aktiengesellschaft auf nicht konkret ausgestaltete Sorgfaltspflichten, die ein hohes Maß an Handlungsspielräumen im Rahmen der Vermögensbetreuung gewähren. Liegt eine Handlung eindeutig innerhalb eines (zivil-)rechtlich gewährten Ermessens, so ist sie aufgrund der negativen (Zivilrechts-)Akzessorietät nicht pflichtwidrig im Sinne des § 266 StGB. Diese Eindeutigkeit wird jedoch in den meisten Fällen gar nicht gegeben sein, insbesondere in solchen, bei denen die zivilrechtliche Pflicht nicht hinreichend geregelt wurde und Streit darüber besteht, ob sie im Rahmen des (zivil-)rechtlichen Ermessens liegt (siehe ausführlich schon bei C. III. 1. b)). Eine Unterregulierung (rechtliche Unterkomplexität) wird bei Abtretungen von Vermögensmacht in arbeitsteiligen Wirtschaften auch gerade intendiert, jedenfalls dann, wenn der Treupflichtige die gewährten Spielräume mit ökonomischem Sachverstand und angepasst an dynamische Entwicklungen der Wirtschaft „ausfüllen“ soll. Die Uneindeutigkeit (zivil-)rechtlicher Ermessenpflichten zeigt sich zudem dann, wenn jenes (zivil-)rechtliche Ermessen Rechtsmängeln unterliegt. Außerdem erweist sich – vice versa – das Übertreten des (zivil-)rechtlichen Ermessens noch nicht als hinreichender Grund für die Annahme einer Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB (siehe C. III. 1. c)). Das alles verdeutlicht die Notwendigkeit eines verallgemeinerbaren Kriteriums für eine untreuerelevante Pflichtverletzung bei Vermögensbetreuungsverhältnissen, die – wie in den meisten Fällen – (unternehmerisches) Ermessen gewähren. Gerade hier gewinnt die beabsichtigte Restriktion der für Ausuferungen der Pönalisierung prädestinierten Interpretationsweite besondere Bedeutung.

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Angesichts der limitierten (Zivilrechts-)Akzessorietät und (zivil-)rechtlich fehlenden Bestimmtheit von Erlaubnisnormen, die ihrerseits für die negative (Zivilrechts-)Akzessorietät von Bedeutung wären, bedarf es also eines strafrechtsautonomen Kriteriums zur Bestimmung untreueerheblicher Pflichtverletzungen durch Handlungen im Rahmen von typischerweise gewährten Ermessensspielräumen. b) Kritik an der Beschränkung auf „gravierende“ Pflichtverletzungen Rechtsprechung und Lehre haben bereits eine Beschränkung untreuerelevanter Pflichtverletzungen vorgenommen. Nicht jede außerstrafrechtliche Pflichtverletzung, sondern nur eine „gravierende“ Pflichtverletzung solle taugliche Tathandlung sein. Was „gravierend“ ist, bestimme sich anhand einer Gesamtschau, allem voran den gesellschaftsrechtlichen Kriterien.455 Speziell im Falle von Unternehmensspenden hat der BGH Kriterien konkretisiert, bei deren („jedenfalls“ kumulativem) Vorliegen eine „gravierende“ Pflichtverletzung angenommen werden kann.456 Diese sind: • eine fehlende Nähe zum Unternehmensgegenstand • Unangemessenheit hinsichtlich der Ertrags- und Vermögenssituation • mangelnde innerbetriebliche Transparenz • eine sachwidrige Motivationslage, zum Beispiel ausschließlich persönliche Zwecksetzungen Dieser vom Ansatz her begrüßenswerte Restriktionsentwurf hält jedoch einer Kritik nicht stand. aa) Der BGH hat zwar eine von ihrem Ansinnen her begrüßenswerte Kopplung einer „ökonomisch gravierenden“ Pflichtverletzung an spezifische unternehmerische Umstände initiiert. Durch diese Restriktion der „gravierenden“ Pflichtverletzung begehen Rechtsprechung und auch Lehre jedoch 455 BGHSt 47, 188, 197; 13; 315; Fischer, § 266, Rn. 40; Otto, FS-Kohlmann, S. 190 ff.; Dierlamm, StraFo 2005, S. 403 f.; Lüderssen, FS-Lampe, S. 729. Hieran kann bereits kritisiert werden, dass die Restriktion durch eine „gravierende“ Pflichtverletzung unterstelle, dass es immer auf eine zivilrechtliche Pflichtverletzung ankäme, was jedoch nicht der Fall ist (siehe Schünemann, NStZ 2005, S. 475 f.). 456 BGHSt 47, 188, 197 und Anmerkung Laub, AG 2002, S. 312; Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 674 ff.; die „gravierende Pflichtverletzung“ erstmalig angedeutet, aber nicht ausgestaltet: LG Düsseldorf NJW 2004, 3280 f. Für die Bankuntreue stellte der BGH die Forderung nach einer „gravierenden“ Pflichtverletzung ebenso auf (siehe BGHSt 47, 152), änderte seine Argumentation jedoch in BGHSt 50, 343 f. für risikobehaftete unternehmerische Entscheidungen, die nun keiner „gravierenden“ Pflichtverletzung mehr bedürfen.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

lediglich den kasuistischen Versuch einer Rückkopplung der Verletzungshandlung an ein wirtschaftlich verstandenes Unternehmensinteresse. Das zeigt sich etwa an der Orientierung an der Ertrags- bzw. Vermögenslage innerhalb der Rechtsprechung.457 Dort soll, was sich als kritikwürdig darbietet, die Vermögenslage über die Schädigungstauglichkeit von Ausgaben entscheiden. Eine aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip abgeleitete Restriktion über den Geringwertigkeitsbegriff hat im Strafrecht zum Beispiel bei § 243 Abs. 2 oder § 248 a StGB Verankerung gefunden. Die Restriktion der Strafwirkung bemisst sich in diesen Fällen am Sachwert: Sachwert(1) < x

Sachwert(2) > x

Strafrecht greift

Strafrecht greift nicht

Im Falle des § 266 StGB soll laut BGH ein Rekurs auf die Vermögensund Ertragslage des Unternehmens die „gravierende“ Pflichtverletzung bestimmen. Veranschaulicht bedeutet dies (wobei A für pflichtwidrige Ausgabe, Y für die Vermögenslage steht): A(1) ./. Y > x

A(2) ./. Y < x

Strafrecht greift

Strafrecht greift nicht

Hier werden in der Anwendung des § 266 StGB zwei Größen, nämlich die Vermögenslage und die Höhe der pflichtwidrigen Ausgabe kontextualisiert, deren Sinn und deren wirtschaftliche Rechtfertigung aber so gut wie nichts mit der Vermögenslage zu tun haben. Es ist schwerlich nachzuvollziehen, weshalb ein strafrechtliches Urteil über eine identische wirtschaftliche Handlung in besseren Zeiten des Unternehmens möglicherweise anders gelautet hätte. Auch eine rechtliche Begründung rechtfertigt diese Korrelierung nicht. Im Gegenteil: vielmehr ist eine Friktion mit § 266 Abs. 2, mit § 266 Abs. 2 i. V. m. § 248 a bzw. § 266 Abs. 2 i. V. m. § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 1. Alt. StGB festzustellen.458 Auch der Vorwurf einer „puren Klassenjustiz“ dürfte greifen, da die Strafbarkeit umso geringer zu sein scheint, je opulenter sich die Vermögenslage darstellt.459 457

So LG Düsseldorf NJW 2004, S. 3281; BGHSt 47, 189, 197 ff. Schünemann, NStZ 2005, S. 475 f.; Saliger, HRRS 2006, S. 19; Seier, Untreue als Allzweckwaffe, S. 108; Nuß, S. 382 ff., 406 ff., 655. 459 Schünemann, NStZ 2005, S. 476; siehe dazu auch das Mannesmann-Urteil des LG Düsseldorf, NJW 2004, 3281 f. 458

IV. Funktionstheoretisch fundierte Konkretisierung

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Im Übrigen eröffnet die Korrelierung mit der Vermögenslage auch gerade eine neue Willküranfälligkeit. So verneinte das LG Düsseldorf im Mannesmann-Fall eine „gravierende“ Pflichtverletzung durch die Zahlung von über 50 Millionen Euro mit dem Verweis darauf, dass die „Ertrags- und Vermögenslage der Mannesmann AG im Zeitpunkt der Beschlussfassung sehr gut“ war.460 Hingegen sah der BGH in einer Entscheidung zu Unternehmensspenden eine Zahlung in Höhe von 45.000 DM bei einem Unternehmen mit Bilanzverlust, jedoch stetig gestiegendem Jahresüberschuss und einer Bilanzsumme von über 160 Millionen DM als „gravierend“ pflichtverletzend an.461 Was „gravierend“ ist, ist anhand der Vermögens- oder Ertragslage folglich nicht hinreichend ermittelbar. Die Vermögens- oder Ertragslage als Hilfskriterium bleibt ein nicht hinreichend konkretisierbarer Beurteilungsmaßstab und eröffnet daher grundsätzliche Bedenken in Ansehung des Prinzips der Tatbestandsbestimmtheit (Art. 103 Abs. 2 GG).462 bb) Eine Orientierung an sachwidrigen Zwecksetzungen des Treupflichtigen ist ebenfalls kritikwürdig. Nicht nur aus dogmatischen Gründen ist die Subjektivierung eines objektiven Tatbestandsmerkmal nicht ohne Weiteres akzeptabel463, vielmehr ist sie an dieser Stelle auch ökonomisch unterkomplex. Denn die subjektive Motivlage muss nicht zwingend der objektiven Bedeutung der Handlung für die Vermögensbilanz entsprechen. cc) Auch ist das Erfordernis des kumulativen Vorliegens der für eine „gravierende“ Pflichtverletzung sprechenden Indizien (d.h. Strafbarkeit „jedenfalls“, wenn alle vorliegen) im Hinblick auf die tatbestandliche Bestimmtheit ungenau. Jedes Ergebnis einer Auseinandersetzung über die Anzahl und Selektion der notwendigen Indizien464, wäre zusätzlich mit dem Makel gewisser Kontingenz behaftet. dd) Schließlich ist die Vorhersehbarkeit der Anwendungspraxis der Restriktion durch die „gravierende“ Pflichtverletzung insoweit nicht gesichert, 460 LG Düsseldorf NJW 2004, S. 3281 f. Kritisch dazu auch Kort, NJW 2005, S. 335 f. 461 BGHSt 47, 189, 197 ff. 462 Hamm (NJW 2005, S. 1995) spricht insoweit von einem „diffusen Merkmal“. Kritisch auch Samson, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2004, S. 122; ders., Non profit law yearbook 2004, S. 238 ff.; Rönnau, NStZ 2006, S. 220; Kubiciel, NStZ 2005, S. 355; Sauer, wistra 2002, S. 465 f.; Otto, FS-Kohlmann, S. 202 f.; Beckemper, NStZ 2002, S. 324 f.; Zwiehoff, FS-Eisenhardt, S. 578; eine Verallgemeinerbarkeit bezweifelnd auch Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 671. 463 Siehe nur Saliger, ZStW 112 (2000), S. 566 ff. m. w. N.; Kubiciel, NStZ 2005, S. 359. 464 Dierlamm (StraFo 2005, S. 403) schlägt vor, „mindestens drei“ zur Voraussetzung zu erheben.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

als der BGH, die bisherige Rechtsprechungslinie klarstellend, bei risikobehafteten unternehmerischen Entscheidungen keine gravierende Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht verlangt.465 Resümierend ist festzuhalten, dass das unterbestimmte Restriktionskriterium einer „gravierenden“ Pflichtverletzung nicht nur dogmatische Bedenken erhebt, sondern auch zu einer Kasuistik führt, die sich als ökonomisch inadäquate Kontextualisierung des § 266 StGB erweist. c) Kritik an der Beschränkung auf „gravierende“ Pflichtverletzungen im Sinne von Verletzungen des materiellen Treugeberinteresses bzw. Unternehmensinteresses In der Rechtsprechung zeichnet sich ab, die Restriktion durch „gravierende“ Pflichtverletzungen auf einen Kernbereich, nämlich die Verletzung außerstrafrechtlicher Pflichten im Rahmen erheblicher Einschätzungsspielräume des Treunehmers, zurückzuführen.466 Der Umstand, dass Ermessensentscheidungen niemals wirtschaftlich unbegrenzte Ermessensentscheidungen sein können, entspricht dem Sinn einer Vermögensmachtabtretung in einer arbeitsteiligen Wirtschaft. So kommt etwa Aufsichtsratsmitgliedern in Aktiengesellschaften ein umfassender Ermessenspielraum zu, dessen gesellschaftsrechtliche Pflichtenbindung sich generell jedoch aus dem Handeln im Unternehmensinteresse ergibt.467 Das Gesellschaftsrecht konturiert die Ziele des Handelns im Unternehmensinteresse etwa durch Pflichten wie die Berichtspflicht des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat (§ 90 Abs. 1 Nr. 2 AktG) oder die Verpflichtung zur Bildung einer gesetzlicher Rücklage (§ 150 AktG). Daraus ergibt sich für das im Rahmen des vermögensbezogenen § 266 StGB bedeutsame Verständnis des „Unternehmensinteresses“, wie es das AktG als Handlungsmaxime für Vorstände und als Überwachungsmaxime für Aufsichtsräte zugrunde legt, die Gewinnerzielung bzw. die Rentabilitätserhaltung, soweit kein abweichender Gesellschaftszweck festgelegt ist.468 465

Siehe BGHSt 50, 343 ff. BGHSt 47, 335 f., 344; Saliger, Non Profit Law Yearbook 2005, S. 224 f.; Krause, StV 2006, S. 308; Hohn, wistra 2006, S. 161 f. 467 BGHZ 36, 306; Ignor/Rixen, wistra 2000, S. 450; Poseck, S. 33 f. 468 MüKoAktG-Semler/Spindler, Band 3, Vorbem. zu § 76 ff. AktG, Rn. 79 ff.; MüKoAktG-Kropff, Band 9/2, Vorbem. zu §§ 394 f., Rn. 39 ff.; Rönnau/Hohn, NStZ 2004, S. 115; Poseck, S. 34; Otto, FS-Kohlmann, S. 192; Kübler, Verrechtlichung von Unternehmensstrukturen, S. 214 ff. Schäfer/Ott, S. 82 ff. Zum gesellschaftsrechtlich relevanten Streitstand zur Konkretisierung des Begriffs des „Unternehmensinteresses“ siehe Brinkmann, S. 17 ff. m. w. N., 41 ff.; MüKoAktG-Semler/ Spindler, Band 3, Vorbem. zu § 76 ff., Rn. 84 m. w. N. 466

IV. Funktionstheoretisch fundierte Konkretisierung

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Der Kern der Restriktion durch eine „gravierende Pflichtverletzung“ im Rahmen von Unternehmensentscheidungen speise sich daher, so Saliger, zentral aus dem „materielle[n] Kriterium der evidenten Unvertretbarkeit und Willkürlichkeit der Vermögensdisposition aus Sicht des Treuherrn“.469 Gravierend pflichtverletzend sei demnach eine Handlung im Rahmen (gesellschaftsrechtlich gewährter) unternehmerischer Handlungsfreiheiten dann, wenn sie eindeutig oder „evident unvertretbar und willkürlich“ ist, d.h. unter Miteinbeziehung unternehmerischer Handlungsfreiräume nicht mehr im materiellen Interesse des Unternehmens liegt.470 Ein solches Verständnis der Pflichtwidrigkeit unternehmerischen Handelns leitete den BGH auch in seiner zivilrechtlichen Entscheidung über Schadensersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder einer AG.471 Dort anerkennt der BGH nicht nur die Notwendigkeit eines weiten Handlungsspielraumes für geschäftsführende Wirtschaftsakteure, „ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist“472, sondern statuiert auch Sorgfaltsanforderungen, die im Umkehrschluss ein pflichtwidriges Verhalten konkretisieren lassen. Dieser zivilrechtliche Sorgfaltsmaßstab zeitige auch für den untreuestrafrechtlichen Pflichtwidrigkeitsbegriff Relevanz.473 Danach komme ein pflichtwidriges Handeln innerhalb unternehmerischem Ermessensspielraum dann in Betracht, „wenn die Grenzen, in denen sich ein vom Verantwortungsbewußtsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgründe beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muß, deutlich überschritten sind“.474 Die Bezugnahme auf das materielle Interesse bzw. Unternehmensinteresse ist nicht ohne Weiteres haltbar. aa) Zunächst ist der Begriff des „Unternehmensinteresse“ nicht nur Ausdruck des materiellen Vermögensinteresses, sondern diverser multidimensionaler, intra- und extracorporal ausgerichteter, Interessen des Unternehmens als gesamtgesellschaftliche Funktionseinheit, d.h. soziale Organisation. Als 469 Saliger, HRRS 2006, S. 20; Rönnau, NStZ 2006, S. 219; dagegen: Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 674 ff., der auf die vereinfachte Prüfung der Einhaltung von Verfahrensregeln (BGH-Indizien) hinweist; anders dazu: Saliger, HRRS 2006, S. 20, der zu Recht auch in den BGH-Kriterien wie zum Beispiel der „Unangemessenheit“ ein materielles Kriterium sieht. 470 Saliger, HRRS 2006, S. 20; Kubiciel, NStZ 2005, S. 360; Tiedemann, ZIP 2004, S. 2056; Tiedemann, FS-Tröndle, S. 328; Samson, Non profit law yearbook 2004, S. 243. 471 BGH NJW 1997, 1926 (= BGH NJW 1997, S. 1926 ff.; sog. „ARAG“-Entscheidung). 472 BGH NJW 1997, 1927. 473 Thomas, FS-Riess, S. 806. 474 BGH NJW 1997, 1928.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

wirtschaftliche Organisationen mit gesellschaftlichen Funktionen und Leistungen bedienen Unternehmen auch Interessen, die auch außerhalb der vermögensbezogenen Eigentümerinteressen liegen, beispielsweise Umweltoder politische Interessen sowie die Belange anderer Bezugsgruppen als den Anteilseignern (Shareholdern), nämlich wie Arbeitnehmer, Kunden, Verbraucher, Kreditgeber etc., den sog. Stakeholdern.475 Vereinzelt, und mit einer Anwendungsextension des Untreuestrafrechts verbunden, wird sogar gefordert solche vom Vermögensinteresse des Treugebers entfernte Interesse unter den Schutz des § 266 StGB zu stellen.476 Problematisch ist zusätzlich, wenn die kaufmännische Lauterkeit bzw. die Geschäftsmoral als Leitkategorien zur Bestimmung des materiellen (Unternehmens-)Interesses verwendet werden.477 Demgegenüber muss jedoch festgehalten werden, dass Drittinteressen im Rahmen der Pflichtwidrigkeit keine Relevanz gewinnen (siehe C. III. 3. d)). bb) Problematisch am Begriff des „Unternehmensinteresses“ und der normativen Erklärungsformeln ist ferner seine mangelnde Definier- und Konkretisierbarkeit der Regelfunktion gerade auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 103 Abs. 2 GG.478 Vor dem Hintergrund der inneren, allein auf das Treugeberinteresse und -vermögen ausgerichteten, Struktur des § 266 StGB ist ein Rekurs auf den objektiv schillernden Begriff des „Unternehmensinteresses“ ungeeignet. cc) Auch verweist ein Verständnis der Verletzung des Unternehmensinteresse anhand „evident Unvertretbarem“ und „Willkürlichem“ „aus der Sicht des Treuherrn“ – trotz des Vorteils einer dadurch erlangten untreuestrafrechtlichen Spezifizierung des materiellen Interessebegriffs – auf ein noch nicht genanntes objektives Programm, ein noch nicht gesicherten Maßstab, zur Bestimmung des Vertretbaren und des Nicht-Willkürlichen in Bezug auf das Treugebervermögen.479 Die „Sicht des Treuherrn“ eröffnet als solche eine unbegrenzte Subjektivierung und gibt an konkreten Regeln wenig her, 475 Dazu Raiser, FS-Schmidt, S. 105 ff., 118 f. (in Anwendung der systemfunktionalen Analyse sozialer Organisationen nach Talcott Parsons); Teubner, ZHR 149 (1985), S. 472, 482 ff.; Luhmann, Wirtschaft der Gesellschaft, S. 109 f., 215 f. Fn. 62; Junge, FS- v. Caemmerer, S. 578; konkret zur AG: MüKoAktG-Semler/ Spindler, Band 3, Vorbem. zu §§ 76 ff., Rn. 81, 86 f. m. w. N. Auch Gläubigerinteressen miteinbeziehend zum Beispiel Bernsmann, GA 2007, S 224. Zum Stakeholder-Value-Ansatz: Bernsmann, GA 2007, S. 225 ff. m. w. N.; Böckli, S. 133 f. 476 Bezüglich von Arbeitnehmerinteressen etwa Bernsmann, GA 2007, S. 223 f. 477 Kubiciel, NStZ 2005, S. 359 f. 478 Siehe zum Beispiel Fischer, § 266, Rn. 44a; Dittrich, S. 97 ff.; Otto, FS-Kohlmann, S. 196 f. („Unternehmensinteresse als unbestimmter Rechtsbegriff“); Busch, S. 168 ff.; Kubiciel, NStZ 2005, S. 355; Raiser, FS-Schmidt, S. 108; Rönnau, NStZ 2006, S. 219; Braum, KritV 2004, S. 75. 479 Vgl. dazu auch Tiedemann, ZIP 2004, S. 2056 m. w. N.

IV. Funktionstheoretisch fundierte Konkretisierung

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wenn es gerade bei Ermessensentscheidungen an besonderen treugeberisch präzisierten Pflichten mangelt (zur Problematik von Subjektivierungstendenzen vgl. C. IV. 2. b) bb)). Aufgrund des Gesagten ist festzuhalten, dass, ebenso wie das Kriterium einer „gravierenden Pflichtverletzung“ selbst (siehe C. IV. 2. b)), eine Konkretisierung einer „gravierenden“ Pflichtverletzung anhand des materiellen Treugeber- bzw. Unternehmensinteresses sich als ebenso ökonomisch und rechtlich unterbestimmt erweist. Exkurs: Abzulehnen ist daher auch eine Rechtfertigung durch rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB) oder durch eine rechtfertigende Pflichtenkollision, wenn die pflichtwidrigen, schädigenden Handlungen gleichwohl eine Fortführung des Unternehmens ermöglichen. Die Verletzung materieller Vermögensinteressen eines Treugebers und die Schädigung des Vermögens können nicht durch ein allgemeines Interesse an dem Unternehmen als „Wert an sich“ gerechtfertigt werden.480 d) Das funktionale Kriterium untreueerheblicher Pflichtverletzungen aa) Notwendigkeit und Voraussetzungen einer allgemeinen objektiven Regel in der Form eines funktionalen Prinzips Wenn der Sinn der Restriktion der „gravierenden“ Pflichtverletzung vornehmlich darin zu finden ist, alltägliche (Risiko-)Entscheidungen mit negativem Ausgangspotential aus dem Bereich des Strafbaren herauszuhalten481, 480 Zu bedenken ist hinsichtlich der Pflichtenkollision nämlich, dass trotz ausdrücklicher Abrede die Pflichtwidrigkeit abredewidriger Handlungen, zu denen der Vermögensbetreuer anderweitig (rechtlich) verpflichtet ist, bereits auf der Ebene des normativen Pflichtwidrigkeitsbegriffs auszuschließen ist. Bezug nehmend auf eine Anwendung des § 34 StGB muss gesagt werden, dass der Erhalt des Unternehmens in vielen Fällen einen materiellen Nutzen (Mehrwert) stiftet und damit schon ein Vermögensschadens ausgeschlossen sein kann. „Opfert“ hingegen der Vermögensbetreuer Kapital um entgegen dem ausdrücklichen Willen des Vermögensinhabers (der möglicherweise an einer Liquiderung interessiert ist) das Unternehmen ohne Zufluss eines kompensierenden Mehrwerts schlechtweg nur zu erhalten, so muss, soweit der Vermögensbetreuer nicht anderweitig zu diesen Handlungen verpflichtet war (zum Beispiel Zahlung der Löhne an die Mitarbeiter), eine Rechtfertigung grundsätzlich ausscheiden (vgl. C. IV. 2. e)). Es gibt daher keine Rechtfertigung durch Rekurs auf einen möglicherweise vorhandenen volkswirtschaftlichen Wert einer Unternehmenserhaltung. Maßstab sind das Treugeberinteresse und die Saldierung. Zur Verneinung einer Anwendung von § 34 StGB auch LK-Schünemann, § 266, Rn. 158 m. w. N.; Schramm, S. 239 f. 481 Hefendehl, MschrKrim 2005, S. 447.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

so wäre ein objektives Prinzip, welches rechtlich und wirtschaftlich integrierbar ist, zielführender als die wirtschaftlich (und damit hier rechtlich) primär indefiniten und damit allenfalls eine mehr oder minder abstrakte aber relativ unbestimmt bleibende Restriktionskasuistik erzeugenden Begriffe der „gravierenden“ Pflichtverletzung. Eine allgemeine rationale Regel, um eine Pflichtwidrigkeit von Ermessensentscheidungen zu erkennen, kann mangels Unbestimmtheit nicht aus dem Recht selbst, könnte jedoch aus einer funktionalen Betrachtung gefolgert werden.482 Ein funktionales Kriterium zur Bestimmung untreueerheblicher Pflichtverletzungen muss dabei verschiedene Bedingungen erfüllen: (1) Eine funktonale Regel muss vor dem Hintergrund der funktionalen Voraussetzungen des § 266 StGB in untreuespezifischer Weise auf die wirtschaftliche Logik des Vermögensinteresses zurückgreifen.483 Denn eine untreueerhebliche Pflichtverletzung muss als Realisierung des Schädigungspotentials, welches die untreueerhebliche Pflichtenstellung (siehe C. III. 2. d)) definiert, auf das Treugebervermögen bezogen sein – immerhin setzt auch der Tatbestand des § 266 StGB neben der Pflichtverletzung eine Schädigung des Vermögens voraus, dessen Schutzzweck des § 266 StGB ist (siehe B. III. 4.). Damit liefert die Orientierung am „materiellen Interesse des Treuherrn“ durchaus den Ausgangspunkt der Bildung eines funktionalen Prinzips. So stehen denn, aus funktionaler Sicht, die Merkmale „evident unvertretbar“, „willkürlich“ „aus Sicht des Treuherrn“ für einen im rechtlichen wie im ökonomischen Kontext gleichermaßen integrierbaren „Sinn“.484 Ist es 482 Gerade diese Bindung an den Wortlaut kann die Restriktion einer „gravierenden“ Pflichtverletzung schon begrifflich nicht leisten, so auch Schünemann (NStZ 2005, S. 475), der allerdings aus dem Streben heraus argumentiert, § 266 StGB gar nicht zu restringieren. 483 Bei der Beurteilung der Pflichtwidrigkeit von Ermessensentscheidungen im Vermögensinteresse des Treugebers kann es für § 266 StGB nicht relevant sein, ob die Pflichtenstellung etwa aus einem Rechtsgeschäft mit einem Vermögensverwalter folgt oder gesellschaftsrechtlich (zum Beispiel § 93 AktG) begründet ist. Pflichtwidrige Verhaltensweise innerhalb wirtschaftlicher Handlungsspielräume zeichnen sich ja gerade durch rechtliche Nichtregulierung aus. Damit steht § 266 StGB mit seinen funktionalen Schutzrichtungen der wirtschaftlichen Logik gegenüber, die sie mit einer spezifischen, damit allgemeinen, Entscheidungsregel einverleiben muss. 484 Nach Luhmann (Recht der Gesellschaft, S. 392, 394, 452) konstruiert ein System beispielsweise durch den Begriff des Interesses eine Fremdreferenz, die es für interne Zwecke brauchbar macht. Siehe insbesondere auch Brinkmann (S. 30 f., 38 ff., 54 f.), der auf den Doppelstatus von „Unternehmensinteresse“ zwischen rechtlicher Generalklausel bzw. Verhaltensmaxime und ökonomischem Zweckbegriff verweist.

IV. Funktionstheoretisch fundierte Konkretisierung

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im Strafrecht einerseits das Verhältnismäßigkeitsprinzip, das Willkürverbot bzw. die untreuespezifische Orientierung an der Privatautonomie des Vermögensinhabers, so umfassen die Begriffe, wirtschaftlich konkretisiert, das Prinzip vertrauensbasierten privatautonomen Wirtschaftens nach wirtschaftlichen Grundregeln. Ein (durch die funktionale Betrachtung) verallgemeinertes Verständnis einer Restriktion besitzt konzeptuell den Vorteil, dass sie gesellschaftsrechtliche bzw. unternehmerische Ermessensspielräume einerseits anerkennt, andererseits aber auch durch ein Prinzip begrenzt und sich somit tauglich dazu erweist das Tatbestandsmerkmal der Pflichtverletzung um der ökonomischen Funktionalität willen zu restringieren, ohne fehlende rechtliche oder ökonomische Stringenz aufzuweisen. Das „materielle Interesse des Treugebers“ muss also durch das funktionale Kriterium prinzipiiert werden, d.h. als ein generalisiertes, objektives Kriterium mit normativem Anspruch formuliert werden. (2) Das funktionale Prinzip muss zudem berücksichtigen, dass nur die Vermögensinteressen des Vermögensinhabers relevant sind (siehe C. III. 3. d)). Die Schutzwirkung in Bezug auf die Privatautonomie als fortwirkende Privatautonomie innerhalb der besonderen Machtstellung ist immer im Lichte des Vermögens zu betrachten, da die „abgetretene“ Einwirkungsmacht immer eine solche über fremdes Vermögen ist.485 Deshalb kann beispielsweise „Unternehmensinteresse“ im Rahmen des § 266 StGB nicht das Interesse des „Unternehmens an sich“ meinen (siehe C. IV. 2. c)). Das materielle Interesse des Unternehmens entspricht – aus untreuestrafrechtlicher Sicht – dem materiellen Interesse der Anteilseigner (sog. Shareholder-Value-Ansatz).486 § 266 StGB begrenzt das wirtschaftliche Interessenspektrum im Rahmen von Ermessensentscheidungen auf das materielle Interesse des wirtschaftlichen Vermögensinhabers. Handelt der Treunehmer wider dieses Interesse, so kann die Pflichtwidrigkeit nur daran scheitern, dass eine rechtliche Pflicht statuiert ist (zum Beispiel im Arbeits-, Umweltrecht), die anderweitige Interessen verrechtlicht und deren Erfüllung im Sinne der Einheit der Rechtsordnung eine untreueerhebliche Pflichtverletzung selbstverständlich ausschließt. 485 Siehe dazu Sax, JZ 1977, S. 666, 704; Kindhäuser, FS-Lampe, S. 718; Schramm, S. 25. Zur Identität von dem von der Vermögensbetreuungspflicht erfassten und dem geschädigten Vermögen, BGHSt 47, 297; BGH NJW 1983, S. 461 f. 486 Die Steigerung des Unternehmenswertes (Value) ist an der Steigerung der Anlagerendite (Performance) der Anteilseigner (Shareholder), zum Beispiel der Aktionäre, ausgerichtet. Zum Gewinnstreben zum Zwecke der Eigenkapitalrenditesteigerung im Rahmen des Shareholder-Value-Konzepts: Rappaport, S. 39, 71 ff.; Afra/ Aders, S. 99 ff. Zum Stakeholder-Value-Ansatz: Bernsmann, GA 2007, S. 225 ff. m. w. N.; Böckli, S. 133 f.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

(3) Ein am Handeln im materiellen Interesse des Treugebers orientiertes Prinzip zur Restriktion der Pflichtverletzung nach § 266 StGB muss strukturwidrige Subjektivierungstendenzen des objektiven Tatbestandes vermeiden487 (siehe auch schon C. IV. 2. c) bb) und cc)). Die Orientierung am Vorliegen sachwidriger Motive, namentlich das Verfolgen rein persönlicher Präferenzen, als ein vom BGH aufgestelltes Kriterium einer „gravierenden“ Pflichtverletzung, sowie eine Bestimmung der Pflichtgemäßheit anhand der wirtschaftlich sinnvollen oder vertretbaren Ziele des Treupflichtigen, die dieser mit der Handlung verfolgt488, muss durch ein allgemeines funktionales Prinzip zur Bestimmung einer Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB objektiviert werden. (4) Grundsätzlich dürfte prima facie eine Handlung aus ökonomischer Hinsicht nur als „evident unvertretbar“ und „willkürlich“ „aus Sicht des Treuherrn“ aufzufassen sein, wenn das Handlungsziel, der Vermögenseffekt einer Handlung, Berücksichtigung fände. Dies gilt umso mehr, als gerade anderweitig konkretisierte Vermögensbetreuungspflichten fehlen.489 Die Frage, ob eine Handlung prinzipiell „im materiellen Interesse“ des Treugebers/Unternehmens liegt, darf dabei aber nicht in eine prinzipielle strukturwidrige Vermengung (Verschleifung) der Tatbestandsmerkmale „Pflichtverletzung“ und „Vermögensschaden“ münden, zum Beispiel durch die Annahme einer Pflichtverletzung durch die Verletzung eines allgemeinen Schädigungsverbots.490 Abgesehen von strukturell vorgegebenen Ausnahmen (siehe dazu C. IV. 2. d) cc) (3)) wie beispielsweise im Rahmen von materiellen Pflichtverletzungen bei Risikogeschäften, im Rahmen des Unterlassens vermögensmehrender Handlungen oder bei Geschäften im Ermessen491, kann die Pflichtverletzung aber nicht grundsätzlich aus der für Vermögensschadensbestimmung vorzunehmenden Saldierung rückgeschlossen werden492, sondern es bedarf eines vorrangig anzuwendenden eigenständigen Kriteriums zur Beurteilung der Pflichtwidrigkeit. 487

Siehe nur Saliger, ZStW 112 (2000), S. 566 ff. m. w. N.; Kubiciel, NStZ 2005, S. 359. 488 Vgl. Tiedemann, FS-Tröndle, S. 328 f.; Taschke, FS-Lüderssen, S. 670. 489 Siehe auch Matt/Saliger, S. 223 f. m. w. N.; Saliger, ZStW 112 (2000), S. 569; Fischer, § 266, Rn. 44a. So betont denn auch der BGH in der „ARAG-Entscheidung“, dass die Pflichtgemäßheit ein „ausschließlich am Unternehmenswohl“ orientiertes Handeln voraussetzt: BGH NJW 1997, S. 1928. 490 Vgl. in diesem Zusammenhang BGHSt 50, 336; 47, 381 ff. 491 Zur Verschleifung der Tatbestandsmerkmale bei Risikogeschäften: Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 647, 659; siehe auch Tiedemann, FS-Tröndle, S. 328 f. (Pflichtwidrigkeit, wenn „von Anfang an feststeht, daß das [. . .] Verhalten [. . .] zu einer Schädigung der Gesellschaft führen wird“). 492 Dazu Saliger, ZStW 112 (2000), S. 612 f. passim; ders., HRRS 2006, S. 14; Zwiehoff, FS-Eisenhardt, S. 580 f. So auch der BGH (BGHSt 43, 296 f.), der dem

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Eine restriktive Bestimmung einer Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB setzt also im Ergebnis ein allgemeines Kriterium voraus, welches anknüpfend an die untreueerhebliche Pflichtenstellung und den Schutzzweck des § 266 StGB einen Bezug zum Vermögensinteresse des Treugebers aufweist, ohne weder einer Subjektivierung zu unterliegen, noch prinzipiell die Prüfung des Schadensmerkmals zu antizipieren.

bb) Formulierung eines funktionalen Prinzips zur Bestimmung einer untreueerheblichen Pflichtverletzung Die Orientierung am „materiellen Interesse“ des Treugebers (Unternehmens) wird dann nicht als Vorprüfung von Vermögensbewegungen auf der Pflichtwidrigkeitsebene, also zur Bestimmung und Bewertung der materiellen ökonomischen Handlungsfolgen fungieren, wenn ein restringierendes funktionales Prinzip auf der Stufe des Tatbestandsmerkmals „Pflichtverletzung“ lediglich eine Prüfung des abstrakten funktionalen Handlungskontextes verlangt. Aus funktionaler Sicht prinzipiell „gravierend“ wäre der Missbrauch vermögensverwaltender Befugnisse zu Ermessensentscheidungen dann, wenn die pflichtwidrige Handlung (also zum Beispiel das Spenden von Unternehmensgeldern) aus Sicht des Vermögensinhabers im Kontext zu erwartender und wirtschaftlich funktional typischer Handlungen „evident unvertretbar“ und „willkürlich“ erscheint. Dieses Kriterium des Treugeber-/ Unternehmensinteresses stellt sich nurmehr rechtlich als „materiell“ dar. Im wirtschaftlichen Verständnis jedoch bleibt es ein „formelles“ Kriterium, ohne jedoch den Zusammenhang zur konkreten ökonomisch materiellen Prüfung im Rahmen der Schadensprüfung, also zur Frage, ob etwas effektiv im materiellen Interesse des Treuherrn ist, abzuschneiden. Eine solche Bestimmung einer Restriktion der Pflichtverletzung anhand eines funktionalen formal-ökonomischen Handlungskontextes liefert den Vorzug, dass es konkreter Aussagen über den effektiven Handlungserfolg nicht Bedarf, weil auf Systemfunktionen der Wirtschaft verwiesen wird, die zwar immer in ihrer Logik zweckgerichtet sind und Handlungserfolge implizieren und antizipieren, dadurch aber nur ein abstraktes materielles Vermögensinteresse behaupten, ohne konkrete Erfolge zur Bedingung dafür machen, dass ökonomisch sinnvoll gehandelt wurde.493 Gerade auch ökonomisch sinnvollen HandlunVorgehen widerstrebt, aus einem negativen Gesamtergebnis der Wirtschaftslage auf die Pflichtwidrigkeit des Mitteleinsatzes zu schließen. Siehe auch Schünemann, NStZ 2006, S. 199, der einer derartigen grundlegenden „Schutzzweckkonnexität der Pflichtverletzung“ widerspricht. Das Verbot den Geschäftsherren zu schädigen bleibe allerdings als Minimalpflicht übrig, soweit eindeutige Bestimmungen der Vermögensbetreuungspflicht fehlen, LK-Schünemann, § 266, Rn. 94.

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gen, insbesondere solchen im Ermessen bzw. mit „Prognosecharakter“, ist gemein, dass sie nicht immer zwingend zu einem Vermögensvorteil führen. Der konkrete Effekt einer Schädigung ist daher nicht hinreichend für die Annahme einer Pflichtverletzung.494 Die Tatbestandsmerkmale Pflichtverletzung und Vermögensnachteil werden folglich nur abstrakt verzahnt und nicht gleichgesetzt. Gerecht wird die Prinzipiierung einer schlichten Eignung zur Nichtschädigung dem Umstand, dass es sich bei unternehmerischen Entscheidungen (zum Beispiel bei Investitionsgeschäften) regelmäßig um Abwägungsprozesse handelt, die lediglich abstrakt, nicht aber immer konkret als richtig oder falsch eingeordnet werden können, die überdies häufig mehr oder weniger effektive Alternativen besitzen und daher auch nur in ihrem Prinzip als objektiver Indikator eine gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit eröffnen können.495 Solch eine abstrakte, am formalen Regelwerk wirtschaftlicher Vermögenserhaltungs- bzw. Gewinnerzeugungslogik orientierte Bestimmung des Treugeberinteresses im Rahmen von Ermessen widerspricht dabei nicht dem wirklichen materiellen Treugeberinteresse, denn es wird prädominiert durch das, was der Treugeber – dann aber lediglich in materieller Hinsicht – ermessenseinschränkend dezidiert zum Ausdruck gebracht hat (auch wenn dies in einer Schadenserzeugungslogik steht, siehe dazu unten, C. IV. 2. e)). Das Kriterium füllt zum Zwecke untreuestrafrechtlicher Bewertbarkeit sozusagen den Inhalt innerhalb gewährter Spielräume oder Unbestimmtheiten der Vermögensbetreuungspflicht aus. Ohne die Zielfunktion „Schadensvermeidung“ einer Handlung des Vermögensbetreuers könnte der eigentliche Sinn einer Abtretung von Vermögensmacht auch gar keine wirtschaftliche Rechtfertigung finden: sie ist also integraler funktionaler Bestandteil einer Vermögensmachtabtretung. Eine untreueerhebliche Pflichtverletzung ist dementsprechend, soweit keine wirksam konkretisierten materiellen Einschränkungen des Ermessens vorliegen, anhand prinzipiierter Schadensvermeidungslogik, d.h. einer ob493 Siehe auch Labsch: „Die für die Schadensermittlung unentbehrliche Tathandlung wird erst deshalb zur Tathandlung, weil sie vermögensschädigenden Charakter besitzt“ (S. 320), nicht weil sie vermögensschädigend ist. Unbestimmt und angesichts des Erfordernisses eines materiellen Kriteriums unzureichend ist es hingegen die durch den Treugeber nicht hinreichend konkretisierten Spielräume durch einen „mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn“ zu bestimmen, „der im Zweifel dahin geht, dass der Inhaber der Befugnis nur solche Dispositionen treffen darf, die [. . .] der für das fragliche Geschäft üblichen Sorgfalt entsprechen“, so Schönke/SchröderPerron, § 266, Rn. 20 m. w. N. Eine „übliche Sorgfalt“ stellt lediglich ein materiell unbestimmtes formelles Indiz dar (siehe dazu Abschnitt C. IV. 4. b)). 494 So auch BGHSt 50, 336. 495 Siehe auch Poseck, S. 67, 86; Ignor/Rixen, wistra 2000, S. 450.

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jektiven ökonomisch rationalen Gewinnerzeugungs-/Schadensvermeidungsintentionalität zu definieren.496 Die Pflicht reduziert sich mangels materieller Bestimmung also nicht sogleich auf das Verbot der Schädigung497, sondern auf das Verbot so zu handeln, wie es einer abstrakten Schadenserzeugungslogik entspricht. Pflichtverletzungen im Rahmen von (unternehmerischen) Ermessensentscheidungen liegen nur dann vor, wenn die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht nach wirtschaftlicher Logik (in diesem Sinne: Schadenserzeugungslogik) prinzipiell eine Vermögensschädigung besorgen lässt. Die Grenze des Zielinhalts markiert mithin die Bestandserhaltung (nominale Werterhaltung) als „funktionales Erfordernis und Grenze der Interessensentfaltung“ und Minimum des Rentabilitätsziels vermögensverwaltender Handlungen.498 Im Zweifel folgt, insbesondere auch im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG, dass jedes wirtschaftlich irgendwie sinnvolle oder vertretbare Handlungsziel als nicht pflichtwidrig hinzunehmen.499 Beispiel: Geschäftsführer G tätigt im Ermessen übliche Betriebsausgaben zur Unterhaltung des Betriebs der GmbH, Strom-, Heizkosten, Gebühren für das Firmenkonto etc. Solcherlei Ausgaben, die notwendige Grundlage für den Betriebszweck sind, sind im Allgemeinen immer betriebszweckfördernd und damit in der Logik der Gewinnerzeugung, ohne dass es eines genauen Nachweises bedarf, welche vorteilhafte Wirkung welche Aufwendung in concreto hatte.500 496 Eine solche materialisierte Formalisierung bietet auch die betriebswirtschaftliche Definition von „Wirtschaft“ insgesamt, als die Summe des gesamten organisierten menschlichen Handelns, das vor dem Hintergrund von Rentabilität den Zweck verfolgt, die an den menschlichen Bedürfnissen orientierte Knappheit von Gütern zu reduzieren. Siehe Wöhe, S. 2. 497 So aber LK-Schünemann, § 266, Rn. 94. Kritisch dazu auch Saliger, ZStW 112 (2000), S. 569 ff. Samson stellt zu Recht fest, dass der Täter seine Pflichten verletzt, wenn schon im Zeitpunkt der unternehmerischen Entscheidung sicher ausgeschlossen ist, dass die Ausgabe durch einen Nutzen kompensiert werden wird (Non profit law yearbook 2004, S. 241). Auch hier erfolgt genau genommen keine Betrachtung anhand des Schadenserfolges als solchem, sondern implizit anhand seiner logischen Antizipation im Handlungskontext. 498 Siehe Brinkmann, S. 38 ff. m. w. N., 166 ff. Dabei versteht sich der Begriff der Bestandserhaltung keineswegs von selbst als nominale Werterhaltung, denn auch Substanzerhaltung oder reale Werterhaltung wären denkbare Verständnisweisen (siehe Saliger, Non Profi Law Yearbook 2005, S. 215 m. w. N.). Indessen ist ein an der Schadenserzeugungslogik orientierter Pflichtwidrigkeitsbegriff (Bestandserhaltung im Sinne von Nichtschädigung) auf die nominale Sichtweise festgelegt, denn im Rahmen der Schadensbestimmung (siehe Abschnitt D. II.) wird der Vermögensbestand unmittelbar vor und nach der Tathandlung verglichen. Ein Vergleich von Substanzen oder eine Realwertanalyse (Einbeziehung der Inflationsrate u. Ä.) wird nicht vorgenommen. 499 So auch Tiedemann, FS-Tröndle, S. 328; ders., FS-Dünnebier, S. 531 f. 500 Vgl. Otto, FS-Kohlmann, S. 192 f.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

Zur Bejahung der Pflichtgemäßheit (aber dies nur im Rahmen von Ermessensentscheidungen) reicht es daher zwar grundsätzlich aus, wenn einer abstrakten Gewinnerzeugungslogik genügt wird, d.h. wenn prinzipiell ein Vermögensvorteil erlangt werden kann. Eine prinzipielle Betrachtung versagt jedoch in vielen Fällen deshalb, weil die betreffende Handlung abschließend durch ihren konkreten materiellen Effekt zu bewerten ist501, beispielsweise wenn es um einen an sich wirtschaftlich sinnvollen Erwerb einer handelstauglichen Sache oder um Unterlassen vermögensmehrender Maßnahmen geht und eine Schadens-/Gewinnerzeugungslogik nicht unabhängig vom Erwerbspreis der Sache beurteilt werden kann (siehe dazu C. IV. 2. d) cc) (3)). Beispiel: K ist (gemäß §§ 26 f., 86 BGB) Vorstand einer renommierten gemeinnützigen Stiftung. Kraft satzungsmäßiger Bestellung (Rechtsgeschäft) übt er seine gesetzlichen Verfügungs- und Verpflichtungsbefugnisse bezüglich des Stiftungsvermögens aus. Die satzungsmäßig und durch den Stifterwillen bestimmte Vermögensbetreuungspflicht des K ist auf die Erhaltung des Stiftungsvermögens gerichtet.502 K schließt diverse Geschäfte ab, die hohe Vermögensvorteile für die Stiftung erbringen, trotz der Tatsache, dass es K bei den Aufwendungen, die für die Geschäftsabschlüsse getätigt werden, nicht sonderlich genau nimmt. So scheut er keine Ausgaben für überteuerte Schreibmaterialien, überteuerte Kosten für Fahrten zu den Geschäftspartnern usw. Der vorhandene hohe Gewinn für die Stiftung wäre – zwar unbedeutend, aber immerhin – größer, wenn K die Organisation sparsamer gestaltet hätte. K ist wegen des Vermögenserhaltungsgebots zu einer effizienten und kostensparenden Organisation der Stiftungstätigkeit verpflichtet (Grundsatz der sparsamen Wirtschaftsführung). Weil zwar die Aufwendungen, nicht aber deren überhöhte Kosten, Bedingung für den Abschluss der Geschäfte gewesen ist, soll die Pflichtwidrigkeit nur dann ausscheiden, wenn die überhöhte Ausgabe gleichwohl sachlich angemessen für die Stiftungstätigkeit wäre, namentlich dann, wenn sie „wirtschaftlich sinnvoll ist und dazu beiträgt, daß ein möglichst hoher Anteil der Mittel unmittelbar und effektiv den begünstigten Satzungszwecken zugute kommt“.503 Wenn man die Vermögensmehrung, restriktive die Vermögensbestandserhaltung für die Vermögensbetreuungspflicht im funktionalen Sinne maßgeblich macht, reduziert sich die Frage darauf, ob in den konkreten überteuerten Anschaffungen eine Gewinnerwartung im Sinne wirtschaftlicher Gewinnerzeugungslogik liegt. Verwiesen wird damit auf die Frage, ob prinzipiell ein Vorteil erreichbar wird, wenn der Stiftungsvorstand ein Zugticket der 1. statt 2. Klasse bucht oder ob Schreibpapier besonderer Qualität und Aufmachung benutzt wird. Diese Frage kann man bejahen, wenn man das 1.Klasse-Ticket als Arbeitsanreiz für einen besonders honorigen Vorstand einer renommierten Stiftung an501 So ist es beispielsweise unerheblich, ob der Vermögensbetreuer allen formalen Pflichten mit materiellem Indiz genüge getan hat, aber den falschen konkreten materiellen Schluss gezogen hat, beispielsweise trotz aller Informierung, Prüfung etc. bei einer Anschaffung dennoch das Zehnfache des marktüblichen Preises bezahlte. 502 Vgl. Saliger, Non profit law yearbook 2005, S. 211, 213. 503 BFH/NV 2003, S. 1025; BFH NJW 1999, S. 311.

IV. Funktionstheoretisch fundierte Konkretisierung

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sieht und anerkennt, dass durch teures Schreibpapier anspruchsvolle Geschäftspartner angesprochen werden und die Stiftung von eigenem gehobenen Image oder besonderem Aufgabenspektrum Zeugnis ablegt504, denn all diese Vorteile können in finanzielle Rückflüsse zugunsten der Stiftung münden und damit dem Stiftungszweck (siehe § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO) entsprechen (ausführlich zum immateriellen Unternehmensvorteil als Vermögensvorteil vgl. D. II. 5 a) bb)). Dieser Zusammenhang besteht prinzipiell und schließt damit bereits die Pflichtwidrigkeit aus. (Für eine finanzschwache, gemeinnützige Stiftung ohne besondere Repräsentativität ist diese Frage allerdings zu verneinen. Zu prüfen bleibt dann jedoch, ob gleichwohl konkrete Vorteile erworben worden sind, sodass ein Vermögensschaden verneint werden kann.)

Das funktionale Prinzip zur Bestimmung einer untreueerheblichen Pflichtverletzung lässt sich im Sinne der Ausführungen wie folgt formulieren: Eine Ermessenshandlung ist nur dann pflichtwidrig im Sinne des § 266 StGB, wenn sie prinzipiell einen Vermögensschaden hervorrufen könnte und ist es nicht, wenn an sich kein Vermögensschaden zu besorgen ist, es sei denn es liegen spezifische materielle Vermögensinteressen des Treugebers vor. Dieses Kriterium ist die durch die wirtschaftliche Handlungslogik spezifizierte Privatautonomie im Rahmen von Vermögensmachtabtretungen. Pflichtwidrig ist das Handeln im Sinne wirtschaftlicher Schadenserzeugungslogik und damit eine abstrakte Vermögensgefährdung. Keine Pflichtverletzung kann also ein aussichtsreiches zielgerichtetes und sorgfältiges wirtschaftliches Handeln im Ermessen darstellen, welches Vermögensvorteile einbringen kann und soll. Was abstrakt einen Gewinn erwarten lässt, steht im Rahmen des Pflichtgemäßen. In vielen Fällen wird indes die Beurteilung der Gewinnerwartung nicht ohne Rückgriff auf die konkrete Saldierung, d.h. nicht ohne Verschleifung mit der Schadensebene, möglich sein. Wo nicht nur formale wirtschaftliche Gesichtspunkte ausschlaggebend sein können, muss auf das materielle Substrat der Saldierung zurückgegriffen werden, um einen untreueimmanenten Wertungsmaßstab zu erhalten.

504

Vgl. auch Saliger, Non profit law yearbook 2005, S. 219.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

cc) Dogmatische Einordnung und Konsequenzen des funktionalen Kriteriums (1) Autonomie und Selektivität des funktionalen Kriteriums gegenüber dem „Außerstrafrecht“ Die ausdrücklichen Vermögensinteressen des Treugebers finden bei der Beurteilung der Pflichtwidrigkeit vorrangige Berücksichtigung. Dies folgt aus der funktionalen Bedeutung der Privatautonomie im Rahmen der Pflichtenstellung und damit auch ihrer Verletzung (siehe zu dieser grundlegenden Prädominanz auch unten bei C. V.). Ein Verstoß gegen ausdrückliche autonome materielle Vermögensinteressen des Treugebers führt daher immer zur Pflichtwidrigkeit (zu formellen Pflichtverstößen siehe bei C. IV. 4.). Anders verhält es sich, wenn der Treupflichtige gegen nichtausdrückliche Vermögensbetreuungspflichten, zum Beispiel gesetzliche Regelungen, verstößt, zum Beispiel in Fällen, in denen • die Treupflicht mangels autonomen Willens des Treugebers selbst nur gesetzlich bestimmt ist, d.h. die Privatautonomie aus Rechtsgründen nach Maßgabe rechtlicher Regelung ihren Ausdruck findet • neben der ausdrücklichen Treupflicht oder im Rahmen der ausdrücklichen Treupflicht (Ermessen) Rechtsbrüche begangen werden Hier wird die Untreueerheblichkeit anhand des strafrechtsautonomen, funktionalen Kriteriums bestimmt (siehe bereits C. III. 1. d)). Es wird der Normativität des Pflichtwidrigkeitsmerkmals gerecht ohne dabei jedoch eine gezielte Abkehr von der Außerstrafrechts-Akzessorietät zu manifestieren. Es ist vielmehr eine Selektionsweise, die die außerstrafrechtlichen Pflichtverletzungen in untreueerhebliche und -unerhebliche differenziert.505 Dies geschieht jedoch nicht durch eine rein „faktische Auslegung“, sondern nach dem strafrechtsautonomen, funktionalen Kriterium, welches eben neben dem funktional-empirischen Anspruch auch den normativen Anspruch genügen will. In diesem Kriterium spiegelt sich auch der Maßstab des ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns sowohl in seinem empirischen als auch normativen Aspekt wider.506 Das funktionale Kriterium kondensiert in prinzipieller Weise und in Anlehnung an die Tatbestandsstruktur den Mangel an ausdrücklichen Treugeberinteressen, ist jedoch gleichzeitig nicht schlechtweg Ausdruck des mutmaßlichen Konsenses507, da es nicht die Disposition zum 505 Zur Pflichtwidrigkeit als „gestamttatbewertendes Merkmal“ LK-Schünemann, § 266, Rn. 153 m. w. N. 506 Zu dieser Dualität Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 120 f.

IV. Funktionstheoretisch fundierte Konkretisierung

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Schutzgut der Untreue erhebt.508 Es ist eine Prinzipiierung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt als Ausdruck eines Orientierungsmaßstabes, auf den der Wirtschaftsverkehr zurückgreift, wenn ungenügend konkretisierte Vermögensinteressen vorliegen.509 Das Verhältnis des funktionalen Kriteriums zur Außerstrafrechts-Akzessorietät kann am Beispiel zivilrechtlicher Pflichtverletzungen wie folgt dargestellt werden:

Prüfung des funktionalen strafrechtsautonomen Kriteriums, unter Berücksichtigung des Primats des spezifischen Treugeberinteresses

zivilrechtliche Billigung

zivilrechtliche Missbilligung

zivilrechtliche Unterbestimmtheit

Die Anwendung des funktionalen strafrechtsautonomen Kriteriums wird prädominiert durch die negative Zivilrechtsakzessorietät: soweit das Zivilrecht eine Handlung dezidiert oder im Rahmen einer Ermessensvorschrift billigt, kommt das strafrechtliche Pflichtwidrigkeitsmerkmal gar nicht mehr zum Zuge. Missbilligt das Zivilrecht eine Handlung oder verhält es sich ihr gegenüber indifferent510, so hängt es von dem bestimmten funktionalen strafrechtsautonomen Kriterium ab, ob eine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB vorliegt. 507 Vgl. aber Hillenkamp, NStZ 1981, S. 167 m. w. N.; Kubiciel, NStZ 2005, S. 360 f. 508 Vgl. Samson, Non profit law yearbook 2004, S. 241; Hohn, wistra 2006, S. 162. 509 Vgl. Wassmer, S. 58 f. 510 Gemeint sind zum Einen zivilrechtlich nicht hinreichend bestimmte Einwirkungen auf das Vermögen im Zuge der Vermögensverwaltung, zum Beispiel das Einrichten einer schwarzen Kasse (siehe Abschnitt C. IV. 7. e)), der Abschluss riskanter Geschäfte (siehe Abschnitt C. IV. 6. b)) oder das Unterlassen von Gewinnoptimierungen bei Vermögensmehrungspflichten (siehe Abschnitt C. IV. 3.). Zum Anderen fallen darunter all diejenigen Fälle, bei denen eine Pflichtenstellung trotz unwirksamer Vermögensbetreuungspflicht (siehe C. III. 3. a) bb)) vorliegt. Allen ist gemeinsam, dass es es rein zivilrechtlich (also ohne Hinzuziehung strafrechtsautonomer, resp. funktionaler wirtschaftlicher Argumentation) für das Untreuestrafrecht kein bestimmbares Urteil zur Billigung oder Missbilligung der einzelnen Verhaltensweise gibt.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

Aus dem strafrechtsautonomen Kriterium der Vermögensbetreuungspflicht folgt implizit, dass die Kriterien wie „Unternehmensinteresse“, „Sorgfalt“, „Geschäftsusancen“ usw. nicht allein im Zivilrecht wurzeln und daher ein funktionales Kriterium einer Schadens-/Gewinnerzeugungslogik nicht vorrangig zivilrechtlich, d.h. vor dem Strafrecht zu bestimmen ist. Das funktionale strafrechtsautonome Kriterium der Pflichtwidrigkeit resultiert aus der Verallgemeinerung einer spezifischen Kopplung des Untreuestrafrechts mit dem Wirtschaftssystem, steht folglich an sich weder weiter noch näher zur Wirtschaft als es eine zivilrechtliche Kopplung vermag. Insoweit gilt, wie es Schünemann formuliert, dass die zivilrechtliche Pflicht zur Wahrung fremder Vermögensinteressen „ein bloßes Epi-Phänomen“ ist.511 Dort, wo die zivilrechtlich begründete Vermögensbetreuungspflicht Ermessen eröffnet, steht das Strafrecht mit § 266 StGB und seiner funktionalen Struktur daher gleichwohl selbst der Wirtschaft mit ihrer Gewinn-/Schadenserzeugungslogik gegenüber, die durch zivilrechtliche Normen aus der Sicht des § 266 StGB konkretisiert vorlegalisiert sein kann512, sich aber nicht aus dem Zivilrecht ableitet (etwa als „Teilrechtsimport“ einer intersystemischer Kopplung). Aus dieser relativen Strafrechtsautonomie folgt: • „Automatisch“ begründen kann eine außerstrafrechtliche Pflichtverletzung eine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB nicht. Die Untreueerheblichkeit bemisst sich anhand des funktionalen Kriteriums • Inhaltlich bestimmte außerstrafrechtliche Befugnisse, insbesondere das spezifische Vermögensinteresse des Treugebers, vermögen die strafrechtliche Pflichtwidrigkeit in jedem Fall auszuschalten. • Aus einer außerstrafrechtlichen Unbestimmtheit folgt nicht zwingend die Pflichtgemäßheit i. S.d § 266 StGB. Unbestimmtheiten werden durch die strafrechtliche Autonomie überbrückt, sodass es in solchen Fällen allein auf das funktionale Kriterium ankommt.513 Damit wird die Unterbestimmtheit des „blankettartig“514 verweisenden Pflichtwidrigkeitsbegriffs begrenzt (siehe zum Beispiel im Falle formaler Pflichtverletzungen, C. IV. 4.), ohne seinem normativen Charakter zu widersprechen.515 511

Schünemann, Organuntreue, S. 21 ff. Etwa Regelungen zu Risikogschäften (siehe Abschnitt C. IV. 6.), beispielsweise Anlagerichtlinien für das Versicherungswesen, siehe Günther, FS-Weber, S. 314. 513 Ein Zivilrechtsverstoß ist insoweit keine notwendige Bedingung für die Pflichtwidrigkeit. Siehe auch Schünemann, NStZ 2005, S. 474, Fn. 19 (anders Dierlamm, StraFo 2005, S. 402). 514 Nelles, S. 505. 512

IV. Funktionstheoretisch fundierte Konkretisierung

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Für die Prüfung der Pflichtwidrigkeit im Rahmen des § 266 StGB sind zusammenfassend folgende Schritte zu empfehlen: 1. Prüfung des funktionalen strafrechtsautonomen Kriteriums unter Berücksichtigung prädominierender konkreter ausdrücklicher materieller Vermögensinteressen des Treugebers 2. Prüfung eines eventuellen Ausschlusses durch inhaltlich bestimmte außerstrafrechtliche Befugnisnormen (negative (Zivilrechts-)Akzessorietät). (2) Adäquanzsicherung von Recht und Wirtschaft Die prinzipiierte Implementierung der Gewinn-/Schadenserzeugungslogik bietet für das Recht in scheinbar paradoxer Weise den strukturellen Vorzug, dass sie eine „Informationsmaximierung“, d.h. eine unüberschaubare Kasuistik und eine damit einhergehende Rechtsunsicherheit verhindert. Und für das Wirtschaftssystem verhindert sie damit, „daß die Erprobung von Innovation jenseits des verfügbaren Wissen“ (in dem Falle Rechts-Wissen) rechtlich blockiert wird.516 Eine strukturelle Möglichkeit für Unternehmensleiter unsichere aber wirtschaftlich an sich gewinnerzeugungslogische Maßnahmen zu ergreifen, ohne dass der wirtschaftliche Misserfolg prädominierender Entscheidungsfaktor für vermögensstrafrechtliche Folgen würde, ist damit strukturell abgesichert. Die Dynamik des operativen Kontextes der Gewinnerzie515 Die Problematik, dass laut Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwar sogenannte „echte Blankette“ (wie § 266 StGB), nicht aber „unechte“ („innere“) Blankette (beispielsweise eine zivilrechtliche Ermessensnorm, auf die § 266 StGB Bezug nimmt) dem strikten Bestimmtheitsgebot unterliegen (siehe dazu Dierlamm, StraFo 2005, S. 402 m. w. N.), wird daher entschärft. Durch ein funktionales strafrechtsautonomes Prinzip der Pflichtwidrigkeit wird nämlich nicht nur die strafrechtliche Blankettnorm „bestimmt“, sondern zugleich erreicht, dass das (zivilrechtliche) „Blankett im Blankett“ selbst keine strafrechtliche Wirkung erreichen kann, ohne dass seine Anwendung selbst dem funktionalen strafrechtsautonomen Kriterium genügt. Selbst wenn eine dem Bestimmtheitsgebot genügende zivilrechtliche Norm vorläge, auf die die strafrechtliche Blankettnorm Bezug nehmen könnte, so ist die strafrechtliche Bestimmtheit ohnehin erst dann erreicht, wenn der Rechtsbürger tatsächlich vorhersehen kann, welche der an sich bestimmten zivilrechtlichen Pflichtverletzungen untreueerheblich sind. Die Bestimmtheit der strafrechtlichen Blankettnorm setzt daher nicht wesentlich die Bestimmtheit zivilrechtlicher Normen, sondern vielmehr die bestimmte Selektion und Anwendung von zivilrechtlichen Normen voraus. Anders Dierlamm, StraFo 2005, S. 402, der die zivilrechtliche Norm für tatbestandsausfüllend hält und damit auf die Bestimmtheit der zivilrechtlichen Norm angewiesen ist, ohne die notwendige Bestimmtheit der Verwendbarkeit zivilrechtlichen Rechtsstoffes für die spezifische Strafrechtsnorm (§ 266 StGB) zu berücksichtigen, wie es ein funktionales strafrechtsautonomes Kriterium, beispielsweise bei formalen (zivilrechtlichen) Pflichtverletzungen (siehe Abschnitt C. IV. 4.) leisten kann. 516 Vgl. Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, S. 105; Teubner/Willke, S. 15, 17 f.; Teubner, Verrechtlichung, S. 342.

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lung (zum Beispiel Erprobung neuer Anlagestrategien, Anreizsysteme oder Strategien, Entwicklung neuer Tools oder Zielkorrekturen) bleibt damit erhalten. Diese Dynamik ist selber Ausdruck rechtlicher Konstruktivität, die man in der rechtlichen Personifizierung kollektiver Wirtschaftsakteure, nämlich der Organisation „Unternehmen“, ausmachen kann. „Wenn Wirtschaft und Recht Organisationen als Akteure ‚fingieren‘ und entsprechend Handlungen auf sie zurechnen, dann koppeln sie sich strukturell an die interne Dynamik von formalisierten Entscheidungssequenzen an“.517 Andererseits bedeutet das funktionale Kriterium gleichwohl eine Pauschalverweisung auf Programmstrukturen eines anderen, nämlich des Wirtschaftssystems, die von dem generalklauselartigen Charakter des § 266 StGB in Verbindung mit seiner funktionalen Schutzrichtung ermöglicht wird, und wirft die Frage auf, ob der Boden der autonomiewahrenden Resonanz nicht verlassen wird und Entdifferenzierung des Rechts droht. Rechtliche Diskursivität wird zwar in der Tat zunächst abgebrochen und durch („kompetentere“) Wirtschaftskommunikation ersetzt, aber das Ergebnis wird wiederum an den Rechtscode angeschlossen (reintegriert), indem eine Pflichtverletzung bejaht oder verneint wird. Entdifferenzierung des Rechts droht aber nur dann, wenn diesem nicht mindestens eine normative Letztentscheidung vorbehalten bleibt oder wenn über das System einer Gewinn-/Schadenserzeugungslogik selbstwidersprüchliche Rechtsoperationen evoziert werden. Eine solche Gefahr besteht jedoch nicht, da das Implementierte einerseits Kompensation des rechtlich Unbestimmten sein soll und andererseits die Form rechtlicher Struktur durch den Charakter des Prinzipiellen wahrt.518 Sowohl für das Rechts- als auch für das Wirtschaftssystem erweist sich das allgemeine Kriterium zur Untreuerheblichkeit von Pflichtverletzungen als funktional und trägt damit zur Verkleinerung von Anwendungsdefiziten § 266 StGB bei. 517

Hutter/Teubner, S. 134. Es liegt sozusagen eine Homogenisierung eines „wirtschaftlich selbstständigen“ Vermögensinteresses zu einem rechtlich geschützten Interesse vor, vgl. dazu auch Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 452. Die Prinzipienhaftigkeit der Gewinn-/Schadenserzeugungslogik ist – im Gegensatz zu partikularen realwissenschaftlichen Aussagen – eine Bedingung für die Implementationsmöglichkeit im Recht, d.h. für den normativen Gebrauch, vgl. Ladeur (Postmoderne Rechtstheorie, S. 164), der davon spricht, dass nur geordnete Komplexität anderer Systeme implementationsfähig ist; andeutungsweise auch Luhmann (Recht der Gesellschaft, S. 459), der den Markt als Disziplinierungsinstrument zur Vermeidung von Indifferenz benennt. „Der Durchgriff auf die empirisch analytischen Erkenntnisse über die Unternehmensrealität konstituiert unmittelbar das normativ-rechtliche Kriterium, die Verhaltensmaxime ‚Unternehmensinteresse‘“, siehe Brinkmann, S. 68 ff. Zu den Präzisierungs- und Kalkulierbarkeitsmängeln im Rahmen der Folgenorientierung des Rechts siehe Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 280 Rn. 84, S. 309. 518

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(3) Trennung und Verschleifung von Pflichtwidrigkeit und Vermögensschädigung Die funktionale Bestimmung der Pflichtwidrigkeit im Rahmen von Handlungsspielräumen des Vermögensbetreuers antizipiert eine konkrete faktische Schädigung nicht, sondern abstrahiert eine Erwartbarkeit einer Schädigung („Vermögensgefährdung“, siehe C. IV. 2. d) bb)). So ist es beispielsweise im Rahmen von formellen Pflichtverletzungen mit materiellem Indiz (dazu unter C. IV. 4.) möglich, eine Pflichtwidrigkeit aufgrund prinzipiell Schädigungserwartung anzunehmen, obwohl auf der Schadensebene ein eine Untreue ausschließender Vermögensvorteil vorliegt. Abstrakte Schadenserzeugungslogik und konkrete Schädigung sind strukturell verschränkt, markieren aber zugleich auch ihre gegenseitige Abgrenzung. Da sich die Pflicht im Falle mangelnder materieller Bestimmung in der Regel nicht auf das Verbot der Schädigung reduziert, sondern auf das Verbot so zu handeln, wie es einer abstrakten Schadenserzeugungslogik entspricht, wird der in der Praxis geläufige Rückschluss vom schadensbestimmenden Saldierungsergebnis „Vermögensnachteil“ auf eine strafbare Pflichtverletzung erschwert. Das funktionale Kriterium wird dem Umstand gerecht, dass wirtschaftliche Handlungen wirtschaftlich gesehen auch immer mit von ihrem Effekt her beurteilt werden. Die Abstraktheit des Kriteriums verhindert jedoch ein Ineinanderfallen von Pflichtverletzung und konkret zu beurteilendem Schaden. Darin liegt auch eine besondere Restriktionstauglichkeit (siehe zum Beispiel zu „schwarzen Kassen“ bei C. IV. 7. e)). Das funktionale Kriterium der Schadens-/Gewinnerzeugungslogik stellt sich demzufolge nicht als Tatbestandsmerkmal preater legem, sondern notwendiges funktionales Zwischenglied (Konnex) zwischen Pflichtenstellung und Schaden. In einigen Fällen ist eine Trennung zwischen abstrakter Schadenserzeugungslogik und konkreter Schadensbestimmung jedoch nicht möglich (siehe schon C. IV. 2. d) aa) (4)). Soweit eine Ermessenshandlung nämlich nurmehr das Charakteristikum eines Leistungsaustausches besitzt (zum Beispiel bei Risikogeschäften, siehe C. IV. 6. b) bb) (2) (a), oder Vorstandsvergütungen, siehe D. II. 5. a) bb) (7) (b) (aa)), kann die abstrakte Handlung nicht unabhängig von ihrer konkreten Intention (nicht notwendigerweise Erfolg) bewertet werden.519 Fehlt ein allgemeines Kriterium zur Pflichtwidrigkeitsannahme (zum Beispiel die Verletzung formaler Pflichten mit materiellem Indiz oder auch das 519 Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 647, 659; siehe auch Tiedemann, FS-Tröndle, S. 328 f. (Pflichtwidrigkeit, wenn „von Anfang an feststeht, daß das [. . .] Verhalten [. . .] zu einer Schädigung der Gesellschaft führen wird“).

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

Unterlassen vermögensmehrender Handlungen (siehe C. IV. 3. c)), so verbleibt allein eine Begutachtung der Wertebilanz. In diesen Fällen kommt es zu einer notwendigen Verschleifung von Pflichtwidrigkeit und Saldierung, d.h. die abstrakte Schadenserzeugungslogik kondensiert sich zu einem (wenn auch nicht notwendigerweise konkreten) Negativsaldo. Tätigt der Vermögensbetreuungspflichtige im Ermessen erlaubterweise eine Geschäftshandlung, zum Beispiel Erwerb betriebsspezifischer Waren unter Wahrung von Sorgfaltspflichten, so kann die Beurteilung der Pflichtwidrigkeit nurmehr an der Saldierung des Leistungsaustausches ansetzen. Daran exemplifiziert sich auch das, was Seier520 vermutet, nämlich, dass das Schadenselement „der einzige Fixpunkt im Untreuetatbestand“ zu sein scheint (was sich ja auch im Schutzzweck Vermögen und der grundsätzlichen Aufgabe des Strafrechts als „Rechtsgüterschutz“521 widerspiegelt). Bedeutsam dabei ist jedoch, dass für die Annahme einer Pflichtgemäßheit oder Pflichtwidrigkeit nicht das exakte Saldierungsergebnis erforderlich ist, sondern nur, ob allgemein ein Nachteil zu erwarten ist. Auch ist nicht erforderlich, dass dieser Nachteil konkret eingetreten ist. Insoweit ist auch nicht von Identität von Pflichtwidrigkeit und Vermögensschaden zu sprechen, sondern lediglich von „Verschleifung“. Die Tatbestandsmerkmale „Pflichtwidrigkeit“ und „Vermögensschaden“ werden also durch das funktionale Kriterium grundsätzlich getrennt. Fehlt in den Fällen des schlichten Leistungsaustausches jedoch ein allgemeines Kriterium zur Pflichtwidrigkeitsannahme, so verbleibt allein ein Vorgriff auf die Saldierungsebene, der zwar nicht eine Gleichsetzung, wohl aber eine Verschleifung der beiden Tatbestandsmerkmale bewirkt. (4) Entsubjektivierung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals Das funktionale Kriterium muss die Subjekivierungstendenz im Rahmen des objektiven Pflichtwidrigkeitsmerkmals aufheben, welche die Pflichtverletzung in Abhängigkeit vom Vorsatz des Treunehmers stellt522 (siehe schon C. IV. 2. d) aa) (3)). Soll jedoch, im Sinne des funktionalen Kriteriums, ein Handeln pflichtwidrig sein, welches eine Vermögensschädigung im Sinne einer Schadenserzeugungslogik erwarten lässt, so wird sich einer Intentionalität bedient, dessen subjektive Qualität widerlegt werden muss. 520

Seier, Untreue als Allzweckwaffe, S. 110. Siehe dazu Hassemer, wistra 2009, S. 172. 522 Zu subjektiv daher die Beschreibung der Pflichtverletzung durch die BGHRechtssprechung zur GmbH-Untreue anhand einer „Aushöhlungsabsicht“ (BGH, NJW 199, S. 69; kritisch dazu: Saliger, ZStW 112 (2000), S. 566 ff.), oder auch die Beschreibung der Pflichtverletzung von Arzt als „jede gewollte Schädigung“ (FSBruns, S. 375 f.). 521

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Die objektivierte-typisierte Intentionalität freier wirtschaftlicher Entscheidungen („Zahlen, um zu . . .“), die den ökonomischen Effekt nämlich schon immer mitdenken muss, bliebe unbeachtet, wenn man sich artifiziell allein auf einen ökonomischen Formalismus beriefe. So setzen für Luhmann Wirtschaftsunternehmen, als am Wirtschaftssystem partizipierende Systeme, die „Zahlung unter der Annahme voraus [. . .], dass sie direkt zum Wiedergewinn der entsprechenden Zahlungsfähigkeit (nach Möglichkeit mit Profit) führt“.523 Den Grund hat dies in der Wiederherstellung der Anschlusskommunikation im Rahmen der binären Codierung des Wirtschaftssystems: wer zahlt, wird zahlungsunfähig und „muß Zahlungsfähigkeit wiedergewinnen, will er nicht aus dem System ausscheiden bzw. seine Partizipation um die Höhe der Summe, um die es geht, verringern“. Die Rentabilität von Investitionen sorgt nun gerade funktional dafür, „daß genau dadurch Geld wieder eingeht“.524 Mit Bestandserhaltung-/Gewinnerzeugungslogik ist an dieser Stelle also die Summe aller Investitionsentscheidungen aufgrund artifizieller wirtschaftlicher Programme (sowohl des Konsums als auch der Produktion) gemeint, „die regulieren, unter welchen Bedingungen Teilnehmer am Wirtschaftssystem Zahlungen bzw. Nichtzahlungen in Abstimmung mit sonstigen Operationen für richtig halten“ und damit die unbestimmte Komplexität der Zukunft vergegenwärtigen und in eine „bestimmte oder bestimmbare Komplexität transformieren“.525 Die Bedeutung der Intention oder der Ziele wird also nicht individualistisch, d.h. subjektiviert bestimmt, sondern phänomenologisch auf die Handlung selbst und der ihr nach ökonomischen Gesichtspunkten zugrunde liegenden Ziellogik bezogen. Intentionalität im Sinne einer verobjektivierten Typisierung einer Abkehr von einer Schadenserzeugungslogik ist dabei auch kein Kriterium, dass die Pflichtverletzung davon abhängig macht, ob der Treupflichtige mit (für den subjektiven Tatbestand der Untreue nach dem Wortlaut ohnehin nicht relevanten) Fremdbereicherungs- oder -schädigungsabsicht gehandelt hat. Sondern ein Verhalten eines Wirtschaftsakteurs, welches die wirtschaftliche Prozesslogik, insbesondere das Erwarten-Können einer Vermögensmehrung zum Ausdruck bringt und nur insoweit subjektiv ist, als es um eine Objektivierungsfähigkeit der Intention anhand wirtschaftlicher Gewinnerzeugungslogik geht. Subjektive Gesichtspunkte werden bei der Beurteilung der Pflichtwidrigkeit nach Maßgabe des funktionalen Kriteriums ausgeschlossen. 523 Luhmann, Wirtschaft der Gesellschaft, S. 94, 134 ff., 249. Das Kriterium des Profits ist im Wirtschaftssystem also ein Gesichtspunkt der Selbststeuerung. 524 Luhmann, Wirtschaft der Gesellschaft, S. 134 ff. Die Rentabilitätsrechnung ist intrasystemisch also selbstkonditionierend. 525 Siehe Luhmann, Wirtschaft der Gesellschaft, S. 226; ders., Soziologische Aufklärung, S. 211 f.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

e) Das Primat des ausdrücklichen materiellen Treugeberwillens – eingeschränkte Anwendung des funktionalen Kriteriums einer untreueerheblichen Pflichtverletzung Das funktionale Spezifikum liegt in allen Fällen der Untreue darin, dass mehr besondere Macht über fremdes Vermögen (Privatautonomie) eingeräumt wird, als wirtschaftlichem „Sinn“ gemäß gebührt. Das normative Tatbestandsmerkmal wird im Rahmen rechtsgeschäftlich übertragener Vermögensmacht prioritär durch das festgelegt, was dem ausdrücklichen privatautonomen Willen des Treugebers entspricht, sog. „Treuabreden“ (siehe B. III. 2., C. III. 2. c), C. IV. 2. d) bb)). Er überträgt sein Vermögen einem Treupflichtigen, meistens zum Zwecke der Vermögensmehrung, und legt etwaige Rahmenbedingungen oder Zielvorgaben fest. Im Rahmen untreueerheblicher Pflichtenstellungen gewinnt daher das funktionale Kriterium einer untreueerheblichen Pflichtverletzung jenseits konkreter ausdrücklicher Vorgaben des Treugebers lediglich Bedeutung, indem es die Pflichtwidrigkeit im Rahmen von Ermessen funktional nachbestimmt und zudem vorgegebene gesetzliche Pflichten nach Maßgabe einer Untreueerheblichkeit selektiert (C. IV. 2. d) cc) (1)). Würde man das funktionale Kriterium uneingeschränkt auch auf den Treugeberwillen anwenden und seinen „Willen“ durch ein allgemeines Verbot schadenserzeugungslogischen Handelns überlagern, so würde dieser im Grunde seiner Privatautonomie verlustig werden, da prädominierender Maßstab wäre, ob durch die Pflichtverletzung prinzipiell eine Vermögensschädigung zu erwarten ist. Meistens entspricht diese funktionale Vorgabe dem Treugeberwillen, aber dies muss nicht zwingend so sein. Deshalb ist angesichts der besonderen funktionalen Stellung der Privatautonomie eine generalisierte Anwendung des funktionalen Kriteriums abzulehnen. So wie der Vermögensinhaber die Pflichtverletzung qua Einverständnis ausschließen kann (siehe C. V.), so muss er auch in der Lage sein, spezifische Vereinbarungen mit dem Treupflichtigen zu treffen, seien sie auch wirtschaftlich unsinnig. So etwa, die bewusste Anweisung des Vermögensinhabers das Vermögen zu einem Zinssatz von 0,1% anzulegen, obschon das 20-fache möglich wäre. Faktisch fehlt es dann allerdings in solch einem Fall regelmäßig, soweit sich der Treupflichtige darüber hinwegsetzen würde, an einem Vermögensschaden, sodass durch die dogmatische Miteinbeziehung der treugeberischen „Willkür“ keine Ausweitung der Strafbarkeit zu besorgen ist. Die Berücksichtigung des Treugeberwillens im Rahmen untreueerheblicher Pflichtenstellungen kann jedoch nicht uferlos akzeptiert werden. Man käme trotz der selektiven Funktion des Schadensmerkmals zu dogmatisch absurden Ergebnissen, wenn man der blanken Willkür des Treugebers bindende Wirkung im Sinne des Pflichtwidrigkeitsbegriffs des § 266 StGB zu-

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billigen würde. Immerhin handelt es sich bei § 266 StGB um ein Vermögensdelikt (siehe B. III. 3.). Zu fordern ist daher ein materieller Bezug des untreueerheblichen Treugeberwillens. Trotz ausdrücklicher Vereinbarung im Rahmen der Vermögensbetreuungspflicht müssen Verletzungen solcher Bestandteile der Pflichtenstellung, d.h. Einzelpflichten im Rahmen des Vermögensbetreuungsverhältnisses für § 266 StGB unerheblich sein, die keinen Vermögensbezug aufweisen. Handelt es sich um Verletzungen formaler oder außerhalb wirtschaftlicher Relevanz liegender Vereinbarungen, so hängt eine Berücksichtigung allein davon ab, ob ihre Verletzung auch materielle Relevanz erhebt. Dies ist nur dann der Fall, wenn eine solche Verletzung tauglich ist prinzipiell auf den Vermögensbestand einzuwirken (siehe dazu ausführlich C. IV. 4., C. IV. 5.). Letztlich geht es hierbei einerseits um sämtliche materielle Konkretisierungen, die der Treugeber zum Zwecke der Vermögensbetreuung bzw. -mehrung trifft (siehe z.B beim Risikogeschäft, C. IV. 6. b) bb)), sowie andererseits um die praktisch unbedeutende Fälle der gewollten Selbstschädigung des Vermögensinhabers, deren Missachtung durch den Treupflichtigen pflichtwidrig im Sinne des § 266 StGB ist. Beispiel: X vertraut B 100.000 e an, mit der Auflage auf keinen Fall Gewinne zu machen. Abredewidrig erlangt B mit dem Geld Zinsgewinne. Pflichtwidrig nach der ausgeführten Sichtweise kann nur eine Handlung sein, die den ausrücklichen Vorgaben des Treugebers widerspricht oder die im Rahmen von Entscheidungsspielräumen prinzipiell eine Vermögensschädigung (im Sinne wirtschaftlicher Schadenserzeugungslogik) besorgen lässt. Die Vermögensinteressen des X wurden konkret zum Ausdruck gebracht. Die Referenz auf eine entindividualisierte wirtschaftliche System- nämlich Schadenserzeugungslogik verbietet sich aufgrund dieses Primats der Privatautonomie. Gleichwohl führt hier das Tatbestandsmerkmal „Vermögensschaden“ dazu, Untreue ausschließen zu können. Dies ist aber nicht zwingend, denn es könnte sein, dass der Gewinn steuerliche Nachteile für den X nach sich zieht. Praktisch gesehen wird ein solcher Fall sicherlich der Seltenheit angehören.

Insoweit findet bei Vorgaben des Treugebers das funktionale Kriterium für untreueerhebliche Pflichtenverletzung zum Zwecke einer dogmatisch ordnungsgemäßen umfassenden Berücksichtigung der Privatautonomie in folgender eingeschränkter Abwandlung Anwendung: Die Verletzung von ausdrücklich erklärten spezifischen Treugeberinteressen ist (nur) dann pflichtwidrig im Sinne des § 266 StGB, wenn sie prinzipiell auf den Vermögensbestand einzuwirken fähig ist.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

3. Unterlassen von Vermögensmehrungen: der Treupflichtige als personale Optimierungsfiktion? Der Untreueparagraph schützt, wie die Ausführungen zu aktivem Handeln gezeigt haben und die folgende Abbildung veranschaulichen soll, vor dem „Ärmer-Werden“:

Gewinnerzeugungslogik

Pflichtgemäßheit

Schadenserzeugungslogik

Pflichtwidrigkeit

Bestandserhaltung

Ungeklärt ist bisher jedoch die Frage, in welchen Fällen ein Unterlassen des Treugebers eine untreueerhebliche Pflichtverletzung darstellt, insbesondere, inwieweit § 266 StGB neben dem Schutz vor dem Nichtabwenden vermögensschädigender Ereignisse auch einen Schutz der Chance „reicher zu werden“ gewährt. a) Unterlassen als Treubruch im Sinne des § 266 2. Alt. StGB § 266 1. Alt. StGB wird von Teilen von Rechtsprechung und Lehre als echtes Unterlassensdelikt behandelt. Als typische Fallkonstellationen rangieren das Verjährenlassen einer werthaltigen Forderung durch den Befugten, das Unterlassen einer Mängelrüge (§ 377 Abs. 2 HGB) oder das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben (§ 362 Abs. 1 S. 1 HGB). Abgesehen von der Verjährung der Forderung geht es insbesondere um die Fälle, bei denen dem Schweigen im kaufmännischen Verkehr Rechtswirkung zukommt.526 Andere sehen richtigerweise in den Fällen, in denen das Vermögen mit einer rechtswirksamen nachteiligen Verbindlichkeit durch Unterlassen belastet wird (so eben auch beim Verjährenlassen einer Forderung), die Verletzung des Treubruchtatbestands durch Unterlassen gegeben. Denn Unterlassen habe immer nur tatsächlichen Charakter. Es genüge für den Missbrauchstatbestand durch Unterlassen aber nicht, wenn „der Pflichtige tatsächlich in der Lage sei, rechtverbindlich auf fremdes Vermögen einzuwirken“527. Eine rechtliche Befugnis könne vielmehr nur durch ihren Ge526 BGH NJW 1983, S. 461; Lackner/Kühl, § 266, Rn. 6; LK-Schünemann, § 266, Rn. 54; Güntge, wistra 1996, S. 88 f.

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brauch missbraucht werden.528 Eine Verbindlichkeit wird nicht unmittelbar durch das Unterlassen der Befugnis hervorgerufen, sondern durch ein tatsächliches Unterlassen mit nachteiliger Rechtswirkung. Deshalb weist Sax zu Recht darauf hin, dass „jede Vermögensschädigung durch ein tatsächliches Nichtausüben einer besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Macht und damit besonderen Pflicht als Treubruch erfassbar ist“.529 b) Nichtabwenden vermögensschädigender Ereignisse Eine Pflichtverletzung durch Unterlassen liegt dann vor, wenn ein zur Bestandserhaltung oder Vermögensmehrung Treupflichtiger ein Nichtabwenden vermögensschädigender Ereignisse unterlässt. Die Verletzung der Treupflicht durch Unterlassen kann auf Folgen sowohl rechtlicher als auch rein tatsächlicher Beeinträchtigung des Vermögens bezogen sein. So beispielsweise neben dem Verjährenlassen einer Forderung zum Beispiel bei drohendem Verfall des angelegten Vermögens, bei der Nichtbearbeitung eines Pfändungsauftrags durch einen Gerichtsvollzieher, bei der Nichtversicherung zu betreuender Vermögensgegenstände gegen naheliegende konkrete Gefahren oder auch durch das Unterlassen einer Kündigung eines nachteiligen Vertrags.530 Voraussetzung einer untreueerheblichen Pflichtverletzung durch Unterlassen ist jedoch stets das Vorliegen einer untreueerheblichen Pflichtenstellung (siehe C. III. 2. d)). Deshalb begeht beispielsweise ein Pförtner, dessen Pflicht es unter anderem ist, Arbeitnehmer auf gestohlene im Firmeneigentum stehende Sachen hin zu kontrollieren und der dienstvertragswidrig seine Aufsichtspflicht nicht ausübt und dadurch eine Vermögensschädigung bewirkt keine Untreue durch Unterlassen. Denn „ihm ist nicht mehr tatsächliche Macht eingeräumt, als sie jeder hat, der eine Sache besitzt oder in Besitz nehmen darf“. Anderes gilt jedoch in den Fällen, in denen der Aufseher oder Kontrolleur fremden Vermögens über bloße Besitzmacht hinausgehende eigene Prüfungs-, Anforderungsoder Dokumentationspflichten innehält, durch deren Verletzung er „den seiner praktischen Verfügung anvertrauten Bestand des fremden Vermögens unbefugt verändert und verschleiert“.531 Ein weiteres typisches Beispiel ist der Fall, bei dem etwa ein für Erhalt und Vermietung zuständiger Hausverwalter nicht für die Erhaltung der 527

Sax, JZ 1977, S. 747; Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 31, Rn. 77 f. So schon Schwinge/Siebert, S. 27; Mayer, S. 340. 529 Sax, JZ 1977, S. 747. 530 Siehe RGSt 11, 414; 61, 229; BGHSt 5, 190; Müller-Gugenberger/BieneckSchmid, § 31, Rn. 144 m. w. N. 531 Sax, JZ 1977, S. 748; BGHSt 5, 190. 528

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Mietsache sorgt, sodass die Vermietbarkeit stark eingeschränkt ist bzw. der Mietzins sinkt. Dabei hat der Hausverwalter einerseits seine allgemeine Macht über die Sache und aber auch – worauf es bei der Untreuehandlung nur ankommt – die besondere tatsächliche Macht das Vermögen zu vermehren aufgrund seiner besonderen rechtlichen Stellung missbraucht.532 Festzuhalten ist, dass das Nichtabwenden vermögensschädigender Ereignisse durch einen Treupflichtigen äquivalent zur aktiven Schädigung ist und eine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB durch Unterlassen darstellt. c) Nichtvornahme vermögensmehrender Handlungen innerhalb von Ermessensspielräumen Eine Verpflichtung zur aktiven Vermögensmehrung kommt nur dann in Betracht, wenn eine „qualifizierte Garantenbeziehung“ vorliegt, d.h. wenn der Treupflichtige, wie es allerdings der Regelfall ist, zur Mehrung des Treugebervermögens verpflichtet ist und ihm zu diesem Zwecke Dispositionsspielräume eröffnet sind. In solchen Konstellationen stellt sich die Frage, ob die Nichtvornahme (gewinnbringenderer) vermögensmehrender Handlungen, d.h. die Nichtrealisierung von (lukrativeren) Exspektanzen (zu Exspektanzen siehe unter D. II. 5. a) aa)) eine untreueerhebliche Pflichtwidrigkeit erzeugt. Oder anders formuliert: unterliegt ein solcher Treupflichtige im Rahmen seines Ermessens einer Gewinnerzeugungs- oder gar Gewinnmaximierungspflicht?

Gewinnmaximierung

Gewinnerzeugung

Bestandserhaltung/ Schadensvermeidung

532

Siehe Sax, JZ 1977, S. 749.

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aa) Gibt es eine Pflicht zur Gewinnmaximierung? Mit Hilfe einer systemtheoretischen Betrachtung fällt es nicht schwer, der Frage hinsichtlich einer Gewinnmaximierungspflicht den realistischen Boden zu entziehen. Die Fixierung auf eine allein optimale Handlung, die eine Gewinnmaximierungsmaxime logischerweise zur Pflicht machen müsste, bewegt sich außerhalb dessen, was im systemtheoretischen Ansatz als Möglichkeit zur „funktionalen Äquivalenz“ verstanden wird.533 Es gibt nämlich grundsätzlich nicht nur eine denkbare Handlung, die den Treupflichtigen aus der Warte der wirtschaftlichen Vernunft quasi immer schon festlegt. Ein Streben nach Rentabilität als Pflichtprogramm ist innerhalb einer pluralistischen Konzeption des „Unternehmensinteresses“ nicht durch einen einzigen statischen Mittel-Zweck-Zusammenhang gekennzeichnet, der eine monistische Gewinnmaximierungsformel ableiten ließe.534 Dieser lediglich alternative Handlungsoptionen neutralisierende intentionale Gehalt lässt sich schon daraus entwickeln, dass der Treugeber dem Treupflichtigen Privatautonomie im Sinne von Handlungsspielräumen überträgt und ihn nicht von vornherein auf eine etwa optimale Strategie festlegt. Wüsste er um das Optimale, so bedürfte es eines Verwalters auch kaum. Der Treupflichtige fungiert also nicht als personale Optimierungsfiktion.535 Ein solches Verständnis widerspräche in geradezu naiver Weise der wirtschaftlichen Realität, weil es innerhalb der Korrelation von Mittel und Zweck (Vermögensmehrung, Gewinnerzeugung) selten ein unter Berücksichtigung aller denkbaren Handlungsalternativen mit ihren potentiellen Folgen absolut optimales, schon gar nicht statisches Mittel zum Entscheidungszeitpunkt und 533

Siehe Luhmann, Soziologische Aufklärung, S. 23 ff., 39 ff.; ders., Zweckbegriff und Systemrationalität, S. 197 f. 534 Siehe Brinkmann, S. 53. Deshalb wird im Rahmen dieser Arbeit auch von Gewinnerzeugungslogik und nicht von Gewinnmaximierung gesprochen, wie es der monistischen Konzeption und ihres unter Ausschließlichkeitsgesichtspunkten formulierten Gewinnmaximierungstheorem im Rahmen unternehmerischer Rentabilität entspräche, siehe Brinkmann, S. 158 ff. Diese Einschätzung dürfte auch Grund dafür sein, dass sich rechtliche Regelungen, etwa das AktG, über Quantifizierungen von Gewinnzielen ausschweigen, siehe etwa MükoAktG-Semler/Spindler, Band 3, Vorbem. zu §§ 76 ff., Rn. 80. Siehe ferner auch Luhmann (Zweckbegriff und Systemrationalität, S. 151 f.), der davon spricht, dass sich „unter der Voraussetzung perfekter Konkurrenz oder in unendliche Zeitferne projiziert“ die Grenze zwischen dem betriebswirtschaftlichen Zweckprinzip („Gewinnmaximierung“) und dem Bestandstheorem (Kapitalerhaltung) auflöst. 535 Die Ausdrucksweise von Perron, demzufolge „Exspektanzen von wirtschaftlichem Wert nicht erst in der Beziehung zu anderen, sondern schon in einem Vermögensgut selbst angelegt sein können“ (Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 46), kann daher nicht dahingehend interpretiert werden, dass sozusagen aus einer „Optimierungsentelechie“ Optimierungspflichten erwachsen.

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weiterhin gar keine absolut sichere tatsächliche Zweckerreichung (Erfolgsantizipation536) des Mittels gibt.537 Ferner bleibt offen, ob auch die Folgeentscheidungen in einer Entscheidungskette nicht in einer Gesamtbilanz effizientere Ergebnisse hervorgebracht hätten, wenn die Ausgangsentscheidung zwar gewinnbringend, aber gleichwohl gerade nicht optimal gewesen wäre.538 Ungebundenes, wirtschaftliche Vorteile intendierendes, sorgfältiges Handeln im Rahmen einer ordnungsgemäßen Vermögensverwaltung vermittelt eine Prärogative der Auswahl, d.h. einen an sich ungebundenen Prognoseund Entscheidungsspielraum. Die Festlegung auf eine optimale Strategie ist faktisch nicht prinzipiiert möglich. Es wird immer eine andere, bessere, wenn auch unbekannte, Strategie geben, die im Übrigen auch immer im Kontext äußerer Umstände (beispielsweise der Gesamtwirtschaftslage) zu betrachten wäre. Vermögen als solches statuiert deswegen nicht aus sich heraus eine Handlungspflicht zum optimalen Vermehrt-Werden. Eine derartige Verpflichtung würde nicht zuletzt auch die Vermögensverwalter unter erheblichen wirtschaftlichen Erfolgsdruck setzen, sie mit unmöglich erfüllbaren Pflichten belasten, und damit dem Untreuestrafrecht eine kritikwürdige Wirkung auf die gesamte Investitionswirtschaft zuschreiben.539 In diesem Zusammenhang steht im Besonderen die Gefahr von sog. „Strafrechtsfallen“ (siehe auch C. IV. 6. c) bb)), wenn das Eingehen zu hoher Risiken als Untreue, das Eingehen zu geringer Risiken als Untreue durch Unterlassen gewertet würde.540 536 Sax (JZ 1977, S. 749.) sieht eine Treubruchhandlung darin gegeben, dass ein Vermögensverwalter fremde Aktien vernichtet „anstatt ihren steigenden Kurs zu nutzen“. Das Optimum von verschiedenen gewinnbringenden Handlungen zum verpflichtenden Ziel zu machen scheitert jedoch an den faktischen Unwägbarkeiten einer Gewinnvorausschau (siehe dazu auch Abschnitt D. II. 5. c) aa) (1) (wirtschaftlich vernünftiger Gesamtplan)). Ein gewinnbringender Aktienverkauf entpricht daher immer der wirtschaftlichen Gewinnerzeugungslogik. 537 Der Mangel an Optimallösung eröffnet daher einen Spielraum für die Suche nach suboptimalen Lösungen (Mittel-Zweck-Kombinationen) unter variablen Nebenbedingungen, siehe Luhmann, Zweckbegriff und Systemrationalität, S. 114 ff., 266 ff.; ders., Soziologische Aufklärung, S. 222; Raiser, FS-Schmidt, S. 198. Man spricht folglich eher von wertsteigernden Strategien, siehe Rappaport, S. 77 ff. Zur Unsicherheit als Strukturmerkmal planenden Wirtschaftens, siehe beispielsweise Luhmann, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 120 ff., 268 ff.; Poseck, S. 86. Zur individuellen Eigenständigkeit von autonomen Entscheidungen, van Aaken, S. 78 f. 538 Vgl. Luhmann, Zweckbegriff und Systemrationalität, S. 278 ff., 292 ff. 539 Siehe dazu auch Beck, S. 132 f. m. w. N.; Fischer, StraFo 2008, S. 272. 540 Matt/Saliger, S. 224; Fischer, StraFo 2008, S. 272 Fn. 272; Seier, Untreue als Allzweckwaffe, S 108 f., 111. Zur „Strafrechtsfalle“ bei Sanierungskrediten siehe Abschnitt C. IV. 6. c) bb).

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Einen Treupflichtigen, der im Rahmen von Ermessensspielräumen Vermögensmehrungen zu besorgen hat, trifft also keine Pflicht zur Vornahme einer Gewinnmaximierung, d.h. „der optimalen“ Vermögensmehrungsstrategie. bb) Pflicht zur Gewinnerzeugung Im Rahmen eines Vermögensbetreuungsverhältnisses, das nicht lediglich auf Bestandserhaltung, sondern Vermögensmehrung gegründet ist, existiert grundsätzlich die Verpflichtung Gewinne zu erzeugen. Diese Verpflichtung muss jedoch genauer spezifiziert werden, wenn nicht der Treugeber selbst ausdrückliche Vorgaben getroffen hat. (1) Keine Pflichtwidrigkeit bei Unterlassen rechts- oder sittenwidriger Handlungen Zunächst einleuchtend ist eine normative Restriktion auf nur rechtmäßiges Handeln zum Zwecke der Vermögensmehrung. Es wäre eine Selbstwidersprüchlichkeit der Rechtsordnung, wenn sich eine Vermögensmehrungspflicht unrechtmäßiges Handeln einforderte. Die Nichtausführung rechtswidriger Aufträge oder sittenwidriger Abreden ist somit nicht untreuerelevant.541 (2) Anwendung des funktionalen Kriteriums: Pflichtwidrigkeit nur bei Unterlassen realer Chancen zur Vermögensmehrung Das funktionale Kriterium untreueerheblicher Pflichtverletzungen knüpft an eine Schadenserzeugungslogik und damit an ein generalisiertes Erwarten-Können einer Vermögensschädigung an. Ist der Treupflichtige zur Mehrung des Vermögens und nicht nur zum Erhalt des Bestandes verpflichtet, kommt die Anwendung des funktionalen Kriteriums zu dem Ergebnis, dass pflichtwidrig das Ausbleiben eines Handelns im Sinne wirtschaftlicher Gewinnerzeugungslogik ist. Das aber impliziert, dass sich das Erwarten-Können auf einen Vermögenszuwachs bezieht. Zu erwarten ist aber nicht jede potentielle Option, sondern nur etwas, das wirtschaftlicher Ratio gemäß generalisierbar als gewinnerzeugend naheliegt. Daher bedarf es, um von 541 RGSt 70, 9; BGHSt 20, 145 f.; 8, 258; BGH MDR 1979, S. 456; BGH NJW 1988, S. 2485; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 31; Taschke, FS-Lüderssen, S. 669; LK-Schünemann, § 266, Rn. 65; Rengier, BT 1, § 18, Rn. 19; Saliger, NJW 2006, S. 3378; Rönnau, FS-Tiedemann, S. 727; Bernsmann, StV 2005, S. 578.

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einem pflichtwidrigen Unterlassen vermögensmehrender Maßnahmen sprechen zu können, realer Chancen zur Vermögensmehrung, deren Nichtwahrnehmung folglich einer Schadenserzeugungslogik entspricht. Werden Chancen zur Vermögensmehrung ausgelassen, so führt dies, wenn die Chance mit Sicherheit zur Vermögensmehrung geführt hätte, auch zu einem Vermögensschaden.542 Pflichtwidrigkeit und Vermögensschaden sind insoweit verschleift (siehe dazu C. IV. 2. d) cc) (3)). Wer also lediglich unsorgfältig arbeitet und dadurch reale Chancen gar nicht entstehen lässt, der unterlässt nicht, sondern handelt sorgfaltspflichtwidrig. Der zur Vermögensmehrung verpflichtete Treunehmer kann der Pflicht unterstehen, potentielle Chancen auch aktiv zu ergründen, um dann nach der Erkenntnis der Möglichkeiten die den meisten Erfolg versprechende Chance wahrzunehmen.543 Für eine Pflichtverletzung durch Unterlassen gilt jedoch: Nur wer die Sorge für eine Vermögensmehrung zu tragen hat und reale Chancen einer Vermögensmehrung nicht wahrnimmt, also nichts tut, handelt im Sinne einer Schadenserzeugungslogik und damit auch nicht pflichtgemäß. (3) Pflichtverletzung durch Unterlassen einer „besseren“ Maßnahme zur Vermögensmehrung Problematisch ist, ob ein pflichtwidriges Unterlassen auch dann zu bejahen ist, wenn der Vermögensbetreuungspflichtige durchaus eine prinzipiell vermögensmehrende Handlung vornimmt, beispielsweise ein gewinnträchtiges Geschäft abschließt, jedoch unterlässt zu versuchen durch Einwirken auf den Geschäftspartner noch einen günstigeren Geschäftsabschluss, also noch ein Mehr an Gewinn zu erzielen. In dem Zusammenhang führt der BGH aus: wer „bereits einen Preis erzielt hat, der dem Verkehrswert entspricht, [ist] grundsätzlich nicht verpflichtet, in weiteren Verhandlungen zu versuchen, einen höheren Preis zu erzielen“.544 Es muss im Rahmen von Ermessensentscheidungen eine Grenzziehung der „Verpflichtbarkeit“ des Treugebers geben. Diese Grenze zieht aber die wirtschaftliche Logik, wie bereits ausgeführt wurde (C. IV. 3. c) aa)), selber: nicht die Gewinnmaximierung ist handlungsleitender Maßstab einer nach der Systemlogik operierenden Wirtschaftspraxis, nicht die Figur des allwissenden „Optimierers“, sondern allein das Streben nach Gewinnerzeu542 BGHSt 20, 145; 31, 232 f., 235; OLG Hamm NJW 1968, S. 1940; Schönke/ Schröder-Perron, Rn. 46. 543 Arnold, Jura 2005, S. 848. 544 BGHSt 31, 234.

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gung kann Maßstab des Erwartbaren und damit Maßstab des Pflichtgemäßen sein. Dementsprechend sieht der BGH Sinn und Zweck des § 266 StGB darin, dass dieser die „Nachteilszufügung verbietet“, nicht aber „Gewinnmaximierung verlangt“.545 Allerdings muss diese Feststellung differenziert werden, wenn man die Pflichtgemäßheit einer auf Vermögensmehrung festgelegten Vermögensverwaltung im Gewinnerzeugungsstreben, zwischen den Polen der Nichtschädigung und der Gewinnmaximierung ansiedelt: Die Gewinnerzeugungslogik inkorporiert nämlich durchaus eine relative Gewinnoptimierungslogik. Wenn, zur Veranschaulichung, ein auf die bestmögliche Vermögensmehrung verpflichtete Treunehmer die Wahl zwischen zwei real vorliegenden gleichriskanten Alternativen einer Kapitalanlage hat, von denen die eine das doppelte an sicherer Rendite abwirft wie die andere, so ist das Argument, die prinzipielle Unwissenheit über die optimale Strategie schlösse eine Verpflichtung aus, nicht mehr überzeugend. Liegen also nur in der Gewinnhöhe unterschiedliche Strategien vor, zwischen denen nurmehr zu wählen ist, so hat der Treugeber die Pflicht zur Wahl des (relativ) Optimalen. (4) Zusammenfassung Wer eine Vermögensmehrung unterlässt, indem er nichts tut, handelt pflichtwidrig, wenn er im Ermessen für eine Vermögensmehrung zu sorgen hat. Wer jedoch lediglich ein Surplus einer Vermögensmehrung, ein NochMehr, unterlässt, handelt grundsätzlich nicht pflichtwidrig, weil er seiner Pflicht zur Gewinnerzeugung genügt. Ausnahmen bestehen nur unter folgenden Umständen: a) Ist die Gewinnerzeugung mit einer relativen Gewinnoptimierung identisch (Möglichkeit schlichter Wahlentscheidung), bedeutet dies, dass auf gegebene Optimierungen Rücksicht zu nehmen ist und bereits vorliegende und deutlich gewordene Möglichkeiten eines vorteilhafteren Geschäfts nicht vereitelt werden dürfen. b) Eigene Optimierungen (Maximierungsstrategien) muss der Treunehmer nur insoweit vornehmen, als ein Unterlassen als Sorgfaltspflichtverletzung zu werten ist (siehe zur Sorgfaltspflicht als formelle Pflicht bei C. IV. 4. b)). Im Rahmen gegebener möglicher Alternativen verschmilzt ein Gebot zur Gewinnerzeugung mit dem Gebot zur Gewinnoptimierung im Sinne einer Nichtschädigung vermögenswerter Aussichten (Exspektanzen). Eine darüber 545

BGHSt 31, 234. Vgl. auch Beck, S. 132 f.

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hinaus gehende Gewinnmaximierung ist nicht prinzipiiert möglich und das Unterlassen des fiktiv Optimalen auch nicht pflichtwidrig. Diese Betrachtungsweise erlaubt es damit die Interpretation des § 266 StGB als Norm zum Schutz vor dem Ärmer-Werden546 und die Interpretation des § 266 StGB als Norm zum Schutz der Chance des Reicher-Werdens547 zu verknüpfen. Beispiel: S ist Stiftungsvorstand und laut Satzung, mit eigenem Ermessen versehen, zur Erhaltung des Bestands des Stiftungsvermögens verpflichtet. Da das Stiftungsvermögen laufend durch Entnahmen zur Erfüllung des Stiftungszwecks und der Organisation nominal gemindert wird, ist die Kapitalerhaltungspflicht in Wirklichkeit auch eine Vermögensmehrungspflicht. S legt das Stiftungsvermögen auf ein nichtverzinstes Girokonto an, obwohl auch ein verzinstes im Angebot ist Das Unterlassen der möglichen Vermögensmehrung durch die Geldanlage ist daher pflichtwidrig.548 Entscheidet sich S dagegen für ein mit 5% verzinstes Girokonto, statt für ein mit 7% verzinstes Girokonto, so genügt er im Grunde, wenn die Erträge die notwendigen Ausgaben decken, der Pflicht das Stiftungsvermögen zu erhalten. Dies wäre im privatwirtschaftlichen Unternehmen, deren Vermögensbetreuer auf „bestmögliche“ Vermögensmehrung verpflichtet werden, anders.549 Die Anwendung des Grundsatzes einer relativen Gewinnoptimierung auch auf den Stiftungsvorstand setzte aber voraus, dass eine mit Handlungsspielräumen versehene Vermögensmehrungspflicht existiert. Praktisch gesehen ist das nicht ganz abwegig, da dies einem wirtschaftlich vernünftigen Umgang mit Kapital entspräche. Zudem stünde einer dezidierten Begrenzung auf die Kapitalerhaltung und die Nichtbeachtung besserer Gewinnerzeugungsmöglichkeiten meistens auch der Stiftungszweck disparat gegenüber. Die Frage, ob sich die Vermögensbetreuungspflicht darin erschöpft, ist eine Frage des Einzelfalls. Im Zweifel bestehen keine Verpflichtungen zu weitergehenden Aktivitäten.

cc) Unterlassen einer Vermögensmehrung im Rahmen einer rechtlich unwirksamen Pflichtenstellung Auch außerstrafrechtlich unwirksame Rechtsverhältnisse können als Grundlage einer Treupflicht fungieren (siehe C. III. 3. a) bb)). Die Frage ist nun, ob aus diesen nicht nur das Verbot folgt, gemäß einer Schadenserzeugungslogik zu handeln, sondern auch – spiegelbildlich zur aktiven Tatbegehung – ein Gebot folgen kann, Vermögensmehrungen vorzunehmen. 546

So die h. M.; BGHSt 47, 301; 31, 234. Rönnau, FS-Kohlmann, S. 249 ff.: Untreue ist insoweit ein Freiheitsdelikt; Fischer, § 266, Rn. 56. 548 Vgl. Saliger, Non profit law yearbook 2005, S. 215 f. m. w. N. 549 Siehe dazu Saliger, Non profit law yearbook 2005, S. 218 m. w. N. 547

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Man könnte zustimmend argumentieren, dass wo einerseits das Strafrecht kein Recht zur Verletzung zivilrechtlich missbilligter Rechtsverhältnisse (also Treuverhältnisse im Sinne des § 266 StGB) konstituiert, es an sich auch andererseits treugemäße Handlungsgebote trotz unwirksamer zivilrechtlicher Grundlage aufstellen könne, da aktives Tun dem Unterlassen entspricht. Untermauernd könnte man aus wirtschaftlicher Sicht hinzufügen, dass „aus Sicht des Vermögens“ eine Gleichbehandlung indiziert wäre, weil jedes Vermögen, unabhängig davon, aus welchen Gründen es an jemanden gelangt ist, Teil des Kapitalmarkts ist und (aus Sicht ökonomischen Kalküls) vermehrt werden „will“ (das wäre immer auch im Sinne des wahren Eigentümers). Andererseits kann § 266 StGB Schädigungsverbot und Handlungspflichten im Rahmen einer besonderen Machtstellung über fremdes Vermögen nicht ohne Weiteres gleichsetzen. Denn das würde bedeuten, dass das Strafrecht strafrechtsautonom eine Handlungspflicht (nämlich zur Vermögensmehrung) statuiert. Der Grund für die Ablehnung einer solchen strafrechtsautonomen Handlungspflicht liegt in der funktionalen Betrachtung der untreueerheblichen Pflichtenstellung. Scheitert die Einräumung einer besonderen rechtlichen Macht über fremdes Vermögen nämlich aufgrund zivilrechtlicher (außerstrafrechtlicher) Unwirksamkeit, so ist für die Bestimmung einer untreueerheblichen Pflichtenstellung zu fragen, ob das verbleibende Verhältnis gleichwohl eine besondere tatsächliche Macht vermittelt, so zum Beispiel, wenn aktives Tun des Vermögensfremden qua Rechtsscheinsregelungen (wie §§ 169 ff. BGB) Einwirkungsmacht verschafft.550 Beim Unterlassen ist diese Einwirkungsmöglichkeit jedoch nicht gegeben, da die Rechtswirksamkeit faktischen rechtsgrundlosen Tuns aufgrund von Rechtsscheinsregelungen nicht auf das Unterlassen übertragbar ist. Im Rahmen des Unterlassens kommt dem Vermögensfremden vielmehr lediglich die Stellung eines allgemeinen Besitzers (Schuldners) zu, die sich also gerade nicht durch eine besondere rechtliche oder tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit auf das fremde Vermögen auszeichnet. Das Nichtvermehren von Kapital, das Nichtabwenden vermögensschädigender Ereignisse oder das Nichtpflegen eines Hauses sind alles Handlungen, die mangels besonderer Macht aus der nur allgemeinen Machtstellung über das Vermögen resultieren und daher untreueunerheblich sind. Ebenso verhält es sich, wenn ein Nichtbefugter ohne denkbare Rechtswirkung auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben schweigt oder er eine Forderung verjähren lässt. Der Grund, weshalb in den Fällen zivilrechtlich unwirksamer Vermögensbetreuungspflichten Unterlassenspflichten gegenüber Handlungspflichten erhalten bleiben, liegt in der zivilrechtlich 550

Siehe Sax, JZ 1977, S. 745.

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bestimmten Rechtswirksamkeit von besonderen tatsächlichen Machtstellungen, denn nur bei aktivem Tun gibt es eine Verletzungsmöglichkeit der besonderen Machtstellung. Dort, wo keine Privatautonomie „abgetreten“ wurde, kann nicht erwartet werden, dass der Besitzer des Vermögens für den Vermögensinhaber gemäß wirtschaftlichem Kalkül aktiv wird. Ist also die Einräumung einer Pflichtenstellung außerstrafrechtlich unwirksam, so ist allein die Möglichkeit durch das Unterlassen von Vermögensmehrungen eine Schädigung hervorzurufen nicht hinreichend für die Anerkennung als untreueerhebliche Pflichtenstellung. Eine strafrechtsautonome Pflicht zum vermögensmehrenden Handeln existiert nicht. d) Unterlassen einer Schädigungspflicht Möglich ist, dass der Vermögensbetreuungspflichtige durch den Treugeber zu einer schädigenden Handlung verpflichtet wird, beispielsweise das Vermögen ohne Gegenleistung an Bedürftige zu übertragen o. Ä. Da eine solche Verpflichtung Ausdruck materiellen Vermögensinteresses (der materiellen Zweckpräferenz) des Treugebers ist, ist eine Pflichtverletzung bei Nichtvornahme einer solchen Handlung gegeben, denn nur das Vermögensinteresse und nicht eine objektive wirtschaftliche Sinnhaftigkeit kann die Privatautonomie im Rahmen der Pflichtverletzung repräsentieren.551 Eine reine Ökonomisierung würde den „Pflicht“-Begriff entrechtlichen. Ein Vermögensschaden wird in solchen Konstellationen jedoch meistens nicht vorliegen. 4. Formelle Pflichtverletzungen – Verletzung von Zuständigkeits-, Verfahrens- oder Formvorschriften Wesentlich für eine untreueerhebliche Pflichtenstellung ist, dass sie immer von der Möglichkeit bestimmt wird fremden Vermögensinteressen zuwiderzulaufen bzw. im Falle von Ermessensentscheidungen einen Vermögensschaden zu erzeugen (siehe C. III. 2. d)). Fehlt die Pflichtenstellung des Treunehmers mangels eines solchen Schädigungspotentials seiner Stellung, so ist die Frage nach der Untreueerheblichkeit formeller Pflichtverletzungen nicht mehr zu stellen. Steht der Treunehmer jedoch in einer untreueerheblichen Pflichtenstellung, so ist er wohl möglich einem Katalog von ausdrücklichen Einzelpflichten ausgesetzt, die er im Rahmen seiner im 551 Vgl. zum Beispiel Arzt, in: FS-Bruns, S. 377; Ayasse, S. 51. Siehe auch OLG Hamm, wistra 1999, S. 353 (Gemeinnützigkeit = materieller Zweck); anders offenbar Saliger, der die Missachtung von Zweckpräferenzen auch zu den formellen Pflichtverstößen rechnet (Non profit law yearbook 2005, S. 219 f.).

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Ermessen stehenden Vermögensbetreuung zu beachten hat. Formelle Pflichtverletzungen im Rahmen sind dabei solche, die sich auf die Art und Weise des Tätigwerdens beziehen. Untreueerheblich können sie jedoch nur dann sein, wenn sie nach Maßgabe des hier vertretenen funktionalen Kriteriums prinzipiell einen Vermögensschaden im Sinne der ökonomischen Schadenserzeugungslogik erwarten lassen (siehe C. IV. 2. d) bb), C. IV. 2. e)). Im Rahmen von Pflichtenstellungen kann es zu Verletzungen von formalen Pflichten wie insbesondere Zuständigkeits-, Verfahrens- bzw. Formbestimmungen kommen. Eine Untreuehandlung soll nach Auffassung der Rechtsprechung und Teilen der Lehre bereits dann vorliegen, wenn es sich um eine formell pflichtwidrige Vermögensverwendung handelt, d.h. eine solche unter Verstößen gegen Zuständigkeitsregeln, Titelzuweisungen, Genehmigungspflichten oder Kompetenznormen.552 Stellt sich beispielsweise im Rahmen einer Kreditvergabe durch eine nicht dazu Befugten heraus, dass der Entscheidungsbefugte den Kredit aufgrund einer positiven Prüfung der Bonität des Kreditnehmers ebenfalls gewährt hätte und somit die Verletzung der Entscheidungsbefugnis nicht kausal für den Schaden wurde, schließt der BGH die Strafbarkeit nach § 266 StGB unter dem Gesichtspunkt fehlender Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Vermögensschaden aus (Rechtmäßiges Alternativerhalten)553 (siehe D. II. 2.). Der Annahme einer generellen Pflichtwidrigkeit durch formelle Pflichtverletzungen ist jedoch nicht zuzustimmen.554 Es muss vielmehr genauer begutachtet werden, warum in einer Verletzung solcher Entscheidungsbefugnisse überhaupt eine Pflichtverletzung vorliegen soll. Denn wenn eine Pflichtverletzung nicht an sich schadenserzeugungstauglich oder tauglich spezifizierte Vermögensinteressen zu verletzen ist, ist sie im Verständnis einer funktionalen Interpretation keine vermögensrelevante Pflichtverletzung (siehe C. IV. 2. d) bb)). Maßgeblich ist das wirtschaftliche Interesse des Treugebers hat. Die Vermögensrelevanz ergibt sich schon aus der Pflichtenstellung, die die vertrauensgeleitete Einräumung einer besonderen Macht über das fremde Vermögen voraussetzt. Die Verletzung dieser vermögensbezogenen Pflichtenstellung kann nur im Missbrauch der eingeräumten Vermögensmacht liegen. Eine formale Regelung, die die rechtliche oder faktische Vermögensmacht des Treunehmers nur intern und 552 Vgl. BGH NJW 2003, S. 2179 f.; LG Braunschweig, Urteil vom 22.02.2008, Az: 6 KLs 20/07, („VW-Affäre“), (juris) Rn. 338; Schünemann, StV 2003, S. 470 f. 553 BGH wistra 2000, S. 306. 554 So auch Rönnau/Hohn, NStZ 2004, S. 115; Rübenstahl/Wasserburg, NStZ 2004, S. 526 f.

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wirtschaftlich neutral begrenzt, erzeugt als solche keine Pflichtenstellung im Sinne des § 266 StGB, so wie auch die Verletzung einer solchen formalen Pflicht an sich noch keine untreueerheblichen Pflichtverletzung ist.555 Vielmehr ist zu prüfen, ob in einem solchen Fall nicht eine weitere Pflicht verletzt wurde, die in Zusammenhang mit der formalen Pflicht steht, aber deren Verletzung selbst untreueerheblich ist. So etwa, wenn die Verletzung der Entscheidungsbefugnisse zwingend mit einer mangelhafte Vornahme oder Nichtvornahme der Bonitätsprüfung einherging, da nur diese – nicht aber die Verletzung der Entscheidungsreglements – eo ipso ökonomische Relevanz erzeugen kann. Oder wenn in dem Übergehen der arbeitsteiligen Unternehmenshierarchie oder dem Nichteinhalten gesetzlicher Anzeige- und Genehmigungspflichten nicht nur ein Kompetenzverstoß zu sehen ist, sondern auch eine damit zusammenhängende „sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen“. Eine Verletzung von gebotenen Sorgfaltspflichten, die gerade der Reduzierung von Schadenseintritten dienen, steht grundsätzlich in der Logik prinzipieller Schadenserzeugung556 (zur Sorgfaltspflicht siehe im Folgenden insbesondere bei C. IV. 4. b)). Es kann also sein, dass die formelle Pflichtwidrigkeit ein Indiz für eine materielle Pflichtwidrigkeit ist. Ohne einen solchen Umstand wäre eine Kreditvergabe, so wie im vom BGH entschiedenen Fall, lediglich eine formale untreueunerhebliche Pflichtverletzung, da die Möglichkeit einer Verletzung bloßer rechtlicher Formen noch keinen Aufschluss darüber gibt, dass damit eine Vermögensbetreuungspflicht verletzt wurde, weil eine Schädigung prinzipiell zu erwarten sei. Der BGH hat zwar im Ergebnis Recht, wenn er im soeben erwähnten Fall zur alternativen Rechtmäßigkeit postuliert: „Ist [. . .] die erforderliche Befugnis der Entscheidungsträger nicht vorhanden, steht die Bonität des Kreditnehmers aber außer Zweifel, fehlt es an diesem Zusammenhang“ zwischen Pflichtverletzung und Vermögensschaden.557 Unberücksichtigt bleibt jedoch, dass durch die kompetenzwidrige Vornahme einer als solche pflichtgemäßen Vermögensbetreuung noch keine Vermögensbetreuungspflichtsverletzung realisiert werden kann. Allein der prinzipielle Effekt auf das Treugebervermögen ist maßgebend. Dementsprechend zieht auch Thomas den Schluss: „Wer eine vernünftige, am Interesse des Treugebers ausgerichtete Entscheidung trifft, wird nicht mangels Kompetenz [. . .] mit einer Strafbarkeit nach § 266 StGB konfrontiert“558. 555 Fälschlicherweise daher zum Beispiel Ayasse, S. 97 f., der im Verstoß von Kompetenzvorschriften ein pflichtwidriges Verhalten ausmacht. 556 BGH wistra 2000, S. 307; Schünemann, Organuntreue, S. 54 ff.; Saliger, Non profit law yearbook 2005, S. 215. 557 BGH wistra 2000, S. 306. 558 Thomas, FS-Riess, S. 807. Dieser Gesichtspunkt wird dort ebenfalls unter dem Stichpunkt „Pflichtverletzung“ diskutiert.

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Festzuhalten ist, dass rein formelle Pflichtverletzungen mangels prinzipieller Schadenserzeugungslogik keine Pflichtverletzungen im Sinne des § 266 StGB sind. Es besteht auch aus kriminalpolitischer Sicht für eine Pönalisierung von formellen Bestimmungen kein Bedürfnis, weil disziplinarrechtliche oder anderweitige Regelungen formelle Pflichtverstöße ahnden können.559 Diese Erwägungen gelten nicht nur für den hier exemplifizierten Fall von Risiko- (Kreditvergabe-)Geschäften.560 Jeder Verstoß gegen eine Genehmigungsnorm oder Zuständigkeits-, Verfahrens- oder Formbestimmung scheidet grundsätzlich als Vermögensbetreuungspflichtverletzung aus, selbst wenn sie innerhalb einer untreuerelevanten Pflichtenstellung verletzt wird. Anderes gilt nur, wenn die Nichteinhaltung der Norm ein Indiz für die materielle Pflichtwidrigkeit darstellt.561 Beispiel: S ist Vorstand einer Stiftung. Im Rahmen der Ausübung seiner Vermögensbetreuungspflicht investiert S 60% des Stiftungsvermögens in Wertpapiere mit aussichtsreicher und gewöhnlicherweise wenig volatiler Kursentwicklung, obwohl die Stiftungsaufsicht zur Verwirklichung des Bestandserhaltungsgrundsatzes bezüglich von Stiftungsvermögen landesweit die Anlage in Wertpapiere nur im Umfang von 50% des Stiftungsvermögens erlaubt. Diese Maßgabe begrenzt das Ermessen des S, dessen Wertpapierkauf damit pflichtwidrig ist. Damit diese formelle Pflichtwidrigkeit auch eine untreueerhebliche Pflichtverletzung darstellt, ist zu prüfen, ob sie prinzipiell die materiellen Vermögensinteressen des Treugebers verletzt. Das ist deshalb zu bejahen, weil Regelungen zur Beschränkung von Spekulationen prinzipiell Rendite zugunsten von Sicherheit, und damit der Vermögensbestandserhaltung, begrenzen. Ein Zuviel an Spekulation birgt (siehe auch unten zu Risikogeschäften, C. IV. 6.) immer einen höheren Grad an Schadenspotential in sich. Deshalb indiziert hier auch die formelle Pflichtwidrigkeit die materielle Pflichtwidrigkeit.562 Ob durch die Abweichung vom für Wertpapieranlagen zulässigen Vermögensanteil um 10% ein Schaden entstanden ist, kann hier jedoch angesichts der Chancenträchtigkeit der Anlage und der weiterhin frei verfügbaren 40% des Stiftungsvermögens bezweifelt werden.

559 Siehe kritisch zur Pönalisierung formeller Pflichtverletzungen Saliger, Parteiengesetz und Strafrecht, S. 460 ff., 466 ff.; ders., HRRS 2006, S. 13; ders. ZStW 112 (2000), S. 596; Lesch. ZRP 2002, S. 162 f. 560 Siehe zum Beispiel OLG Frankfurt am Main (MDR 1994, S. 1232), das – im Falle einer Insolvenzverwaltung – keine Pflichtverletzung durch die vermögensbestandsneutrale Verzögerung einer Handlungspflicht verwirklicht sah. 561 Siehe auch Kubiciel, NStZ 2005, S. 356; Rönnau/Hohn, NStZ 2004, S. 115. 562 Vgl. Saliger, Non profit law yearbook 2005, S. 215.

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a) Verletzungen von Compliance-Regeln (zur Untreuerelevanz des Deutschen Corporate Governance Kodex) Die mit dem möglichen Nachteil von Interessensgegensätzen verbundene Divergenz von Eigentum und Kontrolle (zum Beispiel Aktionär und Manager) (siehe B. III. 1. a)) stellt Unternehmen vor die Notwendigkeit einer internen, funktional zweckmäßigen Strukturierung des Managements zu Kontroll- und Steuerungszwecken (Corporate Governance).563 Compliance gilt dabei als „Versuch der Unternehmen und der Unternehmensleitungen, den als zunehmend empfundenen Haftungsrisiken für die Unternehmen, aber auch der persönlichen Haftung der Leitungsorgane eine vorbeugende Unternehmensorganisation entgegenzuhalten, welche diese Risiken so weit als möglich minimiert“. Im Sinne eines unternehmenspraktischen Effizienzvorteils gegenüber dem strafrechtlichen Sanktionsapparat formulieren Compliance-Programme selbst normative Ziele der Unternehmen und die Kontrolle ihrer Einhaltung.564 Compliance-Regeln bzw. Integritätsklauseln sind nicht nur einfache Binnenstruktur der (Unternehmens-)Wirtschaft, sondern Ausdruck des Willens des Vermögensinhabers hinsichtlich des Umfangs und des Inhalts der Vermögensbetreuungspflicht des Treunehmers. Daher können Compliance-Regelungen, wie sie etwa im Deutschen Corporate Governance Kodex Ausdruck finden, grundsätzlich untreueerhebliche Pflichten sein, ohne dass es zwingend auf ihren gesellschaftsrechtlichen Verbindlichkeitscharakter ankommt.565 Jedoch ist nach dem funktionalen Verständnis nur die Verletzung einer Bestimmung untreueerheblich, die einen Vermögensbezug aufweist und einen Vermögensschaden besorgen lässt. Dabei kommt es darauf an, ob der einzelnen Regel auch eine entsprechende Auslegung und praktische Handhabung durch das Unternehmen entspricht. Zeichnet etwa der Umstand der Unternehmenspraxis das Bild einer Nicht-Identität von formaler Compliance-Regel und der praktischen Anwen563 Zum Begriff und seiner Geschichte zum Beispiel Böckli, S. 133 f. Die wirtschaftliche Funktion der Corporate Governance besteht dabei vornehmlich in der Herstellung eines Kräftegleichgewichts zwischen Unternehmen, Kapitalmarkt, aber auch den sog. Stakeholders, d.h. den Anspruchsträgern gegenüber dem Unternehmen, wie zum Beispiel Arbeitnehmer (a. a. O.). 564 Hauschka, NJW 2004, S. 257 ff., 261; Kölbel, Cultural lag, S. 81 f. 565 Rönnau, ZStW 119 (2007), S. 922 f.; ders., FS-Tiedemann, S. 721 f.; Schlösser/Dörfler, wistra 2007, S. 327 ff.; Bernsmann, GA 2007, S. 232; Schlösser, wistra 2006, S. 449 ff. Anders Hefermehl/Spindler, (in MüKoAktG, Band 3, § 93, Rn. 36), die eine zusätzliche rechtliche Verbindlichkeit gegenüber der Gesellschaft verneinen. Zur Problematik der Verbindlichkeit allgemein Schlösser/Dörfler, wistra 2007, S. 327 f.

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dung und Handhabung, so ist nicht an dem formalen Ausdruck zur Inhaltsbestimmung zu haften, sondern das Treugeberinteresse der Unternehmensrealität entsprechend auszulegen. Existiert beispielsweise eine systematische Begünstigung verdeckter Bestechungszahlungen, so schließt dies die tatsächliche Etablierung und damit untreuerelevante Wirksamkeit einer entgegengesetzten „Compliance-Pflicht“ zur Vermeidung solcher Zahlungen aus566 (siehe dazu auch C. IV. 7. e)). In dieser Vorgehensweise liegt die einfache Umsetzung des Prinzips der Privatautonomie des Vermögensinhabers als prädominierender Faktor bei der Bestimmung der Pflichtwidrigkeit. b) Intrinsische Sorgfaltspflicht als formelle Pflicht mit materiellem Indiz innerhalb von Ermessensspielräumen Im Rahmen von Ermessen impliziert das strafrechtsautonome funktionale Kriterium einer untreueerheblichen Pflichtverletzung, dass der Treupflichtige nur so handeln darf, dass sein Handeln nicht prinzipiell einen Schaden erwarten lässt, d.h. dass eine Ermessenshandlung nur dann pflichtwidrig im Sinne des § 266 StGB sein kann, wenn der Pflichtverstoß auch – an sich/ prinzipiell – einen Vermögensschaden hervorrufen könnte (C. IV. 2. d) bb)). Dieses Erwarten-Können umfasst auch formale Anforderungen an das unternehmerische Handeln, soweit sie im Rahmen der Vermeidung prinzipieller Schadenserwartung typische Voraussetzungen sind. Diese Anforderungen werden durch das Gebot der Sorgfalt bestimmt. Einleuchtend ist, dass mit zunehmender Sorgfalt bei der Recherche und Entscheidungsfindung auch prinzipiell die Wahrscheinlichkeit sinkt einen schädlichen Fehler zu begehen. Aufgrund dessen trifft den im Ermessen handelnden Treupflichtigen grundsätzlich die Pflicht zur sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen.567 Ist zum Beispiel das Unternehmen arbeitsteilig strukturiert, so kann sich der Entscheidungsträger (zum Beispiel ein Leitungsgremium) aber auf die Zuarbeit der jeweilig Verantwortlichen verlassen568, soweit nicht eine eigene individuelle Sorgfalts-, zum Beispiel Prüfungspflicht erkannt werden kann.569 Anders wäre ein arbeitsteiliges Wirtschaften nicht 566 Siehe Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 72 f., Fn. 127. Zu diesem Ergebnis gelangt man auch, wenn man die systematische Begünstigung als Einverständnis wertet, siehe dort . . . Anders, und von Saliger/Gaede zu Recht moniert, hatte das LG Darmstadt im Siemens-Fall argumentiert: „Die Pflichtwidrigkeit [. . .] ergibt sich ohne Weiteres daraus, dass nach den [. . .] bestehenden Compliance-Regelungen jegliche Bestechungszahlungen untersagt waren“ (Urteilstext, Rn. 149; entsprechend auch BGH NJW 2009, S. 91). 567 BGH wistra 2000, S. 307. 568 Siehe nur Dahs, NJW 2002, S. 273; Müller-Gugenberger/Bieneck-Nack, § 66, Rn. 148 ff.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

möglich. Da die Gewinnerzeugungslogik jedoch immer auch Risikominimierung umfasst, obliegen dem Entscheidungsträger Rückfragen oder eigene Nachforschungen, wenn es sich um „besonders hohe Risiken“ handelt und Zweifel oder Unstimmigkeiten bestehen.570 Beispiel: Geschäftsführer X steht unter Zeitdruck und lässt in einem Schnellverfahren ein neues Produkt entwickeln, welches er zum „schnellen Gewinn“ für das Unternehmen auf dem Markt anbieten will. Trotz hoher Entwicklungs- und Produktionskosten unterlässt der Geschäftsführer jede Anweisung die Chancen und Risiken des Produkts vorab zu analysieren und einzuschätzen. Die Produktionsanweisung ist deshalb mit einem Sorgfaltsmangel behaftet. Ein solches sorgfaltswidriges Vorgehen ist auch prinzipiell tauglich zu einer Vermögensschädigung zu führen, weil Produkte ohne jede Markt- und Produktforschung nur mit „Glück“ zu Aufwandskompensationen führen. Dies spricht für eine Pflichtwidrigkeit seines Handelns.

Willkür oder fehlende Sorgfalt können also in vielen Fällen Indizien für unternehmerische Fehlhandlungen sein. Pflichtwidrigkeit ist aber im Sinne des funktionalen Kriteriums nur gegeben, wenn eben jener Sorgfaltsmangel auch prinzipiell einen Schaden erwarten lässt. Die Sorgfaltsverletzung muss also immer in einem materiellen Bezug zum Treugeberinteresse stehenden.571 Daraus folgt, dass eine Sorgfaltsverletzung nicht immer eine Pflichtwidrigkeit begründet. Deutlich wird das besonders in den Konstellation, die die Verschleifung von Pflichtwidrigkeit und Vermögensschaden nötig machen (siehe dazu C. IV. 2. d) cc) (3)). Fraglich ist beispielsweise, ob etwa eine Entscheidung zwischen zwei gleich teuren Zulieferern nur deshalb pflichtwidrig sein soll, weil sie im formalen Duktus der „Willkür“ erfolgte. Dies ist zu verneinen. Vielmehr muss bei bereits gegebener prinzipieller Gewinnerwartung die Abschätzung der ökonomischen Vorteilserlangung genügen, ohne dass es auf weitergehende Sorgfalt ankäme. In prinzipiell eindeutig gewinnträchtigen Fällen 569 zum Beispiel bei begründetten Zweifeln an der hinreichenden Risikoerfassung, siehe Fischer, § 266, Rn. 45a. Auch versagt der Vertrauensgrundsatz bei arbeitsteiligem Verhalten, wenn der einzelne Täter vorsätzlich handelt. Dann kann er nicht mehr auf das fehlerfreie Handeln anderer vertrauen: Knauer, NStZ 2002, S. 403. 570 Vgl. BGH wistra 2000, S. 307. Dort geht es um einen Bericht des Kreditsachverständigen an den Kreditvorstand. 571 So stützte die Staatsanwaltschaft im Mannesmann-Prozess ihre Anklage auch darauf, dass die Beschuldigten die Vergütung offenbar selbst für unangemessen hielten und dass das Entscheidungsverfahren grobe Fehler aufwies (etwa der Absenz einzelner Aufsichtsratsmitglieder oder Fehler in der Protokollierung), siehe Günther, FS-Weber, S. 316; Hefendehl, MschrKrim 2005, S. 446. Diese Umstände begründen jedoch für sich alleine noch keine Vermögensbetreuungspflichtverletzung durch Sondervergütungen.

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sind exakte Kalkulationen daher keine Voraussetzung pflichtgemäßen Verhaltens. Beispiel: Radiologe X erwirbt im Rahmen seines Entscheidungsermessens für den Träger der Poliklinik, an der X praktiziert, ein strahlenmedizinisches Spezialgerät zum Marktpreis, dessen Einsatz sich nach der fachlichen Erfahrung von X positiv auf die Behandlungsabläufe auswirkt, insbesondere eine ausgeweitete Patientenversorgung mit vorteilhaften Abrechnungspositionen verspricht, wie es andere Kliniken demonstriert haben. Eine exakte Kosten- und Leistungsrechnung ist bei überzeugender prinzipieller Gewinnerwartung nicht nötig, um das Verhalten des X als pflichtgemäß zu beurteilen.572

In vielen Fällen setzt die negative Bewertung einer willkürlichen Entscheidung also die Ausrichtung auf den ökonomischen Effekt der Vorteilserlangung (eine Verschleifung mit der Schadensebene) voraus. Sorgfalt ohne einen inhaltlich-ökonomischen Entscheidungsgrundsatz bzw. ohne eine Zielrichtung des Handelns ist nicht hinreichend, wenn es ohne Sorgfalt die gleiche materiellen Konsequenzen gäbe. Die eingeforderten Entscheidungsgrundlagen können überdies auch nur ermittelt werden, wenn der Entscheidungszweck bereits handlungsleitend ist: dieser ist bei unternehmerischen Entscheidungen die ökonomische Prozesslogik der Schadensvermeidung. Ein rein formaler Handlungskontext ist mit der Sorgfaltspflicht nicht angesprochen. Vielmehr geht es um Sorgfaltspflichten mit materiellem Indiz. Daraus, dass eine Sorgfaltsverletzung nicht immer eine Pflichtwidrigkeit begründet, sondern im Rahmen einer Verschleifung mit der Schadensebene materielle Gesichtspunkte ausschlaggebend sind, folgt auch, dass die Einhaltung von Sorgfaltsstandards keineswegs grundsätzlich eine Pflichtgemäßheit hervorruft. In vielen Fällen, in denen sorgfältig gehandelt wurde, steht am Ende des sorgfältigen Handelns eine materielle Entscheidung zwischen zwei, sich möglicherweise in der Schadenserwartung oder im konkreten Saldierungsvergleich unterscheidende, Alternativen, deren Pflichtgemäßheit die Sorgfaltsgemäßheit nicht indiziert. Beispiel: Geschäftsführer G holt vor der Beauftragung einer Zulieferfirma diverse Angebote ein. Er genügt damit seiner Sorgfaltspflicht. Das Fehlen einer solchen Eruierung der Entscheidungsgrundlage führt zur Pflichtwidrigkeit, das Genügen dieser Sorgfaltspflicht jedoch nicht zur Pflichtgemäßheit. Vielmehr kommt es in diesem Falle eines schlichten Leistungsaustausches (Zulieferung gegen Geld) darauf an, dass G die preiswertere Firma beauftragt.

572

Vgl. im Ergebnis: LG Mainz NJW 2001, 907.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

c) Zusammenfassung Formelle Pflichtverstöße sind grundsätzlich keine untreueerheblichen Pflichtverletzungen, da die Verletzung von Zuständigkeits-, Verfahrensoder Formvorschriften an sich keine prinzipielle Schadenserwartung im Sinne des funktionalen Kriteriums statuiert. Anderes gilt nur dann, wenn die Nichteinhaltung der formalen Norm ein materielIes Indiz für eine materielle Pflichtwidrigkeit erhebt. Sorgfaltswidriges Handeln im Rahmen von Ermessen stellt eine formelle Pflichtverletzung dar, die untreueerheblich ist, wenn sie mit materiellem Indiz einhergeht, d.h. prinzipiell eine Vermögensschädigung erwarten lässt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es um die Notwendigkeit eines sorgfältigen Ermittelns von Entscheidungsgrundlagen geht. Kommt es jedoch nurmehr auf die materielle Entscheidung selbst an, so fehlt einer formalen Sorgfaltsspflichtverletzung das materielle Indiz und die Feststellung der Pflichtwidrigkeit ist auf die Verschleifung mit der Schadensebene angewiesen. In den Fällen der Verschleifung mit der Schadensebene, führt entsprechend sorgfaltsgemäßes Handeln auch nicht prinzipiell zur Pflichtgemäßheit, da noch eine materielle Entscheidung notwendig ist. 5. Verletzung einer spezifischen Systemlogik außerhalb des Wirtschaftssystems Der Treupflichtige kann im Rahmen untreueerheblicher Pflichtenstellungen Pflichten verletzen, die einen primären Vermögensbezug deshalb vermissen lassen, weil sie Pflichten sind, die sich nach der Logik anderer Systeme als des Wirtschaftssystem orientieren. Hier fragt sich, entsprechend zu formellen Pflichtverletzungen, ob solche Verletzungen spezifischer Systemlogiken außerhalb des Wirtschaftssystems untreueerhebliche Pflichtverletzungen darstellen können. a) Verletzung sportlicher Regeln („Bundesligaskandal-Fall“) Den Gesichtspunkt einer spezifischen Systemlogik außerhalb des Wirtschaftssystems, dem der handelnde Akteur verpflichtet ist, hat der BGH in einer Entscheidung geprägt, in der es um die Untreue eines Vorsitzenden eines Fußballvereins durch die Bestechung von Gegenspielern ging und die Pflichtwidrigkeit unter Verweis auf die Feststellung begründet wurde, dass die „sportlichen“ Zwecke und das sportliche Erfolgsstreben unter „Bewahrung des guten sportlichen Namens“, d.h. die „anerkannten Regeln des

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Sports“ als in diesem Fall vom Wirtschaftssystem abzugrenzendem und leitliniengebendem „System“ missachtet und insoweit pflichtwidrig im Sinne des § 266 StGB die Vereinssatzung verletzt wurden.573 Diese Begründung überzeugt nicht. Eine Entkopplung des Pflichtwidrigkeitsbegriffs von einer ökonomischen Betrachtungsweise widerstrebt der systemischen Funktionalität des Untreuestraftatbestandes und der dogmatischen Kohärenz. Es wäre nicht nachzuvollziehen, wie eine an sich vermögensirrelevante Pflichtverletzung einen Vermögensschaden/-vorteil generieren könnte, da die Untreue weder ein Delikt gegen „sportliche Vergehen“ noch eine Schutznorm „zur Unterstützung des fairen Sports“ ist.574 Dass dem Vorstand eines Vereins besondere Macht über das Vereinsvermögen und damit eine untreueerhebliche Pflichtenstellung eingeräumt ist, steht außer Frage. Die Norm der Satzung allerdings, die im Rahmen seiner Pflichtenstellung „sportliches Verhalten“ abverlangt, begründet jedoch eine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB keineswegs eo ipso, sondern nur nach Maßgabe des funktonalen Kriteriums für untreueerhebliche Pflichtverletzungen. Entsprechend formuliert auch Thomas: „Der Verstoß gegen Gesetze, die dem Schutz des Treugebers dienen, kann Anknüpfungspunkt für die Pflichtwidrigkeit sein, indiziert sie aber nicht“.575 So hat zum Beispiel ein Manager auch durchaus nicht (primär) ökonomische Pflichten (wie Mitarbeiterfürsorge, mediale Repräsentation, Streben nach einem harmonischen Personalbetrieb etc.) zu erfüllen. Diese Pflichten können aber nur insoweit Teil der Vermögensbetretreuungspflicht sein, soweit die fremdsystemischen Zwecke ökonomisiert sind. Oder anders gesagt: Werden diese Pflichten verletzt, liegt nur dann eine untreueerhebliche Pflichtverletzung vor, wenn sie im Sinne des funktionalen Kriteriums ein materielles Indiz besitzen (vgl. schon C. IV. 4. c)). Vor diesem Hintergrund müssen auch sportliche Regeln untreuespezifisch interpretiert werden: stachelt beispielsweise ein den Vereinsmitgliedern aus persönlichen Gründen nicht gut gesonnener Vorsitzender zu Regelverstößen der Spieler an, die den Zweck haben, den Verein zu schädigen, so reift die „sportliche Regel“ zu einer „wirtschaftsrelevanten Regel“. So, wie nach der Intentionalität des Entscheidungsträgers innerhalb unternehmerischer Spielräume zu fragen ist, ob eine Pflichtverletzung vorliegt, so ist auch bei einem Vereinsvorsitzenden mit Handlungsspielraum danach zu fragen, welche objektive wirtschaftliche Intentionalität seiner Handlung inhäriert. D.h. die Satzung, die an sportliches Verhalten appelliert, restringiert das wirtschaftliche Ermessen nur insoweit, als im sportlichen Fehlverhalten eine Vermögenseinbuße zu besor573 574 575

BGH NJW 1975, S. 1234 f. BGH NJW 1975, S. 1234. Bejahend auch Schreiber/Beulke, JuS 1977, S. 658. Thomas, FS-Riess, S. 805.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

gen ist. Das ist regelmäßig der Fall, nicht jedoch, wenn das sportliche Fehlverhalten, wirtschaftlich-intentional betrachtet, einen Vermögensgewinn verspricht. Das beförderte sportliche Fehlverhalten Dritter muss also, um pflichtgemäß im Sinne des § 266 StGB zu sein, eine Typizität hinsichtlich einer Handlung-Vermögensgewinn-Kausalität im wirtschaftlichen Sinne aufweisen. Im Fall der Bestechung von Spielern einer gegnerischen Mannschaft ist eine Pflichtverletzung also nicht automatisch gegeben, sondern muss nach den Grundsätzen zu sitten- bzw. rechtswidrigen Geschäften von Treupflichtigen beurteilt werden. Eine sitten- oder rechtswidrige Handlung576, die Straf-, Schadensersatzzahlungen oder Rufschädigungen besorgen lässt, ist auch trotz Gewinnaussichten pflichtwidrig, wenn jene in der Gesamtbilanzierung nicht ex ante mit Sicherheit überwiegen. Denn dies widerspräche der objektiven ökonomisch typisierten Gewinnerzielungslogik. Im Falle von Bestechungshandlungen von Spielern einer gegnerischen Mannschaft ist ein solcher Widerspruch gegeben. Hinzu kommt, dass es sich, soweit es um die Vereinbarung zur teilweisen Vorabzahlung („Vorleistungspflicht“) an die Spieler ging577, um eine Zahlung handelte, die lediglich auf eine rechtlich unverbindliche Gegenleistung durch den Beförderten, d.h. auf ein rechtlich nicht abgesichertes abredegemäßes Spielverhalten abzielte, ohne zurückgefordert werden zu können (siehe § 817 S. 2 BGB). Würde man eine Pflichtverletzung nicht annehmen und würde der Spieler abredewidrig gespielt haben, so läge eindeutig ein Vermögensschaden zu Lasten des Vereins vor, ohne dass jedoch eine Untreue bejaht werden könnte. Ein solches Fehlergebnis wird allerdings durch das funktionale Kriterium vermieden, welches eine Antizipation wirtschaftlichen Sinns im Sinne einer objektiven typisierten Intentionalität verdeutlicht. Ein rechtlich nicht abgesichertes Geschäft basiert allein auf einem persönlichen Vertrauen, welches sich eben nicht nach dem Maßstab der objektiv-typischen wirtschaftlichen Prozesslogik vollzieht.578 576 § 138 BGB inkorporiert über das Merkmal „Sittenwidrigkeit“ möglicherweise – im Gegensatz zu § 266 StGB – direkt die Regellogik des Sports. In jedem Falle liegt die Nichtigkeit aufgrund § 134 BGB i. V. m. § 299 StGB vor. 577 Vor dem Spiel erhielten die Spieler 30.000 DM. 578 Insoweit könnte man die Vorleistung des Vereins als wirtschaftlich unsorgfältiges Risikogeschäft betrachten. Auf Erfolge geschäfts- und sittenwidriger Geschäfte, deren Bestand nur von der Willkür („Vertragstreue“) der Bestochenen abhängt, zu vertrauen, ist hinsichtlich der Vorauszahlungen an die bestochenen Fußballer riskant und das Risiko eines Vertrauensbruchs von Personen ist schwerlich quantifizierbar (vgl. Luhmann, Vertrauen, S. 29 f., Fn. 4). Insofern liegt es nahe von einem „unwirtschaftlichen“ Risikogeschäft zu sprechen.

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Dass der Restbetrag der Bestechungszahlungen nach abredegemäßem Spielverhalten gezahlt worden ist, begründet keinen selbstständigen Anhaltspunkt für eine Pflichtwidrigkeit, da das Manipulationsgeschäft als Einheit zu betrachten ist.579 Dieses Ergebnis verfängt im vorliegenden Fall schon deshalb, weil eine Nichtzahlung mit einer erheblichen schadenstauglichen Aufdeckungs- und Denunziationsgefahr verbunden war.580 b) Verstöße gegen „moralische Normen“ Beispiel: Ein Mitarbeiter einer religiösen Einrichtung mit karitativer Ausrichtung hat sich verpflichtet im Rahmen seiner Vermögensbetreuung getreu den Regeln jener Religionsgemeinschaft zu verhalten. Er fährt mit regelwidrigen Geschäftsverhalten, welches jedoch ökonomisch sorgfaltsgemäß ist, einen Gewinn ein.

Grundsätzlich gilt, dass eine Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 266 StGB aufgrund des Verstoßes gegen moralische oder religiöse Verhaltenspflichten nicht deshalb vorliegt, weil solchen Verhaltenspflichten aus moralischer oder religiöser Perspektive nicht entsprochen wurde, sondern nur insoweit als dies ökonomisch gesehen typischerweise vermögensschädigend sein kann bzw. soweit es sich – wie hier – um einen ausdrücklich erklärten Treugeberwillen handelt und zumindest ein materieller Vermögensbezug vorliegt (siehe C. IV. 2. e)). Die vertragliche Verpflichtung, die an religiös motiviertes Verhalten appelliert restringiert das wirtschaftliche Ermessen insoweit, als in jenem Fehlverhalten eine Vermögensbeeinträchtigung zu besorgen ist. Es ist danach zu fragen, ob die Verletzung der vertraglichen Regelung als solche prinzipiell ökonomische Relevanz aufweist, so zum Beispiel, wenn das Verhalten des Betroffenen bei den Mitgliedern oder Sympathisanten publik wird und die Vereinigung – ökonomisch erwartbar – erhebliche Spendeneinbußen hinzunehmen hat (Allerdings mangelt es hier an der Unmittelbarkeit des Vermögensschadens (siehe dazu D. II. 2. a)). Ähnliches gilt für den Fall, dass ein Vormund den Mündel zu eigener Gesundheitsbeschädigung veranlasst und sich durch die Behandlungskosten das Mündelvermögen schmälert. Auch hier ist die Pflichtverletzung nicht zwingend mit einer wirtschaftlichen Schadenserzeugungslogik verbunden. Ist sie es aber, so mangelt es auch hier am Unmittelbarkeitszusammenhang.581 579 Vgl. BGH NJW 1975, S. 1235; Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 75. Zwar wäre die Gegenleistung von dem bestochenen Spieler nicht einklagbar gewesen, eine Zahlungsverweigerung hätte jedoch zwangsläufig zur Aufdeckung der Bestechung geführt. 580 Es würde wohl möglich bekannt, dass der Verein Bestechungszahlungen leistete und darüber hinaus noch den Bestochenen prellt: in diesem Sinne auch Schreiber/Beulke, JuS 1977, S. 658 f.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

c) Zusammenfassung Eine untreueerhebliche Pflichtverletzung ist allein unter dem Gesichtspunkt der materiellen treugeberischen Vermögensinteressen sowie der prinzipiellen Erwartbarkeit von Vermögensschädigungen zu beurteilen. Eine darüber hinausgehende Instrumentierung des § 266 StGB für externe Regelungsziele582 scheitert an seiner funktionalen Schutzrichtung. Bedeutung für die Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 266 StGB erlangen Verletzungen einer spezifischen Systemlogik außerhalb des Wirtschaftssystems nur dann, wenn sie ein materielles Indiz besitzen, das auf das Wirtschaftssystem dergestalt zurückverweist, dass prinzipiell eine Vermögensbeeinträchtigung zu erwarten ist. 6. Untreue und Risiko a) Risiko als strukturelle Konstante der Wirtschaft und wirtschaftlicher Unternehmungen Unternehmerisches Handeln birgt immer eine Ungewissheit. Damit ist nicht bloß „die Gefahr von individuellen Fehlbewertungen und Fehleinschätzungen“ gemeint, „der jeder Unternehmensleiter, mag er auch noch so verantwortungsbewußt handeln, ausgesetzt ist“.583 Die Intentionalität des freien unternehmerischen Handelns ist vielmehr grundsätzlich auf Handlungstypen bezogen, die zwar auf einen erwiesenen Vermögensvorteil gerichtet sind und die innerhalb des formalen Modus sorgfältiger und gewissenhafter Operationalität vollzogen werden, die aber generell in ihrem konkreten Effekt noch unerprobt sind. Denn freies unternehmerisches Handeln bedeutet immer auch das Entdecken und Erproben neuer oder abgewandelter unternehmerischer Strategien.584 Risiko ist insofern strukturelle Konstante einer dynamischen Wirtschaft, die sich in gewissen Hinsichten nach einem trial-and-error-Prinzip entwickelt. Welches Produkt auf den Markt kommen, welche Werbestrategie verfolgt werden oder welcher Marktsektor erschlossen werden oder welche Produktinnovation erforscht werden soll, 581

Siehe Cramer, S. 65 f. Diese Aufgabe ist ohnehin eine solche, die originär anderen Rechtsgebieten obliegt: siehe beispielsweise Kübler, Verrechtlichung von Unternehmensstrukturen, S. 218 ff., 225 ff. 583 BGH NJW 1997, 1927; siehe auch Ayasse, S. 48 f.; Samson, Gesellschaftsrecht in der Diskussion, S 113. 584 Siehe etwa die Strategien zur Erschließung neuer unternehmerischer Leistungsbereiche (Entwicklung neuer Produkte auf neuen Märkten), Ansoff, HBR 1957, S. 113 ff. 582

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sind Fragestellungen, bei denen stets Ermessensspielräume vorhanden sind, die aber auch immer implizieren, dass eine andere Alternative sich ex post doch als die effizientere offenbart. Das Wirtschaftssystem befindet sich nicht in einem Gleichgewicht (siehe B. II. 1.), sondern unterliegt zur Erreichung einer Binnen- und intragesellschaftlichen Stabilisierung einer Varietät von Zuständen und Selbstveränderungspotentialen585. Das ermöglicht „ständig interne Möglichkeiten jenseits des verfügbaren Wissens [zu] erproben“. Der „Verfall der Bindung an den fremden Willen und die im gleichen Maße steigende Artifizialisierung“ zwingt dazu, die Wirtschaft als System von „Ideenpopulationen“ zu begreifen. „Die systemische Rationalität besteht in der Erhaltung des Such- und Reproduktionsprozesses selbst, nachdem eine teleologische Ordnung ihr Fundament verloren hat“.586 Das Entscheidungen treffende Individuum wird in die Lage versetzt, unter pluralen Möglichkeiten, also unter Ungewissheit zu entscheiden. Die Entscheidbarkeit bei Unentscheidbarkeit (und das daraus abzuleitende trial-and-error-Prinzip) macht das Unternehmen als Organisation zu einem „kollektive Lernfähigkeit ermöglichenden (produktiven) Wissenssystem“587, kurz: zu einem Lernsystem. Darin liegt sowohl das Potential als auch der Anspruch an Strategien zur Verkleinerung von Risiken zu Gunsten einer vorteilhaften Entwicklung des Unternehmens. b) Das Risikogeschäft aa) Definition und Begriff Die professionelle Verwaltung von Vermögen in modernen Wirtschaften zum Zwecke der Vermögensmehrung kommt nicht ohne risikoträchtige Rechtsgeschäfte aus. Thomas weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass „jede geschäftliche Entscheidung, die mit finanziellem Aufwand verbunden ist“ die „Gefahr des Verlustes im Sinne eines Fehlschlags der intendierten Ziele oder der nicht adäquaten Gegenleistung“ beinhaltet, d.h. das Risiko der Schlechtoder Nichtleistung in sich birgt.588 Gleichwohl schließt diese wirtschaftliche 585

Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, S. 112. Siehe Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, S. 136 f., 139. 587 Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, S. 203; Luhmann, Soziologische Aufklärung, S. 212. Wirtschaftsunternehmen sind am Wirtschaftssystem partizipierende Systeme: Luhmann, Wirtschaft der Gesellschaft, S. 94 Fn. 6. 588 Thomas, FS-Riess, S. 800. Diese Definition deckt sich mit der wirtschaftswissenschaftlichen: „Ein Risiko ist die sich aus der Wahl einer konkreten Handlungsalternative ergebende Möglichkeit eines Schadens [. . .], die durch objektiv und/oder 586

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

Realität nicht aus, dass, wie es von Thomas kritisiert wird, das „Risikogeschäft“ als Sonderfall untreueerheblicher Geschäfte behandelt wird. Es kommt nämlich auf die Definition eines „Risikogeschäfts“ an, welches an dieser Stelle nicht mit einem (hinsichtlich seines Erfolges generell riskanten) Rechtsgeschäft gleichgesetzt werden soll. Ein Risikogeschäft ist also nicht – entgegen weitläufig verbreiteter Ansicht – ein Rechtsgeschäft, für das nur „wesentlich ist, dass die Prognose, ob die fragliche Maßnahme zu einem Gewinn oder Verlust führt, mit einem erhöhten Maß an Ungewissheit belastet ist“589 und damit extrinsische Risiken weitgehend mitumfasst und zu Abgrenzungsschwierigkeiten führt. Von einem Risikogeschäft ist hier vielmehr dann auszugehen, wenn ein solches Rechtsgeschäft ein immanentes Erfolgsrisiko trägt, dessen Risikoträchtigkeit nicht bereits durch Rechtsansprüche kompensiert ist. Derartige Rechtsansprüche gründen etwa auf einem persönlichem Vertrauensbruch (vgl. § 123 BGB) oder der Schlecht- oder Nichtleistung (vgl. etwa §§ 280 ff. BGB). Ein Risikogeschäft indessen trägt ein geschäftsimmanentes Risiko des Vermögensverlustes in sich: sein Geschäftsgegenstand ist abhängig von privatautonom „gewollten“ wirtschaftsimmanenten Risiken. Weil die Eingehung des Risikos bzw. Risikovereinbarung Teil der Privatautonomie ist, verhält sich das Recht zu diesen Risiken indifferent. Da der Vermögensinhaber nur die mehr oder weniger günstige Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts erwirbt, kann er sich im Nachhinein weder auf Nicht- oder Schlechtleistung berufen. Erfüllungschancen sind deshalb bei risikobasierten Verträgen nach Wahrscheinlichkeit ihrer Realisierung ökonomisiert, d.h. die Wahrscheinlichkeit des Fehlschlags ist in der Gegenleistung „eingepreist“.590 Der Erfolg des Risikogeschäfts knüpft dabei grundsätzlich abgehoben von rechtlich gebundenen Einzelakteuren an die wirtschaftliche Eigenlogik an. So ist ein Spekulationsgeschäft an der Börse nicht steuerbar, eine Kreditvergabe an einen Unternehmer hängt, wenn es ein zweckgebundener Kredit ist, von dem Erfolg des finanzierten Geschäfts ab, der Verkauf von gesubjektiv unsicherer Ereignisse endogener als auch exogener Art außerhalb der Kontrolle des Entscheidungsträgers begründet wird“, Ripperger, S. 19. 589 Wassmer, S. 7 ff. m. w. N.; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 20; noch weitergehend Hillenkamp, für den ein Risikogeschäft eine „geschäftliche Disposition, die eine Fehlentscheidung sein kann“, ist (NStZ 1981, S. 165; zu den Definitionsansätzen a. a. O., S. 162 f. m. w. N.). Siehe dazu auch Rose, wistra 2005, S. 282 f.; Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 634. 590 Deshalb setzt, wie Ayasse (S. 49) meint, der Risikogeschäftscharakter nicht zwingend voraus, dass zwischen Leistung und Erreichen des Geschäftsziels eine zeitliche Differenz besteht. Mit dem Erwerb der Chance ist das Geschäft im Grunde getätigt. Dort, wo beispielsweise mit Chancen, Optionen, Anwartschaften etc. gehandelt wird, kommt es den Beteiligten mitunter gar nicht auf die Realisierung an.

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winnbringenden Unternehmensteilen zum Zwecke der Fokussierung anderer spezialisierter gewinnträchtiger Teile von den tatsächlichen Unternehmensund Marktentwicklungen oder selbst ein einfacher Kredit ist nicht unabhängig von nicht exakten Liquidierungsaussichten der Sicherheiten usw.591 (zu Geschäften, die das Risiko von Schadensersatz- oder Sanktionsfolgen mit sich bringen, siehe C. IV. 7.; D. II. 5. b) bb)). bb) Die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht bei Risikoentscheidungen (inkl. Risikogeschäften) innerhalb unternehmerischer Ermessensentscheidungen Die Auslegung der Vermögensbetreuungspflicht orientiert sich auch bei Risikogeschäften an dem Inhalt und dem Zweck des ihr zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses, meistens eine Vereinbarung, wenn nicht auch eine Satzung oder eine gesetzliche Regelung.592 Bei qua Treuabrede konsentierten Risikoentscheidungen entfällt regelmäßig die Pflichtwidrigkeit. Nur wenn riskante Geschäfte aufgrund materieller Bestimmungen des Innenverhältnisses dezidiert verboten sind, liegt bei Abschluss eines riskanten Geschäfts schon ohne Weiteres ein Befugnismissbrauch vor, ebenso wenn riskante Geschäftstätigkeiten im Innenverhältnis ausdrücklichen grundsätzlichen Einschränkungen (sog. Treuabreden mit ausdrücklichen Aussagen zum „Risikokorridor“ bzw. zur „Risikoattitüde“/„Risikopolitik“) unterliegen, welche vom Treupflichtigen übertreten werden.593 Insoweit riskante Geschäfte im Ermessen getätigt werden dürfen, stellt sich jedoch die Frage danach, wann diese pflichtwidrig im Sinne des § 266 StGB sein können. (1) Pflichtwidrigkeit durch mangelhaftes Risikomanagement Gemäß dem funktionalen Kriterium untreueerheblicher Pflichtverletzung kommt dem Treupflichtigen die Pflicht nur so zu handeln, dass prinzipiell keine Vermögensschädigung zu erwarten ist. Darunter fallen auch formelle 591

Vgl. die Übersicht bei Wassmer, S. 10 m. w. N. Eine gesetzliche Eingrenzung des Risikobereichs findet sich beispielsweise in §§ 1802 ff. BGB (Vermögensverwaltung durch den Vormund). Zu Risikogeschäften eines Testamentsvollstreckers: BGH GA 1977, S. 342 f. Zu den Schranken des konsentierten Risikos siehe auch Hillenkamp, NStZ 1981, S. 167 f. 593 Siehe Wassmer, S. 32 ff., 148 f.; Rose, wistra 2005, S. 286; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 21. Ein Beispiel für die Beschränkung von Spekulationsgeschäftstätigkeiten bildet das Stiftungswesen, für das die Stiftungsaufsicht landesspezifische Maßstäbe aufgestellt hat, die nur eine begrenzte Anlage des Stiftungsvermögens in Wertpapiere erlauben, siehe Saliger, Non profit law yearbook 2005, S. 215 m. w. N. 592

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

Pflichten, wie die Sorgfaltspflicht, wenn diese eine materielle Pflichtwidrigkeit indizieren (siehe C. IV. 4. c)). Eine solche Sorgfaltspflicht könnte sich im Rahmen von Kreditgeschäften auf die Implementierung eines Risikomanagements konkretisieren. Eine Pflichtwidrigkeit eines Risikogeschäfts im Rahmen von Ermessensspielräumen, kommt also zunächst dann in Betracht, wenn es an einem Risikomanagement mangelt. (a) Die Funktion eines Risikomanagements Risikogeschäfte zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf einer Entscheidung unter unvollkommener Information beruhen. Unabhängig davon ob sie Kapitalanlagen, Investitionen, Marketing-, Sanierungsmaßnahmen oder Produktionsmethoden betreffen, beinhalten sie immer Unsicherheit, d.h. Spekulation und „Irrationalität“. Im Extremfall ist der Mangel an Information so groß, dass von einem vollständigen Informationsmangel, d.h. vollkommener Ignoranz gesprochen werden muss.594 Gleichwohl bzw. gerade deshalb gibt es in der Risikowirtschaft eine Rationalität rational begrenzter Risiken, also eine Logik zur Schadensvermeidung. Diese Rationalität findet ihren Ausdruck im Risikomanagement. Darunter versteht man sämtliche Methoden, Konzepte und Verfahrensweisen zur Kalkulierung und Kontrollierung von Verlustrisiken, um die bestmögliche Entscheidung treffen zu können. Verwandte Begriffe aus der ökonomischen Praxis sind in diesem Zusammenhang Operations Research, Risikoanalyse, Risk Management, Risikocontrolling, Risikoallokation oder die Implementierung effektiver Risikokontrollsysteme. Risikoabsicherungssysteme zeugen davon, dass eine wirtschaftliche Risikoentscheidung keine pure unkalkulierbare Zufallsentscheidung ist, sondern in bestimmten Maßen stochastischen Gesetzlichkeiten folgt, die bei immer größerem Informationsvolumen immer genauere Entscheidungsgrundlagen hervorbringen und damit faktisch berechenbarer werden (siehe schon bei C. IV. 6. b) zum Phänomen „Lernsystem“). Ein Risikomanagement ist integraler Bestandteil einer wirtschaftlich vernünftigen Unternehmensführung.595 Danach hat der Geschäftsführer in der konkreten Entscheidungssituation alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art auszuschöpfen und auf dieser Grundlage die Vor- und Nachteile der bestehenden Handlungsoptionen sorgfältig abzuschätzen und den erkennbaren Risiken Rechnung zu tragen. 594

Siehe Wöhe, S. 155 ff.; siehe auch Wassmer, S. 5 ff., 62 ff. m. w. N. Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 31, Rn. 172; -Nack, § 66, Rn. 160 ff.; Meinecke, S. 32 ff.; Mosiek, wistra 2003, S. 371 ff.; Mensch, S. 8 ff.; Wöhe, S. 162 ff.; Schlösser/Dörfler, wistra 2007, S. 329 f.; Wassmer, S. 62 ff. 595

IV. Funktionstheoretisch fundierte Konkretisierung

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(b) Mangelhaftes Risikomanagement als formelle Pflichtverletzung mit materiellem Indiz Die Umsetzung von Risikosteuerungssystemen und die Verfahren zur Risikobegrenzung werden in einigen Fällen durch bestimmte gesetzliche Regelungen verlangt und näher bestimmt (beispielsweise § 91 Abs. 2 AktG). Deren Einhaltung ist auch Voraussetzung für eine im Sinne des § 266 StGB pflichtmäßige riskante Geschäftstätigkeit.596 Die Begründung ergibt sich aus dem funktionalen Kriterium. Danach sind auch formelle Pflichtverletzungen untreueerheblich, wenn sie materiell Indiz für eine zu erwartende Schadenserzeugung sind. Eine unzureichende Informationsbeschaffung und -bewertung als Grundlage von Investitionen von Vermögen lässt prinzipiell Schädigungen erwarten, weil mit dem Grad der Spekulation im Prinzip die Wahrscheinlichkeit des Verlustes steigt. Das funktionale Kriterium erlaubt daher auch eine Bewertung für die Fälle, in denen konkrete rechtliche Bestimmungen über das „Ob“ und das „Wie“ eines Risikomanagements fehlen. Aufgrund vielfältiger, komplexer Methoden, die die Betriebswirtschaftslehre für Risikomanagements bereithält und der prinzipiell vorhandenen Unsicherheiten in ihren Anwendungen, kann ohne eine gesetzliche Umschreibung, kein hinreichend konkretes Risikomanagementssystem als Voraussetzung der Pflichtgemäßheit riskanter Geschäfte statuiert werden.597 Soweit keine rechtliche Grundlage die Errichtung und Anwendung des Risikomanagements einfordert und konkretisiert, kann aus dem funktionalen Kriterium der Pflichtverletzung allenfalls, aber immerhin, ein „Ob“ eines Risikomanagements für Risikohandlungen im Rahmen eines Ermessens abgeleitet werden. Fehlt gänzlich ein auf die Gewinnererzeugung gerichtetes Risikomanagement nach Maßgabe ökonomischer Rationalität, d.h. operiert der Entscheidungsträger risikogeneigt ohne jede Vorausberechnung des Risikos (Kalkülisierung) oder setzt er alles „auf eine Karte“ (zum Beispiel bei mangelhafter Risikostreuung), handelt er letztlich nach „Art eines Spielers“, so liegt 596 Ausführlich zur Qualifikation von § 91 Abs. 2 AktG und anderen gesellschaftsrechtliche Risikosteuerungspflichten als untreueerhebliche Vermögensbetreuungsflichten: Mosiek, wistra 2003, S. 373 ff.; Preußner/Becker, NZG 2002, S. 846 ff. Auch der Deutsche Corporate-Governance-Kodex (vom 06. Juni 2008) sieht Einrichtung von Risikomanagement und -controlling für börsennotierte Gesellschaften vor, siehe: http://www.corporate-governance-code.de/ger/kodex/index. html; siehe auch unter Abschnitt D. I. 4. und E. II. 597 Siehe Mosiek, wistra 2003, S. 374; Rose, wistra 2005, S. 282 f.; Wassmer, S. 75.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

Pflichtwidrigkeit vor.598 Wann ein solches Handeln in concreto hinreichend ist, kann sich jedoch, wie gesagt, nicht allgemein aus dem funktionalen Kriterium ergeben, da nur das „Ob“ prinzipiierbar ist. Dennoch lässt sich sagen, dass auch die Pflicht zu einem Risikomanagement selbst Mindestanforderungen an die Ausgestaltung stellt, bei deren Realisierung es sich überhaupt erst um ein Risikomanagement im Sinne der Definition (siehe C. IV. 6. b) bb) (1) (a)) handelt. Es muss etwa Konzepte zur Informationsbeschaffung und -auswertung erhalten. Zudem muss es allgemeinen formalen Sorgfaltsgesichtspunkten entsprechen, die sich am Maßstab eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers sowie den geschäftlichen Gepflogenheiten messen lassen müssen.599 Beispielsweise muss unter dem Blickwinkel erforderlicher Sorgfalt ein Risikomanagement prinzipiell umso komplexer ausfallen, je komplexer sich die wirtschaftliche Situationstypik erweist. Sind für die Entscheidung notwendige und in zumutbarer Weise erlangbare Informationen nicht beschafft und geprüft worden, so spricht das für eine Überschreitung der Grenze eines verkehrsüblichen Risikoverhaltens.600 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass unspezifizierte Risikoentscheidungen dann pflichtwidrig im Sinne des § 266 StGB, wenn der Risikoentscheidung kein Risikomanagement zugrunde liegt und aus diesem Mangel prinzipiell eine Vermögensgefährdung (Schadenserwartung) hervorgeht. (2) Materielles Kriterium der Pflichtwidrigkeit bei Risikoverhalten im Ermessen (a) Notwendigkeit einer Verschleifung von Tathandlung und Vermögensebene Die Implementierung eines Risikomanagements ist ebenso wenig hinreichend für eine Pflichtgemäßheit wie es das Einhalten der allgemeinen Sorgfaltspflicht ist (siehe C. IV. 4. b)), denn am Ende einer adäquaten Risikoanalyse steht eine materielle Entscheidung. Die formelle Pflichtwidrigkeit 598 RGSt 61, 213; 66, 262; BGH NJW 1975, S. 1236; BGH wistra 1982, S. 150; Schreiber/Beulke, JuS 1977, S. 658. Die sog. „Spieler-Formel“ des BGH wird hier als formelles Kriterium behandelt. Kritisch zur Verschleifung von Pflichtwidrigkeit und Schaden in der Verwendung durch den BGH: Rose, wistra 2005, S. 286 ff. 599 Siehe dazu BGHSt 46, 34; BGH NStZ 1990, S. 437; Arnold, Jura 2005, S. 846; Rose, wistra 2005, S. 288 f.; Kohlmann, JA 1980, S. 231; Hillenkamp, NStZ 1981, S. 167. 600 Siehe BGHZ 152, 280 ff.; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 21; Günther, FSWeber, S. 311 f.; Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 31, Rn. 157 ff., 167 ff. m. w. N.; Müller-Gugenberger/Bieneck-Nack, § 66, Rn. 109, 160 ff.; Arnold, Jura 2005, S. 846 f. m. w. N.

IV. Funktionstheoretisch fundierte Konkretisierung

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mit materiellem Indiz, d.h. die Anforderungen an einen ehrlichen und gewissenhaften Vermögensverwalter zur Implementierung eines Risikomanagements im Rahmen eines Risikoentscheidungsverfahrens bei Ermessen sind zwar hinreichend, um formales Fehlverhalten (mit materiellem Indiz) zu bestimmen. Sie müssen aber weitergehend für die Bestimmung fehlerhaften materiellen Risikoverhaltens ergänzt werden, da sie nicht aus sich heraus erschließen lassen, nach welchem Kriterium die Entscheidung zu treffen ist, d.h. Chancen zu verfolgen bzw. Risiken einzugehen sind. An dieser Stelle zeigt sich, dass bei Risikogeschäften im Ermessen die Notwendigkeit einer Verschleifung mit der Schadensebene gegeben ist, um den materiellen strafrechtsautonomen Maßstab des funktionalen Kriteriums zu konkretisieren601 (siehe C. IV. 2. d) cc) (3)). Dabei helfen in Rechtsprechung und Lehre verwendete Begriffe wie „noch vertretbar“/„schon unvertretbar“, „sozialadäquates Verhalten“ sowie das „wirtschaftlich erlaubte“ bzw. branchen- oder „verkehrsübliche Risiko“602 nicht wesentlich weiter, um die Ebene der formellen Verpflichtung zu verlassen, da sie selbst materiell höchst unterbestimmt sind. Diese Kriterien nehmen nämlich gar nicht oder unzureichend auf den Preis der Chance Bezug. Unternehmerische Ermessensentscheidungen, die Risikogeschäfte sind, müssen sich aber immer auf die Risikohaftigkeit des Entschiedenen beziehen, sodass es für die Bestimmung ihrer Pflichtgemäßheit darauf ankommt, ob das unmittelbar Erlangte, nämlich die Chance gegenüber dem Risiko einen Vermögensvorteil einbringt. Eine völlige Aufspaltung von Pflichtverletzung und Vermögensschaden ist hier nicht möglich, weil die Frage wann das Eingehen eines Risikos pflichtwidrig ist, verbunden ist mit der Frage danach, inwieweit die Chance einen Vermögensvorteil bezeichnet. Wie aber lässt sich das Eingehen von Risiken und Chancen so ökonomisieren, dass in ihrer Verfolgung ein pflichtgemäßes Handeln zu sehen ist? (b) Der materielle Maßstab für pflichtwidriges Risiko: statistischer Erwartungswert oder Gewinnwahrscheinlichkeit? Die „kaum überschaubare Zahl“ von Risikodefinitionen und Risikobewertungsansätzen durch statistische Parameter603 zeigt die Abhängigkeit von 601 BGH NJW 2008, S. 2452 m. w. N.; Ayasse, S. 106, Fn. 97; Fischer, § 266, Rn. 44a. 602 Siehe jeweils mit weiteren Nachweisen Fischer, § 266, Rn. 44a; Schreiber/ Beulke, JuS 1977, S. 658; Wassmer, S. 27 ff.; Hillenkamp, NStZ 1981, S. 164; Nelles, S. 572 f.; Tiedemann, FS-Weber, S. 325 f.; Bringewat, JZ 1977, S. 669 f. 603 Meinecke, S. 22 ff.; Wassmer, S. 5 ff., 65 ff. m. w. N.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

ihrem Anwendungsbereich und ihrem wissenschaftlichen Hintergrund mit je unterschiedlichen Erkenntnisgewinnungszwecken. Das wirtschaftlich adäquate Risikoverständnis ist ein verteilungsorientiertes, welches auf einer objektiv-mathematischen, wahrscheinlichkeitsbezogenen Risikokalkulation beruht.604 „Risiko ist die Summe aller Möglichkeiten, dass sich die Erwartungen [. . .] nicht erfüllen. Die Ereignisgrößen und Wahrscheinlichkeiten dieser Möglichkeiten [. . .] beschreibt das Ausmaß des Risikos“.605 Das Risiko steht daher grundsätzlich auch einer Chance gegenüber: Risiko und Chance sind komplementäre Begriffe. Spekulatives Risiko erfasst also sowohl positive wie negative Abweichungen von dem gesetzten Ziel.606 Im Rahmen des Pflichtwidrigkeits- und Schadensmerkmals kann jedoch nur ein (betriebs-)wirtschaftliches Verständnis zum Zuge kommen, das eine wirtschaftliche Bewertung unsicherer Leistungen und Gegenleistungen unter Bezugnahme auf den wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriffs (dazu bei D. I.) erlaubt. So ist eine Quantifizierung des Risikos im Rahmen des Untreuetatbestands nicht isoliert als mathematische Größe bedeutsam, sondern muss, ganz im Sinne des funktionalen Kriteriums, eine Quantifizierung der zu erwartenden Schädigung darstellen. Der abstrakte Vermögensbezug des funktionalen Kriteriums verdichtet sich durch diese Quantifizierung auf die konkrete Verlusterwartung und damit auf die Schädigung selbst (siehe D. II. 4. c) aa) (1)). Eine quantifizierte Darstellung der Realisationsmöglichkeiten (Risiken und Chancen) und der ihr zugehörigen Realisierungswahrscheinlichkeiten bietet der Erwartungswert.607 Ist X eine diskrete Zufallsvariable mit den Realisationsmöglichkeiten x1, x2, . . . und den jeweiligen Realisierungswahrscheinlichkeiten p1, p2, . . ., dann errechnet sich der Erwartungswert E [X] zu: E ½XÅ ã €x ã

n X

xi pÈxi ê

iã1 604

Meinecke, S. 23 f.; Neumann, S. 20. Meinecke, S. 29. Entsprechend aucb Rappaport, S. 22; Neumann, S. 22. 606 Mensch, S. 18. 607 Zur statistischen Herleitung und Bedeutung: Schlittgen, S. 170 ff. Diskret meint in Abgrenzung zu stetigen Zufallsvariablen die Abzählbarkeit der Realisationsmöglichkeiten. Zum Erwartungswert bei stetigen Zufallsvariablen, a. a. O., S. 221 ff. Zur Anwendbarkeit auf Risikogeschäfte, Wassmer, S. 68 f. Dagegen scheidet eine Anwendbarkeit des statistischen Parameters Standardabweichung (Varianz) aus, weil die quantifizierte Abweichung vom Erwartungswert nicht hinreichend nach „positiven“ oder „negativen“ Ergebnissen differenziert. Bei der Beurteilung des Risikos im Rahmen des Untreuestrafrechts kommt es aber spezifisch auf die „negativen“ Ergebnisse (Schädigungen) an (siehe dazu a. a. O., S. 69 ff.). 605

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Beispiel: Vermögensverwalter X legt 500 EUR an, die mit einer Wahrscheinlichkeit von 6 mit 100.000 EUR entlohnt werden und andernfalls verfallen. Dabei ist ein zu erwartender Durchschnittsgewinn (Erwartungswert) in Höhe von 600 EUR gegeben. Dieser liegt über dem Einsatz.

Der Erwartungswert stellt auf den ersten Blick die geeignete Quantifizierung der abstrakten Gewinn-/Schadenserzeugungslogik bei riskantem Verhalten dar, denn er sagt aus, mit welchem wirtschaftlichen Effekt man rechnen kann bzw. welchen wirtschaftlichen Wert Risiko und Chance haben. Vergleicht man den Erwartungswert mit der Höhe des eingesetzten Kapitals, also der Leistung des Treunehmers, so kann eine Aussage über das Eintreten eines Vorteils bzw. Nachteils getroffen werden. Durch den Erwartungswert der Risikoentscheidung zeigt sich also eine Rationalität der Risikoplanung, die auf Erzeugung eines positiven Erwartungsnutzens ausgerichtet ist. Ist der Erwartungswert kleiner als die Investition, so steht das Verhalten innerhalb der Logik prinzipieller Schadenserzeugung. Wer 1000 e gibt, aber im Durchschnitt nur 500 e erwarten kann, der nimmt – prinzipiell – eine pflichtwidrige Handlung vor.608 Ein über dem Investierten liegender Erwartungswert ist jedoch kein hinreichendes Kriterium für eine Pflichtgemäßheit (vgl. dazu schon C. IV. 6. b) bb) (2)). Die Orientierung der Pflichtgemäßheit am Erwartungswert ist, wie das eben genannten Beispiel nahelegt, deshalb unzureichend, weil sie nicht darstellt, ob die Gefahr des Verlustes wahrscheinlicher ist als die Chance auf einen Gewinn.609 Und gerade auf dieses materielle Moment ein jeder Risikoentscheidung muss es, wenn man mit dem funktionalen Kriterium untreueerheblicher Pflichtverletzungen auf die Erwartbarkeit von Schädigungen abstellt, ankommen. Daher begehen Rechtsprechung und Lehre den Weg, den Widerstreit zwischen Sicherheit und Rendite mit dem Erfordernis einer „außergewöhnlichen“ Verlustwahrscheinlichkeit aufzulösen, ohne dass das schlichte statistische Renditepotential maßgebend sein soll. Pflichtwidrig sei es daher, wenn 608 Nach Art eines Spielers handelt jemand dann, wenn er zur Abwehr des Risikos nur bereit ist, eine Versicherungsprämie zu zahlen, die unter dem Erwartungswert des Schadens liegt, d.h. wenn er eine Investition tätigt, obschon der Erwartungswert des effektiven Schadens den Erwartungswert des Nicht-Schadens überragt, siehe Schäfer/Ott, S. 408 f. 609 Vgl dazu BGH wistra 1982, S. 150; BGH NJW 1975, S. 1236. Die Kritik an der reinen Orientierung am Erwartungswert hat auch einen statistischen Grund. Der Erwartungswert stellt nämlich ein langfristiges Annäherungsergebnis bei beliebig oft wiederholbaren Entscheidungen dar. Bei nur einer einmaligen Entscheidung bleibt diese Einmaligkeit unberücksichtigt und es wird vielmehr fingiert, dass es unendliche Abfolgen desselben Experiments gäbe, dazu Wassmer, S. 69.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

ein „ehrlicher und gewissenhafter Vermögensverwalter“ die Regeln verletzt, die es nicht erlauben, „das unter Betreuung stehende Vermögen bei Risikogeschäften mit einer außergewöhnlich hohen Gefahr des Verlustes aufs Spiel zu setzen“.610 Dem ist zuzustimmen. Das materielle Kriterium einer Pflichtverletzung im Rahmen von riskanten Ermessenentscheidungen beschränkt sich auf einen prinzipiellen Vermögenserhaltungsgrundsatz, ohne dass es auf eine eigenständige Bedeutung des Erwartungswertes ankäme. Dieser Grundsatz der Vermögenserhaltung ist Ausfluss des funktionalen Kriteriums. Eine Vermögensverwaltung darf also nicht mit besonders renditeträchtigen minimalen Gewinnwahrscheinlichkeiten spekulieren, da der Vermögensverfall regelmäßig nicht gering wahrscheinlich ist. Eine Überbewertung des Renditeerfolgs gilt es daher zu Gunsten der Vermögenserhaltung zu vermeiden. Die Risikobereitschaft hat sich am Erhalt des Vermögens des Treugebers bzw. des Unternehmenswohls zu orientieren611, natürlich nur soweit das Verlustrisiko nicht vom Kapitalgeber in Kauf genommen wurde.612 Deshalb muss die materielle Mindestanforderung an ein Handeln im Rahmen riskanter unternehmerischer Geschäfte sein, ob bei wirtschaftlich vernünftiger, alle bekannten äußeren Umstände berücksichtigender Gesamtbetrachtung die Aussicht auf Gewinnzuwachs wahrscheinlicher ist als Gefahr eines Verlustgeschäftes.613 (c) Ausschließlichkeit formeller (prozeduraler) Kriterien bei Unbestimmtheit materieller Kriterien zur Bestimmung untreueerheblicher Pflichtverletzungen durch Risikoentscheidungen In den meisten Fällen wird jedoch trotz sorgfältigen Risikomanagements eine exakte Gewinn- bzw. Verlustwahrscheinlichkeit nicht ermittelbar sein, sodass es „realitätsfern“ und aus Gründen der Rechtssicherheit bedenklich 610 BGH wistra 1982, S. 148; BGH GA 1977, S. 343; Hillenkamp, NStZ 1981, S. 167; Wassmer, S. 73 ff. m. w. N. 611 Thomas, FS-Riess, S. 807 f. Nicht selten wird die Prädominanz der Sicherheit gegenüber der Rendite noch verschärft, wenn dem Vermögen ein anderer Zweck als die bloße Vermögensmehrung vorangeht, beispielsweise bei Stiftungsvermögen, siehe dazu Saliger, Non profit law yearbook 2005, S. 215 m. w. N. 612 BGH wistra 1996, S. 184; BGH, NJW 1984, S. 801. 613 BGH NJW 1975, 1236 (wobei irrigerweise den Bezug zur Rechtslage bei Risikogeschäften herstellend, so auch Saliger, HRRS 2006, S. 21, Fn. 123); Schönke/ Schröder-Perron, § 266, Rn. 20.

IV. Funktionstheoretisch fundierte Konkretisierung

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ist, eine Pflichtwidrigkeit an eine 51%-Schwelle einer Gewinnwahrscheinlichkeit zu koppeln.614 Zur Feststellung der Pflichtwidrigkeit der riskanten Geschäftspraxis bleibt im Zweifel lediglich die abstrakte Intention im Sinne der Schadenserzeugungslogik. Kann – was eine Seltenheit sein dürfte – auch nicht festgestellt werden, ob ein Geschäft an sich (etwa auch verglichen mit der Praxis anderer Wirtschaftssubjekte) tendenziell gewinn- oder verlustträchtig ist und damit auch konkret in seiner Intention der Schadenserzeugungslogik entspricht, so kann – vorausgesetzt es wird gerade dann zudem noch einer erforderlichen besonderen formellen Sorgfaltspflicht genügt (siehe C. IV. 4. b)) – keine Pflichtwidrigkeit angenommen werden. Bei Unbestimmtheiten und Unwägbarkeiten im Zuge der Feststellung einer Schadenserwartung kann wirtschaftlich Handelnden letztlich nur ein formeller Sorgfaltsverstoß mit prinzipiellem materiellem Indiz zum Vorwurf gemacht werden.615 Wirtschaftliche Entscheidungen im Bereich des auch bei formeller Sorgfalt unvermeidbaren wirtschaftssystemimmanenten Unwissens, d.h. bei Fragen mit strukturellen Zweifeln oder strukturellen Erfahrungs- und Prognosemängeln, begründen keine Pflichtwidrigkeit. Im Zweifel wird also der strukturellen Abhängigkeit der Wirtschaft von Risiken und Experimenten entsprochen und abschreckende Effekte auf die allgemeine Investitionsfreude vereitelt. Beispiel: Geschäftsführer X legt nach für ihn umfassender sorgfältig recherchierter und analysierter Marktrecherche Gesellschaftsvermögen in eine Beteiligung eines relativ jungen, unbekannten Newcomer-Unternehmens an, dessen Entwicklung keine exakten Prognosen zulässt. Es kann nicht genau festgestellt werden, dass die Gewinnwahrscheinlichkeit deutlich oberhalb einer Verlustwahrscheinlichkeit liegt. Die verbreitete Investitionstätigkeit im Rahmen von Unternehmensbeteiligungen an Start-Ups spricht auch prinzipiell nicht gegen deren Tauglichkeit zur Gewinnerzeugung. Dadurch, dass X formell alles Wesentliche unternommen hat, um der Risikoentscheidung prognosetaugliche Daten zu Grunde zu legen und auszuwerten, handelte er mithin nicht pflichtwidrig.

Eine stochastisch nicht hinreichend darstellbare, aber den formalen Sorgfaltsanforderungen entsprechende Risikohandlung (im Rahmen von Ermessen) ist also nur dann pflichtwidrig, wenn sie als solche nach Maßgabe wirtschaftlicher Logik nur auf Schadenserzeugung gerichtet sein kann. 614 Siehe zum Beispiel Aldenhoff/Kuhn, ZIP 2004, S. 110; Wassmer, S. 76 f.; Rose, wistra 2005, S. 286 ff.; vgl. auch Arzt, FS-Bruns, S. 377, Fn. 33; Kritisch zu einer objektiv erlangbaren „Diskontierung der Ewartungssicherheit“ allgemein schon Luhmann, Vertrauen, S. 29 f., Fn. 4 m. w. N. 615 Das materielle Indiz einer besonderen Sorgfalt, eventuell redundanten Prüfungsweite und -tiefe, kann im Rahmen der Pflichtwidrigkeitsbestimmung im Strafverfahren eine nicht hinreichend bestimmbare Gewinnwahrscheinlichkeit überwiegen (siehe zum Beispiel Aldenhoff/Kuhn, ZIP 2004, S. 110). Vgl. dazu auch Rose, wistra 2005, S. 288 f.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

Eine solche mangels materieller Gesichtspunkte notwendige Verlagerung auf formelle Kriterien der Entscheidungsfindung repräsentiert hier am Beispiel von Risikoverhalten auch eine moderne strafrechtliche Regulierungsform, nämlich die der Prozeduralisierung. Darunter versteht man Normativierungen von Verfahren.616 Sind angemessen (materielle) Antworten auf entscheidungsträchtige Rechtsfragen unbekannt, so bestehen an der prinzipiellen Eignung zur Prozeduralisierung als Regelungsstruktur auch im Strafrecht keine Zweifel.617 In einigen Fällen von strafrechtlicher Unterbestimmtheit mögen sie, wie auch hier bei Risikoentscheidungen ohne hinreichenden materiellen Entscheidungsgrund, eine Möglichkeit zu einem konkretisierten Systemabgleich zwischen Recht und Wirtschaft. (d) Der „wirtschaftlich vernünftige Gesamtplan“ als Restriktionskriterium für die Pflichtwidrigkeit bei Risikogeschäften In den Fällen von Risikogeschäften soll die Berücksichtigung des einer Handlung zugrunde liegenden „wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans“ eine Restriktion der Pflichtwidrigkeit markieren, wenn dies Handlung auf einen einheitlichen Erfolg angelegt ist und erst nach einem „Durchgangsstadium“ einen Erfolg erzielen wird. Eine Handlung sei demgemäß pflichtgemäß, wenn sie zwar zu einem temporären Verlust führt, jedoch im Sinne eines „wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans“ letztlich einen Erfolg bezweckt.618 Dabei wird die Restriktion dem Umstand gerecht, dass gerade bei Risikogeschäften gewisse Gewinne erst nach temporären investiven Verlusten erlangt werden können (vgl. D. II. 3. b) ee)). Die Restriktion sei notwendig, weil sie „Entscheidungsspielraum und -freude der Treunehmer“ bewahre. Der risikofreudige Erfolgstyp („Risk Seeker“) entspricht in vielen Fällen nämlich gerade dem Leitbild innerhalb des Management-Recruitments.619 Dem Restriktionsansatz und der bezweckten Wirtschaftsadäquanz ist im Ansatz zuzustimmen. Zweifelhaft ist jedoch, ob es auf der Ebene der Pflichtwidrigkeit von Risikogeschäften eines gesonderten Kriteriums des 616

Siehe nur Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, S. 80 ff. passim. Siehe zuletzt Hassemer, wistra 2009, S. 173 f. 618 Siehe BGHSt 47, 153; vgl. zudem OLG Frankfurt, NStZ-RR 2004, S. 245; LK-Schünemann, § 266, Rn. 137; Lüderssen, FS-Müller-Dietz, S. 469 f.; Nelles, S. 575 f.; Bringewat, JZ 1977, S. 671. 619 Saliger, HRRS 2006, S. 18 f.; Bussmann, Business Ethics und Wirtschaftsstrafrecht, S. 94; Arnold, Jura 2005, S. 846; Samson, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2004, S. 124 f.; Schmidtchen, Wozu Strafrecht? Another View of the Cathedral, S. 26. 617

IV. Funktionstheoretisch fundierte Konkretisierung

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„wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans“ angesichts des – zudem allgemeingültigen – funktionalen Kriteriums überhaupt noch bedarf. Die Frage, ob eine Handlung abstrakt einen Gewinn oder einen Schaden erwarten lässt, ob also einer Handlung eine Schadenserzeugungslogik inhäriert, antizipiert bereits abstrakt die wirtschaftliche Zukunft (siehe C. IV. 2. d) cc) (2)). Die prinzipielle Erwartbarkeit eines Gewinns im Sinne einer Gewinnerzeugungslogik ist damit begriffsähnlich zu dem, was eine wirtschaftlich vernünftige Gesamtplanung beschreibt. Das Kriterium des „wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans“ deutet in unbestimmter Weise an, was das funktionale Kriterium im Sinne einer Wirtschaftsadäquanz verallgemeinerbar zur Restriktion der Pflichtwidrigkeit zu leisten vermag. Im Rahmen von Risiko- und Investitionsgeschäften bei unternehmerischen Ermessensentscheidungen konkretisiert sich jedoch das Prinzip der Handlung auf die konkrete Saldierung, soweit anderweitige Anhaltspunkte für die Pflichtwidrigkeit nicht vorhanden sind (C. IV. 6. b) bb) (2) (a)) Damit wird eine vorausgreifende Betrachtung auf einen potentiellen Vermögensschaden, d.h. die Beurteilung der Handlung anhand eines konkreten Saldierungsergebnisses notwendig. Der „wirtschaftlich vernünftige Gesamtplan“ bestätigt zwar die Notwendigkeit eines Vorgriffs auf die Schadensebene in bestimmten Fallkonstellationen, liefert dabei aber keinen materiellen Maßstab für ein pflichtwidriges Risikogeschäft. Er reklamiert lediglich eine überzeugende Methode der Saldierung, nämlich die Gesamtbetrachtung eines wirtschaftlichen Komplexes. Folgerichtig macht Saliger darauf aufmerksam, dass die Restriktion mit Hilfe des wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans im Grunde eine in die Tathandlung vorgezogene Berücksichtigung der Schadenskompensationstauglichkeit von Gewinnchancen bedeute.620 Anlehnend an die Forderung von Aldenhoff und Kuhn621, soll das Kriterium „wirtschaftlich vernünftiger Gesamtplan“ daher auch lediglich auf der Stufe der Schadenskompensation eine eigenständige dogmatische Stellung erhalten (siehe dazu bei D. II. 3. b) ee)). (e) Zusammenfassung Die Pflichtwidrigkeit einer Risikoentscheidung bestimmt sich materiell anhand der Gewinn-Wahrscheinlichkeit, nicht anhand des Erwartungswertes (als Maßstab für die wahrscheinliche Gewinnhöhe). Materielle Mindestanforderung an ein Handeln im Rahmen riskanter unternehmerischer Geschäfte ist, ob bei wirtschaftlich vernünftiger, alle bekannten äußeren Um620 621

HRRS 2006, S. 19; ders, Parteiengesetz, S. 142 ff., 146. Aldenhoff/Kuhn, ZIP 2004, S. 108.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

stände berücksichtigender Gesamtbetrachtung die Aussicht auf Gewinnzuwachs wahrscheinlicher ist als die Gefahr eines Verlustgeschäftes. Dadurch wird einem Vermögenserhaltungsgebot genügt, welches Ausdruck des funktionalen Kriteriums untreueerheblicher Pflichtverletzungen ist. Bei Unbestimmtheiten und Unwägbarkeiten bei der Feststellung einer Schadenserwartung kann wirtschaftlich Handelnden letztlich nur ein formeller Sorgfaltsverstoß mit prinzipiellem materiellem Indiz zum Vorwurf gemacht werden. Ist eine prinzipielle Schadenserwartung nicht gegeben und eine Gewinn-/Verlustwahrscheinlichkeit einer Risikohandlung nicht hinreichend darstellbar, entspricht diese aber den formalen Sorgfaltsanforderungen, so ist im Zweifel keine Pflichtwidrigkeit gegeben. c) Sonderfall: Kreditgeschäfte aa) Pflichtwidrigkeit einer Kreditvergabe Im Rahmen der Kreditvergabe kommen dem Kreditgeber Pflichten zur Abwägung von Risiken und Gewinnchancen zu, deren Erfüllung zur Pflichtgemäßheit führt, unabhängig davon, ob der Kredit später notleidend wird oder nicht.622 Ein Großteil der Vermögensbetreuungspflichten beruht jedoch nicht auf individueller Vereinbarung zwischen treupflichtigem Kreditgeber und dem Kreditinstitut als Vermögensinhaber, sondern unmittelbar auf speziellen Rechtsvorschriften.623 So sind Ermessensspielräume durch spezialgesetzliche Regulierung, insbesondere durch die Strukturnormen des KWG begrenzt. Untreuerelevante Verstöße gegen das Kreditwesengesetz betreffen zumeist die bußgeldbewehrten (§ 56 Abs. 2 Nr. 5, 6, 7, Abs. 3 Nr. 4 KWG) Vorschriften in § 10 Abs. 1 (Eigenmittelausstattung), §§ 13, 13 a (Sonderreglungen für Großkredite) und desweiteren in § 18 KWG (Regelung zur Risikoprüfung, insbesondere den Kreditunterlagen, konkretisiert durch das Rundschreiben des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen 9/98624).625 Bei Abschluss von 622

BGHSt 47, 149; 46, 34; Dahs, NJW 2002, S. 272; Steiner, Kreditwesen, S. 595 ff.; Schmitt, BKR 2006, S. 131; Dierlamm/Links, NStZ 2000, S. 656; ausführlich Martin, S. 87 ff. 623 Das schließt indes nicht aus, dass der Eigentümer einer Privatbank sein Einverständnis in wirtschaftlich unvernünftige Risikopolitiken erteilen kann: siehe Schmitt, BKR 2006, S. 125 f. (siehe auch in Abschnitt C. V.). Bei Sparkassen verhält sich das anders. Dort ist eine autonome Festlegung der Risikopolitik grundsätzlich nicht gegeben (Schmitt, a. a. O.).

IV. Funktionstheoretisch fundierte Konkretisierung

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Kreditgeschäften trifft den Entscheidungsträger die Pflicht zur Erfassung kalkulierbarer Risiken (Risikoprüfung) und damit zur Vornahme einer Bonitätsprüfung des Kreditnehmers (Einhaltung der Informationspflichten bezüglich Kreditfähigkeit, Kreditwürdigkeit und Kreditsicherung).626 Verstöße gegen das KWG sind jedoch nach der hier vertretenen Auffassung nur untreuerelevant, wenn sie mehr als nur schlichte formelle Pflichtverletzungen sind (siehe C. IV. 4.), d.h. im Prinzip einer wirtschaftsfunktional betrachteten Schadenserzeugungslogik Ausdruck verleihen.627 Ziel der KWG-Vorschriften – also konkreter Schutzzweck – ist es zwar nicht, das Vermögen des Treugebers zu schützen, sondern das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Bankensystem, eine dieses Vertrauen bedingende Funktionsfähigkeit des Kreditmarkts und damit allenfalls die Vermögensinteressen der Allgemeinheit.628 Dennoch stellen die KWG-Regeln eine Hilfestellung zur Bestimmung von „Bankusancen“ als Typisierungsmerkmale für das Handeln eines „ordentlichen Bankkaufmanns“ dar629, und bezwecken trotz ihres Charakters als allgemeine Ordnungsvorschriften auch die Reduktion der Ausfallrisiken von Krediten und somit der Krisenanfälligkeit der Kreditinstitute. Der Schutz der Funktionsfähigkeit des Kreditmarkts durch die Vereitelung von unsicheren Einzelrisiken, setzt funktional gerade an der Sicherung des Bankvermögens an.630 Die komplexe Materie der Bankuntreue kann an dieser Stelle thematisch nicht aufbereitet werden. Vor dem Hintergrund der funktionalen Erwägungen zur Bestimmung der untreueerheblichen Pflichtverletzung ist zur Bestimmung der Untreueerheblichkeit von Verstößen gegen das KWG ein nichtformalisierter Blick auf jede Einzelvorschrift zu richten, um zu ergründen, inwieweit die einzelne Verletzung der jeweiligen Pflicht im Rahmen 624 www.bakred.de, dazu BGHSt 47, 150 f.; Müller-Gugenberger/Bieneck–Nack, § 66, Rn. 34 ff. 625 BGHSt 47, 150 ff.; BGH Sparkasse 1960, S. 393; LG Münster, ZIP 1982, S. 686; Schmitt, BKR 2006, S. 128 f.; Müller-Gugenberger/Bieneck- Nack, § 66, Rn. 10 ff. 626 BGHSt 47, 150 ff., 154 f.; 46, 32 ff.; Ayasse, S. 69 ff., 72 ff.; Lackner/Kühl, § 266, Rn. 7; Arnold, Jura 2005, S. 846 f. 627 Vgl. auch Knauer, NStZ 2002, S. 400 f. 628 Vgl. § 6 Abs. 3 KWG oder § 4 Abs. 4 FinDAG; BT-Ds. III/1114, 20; BGHZ 74, 150 ff.; BGH NJW 1984, S. 2691; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, Einführung, Rn. 63 ff.; Martin, S. 140 ff.; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 19a, 20. 629 Ayasse, S. 65 ff.; vgl. auch RGSt 71, 344. 630 Zur Begründung der Bundesregierung zum KWG-Entwurf 1959: BT-Ds. III/1114, 20. Siehe auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, Einführung, Rn. 76.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

einer Schadenserzeugungslogik steht.631 So kann nach der hier vertretenen Auffassung ein Verstoß gegen § 10 Abs. 1 KWG nicht als untreuerelevant zu werten sein, weil ein unzureichender Eigenmittelbestand lediglich das Gläubigervermögen, nicht das Bankvermögen, gefährdet.632 Auch können die formalen Regelungen der §§ 13, 13 a KWG zwar die Verminderung des Verlustrisikos des Kreditinstituts und damit den Schutz des Treugebervermögens bezwecken633. Gleichwohl sind diese Pflichten ökonomisch gesehen nicht ausschlaggebend: wenn beispielsweise der Großkreditgeber vereitelt, den Großkredit der Deutschen Bundesbank aufgrund § 13 Abs. 1 S. 1 KWG anzuzeigen, so ist nicht dadurch schon ein ökonomisches Schädigungspotential indiziert. Eine solche formale Pflichtverletzung verhält sich gegenüber einer wirtschaftlichen Schadenserzeugungslogik indifferent. Anders dagegen könnte es sich in den Fällen des § 13 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1 KWG verhalten: wird ein einstimmiger Geschäftsleiterbeschluss übergangen oder die Zustimmung der Bundesanstalt nicht eingeholt wird, dann kann die formale Pflichtverletzung („KWG-Verstoß“) eine prinzipielle Schadenserwartung begründen, also eine materielle Pflichtverletzung indizieren, wenn gerade wirtschaftliche Gesichtspunkte zur potentiellen Risikominimierung ausgeblendet werden, die ein formgerechtes Verfahren beschaffen hätte. So hätte es beispielsweise der fehlende Geschäftsleiter gewesen sein können, der die Risikoanalyse mit seinen Informationen entscheidend dahingehend beeinflusst haben könnte, dass das Kreditinstitut von der schädlichen Gewährung des Großkredits abgesehen hätte. Würde dies der Sachlage entsprechen, so müsste eine untreueerhebliche Pflichtverletzung nicht notwendig auf den KWG-Verstoß zu begründen sein, sondern kann, soweit Ermessensspielräume gegeben sind, bereits auf der Verletzung allgemeiner Sorgfaltspflichten beruhen (vgl. schon C. IV. 4. b)). Die strafrechtsautonome Notwendigkeit eines Risikomanagements bei Risikoverhalten kann sich dann im Falle von Kreditvergaben dahingehend konkretisieren lassen, dass eine Vornahme einer Bonitätsprüfung des Kreditnehmers (Kreditfähigkeit, Kreditwürdigkeit und Kreditsicherung) zu tätigen ist. Entsprechend verhält es sich bei einem Verstoß gegen § 18 KWG. Weder ist er hinreichendes Kriterium für eine untreueerhebliche Pflichtverletzung, noch notwendiges.634 Maßgeblich für eine pflichtwidrige Kreditvergabe ist, ob die Verletzung des Gebotes eines hinreichenden Prüfungsumfangs und 631 Bei der Kreditvergabe ist der Vermögensschaden der Minderwertgehalt des Anspruchs auf Rückzahlung des Darlehens im Vergleich zu der ausgegebenen Darlehensvaluta, s. BGHSt 47, 157. 632 Siehe schon Normtext; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Boos, § 10, Rn. 1 ff. 633 Siehe Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Groß, Vorbem. zu §§ 13 ff., Rn. 1.

IV. Funktionstheoretisch fundierte Konkretisierung

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einer hinreichenden Prüfungstiefe auch im Rahmen banküblicher Usancen, im Sinne einer Schadenserzeugungslogik als pflichtwidrig angesehen werden muss.635 Für die konkrete materielle Kreditentscheidung gelten die allgemeinen Ausführungen zu Risikoentscheidungen (siehe C. IV. 6. b) bb) (2)). Eine untreueerhebliche Pflichtverletzung im Rahmen von Kreditvergaben wird nebst materiellen Verstößen auch durch solche formelle Verstöße gegen das KWG begründet. Diese lassen prinzipiell eine Vermögensschädigung erwarten (formelle Pflichtwidrigkeit mit materiellem Indiz). Soweit unterregulierte Ermessensspielräume vorhanden sind, kann eine Pflichtwidrigkeit auf einer allgemeinen Sorgfaltswidrigkeit im Sinne von fehlendem kreditspezifischem Risikomanagement beruhen. Im übrigen gelten die Ausführungen zu den Risikogeschäften. bb) Sonderfall: Folge- und Sanierungskredite Der bloße Umstand, dass der Kredit zu einem späteren Zeitpunkt notleidend wird, hat auf die Strafbarkeit der Untreue aufgrund der allein im Zeitpunkt der Vornahme der Kreditgewährung zu beurteilenden Gegebenheiten keinen Einfluss. Wohl aber kann das Folgeverhalten gegenüber dem notleidenden Kredit untreuerelevant sein. Droht der Kredit auszufallen, so kann der Kreditgeber von etwaigen Kreditkündigungsrechten Gebrauch machen, er kann nichts tun oder er kann zur Sanierung des Erstkredits einen Sanierungskredit gewähren. Der treupflichtige Kreditgeber läuft dabei allerdings Gefahr durch Tun die Schädigung noch zu vergößern bzw. durch Unterlassen die bereits eingetretene Schädigung nicht zu verkleinern. Soweit nicht das Zivilrecht konkrete Entscheidungspflichten statuiert636, begibt sich der Entscheidungsträger in eine sogenannte „Strafrechtsfalle“ oder „Strafbarkeitsfalle“637, innerhalb deren gegensätzliche Verhaltensweisen gleichermaßen von § 266 StGB bedroht sind (vgl. dazu schon C. IV. 3. c)).

634 Kritisch zur formalen Anbindung der Pflichtwidrigkeit an § 18 KWG auch: BGHSt 47, 152 (Untreueerhebliche „Informationspflichten [. . .] und die Pflicht [. . .] nach § 18 KWG sind nicht vollständig deckungsgleich“); BGHSt 46, 34 f. mit Anm. Dierlamm/Links, NStZ 2000, S. 656; Keller/Sauer, wistra 2002, S. 369 f.; Knauer, NStZ 2002, S. 400 ff.; Steiner, Kreditwesen, S. 599; Müller-Gugenberger/ Bieneck-Nack, § 66, Rn. 88 f.; Schmitt, BKR 2006, S. 127 f. 635 Siehe dazu auch die entsprechenden Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum „Berliner Banken-Skandal“: BVerfG, 2 BvR 2559/08, Beschluss vom 23.6.2010, Absätze 130 ff. 636 Umfassend Ayasse, S. 37 ff. m. w. N.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit Kreditkündigung

Unterlassen einer Kreditkündigung § 266 StGB Unterlassen einer Gewährung eines Sanierungskredits

Gewährung eines Sanierungskredits

Dieses immanente Paradoxon lässt durch die im Rahmen von Ermessensentscheidungen entwickelte Ausrichtung des Pflichtwidrigkeitsbegriffs auf die ökonomische Gewinn-/Schadenserzeugungslogik auflösen und entspricht damit der Restriktion, die der BGH mit Hilfe des „wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans“ markierte638 (siehe auch D. II. 5. c) aa) (1)). Da in allen Fällen prinzipiell die Intentionalität der Entscheidung auf Vermeidung von Vermögensverlusten gerichtet ist, dürfte nur in vom wirtschaftlichen Kalkül eindeutig nicht präferierten Handlungsalternativen eine Pflichtverletzung liegen.639 Im Zweifel gilt dann, wie bei Risikogeschäften im Allgemeinen, dass bei Unterbestimmtheit materieller Kriterien, ausschließlich formelle Gesichtspunkte des Entscheidungsverfahrens mit materiellem Indiz Berücksichtigung finden. (siehe C. IV. 4. b)) Die Implementation wirtschaftlicher Prozesslogik ermöglicht auch hier sowohl Entscheidbarkeit des Rechts als auch unerlässliche Entscheidungsspielräume innerhalb einer stets zu einem gewissen Grade spekulativen Risikowirtschaft. 7. Rechts- oder sittenwidriges Verhalten des Treupflichtigen a) Anwendung des funktionalen Kriteriums auch bei Rechtsbrüchen Ordnet der Vermögensinhaber im Innenverhältnis ausdrücklich an oder billigt er qua Einverständnis, dass der Treupflichtige rechts- oder sittenwidrige Handlungen zu tätigen habe, so ist deren Vornahme aufgrund des Pri637 Saliger, HRRS 2006, S. 14; Matt/Saliger, S. 224; Seier, Untreue als Allzweckwaffe, S. 111; Aldenhoff/Kuhn, ZIP 2004, S. 106 ff.; Dahs, NJW 2002, S. 273. Vgl. in rechtstheoretischer Hinsicht auch Engisch, S. 53. 638 So kann die Pflichtwidrigkeit bei hochriskanten Folgekrediten entfallen, wenn diese als Sanierungskredite Erfolg des gesamten Kreditengagements in Aussicht stellen: siehe BGHSt 46, 34; 47, 153; Müller-Gugenberger/Bieneck-Nack, § 33, Rn. 127 ff. Dazu, dass risikobehaftete expansive Geschäftsstrategien auch in einer Unternehmenslage verfolgt werden dürfen, in der Sanierungsbedarf besteht auch Marxen/Knauer, EwiR § 266 StGB 2/06, S. 224. 639 Die Irrealität absoluter Optimallösungen eröffnet in diesem Sinne nur einen Spielraum für die Suche nach suboptimalen Lösungen, vgl. Luhmann, Zweckbegriff und Systemrationalität, S. 115 f.

IV. Funktionstheoretisch fundierte Konkretisierung

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mats des Treugeberwillens ebenso nicht pflichtwidrig im Sinne des § 266 StGB wie ihr Unterlassen (siehe dazu C. IV. 3. c)). Definiert sich die Pflichtenstellung eines Vermögensbetreuers dadurch, dass dieser sich aufgrund nicht konkretisierter Treugeberinteressen in eigenem Ermessen um eine Vermögensbetreuung, respektive -mehrung zu kümmern habe, so stellt sich die Frage, ob ein solcher Vermögensverwalter pflichtwidrig handelt, wenn er zum Zwecke der Vermögensvermehrung rechts- oder sittenwidrige Handlungen vornimmt, etwa um Vorteile einzubringen, die legaliter nicht oder nur unter größerem Aufwand möglich wären. Soweit der Vermögensinhaber dem Betreuer Ermessen eröffnet, können mangels ausdrücklichen materiellen Treugeberinteresses derartige Rechtsverletzungen nicht schon deshalb pflichtwidrig sein, weil es Rechtsbrüche sind. Dass Ermessen zwar an den Grenzen des objektiven Rechts halt macht, also sowohl Treugeber als auch Treupflichtiger im öffentlichen Interesse zur Einhaltung der Gesetze verpflichtet sind640, hat zwar seine allgemeine Richtigkeit, nicht aber löst es Bezug zum Treugebervermögen auf, der in funktionaler Sichtweise, im untreuespezifischen Pflichtwidrigkeitsbegriff zum Ausdruck kommt. (C. IV. 2. d) aa) (2) und C. IV. 2. d) bb)) Der Bruch der Rechtsordnung kann innerhalb des Untreuestrafrechts nicht schlechthin mit dem Bruch der vermögensbezogenen Privatautonomie (im Sinne einer Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Zuweisungslogik, siehe B. III. 2.) gleichgesetzt werden. Die Vielzahl der möglichen Verletzungen von Normen außerhalb der Vermögensbetreuungspflicht, die der Vermögensbetreuer begehen kann, ist so weitreichend, dass eine nicht hinreichende Begrenzung die Gefahr begründet, dass die Pflichtwidrigkeit allein aus jedem schlichten Verstoß gegen andere Normen ableitbar wäre. Dem Vermögensbetreuungspflichtigen würde auch in praktisch unzumutbarer Weise auferlegt seinen wirtschaftlichen Beurteilungsspielraum durch die Übernahme von eigentlich der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht obliegenden strafrechtlichen Beurteilungen des betreffenden Verhaltens und seiner Folgen zu konkretisieren.641 § 266 würde zu einer binnensystemischen Annexnorm, die mangels jener intersystemi640

Siehe zum Beispiel nur LG Braunschweig, Urteil vom 22.02.2008, Az: 6 KLs 20/07, („VW-Affäre“), (juris) Rn. 338: dort wird u. A. im bloßen Verstoß gegen §§ 119 Abs. 1 Nr. 3, 78 Abs. 2 BetrVG und der §§ 42 Nr. 3, 44 Abs. 2 Nr. 2 EBRG eine Pflichtverletzung gesehen. Siehe auch LG Nürnberg-Fürth, Az. 3 KLs 501 Js 17777/2008 („AUB-Affäre“), Urteilstext, S. 37. Zur allgemeinen Pflicht zur Rechtstreue auch Rehbinder, ZHR 148 (1984), S. 569 ff.; zur handelsrechtlichen Fundierung dieser Sichtweise und zu weiteren Nachweisen siehe Burger, S. 91 ff. 641 Siehe Taschke, FS-Lüderssen, S. 665.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

schen Ortung jedem strafrechtlichen Programm nachgeschaltet werden kann, d.h. in systemwidriger Weise zu einem Delikt mit wechselndem Schutzgut, gleichsam einem „Superdelikt“ („Universaldelikt“) (mit universal zu schützenden Personenkreis) avancieren642 (vgl. C. III. 1.). Eine weitere Gefahr bestünde dabei darin auch Normverletzungen mit minderen Unrechtsgehalt (insbesondere Ordnungswidrigkeiten) zur Straftat, nämlich Untreuestraftat, aufzuwerten.643 Dafür, jeden Rechtsbruch als pflichtwidrig im Sinne des Untreuestrafrechts aufzufassen, spricht auch nicht der Grundsatz von der Einheit der Rechtsordnung. (siehe dazu schon C. III. 1.). Bei geschäftlichen Handlungen, insoweit sie zum Schutze anderer Rechtsgüter strafbar sind, erfolgt die Ahndung nach der entsprechenden Vorschriften. Dieser rechtlichen Missbilligung widerspricht eine Exklusion aus dem Untreuestrafrecht keineswegs, denn das Untreuestrafrecht schützt in diesem Sinne nicht rechts- oder sittenwidrige Handlungen (also Rechtsbrüche), sondern sanktioniert nur nicht im Sinne von „untreuespezifisch nicht pflichtwidrig“.644 Aus diesem Grunde ist Thomas zuzustimmen: „Wenn bestimmte Verhaltensweisen nicht oder nur als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden, erfordert die Einheit der Rechtsordnung nicht die Pönalisierung unter dem Aspekt des Unwerturteils 642

Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 73; Matt/Saliger, S. 227; Seier, Untreue als Allzweckwaffe, S. 109 f.; Taschke, FS-Lüderssen, S. 668, 670; Rönnau, FS-Tiedemann, S. 718 f.; ders., ZStW 119 (2007), S. 925; Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 637; Alwart, JZ 2006, S. 547; Schünemann, NStZ 2006, S. 198 f.; Schramm, S. 225 f. Eine solche aus Sicht des Rechts eigentlich sinnlose Binnenverschleifung des Untreuestraftatbestands mit anderen (Straf-)Normen, begründet daher umso mehr den Anlass das funktionale intersystemische Verhältnis des § 266 StGB zur Wirtschaft zu thematisieren. Desweiteren würde ein Untreuestraftatbestand mit zugesprochener Annexfunktion zur Möglichkeit einer widersprüchlichen Doppelbestrafung des Vermögensbetreuers im Rahmen einer („Untreue durch Untreue“ führen. Bsp: X ist Vermögensverwalter für B und C. Er vermittelt zwischen B und C ein Geschäft, von dem B profitiert, aber durch das C Nachteile erleidet. Auch dieser Extremfall spricht für eine funktionale Beschränkung (Spezifizierung) der Schutzwirkung auf das Vermögensinteresse des Treugebers. 643 Taschke, FS-Lüderssen, S. 670 f.; Thomas, FS-Riess, S. 805 f.; Seier, Bochumer Beiträge, S. 150; ders., Untreue als Allzweckwaffe, S. 109 f.; Volhard, FS-Lüderssen, S. 678 f. 644 Aufgrund der alleinigen Orientierung am treugeberischen Vermögensinteresse kommt es auch nicht zu einer funktionalen Selbstwidersprüchlichkeit des Rechts, die man etwa darin erblicken könnte, dass die Untreue mit den auf „Vertrauen“ und „Privatautonomie“ gerichtete Schutzrichtungen nicht angewendet wird, wenn es um die eventuelle Verletzung von Vertrauen und Privatautonomie Dritter bei rechtsoder sittenwidrigen Geschäften geht. Die Kohärenz des Rechts hinsichtlich der genannten Schutzrichtungen wird allerdings dadurch gewährleistet, dass auch insoweit Dritte ihrerseits ihren Schutz finden, zum Beispiel durch § 263 StGB, § 123 BGB.

IV. Funktionstheoretisch fundierte Konkretisierung

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in Form des Testats der Pflichtwidrigkeit im Rahmen des § 266 StGB. Entscheidend sind allein die Vermögensinteressen des Treugebers“.645 Richtigerweise ist daher auch nach herrschender Ansicht von Rechtsprechung und Literatur nicht jeder Rechtsbruch eine untreueerhebliche Pflichtverletzung. Ihnen zufolge komme der Gedanke zum Tragen, dass Schutzzweck einer Rechtsbeachtungspflicht nur der Schutz des Treugebervermögens sein könne. Die Verhaltenspflicht müsse gerade darauf abzielen, das Vermögen des Geschäftsherrn zu schützen, d.h. genuin und spezifisch dem Vermögensschutz dienen.646 Untreue ist also nicht, wie noch Schwinge/Siebert hervorhoben, „Mittel zur Bekämpfung „Schiebertum‘ und ‚Korruption‘“, d.h. „zur moralischen Reinigung des Wirtschaftslebens“.647 Einer restriktiv wirkenden Schutzzweckorientierung durch Rechtsprechung und Lehre ist also im Ansatz zuzustimmen. Jedoch weist sie Mängel auf, die mit Hilfe des funktionalen Kriteriums der Schadenserzeugungslogik aufzulösen sind. Zunächst erweitert die am Schutzzweck orientierte Ansicht, die besagt, dass über eine normative Missbilligung des Handelns für eine Pflichtverletzung ein „zusätzlicher Unrechtsgehalt durch Auswirkung auf das Unternehmensvermögen“ vorliegen müsse648, die Pflichtverletzung generell auf die Schadensebene. Darüber hinaus entdifferenziert der Schutzzweckzusammenhang den Vermögensbezug durch normativ-teleologische Erwägungen, die zwar restringierend wirken, aber den Bezug zum konkreten faktisch greifbaren Treugebervermögen vernachlässigen. Die Frage nach den „qualitativ-strafwürdigen bzw. normativ-strafbaren“ Gründen der Verletzung wird nicht beantwortet.649 So wären zum Beispiel Verstöße gegen das Parteiengesetz nicht mehr als Vermögensbetreuungspflichtverletzungen im Sinne des § 266 StGB aufzufassen, weil das Parteiengesetz genuin der Transparenz der Parteienfinanzierung dient und zum Schutz der demokratischen Willensbildung fungiert, nicht aber unmittelbar in seinem Zweck den Vermögensschutz be645

Thomas, FS-Riess, S. 805 f.; siehe desweiteren auch auch C. V. 3. a). BGHSt 28, 23 ff.; BGH wistra 1986, S. 256; NJW 1991, S. 1069; NJW 2000, S. 155; OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 1997, S. 201; Gribbohm, ZGR 1990, S. 25; Günther, FS-Weber, S. 316 f.; Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 672 f.; MüKoStGB-Dierlamm, § 266, Rn. 37; Krüger, NJW 2002, S. 1179 f. Entsprechend argumentiert Thomas, der in Verletzungen von Gesetzen, die nicht primär dem Schutz des Treugebers stehen, also beispielsweise im Abschluss gegen andere Rechtsnormen verstoßender oder sittenwidriger Geschäfte, keine Pflichtverletzung sieht, da diese „vom Grundsatz her (für § 266 StGB) neutral“ seien (FS-Riess, S. 805 f.). 647 Schwinge/Siebert, S. 12 f. 648 Statt vieler Burger, S. 96 ff., 104 ff. m. w. N. 649 Kubiciel, NStZ 2005, S. 358. 646

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

trifft. Gegen diese Sichtweise wendet auch Saliger zu Recht ein, dass „das vorsätzliche Versäumen der vorrangig der Rechtssicherheit dienenden Antragsfrist für die Parteienfinanzierung (§ 19 Abs. 1 S. 1 PartG), das der Partei gänzlich ihren Finanzierungsanspruch nimmt“ einen deutlichen mittelbaren und funktionalen Bezug zum Fremdvermögen aufweist und man nicht einsehen könne, warum ein solches Versäumen keine Untreue darstellen solle.650 Entsprechendes wäre beispielsweise bei handelsrechtlichen Buchführungs- und Rechnungslegungspflichten zu fragen, die nach h. M. primär und unmittelbar den Schutz aktueller und potentieller Gläubiger bezwecken651, ebenso auch bei Verletzungen von Strafnormen zum Schutz des Wettbewerbs, zum Beispiel vor Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 StGB652 oder den Vorschriften des KWG (siehe bei C. IV. 6. b) bb) (1)) u.V. m. Folge einer Schutzzweckorientierung wäre schließlich eine schwer handhabbare Kasuistik.653 Die Lehre vom Schutzzweckzusammenhang, die lediglich primär und unmittelbar das Treugebervermögen schützende Pflichten als untreuerelevant statuieren will, gehorcht also einerseits restriktivistischen Ambitionen, andererseits übersieht sie faktisches Vermögensschädigungspotential (die Schadenserzeugungslogik) von Verletzungen von Pflichten mit primär (oder überhaupt) anderweitigen Schutzzwecken als dem Vermögensinteresse des Treugebers. Mit Tiedemann ist daher darauf zu verweisen, dass jedes „wirtschaftlich irgendwie sinnvolle [. . .] Ziel einer Geldzahlung oder einer anderen vermögensmindernden Maßnahme als legitim (nicht pflichtwidrig) hingenommen werden muß“654, und wirtschaftlich sinnvolles Handeln im Sinne des Treugebers neutral gegenüber einer Rechtswidrigkeit sein kann. 650 Saliger, Parteiengesetz, S. 39 ff., 48 ff., 204 ff., 297 ff., 566 ff., 678 ff.; ders., JA 2007, S. 334. Seier hingegen befürchtet damit eine überzogene Kriminalisierung: so erfülle beispielweise der Geschäftsführer eines Busunternehmens (GmbH), der Lenkzeitüberschreitungen der Busfahrer duldet und dadurch zu Lasten des Unternehmens Geldbußen (zum Beispiel wegen § 30 OWiG) auslöst, den Untreuetatbestand (in: Achenbach/Ransiek-Seier, HWSt, V2, Rn. 189). Dagegen spricht jedoch einerseits die wahrscheinliche Möglichkeit, dass das Handeln des Geschäftsführers durch ein Einverständnis gedeckt ist bzw. andererseits dass im Einzelfall gar kein Nachteil vorliegt (vgl. zu Letzerem Saliger, HRRS 2006, S. 23). Die Restriktionen, die die Anwendung des Schutzzweckzusammenhangs böte, können also durch andere Restriktionsmöglichkeiten erreicht werden. 651 Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 35a, 45; Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 68; Heymann-Walz, HGB, Einl. §§ 238 ff., Rn. 47 ff.; Louis, S. 31 ff., 55 ff., 69 ff.; 194 ff.; Leffson, S. 38 ff.; Weimann, S. 69 ff. 652 Siehe auch BGH NJW 2009, S. 93; LK-Tiedemann, § 299, Rn. 5 f. 653 Siehe Saliger, Parteiengesetz, S. 71 ff., 184 ff., 265 ff. 654 Tiedemann, FS-Dünnebier, S. 531 f.; ders., FS-Tröndle, S. 328.

IV. Funktionstheoretisch fundierte Konkretisierung

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Der Vermögensschutz des § 266 StGB knüpft in funktionaler Betrachtung im Rahmen der zu Vermögensnachteilen führenden Pflichtverletzung des Vermögensbetreuungspflichtigen nicht an Normen an, die unmittelbar dem Vermögensschutz dienen. Vielmehr genügt jede vermögensrelevante Handlung.655 Im Rahmen der funktionalen Betrachtung ist darum auf das prinzipielle Vermögensschädigungspotential als strafrechtsautonomes Kriterium zur Selektion von Pflichtverletzungen im Rahmen von Ermessensentscheidungen abzustellen, das den Schutzzweckzusammenhang überlagert. § 266 StGB ist nach systemtheoretischer Lesart auf die Faktizität des Vermögensschädigungspotentials programmiert und nicht auf losgelöste Unwerturteile bezüglich anderweitiger Normbrüche. b) Rechts- oder sittenwidriges Handeln ohne Nachteilspotential Verletzt der Vermögensbetreuer Pflichten ohne Nachteilspotential, scheidet insoweit eine untreueerhebliche Pflichtverletzung nach Maßgabe des funktionalen strafrechtsautonomen Kriteriums der untreueerheblichen Pflichtwidrigkeit aus, da eine Schädigung durch pekuniäre Sanktionsfolgen prinzipiell nicht zu erwarten ist. c) Rechts- oder sittenwidriges Handeln mit Nachteilspotential Rechts- und sittenwidriges Verhalten des Vermögensbetreuers kann Nachteile für den Vermögensinhaber, zum Beispiel ein Unternehmen nach sich ziehen. Es kann zunächst mit der Entstehung von privatrechtlichen Ansprüchen Dritter gegen den Vermögensinhaber einhergehen (siehe dazu aber unten: kein Schaden, insbesondere Unmittelbarkeitsprinzip). Es kann ferner restitutive Sanktionen wie den Verfall (§§ 73 ff. StGB; § 29 a Abs. 2 OWiG, siehe zudem Abführung des Mehrerlöses durch §§ 8, 10 Abs. 2 WiStG) oder die Einziehung (§§ 74 f. StGB) nach sich ziehen, die den Entzug des Erlangten bewirken können, welche über die bloße Gewinnabschöpfung hinausgeht.656 Schließlich können auch repressive Sanktionen für das Unter655 Saliger, HRRS 2006, S. 22; ders., JA 2007, S. 334; Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 68; siehe auch Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 19a, 35a; Fischer, § 266, Rn. 38. 656 Dabei kommt eine Schädigung nur dann in Betracht, wenn der Entzug über die bloße Gewinnabschöpfung (Abschöpfung des Vermögensplus) hinausgeht (andernfalls wäre das Saldierungsergebnis lediglich neutral). Im Rahmen des Verfalls bedeutet das zunächst, dass nur die Fälle als schadenstauglich in Betracht zu ziehen sind, in denen der Treugeber (das Unternehmen) Aufwendungen oder Gegenleistungen tätigte, die ihrerseits im Sinne des Bruttoprinzips den Verfallsvorschriften unter-

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

nehmen resultieren, wie zum Beispiel Geldbußen nach dem OWiG oder anderweitige öffentliche Strafzahlungen. Allein durch eine Verletzung von § 30 OWiG sind Millionengeldbußen denkbar.657 Maßgeblich ist die Frage, inwieweit vor diesem Hintergrund ein rechtsoder sittenwidriges Ermessenshandeln mit Nachteilspotential prinzipiell der Schadenserzeugungslogik unterliegt. Der Maßstab der Pflichtwidrigkeit von rechts- oder sittenwidrigen Geschäften des Treupflichtigen, beispielsweise Korruptionsgeschäften (z. B. „Siemens-Fall“, siehe C. IV. 7. e)), ergibt sich jedoch nicht in Analogie zu Risikogeschäften, bei denen die Gewinn-Wahrscheinlichkeit maßgebend ist (siehe C. IV. 6. b) bb) (2)). Zwar handelt es sich bei Entdeckungs-, Sanktions- bzw. Schadenswahrscheinlichkeit auch um Risiken, jedoch nicht um Risikogeschäfte, weil das Risiko der Entdeckung und Sanktionierung eines illegalen Geschäfts extrinsischer Natur ist (siehe auch Definition Risikogeschäft).658 Hängt der zu erwartende Gewinn nur davon ab, ob die gewinnbringende rechts- oder sittenwidrige Tat aufgedeckt und mit negativen wirtschaftlichen Folgen geahndet wird oder nicht, so kann die Pflichtgemäßheit (anders als der Schaden, siehe dort) nicht unter Berücksichtigung des Entdeckungsund Sanktionsrisikos bestimmt werden. D.h. die Antwort muss lauten, dass rechts- oder sittenwidriges Handeln mit Nachteilspotential prinzipiell schadenserwartend und damit pflichtwidrig ist. Dass die Entdeckungs- oder Sanktionswahrscheinlichkeiten gerade nicht relevant sind, folgt nicht nur aus dem Erfordernis normativer Konsistenz (aa), sondern auch aus wirtschaftssystemisch-faktischen Gründen (bb). aa) Dass das Strafrecht sanktionsbewehrte Rechtsnormen bei der Beurteilung der Schadenserzeugungslogik nicht auf faktische Anwendungswahrscheinlichkeiten reduzieren kann, fußt auf der Erkenntnis, dass eine in der Wirtschaft vorzunehmende Einpreisung von prinzipiell zu erwartenden liegen, beispielsweise ersparte Aufwendungen bei einer Straftat nach § 326 StGB, die Bestechungssumme bei Bestechungsdelikten nach §§ 299 Abs. 2, 333 f. StGB, die Gegenleistung beim Tätigen verbotener Geschäfte zum Beispiel i. S. d. ArzneimittelG, WaffenG oder das Gewähren einer Befriedigung bei einer Gläubigerbegünstigung nach § 283 c StGB. In Hinsicht auf die Einziehungsregelungen bleiben entsprechend dort nur die Fallgestaltungen als schadenstauglich übrig, bei denen es um die Einziehung von Tatmitteln geht. Siehe zu allem eingehend Burger, S. 15 ff., 24 f. 657 Zum Beispiel i. V. m. § 81 GWB; siehe zu den repressiven Sanktionen Burger, S. 29 ff., 35 f., 39 ff.; Achenbach, GA 2004, S. 569 ff.; Günther, FS-Weber, S. 311. 658 So auch Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 75, Fn. 148, entgegen BGH NJW 1975, S. 1235 f. Anders zum Beispiel auch Schünemann, NStZ 2008, S. 434; Burger, S. 81 ff.

IV. Funktionstheoretisch fundierte Konkretisierung

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Strafzahlungen innerhalb diverser Geschäftshandlungen gerade dem präventiven Zweck der sanktionsbewehrten Normen entspricht.659 Es wäre, normativ gesehen, selbstwidersprüchlich, wenn das vom Präventionsgedanken getragene Recht durch Sanktionen das rechtswidrige Wirtschaften ineffizient zu gestalten bezweckt, gleichzeitig aber von sich aus eine Schadenserzeugungslogik internalisiert, die die Sanktionsfolgen des Rechts wieder auspreist, weil die Rechtsfolge aus Gründen mangelhafter Anwendungspraxis im Einzelfall nicht greifen könnte. Der Zweck bleibt auch hier die Einpreisung der Sanktionen. Daran ist eine rechtliche Bewertung innerhalb der nichtwirtschaftlichen Rechtskategorie „Pflichtverletzung“ gebunden. Würde das Recht mit seiner eigenen Ineffizienz „kalkulieren“, ergäbe sich überdies eine absurde Strafbarkeit in den Fällen, in denen das Gesetz den Geschäftsführer zu einem Tun verpflichtet, welches den Vermögensinteressen des Treugebers im Grunde zuwiderläuft. Das Zahlen von Steuern gehört beispielsweise zu den Pflichten, deren Erfüllung nicht unmittelbare Vermögensvorteile einbringt. Bestünde die Gelegenheit zu einer so gut wie nicht entdeckbaren Steuerverkürzung (§ 370 AO), die der Geschäftsführer jedoch aufgrund seiner Rechtstreue nicht wahrnimmt, so würde die Frage, ob sich der Geschäftsführer wegen Untreue schuldig gemacht habe, nicht ohne Weiteres verneint werden können, sobald man die normative Kohärenz faktisch relativiert. Man sieht also, dass ein Strafrecht, das seine Normsubstanz nur als kontingente Faktizität begreift, notwendigerweise „Strafrechtsfallen“ eröffnet, indem es sich seiner Entscheidbarkeiten zugunsten systemfremder Präferenzen enthebt (Entdifferenzierung). bb) Von Normen, deren Bruch Vermögensnachteile nach sich ziehen, ist von der Wirtschaft zu erwarten, dass bei Erfüllung ihres Tatbestandes die 659 Siehe Eidenmüller, JZ 1999, S. 55; Adams, Ökonomische Theorie, S. 457. Zur Einpreisung des Rechts allgemein: Teubner, Soziale Systeme 1999, S. 14; ders., Recht als autopoietisches System, S. 93 ff.; van Aaken, S. 78 f.; Calliess, Prozedurales Recht, S. 122 ff.; Eine Vermögensstraftat wird begangen, wenn der Nutzen aus der illegalen Tätigkeit ÈUi ê positiv, also das aus der Tat Erlangte Èyê größer als die mit Wahrscheinlichkeit p zu erwartende Strafzahlung Èfê ist, ohne dass es eine legale Alternative gäbe: Ui ã y  p  f > 0, siehe Schmidtchen, Wozu Strafrecht? Einige Anmerkungen aus ökonomischer Sicht, S. 53, 63 ff. Zur Verdeutlichung: die Ökonomisierung des Rechts betreibt das Wirtschaftssystem. Mit diesem Effekt arbeitet das Rechtssystem. Dennoch ökonomisiert das Rechtssystem nicht selber. Seine Zwecke bleiben außerwirtschaftlich. Pönale Maßnahmen vollziehen daher als Rechtsfunktionen kriminalpolitische Zwecke (siehe OLG Karlsruhe, NStZ 1990, S. 282; Lackner/Kühl, § 263, Rn. 45 m. w. N.) Deswegen ist beispielsweise die Vereitelung einer staatlichen Sanktion kein Vermögensschaden für den Staat. Der wirtschaftliche Gehalt der Strafe ist lediglich funktionales Mittel. Der Staat wird im Vollzug der pekuniären Strafe nicht Wirtschaftssubjekt, wie etwa durch fiskalisches Handeln (Staatshaushalt), sondern bedient sich durch die extern auf die Wirtschaft zugreifenden Strafgewalt seiner Macht.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

Rechtsfolge greift. Auch die von Tiedemann aufgeworfene Feststellung, pflichtgemäß sei jedes „wirtschaftlich irgendwie sinnvolle oder vertretbare Ziel“ einer Handlung660 widerspricht dem nicht, sondern impliziert ohne Weiteres, dass die wirtschaftliche Prozesslogik (wirtschaftlicher „Sinn“) nicht nur mit eigenen wirtschaftlichen Erwartungen „kalkuliert“, sondern andere Systemlogiken (wie die des Rechts) immer auch „mitkalkulieren“ muss.661 D.h. die Pflichtwidrigkeit prinzipiell anzunehmen, vermeidet nicht nur einen selbstwidersprüchlichen Selbstbezug des Rechts, sondern ist auch ökonomisch logisch. Denn mit dem Begriff „Entdeckungswahrscheinlichkeit“ ist im Unterschied zur ökonomischen Prozesslogik lediglich eine faktische, systemisch ungebundene Wahrscheinlichkeit auf Nichtentdeckung gemeint, d.h. ein faktisches Kontra zur rechtlichen Erwartungssicherheit in der Form eines mehr oder weniger zufälligen Einzelereignisses. Gegen die Chance auf willkürliche Nichtanwendung des Rechts spricht aber immer die prinzipielle Erwartbarkeit effektiver Rechtsanwendung. Eine gerade an prinzipiierter wirtschaftlicher Prozesslogik orientierte Handlung kann also nicht an der prinzipiierten Logik eines anderen, in diesem Falle Rechtssystems „vorbeiplanen“. Die wirtschaftliche Selbstbindung an rechtliche Normativität über eine strukturelle Kopplung steht damit nicht im Widerspruch zur Gewinnerzeugungslogik, sondern wird schon immer vielmehr ökonomisiert.662 Deutlich wird dieser Zusammenhang dann, wenn man beispielsweise auf die besondere Rolle von „Unternehmen“ als Organisationen innerhalb des Funktionssystems Wirtschaft achtet. Unternehmen als Organisationen, sind entscheidungsfähige Soziale (Sub-)Systeme, die im eigenen Namen kommunizieren, ohne die eindeutige Identität hinsichtlich der Zugehörigkeit zu einem Funktionssystem aufzugeben. Sie dienen insbesondere der Transformation von Umwelt-Kommunikation und bilden damit eine Grundlage für strukturelle Kopplungen (Fähigkeit zur Multireferenz). Unternehmen vollziehen daher nicht nur Wirtschaftskommunikation, sondern beteiligen sich auch an Rechtskommunikation, um ihre Umweltverträglichkeit zu maximieren und eine gesamtgesellschaftliche Integrität zu sichern.663 660

Tiedemann, FS-Dünnebier, S. 531 f.; ders., FS-Tröndle, S. 328. Das zeigt sich insbesondere daran, das ein Großteil von Unternehmen (rechtsgeschäftliche) Vermögensbetreuungspflichten statuiert. Diese kodifizierten unternehmensinternen Verhaltensleitlinien orientieren sich grundsätzlich an Wirtschaftsstrafnormen, siehe Kölbel, Cultural lag, S. 81 m. w. N. 662 Bussmann, Business Ethics und Wirtschaftsstrafrecht, S. 97 ff. 663 Siehe dazu Lieckweg, S. 272 ff., 275 ff.; Hutter/Teubner, S. 132 ff. Dass Unternehmen und ihre Organe im Einklang mit der geltenden Rechtsordnung handeln müssen, sei eine „Binsenweisheit“, selbst wenn dies neuerdings Compliance genannt würde (Schneider, ZIP 2003, S. 645) Gleichwohl erweisen sich die Selbstregulierungstendenzen der Wirtschaft am Beispiel der Kodifikation von internen Verhal661

IV. Funktionstheoretisch fundierte Konkretisierung

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Eine zufällige ökonomische Gewinnerzeugungssituation mag einen Vermögensvorteil generieren können, pflichtgemäß ist sie aber nicht. d) Zusammenfassung Jedes rechts- oder sittenwidrige Geschäft eines Treupflichtigen ist pflichtwidrig, welches nach Maßgabe der Rechtsordnung typischerweise mit Sanktions- und ähnlichen Folgekosten („Deliktsbegehungskosten“) verbunden ist, die das gewonnene Vermögensplus übersteigen. Ungeachtet der Entdeckungs- und Sanktionswahrscheinlichkeit liegt aus normativen und wirtschaftlichen Gründen eine prinzipielle Schadenserwartung vor. Keine prinzipielle Schadenserwartung besteht hingegen bei rechts- oder sittenwidrigem Handeln ohne Nachteilspotential. e) Sonderfall: Pflichtwidrigkeit „schwarzer Kassen“ durch Vorenthaltung und Verschleierung von Vermögenswerten (zum „Siemens-Korruptionsfall) Pflichtwidrig im Sinne des § 266 StGB soll auch die Verschleierung des fremden Vermögensstandes, insbesondere mittels Einrichtung sog. „schwarzer Kassen“ sein. Dabei handelt der Treupflichtige zunächst den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buchführung und Bilanzierung oder Rechenschaftspflichten zuwider und nutzt sodann eine „Sonderkasse“, beispielsweise ein verdecktes Konto, um das nicht verbuchte Geld darauf einzuzahlen. Als Pflichtverletzung kommen nicht nur die Verschleierungshandlungen (Einrichtung der „schwarzen Kasse“) oder die einzelnen auf der Nutzung einer „schwarzen Kasse“ beruhenden Vermögensverfügungen (etwa wie im Siemens-Fall die Zahlung von Bestechungsgeldern) in Betracht.664 tenskodizes (zum Beispiel Compliance-Programme) als symptomatisch für den Befund der Rechtskonformität. Die „freiwillige“ Rechtsanpassung durch die Internalisierung von Normbeständen belegt nicht nur die Bedürftigkeit effektiver normativer Binnenregulierung, sondern zeugt auch von der Beobachtungsleistung spezifisch rechtlich verfasster Normativität, die in Teilen sogar im Wortlaut des Gesetzestextes übernommen wird und über die internen Selbstbindungseffekte (Kommunikation, Bewusstseinsbildung, Habitualisierung) den Wirtschaftsstrafrechtsnormen letztlich sogar zu einem Surplus ihrer Anwendungseffizient verhilft. Siehe dazu m. w. N. Bussmann, Business Ethics und Wirtschaftsstrafrecht, S. 97 ff.; Kölbel, Cultural lag, S. 81 f. 664 LG Darmstadt, Az. 712 Js 5213/04 – KLs, Urteil vom 14. Mai 2007, Urteilstext (juris), Rn. 149 und 152; siehe auch RGSt 71, 157 ff.; BGH GA 1956, S. 122 ff.; GA 1956, S. 154 ff.; Ransiek, NJW 2007, S. 1727 ff.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

Eine Pflichtverletzung liege laut neuerer Rechtsprechung des BGH (etwa zum „Siemens-Fall“ oder „Fall Kohl“) weder erst in Vermögensverfügungen im Sinne einer Nutzung „schwarzer Kassen“ noch in einzelnen Verschleierungshandlungen, sondern bereits im Unterlassen der Offenbarung der Geldmittel durch ordnungsgemäße Verbuchung, d.h. im Vorenthalten des verdeckten Guthabens. Zur Vermögensbetreuungspflicht eines verantwortlichen Geschäftsbereichsleiters gehöre es dem Treugeber als Vermögensinhaber ihm zustehende „Vermögenswerte in erheblicher Höhe zu offenbaren und diese ordnungsgemäß zu verbuchen“. Für die Verwirklichung des Treubruchtatbestands komme es dabei nicht darauf an, ob eine solche „schwarze Kasse“ im wirtschaftlichen Interesse des Vermögensinhabers liegen könnte.665 Das Ergebnis einer Pflichtwidrigkeit unordentlicher Buchführung als Voraussetzung für die Errichtung „schwarzer Kassen“ entspricht auch dem hier vertretenen funktionalen Kriterium, nach dem eine Handlung grundsätzlich dann pflichtwidrig im Sinne des § 266 StGB ist, wenn sie an sich einen Vermögensschaden hervorrufen könnte und ist es nicht, wenn prinzipiell kein Vermögensschaden zu besorgen ist. Vorenthält oder verschleiert der Vermögensbetreuungspflichtige im Rahmen seines Entscheidungsermessens Vermögenswerte, so lässt eine solche Einschränkung der Dispositionsmacht des Treugebers schon als Vorstufe eines endgültigen Vermögensentzuges im Prinzip eine Schädigung besorgen. Voraussetzung dabei ist jedoch, dass der Vermögensbetreuungspflichtige und kein anderer die Pflicht zur Offenlegung und zur ordnungsgemäßen Buchführung hat. Gerade in diesem Punkt bestehen im „Siemens-Fall“ Zweifel, da nur den AG-Vorstand, nicht aber Mitarbeitern, denen die Aufgabe zur Errichtung und Unterhaltung schwarzer Kassen delegiert wurde, den aktienrechtliche Buchführungspflicht trifft.666 Liegt die Voraussetzung einer Offenlegungs- und Buchführungspflicht des Vermögensbetreuungspflichtigen vor, so ist eine Vorenthaltung und Verschleierung von Vermögenswerten pflichtwidrig im Sinne des § 266 StGB. Mit der Feststellung der Pflichtwidrigkeit wird keineswegs übersehen, dass abhängig von den Absichten, die der Treupflichtige verfolgt, die „schwarze Kasse“ durchaus im Unternehmensnutzen stehen kann (siehe D. II. 4. c) bb)). Nur kann dies auf der Pflichtwidrigkeitsebene keine Relevanz beanspruchen, da die Schadensvermeidung in einem solchen Fall von den subjektiven Intentionen des verschleiernden Vermögensbetreuungs665 BGH NJW 2009, S. 91 („Siemens-Fall“); NJW 2007, S. 1763 („Fall Kohl“); wistra 2000, S. 136. 666 Siehe dazu Satzger, NStZ 2009, S. 301 m. w. N.

IV. Funktionstheoretisch fundierte Konkretisierung

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pflichtigen abhängt, die jedoch nicht zu einem Gewinnerzeugungsprinzip verallgemeinerbar sind. Die Pflichtwidrigkeit von „schwarzen Kassen“ lässt sich jedoch in keinem Fall damit begründen, dass es sich bei der Einrichtung und der Unterhaltung um typische, nach §§ 108 b, e, 299 Abs. 2 oder 333 f. StGB strafbare Korruptionsvorbereitungshandlungen handele. Anwendungsschwierigkeiten des Korruptionsrechts667 können nicht dazu führen die Untreue als strafrechtlichen Verstärker mit Sanktionierungsgarantie zu reklamieren (siehe ausführlich bei C. III. 1.). Die Annahme der Pflichtwidrigkeit gilt jedoch – auch nach Auffassung des BGH – überhaupt nur insoweit, als das materielle Treugeberinteresse nicht ausdrücklich eine derartige Verschleierung zulässt. Zunächst ist daher immer prüfen, ob nicht durch ausdrückliches materielles Treugeberinteresse ein Einverständnis in die Errichtung verdeckter Konten gegeben ist668 (siehe C. V.). Insbesondere im Siemens-Korruptionsfall bestand nämlich die Besonderheit, dass es sich bei der Einrichtung geheimer Nummernkonten im Ausland offensichtlich nicht um einen völlig intransparenten Einzelfall von Vermögensverschleierung handelte, sondern um ein unternehmensintern etabliertes System.669 So werfen Saliger/Gaede die Frage auf, was an den Siemens-Konten angesichts eines extra für dieses „System“ eingerichteten Aufgabenbereichs, dessen Transparenz nach beider Auffassung bis zur Vorstandsebene reichte, überhaupt noch „schwarz“ sei, wenn man von der für die untreuerelevante Pflichtverletzung unerhebliche Intransparenz der Konten gegenüber der unternehmerischen „Außenwelt“ absieht. Schwarze Kassen“ müssen daher von sog. „Schattenkassen“ abgegrenzt werden. Eine „schwarze Kasse“ kann nur einen Kapitalbestand des Geschäftsherrn meinen, „der unter Verletzung von Pflichten gebildet, vor dem Geschäftsherrn bzw. der zuständigen Stelle verheimlicht und mit Absicht unterhalten wird, die Gelder zu Zwecken des Geschäftsherrn zu verwenden“. Auf Geheiß, mit Billigung oder Duldung des Geschäftsherrn oder der zuständigen Stelle geführte gesetzeswidrige Sonder- oder Schattenkassen oder -konten sind damit keine „schwarze Kassen“. Den von Siemens etablierten „teiltransparenten“ Geheimkonten komme daher die Bezeichnung „Schattenkassen“ näher, bei denen definitionsgemäß kein Kontrollentzug vorliegt.670

667

Siehe Satzger, NStZ 2009, S. 298 f. BGH NJW 2009, S. 91. 669 Siehe LG Darmstadt, Az. 712 Js 5213/04 – KLs, Urteil vom 14. Mai 2007, Urteilstext (juris), Rn. 94; Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 67 f. 668

210

C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

Anders urteilt der BGH in seinem Revisionsurteil vom 29.8.2009, der von dem hier nicht zu klärenden Sachverhalt ausgeht, dass neben dem angeklagten Siemens-Bereichsvorstand die „schwarze Kasse“ nicht weiteren Entscheidungsträgern, insbesondere nicht dem Zentralvorstand bekannt gewesen sei, was gegen das Vorliegen eines Einverständnis spreche.671 Mit dieser Auffassung wird der BGH jedoch erkennbar geleitet von der Berücksichtigung der durch die Compliance-Regeln manifestierten Treugeberinteressen, die bei Siemens „erkennbar nicht erst die Zahlung von Bestechungsgeldern, sondern auch schon das Unterhalten von verdeckten Konten“ untersagten.672 Dass es sich, wie Saliger/Gaede nahelegen, wohl möglich um Compliance-Regeln handelte, die faktisch ganz anders angewendet wurden und werden sollten, die also gleichsam „bloße Fassade“ gewesen waren, wurde durch das Landgericht Darmstadt nicht einmal geprüft.673 Der BGH schloss sich der Verneinung eines Einverständnisses mangels Nachweises im angefochtenen Urteil zwar an, schließt die allgemeine Möglichkeit einer wirtschaftlich-faktischen Betrachtung des Einverständnisses richtigerweise aber auch nicht aus.674 Dies hätte jedoch, wie Saliger/Gaede nahelegen, aber auch erforderlich gemacht, zu begutachten, ob das Einverständnis nicht auch in der „systematischen Begünstigung“ von Unternehmenspraktiken, wie etwa die Unterhaltung „schwarzer Kassen“ gelegen haben könnte.675 Ohne eine konkrete Einschätzung des „Siemens-Falles“ leisten und einer Pflichtwidrigkeit widersprechen zu können, ist anzumerken, dass die gesellschaftsrechtlich verfassten Stellen der Willensbildung als Ausdruck des Treugeberinteresses (beispielsweise die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft) möglicherweise die Schaffung unternehmensinterner Strukturen, von der Aufgabenbereichsdiversion bis hin zu einem gewissen Erfolgsdruck auf Auslandsmärkten, verbunden mit möglicherweise situativ verbreitetem und erprobtem Usus von Auslandskorruption (welche Sonderkassenbildungen quasi voraussetzt), gebilligt haben. Eine solche strukturelle Billigung vor dem Hintergrund faktischer Usancen im Marktverhalten kann in einem konkreten Fall durchaus selbst Momente eines Treugeberwillens oder Einverständnisses zum Ausdruck bringen. Resümierend lässt sich festhalten: Rechtswidrigen Vermögensvorenthaltungen und -verschleierungen eines offenlegungs- und buchführungspflichti670 Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 67, 71; Saliger, NStZ 2007, S. 547 Fn. 29; Satzger, NStZ 2009, S. 298; siehe auch Rönnau, FS-Tiedemann, S. 717 f.; Weimann, S. 10 ff. 671 BGH NJW 2009, S. 89. 672 BGH NJW 2009, S. 91. 673 Dazu Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 68 f., 72 f., Fn. 127. 674 BGH NJW 2009, S. 91. 675 Siehe Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 71.

V. Einverständnis

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gen Vermögensbetreuungspflichtigen, beispielsweise durch die Bildung und Haltung „schwarzer Kassen“, haftet – soweit eine treugeberische Billigung nicht vorliegt – eine prinzipielle Schadenserzeugungslogik, d.h. eine abstrakte Vermögensgefährdung an. Grundsätzlich sind daher „schwarze Kassen“ pflichtwidrig. Im „Siemens-Korruptionsfall“ ist die Annahme einer Pflichtwidrigkeit insbesondere aufgrund „struktureller Billigung“ problematisch.

V. Einverständnis 1. Funktionale Begründung eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses Wenn der Vermögensinhaber mit der Tathandlung einverstanden ist, kann der Pflichtige eine ihm obliegende Pflicht nicht untreueerheblich verletzen.676 Es würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen die dogmatischen Feinheiten mit der gebotenen Gründlichkeit zu verfolgen. Daher kann nur auf grundlegende Aspekte und ihre funktionale Bedeutung eingegangen werden. Abzugrenzen ist das Einverständnis von dem ursprünglich ausgedrückten materiellen Interesse, das in der Vermögensbetreuungspflicht selbst ihren Ausdruck findet. Ein Einverständnis ist nicht identisch mit dem materiellen Interesse. Überschreitet der Treunehmer die vorher festgesetzten Grenzen des Erlaubten, so kann von einem Einverständnis nur dann gesprochen werden, wenn der Dispositionsbefugte einer Maßnahme zustimmt, die ohne Billigung eine Pflichtverletzung wäre. Schramm beschreibt daher richtigerweise das Einverständnis als „Änderung, d.h. Erweiterung des Innenverhältnisses“.677 Betrachtet man das Einverständnis als Supplement des materiellen Interesses, so liegt es zunächst nahe mit Samson/Günther ein tatbestandsausschließendes Einverständnis nur insoweit anzunehmen, als die Verletzung einer rechtsgeschäftlich begründeten Pflicht in Betracht kommt. Andernfalls sei eine Rechtswidrigkeit ausschließende Einwilligung gegeben.678 676 Siehe BGHSt 50, 342; BGH NJW 2000, S. 154 (für eine rechtfertigende Einwilligung noch: BGHSt 9, 216); für ein tatbestandsausschließendes Einverständnis auch: Schramm, S. 46 ff., 52 ff. (zum mutmaßlichen Konsens, insbesondere mutmaßlicher Einwilligung als Rechtfertigungsgrund, S. 227 ff., 235 ff.); LK-Schünemann, § 266, Rn. 100, 157; Rengier, BT 1, § 18, Rn. 20c.; Lackner/Kühl, § 266, Rn. 20. 677 Schramm, S. 63 f. 678 SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 46.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

Funktional gesehen ist diese Einschränkung aber problematisch. Die Übertragung der Privatautonomie wird zwar in den Fällen gesetzlich bzw. behördlich eingeräumter Pflicht, was gegen die Möglichkeit eines Einverständnisses spricht, nach Maßgabe rechtlicher Regelung ausgeübt. Bedenken müssen gegen eine Einschränkung jedoch deshalb geäußert werden, weil auch im Falle einer gesetzlichen oder qua behördlichem Auftrag begründeten Vermögensbetreuungspflicht der Schutz der Privatautonomie wesentlicher Aspekt der spezifischen funktionalen Modalität des Rechtsgüter- (d.h. Vermögens)schutzes ist. Der Schutz dieser Privatautonomie kann kein subjektenthobener Selbstzweck sein, weshalb der Primat des materiellen Interesses („monetäre Richtlinienkompetenz“679) auch nicht nur auf solche Pflichtenstellung begrenzt ist, das aufgrund Rechtsgeschäfts eingeräumt wurde. Diese Festsetzungsprärogative des Treugebers muss sich auch bei Änderungen und Erweiterungen des materiellen Interesses durch ein Einverständnis äußern. Aufgrund der funktionalen Stellung der Privatautonomie als Wesen jeder untreueerheblichen Vermögensbetreuungspflicht muss daher grundsätzlich gelten, dass der Treupflichtige, soweit es dem Willen des Vermögensinhabers entspricht, jede vermögensschädigende Handlung vornehmen kann, ohne dass dies zur Verwirklichung des Tatbestands der Untreue führen kann.680 Was den Zeitpunkt des Einverständnis anbelangt, so soll dies nur beachtlich sein, wenn seine Erklärung vor der Tat erfolgt, da der einmal entstandene staatliche Strafanspruch nicht zur Disposition des Verletzten stehe.681 Andererseits ist die Überlegung zu treffen, dass gemäß §§ 177 Abs. 1, 184 Abs. 1 bzw. §§ 185 Abs. 2 S. 1, Var. 1, 184 BGB die Rückwirkung einer Genehmigung auf den Zeitpunkt der Rechtsgutsverletzung angeordnet wird.682 Daher ist, ohne dies an dieser Stelle weiter verfolgen zu können, mit Schramm einer nachträgliche Genehmigung mit ex-tunc-Wirkung strafrechtliche Relevanz einzuräumen, soweit gesetzliche Regelungen eine nachträgliche Zustimmung vorsehen. Angesichts des verwirklichten Unrechts zum Tatvollendungszeitpunkt kann eine nachträgliche Zustimmung aber weder Tatbestand noch Rechtswidrigkeit ausschließen, da ansonsten Erfolgs- und Handlungsunwert unbeachtet blieben. Denkbar ist aber eine Genehmigung mit der Wirkung eines Strafaufhebungsgrundes zu versehen.683 679

Siehe Schramm, S. 46 ff., 52 ff. LK-Schünemann, § 266, Rn. 100; Jordan, JR 2000, S. 136 ff.; Wassmer, S. 34 f. m. w. N.; Hillenkamp, NStZ 1981, S. 165; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 45, Rn. 49. 681 RG JW 1938, S. 739; BGHSt 17, 360; Roxin, AT I, § 13, Rn. 50; LK-Hirsch, Vor § 32, Rn. 103; Schönke/Schröder-Cramer/Heine/Lenckner, Vor § 32, Rn. 44 m. w. N. 682 Weber, GS-Schlüchter, S. 244 m. w. N.; Schramm, S. 194. 680

V. Einverständnis

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Dadurch könnte man der prädominierenden Bedeutung der Privatautonomie im funktionalen Verständnis des § 266 StGB gerecht werden. 2. Anforderungen an ein wirksames Einverständnis Der Unrechtsgehalt der Tathandlung leitet sich bei § 266 StGB aus einer Pflichtverletzung her. Aufgrund des normativen Charakters des Pflichtwidrigkeitsmerkmals reicht daher ein rein tatsächliches Einverständnis nicht aus. Vielmehr muss ein wirksames autonomes Einverständnis vorliegen.684 Bedingung dafür ist sowohl die Notwendigkeit der Einwilligungsfähigkeit685 als auch das Nichtvorhandensein von Willensmängeln, die zur Unwirksamkeit des Einverständnisses führen können, so zum Beispiel Willensmängel aufgrund einer fehlenden Aufklärung über Risiken oder mangelnder Erfahrung.686 Beide Kriterien sind Ausdruck des Schutzes der Privatautonomie des Vermögensinhabers. Bei einem Einverständnis kommt es allein auf den Vermögensinhaber im wirtschaftlichen Sinne an. Dabei ist im Falle einer Gesellschaftermehrheit (mehrere wirtschaftliche Vermögensinhaber) ein Vermögenszugriff vorausgesetzt, der im Rahmen eines gesellschaftsrechtlich legitimierten Gesamteinverständnisses liegt.687 Es reicht aufgrund des Gesagten nicht aus, wenn die Organe einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft einstimmig einer Mittelverwendung zustimmen, die den gesetzlichen Regelungen zur Zweckverwendung widerspricht.688 Anders hält es beispielsweise Schramm für möglich, dass der 683

Schramm, S. 198 ff., 201 ff. Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 758 ff. Zur Dispositionsfähigkeit ausgiebig Schramm, S. 74 ff., zu Kundgabe, Verfahren und Form S. 175 ff. 685 BGHSt 9, 216. Ausführlich Schramm, S. 74 ff. m. w. N.; Wassmer, S. 39 ff. Hinzuweisen ist darauf, dass die Beurteilung der Wirksamkeit des Einverständnisses, insbesondere der Einwilligungsfähigkeit, zivilrechtsakzessorisch erfolgt. Da den zivilrechtlichen Regelungen zur Geschäftsfähigkeit eine komplexe Verarbeitung von Teilhabefähigkeit psychischer Systeme am Rechtsverkehr zu Grunde liegt, die die „Privatautonomie des Mündels“ im Sinne eines Schutzes der „Potenz an Privatautonomie“ bis zum Eintritt der Geschäftsfähigkeit gesetzlich begrenzen und gestalten, ist diese Ankopplung des Untreuestrafrechts an das Zivilrecht funktional konsistent. Es bedarf keines strafrechtsautonomen Kriteriums zur Bestimmung der Einwilligungsfähigkeit (vgl. auch a. a. O., S. 76 f.). 686 BGH NStZ 1997, 125; Schramm, S. 208 ff.; Wassmer, S. 43 ff.; Fischer, § 266, Rn. 51; LK-Schünemann, § 266, Rn. 100. 687 Zu Recht insoweit BGHSt 49, 162 f.; Ransiek, wistra 2005, S. 123. 688 So kann ein einstimmiges Organhandeln in Form einer Mehrheitsentscheidung des Studierendenparlaments über die Verwendung des Sondervermögens der Studen684

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft, der nicht wirtschaftlicher Eigentümer ist, sondern dem lediglich nach dem Aktienrecht spezifische Dispositionsbefugnisse zuteil werden, ein Untreue ausschließendes Einverständnis, zum Beispiel aufgrund Satzung gem. § 111 Abs. 4 S. 2 AktG oder aufgrund gesetzlicher Bestimmung wie § 89 Abs. 1 AktG, bezüglich pflichtwidrigem Vorstandshandeln erteilen kann. Faktisch betreffe dies lediglich den aufgrund der ähnlich gelagerten Treupflicht von Vorstand und Aufsichtsrat seltenen Fall, dass der Zustimmung durch den treupflichtigen Aufsichtsrat nicht selbst der Makel der Pflichtwidrigkeit anhafte.689 Der Ausweitung der Befugnis zur Erteilung eines Einverständnisses im Sinne des § 266 StGB auch auf Personen, die nicht wirtschaftlicher Vermögensinhaber sind, kann aus funktionaler Sicht nicht zugestimmt werden. Eine (wenn auch gesetzlich erforderliche) Zustimmung durch den Aufsichtsrat ist mit der Zustimmung des wirtschaftlichen Eigentümers (Aktionärsversammlung690) nicht identisch. Eine Treupflichtverletzung kann nicht durch Billigung Dritter ausgeschaltet werden, selbst wenn diesem Dritten (Aufsichtsrat) rechtlich Dispositionsbefugnisse (etwa Definitionsmacht bezüglich der Pflichten im Innenverhältnis) zugestanden werden. Maßgeblich für die Pflichtwidrigkeit ist allein das Treugeberinteresse (vgl. schon C. III. 3. d)). Soweit jedoch eine eigenverantwortliche Entscheidung Dritter (wie des Aufsichtsrats) Voraussetzung für einen Schadenseintritt ist, stellt sich einerseits die Frage, ob die Zustimmung nicht zugunsten des Vorstands als Ausschluss des materiellen Indizes im Sinne einer Schadenserzeugungslogik zu berücksichtigen ist, bzw. andererseits, ob die Strafbarkeit des pflichtwidrig tenschaft die Pflichtwidrigkeit aufgrund Verstoßes gegen gesetzliche Aufgabenregelungen nicht beseitigen: BGHSt 30, 248 f.; OLG Hamm NJW 1982, S. 190, 192; LK-Schünemann, § 266, Rn. 100 m. w. N. An dieser Stelle nicht zu klären ist, ob der wirtschaftliche Vermögensinhaber die einem Mitgliedszwang unterliegenden Studenten waren oder ob das Sondervermögen aufgrund Landesrechts abgeleiteter Institutionalisierung in wirtschaftlicher Inhaberschaft des Staates steht. Dies wäre für den praktisch allerdings weniger relevanten Fall von Bedeutung, dass – hypothetisch – alle Studierenden der Mittelzweckentfremdung zugestimmt hätten. Es wäre also zu berücksichtigen, ob die Studentenschaft als öffentlich-rechtliche Körperschaft wirtschaftlich gesehen gesetzlich formierter Ausdruck des wirtschaftlichen Interesses der Studierenden oder staatlicher Hoheitsgewalt ist. Im letzten Fall fände das materielle Treugeberinteresse allein in den gesetzlichen Regelungen Niederschlag, d.h. wird allein durch den Gesetzgeber bestimmt, der Aufgaben und Zweck festlegt und dadurch ein jedwedes Einverständnis nicht mehr möglich macht. 689 Siehe Schramm, S. 141 ff., 151 m. w. N. 690 Siehe BGH NJW 2006, S. 522; Krause, StV 2006, S. 310; Ransiek, NJW 2006, S. 815.

V. Einverständnis

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handelnden Vorstands nicht spätestens aufgrund mangelnder Unmittelbarkeit entfällt (siehe unten; Genehmigungsvorbehalt). War das Einverständnis des Vermögensinhabers unwirksam, so bleibt der Vermögensverwalter im Rahmen des Innenverhältnisses an eine Risikopolitik gebunden, die den Sorgfaltsregeln eines ehrlichen und gewissenhaften Vermögensverwalters entsprechen691 (vgl. C. IV. 2. d) cc) (1)). 3. Umfang der Dispositionsbefugnis des wirtschaftlichen Vermögensinhabers a) Die Begrenzung der Dispositionsbefugnis des wirtschaftlichen Vermögensinhabers (insbesondere durch § 30 GmbHG) nach Meinung von Rechtsprechung und herrschender Lehre Als problematisch erweist sich, ob ein Einverständnis des Vermögensinhabers im wirtschaftlichen Sinne in die Schädigung des rechtlichen Vermögensinhabers möglich ist. Diese Frage steht im unmittelbaren Zusammenhang mit jener nach der Dispositionserlaubnis des Alleingesellschafters oder der Gesellschafter über das Gesellschaftsvermögen. Nach früherer Rechtsprechung des BGH 692 sollte im Hinblick auf die eigenständige Rechtspersönlichkeit der juristischen Person, wie der GmbH (§ 13 GmbHG), ein Einverständnis aller Mitgesellschafter in eine unter Missachtung der Sorgfaltsanforderungen eines gewissenhaften und ehrbaren Kaufmanns verwirklichte Pflichtverletzung generell unbeachtlich sein.693 In einem folgenden Urteil begrenzte der BGH die Dispositionsbefugnis zumindest auf den in § 30 GmbHG geforderten Stammkapitalerhaltungsgrundsatz, sodass es nun den Gesellschaftern zustehen sollte in den Grenzen der Stammkapitalerhaltung Verfügungen über das Gesellschaftsvermögen zu unternehmen.694 Diese Entwicklung einschneidend erklärte der BGH später, dass auch die Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Buchführung (§ 41 GmbHG) im Zuge von Verschleierungen von Vermögensverschiebungen durch Falsch- oder Nichtbuchung ebenso einer Zustimmungsfähigkeit entzogen sei695, bevor im darauffolgenden Jahr die alte Rechtsprechungslinie wieder aufgegriffen und betont wurde, dass eine Gewinnentnahme le691 692 693 694 695

BGH GA 1977, S. 343; BGH wistra 1982, S. 148. Zur Rechtsprechungsgeschichte Achenbach, FS-BGH, S. 594 ff. m. w. N. BGHSt 3, 25 f.; siehe auch BGHSt 34, 384 ff., 389. BGHSt 3, 39 f.; 9, 216. BGHSt 34, 379, 389.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

diglich dann schädlich für die Gesellschaft sei, wenn die Existenz, die Liquidität oder besondere Interessen der Gesellschaft gefährdet sind.696 In aktueller Fortführung geht der BGH davon aus, dass die Dispositionsbefugnis der Gesellschafter insoweit begrenzt sei, als die in § 30 GmbHG geforderte Stammkapitalerhaltung nicht konkret gefährdet werde, so etwa durch existenzgefährdende Maßnahmen oder ein durch Aushöhlungsabsicht getragenen Gesamtverhalten.697 Wollen die Gesellschafter über diesen Grundsatz hinaus agieren, so müssen sie die Gesellschaft auflösen.698 Die Gesellschaft habe aber außerhalb der Stammkapitalerhaltungsmaxime gegenüber ihren Gesellschaftern grundsätzlich keinen Anspruch auf die Gewährleistung ihres gesamten Vermögensbestandes.699 Diese Grundsätze sollen entsprechende Anwendung auf den qualifiziert faktischen Konzern finden, wenn die Muttergesellschaft Alleingesellschafterin der Tochtergesellschaft ist und diese ihr Einverständnis mit dem Entzug der Vermögenswerte erklärt hat.700 Die Muttergesellschaft treffe daher die ihren Organen gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB zuzurechnende Pflicht, dem abhängigen Unternehmen nicht Vermögenswerte in existenzgefährdendem Umfang zu entziehen.701 So entschied der BGH im sog „Bremer Vulkan“-Fall, dass die ungesicherte Anlage von Vermögenswerten der Tochtergesellschaft in einem konzerninternen Cash-Management-Systems zum Zwecke von Transferleistungen innerhalb des Konzerns im Falle ihres Verlustes eine Gefährdung der Erfüllung der Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft, damit einen existenzgefährdenden Eingriff, darstellt, der außerhalb der Dispositionsfreiheit des beherrschenden Unternehmens liege.702 Allen diesen Entscheidungen des BGH und zustimmenden Meinungen aus der Lehre ist gemein, dass sie der Begrenzung von Dispositionsfreiheit die Trennung des Gesellschaftervermögens und eines strafrechtlich selbstständig geschützten Gesellschaftsvermögens zugrunde legen703 und in 696 BGHSt 35, 333, 335, 337 f. So auch nach der Änderung des § 30 GmbhG durch das MoMiG: OLG Stuttgart, wistra 2010, 34 ff. 697 BGH NJW 1997, 68 f.; BGH wistra 2000, S. 19; BGH MDR 1996, S. 1279. 698 BGH NJW 2000, S. 154; BGH wistra 2004, S. 345; vgl. auch BGHSt 3, 25. 699 Siehe BGH, NStZ 2004, S. 560 (nicht abgedruckt bei BGHSt 49, 147 ff.). 700 BGH NJW 1997, S. 68 f.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 218; Ransiek, FS-Kohlmann, S. 207 ff. Bei Vertragskonzernen sei jedoch aufgrund des Verlustausgleichs gemäß § 302 AktG ein absehbarer Nachteil nur in seltenen Fällen zu besorgen, nämlich dann, wenn die Muttergesellschaft in Insolvenzgefahr steht, so Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 31, Rn. 153 ff. Der wirtschaftlich sichere Verlustausgleich schließe ex ante einen Schaden i. S. d. § 266 StGB aus: Tiedemann, a. a. O. 701 Siehe zum Beispiel BGHSt 49, 161. 702 BGHSt 49, 147, 151 f., 157 ff.; zustimmend Ransiek, wistra 2005, S. 122; Salditt, NStZ 2005, S. 270.

V. Einverständnis

217

einer existenzgefährdenden (insbesondere § 30 GmbHG widersprechenden) Handlung gegenüber dem Gesellschaftsvermögen eine untreueerhebliche Pflichtverletzung sehen, die außerhalb der Dispositionsmacht der Anteilseigner steht.704 b) Unbeschränkte Dispositionsbefugnis des wirtschaftlichen Vermögensinhabers Die Begrenzung der Dispositionsfähigkeit der Anteilseigner ist mit wirtschaftlichen Dysfunktionalitäten verknüpft, auf die zum Beispiel Samson Bezug nehmend auf Cash-Management-Systemen in Konzernen hinweist. Eine mit Einverständnis erfolgte Stillung des Kapitalbedarfs einer MutterGesellschaft durch Inanspruchnahme von Vermögen der Tochter-Gesellschaft kann sich nämlich betriebswirtschaftlich als vernünftig und notwendig erweisen.705 Fraglich ist, aus welchen dogmatischen, insbesondere funktionalen Gründen einer Begrenzung der Dispositionsfähigkeit widersprochen werden kann. aa) Dispositionsfreiheit aufgrund fehlenden Drittschutzes im Rahmen des § 266 StGB Begründet wird die Begrenzung der Dispositionsfähigkeit damit, dass das Gesellschaftsvermögen der Gesellschaft zum Zweck der Befriedigung ihrer Gläubiger verbleiben müsse und damit der Dispositionsfreiheit der Gesellschafter entzogen sei.706 Da, wie oben festgestellt, Vermögensinteressen 703 Siehe auch Achenbach, FS-BGH, S. 598; Fischer, § 266, Rn. 11 („Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte kommt es nicht an“); Gehrlein, NJW 2000, S. 1090; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 6; Müller-Christmann/Schnauder, JuS 1998, S. 1084; Radtke, GmbHR 1998, S. 362; LK-Schünemann, § 266, Rn. 47. 704 Wodicka, S. 210 ff., 249 ff., 274 ff.; Radtke, GmbHR 1998, S. 364 f.; Gehrlein, NJW 2000, S. 1090; Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 31, Rn. 82 ff.; Ransiek, wistra 2005, S. 122; ders., FS-Kohlmann, S. 212 ff.; Hellmann, wistra 1989, S. 216 ff.; LK-Schünemann, § 266, Rn. 125 c bb; Wassmer, S. 51 ff., 80 ff., 90, 94; Louis, S. 150 ff. Dementsprechend soll es dann bereits bei der Feststellung einer möglichen Unterschreitung der Stammkapitalziffer darauf ankommen, ob die Gesellschaft weitergeführt werden soll oder nicht. Im ersten Fall wäre nach dem (günstigeren) Fortbestehenswert, im zweiten Fall nach dem Zerschlagungswert zu bilanzieren und eine Verletzung des Stammkapitalerhaltungsgrundsatzes zu beurteilen, siehe Achenbach, FS-BGH, S. 599 m. w. N. 705 Samson, Gesellschschaftsrecht in der Diskussion, S. 117 f. 706 § 266 StGB schütze also nicht nur die Vermögensinteressen des Treugebers, sondern intendiere auch den „Schutz der Gläubiger gegenüber untreuem Verhalten der Gesellschaftsorgane“ durch die Erhaltung des Haftungskapitals. BGHSt 49, 158 f., 161; 34, 384 ff.; 35, 337; BGHSt 3, 40; 3, 25; 9, 216; BGH wistra 1983,

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

Dritter aber keine Relevanz entfalten (siehe C. III. 1., C. III. 3. d)), kann der Vermögensschutz des § 266 StGB Gläubigerinteressen richtigerweise nicht umfassen. Die Verletzung von Gläubigerinteressen ist im Rahmen der Untreue irrelevant. Deren Schutz wird durch §§ 283 ff. StGB hinreichend gewährleistet.707 Über die Aktivierung dieser spezifischen Drittschutznormen wird darüberhinaus auch ein umfassenderer Schutz gewährt, als es § 266 StGB könnte. So wird etwa die Gesellschaft nicht erst dann Liquiditätsschwierigkeiten ausgesetzt, wenn der GmbH weniger Vermögen belassen wird, als zur Tilgung bereits entstandener Verbindlichkeiten erforderlich wäre, denn die verdeckte Gewinnentnahme ist gemäß § 8 Abs. 3 S. 2 KStG steuerbares Einkommen, welches schon eine zu Liquidierbarkeitsmängeln führende Steuerschuld nach sich ziehen kann.708 In solchen Fällen ist auf andere, spezifisch drittschützende Strafnormen zu verweisen, insbesondere § 283 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 StGB. bb) Problematik einer akzessorischen Verwendung des unterbestimmten § 30 GmbHG Kritisch wird auch der Gleichsetzung von Gefährdung von Stammkapital mit der in § 30 GmbHG zivilrechtlich (als Untergrenze für eine Strafbarkeit) ausdrücklich festgelegten Beeinträchtigung von Stammkapital begegnet. Sowohl eine Vermengung der Eingriffsintensitäten, d.h. eine unscharfe Abgrenzung von Gefährdung und Beeinträchtigung, als auch schon die prinzipielle Annahme, eine gesellschaftsrechtliche Missbilligung führe auch zu einer strafrechtlichen Missbilligung, stehen insoweit in Konflikt mit der Zivilrechtsakzessorietät des Strafrechts709 (siehe C. III. 1.). Schließlich werden auch Zweifel dahingehend geäußert, dass § 30 GmbHG überhaupt eine S. 71; Tiedemann, FS-Stree/Wessels 1993, S. 540; Radtke, GmbHR 1998, S. 362 f.; Bernsmann, GA 2007, S. 224. 707 Schramm, S. 122 ff., 225 f., Nelles, S. 263 ff., 553 passim; speziell zum Konzern: S. 162 f.; Arloth, NStZ 1990, S. 573; Muhler, wistra 1994, S. 287; Labsch, JuS 1985, S. 605 f.; Kubiciel, NStZ 2005, S. 359; Birkholz, S. 119 ff., 294 f.; Dierlamm, StraFo 2005, S. 400. Auch wenn zum Eigentümerinteresse zusätzliche Interessen (etwa über Mitspracherechte unternehmensbezogener Dritter etc.) treten und für die Annahme eines verselbstständigten Gesellschaftszwecks sprechen, siehe Brinkmann, S. 77 ff., 93 ff., greift dies im Zusammenhang mit dem Pflichtwidrigkeitsmerkmal des § 266 StGB nicht Platz, weil nach der hier vertretenen Ansicht allein die Vermögensinteressen des Treugebers bedeutsam sind. 708 Siehe BGHSt 35, 339. 709 Siehe Dierlamm, StraFo 2005, S. 400 m. w. N.; Schünemann, Organuntreue, S. 32 f.; Hentschke, S. 131; Busch, S. 177 (mit Bedenken hinsichtlich des Merkmals „existenzgefährdender Eingriff“ angesichts Art. 103 Abs. 2 GG); Schramm, S. 119 ff.; Birkholz, S. 88 ff., 112 ff.

V. Einverständnis

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zivilrechtliche Missbilligung im Sinne eines Verbots von Auszahlungen normiert. Vielmehr führen derartigen Auszahlungen über § 31 GmbHG nur zu einer Haftungsauslösung.710 Eine solche Unbestimmtheit der zivilrechtlichen Regulierung spricht in der Tat dagegen sie zur Grundlage einer Pönalisierung zu machen. cc) Möglichkeit rechtmäßigen wirtschaftsfunktionalen Alternativverhaltens (Auflösung der Gesellschaft) Richtig ist, dass nicht ohne Weiteres durch Leugnung der rechtlichen Zuordnung der Vermögensinhaberschaft der juristischen Person die die Pflichtwidrigkeit bestimmende Schadenserzeugungslogik verneint werden kann, denn die eigene Rechtspersönlichkeit juristischer Personen im zivilrechtlichen Sinne ist nicht in Frage zu stellen. Grundsätzlich gilt, dass der Alleingesellschafter bzw. die im Einverständnis handelnden Gesellschafter gesellschaftsrechtlich berechtigt sind, der Gesellschaft Gewinne (siehe § 29 Abs. 1 GmbHG) zu entziehen bzw. in einen solchen Entzug einzuwilligen. Entnahmen, die sich als Geltendmachung dieser Ansprüche verstehen, wirken insoweit kompensatorisch auf die Vermögensminderung, da mit ihnen eine Befreiung von dem Gewinnbezugsrecht einhergeht.711 Das Gewinnbezugsrecht ist gesellschaftsrechtlich jedoch durch die Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. 1 GmbHG plafoniert. Um das Gesellschaftsvermögen verfügbar zu machen, besteht allerdings die Möglichkeit der Liquidierung.712 So, wie ein Einverständnis der Gesellschafter in eine getätigte Gewinnentnahme eines Mitgesellschafters aufgrund unrichtiger Buchführung (Verschleierung) wirksam ist, weil den Gesellschaftern ohnehin ein Anspruch auf Gewinnverwendung gemäß § 29 GmbHG zusteht, ohne dass es aufgrund der Zulässigkeit von Gewinnvorschüssen strafrechtlich darauf ankäme, dass jener Anspruch nur bei einem die durch das GmbHG festgelegten Formen wahrenden Feststellungs- bzw. Gewinnverteilungsbeschluss klagbar wird713, so kann die faktische Vorwegnahme der Auflösung einer GmbH bei rechtlicher Möglichkeit untreuestrafrechtlich nicht anders behandelt werden. 710 Beispielsweise Nelles, S. 494 f. Abgesehen von der grundlegenden Richtigkeit der Kritikrichtung überzeugt diese Einzelargumentation nicht. Eine zivilrechtliche Missbilligung liegt unabhängig von den Konsequenzen der Normverletzung bereits in der Normverletzung selbst, wenn diese nicht-dispositiven Charakter hat. Der Wortlaut des § 30 GmbHG spricht jedoch dezidiert von „darf nicht“ und ist daher als zivilrechtliche Missbilligung zu verstehen, so auch Wassmer, S. 90 f. 711 Siehe Hellmann, wistra 1989, S. 217. 712 BGH NJW 2000, 154; BGH wistra 2004, S. 345; vgl. auch BGHSt 3, 25.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

Aus funktionaler Sicht kann die Unbegrenztheit der Dispositionsfreiheit daher weitergehend wie folgt begründet werden: Gerade die Möglichkeit zur Auflösung der GmbH, welche aufgrund der negativen Zivilrechtsakzessorietät keine Pflichtwidrigkeit darstellen kann, eröffnet den Gesellschaftern ein Mehr an Verfügungsmacht und widerlegt ein indisponibles, von der Privatautonomie seiner Eigner emergentes Bestandsinteresse der Gesellschaft. Eine Schadenserzeugungslogik, die sich also lediglich auf die Verletzung des Stammkapitalerhaltungsgrundsatzes stützt, wäre durch die Möglichkeit rechtmäßigen wirtschaftsfunktionalen Alternativverhaltens nicht verallgemeinerbar. Auf die Prinzipiierbarkeit der Schadenserzeugungslogik kommt es jedoch an. Das Recht bietet aber ein funktionales Äquivalent zur Realisierung eines wirtschaftlichen Effekts. Eine Verletzung des § 30 GmbHG stellt sich daher lediglich als formale Pflichtverletzung ohne jedes materielle Indiz dar (vgl. C. IV. 4. c)), bewirkt mithin im Prinzip keinen Schaden, trotz rechtlich nichtidentischer Vermögensinhaberschaft. dd) Wirtschaftliche Eigentums- und Handlungseinheit Zivilrechtlich gesehen ist zwar die GmbH oder AG aufgrund ihrer Eigenständigkeit als Rechtsgutsträger trotz wirtschaftlicher Eigentums-Einheit alleiniger Inhaber der Vermögensposition (vgl. § 1 AktG, § 13 Abs. 1 GmbHG). So erleidet die juristische Person bei nichtkompensiertem Kapitalabzug grundsätzlich einen Schaden. Das Einverständnis aller Vermögensinhaber, die die Zwecke des Vermögenseinsatzes autonom bestimmen können, führt jedoch, so auch Nelles, in Abweichung von zivilrechtlichen Zuordnungen dazu, dass im strafrechtlichen Sinne kein „fremdes“ Vermögen vorliegt.714 Die Wirkung der Übertragung einer strikten Verbindung von Rechtspersönlichkeit und Vermögensinhaberschaft auf das Untreuestrafrecht715 überzeugt schon insoweit nicht, als man den funktionalen Kontext des Vermögensschutzes miteinbezieht. Unter wirtschaftlicher Betrachtung, die auch von der „strengen Gesellschaftertheorie“ eingenommen wird, gehört das Gesellschaftsvermögen den Anteilseignern in ihrer Gesamtheit. Sie vermeidet eine auf einer „Zweiteilung des Gesellschaftsvermögens“ gründende strafrechtliche Beschränkung zivilrechtlicher Dispositionsbefugnisse über wirtschaftlich eigenes Vermögen.716 Die Gesellschaft ist in diesem 713 BGHSt 35, 336 f. m. w. N. Anders noch BGHSt 34, 387 ff., wo die Unwirksamkeit noch bei Verstoß gegen die Grundsätze eines ordentlichen Kaufmanns, zum Beispiel Verschleierung durch unrichtige Buchführung, angenommen wurde. 714 Nelles, S. 229 ff., 483 ff., 492 ff., 512 ff., 553. 715 Siehe dazu BGHSt 3, 130 ff.; 5, 95 ff.

V. Einverständnis

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Verständnis, abgesehen von dem Fall, dass die Gesellschaft zur Insolvenzmasse geworden ist717, eine „wirtschaftliche Veranstaltung der Gesellschafter“, „eine gemeinsame Welt mit dem Vermögensinhaber“718. Diese Sichtweise findet auch vor dem Hintergrund einer systemtheoretischen Sichtweise Geltung, die das Unternehmen „an sich“ mit einem selbstständigen überindividuellen Unternehmensinteresses versieht. Eine allgemeine Konzeption einer emergenten Selbstständigkeit des Unternehmensinteresses muss sich, wie die funktionale Analyse zeigte, jedoch zumindest im Rahmen des § 266 StGB vor dem Hintergrund seiner spezifischen Funktion und Programmierung normativ beschränken. § 266 StGB blendet daher alle jenseits des personalen materiellen Treugeberinteresses für die Beurteilung der Pflichtwidrigkeit aus (siehe C. III. 3. d), C. IV. 2. c), C. IV. 2. d)). Naturgemäß kann eine juristische Person selbst keinen Willen bilden. Vielmehr bilden die Gesellschafter (Anteilseigner) den Willen der Gesellschaft. So ist letztlich auch das Gesellschaftsinteresse, das „materielle Interesse“, als Ausfluss der Privatautonomie der „wirtschaftlichen Eigentümer“ zu verstehen, d.h. Gesellschaftsinteresse und Gesellschafterinteresse sind – zumindest aus der auf das materielle Interesse beschränkten Sicht des Untreuestrafrechts – identisch.719 716 Ob die Dispositionsbefugnis, wie Nelles (S. 229 ff., 483 ff., 492 ff., 512 ff., 553) meint, gegeben ist, weil von vornherein kein fremdes Vermögen betroffen sei oder ob, wie von Schramm vertreten (S. 123 ff.), die Dispositionsbefugnis ohne Verweis auf die wirtschaftliche Vermögensbetrachtung schon allein auf der Pflichtwidrigkeitsebene dogmatisch herleitbar ist, kann im Rahmen der funktionalen Betrachtung einer schon immer vermögensbezogenen Pflichtwidrigkeit dahinstehen. Im Ergebnis sind beide Betrachtungen ohnehin identisch, siehe auch Labsch, JuS 1985, S. 604 ff.; Fischer, § 266, Rn. 52e; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 47; oder auch Achenbach, FS-BGH, S. 598 f. Daher gilt die Wirksamkeit eines Einverständnisses im besagten Kontext auch nur bei Einstimmigkeit. Abweichungen ergeben sich indes bei Aktiengesellschaften und ihrer Hauptversammlung; dort kommt es auf eine qualifizierte Mehrheitsentscheidung an, siehe zum Beispiel Krause, StV 2006, S. 310. 717 Vgl. BGH wistra 1991, S. 305 f. Da allerdings die Verfügungsmacht des geschäftsführenden Gesellschafters im Insolvenzfall entfällt, scheitert eine Untreue bereits an einer untreueerheblichen Pflichtenstellung gegenüber der GmbH (a. a. O., S. 307). 718 Dierlamm, StraFo 2005, S. 400 (zur Konzernuntreue); Kubiciel, NStZ 2005, S. 359. Die privatautonome Vermögensmacht, die die juristische Person qua Gesellschaftsrecht an die geschäftsführenden Anteilseigner abtritt, ist aus der funktionalen Sicht des Untreuestrafrechts lediglich eine „Rückabtretung“ an die Anteilseigner, denn wirtschaftlich betrachtet handelt es sich um eine Handlungs-Einheit. 719 Dazu auch Dierlamm, StraFo 2005, S. 399 f.; Birkholz, S. 99 ff., 104. Die GmbH verfolgt, trotz der Tatsache, dass sie am Wirtschaftsleben teilnimmt, eigene Vermögenswerte besitzen kann und Träger von Rechten und Pflichten ist, von sich aus keinerlei wirtschaftliche Eigeninteressen (anders insoweit zum Beispiel BGHSt

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

Weisen die Anteilseigner den Nicht-Gesellschafter-Geschäftsführer (zum Beispiel im Sinne des § 6 Abs. 3 S. 1 2. Alt. GmbHG) an, Stammkapital beeinträchtigende Handlungen vorzunehmen, so dürfe er die Handlungen nicht ausführen, weil er sich sonst gemäß § 266 StGB strafbar mache.720 Da das alleinige vertrauensgeleitete Abtretungsverhältnis von Privatautonomie zwischen Geschäftsführer und den Anteilseignern begründet ist, erscheint ein solches Urteil aus praktischer Sicht problematisch. Immerhin sind die Gesellschafter die Instanz, die die materiellen Interessen der Gesellschaft zur Leitlinie der Geschäftsführung machen, sodass der Geschäftsführer als eingesetzter „Vollzieher des materiellen Treugeber-(Gesellschafts-)interesses“ Befugnisbegrenzungen des Interesses der faktischen Treugeber (Gesellschafter) bezüglich des ihnen wirtschaftlich zustehenden Vermögens nicht ohne Weiteres wirtschaftlich nachzeichnen kann. Dies zeigt sich auch daran, dass bei der Vor-GmbH (Vorgesellschaft), die mangels Eintragung im Handelsregister noch keine juristische Person ist (§ 11 Abs. 1 GmbHG), die einverständlichen Verfügungsmöglichkeiten der Gesellschafter, die Vermögensträger sind, nach herrschender Auffassung nicht begrenzt sind721. Zur Bestimmung eines Missbrauchs bei vermögensmindernden Dispositionen ist demnach allein der Wille der Gesellschafter maßgeblich.722

49, 161). Der Besitz einer Rechtspersönlichkeit als solcher (so Schmid in MüllerGugenberger/Bieneck, § 31, Rn. 89 m. w. N.) kann kein hinreichender Grund für die Erhaltung von Stammkapital sein. Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht weist Adams (Ökonomische Theorie, S. 456 f., Fn. 15 m. w. N.) mit dem gleichen Ergebnis darauf hin, dass eine juristische Person nicht „selbstständige Quelle eigener Werte“ sein kann. Ein weiterer Aspekt liegt in der Stringenz von Konsensfähigkeit (siehe dazu Naucke, Konsens, S. 52 ff.): Schließt man die Einwilligung als Aufhebungsgrund von Unrecht in Fällen von Selbstschädigungen bei juristischen Personen aus, so entdifferenziert man den Wirkungsbereich von konsentierten Selbstschädigungen. Rechtsfähigkeit kann nicht strafrechtlich gegen die Möglichkeit privatautonom fundierter Selbstschädigung ausgespielt werden. 720 Siehe Arnold, Jura 2005, S. 849. 721 BGHSt 3, 25; BGH wistra 1991, S. 24 f.; Kohlmann, FS-Geerds, S. 676 f., 679 ff. m. w. N.; siehe auch Gribbohm, ZGR 1990, S. 6; Müller-Gugenberger/ Bieneck-Schmid, § 31, Rn. 92. a. A.: Hentschke (S. 148 ff.), der in der Vor-GmbH einen eigenständigen Vermögensträger im Sinne des § 266 StGB ausmacht, für den § 30 Abs. 1 GmbHG ein die Dispositionsfreiheit der Gesellschafter ausschließender Ausdruck des Vermögensinteresses sei (S. 222 ff.). 722 Vgl. schon RGZ 169, 80 f.; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 21b.

V. Einverständnis

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ee) Dysfunktionalität eines personalisierten Systemvertrauens Wenn man dem personalisierten Systemvertrauen (siehe B. III. 1. c)) im funktionalen Kontext Bedeutung beimisst, scheint es zweifelhaft, die Vertrauensfunktionalität auch bei einem auftretenden Zusammenfallen von Vermögensinhaber und Vermögensfremden in der Person des wirtschaftlichen Eigentümers erkennen zu können, speist sich doch die Vertrauensfunktionalität im Rahmen von Vermögensbetreuungsverhältnissen insbesondere aus dem sozioökonomischen Phänomen der Arbeitsteilung. Die Funktionalität eines ‚Vertrauens‘ des Vertreters und wirtschaftlichen Alleineigentümers einer Gesellschaft ‚für die Gesellschaft‘ in sich selbst, d.h. ‚Vertrauen‘ in die Systemlogik seines eigenen Handelns, ist innerhalb einer sozialen Relevanz paradox. Diese Zirkularität von Vertrauen entzieht hier einer Anwendung des § 266 StGB die vertrauensfunktionale Grundlage. Für eine für § 266 StGB erhebliche Treupflicht des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft in der besagten Konstellation fehlt es an einer Einräumung einer besonderen Macht über fremdes Vermögen im besonderen Systemvertrauen.723 c) Übertragung der untreuestrafrechtlichen Gewährung einer unbegrenzten Dispositionsfreiheit auch auf Aktiengesellschaften und andere Gesellschaften Entsprechend ist fraglich, ob pflichtwidriges Verhalten von Vorstandsoder Aufsichtsratsmitgliedern, in welches aber von der Aktionärsmehrheit eingewilligt worden ist (siehe C. IV. 2.), eine Untreuehandlung darstellen kann. Dass die AG selbst Träger eines untreuestrafrechtlich geschützten Vermögensinteresses ist und in diesem Sinne indisponible „Eigeninteressen“ verfolgt724, ist entsprechend zu dem zur GmbH Gesagten zu bezweifeln. Zweifelsohne statuiert auch das Aktienrecht einen Kapitalerhaltungsgrundatz (§§ 57 ff. AktG), der in seiner Weite gegenüber § 30 GmbHG insoweit hinausgeht, als er den Schutz des gesamten Gesellschaftsvermögens gegenüber dem Zugriff der Aktionäre bezweckt. Ein Missbrauch vertrauensbasierter Abtretung von Privatautonomie kann jedoch dort nicht erkannt werden, wo es lediglich um entpersonalisierte Vermögensmassen geht, deren wirtschaftliche Eigentümer die schädigende Handlung wollen. Zwar ist das Einverständnis der Aktionäre entgegen den aktienrechtlichen Kapitalerhaltungsvorschriften zivilrechtlich unwirksam, aus funktionalen Gründen jedoch nicht auch strafrechtlich unerheblich.725 723 724 725

Erweiternd zu Sax, JZ 1977, S. 666. Wellkamp, NStZ 2001, S. 118 f. Siehe auch Schramm, S. 142 ff.; anders aber Burger, S. 127 m. w. N.

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C. Funktionale Konkretisierung der Pflichtwidrigkeit

Die untreuestrafrechtliche Gewährung einer unbegrenzten Dispositionsbefugnis gilt entsprechend für alle „wirtschaftlichen Eigentümer“ einer juristischen Person. d) Zusammenfassung Die Dispositionsfreiheit des wirtschaftlichen Vermögensinhabers ist auch aus funktionaler Sicht heraus untreuestrafrechtlich unbegrenzt. Insbesondere die Kapitalerhaltungsvorschriften (wie § 30 GmbHG oder §§ 57 ff. AktG) stellen keine Beschränkung jener Freiheit dar. Ein wirksames autonomes Einverständnis in eine Handlung des Treupflichtigen schließt eine untreueerhebliche Pflichtverletzung aus. 4. Einverständnis als Untreuehandlung? Aus dem Gesagten folgt auch, dass das Einverständnis zudem selbst gar keine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB darstellen kann, was jedoch insbesondere für die Zustimmung der Mitgliederversammlung eines Vereins, von Aufsichtsorganen einer Aktiengesellschaft zum Vorstandshandeln oder von GmbH-Gesellschaftern zur Verschiebung von Vermögenswerten durch den Geschäftsführer einer (Ein-Mann-)GmbH für möglich gehalten wird.726 Diese Ansicht trägt insoweit nicht, als die Möglichkeit eines untreuestrafrechtlich relevanten Einverständnisses aus funktionaler Sicht auf den wirtschaftlichen Vermögensinhaber zu reduzieren ist. Relevanz hat die (ausdrückliche oder gesetzlich manifestierte) Willensrichtung des Vermögensträgers: Das Einverständnis hat der wirtschaftliche Vermögensinhaber, d.h. der Geschäftsherr bzw. die nach der rechtlichen Verfassung der Willensbildung zuständigen Stelle der juristischen Person (beispielsweise die die Anteilseigner repräsentierende Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft) wirksam zu erteilen.727 Dabei kann das Einverständnis auch in einer „systematischen Begünstigung“ von Unternehmenspraktiken liegen (siehe dazu schon C. IV. 4. a)). Der Vermögensinhaber selbst begeht also regelmäßig keine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB. Ein Bruch vertrauensgeleiteter Vermögensmachtabtretung ist nicht möglich. Handelt es sich um eine juristische Person, in der einer zuständigen Stelle Zustimmungsrechte(-macht) übertragen sind, so ist eine „Zustimmung“, die im Widerspruch zum materiellen Treugeberinteresse steht, oh726

So Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 761 m. w. N.; Schramm, S. 141 f. m. w. N. Siehe BGHSt 50, 342 f.; OLG Hamm, wistra 1999, S. 353; Schramm, S. 74 ff., 125; 175 ff. m. w. N.; speziell zum Konzern: S. 151 ff.; Rönnau, FS-Tiedemann, S. 717 ff.; Arzt/Weber, BT, § 22, Rn. 70. 727

V. Einverständnis

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nehin ohne Rechtskraft, weder zivilrechtlich noch im Sinne eines Straftatbestandsausschlusses.728 Insoweit kann eine Untreuehandlung lediglich eine faktische Zustimmung (Billigung) schädigender Handlungen Dritter durch den Vermögensbetreuungspflichtigen sein, der eben nicht wirtschaftlicher Vermögensinhaber ist. In den wesentlichen Fällen einer Billigung schädigenden Handelns kommt Beihilfe zur Untreue in Betracht, wenn die Billigung eine Untreue eines Vermögensbetreuungspflichtigen befördert (siehe dazu auch C. III. 3. c) bb) bzw. D. II. 4. c) gg) (2)). Die unbeschränkte Dispositionsmacht des wirtschaftlichen Vermögensinhabers und damit die Möglichkeit der Erteilung eines Einverständnisses des Inhabers für einen unbeschränkten Vermögenszugriff durch den Vermögensbetreuer ergibt sich gemäß funktionaler Betrachtung. Da eine Pflichtverletzung nur vor dem Hintergrund eines Vermögensschädigungspotentials zu verstehen ist, mithin Maßgabe ausschließlich die Vermögensinteressen des Treugebers sind, ist die Zustimmungsbefugnis grundsätzlich unbeschränkt729 (siehe C. IV. 3. b)). Eine solche Bindung widerspricht dem Schutzzweck und der funktionalen Struktur des § 266 StGB. Liegt beispielsweise ein konkludent konsentiertes Einverständnis zu Schmiergeldzahlungen vor, so begründet dies keine Pflichtverletzung im Sinne einer Untreue, denn Unternehmen können nicht „bei jedem operativen Geschäft vor ihren eigenen Versäumnissen geschützt werden“.730 Wirtschaftliche Vermögensinhaber können ihr Vermögen ohne strafrechtliche Konsequenzen schädigen731 und folglich auch den Vermögensbetreuungspflichtigen dispensieren. Ein Einverständnis des wirtschaftlichen Vermögensinhabers kann keine Untreuehandlung sein.

728

Siehe OLG Hamm, wistra 1999, S. 353 m. w. N. Widerspricht eine Anweisung einer vermögensbetreuungspflichtigen Stelle gegen das Treugeberinteresse und ist ihrerseits als Untreuehandlung zu werten, so bedeutet das, dass der ausführende Mitarbeiter selbst nicht gerechtfertigt ist. Allerdings fehlt es derart abhängigen Mitarbeitern grundsätzlich ohnehin an einer untreueerheblichen Vermögensbetreuungspflicht. 729 Siehe Schramm, S. 286 ff. passim; Louis, S. 141 ff. 730 Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 73. 731 Labsch, JuS 1985, S. 606.

D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“ als Kopplungselement zur Wirtschaft I. Der wirtschaftliche Vermögensbegriff als Grundlage einer autonomen strukturellen Kopplung von Strafrechts- und Wirtschaftssystem 1. Kritik des juristischen Vermögensbegriffs Der juristische Vermögensbegriff732 zeichnet sich durch einen Begriffspositivismus aus und orientiert sich ausnahmslos an subjektiven Vermögensrechten, insbesondere dem Eigentumsrecht, nicht an der wirtschaftlichen Werthaltigkeit. Problematisch ist seine besondere Dyskonformität in Bezug auf die empirische Wirklichkeit, welche zu blockierten Anschluss- und Verknüpfungsmöglichkeiten innerhalb der modernen Wirtschaft führt.733 Werthaltige, aber nicht an subjektive Rechte geknüpfte Positionen, wie der Goodwill, tatsächliche Exspektanzen oder nicht schutzfähige Ideen blieben dem strafrechtlichen Vermögensschutz völlig entzogen. Damit würde es zu unvertretbaren Lücken im Strafschutz führen, wenn im Wirtschaftsverkehr teilnehmende und schutzwürdige Güter die sich nicht auf subjektive Rechte und Pflichten reduzieren lassen, aus dem Schutzbereich herausfielen.734 Die Befriedungsfunktion würde in Teilbereichen aufgegeben, indem Freiräume für wirtschaftliche Schädigungen geschaffen würden. Es besteht Gefahr den Veruntreuer zu ermutigen „seine Opfer in den Kreisen der sittlich schwachen Personen zu suchen“, da dort eine Verwirkung des strafrechtlichen 732 Binding, S. 341 ff.; siehe m. w. N. Cramer, S. 20 f. Vergleiche auch den dem juristischen Vermögensbegriff ähnlichen Vermögensbegriff im Sinne des durch das Zivilrecht konstituierten Herrschaftsprinzips von Hefendehl (S. 115 ff.). Durch diesen wird ein Vermögensgegenstand einem Subjekt dann zugewiesen, wenn ihm zivilrechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. 733 Zur Kritik siehe nur Cramer, S. 20 f., 88 ff., 108 ff.; Hefendehl, S. 99 f. Systemtheoretisch fundiert etwa Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, S. 199. Desweiteren folgt einer rein juristischen Begriffsdefinition die Frage nach der Einheitlichkeit der Binnenregeln zum Vermögensbegriff. Zur Problematik einer Zivilrechtsakzessorietät beim Vermögensbegriff siehe Cramer, S. 70 ff., 78 ff. m. w. N. 734 Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 41, Rn. 92; LK-Schünemann, § 266, Rn. 133; Rönnau, FS-Kohlmann, S. 253 f.; Schreiber/Beulke, JuS 1977, S. 659.

I. Der wirtschaftliche Vermögensbegriff

227

Schutzes gegeben wäre, ohne dass das gleichwohl vorhandene Unrecht des Untreuetäters berücksichtigt würde.735 Zudem mangelt es einer rein juristischen Vermögensbetrachtung an einer „homogenen Ertragskategorie“, nämlich dem Geldwert, mit Hilfe dessen allein auch eien für diese Betrachtung erlässliche Saldierung vorgenommen werden kann.736 Gerade die Abgrenzung zur Unterschlagung macht es zudem erforderlich eine über die rechtliche Zuweisung hinausgehende wirtschaftliche Vermögenszuweisung zu statuieren, denn in den Fällen, in denen der Treugeber dem Treunehmer Eigentum überträgt, verliert er gerade das Vermögensrecht im sachenrechtliche Sinne, um dessen die Verfügung überschießenden Schutz es bei § 266 StGB aber gerade geht. Eine Beschränkung des Vermögensschutzes auf die zivilrechtliche Güterzuordnung, die überdies keineswegs einheitlich ist737, ist daher grundlegenden Zweifeln ausgesetzt. In diesem Sinne fungiert das Vermögensmerkmal als „Auffangkategorie für weitere, über das Eigentum hinausgehende und abstraktere wirtschaftliche Werte“738. 2. Adäquanzsicherung im Rahmen des wirtschaftlicher Vermögensbegriffs und Kritik einer normativen Beschränkung Tatsachenpositivistisch orientiert sich dagegen der wirtschaftliche Vermögensbegriff, der als „Begriff des wirtschaftlichen Lebens“, „da im Systeme der Geldwirtschaft jeder Wert in Geld ausgedrückt werden kann“, die „Summe der geldwerten Güter einer Person“, d.h. die faktische Güterordnung zum Maßstab erhebt.739 Die von den Vertretern des wirtschaftlichen 735 RGSt 44, 249; Bockelmann, JZ 1952, S. 464. So würde die Befriedigungsfunktion des Strafrechts in einem von seinen Schranken befreiten Bereich aufgegeben und dadurch ohne legitimierenden Sinn Freiräume für wirtschaftliche Schädigungen eröffnet: siehe insbesondere Bockelmann, a. a. O.; Krey/Hellmann, BT 2, Rn. 435. 736 Siehe LK-Schünemann, § 266, Rn. 133. 737 Zum strafrechtlichen Rekurs auf die verschiedenen zivilrechtlichen Vermögensbegriffe (sachenrechtlich, schadensrechtlich, bereicherungsrechtlich) siehe zum Beispiel Hefendehl, S. 123 ff. 738 So Fehling/Faust/Rönnau, JuS 2006, S. 25. 739 RGSt 44, 233 ff.; BGHSt 2, 364, 367 ff.; 16, 221 f.; BGH NStZ 1986, S. 456; OLG Hamm, wistra 1999, S. 353 f.; Schmoller, ZStW 103 (1991), S. 94 ff.; Taschke, FS-Lüderssen, S. 667; Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 31, Rn. 176; vgl. Cramer, S. 109 („Die wirtschaftliche Zugehörigkeit faktischer Vermögenspositionen indiziert ihre rechtliche Billigung“); Das Strafrecht hebt durch den Wirtschaftsbezug für seinen Anwendungsbereich zivilrechtliche Differenzierungen (zum Beispiel in Eigentum, Besitz, Anwartschaften usw.) auf, vereinheitlicht mithin den

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

Vermögensbegriffs mit normativer Schranke (und erst recht des juristischökonomischen Vermögensbegriffs) dagegen geäußerte Ansicht, eine umfassende Rezeption wirtschaftlich-faktischer Gegebenheiten kollidiere, beispielsweise wenn das aufgrund rechts- oder sittenwidriger Geschäfte Erlangte als Vermögenswerte Anerkennung fände, mit der juristischen Binnenlogik und führe zu Selbstwidersprüchlichkeiten unter dem Gebot der Einheit der Rechtsordnung740, sodass aufgrund normativer Korrektur des wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriffs Bestandteil des strafrechtlich geschützten Vermögens lediglich die wirtschaftlich werthaltigen Güter und Positionen sein können, die, wie etwa klaglose Forderungen, der widerrechtlich erlangte Besitz oder tatsächliche Anwartschaften, dem Vermögensinhaber ohne die Missbilligung der Rechtsordnung zustehen741, überzeugt nicht. Einer normativen Restriktion muss auf der Ebene des Vermögens- und Schadensbegriffs widersprochen werden. Nicht nur ist eine entdifferenzierende Wirkung auf die Vermögenswert- und Schadensbestimmung zu besorgen, wenn sich einerseits auf ökonomische Wertmaßstäbe berufen wird, d.h. an das Wirtschaftssystem unmittelbar angekoppelt wird, diese Kopplung aber wieder gänzlich verlassen wird, wenn das Vermögensgut auf rechtsoder sittenwidrigen Wegen erlangt wurde. Der faktisch in doch vielen Fällen gleichwohl vorhandene wirtschaftliche Wert wird dann als völlig gegenstandslos angesehen. Eine gestohlene Sache, dessen Eigentümer nicht mehr aufzufinden ist, würde quasi unter der strafrechtlichen Vermögensperspektive als nullum fortgeführt und eine wirtschaftliche Parallelwelt erschaffen, in der eigentlich werthaltige Dinge als rechtlich wertlos fingiert würden. Damit verbunden wäre dann auch ein Verlust an allgemeiner Rechtssicherheit742, die aus kriminalpolitischer Sicht jedoch auch unter „Ganoven“ Geltung beansprucht (siehe schon C. III. 3. a) cc)). Gerade die Berücksichtigung der funktionalen Äquivalenz im Rahmen des Pflichtwidrigkeitsmerkmals, spricht dagegen, dass die Betrachtung der funktionalen Äquivalenz nun auf der Ebene des Vermögens- bzw. Schadensbegriffs in Fortfall kommen soll.743 Vermögensbegriff durch die Abstraktion von zivilrechtlichen Interessenlagen, siehe dazu Cramer, S. 110 ff., aber auch schon RGSt 44, 240 f. 740 BGH NStZ 1987, S. 407; OLG Hamm NJW 1989, S. 2551; LG Mannheim NJW 1995, S. 3398. „Was vor dem Recht keinen Bestand hat, kann nicht dem Schutz des Rechts anvertraut sein“, Cramer, S. 91 f.; Schönke/Schröder-Perron, § 263, Rn. 80, 82 f.; Kühl, NJW 1989, S. 506 ff.; Fehling/Faust/Rönnau, JuS 2006, S. 24; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 569; SK-Hoyer, § 263, Rn. 105; Welzel, S. 372; LK-Tiedemann, § 263, Rn. 132, 151 m. w. N. 741 RGSt 68, 379; 40, 21; BGHSt 31, 178; 14, 388; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 535; LK-Tiedemann, § 263, Rn. 140; Cramer, S. 100. 742 Insbesondere RGSt 44, 248 f.; BGHSt 2, 367 f.

I. Der wirtschaftliche Vermögensbegriff

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Mit der Fiktion der Nichtexistenz eines wirtschaftlichen Maßstabes in solchen Fällen würden komplexe Saldierungen erschwert bzw. unmöglich.744 So wäre beispielsweise die Kompensation mit einem rechtswidrig erlangten Vermögensvorteil von vornherein ausgeschlossen, ohne dass es auf die Entdeckungswahrscheinlichkeit ankäme. Zudem wurde festgestellt, dass Einheit der Rechtsordnung nicht meint, dass das Strafrecht missbilligen müsse, was das Zivilrecht missbillige (siehe C. III. 1. c)).745 Vielmehr ist die strafrechtliche Funktion hervorzuheben, die keine rechtsfreien Räumen in Verbindung mit kriminell erworbenen Gütern schaffen kann. Die normative Schranke gegenüber der wirtschaftlichen Betrachtung auf Vermögensebene wäre vielmehr eine Selbstbeschränkung des Rechts im Rahmen funktional äquivalenter Sachverhalte. Die (wirtschaftlich) funktional äquivalent begangene Untreue746 (mit äquivalentem Handlungsunrecht) bezüglich rechtswidrig erworbenen Vermögens kann nicht deshalb ausgeblendet werden, weil das Opfer sich eines anderweitigen Rechtsbruches schuldig gemacht hat. Bei identischer Handlung und wirtschaftlich funktional äquivalentem Taterfolg kann die Strafrechtsnorm die Missbilligung nicht aus dem normativen Grund verweigern, dass dem Opfer die Eigenschaft anhaftet im Voraus selbst eine missbilligte Tat begangen zu haben, zum Beispiel einen konzessionswidrigen Erwerb eines Geschäftsgewinns. Das würde nämlich bedeuten, dass die strafrechtliche Missbilligung jener „Vortat“ durch die Nicht-Missbilligung im Untreuestraftatbestand nur aus dem Grund der Missbilligung der „Vortat“ „verlängert“ würde. Wenn das Strafrecht wirtschaftlich nutzbare Vermögenspositionen als Vermögensbestandteil im Sinne des § 266 StGB anerkennt, so tritt es nicht in Widerspruch zu einer zivilrechtlichen Missbilligung einer solchen Vermögensposition. Zum Einen schon aus dem praktischen Grund, dass der wirtschaftliche Wert in den meisten Fällen Reflex auf eine zivilrechtliche Billigung ist (beispielsweise ist eine nichtige Forderung selten so viel wert wie ihr Nominalwert).747 Zum Anderen, weil das Strafrecht in allen Fällen 743

So aber LK-Schünemann, § 266, Rn. 64 f. und Rn. 134. Siehe Saliger/Geade, HRRS 2008, S. 74, auch unter Verweis auf BGH NJW 1975, S. 1235, wo es heißt, dass „selbstverständlich“ jeder Vorteil zu verrechnen ist, welcher „durch die pflichtwidrige Handlung erzielt worden ist“. 745 „Daraus, daß [. . .] kein Schaden vom Privatrecht anerkannt wird, folgt keineswegs, daß auch der Strafrichter den Vermögensschaden [. . .] zu verneinen habe“ (BGHSt 2, 367). 746 Kindhäuser, FS-Lüderssen, S. 644 f. Im Vorgriff auf eine systemtheoretische Deutung stellt Kindhäuser (a. a. O.) fest, „dass die Frage, ob das Vermögen als wirtschaftliche Potenz oder als rechtliches Können zu deuten ist, bei funktionaler Betrachtung keiner abstrakten Beantwortung bedarf“. 747 In diesem Sinne weist auch Schünemann darauf hin, dass der „Geldeswert von den rechtlich geregelten Handlungsmöglichkeiten“ abhänge, fordert aber gleich744

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

widerrechtliche Vermögensbestandteile nicht im zivilrechtlichen Sinne schützt, sondern im strafrechtlichen Sinne, d.h. es sanktioniert Vermögensschädigungen aufgrund strafrechtlicher normativer Voraussetzungen (Pflichtverletzung). Dementsprechend ist auf die Restriktionsansätze im Rahmen der Pflichtenstellung und Pflichtverletzung zu verweisen. Wertungswidersprüche, beispielweise eine Sanktionierung einer „Veruntreuung“ durch Herausgabe von Diebesgut an die Polizei durch den Hehler, sind nämlich durch mögliche normative Korrekturen vermeidbar, die auf der Ebene der Tathandlung behandelt werden können. Desweiteren kommt eine normative Beschränkung nicht umhin, in ihrer Abgrenzung problematische Schranken-Schranken einzubauen. So können nicht alle zivilrechtlichen Nichtigkeitsgründe den strafrechtlichen Vermögensschutz verwehren. Daher sei eine Berücksichtigung des Normzwecks erforderlich. So soll etwa trotz Nichtigkeit wegen fehlender Zustimmung durch Minderjährige erworbenes Kapital durchaus veruntreut werden können.748 Die Kompliziertheit einer solchen normativen Restriktion der normativen Restriktion wird durch einen verallgemeinerten Bezug auf den wirtschaftlichen Wert umgangen. Schließlich ist auch darauf zu verweisen, dass der Erwerb rechts- oder sittenwidrig erlangter Vorteile schon aus dem faktischen Grund des unsicheren Bestands sowie der Sanktionsbewehrtheit wirtschaftlich gesehen nicht zwingend kompensationstauglich ist (siehe dazu D. II. 5. b) bb)). Ein Ausschluss der Untreuestrafbarkeit durch die Begrenzung der ökonomischen Betrachtung kann jedoch erfolgen, wenn die entstehenden Umstände mit der materiellen Rechtslage konform sind, zum Beispiel die Tilgung einer Schuld, obwohl die Forderung nur schwer beweisbar gewesen wohl eine normative Beschränkung der wirtschaftlichen Geldwertorientierung im Sinne eines juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs, den Schünemann in Abgrenzung zur juristisch-ökonomischen Vermögenslehre „integrierten Vermögensbegriff“ nennt (in LK, § 26, Rn. 134). Wenn der Geldwert gerade auch ein Reflex des wirtschaftlich verwertbaren wirtschaftlichen Handlungspotentials ist, dann bedarf es einer rechtlichen Restriktion jener bereits „verarbeiteten“, ökonomisierten Normativität daher nicht deshalb, um die Einheit der Systeme Recht und Wirtschaft herzustellen. 748 Siehe Cramer, S. 99. Diese Problematik kann hier nicht weiter vertieft werden. Als Hypothese kann unter funktionalistischen Gesichtspunkten jedoch festgehalten werden, dass der normativ beschränkte wirtschaftliche Vermögensbegriff all diejenigen zivilrechtlichen Nichtigkeitsgründe bei der Bestimmung des Vermögensbestands unberücksichtigt lassen müsste, bei denen die Privatautonomie dessen, dem die Sache wirtschaftlich gebührte, nicht verletzt wurde, etwa im Rahmen von §§ 105 ff oder 125 ff BGB.

I. Der wirtschaftliche Vermögensbegriff

231

ist, weil das Erlöschen der Verbindlichkeit der Einbuße aus rechtlichen Gründen gleichgestellt werden muss.749 Das Strafrecht kann insoweit nicht sanktionieren, was das Zivilrecht erlaubt bzw. gar einfordert, nämlich die Erfüllung einer Verbindlichkeit. Nach der hier vertretenen Auffassung erfolgt der Ausschluss hingegen schon auf der Ebene der Pflichtwidrigkeitsprüfung. 3. Fremdheit des Vermögens Das geschädigte Vermögen muss fremd sein. Grundsätzlich ist das Vermögen fremd, wenn es nach materiellem Recht nicht ausschließlich dem Täter zuzurechnen ist.750 Die Fremdheitsbegriff bei der Nachteilszufügung durch Veruntreuung erfordert es jedoch auch, eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrunde zu legen, nach der (auch) fremd ist, was dem Vermögensträger zwar rechtlich gehört, es ihm aber unter ökonomischen Gesichtspunkten entzogen ist (zum Beispiel Insolvenzmasse dem Gemeinschuldner751). Denn das konkretisierte Merkmal der Pflichtenstellung im Rahmen der Pflichtverletzung orientiert sich gerade an der wirtschaftlichen Zuweisungslogik, wenn es verlangt, dass dem Vermögensfremden mehr rechtliche oder tatsächliche Macht (also zum Beispiel auch Eigentum als rechtliche Macht) eingeräumt wird, als ihm wirtschaftlich gebührt.752 Dass dem Treunehmer Eigentum an den zu betreuenden Vermögensgegenständen verschafft wurde, kann somit kein hinreichendes Kriterium dafür sein, dass dieses nicht fremd sei. Entsprechend spricht sich auch Nelles dafür aus, die Zuordnung des Vermögens zum Subjekt im Sinne des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs nicht schlechtweg an der zivilrechtlichen Zuordnung, sondern an dem besseren faktischen Zugriff, also der Macht über die Zwecke des Vermögenseinsatzes im Verhältnis zu jedem Dritten zu verfügen, auszurichten.753

749 Vgl. BGH wistra 1999, S. 422; BGHSt 20, 145 f.; OLG Köln, StV 1991, S. 209; OLG Hamm, wistra 1999, S. 422 f.; LK-Tiedemann, § 263, Rn. 186. Spiegelbildlich führt die Erfüllung nichtiger Ansprüche durch den Treupflichtigen – mit Ausnahme zum Beispiel bei § 311 b BGB – zum Vermögensschaden, siehe Cramer, S. 96, 99. 750 BGHSt 1, 187; Lackner/Kühl, § 266, Rn. 3; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 6. 751 Siehe Fischer, § 266, Rn. 11. 752 Siehe RGSt 39, 416; Sax, JZ 1977, S. 704 f.; siehe auch Otto, Struktur des Vermögensschutzes, S. 149 ff. Allenfalls bei der Missbrauchsalternative kann Fremdheit auf Eigentum bezogen sein. 753 Nelles, S. 362, 513 ff.

232

D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

4. Zusammenfassung Eine systemadäquate Anwendung des Untreueprogramms ist bei Anwendung des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs gegeben, der sich der äußeren Faktizität und Dynamik nicht verschließt und gleichzeitig strafrechtliche Binnenkohärenz wahrt.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens 1. Wirtschaftlicher Nachteilsbegriff und Prinzip der Gesamtsaldierung zum Tatvollendungszeitpunkt Der Begriff des Nachteils im Sinne des § 266 StGB entspricht nach h. M. dem eines Vermögensschadens, d.h. Vermögen und Schaden sind im Rahmen eines einheitlichen strafrechtlichen Vermögensbegriffs korrespondierende Größen.754 Zu keinem anderen Ergebnis gelangt auch der hier vertretene funktionale Ansatz. Die Konsequenz einer Vermögensbetreuungspflicht als Handeln gegen die Vermögensinteressen bzw. bei Spielräumen im Sinne einer Schadenserzeugungslogik führt zur Spezifikation des Taterfolgs als Vermögensschaden. Die von einer Mindermeinung vertretene Auffassung, Nachteil sei weiter auszulegen als Vermögensschaden755, verlässt dieses funktionale Kontinuum des Untreuestrafrechts und führt – auch unter dem Aspekt der Rechtssicherheit – zur problematischen Anwendungsausweitung des § 266 StGB.756 Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, welches aus Gründen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes 754 RGSt 71, 333; BGHSt 15, 343; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 41; Schrönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 40; Cramer, S. 117; Hefendehl, S. 84 ff.; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 45, Rn. 41; Schramm, S. 25. Insbesondere zur Begründung aufgrund der Einheit der Rechtsordnung siehe Wassmer, S. 107; zum einheitlichen Vermögensbegriff aus dogmengeschichtlichen Erwägungen: Nelles, S. 333 ff. 755 Siehe Hellmann, wistra 1989, S. 217, Fn. 35. Hellmann begründet die Ausweitung u. A. damit, dass nur der Begriff „Nachteil“ das Ausbleiben einer Vermögensmehrung erfassen könne. Dem steht jedoch die Sichtweise entgegen, die Vermögensmehrungsmöglichkeiten wirtschaftlichen Wert beimisst und auf dieser Grundlage im Unterlassen einer Vermögensmehrung einen Schaden zu begründen vermag (siehe dazu unter Abschnitt D. II. 5. a) aa)). 756 Im Vermögensbegriff liegt eine strukturelle Kopplung des (Straf-)rechts an das Wirtschaftssystem. Dieser Grund spricht für eine einheitliche funktionale Vermögensbegriffsinterpretation, d.h. dafür den Vermögensschutz des § 263 StGB und des § 266 StGB nicht durch jeweils spezifische Schadensmerkmale zu trennen, um eine Restriktion des Untreuetatbestands zu erzielen (siehe aber Matt/Saliger, S. 221 ff., Saliger, ZStW 112 (2000), S. 573, 611 f.; ders., Parteiengesetz, S. 26 ff.; Schünemann, NStZ 2005, S. 474 f.; Kindhäuser, FS-Lampe, S. 709 f.).

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

233

die wirtschaftlich nachvollziehbare Ermittlung und Bezifferung des Schadens einfordert757, wird eine Ausdehnung des Nachteilsbegriffs kaum mehr ihre Berechtigung finden können. Ob ein Vermögensschaden vorliegt, bestimmt sich im Zuge der sogenannten Gesamtsaldierung anhand eines Vergleichs der Vermögenslage vor und unmittelbar nach der getroffenen Verfügung.758 Dabei sind alle unmittelbar und zeitgleich verursachten Vermögenspositionen auf Vor- und Nachteilsseite auf der Grundlage einer ex-ante-Betrachtung zu vergleichen.759 Die Gesamtsaldierung erfolgt laut herrschender Auffassung nach dem Grundsatz, dass die Kompensation bereits beim [unmittelbaren, (siehe dazu D. II. 2. a))] Rückfluss irgendeines wirtschaftlichen Äquivalents eintritt. Vermögen und Schaden stehen sich daher spiegelbildlich als „korrespondierende Größen [. . .] mit jeweils umgekehrten Vorzeichen“ gegenüber.760 Wenn unter Vermögen jeder (rechtlich nicht missbilligte) wirtschaftliche Wert betrachtet wird (siehe D. I.), so muss die Schadensbetrachtung, um eine Verrechenbarkeit zu ermöglichen, auch eine wirtschaftliche sein. Ein Verlust an wirtschaftlichem Wert kann nicht dadurch fiktiv „kompensiert“ werden, dass das Recht die Gegenleistung (zivilrechtlich) missbilligt und daher in der Nichterlangung eines rechtlich (wegen Missbilligung) nicht erlangbaren Äquivalents gar keinen Verlust anerkennen würde. Die (zivilrechtliche) Missbilligung einer Gegenleistung wird dabei nicht in Frage gestellt, aber führt im Rahmen der strafrechtlichen Schadensbestimmung nicht zur Annahme einer faktischen Nichtkompensation einer Leistung.761 Auf der Grundlage eines wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriffs ist „selbstverständlich auch jede[r] Vorteil [. . .], der durch die pflichtwidrige Handlung erzielt worden ist“ zum Zeitpunkt des Leistungsaustausches, der Preisgabe des Geldes (Zeitpunkt der Vollendung der Tat757

BVerfG, 2 BvR 2559/08, Beschluss vom 23.6.2010, Absätze 113 f. Siehe RGSt 16, 3; 44, 235; 68, 380; BGHSt 16, 221 f.; Lackner/Kühl, § 263, Rn. 36; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 178, 186 ff.; Küper, BT, S. 367 f.; Saliger, ZStW 112 (2000), S. 594 ff.; Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 649; Schreiber/ Beulke, JuS 1977, S. 659; Velten, NJW 2000, S. 2853 ff. 759 Vgl. RGSt 16, 5: es ist „stets die Gesamtheit der Wirkungen zu betrachten“; RGSt 75, 230; BGHSt 3, 99; 16, 325; 30, 389; 45, 4; BGHR StGB § 266 I Nachteil 38; BGH NStZ 1986, S. 456; BGH NStZ 1997, S. 543; Lackner/Kühl, § 266, Rn. 17b; Arzt//Weber, BT, § 20, Rn. 89 f.; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 40 f.; Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 31, Rn. 190; Alwart, JZ 2006, S. 548 („Nur wer auf Gesamtzusammenhänge zielt, kann sinnvoll differenzieren“). 760 Cramer, S. 64. 761 Jede Leistung enthält für den Leistenden zunächst, solange er nicht für das Hingegebene einen gleichwertigen Ersatz empfängt, eine Minderung seines Vermögens, siehe RGSt 44, 235 ff., 240 f. 758

234

D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

handlung, Austauschvorgang, Tatvollendungszeitpunkt), zu berücksichtigen762 (vgl. auch D. II. 4. c) gg) (1)). Die spätere Entwicklung nach dem Zeitpunkt des für den zur Gesamtsaldierung erforderlichen Wertvergleichs des Vermögensstands vor und nach der Tathandlung bleibt unberücksichtigt763 (siehe D. II. 5. c)). Nicht selten kommt es zu Teilleistungen, die die Frage nach dem Zeitpunkt des Schadenseintritts aufwerfen.764 Bei konsequenter wirtschaftlicher Verrechnung im Wege der Gesamtsaldierung, löst sich das Problem auf: Wird eine erste Teilleistung durch einen wirtschaftlich werthaltigen Anspruch kompensiert, aber eine zweite Teilleistung schon nicht mehr, weil der Anspruch zur Kompensation „verbraucht“ ist, dann liegt in diesem Augenblick der Schadenseintritt. Man könnte insoweit von sukzessiver Gesamtsaldierung sprechen, d.h. ein fortlaufendes gegenseitiges Aufheben von Nachteils- und Vorteilsposten, bis endgültig feststeht, ob in der Summe die Nachteils- oder Vorteilsseite überwiegt. Durch dieses Vorgehen wird der Tatvollendungszeitpunkt in den Augenblick gelegt, in dem auch tatsächlich die Vermögensbilanz negativ wird. Der Werteinbuße im wirtschaftlichen Sinne steht ein zweckwidriger kompensationsloser völliger Entzug der Vermögenswerte durch den Betreuer, zum Beispiel durch die zweckwidrige Entnahme von anvertrauten Geldern vom Treuhandkonto, gleich765 (dazu ausführlich D. II. 4. c) bb)). Beispiel: Treunehmer X erwirbt für Treugeber Y pflichtwidrig einen Anspruch auf eine Geldzahlung i. H. v. 3.000 e zum Preis von 2.000 e. Dieser Anspruch ist jedoch mit einem Prozessrisiko behaftet, sodass mit 10%-iger Wahrscheinlichkeit die Realisierung des Anspruchs ausbleibt. Die Gegenleistung ist eine Chance mit einer Wahrscheinlichkeit von 90% 3.000 e für 2.000 e zu erhalten (bei einem Erwartungswert von 2.700 e). Die wirtschaftliche Bewertung des Anspruchs beträgt 2.700 e. Es ergibt sich ein Positivsaldo. 762

BGHSt 3, 371 f.; BGHSt 43, 298; BGH NJW 1975, S. 1235; BGH NStZ 2001, S. 251; Thomas, FS-Riess, S. 808; Saliger, HRRS 2006, S. 20 f. Für die Lehre des juristischen Vermögensbegriffs ist die Dimension der Verrechnung nicht greifbar. Es bleibt hier, unabhängig von faktisch greifbaren Güterflüssen, bei einer rechtlich selbstbezüglichen Bestimmung der Kompensation, die nämlich nur am Rechtsgrund orientiert ist. Erfolgt beispielsweise die Gegenleistung ohne Rechtsgrund, so kompensiere sie nicht die Leistung, weil es bloß um die nachteilige Veränderung der Rechtslage geht, siehe zum Beispiel Binding, S. 353 ff. 763 BGH GA 1961, S. 114; OLG Stuttgart NJW 1963, S. 825; OLG Düsseldorf NJW 1994, S. 3366. 764 Siehe BGHSt 44, 386, jedoch ohne nähere Ausführungen mangels konkreter Umstände des Sachverhalts. 765 Siehe beispielsweise BGH, StraFo 2008, S. 304.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

235

Beispiel: Vermögensverwalter X verkauft pflichtwidrig eine nichtige Forderung mit einem Nominalwert i. H. v. 1000 e für 500 e. Üblicherweise hat eine nichtige Forderung keine Realisierungspotenz und ist daher wirtschaftlich nicht werthaltig. Es bedarf daher nicht erst eines juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs, um einen Schaden zu verneinen. Beispiel: Geschäftsführer Y erwirbt für 1000 e einen Anspruch auf eine Gegenleistung mit Nominalwert i. H. v. 1000 e. Der Schuldner der Gegenleistung ist jedoch offensichtlich zum Verfügungszeitpunkt nicht zur Erfüllung der Gegenleistung bereit. So kann trotz Erlangung eines an sich durch den Gegenleistungswert kompensierten Anspruchs gegenüber einem nicht erfüllungsbereiten (böswilligen) Schuldner ein Schaden des vorleistungspflichtigen Gläubigers in der wirtschaftlichen Einbuße gegeben sein, die der Aufwand zur Realisierung des Anspruchs mit sich bringt.766 Beispiel: Vermögensbetreuer X tilgt eigenmächtig und unter Verletzung seiner Vermögensbetreuungspflicht den ihm gegenüber dem Vermögensinhaber Y gebührenden Anspruch auf eine angemessene Vergütung seiner Vermögensverwaltertätigkeit, indem er einen entsprechenden Betrag von dem für den Y eingefahrenen Vermögensgewinn einfach abzieht. Y erleidet dadurch keinen Vermögensschaden, weil das Erlöschen seiner Vergütungsverpflichtung die pflichtwidrige Vergütung kompensiert.767 Beispiel: Der vermögensbetreuungspflichtige X erfüllt weisungswidrig eine (fällige) Schuld des Vermögensinhabers gegenüber Z, die Z wegen Beweisschwierigkeiten nur schwer hätte durchsetzen können. Die normative Restriktion von Pflichtverletzungen bei rechtskonformen Verhalten (siehe D. I. 2.), welches eine Selbstwidersprüchlichkeit des Rechtssystems verhindert, kann hier bereits zum Fehlen einer Tathandlung führen. Wird hingegen eine Pflichtverletzung angenommen, so kann bei einem faktisch-wirtschaftlich orientierten Schadensbegriff nicht zwingend ein Schaden ausgeschlossen werden (so wie bei rechts- oder sittenwidrigen Geschäften mit Sanktionspotential nicht zwingend ein Nachteil angenommen werden kann).768 Allerdings bedürfte es dazu eines quantifizierbaren Nachweises, dass es zum Tatvollendungszeitpunkt zu erwarten gewesen ist, dass die Einforderung der Verbindlichkeit nicht wahrscheinlich ist. Dies wird selten praktisch gelingen. Beispiel: Vermögensbetreuer X befriedigt für den Vermögensinhaber Y eine Forderung i. H. v. 10.000,- e, die dem Z gegen Y zusteht, jedoch erst in einem halben Jahr fällig ist. Als Gegenleistung für die gezahlten 10.000 e erhält Y eine Befreiung von der Verbindlichkeit in nominal gleicher Höhe. Da die Verbindlichkeit aber erst in einem halben Jahr fällig war, ist die Befreiung von derselben zum Tatvollendungszeitpunkt gegenüber ihrem Nominalwert wirtschaftlich minderwertig. Immerhin geht Y eines Verzinsungspotentials verlustig. Daher liegt ein Nachteil im Sinne des § 266 StGB vor.769 766 767 768

Vgl. Cramer, S. 177 ff.; Schünemann, NStZ 2008, S. 432. Vgl. BGHSt 35, 336; BGH NStZ 1995, S. 185. Siehe aber BGH wistra 1999, S. 422.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

Beispiel: Vermögensverwalter Y verursacht durch die Abwicklung eines pflichtwidrig vorgenommenen Geschäfts für den Treugeber X einen Schaden in Höhe von 5.000 e. Gleichzeitig vermittelt das Geschäft ein Anfechtungsrecht, mit dessen Verwirklichung X wieder an die zunächst verlorenen 5.000 e gelangen könnte. X hat durch den Güteraustausch jedoch bereits einen realen Vermögensverlust i. H. v. 5.000 e erlitten. Ob dieser Vermögensnachteil von dauerhafter Natur ist, spielt bei der Schadensbestimmung zum Tatvollendungszeitpunkt keine Rolle. Erlangt hat X aber bereits unmittelbar aus dem pflichtverletzenden Geschäftsabschluss, der Zivilrechtsordnung geschuldet, ein Recht, welches den Verlust wieder auszugleichen ermöglicht. Dieses Recht ist aber naturgemäß weniger Wert als der durch seine Verwirklichung ermöglichte ökonomische Rückfluss, denn allein der Verzinsungsausfall, der Aufwand der Durchsetzung des Anspruchs, das immer praktisch vorhandene Prozessrisiko, die Möglichkeit einer eigenen Inanspruchnahme aus § 122 BGB usw., stellen unmittelbar mit dem kompensierenden Vorteil des Rechts wiederum Nachteile dar, die wirtschaftlich betrachtet den Wert der Restitutionsmöglichkeit grundsätzlich gegenüber dem zu restituierenden Wert mindern. Zusammenfassend ausdrücken lässt sich dies durch die Aussage des Reichsgerichts: „Der wirtschaftliche Minderwert kann nicht ersetzt werden durch das juristische Recht“770.

2. Exkurs: Zusammenhang von Pflichtverletzung und Vermögensschaden im Rahmen der objektiven Zurechnung Eine mittelbare Restriktion des Vermögensschadens könnte sich aufgrund der Kriterien der objektiven Zurechnung ergeben, welche die Untreuestrafbarkeit von einem spezifischen Zusammenhang von Pflichtverletzung und Vermögensschaden abhängig macht. Im Gegensatz zum Betrugstatbestand (§ 263 StGB), dessen Merkmale durch den „Irrtum“ und die „Vermögensverfügung“ in einem kettenförmigen Zusammenhang stehen, fehlen bei § 266 StGB solche „tatbestandsbegrenzenden Zwischenglieder“771. Der Tatbestand spricht alleine von einem Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und Vermögensschaden („dadurch“). Fraglich ist an dieser Stelle772, inwieweit über einen bloßen Kausalitätszusammenhang hinaus die Kriterien der objektiven Zurechnung reaktiviert werden können. 769 Vgl. BGH NStZ 2001, S. 543; siehe auch Müller-Gugenberger/BieneckSchmid, § 31, Rn. 180. Nach BGHSt 8, 46 ff ändert sich an diesem Maßstab auch dann nichts, wenn sich eine unterschiedliche Höhe des Marktpreises von Gütern ohne wirklichen Güterunterschied allein aus der Provenienz der Güter (in diesem Fall Hopfen) ergibt. 770 RGSt 16, 7; 44, 234 m. w. N. 771 Saliger, HRRS 2006, S. 16; Fischer, StraFo 2008, S. 271 f. 772 Die Erörterung der objektiven Zurechnung (insbesondere des Unmittelbarkeitszusammenhangs zwischen Pflichtverletzung und Vermögensschaden) innerhalb des Vermögensschadens ist vorliegend aufbaumäßig geboten. Sie ist hilfreich für

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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Eine Restriktion des Zurechnungszusammenhangs ist durch die Lehre von der Objektiven Zurechnung möglich, nach der der tatbestandliche Erfolg grundsätzlich nur dann zurechenbar ist, wenn die Tathandlung eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen oder erhöht worden ist und sich diese Gefahr im tatbestandlichen Erfolg realisiert hat.773 Welche Teil der Lehre von der Objektiven Zurechnung Berücksichtigung finden sollen, ist keineswegs geklärt.774 In Betracht kommen neben der Gefahrschaffung (siehe dazu bei Bereithalten liquider Mittel) der Unmittelbarkeits-, Pflichtwidrigkeits- sowie der Schutzzweckzusammenhang.775 a) Unmittelbarkeitszusammenhang Der Unmittelbarkeitszusammenhang besagt im Falle des § 266 StGB, dass der Vermögensschaden unmittelbar durch die Pflichtverletzung herbeigeführt worden sein muss, d.h. nicht Folge einer anderweitigen selbstständigen Handlung ist.776 Die gegenteilige Auffassung, die einen Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen Pflichtwidrigkeit und Vermögensnachteil ablehnt777, vernachlässigt den funktionalen Zusammenhang von spezifischem Vermögensschädigungspotential und Vermögensschädigung, führt zu einer Entgrenzung des Zurechnungszusammenhangs und damit zu einer nicht hinnehmbaren Ausweitung der Pönalisierung. das Verständnis der im Anschluss folgenden Behandlung des anders zu verstehenden Unmittelbarkeitszusammenhangs innerhalb schadensgleichen Vermögensgefährdungen (siehe z. B. D. II. 4. b) cc) oder D. II. 5. c)), für die Kritik an der Verdopplung des Tatbestandsmerkmals der Pflichtverletzung (siehe z. B. D. II. 3. f) bb) (3) (a)) sowie im Rahmen diverser im Rahmen des Abschnitts „Vermögensschaden“ behandelter Lösungsvorschläge für Sonderfälle der Untreue, bei denen die objektive Zurechnung Relevanz entfaltet (siehe z. B. D. II. 5. c) aa) (4) oder D. II. 4. c) bb) (3)). Daher wird die Objektive Zurechnung nicht, wie methodisch naheliegender, im Anschluss an die Besprechung von Pflichtverletzung und Vermögensschaden diskutiert. 773 Kühl, AT, § 4, Rn. 43; Schünemann, NStZ 2005, S. 475 f.; Schramm, S. 65 f.; Rengier, FS-Roxin, S. 811 ff. zur allgemeinen Problematik der Anwendung der Lehre von der objektiven Zurechnung im Besonderen Teil des StGB. 774 Saliger, HRRS 2006, S. 21; Schünemann, NStZ 2005, S. 476; Matt/Saliger, S. 236 Fn. 115; Samson, Non profit law yearbook 2004, S. 238 ff., 242 f.; Achenbach/Ransiek–Seier, HWSt, V 2, Rn. 184 ff. 775 Siehe Saliger, HRRS 2006, S. 21; Roxin, AT 1, § 11, Rn. 44 ff., 84 ff.; Kühl, AT, § 4, Rn. 58 f., 73 f.; Wessels/Beulke, AT, Rn. 176 ff. 776 Matt/Saliger, S. 236; Saliger, HRRS 2006, S. 21; Fischer, § 266, Rn. 73 a; Riemann, S. 121 ff., 126 ff.; Kindhäuser, FS-Lampe, S. 724; Volhard, FS-Lüderssen, S. 680 ff.; Wassmer, S. 112 ff.; Achenbach/Ransiek–Seier, HWSt, V 2, Rn. 191 ff. 777 Siehe zum Beispiel OLG Hamm, NJW 1982, S. 192 („Der Begriff der Unmittelbarkeit ist dem Recht der Untreue fremd“). So auch Burger, S. 189 ff.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

Beispiel: Ein Vorstand einer AG unterlässt pflichtwidrig die Veröffentlichung von positiven Informationen, was dazu führt, dass der Kurs der Aktien der AG, der gegenüber er vermögensbetreuungspflichtig ist und welche Aktien von sich selbst besitzt, nicht wie erwartet ansteigt. Darin kann jedoch noch keine Untreue gesehen werden. Denn die Kursentwicklung an der Börse unterliegt multifaktoriellen Ursachen, sodass eine nicht eintretende Kurssteigerung keinen unmittelbaren Verlust einer vermögenswerten Gewinnaussicht darstellen kann.778 (siehe zu Gewinnaussichten und ihrer Bewertung auch bei Exspektanzen).

Weitergehende Bedeutung gewinnt das Prinzip der Unmittelbarkeit im Zusammenhang mit schadensgleichen Vermögensgefährdungen (siehe D. II. 4.). b) Pflichtwidrigkeitszusammenhang Auch der Pflichtwidrigkeitszusammenhang als Zurechnungsregel gewinnt für die Untreue angesichts des durch den Wortlaut („dadurch“) zum Ausdruck gebrachten unmittelbaren Wirkungszusammenhangs zwischen Vermögensbetreuungspflicht und Vermögensnachteil Bedeutung. Die vom Täter durch die Tathandlung geschaffene rechtliche Gefahr schlägt sich dann nicht im Taterfolg nieder, wenn ein rechtmäßiges (pflichtgemäßes) Alternativverhalten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum gleichen oder noch nachteiligeren Erfolg geführt hätte.779 Diese Restriktion fand durch den BGH beispielsweise im Rahmen einer Kreditvergabe trotz fehlender Entscheidungsbefugnis Anwendung.780 778

Siehe Park-Zieschang, Teil 3, Kapitel 2, T1 § 266, Rn. 66 ff. Siehe zum Beispiel Saliger, HRRS 2006, S. 22; Wessels/Beulke, AT, Rn. 197 ff.; Kindhäuser, FS-Lampe, S. 724. Kritisch bemerkt Kühl, dass es auch in den Fällen, in denen auch pflichtgemäßes Alternativverhalten zum tatbestandlichen Erfolg führt, weder die Erfolgsverusrachung noch die Realisierung der Gefahr durch das pflichtwidrige Verhalten nicht aufgehoben wird, „denn welche Gefahr soll sich denn im tatsächlich eingetretenen Erfolg dann ‚realisiert‘ haben [. . .]?“ (AT, § 4, Rn. 73). An dieser Stelle können nicht Detailprobleme der Objektiven Zurechnung geklärt werden. Anzumerken sei nur, dass der sog. Pflichtwidrigkeitszusammenhang ein rechtsinternes Bewusstsein dafür repräsentiert, dass die Gefahrrealisierung durch individuelles Handeln nicht ausschließlich durch Pflichtwidrigkeit oder Pflichtgemäßheit gesteuert (automatisiert) wird, sondern von systemischen Kettengliedern abhängig ist, die von der strikten Abfolge Handlung-Gefahrrealisierung enthoben sein können und damit den Erfolg nicht mehr monokausal auf die Handlung zurückführen lassen. Wird der Aktienmarkt beispielsweise von einer schweren Börsenkrise heimgesucht, welche den Fall sämtlicher Aktienkurse zur Folge hat, so kann der Schaden nicht allein durch die pflichtwidrige Auswahl des Aktientyps zugerechnet werden, wenn das System von vornherein auch bei pflichtgemäßem Verhalten keine Möglichkeit zur Schadensvermeidung zur Verfügung stellte. 780 BGH wistra 2000, S. 306. Nach vorliegender Auffassung scheiden in derartigen Fällen meistens bereits die Pflichtverletzungen aufgrund ihrer nur formalen Qualität aus: siehe Abschnitt C. IV. 4. 779

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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Beispiel781: Geschäftsführer G einer Stiftung verkauft weisungswidrig ein stiftungseigenes Grundstück nicht gewinnbringend (Kaufpreis oberhalb des Verkehrswertes) an den X. Kurz darauf stellt sich heraus, dass das Grundstück ein Ölvorkommen beherbergt und in Wirklichkeit weitaus größeren Verkehrswert hat, in jedem Falle mehr wert ist, als X gezahlt hätte. Auch hier hätte ein pflichtgemäßes Verhalten des X die Stiftung nicht besser gestellt als sie aufgrund der Untreuehandlung gestellt wurde. Beispiel: Ein Vermögensanleger investiert auftragswidrig nicht in die Anlageform x, sondern in y. y ist mit 5% geringerer Gewinnerwartung verbunden als x. Später kommt es zu einem plötzlichen Kurseinbruch und nahezu vollständigem Wertverlust bei x. Der Pflichtwidrigkeitszusammenhang fehlt erst dann, wenn sich die Ertragslage bei pflichtgemäßem Vorgehen besser dargestellt hätte. Allerdings kommt es zur Beurteilung allein auf den Tatvollendungszeitpunkt an, sodass spätere Wertverluste nicht berücksichtigt werden können.782

c) Schutzzweckzusammenhang Ob auch das Kriterium des Schutzzweckzusammenhangs im Rahmen der objektiven Zurechnung auf den Untreuetatbestand bezogen werden kann, ist umstritten. Das Kriterium bestimmt die objektive Zurechnung danach, ob sich der durch die Untreuehandlung verwirklichte Erfolg innerhalb des Schutzzwecks der übertretenen Sorgfaltsnorm bewegt. Liegt der verwirklichte Erfolg jenseits der Grenzen des durch die Sorgfaltsnorm vermittelten Schutzzwecks, so ist die Erfolgsherbeiführung nicht die Verwirklichung der vom Täter geschaffenen Gefahr.783 So wird die Restriktion der Vermögensbetreuungspflicht auf unmittelbar dem Vermögensschutz (treugeberischen Vermögensinteresse) dienende Pflichten eingefordert.784 Die Anwendung des Kriteriums des Schutzzweckzusammenhangs ist jedoch bei Anwendung des funktionalen Kriteriums der untreueerheblichen Pflichtverletzung entbehrlich, da der Vermögensbezug der Pflichtverletzung dann bereits auf der faktischen Ebene hergestellt ist. d) Zusammenfassung Wendet man die Kriterien der Lehre von der objektiven Zurechnung auf § 266 StGB an, so erwachsen insbesondere aus dem Unmittelbarkeits- so781

Nach Saliger, Non profit law yearbook 2005, S. 226 f. Anders Kindhäuser (FS-Lampe, S. 724 f.), der die Kompensation auch auf spätere Vermögensentwicklungen bezieht. 783 Kühl, AT, § 4, Rn. 74; Roxin, AT 1, § 11, Rn. 84 ff. 784 Günther, FS-Weber, S. 316 f.; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 19a; Achenbach/Ransiek-Seier, HWSt, V 2, Rn. 188 ff. 782

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

wie dem Pflichtwidrigkeitszusammenhang Eckpfeiler für eine restriktive Anwendung des Untreuestrafrechts. 3. Wertbemessung im Rahmen der Gesamtsaldierung a) Objektiver Marktwert zum Tatvollendungszeitpunkt Dem wirtschaftlichen Nachteilsbegriff zufolge versteht man unter Vermögensschaden jede wirtschaftlich messbare Werteinbuße.785 Objektiver Maßstab der Wertbemessung ist der in wirtschaftlichen Märkten durch Preisbildungsmechanismen entstehende (Markt-)Wert.786 Dabei zeichnet sich der Begriff des „Marktpreises“ durch eine Vielzahl von Interpretationsmöglichkeit aus.787 Der Marktwert ist das Ergebnis der Preisbildung am allgemeinen Markt oder an sektoral oder situativ spezialisierten Teilmärken (etwa Kunstmarkt, Lebensmittelmarkt etc.).788 Aufgrund der Ausdifferenzierung der Märkte, Handelsplätze und des Spektrums von Preisen je nach Ort und Zeit wird zum Teil an einer „Saldierung von Zahlen“, welche letztlich durch subjektive Unwägbarkeiten auf Seiten des Rechtsanwenders (insbesondere auch Sachverständiger) begleitet werden müssen, die dem Bestimmtheitsgebot entsprechende Rechtssicherheit bezweifelt.789 Die Diversität von Märkten, Handelsplätzen und zeitlichen Schwankungen des Marktpreises spricht jedoch weniger oder gar nicht gegen die Marktpreisorientierung, wenn man den Marktpreis als den Preis, der üblicherweise bei Geschäften vergleichbarer Art zur entsprechenden Zeit und am entsprechenden Ort und auf vergleichbarer Umsatzstufe gezahlt wird, definiert, d.h. auch, der Preis, der unter vergleichbaren Bedingungen „bei einem anderweitigen Verkauf [. . .] wahrscheinlich zu realisieren gewesen wäre“ (Relativität des Marktpreises).790 Die Marktpreisbetrachtung scheidet 785 RGSt 44, 235; BGH wistra 1996, S. 24 f.; Cramer, S. 100; Kindhäuser, FSLüderssen, S. 644 („Der Schaden liegt im Faktischen, kann aber nur normativ bestimmt werden“). 786 Die Geldwertorientierung als objektivem Maßstab leitete schon das Reichsgericht, siehe beispielsweise RGSt 16, 4; 44, 233 ff. Die Orientierung an „denjenigen Überzeugungen vom Wert der Wirtschaftsgüter [. . .], die im Wirtschaftsverkehr tatsächlich maßgebend sind“ (Lackner/Kühl, § 263, Rn. 38) kann nur Marktpreisorientierung bedeuten, siehe dazu unten . . . 787 Siehe im Überblick nur Winkler, S. 38 ff. 788 Lackner/Kühl, § 263, Rn. 38 m. w. N.; Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 649 f. Unter Markt versteht Luhmann die systeminterne Umwelt des Wirtschaftssystems aus der Sicht der partizipierenden Systeme (Haushalte, Wirtschaftsunternehmen): Wirtschaft der Gesellschaft, S. 93 ff. 789 Winkler, S. 109 ff., 114.

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also situative Sonderangebote nicht etwa aus, sondern setzt an den konkreten Umständen an.791 Wesentlich ist die Beschränkung auf den Tatvollendungszeitpunkt. Dies schließt auch aus, den Marktwert anhand zukünftiger Dynamik des PreisLeistungs-Verhältnisses makroökonomisch zu komplizieren. So kann es keinen Schaden darstellen, wenn Sachwerte gegen Geld umgetauscht werden, weil dieser Umtausch etwa in Zeiten von Warenverknappung vorgenommen wird.792 Makroökonomischen Veränderungspotentiale haben, selbst wenn eine gewisse Vorhersehbarkeit zum Tatvollendungszeitpunkt vorhanden ist, zu diesem Zeitpunkt keinen Einfluss auf das Geldwerturteil. Würde man den Marktwert von heute mit dem Marktwert von morgen relativieren, so würde ein objektiv Maßstab gänzlich unmöglich werden. Systemimmanente Gefährdungen durch Preisverfall bzw. Warenknappheit können im Übrigen auch gar nicht dem Täter zugerechnet werden. Die Berücksichtigung spezifischer objektiver Gegebenheiten, lässt zwar Wertungen durch die Rechtsanwendung nicht entfallen (und das soll sie auch gar nicht), spiegelt aber die Komplexität und Vielschichtigkeit der wirtschaftlichen Realität wieder, auf die sich ein Vermögensbegriff im funktionalen Verständnis immer bezieht. Im Folgenden ist daher zunächst nach den Besonderheiten einer rein objektiven Betrachtung, desweiteren nach der Überzeugungskraft einer subjektivistischen Korrektur der objektiv am Marktwert orientierten Saldierung zu fragen.

790 Siehe BGH, NStZ 1991, S. 488 f.; Schmoller, ZStW 103 (1991), S. 108; Wassmer, S. 116 f. m. w. N., Rn. 772 (Synonyme für diesen Marktwertbegriff sind Tagespreis, Zeitwert, Tageswert); Hefendehl, S. 252 ff. Eine solche Definition besitzt den Vorteil nicht etwa durch die Bildung von Durchschnittspreisen zur Erforschung des Marktpreises ein Artefakt zu erschaffen, welches am Markt real dann gar nicht existent ist (siehe zur Kritik an einer solchen Vorgehensweise Winkler, S. 40 ff.). Zudem bietet sie eine Einschränkungsmöglichkeit gegenüber der nicht hinreichend konkreten Schlussfolgerung, dass aufgrund eines exitsierenden Spektrums mehrerer objektiver Preise, der Marktpreis „innerhalb der Grenzen des allgemein [. . .] erzielbaren Preises“ liegt (siehe KG JR 1964, S. 350). Zur Ausdifferenzierung der Märkte auch Bussmann/Lüdemann, S. 131 f. 791 Vgl. auch OLG München NJW 1978, S. 435. 792 Siehe aber BGH LM Nr. 1 zu § 335.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

b) Probleme einer objektiven Betrachtung aa) Wertlose Gegenstände Gewisse Gegenstände besitzen keinen Marktwert oder können keinen Marktwert besitzen.793 Zur Vermeidung rechtssystematischer Widersprüchlichkeit wird daher gefordert, auch den Eigentumsschutz dem Vermögensschutz zu subsumieren, d.h. die Werthaltigkeit nicht von einem existierenden Marktwert abhängig zu machen.794 Da das Eigentum strukturelle Kopplung des Rechts- und Wirtschaftssystems darstellt, ist diese Sichtweise aus funktionalen Gründen an sich unproblematisch, solange sie nicht mit personaler Kontingenz (siehe dazu D. II. 3. c)) einhergeht. Andererseits ist der Schutz auch wertloser Gegenstände im Rahmen des § 266 StGB im Gegensatz zum Betrugstatbestand praktisch unbedeutend, denn überträgt jemand einem anderen einen objektiv wertlosen Gegenstand, so dürfte es bei dieser Pflichtenstellung (Besitzer-, Verwahrerstellung) regelmäßig an der untreueerheblichen „besonderen Macht“ mangeln. bb) Unbewertete Gegenstände In einigen untreuerelevanten Fällen der Bestimmung von Schäden, mehr noch bei Schadenskompensationen, hat man es mit Leistungen zu tun beispielsweise bei erstmaligen oder unwiederholbaren Werk- oder Dienstleistungen, für die sich noch kein Marktpreis gebildet hat oder ein solcher nicht feststellbar ist, beispielsweise weil ein Wettbewerb konkurrierender Unternehmen unterbleibt (siehe dazu ausführlich bei D. II. 5. a) cc) (3) (b)). cc) Hypothetischer Marktwert bei Marktmanipulationen des Treupflichtigen Durch „Marktmanipulationen“ kann es zur Umgehung des eigentlichen Marktwertes kommen, sodass zur Schadensbestimmung die Orientierung an dem hypothetischen „eigentlichen“ Marktwert vorgeschlagen wird. Wenn zum Beispiel bei öffentlichen Ausschreibungen Angebote aufgrund von Submissionsabsprachen getroffen werden, so wird in den absprachebedingten Preisaufschlägen durch die Orientierung an einem höheren „hypotheti793 Als Beispiel für die erste Alternative werden typischerweise Erinnerungsfotos genannt, die einen persönlichen Wert haben mögen, aber objektiv keinen oder nur bei zufälliger Entstehung modegebundener Sammlermärkte Marktwert haben könnten: siehe Kindhäuser, LS-Lüderssen, S. 637. 794 Kindhäuser, FS-Lüderssen, S. 636 f. passim., m. w. N.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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schen Marktwert“ ein Vermögensschaden angenommen795 (siehe ausführlicher bei D. II. 4. c) dd)). Folgt man der Orientierung an einem hypothetischen Marktwert, so liegt darin eine Schadensbewertung ungeachtet eines objektiven Wertvergleichs von Leistung und Gegenleistung.796 Dieses Problem stellt sich entsprechend im Zusammenhang mit der Untreue im Rahmen von Provisionen oder Schmiergeldern, die der Vermögensbetreuer – pflichtwidrig – zuungunsten des Vermögensinhabers einrechnet (siehe C. III. 3. c) cc)). Unter Zugrundelegung eines situativen Marktpreisbegriffs steht eine Schadensannahme keineswegs grundsätzlich außerhalb eines objektiven Marktpreiskalküls, denn der ursprüngliche Marktpreis, der zu zahlen gewesen wäre, der in der nichtmanipulierten Geschäftssituation wirtschaftlich eigentlicher Marktpreis war, wurde schlechtweg nur um die pflichtwidrige Manipulation überboten. Problematisch ist allerdings die Feststellung des hypothetischen Marktpreises (dazu auch D. II. 4. c) dd)). dd) Börsenwert und Börsenmanipulationen durch sog. „Scalping“ Nicht immer geht bei der Teilnahme am Kapitalmarkt ein Kursverfall auf immanentes Risiko zurück. So liegt es etwa im Falle des sogenannten „Scalpings“. Dort ordert der gegenüber Fondsanlegern Vermögensbetreuungspflichtige, der zuvor privat Aktien eines Unternehmens erworben hat, in großem Umfang für eine Fondsgesellschaft Aktien des nämlichen Unternehmens, obwohl er den Kurs zum Ordertermin für ungünstig hält. Daraufhin verkauft er seine privat gehaltenen Aktien zu dem durch die umfangreiche Kauforder gestiegenen Kurs, was zu einem für den Fonds ungünstigen Kursrückgang führt. Dieses „Scalping“ stellt einen Sonderfall des sog. Front-Running dar, unter dem man allgemein die Abwicklung eines Eigengeschäfts eines Wertpapierhandelsunternehmens kurz vor der Durchführung einer Kundenorder versteht.797 In Betracht kommt Untreue (§ 266 Abs. 1 1. Alt.). Liegt ein derartiger ausdrücklicher Ausschluss aber vor, ist das entsprechende Eigengeschäft pflichtwidrig. Das Ausnutzen der Möglichkeit den Kurs durch umfangreiche Kauforders zu beeinflussen, indem der Aktienkurs kurzfristig zu seinem persönlichen Vorteil in die Höhe getrieben wird, wird von der Vereinbarung im Innenverhältnis allerdings selten ausgeschlossen. Ohne eine solche Vereinbarung kann die Wahrnehmung eige795 796 797

BGHSt 16, 137; 47, 83; NJW 1992, S. 922 f. Lackner/Kühl, § 263, Rn. 38 m. w. N. Siehe Park-Zieschang, Teil 3, Kapitel 2, T1 § 266, Rn. 57 ff., 73.

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ner wirtschaftlicher Betätigung durch Eigengeschäfte jedoch nicht pflichtwidrig im Sinne des § 266 StGB sein.798 In funktionaler Sicht liegt die Begründung darin, dass der Treupflichtige bei wirtschaftlichem Handeln im „Außenverhältnis“ von einem Zugriff des Untreuestrafrechts geschützt sein muss (siehe C. III. 3. c)). Andernfalls käme man zu dem praxisfernen Ergebnis, dass alle Handlungen pflichtwidrig wären, die prinzipiell irgendeinen denkbaren negativen Einfluss auf den Börsenwert der betreuten Aktien nehmen könnten. In jedem Falle mangelt es regelmäßig an einem Vermögensnachteil, da die Aktien ja zum jeweils geltenden Börsenkurs und damit zum Marktpreis erworben wurden. Die Leistung entspricht zum Tatvollendungszeitpunkt der Gegenleistung. Geringfügige mit dem Aktienkauf verbundene Provisionen und Gebühren werden regelmäßig durch die reguläre Dividendenerwartung, d.h. dem Wert des zukünftige Zahlungsstrom zum Investitionszeitpunkt, welcher sich durch die angenäherte Summe aller zukünftigen, jeweils abgezinsten Dividendenbeträge errechnet, kompensiert (siehe auch D. II. 3. e) dd) (2)). Ob der Treupflichtige vorher zu eigenen Zwecken Aktien erworben hat und damit möglicherweise eine Kurshebung verursachte oder ob er beabsichtigt eigene Aktien später zu veräußern und damit einen Kursrückgang bewirken wird, ist unerheblich. Die Ermittlung eines anderen, „wahren“, Aktienwertes und damit der Nachweis, dass der Treugeber das Papier unmittelbar zu günstigeren Konditionen hätte erwerben können, ist nicht möglich.799 Es ist deshalb gerade die Unmöglichkeit einen unmittelbaren Schaden bei einer Manipulation des Börsenpreises zu fixieren, die die Sanktionierung einer täuschenden Manipulation des Preises erfordert und entsprechend Ausdruck in § 38 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 20 a WpHG findet. ee) Geldwerturteil und Zeit – der wirtschaftlich vernünftige Gesamtplan als immanente Voraussetzung einer wirtschaftlichen Gesamtsaldierung Bei der Saldierung zur Schadensbestimmung wird grundsätzlich eine Einzelbetrachtung vorgenommen, bei der die unmittelbar aus der untreuen Einzelhandlung erwachsenden Nachteile und kompensationsfähigen Vorteile verrechnet werden. Wirtschaftlichen Vorhaben, Investitionen zum Beispiel, ist es jedoch nicht selten eigen, dass sie eine für sich betrachtet verlustbrin798 799

Park-Zieschang, Teil 3, Kapitel 2, T1 § 266, Rn. 58 m. w. N. Siehe auch Park-Zieschang, Teil 3, Kapitel 2, T1 § 266, Rn. 59.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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gende Handlung voraussetzen und erst dadurch nach gewisser Zeit im Ergebnis des Gesamthandelns ein Gewinn abwerfen, der den „Vorausnachteil“ amortisiert. Es handelt sich dabei um wirtschaftlich einheitliche Vorgänge, deren Zielrichtung eine längerfristige Marktwertmaximierung und Wertgenerierung ist.800 Anerkannt ist, dass kein Vermögensnachteil gegeben ist, wenn im Rahmen eines wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans trotz kurzfristiger Vermögensverluste ein Handlungsbündel derart auf einen einheitlichen Erfolg angelegt ist, dass dieser nicht anders als über das verlustreiche Durchgangsstadium erreichbar ist.801 Dabei geht die Orientierung am „wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplan“ weder mit der Aufgabe einer Fixierung auf den Tatvollendungszeitpunkt noch mit einer Aufhebung des Unmittelbarkeitsprinzips für Vorteile einher, sondern bringt lediglich eine wirtschaftssystemadäquate Methode zum Ausdruck, um Exspektanzen im Rahmen der wirtschaftlichen Prozesslogik zu definieren und zu bewerten. Der „wirtschaftlich vernünftige Gesamtplan“ im Rahmen der Gesamtsaldierung ist Maßstab einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung innerhalb einer juristischen Einzelbetrachtung (Unmittelbarkeit, Tatvollendungszeitpunkt). Er fordert die Berücksichtigung sämtlicher zukünftiger (unmittelbarer) Vermögensposten, denen die wirtschaftliche Logik (zum Tatvollendungszeitpunkt) einen Wert zuschreibt. Innerhalb der Gesamtsaldierung ergibt sich daraus eine Bündelung des wirtschaftlichen Zeithorizonts in einen juristischen Fixpunkt. Die Implementierung des Modells des wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans ist Mittel zu Herstellung von Adäquanz gegenüber der (wirtschaftlichen) „Lebenswelt“ in einem Recht, das nach Luhmann „durch die rechtsförmige Vergegenwärtigung von Zukunft überfordert“ erscheint.802 Der wirtschaftliche vernünftige Gesamtplan ist damit eine Diskontierungsregel zur Ertragswertbestimmung von zu erwartenden Vermögensvor- und -nachteilen (zur Gewährleistung der Einzelbetrachtung zum Zeitpunkt der Tatvollendung).803 Er ist komplexitätsreduzierende Decodierung wirtschaft800

Kritisch zur Aufspaltung wirtschaftlich einheitlicher Vorgänge z. B. schon BGH NJW 1975, S. 1234; daneben BGH NJW 2000, 2864; Thomas, FS-Riess, S. 802, Fn. 33; zur nachhaltigen Steigerung des Unternehmenswerts beim Shareholder-Value-Ansatz insbesondere: Barnes Städler/Bircher/Streiff, S. 23. 801 RG JW 1934, S. 2923; JW 1936, 882 f.; BGH NJW 1983, S. 1808; Saliger, HRRS 2006, S. 20 f.; Lackner/Kühl, § 266, Rn. 17b; LK-Schünemann, § 266, Rn. 137; Lüderssen, FS-Müller-Dietz, S. 468 ff.; Achenback/Ransiek-Seier, V 2, Rn. 167 f.; Dahs, NJW 2002, S. 273; Taschke, FS-Lüderssen, S. 667. 802 Vgl. Luhmann, Soziologie des Risikos, S. 70. 803 Ein solcher Ertragswert, d.h. ein aufgrund der Kapitalisierung erwartbarer Zukunftserträge bemessener Wert einer Chance auf künftige Vorteile, ist auch bei Wert-

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

licher Zeitbezogenheit für die „zeitlose“ Schadensbetrachtung im Rahmen des § 266 StGB. c) Entökonomisierungstendenzen durch Subjektivierungen im Rahmen der Schadensbestimmung Die Subjektivierungen auf der Schadensebene sind vielfältig und können hier nicht abschließend erörtert werden. Augenmerk soll auf der Möglichkeit und der dogmatischen Tendenz einer Subjektivierung liegen. aa) Der personale (oder subjektive) Schadensbegriff Einer rein objektiven Betrachtung des Schadens, die auf die privatautonomen Belange keine Rücksicht nimmt, tritt zunächst der subjektive oder personale Vermögensbegriff entgegen, wenn er den Schadensbereich durch Respektierung des autonomen Willens, d.h. den Zielsetzungen und Bedürfnissen des Betroffene erweitert. Unter „Vermögen“ sei nicht lediglich die Gesamtsumme wirtschaftlicher geldwerter Güter zu fassen, sondern auch die wirtschaftliche Potenz des Vermögensträgers zur Gewährleistung eines Wirk- und Lebensbereichs, deren Minderung ein Vermögensschaden darstelle. „Umfang des Vermögens sowie Dasein und Ausmaß des Schadens“ sollen sich „nach dem berechtigten wirtschaftlichen Bedürfnis, dem anerkennenswerten persönlichen Interesse des Vermögensträgers“ richten.804 Es gehe also um den „Schutz der Wirtschaftsgüter in ihrer Bezogenheit auf die Person des Vermögensinhabers“, und damit auch um den Schutz der „Entfaltung der Person im wirtschaftlichen Raum“805. Eine solche Subjektivierung ist Bestandteil einer personalen Vermögenstheorie, weil sie die wirtschaftliche Potenz des Vermögenssubjekts zum Definiens erhebt.806 Sie versucht durch die Abstraktion der wirtschaftlichen Potenz die verobjektivierbare individuelle Komponente von bloßer subjektiver Willkür zu scheiden. bestimmungen in zivilrechtlichen Zusammenhängen gang und gäbe, zum Beispiel wenn es um Wertbemessung von Unternehmen geht, siehe zum Beispiel § 1376 Abs. 4 BGB; BGH NJW 1982, S. 575; BayObLG BB 1996, S. 259. 804 Bockelmann, JZ 1952, S. 464 f.; ders, FS-Kohlrausch, S. 248; ebenso Otto, Struktur des Vermögensschutzes, S. 69 ff., 82; Winkler, S. 180 ff. 805 Siehe Labsch, S. 323 ff.; LK-Tiedemann, § 263, Rn. 26. Ähnlich auch Cramer, der darauf hinweist, dass für den Träger von Vermögen, dasselbe immer ein „funktional sinnvolles Ganzes“ ist (S. 103 f.). 806 Bockelmann, JZ 1952, S. 461 f.; Otto, Struktur des Vermögensschutzes, S. 34; Labsch, Jura 1987, S. 416; Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 116 ff., 130 ff., 178 ff.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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Damit wird zwar die Subjektivierung, jedenfalls von der h. M., nicht soweit getrieben, dass es auf beliebige individuelle Wertschätzungen des Vermögensträgers ankäme, denn sie rekurriert auf das „vernünftige Urteil eines unbeteiligten Dritten“.807 Im Wesentlichen tendiert die personale Vermögenslehre aber dazu das Vermögen mit seiner Funktion der individuellen Persönlichkeitsentfaltung im Rahmen subjektiver wirtschaftlicher Zwecksetzungen unter Schutz zu stellen. Ein Vermögensschaden liege daher, entkoppelt vom materiellen Gegenwert, in der Minderung der individuellen wirtschaftlichen Potenz und zeige sich demzufolge dann auch an der Verfehlung des Verfügungserfolgs (Zweckverfehlung) und damit der Verletzung von (wirtschaftlicher) Dispositionsfreiheit.808 bb) Der individuelle Schadenseinschlag Nach herrschender Auffassung findet die Individualisierung bzw. Personalisierung im Wesentlichen ihren Niederschlag als Korrektiv der grundsätzlich anzuwendenden wirtschaftlichen Schadensbestimmung, wie sie auch im Rahmen von § 263 StGB angewandt wird.809 Ungeachtet einer Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung soll, wie der BGH im sog. „Melkmaschinen-Fall“ hervorhebt, unter einer der folgenden Voraussetzungen ein Vermögensschaden vorliegen:810 (1) Der erste Fall betrifft die Zweckverfehlung, d.h. das Nichterreichen des vertraglich zugrundeliegenden Zwecks durch die Verwendung der Leistung bzw. die Unzumutbarkeit einer alternativen Verwendung. 807 BGHSt 16, 222; 23, 300; BGH NStZ-RR 2001, S. 41; BGH NJW 1990, 1923; Kindhäuser, FS-Lüderssen, S. 640 f. 808 Bockelmann, JZ 1952, S. 464; Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 116 ff.; Otto, Struktur des Vermögensschutzes, S. 26 ff., 64 f., 82; Hillenkamp, NStZ 1981, S. 166; Kindhäuser, FS-Lampe, S. 24 ff.; Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 649 f.; siehe auch Eser, GA 1962, S. 296 f.; Schönke/Schröder-Cramer, § 263, Rn. 99a („sozialer Zweck“). 809 Fischer, § 266, S. 67 f.; Lackner/Kühl, § 266, Rn. 17c, § 263, Rn. 48 ff.; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 43 f.; LK-Schünemann, § 266, Rn. 142 (bei der Zweckverfehlungslehre jedoch ohne Rekurs auf § 263 StGB). 810 BGHSt 16, 320 ff. („Melkmaschinen-Fall“); BGH, NStZ-RR 2006, S. 207; BGHSt 30, 181; zur folgenden ersten Fallgruppe siehe insbesondere BGHSt 16, 220 (Textilbeschaffenheit); 23, 300 (Zeitschriften); BGH NStZ-RR 2001, S. 41 (Grundstücke); zur zweiten und dritten: BayOLG NJW 1973, S. 633. Schon RGSt 75, 229 sah einen Vermögensschaden in der Tilgung einer fälligen Schuld, wenn das Erlöschen der Verbindlichkeit für den Treugeber einen geringeren Wert als die geleistete Zahlung bedeutete und verließ damit Kategorien objektiver rechnerischer Gleichwertigkeit.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

(2) Der zweite Fall umfasst die erzwungene Selbstschädigung des Vermögens durch den Vermögensinhaber, d.h. der Erwerber wird durch seine Verpflichtung genötigt vermögensschädigende Maßnahmen einzuleiten. (Diese vom BGH statuierte Fallgruppe der erzwungenen Selbstschädigung dürfte in den wesentlichen Fällen im Allgemeinen als schadensgleiche Vermögensgefährdung zu behandeln sein.) (3) Drittens kommt hinzu die Knebelung, durch die der Erwerber derart verpflichtet wird, dass eine ordnungsgemäße Lebensführung mangels Verfügbarkeit über dazu erforderliche Mittel für ihn nicht mehr möglich ist. d) Kritik an einer Subjektivierung und Zweckorientierung der personalen Vermögenslehre und der Lehre vom subjektiven Schadenseinschlag als Kontingenzen im funktionalen Kontext aa) Ablehnung einer Subjektivierung wegen der Unbestimmtheit subjektiver „Korrekturen“ Das Abstellen auf individuelle Gesichtspunkte bei der materiellen Wertbestimmung des Vermögens bedeutet einen methodologischen Bruch, jedenfalls dann, wenn ein objektiver wertorientierter Vermögensbezug gar nicht mehr zu erkennen ist.811 Zwar berücksichtigt eine subjektiv ausgerichtete Schadensberechnung den Umstand, dass wirtschaftliches Handeln für Subjekte nach Maßgabe der damit verfolgten Zwecke je unterschiedliche Werte verkörpern kann. Dennoch geht im Strafrecht der Rechtsgüterschutz nicht in einem reinen Interessenschutz auf.812 Andernfalls würde die Lozierung des Schadens in den Bereich besonderer Konstitutionen oder Situationen des Vermögensinhabers – ungeachtet der mit ihm einhergehenden Beweiserleichterungen – in normative Kontingenz münden, d.h. die unter rechtsstaatlichem Gebot stehende Klarheit und Nachvollziehbarkeit der Schadensermittlung vernachlässigen, weil ein tertium comparationis als objektiver Wertmaßstab eines Schadens abhanden käme. Dieser Kritikpunkt fällt insbesondere dann insbesondere im Rahmen des unklar konturierten § 266 StGB ins Gewicht, da sich dort 811

Siehe Labsch, S. 148, 302 f.; Otto, Struktur des Vermögensschutzes, S. 307 ff. Der methodische Bruch wird beiden jedoch als Argument für die personale Vermögenslehre gewertet. Siehe entsprechend auch NK-Kindhäuser, § 263, Rn. 173 ff.: „das Saldierungsprinzip wird fallweise aufgehoben“. 812 Siehe Cramer, S. 66 f.; Hassemer, wistra 2009, S. 172. Affektive Interessen sind anderen Schutzvorschriften vorbehalten, ders., S. 85. Zur problematischen Ausweitung des Schutzzwecks durch die Grundsätze des subjektiven Schadenseinschlags auch: Dannecker, NZG 2000, S. 246.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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durch die Berücksichtigung individueller Belange der Erfolgsunwert der Untreue zusehends verflüchtigt. Ob eine Gegenleistung in Anbetracht seiner speziellen Zwecke und individuellen Bedürfnisse für den Vermögensinhaber nicht brauchbar ist, solle sich zwar, so der BGH, nach dem Urteil eines objektiven Betrachters richten, d.h. nicht durch den schlichten „Rekurs auf die Besonderheit des Einzelfalls“, d.h. durch Berücksichtigung subjektiver Belange.813. Diese Umgehung des Subjektivismusvorwurfes durch den BGH überzeugt jedoch deshalb nicht, weil sie das subjektive Willkürurteil des Vermögensinhabers nur auf „objektive“ Entscheidungsträger verlagert und daher lediglich diffundiert. Die Nichtverwendbarkeit der Gegenleistung dem Zwecke nach, die Beurteilung der Zumutbarkeit einer Alternativverwendung, ebenso wie die Beurteilung anhand angemessener Lebensführungsverhältnisse innerhalb der wirtschaftlichen Gesamtlage des Erwerbers814, können nur mit Unsicherheiten und wertungsabhängigen Vagheiten ermittelt werden und konfligieren mangels Rechtssicherheit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und dem Analogieverbot (Art. 103 Abs. 2 GG).815 Diese Erwägung gilt umso mehr, nachdem nun das Bundesverfassungsgericht aus Gründen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes die wirtschaftlich nachvollziehbare Ermittlung und Bezifferung des Schadens einfordert.816 Auch ein „objektiver“ Betrachter kann nur subjektive Wertschätzungen und Zwecke des Anderen betrachten, ohne dass die „objektive“ Beobach813 Siehe BGHSt 16, 220; Kindhäuser, FS-Lüderssen, S. 640 f., 646; Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 184 f. 814 Siehe oben (Melkmaschinenfall): Das Schädigende liege darin, „daß die [. . .] verfügbaren Restmittel [. . .] auch nach der Auffassung eines sachlichen Beurteilers infolge ihrer an den bisherigen Bedürfnissen des jeweiligen Erwerbers gemessenen Unzulänglichkeit für ihn derart an Verwertbarkeit und damit an Wert verlieren, daß das Gesamtvermögen dadurch eine Einbuße erfährt“ (BGHSt 16, 328 f.). 815 Siehe dazu Fehling/Faust/Rönnau, JuS 2006, S. 25; Saliger, ZStW 112 (2000), S. 567 f.; Rübenstahl/Wasserburg, NStZ 2004, S. 524 f. (zur Haushaltsuntreue siehe Abschnitt D. II. 3. f)); Hilgendorf, JuS 1994, S. 467, jeweils m. w. N. Siehe dazu auch Winkler, S. 61 ff., 69 f., 71 ff., 79, 109 ff. Winkler selbst vertritt in personaler Ausrichtung die These, dass es jenseits einer wertsummenmäßgen Betrachtung es für den Vermögens- und Schadensbegriff darauf ankomme, „welche Gebrauchs- und damit persönliche Entfaltungsmöglichten die Gesamtheit der Vermögensgüter bietet“ (S. 180 ff.). Auch gerade diese Ansicht muss angesichts der Kontingenz subjektiver Bestimmungen – aus denselben Gründen – bezweifelt werden. So hält Winkler (bezogen auf den Betrugstatbestand) fest, dass eine individuell erstrebte wirtschaftliche Entfaltungsmöglichkeit im jeweiligen Einzelfall derjenige Erfolg ist, „der durch alle vom Verfügenden vorgestellten vermögensbetreffenden Tatsachen beschrieben wird, die für die Gutseinbuße zumindest mitursächlich waren“ (S. 193, Hervorhebung von mir, A. B.). 816 BVerfG, 2 BvR 2559/08, Beschluss vom 23.6.2010, Absätze 113 f.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

tung eine Allgemeinverbindlichkeit des Beobachteten hervorriefe. Eine an den Bedürfnissen des Betroffenen gemessene eindeutige (objektivierte) Sachwidrigkeit entbehrt aber grundsätzlich nicht der Subjektivität des Vermögensinhabers wie auch nicht der des vermeintlich „objektiven“ Betrachters. Letzteres zeigt sich besonders dann, wenn es um die „Zumutbarkeit“ einer Alternativverwendung geht. Hier kann es dazu kommen, dass der an sich an den subjektiven Vorstellungen und Präferenzen des Vermögensinhabers orientierte Ansatz des subjektiven Schadenseinschlags durch nicht verobjektivierbare Erwägungen zur „zumutbaren“ Alternativverwendung, soweit diese nicht in der Möglichkeit der Liquidierung des Erlangten besteht, gerade gegen die wirklichen Vorstellungen und Präferenzen des Betroffenen gerichtet ist. Beispielsweise existiert kein greifbares objektives Kriterium dafür, ob ein statt einer CD pflichtwidrig erworbenes Buch für den literaturbeflissenen Treugeber nicht doch alternativ verwendbar, also brauchbar ist, da die individuelle Nützlichkeit nicht stets mit den „Nützlichkeitsvorstellungen des Durchschnitts“ übereinstimmen.817 Schmoller weist daher zu Recht darauf hin, dass eine Abgrenzung von wirtschaftlichen und außerwirtschaftlichen Zwecksetzungen und Präferenzen nicht möglich ist818 sodass dem Kriterium „wirtschaftlich“ in diesem Zusammenhang keine objektive Bedeutung zukommen kann. Als ebenso kontingent zeichnet sich eine Orientierung an den allgemeinen finanziellen Verhältnisses des Opfers aus (siehe Gliederungspunkt 3. der Lehre vom subjektiven Schadenseinschlag, D. II. 3. c) bb)). Warum einem „reichen“ Opfer ein unterschiedlicher Schutz gegenüber Untreuehandlungen als einem „armen“ gewährt werden soll, ist nicht überzeugend.819 Die Kritik an einer Subjektivierung aufgrund von Unbestimmtheiten der Rechtsanwendung geht auch einher mit einer Restriktion der Kriminalisierung, denn die objektive Lehre stellt den potentiellen Täter nicht in das Streulicht einer von Kontingenz mitgeprägten Kriminalisierung. Es ist also gerade der besondere Anspruch an Bestimmtheit im Strafrecht – anders zum Beispiel im Zivilrecht, welches auch in den nicht kriminalisierten Fällen für Ausgleich sorgt –, der eine Konkretion erfordert. Dem entspricht auch die funktionale Betrachtung. Denkbar ist zwar an sich eine theoretische Bezugnahme auf eine Kopplung des Rechts und der Wirtschaft mit psychischen Systemen, also der Subjektivität Einzelner, 817 Siehe Schmoller, ZStW 103 (1991), S. 96 f., 110 Fn. 68. Das vernünftige Urteil eines unbeteiligten Dritten wäre ohne eine Orientierung am subjektiven Belieben des Betroffenen eine „unerträgliche Bevormundung“ (Wassmer, S. 141 m. w. N.). 818 Schmoller, ZStW 103 (1991), S. 103 m. w. N. 819 Vgl. auch Schmoller, ZStW 103 (1991), S. 99 f. m. w. N.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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jedoch gerade nicht innerhalb des spezifischen Programms einer Strafrechtsnorm. Die normative Integration von Kontingenzen kann ein prinzipienorientiertes Strafrecht funktional nicht leisten. Ein nicht-prinzipiierbarer Subjektbezug im Vermögens- und Schadensbegriff würde zwar den ganzen „Menschen in den Mittelpunkt des Vermögensschutzes“820 stellen, aber um den Preis einer Begrenzung, die bestimmbaren materiellen Erwägungen Vorrang vor einem nicht zu leugnenden Gesamtzusammenhang sozialer oder psychischer Funktionen von Vermögen einräumt. So richtig es ist auf die wirtschaftliche Realität subjektiver Vorstellungen und Präferenzen hinzuweisen, so wichtig ist es aber zugleich auch das – für das Strafrecht – strukturelle Problem einer Implementierung subjektiver Präferenzen in den wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriff zu betonen.821 bb) Ablehnung einer Subjektivierung durch die funktionale Betrachtung der Schadensebene vor dem Hintergrund intersystemischer Rationalität von Recht und Wirtschaft Knüpft das Recht zur Bestimmung des Vermögensschadens an den sozialen Verfügungserfolg an, den psychische Systeme präferieren, an die „Rangordnung der Güter im einzelwirtschaftlichen Mikrokosmos“822, so übersieht es, dass gerade in dem objektiven wirtschaftlichen Wertbegriff, d.h. der Grundannahme einer Vergleichbarkeit von Gütern über „Marktwerte“, ein kontingenzaufhebender Mechanismus zur Komplexitätsreduktion individueller Besonderheiten zur Wirkung gelangt.823 Der wirtschaftliche Vermögens820

So aber Winkler im Plädoyer für die personale Lehre, S. 222. So zum Beispiel Schmoller, ZStW 103 (1991), S. 104 f. 822 Schönke/Schröder-Cramer, § 263, Rn. 108. 823 Zur Neutralisation von letztlich immer willkürlicher Personalisierung im ‚Markt‘, siehe Luhmann, Soziologische Aufklärung, S. 209 f., 215; ders., Zweckbegriff und Systemrationalität, S. 106 ff., 111 ff. Affektionsinteressen, die sich der Bewertbarkeit durch Dritte (den Markt), also einem Kommerzialisierungsgedanken widersetzen sind nicht vermögenstauglich: siehe nur Köndgen, AcP 177, S. 11 f. Ein ‚wirklicher Wert‘ oder ein „‚Wert‘ der Werte“ von Leistungen wäre auch im Wirtschaftssystem gar nicht kommunizierbar: Luhmann, Wirtschaft der Gesellschaft, S. 55; ders, Zweckbegriff und Systemrationalität, S. 110. Der Marktpreis ist vielmehr Resultat eines Gleichgewichts von subjektiven Grenznutzen und objektiven Kostenfaktoren: Schäfer/Ott, S. 309 f. In der Geldwirtschaft büßt daher die Gegenleistung im Rahmen eines Güteraustausches „den symbolischen Bezug auf anderes als Knappheit“ ein, ders., Wirtschaft der Gesellschaft, S. 200. Zum Rechts- und Wirtschaftssystem als a-zentrische selbstorganisierende Formationen (kollektive Emergenzen), die von Individuen abstrahieren: Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, S. 108 f., 136, 197 ff. 821

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

begriff kann nur an die wirtschaftssystemische Binnenlogik einer verobjektivierten Vermögensbewertung anknüpfen. Eine Bewertung von Dispositionsfreiheiten und damit Gleichstellung mit werthaltigen Gegenständen liegt nicht in der Logik des Wirtschaftssystems, da dieses im Bewertungsmechanismus durch Preise Ausdruck findet (siehe B. II. 1.). Da es um den Maßstab geht, mit Hilfe dessen soziale Realitäten in Vermögensgegenstände oder Nicht-Vermögensgegenstände kategorisiert werden können, und Recht diesen Maßstab nicht vorgibt, müsse auch nach Nelles die „Wirtschaft“, die diese Aufgabe erfüllt, gegenüber dem Recht als ein Aliud begriffen werden824 (siehe auch B. IV. 2.). In wirtschaftlicher Lesart ist Vermögen der Inbegriff der in Geld abschätzbaren Güter. In der Generalisierung des Geldwerts und seiner Neutralisierung von persönlichen Motivlagen liegt die Bedingung für seine Funktion als Wertmesser, weil sie eine mit Kontingenz gleichbedeutende Entobjektivierung ausschließt.825 Andernfalls könnte auch von der Fremdbestimmung des Vermögens gesprochen werden.826 Eine sinnlose Ausgabe als Schaden bemisst sich aufgrund dargelegter Gründe nur an wirtschaftlichem Sinn und schließt subjektiv-normative „EntDifferenzierungen“ aus.827 Beispiel: Vermögensinhaber Y vertraut Vermögensverwalter X 100.000 e an, der das Vermögen verwalten, aber keinerlei riskante Geschäfte tätigen soll. Abredewidrig erwirbt er eine überproportional aussichtsreiche Gewinnchance zu einem wirtschaftlich unterdurchschnittlichen Preis. In diesem Geschäftsabschluss kann kein Nachteil im Sinne des subjektiven Schadenseinschlags gesehen werden.828 Denn wenn der Typus des Geschäfts von einer wirtschaftlichen Wertbetrachtung losgelöst wird, rangiert die wirtschaftlich werthaltige Gegenleistung nurmehr nach Gutdünken des Betroffenen als Schaden.

Kontingent im Sinne wirtschaftlicher Systemlogik ist auch die von Wassmer vorgenommene Differenzierung nach dem Bereich der privaten Lebensgestaltung und dem Bereich der wirtschaftlichen Betätigung. So soll das zweckwidrige Aliud im Bereich der persönlichen Lebensgestaltung immer unzumutbar, im Bereich der wirtschaftlichen Betätigungen soll das Kriterium der Rentabilität als objektives Kriterium maßgeblich sein. Ein un824

Nelles, S. 377. Luhmann, Wirtschaft der Gesellschaft, S. 14 ff., 233. Vgl. auch ders., Soziologische Aufklärung, S. 215; Cramer, S. 101 ff., Fn. 195. 826 Siehe m. w. N. Lackner/Kühl, § 263, Rn. 48. 827 Eine juristische Umwertung der ökonomischen Bewertung ist deren Entwertung. 828 Vgl. aber BGH NStZ-RR 1998, S. 43 sowie Hillenkamp, NStZ 1981, S. 166; Wassmer, S. 145 f. 825

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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brauchbares Vermögensgut sei immer zumutbar wenn sie wirtschaftlich vernünftig ist.829 Diese Differenzierung nähert sich in ihrer Begrenzung des Anwendungsbereichs individueller Zweckorientierungen einem objektiv wirtschaftlichen (insbesondere über das Merkmal der Rentabilität gesamtbetrachtenden) Verständnis an. Andererseits ist der Differenzierungsgrund und das Differenzierungskriterium in Bezug auf die beiden Lebensbereiche kontingent. Auch Anschaffungen im privaten Lebensbereich sind wirtschaftliche Betätigungen, die nicht frei sind von Rentabilitätsgesichtspunkten. Andererseits finden auch im Bereich wirtschaftlicher Betätigungen „autonome Zwecksetzungen“ statt, die jedoch nur für das Privatleben Relevanz entfalten sollen. Die Anwendung des § 266 StGB kann nicht davon abhängen, wie „privat“ wirtschaftliches Handeln ist. Fernerhin wird gegen eine strikte geldwertorientierte „ganzheitliche Gesamtbetrachtung“ vorgetragen, dass sie „intuitiven Schadenszuschreibungen“ widerspreche. So sei es auch bei Körperverletzungsdelikten unüblich einen gegen den Willen des Patienten durchgeführten ärztlichen Eingriff als tatbestandslos anzusehen, weil er bei Gesamtbetrachtung letztlich zu einer Verbesserung der gesundheitlichen Situation im Vergleich zum Status quo geführt habe.830 Diese Betrachtungsweise übersieht, dass die Gesamtsaldierung geldwerter Vor- und Nachteile als Folgen derselben Handlung Ausfluss der Systemlogik ist, in die wirtschaftliches geldbasiertes Handeln eingebettet ist. Körperliche Schmerzen ohne Einwilligung sind nicht kompensierbar, da ein Medium zur Kompensation fehlt. Bei geldwerten Vermögenseinbußen ist dies hingegen anders, da Geld ein Strukturmerkmal eines entindividualisierten ausdifferenzierten Wirtschaftssystem ist, welches binär codiert ist (Geld, aber auch Nicht-Geld) und die Schadenszuschreibung mit Hilfe eines verallgemeinerbaren Mediums „Geld“ organisiert und im Zuge dessen extern die Vor- und Nachteile derselben Handlung bilanziert.831 Ein nur im Ansatz wirtschaftlich orientierter Vermögens- und Schadensbegriff kann diesen Umstand nicht unberücksichtigt lassen. Gesamtgesellschaftlich liegt in einem isoliert rechtlichen Verständnis des Vermögens- und Schadensbegriffs 829 Wassmer, S. 143 f., einschränkend aber für Risikogeschäfte, bei denen für alle Fälle eine Verletzung der zuläsigen Risikopolitik zur Unbrauchbarkeit und damit zu einem Schaden führen solle, ohne dass es auf die Rentabilität ankäme, a. a. O., S. 145 f. 830 Kindhäuser, FS-Lüderssen, S. 641 f. 831 Die von Kindhäuser (FS-Lüderssen, S. 643) geäußerte Kritik, der Formel von der Gesamtsaldierung mangele es an Bestimmtheit, weil sie Spielräume bei der Schadensberechnung zuließe, ist bei einer kosequent wirtschaftlichen Betrachtungsweise auf Grund des Gesagten nicht haltbar.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

eine Unterbestimmung vor, die durch die strukturelle Kopplung zum Wirtschaftssystem mit notwendigen, d.h. Konsistenz erhaltenden Informationen versorgt werden kann. Die kompensatorische Wirkung der Gesamtsaldierung hat ihren rechtlich-dogmatischen Grund, dessen Existenz Kindhäuser bezweifelt832, darin, dass die notwendige Anbindung des Schadensbegriffs an die Geldwertorientierung im Sinne wirtschaftlicher Logik implizit die Formeln zur Bestimmung des Geldwerts, welche in wirtschaftlicher Logik auch allein wirtschaftlicher Natur sind, mitintegriert. Wird der wirtschaftliche Schadensbegriff, der die Folgen einer wirtschaftlichen Prozedur (nämlich einer empirischen Rechnung) ausdrückt, „Programmelement“ im Recht, so muss diese Prozedur selbst „Programmelement“ werden. D.h. das rechtliche Ergebnis Schaden/Nicht-Schaden in Kopplung mit dem wirtschaftlichen positiv geldwert/negativ geldwert setzt eine Vorteils-Nachteils-Bilanzierung im wirtschaftlichen Sinne als dogmatischen Grund voraus. Die Orientierung der Schadensbestimmung anhand personalisierter, hypothetisch ermittelter wirtschaftlicher Zwecksetzungen833 oder anhand persönlicher wirtschaftlicher Entfaltungsmöglichkeiten834 übersieht ferner auch, dass der Typus des Vermögensbetreuer nicht in einem fiktiven Optimierer besteht (vgl. schon C. IV. 3. c) aa)). cc) Ablehnung einer Subjektivierung aufgrund funktionaler Betrachtung des Verhältnisses von „Vermögensschaden“ und „Pflichtverletzung“ Autonomie als solche wird bereits durch das Tatbestandsmerkmal „Pflichtverletzung“ geschützt. Eine Integration eines Schutzes von wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten innerhalb des Vermögensschadens kommt einer Verdopplung des Tatbestandsmerkmals Pflichtverletzung nahe. Richtig ist, dass das Vermögen „Medium der Dispositionsfreiheit“835 ist. Verfehlt ist es jedoch, personale Dispositionsfreiheit und Vermögen gleichzusetzen836 (siehe dazu auch unten zur Haushaltsuntreue, D. II. 3. f) bb) (3) (a)). Vermögen nämlich besitzt entgegen einem eindimensionalen Vermögensinteresse einen systemischen Bezug, der Vermögen trotz unterschiedlicher Erscheinung gleichwohl einen identischen Wert zuschreiben 832

Kindhäuser, FS-Lüderssen, S. 643. Vgl. Labsch, S. 327. 834 Winkler, S. 180 ff. 835 Kindhäuser, ZStW 103 (1991), S. 409. 836 Saliger, ZStW 112 (2000), S. 592; Jordan, JR 2000, S. 139 f.; Hefendehl, S. 112 ff.; Arzt/Weber, BT, § 20, Rn. 25; Rübenstahl/Wasserburg, NStZ 2004, S. 524 f.; LK-Schünemann, § 266, Rn. 134; Nelles, S. 574; Riemann, S. 161. 833

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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kann. Der Grundsatz der Äquivalenz individuell unterschiedlich bewerteter Güter ist vielmehr immanente Bedingung für die spezifische Verwirklichung von Dispositionsfreiheit innerhalb der Tauschwirtschaft. Wollte man allein die wirtschaftliche Autonomie des Vermögensinhabers schützen, so wäre der Untreuetatbestand ohne das Merkmal „Vermögensschaden“ hinreichend. Deshalb muss nach der hier vertretenen Bestimmung untreueerheblicher Pflichtverletzungen gelten: Wenn der Zweck auf ein (gewolltes oder in Kauf genommenes) Verlustgeschäft gerichtet ist, dann scheidet – weil der Treugeber zugunsten der für ihn prädominierenden Zweckerreichung von der Gewinnerzeugungslogik entbunden ist – ohnehin schon die Tathandlung entweder mangels entgegenstehender Pflichtsetzung durch den Treugeber oder durch Einverständnis aus. Bloß zweckentsprechende Dispositionen (Verwirklichungen personaler materieller Interessen) sind keine Vermögensvorteile und damit keine Kompensationsposten, sondern Pflichtwidrigkeitsausschlüsse.837 Beispiel: Der Generalbevollmächtigte (B) des X engagiert den Akrobaten A abredewidrig nicht zur Vorführung seiner Handstandskunst, sondern stattdessen zur Vorführung seiner Radschlagskunst zum gleichen Preis.838 X hat nun im Zuge der ihn überraschenden Vorführung gleichwohl daran Gefallen. Die Billigung des X muss auf der Pflichtwidrigkeitsebene Bedeutung erlangen.

Zum Tatvollendungszeitpunkt kann die Annahme einer Umdeutung oder Novation des Pflichteninhalts oder ein Einverständnis vorliegen, sodass bis zur Tatvollendung die materiellen Interessen des Vermögensinhabers gleichwohl in jedem Falle maßgebend sind, jedoch für das Pflichtwidrigkeits-, nicht das Schadensmerkmal. 837 Lediglich eine personale Schadensbetrachtung kann zu dem Ergebnis kommen, dass Zweckentsprechungen saldierungsfähige Vermögensposten seien. „Kompensieren kann lediglich ein frei gesetzter Zweck, da die Vermögensminderung nur dann dem Willen des Berechtigten entspricht“ (NK-Kindhäuser, § 263, Rn. 166 f.). Die aus dieser Sichtweise ablesbare Disposition der Vermögensbewertung wird umgangen, wenn man den Willen des Vermögensinhabers allein auf der normativen Pflichtwidrigkeitsebene loziert. Wenn der Vermögensinhaber die konkrete Vermögensminderung ‚durch seinen Willen‘ kompensieren kann, so setzt das ja bereits das Einverständnis in die zum konkreten Taterfolg führende Tathandlung voraus. Damit entfällt dann auch eine Untreuestrafbarkeit. Selbst wenn das Einverständnis erst nach der Tathandlung aber vor dem Taterfolg zum Ausruck kommt, muss die Pflichtwidrigkeit zum Vollendungszeitpunkt entfallen können. Nach Eintritt des Schadens (nachträglich) hingegen ist keine Genehmigung mehr möglich (siehe auch Abschnitt C. V. sowie LK-Schünemann, § 266, Rn. 100). 838 Vgl. (dort aber im Zusammenhang mit § 263 StGB) Kindhäuser, ZStW 103 (1991), S. 408 Fn. 32 m. w. N., der einen Schaden aufgrund Zweckverfehlung annimmt.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

Die in diesem Zusammenhang kritisch aufzuwerfende Frage, wie die „freie Entfaltung durch das Vermögen geschützt werden [soll], wenn dem Nutznießer die Bewertung seiner Entfaltungsmöglichkeiten durch Marktrationalität bzw. kollektive Willkür oktroyiert wird“839, übersieht einerseits zivilrechtliche (Ausgleichs- bzw. Schadensersatz-)Regelungen, soweit eine Zweckverfehlung im Sinne der Lehre vom subjektiven Schadenseinschlag vorliegt. Andererseits wird übersehen, dass, soweit die Zwecke des Vermögensinhabers letztlich erfüllt werden, die „subjektive Willkür“ im Sinne der materiellen Vermögensinteressen, – jedenfalls im Rahmen des § 266 StGB – uneingeschränkte Wirkung auf der Ebene der Pflichtwidrigkeit entfalten, sodass die „Paradoxie“, „das Vermögen um seines Nutzens willen gegen den Willen seines Nutznießers zu schützen“840 verhindert wird. dd) Ablehnung einer subjektivierten Korrektur wegen der Gefahr einer völligen Entobjektivierung Es besteht die Gefahr, dass bei subjektivierten Schadensbestimmungen die objektive Wertdifferenz in Wirklichkeit gar keine Bedeutung mehr hat, denn liegt sie vor, wird sie prädominiert durch die subjektiven Erwägungen. Liegt sie nicht vor, so ist theoretische Konsequenz, dass besondere Bedürfnisse eine objektive Wertdifferenz ausgleichen können.841 Denn Subjektivierung liefe auch darauf hinaus, dass subjektive Kriterien nicht nur für tauglich gehalten werden könnten Untreue zu begründen, sondern ebenso – auf der Schadensebene – auszuschließen. Das würde bedeute, dass Vermögensminderungen im wirtschaftlichen Sinne nicht mehr zwingend solche im Rechtssinne sein müssen.842 Man sieht also, dass das subjektive, d.h. wirtschaftlich nicht-objektive Element also prädominierender Regelfall der Schadensbestimmung unter Eliminierung einer Saldierung in einer homogenen Kategorie (in Form des Geldes) werden würde.843 Und dies müsste dann einerseits für Fälle von 839

Vgl. Kindhäuser, ZStW 103 (1991), S. 409. Kindhäuser, ZStW 103 (1991), S. 409. Die von Kindhäuser geäußerte Kritik, der homo oeconomicus klammere die Individualinteressen aus, kann in einem wie ausgeführt verstandenen Untreuestrafrecht so nicht gelten. 841 Schönke/Schröder-Cramer, § 263, Rn. 108 m. w. N. So auch Kindhäuser zum Betrugsschaden, bei dem der Zweck „als ein zur Vermögensminderung hinzutretender schadensausschließender Umstand von Belang“ ist, sodass eine Vermögensverschiebung dann nicht als Schadens anzusehen ist, wenn sie ihren Zweck erreicht (FS-Lüderssen, S. 646). 842 Siehe zum Beispiel Hilgendorf, JuS 1994, S. 468. 843 Daher kritisch auch Arzt/Weber, BT, § 20 Rn. 111; siehe auch Cramer, S. 44 f. m. w. N., 85; Hilgendorf, JuS 1994, S. 467; Schmoller, ZStW 102 (1991), 840

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung aber auch für solche, in denen die Gegenleistung die Leistung überwiegt, gelten. Denn ob die subjektiv wertlose Melkmaschine zum Marktpreis oder 10 Euro unter Marktpreis erworben wurde, kann subjektiv – mangels Begrenzungskriteriums – keinen Unterschied machen.844 Die zweckorientiert-subjektivistische Betrachtung erweitert also in Wirklichkeit nicht die objektive Betrachtung, sondern geht im Ansatz davon aus, dass mit der Zweckverfehlung objektive Wertungsgesichtspunkte, d.h. eine umfassende Gesamtsaldierung außer Acht zu lassen sind.845 ee) Ablehnung einer Subjektivierung aufgrund wirkungsähnlicher objektiver Alternative im Rahmen der „Liquidierbarkeitsthese“ Schließlich muss auch berücksichtigt werden, dass es einer systemfunktional begründeten objektiven Lehre durchaus auch gelingen kann ähnliche Wirkungen wie die subjektive Lehre zu erlangen (siehe unten bei „Liquidierbarkeitsthese“, D. II. 3. e)). S. 102, 112; kritisch auch Kindhäuser (FS-Lüderssen, S. 638, 646) der darauf verweist, dass durch die personale Vermögenslehre der individuelle Schadenseinschlag durch seine Zweckorientierung nicht nur Ausnahmecharakter hat, sondern zum Regelfall erhoben wird. 844 Unschlüssig ist daher m. E. die Argumentation, dass Subjektivierungen (etwa in Form der Zweckverfehlung) nur bei jener rechnerischen Entsprechung von Leistung und Gegenleistung Anwendung finden sollen, denn weshalb die subjektiven schadensbegründenden Kriterien bei nur minimalstem Überwiegen des Gegenleistungswertes ohne Weiteres ihre Wirkung verlieren sollen, d.h. schon durch einen „logischen Cent“ (als Geschäftsgewinn) überlagert werden können, entzieht dem Subjektivierungsansatz als solchem schon daher eine Rechtfertigung, weil nicht bloß die Subjektivierung selbst, sondern bereits der Zugang zu ihr, d.h. ihre „Aktivierung“ eine aus ihrer Sicht willkürliche Grundlage hätte (so auch Labsch, Jura 1987, S. 416). Eine solche Beschränkung würde die Kontingenz sozusagen verdoppeln. 845 Siehe zum Beispiel zum Saldierungsverzicht bei Risikogeschäften Hillenkamp, NStZ 1981, S. 166. Eine Begründung erfährt diese systematische Abkopplung von einer streng objektiven Betrachtung durch die Berufung auf zivilrechtliche Regelungen, die, wie zum Beispiel die Anfechtungsregeln, auch ungeachtet der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung zur Anwendung kommen. D.h., nach erfolgter Anfechtung, zum Beispiel nach § 123 BGB, werden gegenseitige Rückgabepflichten begründet ohne dass eine Gesamtsaldierung vorgenommen würde, selbst wenn das Opfer ein wirtschaftliches Äquivalent erhielte. Diese Tatsache sei, so Kindhäuser (FSLüderssen, S. 641) auch für das Strafrecht bedeutsam. Kritisch zu dieser Ansicht ist zu äußern, dass zivilrechtliche Restitutionsansprüche als Folge pflichtwidrigen Verhaltens nicht gleichzusetzen sind mit der Pönalisierung von pflichtwidrigem vermögensschädigendem Verhalten. Gerade die Existenz der Restitutionsvorschriften spricht dafür die Strafbarkeit nicht deckungsgleich mit dem Zivilrecht auszudehen, sondern anhand objektiver Missbilligungskriterien zu gestalten.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

ff) Zusammenfassung Die Subjektivierung der vermögensbegrifflichen Dimension des objektivtatbestandlichen Schadensmerkmals stellt eine dogmatisch und funktional inadäquate Transformierung des § 266 StGB als Norm zum Schutz von (wirtschaftlich nicht werthaltiger) Dispositionsfreiheit und damit eine abzulehnende qualitative Extensivierung des Vermögensstrafrechts dar.846 e) Die „Liquidierbarkeitsthese“ als objektive normative Korrektur des wirtschaftlichen Schadensbegriffs bei Aufrechterhaltung einer geldwertorientierten entindividualisierten Gesamtsaldierung Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung bzw. Vorteilsüberschuss der Gegenleistung bedeutet, dass die Gegenleistung mindestens „ihr Geld wert“ ist. Daran ansetzend erweitert die Zweckverfehlungslehre die Schadensbestimmung auf eine nicht auf den objektiven Geldwert beschränkte Betrachtungsweise. Sie steht auf dem Standpunkt, dass ungeachtet einer objektiven Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung aufgrund eines Widerspruchs zu bestimmten Zwecken eine „wirkliche“ Äquivalenz doch nicht vorliegt, bzw. zumindest durch eine individualisierte Betrachtung korrigiert werden müsse. So führt Kindhäuser aus: „Für wirtschaftliches Handeln ist der Tausch von Gütern zu bestimmten Zwecken und nicht die Sicherung der Wertkontinuität eines Vermögensbestands kennzeichnend“.847 Nicht hinreichend berücksichtigt bleibt in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass das zweckwidrig aber wertgemäß Erworbene gar nicht notwendig bei dem Erwerber bleiben muss. Gerade dieser Umstand gewinnt aber besondere Bedeutung für die Frage, ob das, was die zweckorientierte Subjektivierung funktional (in den genannten Fallgruppen des BGH) zu leisten beabsichtigt, nicht auch objektiv, d.h. im Rahmen der wirtschaftlichen Logik und damit ohne Wesensveränderung der strukturellen Kopplung von Recht und Wirtschaft im Vermögensbegriff, aber mit beschränkender (Zwecksetzungen und subjektive Kontingenz ausblendender) Anwendung herzuleiten ist. Das wäre möglich, wenn der Vermögensinhaber trotz der Marktüblichkeit des Preises strikt objektiv-wirtschaftlich schlechter gestellt ist.

846 847

So auch Saliger, ZStW 112 (2000), S. 589 ff., 607 f. Kindhäuser, FS-Lüderssen, S. 640 f.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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aa) Die Möglichkeit des konkreten Weiterverkaufs im Sinne der Rechtsprechung und Lehre Die Möglichkeit eines Weiterverkaufs anerkennt auch der BGH und fasst sie unter die sogenannte Alternativverwendbarkeit des Aliuds. Voraussetzung für eine Berücksichtigung des objektiven Gegenwertes trotz Zweckverfehlung und Unbrauchbarkeit sei dementsprechend, dass das Tatopfer imstande ist den Gegenwert „ohne finanziellen und zeitlichen Aufwand namentlich ohne Mitwirkung des Angeklagten zu realisieren“.848 Eingehend und die allgemeine Auffassung der Rechtsprechung konkretisierend hat sich Schmoller mit der Wiederverkäuflichkeit beschäftigt.849 Auch er führt aus, dass das Entfallen der persönlichen Nützlichkeit insoweit nicht mit Wertlosigkeit einhergehe, als der nicht vorhandene Nutzwert durch einen in einem Verkauf des Erlangten realisierbaren Tauschwert zumindest teilweise ausgleicht. Für jemanden, für den ein erlangter Gegenstand nicht vollen Nutzwert hat, bestimme sich der Wert des Erlangten nach dem Wiederverkaufswert. Dieser Tauschwert eines Gutes sei der Wert, „um den man es jederzeit ohne Schwierigkeiten und ohne Vermittlungsaufwand – das heißt in der Regel an einen einschlägigen Händler – weiterveräußern und damit in Geld umsetzen kann.“ Der Wiederverkaufswert ist angesichts der Gewinnspannen von Händlern in der Regel geringer als der Anschaffungswert, d.h. der Wiederverkaufswert der Gegenleistung kompensiert die Leistung üblicherweise nicht, er ist der „‚nackte‘ Wert des Vermögensgegenstands“, der Mindestwert, der „jederzeit in Geld umgesetzt werden kann“. In einem solchen Fall sei der von dem Betroffenen nicht gewollte Vermögensgegenstand „zum marktüblichen Wiederverlaufspreis zu veranschlagen“850. bb) Kritik a) Ein wesentliches Problem der Anlehnung an eine konkrete Wiederverkaufsmöglichkeit besteht darin, dass die Schadensbestimmung allein auf den Tatvollendungszeitpunkt beschränkt ist. Die besonderen Umstände des Vermögenserwerbs bestimmen den anzusetzenden Marktpreis. Damit werden konkrete Wiederverkaufsoptionen in der Zukunft irrelevant, da andern848

BGH NStZ-RR 2006, S. 207; vgl. auch BGHSt 47, 154. Schmoller, ZStW 103 (1991), S. 97 ff., 108 ff.; siehe aber auch schon RGSt 16, 8 f. (Wiederveräußerungserlös als untere Bewertungsgrenze eines Vermögensgegenstands). Vgl. auch BGHSt 16, 222, wo die Wertbetrachtung von „einem nachhaltig erzielbaren Preis“ geleitet wird. Siehe auch Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 650 ff. 850 Schmoller, ZStW 103 (1991), S. 98, 108 ff. 849

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

falls (kontingente) Marktpreisentwicklungen trotz Unbestimmtheit Berücksichtigung fänden.851 Die Bestimmung des Wertes anhand eines Wiederverkaufspreises kann also nur zeitgleich zur Anschaffung angesetzt werden. Aus der konkreten Situation der Anschaffung ist aber nicht zwingend ein praxisadäquater Wiederverkaufspreis abzuleiten.852 Die Auffassung des BGH, dass das Tatopfer imstande sein müsse „ohne [. . .] zeitlichen Aufwand“ den Gegenwert zu realisieren ist daher in jedem Falle in dieser Konkretion kontrafaktisch und unerfüllbar. Außerdem würde aus ihr folgen, sämtlichen Aufwand konkret in Rechnung zu stellen, den eine spätere Weiterveräußerung durch den Vermögensinhaber mit sich brächte. So hinge es von den konkreten potentiellen Marktzugangskosten (dem Liquidierungsaufwand, der zum Beispiel in Arbeitslohn, Rabatten zur schnelleren Veräußerung etc. liegen kann) ab853, ob man ein Schaden trotz Äquivalenz von Leistung und zu liquidierender Gegenleistung bejaht. Eine Folge wäre, dass die gesamte Marktwertorientierung in Frage gestellt würde, weil die Weiterveräußerung in den meisten Fällen, also regelmäßig, mit besonderem Aufwand verbunden wäre, und man sogar schon immer von einem Schaden ausgehen müsste, wenn pflichtgemäß (!) ein schwer handelbares Grundstück zum Marktpreis erworben würde. Die Berücksichtigung des konkreten (kontingenten) faktischen Wiederverkaufspreises zu einem späteren Zeitpunkt854 unterliegt schließlich auch der vorgetragenen Kritik, es gäbe eine Vielzahl von Märkten (Großhandel, Einzelhandel etc.) und damit „höchst unterschiedliche Preise“855. 851 Das ergibt sich daraus, dass die Regenerierung von Zahlungen durch Zahlungen keine Aussage über die Wertentwicklung, d.h. die anschließenden Zahlungen trifft. Das permanente Ungleichgewicht lediglich situativer Preis-(neu-)Bildung ist Merkmal der Selbstkonditionierung der Ökonomie, siehe Luhmann, Wirtschaft der Gesellschaft, S. 52 ff., 227, 244. Eine Wertbetrachtung zum Bewertungszeitpunkt kann daher einen „Veräußerungswert“ nicht für erheblich erklären, so dezidiert Otto (Struktur des Vermögensschutzes, S. 70). 852 Wird in einer ländlichen Gemeinde von einem Geschäftsführer eines großstädtischen Unternehmens ein Auto von einer Privatperson zu einem günstigen, dort üblichen Marktpreis erworben, so macht es wenig Sinn genau diese konkrete Anschaffungssituation auch zur Bestimmung eines Wiederverkaufspreises zugrunde zu legen. 853 Siehe Winkler, S. 74. 854 Eine spätere Verwertungsmöglichkeit ebenso unberücksichtigend: BGHSt 5, 64. Eine Nichtbegrenzung der Schadensbetrachtung auf den Tatvollendungszeitpunkt würde, aber auch nur dann, die Problematik aufwerfen, dass durch die Nichtberücksichtigung subjektiver Zwecke zugunsten einer reinen Marktpreisorientierung lediglich „subjektive Willkür [. . .] durch intersubjektive ersetzt wird“ (Kindhäuser, ZStW 103 (1991), S. 408), denn die Marktpreisschwankungen nach dem Tatvollendungszeitpunkt rufen ebenso kontingente Schadensbestimmungen hervor. 855 So Kindhäuser, FS-Lüderssen, S. 641.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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b) Wenn Schmoller darauf verweist, dass nach seinem Dafürhalten die Schadensbestimmung nicht „nach irgendeinem ‚außerwirtschaftlichen‘ Maßstab“ erfolgt, sondern „streng aus zwei unbestreitbar wirtschaftlichen Größen, nämlich eben aus der Differenz zwischen dem Anschaffungs- und dem marktüblichen Wiederverkaufspreis“856, widerspricht er dem Versuch die Bestimmung der Schadenshöhe vom „Ermessen des Opfers“ freizuhalten und damit auch dem in dieser Arbeit verfolgten Ziel Subjektivität auf die normative Ebene der Tathandlung zu beschränken gleichwohl insoweit, als es für die Entscheidung, welcher Marktpreis denn zur Schadensbestimmung zugrunde zu legen ist, auch auf subjektive Nützlichkeitsaspekte ankommt. Der Bewertung des objektiven Preises, hinsichtlich Anschaffung oder Wiederverkauf, geht nämlich die Aktivierung einer Subjektivierung voraus, wenn zu fragen ist, ob das Opfer den Vermögensgegenstand überhaupt für brauchbar halte und behalten wolle. Damit wird die Anwendung eines objektiven wirtschaftlichen Maßstabs subjektiv vorselektiert, indem das Tatopfer darüber entscheiden kann, welcher Preismaßstab nun gelte. Neben der oben geschilderten Subjektivierung ist dabei auch zu kritisieren, dass die subjektive Missbilligung durch den Treugeber bereits im Rahmen der Pflichtwidrigkeit festgestellt wird und dieses nicht auch für die Schadensebene hinreichend sein kann. c) Außerdem ist ungeklärt, wie mit Fällen umzugehen ist, bei denen ein Vermögensgegenstand gegen einen anderen getauscht wird. Wird beispielsweise ein rotes Auto pflichtwidrig nicht gegen ein gelbes, sondern grünes eingetauscht, so müsste nach Schmoller die Gegenleistung mit dem Wiederverkaufspreis des gelben Autos angesetzt werden und mit dem Wert des roten verglichen werden. Unbeantwortet bleibt, ob dieses dann mit dem Anschaffungs- oder Wiederverkaufspreis anzusetzen wäre. Ebenso unbestimmt ist der Umgang mit Vermögensvorteilen, die an sich unveräußerlich sind und für die kein Wiederverkaufsmarkt, d.h. auch keine Bewertung über einen Wiederverkaufspreis vorhanden ist. Offen ist beispielsweise die Frage, ob etwa Dienstleistungen dann gänzlich unbewertbar und damit als wertlos zu behandeln wären, obwohl sie zwar keinen Wiederverkaufspreis, jedoch einen Anschaffungspreis haben. Eine Lösungsmöglichkeit der genannten Problempunkte kann dabei auch nicht darin bestehen im Untreuestrafrecht erlangtes Vermögen generell mit dem Wiederverkaufspreis anzusetzen. Dies würde zu einer generalisierten (auf der bloßen Pflichtwidrigkeit beruhenden) Unterstellung der Nutzlosigkeit von erworbenen Vermögensgegenständen führen und mit einer ausgeweiteten Strafbarkeit für Fälle einhergehen, in denen Vermögensgegen856

Schmoller, ZStW 103 (1991), S. 112.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

stände zum Marktpreis angeschafft werden. Die Implementierung der Differenzierung von Anschaffungs- und Weiterverkaufspreis, die ein strukturelles Merkmal der Handelswirtschaft ist, würde daher im Rahmen der strafrechtlichen Schadensbestimmung zu einer intrinsischen, d.h. begrifflich schon vorab ausgeweiteten Schadensspanne führen. Nicht zuletzt bedeutete ein solches Vorgehen eine Abkehr von einer Kopplung der Wertbestimmung zur Wirtschaft zum Tatvollendungszeitpunkt und damit vom wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriffs, denn zum Zeitpunkt der Transaktion „Anschaffung“ bestimmte der Markt die Wertäquivalenz nach der inneren Logik des Marktpreises im Sinne des Anschaffungspreises. Eine konkrete Transaktion eines Weiterverkaufs liegt in diesem Zeitpunkt nicht vor. Die Differenzierung des Marktpreises nach der Transaktionsrichtung (Anschaffung bzw. Verkauf) ist zwar wirtschaftlich geboten, nicht aber seine rechtlich-normative Anwendung auf ein und denselben Transaktionsakt. Das Untreuestrafrecht kann daher nicht den Anschaffungsakt anhand eines konkreten Wiederverkaufspreises bewerten, sich also eines kontrafaktischen Preises bedienen, den es angesichts der Nützlichkeitsmängel beim Vermögensinhaber für geeignet erachtet. Darin liegt auch eine Problematik hinsichtlich des Gebotes der Rechtssicherheit. cc) Orientierung an der prinzipiellen Wiederverkäuflichkeit als normativer Schadensfaktor Eine Orientierung an der Liquidierbarkeit kann daher nur anhand eines objektiven wirtschaftlichen Prinzips erfolgen, das die konkrete wirtschaftliche Schadensbestimmung nicht aufhebt und damit auch das Kriterium der Pflichtwidrigkeit (Handeln im Sinne einer wirtschaftlichen Schadenserzeugungslogik) gänzlich unberührt lässt. Bei mindestens objektiver Gleichwertigkeit der Gegenleistung im Rahmen eines pflichtwidrigen Geschäfts ist daher dann ein Vermögensschaden gegeben, wenn nicht durch eine prinzipiell vorhandene spontane Liquidierbarkeit die wirtschaftliche Potenz erhalten bleibt.857 Ein auf dem Marktwert 857 Siehe, allerdings nicht auf die prinzipielle Möglichkeit, sondern konrete bezogen schon RGSt 16, 9. Auch BGHSt 16, 326 verweist auf RGSt 16, 9 in punkto alternative Verwendbarkeit, lässt die Wiederverkaufsmöglichkeit gänzlich unbeachtet. Zwar ist es so, dass durch die Ablösung von Geld durch ein Gut das vom Geld verkörperte Surplus an Selektionsfreiheit generell abhandenkommt (siehe nur Luhmann, Wirtschaft der Gesellschaft, S. 66 ff.). Der unfreiwillige Verlust dieses Mehrwerts durch einen Dritten (etwa untreuen Vermögensverwalter) ist aber aufgrund der Äquivalenz kein Schaden, sondern es ist ein Bruch von Privatautonomie (‚Komplexitätsreduktionsmöglichkeit‘), die bereits die Tathandlung nach § 266 StGB ist. Missverständlich ist daher auch folgendes Beispiel bei Winkler (S. 189): bekomme

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

263

basierender Nachteilsbegriff impliziert für die meisten Fälle, dass die erworbene Sache zeitgleich beim Erwerb das Potential seiner Liquidation trägt, „das heißt, daß alles, was überhaupt auf wirtschaftliche Verwendung hin angesehen wird, auf einen Geldausdruck reduziert wird“858. Damit existiert zunächst das Indiz für die objektive Brauchbarkeit eines jeden marktfähigen Gutes durch Reliquidierung. Dies entspricht der wirtschaftlichen Bedeutung von Zahlung bzw. Geld (sog. Zweitcodierung des Wirtschaftssystems), die sich in der modernen Wirtschaft vorrangig vor der Erstcodierung Eigentum/Nicht-Eigentum erweist.859 Die „Regenerierung von Zahlungen durch Zahlungen“ ist Ausdruck der Autopoiesis des Wirtschaftssystems.860 Erst in der Möglichkeit spezifisch wirtschaftlicher Anschlusskommunikation liegt das, was als „wirtschaftliche Potenz“ bezeichnet wird, denn wer sich durch Zahlung zahlungsunfähig macht, muss, um seine Partizipation am System zu erhalten, Zahlungsfähigkeit regenerieren.861 Wenn Geld nicht nur abstraktes Kommunikationsmedium, sondern „unter dem Gesichtspunkt seiner Liquidierbarkeit“ der „Gesamtwert allen Eigentums“ ist, Güter im Rahmen der Güterwirtschaft also sowohl „als Gut und als Geld“ existieren und als nur „momentan illiquide Fixierung als investiertes Kapital“ wiederauflösbar (monetarisierbar) sind, d.h. „jederzeit in diesen Zustand der Entkoppelung überführt werden“ können862, dann kann im Zuge pflichtwidrigen Treunehmerverhaltens der prinzipielle Mangel an spontaner Liquidierbarkeit als Unterbrechung der Kette zur Regenerierung von Zahlungsfähigkeit – zur Bejahung des Vermögensschadens im Sinne des § 266 StGB trotz objektiver Kompensation der Leistung durch das Erlangte führen. Orientierungsmaßstab ist die prinzipielle Wiedererlangbarkeit der ursprünglichen, und pflichtwidrig „unterschlagenen“ Zahlungsfähigkeit (nicht man für einen 100 e-Schein einen 100 e-Schein, so liege deshalb kein Schaden vor, weil das Maß an Selektionsfreiheit von Geld („Gebrauchsmöglichkeiten“) nicht vermindert sei. Diese Sichtweise hätte zur Konsequenz schon in jeder Umwandlung von Geld in ein geldwertes Gut einen Schaden zu sehen, da sich die Selektionsfreiheit dann ja immer vermindert. Vorzuschlagen ist deshalb, nicht auf den Grad an Selektionsfreiheit (Gebrauchsmöglichkeiten) der Gegenleistung abzustellen, sondern auf die Möglichkeit zum Wiedererwerb der Selektionsfreiheit durch die Liquidierung der Gegenleistung in Geld. Die Frage ist nicht, welchen Gebrauchswert das Gut schafft, sondern welchen realisierbaren Geldwert es verkörpert. 858 Sog. „Universalisierung des Geldes“, siehe Luhmann, Wirtschaft der Gesellschaft, S. 238 f. 859 Lieckweg, S. 286 f. Siehe auch Abschnitt B. II. 1. 860 Luhmann, Wirtschaft der Gesellschaft, S. 55; Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, S. 197 ff. 861 Vgl. Luhmann, Wirtschaft der Gesellschaft, S. 134 ff. 862 Luhmann, Wirtschaft der Gesellschaft, S. 200 f., 316, 456.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

aber der Tauschfähigkeit, wenn die Leistung nicht in Geld bestand) zum Zeitpunkt des Gegenleistungserwerbs (nicht also um konkrete materielle potentielle Weiterverkaufsmöglichkeiten). Es geht also nicht um die Frage, ob der Vermögensinhaber die geldwerte Gegenleistung konkret zum selben Geldwert weiterveräußern könnte, d.h. weder um fingierte konkrete Verkaufsoptionen zum Erwerbszeitpunkt noch um konkrete Wiederverkaufsoptionen in der Zukunft, sondern ob der Gegenleistung ein eingesetzter Geldwert in dem Sinne anhaftet, dass dieser prinzipiell liquidierbar ist, d.h. ob die eingesetzte Leistung zum Tatvollendungszeitpunkt liquidierungsfähig ist. Im Gegensatz zu dem, was die Bezeichnung „subjektiver Schadenseinschlag“ suggeriert, ist nicht der individuelle Verlust von Dispositionsfreiheit (durch Zweckverfehlung oder Knebelung) maßgeblich, sondern um den prinzipiellen Verlust der Möglichkeit die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit (Güterwert in Geld) wiederzuerlangen.863 Ferner schließt in wesentlichen Teilen die Liquidierbarkeitsthese die Fälle der Nötigung zu vermögensschädigenden, insbesondere existenzgefährdende Maßnahmen mit ein; denn nur wo das Erlangte nicht wieder liquidiert werden kann, sind Folgen wie vermögensschädigende Folgemaßnahmen, Unterlassungen vermögenssteigernder Maßnahmen (etwa durch die Unmöglichkeit der Verwendung des Kapitals für dringlichere Aufgaben) oder Existenzgefährdungen erst denkbar. Als selbstständige Typisierungen überzeugen die beiden ebenso subjektiv bleibenden Fallgruppen aufgrund der dargestellten Kritik aber nicht. Die im Rahmen der Gesamtsaldierung vorgenommene Bewertung anhand des Marktwertes wird in diesem Sinne nicht „korrigiert“, sondern nur um ein Prinzip erweitert, nämlich um die Berücksichtigung des selbst nicht materialisierbaren/quantifizierbaren objektiven wirtschaftlichen Wertes, etwas Geldwertes in Geld zu transformieren. Diese Erweiterung ist im Grunde lediglich das Ergebnis einer reflexiven Anwendung der wirtschaftlichen Werthaltigkeit: der Wert des Wertes liegt in der Realisierung durch Geldzufluss, d.h. die Zuschreibung eines Geldwerts hat selbst nur wirtschaftlichen Wert, wenn aus dem Geldwert prinzipiell Geld werden kann. Der Geldwert der Geldwertigkeit ist Geld. Die Verletzung dieses wirtschaftssystemimmanenten Prinzips wird zu einem normativen Schadensfaktor, der die Geldwertberechnung transzendiert ohne die objektive Geldwertorientierung damit aufzugeben, zu relativieren oder subjektiv zu korrigieren. Die Anwendung des Prinzips wird durch das 863 Im Ergebnis werden also Fälle, in denen der Treunehmer in eine finanziell bedrängende Situation gerät, weil die Anschaffungen die Erfüllung anderer wichtiger Aufgaben unmöglich machen (siehe Dannecker, NZG 2000, S. 246).

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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normative Urteil der Pflichtwidrigkeit einer untreueerheblichen Handlung, nicht durch ein subjektives auf Schadensebene aktiviert. Als objektives Prinzip ist die Liquidierbarkeit damit kein Unterfall einer zumutbaren Alternativverwendbarkeit im Sinne der Zweckverfehlungslehre.864 Der Marktwert der Sache bleibt also trotz Liquidierungsmangel unangetastet und wird auch nicht subjektiviert.865 Diese Möglichkeit ist Substrat des objektiven Wertmaßstabes und kann normativ nicht unberücksichtigt bleiben. Aber auch bei prinzipieller durch die Beschaffenheit des Vorteils verursachter Unverkäuflichkeit (insbesondere in Fällen von Dienstleistungen) ist nicht zwangsläufig ein Schaden zu bejahen, denn es bleibt nämlich noch im Rahmen des wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans der Vorteilserwerb in Geld zu untersuchen (siehe D. II. 3. e) dd) (1) und D. II. 3. e) dd) (2)). Allerdings besitzt das normative Prinzip keine Rückwirkung auf das allgemeine Kriterium der untreueerheblichen Pflichtverletzung im Rahmen ihres funktionalen Bezugs zur Schadensebene: dieser bleibt allein auf den wirtschaftlichen Schadensbegriff gerichtet, d.h. greift nicht auf den normativen Teil der Schadensebene vor. Somit ist der Liquidierbarkeitsmangel grundsätzlich nicht zur Pflichtwidrigkeitsbegründung hinreichend, wenn zum Marktwert (d.h. grundsätzlich nicht im Sinne einer wirtschaftlichen Schadenserzeugungslogik) erworben wurde. Eine zirkuläre Verschleifung von Pflichtverletzung und Vermögensschaden wird daher vermieden. normatives Prinzip der Liquidierbarkeit

Vermögensschaden – wirtschaftlicher Vermögensbegriff

Pflichtwidrigkeit – Schadenserzeugungslogik

864

So Schmoller, ZStW 103 (1991), S. 110 Fn. 68. Anders beispielsweise RGSt 16, 7: Ohne die Wiederverkaufsmöglichkeit ist die Sache „für den Eigentümer trotz dessen zweifellosen Eigentumsrechtes wertlos“. 865

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

Die Berücksichtigung des Liquidierungsmangels liegt nahe an dem von Eser vertretenen „dynamischen Vermögensbegriff“, nach dem trotz Wertäquivalenz von Leistung und Gegenleistung ein Schaden gegeben ist, wenn das Vermögensgut „wirtschaftliche Bewegungsfreiheit“ beeinträchtigt ist.866 Aus funktionaler Sicht zu kritisieren ist jedoch, dass ein dynamischer Vermögensbegriff, der die „tatsächliche Fähigkeit und Möglichkeit, seine finanziellen Mittel am wirtschaftlich sinnvollsten und zweckmäßigsten einzusetzen“ als Vermögensbestandteil beschreibt867, einer Optimierungsfiktion unterliegt, welche wirtschaftlich und rechtlich inadäquat ist. Weder hat der Treugeber die Fähigkeit zur Erreichung des wirtschaftlich Sinnvollsten. Noch hat dieser Treunehmer grundsätzlich die Möglichkeit das wirtschaftlich Sinnvollste zu erreichen. Der Vermögensbestand verkörpert daher nicht schon die Idee seiner optimalen Maximierung durch die Systemlogik (vgl. schon C. IV. 3. c) aa)). dd) Fallgruppen (1) Indiz für prinzipielle Illiquidität bei nicht handelbaren Gegenleistungen (wie Dienstleistungen, immaterielle Werte) ohne Geldvorteil Für einige Gegenleistungen (zum Beispiel Dienstleistungen oder immaterielle Werte) ist der Weiterverkauf schon aufgrund ihrer Beschaffenheit prinzipiell unmöglich. Auch hier gilt, mit einer bedeutenden Ausnahme, der Grundsatz, dass eine pflichtwidrige aufgedrängte Bereicherung mangels Liquidierbarkeit einen Schaden darstellt. Beispiel: Geschäftsführer X bestellt (pflichtwidrig) eine Reinigungsfirma, die die 100 m2 großen Gewerberäume der GmbH für einen unüblich günstigen Tarif reinigt, obwohl bereits am Vortrag eine Reinigung stattgefunden hat. Beispiel: Vermögensverwalter X unterliegt einer allgemeinen Vermögensbetreuungspflicht bezüglich des Vermögens des A, der den X im Vertrauen auf die Erhaltung und Vermehrung seines Vermögens schalten und walten lässt. X erwirbt nun zum Marktpreis ein nicht weiter rentables Grundstück für den A und wickelt das Kaufgeschäft im Namen des A ab. In diesem Fall wird ein Grundstück, bzw. die notariellen oder Maklerleistungen, zum Marktpreis erworben. Eine Pflichtwidrigkeit ist daraus nicht ableitbar. Abwandlung: A beschränkt die Vermögensbetreuungspflicht auf den Abschluss von Finanzgeschäften mit Gewinnpotential. 866

Eser, GA 1962, S. 297. Ähnlich auch die personale Lehre, die sich nach den Gebrauchs- und damit persönlichen wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten richtet, zum Beispiel Winkler, S. 180 ff. 867 Eser, GA 1962, S. 297.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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In diesem Fall liegt im Verstoß gegen die materiellen Interessen des Vermögensinhabers eine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB. Fraglich ist, ob ein Schaden vorliegt. Gemäß dem wirtschaftlichen Schadensbegriff wirken Gegenleistungen zum marktwertüblichen Preis kompensatorisch. Allerdings ist eine normative Begrenzung durch die prinzipielle Liquidierbarkeit zu prüfen: das erworbene Grundstück ist prinzipiell zum Marktpreis liquidierbar. Dennoch liegen in eventuell in Anspruch genommenen Leistungen aus Notar- oder Maklertätigkeit Dienstleistungen vor, die prinzipiell nicht liquidierbar sind. Insoweit wäre ein Schaden begründbar.

(2) Indiz für prinzipielle Liquidität bei Geldvorteil versprechenden nicht-handelbaren Gegenleistungen (zum Beispiel Dienstleistungen, Betriebsausgaben, immaterielle Werte u. a. Gelderwerbschancen) In einigen Fällen existieren nicht zwei, in Form von Leistung und Gegenleistung gegenüberstehende Vermögensposten, sondern durch den nichtliquidierbaren Vorteil auch Geldzuflüsse versprechende Vorteile, die im Saldierungsverfahren zu berücksichtigen sind (siehe D. II. 3., D. II. 5. c) aa) (1)). Erworbene nicht handelbare Leistungen, Dienstleistungen, Werte, Gewinnchancen usw. unterfallen insoweit nicht der prinzipiellen Illiquidität, als sie unmittelbar im Rahmen wirtschaftlicher Logik einen Geldvorteil verursachen. Das bedeutet: Soweit eine Kompensation durch Geld oder Geldvorteile erfolgt, ist die Gegenleistung prinzipiell liquidierbar, soweit sie dadurch kompensiert wird. Der Grund für eine solche Betrachtung liegt darin, dass der Sinn geldwerter Vorteile ohne Liquidierungsmöglichkeit im Rahmen wirtschaftlich vernünftiger Gesamtpläne gerade in der Erwartbarkeit einer automatischen Liquidierung besteht. Beispielsweise wird eine Rufsteigerung gewöhnlicherweise eingekauft, um durch sie Gewinne zu erzeugen. Ist eine Gewinnerwartung im Rahmen eines wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans in Höhe der Investition (Leistung des Treugebers) zu erwarten, so ist der Geldvorteil trotz illiquider Gegenleistung (beispielsweise die Rufsteigerung) prinzipiell gegeben. Beispiel: Geschäftsführer X bestellt pflichtwidrig die Reinigungsfirma, welche zu günstigen Konditionen anbietet, einen Tag, bevor die reguläre Reinigungsfirma für 100 e mehr die gleiche Arbeit verrichten wollte und abbestellt werden konnte. Hier liegt die Gegenleistung einerseits in der nicht liquidierbaren Dienstleistung, andererseits aber auch in den ersparten Aufwendungen für die reguläre Reinigungsfirma. Diese ersparten Aufwendungen sind reine Geldvorteile. Da Geld immer schon liquide ist, ist ein prinzipieller Liquidierbarkeitsmangel zu verneinen.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

Beispiel: Geschäftsführer X der GmbH G lanciert eine Werbekampagne für die wirtschaftlich angeschlagene G. Dies tut er pflichtwidrig. Die Werbekampagne lässt nach den wirtschaftlichen Einschätzungen zum Tatvollendungszeitpunkt gemäß einem wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplan Gewinnsteigerungen erwarten und ist nach Gesamtsaldierung soviel wert, wie sie gekostet hat (siehe auch D. II. 5. a) cc) (3) (b)). Die Gegenleistung „Werbekampagne“ ist als solche aber nicht liquidierbar. Da hier aber im Rahmen des wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans (aus Rufsteigerungen, Anreize, Motivationen usw. folgende) Geldvorteile zu berücksichtigen sind (siehe dazu unten), scheidet ein Schaden aufgrund mangelhafter Liquidierbarkeit aus, soweit vorab eine Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung vorliegt. Beispiel: Ein Schulleiter verwendet nach Ablehnung einer beim Schulträger beantragten Bezuschussung einer Fachausstellung die als Portomittel zugewiesenen Gelder, um die Ausstellung zu finanzieren. Eine auch im Wert dem Aufwand entsprechende Fachausstellung ist nicht liquidierbar und dient auch nicht im Rahmen wirtschaftlicher Logik der Erzeugung eines Geldvorteils. In einem solchen Fall kommt die Liquiditätsthese zum Zuge und führt zur Schadensbejahung868, ohne dass es für diese Entscheidung hinsichtlich des Vermögensschadens zwingend auf den Gesichtspunkt der Zweckverfehlung bei der Verwaltung öffentlich-rechtlicher Gelder ankäme (vgl. dazu D. II. 3. f)).

Die nämliche Betrachtung ist bei Gelderwerbs-/Gewinnchancen geboten, welche immer liquidierbar sind, sei es durch ihre eigene Realsierung oder sei es durch Veräußerung der Geldvorteilserwartung zum diskontierten Wert zum Tatvollendungszeitpunkt („Voraus-Liquidierung“). Beispiel: Vermögensverwalter Y erwirbt für den Privatmann C, demgegenüber er vermögensbetreuungspflichtig ist, pflichtwidrig Wertpapiere, zum Börsen-, also Marktpreis und unter Leistung des üblichen Börsenentgelts. Das minimale Börsenentgelt als nicht-liquidierbare Leistung dürfte angesichts des erworbenen zukünftigen Zahlungsstroms (Cashflows) der zu erwartenden Dividende zunächst kompensiert sein. Fraglich bleibt, ob die Gegenleistung insgesamt zum Tatzeitpunkt prinzipiell wieder liquidierbar war. Ein unmittelbarer Marktzugang besteht zwar insoweit nicht, als es einer Börse und eines Börsenmaklers bedarf, um Wertpapiere wieder zu veräußern. Der Zugang zu diesem Markt ist zumindest über jede Bank gleichwohl vorhanden, sodass es nicht im Prinzip an der Liquidierbarkeit mangelt. Dass das beim Erwerb gezahlte Börsenentgelt nicht liquierbar war, ist unerheblich, weil insoweit eine Kompensation durch den auf Geldvorteile gerichteten Gewinnstrom angenommen wurde. Ferner ist für die prinzipielle Liquidierbarkeit der Wertpapiere unerheblich, dass eine konkrete Veräußerung der Wertpapiere wiederum mit einem Börsenentgelt verbunden sein wird, da im Rahmen der Liquidierbarkeitsthese nicht zukünftiger konkreter Veräußerungsaufwand im Sinne einer Korrektur der eigentlichen Gesamtsaldierung „verrechnet“ wird. Es geht im Übrigen ohnehin nur um die Liquidierbarkeit des Erworbenen, welches nicht schon durch „Geld“ kompensiert wurde. 868

I. E. auch BGH NStZ 1986, S. 456.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

269

Folgendes Rechenbeispiel soll die Anwendung der Liquidierbarkeitsthese bei einem pflichtwidrigen Wertpapierkauf veranschaulichen: Beispiel: Passivseite

Aktivseite

Leistung Wertpapier: – 10000 e

Gegenleistung Wertpapier: + 10000 e (Erwerb zum Börsenkurs = Marktwert)

Aufwand: – 200 e

Gegenleistung für Aufwand: + 200 e Gegenleistung: Abgezinster Zahlungsstrom, Dividende, zum Beispiel 500 e

Der Aktivposten überwiegt mit 500 e. Es handelt sich um ein Gewinngeschäft. Die normative Korrektur aufgrund der Liquidierbarkeitsthese betrifft allein den Aufwandsposten i. H. v. 200 e. Da das Geschäft jedoch einen Geldvorteil i. H. v. 500 e verspricht, d.h. prinzipiell liquidierbar ist, kompensiert dieser den nicht liquidierbaren Vermögensposten (Aufwand) i. H. v. 200 e. Daraus folgt eine prinzipielle Liquidierbarkeit des Gesamteinsatzes. Beispiel: Treunehmer X erwirbt für Treugeber Y pflichtwidrig einen Anspruch auf eine Geldzahlung i. H. v. 3.000 e zum Preis von 2.000 e. Dieser Anspruch ist jedoch mit einem Prozessrisiko behaftet, sodass mit Wahrscheinlichkeit i. H. v. 10% die Realisierung des Anspruchs ausbleibt (siehe dazu D. II. 4. c) aa) (1)). Die Gegenleistung ist eine Chance mit einer Wahrscheinlichkeit von 90% 3.000 e für 2.000 e zu erhalten (bei einem Erwartungswert von 2.700 e). Die wirtschaftliche Bewertung des Anspruchs beträgt 2.700 e. Es ergibt sich ein Positivsaldo. Die Liquidierbarkeit einer auf einen Geldzufluss gerichteten vorteilhaften Chance ist selbst bei prinzipieller Unverkäuflichkeit, wie vielleicht aufgrund fehlenden Marktes für bestimmte Gelderwerbschancen869, zu bejahen, weil sich die Gelderwerbschance nach Maßgabe ökonomischer Logik selbst liquidiert (in welcher Höhe dies sein wird, ist zum Tatvollendungszeitpunkt offen und daher irrelevant). Beispiel: Vermögensverwalter V erwirbt für 100.000 e pflichtwidrig eine Forderung über einen sicheren Zahlungsfluss i. H. v. 120.000 e, die jedoch erst in einem Jahr fällig wird, d.h. nicht schon bei Tatvollendung ausbezahlt werden kann. Es ist hier aber die sichere Prognose der Auszahlung ökonomisch zu antizipieren. Der mit einem banküblichen Kapitalzins von zum Beispiel 10% diskontierte Zahlungsstrom ist beim Erwerb 110.000 e wert. Ein unter oder zum Marktwert erworbener zukünftiger Geldstrom ist prinzipiell, beispielsweise durch Abtretung des Anspruchs an eine Bank, „voraus-liquidierbar“. Ein Vermögensschaden liegt zum Zeitpunkt der Tatvollendung nicht vor.

Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Frage, ob eine Gegenleistung durch Veräußerung Geld einbringen kann, prinzipiell zu bejahen ist, wenn sie einen kompensierenden Geldfluss bereits ohne Veräußerung (d.h. im 869

Siehe Winkler, S. 89.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

Rahmen eines wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans) einbringt. Der Erwerb eines liquidierbaren Gewinns kann insoweit auch eine separate nicht liquidierbare Leistung in ihrem Liquidierbarkeitsmangel kompensieren. (3) Indiz für prinzipielle Illiquidität handelbarer Güter bei fehlendem allgemeinen Zugang zu einem rechtlich gebilligten Absatzmarkt Fehlt ein allgemeiner Zugang zu einem rechtlichen gebilligten Absatzmarkt, so scheidet eine prinzipielle Liquidierbarkeit aus. Beispiel: Geschäftsführer X erwirbt pflichtwidrig im Sinne des § 266 StGB ein konventionelles KfZ für den Autohandel Y zum Marktwert. Da Autos handelbare Güter sind und der Automarkt in der Regel, jedenfalls für Autohändler, frei zugänglich ist, besteht keine prinzipielle Illiquidität. Beispiel: Vermögensverwalter X erwirbt für den Treugeber Y ein von einem anderen aus einem Museum entwendetes Gemälde und mehrere Plagiate von Lederprodukten, jeweils weit unter Marktpreis. Ein Schaden liegt deshalb vor, weil das Recht normativ keinen rechtswidrigen Absatzmarkt“ zum Zwecke prinzipieller Liquidierbarkeit integrieren bzw. vom Treugeber rechtswidrige Handlungen erwarten kann. Beispiel („Melkmaschinen-Fall“; siehe D. II. 3. c) bb)): Der pflichtwidrige Erwerb eines Sondernutzungsgutes zum Marktwert führt trotz Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung insoweit zu einem Schaden, als das Erworbene nicht prinzipiell liquidierbar ist. Es ist nicht liquidierbar, soweit das Erworbene nicht in einem Geldvorteil besteht. Beachtlich ist deshalb, ob der erworbene Gegenstand, also die Melkmaschine, nicht eine betriebsnotwendige Ausgabe ist, die den Betriebsgewinn fördert, und ob es an einem fehlendem allgemeinen Zugang zum Absatzmarkt mangelt. Letzteres dürfte dann der Fall sein, wenn es sich um ein Sondernutzungsgut handelt, welches üblicherweise keinen allgemeinen Markt besitzt, sondern in der Regel über spezialisierte Händler erfolgt. Im MelkmaschinenFall könnte daher aufgrund der Liquidierbarkeitsthese ein entsprechendes Ergebnis wie mit Hilfe der Lehre des subjektiven Schadenseinschlags erreicht werden. Beispiel: Lässt ein Amtsinhaber pflichtwidrig die Diensträume teuer, aber preiswert einrichten, so könnte ein Schaden nicht an sich in der Einschränkung der wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeit der Gemeinde liegen, sondern in der aufgrund der objektiv vorhandenen Individualität und Verfestigung von Einrichtungen prinzipiell mangelhaften Regenerationsfähigkeit der Entfaltungsmöglichkeit, d.h. einer prinzipiellen Illiquidität, z. B. durch einen Mangel an einem Zugang zu einem Absatzmarkt.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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(4) Indiz für prinzipielle Liquidierbarkeit rechtmäßig handelbarer Güter bei Gewinngeschäften Beispiel: Vermögensverwalter X erwirbt für den missliebigen Treugeber Y für die ihm anvertrauten 10.000 e die Lieferung einer Tonne Reißzwecken zu einem 3000 e unter dem handelsüblichen Marktpreis liegenden Sonderpreis („Einmalaktion“ eines insolventen Herstellers), die für ihn keinerlei Geldvorteile abwirft. Ist im Ergebnis einer objektiven Betrachtung zur Schadensbestimmung die Ware für Y prinzipiell nicht zeitgleich liquidierbar, so liegt ein Vermögensschaden vor. Vorliegend dürfte ein solcher nicht ohne Weiteres zu bejahen sein, denn bei offensichtlich großer Differenz zwischen von handelsüblichem Marktreis zum tatsächlichen Kaufpreis, ist im Prinzip die Liquidierbarkeit zum Tatvollendungszeitpunkt möglich, weil ein Verkauf weit unter Marktwert prinzipiell für einen Absatzmarkt und potentielles Kundeninteresse spricht.870

ee) Zusammenfassung Ungeachtet einer Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung liegt aus normativen funktionalen Gründen ein Vermögensschaden vor, wenn es an einer prinzipiellen Wiedererlangbarkeit der ursprünglichen und pflichtwidrig „unterschlagenen“ Zahlungsfähigkeit zum Zeitpunkt des Gegenleistungserwerbs mangelt („Liquidierbarkeitsthese“). Die Liquidierbarkeitsthese schränkt die Wirkung der Lehre vom subjektiven Schadenseinschlag ein und ist gleichzeitig, insoweit sie zu vergleichbaren Ergebnissen führt, durch ihr objektives Prinzip dogmatisch begründbar und praktisch anwendbar. f) Sonderfall: Haushaltsuntreue Im Unreuestrafrecht findet sich eine spezifische Anwendung der Lehre vom subjektiven Schadenseinschlag insbesondere in den Fällen der Haushaltsuntreue. Darunter versteht man Veruntreuungen öffentlicher Mittel, die durch Verstöße gegen haushaltsrechtliche Bestimmungen und Haushaltsansätze durch vermögensbetreuungspflichtige Haushaltsbetreuer gekennzeichnet sind.871 870

Der Fall könnte, soweit man hier einen Vermögensschaden verneint, desweiteren unter demn Gesichtspunkt des Unterlassens alternativer Vermögensmehrung betrachtet werden. 871 Zur Vermögensbetreuungspflicht von Beamten oder im öffentlich Dienst Beschäftigten beispielsweise RG JW 34, S. 2773 (Bürgermeister gegenüber der Gemeinde); BGH NStZ 1998, 91 (Finanzum Beispieleamter gegenüber dem Fiskus); siehe allgemein: Fabricius, NStZ 1993, S. 414 f.; Neye, S. 10. Der Begriff der Amtsuntreue hingegen umfasst weitergehend Veruntreuungen von Amtsträger insgesamt. Fabricius, NStZ 1993, S. 414 ff.; Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 32, Rn. 1.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

aa) Anwendbarkeit des § 266 StGB auf öffentliches Vermögen – Wirtschaftsfunktionale Identität von privatem und öffentlichem Vermögen Die Anwendung des § 266 StGB ist nicht davon abhängig, ob privates oder öffentliches Vermögen betroffen ist.872 Aus funktionaler Sicht ist eine solche Trennung nicht haltbar, da die Typisierung anhand von Vermögensträgermerkmalen im Kontext wirtschaftssystemischen Prozessierens unerheblich ist (siehe B. II. 1.). bb) (Haushalts-)zweckwidrige Mittelverwendungen (1) Pflichtwidrigkeit (haushalts-)zweckwidriger Mittelverwendungen Formelle Pflichtverletzungen, also Verletzungen von Zuständigkeits, Verfahrens- oder Formvorschrifen, sind nur bei ihrer Indizwirkung für materielle Pflichtwidrigkeit untreueerheblich. Sie scheiden ansonsten nach der hier vertretenen Auffassung bereits im Rahmen der Pflichtwidrigkeit aus873 (siehe schon C. IV. 4. c)). Im Gegensatz zu formellen Pflichtverletzungen ist eine materiell zweckwidrige Mittelverwendung, d.h. die nicht bestimmungsgemäße Einhaltung des öffentlichen oder privaten Gesamtzwecks, immer pflichtwidrig, weil unabhängig von der Schadenserzeugungstauglichkeit die ausdrücklichen und nicht ins Ermessen gestellten materiellen Vermögensinteressen des Treugebers verletzt sind.

872

Saliger, ZStW 112 (2000), S. 591 m. w. N.; vgl. auch Schönke/Schröder-Cramer, § 263, Rn. 78a; Berger, S. 6 ff., 201. Zu weit geht daher auch der Vorschlag von Mayer Beamte generell nicht dem § 266 StGB zu unterstellen (Mayer, S. 337 Fn. 25, S. 351 f.). Dabei beruft er sich auf die angesichts von Gewaltenteilung illegitime Einmischung sachunkundiger Justiz in die Verwaltung. Soweit jedoch im Rahmen fiskalischer Verwaltungstätigkeit materielle Vermögensbestimmungen verletzt werden, spricht dies dafür Beamte funktional wie herkömmliche Vermögensverwalter zu behandeln. Zur älteren Literatur, die sich gegen einen Schutz öffentlichen Vermögens durch § 266 StGB aussprach, siehe Neye, S. 24 ff. m. w. N. 873 Zur entsprechenden Begründung des Ausschlusses der Strafbarkeit formeller Zweckwidrigkeit auf der Schadensebene siehe Saliger, ZStW 112 (2000), S. 595 f. m. w. N.; Rübenstahl/Wasserburg, NStZ 2004, S. 526 f.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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(2) Materielle Zweckwidrigkeit als Schaden (a) Materielle Zweckwidrigkeit ohne wirtschaftliche Äquivalenz Bei der zweckwidrigen Mittelverwendung ohne wirtschaftliche Äquivalenz geht es darum, dass öffentliche Mittel fehlgeleitet werden, ohne dass dem öffentlichen Vermögensträger daraus ein wirtschaftlicher Vorteil erwächst. Darunter fallen beispielsweise nutzlose Ausgaben an Dritte oder den Täter selbst.874 Eine Schadensannahme ist hier unter Vornahme einer wirtschaftlichen Gesamtsaldierung unproblematisch.875 (b) Materielle Zweckwidrigkeit bei wirtschaftlicher Äquivalenz In Anwendung der zweckorientierten Lehre vom individuellen Schadenseinschlag (siehe D. II. 3. c) bb)) auf die Haushaltsuntreue wird trotz Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung indes ein Schaden angenommen, wenn die auf das Allgemeininteresse bezogene normative Bindung öffentlicher Haushaltsmittel an Leistungszwecke verletzt wird, beispielsweise wenn vorschriftswidrig eine Verpflichtung begründet oder eine nicht zwingende Anschaffung getätigt wird. Auch sollen unter die Kategorie einer materiellen Zweckwidrigkeit bei wirtschaftlicher Äquivalenz solche Ausgaben fallen, die trotz einer wirtschaftlichen Gegenleistung mit der Nichterfüllung der öffentlichen Gesamtaufgabe einhergehen, welche der Vermögensträger bestimmungsgemäß, und möglicherweise nur mittels Kreditaufnahme, zu verfolgen hat.876 874

Zum Beispiel BGHSt 40, 295. Saliger benennt in Entsprechung zu BGHSt 43, 297 f. neben der Zweckverfehlung als Taterfolg auch die Verringerung von zweckgebundenen Mitteln als Nachteilszufügung durch zweckwidrige Verwendung öffentlicher Mittel, weil unter Zweckwidrigkeit generell die Nichterfüllung der öffentlichen Gesamtaufgabe zu verstehen sei (BGHSt 43, 298 m. w. N.; Saliger, ZStW 112 (2000), S. 593 ff. m. w. N.). Dem wird vorliegend nicht gefolgt, da die Verringerung von Mitteln ökonomisch gesehen eine kompensationslose Ausgabe bezeichnet, die als solche i. R. wirtschaftlicher Gesamtsaldierung als Schaden erkannt werden kann, ohne dass es auf die Zweckwidrigkeit der Ausgabe ankommen muss. Der Schaden liegt nämlich dann nicht in der Zweckwidrigkeit trotz Kompensation, sondern in der Nichtkompensation. 876 Siehe BGHSt 43, 297 ff. m. w. N.; BGH NJW 2001, S. 2413; BGH NStZ 1999, S. 564 f. (Abgeordneter verwendet Mittel, die für die „Einführung in die Parlamentsarbeit“ vorgesehen waren, für Theaterbesuche) oder BGHSt 30, 248 f. (Hochschulgelder des Allgemeinen Studentenausschusses werden zur Publikation von Druckschriften verwendet); BGH NStZ 1984, S. 549 f. (sog. „KulturamtsleiterFall“); Saliger, ZStW 112 (2000), S. 594 f.; Munz, S. 7 ff.; Berger, S. 215 ff., 233 ff. Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 777; Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 654 ff.; desweiteren auch Schünemann, StV 2003, S. 465. 875

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

(3) Kritik einer Schadensannahme bei materiell (haushalts-)zweckwidriger Mittelverwendung Kritisch gegen eine Schadensannahme bei materiell (haushalts-)zweckwidriger Mittelverwendung sind grundsätzlich die gegen die Subjektivierungstendenzen im Rahmen der Lehre des subjektiven Schadenseinschlages geäußerten Kritikpunkte in Betracht zu ziehen (siehe D. II. 3. d)). Spezifisch für die Haushaltsuntreue bestehen folgende Einwendungen dagegen, einer materiellen Zweckwidrigkeit Schadensqualität zuzuerkennen. (a) Gefahr einer Verdopplung des Tatbestandsmerkmals „Pflichtverletzung“ – Politische Gestaltungsfreiheit kein Vermögensgut Materielle Zwecksetzung und Zweckverwirklichung sind keine Komponenten objektiv wirtschaftlicher Schadensbetrachtung, sondern Teil der Privatautonomie und ihrer Realisierung. Jede Handlung, die dem entspricht ist pflichtgemäß, aber nicht notwendig schadensaussließend. Andersherum gilt: Die materielle Zweckwidrigkeit ist nur auf der Ebene der Pflichtwidrigkeit bedeutsam. Die Schadensbestimmung orientiert sich anhand objektiver wirtschaftlicher Größen. Daher ist zwar die Betonung des BGH im Bugwellen-Prozess richtig, dass es keinen Tatbestand der Haushaltsuntreue gibt, der allein die Pflichtwidrigkeit haushaltswidriger Verfügungen unter Strafe stellt.877 Jedoch unverständlich, wenn er im unmittelbaren Zusammenhang eine Nachteilszufügung darin erblickt, dass die zweckgebundenen Mittel verringert wurden, ohne dass der Zweck erreicht wurde und für diesen Fall – im Gegensatz zur zweckgemäßen Mittelverwendung – die Gesamtsaldierung gar nicht vornimmt.878 Zum Einen kommt die Begutachtung der Untreuestrafbarkeit aber nicht über die Pflichtwidrigkeitsebene hinaus, gelangt zumindest nicht auf die eigenständige Ebene des Vermögensschadens. Zum Anderen irritiert die Berücksichtigung der Nichterlangung eines „Zweckäquivalents“ auf der Schadensebene den wirtschaftlichen Äquivalenzbegriff, weil es bei Zwecken und ihrer Realisierung grundsätzlich an einer rein wirtschaftlich objektiven Vergleichbarkeit mangelt und schon vorab unterstellt wird, Zweckerfüllung sei als solche ein werthaltiges Vermögensgut.879 877

BGHSt 43, 297. BGHSt 43, 297 f. 879 Die spezifische Widmung des Vermögens ist schon deshalb kein Vermögenswert, weil die Zweckerreichung dem Gut nicht selbst anhaftet. Zwecke sind daher nicht an das Gut, sondern an die Pflicht des Betreuers gebunden. 878

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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Für die herrschende Auffassung, die in materieller Zweckwidrigkeit auch einen Vermögensnachteil als gegeben ansieht, müssen Tathandlung und Taterfolg vereinheitlicht werden. Eine materiell zweckwidrige Mittelverwendung verwirkliche daher sowohl Pflichtverletzung als auch Vermögensnachteil gleichzeitig. Darin liegt jedoch ein rechtsstaatlich nicht unproblematischer Rückschluss von der Tathandlung (zweckwidrige Verfügung) auf den Taterfolg (Zweckverfehlung).880 Durch die Verdopplung des Tatbestandsmerkmals „Pflichtwidrigkeit“ kommt es zu einer Entdifferenzierung des Programms des § 266 StGB, um die Vielfalt der zugreifbaren Sachverhalte zu steigern (Extensionsanfälligkeit).881 Darin ist auch ein Wortlautwiderspruch zu sehen. Grundsätzlich gilt daher, dass § 266 StGB allein das Vermögen schützt, nicht jedoch die Dispositionsbefugnis des Haushaltsgebers.882 Der Untreuetatbestand ist zudem nicht eine sämtliche Rechtsbeziehungen aus unterschiedlichen Rechtsbereichen bündelnde, generalisierte Sanktionsnorm. § 266 StGB kann nicht als der strafrechtliche Verstärker der Unwertentscheidungen anderer Rechtsgebiete fungieren (sozusagen als Punitivteil für andere Rechtsgebiete, „Superdelikt“), sondern muss – vor dem Hintergrund der ultima-ratio-Funktion des Strafrechts – einer teilrechts- also strafrechtsimmanenten Zweck- und Schutzrichtung folgen (siehe auch C. III. 1.). Eine erweiternde Auslegung durch Hinzufügung des Schutzgutes der Dispositionsfreiheit ist auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 103 Abs. 2 GG kaum vertretbar.883 880 Saliger HRRS 2006, S. 14; ders., ZStW 112 (2000), S. 593 ff. m. w. N.; Rübenstahl/Wasserburg, NStZ 2004, S. 525. 881 Siehe auch Saliger, ZStW 2000, S. 589 ff., 598 ff.; Jordan, JR 2000, S. 139 f. Dass bei zweckentsprechendem Mitteleinsatz und Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung, ein Vermögensnachteil auch durch Beeinträchtigung der „politischen Gestaltungsbefugnis“ des Haushaltgebers durch Haushaltsüberschreitung gegeben sei, ist ein weiterer Beleg dafür, dass schon die Missachtung der bloßen Dispositionsfreiheit unrechtskonstituierend sein solle. Denn wenn nach Maßgabe des BGH der Mitteleinsatz materiell zweckkonform gewesen war, so kann sich für den BGH die Untreuestrafbarkeit nurmehr aus formellen Gesichtspunkten, wie die Dispositionsfähigkeit und die politische Gestaltungsbefugnis des Haushaltsgesetzgebers ergeben. Siehe Saliger, ZStW 112 (2000), S. 598 f. Die vom BGH betonte Dispositionsfähigkeit eröffnet auch keinen Restriktionsansatz, da Dispositionsfähigkeit und Dispositionsfreiheit begrifflich unzureichend abgrenzbar sind (a. a. O., S. 598 Fn. 153). 882 BGH NJW 2003, 2180 f.; BGH NStZ 2001, 251; BGHSt 43, 297; Maurach/ Schroeder/Maiwald, BT 1, § 45, Rn. 1; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 1; Kindhäuser, FS-Lüderssen, S. 646. 883 Saliger, ZStW 112 (2000), S. 592; Rübenstahl/Wassernburg, NStZ 2004, S. 524 f. Vgl. schon Abschnitt D. II. 4. a).

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

Demgegenüber weisen Wessels/Hillenkamp in diesem Zusammenhang auf das Verhältnis von Pflichtwidrigkeit und Nachteil hin, das aus der Natur der Untreue folge und das einen Einfluss der Verletzung der inneren Bindungen auch auf den Schaden legitimiere.884 Diesem Einwand ist jedoch, was den Schutz von Dispositionsfreiheit auf der Schadensebene angeht, entgegenzutreten: Der Bruch der von dem Vermögensinhaber an den Vermögensfremden „übertragenen“ Privatautonomie durch den Missbrauch der im Vertrauen in die Redlichkeit eingeräumten Machtstellung ist schon Kern des Tatbestandsmerkmals „Pflichtverletzung“. Ein Missbrauch „übertragener“ Privatautonomie, d.h. die Pflichtverletzung bezüglich fremden Vermögens, impliziert bereits eine Verletzung der durch sie abgesteckten vermögensrelevanten Dispositionsfreiheit. Eine innere Bindung zwischen der Pflichtverletzung und dem Vermögensschaden ist zwar in bestimmten Fällen nicht zu bestreiten; dennoch findet die Bindung bei § 266 StGB grundsätzlich innerhalb eines ökonomischen Kontextes statt: eine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB als Missbrauch der besonderen Machtstellung über fremdes Vermögen ist unter dem Zweck des Schutzes der Privatautonomie im Sinne der Aufrechterhaltung wirtschaftlicher Zuweisungslogik zu betrachten. Ein völlig „entökonomisierter“ Vermögensschadensbegriff, d.h. der Schutz bloßer politischer Gestaltungsbefugnisse, ist schwerlich in die Kontinuität der Schutzwirkung zum vorausgehenden Tatbestandsmerkmal „Pflichtverletzung“ zu setzen, sondern verbleibt in einem formellen Zweckwidrigkeitsverständnis. Die ökonomische Relevanz bloßer (politischer) Zwecksetzungen innerhalb des Untreuestrafrechts ist daher zu verneinen.885 Die Begrenzung des wirtschaftlichen Schadensbegriffs durch die Zweckorientierung ist unabhängig von der Art des Zwecks und seinem Träger, also auch im Falle eines rechtlich manifestierten, an die Verwaltung gerichteten Vermögenszwecks, kontingent, da die Verfolgung des Zwecks mit einem Vermögensgut das Vermögensgut selbst nicht wirtschaftlich bestimmt und dessen Bewertung auch nicht beeinträchtigt. Eine Schadensbejahung bei materiellen Zweckverletzungen trotz wirtschaftlicher Äquivalenz wird ausnahmsweise auch nicht dadurch ermöglicht, dass der hoheitlichen Verpflichtung zur Zweckerfüllung eine besondere Bedeutung beizumessen ist, die auf eine strukturelle Unterscheidung von öffentlichem und privatem Vermögen innerhalb des Untreuestrafrechts hinausläuft. So, wie selbstverständlich die Anwendung des § 266 StGB nicht davon abhängt, ob privates oder öffentliches Vermögen betroffen ist, 884

Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 777. Siehe Saliger, ZStW 112 (2000), S. 598 f.; Munz, S. 7 ff., 134; Lesch, ZRP 2002, S. 161 ff.; Rübenstahl/Wasserburg, NStZ 2004, S. 524 f.; Matt, NJW 2005, S. 389 f. 885

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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so muss auch das Wie der Anwendung identisch sein sein886: öffentliches Vermögen hat wirtschaftsfunktional gesehen dieselbe Vermögensqualität wie privates Vermögen (siehe D. II. 3. f) aa)). Schließlich zieht der BGH auch selbst eine Grenze durch ökonomische Rückkopplung, wenn er nicht schon im Überschreiten des Haushaltsplans eine zweckwidrige Mittelverwendung sieht887 (siehe dazu unten D. II. 3. f) dd)), denn ob das Überschreiten des Haushaltsplans vermögensschädigend ist, kann sich nicht aus dem Überschreiten selbst ergeben, ohne dass auf wirtschaftliche Sinnhaftigkeiten Rücksicht genommen würde. Anerkennt man aber, dass im Überschreiten nicht schon an sich eine Vermögensschädigung eintritt, so stellt man den per se schädigenden Charakter zweckwidriger Einsätze von Mitteln in Frage, denn es erschließt sich nicht ohne Weiteres, warum die Überschreitung anders zu behandeln sein sollte als die Zweckverfehlung. (b) Gefahr von Kontingenz durch Politisierung und Moralisierung (aa) Politisierung Betrachtet man § 266 in seiner funktionalen Rolle von außen, so fällt auf, dass im Zuge der Betonung der Dispositionsfreiheit (politische Gestaltungshoheit) die Referenz systemisch verlagert wird auf die politische Logik, obwohl es sich bei § 266 StGB um eine Vermögensschutznorm handelt. Fälschlicherweise wird aus der Wirtschaftskommunikation, die die systemische Multireferenz von (politischen) Organisationen (zum Beispiel Behörden)888 mit sich bringt, eine Generalisierung vorgenommen, die nicht mehr zwischen Interesse und Vermögensinteresse der Organisation differenziert. Es besteht deshalb die Gefahr, dass die Verletzung politischer Gestaltungsbedürfnisse eine – systemtheoretisch formuliert – politische „Korruption“ der strukturellen Kopplung („Vermögen“/„Vermögensschaden“) von Recht und Wirtschaft, also eine Funktionalisierung durch strukturfremde Erwägungen und entsprechend eine Ausuferung der Anwendung des § 266 StGB bedeutet. Die Kopplung mit (wirtschafts-)politischen Zwecksetzungen beinhaltet insbesondere ein Willkürmoment, das im Rahmen des wirtschaftsbezogenen Programms des § 266 StGB (qua ökonomisiertem Vermögensbegriff) als kontingente Fremdreferenz ausgeschlossen sein muss. 886 Kritisch zur Differenzierung der Schadensbestimmung bei öffentlichem bzw. privatem Vermögen Berger, S. 201; Lackner/Kühl, § 263, Rn. 33. 887 BGHSt 43, 296 ff.; BGH NJW 2001, 2413. 888 Zur Multireferenz von Organisationen, siehe Lieckweg, S. 273 ff.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

§ 266 StGB eignet sich schon angesichts Art. 103 Abs. 2 GG nicht als generalisierte Kopplungsstelle des Rechtssystems zu anderen Systemen, welche durch andere außerstrafrechtliche Regeln geschützt oder geordnet werden. Funktional ist die Kopplung zu anderen Systemen ohne eine spezifische Teilrechtslogik im Strafrecht nämlich nur um den Preis der Entdifferenzierung des Strafrechts selbst zu erhalten, denn Prinzipien werden aufgegeben und Externalitäten werden als Willkür empfunden. § 266 StGB als Operator für systemfremde Zwecke zu instrumentalisieren, indem Untreue zur bloßen Regelverletzung verwässert würde, käme einem Missbrauch der Sanktionswirkung gleich.889 § 266 StGB darf nicht zu einem „bereichsspezifischen Sonderdelikt“ umfunktionalisiert werden, „welches faktisch die ‚Verfälschung des Staatswillen’‘ ahnden soll“.890 Eine solche Entökonomisierung weitet die Strafbarkeit für Amtsträger faktisch aus, die dadurch auch contra legem schlechter gestellt werden als andere Tätergruppen.891 (bb) Moralisierung Der ökonomische Vermögens- und Schadensbegriff im systemtheoretischen Verständnis scheidet ebenso wie politische auch moralische Kategorien aus. Denn die wirtschaftliche Eigenrationalität bedingt gerade die Abkopplung der Wirtschaft von Moral zugunsten des generalisierten Kommunikationsmediums Eigentum bzw. Geld892 (siehe dazu B. II. 1.). Insbesondere innerhalb der Personalisierung des Vermögensnachteilsbegriffs liegt jedoch die „Tendenz zur moralisch-politischen Aufladung der Untreue“ durch eine immanente Moralisierungsgefahr.893 Ein Beispiel für solch eine Moralisierungstendenz auf der Schadensebene bietet der sog. „Amtserschleichungsfall“ (BGHSt 45, 1 ff.)894, bei dem moralische Bewertungen eine wirtschaftliche Schadensbestimmung entdifferen889 Saliger, ZStW 2000, S. 610 f.; Matt, NJW 2005, S. 390; Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 642 ff.; Dahs, NJW 2002, S. 273; LK-Schünemann, § 266, Rn. 94; Braum, KritV 2004, S. 77 f. 890 Anders z. B. Schünemann, StV 2003, S. 465. 891 Dazu Rübenstahl/Wasserburg, NStZ 2004, S. 524 m. w. N.; siehe auch Wagner, NStZ 2003, S. 543. 892 Luhmann, Wirtschaft der Gesellschaft, S. 187 ff.; Bussmann/Lüdemann, S. 134 f. 893 Saliger, HRRS 2006, S. 16; ders., ZStW 2000, S. 600; Alwart, JZ 2006, S. 546 f.; Matt, NJW 2005, S. 389 ff.; Kubiciel, NStZ 2005, S. 353 ff. 894 Der vom BGH zum Betrug durch Nichtoffenbarung einer Tätigkeit für das MfS der DDR ergangene Beschluss ist auch für das Untreuestrafrecht bedeutsam: BGHSt 45, 12. Kritische Besprechung bei Saliger, ZStW 112 (2000), S. 603 ff.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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zieren, indem im Übergehen eines von primär außerökonomischen Zwecksetzungen des Beamtenrechts bestimmten Einstellungshindernisses („persönliche Zuverlässigkeit“) für einen Bewerber, also im „sittlichen Makel“ des Bewerbers, vor dem der einstellende Vermögensinhaber zu schützen sei, ohne Weiteres ein Vermögensschaden gesehen wird (vgl. in diesem Zusammenhang auch das Beispiel der Amtserschleichung, D. II. 4. c) ff)). (cc) Zusammenfassung Einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Instrumentalisierung des Untreuestraftatbestands von Politik und Moral in den Fällen zweckwidriger Verwendung von Haushaltsmitteln muss widersprochen werden, da der Untreuestraftatbestand andernfalls von seiner Kopplungsfunktion zu der den Straftatbestand selbst mitdefinierenden und ihn bestimmenden wirtschaftlichen Rationalität entbunden und einer losgelösten Öffnung, einem transsystemischen Trichter für strafrechtlich nicht „gebändigte“ Rationalitäten ausgesetzt werden würde. Neben der Pflichtwidrigkeit zeigt sich im Rahmen der Entökonomisierung auf der Schadensebene ein zweites Einfallstor zur Transformierung des § 266 StGB zum generalklauselartigen Superdelikt895 (vgl. C. III. 1.). Selbst wenn die Leistungszwecke öffentlicher Verwaltung normativ mitbestimmt werden und eine auf das Allgemeinwohl bezogene Zweckbindung erfahren, die die Spezialität der Amts-, bzw. Haushaltsuntreue ausmacht, entbindet das angesichts der Funktionalität des Vermögensbegriffs nicht von einer ausschließlich ökonomischen Betrachtungsweise im Rahmen der Vermögenswertbestimmung und darauf basierende Schadensbestimmung. Eine politische oder moralische Rechtfertigung von Pflichtverletzungen kann die Untreue im Sinne von § 266 StGB so wenig ausschließen, wie ein ausnahmslos politisch nachteiliger Verstoß sie begründen kann. (4) Zweckwidrige Mittelverwendung als Untreue im Rahmen der wirtschaftlichen Gesamtsaldierung und der Liquidierbarkeitsthese Der wirtschaftlichen Betrachtungsweise entsprechend ist auch in Fällen zweckwidriger Mittelverwendung ein Vergleich der Vermögenslage der eschädigten Körperschaft vor und nach der Untreuehandlung vorzunehmen.896 895

Siehe Saliger, ZStW 112 (2000), S. 607 f. m. w. N. BGH NJW 1975, S. 1235; NStZ 1986, S. 456; siehe auch Fabricius, NStZ 1993, S. 416 ff.; Neye, S. 50 ff.; Brauns, JR 1998, S. 381 f.; Berger, S. 86 f. 896

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

Verwendet ein Leiter einer Gehörlosenschule öffentliche Mittel dadurch zweckwidrig, dass er eine abgelehnte Dienstreise aus der Portokasse finanziert897, so sind im Wege der Gesamtsaldierung also alle Vorteile zu berücksichtigen, bevor von einem Schaden im wirtschaftlichen Sinne gesprochen werden kann (siehe D. II. 5.). Die zweckwidrige Ausgabe kann nur dann ein Schaden sein, wenn eine wirtschaftlich kompensierende Gegenleistung ausbleibt. Das wird angesichts der grundsätzlichen wirtschaftlichen Kompensationslosigkeit staatlicher Ausgaben nicht selten der Fall sein, sieht man von den Konstellationen ab, bei denen die zweckwidrige Ausgabe zur Erfüllung und damit zum Verlust einer anderen Verpflichtung führt (Kompensation durch ersparte unumgängliche Aufwendungen). Gibt es eine rechtliche Verpflichtung des Haushaltgebers, die von dem Vermögensfremden ausgeführte Handlung vorzunehmen, so ist ein Schaden nicht gegeben. Die Gegenleistung bestünde dann in der (öffentlich-rechtlichen) Schuldbefreiung.898 Gleichgelagert kann argumentiert werden, wenn eine nachträgliche Bewilligung der pflichtwidrig vorgenommenen, aber erforderlichen und das Gebot wirtschaftlicher und sparsamer Verwaltung beachtenden, Ausgabe mit Sicherheit zu erwarten ist.899 In allen anderen Fällen aber, in denen keine äquivalente Gegenleistung erfolgt ist – selbst wenn es moralisch geboten erscheint oder unter Umständen sogar gerechtfertigt sein könnte – ein Vermögensschaden zu bejahen. Auch der Liquidierbarkeitsthese (siehe D. II. 3. e)) kommt Bedeutung für die Fälle zu, in denen gleichwohl eine Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung vorliegt, da es sich bei zweckwidrigen staatlichen Ausgaben grundsätzlich weniger um Geldvorteile anstrebende Investitionen oder Einsparungen handelt. Das führt häufig dazu, dass Fälle der Haushaltsuntreue auch im vorliegenden restriktiven Verständnis Veruntreuungen im Sinne des § 266 StGB sind, allerdings mit einer wirtschaftsbezogenen Begründung. Die Ablehnung des Schutzes von politischen Dispositionsbefugnissen führt also im Ergebnis nicht dazu öffentliche Gelder der Beliebigkeit zu übergeben, d.h. von der Untreuestrafbarkeit auszuschließen. Jedoch muss, weil der Vermögensbegriff selbst nicht zur systemischen Disposition steht, eine wirtschaftlich sinnvolle Zweckverfehlung, ebenso wie im nichtöffentlichen Bereich einen Schaden ausschließen können. Es wäre nach Ablehnung des subjektiven Schadenseinschlags, d.h. der Orientierung an Individualinteres897

BGH NStZ 1986, S. 455. Siehe BGHSt 40, 294 f.; NK-Kindhäuser, § 266, Rn. 89. Vgl. auch Bieneck (zur Haushaltsüberziehung), wistra 1998, S. 250. 899 So BGH NStZ 1984, S. 550 m. w. N.; dazu auch Bieneck, wistra 1998, S. 250; Saliger, ZStW 112 (2000), S. 596 f. 898

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sen, nicht widerspruchslos, ein behördliches Individualinteresse anders zu behandeln. Eine Berücksichtigung mit besonderem Einschlag bei der „Haushaltsuntreue“ liefert indes die Liquidierbarkeitsthese, die bei materiellen Zweckwidrigkeiten trotz wirtschaftlicher Äquivalenz gleichwohl zu einer Schadensannahme führen kann. Beispiel: X gibt als behördlicher Haushaltsbetreuer pflichtwidrig einem Kinderheim das Geld, anstatt es den Streitkräften zu überführen. Darin liegt zweifelsohne eine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB nebst Verstoßes gegen das in solchen Fällen greifende Disziplinarrecht. Orientiert man sich am ökonomischen Schadensbegriff, liegt auch ein Vermögensschaden vor, denn eine Staatsausgabe ist ohne adäquaten geldwerten Rückfluss oder Ersparnis immer ein wirtschaftlicher Schaden für den Vermögensinhaber (Staat).

(5) Zusammenfassung Eine Schadensannahme trotz wirtschaftlicher Äquivalenz aufgrund materieller Zweckwidrigkeit ist unbegründet, da sie den Schutz von „Dispositionsfreiheit“ dem Schutz eines wirtschaftlichen Vermögensguts gleichsetzt und eine rechtsdogmatisch unzulässige Vermengung von „Pflichtverletzung“ und „Vermögensschaden“ begeht, indem sie den funktionalen, ökonomisierten Rahmen des Untreuestraftatbestands zum Zwecke einer Ausweitung auf den Schutz kontingenter politischer Gestaltungsmacht sprengt. Die typischen Fälle einer zweckwidrige Mittelverwendung lassen sich jedoch bereits bei konsequenter Anwendung des Gesamtsaldierungsprinzips sowie der normativen Berücksichtigung prinzipieller Liquidierbarkeit als Untreue im Sinne des § 266 StGB darstellen. cc) Zweckmäßigkeit und Ungleichwertigkeit Wird Haushaltsrecht verletzt und dadurch eine zweckerreichende oder -fördernde Vermögensminderung ohne vollen wirtschaftlichen Ausgleich bewirkt, beispielsweise durch Gewährung einer Subvention bei zweckentsprechender Verwendung der Mittel, soll allein deshalb kein Vermögensnachteil im Sinne des § 266 StGB eingetreten sein.900 Da Zweckerwägungen nach der hier vertretenen Auffassung auf der Schadensebene jedoch nicht zu berücksichtigen sind (siehe D. II. 3. f) bb) (3) (b)), kann auch die Zweckkonformität nicht die wirtschaftliche Saldierung prädominieren. Jedoch schließt die Zweckkonformität als Ausdruck des materiellen Interesses des Treugebers die Tathandlung aus (siehe D. II. 3. d) cc)). 900

Dazu Rübenstahl/Wasserburg, NStZ 2004, S. 526 m. w. N.

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Dann kommt es auch nicht mehr darauf an, dass die Zweckkonformität als solche durchaus einen kompensierenden wirtschaftlichen Wert besitzen kann901, was dazu führen könnte, dass es sich in Wirklichkeit um einen Fall der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit handelt. dd) Zweckgemäße Haushaltsüberziehung (BGHSt 43, 293 ff. „Intendantenfall“) (1) Die Anwendung der Kriterien des subjektiven Schadenseinschlags auf Fälle der Haushaltsüberschreitung Trotz zweckentsprechendem Mitteleinsatz und Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung könne, so der BGH im sog. „Intendantenfall“ bei Haushaltsüberschreitungen in der Beeinträchtigung wirtschaftlicher Bewegungsfreiheit ein Vermögensnachteil liegen.902 Das soll in Anwendung der Lehre vom individuellen Schadenseinschlag nach Maßgabe des BGH insbesondere in folgenden Fallkonstellationen gelten: (1) Die Haushaltsüberziehung macht eine gewichtige Kreditaufnahme erforderlich (2) Die Dispositionsfähigkeit des Haushaltsgebers wird in schwerwiegender Weise beeinträchtigt. (3) Die politische Gestaltungsbefugnis des Haushaltsgebers wird durch den Mittelaufwand beschnitten. (2) Kritik Eine Haushaltsüberziehung ist ungeachtet der materiellen Zweckkonformität ein materieller Verstoß gegen haushaltsrechtliche Regelungen und selbst nicht materiell im Interesse des Treugebers, es sei denn, er hat dies ausdrücklich gebilligt. Eine Haushaltsüberziehung steht grundsätzlich innerhalb einer abstrakten Schadenserzeugungslogik, da ihr prinzipiell die marktgemäße Konsequenz einer kompensatorischen Rekapitalisierung inhäriert. 901 Beispielsweise kann die öffentliche Hand im Rahmen der Subventionsvergabe mittelbare wirtschaftlich werthaltige und hinreichend konkretisierte Vorteile bezwecken, etwa Steuern oder Abgaben oder den Wegfall anderer Alimentierung. 902 BGHSt 43, 298 f. unter Verweis auf BGHSt 16, 325 ff.; BGHSt 19, 44 f.; BGH NStZ 1984, S. 550; BGH NStZ 2001, 250 f.; NJW 2003, S. 2179; Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 32, Rn. 12 ff.; Munz, S. 172 ff.; Schünemann, StV 2003, S. 465 f., 470 f.

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Diese geht grundsätzlich mit Aufwand einher und lässt im Allgemeinen einen Schaden erwarten. Selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellt, eine Regelung zur Haushaltsüberziehung sei nur formaler Natur, so wäre das materielle Indiz zu bejahen. Haushaltsüberziehungen sind also grundsätzlich pflichtwidrig im Sinne des § 266 StGB. Auf der Schadensebene gilt nach Aufassung des BGH richtigerweise, dass die bloße Verletzung von Haushaltsrechtsreglungen wie Bestimmungen zur zeitlichen oder sachlichen Bindung von Haushaltsmitteln (also die Dispositionsfreiheit) bzw. bloße Haushaltsüberziehungen bei einem Vermögensdelikt noch keinen Schaden darstellen. Ob ein Vermögensnachteil eingetreten ist, bestimme sich grundsätzlich durch einen an wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientierten Vergleich des gesamten Vermögens.903 So wird zwar einerseits die wirtschaftlich adäquate Berücksichtigung vom kompensierenden Umständen möglich, wie zum Beispiel, dass möglicherweise durch die Haushaltsrechtsverletzung anderweitige Pflichten erfüllt worden sind, deren Wegfall ein Vermögensvorteil darstellt, bzw. ob eine nachträgliche Bewilligung der Überziehung (zum Beispiel zum Zwecke dringender Reparaturen) mit Sicherheit zu erwarten ist904 (siehe schon D. II. 3. f) bb) (4)). Kritikwürdig sind jedoch die Kriterien zur Konkretisierung eines Vermögensnachteils durch Haushaltsüberziehungen trotz wirtschaftlicher Gleichwertigkeit unter Rekurs auf die Lehre vom subjektiven Schadenseinschlag, die an obiger Stelle bereits einer kritischen Betrachtung unterzogen worden ist (siehe D. II. 3. d)). Zunächst soll nach Auffassung in der Literatur das Kriterium einer erforderlichen Kreditaufnahme angesichts des Unmittelbarkeitsprinzips problematisch sein, da es sich lediglich um eine mittelbare Folge handele.905 Dieser Kritikpunkt überzeugt jedoch nicht. Richtig ist, dass Schäden, die von weiterem selbstständigen eigenverantwortlichem Handeln abhängen, lediglich mittelbar und daher nicht zurechenbar sind (dazu unter D. II. 2. a)). Darunter fällt auch der Umstand, dass eine einzelne Person einen Kredit nehmen muss. Wenn aber die öffentliche Hand Verpflichtungen eingegangen ist, die zum Tatvollendungszeitpunkt vorliegen und zu erfüllen sind, ohne dass genügend Mittel dafür zur Verfügung stehen, so ist die Kreditaufnahme eine rechtssystemische Konsequenz, die nurmehr von Einzelpersonen vollzogen, aber nicht bestimmt wird. Unter systemtheoretischem 903 BGHSt 43, 297 f.; Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 32, Rn. 19 ff.; Bieneck, wistra 1998, S. 250 f. 904 Siehe BGH NStZ 1984, S. 549; Bieneck, wistra 1998, S. 250; Wagner, NStZ 2003, S. 543. Die nachträgliche Bewilligung ist wirtschaftsfunktional nichts anderes als eine sichere Vorteilserwartung. 905 Rübenstahl/Wasserburg, NStZ 2004, S. 525; Brauns, JR 1998, S. 383.

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Blickwinkel steht die staatliche Pflicht zur Leistung jenseits der Privatautonomie und außerhalb des zirkulären Tauschmarktes. Dem Verweis auf notwendige Umwidmung oder Kreditaufnahme in Bezug auf die öffentliche Hand ist auch nicht deshalb zu widersprechen, weil die öffentliche Hand gerade ihre Einnahmen durch Steuern erhöhen bzw. umfassende politische Umverteilungs- und Reaktionsmöglichkeiten hat und insoweit nicht äquivalent zu einer Einzelperson oder Unternehmung behandelt werden kann.906 Im Übrigen scheidet, da wirtschaftliche Rationalität nicht durch das Wesen des wirtschaftlichen Akteurs (des Vermögensinhabers) beeinträchtigt wird, eine differenzierte Betrachtung von privatem und öffentlichem Vermögen grundsätzlich – jedenfalls in einem marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystem, in dem der Staat fiskalisch agiert – aus (siehe D. II. 3. f) aa)). Ein wesentlicher Kritikpunkt an den vom BGH für die Fälle der Haushaltsüberziehung aufgestellten Kriterien ist jedoch die Unbestimmtheit. Eine praktische Anwendbarkeit, die dem Gebot der Rechtssicherheit Rechnung trägt, ist zu bezweifeln.907 Als „Rettung“ der Aufrechterhaltung einer von Prinzip der wirtschaftlichen Gesamtsaldierung abhebenden spezifischen Strafbarkeit von Haushaltsüberziehungen bliebe schließlich nur eine Kasuistik908, die das Verallgemeinerbarkeitsdefizit allerdings kaum kompensieren kann. Die vom BGH aufgestellten Kriterien zur Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit sind weder trennscharf voneinander abgrenzbar, noch hinreichend bestimmt (gewichtige Kreditaufnahme; schwerwiegende Beeinträchtigung)909 und eröffnen wirtschaftlich inadäquate Erwägungen. Kritisch zu beurteilen ist in dem Zusammenhang auch die faktische Verlagerung des Schutzgutes „Vermögen“ hin zur Dispositionsfreiheit (ausführlich bei D. II. 3. f) bb) (3) (a)). Es ist im Ergebnis Brauns zuzustimmen, dass sich der Schutz der wirtschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten und Planungskompetenzen bei Haushaltsüberziehungen nicht aus einer Anwendung des § 266 StGB ergeben kann.910

906

Bieneck, wistra 1998, S. 251. Brauns, JR 1998, S. 383; Rübenstahl/Wasserburg, NStZ 2004, S. 525. 908 Siehe zum Beispiel Schünemann, StV 2003, S. 465 f. 909 Saliger, ZStW 112 (2000), S. 599. Kritisch auch Bittmann, NStZ 1998, S. 497 f.; Nix, NJ 1998, S. 326; Rübenstahl/Wasserburg, NStZ 2004, S. 524. 910 Brauns, JR 1998, S. 383 f. 907

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(3) Haushaltsüberziehungen als Untreue im Rahmen der wirtschaftlichen Gesamtsaldierung und der Liquidierbarkeitsthese In der Konsequenz ist auch hier der Weg einer wirtschaftlichen Betrachtung im Sinne der Gesamtsaldierung zu beschreiten, innerhalb deren auch eventuell erforderliche Kreditaufnahmen einzurechnen wären, um Verpflichtungen zu genügen. Eine Strafbarkeit der besonderen Umstände ergibt sich in den meisten Fällen schon aufgrund des Liquidierbarkeitsmangels (siehe D. II. 3. e)), wenn nichtliquidierbare Gegenleistungen erworben werden, ohne dass in der Begründung die ökonomische Perspektive verlassen werden muss. Handelt es sich hingegen um liquidierbare Gegenleistungen, scheidet ein Schaden aus (Kreditaufnahmen wären dann prinzipiell ohnehin nicht vonnöten). Handelt es sich um solche Gegenleistungen, die nach wirtschaftlicher Logik einen Geldvorteil abwerfen, so auch betriebszweckgemäße Ausgaben eines Theaterbetriebs (wie im „Intendantenfall“), so hängt ein Untreueschaden nur von der Gesamtsaldierung ab (siehe D. II. 3. e) dd) (2)). Wird der Kreditaufwand von letztlich zu erwartenden Betriebsgewinnen kompensiert, so scheidet ein Untreueschaden aus. ee) Zusammenfassung Ein „Sonder-Untreuestrafrecht“ in Form der „Haushaltsuntreue“ ist abzulehnen. Politische Gestaltungsbefugnisse und Dispositionsfreiheiten finden aus rechtlichen und funktionalen Gründen keinen Schutz im Rahmen des Vermögensschadens. Durch konsequente Anwendung des Saldierungsprinzips und der normativen Restriktion durch die Liquidierbarkeitsthese lässt sich eine hinreichende Pönalisierung erreichen. 4. Die schadensgleiche Vermögensgefährdung – bedarf ein wirtschaftlicher Schadensbegriff des Instituts des „Gefährdungsschadens“? Die in der Dogmatik des Betrugstatbestands entwickelte Figur einer „schadensgleichen Vermögensgefährdung“ ist nach herrschender Auffassung auch auf die Untreue übertragbar.911 Danach ist ein Nachteil im Sinne einer konkreten und damit schadensgleichen Vermögensgefährdung auch gegeben, wenn bei einem gewagten 911 Lackner/Kühl, § 266, Rn. 17, 17a; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 45; siehe auch Perron, FS-Tiedemann, S. 737 ff.

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Geschäft (z. B. Risikogeschäft) der erhoffte Gewinn zum Dispositionszeitpunkt geringer ist als das aufgebrachte Vermögensopfer oder wenn eine unvertretbar hohe Verlustgefahr besteht, d.h. bei unberührtem Rechtsbestand eine Verringerung des Geldwerts eintritt. Ein Schaden liege im Sinne des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs daher schon bei einer Gefährdung von Vermögensobjekten vor, sofern diese so konkret ist, dass sie wirtschaftlich einem Schaden gleichsteht.912 a) Gefahr einer Konversion des § 266 StGB in ein abstraktes Gefährdungsdelikt (Verdopplung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals) und einer Implementierung der Versuchspönalisierung contra legem Zu Kritik Anlass gebend ist es, die schadensgleiche Gefährdung als eine Gefährdung zu bezeichnen, bei der „mit wirtschaftlichen Nachteilen ernsthaft zu rechnen ist“913 und sie allein schon deswegen analog zu einem Schaden zu behandeln. Logisch kann nämlich eine Vermögensgefährdung als „Vorstufe der eigentlichen Rechtsgutsverletzung“ nicht schon ein vom Gesetzgeber geforderter Vermögensschaden sein.914 Durch die Vorverlagerung der zeitlichen Dimension der Schadensverwirklichung fände nicht nur eine Art. 103 Abs. 2 GG widersprechende Konversion des § 266 StGB als Verletzungs- in ein abstraktes Gefährdungsdelikt statt, sondern als faktische Versuchspönalisierung auch eine Missachtung des gesetzgeberischen Willens, den Versuch einer Untreue nicht unter Strafe zu stellen.915 Dieser Kri912 So schon RGSt 16, 11: „Ob auch eine Vermögensgefährdung eine Beschädigung des Vermögens darstelle, hängt davon ab, ob nach der konkreten Sachlage schon die eingetretene Gefahr des Verlustes, also die Ungewißheit darüber, ob nicht ein Verlust eintreten werde, den Vermögenswert mindert“; RGSt 16, 77; BGH, wistra 1988, S. 26 f.; BGHSt 21, 113; 44, 384; 48, 357; 51, 177; BGH StV 1987, S. 535; BGH wistra 2003, S. 60; LK-Tiedemann, § 263, Rn. 168 ff.; Schönke/ Schröder-Cramer, § 263, Rn. 143 ff.; Schreiber/Beulke, JuS 1977, S. 659. 913 Siehe etwa BGHSt 34, 394 f. 914 Riemann (S. 6 f.) spricht daher nicht von schadensgleicher, sondern schadensdarstellender Vermögensgefährdung. Entsprechend kritisch zur Terminologie auch: Labsch, S. 321; Otto, Struktur des Vermögensschutzes, S. 275; Hefendehl, S. 129 ff.; Arnold, Jura 2005, S. 847 f.; Hassemer, wistra 2009, S. 172; Cramer, S. 120 f. m. w. N.; Fischer, StraFo 2008, S. 270 f. Zur Diskussion um einen Verstoß der Vermögensgefährdung gegen das Analogieverbot aufgrund unzulänglicher terminologischer Abgrenzung Hefendehl, S. 67 ff., 137 f. m. w. N. 915 Saliger, ZStW 112 (2000), S. 565 ff., 581, 585; ders., HRRS 2006, S. 12; MüKoStGB-Dierlamm, § 266, Rn. 195 ff.; ders., NStZ 1997, S. 534 f.; SK-Samson/ Günther, § 266, Rn. 45; Labsch, S. 321; Matt, NJW 2005, S. 390 f.; Mosenheuer, NStZ 2004, S. 179 f.; Hefendehl, S. 67, 163 ff. m. w. N.; Fischer, § 266, Rn. 63a; Günther, FS-Weber, S. 312 f.; Hamm, NJW 2005, S. 1994; siehe auch Beck, S. 134 f.

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tik wird auch in der Untreue-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juni 2010 deutlich Ausdruck verliehen.916 Die Untreuepönalisierung wird in diesen tatbestandsfreien Handlungsraum hineingedehnt, um die anwendungstechnische Konsistenz des Vollendungstatbestands zu erhöhen.917 Es kommt zudem zur Verdopplung des Tatbestandsmerkmals „Pflichtwidrigkeit“ (vgl. schon D. II. 3. f) bb) (3) (a)), wenn pflichtwidrige Gefährdungen als Nachteil interpretiert würden.918 Mit einer derartigen Ausweitung würde § 266 StGB ein Beispiel geben für die kritikwürdige Tendenz des Strafrechts zum „Risikostrafrecht“ als „Strafrecht der Risikogesellschaft“919. Neben der Ausweitung objektiver Merkmale auf die Ebene des Versuchs ist auch zu berücksichtigen, dass eine unzureichende Abgrenzung von Versuch und Vollendung die Tendenz einer Subjektivierung objektiver Tatbestandsmerkmale befördert und damit einen weiteren Nachweis für die Gefahr einer Implementierung einer Versuchspönalisierung in den Vollendungstatbestand § 266 StGB bietet.920 Zuweilen wird nämlich durchaus auf einen Zusammenhang von Pflichtwidrigkeit und Nachteil hingewiesen, der aus der Natur der Untreue folge und einen Einfluss der Verletzung der inneren Bindungen auch auf den Schaden legitimiere.921 So schlägt etwa Hillenkamp vor, auf die Prüfung von Risiken und Exspektanzen zu verzichten, wenn durch die Handlung dem subjektiven Willen des Vermögensinhabers widersprochen wurde (Saldierungsverzicht).922 Dieser Weg käme indes einer Entobjektivierung des Schadensmerkmals gleich und würde sich vom wirtschaftlichen Vermögensbegriff loslösen (vgl. D. II. 3. d)).

916 BVerfG, 2 BvR 2559/08, Beschluss vom 23.6.2010, Absätze 79, 99 ff., 137 ff. 917 Siehe Cramer, S. 126 ff., 172 ff.; Matt/Saliger, S. 220 ff.; Riemann, S. 60. 918 Schünemann, NStZ 2005, S. 475 f.; Saliger, HRRS 2006, S. 14; ders., ZStW 112 (2000), S. 574 ff., 610 f.; ders., Parteiengesetz, S. 30, Fn. 57: sogar Verschleifung von Täterschaft und Tathandlung; Matt, NJW 2005, S. 390. 919 Prittwitz, S. 36, 172 ff.; siehe auch Krüger, NJW 2002, S. 1180. 920 Saliger, ZStW 112 (2000), S. 566 ff., S. 571 ff., 611 f. Saliger exemplifiziert dies kritisch anhand des BGH-Urteils zur GmbH-Untreue (NJW 1997, S. 66 ff.), demzufolge die pflichtverletzende Existenzgefährdung des Vermögens einer Tochter-GmbH im Konzern von der Tendenz eines Gesamtverhaltens i. S. e. „Aushöhlungsabsicht“ abhängig gemacht werden solle (a. a. O., S. 69). 921 Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 777. 922 Hillenkamp, NStZ 1981, S. 166.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

b) Konturierung einer „schadensgleichen Vermögensgefährdung“ aa) Rechtsimmanente Konturierung Cramer bewertet eine Vermögensgefährdung nur dann als Schaden, wenn auch die übrige Rechtsordnung an die Gefährdung rechtliche Konsequenzen in Gestalt von Ersatz- oder Beseitigungsansprüchen knüpft923. Dem ist entgegenzuhalten, dass es dem Vermögensinhabers gleichgültig ist, ob die Konstellation in bereicherungsrechtliche Rückabwicklungsansprüche eingebettet ist oder ein scheinbar intaktes Rechtsverhältnis vorliegt, das lediglich durch eine latente „böse Absicht“ des Treupflichtigen gegenwärtig gestört ist. Ferner hebt eine Orientierung an zivilrechtlichen Regelungen bei schadensgleichen Vermögensgefährdungen – in vor dem Hintergrund des § Art. 103 Abs. 2 GG bedenklicher Weise –, das qualitative Kontinuitätsverhältnis von schadensgleicher Vermögensgefährdung und effektivem Vermögensschaden auf, denn das Kriterium der Kondizierbarkeit findet bei letzterem keine Anwendung.924 bb) Wirtschaftliche Konturierung der Vermögensgefährdung im Sinne eines „quantitativen Minus“ Eine schadensgleiche Vermögensgefährdung ist der Grad an Erwartbarkeit eines endgültigen Schadens, welcher unter wirtschaftlicher Perspektive bereits als Verschlechterung der Vermögenslage zu bewerten und gegenüber dem endgültigen Schadenseintritt lediglich ein quantitatives, nicht aber qualitatives Minus darstellt. Die nachteilsrelevante Vermögensminderung kann also bereits dann vorliegen, wenn ein auf dem Vermögen ruhendes Gefährdungspotential dessen wirtschaftlichen Wert mindert. Schadensgleiche Vermögensgefährdung wie auch „effektiver“ Schaden sind daher beide, wirtschaftlich gesehen, „Erscheinungsformen des einem einheitlichen Maßstab unterliegenden Schadensbegriffs im Sinne einer Wertminderung“.925 In dieser Wertminderung liegt das funktionale Abgrenzungskriterium von Versuch und Vollendung auf der untreuestrafrechtlichen Schadensebene. Qualitativ 923 So schlägt er vor, zur Beschränkung der rein wirtschaftlich verstandenen Vermögensgefährdung, auf das zivilrechtliche Interessenausgleichsrecht zurückzugreifen und eine Strafbarkeit nur bei der Möglichkeit auch eines zivilrechtlichen Interessenausgleichs zu befürworten, siehe Cramer, S. 131 ff. 924 Siehe Hefendehl, S. 78 ff. 925 BGH NJW 2008, S. 2452 m. w. N.; BGHSt 44, 384; BGH wistra 1991, S. 307 f.; Cramer, S. 125; Matt/Saliger, S. 234 ff.; Matt, NJW 2005, S. 390; Lackner/Kühl, § 263, Rn. 40 m. w. N.; Nack, StraFo 2008, S. 278 ff.; Adick, HRRS 2008, S. 463.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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ist der Vermögensschaden nicht in Gefährdung und tatsächliche Einbuße teilbar. So gesehen gibt es bei der Annahme einer schadensgleichen Vermögensgefährdung wirtschaftlich gesehen auch keine „schadensnähere“ Schadensbegründung etwa durch einen der Gefährdung nachgelagerten „endgültigen“ Vermögensverlust mehr.926 Der wirtschaftliche Unwert einer Vermögensgefährdung bemisst sich primär nach wirtschaftlichen Bewertungskriterien, d.h. der Wahrscheinlichkeit des Verlustrisikos.927 Entsprechend trägt auch das Bilanzrecht (siehe D. II. 5. a) aa)) durch besondere Institute wie Abschreibung, Rückstellung sowie Wertberichtigung dem Umstand Rechnung tragt, dass sich nebst völligem Verlust einer Vermögensposition auch ihre Gefährdung faktisch vermögensmindernd und damit schädigend darstellen kann („Bilanz als Zukunftsrechnung“).928 Kritik erfährt diese Sichtweise von Schünemann, wenn dieser darauf hinweist, dass eine schadensgleiche Vermögensgefährdung als künstliche und „endgültige Zäsur“ den „noch ablaufenden und dementsprechend zukunftsoffenen Prozess der Vermögensentwicklung vor dessen Abschluss“ und damit „die im wirtschaftlichen Vermögensbegriff an sich rezipierte Dynamik wirtschaftlicher Prozesse“ ignoriere.929 Diese Kritik verkennt indessen, dass die Operabilität des Rechts an zeitliche Fixierung geknüpft ist, welche sich an der Orientierung am Tatvollendungszeitpunkt zeigt. Damit ist jedoch keineswegs gesagt, dass das Recht die Zukunft gänzlich ausblende. Gerade deshalb nicht, weil es sich ja gerade des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs bedient: dieser ignoriert die zukünftige Entwicklung im Sinne des wirtschaftlich zu Erwartenden nicht, sondern preist sie durch Antizipation in sein gegenwärtiges Werturteil ein (beispielsweise durch Diskontierung). Die wirtschaftliche Wertbemessung einer schadensgleichen Vermögensgefährdung erfolgt also durch die Antizipierung der Effektivierung der Vermögensgefährdung im Rahmen des wirtschaftlichen Erwartbarkeitshorizonts. Entscheidend ist, dass eine ökonomisierte Betrachtung die normative Widersprüchlichkeit von Vermögensschaden und Vermögensgefährdung so aufheben kann, dass der Schadensbegriff keine Relativierung und Ausdehnung erfährt. Eine Vermögensgefährdung ist nämlich nur dann schadensgleich, wenn sie sich derart verdichtet hat, dass sie ökonomisch betrachtet im Rahmen 926 Im Rahmen des Betrugstatbestands mündet diese Verschiebung auf den Gefährdungszeitpunkt in der Aufgabe des Erfüllungsschadenspostens, wenn bereits der Eingehungsschaden diesem gleichwertig ist. Siehe Rotsch, ZIS 2008, S. 4. 927 Siehe Nack, StraFo 2008, S. 280 m. w. N. 928 Hefendehl, S. 166 ff., 272 ff.; ders., in: MüKoStGB, § 263, Rn. 563 ff.; LKTiedemann, § 263, Rn. 172. 929 Schünemann, NStZ 2008, S. 432 f.

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wirtschaftlicher Logik einem Schaden gleichzusetzen ist.930 Man könnte daher Hefendehl folgend, terminologisch korrekter von „schädigender Vermögensgefährdung“ sprechen.931 Im Zuge der Gesamtsaldierung zu berücksichtigen bleiben natürlich kompensatorische Vermögensposten. Eine konkrete Vermögensgefährdung reicht, wie jeder andere Schadensposten auch, für die Schadensannahme erst aus, wenn die Vermögensgefährdung (der Schaden) die Gewinnchancen (die Vorteile) übersteigt. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise einer schadensgleichen Vermögensgefährdung, spiegelbildlich zur vorteilsgleichen Exspektanz (siehe dazu D. II. 5. b) aa)), gewährleistet dogmatische Kohärenz und wird der Vermögensgefährdung als funktionales Äquivalent zur konventionellen effektiven Schädigung gerecht. Dadurch wird auch eine Anwendungsausuferung auf der Schadenseben vermieden, die in einer Pönalisierung lediglich abstrakter Vermögensgefährdungen und damit einer Vorverlagerung der Strafbarkeit in das Versuchsstadium bestehen könnte. Andererseits stellt sich die Frage, weshalb es bei endgültiger Äquivalenz zwischen schadensgleicher Vermögensgefährdung und effektivem Schaden überhaupt noch der Differenzierung bedarf. Eine reine wirtschaftliche Betrachtung nivelliert den qualitativen Unterschied beider Schadensformen gänzlich. Dieser Unterschied wird aber bedeutsam, wenn es um die Anwendung des Unmittelbarkeitsprinzips geht (siehe D. II. 4. b) cc) (3)). Notwendig ist daher eine komplexitätsadäquate Fassung der „schadensgleichen Vermögensgefährdung“, die die hier beschriebenen wirtschaftlichen Anforderungen mit den rechtlichen Anforderungen kompatibel formuliert.

930 Der wirtschaftliche Schadensbegriff in seiner Anwendung auf schadensgleiche Vermögens-gefährdungen ginge soweit, dass er Prozessrisiken trotz Anspruchs auf vollwertige Gegenleistung (zum Beispiel nach Maßgabe der Gutglaubensvorschriften) als Eingehungsschäden wertete (siehe etwa BGH NJW 1953, S. 836; sog. „Makeltheorie“: BGHSt 1, 93; 3, 160; 15 83; zum eventuellen Ansehensverlust in der Umwelt: siehe BGH GA 1956, S. 182). Aus systemfunktionaler Sicht wäre in solchen Fällen eine normative Restriktion anzudenken: Aufgrund der Vermeidung einer Selbstwidersprüchlichkeit des Rechts ist eine Vermögensgefährdung nur dann ein Vermögensschaden, wenn der merkantile Minderwert durch das Verlustrisiko auch bei optimaler Rechtsanwendung und -durchsetzung gegeben wäre. Eine Selbstbeobachtung des Rechts kann Recht und seine Realisierung nicht ökonomisch betrachten. Zudem sanktioniert § 266 StGB wirtschaftlicher Logik zuwiderlaufende Vermögenshandlungen. Die Vermögensgefährdung durch einen ineffizienten Rechtsapparat entspricht dem Verständnis der funktionalen Schutzrichtung des § 266 StGB nicht. 931 Hefendehl, S. 256 ff.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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cc) Funktionale Konturierung einer schadensgleichen Vermögensgefährdung (1) Der (wirtschafts-)systemische Zurechnungszusammenhang Eine schadensgleiche Vermögensgefährdung drückt im Sinne eines dem wirtschaftlichen Schadensbegriff entsprechenden Verständnisses nichts anderes als einen Schadensposten aus, der in sich verrechnet eine Wahrscheinlichkeit seiner eigenen Nichtrealisierung umfasst. Sowohl eine schadensgleiche Vermögensgefährdung als auch ein Schaden im eigentlichen Sinne besitzen einen negativen wirtschaftlichen Wert. Dieser „systemische Zurechnungszusammenhang“ von Vermögensgefährdung und wirtschaftlicher Bewertungslogik entspricht der wirtschaftlichen Interpretation der schadensgleichen Vermögensgefährdung (vgl. D. II. 4. b) bb)). (2) Die intrinsische Kompensationsmöglichkeit und Unbeachtlichkeit des effektiven Schadenseintritts bei einer schadensgleichen Vermögensgefährdung Der wesentlicher Unterschied zwischen schadensgleicher Vermögensgefährdung und effektivem Vermögensschaden besteht aber darin, dass der Schaden im eigentlichen Sinne, also der zum Tatvollendungszeitpunkt an sich „endgültige“ Schadensposten nur eine extrinsische Kompensationsmöglichkeit besitzt. Die schadensgleiche Vermögensgefährdung hingegen geht mit einer intrinsischen Kompensationsmöglichkeit des an sich noch nicht „endgültigen“ Schadens einher. Schadensgleiche Vermögensgefährdung

Nicht-Schaden

Schaden im eigentlichen Sinne

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

Der spätere Nichteintritt des sogenannten „Endschadens“ als Realisierung der immanent verrechneten Kompensationswahrscheinlichkeit ist allerdings nicht tatbestandsrelevant, weil er jenseits des Tatvollendungszeitpunkts liegt und daher lediglich eine „Schadenswiedergutmachung“ (dazu D. II. 5. c)) darstellen kann.932 Das Spezifikum der intrinsischen Kompensationsmöglichkeit bei schadensgleichen Vermögensgefährdungen gewinnt indes Bedeutung, wenn es um die im Folgenden zu erörternde Anwendung des Unmittelbarkeitsprinzips geht. (3) Unmittelbarkeitszusammenhang (personaler Zurechnungszusammenhang) zwischen Vermögensgefährdung und effektiver Realisierung Gerade in den Fällen der schadensgleichen Vermögensgefährdung mangelt es nicht selten an einer hinreichenden Würdigung des Unmittelbarkeitszusammenhangs. Durch ihn werden Fallkonstellationen ausgeschlossen, bei denen der Schadenseintritt noch von weiteren eigenverantwortlichen Handlungen des Täters, des Opfers oder Dritter (Sekundärhandlung) abhängt.933 Riemann spricht insoweit von der „doppelten Unmittelbarkeit“934 auf der Schadensebene der Untreue, die die Vermögensverfügung mit der Vermögensgefährdung (siehe oben D. II. 2. a)) und die Vermögensgefährdung mit dem effektiven Vermögensschaden verknüpft. Aufgrund der intrinsischen Kompensationsmöglichkeit ist der geldwerte Nachteil zum Tatvollendungszeitpunkt noch nicht endgültig. Dies ist für das Recht insoweit problematisch, als es um die Zurechnung dieses atypischen Schadens zum Tatvollendungszeitpunkt geht. Es bedarf daher einer Restriktion durch das Unmittelbarkeitsprinzip, wenn die Entscheidung, ob der intrinsische Vorteil mit der in ihm verrechneten Wahrscheinlichkeit 932

BGH NStZ 2008, S. 458; Nack, StraFo 2008, S. 278. Saliger, NStZ 2007, S. 549; ders., HRRS 2006, S. 13; Matt/Saliger, S. 234 ff. Ein eigenverantwortliches Drittverhalten liegt dann nicht vor, wenn ein Kollegialorgan einen untreueerheblichen Beschluss fasst, der noch von der aufgrund des Beschlusses ergehenden Ausführungshandlung abhängt (zum Beispiel der Vertragsschluss mit dem Vorstand, der aufgrund eines Aufsichtsratsbeschlusses ergeht). Hier ist die Beschlussfassung die Bedingung und Grundlage der tatsächlichen Schadensrealisierung und stellt deshalb bereits eine schadensgleiche Vermögensgefährdung dar, siehe dazu Poseck, S. 148. Die Tatsache, dass das Kollegialorgan (etwa der Aufsichtsrat gem. § 108 AktG) auch ohne die von einem Aufsichtsratsmitglied abgegebene Stimme den Beschluss gefasst hätte, schützt das einzelne Aufsichtsratsmitglied nicht vor seiner untreuestrafrechtlichen Verantwortlichkeit, da das positive Abstimmungsverhalten kausal im Sinne der Mehrfachkausalität (alternative Kausalität) ist, siehe Poseck, S. 144, 157; BGHSt 9, 203; 39, 195. 934 Riemann, S. 121 ff. 933

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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kompensierend, also schadensaufhebend, zur Geltung gelangt oder nicht, von einer weiteren eigenverantwortlichen Handlung abhängt. Ist die Nichtrealisierung der intrinsische Kompensationsmöglichkeit, d.h. das „Endgültigkeitspotential“ von einem Sekundärverhalten abhängig, so kann der Schaden angesichts der durch eigenmächtiges Sekundärverhalten verlorenen Chance, dass der Schaden sich selbst aufhebt, mangels objektiv-personalem Zurechnungszusammenhang nicht zugerechnet werden. Die Verrechnung von Gefahr und Chance zum Tatvollendungszeitpunkt hält nur stand, wenn die Wahrscheinlichkeit der wirtschaftlichen Logik (Systemlogik) anhaftet und nicht durch eigenverantwortliches selbstständiges Sekundärverhalten entdifferenziert wird (Entdifferenzierung des Risikos). Das Recht muss aus wirtschaftlichen Zurechnungen personale Zurechnungen selektieren. Eine rein wirtschaftliche Betrachtung (siehe D. II. 4. b) bb)) würde insoweit mit der Komplexität des Rechts in Form objektiver Zurechnungsregeln kollidieren. Eine Vermögensgefährdung ist nur dann eine konkrete schadensgleiche Vermögensgefährdung, wenn die Gefahr unmittelbar zu einem effektiven Vermögensverlust führen kann, d.h. „wenn sie unmittelbar in den endgültigen Schaden übergehen kann“, also nicht mehr weiterer eigenmächtiger Handlungen des Täters, Opfers oder anderer bedarf, um in eine effektive Vermögensminderung umzuschlagen.935 Der BGH und Teile der Lehre stellen den Unmittelbarkeitszusammenhang darüber hinaus in eine zeitliche Perspektive, wenn sie eine Konkretheit der Vermögensgefährdung dann annehmen, soweit mit dem „alsbaldigen Eintritt eines entsprechenden endgültigen Schadens zu rechnen“ sein muss.936 Diese zeitliche Komponente ist entbehrlich, wenn der wirtschaftliche Negativsaldo nach hier vertretener Definition bereits zum Zeitpunkt der Vermögensgefährdung vorliegt. Dieser Negativsaldo ist Grund der Schadensgleichheit. Wann eine Effektivierung eintritt, ist nicht relevant. Entscheidend ist nur, dass der wirtschaftliche Negativsaldo zum Gefährdungszeitpunkt keinen Schaden im Sinne des § 266 StGB bedeutet, wenn der personale Zurechnungszusammenhang nicht gegeben ist, d.h. die Effektivierung von einer selbstständigen eigenverantwortlichen Handlung gesteuert wird. 935

Siehe Saliger, ZStW 112 (2000), S. 574 ff., 577 ff.; ders.; HRRS 2006, S. 15, 20; ders., Parteiengesetz, S. 127 ff.; Matt/Saliger, S. 235 ff.; Matt, NJW 2005, S. 391; Mosenheuer, NStZ 2004, S. 181. vgl. auch Lenckner, JZ 1971, S. 322; Schönke/Schröder-Cramer, § 263, Rn. 145. Kritisch zum unkonturierten ursprünglichen Verständnis der „konkreten Gefahr“ nur im Sinne einer „ernstlichen“ Erwartung eines wirtschaftlichen Nachteils durch die Rechtsprechung (siehe BGHSt 21, 112 f.), Hefendehl, S. 55. 936 BGHSt 40, 296; Matt/Saliger, S. 236; MüKoStGB-Dierlamm, § 266, Rn. 199.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

(4) Funktionale Definition einer schadensgleichen Vermögensgefährdung Ein Schaden in der Form einer schadensgleichen Vermögensgefährdung liegt vor, wenn ein wirtschaftlicher Negativsaldo vorliegt, welcher eine intrinsische Kompensationsmöglichkeit beinhaltet, und die Endgültigkeit der Schadensentwicklung außerhalb personaler Entscheidbarkeit liegt. dd) Zusammenfassung Ein Schaden in der Form einer schadensgleichen Vermögensgefährdung liegt vor, wenn ein wirtschaftlicher Negativsaldo vorliegt (wirtschaftssystemische Zurechenbarkeit), welcher eine intrinsische Kompensationsmöglichkeit beinhaltet, und die Endgültigkeit der Schadensentwicklung außerhalb personaler Entscheidbarkeit liegt (personale Zurechenbarkeit, Unmittelbarkeitszusammenhang). Es ist also auf zwei Stufen zu prüfen, ob eine Vermögensgefährdung schadensgleich im Sinne des § 266 StGB ist: 1. Zunächst ist zu prüfen, ob die Saldierung aller unmittelbar auf der Pflichtverletzung beruhenden Vor- und Nachteile zu einem negativen wirtschaftlichen Saldo führt und ob die Schadensentwicklung noch unabgeschlossen ist, weil im Saldierungsurteil eine immanente Wahrscheinlichkeit vorliegt, welche eine Effektivierung des Schadens verhindern kann. Eine Vermögensgefährdung, die lediglich eine abstrakte Gefährdung ist, aber nicht als wirtschaftlicher Minderwert auszudrücken ist, kann eine Pflichtverletzung sein, stellt aber mangels systemischer Zurechenbarkeit keine schadensgleiche Vermögensgefährdung dar. Nur entfernte Möglichkeiten des Verlustes eines Vermögensgutes scheiden als schadensgleiche Vermögensgefährdungen aus. 2. Danach ist zu prüfen, ob die Effektivierung des Schadens (und auf der Kehrseite die Realisierung der intrinsischen Kompensationsmöglichkeit) von weiterem personalem Dazutun (d.h. von selbstständiger eigenverantwortlicher Handlung) unabhängig ist. Ohne eine personale Zurechenbarkeit scheidet eine Gleichsetzung von Vermögensgefährdung und Schaden aus rechtlichen Gründen aus. Selbst wenn also ein für die Schadensrealisierung erforderliches eigenverantwortliches Sekundärverhalten derart wahrscheinlich wäre, dass es rein wirtschaftlich betrachtet werthaltig wäre, so bliebe dies doch aufgrund des rechtlich nicht gegebenen Unmittelbarkeitszusammenhangs außer Betracht.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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c) Fallgruppen aa) Risikogeschäfte (1) Wirtschaftlicher Schadensposten mit intrinsischer Kompensationsmöglichkeit Beim bereits wegen eines „außergewöhnlich“ hohen Risikos als pflichtwidrig festgestellten Investierens in Lottoscheine, bei denen mit einer verschwindend geringen Wahrscheinlichkeit ein enormer Gewinn möglich ist, besteht gleichwohl eine Gewinnchance (für die man gezahlt hat) (siehe C. IV. 6. b) bb) (2)). Fraglich ist, wie sich Gewinnchancen bei Risikogeschäften im Allgemeinen auf der Schadensebene auswirken. (a) Maßgeblichkeit des Erwerbs des Risikos (Tatvollendungszeitpunkt) und Unbeachtlichkeit des effektiven Schadenseintritts Maßgeblicher Zeitpunkt der Schadensbestimmung (Tatvollendungszeitpunkt) ist der Vorgang des Austausches von Leistung und Gegenleistung, d.h. der Erwerb von Chance und Risiko (siehe D. II. 1. sowie D. II. 4. c) gg) (1)). Nachträgliche Kompensationen fallen unter unbeachtliche Schadenswiedergutmachungen (dazu genauer D. II. 5. c)). Veranschaulichen lässt sich das an dem Erwerb eines Lottoschein als Verbriefung einer Gewinnchance: der Ausgang der Lottoziehung als Realisierung oder Effektivierung des Risikos beeinträchtigt die Schadensbestimmung nicht mehr. Die Begründung liegt in dem wirtschaftlichen Vorgang selbst, welcher Chancen und Risiken bereits Wert beimisst, die im Rahmen der Gesamtsaldierung sogleich verrechnet werden müssen. Dieser Tatvollendungszeitpunkt entspricht auch der Tatsache, dass der Lottoscheinerwerber nur das Los und nicht den Ziehungsausgang erworben hat, welcher ein reines Zufallsergebnis ist (siehe dazu D. II. 4. b) cc) (3), D. II. 4. c) aa) (2)). Es hinge, wenn man den Schadenseintritt mit dem Schadenseffektivierungszeitpunkt (z. B. der Ziehung der Lottozahlen) gleichsetzte, vom Zufall ab, ob gestraft würde, denn schließlich gäbe es theoretisch Anlageformen, die eine Realisierung der Gewinnchance so weit in die Zukunft beziehen, dass eine Beurteilung gar nicht mehr gangbar wäre. Daher ist die (z. B. von Velten behauptete937) Möglichkeit einer Schadensbestimmung zum Schadenseffektivie937 Velten, NJW 2000, S. 2855 f.: ein positiver Ziehungsausgang beim Lotto führe entsprechend zur Annahme eines strafloses Versuchs.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

rungszeitpunkt abzulehnen. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Erwerbs von Risiko und Chance. (b) Wirtschaftlicher Differenzschaden Grundsätzlich müsste auf den Gegenwert der erworbenen Gewinnchance abzustellen sein, wie er am Markt bezahlt werden würde. Danach ergäbe sich bei geringer Gewinn-Wahrscheinlichkeit, aber wegen eines hohen Erwartungswertes (wahrscheinliche Gewinnhöhe) möglicherweise eine wirtschaftlich äquivalente Chance und damit kein Differenzschaden938 (vgl. C. IV. 6. b) bb) (2)). Die Reliquidierbarkeit wäre fernerhin, weil es sich um Chancen auf Geldvorteile handelt, prinzipiell gegeben (siehe D. II. 3. e) dd) (2)). Nur bei den Risikogeschäften, bei denen von vornherein die Gewinnchance (Erwartungswert) geringer ist als das eingesetzte Kapital, bestünde ein Differenzschaden. Beim Lottospielen wäre das durchaus der Fall. Der Differenzschaden beim Lottoscheinerwerb ergibt sich daraus, dass der Erwartungswert beim Lotto immer geringer ist als der Einsatz, da die Lotteriegesellschaften ihre Verwaltungsgebühren immer aus dem Topf der einbezahlten Beträge abziehen und weniger verteilt werden kann als eingezahlt wurde. Deshalb ist auch die Sichtweise unbegründet, der Erwerb eines Lottoscheins erfolge immer zum Marktpreis, sodass ein Differenzschaden grundsätzlich ausscheide939. Wer pflichtwidrig Lotto spielt, führt daher zwangsläufig einen wirtschaftlichen Negativsaldo herbei. Anders ist es aber bei Risikogeschäften, bei denen der Erwartungswert dem Kapitaleinsatz deshalb entspricht oder diesen gar übersteigt, weil es eine extraorbitante Gewinnsituation zu einer verschwindend geringen Wahrscheinlichkeit gibt. In so einem Fall würde die Anwendung der Differenzhypothese einen wirtschaftlichen Negativsaldo nicht erkennen lassen, obschon es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem Totalverlust des Vermögens kommen würde. Es muss aufgrund des Gesagten darauf ankommen, dass in sehr vielen Fällen der Erwerb der Chance trotz denkbarer Gegenleistungsäquivalenz den Zweck der Gewinnerzeugung mangels Realisierbarkeit der Chance verfehlen wird.940

938 Siehe Wassmer, S. 1329 ff.; Müller-Gugenberger/Bieneck-Nack, § 66, Rn. 105 ff.; Schünemann, Ogranuntreue, S. 35. 939 Wassmer, S. 138 m. w. N. Zweifelhaft wäre auch schon, dass es überhaupt einen „Markt“ für Lottscheine gibt. 940 Siehe Velten, NJW 2000, S. 2855 f.; Wassmer, S. 145: „Die Rentabilität einer Maßnahme sagt nichts über deren Verlustrisiko aus, Risiko und Rentabilität korrespondieren nicht“.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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(c) Funktionale Begründung der Orientierung am wirtschaftlichen „Risikoschaden“ Ist zwar der Erwartungswert der Chance objektiv die Leistung wert, geht dies jedoch mit einer hohen Verlustwahrscheinlichkeit einher, so wird in Abgrenzung vom Differenzschaden unter Zugrundelegung auch von Risikoschaden gesprochen.941 Auf der Pflichtwidrigkeitsebene ist die Orientierung an dem Maßstab der Gewinn-Wahrscheinlichkeit statt an dem Erwartungswert mit einem normativen Vermögenserhaltungsgrundsatz zu begründen, der aus dem funktionalen Kriterium für untreueerhebliche Pflichtverletzungen folgt (siehe schon C. IV. 6. b) bb) (2)). Fraglich ist, wie die Einbindung des Vermögenserhaltungsgrundatzes auf der Schadensebene gerechtfertigt werden könnte. Zur Begründung wird zuweilen auf das Institut des subjektiven Schadenseinschlags zurückgegriffen.942 Ein solcher Rückgriff ist indes entbehrlich, weil die Annahme eines „Risikoschadens“ schon im ökonomischen Sinnzusammenhang mit der Geldwertorientierung steht. Analog zu den Ausführungen zur Liquidierbarkeit (vgl. D. II. 3. e) cc)) birgt nämlich eine geldwerte Gegenleistung in Form eines zu erwartenden Gewinns nur dann einen ungeminderten Wert ihres Geldwertes, wenn die erkaufte Realisierbarkeit nicht prinzipiell unwahrscheinlich ist. Der Wert des Geldwertes des (pflichtwidrig) Erworbenen in Form eines zu erwartenden Durchschnittsgewinns ist von dem Realisierungsgrad des Geschäfts abhängig, d.h. variiert mit der Realisierbarkeit. Ist der Verlust des mit der Gegenleistung in Form des zu erwartenden Durchschnittsgewinns äquivalent Geleisteten (des Einsatzes) wahrscheinlich, so ist der Wert des äquivalenten Geldwertes des Erworbenen gegenüber einer wahrscheinlichen Realisierung des „Erwartungswertes“ gemindert.

941 Dazu BGH wistra 1982, S. 148; Wassmer, S. 134 ff., 144 ff. m. w. N.; vgl. Schreiber/Beulke, JuS 1977, S. 659 f.; Müller-Gugenberger/Bieneck-Nack, § 66, Rn. 114. Problematisch an dem Verständnis des Risikoschadens von Wassmer ist, dass eine Verletzung der zulässigen Risikopolitik bei Risikogeschäften generell zur Unbrauchbarkeit und damit zu einem Schaden führen solle, ohne dass es auf die Rentabilität ankäme, a. a. O., S. 145 f. Dies ist vor dem Hintergrund einer zu vermeidenden Verschleifung von Pflichtwidrigkeit und Vermögensschaden zu kritisieren. Untreue ist kein Delikt gegen die Dispositionsfreiheit (siehe schon Abschnitt D. II. 3. d); kritisch dazu auch Schünemann, Organuntreue, S. 35 f.). Vorliegend wird Risikoschaden also nicht als Ausdruck verfehlter Risikopolitik, sondern dahingehend verstanden, dass die Verlustwahrscheinlichkeit höher ist als die Gewinnwahrscheinlichkeit. 942 Siehe BGHSt 16, 325 f.; Wassmer, S. 135 ff. m. w. N.; Schünemann, Organuntreue, S. 35 f. m. w. N.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

Damit werden auch die praktisch vorhandenen Fälle berücksichtigt, bei denen eine exakte Wahrscheinlichkeit nicht genau bestimmt werden kann.943 Dies entspricht auch einem entwicklungsoffenen und wagnisabhängigen Wirtschaftssystem. Wirtschaftsakteure leben ja, besonders im innovativen oder Finanzmarktsektor, wie im vorausgehenden Abschnitt angesprochen (C. IV. 6. a)), von Lerneffekten („Unternehmen als Lernsystem“), die wie die Wissenschaft auch in bestimmten Bereichen der Fortentwicklung und Optimierung nach dem Grundsatz des „trial and error“ verfahren und zur Selbststabilisierung auch verfahren müssen. Handelt es sich also um Grauzonen, in denen Gewinnchancen generiert werden, deren Realisierung nicht als unwahrscheinlich beschrieben werden kann, so kann im Zweifel, schon aus dem Rechtsgrund „in dubio pro reo“, kein wirtschaftlicher Negativsaldo in Form eines „Risikoschadens“ angenommen werden.944 Die wirtschaftliche Vermögensminderung bei Risikogeschäften ist – zusammenfassend gesagt – bereits und nur dann zu bejahen, wenn keine hohe Wahrscheinlichkeit einer Gewinnaussicht besteht. Analog zu den Ausführungen zur Liquidierbarkeit birgt eine geldwerte Gegenleistung in Form eines zu erwartenden Gewinns nur dann einen ungeminderten Wert ihres Geldwertes, wenn die erkaufte Realisierbarkeit nicht prinzipiell unwahrscheinlich ist. (2) Unmittelbarkeitszusammenhang Hängt der endgültige Schadenseintritt grundsätzlich vom Risiko als einem von selbstständigem Sekundärverhalten unabhängigem Zufall ab, entspricht das insoweit den Anforderungen des Unmittelbarkeitsgrundsatzes. (3) Zusammenfassung Bei Risikogeschäften ist eine schadensgleiche Vermögensgefährdung einerseits dann gegeben, wenn der Erwartungswert des Risikogeschäfts offensichtlich geringer ist als der Einsatz, d.h. wenn die Chance (Gegenleistung) schon ihren Einsatz nicht wert ist (Differenzschaden) und die Realisierung oder Nichtrealisierung der intrinsischen Kompensationsmöglichkeit von 943 Vgl. RGSt 71, 334; BGHSt 19, 42; Schreiber/Beulke, JuS 1977, S. 660; Schünemann, NStZ 2008, S. 432; Schmitt, ZIP 2004, S. 110. Vgl. auch schon in Abschnitt C. IV. 6. b) bb) (2). 944 Andererseits kann es auf die Mängel bei der Quantifizierung der konkreten Verlustwahrscheinlichkeit es insoweit nicht ankommen, als die Quantifizierung zumindest das Überwiegen eines Nachteils mit Sicherheit feststellen lässt, vgl. aber Fischer, StraFo 2008, S. 274.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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weiterem personalen Verhalten unabhängig ist. Das pflichtwidrige Investieren von betreutem Vermögen in staatliches Lotto ist eine schadensgleiche Vermögensgefährdung, weil insbesondere wegen der Glückspielsteuern die Einnahmen nicht wieder vollständig ausgeschüttet werden und darum der Erwartungswert immer kleiner als der Einsatz ist. Eine schadensgleiche Vermögensgefährdung liegt im Falle eines Risikogeschäfts trotz über dem Einsatz liegenden Erwartungswerts andererseits auch dann vor, wenn ein Verlustgeschäft wahrscheinlicher als ein Gewinngeschäft ist. Analog zu den Ausführungen zur Liquidierbarkeit birgt eine geldwerte Gegenleistung in Form eines zu erwartenden Gewinns nur dann einen ungeminderten Wert ihres Geldwertes, wenn die erkaufte Realisierbarkeit nicht prinzipiell unwahrscheinlich ist. Besteht kein quantifizierbarer Nachweis einer Verlustwahrscheinlichkeit, so kann aufgrund des Grundsatzes „in dubio pro reo“ und vor dem Hintergrund verfassungsrechtlich gebotener Bestimmtheit kein Schaden angenommen werden. bb) Entzug von Dispositionsmacht durch Unterhalten „Schwarzer Kassen“ („Siemens-Fall“) Wenn man nicht schon die Möglichkeit einer schadensgleichen Vermögensgefährdung aufgrund eines durch die Absonderung gelockerten und damit einer Gefährdung ausgesetzten Zusammenhalts des Gesamtvermögens für gegeben ansieht945, so entziehe, wie im „Siemens-Fall“ bzw. auch im „Kohl-Fall“, die Absonderung von Vermögensteilen in „Sonderkassen“ dem Vermögensinhaber jedenfalls die (ökonomische) Dispositions- und Kontrollmöglichkeit über sein Vermögen und begründe eine schadensgleiche Vermögensgefährdung.946 Der BGH geht in seinem Revisionsurteil zur „Siemens-Affäre“ vom 29.08.2008 noch weiter, wenn er in dem Führen „schwarzer Kassen“, durch die der Vermögensinhaber auf die verborgenen Vermögenswerte keinen Zugriff nehmen kann, schon an sich einen endgültigen, d.h. „effektiven Vermögensschaden“ erkennt.947 Die durch den BGH 945

So RGSt 71, 157. LG Darmstadt, Az. 712 Js 5213/04 – KLs, Urteil vom 14. Mai 2007, Urteilstext (juris), Rn. 152; siehe zum „Fall Kohl“: LG Bonn, NStZ 2001, S. 377; BGH NJW 2007, S. 1763 f. Entsprechernd bereits RG DR 1943, S. 1039; RGSt 71, 155 ff. 947 BGH NJW 2009, S. 91 f. Im Wesentlichen zustimmend Ransiek, NJW 2009, S. 95 f. Vergleiche auch BGH, StraFo 2008, S. 304: Verwendet der Vermögensbetreuer anvertraute Gelder kompensationslos zweckwidrig, indem er das Geld von dem Treuhandkonto abhebt und für sich verbraucht, so liege in dem Entzug der Kontrolle des Vermögensinhabers über das ihm wirtschaftlich zustehende Vermögen ein Vermögensschaden. Diese Sichtweise ist zutreffend, insbesondere weil sich – im 946

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

vorgenommene Bezifferung des Schadens auf die volle Summe der auf der schwarzen Kasse belassenen Gelder sei laut jüngster Untreueentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juni 2010, „wirtschaftlich nachvollziehbar“.948 Die Sichtweisen der Rechtsprechung sind kritisch zu beleuchten. Zunächst ist zu fragen, inwieweit durch die Absonderung von Vermögenswerten ein wirtschaftlicher Schadensposten begründet wird und die Effektivierung noch offen ist. Schließlich ist, wenn sich das Unterhalten „schwarzer Kassen“ als schadensgleiche Vermögensgefährdung darstellen sollte, zu ergründen, ob insoweit dem Unmittelbarkeitsgrundsatz genügt wird. (1) Wirtschaftliche Bewertung „schwarzer Kassen“ (a) Keine automatische wirtschaftliche Negativbewertung „schwarzer Kassen“ aufgrund entzogener Dispositionsmacht Sowohl das LG Darmstadt wie auch der BGH nehmen eine verwendungszweckunabhängige Deutung der „schwarzen Kassen“ vor und übersehen damit auch die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten „schwarzer Kassen“ und ihre wirtschaftliche Funktionen. So beispielsweise die denkbare ökonomisch sinnvolle Bedeutung einer Sonderkasse als Dispositionsfonds. Ein „Dispositionsfonds“ dient dem beschleunigten, unbürokratischen Vollzug von geschäftlichen oder behördlichen Aufgaben. Damit kann er, entgegen dem generalisierten Vorwurf, die Dispositionsfähigkeit des Vermögensinhabers gerade erhöhen und einer für die wirtschaftliche oder behördliche Entscheidungspolitik nötigen Spontaneität von Geldströmen gerecht werden. Die ökonomische Bedeutung einer schwarzen Kasse kann also in der Sicherstellung des Erhalts des Vermögens liegen.949 Das Landgericht schließt, ungeachtet der wirtschaftlichen Bedeutung einer „schwarzen Kasse“, aus der Möglichkeit der Mittelverwendung nach individuellem Gutdünken des Vermögensbetreuers auf eine schadensgleiche Vermögensgefährdung, insbesondere weil die Geheimkasse keiner faktisch Gegensatz zu BGH NJW 2009, S. 91 f. – der Kontrollentzug durch den Selbstverbrauch endgültig manifestiert hat. 948 BVerfG, 2 BvR 2559/08, Beschluss vom 23.6.2010, Absätze 124 f.; Entscheidung abrufbar unter http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20100623_2bvr255908. html. 949 Dazu Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 69 mit Verweis auf Fischer, § 266, Rn. 46; Saliger, NStZ 2007, S. 547; ders., Parteiengesetz, S. 397 f.; Sax, JZ 1977, S. 749; Matt, NJW 2005, S. 391. Zu den verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten von Dispositionsfonds Weimann, S. 2 ff.

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wirksamen Zweckbindung unterlag.950 Für gänzlich unerheblich hält dementsprechend der BGH die „Absicht, die Geldmittel [. . .] im Interesse der Treugeberin einzusetzen, insbesondere um durch verdeckte Bestechungszahlungen Aufträge für sie zu akquirieren und ihr so mittelbar zu einem Vermögensgewinn zu verhelfen“.951 Der Verlust der Dispositionsbefugnis zum Zwecke der Vermögensbetreuung als solcher begründet allerdings noch keinen Vermögensschaden, so wie es auch an sich eine unkontrollierte Einwirkungsmacht des Vermögensbetreuers nicht tut.952 Rönnau sowie Saliger/Gaede monieren daher, dass in dem Verweis auf die Entziehung von Kontroll- und Dispositionsmöglichkeiten allein ein für eine am Erfolgsunwert orientierte Schadensannahme unzulänglicher „Handlungsunwert“ zum Zuge kommt und in eine Vermengung der gesetzlich getrennten Tatbestandsmerkmale der Pflichtverletzung und des Vermögensschadens mündet953 (vgl. auch D. II. 3. f) bb) (3) (a)). Eine solche Sanktionierung einer „abstrakten Vermögensgefahr“ als schadensgleiche Vermögensgefährdung (LG Darmstadt) und erst Recht als endgültigem Vermögensschaden (BGH) bedeutet vielmehr noch, dass offensichtlich schon aus dem Charakteristikum einer untreueerheblichen Pflichtenstellung schlechthin, nämlich dem Verlust der Kontroll- und Dispositionsbefugnis („Abtretung von Privatautonomie“; siehe C. III. 2. c)) ein Schaden gefolgert wird. D.h. gerade in Fällen der Einräumung von Ermessen für die Vermögensbetreuer, etwa wie leitende Mitarbeiter, kann nicht mit dem Hinweis auf die dem Vermögensbetreuer übertragene Dispositionsfreiheit, „die nach der eigenen Einschätzung des wahrscheinlich Besten für das Unternehmen wahrzunehmen ist“ und nicht zwingend eine konkrete Kenntnis des Ge950

Dazu Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 69. BGH NJW 2009, S. 92. Die Schadensfeststellung gelte „namentlich dann“, wenn der Vorteil nur durch einen „gesetz- oder sittenwidrigen und gegebenenfalls strafbaren Einsatz der Mittel erzielt werden könnte“ (a. a. O.) Eine solche normative Selektion auf der Schadensebene ist zu kritisieren (siehe Abschnitt D. I. 4.). Zudem kann der BGH im Grunde zu einer solchen Selektion (Rechtswidrigkeit oder Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Maßnahme) ohne Weiteres gar nicht gelangen, wenn er die Absicht des Mitteleinsatz für belanglos hält (a. a. O.). 952 So aber BGHSt 51, 113 ff. und Schünemann (NStZ 2008, S. 433), die den Gefährdungsschaden mit der „Aufhebung der tatsächlichen Möglichkeit des Vermögensinhabers, den Eintritt eines endgültigen Vermögensverlustes zu vermeiden“ begründen. Sinnvoller wäre es daher in der Definition den Kontrollentzug gegenüber einer bloßen Unkontrolliertheit hervorzuheben. Dies würde auch der Orientierung an der Mittelverwendungsabsicht bei schwarzen Kassen, der sich auch Schünemann (NStZ 2008, S. 433) anschließt, entsprechen. 953 Rönnau, FS-Tiedemann, S. 734; Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 71 m. w. N.; Saliger, NStZ 2007, S. 547. Siehe aber auch Hefendehl, S. 291 f. 951

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

schäftsherrn über jeden finanziellen Vorgang voraussetzt, eine schadensgleiche, wirtschaftlich schon zu einer Minderbewertung führende Vermögensgefährdung und erst recht nicht ein effektiver Schaden begründet werden. Vielmehr ergibt sich ein Vermögensschaden erst, wenn das Vermögensgut aus dem Vermögensbestand des Treugebers endgültig herausgelöst ist.954 Aus der Möglichkeit zur Schädigung (Schädigungspotential) kann also nicht auf eine Gefährdung geschlossen werden, weil sonst jedes Vermögensbetreuungsverhältnis einen Untreueverdacht aufwürfe. Die vom BGH vorgebrachte Auffassung, eine Einschränkung der Dispositionsfreiheit könne einen Vermögensschaden begründen bleibt unbegründet, wenn er lediglich darauf abstellt, dass die „Disposition über das Vermögen [. . .] zum Kern der von § 266 StGB geschützten Rechtsposition“ gehört.955 Diese Ansicht widerspricht der an obiger Stelle vorgenommenen funktionalen Interpretation sowohl der Pflichtverletzung als materiell vermögensbezogene Pflichwidrigkeit als auch des Vermögensschadens als faktisch-wirtschaftliche Kategorie (siehe C. IV. 2. d), D. II. 1.). Abgesehen davon, dass durch den Entzug der Dispositionsmacht an sich noch kein wirtschaftlicher Negativsaldo begründet werden kann, ist noch unverständlicher, weshalb ein durch die Rechtsprechung angenommener Schaden durch das Unterhalten „schwarzer Kassen“ laut Auffassung des BGH dann auch noch endgültig sein solle. Richtig ist zwar, wie der BGH vorträgt, dass Pflichtverletzung und Vermögensschaden simultan zusammenfallen können: Allerdings gilt das nach der hier vertretenen funktionalen Betrachtungsweise nur insoweit, als der Schaden ausnahmsweise die Pflichtverletzung markiert, d.h. tatsächlich die Schädigung vorliegt (siehe C. IV. 2. d) cc) (3)). Nicht aber kann das Zusammenfallen bedeuten, dass ohne Weiteres die Pflichtverletzung als Schaden ausgelegt wird. Der Hinweis, dass ein Schaden bei endgültigem Mittelentzug vorliege, ist zwar zutreffend, gewinnt jedoch gerade im Rahmen von Einrichtungen und Nutzungen „schwarzer Kassen“ deshalb nicht an Überzeugungskraft, weil sich durch die Umschichtung von Kapital auf Sonderkonten zum Zwecke der Vorteilserlangung die Endgültigkeit des Entzugs, im Gegensatz zum 954 Siehe Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 71 m. w. N.; Satzger, NStZ 2009, S. 303; Louis, S. 138 ff.; Schönke-Schröder-Perron, § 266, Rn. 45. Wird der Kontrollenzug des Vermögens zum schadensbildenden Element, so wird, was kritisch anzumerken ist, ein Kompensation überdies strukturell erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht, weil der Entzug jeder Maßnahme, die mit dem Vermögen einen Vortzeil erzielen ließe, vorausgeht. Wirtschaftlich sinnvolle Vorhaben blieben als allenfalls vage mittelbare Chancen unberücksichtigt (vgl. im Ergebnis auch BGH NJW 2009, S. 92). 955 BGH NJW 2009, S. 92.

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Selbstverbrauch, noch nicht hinreichend, zumindest nicht grundsätzlich, manifestiert hat. (b) Wirtschaftliche Bewertung anhand des Verwendungszwecks Dargestellt wurde im vorausgehenden Abschnitt, dass „schwarze Kassen“ nicht an sich wirtschaftlich nachteilig sind, sondern sogar vorteilhaft sein können. Offen blieb die Frage nach einem Kriterium, um die Absonderung von Vermögensteilen in Sonderkassen wirtschaftlich bewerten zu können. Es wird – entgegen des vom BGH für möglich Gehaltenen956 – insbesondere von Rönnau und Saliger der Vorschlag unterbreitet die Konkretheit der Vermögensgefährdung bei Sonderkassen an der materiellen Zweckkonformität der Mittelverwendungsabsicht des Schwarzekassenverwalters festzumachen.957 Die Einbeziehung der Motive und Zwecksetzungen können grundsätzlich ein wirtschaftliches Urteil darüber gewährleisten, inwieweit man von einem schädigenden Herauslösen eines Vermögenswertes aus dem Vermögensbestand des Treugebers sprechen kann. Beachtlich dabei ist jedoch, dass Grenze zu unzulässiger Subjektivierung des objektiven Tatbestands überschritten würde, wenn pauschal „gute Absichten“ oder „gute Zwecke“ als ausschlaggebenden Kriterien fungierten.958 Eine isolierte Mittelverwendungsabsicht ist als solche nämlich willkürbehaftet und kontingent und spricht mangels Rationalisierbarkeit von „AbsichtsZufällen“ im Rahmen wirtschaftlicher Gesamtbetrachtung grundsätzlich einen Schaden widerlegen zu können. Allerdings muss eingeräumt werden, dass eine Mittelverwendungsabsicht grundsätzlich nicht ohne objektivierbare, wirtschaftlich nachvollziehbare Gründe existiert, die eine „materielle Zweckkonformität“ belegen und einen relativen Kontrollverlust des Vermögensinhabers (wirtschaftlich) rechtfertigen können.959 Die Berücksichtigung der Mittelverwendungsabsicht mit ihrer materiellen Zwecklogik umgeht den Subjektivierungsvorwurf. Phänomenologisch kann sich eine gewinnorientierte Mittelverwendungsabsicht im materiellen Interesse des Treugebers beispielsweise in einer zu956

BGH NJW 2009, S. 92. Rönnau, FS-Tiedemann, S. 729 ff.; Saliger/Geade, HRRS 2008, S. 70; Saliger, NStZ 2007, S. 547 f.; Satzger, NStZ 2009, S. 303 f.; Weimann, S. 123 ff.; Matt, NJW 2005, S. 391; Neye, S. 74 f.; MüKoStGB-Dierlamm, § 266, Rn. 212; LK-Schünemann, § 266, Rn. 148. 958 Siehe Fischer, § 266, Rn. 46; Saliger, ZStW 112 (2000), S. 566 ff. 959 Siehe dazu auch Rönnau, FS-Tiedemann, S. 731 ff.; Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 70 f.; Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 40, Rn. 5. 957

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

rechenbaren Kontrollaufgabe durch den Geschäftsherrn zugunsten einer Etablierung teiltransparanter Schattenkassen-Systeme960 oder in einer tradierten, erfolgreichen Praxis sowie in hinsichtlich die „schwarze Kasse“ objektiv-wirtschaftlich nachvollziehbaren Intentionen, die sich eventuell aus konkret geplanten Korruptionsgeschäften ergeben (systemisch-logisches Prozessziel), manifestieren. So kann man aus der tradierten Bestechungspolitik auf Auslandsmärkten zur Markterschließung (siehe auch D. II. 5. c) cc) (2)) durchaus materielle Gesichtspunkte der Zweckkonformität der Mittelverwendungsabsicht erkennen.961 Das Gleiche gilt für schwarze Kassen, die für die Entlohnung von Schwarzarbeit genutzt werden.962 Will der Vermögensbetreuer Vermögenswerte unter Umgehung der zuständigen Organe für Zwecke einsetzen, welche er selbst als förderungswürdig ansieht, so kann eine „schwarze Kasse“, besonders im Wirtschaftsleben, trotz Missachtung von Dispositionsbefugnissen unter besonderen Umständen durchaus der Sicherstellung des Erhalts oder Zuwachses des Vermögens verschrieben sein und damit nicht ein Kontrollentzug im Sinne wirtschaftlicher Rationalität bedeuten, wie er etwa durch einen Selbstverbrauch durch den Treupflichtigen vorliegt. Fallgruppen, bei denen es an einer Manifestation der Treue-Absicht bezüglich des Treugeberinteresses mangelt, sind beispielsweise die über die bloße Beeinträchtigung der Dispositionsbefugnis hinausgehende Einrichtung einer sogenannten „ewigen Kasse“ oder auch der Entzug des nahezu gesamten Treugebervermögens.963 In solchen Fällen handelt es sich, vergleichbar zum Selbstverbrauch des Vermögens durch den Treupflichtigen, möglicherweise auch schon um einen „effektiven“ Vermögensschaden. Die Berücksichtigung der Mittelverwendungsabsicht als, wie Rönnau formuliert, „objektiver Entlastungsfaktor“ stellt sich als interpretative Methode eines komplexen wirtschaftlichen Geschehens dar. Methodisch wird dabei keine Subjektivierung zugelassen, sondern intendierbarer wirtschaftlicher Sinn als Faktizität anerkannt. Schließlich ist diese Vorgehensweise nichts anderes als ein dezidierter Vollzug einer Gesamtsaldierung, die Auskunft über die Vor- und Nachteilsposten als Kategorien wirtschaftlichen Handelns gibt. Einem dem Entzug von Dispositionsfreiheit in welcher Höhe auch immer anhaftenden wirtschaftlichen Verlust, der sich aus der abstrakten Gefährdung möglicherweise auch quantitativ ableiten ließe,964 werden reale wert960

Siehe Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 71. Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 70 f.; Matt, NJW 2005, S. 391; Beck, S. 198; siehe in diesem Sinne auch Schünemann, NStZ 2008, S. 433 f.; Park-Zieschang, Teil 3, Kapitel 2, T1 § 266, Rn. 76. 962 Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 40, Rn. 5. 963 So Saliger, NStZ 2007, S. 548. 961

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haltige Vorteile im Sinne von sinnhaften Aussichten („Zweckverwendungen“) entgegengesetzt. Dabei wird jedoch nicht schon die (noch nicht zum Tatvollendungszeitpunkt stattfindende) konkrete Zweckverwendung verrechnet, sondern die Chance, die sich unter Rückgriff auf den sinnhaften wirtschaftlichen telos (Zweckverwendungsabsicht) manifestiert. Kommt man – wie die Rechtsprechung – in einem konkreten Fall gleichwohl zu dem Ergebnis eines wirtschaftlichen Minderwerts des in einer „schwarzen Kasse“ geführten Vermögens, muss – was die Rechtsprechung nicht hinreichend tat – überdies berücksichtigt werden, dass im Gegensatz zum Selbstverbrauch durch den Treupflichtigen, das Vermögen noch nicht endgültig verloren ist, sondern möglicherweise noch Kompensationschancen vorliegen. Es ist daher zu Recht zu bezweifeln, dass, wie es die Rechtsprechung im Siemens-Korruptionsfall tut, schon im „Halten der schwarzen Kasse“, die unternehmensintern tradiert und implementiert war und für Auslandsbestechungen fungierte, ohne weitergehende Erwägungen ein endgültiger Schaden erkannt werden kann. (2) Unmittelbarkeit der Schadensrealisierung Soweit man im konkreten Fall im Halten einer „schwarzen Kasse“ eine wirtschaftlich nachteilige Vermögensgefährdung erblickt, muss jedoch zudem berücksichtigt werden, dass möglicherweise eine Schadensgleichheit deshalb zu verneinen ist, weil es im Übrigen noch weiterer Handlungen zur Schadensrealisierung bedarf und es sonach an der Unmittelbarkeit mangeln kann.965 (3) Unmittelbarkeit von schadensgleicher Vermögensgefährdung und Pflichtverletzung Bejaht man schließlich eine schadensgleiche Vermögensgefährdung durch das Halten einer „schwarzen Kasse“, so müsste überdies ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Gefährdungsschaden nach964

Vgl. Rönnau (FS-Tiedemann, S. 734 f.), der diesen Minderwert aus der Unkenntnis des Ob und Wo des „schwarze Kasse“-Geldes ableitet. Ablehnend Weimann (S. 104 f.), der die Ebene der Kenntnis für unbeachtlich hält. Zuzustimmen ist einer rein objektiven Schadensbestimmung (siehe Abschnitt D. II. 3. a)). Dies schließt allerdings nicht aus, dass sich aus der Verschleierung des Vermögens, resp. der Zugriffsbarrieren, im Einzelfall ein objektiver wirtschaftlicher Wertverlust begründen lässt. 965 Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 70; Matt, NJW 2005, S. 391; Vrzal, S. 77.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

gewiesen werden. Gerade ein solcher Nachweis scheint beispielsweise im „Siemens-Fall“ fraglich. Die Entscheidung des BGH im „Siemens-Fall“ ist nämlich insoweit kritikwürdig, als sie einen solchen unmittelbaren Zusammenhang von Pflichtverletzung und Vermögensschaden nicht hinreichend konkretisiert. Dem Angeklagten, der selbst nicht an der Errichtung der schwarzen Kasse beteiligt war, sondern sie nur fortführte und nutzte, wird vorgeworfen seine Vermögensbetreuungspflicht insoweit verletzt zu haben, als er nicht für Offenlegung und ordnungsgemäße Buchführung sorgte. Allerdings begründet laut BGH schon die Bildung der schwarzen Kasse selbst einen Vermögensnachteil.966 Das aber hätte zur Folge, dass dem Siemens-Mitarbeiter ein Vermögensnachteil zum Vorwurf gemacht wird, der bereits vor seinem pflichtwidrigen Handeln eingetreten war. Soweit also ein zusätzlicher Schaden durch das Verhalten des angeklagten Siemens-Mitarbeiters nicht begründet werden kann, mangelt es schon an einem für eine Untreue erforderlichen Kausalitätszusammenhang zwischen Tathandlung und Taterfolg.967 (4) Zusammenfassung Aus der Möglichkeit zur Schädigung (Schädigungspotential) aufgrund entzogener Dispositionsmacht kann nicht ohne Weiteres auf einen Schadensposten (im Sinne eines Gefährdungsschadens) geschlossen werden, weil sonst jedes Vermögensbetreuungsverhältnis einen Untreueverdacht aufwürfe. Im Gegensatz zum Selbstverbrauch von anvertrautem Kapital ist die Umschichtung von Kapital auf Sonderkonten schon gar nicht endgültig. Vielmehr besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass es sich bei „schwarzen Kassen“ um wirtschaftlich sinnvolle und vorteilhafte Dispositionsfonds handelt. Die wirtschaftliche Bewertung einer „schwarzen Kasse“ muss anhand der materiellen Zwecklogik erfolgen. Darunter versteht man in Abgrenzung zu lediglich subjektiven Absichten objektiv-wirtschaftlich nachvollziehbare Intentionen, die im konkreten Fall der ökonomischen Vorteil- oder Nachteilhaftigkeit der „schwarzen Kasse“ Ausdruck verleihen. Unter Anderem eine tradierte, erfolgreiche Etablierung teiltransparanter Schattenkassen-Systeme in Unternehmen sowie objektiv-wirtschaftlich nachvollziehbare Intentionen, die sich eventuell als systemlogisches Prozessziel aus konkret geplanten Korruptionsgeschäften ergeben, müssen – wie es im „Siemens-Fall“ seitens der Rechtsprechung nicht hinreichend getan wurde – bei der wirtschaft966 967

BGHSt 51, 100. Siehe dazu Satzger, NStZ 2009, S. 301 f.; Ransiek, NJW 2009, S. 95 f.

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lichen Bewertung einer „schwarzen Kasse“ berücksichtigt werden und sprechen gegen eine wirtschaftliche Nachteilhaftigkeit. Neben einem im Einzelfall vorliegenden wirtschaftlichen Minderwert mit intrinsischer Kompensationsmöglichkeit, muss, um einen Gefährdungsschaden zu begründen, schließlich auch die Unmittelbarkeit einer Schadenseffektivierung nachgewiesen werden. cc) Vermögensgefährdung durch Rechtsverlust (1) Unordentliche Buchführung Eine Untreuestrafbarkeit aufgrund schadensgleicher Vermögensgefährdung soll sich im Zusammenhang mit einer unordentlichen Buchführung zunächst ergeben, soweit eine unordentliche Buchführung das Unterlassen der Geltendmachung oder die Erschwerung der Durchsetzung von Ansprüchen gegen Dritte gefährdet.968 Soweit es nicht von einer weiteren eigenverantwortlichen Handlung, sondern vom Zufall abhängt, ob sich die wirtschaftlich nachteilige Gefährdung realisiert, liegt eine schadensgleiche Vermögensgefährdung vor. Eine schadensgleiche Vermögensgefährdung soll auch bei einer infolge unordentlicher Buchführung (zum Beispiel einer mangelhaften Dokumentation von bereits geleisteten Zahlungen) eingetretenen Ermöglichung oder Erleichterung einer Geltendmachung ungerechtfertigter zivilrechtlicher Ansprüche Dritter (zum Beispiel Doppelinanspruchnahme) gegeben sein.969 Dies ist jedoch zu Recht mit der Begründung abzulehnen, dass die unordentliche Buchführung als solche selbst noch keine schadensgleiche konkrete, sondern allenfalls eine abstrakte Vermögensgefahr schafft, weil es vom selbstständigen eigenverantwortlichen Dazutun Dritter abhängt die Möglichkeit zur Vermögensgefährdung nutzbar zu machen sowie von der (nochmaligen) Zahlung durch den Vermögensinhaber. Es fehlt folglich an der objektiven Zurechnung (Unmittelbarkeit) von der durch die unordentliche Buchführung geschaffenen abstrakten Vermögensgefährdung und der Schadenseffektivierung.970 968 BGHSt 20, 304 f.; BGH NStZ 2004, S. 559; NStZ 2001, S. 432; Schönke/ Schröder-Perron, § 266, Rn. 45; LK-Schünemann, § 266, Rn. 146. Nach BGHSt 20, 304 komme es dabei nur auf solche Ansprüche an, die als begründet festgestellt sind. Dagegen sieht etwa Sax (JZ 1977, S. 749 m. w. N.) eine Vermögensgefährdung bereits dann als gegeben an, wenn die Geltendmachung solcher Ansprüche vereitelt werde, die mit hinreichender Erfolgsaussicht hätten geltend gemacht werden können. Dies entspricht auch einem wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensverständnisses. 969 BGHSt 47, 10 f.; NK-Kindhäuser, § 266, Rn. 83.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

(2) Anspruchsgefährdung durch Unterlassen Insbesondere im Fall der Untreue durch Unterlassen ist die Frage von Bedeutung, wann eine Nichtvornahme eines Vermögenszuwachses trotz Verpflichtung (zum Beispiel das Untätigsein trotz möglicher vermögensmehrender Geschäftsabschlussmöglichkeiten) zu einem Vermögensschaden führt, „denn die bloße Erwartung durch die Geschäfte mit erst zu werbenden Kunden Gewinn zu erzielen, ist noch kein wirtschaftlicher Vermögenswert“971. Erst bei einer Verdichtung der Chance zu einer „Wahrscheinlichkeit eines Abschlusses“ ist von einem Vermögensbestandteil zu sprechen.972 So zum Beispiel, wenn es sich um Stammkunden handelt, die regelmäßig zum Vertragsabschluss bereit sind973 oder um Quasi-Zusagen von Kunden974. In wirtschaftlich nachteilig gefährdeten konkreten Gewinnaussichten liegt aber noch kein zurechenbarer Gefährdungsschaden vor, wenn die Schadenseffektivierung noch von selbstständigem Verhalten, z. B. dem Entscheidungsverhalten potentieller Kunden, abhängt. Nicht ohne Weiteres messbare Beeinträchtigungen wie die Minderung des Ansehens des Vermögensinhabers oder die Gefährdung der Kreditwürdigkeit stellen mangels Unmittelbarkeit einer konkreten Beeinträchtigung ebenso wenig einen endgültigen Schaden dar.975 Lanciert ein Vermögensbetreuungspflichtiger Falschmeldungen über den Treugeber in den Massenmedien, so kann dies zwar zu einer zu missbilligenden wirtschaftlich nachteiligen Imagegefährdung führen. Diese ist jedoch noch nicht endgültig. Das Ob und der Umfang ihrer endgültigen Realisierung hängt vielmehr noch von weiterem selbstständigem Zutun ab.976 970 Vgl. Mosenheuer, NStZ 2004, S. 180 f.; Saliger, HRRS 2006, S. 13, 20; Vrzal, S. 80 f. Mosenheuer (a. a. O.) weist außerdem darauf hin, dass das bewusste Ausnutzen von mangelhaft dokumentierten Zahlungen durch Dritte den Betrugstatbestand erfüllen und sonach der falsch Buchführende Beihilfe leisten kann. Würde nun zudem auch Untreue bejaht, so läge eine systemwidrige Aufwertung einer Vorbereitungshandlung zu einem Vollendungsdelikt vor. 971 RGSt 71, 334; BGHSt 20, 145. 972 Sax, JZ 1977, S. 750. 973 RGSt 71, 333; BGHSt 20, 145. 974 Sax, JZ 1977, S. 750. 975 Siehe Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 31, Rn. 181 m. w. N. 976 Praktisch relevant ist dies zum Beispiel beim Kursrückgang von Aktien, die ein Unternehmen, demgegenüber der Vorstand eine Vermögensbetreuungspflicht besitzt, von sich selbst hält. In einem solchen Fall soll Untreue des vermögensbetreuungspflichtigen Vorstands vorliegen, der durch Falschmeldungen einen Kursrückgang verursacht, siehe Park-Zieschang, Teil 3, Kapitel 2, T1 § 266, Rn. 56. Dieses Ergebnis ist zweifelhaft, da eine exakte Kausalität von Kursrückgang und einer Falschmeldung nicht ohne Weiteres angenommen werden kann. Die Selbstständigkeit des Verhaltens der Aktionäre, die der Falschmeldung Glauben schenken und

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Entsprechendes gilt für das Unterlassen des Verpflichteten eine verpfändete Sache einzulösen, was zu deren Verlust führt, bzw. eine Forderung vor der Verjährung zu bewahren. Hier liegt ein zurechenbarer Schaden noch nicht in der Vermögensgefährdung „weil es nicht notwendig zur Versteigerung des ‚verfallenen‘ Pfandes in der Regel unter ihrem tatsächlichen Wert kommen muß [bzw.] weil der Schuldner den Einwand der Verjährung möglicherweise nicht erhebt“.977 Dagegen geht eine „bestehende Gefährdung“ in eine „endgültige Vermögensminderung“ unmittelbar über bei einer Missachtung von Anfechtungs- oder Kündigungsfristen978, bei der Nichterklärung einer Rüge nach Maßgabe von § 377 HGB oder etwa beim Nichteinlegen von vornherein nicht aussichtsloser Rechtsmittel979. dd) Bekanntgabe von Budgets bzw. Herausgabe von Bieterlisten (Submissionsuntreue) In der „Bekanntgabe des Budgets der zur Angebotsabgabe aufzufordernden Firmen“ sah das BayObLG980 eine schadensgleiche Vermögensgefährdung als gegeben an, da durch die Bekanntgabe ein „ordnungsgemäßes Funktionieren des Ausschreibungsverfahrens wegen der Möglichkeit von Angebotskartellen“ verhindert und „die Gefahr eines gegenüber einem ordnungsgemäßen Ausschreibungsverfahren (zumindest um 5%981) unvorteilhafteren Abschlusses durch den Auftraggeber gleichsam vorprogrammiert“ war. Grundsätzlich ist die Einschätzung treffend, dass die die Ausschreibung betreffenden Informationsdefizite bei den potentiellen Auftragnehmern einer Manipulation des marktgerechtesten Angebots zuungunsten des Auftraggebers (Absprachen, Angebotskartelle usw.) entgegenzuwirken tauglich sind. Dem wird auch § 298 StGB als Schutznorm für den Wettbewerb gerecht. Daraus folgert jedoch der BGH, dass Kartelle nur gebildet und am Leben gehalten werden, wenn sie ihren Kartellmitgliedern einen höheren als den sonst erzielbaren Marktpreis (Wettbewerbspreis) einbringen und dass Absprachen insoweit Vermögensschäden im Sinne des § 266 StGB begründen.982 ihre Anteile verkaufen, sodass der Aktienkurs sinkt und damit eine fehlende Unmittelbarkeit blieben gänzlich außer Betracht. 977 Sax, JZ 1977, S. 750. 978 BGH NJW 1951, S. 645. 979 RGSt 11, 414. 980 BayObLG NJW 1996, 270 f. 981 D.h. in Höhe der Provision des mit dem Ausschreibungsverfahren betrauten vermögensbetreuungspflichtigen Täters. 982 BGHSt 38, 190 ff.; BGH NJW 1995, S. 737; BGH wistra 1994, S. 346. So auch OLG Frankfurt NJW 1990, S. 1058, welches einen Vermögensschaden darin

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

Gleichwohl übersieht die Rechtsprechung, dass die Bekanntgabe der Ausschreibungsinformationen nicht zwangsläufig zu einer eine schadenspotente (wirtschaftlich negativ wetthaltige) Gefahr begründenden Angebotskartellbildung oder Absprachestrategie führen muss. Sie unterstellt, dass die Transparenz der Ausschreibungsinformationen, insoweit es tatsächlich zu einer Submissionsabsprache käme, per se zu einem suboptimalen Angebotsergebnis führen würde. Richtig ist, dass sich auf einem durch Preisabsprachen kartellierten Markt keine Marktpreise entwickeln können.983 Die Fiktion eines hypothetischen Marktpreises ist aber nicht nur ein praktisch schwieriges und deshalb kritikwürdiges Verfahren, um prozessual einen Schaden zu erkennen984, sondern unterstellt ex ante mit mangelhafter Evidenz, dass ein kartellierter Preis einen durch unbeeinträchtigte Wettbewerbsbedingungen entstandenen hypothetischen Marktpreis zwingend überbietet und daher Submissionsabsprachen per se einen Schaden darstellen.985 Betrachtet man beispielhaft tätigkeits- oder bereichsdiversifizierte Ausschreibungen986, so ist denkbar, dass durch Absprachen potentieller für die Gesamtleistung in Frage kommender Unternehmen ein konsentiertes Angebotspaket entwickelt wird, in dem jedes Unternehmen einen Teil des Angebots übernimmt, auf das es routinemäßig spezialisiert ist und das es sogar entsprechend kostengünstiger anbieten kann. Denkbar ist sogar, dass in solchen Fällen effizientere Angebote möglich wären, als wenn ein einziges Unternehmen den gesamten Auftrag mitsamt der Angebotsteile, für die es – partiell – nicht das effizienteste Angebot unterbreiten könnte, übernähme.987 sieht, dass dem Ausschreibendem die Chance genommen wurde, die Leistung zu einem bei unverfälschtem Wettbewerb – unterstellt – erzielbaren günstigeren Preis zu erhalten. 983 BGH NJW 2007, S. 3793. So können vergleichbare Ausschreibungen herangezogen werden (siehe unten in Abschnitt D. II. 5. a) cc) (3) (b)) oder mit Hilfe eines Sachverständigen die Kalkulationen der Anbieter berücksichtigt werden. 984 Siehe BGH NJW 2007, S. 3794. 985 Kritisch dazu auch Joecks, wistra 2002, S. 251 und Saliger, ZStW 112 (2000), S. 587 f. Wenn eine geschuldete Leistung keinen Verkehrswert habe, sei sie nicht deshalb weniger wert als die geschuldete Gegenleistung. Ebenso Lüderssen, wistra 1995, S. 245; Hohmann, NStZ 2001, S. 568. Anders argumentiert Otto als Vertreter des personalen Vermögensbegriffs, wenn er die Betrachtung des Schadens als wirtschaftlichem Negativsaldo ablehnt und auf die wirtschaftliche Potenz abstellt, siehe ZRP 1996, S. 305 ff. (zur Kritik an dieser Subjektivierung siehe Abschnitt D. II. 3. d)). 986 Zum Beispiel: ausgeschrieben wird ein ganzer Leistungskatalog, zum Beispiel der Bau einer Justizvollzugsanstalt, bei dem die Sicherheitstechnik unabhängig von der sanitären Einrichtung, der Rohbau unabhängig von den Grünanlagen usw. geleistet werden kann. 987 Ähnlich weist auch Hohmann darauf hin, dass der Zweck von Kartellen nicht notwendigerweise in Preiserhöhungen liege, sondern etwa dazu dienen können, das Überleben einzelner Anbieter auf dem Markt zu sichern (NStZ 2001, S. 568).

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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Dieser Gedanke kann an dieser Stelle nicht weiter ausgeweitet werden. Er reklamiert jedoch die Forderung sich zur Bestimmung des Schadens an den konkreten kartellbereinigten Marktpreisen im Einzelfall zu orientieren, was bedeuten muss, einen Schaden nicht per se zu antizipieren und nicht von statistischen Wahrscheinlichkeiten auf den Einzelfall zu schließen.988 Weil nicht sicher ist, dass das Angebot bei Preisabsprache einen kartellbereinigten Marktpreis (hypothetischen Wettbewerbspreis) überbietet, liegt auch in einer rein hypothetisch günstigeren Kontrahierungsmöglichkeit keine sich zu einer vermögenswerten Exspektanz verdichtete Erwerbsaussicht, deren Entzug vermögensschädigenden Charakter haben kann. Gerade die Möglichkeit einer Unterbindung wettbewerblicher Preisbildung kann die Konkretisierung einer Aussicht auf einen günstigeren Vertragsabschluss zu einer hinreichend wahrscheinlichen Erwerbsaussicht hindern.989 Das Gesagte verdeutlicht, dass bei nichtvorhandenem Marktpreis nicht ohne Weiteres zuungunsten des Verdächtigen ein hypothetischer Marktpreis zur Vereinfachung der Schadensannahme konstruiert werden kann, mit Hilfe dessen dann auch noch ein Vorgriff auf Handlungen, wie die Herausgabe von Bieterlisten, möglich wird, welche schadensgleiche Vermögensgefährdungen im Sinne des § 266 StGB darstellen sollen. Mangelt es an hinreichenden wirtschaftlichen Informationen (auch Vergleichsinformationen), die zum strafrechtlichen Programmvollzug vonnöten erscheinen, so kann jedenfalls nicht das Recht von sich aus diese wirtschaftlichen Informationen ersetzen, indem es vom Fehlen des Marktwertes auf ein Fehlen der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung schließt. Die genannten Gründe sprechen dagegen, schon in einer aus der Herausgabe von Bieterlisten resultierenden Gefahr einer Kartellbildung, wirtschaftlich betrachtet, ohne Weiteres eine derart verdichtete Vermögensgefährdung anzunehmen, dass von einer schadensgleichen Vermögensgefährdung gesprochen werden kann. 988 So Lüderssen, wistra 1995, S. 245. Kritisch zu Marktpreishypothesen auch Geerds, Wirtschaftsstrafrecht und Vermögensschutz, S. 142 ff. Vgl. insoweit auch BGH, NJW 1992, S. 922 f.: „Art und Umfang der beeinträchtigten Preisbildung werden nicht durch Vergleich des unter Ausschaltung oder Beschränkung des Wettbewerbs erzielten mit dem geschätzten „angemessenen“ Preis festgestellt, sondern durch den Vergleich der geforderten Preise mit den Marktpreisen, die bei funktionfähigem Wettbewerb erzielt worden wären“. „Ausreichend ist dabei die Überzeugung des Tatrichters auf der Grundlage von Indizien, aus denen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit ergibt, daß der Auftraggeber ohne die Absprache [. . .] ein nur geringeres Entgelt hätte versprechen und zahlen müssen“. 989 Siehe Joecks, wistra 1992, S. 250 f.; Hefendehl, JuS 1993, S. 812; Saliger, ZStW 112 (2000), S. 587 f.; Cramer, NStZ 1993, S. 42; Hohmann, NStZ 2001, S. 570.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

Der wirtschaftliche Negativsaldo, d.h. der „valide Anknüpfungspunkt“, ist nicht ohne Weiteres gegeben.990 Darüberhinaus mangelt es jedenfalls, soweit man einen wirtschaftlichen Negativsaldo feststellt, an dem Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen Vermögensgefährdung und Schadensrealisierung. Die Rechtsprechung vernachlässigt insoweit die Anwendung des Unmittelbarkeitsprinzip, als nicht nur der Leistungsaustausch, sondern schon der nachteilige Vertragsschluss allein in der Hand des Auftraggebers und des Anbietenden liegt, sodass „der endgültige Verlust des Vermögenswertes noch wesentlich vom Zutun“ der Vertragsparteien abhängt.991 Das BayObLG geht zeitlich noch weiter zurück, wenn es auf die Herausgabe der Bieterlisten abstellt, als die herkömmliche Rechtsprechung, die zumindest auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses verweist. Erst recht hängt auch eine Gefährdung des Vermögens durch die Herausgabe von Bieterlisten noch von weiterem Drittverhalten ab. In der Sanktionierung der Submissionsuntreue zeigt sich deutlich die Tendenz der Versuchspönalisierung über das Institut der schadensgleichen Vermögensgefährdung.992 ee) Fehlleiten öffentlicher Gelder Auch eine schadensgleiche Vermögensgefährdung bewirken soll die gegen Haushaltsgrundsätze verstoßende Verfügung über Haushaltsmittel zugunsten einer anderen Behörden, d.h. das pflichtwidrige Verlagern oder Fehlleiten innerhalb des staatlichen Behördenapparats, mit der Folge, dass die empfangende Behörde die Möglichkeit erhält unkontrolliert über diese Gelder zu verfügen, zum Beispiel diese als einen keiner Zweckbindung unterliegenden Dispositionsfonds zu nutzen (zur Haushaltsuntreue siehe D. II. 3. f)). Eine Schädigung liege dann vor, wenn der betroffenen Behörde nicht daraus unmittelbar ein gleichwertiger Vorteil erwächst, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass beide Behörden möglicherweise zu ein und demselben Gesamtvermögensträger, also beispielsweise dem Bund, gehören.993 Neben dieser kritikwürdigen wirtschaftlich artifiziellen Aufspaltung des Gesamthaushaltes in selbstständige Zweckvermögen994 ist die Zurechnung des Um990 Saliger, ZStW 112 (2000), S. 588; Hefendehl, JuS 1993, S. 812; Riemann, S. 113 ff.; vgl. auch Bernsmann, GA 2007, S. 237. 991 Siehe Haft, NJW 1996, S. 238; Saliger, ZStW 112 (2000), S. 584 ff.; Matt/ Saliger, S. 235 f. 992 Siehe Saliger, ZStW 112 (2000), S. 584. 993 BGHSt 40, 287 ff., 294 f., 296; Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 32, Rn. 16; Schünemann, StV 2003, S. 469 ff. 994 Dazu Bittmann, NStZ 1998, S. 496 m. w. N.

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gangs der empfangenden Behörde mit dem Geld aufgrund des Unmittelbarkeitsprinzips problematisch.995 Denn das verschleiernde „Abhandenkommen“ von Geldern beim Empfänger beruht auf dessen selbstständiger Handlung. Maßgeblich kann deshalb allenfalls die Verfügung über die Gelder, quasi die behördliche „Schenkung“ sein. Ob darin eine Vermögensschädigung liegt, hängt dann allerdings auch davon ab, ob man Rückforderungsund Ausgleichsansprüche auch zwischen Behörden einer einheitlichen Gesamtvermögenseinheit als nicht kompensationsuntauglich begreift. ff) Fehlende persönliche Eignung (Amtserschleichung) Der BGH bejaht in seiner Rechtsprechung zum Betrug (§ 263 StGB) eine schadensgleiche Vermögensgefährdung dann, wenn ein Bewerber um eine Beamtenstellung bei seiner Einstellung über eine frühere Mitarbeit beim Ministerium der Staatssicherheit der DDR täuscht, die seine persönliche Eignung für das angestrebte Amt ausschließe und es nahelege, dass sich der Mangel an persönlicher Zuverlässigkeit auf die Qualität der von ihm zu erbringenden Dienstleistung und deshalb nachteilig auf den Wert der Arbeit auswirken könne. Bei einem persönlich unzuverlässigen Bewerber bleibe der Wert der versprochenen Leistung hinter dem objektiven wirtschaftlichen Wert der Vertragspflicht zurück. Die Annahme einer schadensgleichen Vermögensgefährdung bleibe von der fachlichen Eignung unberührt, weil die persönliche Zuverlässigkeit einen eigenständigen objektiven wirtschaftlichen Wert bilde. Diese Entscheidung begründe laut BGH auch entsprechend eine Untreuestrafbarkeit, wenn einstellungsbefugte Personen in Kenntnis dieses Mangels an persönlicher Eignung der Eingestellten handeln.996 Ein Eingestellter, der sich in der Vergangenheit als persönlich unzuverlässig erwiesen hat, müsste als erste Voraussetzung für eine schadensgleiche Vermögensgefährdung zunächst einen wirtschaftlichen Minderwert mit intrinsischer Kompensationswahrscheinlichkeit darstellen. Zweifelhaft ist schon, ob es sich bei fehlender persönlicher Eignung um einen tatsächlichen ökonomischen Minderwert handelt. Denn anders als beispielsweise bei fehlender fachlicher Eignung des Eingestellten oder auch bei unwahren Angaben zum Lebensalter oder zum Ausbildungsgang handelt es sich bei persönlicher Zuverlässigkeit nicht um klassisches monetär abbildbares Humankapital, d.h. um nicht oder schwerlich kommerzialisierbare und mit einem objektiven Marktwert bestimmbare Vermögenswerte. „Es ist nicht zu sehen, 995 996

Siehe Saliger, ZStW 112 (2000), S. 597. BGHSt 45, 1 ff., 4 ff., 10 ff., 12.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

wie – negativ – Vorstrafen, grobe Dienstverfehlungen, schlichte Unwahrhaftigkeit oder – positiv – Versprechen einwandfreier Amtsführung, Verfassungstreue, politisch korrekte Biographie etc. objektiv nachvollziehbar in wirtschaftliche Marktgrößen umgerechnet werden können“.997 Würde man sich auf den gegenteiligen Standpunkt stellen und einen wirtschaftlichen Minderwert annehmen, der dann, weil die zukünftige persönliche Zuverlässigkeit des Eingestellten noch offen ist, eine intrinsische Kompensationswahrscheinlichkeit umfasst998, so käme es darauf an, ob die Effektivierung des Minderwerts dem Unmittelbarkeitsprinzips genügt. Da ein als wirtschaftlich nachteilig verstandener persönlicher Charakterzug zu seiner endgültigen wirtschaftlichen Effektivierung aber immer noch eines zukünftigen selbstständigen Verhaltens des Eingestellten bedarf, würde letztlich an diesem Prüfungspunkt die Annahme einer schadensgleichen Vermögensgefährdung scheitern.999 gg) Abschluss nachteiliger Verpflichtungsgeschäfte (1) Der Abschluss eines nachteiligen Verpflichtungsgeschäfts als Zeitpunkt des Schadenseintritts (Tatvollendungszeitpunkt) Bei Vertragsabschlüssen existieren zwei denkbare Alternativen für den Zeitpunkt des Schadenseintritts (Tatvollendungszeitpunkt). Die erste fixiert den Augenblick des Abschlusses des Vertrages, die zweite den faktische Austausch der vertraglichen Leistungen.1000 Wenn man auf den Zeitpunkt 997 Dazu ausführlich Saliger, ZStW 112 (2000), S. 603 f., 605 f. m. w. N. Auch die Schadensannahme aufgrund einer Diskreditierung der einstellenden Behörde (vgl. BGHSt 45, 15) wäre nicht überzeugend, da ein Schaden im Sinne von zu erwartender Mindereinnahmen allenfalls bei einem Wirtschaftsunternehmen zum Tragen kommen können. Aber auch dann ist nicht ohne Weiteres ein unmittelbarer Zusammenhang von Gefährdung und Effektivierung gegeben, vgl. z. B. Abschnitt C. IV. 5. b). 998 Man bedenke nur allein die Möglichkeit, dass sich die in der Vergangenheit gezeigte persönliche Unzuverlässigkeit der Person geändert hat und sich die wirtschaftlich als Schaden gewertete abstrakte Gefahr gar nicht realisiert. Dazu ausführlicher Saliger, ZStW 112 (2000), S. 604 ff. 999 Eine konkrete Gefahr liegt zum Einstellungszeitpunkt also nicht vor, siehe Saliger, ZStW 112 (2000), S. 604, Fn. 171. 1000 Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 51. Eine dritte denkbare Alternative stellt auf einen eventuellen effektiven Vermögensschaden ab, der darin liegen könne, dass mit dem Vertragsabschluss hinsichtlich des geplanten Eigentumsübergang bereits Nutzungsrechte eingeräumt und beansprucht, d.h. Vorleistungen erbracht worden sind (siehe BGHSt 44, 386), beispielsweise der Besitz oder Verwertungsrechte. Kritisch dazu Saliger, ZStW 112 (2000), S. 575 ff. m. w. N. Vorliegend soll jedoch diese dritte Variante nicht differenziert untersucht werden. Denn die Übertragung

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäfts abstellt, so muss das die Frage aufwerfen, ob der Abschluss eines unausgewogenen, d.h. für den Treugeber nachteiligen Vertrages, im Verhältnis zu der folgenden Erfüllung der Ansprüche, bereits eine schadensgleiche Vermögensgefährdung darstellt, d.h., ob die Tat zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits vollendet ist. So sah es der BGH bei einem pflichtwidrigen Abschluss eines Grundstückskaufvertrags, der jedoch mangels Grundbucheintragung nicht zu einem Eigentumsübergang führte. Ein Nachteil im Sinne des § 266 StGB liege bereits in dem Abschluss eines „wirtschaftlich unausgewogenen Kaufvertrags“.1001 Nach anderer Ansicht ist der Tatvollendungszeitpunkt jedoch grundsätzlich der Zeitpunkt des faktischen Leistungsaustauschs (Austauschvorgang).1002 Der Ansicht des BGH ist zuzustimmen. Zweifelsohne eignen sich Rechte und Pflichten, soweit sie wirtschaftlich werthaltig sind, zur Saldierung (siehe D. I.). So kann ein Anspruch auf 200 e gegenüber einer Verpflichtung zur Übereignung und Herausgabe eines Gegenstands mit Wert von 600 e verrechnet werden. Fraglich ist, ob ein wirtschaftlich nachteiliger Vertragsabschluss schon einen effektiven Schaden bedeutet oder ob im Falle einer Negativdifferenz eines Verpflichtungsgeschäfts eine (bloße oder schadensgleiche) Vermögensgefährdung (siehe D. II. 4. b) dd)) vorliegt. Allein der Umstand, dass es dem Verpflichteten möglich ist z. B. aus Willkür oder nachträglicher Unmöglichkeit die Erfüllung nicht zu vollziehen, vermag die Schadensannahme nicht auf den Zeitpunkt des Austauschgeschäfts transponieren. Die Möglichkeit der Leistungsverweigerung begründet einerseits nämlich generell noch keine intrinsische Kompensationsmöglichkeit des bereits einen wirtschaftlichen Negativsaldo herbeiführenden vertraglichen Abschlusses. Der Vertragsabschluss wirkt als solcher derart rechtsgestaltend, dass eine wirtschaftliche Neuzuweisung der Vermögenswerte im Prinzip abgewirtschaftlich werthaltigen Besitzes oder der Abtretung wirtschaftlich werthaltiger Rechte, wie Verwertungsrechte, ist Teil der Erfüllung und dementsprechend als Teil des Leistungsaustausches zu werten. 1001 BGHSt 44, 384 f. 1002 Siehe nur BGHSt 43, 298 („Ob ein Vermögensnachteil eingetreten ist, muß grundsätzlich durch einen Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstandeten Verfügung geprüft werden“ [Hervorhebung von mir, A. B.]); Thomas, FS-Riess, S. 808; anders zum Beispiel: Kindhäuser, FS-Lampe, S. 724 ff. (Schaden sei Vermögensminderung, „die nicht durch das Erreichen ihres Zwecks kompensiert wird“). Zur Schadenslehre mit subjektivem Einschlag siehe ausführlich in Abschnitt D. II. 3. c) und D. II. 3. d).

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

schlossen ist, selbst wenn die reale Umsetzung (der faktische Güter- bzw. Kapitalaustausch) noch aussteht. Gewillkürte Störungen dieser Umsetzungen liegen dem Verpflichtungsgeschäft prinzipiell nicht als solchem zu Grunde. Somit kann bereits ein effektiver Schaden zum Zeitpunkt des obligatorischen Geschäfts ausgemacht werden. Andererseits gäbe es, soweit man trotzdem eine intrinsische Kompensationsmöglichkeit aufgrund eines Nichtleistungsvermögens nach Vertragsschluss gleichwohl bejahte (z. B. in Form der Möglichkeit die versprochene Leistung schlechtweg zu verweigern) und eine Vermögensgefährdung in Betracht zieht, gleichwohl Zweifel an einem die Schadensgleichheit ausschließenden Vorliegen einer Abhängigkeit der Schadenseffektivierung von einer selbstständigen personalen Entscheidung. Denn die Erwägung, dass doch der den Vertragsschluss vornehmende Treugeber danach noch selber entscheiden könne, ob er denn wirklich den Leistungsaustausch vollziehen wolle, ist streng genommen selbstwidersprüchlich, da gewöhnlicherweise im Augenblick des Vertragsabschlusses der Wille des Treugebers bereits unbedingt auf einen wirtschaftlichen Verlust gerichtet gewesen ist. Die weitere Möglichkeit eines Willenswandels muss deshalb nicht berücksichtigt werden, genauso, wie bei einem abgeschlossenen Leistungsaustausch nicht zu berücksichtigen ist, dass der Treugeber ja möglicherweise das hingegebene Vermögen auf irgendeine denkbare Weise doch wieder zurückerlangen könnte. Es kommt deshalb auch nicht mehr darauf an, dass der Vertragspartner die Leistung bei Nichtleistung des Treugebers einklagen müsste und mithin eine selbstständige Handlung durchzuführen hätte, um das Ergebnis der wirtschaftlichen Transaktion hinreichend zu verfestigen. Denn dieser Gedanke knüpft an jenes nicht zu berücksichtigende willkürliche Abwenden des Treugeberwillens an, der sich im Vertragsschluss bereits manifestiert hat. Rechtliche Verpflichtung und wirtschaftliche Transaktion sind prinzipiell gekoppelt und bedürfen zum Zwecke ihrer Verknüpfung keiner erneuten selbstständigen Entscheidungen der Parteien mehr. Daher liegt in der Regel zum Zeitpunkt eines wirtschaftlich unausgewogenen Verpflichtungsgeschäfts ein Schaden vor, und zwar, wenn man im Regelfall eine intrinsische Kompensationsmöglichkeit verneint, bereits ein effektiver Schaden. Beispiel: Vermögensverwalter X schließt gegen den ausdrücklichen Willen des Vermögensinhabers V ein Geschäft ab, bei dem dieser per Saldo 2000 e verliert. V leistet jedoch nicht. Daraufhin schlägt der Vertragspartner des V den Weg zur gerichtlichen Durchsetzung seines Anspruchs ein, woraufhin V zur Erfüllung des für ihn unvorteilhaften Geschäfts verurteilt wird. Zum Zeitpunkt des Vertragsschluss stand V nominal 2000 e im Minus, hatte jedoch faktisch noch keine Vermögenswerte verloren. Dessen bedurfte es jedoch nicht, um einen Schaden festzustellen. Ungeachtet des Umstands, dass X die Leis-

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tung freiwillig oder unfreiwillig herausgibt, ist im Ergebnis mit dem unbedingten Vertragsschluss der Vermögensverlust festgelegt.

Ausnahmsweise gibt es Fälle, in denen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sowohl eine intrinsische Kompensationsmöglichkeit als auch die Abhängigkeit der Schadenseffektivierung von einer weiteren personalen Entscheidung bejaht werden und damit ein Schaden, auch in Form einer schadensgleichen Vermögensgefährdung, abgelehnt werden kann. Das hat zur Folge, dass in dann nurmehr das faktische Austauschverhältnis als Anhaltspunkt für die Schadensbejahung in Betracht kommt. So liegt es z. B. bei vertraglichen Vereinbarungen, die die Erfüllung unter eine Bedingung stellen (siehe § 158 ff. BGB), oder die von vornherein Unmögliches zum Vertragsgegenstand erheben (siehe § 311 a BGB). In diesen Fällen ist prinzipiell eine erneute selbstständige Handlungen der Parteien jenseits der Willensmanifestation des Vertragsschlusses erforderlich (vgl. dazu auch sogleich D. II. 4. c) gg) (2)), um primäre oder sekundäre Ansprüche zu realisieren. Ebenso verhält es sich, wenn ein Geschäft von vornherein stornierbar ist.1003 Ebenfalls auszuschließen ist eine Schadensbejahung zum Zeitpunkt des Vertragsabschluss im Falle der Unwirksamkeit der Vereinbarung. Auch bei Unwirksamkeit eines unausgewogenen Verpflichtungsgeschäfts besteht, trotz nicht wirksam entstandener Rechte und Pflichten, die Gefahr das Veräußerte ohne angemessenen wirtschaftlichen Gegenwert zu verlieren, wenn es aufgrund des durch das unwirksame Geschäft gesetzten Rechtsscheins zur tatsächlichen Übereignung kommt.1004 Hier setzt jedoch, anders als bei einem wirksamen Verpflichtungsgeschäft, der Eintritt des effektiven Schadens eine selbstständige Erfüllungshandlung voraus, welche nicht schlichter, unselbstständiger Vollzug einer rechtlichen Pflicht darstellt, d.h. Verpflichtungsund Verfügungsgeschäft in keinem prinzipiierten Zusammenhang stehen.1005 (2) Genehmigungsbedürftige unausgewogene Geschäfte Sofern das im wirtschaftlich unausgewogenen Verpflichtungsgeschäft vereinbarte Verfügungsgeschäft genehmigungsbedürftig ist1006, stellt sich die Frage, ob bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine schadensgleiche Vermögensgefährdung bejaht werden kann. Eine intrinsische Kompen1003 Zu weit daher etwa BGHSt 23, 300. Kritisch zum BGH auch Ahn, S. 96.; Lackner/Kühl, § 263, Rn. 40. 1004 Siehe BGHSt 44, 386. 1005 Vgl. BGHSt 22, 89; 44, 386; kritisch zum BGH Saliger, ZStW 112 (2000), S. 579 f. 1006 Vgl. BGHSt 44, 384 ff („Diestel-Fall“). Bei einer Genehmigungsbedürftigkeit des Verpflichtungsgeschäfts selbst dürfte es mangels Wirksamkeit schon an einem festzustellenden Negativsaldo mangeln.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

sationsmöglichkeit liegt zweifelsohne vor, da der unmittelbar aus der Pflichtverletzung resultierende wirtschaftliche Wertverlust noch in sich die Möglichkeit einer Verweigerung der Zustimmung birgt, die anders als Schadensersatz-, Gewährleistungs- oder auch Kondiktionsansprüche nicht am Schaden ansetzt, sondern bereits von vornherein gegeben ist. Für die Annahme einer schadensgleichen Vermögensverfügung kommt nurmehr darauf an, ob eine Effektivierung des Schadens von personaler Entscheidbarkeit unabhängig ist. Dabei ist zu differenzieren. Ist die pflichtwidrig verursachte schadensgleiche Vermögensgefährdung noch von einer Genehmigung abhängig, die sich als bloßer Vollzug rechtssystemischer Operationen im Rahmen einer wirtschaftlichen Zufallslogik darstellt, so wird der Unmittelbarkeitszusammenhang nicht unterbrochen und es liegt bereits im faktischen Austauschvorgang ein Schaden im Sinne des § 266 StGB durch schadensgleiche Vermögensgefährdung vor. Anders dürfte das zu bewerten sein, wenn die Genehmigung durch weites behördliches Ermessen geprägt ist, welches einer personalen Entscheidung, die ja das Unmittelbarkeitsverhältnis ausschließt, gleichkommt. Ist die Effektivierung (wie zum Beispiel im „Diestel-Fall“) hingegen noch von einer klar konturierten preisrechtlichen Unbedenklichkeitsprüfung abhängig1007, die gerade zum Zwecke der Schadensvermeidung auch auf Offenlegung von Schädigungsaspekten abzielt, scheidet eine schadensgleiche Vermögensgefährdung grundsätzlich aus.1008 Dies aber nicht erst aufgrund eventuell fehlender Unmittelbarkeit – denn auch hier handelt es sich wegen der Vorbestimmtheit der Unbedenklichkeitsprüfung offenbar nicht um eine personale Ermessensentscheidung im Sinne von selbstständigem eigenverantwortlichem Handeln –, sondern deshalb, weil schon auf der ersten Stufe der Bestimmung einer schadensgleichen Vermögensgefährdung, nämlich der Beurteilung des wirtschaftlichen Saldos, eine solche Genehmigungspflichtigkeit mit ihrem Schadensvermeidungspotential wirtschaftlich mit zu verrechnen sein kann, sodass man dadurch bereits zu einem Aus1007

BGHSt 44, 385. Siehe i. E. auch Saliger, ZStW 112 (2000), S. 578 f. Denkbar wäre es, aber im konkreten „Diestel-Fall“ auch zweifelhaft, nach Saliger den Spielraum der Genehmigung aufgrund der Machtstellung des Treupflichtigen (nämlich stellvertretender Ministerpräsident und Minister des Innern der DDR, siehe BGHSt 44, 377) als faktisch nicht vorhanden zu betrachten (siehe a. a. O., S. 582). Allerdings entfiele dann nicht nur die Möglichkeit eines personalen Einflusses auf die Schadensentwicklung, sondern damit auch die intrinsische Kompensationsmöglichkeit schlechthin. Wäre die Genehmigung aber schlechtweg völlig antizipierbar, so läge an sich schon keine schadensgleiche Vermögensgefährdung vor, sondern ein Schaden im herkömmlichen Sinne. 1008

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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gleich der Vermögensposten zum Erfüllungszeitpunkt gelangt und ein Schaden, welcher Fasson auch immer, schon ausgeschieden ist. hh) Zusammenfassung Es zeigt sich, dass in wesentlichen Fallkonstellationen im Zusammenhang mit Vermögensgefährdungen bei der Beurteilung eines Schadens im Sinne des § 266 StGB zum Einen die wirtschaftliche Negativbewertung nicht mit der ökonomisch gebotenen Differenziertheit vorgenommen wird und zum Anderen der Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen Gefährdung und Schadenseffektivierung unberücksichtigt bleibt. Es besteht die Gefahr, dass mit Hilfe des Instituts der schadensgleichen Vermögensgefährdung fälschlicherweise „abstrakte Vermögensgefahren“ sanktioniert werden. Soweit nach einer umfassenden wirtschaftlichen Analyse eine konkrete Feststellung des Schadens in „wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise“ nicht erfolgen kann, muss aus verfassungsmäßigen Gründen ein Freispruch erfolgen.1009 5. Kompensation durch Vermögensvorteile Ein Vermögensschaden tritt nicht ein, wenn mit der Tathandlung ein einen negativen Vermögenssaldo kompensierender Vermögensvorteil einhergeht. Zur Bestimmung einer Nachteilskompensation im Rahmen der Gesamtsaldierung ist insoweit die Wertbestimmung saldierungsfähiger Vorteilsposten erforderlich. a) Die wirtschaftliche Werthaltigkeit des Vorteils Insbesondere wenn es um den Erwerb von Gegenleistungen in Form von Vermögenschancen oder immateriellen Vorteilen geht, ist die Betrachtung ihrer wirtschaftlichen Werthaltigkeit nicht so einfach möglich wie es bei am Marktwert zu bestimmenden Vermögensgegenständen der Fall ist. aa) Vorteilsgleiche Vermögenschancen (faktische Exspektanzen) (1) Vorteilschancen als wirtschaftlich werthaltige Vermögensbestandteile Potentielle Vermögensaussichten als Vermögensgüter sind dem Recht nicht fremd, blickt man nur auf die Anwartschaften oder Sicherheiten für den Fall eines Leistungsausfalls. Anwartschaftsrechte sind, wie andere wirt1009

So BVerfG, 2 BvR 2559/08, Beschluss vom 23.6.2010, Absatz 151.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

schaftlich werthaltige Rechte auch, Vermögensbestandteile. Als Gegenstände einer rechtlich gesicherten Erwartung lassen sie sich ohne Weiteres in Gewinn- und Verlustrechnungen einstellen.1010 Problematisch ist, ob und inwieweit faktische Exspektanzen (tatsächliche Anwartschaften), also Gewinn- und Erwerbschancen, vermögensmehrende Faktoren darstellen.1011 Vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs sind Vermögens(zuwachs)chancen insoweit saldierungsfähig, als die Exspektanz im Sinne einer gesicherten Aussicht derart konkretisiert ist, dass ihr – im Gegensatz zu einer bloß vagen Hoffnung auf eine künftige Erwerbsmöglichkeit – der Wirtschaftsverkehr schon für die Gegenwart wirtschaftlichen Wert beimisst, so zum Beispiel die werthaltige Chance auf Abschluss eines vorteilhaften Geschäftes.1012 Dementsprechend sah schon das Reichsgericht den „Kundenkreis eines gewerblichen Unternehmens, mag er auch weder ein dingliches Recht noch eine Gesamtheit von Forderungsrechten sein“ als Vermögensbestandteil an. Denn aus dem Stammkundenkreis erwachse nicht nur eine allgemeine unbestimmte Aussicht oder bloße Hoffnung, sondern die tatsächliche Anwartschaft, die sich in der „Wahrscheinlichkeit“ konkretisiert „regelmäßigen Geschäftsgewinn zu erzielen“.1013 Beispiel: Z ist Geschäftsführer einer Großhandelsfirma G und zugleich stiller Gesellschafter in der Firma B eines Bekannten, die in Teilen in derselben Branche agiert wie die G. Im Rahmen einiger Verkaufsgespräche, die Z für die G führt, lenkt er Kaufinteressenten an B weiter, sodass dieser die Gewinne einfährt. Dabei ist sicher, dass sich die betreffenden Kunden andernfalls für einen Geschäftsabschluss mit G entschieden hätten. Da konkrete Gewinnaussichten in einem Kundengeschäft vermögenswert sind, liegt in ihrer Zerstörung ein Vermögensnachteil.

Die Ansicht, dass es sich bei Vorteilschancen um Vermögensbestandteile im Sinne des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs handele, wird mit dem Hinweis abgelehnt, dass „das noch zu erwerbende [. . .] zukünftige Vermögen [. . .] eben gerade noch kein gegenwärtiges Vermögen“ sei.1014 Hefendehl will eine vermögenswerte Exspektanz daher nur dann annehmen, 1010 BGHSt 31, 178; Lackner/Kühl, § 266, Rn. 34; Kindhäuser, FS-Lüderssen, S. 637 f. Durch Rechtsvorschriften wie §§ 161, 873 Abs. 3, 878, 936 Abs. 2, 986 Abs. 2 BGB wird die Erwerbsposition schon rechtlich derart manifestiert, dass sich hieran zwingend Werthaltigkeit knüpfen kann. 1011 Zur Begriffsvielfalt Hefendehl, S. 121 m. w. N. 1012 BGHSt 17, 147 f., 38, 186; BayObLG NJW 1994, 208; LG Mainz, StV 2001, S. 296; Schreiber/Beulke, JuS 1977, S. 659; Arnold, Jura 2005, S. 848; Rönnau, FSKohlmann, S. 253 ff.; Fischer, § 266, Rn. 56, 60; Bringewat, JZ 1977, S. 670 f.; Wassmer, S. 120. 1013 RGSt 26, 227 ff., 71, 333 f. Siehe zum Beispiel auch RGSt 64, 181 f., wo das Reichsgericht betonte, dass es bei zu erlangenden Vermögensvorteilen als schützenswerte Vermögensgegenstände auf die tatsächliche Wahrscheinlichkeit ankomme.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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wenn im Sinne des zivilrechtlichen Herrschaftsprinzips als Vermögensbegriff der Inhaber mit rechtlich anerkannten Möglichkeiten externe Störfaktoren bei der Entwicklung zum Vollwert unterbinden kann, wenn sich zudem derjenige, von dem das Exspektanzobjekt erlangt werden soll, von seiner Verpflichtung nicht mehr sanktionslos lösen kann und wenn schließlich der potentielle Exspektanzinhaber sein Vorhaben in der Außenwelt zum Ausdruck gebracht hat.1015 Eine solche anwartschaftsrechtliche Interpretation einer vermögenswerten Exspektanz steht einer juristische Vermögensdefinition gleich. Wie an obiger Stelle erörtert, spricht gegen eine normative Beschränkung des Exspektanzbegriffs die Verkennung wirtschaftlicher Sinnzusammenhänge (siehe D. II. 1.). Wenn das zu Erwartende (Exspektanz) lediglich das rechtlich Vorbestimmte meint, das also, was binnenlogisch verpflichtend gilt, dann ist zunächst das Verständnis der Exspektanz eine Binnenverschleifung des strafrechtlichen Vermögensbegriffs mit den zivilrechtlichen Vermögensbegriffen, welche überdies keineswegs eindeutig sind1016. Das Strafrecht kommt aber, selbst wenn es wie Hefendehl fordert, Exspektanzen nur anhand zivilrechtlicher Herrschaft anerkennt, nicht umhin, die Prognostik anhand wirtschaftlicher, entnormativierter Maßstäbe, nötigenfalls durch Rekurs auf „das Bilanzrecht als Lösungsreservoir rechtssicherer Entnormativisierung“, vorzunehmen.1017 Sobald aber die Erwartung der Rechtsverwirklichung selbst als empirisches Faktum rangiert, spricht dies gegen die normative Restriktion auf nur rechtliche Exspektanzen.1018 1014

Labsch, S. 322. Einschränkend nach Maßgabe der personalen Vermögenslehre: Otto, Struktur des Vermögensschutzes, S. 46, 296. Einen Überblick über den Meinungsstreit gewährt Hefendehl, S. 33 ff. 1015 Hefendehl, S. 117 f. 1016 Zur Problematik des strafrechtlichen Rekurses auf die verschiedenen zivilrechtlichen Vermögensbegriffe vgl. nur Hefendehl, S. 123 ff. 1017 Dazu Hefendehl, S. 144, 193 ff. 1018 Im Rahmen der Prognose zeigt sich daher – ohne an dieser Stelle vertiefend darauf eingehen zu können – eine weitere Problematik eines normativen Schadensbegriffs: entweder diese bedient sich konkreter rechtstatsächlicher Prognosen bezüglich der Durchsetzbarkeit des Rechts bzw. der (zivil-)rechtlichen Herrschaft, wenn auch mit Hilfe des bereits wirtschaftlich „aufgefüllten“ Bilanzrecht. Recht prognostiziert sich selbst als Faktizität. Dann aber gerinnt die normativ errichtete Grenzziehung zur wirtschaftsempirischen Wirklichkeit, weil eine Subkategorie eingeführt wurde, die nicht mehr nur nach Recht/Nicht-Recht (Herrschaft/Nicht-Herrschaft) unterschiede, sondern nach statistischen Realisierungswerten und damit entnormativierten Werte. Oder aber der normative Schadensbegriff verharrt in einer normativen Prognostik. Dann aber bestünde die Gefahr sich mit der rechtlichen Möglichkeit des Anspruchs und Durchsetzbarkeit zu begnügen und die Effektivierung der Chance grundsätzlich kontrafaktisch zu fingieren. Damit würde dem konkreten Einzelfall nicht mehr Rechnung getragen werden, da eine Präzisierung von unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsgraden nicht möglich wäre. Ohne diese graduelle empirische Darstellung des Kontinuums von Chance und Verwirklichung fragte sich

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

Wenn das Recht nur sich selbst erwartet (so im ausschließlich normativen Verständnis einer Exspektanz), liegt darin zweifelsohne eine Restriktion, gleichzeitig aber auch eine wirtschaftsinadäquate Selbstbezüglichkeit, die im Falle des Vorteilsausgleichs bei § 266 StGB kontrafaktisch gegen den Täter zur Wirkung gelangt, wenn diesem ein Vorteilsausgleich realer wirtschaftlicher Werte in Form von (nicht rechtlich gesicherten) Erwerbschancen versagt wäre. Die Exspektanz als geldwerte Chance, d.h. reale Gewinnaussicht wird darum auch vom BGH dem Vermögensbestand zugerechnet.1019 Gewinnchancen als Vermögensvorteile zu berücksichtigen entspricht der wirtschaftlichen „Geschäftslogik“ und ist im Rahmen von Vermögensverwaltungstätigkeiten „lebensweltgerecht“.1020 Die wirtschaftliche Logik vergegenwärtigt in ihren Bewertungen zukünftige Ereignisse. Ob es um die Vorwegnahme von rechtlich gesicherten Exspektanzen oder um bloße Gewinnchancen, wie das Los, geht, ist nicht von Bedeutung, weil es jeweils nur auf den gegenwärtigen Wert einer mehr oder weniger wahrscheinlichen Erwartung ankommt.1021 Die Frage, welchen wirtschaftlichen Wert eine Chance besitzt, ist dann unproblematisch, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit exakt bekannt ist (siehe dazu schon D. II. 4. c) aa) (1)). So bestimmt sich der Wert einer unsicheren an sich werthaltigen Forderung durch Multiplikation des Nennwerts mit dem die Realisierbarkeit ausdrückenden Wahrscheinlichkeitsfaktor (also dem Produkt aus möglichem Gewinn und Eintrittswahrscheinlichkeit).1022 Im Übrigen kann die Orientierung an bilanzrechtlichen Konkretisierungen hilfreich sein. Das handelsrechtliches Bilanzrecht („Bilanz als Zukunftsrechnung“) kann insoweit als ratio cognescendi aufgefasst werden.1023 Eine von Hefendehl ausgearbeitete Differenzierung von personalisierter Exspektanz (vermögenswerte Exspektanzen in Bezug auf individualisierte dann aber, inwieweit die eigentliche Begriffsintension von „Exspektanz“ noch aufrechthaltbar ist. 1019 So BGHSt 17, 147 f.; 34, 390 f.; BGH GA 1978, S. 332 f. 1020 Saliger, HRRS 2006, S. 21; Schreiber/Beulke, JuS 1977, S. 659. 1021 Die Verrechnung der zeitlichen Brücke zwischen Ewartung und Effektivierung im Rahmen einer quantifizierbaren Prognose geht von Faktizitäten aus. Lotterielose stellen bereits aus Gründen wirtschaftlicher Bewertung keine tauglichen Kompensationsposten dar (dazu in Abschnitt D. II. 4. c) aa) (1)). Es überzeugt daher nicht, wenn Hefendehl bloße Gewinnchancen aus nichtökonomischen Gründen von exspektanzrelevanten Konstellationen ausgrenzt (siehe S. 201 ff.). 1022 Siehe zum Beispiel Schünemann, NStZ 2008, S. 432 m. w. N.; ders., Organuntreue, S. 35; Nack, StraFo 2008, S. 280. 1023 Hefendehl, S. 166 ff. m. w. N.; ders., in: MüKoStGB, § 263, Rn. 563 ff.; LKTiedemann, § 263, Rn. 172; LK-Schünemann, § 266, Rn. 134.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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Vertragspartner zum Beispiel im Rahmen von Vertragsanbahnungen) und Marktexspektanz (entindividualisierte Exspektanz in Bezug auf Marktregeln)1024 wird dann in ihrer Bedeutung abgeschwächt, wenn es wesentlich um die nach wirtschaftlichen Kriterien vorzunehmende Bewertung der Chance geht. Zu beachten ist dabei jedoch, dass personalisierte Exspektanzen durchaus Grenzfälle einer ökonomisch durchführbaren Bewertung darstellen können, da individuelles Willkürverhalten wirtschaftssystemlogisch nicht quantitativ antizipierbar ist. Geht es hingegen um rechtliche Handlungsmöglichkeiten des Treugebers, so ist ein wirtschaftlicher Wert einer derart personalisierten Exspektanz unproblematisch anzuerkennen, so zum Beispiel, wenn die Vertragsgegenseite bereits gemäß § 145 BGB ein Angebot unterbreitet hat, das nurmehr anzunehmen ist.1025 Im Übrigen ist bei Quantifizierungsmängeln auch auf die Bedeutung des „in dubio pro reo“-Grundsatz zu verweisen (vgl. unten bei D. II. 5. a) cc) (3) (c)). Was die an obiger Stelle ausgeführte normative Begrenzung des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs durch das Erfordernis prinzipieller Liquidierbarkeit (siehe D. II. 3. e)) angeht, so liegt dieses bei Geldvorteil versprechenden nicht-handelbaren Gegenleistungen wie zu erwartenden, zum Tatvollendungszeitpunkt einen kommensurablen Gegenwert besitzenden und daher hypothetisch veräußerbaren Zahlungsströmen grundsätzlich vor (dazu D. II. 3. e) dd) (2)). Die Forderung, ein erhoffter bzw. erwarteter Gewinn müsse, um kompensieren zu können, größer sein als der eingetretene Schaden1026, ist daher verfehlt führt zu Objektivitätsdefiziten (vgl. schon oben bei D. II. 3. b)). Beispiel: Der von den Banken garantierte Kapitalzins i. H. v. 10% ist dem Vermögensinhaber X zu gering. Er wendet sich an den Vermögensverwalter Y, der 100.000 e gewinnbringend anlegen soll. 20% des ausgezahlten Gewinns sollen dem Y zugute kommen. Y erwirbt einen exakt in einem Jahr mit einer Wahrscheinlichkeit von 90% zu erwartenden Zahlungsstrom (Cashflow) i. H. v. 130.000 e (die Wahrscheinlichkeit des Totalverlustes beträgt 10%). Abzüglich der Provision (6000 e) ergibt sich als Erwartungswert der Auszahlung 111.600 e (90% von 124.000 e). Der Wert dieser zu erwartenden Auszahlung ist jedoch auf den heutigen Zeitpunkt der Investition mit dem gängigen Kapitalzins (10%) auf 100.440 e abzuzinsen (Diskontierung). Dies entspricht dem heutigen Wert des (zu erwartenden) künftigen Zahlungsstroms. Weil der Einsatz um 440 e geringer 1024

Hefendehl, S. 231 ff., 249 ff. Siehe Rönnau, FS-Kohlmann, S. 256, Fn. 72. 1026 Siehe RG DR 1941, S. 1882; JW 1935, S. 2638. Befürwortend auch Schreiber/Beulke (JuS 1977, S. 659), obschon sie den und ungeklärten Maßstab sehen, der erforderlich ist, um den Umfang festzulegen, um den die Gewinnchance den Verlust übersteigern muss. 1025

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

ausfällt als der zu erwartende Kapitalrückfluss, liegt ein vorteilhaftes Geschäft vor. Andernfalls würde es sich um eine schadensgleiche Vermögensgefährdung handeln.

(2) Intrinsische Kompensationsgefährdung bei vorteilsgleichen Vermögenschancen (faktischen Exspektanzen) – Spiegelbildlichkeit zur schadensgleichen Vermögensgefährdung Eine Chance auf Vermögenszuwachs ist die notwendige Kehrseite zum Risiko investiertes Kapital zu verlieren. Die vermögenswerte Exspektanz (vorteilsgleiche Vermögenszuwachschance) ist das Spiegelbild zur schadensgleichen Vermögensgefährdung. Der Unterschied ist lediglich, dass bei einer vorteilsgleichen Vermögenschance die wirtschaftliche Gesamtbewertung des Chance-Risiko-Verhältnisses positiv, bei der schadensgleichen Vermögensgefährdung negativ ist. Immanent ist der schadensgleichen Vermögensgefährdung eine Wahrscheinlichkeit, dass eine Kompensation doch noch eintritt (intrinsische Kompensationswahrscheinlichkeit) (ausführlich dazu bei D. II. 4. b) cc) (1)). Demgegenüber birgt eine vorteilsgleiche Vermögenschance auch immer die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Chance nicht verwirklicht, sondern der Verlust eintritt (Wahrscheinlichkeit der Kompensationsgefährdung) (siehe auch D. II. 5. b)). Sie ist nicht gleichzeitig eine schadensgleiche Vermögensgefährdung, weil jene eine wirtschaftliche Negativbewertung des Postens (mit einer gleichwohl intrinsischen Kompensationswahrscheinlichkeit) voraussetzt. Es kommt also immer zunächst auf die wirtschaftliche Bewertung an. Vorteilsgleiche Vermögenschance mit Kompensationsgefährdung

Realisierung der Chance (Kompensation)

Realisierung der Vorteilsgefährdung (keine Kompensation)

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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(3) Beispiel: Kreditsicherheiten Klassisches Beispiel eines Risikogeschäfts ist die Kreditvergabe. Der Kreditgeber erwirbt an Stelle des ausgegebenen Kapitals den Rückforderungsanspruch einschließlich einer angemessenen Verzinsung, die den eigentlichen Vermögensvorteil (Gewinn) darstellt.1027 Die Höhe der Verzinsung bemisst sich an dem Kreditrisiko, für das sie ein Äquivalent schaffen soll.1028 Dabei darf der Zins (Kapitalmietpreis) nicht zu hoch sein, da er andernfalls das Ausfallrisiko verschärft. Da die Tilgungs- und Verzinsungsverpflichtung ganz ausfallen kann, bedarf es einer das Gesamtrisiko abdeckenden Kreditsicherheit, die bei ihrem tatsächlichen Vorhandensein1029 und entsprechender Werthaltigkeit und Liquidierbarkeit den Ausschluss einer schadensgleichen Vermögensgefährdung bewirken kann.1030 Wird also pflichtwidrig einem insolventen Schuldner ohne hinreichende Kreditsicherung ein Kredit gewährt, so liegt nach weitläufiger Auffassung in dem kompensationslosen Erwerb eines unzureichend gesicherten Rückzahlungsanspruch eine schadensgleichen Vermögensgefährdung.1031 Kreditsicherungen selbst stellen ungeachtet ihres kompensatorischen Wertes gleichwohl immer auch lediglich Vorteilschancen dar, denen eine gewisse eigene Kompensationsgefährdung anhaftet. So ist nicht endgültig sicher, ob die Sicherungshypothek oder -grundschuld im Falle einer Insolvenz des Schuldners wirklich zu einem Erlös führt, der die Verluste des Kreditgebers kompensie1027 Es handelt sich um einen Verkauf von Geld gegen Geld, d.h. um einen reflexiven Geldmechanismus, Luhmann, Soziologische Aufklärung, S. 216. 1028 OLG Stuttgart, Die Justiz 1964, S. 269 f. 1029 Zu fehlenden ausbedungender Sicherheiten: BGH wistra 1988, S. 188; 1993, S. 265; BGH NStZ 1996, S. 191; OLG Köln, NStZ 2000, S. 481. 1030 Siehe BGH NJW 1979, S. 1512; BGH wistra 1994, S. 67; BGHSt 17, 148; BGH Sparkasse 1960, S. 147 („Die Stufe einer flüchtigen wirtschaftlich noch nicht faßbaren Hoffnung muss überschritten sein“); Ayasse, S. 68; Lackner/Kühl, § 263, Rn. 41, 36a; Schmitt, BKR 2006, S. 130 f.; Müller-Gugenberger/Bieneck-Nack, § 66, Rn. 69 ff., zur Notwendigkeit sofortiger Realisierbarkeit der Sicherheiten: a. a. O., S. 122 m. w. N.; BGH, wistra 2000, S. 350. 1031 BGHSt 47, 156 f.; Nack, StraFo 2008, S. 279; siehe schon RGSt 4, 170; 16, 11, wobei das Reichsgericht schon im Forderungserwerb eine effektive Beeinträchtigung des Vermögensstandes sieht. Ein effektiver Vermögensschaden liegt jedoch erst bei Auszahlung der Darlehensvaluta vor; der Abschluss des Kreditvertrags stellt, wenn er die unausweichliche Pflicht zur Darlehensvalutierung statuiert, einen Schaden aufgrund schadensgleicher Vermögensgefährdung dar, so Cramer S. 137, 145 f., 176. Eine Rechtfertigung einer aufgrund fehlender Kreditsicherung begangenen schadensgleichen Vermögensgefährdung kommt indes beispielsweise in Betracht, wenn beispielsweise im Rahmen einer Kreditvergabe auf Sicherheiten verzichtet wird, um eine durch eine Naturkatastrophe in Not geratene Familie zu unterstützen.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

ren wird. Entsprechendes gilt für einen Sanierungskredit als Sicherung eines Erstkredits.1032 Der BGH hat in einer neueren Entscheidung zur Untreuestrafbarkeit von Kreditvergaben nunmehr einen endgültigen Vermögensverlust angenommen, wenn es zum Zeitpunkt an nicht hinreichend verwertbaren Sicherheiten für den Fall der Nichtrückführung des Kredits mangelt.1033 Diese Auffassung verkennt, dass, solange trotz eines Negativsaldos eine Kompensation (durch eine nicht ganz unwahrscheinliche Realisierung eines kompensierenden Darlehensrückzahlungsanspruches oder stattdessen einer kompensierenden Sicherheitsverwertung) nicht gänzlich ausgeschlossen ist, begrifflich eine schadensgleiche Vermögensgefährdung und noch kein effektiver Schaden vorliegen kann, solange das Institut der schadensgleichen Vermögensgefährdung in funktionaler Sicht Bedeutung beanspruchen soll. Denn immanent ist jeder Kreditgewährung – im Gegensatz zu endgültigen Schadenseintritten – eine Wahrscheinlichkeit, dass eine Kompensation (doch noch) eintritt (intrinsische Kompensationswahrscheinlichkeit) (ausführlich dazu bei D. II. 4. b) cc) (1)). (4) Beispielsfall „Berliner Banken-Skandal“ Die Feststellung eines Vermögensschadens in der Form einer schadensgleichen Vermögensgefährdung setzt auch bei einer Kreditvergabe eine umfassende Berücksichtigung aller unmittelbar aus der pflichtwidrigen Kreditvergabe resultierenden Vermögensnachteils- und -vorteilsposten im Wege der Gesamtsaldierung voraus. Diesem verfassungsmäßig gebotenen Grundsatz wurde in dem Urteil des Landgerichts Berlin sowie dem bestätigenden Beschluss des BGH im „Berliner Banken-Skandal“ nicht entsprochen, was richtigerweise zur Aufhebung der Entscheidungen durch das Bundesverfassungsgericht führte.1034 Eine Gesamtsaldierung, die einer umfassenden wirtschaftlichen Betrachtung entspricht, hätte es geboten, dem aufgrund von Bonitätsmängeln des Schuldners und eines zu erwartenden Forderungsausfall abschreibungspflichtigen Umlaufvermögens (siehe §§ 253 Abs. 4 S. 1 und 2, 340e Abs. 1 S. 2 HGB) nach einer hinreichenden wirtschaftlichen Analyse auch alle im Einzelfall in Betracht kommenden Vorteilsposten ge1032 Ein Neukredit stellt dann einen Vermögensschaden dar, wenn die Summe aus dem Wert der Chance auf Rückzahlung des Neukredits und dem Wert der Chance auf Rückzahlung des Altkredits kleiner ist als die Valuta des Neukredits: MüllerGugenberger/Bieneck-Nack, § 66, Rn. 132. 1033 BGH, BeckRS 2009, 24828, Rn. 25 (Urteil vom 13.08.2009 – 3 StR 576/08). 1034 BVerfG, 2 BvR 2559/08, Beschluss vom 23.6.2010, Absätze 136 ff., 149; zum Sachverhalt siehe Einführung (Abschnitt A.); zur Pflichtwidrigkeit von Kreditvergaben siehe C. IV. 6. c).

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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genüber zu stellen. Darunter fallen – im vorliegenden Fall – insbesondere der Barwert aller voraussichtlich erzielbaren künftigen Zins- und Tilgungszahlungen sowie sämtliche verwertbare Sicherheiten und etwaige Rückgriffsmöglichkeiten als vorteilsgleiche Vermögenschancen. Die Darlegung der Vorteilsposten und damit auch ein hinreichend konkreter Schaden wurden durch die Vorinstanzen nicht in „wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise“ dargestellt. Vielmehr haben sie die aus der Pflichtwidrigkeit resultierende Gefährdung als solche unter Umgehung einer wirtschaftlichen Analyse als dominierenden Negativposten schlechtweg unterstellt.1035 Folgerichtig konnte die Verurteilung nicht aufrechterhalten werden. bb) Immaterielle Unternehmensvorteile Das Reichsgericht folgte dem Grundgedanken, dass im „System der Geldwirtschaft jeder Wert in Geld ausgedrückt werden kann“.1036 In einer modernen Wirtschaft dürfte in nicht unwesentlichen Fallkonstellationen allerdings Realität sein, dass nach Maßgabe wirtschaftlicher Logik Gegenleistungen wirtschaftlicher Wert beigemessen wird, obschon es sich dabei offenbar um einen (noch) nicht unmittelbar durch Geld quantifizierbaren Wert handelt. Die Bestimmung des Vermögensschadens unter Ausklammerung oder – wie am Beispiel auch neuerer Rechtsprechung zu zeigen ist – nicht hinreichender Berücksichtigung solcher Vorteile erscheint in Anbetracht des hier zugrunde liegenden wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriffs unterkomplex. Im Folgenden soll ein Spektrum möglicher – aber aufgrund des dynamischen und sich stets neu ausdifferenzierenden Wirtschaftssystem nicht abschließend zu nennender – immaterieller Unternehmensvorteile betrachtet werden, die sich primär nicht oder nicht hinreichend als Geldwert beziffern lassen. Im Anschluss daran geht es um die Frage wie trotz dieses Quantifizierbarkeitsmangels eine Berücksichtigung solcher wirtschaftlichen Vorteile als konkrete Vermögensvorteile im Rahmen der Gesamtsaldierung bei § 266 StGB praktikabel sein kann. (1) Marktstellung Identität und Gewinnerzeugungsrationalität entwickeln Wirtschaftsunternehmen in Märkten, dem Einkauf-, Absatz-, Finanzierungs- und Personalmarkt.1037 In jedem dieser Märkte müssen sich Unternehmen positionieren und integrieren. 1035 1036 1037

Vgl. BVerfG, 2 BvR 2559/08, Beschluss vom 23.6.2010, Absatz 146, 154 f. RGSt 44, 233. Luhmann, Soziologische Aufklärung, S. 220.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

Die strategische langfristige Marktimplementation des Unternehmens durch Selbstausrichtung und Selbstpositionierung macht zur Sicherung oder zum Erwerb von Wettbewerbsvorteilen Adaptions- und Reintegrationsmaßnahmen erforderlich. Stete wirtschaftliche Entwicklungen und Veränderungen verlangen Umstrukturierungen zur Anpassung an neue Gegebenheiten des Marktes, gerade innerhalb einer sich globalisierenden Ökonomie, sowie die permanente strategische Optimierung dieser Marktstellung zur Sicherung und Ausweitung der Gewinnpotentiale.1038 Deshalb kann es eine Vielzahl von unternehmerischen Maßnahmen geben, die zwar selbst nicht primär auf die Gewinnerzeugung gerichtet sind, jedoch die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Grundlagen für eine Optimierung einer Marktstellung schaffen oder aufrechterhalten und darin ihren wirtschaftlichen Wert wiederfinden. So können beispielsweise Portfolioumstrukturierungen bei der Angebots- oder Produktpalette oder Spezialisierungsmaßnahmen wie das Abstoßen von gewinnhaltigen Unternehmensteilen oder Geschäftsfeldern (Outsourcing etc.) zum Aufbau aussichtsreicher spezialisierter Aktivitäten („Konzentration auf Kerngeschäftsfelder“1039), oder die Ausweitung der Unternehmenstätigkeit auf neue Leistungsbereiche (Diversifizierung), insbesondere die Entwicklung neuer Produktgruppen auf neuen Märkten sowie nicht zuletzt die Schaffung divisionalisierter Unternehmensbereiche1040 Unternehmensvorteile schaffen, die sich als Markt- bzw. Marktpositionierungsvorteile beschreiben lassen. (2) Marketing und Reputation Vermarktungsvorteile lassen sich auch durch Kommunikation mit potentiellen Kunden (Marketingkommunikation) erreichen, wie zum Beispiel durch Werbemaßnahmen.1041 Ein Unternehmensvorteil liegt insoweit in dem Potential zu erwartender vermehrter Geschäftsabschlüsse, d.h. der Ausweitung des Kundenkreises.1042 Neben der eigentlichen Werbung für das Produkt umfasst Marketingkommunikation auch den Non-Profit-Aufwand eines Wirtschaftssubjekts, welches als Sponsor, Mäzen, Schirmherr o. Ä. in die Öffentlichkeit tritt. Der wirtschaftliche Zweck der in der modernen Wirtschaft für Unternehmen 1038 Zur Vorteilhaftigkeit bestimmter Marktpositionen siehe zum Beispiel OLG Frankfurt, NStZ-RR 2004, S. 245. Grundsätzlich dazu Brinkmann, S. 119; Thomas, FS-Riess, S. 802; Taschke, FS-Lüderssen, S. 667; Bernsmann, GA 2007, S. 232. 1039 Siehe Thomas, FS-Riess, S. 801. 1040 Dazu Ansoff, HBR 1957, S. 113. 1041 Zum Begriff und zu den Instrumenten der Marketingkommunikation ausgiebig Nuß, S. 14 ff., 32 ff. 1042 So schon RGSt 71, 334; Taschke, FS-Lüderssen, S. 667.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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notwendigen Non-Profit-Kommunikation liegt in der Steigerung der sozialen Akzeptanz bzw. des Ansehens des Unternehmens als „good corporate citizen“ („standing“, „Public Relations“, „Corporate Reputation“, „Cultural Value“), der medialen Präsenz, der Integration des Unternehmens in politische Entscheidungsprozesse („Lobbyarbeit“ durch Parteispenden), in einer Steigerung des guten Rufs (Ansehen, Reputation) oder im Ausbau und der Verfestigung gesellschaftlicher Repräsentanz innerhalb von sozialen Beziehungsnetzen („networking“).1043 Solche Vorteile innerhalb der gesellschaftlichen Positionierung des Wirtschaftsakteurs können dann wiederum als potentielle Kundenakquise oder als ‚Klimapflege in Bezug auf Entscheidungsträger bzw. anderweitige Kooperationspartner interpretiert werden. In diesen Bereich des Non-Profit-Aufwands können auch rechtsgrundlose Zahlungen fallen. Freiwillige Opferentschädigungen (wie zum Beispiel der Deutschen Bank AG an Mittelstandsunternehmen, die Opfer des Konkursfalles „Jürgen Schneider“ wurden, oder wie die in der ihrer Höhe oberhalb der Rechtspflicht liegende Opferentschädigungen der Deutschen Bahn AG beim Zugunglück von Eschede) sowie effektive Sanierungszahlungen an Geschäftspartner (wie strategisch wichtige Kunden oder Zulieferer) zur Steigerung des guten Rufes in der Branche und zur Erhöhung der Chance bei „eigenen Insuffizienzen“ von anderen ebenfalls rechtlich nicht zwingende Hilfeleistungen erwarten zu können erzeugen möglicherweise einen möglichen Unternehmensvorteil in Gestalt von Reputationssteigerungen.1044 Entsprechend verhält es sich bei einem der Verlässlichkeit dienenden Einhalten von Absprachen, die rechtlich (beispielsweise aufgrund von Formmängeln) nicht abgesichert sind1045, deren symbolischer Wert aber darin liegt, dass wirtschaftliche Usancen jenseits des Rechts beachtet werden, was nicht nur das Geschäftsklima des Unternehmens verbessern kann, sondern auch dazu führen kann, dass das Unternehmen in einem zukünftigen Fall seinerseits von der Einhaltung wirtschaftlicher Usancen profitiert.

1043 BGH NJW 2002, S. 1585; Nuß, S. 169 ff., 654; Otto, FS-Kohlmann, S. 200 f.; Barnes Städler/Bircher/Streiff, S. 20 ff.; Westermann, ZIP 1990, S. 774; Brinkmann, S. 126 ff.; Thomas, FS-Riess, S. 802; Park-Zieschang, Teil 3, Kapitel 2, T1 § 266, Rn. 78, Fn. 162; Beckemper, NStZ 2002, S. 326; Laub, AG 2002, S. 309 m. w. N.; Sauer, wistra 2002, S. 466; LK-Schünemann, § 266, Rn. 95. Systemtheoretisch fundiert auch Luhmann, Wirtschaft der Gesellschaft, S. 107. 1044 Thomas, FS-Riess, S. 802 f. 1045 Zu einem Beispiel einer unter unzureichender Risikoabwägung „vorschnell“ erteilten Kreditzusage, siehe Thomas, in: FS.Riess, S. 803, Fn. 38.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

(3) Beispiel: Unternehmensvorteile durch Bestechungszahlungen (z. B. „Siemens-Korruptionsaffäre“) Die Zahlung von Schmiergeldern bzw. Gewährung einer Provision an den Geschäftspartner des Treugebers stellt dann keine Pflichtverletzung dar, wenn sie den Treugeber prinzipiell nicht schlechter stellt. Das ist der Fall, wenn sie notwendig ist, um einen relativ optimalen Gewinn (siehe C. IV. 3. c) aa), C. IV. 3 c) bb) (4)) zu erzeugen. Ist beispielweise der Geschäftspartner – ohne dass es sich um eine kollusive Absprache handelt (zu deren Pflichtwidrigkeit C. III. 3. c) cc)) – nur bereit die insgesamt wirtschaftlich vorteilsbringende Gegenleistung bei einer Schmiergeldzahlung zu erbringen, so führt mangels erworbener Anwartschaft auf eine alternative Gewinnaussicht die Zahlung von Schmiergeld oder Provision an den Geschäftspartner zu Lasten des Treugebers nicht prinzipiell zu einer Vermögensschädigung.1046 Vielmehr kommt es allein auf die Saldierung der Vermögensposten an (zur Verschleifung von Pflichtwidrigkeits- und Schadensebene bei Ermessenshandlungen C. IV. 2. d) aa) (4), C. IV. 2. d) cc) (3)). Entscheidend ist die Frage, ob Bestechungszahlungen nach Maßgabe wirtschaftlicher Logik Unternehmensvorteile generieren können, die im Rahmen der Gesamtsaldierung verrechenbar sind. Wenn das LG Darmstadt feststellt, dass im Siemens-Korruptionsfall (zum Sachverhalt siehe Einführung) „der Auszahlung der Bestechungsgelder sofort eine erhebliche schadensgleiche Vermögensgefährdung“ gegenüberstand, „sodass das Erlangen des Auftrags den Vermögensverlust durch die Auszahlung der Bestechungsgelder nicht kompensierte“ (LG Urteilstext, Rn. 149) übergeht es apodiktisch sämtliche denkbaren Vorteile, die dem Unternehmen trotz drohender zivilrechtlicher Zahlungen und drohenden Gewinnverfalls vermögenswert und damit kompensationstauglich durchaus erwachsen sein konnten. So können Bestechungszahlungen – aus rein wirtschaftlicher Sicht – als vorteilhaft für spezifisches Wirtschaften des Unternehmens auf Auslandsmärkten zu dessen Erschließung angesehen werden und dadurch den Wert der Marktstellung und von Geschäftsbeziehungen 1046 Entsprechend BGHSt. 49, 332 f., 335; 47, 298; BGH NStZ 2001, S. 545; BGH StV 1995, S. 303; Bernsmann, StV 2005, S. 577; LK-Schünemann, § 266, Rn. 125 d; NK-Kindhäuser, § 266, Rn. 85 ff. Aus diesem Grund werden auch die Entscheidungen zum „Kölner Müllskandal“ sowie „System Schreiber“ kritisiert, die diesen wirtschaftlichen Kausalzusammenhang unberücksichtigt lassen, indem insbesondere eine regelmäßige Gleichsetzung zwischen Schmiergeldaufschlag und Vermögensnachteil des Geschäftsherrn erfolgt: siehe dazu insbesondere Saliger, NJW 2006, S. 3378 f.; Schünemann, NStZ 2006, S. 200 f.; Wegner, PStR 2005, S. 45. Auch schon das OLG Frankfurt (NStZ-RR 2004, S. 245) deutete dementsprechend an, dass dem Treugeber des Schmiergeld Zahlenden dann kein Schaden entstehe, wenn durch die verschleierten Zuwendungen langfristig ein Gewinn erzielbar ist.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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mit der Aussicht auf Folgegeschäfte erhöhen.1047 Auch zu einem wirtschaftlichen Plus kann etwa ein Bestechungsaufwand führen, wenn er „politische Landschaftspflege“1048 ermöglicht und zukünftiges Wohlverhalten von Entscheidungsträgern fördert, die für die unternehmerische Gewinntätigkeit relevant sind (zu Vergünstigungen von Betriebsratsmitgliedern, siehe D. II. 5. a) bb) (8)). (4) Beispiel: Unternehmensvorteile durch Sponsoring Ein Sonderfall der Marketingkommunikation ist das Sponsoring. Das Unternehmen vergibt geldwerte Förderleistungen (Unternehmensspenden) für sozial bedeutende Einrichtungen oder Personen zum Zwecke der Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit. Eine solche „Beteiligung am Sozialleben“ durch Sponsoring steht grundsätzlich im ökonomischen Interesse von Unternehmen.1049 Verbunden mit einer auf Marketing- oder Reputationssteigerung bedachten unternehmerischen Spendenpolitik, können auch steuerliche oder altruistische Zwecke verfolgt werden. Steuerliche und damit unmittelbar geldwerte Vorteile erlangt das Unternehmen etwa bei Spenden an gemeinnützige Organisationen. Im Falle einer altruistischen Spendenpolitik (Mäzenatentum) steht hingegen der unmittelbare Vermögensvorteil nicht im Vordergrund. Das Vorliegen eines Unternehmensvorteils durch die Verfestigungen des „good will“, d.h. einer Stabilisierung der für den Unternehmenserfolg wichtigen Bezugsgrößen in der sozialen Umwelt des Unternehmens ist dennoch grundsätzlich auch hier möglich.1050

1047

Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 62, Fn. 25 m. w. N., S. 75; Weimann, S. 25 ff.; Park-Zieschang, Teil 3, Kapitel 2, T1 § 266, Rn. 76; Achenbach/Ransiek-Seier, HWSt, V 2, Rn. 360. Es wäre auch wirtschaftlich völlig unnachvollziehbar, wie der Siemens-Konzern zwischen 1996 und 2006 umgerechnet rund 1,3 Milliarden Euro Bestechungszahlungen geleistet hat (siehe zum Beispiel Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 15. Dezember 2008, S. 1, 16), ohne von spezifischen Vorteilserwartungen geleitet worden zu sein. Zur positiven Geschäftsentwicklung als kompensationsfähiger unmittelbarer (Exspektanz-)Vorteil auch Beulke/Schreiber, JuS 1977, S. 660; Lüderssen, FS-Müller-Dietz, S. 469 f. 1048 Siehe http://www.sueddeutsche.de/politik/502/393292/text/ (SZ vom 21.5. 2007) im Zusammenhang mit einem am LG Köln anhängig gewesenen Verfahren gegen Eon und RWE, die jahrelang Aufsichtsräte kommunaler Energieunternehmen zu luxuriösen Lustreisen eingeladen haben sollen. 1049 Eingehend BGHSt 47, 192 ff. m. w. N. Siehe auch LG Nürnberg-Fürth, Az. 3 KLs 501 Js 1777/2008 („AUB-Affäre“), Urteilstext S. 54 f. Zum Begriff des Sponsorings und den vielfältigen Erscheinungsformen Nuß, S. 79 ff. 1050 So auch BGHSt 47, 193, 194 f.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

(a) Pflichtwidrigkeit Die (gesellschafts-)rechtliche Unzulässigkeit des Sponsoring hänge nach den vom BGH aufgestellten Kriterien einer „gravierenden Pflichtverletzung“ von einer fehlenden Nähe zum Unternehmensgegenstand, einer Unangemessenheit hinsichtlich der Ertrags- und Vermögenssituation, einer mangelnden innerbetrieblichen Transparenz bzw. einer sachwidrigen Motivationslage, zum Beispiel ausschließlich persönliche Zwecksetzungen, ab.1051 Diese unbestimmte Rechtssprechung lässt, wie bereits an obiger Stelle kritisch betrachtet wurde (C. IV. 2. b)), die Grenze des Sponsoring zu untreuerelevantem Verhalten jedoch schwer ziehen.1052 Durch Anwendung des funktionalen Kriteriums zur Bestimmung der Pflichtwidrigkeit bei Ermessenshandlungen kann im Falle des Sponsorings eine abstrakte Schadenserzeugungslogik zunächst in einer prinzipiellen Nichtkompensation gesehen werden, beispielsweise wenn einverständnislos Mäzenatentum im Sinne unentgeltlicher Zuwendungen ohne zu erwartende kompensierende Gegenleistung (z. B. aufgrund fehlender Publizität) betrieben wird. Dabei kann die Zulässigkeit auch nicht durch einen bloßen Verweis auf die eventuelle Gemeinnützigkeit jenseits vorteilsbringender Imagegewinne begründet werden1053 (zur Irrelevanz der ‚Außer-Wirtschaftssystemlogik‘, vgl. C. IV. 5. c)). Auch im Sinne einer Schadenserzeugungslogik stehen formelle Pflichtverletzungen mit materiellem Indiz (siehe dazu C. IV. 4. c)), namentlich wenn sorgfältige Prüfungen des Sponsoring-Vorhabens unterlassen werden, eine unternehmensinterne Publizität gänzlich fehlt oder der Spendenempfänger in einem Anlass zu einem Missbrauchsverdacht stehenden privaten Verhältnis zum spendenden Unternehmensorgan, d.h. in formal nicht nachvollziehbarem Verhältnis zum Unternehmensgegenstand steht1054, zum Beispiel wenn der Träger des gemeinnützigen Projekts ein Familienmitglied ist.1055 Alle Umstände gehen – vorbehaltlich einer entsprechenden Befugnis – jedenfalls nicht prinzipiell mit einem Unternehmensinteresse konform und stehen daher auch außerhalb des an sich weiten Ermessens des Vorstands oder Geschäftsführers. 1051 Siehe BGHSt 47, 193 ff., 197 m. w. N.; Fleischer, AG 2001, S. 179. Kritisch zum Verweis auf die Ertrags- und Vermögenslage vgl. schon oben in Abschnitt C. IV. 2. b). 1052 Siehe insbesondere Samson, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2004, S. 118 ff. 1053 Siehe auch Otto, FS-Kohlmann, S. 195 f.; anders aber Sauer, wistra 2002, S. 466. 1054 Dazu auch Nuß, S. 300 ff.; siehe auch Tiedemann, FS-Weber, S. 324. 1055 Vgl. auch BGHSt 47, 195 ff.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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Fehlt es an einer solchen von vornherein festzustellenden prinzipiellen Schadenserzeugungslogik des im Ermessen getätigten „Sponsorings“, so kommt es allein auf die Saldierung der Vermögensposten an (zur Verschleifung von Pflichtwidrigkeits- und Schadensebene bei Ermessen, siehe C. IV. 2. d) aa) (4), C. IV. 2. d) cc) (3)). (b) Schaden Stellt sich das Spenden als pflichtwidrig heraus (zum Beispiel auch, weil der Treugeber Sponsoring ausdrücklich ausgeschlossen hatte), oder ist bereits auf der Pflichtwidrigkeitsebene ein Vorgriff auf die Schadensebene unumgänglich, bedarf es einer konkreten Saldierung der Auszahlung und den wirtschaftlich erlangten Vorteilen. Nicht hinreichend ist es dabei aus der Pflichtwidrigkeit des Sponsoring, etwa weil rein private Interessen verfolgt wurden bzw. es an der formal gebotenen Transparenz des Spendenverfahrens mangelte1056, auf einen Vermögensschaden zu schließen.1057 Im Falle der Pflichtwidrigkeit muss sich, um einer Untreuestrafbarkeit zu entgehen, der Unternehmensvorteil vielmehr als Vermögensvorteil ausweisen lassen. Richtigerweise stellt der BGH fest, dass sich Gewinnstreben und soziales Engagement des Unternehmens, etwa durch Sponsoring, zueinander komplementär verhalten können, wobei der wirtschaftliche Nutzen in vielen Fällen nicht exakt bestimmbar ist.1058 Der Quantifizierungsmangel ändert aber nichts daran, dass mit den mit Sponsoring und Mäzenatentum verbundenen gesellschaftlichen Effekten grundsätzlich ein für die Unternehmung vorteilhaftes Soziales Kapital verbunden sein kann. Der wirtschaftliche Zweck der in der modernen Wirtschaft für Unternehmen notwendigen Non-ProfitKommunikation liegt in der Steigerung der sozialen Akzeptanz („standing“), des Ansehens des Unternehmens als „good corporate citizen“ („Corporate Reputation“ und „Cultural Value“), der medialen Präsenz, der Integration des Unternehmens in politische Entscheidungsprozesse („Lobbyarbeit“ durch Parteispenden), in einer Steigerung des guten Rufs oder im Ausbau und der Verfestigung gesellschaftlicher Repräsentanz innerhalb von sozialen Beziehungsnetzen.1059 1056 Siehe BGHSt 47, 197 ff. Weitergehend nimmt der BGH auch eine Pflichtverletzung wegen unzureichender Berücksichtigung der Ertrags- und Vermögenslage an. Der Rekurs wurde an obiger Stelle kritisiert (siehe Abschnitt C. IV. 2. b)). 1057 Wenn der BGH aus dem „Fehlen objektiver Gesichtspunkte für die Annahme einer der Formen des Sponsoring“ und den „Umständen der Beschaffung und der Verwendung“ des Spendengeldes auf den Ausschluss eines ideellen und möglicherweise kompensierenden Vermögensvorteils schließt, dann liegt, ungeachtet der Richtigkeit der Entscheidung, ein solcher strukturwidriger Rückschluss nahe. 1058 BGHSt 47, 194; Thomas, FS-Riess, S. 802; Fleischer, AG 2001, S. 174.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

Es sind daher unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Umstände alle im Einzelfall zu erwägenden Vorteile für den Treugeber zu eruieren, die sich im Rahmen des Sponsorings ergeben können. (5) Kapitalakquise Die Finanzierung von Unternehmen kann durch Eigenkapital, z. B. durch die Leistungen der Gesellschafter oder durch Fremdkapital, z. B. mittels Kreditaufnahme oder Anleihen gewährleistet werden. Benötigt ein Unternehmen (zusätzliches) Eigenkapital, so bedarf es Eigenkapitalgeber (Investoren), wie beispielsweise den Aktionären bei Aktiengesellschaften. Der Gewinnung einer langfristigen und günstigen Möglichkeit von Eigenkapital dienen dabei „investor relations“ als Gesamtheit strategisch angelegter, kommunikativer, vertrauensschaffender Maßnahmen mit dem Ziel langfristiger Steigerung der Rendite („Kapitalgeberpflege“). Die Orientierung an der Steigerung der Eigenkapitalrendite („Shareholder-Value“-Konzept), ist insoweit nicht nur eigentliche Treupflicht gegenüber dem Anteilseigner (Treugeber), sondern dient zugleich dazu das Potential an Kapitalgebern auszubauen. Der unternehmerische Vorteil von Eigenkapitalpotentialen liegt dabei im Erwerb von Wettbewerbsvorteilen sowohl in Form einer Verringerung von Kapitalkosten als auch einer Finanzmittelsicherung.1060 Um optimale Börsenkapitalisierung zu gewährleisten, strebt die Gesellschaft einen mindestens ihrem Wert entsprechenden Börsenkurs an. Hierzu sind insbesondere Medialisierungskampagnen (Anzeigen in der Presse oder sogenannte „road-shows“) als vorwiegendes Instrumentarium zur „Verbesserung des ‚standings‘ des Unternehmens im Kapitalmarkt“1061 dienlich. Aufwendungen zugunsten der Kapitalausstattung bringen nicht unmittelbar einen Vermögensgewinn ein, befördern aber die Kapitalausstattung unter Berücksichtigung der kapitalmarktspezifischen Voraussetzungen als „maßgebliche Ressource“ für „Wachstum und Ertrag“. Zudem fungiert der Aktienkurs bei Unternehmensgeschäften (zum Beispiel beim Erwerb anderer Unternehmen) als eine Art „Währung“, wenn die Zahlung mit eigenen Aktien erfolgt. Je 1059 BGH NJW 2002, S. 1585; Nuß, S. 169 ff., 654; Otto, FS-Kohlmann, S. 200 f.; Barnes Städler/Bircher/Streiff, S. 20 ff.; Westermann, ZIP 1990, S. 774; Brinkmann, S. 126 ff.; Thomas, FS-Riess, S. 802; Park-Zieschang, Teil 3, Kapitel 2, T1 § 266, Rn. 78, Fn. 162; Beckemper, NStZ 2002, S. 326; Laub, AG 2002, S. 309 m. w. N.; Sauer, wistra 2002, S. 466; LK-Schünemann, § 266, Rn. 95. Systemtheoretisch fundiert auch Luhmann, Wirtschaft der Gesellschaft, S. 107. 1060 Dazu Serfling/Großkopff/Röder, AG 1998, S. 272 ff. Zum Gewinnstreben zum Zwecke der Eigenkapitalrenditesteigerung im Rahmen des Shareholder-ValueKonzepts: Rappaport, S. 39, 71 ff.; Afra/Aders, S. 99 ff. 1061 Thomas, FS-Riess, S. 804.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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nach Höhe des Aktienkurses steht dem Unternehmen ein unterschiedlicher wirtschaftlicher Handlungsrahmen zur Verfügung. Aufwendungen, die zwar nicht der Gewinnerzielung dienen jedoch den kapitalmarktimmanenten Wert der Gesellschaft steigern, sind daher vorteilhaft.1062 (6) Produktivität des Personals (Motivation, Know-How etc.) Da Mitarbeiter nicht bloße Wirtschaftssubjekte oder gar bloße Kostenfaktoren sind, sondern Personen (psychische Systeme), die mit ihrer Persönlichkeit in Unternehmen integriert werden müssen, ist die Berücksichtigung individueller und sozialer Belange grundsätzlich bedeutsam für eine gewinneffiziente Personalpolitik.1063 Dabei ist die Produktivität des Personals nicht nur abhängig von dessen Loyalität, Motivation oder allgemeinem „Wohlwollen“, sondern auch von Know-How and Kompetenz. Unstreitig gehören Know-How, Bildungsstand und fachliche Qualifikationen der Mitarbeiter eines Unternehmens zu dessen „intellektuellem Kapital“ als wertbestimmendem Faktor.1064 Intellektuelles Kapital stellt für unternehmerische Lernprozesse (siehe dazu auch C. IV. 6. a)) einen nachhaltigen Konkurrenzvorteil dar.1065 Quantitative oder qualtitative Verbesserungen dieses Faktors, etwa durch Aus- oder Fortbildungsmaßnahmen können daher immaterielle Unternehmensvorteile darstellen, die im Rahmen einer Saldierung grundsätzlich nicht außer Acht zu lassen sind. In diesem Zusammenhang stehen auch für Unternehmen vorteilhafte Beratungsleistungen externer Fachleute, die ihr Know-How dem Unternehmen verkaufen.1066

1062

Thomas, FS-Riess, S. 804. Siehe Barnes Städler/Bircher/Streiff, S. 21 f. Psychische Systeme und Soziale Systeme stehen im Verhältnis einer sog. Interpenetration, d.h. die eigene systemische Komplexität (hier: psychische Systeme) ist Voraussetzung des Aufbaus eines anderen Systems (hier: das Wirtschaftssystem oder des Wirtschaftsunternehmens als partizipierendes System). Siehe dazu: Luhmann, Soziale Systeme, S. 289 ff.; ders., Recht der Gesellschaft, S. 444; Hutter/Teubner, S. 118 ff., 132 ff. 1064 Siehe etwa BGH NJW 1997, S. 68. Vgl. auch BGHSt 45, 5 f.; Saliger, ZStW 112 (2000), S. 605 f. Zur Entmaterialisierung des Eigentumsbegriffs in seiner Anwendung auf die „Ideenpopulation“: Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, S. 198 f. 1065 Barnes Städler/Bircher/Streiff, S. 21 f. 1066 Siehe zum Beispiel Schork/Gross zu Sanierungsberatern (EWiR 2005, S. 519 f.). Unberücksichtigt lässt dies das Reichsgericht, wenn es in der Einstellung eines „Propagandachefs“ (PR-Beraters) durch den kaufmännischen und Verwaltungsleiter eines Vereins einen Nachteil „ohne weiteres aus der Art der Handlung“ herleitet (RGSt 68, 374). 1063

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

(7) Beispiel: Unternehmensvorteile durch Sonderboni für Manager (a) Ökonomische Vorteilsposten durch Sonderboni Die ökonomische Rechtfertigung von Vergütungen ist primär die Gegenleistung in Form von Arbeitsleistung. Erworbenen Arbeitsleistungen haben grundsätzlich einen Marktpreis, der aber aufgrund der Individualität von Unternehmen, Aufgabenfeld und Mitarbeitern in den meisten Fällen nicht punktgenau beziffert werden kann, aber innerhalb eines Spektrums liegt und daher gleichwohl als Geldwert quantifizierbar ist. Unternehmens- und produktivitätsbezogenen Zusatzleistungen (wie z. B. Gewinnbeteiligungen) und Sondervergütungen sowie anderen variablen Vergütungsbestandteilen (z. B. Aktienoptionen) im Rahmen unternehmerischen Ermessens steht jedoch regelmäßig keine Gegenleistung gegenüber, deren Marktpreis (Geldwert) ohne Weiteres festgestellt werden könnte. Dies gilt gerade bei Vergütungen von Führungskräften in Großunternehmen, die besonders individualisierten und komplizierten Vereinbarungen unterfallen.1067 Im Falle ihrer pflichtwidrigen Gewährung durch einen Treupflichtigen stellt sich die Frage, inwieweit die Vergütung als Nachteilsposten durch unmittelbar aus ihr resultierende Vorteilsposten kompensiert werden kann. (aa) Leistungsanreize In den Fällen der Gewinnbeteiligung in Form von Gratifikationen oder Sonderentlohnungen liegt ein möglicher wesentlicher Unternehmensvorteil in der Konditionierung des Erfolgsstrebens des Vergüteten. Dies zeigt sich insbesondere bei nachträglichen Anerkennungsprämien für konkret erbrachte Zusatzleistungen des Mitarbeiters (zu appreciation awards siehe D. II. 5. a) bb) (7) (b)). Solche Pay-for-Performance-Ansätze verknüpfen die Entlohnung und die tatsächlich erbrachte Leistung im Sinne des materiellen Treugeberinteresses und sind aktienrechtlich gerechtfertigt.1068 Etwas schwieriger gestaltet sich die Frage der Kompensation von Sondervergütungen durch die Gegenleistung dann, wenn sich die Sondervergütung nicht mehr an einer konkreten Gegenleistung sondern z. B. am Unternehmenserfolg orientiert. Das ist bei börsennotierten Unternehmen der Fall, beispielsweise wenn mit Aktienoptionen (stock options) als Form der Zusatzentloh1067

Ausführlich zu den diversen Formen der variablen Vergütung (zum Beispiel Provisionen, Tantiemen, Stock Option Plans) bzw. der Versorgung (zum Beispiel Abfindungen) und ihrer Pflichtgemäßheit: Dittrich, S. 37 ff., 187 ff. m. w. N.; Rönnau/Hohn, NStZ 2004, S. 118 ff.; Günther, FS-Weber, S. 315; Dierlamm, StraFo 2005, S. 401; Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 31, Rn. 122; 1068 Siehe Tiedemann, FS-Weber, S. 324; Spindler, ZIP 2006, S. 352.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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nung operiert wird (sog. Aktienoptionspläne).1069 Aber auch in diesen Fällen liegt die Vermutung nahe, dass je mehr ein führender Mitarbeiter am Gesamterfolg partizipiert, desto mehr er stets durch seine Leistungen diesen Gesamterfolg zu maximieren versucht. Leistungsprämien können allerdings auch eine kontraproduktive, nämlich auch demotivierende Wirkung entfalten, „indem sie suggerieren, dass man bereits für seine Pflichterfüllung extra entlohnt werden muss, sie schaffen einen Markt für Leistungen, auf dem freiwillige, intrinsisch motivierte Leistung deplatziert wirkt, und führen dazu, dass sich die Vorstände in Zweifelsfällen [. . .] eher zugunsten der eigenen Brieftasche als zugunsten des Unternehmens entscheiden“1070. Auch findet die motivationale Fürsorge für bestimmte Akteure innerhalb des Unternehmens insoweit eine nachteilige Nebenwirkung, als sie demotivierende Effekte bei denjenigen bewirken, die von keinen Sonderzahlungen profitieren: besonders hohe Vorstandsvergütungen sind nämlich „nicht nur ein Signal nach außen, sondern auch an die Mitarbeiter“.1071 Andererseits bleibt im Grundsatz zu erkennen, dass die Bedienung des Egoismus von Mitarbeitern durch die Unternehmen grundlegende, unumgehbare Voraussetzung scheint, um von besonderen Leistungen der Mitarbeiter zu profitieren. Das egoistische Verfolgen eigener Interessen ist vielmehr etwas, was zum unüberwindbaren Grundbestand einer unternehmerischen Personalpolitik gehört.1072 Konstatieren lässt sich daher trotz partieller Negativpotentiale von Gewinnbeteiligungen bzw. Sonderentlohnungen im Allgemeinen eine positive Korrelation von Vergütung und Unternehmenserfolg.1073 Nicht unberücksichtigt zu lassen ist in dieser Hinsicht auch der mögliche Charakter von besonders hoch dotierten Vergütungen als Strategie zur Untreuevermeidung. Keiner weiteren Begründung bedarf nämlich ein Zusammenhang zwischen der Höhe des jemandem ins Ermessen gestellten Vermögens und der Gefahr eigennütziger Interessenverfolgungen. Monetäre Anreize können die extrinsische Motivation fördern den Interessen des Treugebers gemäß zu handeln1074 (siehe dazu auch unten, D. II. 5. a) bb) 1069 Adams, Ökonomische Theorie, S. 291 ff.; Frey/Osterloh, ZFO 2000, S. 64 ff.; Rappaport, S. 133, 135 f.; Dittrich, S. 51 ff. 1070 FAZ vom 24. Februar 2008, S. 36. Extrinsische Motivation kann also intrinsische auch verdrängen: siehe ausgiebig dazu Frey, S. 5, 15 ff. 1071 Welt am Sonntag vom 9. März 2008, S. 25. 1072 Siehe auch Thomas, FS-Riess, S. 796, Fn. 7, m. w. N., der sich insbesondere auf den ökonomietheoretischen Ansatz von Adam Smith bezieht. 1073 Siehe Welt am Sonntag vom 9. März 2008, S. 25. 1074 Zum Zusammenhang von Vergütungspraxis und Principle-Agent-Theorie und damit zu Anreizwirkung im Unternehmensinteresse Dittrich, S. 43 ff., 157 ff., 177 f.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

(7) (b)). Die allgemeine Aussicht auf „materielle Sättigung“ von Entscheidungsträgern durch besonders hohe Sondervergütungen dürfte insoweit, ohne dies hier empirisch detailliert auszuweisen, als wirtschaftsimmanentes Instrument zur Verfestigung uneigennütziger Handlungsmotive und damit als Lösungsansatz der Principle-Agent-Problematik (dazu B. III. 1. a)) zu verstehen sein. Festzuhalten bleibt, dass die mit Hilfe von Sondervergütungen erreichbaren positiven und negativen Leistungsanreize (Erfolgsstreben und Loyalität) im Rahmen der Saldierung als Unternehmensvorteil berücksichtigt werden müssen. (bb) Wettbewerbsvorteil bei der Personalakquise Eine fixe ‚bürokratische‘ Bezahlung verhindert ferner, dass Mitarbeiter, die besondere Qualifikationen aufweisen, vom Unternehmen abwandern bzw. potentielle Kandidaten „zu den Unternehmen abwandern, welche die attraktivere leistungsorientierte Variante anbieten“. Vergütungen fungieren insoweit auch als Repräsentationsaufwand. Ihnen stehen folglich auch immer Chancen vorteilhafter Rekrutierungen qualifizierter Mitarbeiter gegenüber.1075 Gerade Produktivitätsanreize, wie beispielsweise die Ausgabe von Aktienoptionen für Führungskräfte stellen einen beachtenswerten Wettbewerbsvorteil dar1076, denn im weltweiten Wettbewerb um sogenannte High-Potentials für Führungsaufgaben im Unternehmen kann nur bestehen, wer besondere Erfolge der Arbeit – und das dürfte nicht nur für Führungskräfte gelten – dadurch honoriert, dass er eine Teilhabe am mitverursachten Gewinn gewährt. (b) Beispiel: Unternehmensvorteile durch nachträgliche Anerkennungsprämien („Mannesmann“-Fall) Im sog. „Mannesmann-Verfahren“ (BGHSt 50, 332 ff.; zum Sachverhalt siehe auch Einführung) ging es um die Frage, ob dienstvertraglich nicht vereinbarte nachträgliche, also nach Erbringung einer dienstvertraglich geschuldeten Leistung erfolgte Belohnungen in Form von Anerkennungsprämien in Millionenhöhe den Untreuestraftatbestand erfüllen. Wesentlich für Daneben erläutert Dittrich auch weitere personalwirtschaftliche Ansätze zur Erklärung hoher Vorstandsvergütungen, S. 71 ff. 1075 FAZ vom 24. Februar 2008, S. 36; ähnlich auch www.sueddeutsche.de/wirt schaft/artikel/279/18261 [2.1.2006]; siehe auch Dierlamm, StraFo 2005, S. 401. 1076 Siehe Thomas, FS-Riess, S. 804, Fn. 41 m. w. N.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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die Beantwortung muss dabei sein, inwieweit solche appreciation awards mit wirtschaftlichen Unternehmensvorteilen einhergehen, die die Strafbarkeit nach § 266 StGB ausschließen können. (aa) Pflichtwidrigkeit Aufsichtsratsmitglieder trifft gemäß §§ 111 Abs. 1, 116 i. V. m. § 93 AktG bei der Ausübung ihrer aktienrechtlichen Kompetenz die Pflicht dem Unternehmensinteresse, d.h. den Vermögensinteressen der Gesellschaft entsprechend zu handeln. Das Aktiengesetz begrenzt dementsprechend das Ermessen von Vergütungsentscheidungen, indem es vorschreibt, dass die Bezüge des Vorstandsmitglieds im angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und der Lage der Gesellschaft stehen müssen (§ 87 Abs. 1 AktG). Festsetzungen von Manager- und Vorstandsvergütungen sowie Anerkennungsprämien an die Manager sind als unternehmerische Ermessensentscheidungen durch die Angemessenheitsprüfung gemäß § 87 Abs. 1 AktG begrenzt. Eine Unangemessenheit im aktienrechtlichen Sinne führe zur Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 266 StGB.1077 Diese Bezugnahme auf die wirtschaftliche Angemessenheit bei der Bestimmung der Pflichtwidrigkeit im Rahmen einer Untreue entspricht insoweit dem an obiger Stelle herausgearbeiteten Kriterium für die Pflichtwidrigkeit von Ermessensentscheidungen, nach dem pflichtwidrig eine Handlung ist, welche im Sinne wirtschaftlicher Logik prinzipiell eine Schädigung erwarten lässt (siehe C. IV. 2. d) bb)). Problembehaftet ist aber, dass die inhaltliche Gestaltung der Anerkennungsprämien, d.h. die Frage des „Wie“, also zum Beispiel die Nachträglichkeit, sowie die Frage nach ihrer konkreten Höhe, durch § 87 Abs. 1 S. 1 AktG – wie auch entsprechend im „BKK-Verfahren“ durch § 4 Abs. 4 SGB V1078 – nicht spezifiziert wird. Es ist daher nicht überzeugend, wenn der BGH die Angemessenheitsprüfung schon aus Prinzip versagt, weil eine nachträgliche Sonderzahlung für eine vertraglich geschuldete Leistung be1077 BGHSt 47, 201; Dittrich, S. 90 ff., 99 ff.; Funk, NZG 2005, S. 249 ff.; Rönnau/Hohn, NStZ 2004, S. 116 ff.; Kort, NJW 2005, S. 334 ff. 1078 Siehe dazu BVerfG, 2 BvR 2559/08, Beschluss vom 23.6.2010, Absätze 127 ff.; Entscheidung abrufbar unter http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs201006 23_2bvr255908.html. Dabei erscheint es für die gebotene Konkretisierung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals wenig ergiebig, wenn das Bundesverfassungsgericht die Ausführung des in der Sache befassten Landgerichts Kassel als hinreichend erachtet, welches ausführt, dass „von Relevanz im Bereich des Untreuetatbestands nur deutliche Verstöße sein können, die [. . .] ohne Weiteres erkennbar sind“, da der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit „in § 4 Abs. 4 SGB V normiert, aber nicht weiter konkretisiert“ werde.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

reits „im Grunde nach unzulässig“ sei.1079 Eine allgemeine, einzelfallunabhängige Antwort darauf, wann eine Vergütungsentscheidung pflichtgemäß ist, ist akzessorisch nicht zu finden.1080 Aus Sicht des Strafrechts liegt hier eine gesellschaftsrechtliche Indifferenz vor (siehe schon C. III. 1. b) „Gesellschaftsrechtlerakzessorietät“). Eine Konkretisierung der zur Pflichtwidrigkeit führenden Unangemessenheit kann nur strafrechtsautonom-untreuespezifisch, nämlich nach Maßgabe des funktionalen Kriteriums erfolgen. Dabei kann sich die Pflichtwidrigkeit zunächst aus einer formalen Pflichtverletzung mit materiellem Indiz ergeben, so etwa aus einer rein willkürlichen Festsetzung der Vorstandsbezüge. Bei der Beurteilung der Angemessenheit gilt denn grundsätzlich, dass sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat die „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenshaften Geschäftsleiters“ anzuwenden haben. Die Verletzung dieses Sorgfaltsmaßstabes begründet eine untreuespezifische Pflichtverletzung1081, und zwar darum, weil aufgrund der Sorgfaltslosigkeit einer vermögensrelevanten Entscheidung prinzipiell eine Schädigung erwartet werden kann (siehe dazu C. IV. 4. a)). Liegen nicht schon die Voraussetzungen einer formellen Pflichtverletzung mit materiellem Indiz vor, so verbleibt in diesen Fällen der Ermessensentscheidungen über Vergütungen allein ein materielles Urteil aufgrund einer antizipatorischen Begutachtung der Wertebilanz. Da hier von dem allgemeinen Grundsatz ausgegangen werden muss, dass die Angemessenheit der Ausgabe immer abhängig ist von dem Wert des Erworbenen, kann ein Vorgriff auf die Schadensebene nicht vermieden werden.1082 Es kommt zu ei1079 BGHSt 50, 337 f. Kritisch dazu auch Krause, StV 2006, S. 309; Fonk, NZG 2005, S. 248 f., 251 f. 1080 Rönnau/Hohn, NStZ 2004, S. 118; Baums, Anerkennungsprämien, S. 3 f. m. w. N.; Braum, KritV 2004, S. 75. Auch ein Verweis auf die Gesamtschau gesellschaftsrechtlicher Kriterien, die nach Dittrich zu einer „Kongruenz von strafrechtlichen und gesellschaftsrechtlicher Erheblichkeit“ führe (siehe S. 210 ff., 217 f.) scheidet aufgrund der bereits geäußerten Kritik an ihrer Unbestimmtheit und untreuestrafrechtlicher Unspezifität (siehe C. IV. 2. c), C. IV. 2. d) aa)) als Referenz aus. So kommt auch Dittrich, die zwar ein strafrechtsautonomes Kriterium ablehnt (S. 210 ff.), letztlich nicht umhin im Rahmen der Pflichtwidrigkeitsprüfung jenseits gesellschaftsrechtlicher Kriterien das Untreuetatbestandsmerkmal „Vermögensschaden“, resp. die Saldierung auf der Schadensebene, als Hilfskriterium für die Bestimmung der Pflichtgemäßheit von Vorstandsvergütungen zu qualifizieren (siehe S. 128, 160 ff., 236). 1081 Vgl. BGHSt 47, 201; Dittrich, S. 210; Poseck, S. 65, 76, 81; Peltzer, FS-Lutter, S. 572; Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 31, Rn. 121 f. Zu den formellen Pflichten einer Vergütungsentscheidungen ausführlicher auch Dittrich, S. 193 ff. 1082 Auch die von Dittrich (S. 121 ff.) im Rahmen der Angemessenheitsprüfung erwogenen konkretisierenden Kriterien der Angemessenheit wie der Vergleich mit anderen Führungskräften oder die Berücksichtigung besonderer Anreizwirkungen greifen im Grunde genommen auf die Bewertungs- und Saldierungsebene vor. Deut-

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ner notwendigen Verschleifung von Pflichtwidrigkeit und Saldierung (siehe C. IV. 2. d) aa) (4), C. IV. 2. d) cc) (3)). Das Festsetzen von Bezügen entgegen der Pflicht gemäß §§ 93, 116 S. 1 AktG i. V. m. § 87 Abs. 1 AktG stellt erst dann eine Untreue dar, wenn es sich um ein eindeutig unvertretbares, objektiv nicht nachvollziehbares Verhalten handelt, d.h. wenn der Marktpreis aus einer ex-ante-Betrachtung völlig verfehlt wird (siehe dazu im Folgenden bei D. II. 5. a) bb) (7) (b) (bb)). Das ist etwa dann der Fall, wenn keinerlei Anhaltspunkte für eine Vereinbarung über die bezahlte, bereits erbrachte oder noch zu erbringende Gegenleistung ersichtlich sind. Eine Pflichtwidrigkeit ist daher zu bejahen, wenn Aufsichtsratsmitglieder Anerkennungsprämien quasi als Geschenke an Vorstandsmitglieder verteilen.1083 Für eine Pflichtwidrigkeit nicht hinreichend ist hingegen die Verletzung der Pflicht des Aufsichtsrats gemäß § 87 Abs. 2 AktG bei Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage die Vergütungen für die Vorstandsmitglieder zu mindern.1084 Die materielle Begutachtung der Pflichtwidrigkeit kann sich anhand von „externen“ wirtschaftlichen Größen nicht unabhängig von der Gegenleistung orientieren (vgl. dazu schon kritisch bei C. IV. 2. b) (Vermögenslage)). (bb) Schaden Grundsätzlich können nach Auffassung des BGH freiwillige nachträgliche Sonderzahlungen dem Unternehmen zum Vorteil gereichen, insbesondere wenn dem begünstigten Vorstandsmitglied selbst oder anderen aktiven oder potentiellen Führungskräften signalisiert wird, dass sich außergewöhnliche Leistungen lohnen.1085 Bei nachträglichen Sonderzahlungen (appreciation awards) gelte dies jedoch nicht, denn im Dienstvertrag nicht vereinbarte Sonderzahlungen für eine geschuldete Leistung, haben ausschließlich „belohnenden“ Charakter. Da sie der Gesellschaft keinen zukunftsbezogenen Nutzen bringen können, seien sie eine pflichtwidrige Verschwendung anvertrauten Gesellschaftsvermögens.1086 Solche Anerkennungsprämien seien, so Rönnau und Hohn reine Geschenke.1087 lich verweist Dittrich darauf, die Antwort auf die der Frage nach der Zulässigkeit nachträglicher Anerkennungsprämien „vom tatsächlichen Vorliegen einer Gegenleistung des Vorstands abhängig zu machen“ (a. a. O., S. 165, 177, 236). 1083 Entsprechend Rönnau, NStZ 2006, S. 219; Rönnau/Hohn, NStZ 2004, S. 118, 120 m. w. N.; Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 31, Rn. 122; Baums, Anerkennungsprämien, S. 14. 1084 Dazu Weisner/Kölling, NZG 2003, S. 166. 1085 So BGHSt 40, 337. 1086 BGHSt 40, 335, 337. Entsprechend auch Schünemann, Organuntreue, S. 63.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

Im Einzelfall und nach Abwägung mag zutreffend sein, dass sich nachträgliche Anerkennungsprämien als kompensationslos erweisen können. Allerdings kann eine Schadensannahme bei nachträglichen Sondervergütungen im Rahmen wirtschaftlicher Adäquanz nicht generalisiert werden. Vielmehr müssen alle denkbaren mit ihnen verbundenen wirtschaftlichen Unternehmensvorteile Berücksichtigung finden und in das Saldierungsergebnis einfließen. Hinsichtlich einer Abwägung ist zuvörderst darauf hinzuweisen, dass ohne vertragliche Grundlage gewährte nachträgliche Anerkennungsprämien gerade aufgrund ihrer Nachträglichkeit die an obiger Stelle beschriebene möglicherweise demotivierende Wirkung von regelmäßigen bzw. vertraglich festgeschriebenen Sonderboni (siehe D. II. 5. a) bb) (7) (a) (aa)) zu schwächen vermögen.1088 Trotz schuldrechtlicher Verpflichtung zur Erbringung einer Leistung kann die potentielle – nach wirtschaftlichen Usancen zu erwartende – Aussicht auf nachträgliche Belohnungszahlungen Motivationen zur effizienten Vertragserfüllung steigern, denn immerhin gewähren vertragliche Pflichten auch den einen oder anderen Spielraum des Schuldners, der zur optimalen Pflichterfüllung angehalten werden soll. Gerade bei einem komplexen Arbeitsbereich wie der Übernahmetransaktion der Mannesmann AG durch den Vodafone-Konzern, die der Arbeitsvertrag ex ante mit ihren Eventualitäten gar nicht hinreichend darstellen konnte, waren solche Spielräume im besonderen Maße vorhanden. Darüber hinaus ist nicht von vornherein gesagt, dass es neben den vertraglichen Pflichten nicht gerade auch außervertragliche Leistungen des Beziehenden geben kann, für die sehr wohl das Setzen von Leistungsanreizen wirtschaftlich sinnvoll sein kann: so kann die BGH-Entscheidung dahingehend kritisiert werden, dass nicht hinreichend berücksichtigt wird, ob die Sonderzahlungen im Rahmen des dynamischen Übernahmegeschehens nicht für weitergehende Integrationsschritte der konzernmäßigen Einbindung der Mannesmann AG in den Vodafone-Konzern, d.h. für überobligationsmäßige Leistungen, Anreize bilden konnte, die sowohl der Mannesmann AG wie dem Konzern als Ganzem zugute gekommen sein könnten.1089 Insbesondere die durch die Sondervergütungen in casu hervorgerufene Bereitschaft der Organmitglieder zu einer 1087

Rönnau, NStZ 2006, S. 219; Rönnau/Hohn, NStZ 2004, S. 120. Entsprechend führt Fonk (NZG 2005, S. 250) aus: „Will der Aufsichtsrat eine besonders erfolgreiche Arbeit in Einzelfällen honorieren, wird er dies tunlichst nicht mit der normalen variablen Jahresvergütung verbinden. Empfehlenswert ist eine vom Zahlungsrhythmus der variablen Vergütungen losgelöste, deutlich als solche erkennbare Einmalzahlung, die keine Erwartungen für eine Fortsetzung der Zahlung in den folgenden Jahren weckt.“ Zu den allgemeinen Anreizwirkungen von Appreciation Awards, die im Fall Mannesmann konkret jedoch zu verneinen seien, auch Dittrich, S. 170 ff. 1089 Krause, StV 2006, S. 309; Alwart, JZ 2006, S. 548. 1088

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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„freundlichen Übernahme“ der Mannesmann AG durch Vodafone führte offensichtlich, wie es bei einer „feindlichen Übernahme“ bei Nichtzustimmung nicht der Fall gewesen wäre, zu einer zu berücksichtigenden Wertsteigerung des Unternehmens (Steigerung des Aktienkurses) am Markt.1090 Tiedemann hält demgemäß eine nachträgliche Sonderzahlung für geschuldete Leistungen für eine sinnvolle, „noch vertretbare unternehmerische Entscheidung“, weil ein Plausibilitätszusammenhang der außerordentlich hohen „appreciation awards“ zum Unternehmensinteresse angesichts der „ungeheuren Vorstandsleistungen“ durchaus gegeben ist.1091 Insofern muss im Einzelfall genau untersucht werden, ob in der Art und Weise der Vertragserfüllung nicht auch die vertragliche Vereinbarung sogar übersteigernde, außergewöhnliche Leistungen liegen können. Vom BGH unberücksichtigt bleibt fernerhin, dass es Umstände geben kann, in denen eine Vorstandsleistung zwar vertraglich geschuldet und vergütet wird, es jedoch im Zuge der Vertragserfüllung offenbar wird, dass die Vertragserfüllung mit höheren als erwarteten Anstrengungen einhergeht, die von der vertraglichen Vergütung nicht hinreichend repräsentiert werden und daher einen vertraglichen Anpassungsbedarf begründet.1092 Eine Strafbarkeit nachträglicher Sonderzahlungen könnte nun aber zur Situation führen, dass außergewöhnliche Leistungen eines Vorstandsmitglieds ohne hinreichenden finanziellen Ausgleich bleiben, wenn der Anstellungsvertrag keine entsprechende Klausel zur Nachtragszahlung vorsieht. Eine Untreuestrafbarkeit würde eine „Äquivalenzstörung“ evozieren, indem sie das (zivilrechtliche und wirtschaftlich-tradierte) Grundprinzip der Leistungskompensation im Rahmen optimaler Vertragsgestaltungen entdifferenziert.1093 1090 Dazu Tiedemann, FS-Weber, S. 330 f.; Dittrich, S. 168 ff. Zur Möglichkeit der Berücksichtigung einer Börsenwertsteigerung im Rahmen der Gesamtsaldierung auch Rönnau/Hohn, NStZ 2004, S. 122. 1091 Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 123; siehe auch Zwiehoff, jurisPRArbR 2009, B.2.b.; Hohn, wistra 2006, S. 163. Siehe auch Baums, Anerkennungsprämien, S. 7 ff. Zur Vorteilhaftigkeit nachträglicher Vergütungen auch Dittrich, S. 162 ff. 1092 So auch Fonk, NZG 2005, S. 250; Krause, StV 2006, S. 309 f.; Baums, Anerkennungsprämien, S. 14 ff. 1093 Peltzer, ZIP 2006, S. 206 f., 210. Insofern könnte man auch argumentieren, dass einer nachträgliche Anerkennungsprämie eine nachträgliche Änderung des Dienstvertrags zugrundeliegt, die der Wertentscheidung der Rechtsordnung zugunsten von Äquivalenz entspricht. Dagegen sieht der BGH gerade in einer solchen Änderung eine Vermögensbetreuungspflichtverletzung (BGHSt 50, 339; ebenso Rönnau/Hohn, NStZ 2004, S. 120 m. w. N.). Diese Kritik hält einer wirtschaftlichen Betrachtung nicht stand, denn es kann kein Unterschied bestehen, ob der Dienstvertrag gerechtfertigterweise von vornherein eine nachträgliche Anerkennungsprämie beinhaltet oder einen Äquivalenzausgleich, durch den eine nicht ex ante vertraglich fest-

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Rechtsgrundlose, aber wirtschaftlich gebotene Rücksichtnahmen im Geschäftsleben können gerade der „Wahrung des Unternehmenswohls“ dienen1094 (vgl. schon D. II. 5. a) bb) (2)). Nachträgliche Zahlungen entsprechen daher auch der ökonomischen Praxis und dem Corporate Governance Kodex.1095 Hinzu kommt, dass eine – vom BGH letztlich angestoßene – eingeschränkte Variabilität der Zahlungspraxis es wirtschaftlich zudem nicht ohne Weiteres möglich macht die Vergütungspolitik und damit den Zeitpunkt von Vergütungszahlungen abhängig von der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens zu machen und somit eine wirtschaftsadäquate Flexibilität zu ermöglichen. Richtigerweise anerkennt der BGH, dass nachträgliche Sonderzahlungen auch Anreize für Dritte haben können.1096 Er übersieht aber, dass dies gerade auch für Nachtragszahlungen für geschuldete Leistungen gelten kann. Insbesondere wenn es darum geht, die besten Manager für eine „geschuldete Leistung“ zu gewinnen, strahlt die Möglichkeit einer noch weitergehenden Vergütung, wenn sie sich zu einer wirtschaftlicher Usance verfestigt hat, eine entsprechende Impulswirkung aus. Damit verbunden ist auch das Streben des Unternehmens den Vergütungsusancen in der globalen Wirtschaft zu entsprechen sowie eine Steigerung des Unternehmenswerts, Unternehmensimages sowie -potentials durch die Publizierung eines „Belohnungssystems“ herbeizuführen, welches eine besondere Solvenz und Leistungsqualität verspricht. Beides kann die Implementierung eines allgemeinen strategischen Anreizsystems im Markt fördern.1097 gehaltene, also lediglich faktische nachträgliche Anerkennungsprämie gewährleistet wird. Dagegen führt der BGH (BGHSt 50, 339 f.) wiederum an, dass die Herstellung von Äquivalenz von Leistung und Vergütung nach Abschluss eines für das Unternehmen „günstigeren“ Dienstvertrags eine Schädigung bewirke. Im Rahmen der Saldierung bestehe nach dieser Ansicht der Schaden dann in einer Gewinnreduzierung. Diese Sichtweise verfängt jedoch im Ansatz dann nicht, wenn im Rahmen jener vorzunehmenden Saldierung auch andere denkbare Vorteile in Rechnung zu stellen sind, die mit der nachträglichen Anerkennungsprämie einhergehen. Wird der Wert der nachträglichen Anerkennungsprämie durch unmittelbar sich aus ihr ergebende Vorteilen kompensiert, kann sie kein Schaden begründen. Die Herstellung von wirtschaftlicher Äquivalenz ohne rechtliche Verpflichtung begründet an sich – wie der BGH zu Recht feststellt – noch keinen Schadensausschluss, jedoch begründet sie möglicherweise die Erzeugung von Vorteilen, die ihrerseits zu einem Schadensausschluss führen. Siehe dazu im folgenden Abschnitt D. II. 5. a) bb) (4) (a). 1094 Siehe Thomas, FS-Riess, S. 803 f., Fn. 39 m. w. N. 1095 Fonk, NZG 2005, S. 250 f. m. w. N. Krause weist darauf hin (StV 2006, S. 309 f.), dass die nachträgliche Vergütung ohne vertragliche Grundlage auch insoweit einen Nutzen haben kann, als durch den stillschweigenden Ablauf der Vergütung Begehrlichkeiten anderer Mitarbeiter vermieden werden können. 1096 BGHSt 50, 337.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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(cc) Zusammenfassung Ob im Einzelfall des „Mannesmann-Verfahrens“ ein Vorteilsüberschuss zu bejahen ist, kann an dieser Stelle nicht hinreichend belegt werden. Festzustellen ist jedoch, dass nur eine umfassende Berücksichtigung wirtschaftsadäquater Saldierungsposten (ganz im Sinne von § 244 Abs. 2 StPO) der ökonomischen Komplexität im Rahmen von unternehmerischen Ermessensentscheidungen gerecht werden kann. Eine apriorische Verknüpfung von Nachträglichkeit einer Anerkennungsprämie bei vertraglich geschuldeter Leistung und Kompensationslosigkeit entspricht nicht einer sachgerechten Beurteilung von abstrakter Schadenserzeugungslogik (Pflichtwidrigkeit) und auch nicht der mit ihr verknüpften wirtschaftlich hinreichend adäquaten Schadensbestimmung. Exkurs: Eine mögliche Einführung einer gesetzlichen Bestimmung zur Plafonierung von Managervergütungen als materielle Begrenzungen des Treunehmerermessens hätte letztlich keinen Einfluss auf die Untreuestrafbarkeit. Diese hängt in jedem Falle nur von einem negativen Saldierungsergebnis ab. (8) Beispiel: Unternehmensvorteile durch Sonderaufwendungen für den Betriebsrat („VW-Affäre“, „Siemens-AUB-Affäre“) (a) „VW-Affäre“ In der sog. „VW-Affäre“ hatte das Landgericht Braunschweig, bestätigt durch den BGH, insbesondere über die Untreuestrafbarkeit von Zuwendungen des Personalvorstands der Volkswagen AG an Betriebsratsmitglieder in Gestalt von Gehaltssteigerungen und Lustreisen zu urteilen. Auch in diesem Falle musste die Frage nach unmittelbar durch die Zuwendungen erworbener Vorteile gestellt werden.

1097 Siehe auch Spindler/Kasten, WuB IX § 266 StGB 1.06. Entsprechend argumentiert auch der im Mannesmann-Abspracheverfahren involvierte Staatsanwalt Dirk Negenborn, wenn er es für „theoretisch denkbar“ hält, dass die Prämien keine reinen Geschenke waren, sondern „möglicherweise eine Anreizwirkung“ entfaltet hätten, zitiert bei Frenkel, Eiertanz in Saal 111, in: Die Zeit Nr. 49 vom 30. November 2006, abrufbar unter: http://www.zeit.de/2006/49/Mannesmann; vgl. auch Hohn, wistra 2006, S. 163.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

(aa) Pflichtwidrigkeit (a) Gehaltssteigerungen ohne vereinbarte Gegenleistung Erfolgt eine Veranlassung von Gehaltserhöhungen an den Betriebsratsvorsitzenden ohne dessen rechtlichen Anspruch, insbesondere durch Übergehung der für Gehaltsentscheidungen zuständigen Kommission und unter Verstoß gegen Strafvorschriften sowie ohne Gegenleistung so stellen diese Umstände laut LG Braunschweig, bestätigt durch den BGH, jeweils Pflichtverletzungen im Sinne des § 266 StGB dar.1098 Entscheidend für die Pflichtwidrigkeit kommt es jedoch darauf an, dass sich der Begünstigte zu keinerlei Gegenleistung verpflichtete. Fehlende Vereinbarungen über die Kompensation der geleisteten Zahlungen, d.h. Zahlungen mit Geschenkcharakter, stehen immer im Sinne einer Schadenserzeugungslogik, d.h. lassen abstrakt eine Schädigung erwarten (siehe schon oben D. II. 5. a) bb) (7) (aa)). (b) Lustreisen Die Pflichtgemäßheit eines Anreizes für Mitarbeiter, sowie der daraus für das Unternehmen entspringende Vorteil setzt prinzipiell einen wirtschaftsund unternehmensspezifischen Bezug voraus, ohne diesen der Handlung ein Prinzip der Gewinnerzeugung gar nicht entnommen werden kann. Leistungen, die den Mitarbeiter nicht in seiner Mitarbeiterfunktion ansprechen, sondern den „Teil“ seiner Persönlichkeit betreffen, der nicht „Mitarbeiter“, sondern „Privatmann“ (i. e. S. Lustsubjekt etc.) ist, sind nicht unternehmensspezifisch, denn sie betreffen unmittelbar auf andere Systeme („Sphären“) hin ausgerichtete Teile des psychischen Systems „Mitarbeiter“. Außer Frage steht dabei, dass sich im Zuge der Ausdifferenzierung der Wirtschaft Anreizsysteme entwickelt haben, die auf die Besonderheiten der Mitarbeiter als psychischer Systeme hin konzipiert sind, um wiederum daraus unternehmerische Vorteile zu erlangen (siehe dazu unten D. II. 5. a) bb) (8) (a) (bb)). So ist beispielsweise zu beobachten, dass sich Unternehmen in bestimmten Bereichen bemühen „Familie zu mimen“1099, um Wohlwollen und Bindung der Mitarbeiter unternehmerisch nutzbar zu machen. Auch wenn sich darin an sich ein wesentliches Moment der wirtschaftlichen Effizienzsicherung durch gesamtgesellschaftlich-intersystemi1098

LG Braunschweig, Urteil vom 22.02.2008, Az: 6 KLs 20/07, („VW-Affäre“), (juris) Rn. 216, 228, 335 ff. Bestätigt durch das noch nicht veröffentlichte Urteil des BGH vom 17. September 2009 (5 StR 521/08). 1099 Luhmann, Wirtschaft der Gesellschaft, S 107.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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sche Einbettung (Bezug nehmend auf psychische Systeme) widerspiegelt, so ist doch eine prinzipiierte Gewinnerzeugungslogik der Handlungen (Zuwendungen) als solche nicht gegeben. Eine ‚Korruption‘ außerwirtschaftssystemischer Logiken, im konkreten Fall des Privatlebens durch Lustreisen, sind daher, wie das LG Braunschweig und auch der BGH in der „VW-Affäre“ zu Recht befindet1100, Pflichtverletzungen im Sinne des § 266 StGB. (bb) Schaden Die Feststellung einer fehlenden Vereinbarung bezüglich von Gegenleistungen des Begünstigten führt die Rechtsprechung allerdings auch unmittelbar zur Schadensannahme. Zwar zieht es das „Wohlwollen“ des Betriebsratsvorsitzenden als für die Aktiengesellschaft werthaltige Gegenleistung in Betracht, schließt eine solche indes aus, da es nach wirtschaftlichen Kriterien kein hinreichend konkreter Vorteil, sondern allenfalls eine vage Hoffnung sei. In der „Übernahme dienstfremder Kosten“ für Betriebsratsmitglieder ohne Verabredung von Gegenleistungen erkennt die Rechtsprechung einen Vermögensnachteil.1101 Problematisch an der Sichtweise ist eine fehlende dezidierte, hinreichend sachgemäße Betrachtung der wirtschaftlich-faktischen Umstände.1102 Unberücksichtigt bleibt, ob das „Wohlwollen“ des Betriebsrats nicht für konkrete unternehmerische Entscheidungen hätte wirtschaftliche Vorteile erwarten lassen können, beispielsweise dadurch, dass der Betriebsrat seine Mitbestimmungsrechte bei Entscheidungen nicht ausreizt oder gar auf sie verzichtet.1103 Im Fall von VW ist offenbar nicht fernliegend gewesen, dass ein Vermögensvorteil daraus erwachsen sein könnte, dass der VW-Personalvorstand „seine Belegschaftsvertreter korrumpiert und durch solche ‚Klimapflege‘ beispielsweise Arbeitsniederlegungen entgegengewirkt“ hat.1104 Durch das Schmieren von Betriebsräten mit Hilfe von Vergnügungsleistungen könnte zudem die globale Konkurrenzfähigkeit der Volkswagen AG 1100 LG Braunschweig, Urteil vom 22.02.2008, Az: 6 KLs 20/07, („VW-Affäre“), (juris) Rn. 32 ff., 43 ff., 66 ff., 313 ff. Bestätigt durch das noch nicht veröffentlichte Urteil des BGH vom 17. September 2009 (5 StR 521/08). 1101 LG Braunschweig, Urteil vom 22.02.2008, Az: 6 KLs 20/07, („VW-Affäre“), (juris) Rn. 316. Bestätigt durch die noch nicht veröffentlichte Entscheidung des BGH (5 StR 521/08). 1102 Zwiehoff, jurisPR-ArbR 2009, B.2. 1103 Zwiehoff, jurisPR-ArbR 2009, B.2.a. Zwiehoff spricht insoweit auch von einer Entlastung von „Mitbestimmungsfilz“. 1104 Siehe im Zusammenhang mit der sogenannte „VW-Affäre“: FAZ vom 23. Februar 2008, S. 11.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

gesteigert und somit ein kompensationsfähiger Unternehmensvorteil erlangt worden sein.1105 (b) „Siemens-AUB-Affäre“ Wirtschaftlich vorteilhaft kann im Sinne der vorausgehend erörterten ‚Klimapflege (D. II. 5. a) bb) (2)) auch der Aufbau und die Förderung einer den entscheidungstragenden Arbeitgebern gefälligen Betriebsräteorganisation sein, wie es kürzlich im Rahmen der sog. „Siemens-AUB-Affäre“ Gegenstand eines Untreuestrafverfahrens beim Landgericht Nürnberg-Fürth gewesen ist. Dort konzedierte das Landgericht, dass es sich um zu berücksichtigende wirtschaftliche Vorteile handele, wenn die Betriebsräteorganisation die Rekrutierung „zukunftsfähiger Mitarbeiter“ und „firmenstrategische Maßnahmen“ erleichtere sowie zu flexiblen Betriebsvereinbarungen, insbesondere die Arbeitszeiten betreffend, verhilft.1106 (c) Zusammenfassung Die systematische Beeinflussung individuellen, d.h. von eigenen Präferenzen geleiteten Verhaltens von Entscheidungsträgern und Mitarbeitern in Unternehmen kann durch Setzung von Anreizen auf ein Handeln im Unternehmensinteresse gelenkt werden. Vorteile einer solchen „Klimapflege“ mangeln zwar an einer exakten Quantifizierbarkeit, was jedoch nicht dazu führen darf, dass sie in ihrer kompensatorischen Bedeutung im Rahmen der Gesamtsaldierung ignoriert oder nicht hinreichend berücksichtigt werden. (9) Beispiel: Unternehmensvorteil durch Übernahme von Sanktionen Als letztes Beispiel seien die Fälle genannt, in denen es um die Untreuestrafbarkeit einer im Rahmen wirtschaftlichen Ermessens gewährten Erstattung einer einem Mitarbeiter obliegenden Auflage nach § 153 a StPO, Geldbuße bzw. Strafe durch das Unternehmen geht.1107 1105 Siehe www.rbb-online.de/_/kontraste/beitrag_drucken_jsp/key=rbb_beitrag_ 5379775.html (Interview mit Peter-Alexis Albrecht (Univ. Frankfurt am Main), Sendung vom 25.01.2007). 1106 LG Nürnberg-Fürth, Az.: 3 KLs 501 Js 1777/2008, Urteilstext S. 42 f. Dennoch scheiterte im vorliegenden Fall eine Schadenskompensation aufgrund fehlender Unmittelbarkeit, a. a. O. S. 31 ff., 37. 1107 Angenommen wird eine Verpflichtung des Unternehmens zur Übernahme von Verfahrenskosten eines Mitarbeiters dann, wenn sie sich aufgrund einer im Zusammenhang mit der dienstlicher Tätigkeit begangenen Straftat ergeben. Die Erstattung von Bußgelder und Geldstrafen fällt indes nicht unter die Fürsorgepflicht, obliegt

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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(a) Pflichtwidrigkeit Derartige Übernahmen von Sanktionen sind nach Maßgabe des funktionalen Kriteriums pflichtwidrig, da der intendierten „Aufrechterhaltung der Motivation der Mitarbeiter“ der wirtschaftsspezifische Bezug und damit die Möglichkeit einer unmittelbar auf einen Vermögensvorteil gerichteten Gewinnerzeugungslogik fehlt. Die Übernahme von Auflagen, Bußgeldern oder Geldstrafen, die ihren Grund nur in unternehmensexternem oder gar unternehmensschädigendem Handeln des Mitarbeiters haben, ist ebenso wenig pflichtgemäß, wie es Lustreisen sind (vgl. D. II. 5. a) bb) (8) (a) (aa) (b)). Denn es ist nach Maßgabe einer prinzipienorientierten Gewinnerzeugungslogik nicht abstrakt-prinzipiell gesagt, dass das private Vergnügen oder der private Vorteil eines Mitarbeiters den Unternehmensgewinn steigern, da es an sich keinen typischen Systembezug zum Unternehmen aufweist, sondern außerhalb einer unmittelbaren Unternehmenssphäre steht. Hinterzieht beispielsweise ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft sein Privatvermögen betreffende Steuern und übernimmt die Gesellschaft entsprechende gerichtliche Auflagen für das Vorstandsmitglied, um Rufschädigungen gering zu halten und gleichzeitig die Attraktivität im Arbeitsmarkt für Führungskräfte zu erhalten, so ist dies mangels wirtschafts- bzw. unternehmensspezifischem Bezug pflichtwidrig. Derlei Auflagen, Geldbußen oder Strafen sind nämlich solche, die den „Mitarbeiter“ gerade nicht als „Mitarbeiter“ treffen, sondern andere systemische Verwicklungen seiner Person umfassen. Abgesehen davon, dass durch ein Miteinbeziehen solcher Handlungskontexte in pflichtgemäßes Handeln im Sinne des § 266 StGB die Ökonomisierungsmöglichkeiten unbegrenzt und willkürlich und deshalb kritikwürdig erscheinen, resultiert das Erfordernis von wirtschafts- und unternehmensspezifischen Mitarbeiterhandlungen aus der systemischen Bindung des Untreuestrafrechts selbst. Andernfalls käme man nämlich in die paradoxe Situation, dass die von einem Unternehmen – zum Zwecke der Rufwahrung oder Steigerung der Attraktivität für Mitarbeiter – getragene Übernahme eines Buß- oder Strafgeldes im Zusammenhang mit einer für das Unternehmen selbst nachteiligen Untreuehandlung eines Mitarbeiters pflichtgemäß, also prinzipiell im „Unternehmensinteresse“ liegen können müsste. Das normative Merkmal der untreuerheblichen Pflichtwidrigkeit würde die Voraussetzung seiner eigenen Umgehung schaffen, wenn die durch Unternehmensvielmehr zunächst wirtschaftlichem Ermessen (siehe Rehbinder, ZHR 148 (1984), S. 557), es sei denn es existiert eine rechtsgeschäftliche Klarstellung, siehe BGH NJW 1991, 861. Dann allerdings ist zu prüfen, ob eine solche vorab vertraglich festgehaltene „Erstattungszulage“ untreuefest ist, etwa weil man sie als gerechtfertigte „Gehaltszulage“ und nicht als „Geschenk“ verstehen kann, siehe Kapp, NJW 1992, S. 2797 m. w. N.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

vermögen erfolgende Kompensation von Strafgeldern wegen Schädigung desselben Unternehmens nicht mehr als pflichtwidrig begriffen würde. In der Negativbetrachtung heißt das, dass die Übernahme von Sanktionen prinzipiell der Schadenserzeugungslogik entspricht und daher pflichtwidrig im Sinne des § 266 StGB ist. Es kommt nurmehr auf den konkreten Vermögensvorteil der pflichtwidrigen Handlung an, um die Strafbarkeit zu verneinen. (b) Schaden Genau zu prüfen ist, welche Vorteile das aus der Übernahme der Sanktion zieht.1108 Ein solcher Vorteil ist sicherlich dann gegeben – dann aber grundsätzlich nur für privatrechtliche Unternehmen1109 –, wenn die Übernahme der Sanktionen mit der Vermeidung negativer Publizität beziehungsweise Vermeidung der Offenbarung von aus Unternehmenssicht geheimhaltungswürdigen Unternehmensinterna (wie Geschäftsbeziehungen und dergleichen) einhergeht, welche durch öffentliche Hauptverhandlungen zu besorgen wären und potentielle Umsatzeinbußen zur Folge haben könnten.1110 In diesem Zuammenhang kann auch die Verdeckung anderweitiger Rechtsverstöße angemerkt werden, die mit negativen Folgen für das Unternehmen (zum Beispiel § 30 OWiG) einhergehen. Durch die Übernahme der Sanktion wird dann ein eventuell aufwendiges Verfahren vereitelt, innerhalb dessen möglicherweise weitere Mitarbeiter des Unternehmens belastet worden wären. Außerdem könnte in der verstärkten Bindung bzw. dem Loyalitätszuwachs des Mitarbeiters bzw. der anderen Mitarbeiter an das Unternehmen im Sinne von absehbaren Motivationssteigerungen (Corporate-Identity-Gedanke etc.1111) oder von Verhinderung von Abwanderung1112 ein Vorteil 1108 Die Berücksichtigung der Möglichkeit wirtschaftlicher Vorteile übersieht etwa – selbst wenn es sich um einen öffentlichrechtlichen Verband handelt – BGH NJW 1991, S. 991, wenn er lediglich darauf verweist, dass die Übernahme von Strafzahlungen nicht zu den „Aufgaben“ gehöre. Anders noch BGH NJW 1975, S. 1234. 1109 Insoweit aber mit unzureichender Begründung BGH NJW 1991, 991. 1110 Siehe Ignor/Rixen, wistra 2000, S. 450; Thomas, FS-Riess, S. 804 f.; Boers/ Theile/Karliczek, S. 120 f.; Hoffmann/Wißmann, StV 2001, 251; insbesondere zum Finanzrisiko: Fischer, Delinquenz Risk Management, S. 7 f., 19 f. Nach Bussmann (Business Ethics und Wirtschaftsstrafrechts, S. 93) liegt in der Vemeidung von rechtlichen Konflikten generell ein Indiz zur Vermeidung unkalkulierbarer Rationalität des Rechts durch die Wirtschaft. 1111 „Wer es [das Unternehmen] liebt, der schädigt es nicht“: siehe m. w. N. Bussmann, Business Ethics und Wirtschaftsstrafrecht, S. 95 f.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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ausgemacht werden (vgl. auch D. II. 5. a) bb) (6)). Auch ist die Vermeidung einer zur Verminderung von Leistungsfähigkeit führender psychischen Belastung des Mitarbeiters durch ein andauerndes Verfahren oder die Sanktion selbst nicht zu vernachlässigen.1113 Nicht zuletzt vermag die Übernahme von Geldstrafen erreichen, dass sich auch zukünftig Mitarbeiter bereit erklären in sensiblen und für Gefährdungshaftungen (beispielsweise umwelt- oder kartellrechtlicher Natur) anfälligen Unternehmensbereichen, zu arbeiten. Bei einem strafrechtlichen Zugriff auf „gefahrgeneigte Arbeit“ ist, so Thomas, die „(nachträgliche) Bereitschaft der Firma zur Hilfestellung unumgänglich und gerechtfertigt“, um wirtschaftlichen Nachteilen zu entgehen1114. Gerade bei unbestimmten Sanktionsnormen ist die Befürchtung von Sanktionen so ausgeprägt, dass ohne eine unternehmerische Absicherung im Sanktionsfall die legalen und möglicherweise gewinnbringenden Optionen innerhalb der Grauzone der Regulierung nicht mehr vorgenommen würden.1115 Schließlich ist in all denjenigen Fällen, in denen das Unternehmen gesellschaftsrechtlich zur Übernahme von Verfahrenskosten verpflichtet ist1116 eine frühzeitige Verfahrensbeilegung, d.h. eine Vermeidung von weiteren Verfahrensaufwand (durch Hauptverhandlungen, Revisionen etc.), offensichtlich ein Unternehmensvorteil. Aber auch wenn § 266 StGB zu Recht „im Regelfall kein strafrechtlich relevanter Gesichtspunkt bei der Erstattung von Strafgeldern“ sein sollte1117, so müssen auch nachteilige Aspekte im Rahmen der Gesamtsaldierung berücksichtigt werden: Wenn beispielsweise die Handlung des Mitarbeiters, deren Sanktionierung durch das Unternehmen (nachträglich) kompensiert wird, im Unternehmensinteresse lag, d.h. in ihrer Intention auf Vermögensvorteile für das Unternehmen ausgerichtet war, so greift das Anreizargument zur Begründung eines Vermögensvorteils nur, wenn Wiederholungen der Handlungen für das Unternehmen trotz Kompensationszahlungen Gewinn einbrächten. Das dürfte selten der Fall sein. Im Rahmen der Gesamtbetrachtung würde gerade durch eine solche Erstattungspolitik die zukünftige Prävention von mit Geldsanktionen bewehrten Handlungen desselben oder anderer Mitarbeiter konterkariert oder Fehlverhalten nachgerade begünstigt.1118 1112 1113 1114 1115 1116 1117 1118

Siehe Bastuck, S. 138 f. Fischer, Delinquenz Risk Management, S. 6. Thomas, FS-Riess, S. 805. Siehe Kapp, NJW 1992, S. 2796. Siehe Rehbinder, ZHR 148 (1984), S. 557. Kapp, NJW 1992, S. 2797. Siehe Rehbinder, ZHR 148 (1984), S. 571.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

Ferner birgt auch die Vermeidung der negativen Publizität einen zu berücksichtigenden Nachteil. Denn sie kann selbst in eine noch weitaus schlechtere Publizität münden, wenn die Vorgehensweise publik wird. Überdies erscheint die interne Abwicklungsprozedur keineswegs unproblematisch: andere Kollegen mögen sich beklagen, weshalb ihre Verfehlungen nicht vom Unternehmen getragen werden. Möglicherweise entsteht auch ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn einerseits Verfehlungen innerhalb des Betriebs vermieden werden sollen, außerhalb jedoch „kompensiert“ werden. (10) Zusammenfassung Handlungen im Wirtschaftsraum können eine Vielzahl von denkbaren Vorteilen für den Treugeber hervorrufen. Dabei werden unternehmerische Vorteile im Zusammenhang mit der Marktstellung, mit Marketing und Reputation, mit der Kapitalakquise sowie mit der Produktivität des Personals in einigen Fällen von der Rechtssprechung nicht oder nicht hinreichend im Zuge der erforderlichen Gesamtsaldierung berücksichtigt. Die Problematik einer nicht einfach oder kaum möglichen Quantifizierbarkeit der beschriebenen Vorteile kann im Rahmen eines wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriffs kein hinreichender Grund dafür sein eine Nichtkompensation zu unterstellen. Vielmehr muss der Versuch unternommen werden der wirtschaftlichen Komplexität gerecht zu werden und im Einzelfall alle denkbaren Vorteile sachgerecht zu ermitteln. Die Einschätzungsprärogative für wirtschaftlich sinnvolles Handeln kann im Rahmen eines wirtschaftsadäquaten Vermögens- und Schadensbegriffs nicht einfach strafjustiziell übernommen werden. Nachdem sämtliche denkbar relevanten wirtschaftlichen Vorteile ermittelt worden sind, stellt sich in einem weiteren Schritt die Frage, inwieweit diese immateriellen Unternehmensvorteile als geldwerte Vermögensvorteile berücksichtigt und trotz ihrer Quantifizierbarkeitsmängel konkret im Rahmen der Gesamtsaldierung verrechnet werden können. cc) Immaterieller Unternehmensvorteil als werthaltige Vermögenschance? Wird der abstrakten Gewinnerzeugungslogik nicht genügt (siehe z. B. D. II. 5. a) bb) (4) (a), D. II. 5. a) bb) (7) (b) (aa), D. II. 5. a) bb) (8) (a) (aa)) oder handelt der Vermögensbetreuer gegen die ausdrücklichen Vermögensinteressen des Treugebers, so kommt es auf die konkrete Vermögenssaldierung an, dessen Bestimmung konkrete kompensationsfähige Vorteilsposten voraussetzt. Fraglich bleibt, inwieweit immaterielle unmittelbare Unterneh-

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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mensvorteile, wie (potentielle) Marktstellungsvorteile, Rufsteigerungen oder Mitarbeitermotivationen, im Rahmen der Gesamtsaldierung zum Tatvollendungszeitpunkt kompensationstaugliche werthaltige Vermögensposten sind. (1) Langfristige Komplementarität von immateriellen Unternehmens- und (materiellen) Vermögensvorteilen durch materielle Rückkopplung immaterieller Resonanzen Strukturell können soziale, ideelle und andere immaterielle Werte, wie vorausgehend erörtert (D. II. 5. a) bb)), wirtschaftliche Vorteile darstellen. Der Wert des Unternehmens – solange es nicht sein Liquidationswert ist – ist mehr als die Summe konkret in Geld ausdrückbarer vermögenswerter Sachen und Rechte. Jedoch ist problematisch, dass eine an der Geldwertadäquanz von Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt der Transaktion ausgerichtete Gesamtsaldierung aber die Verrechenbarkeit von Vermögensvorteilen voraussetzt. Gleichwohl kann die Berücksichtigung von wirtschaftlich sinnvollen Gegenleistungen (Unternehmensvorteilen) im Rahmen einer wirtschaftsadäquat verstandenen Gesamtsaldierung nicht schlechtweg entfallen. Denn letztlich stehen die erwähnten Unternehmensvorteile immer im Kontext unternehmerischer Gewinnplanung, d.h. sie fördern, wenn auch nur mittelbar, das Gewinnvolumen des Unternehmens und stellen zum Tatvollendungszeitpunkt faktische Vorteilschancen dar. Gesteigerte oder verbesserte Kunden-, Kapital- oder Personalakquise sind mittelbar, nämlich in der zweckfunktionalen Konsequenz, bereits zum Tatvollendungszeitpunkt geldwerte Posten, wenn auch der Geldwert nicht präzise messbar ist (andernfalls könnte man ihn ja problemlos auf den Tatvollendungszeitpunkt diskontieren). Entsprechend zu Vorteilschancen (wie bei Risikogeschäften), bei denen die Realisierung der Chance noch offen ist (siehe D. II. 5. a) aa)), steht bei immateriellen Vorteilen die Materialisierung zu konkreten Geldvorteilen noch aus. Das Operieren mit immateriellen Werten ist eine Grundlage von Wertschöpfungsprozessen in einer modernen Wirtschaft1119, denn Wirtschaft und wirtschaftliche Unternehmen finden nicht in isolierter Eigengesetzlichkeit statt. Für sie gilt, was für alle anderen sozialen Systeme Geltung besitzt: not1119 Siehe Barnes Städler/Bircher/Streiff, S. 17 f., 45 f. m. w. N. Dort wird unter Berufung auf Löffelholz auch der Hinweis gegeben, dass selbst die Quantifizierung zahler Werte in der Betriebswirtschaft fiktiven Charakter habe. Siehe desweiteren Laub, AG 2002, S. 309.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

wendige Verknüpfungen mit anderen Systemen zur Selbsterhaltung (vgl. B. II. 2.). So handelt es sich, um dies an einem Beispiel zu erläutern, bei Kundenund Personalorientierung immer um das Eingeständnis, dass die Eigenlogik psychischer Systeme durch wirtschaftliche Kalküle nicht aufgehoben oder entdifferenziert werden kann, sondern die Denk- und Entscheidungsprozesse der Psyche für die interne Sinnproduktion relevant sind. Das bedeutet, dass „die Leistungen der psychischen Systeme [. . .] im Medium der Organisationserwartungen in die Form der Planung des Kommunikationsspiels eingebaut werden“ müssen.1120 „Sozialsein“ und für menschliche und humane Arbeitsbedingungen zu sorgen, solidarischen in der Gesellschaft tradierten Grundstandards zu genügen oder Vertrauen von gesellschaftlichen Entscheidungsträgern zu fördern sind nicht als „unwirtschaftlich“ zu verstehen, sondern wirtschaftliche Prozessbedingungen extrinsischen Ursprungs und Variationen von strukturellen Kopplungen zwischen Organisationen (Wirtschaft) und psychischen Systemen.1121 Sie sind die Grundlagen für langfristig haltbares wirtschaftliches Handeln und integrieren mit anderen sozialen und marktmäßigen Integrationsmaßnahmen das Wirtschaften in den gesamtgesellschaftlichen Funktionskontext. Dafür, dass Mitarbeitern bei besonderen Gewinnüberschüssen anteilige Boni gezahlt oder andere Formen von Sondervergütungen gewählt werden, gibt es keine unmittelbare konkrete geldwerte Gegenleistung. Gleichwohl fungieren solche Maßnahmen als Stabilisierung wirtschaftlicher Handlungsgrundlagen in der Form optimaler Einbettung psychischer Systeme, die nach Anerkennung, im wahrsten Sinne des Wortes gerechter „Behandlung“, humane Arbeitsbedingungen etc. streben und deren Anreiz und Fitness dem Unternehmen langfristig gut qualifizierte, motivierte, loyale und bei einer eventuell schwierigen Unternehmenslage zu notwendigen Einbußen bereite Arbeitskräfte beschaffen. Darüber hinaus spricht ein solches Verhalten Medien oder politische Institutionen an, die die soziale Ausrichtung des Unternehmens positiv aufnehmen. Dadurch werden psychische, mediale bzw. politische Vorteile erzeugt, die wiederum mittelbar wirtschaftlich auf den Gewinn durchschlagen (können). Gegenüber den primären an geldwerten Gegenleistungen, handelt es sich bei Gegenleistungen, die den wirtschaftlichen Prozessbedingungen extrinsischen Ursprungs dienlich sind, um sekundäre wirtschaftliche Vorteile. Multilaterale Kopplungen einer Wirtschaftsunternehmung zu psychischen oder anderen sozialen Systemen werden genutzt, weil sie intersystemlogisch1120 1121

Siehe Hutter/Teubner, S. 132 f. Hutter/Teubner, S. 118 ff., 132 ff.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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materielle Rückwirkungen der grenzüberschreitenden Impulse erwarten lassen. Es handelt sich um materielle Rückkopplungen immaterieller Resonanzen. Der „lediglich“ mittelbaren Wertgewinn versprechende (Wertpotential transportierende) intersystemisch- grenzüberschreitende Resonanz- oder „Perturbationskreislauf“ kann aus Gründen wirtschaftlicher Eigenlogik und Autonomie und gesamtgesellschaftlicher Funktionalität nicht weggedacht werden.1122 Materielle Wertschöpfungen setzen um ihrer Nachhaltigkeit willen vielmehr auch immaterielle Wertaspekte voraus. Ein ‚lebendes‘, am Markt aktives Unternehmen hat schließlich einen Wert, der letztlich auch Ausdruck der eventuell erst langfristigen und nicht konkretisierbaren Ertragschancen ist. Die Tatsache, dass der Gegenwert geschäftlichen Tuns in einigen Fällen nicht hinreichend oder nur unter praktisch nicht zu leistenden empirischen Aufwand pekuniär quantifizierbar ist, d.h. dass der Mindestnachweis einer Nachteilskompensation auf der Grundlage einer konkreten Quantifizierung nicht möglich ist, erlaubt es dabei nicht, bei der Bewertung stehen zu bleiben solches wirtschaftliches Handeln sei lediglich als „Aufwand“ bezifferbar und unmittelbar erlangte immaterielle Vorteile vollkommen kompensationsuntauglich.1123 Darüberhinaus genügen Geldvorteil versprechende betriebsbezogene immaterielle Werte auch regelmäßig der Liquidierbarkeitsthese (dazu ausführlich D. II. 3. e) dd) (2)). Als Zwischenresümee der Ausführungen lässt sich daher Folgendes festhalten: Vernünftiges wirtschaftliches Handeln ist nur möglich, wenn auch Vorteile in Systemen generiert werden, mit denen das Wirtschaftssystem verkoppelt ist. Solche immateriellen Vorteile können Vermögenschancen darstellen. Vorteile, wie etwa Motivation, ein guter Ruf oder politische Kontakte, erzeugen einen immateriellen Mehrwert, der das Potential in sich trägt sich in einen materiellen Mehrwert, also einen konkreten geldwerten Vermögensvorteil, 1122

Vgl. Teubner, Produktionsregimes, S. 4 ff. Teubner exemplifiziert diese Zyklizität an der betrieblichen Ausbildung, die Änderungsimpulse an die Politik sendet, diese durch Regeländerungen das Erziehungssystem beeinflusst, welches wiederum auf das Wirtschaftssystem zurückwirkt. Vgl. auch das veranschaulichende Schaubild in betriebswirtschaftlicher Sichtweise bei Barnes Städler/Bircher/Streiff, S. 18, 45 f. m. w. N. 1123 Thomas, FS-Riess, S. 802; Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 73 f. Kritisch ist daher auch dem Urteil des LG Darmstadt im Siemens-Fall (siehe Urteilstext, Rn. 149) zu entgegnen, welches den Vorteil eines rechtswidrig erlangten Auftrags, der ja wegen des Entdeckungs- und Gewinnabschöpfungsrisikos durchaus wirtschaftlich minderwertig ist, zum Tatzeitpunkt jedoch ohne Weiteres mit gar keinem Wert festsetzt (vgl. auch Abschnitt D. II. 5. b) bb)).

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

zu transformieren. Die Rückkopplung von immateriellen in materielle Vorteile begründet jedenfalls das Erfordernis auch sämtliche unmittelbaren immateriellen Vorteile mit ihrem „Materialisierungspotential“ im Rahmen der Gesamtsaldierung zu berücksichtigen, da auch sie (unbestimmte) Vermögensvorteile darstellen können. (2) Unzulänglichkeit des Grundsatzes der Geldwertadäquanz im Rahmen der Gesamtsaldierung bei immateriellen Vermögensvorteilen Bedeutsam ist die Frage, ob und inwieweit die Berücksichtigung immaterieller Vorteile und der mit ihnen einhergehenden konkret nicht zu bewertenden materiellen Vorteile mit den Grundsätzen der Geldwertadäquanz in Einklang zu bringen ist, denn Leistung und Gegenleistung können nur verglichen werden, soweit sie mit einem konkreten Geldwert beziffert werden. Die komplizierten Rekonstruktionsprozesse, deren sich Wirtschaftsunternehmen mit einer internen Dynamik bedienen, übersteigen in ihrer Komplexität die vereinfachte, an einem unmittelbaren Geldwertausgleich orientierte Systematik einer Schadensbestimmung. Eine schlichte Anwendung des Grundsatzes der Geldwertsaldierung ist deshalb vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Komplexität, wie vorausgehend dargestellt, unzureichend. (3) Problemlösungsmöglichkeiten (a) Grundsätzliche Abkehr vom Dogma der Adäquanz von Leistung und Gegenleistung (aa) Vorschlag einer grundsätzlichen Abkehr vom Dogma der Adäquanz von Leistung und Gegenleistung Ein von Thomas favorisiertes Lösungskonzept besteht in der Abkehr vom Dogma der Adäquanz von Leistung und geldwerter Gegenleistung bei der Schadensbestimmung.1124 Dadurch würde die Saldierung von Nachteilen und Vorteilen sozusagen „entquantifiziert“, was zur Folge hätte, dass immaterielle Vorteile mit „Materialisierungspotential“ in wirtschaftsadäquater Weise kompensierend wirken können.

1124

B.3.

Thomas, FS-Riess, S. 802. Siehe auch Zwiehoff, jurisPR-ArbR 2009, B.2.b.,

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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(bb) Kritik Der Intention einer Aufrechterhaltung von Kontinuität wirtschaftlicher Eigenlogik im Rahmen einer wirtschaftsadäquaten Vermögens- und Schadensbestimmung ist grundsätzlich zuzustimmen. Gegen die zu Korrektur- und Restriktionszwecken vorgenommene Abkehr vom Dogma der Adäquanz von Leistung und Gegenleistung bestehen jedoch Bedenken. (a) Die Identität der Bewertungsmethode für Vorteils- und Nachteilsposten im Rahmen eines einheitlichen wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriffs kann nicht aufgegeben werden. Eine Folge wäre nämlich, dass sich die Abkehr vom Prinzip der Leistung-Gegenleistung-Äquivalenz strafbarkeitsausweitend auf der Nachteilsseite auswirkt. Wären beispielsweise Reputationsvorteile unabhängig von der Äquivalenz kompensierend, so kann ohne Weiteres nicht verneint werden, dass auch Rufschädigungen auf der Nachteilsseite ungeachtet ihrer Äquivalenz ins Gewicht fallen müssen. (b) Darüber hinaus mangelt es an einem fehlenden Vergleichsmaßstab: nach welchem wirtschaftlichen Kriterium eine Entscheidung gefällt werden soll ist nicht gesagt. Vielmehr eröffnet die fehlende Bindung an das wirtschaftliche Kriterium des Geldwerts wiederum einen Raum für strafbarkeitsausweitende wirtschaftsfremde Erwägungen, wie etwa eine Subjektivierung (siehe dazu D. II. 3. d)). Dem Recht wäre die Aufgabe zugetragen die ökonomische Reintegration, d.h. die ökonomische Bewertung immaterieller Vorteile mit Materialisierungspotential selbst zu vollziehen, ohne aber aus sich heraus die Entscheidung fällen zu können (oder allenfalls nur mit – aus wirtschaftlicher Sicht – Kontingenz).1125 (g) Die Aufgabe der Geldwertorientierung ginge mit einer Ausweitung denkbarer Kompensationsposten einher, die willkürliche Ausmaße annehmen kann und aus viktimologischen Gründen bedenklich ist. Das UntreueTatbestandsmerkmal „Vermögensschaden“ verlangt danach, dass der Vermögensinhaber den geldwerten Bestand nicht verliert und er das Erlangte prinzipiell zur Kompensation veräußern könnte. Es gibt für das Recht eine Unermesslichkeit an wirtschaftlicher Eigenlogik, die über den Rekurs auf andere Systemlogiken (zum Beispiel über die strukturelle Kopplung von wirtschaftlichem und emotionalem Handeln im Rahmen von Anreizsystemen u. v. m.) eine Bandbreite nicht unmittelbar geldwerter ökonomischer 1125 Unternehmerische Ermessensentscheidungen knüpfen nicht nur hinsichtlich der Handlungs-, sondern auch der Zielpolitik, also der Wahl spezifischer Ziele, an Abwägungen an, die sich einem „richtig oder falsch“-Ansatz entziehen. Gerichtlich wäre dies schlechterdings nicht überprüfbar. siehe schon Poseck, S. 67. Hingewiesen sei auch auf das prozessuale Problem von Sachverständigen, deren Einschätzung nicht selten auch subjektive Komponenten aufweisen, siehe Winkler, S. 49 f., 114.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

Vorteile generiert.1126 Die Konvertierungs- oder Reintegrationsregeln, die die ökonomische Vorteilhaftigkeit ausweisen, wenn sich die Wirtschaft anderen Systemlogiken behilft, bleiben aber schlechtweg zu diskret bzw. intersystemisch zu komplex als dass sie ohne Weiteres einen Schaden ausschließen könnte.1127 Das Recht müsste sich sozusagen durch die Wirtschaft weiter an zu diesem selbst gekoppelte Systeme (psychisches System, Kultursystem, Mediensystem usw.) ankoppeln, um Entscheidungen über Vorteil- und Nachteilhaftigkeit fällen zu können. Eine Abkehr vom Prinzip der Geldwert-Adäquanz würde die Unbestimmtheit des Untreuetatbestands verstärken, weil sie die Diffusion (Perturbation) durch alle denkbaren Prozesse diverser Eigenlogiken, deren Ergebnisse in komplexer Weise irgendwie und irgendwann wieder als materielle Vermögensvorteile in das Wirtschaftssystem reintegriert werden können, unbegrenzt rechtlich relevant werden lässt. Es wäre nicht hinzunehmen, wenn sich ein Bankmitarbeiter, der, um sich an den Arbeitsbedingungen seines Arbeitgebers zu rächen, das gesamte ihm anvertraute Kapital zu karitativen Zwecken oder Werbeplakatierung ausgibt, oder ein Vermögensverwalter, der das Geld nicht an der Börse anlegt, sondern im Namen des Treugebers zum Straßenfest einlädt, sich darauf berufen, der „Ruf“, das Ansehen, die Marktststellung, die mediale Publizität des Treugebers seien ungeachtet der Frage nach der konkreten Adäquanz mit dem investierten Kapital, wesentlich verbessert worden. (cc) Zusammenfassung Die programmatische Einbeziehung wirtschaftlicher Fremdreferenz (außerwirtschaftliches Potential für wirtschaftliche Gewinne) in das Recht bietet selbst keine hinreichend rezipierbare komplexitätsadäquate Standardisierung, mit der das Recht die Geldwertadäquanz autologisch überwinden könnte. Auf der Schadensebene bedarf es demzufolge einer Methode, die die Geldwertadäquanz korrigiert, ohne aber die Konkretion aufzugeben, die für die Schadensbestimmung nötig bleibt. Die Frage ist, ob es für die besagten Konstellationen ein solches geldwertäquivalentes Vorteilsbestimmungsinstrument gibt.

1126 Vgl. Teubner, Produktionsregimes, S. 4 ff.; Vogt, Zur Logik der Ehre, S. 134 ff. 1127 Der „wirtschaftlich vernünftige Gesamtplan“ ist in diesem Sinne kein Relationierungsprogramm, welches sich für die Abstimmung verschiedener Teilsystemrationalitäten öffnet. § 266 StGB ist ein Konditionalprogramm im Sinne eines klassischen Formalrechts, das sich aus funktionalen Gründen der wirtschaftlichen Rationalität öffnet. Vgl. Teubner/Willke, S. 20 ff.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

359

(b) Orientierung an einem „Quasi-Geldwert“ (Komparabilitätshypothese) Wie gezeigt, entsprechen auch nichtgeldwertadäquate immaterielle Vorteile einem wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplan. Blendet das Recht die notwendigen Kopplungen des Wirtschaftssystems mit anderen Systemen einfach aus, schreibt es den daraus resultierenden materiellen Vorteilen eigenmächtig und zudem wirtschaftlich gesehen fälschlicherweise ökonomische Wertlosigkeit zu. Vorzuschlagen ist im Falle nicht hinreichender Quantifizierbarkeit von werthaltigen Vorteilen die für eine Saldierung erforderliche Bewertung anhand von Vergleichen vorzunehmen und den Wert des immateriellen Vorteilspostens daran zu bemessen, wieviel ein anderes vergleichbares Unternehmen typischerweise bereit wäre für eine vergleichbare Gegenleistung zu zahlen.1128 Die relationale bzw. Vergleichsmethode zur Ermittlung des Marktwertes bei nicht hinreichend konkreter objektiver Schadensbestimmbarkeit ist dem Recht, wie der „hypothetische Marktwert“ zeigt, nicht fremd1129 (siehe D. II. 3. a), D. II. 3. b) cc)). Eine Orientierung an vergleichbaren Unternehmenstransaktionen spiegelt insoweit die „Marktbewertung“ wieder, wenn sich kein objektiv greifbarer Geldwert manifestiert hat1130, beispielsweise wenn es um eine Marketingaktion geht, die eine positive Publizität ein1128 Hieran zeigt sich, dass bei Sachleistungen die Anwendung der „Quasi-Geldwerttheorie“ paradox wäre, denn eine unverkäufliche Sache (zum Beispiel das bemakelte Grundstück) kann keinen Quasi-Geldwert haben. Denn wenn vergleichbare Wirtschaftssubjekte für die Sache (denselben Preis) zahlten, dann würde sie verkäuflich sein. Die Existenz eines Quasi-Geldwerts schließt von vornherein einen Liquidierbarkeitsmangel aus, dies aber nur bei sachlichen Leistungen, Handelsgütern usw. 1129 Beispielsweise BGH, NJW 2007, S. 3794. Siehe – im zivilrechtlichen Kontext – nur beispielsweise BVerfG, NJW-RR 2005, S. 743; BGH NJW 2007, S. 3794 („Bei der Ermittlung eines fiktiven Marktpreises ist die Vergleichsmarktbetrachtung grundsätzlich die überlegene Schätzungsmethode“); OLG Celle, IHR 2001, 107 f.; OLG München, IHR 2005, S. 70 ff.; OLG München, AG 2007, S. 291 f. („Wie auch im Vertragsbericht eingeräumt wird, existiert kein betriebswirtschaftlich anerkanntes Verfahren zur Bemessung eines Zuschlags für Mehrstimmrechte. Die Bewertungsgutachter haben den von den Vertragsprüfern gebilligten Weg gewählt, aus der Marktbewertung von stimmberechtigten (Stamm-)Aktien und stimmrechtslosen (Vorzugs-)Aktien anderer Gesellschaften Rückschlüsse auf den abstrakten Wert eines Stimmrechts bzw. einen prozentualen Stimmrechtsaufschlag zu ziehen.“). 1130 Siehe Kort, NJW 2005, S. 334 ff.; Peltzer, FS-Lutter, S. 574 f.; Dittrich, S. 102 ff., 121 ff. Tiedemann, FS-Weber, S. 325 ff.; Rönnau/Hohn, NStZ 2004, S. 116 ff. Dem entspricht auch der wirtschaftswissenschaftliche Wertbegriff, der quantitative Meßzahlen um marktabhängige wirtschaftliche Vergleichsgrößen ergänzt, siehe Barnes Städler/Bircher/Streiff, S. 17 f. m. w. N.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

bringt, aber noch keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Geldvorteil ausweist oder um Abfindungen für Gehalts- und Pensionsansprüche.1131 Bedeutend ist letztlich die Marktüblichkeit. Dabei liegt aufgrund der Individualität der Leistung und des Leistenden der materielle Vergleichswert für die eingekaufte Leistung grundsätzlich innerhalb einer Bandbreite, die darüberhinaus durch facettenreiche Unternehmens- und Marktbedingungen bestimmt wird.1132 Aus einer Gesamtbetrachtung ergibt sich schließlich ein Quasi-Geldwert, der (noch) kein Geldwert ist, weil der Handlungseffekt noch nicht ökonomisch reintegriert wurde (oder die Bestimmung von Kausalzusammenhängen, wie zwischen Rufsteigerung und konkretem Absatzzuwachs, gänzlich unmöglich ist und naturgemäß ausbleiben wird), der aber andererseits auch von anderen Systemlogiken, an die sich das Wirtschaftssystem gekoppelt hat (etwa psychische Systeme, Mediensystem, Politik, Erziehung, Kultur etc.) abgrenzt, sie aber immanent mitberücksichtigt. Der Quasi-Geldwert verbindet das abstrakte Denken in objektivierbaren wirtschaftlichen Gesamtplänen bei immateriellen Werten mit der notwendigen Konkretion ihrer materiellen Vorteilhaftigkeit innerhalb der „Universalisierung des Geldes“1133. Er reduziert zudem gleichzeitig die Komplexität der diffusen reintegrativen Materialisierung von außerwirtschaftlichen Werten. Indem er die Entscheidung über den wirtschaftlichen Sinn oder Unsinn (wirtschaftliche Vernunft) aber immer dem Wirtschaftssystem abfragt und damit der richterlichen Entscheidung einen wirtschaftsadäquaten objektiven Indikator zum Vorteil-Nachteil-Ausgleich verschafft, weist er eine funktionale Äquivalenz zur Marktwertbestimmung im Rahmen der Adäquanz von Leistung und Gegenleistung auf.1134 Genauer betrachtet fingiert die Quasi1131

Vgl. Dittrich, S. 121 ff., 129 ff. Zur Vergleichbarkeit deutscher und US-amerikanischer Vergütungssysteme a. a. O., S. 133 ff. Siehe dazu auch die Ranglisten über Manager börsennotierter Unternehmen (sog. „fat cats“): Financial Times Deutschland, 29.09.2003, S. 26. Auf den globalen Vergleich von Sonderzahlungen und Abfindungen berief sich im Zusammenhang mit dem Mannesmann-Prozess auch Joseph Ackermann: siehe www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/279/18261 [2.1.2006]; zum internationalen Maßstab von Vorstandsbezügen auch Dierlamm, StraFo 2005, S. 401. 1132 Siehe in Bezug auf Entlohnungen Peltzer, FS-Lutter, S. 577 ff.; Rönnau/ Hohn, NStZ 2004, S. 118; Müller-Gugenberger/Bieneck-Schmid, § 31, Rn. 122. 1133 „Beide Seiten einer Tauschbeziehung, in der Geld benutzt wird, müssen sich ihre Leistung monetarisiert vorstellen können“: Luhmann, Wirtschaft der Gesellschaft, S. 238 f., 316. 1134 Der Vergleichsmaßstab rückt zwar in die Nähe des Marktpreises, ist mit diesem jedoch nicht identisch. Der Marktpreis ist nämlich prinzipiell allen partizipierenden Akteuren (Haushalten, Wirtschaftsunternehmen) verbindlich, ohne das jedes Wirtschaftssubjekt gleichermaßen mit dem Erworbenen nach seiner spezifischen Ge-

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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Geldwert-Orientierung selbst die Reintegration von außerwirtschaftlichen Vorteilen in das Wirtschaftssystem, die noch nicht geschehen ist (weil sich kein darauf begründender konkreter Gewinn ausgewiesen hat oder sich ausweisen lässt). Sie schließt vom Geldwert, den ein anderes Unternehmen für eine Leistung zahlen würde, auf den zu erwartenden Mindestwert der Gegenleistung. Die Methode des Vergleichs stellt eine empirische Bestimmung dessen dar, was die wirtschaftliche Vernünftigkeit eines investiven Gesamtplans begründen kann. Dabei wird unterstellt, dass sich das Vergleichsunternehmen im Rahmen eines wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans bewegt. Die Methode des Vergleichs versagt allerdings dann, wenn im Mittelpunkt der Betrachtung ein innovativer immaterieller Vorteil steht, der aufgrund der Dynamik der Wirtschaft und der Unternehmen als Lernsysteme noch nicht tradiert, d.h. der Bestimmung eines materiellen Wertigkeitsindizes durch Vergleichung entzogen ist. In solchen Fällen kann die Erprobung völlig unquantifizierbarer und gänzlich neuartiger, deshalb unvergleichbarer „Werte“ und ihrer bis dato außerlogischen materiellen Resonanzergebnisse nicht auf Kosten der Vermögensinteressen des Treugebers aus dem Untreuetatbestand ausgegliedert werden. Ohne Vergleichbarkeit sind nicht quantifizierbare Werte nicht kompensationstauglich. Beispiel: Geschäftsführer X der mittelständischen und auch nur lokal operierenden Y-GmbH ohne Expansionstendenzen investiert in einen erheblichen Marketing- und Repräsentationsaufwand zur Steigerung des Unternehmensgewinns. So veranstaltet er Empfänge, europaweite Werbekampagnen und betreibt Sponsoring für Sportereignisse. Soweit keine Konkretionen der Verpflichtung vorliegen, ist sein Verhalten pflichtwidrig, da das Abzielen auf immaterielle Unternehmensvorteile nicht innerhalb einer prinzipiellen Gewinnerzeugungslogik steht (vgl. z. B. D. II. 5. a) bb) (4) (a), D. II. 5. a) bb) (7) (b) (aa), D. II. 5. a) bb) (8) (a) (aa)). Es stellt sich die Frage, ob das investierte Kapital zu einem Vermögensschaden führte. Als Vorteile sind wirtschaftliche Werte wie Imagegewinn, Publicity etc. verbuchbar. Auf die Liquiditätsthese ist dabei nicht abzustellen, weil die Vorteile auf Geldvorteile gerichtet sind (vgl. D. II. 3. e) dd) (2)). Fraglich bleibt jedoch, ob die im Rahmen eines wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans zu erwartenden, aber nicht quantifizierbaren Vorteile den Nachteil kompensieren. Dies ist anhand des Quasi-Geldwerts zu bestimmen. Dieser dürfte – vorbehaltlich einer Einzelfalluntersuchung – im Vergleich mit vergleichbaren Unternehmungen nicht gegeben sein, da es sich hier um ein kleineres lokal beschränktes Unternehmen handelt, winnerzeugungslogik einen Vermögensvorteil verknüpft. vgl. Luhmann, Wirtschaft der Gesellschaft, S. 94, Fn. 6. Denn der Erwerb einer Dienstleistung zum Marktpreis sagt nichts über die individuelle wirtschaftliche Vorteilsgenerierung aus demselben aus, weil Preise als solche auch noch keine Entscheidungsprogramme sind („Man zahlt nicht nur wegen des Kaufpreises . . .“: Luhmann, Wirtschaft der Gesellschaft, S. 227.). Diese Nichtspezifität des Marktpreises wird von dem „wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplan“ als Kriterium zur Vorteilsermittlung korrigiert und findet Ausdruck im Quasi-Geldwert.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

welches durch großspurige Werbemaßnahmen etc. nicht bedeutsam profitieren kann (sog. „unangemessener Luxus“1135).

Die Orientierung am Quasi-Geldwert rekonstruiert also den „wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplan“ des konkret zu betrachtenden Unternehmens durch den Maßstab der Marktüblichkeit. Es ist ein Versuch immaterielle Werte über marktorientierte Vergleichsgrößen in ihrem Wertgehalt zu verobjektivieren, um sie mit einem quantifizierbaren Vermögensvorteil gleichzustellen. Sein Vorteil liegt darin, dass er die Berücksichtigung von immateriellen Vorteilsposten im Rahmen der Gesamtsaldierung ermöglicht, ohne den wirtschafts- und rechtsadäquaten Maßstab der Geldwerts zu verwerfen. Der Quasi-Geldwert-Orientierung gelingt insoweit die Aufrechterhaltung beidseitig korruptionsfreie Kopplung von Recht und Wirtschaft innerhalb des wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans. (c) Normative Restriktion durch den Grundsatz „in dubio pro reo“ Die Schadensbestimmung auf der Grundlage der Gesamtsaldierung fordert die Geldwertbetrachtung der Vorteilsposten insoweit ein, als es um den Nachweis der Kompensation geht. Eine darüber hinausgehende konkrete Quantifizierung, also die exakte Bestimmung des Wertes, um den genau der Vorteil den Nachteil übersteigt, ist auf der Ebene der Vermögensschadensbestimmung nicht zwingend erforderlich.1136 Ist es nun so, dass bei Quantifizierbarkeitsmängeln zumindest die Möglichkeit einer Kompensation glaubhaft vorgetragen werden kann, so muss dies zugunsten des Täters Berücksichtigung finden. Der Rechtsgrundsatz „in dubio pro reo“ muss als normative Zurechnungsbegrenzung bei wirtschaftlichen Zurechnungsunzulänglichkeiten auf der Kompensationsseite dergestalt aktiviert werden, dass ein Schaden nur dann vorliegen soll, wenn der Aufwand den erwarteten Nutzen eindeutig übersteigt.1137 Es ist nicht hinreichend, wenn der Schadensposten quantifizierbar ist, sondern es bedarf eines Nachweises, dass der nichtquantifizierbare Vorteilsposten den Schadensposten nicht übersteigt. Erst dann kann der Schaden die Strafbarkeit begründen. Beispiel: Vermögensbetreuer X lanciert pflichtwidrig eine überproportional aufwendige Werbekampagne für ein ländliches Kleinunternehmen. Die Quantifizie1135

Vgl. BGH MDR 1986, S. 952. Vice versa genüge auch zur Schadensbejahung auf der Schadensbestimmungsebene der Nachweis eines die Vorteile übersteigenden Nachteils, „ohne dass es an dieser Stelle bereits auf die Ermittlung der genauen Schadenshöhe ankäme“ (KG Berlin, Urteil v. 9.12.1994 – 7 U 43/94, abgedruckt in: Report KG Berlin 1995, S. 62 f.). 1137 So auch Tiedemann, FS-Weber, S. 330 f.; Zwiehoff, jurisPR-ArbR 2009, B.2.b., B.3; Nuß, S. 655. 1136

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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rung der Investitionsrendite (Rufsteigerung, Bekanntheitsgrad, Kundenstammerweiterungspotential etc.) lässt sich nicht mit Gewissheit bestimmen. Auch kann durch einen Vergleich mit anderen ähnlichen Unternehmensaktionen eine Kompensation nicht belegt werden. Eine Vermögensschädigung liegt vor, wenn der Aufwand den möglichen, erwartbaren Nutzen eindeutig übersteigt.

(4) Beispiel: Praxis von schwarzen Kassen und Bestechungen bei der Siemens AG („Siemens-Fall“) Die Quasi-Geldwert-Orientierung und die normative Restriktion des „in dubio pro reo“-Grundsatzes könnten, ohne dass an dieser Stelle eine als solche notwendige Sachverhaltsanalyse möglich wäre, die Beurteilung des „Siemens-Falls“ im Ergebnis verändern. Grundsätzlich ist, selbst wenn der Sanktionsnachteil den unmittelbaren Vorteil aus dem Geschäft im wirtschaftlichen Wert übersteigt, zu beachten, dass sich die Gesamtsaldierung auf sämtliche Vorteile zu beziehen hat, die im Ergebnis einen Schaden ausschließen können. So verbleiben in vielen Fällen trotz Restitution und Sanktionierungen immer noch überschüssige Vorteilsposten. Unzureichend berücksichtigt wurde das in der „SiemensKorruptionsaffäre“ (zum Sachverhalt siehe Einführung): Das LG Darmstadt erkennt die Gefährdung des kompensierenden Vorteils bereits selbst als Schaden an und verneint den kompensatorischen Wert der Gewinnchancen in ihrer Gesamtheit.1138 Diese Vorgehensweise widerspricht nicht nur einer wirtschaftlich verstandenen Gesamtsaldierung aller Vor- und Nachteilsposten, sondern verkennt auch, dass eine schadensgleiche Vermögensgefährdung nicht bereits in der Kompensationsgefährdung liegen kann, denn die kompensatorische Leistung ist nicht gleichzeitig Teil des Vermögensbestandes, um dessen Schädigung es geht1139 (zur Kompensationsgefährdung siehe D. II. 5. b)). In der Annahme einer schadensgleichen Vermögensgefährdung durch die Gefährdung einer Kompensationsleistung (nämlich des Auftrags), also auf „zweiter Stufe“, schneidet sich das LG Darmstadt den Weg dazu ab, auf der „ersten Stufe“ nach anderen kompensatorischen Faktoren suchen zu können. Ungeachtet des Nachteilspotentials sind etwa Geschäftschancen und zukünftige Geschäftsentwicklungen wie vorteilhafte Kundenstammveränderungen, Verbesserungen der Geschäftsbeziehungen oder der Marktstellung und damit die Möglichkeit der Erlangung von Folgeaufträgen als kompensierende Vorteilschancen zu berücksichtigen.1140 1138

LG Darmstadt, Urteilstext, Rn. 149. Zu dieser Kritik insbesondere Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 73 f. so Saliger/Geade, HRRS 2008, S. 74. Kritisch zu beurteilen ist daher das Urteil des LG Darmstadt im Siemens-Korruptionsfall (Urteilstext, Rn. 49), in dem die Gefahr der Gewinnabschöpfung mit einer Schadenserzeugung gleichgesetzt wird. 1139

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

Angesichts der jahrelang erfolgreichen Bestechungspraxis durch die Siemens AG kann nicht einfach unterstellt werden, die Aufdeckungs-, Gewinnabschöpfungs- und Sanktionierungsgefahr schlösse jeden anderen Vorteil (siehe D. II. 4. c) bb), D. II. 5. a) bb) (3)) des rechtswidrig erlangten Auftrags – willkürlich und contra reum – aus. Gerade wenn man beim Halten schwarzer Kassen und bei Auslandskorruption von einem wirtschaftlichen Usus spricht (siehe C. IV. 7. e)), könnte die Bestimmung eines QuasiGeldwerts der erlangten Vorteile, wie Marktstellungsvorteile usw., anhand von Vergleichen mit anderen vorher aufgetretenen Fällen möglich sein. Aber selbst ohne eine konkrete Bestimmbarkeit einer wirtschaftlich insgesamt realistischen Gewinnerwartung innerhalb der konkreten Umstände zum Tatzeitpunkt ist ein willkürlicher Wertabzug aufgrund der Aktivierung des „in dubio pro reo“-Grundsatzes nicht ohne Weiteres vertretbar. Die zusätzlich erlangten Vermögensvorteile könnten nämlich immerhin in dem Maße ein Positivsaldo begründen, dass der Nachteilsposten nicht eindeutig überwiegt.1141 (5) Zusammenfassung Nicht hinreichend quantifizierbare immaterielle Unternehmensvorteile mit Materialisierungspotential, wie Verbesserungen von Mitarbeitermotivation, Marktstellung, Reputation, Know-How etc., stellen Vorteile dar, die im Rahmen der Gesamtsaldierung zu berücksichtigen sind. Da die Gesamtsaldierung dem Prinzip von Adäquanz von Leistung und Gegenleistung folgt, um wirtschaftliche Komplexität juridifizierbar zu verarbeiten, bedarf es einer zum Marktwert funktional-äquivalenten Wertbestimmung dieser Vorteile, um eine Verrechenbarkeit zu ermöglichen. Dabei stellt sich die Orientierung an einem Quasi-Geldwert als geeignetes Instrumentarium heraus. Die Orientierung am Quasi-Geldwert rekonstruiert den „wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplan“ des konkret zu betrachtenden Unternehmens durch den Maßstab der Marktüblichkeit. Es ist ein Versuch immaterielle Werte über marktorientierte Vergleichsgrößen in ihrem Wertgehalt zu verobjektivieren, um sie mit einem geldwerten quantifizierbaren Vermögensvorteil gleichzustellen. Sein Vorteil liegt darin, dass er die Berücksichtigung von immateriellen Vorteilsposten im Rahmen der Gesamtsaldierung ermöglicht, 1140 Taschke, FS-Lüderssen, S. 667 f.; Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 75. Desweiteren auch Bernsmann, StV 2005, S. 577; Burger, S. 223 ff. Vgl. auch Lüderssen, FS-Müller-Dietz, S. 470. Zur Verschaffung einer bestimmten Marktposition als sorgfältiges kaufmännisches Handeln insbesondere auch OLG Frankfurt, NStZ-RR 2004, S. 245. 1141 Siehe Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 75; Bernsmann, GA 2007, S. 232; Achenbach/Ransiek-Seier, HWSt, V 2, Rn. 360.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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ohne den wirtschafts- und rechtsadäquaten Maßstab der Geldwertorientierung zu verwerfen. Der Quasi-Geldwert-Orientierung gelingt insoweit normativ angemessenen Kontakt und Ausgleich zwischen Strafrecht und Wirtschaft. Darüber hinaus gewinnt der normative Grundsatz „in dubio pro reo“ Bedeutung. Für die Schadensannahme ist es nicht hinreichend, wenn der Schadensposten quantifizierbar ist, sondern es bedarf eines Nachweis, dass der nichtquantifizierbare Vorteilsposten den Schadensposten nicht übersteigt. Ein Schaden liegt nur dann vor, wenn der Aufwand den erwarteten Nutzen eindeutig übersteigt. b) Kompensationsgefährdung aa) Vorteilsgleiche Vermögenschance mit intrinsischer Kompensationgefährdung – Spiegelbildlichkeit zur schadensgleichen Vermögensgefährdung bei Risikogeschäften Die vermögenswerte Exspektanz (vorteilsgleiche Vermögenszuwachschance) ist das Spiegelbild zur schadensgleichen Vermögensgefährdung. Der Unterschied ist lediglich, dass bei einer vorteilsgleichen Vermögenschance die wirtschaftliche Gesamtbewertung positiv, bei der schadensgleichen Vermögensgefährdung negativ ist. Immanent ist der schadensgleichen Vermögensgefährdung eine Wahrscheinlichkeit, dass eine Kompensation doch noch eintritt (intrinsische Kompensationswahrscheinlichkeit) (ausführlich dazu bei D. II. 4. b) cc) (1)). Demgegenüber birgt eine vorteilsgleiche Vermögenschance auch immer die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Chance nicht verwirklicht, sondern der Verlust eintritt (Wahrscheinlichkeit der Kompensationsgefährdung). bb) Vermögensvorteile mit intrinsischer Kompensationgefährdung (z. B. Sanktionsfolgen) Eine werthaltige Exspektanz ist auch der gegenwärtig unsichere Vorteil, d.h. der wirtschaftliche Vorteil, der noch eine nicht verrechnete Wahrscheinlichkeit seiner Gefährdung in sich trägt. Es handelt sich dabei um unsichere Kompensationen im Sinne erlangter Vermögensvorteile1142, welche immanent die (aber nicht – wie etwa bei Vermögenschancen bei Risikogeschäften – eine automatisch schon in sich verrechnete) Gefahr ihrer Minderung tragen. Häufig werden diese Fälle, beispielsweise eines Abschlusses gewinnbringender rechts- oder sittenwidriger Verträge mit Nachteilspotential (Sanktion, Gewinnabschöpfung etc.) oder der Erlangung von Vorteilen 1142

Siehe Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 74.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

(zum Beispiel Aufträge, Subventionen), welche die Gefahr des Widerrufs, des Ausfalls oder der Stornierung in sich tragen, als schadensgleiche Vermögensgefährdungen behandelt.1143 Der im Rahmen der Gesamtsaldierung zu bestimmende Schaden liegt hier, genau betrachtet, aber im Nichtzufluss eines eventuell nicht hinreichenden kompensierenden Vorteils, nicht aber in einer Gefährdung eines bereits vorhandenen Bestandes. Beispiel: Eine Bauträgergesellschaft verwendet pflichtwidrig das Kapital des Kunden X nicht für die Errichtung dessen sondern anderer Häuser. Das Haus des X soll entsprechend mit anderweitigen zukünftigen Kundengeldern finanziert werden. X erlangt einen nominal vollwertigen und an sich kompensierenden Anspruch gegen den Bauträger (Gegenleistung). Das Risiko eines wirtschaftlichen Konjunktureinbruchs mindert den Anspruch des X auf die Gegenleistung. Ob der Risikofaktor nun 5% oder 10% darstellt, kann dann nicht von Erheblichkeit sein, wenn die Minderwertigkeit in konkreter Weise ökonomisch gegeben ist. Dies ist vorliegend jedenfalls naheliegend.1144

cc) Zusammenfassung Erworbene Vorteile können mit Kompensationsgefährdungspotentialen einhergehen. Die Unterscheidung von schadensgleicher Vermögensgefährdung und vorteilsgleicher Vermögenschance gewinnt besondere Bedeutung bei der Frage, ob der Unmittelbarkeitszusammenhang bei der Realisierung der Vermögensgefährdung (wie bei schadensgleichen Vermögensgefährdun1143 Statt vieler: Fischer, StraFo 2008, S. 274 f.; Nack, StraFo 2008, S. 279; Burger, S. 183 ff., 192, 209 ff. Die Gewinnwahrscheinlichkeit bei einem typischen Risikogeschäft ist nämlich nie ohne die Verlustwahrscheinlichkeit auszudrücken, denn die Wahrscheinlichkeit des Nichtverlustes und jene des Verlustes ergeben in der Summe immer 100%, d.h. jede dieser Wahrscheinlichkeit hat die andere in sich verrechnet, ist nie unabhängig von ihr. Es wird bei einem Risikogeschäft (zum Beispiel Lotto) daher keine Gewinnwahrscheinlichkeit erworben, der selbst noch eine nicht verrechnete Vorteilsgefährdung amhaftet wie etwa beim Erwerb eines Vorteils, der eventuell mit späteren Saktionszahlungen einhergeht. Wird ein vorteilhaftes Risikogeschäft abgeschlossen, so ist die geringere Verlustwahrscheinlichkeit nicht mehr erheblich. Abweichend verhält es sich vice versa: wenn das Risikogeschäft insgesamt einen Negativsaldo hervorruft, so ist zwar der wirtschaftliche Schaden durch die Verwirklichung des in ihm verrechneten positiven Teils (also der Gewinnwahrscheinlichkeit) nicht mehr ex post zu kompensieren. Dennoch ergibt sich in diesem Fall die Besonderheit einer problematischen personalen Schadenszurechnung wegen der intrinsischen Kompensationswahrscheinlichkeit. Dort kommt es sehr wohl auf die Effektivierung an (zum Unmittelbarkeitsprinzip bei der schadensgleichen Vermögensgefährdung sei auf Abschnitt D. II. 4. b) cc) (3) verwiesen). 1144 Vgl. Weber, FS-Dreher, S. 560 f.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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gen, D. II. 4. b) cc) (3)) auch bei der Realisierung der Kompensationsgefährdung Geltung besitzt (siehe unten D. II. 5. b)). c) Vermögensvorteil und Unmittelbarkeitsprinzip aa) Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Vorteil – Abgrenzung zum bloßen Schadensausgleich Ein Schaden ist im Sinne des § 266 StGB nur gegeben, wenn dieser unmittelbar auf der Pflichtverletzung beruht. Dies gilt auch für die kompensierenden Vorteile (dazu schon D. II. 2. a)). (1) Desintegration von Zufall im Rahmen der Gesamtsaldierung zum Tatvollendungszeitpunkt mit Hilfe des Kriteriums des „wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans“ Vonnöten ist eine Abgrenzung zur Schadenswiedergutmachung im Falle der Tatvollendung, denn ein Schadensausgleich durch andere, rechtlich selbstständige Handlungen und Ereignisse bleibt außer Betracht.1145 In Abgrenzung zu einem bloß nachträglichen Schadensausgleich, der nicht kompensatorisch wirkt, weil ex post-Betrachtungen unzulässig sind1146 (vgl. schon D. II. 4. c) aa) (1) (a)), bedarf es des Kriteriums des „wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans“, um die Gesamtheit der aus der Pflichtwidrigkeit unmittelbar resultierenden vorteilsbringenden wertbestimmenden Faktoren zum Tatvollendungszeitpunkt zu bündeln. Ein „wirtschaftlich vernünftiger Gesamtplan“ umfasst nicht nur rechtlich begründete Ansprüche, sondern einen gewinnerzeugungslogisch wahrscheinlichen Zuwachs an Vermögensvorteilen, die auch zu einer zeitweiligen negativen Vermögensbilanz führen können, wie etwa provisionsabhängige Kapitalanlageformen, deren Eingangsverlust grundsätzlich erst nach einer gewissen Dauer (Gewinnausschüttung, Kurssteigerung etc.) ausgeglichen sein kann1147 (siehe auch C. IV. 6. b) bb) (2) (d)). 1145

BGH NJW 2008, S. 2452; NStZ 2008, S. 458; NStZ 1986, 456; Saliger, HRRS 2006, S. 21; Hefendehl. S. 164 f.; Wabnitz-Janovsky-Köhler, Kap. 7, Rn. 206, 213; Schreiber/Beulke, JuS 1977, S. 659. Im Gegensatz zum österreichischen und liechtensteinischen Untreuestrafrecht (Beck, S. 220 ff.), sieht das deutsche keine „tätige Reue“ durch Schadenswiedergutmachung vor, sondern verwertet die Schadenswiedergutmachung als Kriterium der Strafzumessung (MüKoStGBDierlamm, § 266, Rn. 184). Hinzu kommt die Möglichkeit durch eine nachträgliche Schadensbeseitigung eine Verfahrenseinstellung gemäß § 153a StPO zu erwirken, siehe LG Bonn im „Fall Kohl“, NStZ 2001, 376. 1146 BGHSt 20, 144; Weber, GS-Schlüchter, S. 243 f.; Günther, FS-Weber, S. 314.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

Der wirtschaftlich vernünftige Gesamtplan antizipiert zukünftige Vermögensvor- sowie -nachteile zum Zeitpunkt der Tatvollendung als werthaltige Vermögenschancen bzw. Vermögensgefährdungen, verleibt der rechtlich notwendigen Einzelbetrachtung zum Tatzeitpunkt die wirtschaftlich erforderliche Gesamtbetrachtung ein. Dabei ist eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung mittels eines wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans nur solchen Sachbereichen zugänglich, „die sich durch planvolles wirtschaftliches Verhalten auszeichnen“.1148 Zufällige Kompensationen zum Tatvollendungszeitpunkt scheiden daher aus.1149 Das „Prinzip“ Zufall steht zwar nicht außerhalb des Wirtschaftssystems, denn im Ergebnis geht es wiederum um Zahlungen. Die Delegation an diesen Bereich der Nichtlogik („Ausweg aus vernunftproduzierter Komplexität“1150) durchbricht aber das, was der „wirtschaftlich vernünftige Gesamtplan“ im Rahmen der strafrechtlichen Schadensbestimmung zur Voraussetzung macht, um letztlich die Unmittelbarkeit des Vor- und Nachteilsausgleichs bei Berücksichtigung von Zeit innerhalb des Untreuestraftatbestands zu bewahren. Recht kann nämlich nur extrasystemische Prinzipien (geordnete Komplexität) berücksichtigen.1151 Unmittelbarkeit wird bei „Zufall“ (Unerwartbarkeit) daher ausgeschlossen.1152 1147 Vgl. RG JW 1934, S. 2923; JW 1936, 882 f.; BGH NJW 1975, 1236; BGH NJW 1983, S. 1808; Saliger, HRRS 2006, S. 20 f.; Lackner/Kühl, § 266, Rn. 17b; LK-Schünemann, § 266, Rn. 137; Lüderssen, FS-Müller-Dietz, S. 468 ff.; Achenbach/Ransiek-Seier, V 2, Rn. 167 f.; Taschke, FS-Lüderssen, S. 667. 1148 Bringewat, JZ 1977, S. 671 f. Übersehen wird von Bringewat, der ideellen Vereinen die wirtschaftliche Gesamtbetrachtung versagen will, da diese keine ausschließlich wirtschaftlich-kaufmännischen Dispositionen treffen (a. a. O.), dass die Verfolgung nicht primär wirtschaftlicher Zwecke jedoch nicht gegen eine inhärente wirtschaftliche Logik spricht. Eine Manipulation des sportlichen Wettbewerbs durch Geldzahlungen, auf welches sich Bringewat bezieht, ist auch ein Ereignis im Wirtschaftssystem, weil es dort – in seinem Aspekt der Geldzahlung – kommuniziert werden kann. Ob der Vermögenszuwachs subjektiv „einkalkultiert“ wurde (siehe a. a. O.) ist für die Qualifikation als Wirtschaftsverhalten nicht erheblich. Eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung kondensiert, natürlich nur soweit auch vorliegend, wirtschaftliche Logik aus jedweder Handlung. 1149 Entsprechend BGH NJW 1975, S. 1236; NStZ 1996, S. 191; LG Frankfurt, NStZ-RR 2003, S. 140. Siehe auch Kindhäuser, FS-Lüderssen, S. 642: „Glückliche Zufälle [. . .] reduzieren [. . .] nicht die Verantwortung“. 1150 Vgl. Depenheuer, JZ 1993, S. 179. 1151 Deshalb ist die Aussicht eines abstiegsbedrohten Fußballvereins in einer bestimmten Liga zu verbleiben und damit höhere Einnahmen zu erzielen vor dem Hintergrund einer korrumpierten Sport-Logik und deren Prinzipien auch eine hinreichend konkrete Exspektanz (siehe BGH NJW 1975, S. 1234; siehe zum „Bundesliga-Fall“ Abschnitt C. IV. 5. a)). 1152 Vgl. Luhmann, Ausdifferenzierung des Rechts, S. 73 ff., 94. Kompatibilität von Recht (vernunftorientierten Rechtsprinzipien) und Zufall ist nur dann gegeben, wenn der Entscheidungsprozess außerhalb aller denkbaren Maßstäbe (materieller

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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Eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung nimmt auch der BGH vor, wenn er bei einer Haushaltsüberschreitung eines Staatstheaters nur einen Nachteil im Sinne des § 266 StGB erkennen lässt, soweit die Haushaltsüberschreitungen auch den „unmittelbar damit verknüpften Einnahmeausfällen, Ausfällen an Sponsorenleistungen, Vertragsstrafen und dergleichen mehr gegenübergestellt werden“1153. Eine solche ökonomisierte Gesamtbetrachtung trägt dem inneren Zusammenhang eines wirtschaftlichen Gesamtkonzeptes Rechnung. Das, was im Rahmen von wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplänen an Vermögensvorteilen zum Tatvollendungszeitpunkt rational zu erwarten ist, kann in seinem Wert insoweit antizipiert und in der Höhe des schon zum Tatvollendungszeitpunkt zugeschriebenen (diskontierten) Werts verrechnet werden. Eine zufällige Vermögenschance ist als bloßer Schadensausgleich im Rahmen der Gesamtsaldierung nicht zu berücksichtigen. (2) Schadensersatzansprüche und Gewährleistungsrechte des Vermögensinhabers Nicht unmittelbar resultierende Zuflüsse wie Schadensersatzansprüche1154 oder Gewährleistungsrechte1155 scheiden – denn sie setzen erst einen Schaden voraus – ebenso wie bereits bestehende aufrechenbare Gegenforderungen des Treunehmers gegen den Treugeber oder auch spätere, d.h. zum Tatvollendungszeitpunkt noch nicht vorliegende Wertgewinne1156 für eine Kompensation grundsätzlich aus1157 (vgl. z. B. zum Lottogewinn D. II. 4. c) aa) (1) (a)). Bewertungsgründe) stattfindet. Nur wenn alle Entscheidungsoptionen gleichwertig sind, kann Zufall zum vernünftigem (Rechts-)Prinzip werden, siehe Depenheuer, JZ 1993, S. 175 f. m. w. N. Der wirtschaftlich vernünftige Gesamtplan ist aus Wirtschafts- und damit Rechtssicht für die Gewinnerwartbarkeit alternativloser Maßstab. 1153 BGHSt 44, 298. 1154 RGSt 44, 239 f.; BGH wistra 1993, S. 266; Labsch, Jura 1987, S. 417 f. 1155 BGHSt 21, 384; 23, 300; BGH NJW 1985, S. 1563. 1156 BGHSt 30, 389 f. 1157 RGSt 44, 240: die Aufgabe des Zivilrechts besteht darin, die rechtlichen Folgen einer Vermögensverschiebung und die Schadenstragungspflichten zu ordnen. Wer letztlich den Schaden des des Betroffenen zu tragen habe, wirkt sich für die strafrechtliche Beurteilung grundsätzlich nicht aus. Desweiteren: Matt/Saliger, S. 240; NK-Kindhäuser, § 263, Rn. 170; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 42; Ransiek, ZStW 116 (2004), S. 664 f. Daher gehören die Verschleierung oder die Erschwerung der Geltendmachung solcher Ersatzansprüche auch nicht zum Schadensposten, a. a. O.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

Im Unterschied zum wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplan, der einen unmittelbaren Automatismus der wirtschaftlichen Systemlogik in die Unmittelbarkeit der Handlungsfolgen integriert, sind Schadensersatzansprüche bzw. Gewährleistungsrechte (ebenso wie wohl auch Kondiktionsansprüche) auch nicht etwa im Rahmen eines „rechtlich-wirtschaftlich“ oder „justiziellwirtschaftlich“ vernünftigen Gesamtsplans kompensierend, da sie noch nicht entstanden und damit auch nicht werthaltig sein können. (3) Anfechtungs- und Widerrufsrechte des Vermögensinhabers Im Unterschied zu Schadensersatz- und Gewährleistungsrechten stellen Anfechtungs- oder Widerrufsrechte durchaus unmittelbare Folgen der Pflichtverletzung dar. Ebenso sind Ersatzansprüche, die nicht durch die strafbare Untreue selbst (untreueabhängig) sondern dem untreueerheblichen Rechtsbruch ausgelöst werden, unmittelbare Folgen dieser Pflichtverletzung.1158 Soweit das Opfer eine Gegensicherung in Form eines Ersatzanspruches erhält, welcher sich im tatsächlichen Ersatz, d.h. der Anspruchserfüllung realisiert, liegt eine Vorteilchance vor. Solche unmittelbar erworbenen Vermögenschancen sind grundsätzlich auch verrechenbar, selbst wenn sie auch noch weiteres Dazutun durch das Opfer (Vermögensinhaber), zum Beispiel ihre Geltendmachung, voraussetzen (dazu im Folgenden bei D. II. 5. c) bb)). Fraglich ist, ob die erworbenen Vorteile auch wirtschaftlich wertmäßig kompensierend wirken, also ob der erworbene Ersatzanspruch überhaupt mit seinem vollen nominalen Wert verrechenbar sein kann. Das ist nicht von vornherein auszuschließen, denn wirtschaftlich gesehen ist die reine Möglichkeit zur Wiedererlangung der Vermögenswerte des Vermögensinhabers trotz eigenständiger Realisierung durchaus von wirtschaftlichem Wert. Es wäre auch aus praktischer Sicht verfehlt ein anfechtbares schädigendes Geschäft mit einem unanfechtbaren endgültig schädigendem wirtschaftlich gleichzustellen. Dennoch ist bei strikt wirtschaftlicher Betrachtung eine Kompensation durch Anfechtungsoder Widerrufsrechte trotz wirtschaftlicher Werthaltigkeit in den meisten Fällen ein Schaden anzunehmen. Der Grund liegt darin, dass trotz grundsätzlich vorhandener rechtssystemisch optimaler Rechtsverwirklichung erst ein Individuum, nämlich der Vermögensinhaber, tätig werden muss (also Klage erheben, Beweise einholen usw.), womit die Berücksichtigung von rechtlichen Systemautomatismen einer Kompensation scheitert. Aufgrund des Realisierungsaufwands und -risikos eines nominal kompensierenden Restitutionsrechts ist grundsätzlich eine wenn auch geringe wirtschaftliche Werteinbuße einzurechnen. 1158

So Wassmer, S. 127 f. m. w. N.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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Dies lässt sich durch die Ansicht des Reichsgerichts veranschaulichen: „Der wirtschaftliche Minderwert kann nicht ersetzt werden durch das juristische Recht“1159. Allerdings muss man mindestens eine Teilkompensation erwägen, die aber grundsätzlich nicht die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung wird herstellen können und damit praktisch weniger beachtlich sein dürfte. Beispiel: Vermögensverwalter Y verursachte durch den Leistungsaustausch im Rahmen eines pflichtwidrig vorgenommenen Geschäfts für den Treugeber X einen Schaden in Höhe von 5.000 e. Gleichzeitig vermittelt das Geschäft ein Anfechtungsrecht, mit dessen Verwirklichung X wieder an die zunächst verlorenen 5.000 e gelangen könnte. X hat durch den Güteraustausch einen realen Vermögensverlust i. H. v. 5.000 e erlitten. Ob dieser Vermögensnachteil von dauerhafter Natur ist, spielt bei der Schadensbestimmung zum Tatvollendungszeitpunkt keine Rolle. Erlangt hat X jedoch bereits unmittelbar aus dem pflichtverletzenden Geschäftsabschluss, der Zivilrechtsordnung geschuldet, ein Recht, welches den Verlust wieder auszugleichen ermöglicht. Dieses Recht ist aber naturgemäß weniger Wert als der durch seine Verwirklichung ermöglichte ökonomische Rückfluss, denn allein der Verzinsungsausfall, der Aufwand der Durchsetzung des Anspruchs, das immer vorhandene Prozessrisiko aus praktischen Gründen, die Möglichkeit einer eigenen Inanspruchnahme aus § 122 BGB usw., stellen unmittelbar mit dem kompensierenden Vorteil des Rechts wiederum Nachteile dar, die wirtschaftlich betrachtet den Wert der Restitutionsmöglichkeit grundsätzlich gegenüber dem zu restituierenden Wert mindern.

Im Gegensatz zu Schadens- oder Gewährleistungsrechten des Vermögensinhabers handelt es sich also bei Anfechtungs-, Widerrufs- oder ähnlichen Ersatzansprüchen, die auf der pflichtwidrigen Handlung beruhen, um unmittelbare Vermögenschancen. Allerdings gehen derartige Ansprüche grundsätzlich mit einer wirtschaftlichen Werteinbuße einher, die auf den Realisierungsaufwand zurückzuführen ist. Daher mangelt es in den meisten Fällen an einer vollständigen Aufhebung der Vermögensnachteile des Treugebers. (4) Bereithalten liquider Mittel durch den Treupflichtigen Objektiv zurechenbar ist der tatbestandliche Erfolg nur dann, wenn der Täter eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hat und sich das spezifische Risiko dieser Gefahr im tatbestandliche Erfolg realisiert. An der rechtlich relevanten Gefahr könnte es jedoch durch die Bereitschaft und Fähigkeit des Täters Vermögenseinbußen auszugleichen fehlen. So soll ein Vermögensnachteil im Sinne des § 266 StGB aufgrund „abgeschirmter Gefahrenlage“ nicht zu bejahen sein, wenn der Täter pflichtwidrig eingesetztes Kapital mit adäquaten Sicherheiten (zum Beispiel eigene Mit1159

RGSt 16, 7; 44, 234 m. w. N.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

tel, präsente Deckungsfonds, Deckungsrücklagen, Bankgarantien) abdeckt, sodass jederzeit eine Kompensation möglich und vom Täter beabsichtigt ist. Aufgrund einer solchen Ersatzfähigkeit und Ersatzwilligkeit sei eine rechtliche relevante Gefahr, die sich in einem effektiven kompensationslosen Güterverlust realisiert, auszuschließen.1160 Der wirtschaftliche Wert des Ausgleichsanspruchs gegen den Täter entspreche dem Wert des weggefallenen Vermögensstückes, sodass ein Nachteil nicht entstanden sei.1161 Diese Restriktion erfährt jedoch Kritik aufgrund ihrer systematischen Stellung beim Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“. Denn es liegt ja, bei genauer Betrachtung, im Tatvollendungszeitpunkt ein „effektiver Güterverlust“ vor, und zwar mindestens durch die Vorenthaltung des Vermögens auf Zeit.1162 Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Bereithalten des Kompensationsmittels nicht dieselbe Handlung ist wie der pflichtwidrige Einsatz des Vermögens. Die Kompensation hängt vielmehr von einer weiteren selbstständigen Handlung des Treupflichtigen ab und steht in dessen personaler Willkür1163 (vgl. auch D. II. 5. c) aa) (1)). Die objektive Zurechnung, und damit der objektive Tatbestand, kann nicht unter einen umspannenden Vorbehalt subjektiver Tätervorstellungen (Fähigkeit und Willigkeit zum Tatzeitpunkt) gestellt werden, die – ungeachtet der praktischen Beweisschwierigkeiten – nie völlig objektivierbar scheinen.1164 Das Bereithalten liquider Mittel zur Kompensation stellt sich also vielmehr nur als eine objektive Möglichkeit zur Schadenswiedergutmachung dar. Andererseits könnte man diskutieren, ob nicht das Prinzip der mutmaßlichen Einwilligung die Strafbarkeit ausschließt (vgl. C. V.). Sie wäre aus1160 RGSt 73, 285; BGHSt 15, 344; BGH NStZ 1995, 233 f.; BGH StV 2004, 81; BGH NJW 2008, S. 1829; NJW 2008, 2451; NJW 2009, S. 92. Lackner/Kühl, § 266, Rn. 17; Maurach/Schroeder/Maiwald, BT 1, § 45, Rn. 45; Achenbach/Ransiek–Seier, HWSt, V 2, Rn. 169 ff. 1161 BGHSt 15, 344. 1162 So auch Schmitz, S. 183 ff.; Saliger, HRRS 2006, S. 21 f. 1163 Personale Willkür steht grundsätzlich außerhalb jeder sozial-systemischen Antizipationsfähigkeit. So zählt zum Beispiel eine lediglich vom Kaufinteressenten, d.h. personaler Willkür, abhängige gewinnbringende Verkaufsmöglichkeit (OLG Celle, StV 1996, S. 154) ebensowenig zu den wirtschaftlich vorteilhaften Vermögenspositionen wie eine Aussicht der Erben zu Lebzeiten des Erblassers (OLG Stuttgart NJW 1999, S. 1564). 1164 Kritisch insoweit auch Schmitz, S. 182 ff.; Fischer, § 266, Rn. 75; Schönke/ Schröder-Perron, § 266, Rn. 42. Wären Ersatzfähigkeit und -willigkeit objektivierbar, so würde das Bereithalten liquider Mittel saldierungsfähig sein, beispielsweise wenn der Treunehmer einen privaten Deckungsfonds auf den Namen des Treugebers einrichtet. Dann aber würde sich das Problem „Kompensation durch Bereithalten liquider Mittel“ nicht stellen.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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geschlossen, wenn angenommen werden kann, dass der Treugeber mit der Handlung des Treunehmers wegen dessen Ersatzfähigkeit und -willigkeit einverstanden wäre. Zu bedenken ist ferner, ob nicht bereits in einigen Fällen die Pflichtverletzung durch aktives Tun entfallen sein könnte, insoweit es um Geld bzw. Buchgeld geht. Beispiel: X gibt Y 10.000 e für die Handlung p. Y setzt 10.000 e für die Handlung q ein, hat jedoch 10.000 e kompensationsbereit zur Verfügung. In solchen Fällen, in denen ein Fremdgeschäft faktisch und rechtlich nicht von einem Eigengeschäft zu unterscheiden ist (also Chiffren einer Widmung des investierten Geldes als genau des anvertrauten fehlen), kann nicht ohne Weiteres eine Pflichtverletzung angenommen werden (Geld = Geld). Pflichtwidrig wäre dann in diesem Fall aber wohl fast immer, dass Y die zu einer Kompensation bereitgelegten 10.000 e nicht für die Handlung p eingesetzt hat, soweit eine solche verpflichtend gewesen wäre (Unterlassen). Insoweit wäre eine Pflichtverletzung auch bei einer fingierten Investition von Eigenkapital gegeben.

Saliger/Matt weisen schließlich darauf hin, dass sich für die Fälle des Bereithaltens liquider Mittel der Ausschluss eines Schadens im objektiven Moment des untauglichen Versuchs rechtfertige, der bei § 266 StGB straflos ist. Danach scheidet eine schadensgleiche konkrete Vermögensgefährdung aus, wenn der effektive Schaden aus irgendwelchen Gründen objektiv nicht eintreten kann.1165 Die hier vertretene wirtschaftliche Verknüpfung von schadensgleicher Vermögensgefährdung und effektiver Realisierung mittels einer Antizipierung des Nachteils zum Tatvollendungszeitpunkt impliziert die wirtschaftssystemische Erwartbarkeit. Zwar scheidet ein auf eine Kompensation gerichteter wirtschaftlicher Gesamtplan in Fällen personaler Willkür aus. Gleichwohl scheint es – ohne diesen Lösungsansatz im Rahmen dieser Arbeit weitergehend untersuchen zu können – nicht abwegig einer vorhandenen objektiven Nichteintretbarkeit mit Hilfe des objektiven Moments des untauglichen Versuchs im Sinne einer normativen Restriktion Berücksichtigung zu verschaffen und eine Kompensation zu ermöglichen, wenn das Rechtsgut ‚Vermögen‘ durch personal initiierte, gleichwohl konkret nachzuweisenden adäquate Sicherheiten objektiv nicht gefährdet ist. Festzuhalten ist, dass eine Nachteilskompensation durch das Bereithalten liquider Mittel mit dem Unmittelbarkeitszusammenhang nicht vereinbar ist.

1165

Siehe Matt/Saliger, S. 238 ff.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

bb) Ausschluss des Unmittelbarkeitsprinzip bei der Realisierung von Vorteilschancen Das Unmittelbarkeitsprinzip gilt nicht nur im Zusammenhang von Pflichtverletzung und Vermögensschaden, sondern auch im Zusammenhang mit der Realisierung von Vermögensgefährdungen (D. II. 4. b) cc) (3)). Danach sind Vermögensgefährdungen nur Schäden im Sinne des § 266 StGB, wenn ihre Realisierung nicht von einer eigenverantwortlichen selbstständigen Handlung abhängt, d.h. nur mittelbar zu einem effektiven Schaden führt. So ist beispielsweise eine Rufschädigung, die sich noch nicht in konkretem Kundenverhalten niederschlägt eine Vermögensgefährdung, die nur mittelbar zu einem Schaden führen kann. Fraglich ist, ob das Unmittelbarkeitsprinzip umgekehrt auch in den Fällen von werthaltigen Vorteilschancen (darunter fallen auch Materialisierungschancen immaterieller Vermögensvorteile, siehe D. II. 5. a) bb), D. II. 5. a) cc)) zuungunsten des Täters Anwendung findet. Bedenkt man, dass werthaltige Unternehmensvorteile wie Imagezuwachs, vorteilhafte Marktstellungen, Marketingeffekte und nahezu alle nicht ohne Weiteres quantifizierbaren Unternehmensvorteile in ihrer Realisierung zu einem konkreten Geldgewinn abhängig bleiben vom Verhalten von Kunden, Konkurrenten oder bestimmten Entscheidungsträgern, so wird deutlich, dass die Anwendung des Unmittelbarkeitsprinzips auf werthaltige Vermögenschancen, parallel zu schadensgleichen Vermögensgefährdungen, Unternehmensvorteile letztlich weitestgehend normativ ausblenden würde. Das hätte zur Folge, dass eine Kompensation im Wirtschaftsleben, das grundlegend von selbstständigem eigenverantwortlichen Verhalten der Akteure abhängig ist, insbesondere mit diesem rechnet bzw. es beeinflussen will und allfällige Drittverhaltenspotentiale abstrakt einpreist, in vielen praktisch relevanten Fällen unmöglich würde.1166

konkrete Vermögensgefährdung als werthaltiger Schaden

beschränkt durch Unmittelbarkeitsprinzip, wenn die Realisierung/Effektivierung weitere selbstständige Handlung voraussetzt

1166

In diese Richtung auch Nelles, S. 575 f.

Vermögenschance als werthaltiger Vorteil

?

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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Angesichts dieser Erwägungen ist zu fordern, dass das Unmittelbarkeitsprinzip im Rahmen des Nachteilsausgleichs nicht im Zusammenhang von Vermögenschance und Chancenrealisierung Wirksamkeit entfaltet. Das bedeutet, dass beispielweise werthaltige Marktstellungsvorteile oder werthaltige Imagesteigerungen durch Werbung und Ähnliches prinzipiell als kompensationstauglich behandelt werden. Sie lassen nach wirtschaftlicher Logik einen Zuwachs erwarten und werden nicht durch die normative Beschränkung des rechtlichen Unmittelbarkeitsprinzips ausgeschlossen. Der dogmatische Grund für dieses Ungleichgewicht und die Abkehr von der spiegelbildlichen Behandlung von Nachteils- und Vorteilsbestimmungen liegt darin, dass es sich beim Unmittelbarkeitsprinzip, sofern es sich auf die Realisierung von schadensgleichen Vermögensgefährdungen bezieht, um eine normative Restriktion der an sich wirtschaftlich parallelen Vorgehensweise handelt, d.h. um einem Sonderfall. Dieser rechtfertigt sich durch die personale Orientierung des Strafrechts bei der Strafbarkeit eines Individuums, nämlich eine Restriktion der Strafbarkeit, die ihren Grund sowohl im ultima-ratio-Prinzip als auch, in besonderer Weise, im Grundsatz „in dubio pro reo“ findet. Aber auch funktional gesehen ist die Bevorteilung des Täters, die hinter dieser Ungleichheit steht, zu rechtfertigen, und zwar damit, dass die entpersonalisierte wirtschaftliche Logik und ihre gesetzlichen Erwartbarkeiten von Drittverhalten (Antizipationen) einen Schaden kompensieren (widerlegen) lässt, nicht aber eo ipso das Unrecht der Schädigung der Täterperson begründen, d.h. diesem das abstrakt-systemisch zu erwartende Drittverhalten zurechnen kann. Die normative Begrenzung durch das Unmittelbarkeitsprinzip im letzten Fall ist keine Entdifferenzierung des Wirtschaftssystems, sondern eine Selbst-Restriktion des Rechtssystems, das rechtlich nicht zurechnet, obwohl es wirtschaftlich zurechnen könnte, dabei aber das an Personen gehaftete Verantwortungsprinzip im Recht in Frage stellen müsste, das das Recht für bestimmbare, mit persönlicher Strafe einhergehenden Entscheidungen aber zwingend benötigt. In der Konsequenz bedeutet diese Einschränkung des Unmittelbarkeitserfordernisses allerdings praktisch nicht, dass das Opfer, welches pflichtwidrig um Vermögenswerte gebracht wird, sich grundsätzlich mit einer stattdessen erworbenen Chance begnügen muss, dass der Verlust nach der Willkür eines Dritten ausgeglichen wird.1167 Voraussetzung für jeden kompensierenden Vermögensvorteil ist nämlich schon im vornherein die wirtschaftliche Wertäquivalenz: willkürliche Handlungen von Personen sind selten wirtschaftlich rationalisierbar; anders ist dies lediglich, wenn sich die Operationalisierbarkeit auf systemische Gesetzmäßigkeiten stützt, beispiels1167

Siehe Schreiber/Beulke, JuS 1977, S. 659.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

weise wenn ein gewisses Kundenverhalten aufgrund von Erfahrungswerten quantifizierbar wird. Insoweit sich Nachteils- und Vorteilswerte gleichen, findet sodann eine Kompensation statt. Das bedeutet zusammenfassend, dass ein Unmittelbarkeitszusammenhang lediglich im Verhältnis von Vermögensgefährdung und Gefahrrealisierung, nicht aber zuungunsten des Täters im Verhältnis von (unmittelbar mit der Pflichtverletzung erworbener) wertmäßig kompensierender Vorteilschance und ihrer Realisierung zu fordern ist. Ein Vermögensvorteil in der Form einer Rufsteigerung oder der Mitarbeitermotivation oder eines anderen immateriellen Vorteils mit Materialisierungspotential ist daher auch dann kompensierend, wenn seine Materialisierung (d.h. die Realisierung in konkreten Geldzufluss) von weiterem eigenständigen Handeln, wie z. B. dem Kaufverhalten der Kunden oder dem Mitarbeiterverhalten im Rahmen einer konkreten gewinnbringenden Tätigkeit, abhängt. cc) Unmittelbarkeit der Vorteilsgefährdung (1) Exkurs: Gewinnabschöpfung im Sinne der §§ 73 ff. StGB bzw. § 17 Abs. 4 OWiG und Unmittelbarkeitsprinzip Einer Gesamtsaldierung, die rechtswidrig erlangte Vermögensvorteile in wirtschaftlicher Perspektive miteinbezieht, steht die Ansicht entgegen, die die Gewinnabschöpfung im Sinne der §§ 73 ff. StGB sowie § 17 Abs. 4 OWiG auf eine unbegrenzte wirtschaftliche Perspektive ausweitet, letztlich gar keinen Vermögensvorteil mehr „übrig“ lässt und damit quasi ein rechtswidrig erlangtes positives Saldo unmöglich macht. So sollen nach dem BGH auch weitergehende immaterielle, also „sich mittelbar realisierende“ wirtschaftliche Vorteile berücksichtigt und abgeschöpft werden, wie zum Beispiel konkrete Chancen auf Wartungsverträge, Folgeverträge, die Erhöhung des „Goodwill“, Marktstellungsvorteile u. Ä.1168 Diese Sichtweise kann jedoch aufgrund des Unmittelbarkeitsprinzips als normative Zurechnungsbegrenzung zugunsten des Täters, die auch § 73 Abs. 1 S. 1 StGB sowie § 17 Abs. 4 OWiG zugrunde zu legen ist, keine Gefolgschaft finden.1169 Zugunsten des Täters sind daher auch unmittelbar auf die Pflichtwidrigkeit zurückgehende werthaltige Vermögenschancen mit mittelbarer Realisierung als wirtschaftliche Vorteile zu berücksichtigen, zuungunsten zieht jedoch das Unmittelbarkeitsprinzip eine Grenze (vgl. D. II. 5. c) bb)). 1168

Vgl. BGH NJW 2006, S. 930. So zu Recht Saliger, NJW 2006, S. 3380 f.; in Bezug auf § 17 Abs. 4 OWiG: Taschke, FS-Lüderssen, S. 668. 1169

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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(2) Gefährdung von Vermögensvorteilen durch Verhalten mit Nachteilspotential (Sanktionsfolgen) Vermögensvorteilen als Folge pflichtwidriger rechts- oder sittenwidriger Geschäfte können Nachteilspotentiale wie Straf- oder Schadensersatzzahlungen anhaften, die über die bloße Stornierung oder Gewinnabschöpfung hinausgehen und die die Kompensationstauglichkeit des Vorteils aufheben und damit in der Gesamtsaldierung zu einem Schaden führen können (Kompensationsgefährdung). Zuweilen wird eine gänzliche Unbeachtlichkeit von staatlichen Sanktionsansprüchen diskutiert. Aufgrund fehlender wirtschaftlicher Zweckbestimmungen läge wirtschaftliche Neutralität vor.1170 Dieser Auffassung widerspricht indes die wirtschaftliche Systemlogik, der zufolge jede Zahlung eine zweckunabhängige Operation im Wirtschaftssystem ist (siehe B. II. 1.). (a) Wirtschaftliche Negativbewertung Mit dem pflichtwidrigen Abschluss eines rechts- oder sittenwidrigen Geschäfts mit Nachteilspotential geht nicht schon eine generelle Schadensannahme einher, sondern es bedarf einer konkreten Betrachtung, die sich am Vermögensinteresse des Treugebers orientieren muss. Es widerspricht einem wirtschaftlich verfassten Vermögens- und Schadensbegriff nur aus normativen Gründen unredlich erworbenen Vermögensvorteilen jede Kompensationstauglichkeit abzusprechen.1171 Ein solches Vorgehen würde § 266 StGB contra legem von einem Verletzungs- in ein Risikodelikt umwandeln (siehe C. IV. 6. b) bb) (2) (a)). Vielmehr bedeutsam sind die konkreten Aufklärungs- und Sanktionswahrscheinlichkeiten, die nicht in schadensentsprechender Höhe einfach zu Lasten des Treupflichtigen angenommen werden können.1172 Ein Nachteilsposten liegt also in dem wirtschaftlich (negativ) werthaltigen Sanktionspotential.1173 Der Ansicht, ein Nachteilsposten könne auch in 1170 So Volhard (FS-Lüderssen, S. 680), der darauf verweist, dass die Vereitelung von staatlichen Sanktionsansprüchen ihrerseits kein Vermögendelikt sei und darum auch der Ermöglichung der Sanktion keine Vermögensdeliktsqualität zukomme. Diese Ansicht verkennt u. A. die Unvergleichbarkeit der jeweiligen Schadensträger. Kann man einerseits den Staat nicht „schädigen“, so bedeutet dies nicht, dass man seinen Treugeber nicht mittels staatlicher Sanktionsansprüche schädigen kann. 1171 Siehe Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 74 f. m. w. N. 1172 Zu berücksichtigen sind dabei alle im konkreten Fall vorhandenen Entdeckungs- und Aufklärungswahrscheinlichkeiten, auch nicht-staatlicher Natur. Zu den mehr und mehr wirtschaftsimmanent konstituierten „integrity services“ (zum Beispiel durch Wirtschaftsprüfungsgesellschaften) siehe Achenbach, GA 2004, S. 573 ff.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

der Sanktion selbst bestehen, soweit das Unternehmen im Moment der strafrechtlichen Beurteilung den Sanktionsanspruch bereits erfüllt hat1174, muss mit Verweis auf den allein maßgebenden Tatvollendungszeitpunkt widersprochen werden.1175 Faktisch wird man unter besonderen Umständen davon ausgehen können, dass unter Rechtsbruch erlangte Werte auch wirtschaftlichen Bestand haben können, beispielsweise soweit alle Beteiligten das rechtswidrige Geschäft verheimlichen und es nach konkreter wirtschaftlicher Erwartung nicht aufgedeckt, mithin nicht sanktioniert werden kann. Entsprechendes gilt dann, wenn eine tradierte rechtswidrige Praxis (etwa wie das mit gründlicher Verdeckungsvorsorge bei der Siemens AG implementierte Bestechungssystem) regelmäßig mit wirtschaftlichem Erfolg verbunden war, sodass die wirtschaftliche Perspektive zum Tatvollendungszeitpunkt die Erwartbarkeit einer Sanktionierung gar nicht verinnerlicht“ und die Nichtentdeckung das Nachteilspotential für weitere Handlungen faktisch widerlegte bzw. in der Bewertung vermindert hat.1176 Besteht also keine tatsächliche Gefahr einer Realisierung des Nachteilpotentials, so besteht keine Kompensationsgefährdung. (b) Unmittelbarkeitszusammenhang Besteht eine wirtschaftlich negativ zu bewertende Gefahr einer ausbleibenden Kompensation, liegt, da zuungunsten des Täters saldiert wird, eine Vergleichbarkeit mit einer schadensgleichen Vermögensgefährdung vor, soweit es um die besonders zu klärende Frage nach dem Unmittelbarkeitszusammenhang geht. Ein durch Kompensationsgefährdung entstehender Schaden kann nämlich nicht als objektiv zurechenbarer Schaden im Sinne des § 266 StGB aufgefasst werden, wenn es zunächst von weiterem eigenverantwortlichen Handeln einer Person abhängt, ob sich das Nachteilspotential realisiert (vgl. D. II. 4. b) cc) (3)). 1173 Vgl. OLG Frankfurt a. M., NJW 2004, S. 2028; Schünemann, Organuntreue, S. 38 („Mögliche zukünftige Sanktionen [. . .] sind unter dem Aspekt einer wirtschaftlichen Entwertung der eigenen Position gewissermaßen in diskontierter Form einzurechnen“). 1174 Ausführlich Burger, S. 192 ff. 1175 Siehe auch Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 75: „Ex-ante-Perspektive, wirtschatliche Betrachtungsweise [. . .] markieren [. . .] Prinzipien, die für einen wirtschaftlich vernünftig handelnden Normalbürger in der Rolle des Treunehmers zeitlich und räumlich sowie normativ und faktisch zu weitgreifenden Szenarien und Folgeprognosen eine Grenze setzen“; siehe auch Vrzal, S. 84 f. Zur Kritik an einer normativen Ausblendung faktischer Entdeckungs- und Sanktionierungswahrscheinlichkeiten auch Burger, S. 216 ff. 1176 Siehe Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 75. Dieser Umstand führt zumindest zum Ausschluss des Untreuevorsatzes, a. a. O.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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(aa) Staatliche Straf- oder Bußgeldansprüche Vertreten wird, aus im Ansatz richtigen Begrenzungsabsichten, dass das Auslösen einer Sanktion nicht dem Unmittelbarkeitsprinzip genüge und es damit bereits an einem saldierungsfähigen Nachteilsposten mangele.1177 Problematisch an dieser Sichtweise ist, dass sie sich nicht auf das personale Element des Unmittelbarkeitszusammenhangs beschränkt. Dieses besagt nämlich, dass die Unmittelbarkeit lediglich bei einer Unterbrechung des personalen Zurechnungszusammenhangs, nämlich durch ein weiteres in die Kausalkette hinzutretendes Verhalten, entfällt. Besteht eine wirtschaftlich negativ zu bewertende Gefahr nachteiliger Folgen des Rechtsbruches, so kann – jedenfalls soweit es nicht privatrechtliche Schadensersatzansprüche sind (siehe dazu D. II. 5. c) cc) (2) (b) (bb)) – nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass es grundsätzlich von einem eigenverantwortlichen, personal anderweitig zurechenbaren Verhalten abhängt, ob eine Realisierung der Gefahr eintritt. Aufklärungs- und Sanktionierungsprozeduren folgen beispielsweise durchaus einer dem Staatswesen zurechenbaren (objektiven) Systemrationalität. Wenn ein Staatsanwalt Hinweisen nachgeht, eine Verwaltungsbeamte Bußgeldbescheide versendet oder ein Richter Sanktionen ausspricht, handelt es sich um Realisierungsvollzüge, die zwar von (dritten) Personen durchgeführt werden, die aber grundsätzlich bloß Ausdruck zu erwartender personal neutraler (‚überindividueller‘) Systemoperationen sind, die nicht eigenverantwortlich und daher auch keiner anderen Person, die das in Gang gesetzte Kausalgeschehen unterbrechen könnte, zurechenbar sind. Gleichwohl kann das Unmittelbarkeitsprinzip in bestimmten Fällen die Zurechnung von Sanktionsgefahren ausschließen. • Das Unmittelbarkeitsprinzip kommt dann restringierend zum Zuge, wenn die Realisierung der Sanktion einer aufgedeckten rechtswidrigen Tat systemisch unterbestimmt ist. Das heißt, wenn Entscheidungsspielräume existieren1178, die eine eindeutige Antizipation der Schadensrealisierung verhindern und damit die personale Zurechnung unterbrechen. Eine Unmittelbarkeit von Gefährdung und Effektivierung liegt insoweit nicht vor (vgl. auch D. II. 4. c) gg) (2)). • Das Unmittelbarkeitsprinzip ist zudem dann wirksam, wenn es um die Sanktionsfolgen des Verhaltens unter dem Blickwinkel der simultan selbst 1177 Matt/Saliger, S. 236; Günther, FS-Weber, S. 316 f.; Saliger, HRRS 2006, S. 23; anders bei finanziellen Sanktionen im Rahmen der Parteienuntreue, die „selfexecuting“ sind: Saliger, NStZ 2007, S. 549; ders., Parteiengesetz, S. 127 ff., 130 ff., 204 ff. 1178 Siehe dazu Burger, S. 206.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

erst zu beurteilenden Untreue geht. Auf den in diesem Zusammenhang beachtenswerten Zirkelschluss weist Wassmer hin1179: die befürchtete oder erwartete Untreuestrafbarkeit und ihre Folgen kann nicht die Untreuestrafbarkeit selbst begründen. Im Augenblick des gerichtlichen Untreueverfahrens muss das Untreueverfahren selbst als prinzipiell offen angesehen werden. Die Entscheidung kann nicht durch die prinzipielle Erwartbarkeit ersetzt werden. Eine Unmittelbarkeit liegt deshalb nicht vor, weil auch diese im Augenblick des gerichtlichen Verfahrens beurteilt wird und eine Annahme einer Unmittelbarkeit der Untreuestraftat zum Tatvollendungszeitpunkt – im Gegensatz zu im Voraus festgestellten anderweitigen Rechtsbrüchen mit Sanktionsfolgen – die eigene Entscheidungskompetenz leugnen würde. Ein Gericht kann nicht selbst simultan zu seiner Entscheidung diese Entscheidung als unmittelbare Konsequenz des Täterverhaltens vorwegnehmen. Es muss daher insoweit notwendigerweise die Zurechnung zum Täter bis zur Entscheidung ausblenden. • Ist nach den Umständen des Einzelfalls eine Aufdeckung nur deshalb möglich, weil eine andere Person Mitwisser ist und hängt es daher allein von ihr und ihrer Schweigsamkeit ab, ob die strafrechtlichen Sanktionsfolgen eintreten, so kommt das Unmittelbarkeitsprinzip ebenfalls zur Anwendung. Der Unmittelbarkeitszusammenhang schließt also die Zurechnung einer wirtschaftlich nachteiligen Kompensationsgefährdung durch Straf- oder Bußgeldzahlungen nicht grundsätzlich aus. Nur wenn es, nach den konkreten Umständen zu urteilen, von einer personalen Entscheidung abhängt, ob sich die Sanktionsgefahr realisiert oder nicht, scheidet sie mangels Unmittelbarkeit als saldierungsfähiger Nachteilsposten aus. (bb) Privatrechtlicher Schadensersatzansprüche Geht die Nachteilsrealisierung an sich nicht system-automatisch vonstatten, so etwa bei privatrechtlichen Schadensersatzansprüchen, die erst vom Inhaber geltend gemacht werden müssen, so scheiden diese als Nachteilsposten im Rahmen der Gesamtsaldierung aufgrund fehlender Unmittelbarkeit aus. (3) Zahlungsunwilligkeit bzw. -unfähigkeit Besonders bei § 263 StGB gewinnt der Gesichtspunkt der Kompensationsgefährdung im Zusammenhang mit Bonitätsmängeln an Bedeutung, die 1179

Wassmer, S. 124 m. w. N.

II. Die Bestimmung des Vermögensschadens

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sich aus der Zahlungsunwilligkeit oder -unfähigkeit des Schuldners ergeben.1180 Bei Untreuedelikten kann diese Form der Kompensationsgefährdung bedeutsam werden, wenn der Vermögensbetreuer Geschäfte mit Personen abschließt, von denen er weiß, dass sie zahlungsunwillig oder -unfähig sind. Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Vermögensbetrachtung scheint es schon zweifelhaft in der Wahrscheinlichkeit von Bonitätsmängeln auf Seiten des Vertragspartners (zum Beispiel bei potentieller Zahlungsunwilligkeit) einen Vermögensschaden anzunehmen, soweit sich nicht völlige Zahlungsunfähigkeit manifestiert hat oder sich der Grad der Zahlungsunfähigkeit stochastisch ausdrücken lässt.1181 Die potentielle Zahlungsunwilligkeit des Dritten (Vertragspartners) zum Tatvollendungszeitpunkt setzt darüberhinaus immer noch ein weiteres eigenständiges Verhalten, nämlich die spätere konkrete Zahlungsverweigerung (als „Realisierung“ der Gefahr), voraus, sodass eine Schadensannahme auch aufgrund des Unmittelbarkeitsprinzips zu bezweifeln ist. dd) Zusammenfassung Nachteilskompensierend ist die Gesamtheit aller aus der Pflichtwidrigkeit unmittelbar resultierender im Rahmen von wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplänen vorteilsbringender wertbestimmender Faktoren zum Tatvollendungszeitpunkt. Ein zufälliger oder nachträglicher Schadensausgleich (insbesondere das Bereithalten liquider Mittel) sowie Schadensersatz- oder Gewährleistungsansprüche des Vermögensinhabers im Falle eines pflichtwidrigen Geschäfts genügen dem Unmittelbarkeitserfordernis nicht. Im Falle von unmittelbar auf der Pflichtverletzung beruhenden Vorteilschancen, findet das Unmittelbarkeitsprinzip nicht auch im Zusammenhang zwischen Chance und Realisierung Anwendung. Das Erfordernis einer doppelte Unmittelbarkeit bleibt schadensgleichen Vermögensgefährdung vorbehalten, deren Schadensgleichheit voraussetzt, dass die Gefährdung unmittelbar, d.h. ohne weitere selbstständige Handlung, in einen effektiven Schaden übergehen kann. Demgegenüber setzt eine werthaltige Vorteilschance, 1180

BGHSt 15, 24; BayObLG, NJW 1999, S. 663 f.; Winkler, S. 93 ff. Ist ein Vermögensverwalter bei Übernahme des in seine Betreuung gelegten Vermögens unwillig oder unfähig dieses samt vertraglich vereinbarten Vermögensgewinns zurückzuzahlen, so ist Betrug im Außenverhältnis von Treugeber und Treunehmer zu prüfen. 1181 Siehe dazu kritisch Winkler, S. 97 ff.

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D. Das Tatbestandsmerkmal „Vermögensnachteil“

wie etwa ein Imagezuwachs oder positiver Marketingeffekt oder eine vorteilhafte Marktstellung nicht voraus, dass Vorteilschance und Vorteilsrealisierung in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Diese fehlende Parallelität in der Behandlung von schadensgleicher Vermögensgefährdung und vorteilsgleicher Vermögenschance im Hinblick auf die Unmittelbarkeit rechtfertigt sich durch die personale Orientierung des Strafrechts bei der Strafbarkeit eines Individuums, nämlich eine Restriktion der Strafbarkeit, die ihren Grund sowohl im ultima-ratio-Prinzip als auch, in besonderer Weise, im Grundsatz „in dubio pro reo“ findet. Eine andere Sichtweise hätte zudem zur Folge, dass eine Kompensation im Wirtschaftsleben, das grundlegend von selbstständigem eigenverantwortlichen Verhalten der Akteure abhängig ist, insbesondere mit diesem rechnet bzw. es beeinflussen will und allfällige Drittverhaltenspotentiale abstrakt einpreist, in vielen praktisch relevanten Fällen unmöglich würde. Eine Gefährdung von Vermögensvorteilen durch Verhalten mit Nachteilspotential, d.h. wirtschaftlich negativ zu bewertende Gefahren einer ausbleibenden Kompensation, wie z. B. staatliche Straf- oder Bußgeldansprüche oder die Zahlungsunwilligkeit bzw. -unfähigkeit müssen sich wiederum, da zuungunsten des Täters saldiert wird und eine Vergleichbarkeit mit einer schadensgleichen Vermögensgefährdung vorliegt, am Grundsatz der doppelten Unmittelbarkeit messen lassen.

E. Subjektive Gesichtspunkte des Untreuestrafrechts im Hinblick auf die Kopplung an die Wirtschaft Vorsätzlich ungetreu handelt, wer die ihm obliegende Pflicht zur Vermögensbetreuung kennt, dieser wissentlich und willentlich zuwiderhandelt und im Rahmen dessen voraussieht bzw. sich damit abfindet, dass sein Handeln eine Schädigung für das ihm zur Betreuung anvertraute Vermögen zeitigt. Zur Verwirklichung des subjektiven Tatbestands genügt daher bedingter Vorsatz.1182 Der Täter muss die mögliche Verwirklichung aller Tatbestandsmerkmale erkennen und „im Rechtssinne billigen“. Dies schließt die Billigung des aus dem kausalen Vermögensabfluss resultierenden Nachteils mit ein.1183 Das Erhoffen eines Vorteils genügt für einen Ausschluss der Nachteilsbilligung noch nicht.1184

I. Begrenzung des subjektiven Tatbestands des § 266 StGB zu Restriktionszwecken? Der subjektive Tatbestand war und ist Zielobjekt von Bemühungen zur Begrenzung der Untreuestrafbarkeit. So war nach Rechtsprechung des Reichsgerichts1185 eine Strafbarkeitsrestriktion risikoträchtiger Geschäfte auf der subjektiven Ebene des Tatbestands vorzunehmen. Angesichts der tatbestandlichen Weite im objektiven Tatbestand, weist auch der BGH darauf hin „die innere Tatseite [. . .] besonders sorgfältig zu prüfen“.1186 Teilweise wird der Vorschlag einer Restriktion durch das subjektive Merkmal des eigennützigen bzw. eigensüchtigen Verhaltens erhoben.1187 1182 BGHSt 34, 390; 46, 34 f.; BGH NJW 1990, S. 3219; BGH NStZ 1996, S: 543; BGH wistra 2000, S. 61; BGH wistra 1986, S. 25; BGH NStZ 1986, S. 456; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 49. 1183 Siehe BGHSt 46, 34 f.; BGH NStZ 2002, S. 265; Fischer, § 266, Rn. 77b. 1184 OLG Frankfurt, NStZ-RR 2004, S. 244 ff. 1185 RGSt 68, 374; 70, 170; 76, 116. 1186 BGHSt 3, 25; 34, 390; 46, 34 f. 1187 Vgl. Hamm, NJW 2005, S. 1993 f.; BGH NJW 1975, 1236; NStZ 1997, 543; wistra 2000, S. 60 f.; Lackner/Kühl, § 266, Rn. 19; Perron, FS-Tiedemann, S. 746 f. Im Bereich der hier nicht weitergehend zu behandelnden Untreue öffentlicher Gelder sind auch vereinzelt Stimmen zu vernehmen, die an einer Ausweitung der Untreuestrafbarkeit im subjektiven Tatbestandsbereich interessiert sind und etwa die Einführung eines Tatbestands „Leichtfertiger Umgang mit öffentlichen Geldern“

384

E. Subjektive Gesichtspunkte des Untreuestrafrechts

Eine solche Erweiterung des subjektiven Untreuetatbestands ist indessen contra legem1188. Neben der Wortlautüberschreitung würde eine Restriktion des subjektiven Tatbestands auch die „einheitliche Vorsatzdogmatik“ aufgeben, obschon eine solche Restriktion aufgrund von Restriktionsmöglichkeiten im objektiven Tatbestand nicht alternativlos ist.1189 Darüber hinaus mangelt es einer Beschränkung des Untreuestraftatbestands über „strenge“ Anforderungen im subjektiven Tatbestand bisher an verallgemeinerbaren Kriterien und birgt die Gefahr einer Einzelfalljudikatur.1190 Aus funktionaler Sicht kommt hinzu, dass es sich bei der Korrelierung des Grades des Risikos mit der inneren Einstellung im Grunde gar nicht um eine Möglichkeit einer konsolidierten und sinnhaften Kopplung von Recht und Wirtschaft handelt. Die Herstellung von objektiver Wirtschaftsadäquanz kann nicht an einem subjektiven Merkmal ansetzen. Schließlich würde eine subjektiv implementierte „Eigennützigkeit“ im Widerspruch zum objektiv intendierten Schutz der „Privatautonomie“ des Vermögensinhabers stehen, weil unterstellt würde, jeder Fremdnützigkeitsgesichtspunkt könne diesen prädominieren.

II. Ausschluss des Pflichtwidrigkeitsvorsatzes durch Irrtum Erforderlich ist die vorsätzliche Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht, deren Besonderheit in ihrem normativen Charakter besteht. Bedeutung erlangen in diesem Zusammenhang die Auswirkungen eines Irrtums auf den Vorsatz. Soweit sich ein im Rahmen von Ermessen objektiv pflichtwidrig handelnder Treunehmer von einem wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplan leiten ließ und das getätigte riskante Geschäft für vorteilserbringend hielt, obschon sich objektiv das negative Risiko realisierte und es einen Vermögensfordern, so zum Beispiel Axel Gretzinger (Bund der Steuerzahler), in: Der Spiegel, Nr. 40 vom 28.9.1992, S. 73 ff., 75; ähnlich auch die Forderung nach einer spezialnormierten Amtsuntreue, vgl. Labsch, S. 277 m. w. N. 1188 Saliger, HRRS 2006, S. 16. 1189 Siehe Saliger, HRRS 2006, S. 23, Fn. 21; Saliger, NStZ 2007, S. 550 f.; Adick, HRRS 2008, S. 463 f.; SK-Samson/Günther, § 266, Rn. 50; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 50; Kühne, StV 2002, S. 199; Ransiek, NJW 2007, S. 1729; Dierlamm, NStZ 1997, S. 534 f.; Hillenkamp, NStZ 1981, S. 163; Kubiciel, NStZ 2005, S. 356. 1190 Fischer, StraFo 2008, S. 273; Ayasse, S. 24, 31 f.; Schreiber/Beulke, JuS 1977, S. 656 ff.

II. Ausschluss des Pflichtwidrigkeitsvorsatzes durch Irrtum

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nachteil hervorrief, befand er sich in einem Irrtum über Tatumstände, welcher gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 StGB insgesamt vorsatzausschließend ist. Wer sogar in voller Kenntnis aller Tatumstände handelt, dieses Handeln jedoch – fälschlicherweise – vereinbar mit der ihm obliegenden Vermögensbetreuungspflicht ansieht, unterfällt laut BGH ebenfalls einem Tatbestandsirrtum.1191 Geht der Treupflichtige davon aus, den Vermögensinhaber, wenn auch in begrenztem Rahmen, „in seiner Willkür durch [. . .] eigene Willkür vertreten zu dürfen“, dem mangelt es demzufolge an der aktuellen Kenntnis der Vermögensbetreuungspflicht und damit am Vorsatz.1192 Auch eine irrige Annahme eines tatbestandsausschließend wirkenden Einverständnisses des Vermögensinhabers schließt gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 StGB den Untreuevorsatz aus.1193 In der Beurteilung schwieriger ist die Konstellation, in der der Treupflichtige weiß, dass er eine rechts- oder sittenwidrige Geschäftshandlung mit Nachteilspotential begeht, jedoch davon ausgeht, dass diese aufgrund geringer Entdeckungs- und Sanktionierungswahrscheinlichkeit wirtschaftlich sinnvoll und demnach zulässig sei. Objektiv folgt die Pflichtwidrigkeit von Rechtsbrüchen mit Nachteilspotential bereits aus normativen Gründen (siehe C. IV. 7. c)). Der Irrtum geht hierbei aber nicht auf Tatsachen- sondern Wertungsgesichtspunkte zurück, sodass nicht ohne Weiteres deutlich ist, ob ein Tatbestands- (§ 16 StGB) oder Verbotsirrtum (§ 17 StGB) gegeben ist.1194 Die Pflichtwidrigkeit im Rahmen des subjektiven Untreuestraftatbestands wird von der herrschenden Meinung als „normatives Tatbestandsmerkmal“ aufgefasst, bei dem nach Maßgabe einer Parallelwertung in der Laiensphäre für die Unrechtsbegründung ausreicht, dass der Täter den wesentlichen Bedeutungsgehalt erfasst hat.1195 Dieser ist bei der vorliegenden Konstellation die Tätigung eines mit Nachteilspotential versehenen Geschäfts – ungeachtet der für die ökonomische Effizienz im Einzelfall bedeutsamen Frage nach der Entdeckungs- und Sanktionierungswahrscheinlichkeit. Darin liegt eine normative Einschränkung des an sich deskriptiven Merkmals der Schadenserzeugungslogik. Ein Vorsatzausschluss durch das Vertrauen auf die Nichtentdeckung der strafbaren, im Rahmen unternehmerischer Ermessensentscheidung und in Gewinnerzielungsabsicht vorgenom1191

BGH wistra 1986, S. 25. Jakobs, FS-Dahs, S. 57, 62 f. 1193 BGHSt 3, 25; Schönke/Schröder-Perron, § 266, Rn. 49; LK-Schünemann, § 266, Rn. 153; Wassmer, S. 154. 1194 Praktisch ist diese Problematik deshalb weniger bedeutsam, weil das Handeln ohne Schädigungsabsicht schon das subjektive Tatbestandsmerkmal eines Vermögensschadens nicht erfüllt (siehe dazu auch Burger, S. 247). 1195 Siehe Burger, S. 246 ff. m. w. N. 1192

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E. Subjektive Gesichtspunkte des Untreuestrafrechts

mener Handlung kann es daher nicht geben. Vorsätzlich handelt der Treupflichtige sonach dann, wenn er erkennt, dass er einen Rechtsbruch begeht und es für möglich hält und – mittels Parallelwertung in der Laiensphäre – erfasst, dass die Tatbegehung prinzipiell mit einem Nachteil verbunden sein könnte. Eine Gewinnerzielungsabsicht schlägt sich allerdings im Rahmen rechts- oder sittenwidriger Geschäfte im Ausschluss des Vorsatz bezüglich des Vermögensschadens nieder.1196 Konnte der Treupflichtige jedoch davon ausgehen, dass trotz Verwirklichung des Nachteilspotentials die Vorteile letztlich überwiegen besitzt kein Schädigungsvorsatz.

III. Vorsatz und schadensgleiche Vermögensgefährdung In den Fällen der schadensgleichen Vermögensgefährdung, so auch im Fall „Kanther“, nimmt die Rechtsprechung eine Diversion von objektivem und subjektivem Tatbestand vor. Trotz der Annahme einer schadensgleichen Vermögensgefährdung verlangt der BGH (2. Strafsenat) nämlich in subjektiver Hinsicht einen auf die endgültige Schädigung (Realisierung der Vermögensgefährdung) gerichteten Vorsatz. D.h., der bedingte Vorsatz bei Gefährdungsschäden verlange, nach Auffassung des BGH, neben Kenntnis und Billigung der konkreten Vermögensgefahr die Billigung ihrer Realisierung, also des effektiven Vermögensschadens1197 (sog. „subjektive Theorie“1198). Rotsch nimmt diesen Fall als Beispiel für die „Diffusion von Untreueund Vorsatzdogmatik“, weist aber gleichwohl darauf hin, dass eine Kongruenz von objektivem und subjektivem Tatbestand in den Fällen der Vermögensgefährdung zu einer Ausdehnung der Anwendung des § 266 StGB führen würde.1199 Nicht nur aufgrund der in § 16 StGB geforderten Deckungsgleichheit von subjektivem und objektivem Tatbestand, die es nicht ohne Weiteres erlaube ein Delikt zu einem „Delikt mit (schwach) überschießender Innentendenz“ zu machen1200, sei eine solche subjektive Differenzierung fraglich, 1196 Auch Thomas hält einen solchen Vorsatzausschluss für möglich (FS-Riess, S. 806); vgl. auch Burger, S. 259 f. 1197 BGH NJW 2007, S. 1766 f. Zur Begründung wird angeführt, dass die Anwendung der ursprünglich für Betrugsfälle entwickelten schadensgleichen Vermögensgefährdung auf § 266 StGB nicht hinreichend beachte, dass der subjektive Untreuetatbestand nicht die entsprechende Restriktion erfahre wie der Betrugstatbestand mit dem Erfordernis der Bereicherungsabsicht. BGH wistra 2007, S. 385 f.; Keul, DB 2007, S. 729 f.; Kühne, StV 2002, S. 199. 1198 Schünemann, NStZ 2008, S. 431. 1199 Rotsch, ZIS 2008, S. 4. 1200 So dann BGH, NStZ 2008, S. 457; Bernsmann, GA 2007, S. 230.

III. Vorsatz und schadensgleiche Vermögensgefährdung

387

sondern auch, weil objektiv keine Differenzierung von Schaden durch Vermögensgefährdung und Realisierung der Vermögensgefährdung möglich sei, wenn man zum Tatvollendungszeitpunkt wirtschaftlich über eine Vermögenseinbuße entscheidet.1201 So weist der 1. Strafsenat BGH jüngst darauf hin, dass sich „bei einer präzisen Begriffsverwendung unter exakter Betrachtung des tatsächlichen wirtschaftlichen Nachteils [. . .] bei genauer Feststellung dessen, worauf sich das Wissen und Wollen des Täters insoweit tatsächlich erstreckt“, die Problematik einer überschießenden Innentendenz „erledigt habe“.1202 Diese Auffassung scheint prima facie auch in der Konsequenz der hier vorgeschlagenen funktionalen wirtschaftlichen Betrachtung zu stehen, auf der objektiven Schadensebene schadensgleiche Vermögensgefährdungen nicht anders als konventionelle Schäden zu behandeln (siehe D. II. 4. b)). Dem ist jedoch nicht zwingend so. Die spezifisch objektive funktionale Betrachtung verhält sich nämlich neutral, wenn es um subjektive Tatbestandsmerkmale geht, da dort Normativität an psychische Systeme („Wissen und Wollen“) gekoppelt ist und in diesem Rahmen wirtschaftlich unter-/überkomplexe Restriktionen durchaus strafrechtsimmanente Optionen sind. Anzuerkennen ist zunächst, dass die „subjektive Theorie“ sich als dogmatische Restriktion durch die überziehende Innentendenz strafbarkeitseinschränkend gegenüber der Rechtsfigur der schadensgleichen Vermögensgefährdung auswirkt und damit nicht mit Art. 103 Abs. 2 GG kollidiert. Da eine sachgerechte, verfassungskonforme Anwendung sichergestellt ist, ist der BGH aus diesem Grund nicht gehindert ein solches „dogmatisches Unikum“ zu institutionalisieren.1203 Die Restriktion des subjektiven Tatbestands bei schadensgleichen Vermögensgefährdungen mit Hilfe der „subjektiven Theorie“ wird teilweise auch mit der Absicht der Vermeidung eines „doppelten Konjunktivs“ begründet. Darunter versteht man die Gefahr, dass durch einen lediglich bedingten Vorsatz bei einem Gefährdungsschaden, schon derjenige strafbar wäre, der es für möglich hält, „dass sein Handeln [. . .] ein Risiko verursachen könnte“.1204 Diese Annahme eines doppelten Konjunktivs wird aller1201 Siehe insbesondere Nack, StraFo 2008, S. 278; Schünemann, NStZ 2008, S. 432 („dogmatische Inkonsistenz“). 1202 Obiter dictum in Beschluss vom 20.3.2008 zu Risikogeschäften: NStZ 2008, S. 457; entsprechend BGH NJW 2008, S. 2452. Siehe auch BGHSt 47, 157: dort betont der BGH, dass sich Wissens- wie Billigungselement allein auf die schadensgleiche Gefährdung beziehen. 1203 So auch Schünemann, NStZ 2008, S. 431 f.; Fischer, StraFo 2008, S. 276. In kritischer Haltung dazu Bernsmann, GA 2007, S. 230. 1204 Dazu Fischer, StraFo 2008, S. 274; Nack, StraFo 2008, S. 277; Hamm, NJW 2005, S. 1994.

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E. Subjektive Gesichtspunkte des Untreuestrafrechts

dings vermieden, soweit die schadensgleiche Vermögensgefährdung bereits als Schaden und nicht als Konjunktiv eines Schadens gewertet wird (siehe D. II. 4. b) cc) (1)), sodass kein doppelter, sondern einfacher Vorsatz vorläge. Ungeachtet dessen könnte sich gleichwohl aus dem qualitativ vorhandenen Unterschied von schadensgleicher Vermögensgefährdung und „endgültigem“ Schaden der Restriktionsanlass ergeben, der in subjektiver Hinsicht eine Differenzierung befürworten ließe. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass eine Gefährdung objektiv zwar schadensgleich sein kann, dennoch immer auch ein Durchgangsstadium bezeichnet. Im Ergebnis kann – für die objektive wirtschaftliche Bewertung als Schaden unbeachtlich – die Gefährdung zu einem Vorteil führen oder aber durch Realisierung den Schaden „effektivieren“.1205 Deshalb bezieht sich auch die Anwendung des Unmittelbarkeitsprinzips (D. II. 4. b) cc) (3)) auf die weitere Entwicklung der Gefährdung und fragt, ob sich Realisierung mit oder ohne weiteres selbstständigen personales Verhalten eintritt. Die weitere Entwicklung des Gefahrenpotentials, die zwar nicht wirtschaftlich „bewertet“ wird, aber doch in ihrer Unabgeschlossenheit dem Gefährdungsschaden immanent ist, kann also zum Zwecke der Strafbarkeitsrestriktion subjektiv berücksichtigt werden. Die Vorsatzlösung, bzw. „subjektive Theorie“ soll dementsprechend auch in den Fällen der „vorteilsgleichen Vermögenschance mit Kompensationsgefährdung“, so auch bei Abschluss rechts- oder sittenwidriger Geschäfte mit Sanktionspotential (siehe D. II. 5. b) bb)) Anwendung finden.1206 Dadurch wird eine Untreuestrafbarkeit in vielen Fällen eingeschränkt, weil der Treunehmer bei derartigen Geschäftsabschlüssen selten seine eigene Verurteilung billigend in Kauf nehmen dürfte. Die Anwendung der „subjektiven Theorie“ ist auch hier nicht abwegig. Denn auf subjektiver Ebene kann nicht – wie auf der Ebene der Schadensbestimmung – danach differenziert werden, ob das Vermögen oder der Kompensationsvorteil gefährdet ist, sondern allein welche voluntative Beziehung der Treupflichtige zur Schädigung besitzt. Insoweit wäre die „subjektive Theorie“ ein Korrektiv. Vertraut etwa ein Täter aufgrund jahrelanger erfolgreicher Bestechungspraxis darauf, dass auch eine erneute Bestechungszahlung zu kompensierenden Gewinnen führt, so schließt das die Billigung des Nachteils, also den 1205 Das Problem, dass die „subjektive Theorie“ die Anerkennung des Gefährdungsschadens im objektiven Tatbestand auf der subjektiven Ebene selbstwidersprüchlich „relativieren“, d.h. als Schaden sui generis behandeln könnte (dazu Fischer, StraFo 2008, S. 276 m. w. N.), liegt nicht vor, wenn man wie hier die Realisierung des Schadens nur als um die intrinsische Kompensationschance verlustige schadensgleiche Vermögensgefährdung behandelt. 1206 Vgl. BGH wistra 2007, S. 386; Schünemann, NStZ 2008, S. 434.

III. Vorsatz und schadensgleiche Vermögensgefährdung

389

Untreuevorsatz aus, selbst wenn er eine gewisse Wahrscheinlichkeit einer Aufdeckung und eines Schadenseintritts annehmen musste.1207 Zu beantworten bleibt, ob die Anwendbarkeit der „subjektiven Theorie“, d.h. die Möglichkeit einer überschießenden Innentendenz, auch zur Notwendigkeit wird. Geht man davon aus, dass eine unter dem Gesichtspunkt der Gesamtsaldierung als Schaden gewertete schadensgleiche Vermögensgefährdung mitsamt der Restriktion durch das Unmittelbarkeitsprinzip bereits eine restringierte Beurteilung des objektiven Tatbestands bedeutet1208, an dessen Restriktionen auch der subjektive Tatbestand aufgrund des Deckungsprinzips gebunden ist, so liegt es eigentlich nahe als dogmatische Alternative zur „subjektiven Theorie“ eine Restriktion des Vorsatzes durch dessen Ausfüllung mit den objektiven situativen Gegebenheiten und die damit verbundenen kognitiven Abschätzungen und Einstellungen des Täters vorzunehmen. Meint ein Treupflichtiger, dass es sich bei einem Gefährdungsschaden lediglich um einen temporären Verlust handele oder dass die Chancen die Risiken überwiegen, der handelt dann schon unabhängig von einer überschießenden Innentendenz nicht vorsätzlich1209, weil er den wirtschaftlichen Nachteil der Gefährdung in der Gesamtbilanz verkennt. Denkbar ist allerdings, dass der Täter zwar den wirtschaftlichen Negativsaldo eines Chance-Risiko-Bündels kennt und in Kauf nimmt, jedoch die Realisierung des Schadens aufgrund des Bereithaltens eigener liquider Mittel in jedem Fall vereiteln möchte, obwohl sich dies noch nicht objektiv und damit tatbestandsausschließend manifestiert hat (siehe D. II. 5. c) aa) (4)). Auch ist möglich, dass der Täter einen Gefährdungsschaden eingeht, weil er darauf vertraut, dass sich die intrinsische Kompensationschance deshalb verwirklicht, weil ihr Verlust nur von Sekundärverhalten (Drittverhalten) abhängt, mit dem er nicht rechnet. Damit gewinnt eine etwas ältere Einschätzung des BGH, dass bei Risikogeschäften der Grad der Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts kein hinreichender Maßstab dafür sein könne, ob sich der Täter mit dem Erfolg abgefunden hat und ferner die Motive und Interessenlagen des Treupflichtigen zu berücksichtigen seien1210, durchaus eine wesentliche Bedeutung.1211 1207

Siehe dazu Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 75, die daher für den SiemensKorruptionsfall, soweit nicht schon der objektive Tatbestand entfiele, einen Untreuevorsatz ausschließen. 1208 Siehe Saliger, NStZ 2007, S. 551. 1209 Siehe Schünemann, NStZ 2008, S. 434. Bereits eine Fehleinschätzung des statistischen Gewichts kann zur Verneinung des Schädigungsvorsatzes führen, ohne dass es auf eine überschießende Innentendenz überhaupt ankäme. 1210 BGHSt 46, 35, bejahend insoweit auch Dierlamm/Links, NStZ 2000, S. 656. Diese Sichtweise schränkt BGHSt 47, 157 auf „gravierende“ Pflichtverletzungen

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E. Subjektive Gesichtspunkte des Untreuestrafrechts

Soweit also das Unmittelbarkeitsprinzip als Teil des objektiven Tatbestands auf subjektiver Ebene nicht hinreichend Berücksichtigung findet, ist eine entsprechende Ausdehnung des subjektiven Tatbestands nötig. Die Vorsatzlösung („subjektive Theorie“) stellt sich insoweit als subjektive Umsetzung des Unmittelbarkeitsprinzips dar.1212 Letztlich ist die strenge wirtschaftliche Betrachtung zum Tatvollendungszeitpunkt, und damit die Divergenz von Gefährdungs- und Endschaden, nicht Grund für die Ablehnung der „subjektiven Theorie“1213, sondern sogar Grund dafür, die Restriktion der objektiv-personalen Zurechnung (d.h. Unmittelbarkeitszusammenhang) entsprechend auch auf subjektiver Ebene anzuwenden.

IV. Versuchsstrafbarkeit de lege ferenda? Der Versuch der Untreue ist trotz Entwurfvorschlag zum 6. StrRG1214 gemäß § 266 StGB nicht strafbar. Das Bestreben, von dem der Entwurfvorschlag getragen wurde, war es, die Versuchsstrafbarkeit in § 266 StGB einzuführen, „um die Vorschrift insoweit dem Betrug [. . .] gleichzustellen.“ Dem Entwurf zufolge erschien „die damit verbundene Vorverlagerung des Strafschutzes [. . .] vor allem im Hinblick auf Fälle geboten, in denen hohe Schäden [. . .] drohen“.1215 ein, obschon dort zugleich die Irrelevanz des Erfolgseintritts betont wird. Kritisch zu dieser Widersprüchlichkeit Fischer, StraFo 2008, S. 273. 1211 Dieser Gesichtspunkt wird in der ausgiebigen Kritik der BGH-Rechtssprechung von Fischer (StraFo 2008, S. 275). nicht berücksichtigt. 1212 Vgl. Saliger/Gaede, HRRS 2008, S. 71. Saliger/Gaede verstehen jedoch unter dieser Feststellung und kritisieren damit vornehmlich die Verlagerung des „eigentlich“ im objektiven Tatbestand bestehenden Mangels an Unmittelbarkeit auf die subjektive Ebene. Vorliegend sollen aber auch Fälle angesprochen sein, bei denen das Unmittelbarkeitsprinzip objektiv einen Gefährdungsschaden nicht ausschließt, auf subjektiver Ebene der Täter jedoch lediglich von einer Mittelbarkeit ausgeht, d.h. die unmittelbare Effektivierung nicht billigt, obwohl objektiv die unmittelbare Gefahr der Realisierung gegeben ist. 1213 So Nack, StraFo 2008, S. 281. 1214 „Der Versuch ist strafbar“: BT-Ds. 13/8587 S. 10. 1215 BT-Ds. 13/8587 S. 43. Kritisch zur These der Verwandtschaft von Betrug und Untreue im Hinblick auf die Forderung nach einer Versuchsstrafbarkeit der Untreue ausführlich Matt/Saliger, S. 221 ff. Dort wird auf die „tatbestandsstrukturelle und schutzbezogene Eigenständigkeit“ der Untreue hingewiesen. Dies entspricht auch der funktionalen Betrachtung, die aufzeigt, dass der Vermögensschutz im Rahmen des § 266 StGB durch die Abtretung von Privatautonomie in einem systemischen Kontext über einen personalen Transfer hinaus gestellt ist und deshalb die Pflichtverletzung als „wenig transparanter Angriff ‚von innen‘“ auch als „phänomenologisch unscheinbarer“ (Matt/Saliger, S. 222) auftritt.

IV. Versuchsstrafbarkeit de lege ferenda?

391

Die Versuchsstrafbarkeit wird auch zuweilen in der aktuellen Auseinandersetzung befürwortet1216 und steht in der Konsequenz einer Tendenz einer extensiven Interpretation des Vermögensnachteils, namentlich im Bereich der schadensgleichen Vermögensgefährdung, in dem Vorstufen unabhängig von effektiven wirtschaftlichen Wertverlusten systemwidrig als Vermögensschäden angenommen werden (siehe D. II. 4. c)). In dieser Systemwidrigkeit liegt auch der Hauptgrund einer Kritik der Versuchsstrafbarkeit.1217 Wenn bereits ein wirtschaftlich verstandener Schadens- und Saldierungsbegriff werthaltige Vermögenseinbußen als Untreue erfassen lässt, so würde eine Versuchsstrafbarkeit auf vermögens- und damit wirtschaftsfremde Schutzgüter verweisen und nicht nur eine Extension der Anwendung des § 266 StGB zur Folge haben, sondern auch eine Entmaterialisierung. Eine versuchte Untreue wäre im Grunde nicht mehr in ein die Unterbestimmtheit des (subjektiven) Tatbestands konturierendes Kopplungsverhältnis von Recht und Wirtschaft eingebunden, sondern würde von einer rechtlichen Selbstbezüglichkeit bestimmt sein, die den eigentlichen Gegenstand und die aus diesem abgeleitete (restringierende) Bestimmung verneinte.1218 Eine Versuchsstrafbarkeit, die sich an einem subjektiven Zurechnungszusammenhang zum wirtschaftsrelevanten Taterfolg orientiert, ist wirtschaftlich undifferenziert (unterkomplex) und birgt das besondere Risiko wirtschaftsinadäquater Rechtsanwendungen.1219 So zeigt ein Blick in das schweizerische bzw. liechtensteinische Untreuestrafrecht, welches jeweils eine versuchte Untreue kennt, dass bereits zwischen Treunehmer und Dritten getroffene Verabredungen hinsichtlich folgender missbräuchlicher Verfügungen als versuchte Untreue bewertet werden müssen.1220 Angesichts der Komplexität des Untreuestraftatbestands, beispielsweise bei Risikogeschäften, bei unterlassenen Vermögensmehrungen u. A. führte eine zwangsläufig ausgedehnte Versuchsstrafbarkeit nicht nur zu noch weiteren Justiziabilitätsproblemen, sondern zu besonders nachteiligen wirtschaftlichen Effekten in der Finanzwirtschaft, insbesondere zu Anreizen zur Risikoaversion mit entsprechenden betriebs- und volkswirtschaftlichen Folgen.1221 Wenn allein das Schädigungspotential, welches an 1216 Vrzal, S. 35 ff., 50 ff. und insbesondere auch mit Verweis auf die österreichische und schweizerische Gesetzeslage S. 116 ff., 157 ff.; Günther, FS-Weber, S. 317. Ebenso schon Binding, S. 396 ff. 1217 Siehe Matt/Saliger, S. 221 ff. 1218 Die Gefahr besteht, dass eine Pönalisierung des Tatentschlusses den Tatbestand zu einem bloßen „Annex von Zivilrecht und Verwaltungsrecht“ umzuwandeln, dazu Matt/Saliger, S. 227. 1219 Siehe auch Matt/Saliger, S. 223, 237 ff.; Saliger, ZStW 112 (2000), S. 612. 1220 Siehe Beck, S. 147 ff. m. w. N.

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E. Subjektive Gesichtspunkte des Untreuestrafrechts

obiger Stelle (C. III. 2. d)) als Kriterium der untreueerheblichen Pflichtenstellung behandelt wurde, schon als hinreichendes Merkmal für die Versuchsstrafbarkeit statuiert würde, stünde die gesamte Vermögensverwaltungswirtschaft unter Generalverdacht.1222 Auch die Möglichkeit eines Rücktritts als Anreiz zur Schadenswiedergutmachung spricht nicht für die Ausweitung der Strafbarkeit auf den Versuch1223, sondern eher für eine Ergänzung des § 266 StGB um eine Regelung zur tätigen Reue.1224 Einer Ausweitung der Untreuestrafbarkeit auf den Versuch de lege ferenda ist aus systemisch-funktionalen und praktischen Gründen zu widersprechen.

1221

Mit Hinweis auf die Verengung der sog. „Strafrechtsfalle“, siehe Matt/Saliger, S. 224; siehe auch Arnold, Jura 2005, S. 846; Fischer, StraFo 2008, S. 272, Fn. 35. 1222 An dieser Stelle genügt es nicht eine Versuchsstrafbarkeit mit ihren Abschreckungseffekten bezüglich einer vollendeten Tat zu rechtfertigen (siehe insoweit aber Adams, Ökonomische Theorie, S. 475 f.), sondern es bedarf einer genaueren Betrachtung der Abschreckungseffekte hinsichtlich legalen wirtschaftlichen Verhaltens. 1223 Siehe aber Vrzal, S. 56. 1224 Vgl. zur österreichischen Gesetzeslage, die in § 167 öStGB eine tätige Reue vorsieht: Vrzal, S. 118 ff.

F. Ergebnis I. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse • Spezifische Anwendung der systemtheoretischen Überlegungen auf den Untreuetatbestand – Der Vermögensschutz des § 266 StGB ist kein „isolierter“ oder „reiner“, sondern knüpft an einen Schutz der Privatautonomie im Sinne der Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Zuweisungslogik an, welche wiederum an einen Vertrauensschutz gebunden ist. Soweit es um die Beantwortung der Frage geht, ob § 266 StGB das Vertrauen des Vermögensinhabers gegenüber dem Vermögensbetreuungspflichtigen schützt, kann es sich nur um ein Systemvertrauen des natürlichen wirtschaftlichen Eigentümers handeln, welches allen untreueerheblichen Konstellationen zu eigen ist. Schutzzweck des § 266 StGB ist allein das Vermögen. Vertrauen und Privatautonomie stellen keine zusätzlichen Rechtsgüter dar. Sie sind aber intrinsische funktionale Schutzrichtungen des Untreuestrafrechts und damit Eckpfeiler einer restriktiven Konturierung einer Untreue-Interpretation. • Systemfunktionaler Ansatz als Rechtsauslegungsmaßstab – Eine funktionale Theorie des Rechts ist nicht primär auf die Faktizität gerichtet, sondern auf die rechtliche (Re-)Harmonisierung von Normativität und Faktizität. Ihre Intention ist es, die (rechtssystemadäquaten) Alternativen der Auslegung zu ergründen, die in möglichst abstrakter Weise mit dem Wirtschaftssystem korrespondieren. Eine funktionale Betrachtung der Kopplung von Untreuestrafrecht und Wirtschaft entledigt sich dann angesichts des vagen Wortlauts gerade einer rechtlichen Überkomplexität so wie aber immer auch einer rechtlichen Unterkomplexität. Vielmehr geht es um den Aufbau einer Komplexitätsadäquanz von Recht und Wirtschaft, d.h. der gegenseitigen Berücksichtigung jeweiliger Komplexität. Eine Dogmatik, die die Komplexität der Wirtschaft berücksichtigt und praxisrelevant ist, ist daher keine unterkomplexe Dogmatik. Eine Dehypertrophierung, die Selbstbeschränkung im kompromisslosen Zugriff des einen Systems auf ein anderes, ist gerade Voraussetzung für gesamtgesellschaftlichen Komplexitätsaufbau. Zudem dient sie einer Nach-

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F. Ergebnis

bestimmung des Anwendungshorizonts in Entsprechung zur verfassungsrechtlich gebotenen Begrenztheit des Strafrechts. Soweit das Untreuestrafrecht rechtliche Un- oder Unterbestimmtheiten aufweist, ist eine Orientierung an der Logik des Regelungsgegenstandes, d.h. eine wirtschaftadäquate Interpretation des § 266 StGB, geboten und gerechtfertigt. • Funktionale strafrechtsautonome Bestimmung der untreueerheblichen Pflichtenstellung – Das Charakteristikum einer untreueerheblichen Pflichtenstellung ist das spezifische Vermögensschädigungspotential. Das Spezifikum liegt in allen Fällen der Untreue darin, dass im (System-)Vertrauen mehr besondere Macht über fremdes Vermögen (Privatautonomie) eingeräumt wird, als wirtschaftlichem „Sinn“ gemäß gebührt. Aus diesem für alle Untreuehandlungen verallgemeinerbaren Verständnis der Vermögensbetreuungspflicht ergibt sich eine grundsätzliche Abkopplung gegenüber akzessorischen, in der Konsequenz kasuistischen Definitionen und damit eine sowohl strafrechtsdogmatische als auch funktionale Begründung für eine strafrechtsautonome Kategorie zur Bestimmung einer untreueerheblichen Vermögensbetreuungspflicht. – Die untreueerhebliche Pflichtenstellung (Vermögensbetreuungspflicht) steht in beiden tatbestandlichen Alternativen in einem funktional identischen Kontext. Beide Alternativen sind Unterfälle der Untreue. Bei der ersten Alternative wird im Vertrauen die besondere rechtliche Macht zur Verpflichtung des Treugebers oder Verfügung über das Treugebervermögen, im Rahmen der zweiten Alternative wird im Vertrauen besondere rechtliche Macht oder besondere tatsächliche Macht über das Vermögen des Treugebers abgetreten. – Der strafrechtliche Schutz von vermögensschädigenden Vertrauensbrüchen im Rahmen von gegenseitigen Schuldverhältnissen, also im „Außenverhältnis“, bei denen es selbst nicht zur Übertragung von Privatautonomie, sondern nur zu deren jeweiliger „Behauptung“ kommt, wird mangels dieses spezifischen Schutzes der Privatautonomie durch § 266 StGB nicht gewährt und muss daher § 263 StGB vorbehalten bleiben. Wer beispielsweise in eigenem wirtschaftlichen Interesse die ungetreue (überhöhte) Leistung an sich selbst befördert, verwirklicht damit im „Außenverhältnis“ eigene Privatautonomie, die nicht durch die Privatautonomie des Vermögensinhabers beschränkt ist. Ein solches Verhalten stellt keine eine Teilnahmestrafbarkeit begründende Solidarisierung mit dem Bruch der an den Treupflichtigen abgetretenen Privatautonomie des Vermögensinhabers durch den Treupflichtigen dar. Die Förderung und Entgegen-

I. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse

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nahme eigener überhöhter und damit ungetreuer Vergütungen begründet daher nicht ohne Weiteres eine Beihilfe zur Untreue. – Für das Fehlverhalten des Treupflichtigen im Innenverhältnis kann jedoch der Teilnehmer verantwortlich gemacht werden, der, wie beispielsweise durch kollusives Zusammenwirken mit dem Treupflichtigen, das „Außenverhältnis“ verlässt und sich somit bewusst mit der Lädierung der Privatautonomie des Vermögensinhabers solidarisiert. Wer Zahlungen von Provisionen, Honoraren oder Schmiergeldern an sich selbst ohne Einverständnis des Treugebers im Wege kollusiven Zusammenarbeitens mit dem Vertragspartner des Treugebers vereinbart, welche zu Lasten des Vermögensinhabers eingepreist werden, verlässt das Außenverhältnis und handelt pflichtwidrig. – Aufgrund der notwendigen Differenzierung von Außen- und Innenverhältnis kommt Drittinteressen im Rahmen der Bestimmung einer untreueerheblichen Pflichtenstellung keinerlei Relevanz zu. • Funktionstheoretisch fundierte Konkretisierung und Restriktion des Tatbestandsmerkmals „Pflichtverletzung“ – Der Schutz der Privatautonomie des Vermögensinhabers beschränkt das Handeln des Treupflichtigen nur hinsichtlich seiner besonderen Machtstellung und lässt Handlungen außerhalb des Treueverhältnisses unberücksichtigt. Die Tathandlung muss, um eine untreueerhebliche Pflichtverletzung zu sein, aus der untreueerheblichen Pflichtenstellung resultieren, d.h. unter Ausnutzung der besonderen Zugriffsmöglichkeit erfolgen. – Angesichts der limitierten (Zivilrechts-)Akzessorietät und (zivil-)rechtlich fehlender Bestimmtheit von Erlaubnisnormen, die ihrerseits für die negative (Zivilrechts-)Akzessorietät von Bedeutung wären, bedarf es eines strafrechtsautonomen Kriteriums zur Bestimmung untreueerheblicher Pflichtverletzungen durch Handlungen im Rahmen von typischerweise gewährten Ermessensspielräumen. – Das unterbestimmte Restriktionskriterium einer „gravierenden“ Pflichtverletzung erhebt nicht nur dogmatische Bedenken, sondern führt auch zu einer Kasuistik, die sich als ökonomisch inadäquate Kontextualisierung des § 266 StGB erweist. Ebenso wie das Kriterium einer „gravierenden Pflichtverletzung“ selbst, ist auch eine Konkretisierung einer „gravierenden“ Pflichtverletzung anhand des materiellen Treugeber- bzw. Unternehmensinteresses gleichfalls ökonomisch und rechtlich unterbestimmt. – Eine restriktive Bestimmung einer Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB setzt im Ergebnis ein allgemeines Kriterium voraus, welches an-

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F. Ergebnis

knüpfend an die untreueerhebliche Pflichtenstellung und den Schutzzweck des § 266 StGB einen Bezug zum Vermögensinteresse des Treugebers aufweist, ohne weder einer Subjektivierung zu unterliegen, noch prinzipiell die Prüfung des Schadensmerkmals zu antizipieren. – Das funktionale Prinzip zur Bestimmung einer untreueerheblichen Pflichtverletzung lässt sich wie folgt formulieren: Eine Ermessenshandlung ist nur dann pflichtwidrig im Sinne des § 266 StGB, wenn sie prinzipiell einen Vermögensschaden hervorrufen könnte und ist es nicht, wenn an sich kein Vermögensschaden zu besorgen ist, es sei denn es liegen spezifische materielle Vermögensinteressen des Treugebers vor. Dieses Kriterium ist die durch die wirtschaftliche Handlungslogik spezifizierte Privatautonomie im Rahmen von Vermögensmachtabtretungen. Pflichtwidrig ist das Handeln im Sinne wirtschaftlicher Schadenserzeugungslogik und damit jede abstrakte Vermögensgefährdung. – Primat der Bestimmung einer Pflichtverletzung behält das ausdrücklich erklärte materielle Treugeberinteresse. Jedoch findet bei Vorgaben des Treugebers das funktionale Kriterium für untreueerhebliche Pflichtenverletzung zum Zwecke einer dogmatisch ordnungsgemäßen umfassenden Berücksichtigung der Privatautonomie in folgender eingeschränkter Abwandlung Anwendung: Die Verletzung von ausdrücklich erklärten spezifischen Treugeberinteressen ist (nur) dann pflichtwidrig im Sinne des § 266 StGB, wenn sie prinzipiell auf den Vermögensbestand einzuwirken fähig ist. – Für die Prüfung der Pflichtwidrigkeit im Rahmen des § 266 StGB sind folgende Schritte zu empfehlen: 1. Prüfung des funktionalen strafrechtsautonomen Kriteriums unter Berücksichtigung prädominierender konkreter ausdrücklicher materieller Vermögensinteressen des Treugeber 2. Prüfung eines eventuellen Ausschlusses durch inhaltlich bestimmte außerstrafrechtliche Befugnisnormen (negative (Zivilrechts-)Akzessorietät). – Die Tatbestandsmerkmale „Pflichtwidrigkeit“ und „Vermögensschaden“ werden durch das funktionale Kriterium grundsätzlich getrennt. Wo jedoch nicht nur formale wirtschaftliche Gesichtspunkte ausschlaggebend sein können, muss auf das materielle Substrat der Saldierung zurückgegriffen werden, um einen untreueimmanenten Wertungsmaßstab zu erhalten. Fehlt in den Fällen des schlichten Leistungsaustausches also ein allgemeines Kriterium zur Pflichtwidrigkeitsannahme, so verbleibt allein ein Vorgriff auf die Saldierungsebene, der zwar nicht eine Gleichsetzung, wohl aber eine Verschleifung der beiden Tatbestandsmerkmale bewirkt.

I. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse

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– Subjektive Gesichtspunkte werden bei der Beurteilung der Pflichtwidrigkeit nach Maßgabe des funktionalen Kriteriums ausgeschlossen. • Anwendungsbeispiele des funktionalen Prinzips einer untreueerheblichen Pflichtverletzung – Wer eine Vermögensmehrung unterlässt, indem er nichts tut, handelt pflichtwidrig, wenn er im Ermessen für eine Vermögensmehrung zu sorgen hat. Wer jedoch lediglich ein Surplus einer Vermögensmehrung, ein Noch-Mehr, unterlässt, handelt grundsätzlich nicht pflichtwidrig, weil er seiner Pflicht zur Gewinnerzeugung genügt. Ausnahmen bestehen nur unter folgenden Umständen: 1. Ist die Gewinnerzeugung mit einer relativen Gewinnoptimierung identisch (Möglichkeit schlichter Wahlentscheidung), bedeutet dies, dass auf gegebene Optimierungen Rücksicht zu nehmen ist und bereits vorliegende und deutlich gewordene Möglichkeiten eines vorteilhafteren Geschäfts nicht vereitelt werden dürfen. 2. Eigene Optimierungen (Maximierungsstrategien) muss der Treunehmer nur insoweit vornehmen, als ein Unterlassen als Sorgfaltspflichtverletzung zu werten ist. – Formelle Pflichtverstöße sind grundsätzlich keine untreueerheblichen Pflichtverletzungen, da die Verletzung von Zuständigkeits-, Verfahrensoder Formvorschriften an sich keine prinzipielle Schadenserwartung im Sinne des funktionalen Kriteriums statuiert. Anderes gilt nur dann, wenn die Nichteinhaltung der formalen Norm ein materielIes Indiz für eine materielle Pflichtwidrigkeit erhebt. Sorgfaltswidriges Handeln im Rahmen von Ermessen stellt eine formelle Pflichtverletzung dar, die untreueerheblich ist, wenn sie mit materiellem Indiz einhergeht, d.h. prinzipiell eine Vermögensschädigung erwarten lässt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es um die Notwendigkeit eines sorgfältigen Ermittelns von Entscheidungsgrundlagen geht. Kommt es jedoch nurmehr auf die materielle Entscheidung selbst an, so fehlt einer formalen Sorgfaltsspflichtverletzung das materielle Indiz und die Feststellung der Pflichtwidrigkeit ist auf die Verschleifung mit der Schadensebene angewiesen. – Verletzungen von moralischen, politischen oder anderweitigen nicht (mindestens mittelbar) wirtschaftlichen Regeln begründen keine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 StGB. Eine untreueerhebliche Pflichtverletzung ist allein unter dem Gesichtspunkt der materiellen treugeberischen Vermögensinteressen sowie der prinzipiellen Erwartbarkeit von Vermögensschädigungen zu beurteilen. Eine darüber hinausgehende Instrumentierung des § 266 StGB für externe Regelungsziele scheitert an seiner funk-

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F. Ergebnis

tionalen Schutzrichtung. Bedeutung für die Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 266 StGB erlangen Verletzungen einer spezifischen Systemlogik außerhalb des Wirtschaftssystems nur dann, wenn sie ein materielles Indiz besitzen, das auf das Wirtschaftssystem dergestalt zurückverweist, dass prinzipiell eine Vermögensbeeinträchtigung zu erwarten ist. – Die Pflichtwidrigkeit einer Risikoentscheidung bestimmt sich materiell anhand der Gewinn-Wahrscheinlichkeit, nicht anhand des Erwartungswertes (als Maßstab für die wahrscheinliche Gewinnhöhe). Materielle Mindestanforderung an ein Handeln im Rahmen riskanter unternehmerischer Geschäfte ist, ob bei wirtschaftlich vernünftiger, alle bekannten äußeren Umstände berücksichtigender Gesamtbetrachtung die Aussicht auf Gewinnzuwachs wahrscheinlicher ist als Gefahr eines Verlustgeschäftes. Dadurch wird einem Vermögenserhaltungsgebot genügt, welches Ausdruck des funktionalen Kriteriums untreueerheblicher Pflichtverletzungen ist. Bei Unbestimmtheiten und Unwägbarkeiten bei der Feststellung einer Schadenserwartung kann wirtschaftlich Handelnden letztlich nur ein formeller Sorgfaltsverstoß mit prinzipiellem materiellem Indiz zum Vorwurf gemacht werden. Ist eine prinzipielle Schadenserwartung nicht gegeben und eine Gewinn-/Verlustwahrscheinlichkeit einer Risikohandlung nicht hinreichend darstellbar, entspricht diese aber den formalen Sorgfaltsanforderungen, so ist im Zweifel keine Pflichtwidrigkeit gegeben. – Jedes rechts- oder sittenwidrige Geschäft eines Treupflichtigen ist pflichtwidrig, welches nach Maßgabe der Rechtsordnung typischerweise mit Sanktions- und ähnlichen Folgekosten („Deliktsbegehungskosten“) verbunden ist, die das gewonnene Vermögensplus übersteigen. Ungeachtet der Entdeckungs- und Sanktionswahrscheinlichkeit liegt aus normativen und wirtschaftlichen Gründen eine prinzipielle Schadenserwartung vor. Keine prinzipielle Schadenserwartung besteht hingegen bei rechts- oder sittenwidrigem Handeln ohne Nachteilspotential. – Rechtswidrigen Vermögensvorenthaltungen und -verschleierungen eines offenlegungs- und buchführungspflichtigen Vermögensbetreuungspflichtigen, beispielsweise durch die Bildung und Haltung „schwarzer Kassen“, haftet – soweit eine treugeberische Billigung nicht vorliegt – eine prinzipielle Schadenserzeugungslogik, d.h. eine abstrakte Vermögensgefährdung an. Grundsätzlich sind daher „schwarze Kassen“ pflichtwidrig. Im „Siemens-Korruptionsfall“ ist die Annahme einer Pflichtwidrigkeit jedoch insbesondere aufgrund „struktureller Billigung“ problematisch.

I. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse

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• Unbegrenzte Dispositionsmacht des wirtschaftlichen Vermögensinhabers – Die Dispositionsfreiheit des wirtschaftlichen Vermögensinhabers ist auch aus funktionaler Sicht heraus untreuestrafrechtlich unbegrenzt. Insbesondere die Kapitalerhaltungsvorschriften (wie § 30 GmbHG oder §§ 57 ff. AktG) stellen keine Beschränkung jener Freiheit dar. Ein wirksames autonomes Einverständnis in eine Handlung des Treupflichtigen schließt eine untreueerhebliche Pflichtverletzung aus. • Funktionale Restriktion des Tatbestandsmerkmals „Vermögensnachteil“ – Eine systemadäquate Anwendung des Untreueprogramms ist bei Anwendung des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs gegeben, der sich der äußeren Faktizität und Dynamik nicht verschließt und gleichzeitig strafrechtliche Binnenkohärenz wahrt. – Wendet man die Kriterien der Lehre von der objektiven Zurechnung auf § 266 StGB an, so erwachsen insbesondere aus dem Unmittelbarkeits- sowie dem Pflichtwidrigkeitszusammenhang Eckpfeiler für eine restriktive Anwendung des Untreuestrafrechts. Der Unmittelbarkeitszusammenhang besagt im Falle des § 266 StGB, dass der Vermögensschaden unmittelbar durch die Pflichtverletzung herbeigeführt worden sein muss, d.h. nicht Folge einer anderweitigen selbstständigen Handlung ist – Bei der Schadensbestimmung wird grundsätzlich eine Einzelbetrachtung vorgenommen, bei der die unmittelbar aus der ungetreuen Einzelhandlung erwachsenden Nachteile und kompensationsfähigen Vorteile verrechnet werden (Grundsatz der Gesamtsaldierung). Es ist kein Vermögensnachteil gegeben, wenn im Rahmen eines wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans trotz kurzfristiger Vermögensverluste ein Handlungsbündel derart auf einen einheitlichen Erfolg angelegt ist, dass dieser nicht anders als über das verlustreiche Durchgangsstadium erreichbar ist. Der „wirtschaftlich vernünftige Gesamtplan“ im Rahmen der Gesamtsaldierung ist Maßstab einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung innerhalb einer juristischen Einzelbetrachtung (Unmittelbarkeit, Tatvollendungszeitpunkt). – Subjektivierungen auf der Schadensebene, wie die Lehre vom subjektiven Schadenseinschlag, sind abzulehnen. Ihre Bestimmung geht mit Unsicherheiten und wertungsabhängigen Vagheiten einher und konfligiert mangels Rechtssicherheit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG). Die Ablehnung einer Subjektivierung ist auch durch die funktionale Betrachtung der Schadensebene vor dem Hintergrund intersystemischer Ra-

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tionalität von Recht und Wirtschaft sowie aufgrund funktionaler Betrachtung des Verhältnisses von „Vermögensschaden“ und „Pflichtverletzung“ begründbar. Die Subjektivierung der vermögensbegrifflichen Dimension des objektivtatbestandlichen Schadensmerkmals stellt eine dogmatisch und funktional inadäquate Transformierung des § 266 StGB als Norm zum Schutz von (wirtschaftlich nicht werthaltiger) Dispositionsfreiheit und damit eine abzulehnende qualitative Extensivierung des Vermögensstrafrechts dar. • „Liquidierbarkeitsthese“ – Ungeachtet einer Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung liegt aus normativen funktionalen Gründen ein Vermögensschaden vor, wenn es an einer prinzipiellen Wiedererlangbarkeit der ursprünglichen und pflichtwidrig „unterschlagenen“ Zahlungsfähigkeit zum Zeitpunkt des Gegenleistungserwerbs mangelt („Liquidierbarkeitsthese“). Die Liquidierbarkeitsthese schränkt die Wirkung der Lehre vom subjektiven Schadenseinschlag ein und ist gleichzeitig, insoweit sie zu vergleichbaren Ergebnissen führt, durch ihr objektives Prinzip dogmatisch begründbar und praktisch anwendbar. Dabei geht es nicht um die Frage, ob der Vermögensinhaber die geldwerte Gegenleistung konkret zum selben Geldwert weiterveräußern könnte, d.h. weder um fingierte konkrete Verkaufsoptionen zum Erwerbszeitpunkt noch um konkrete Wiederverkaufsoptionen in der Zukunft, sondern ob der Gegenleistung ein eingesetzter Geldwert in dem Sinne anhaftet, dass dieser prinzipiell liquidierbar ist, d.h. ob die eingesetzte Leistung zum Tatvollendungszeitpunkt liquidierungsfähig ist. • Haushaltsuntreue – Ein „Sonder-Untreuestrafrecht“ in Form der „Haushaltsuntreue“ ist abzulehnen. Eine Schadensannahme trotz wirtschaftlicher Äquivalenz aufgrund materieller Zweckwidrigkeit ist unbegründet, da sie den Schutz von „Dispositionsfreiheit“ dem Schutz eines wirtschaftlichen Vermögensguts gleichsetzt und eine rechtsdogmatisch unzulässige Vermengung von „Pflichtverletzung“ und „Vermögensschaden“ begeht, indem sie den funktionalen, ökonomisierten Rahmen des Untreuestraftatbestands zum Zwecke einer Ausweitung auf den Schutz kontingenter politischer Gestaltungsmacht sprengt. Die typischen Fälle einer zweckwidrigen Mittelverwendung lassen sich jedoch bereits bei konsequenter Anwendung des Gesamtsaldierungsprinzips sowie der normativen Berücksichtigung prinzipieller Liquidierbarkeit als Untreue im Sinne des § 266 StGB darstellen.

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• Schadensgleiche Vermögensgefährdung – Eine Vermögensgefährdung ist nur dann eine konkrete schadensgleiche Vermögensgefährdung, wenn die Gefahr unmittelbar zu einem effektiven Vermögensverlust führen kann, d.h. „wenn sie unmittelbar in den endgültigen Schaden übergehen kann“, also nicht mehr weiterer eigenmächtiger Handlungen des Täters, Opfers oder anderer bedarf, um in eine effektive Vermögensminderung umzuschlagen. Ein Schaden in der Form einer schadensgleichen Vermögensgefährdung liegt vor, wenn ein wirtschaftlicher Negativsaldo vorliegt (wirtschaftssystemische Zurechenbarkeit), welcher eine intrinsische Kompensationsmöglichkeit beinhaltet, und die Endgültigkeit der Schadensentwicklung außerhalb personaler Entscheidbarkeit liegt (personale Zurechenbarkeit, Unmittelbarkeitszusammenhang). – Es ist auf zwei Stufen zu prüfen, ob eine Vermögensgefährdung schadensgleich im Sinne des § 266 StGB ist: 1. Zunächst ist zu prüfen, ob die Saldierung aller unmittelbar auf der Pflichtverletzung beruhenden Vor- und Nachteile zu einem negativen wirtschaftlichen Saldo führt und ob die Schadensentwicklung noch unabgeschlossen ist, weil im Saldierungsurteil eine immanente Wahrscheinlichkeit vorliegt, welche eine Effektivierung des Schadens verhindern kann. Eine Vermögensgefährdung, die lediglich eine abstrakte Gefährdung ist, aber nicht als wirtschaftlicher Minderwert auszudrücken ist, kann zwar eine Pflichtverletzung sein, stellt aber mangels systemischer Zurechenbarkeit keine schadensgleiche Vermögensgefährdung dar. Nur entfernte Möglichkeiten des Verlustes eines Vermögensgutes scheiden als schadensgleiche Vermögensgefährdungen aus. 2. Danach ist zu prüfen, ob die Effektivierung des Schadens (und auf der Kehrseite die Realisierung der intrinsischen Kompensationsmöglichkeit) von weiterem personalem Dazutun (d.h. von selbstständiger eigenverantwortlicher Handlung) unabhängig ist. Ohne eine personale Zurechenbarkeit scheidet eine Gleichsetzung von Vermögensgefährdung und Schaden aus rechtlichen Gründen aus. Selbst wenn also ein für die Schadensrealisierung erforderliches eigenverantwortliches Sekundärverhalten derart wahrscheinlich wäre, dass es rein wirtschaftlich betrachtet werthaltig wäre, so bliebe dies doch aufgrund des rechtlich nicht gegebenen Unmittelbarkeitszusammenhangs außer Betracht. – Es zeigt sich anhand zahlreicher Fallbeispiele, dass in wesentlichen Fallkonstellationen im Zusammenhang mit Vermögensgefährdungen bei der Beurteilung eines Schadens im Sinne des § 266 StGB zum Einen die wirtschaftliche Negativbewertung nicht mit der ökonomisch gebotenen Differenziertheit vorgenommen wird und zum Anderen der Unmittelbar-

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keitszusammenhang zwischen Gefährdung und Schadenseffektivierung unberücksichtigt bleibt. Es besteht die Gefahr, dass mit Hilfe des Instituts der schadensgleichen Vermögensgefährdung fälschlicherweise „abstrakte Vermögensgefahren“ sanktioniert werden. • Schadensgleiche Vermögensgefährdungen durch Risikogeschäfte – Bei Risikogeschäften ist eine schadensgleiche Vermögensgefährdung schon dann gegeben, wenn der Erwartungswert des Risikogeschäfts offensichtlich geringer ist als der Einsatz, d.h. wenn die Chance (Gegenleistung) ihren Einsatz nicht wert ist (Differenzschaden) und die Realisierung oder Nichtrealisierung der intrinsischen Kompensationsmöglichkeit von weiterem personalen Verhalten unabhängig ist. Das pflichtwidrige Investieren von betreutem Vermögen in staatliches Lotto ist eine schadensgleiche Vermögensgefährdung, weil insbesondere wegen der Glückspielsteuern die Einnahmen nicht wieder vollständig ausgeschüttet werden und darum der Erwartungswert immer kleiner als der Einsatz ist. – Eine schadensgleiche Vermögensgefährdung liegt im Falle eines Risikogeschäfts trotz über dem Einsatz liegenden Erwartungswerts aber auch dann vor, wenn ein Verlustgeschäft wahrscheinlicher als ein Gewinngeschäft ist. Analog zu den Ausführungen zur Liquidierbarkeit birgt eine geldwerte Gegenleistung in Form eines zu erwartenden Gewinns nur dann einen ungeminderten Wert ihres Geldwertes, wenn die erkaufte Realisierbarkeit nicht prinzipiell unwahrscheinlich ist. Besteht kein quantifizierbarer Nachweis einer Verlustwahrscheinlichkeit, so kann aufgrund des Grundsatzes „in dubio pro reo“ und vor dem Hintergrund verfassungsrechtlich gebotener Bestimmtheit kein Schaden angenommen werden. • Schadensgleiche Vermögensgefährdung durch Schwarze Kassen – Aus der Möglichkeit zur Schädigung (Schädigungspotential) aufgrund entzogener Dispositionsmacht kann nicht ohne Weiteres auf einen Schadensposten (im Sinne eines Gefährdungsschadens) geschlossen werden, weil sonst jedes Vermögensbetreuungsverhältnis einen Untreueverdacht aufwürfe. Im Gegensatz zum Selbstverbrauch von anvertrautem Kapital ist die Umschichtung von Kapital auf Sonderkonten schon gar nicht endgültig. Vielmehr besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass es sich bei „schwarzen Kassen“ um wirtschaftlich sinnvolle und vorteilhafte Dispositionsfonds handelt. Die wirtschaftliche Bewertung einer „schwarzen Kasse“ muss anhand der materiellen Zwecklogik erfolgen. Darunter versteht man in Abgrenzung zu lediglich subjektiven Absichten objektivwirtschaftlich nachvollziehbare Intentionen, die im konkreten Fall der

I. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse

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ökonomischen Vorteil- oder Nachteilhaftigkeit der „schwarzen Kasse“ Ausdruck verleihen. Unter Anderem eine tradierte, erfolgreiche Etablierung teiltransparanter Schattenkassen-Systeme in Unternehmen sowie objektiv-wirtschaftlich nachvollziehbare Intentionen, die sich eventuell als system-logisches Prozessziel aus konkret geplanten Korruptionsgeschäften ergeben, müssen – wie es im „Siemens-Fall“ seitens der Rechtsprechung nicht hinreichend getan wurde – bei der wirtschaftlichen Bewertung einer „schwarzen Kasse“ berücksichtigt werden und sprechen gegen eine wirtschaftliche Nachteilhaftigkeit. Neben einem im Einzelfall vorliegenden wirtschaftlichen Minderwert mit intrinsischer Kompensationsmöglichkeit, muss, um einen Gefährdungsschaden zu begründen, schließlich auch die Unmittelbarkeit einer Schadenseffektivierung nachgewiesen werden. • Submissionsuntreue – In einer aus der Herausgabe von Bieterlisten resultierenden Gefahr einer Kartellbildung liegt, wirtschaftlich betrachtet, nicht ohne Weiteres eine derart verdichtete Vermögensgefährdung, sodass von einer schadensgleichen Vermögensgefährdung gesprochen werden kann. Der wirtschaftliche Negativsaldo, d.h. der „valide Anknüpfungspunkt“, ist nicht ohne Weiteres gegeben. Darüberhinaus mangelt es jedenfalls, soweit man einen wirtschaftlichen Negativsaldo feststellt, an dem Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen Vermögensgefährdung und Schadensrealisierung. • Kompensation durch Vermögensvorteile im Rahmen der Gesamtsaldierung – Ein Vermögensschaden tritt nicht ein, wenn unmittelbar mit der Tathandlung ein einen negativen Vermögenssaldo kompensierender Vermögensvorteil einhergeht. – Unter kompensierende Vermögensvorteile fallen auch vorteilsgleiche Vermögenschancen (faktische Exspektanzen). Vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs sind Vermögens(zuwachs)chancen insoweit saldierungsfähig, als die Exspektanz im Sinne einer gesicherten Aussicht derart konkretisiert ist, dass ihr – im Gegensatz zu einer bloß vagen Hoffnung auf eine künftige Erwerbsmöglichkeit – der Wirtschaftsverkehr schon für die Gegenwart wirtschaftlichen Wert beimisst. Die vermögenswerte Exspektanz (vorteilsgleiche Vermögenszuwachschance) ist das Spiegelbild zur schadensgleichen Vermögensgefährdung. Der Unterschied ist lediglich, dass bei einer vorteilsgleichen Vermögenschance die wirtschaftliche Gesamtbewertung des Chance-Risiko-Verhältnisses positiv,

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F. Ergebnis

bei der schadensgleichen Vermögensgefährdung negativ ist. Eine vorteilsgleiche Vermögenschance birgt immer die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Chance nicht verwirklicht, sondern der Verlust eintritt (Wahrscheinlichkeit der Kompensationsgefährdung). – Bei Kreditvergaben gilt, dass, solange trotz eines Negativsaldos eine Kompensation (durch eine nicht ganz unwahrscheinliche Realisierung eines kompensierenden Darlehensrückzahlungsanspruches oder stattdessen einer kompensierenden Sicherheitsverwertung) nicht gänzlich ausgeschlossen ist, begrifflich eine schadensgleiche Vermögensgefährdung und noch kein effektiver Schaden vorliegen kann. • Immaterielle Unternehmensvorteile – Wirtschaftliche Handlungen können eine Vielzahl von denkbaren Vorteilen für den Treugeber hervorrufen. Dabei werden unternehmerische Vorteile im Zusammenhang mit der Marktstellung, mit Marketing und Reputation, mit der Kapitalakquise sowie mit der Produktivität des Personals in einigen Fällen von der Rechtssprechung nicht oder nicht hinreichend im Zuge der erforderlichen Gesamtsaldierung berücksichtigt. Die Problematik einer nicht einfach oder kaum möglichen Quantifizierbarkeit der beschriebenen Vorteile kann im Rahmen eines wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriffs kein hinreichender Grund dafür sein eine Nichtkompensation zu unterstellen. Vielmehr muss der Versuch unternommen werden der wirtschaftlichen Komplexität gerecht zu werden und im Einzelfall alle denkbaren Vorteile sachgerecht zu ermitteln. Die Einschätzungsprärogative für wirtschaftlich sinnvolles Handeln kann im Rahmen eines wirtschaftsadäquaten Vermögens- und Schadensbegriffs nicht einfach strafjustiziell übernommen werden. – Im Falle von Bestechungszahlungen ist die Frage entscheidend, ob diese nach Maßgabe wirtschaftlicher Logik Unternehmensvorteile generieren können, die im Rahmen der Gesamtsaldierung verrechenbar sind. – Auch Sonderboni und andere Sondergehälter können geldwerte Unternehmensvorteile darstellen. Ob im Einzelfall des „Mannesmann-Verfahrens“ ein Vorteilsüberschuss zu bejahen ist, konnte vorliegend nicht hinreichend belegt werden. Festzustellen ist jedoch, dass nur eine umfassende Berücksichtigung wirtschaftsadäquater Saldierungsposten der ökonomischen Komplexität im Rahmen von unternehmerischen Ermessensentscheidungen gerecht werden kann. Eine apriorische Verknüpfung von Nachträglichkeit einer Anerkennungsprämie bei vertraglich geschuldeter Leistung und Kompensationslosigkeit entspricht nicht einer sachgerechten Beurteilung von abstrakter Schadenserzeugungslogik (Pflichtwidrigkeit) und

I. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse

405

auch nicht der mit ihr verknüpften wirtschaftlich hinreichend adäquaten Schadensbestimmung. – Die systematische Beeinflussung individuellen, d.h. von eigenen Präferenzen geleiteten Verhaltens von Entscheidungsträgern und Mitarbeitern in Unternehmen kann durch Setzung von Anreizen auf ein Handeln im Unternehmensinteresse gelenkt werden. Vorteile einer solchen „Klimapflege“ (z. B. Sonderaufwendungen für den Betriebsrat) mangeln zwar an einer exakten Quantifizierbarkeit, was jedoch nicht dazu führen darf, dass sie in ihrer kompensatorischen Bedeutung im Rahmen der Gesamtsaldierung (so etwa im Zusammenhang mit der „VW-Affäre“) gänzlich ignoriert oder nicht hinreichend berücksichtigt werden. • „Quasi-Geldwert“-Hypothese – Nicht hinreichend quantifizierbare immaterielle Unternehmensvorteile mit Materialisierungspotential, wie Verbesserungen von Mitarbeitermotivation, Marktstellung, Reputation, Know-How etc., stellen Vorteile dar, die im Rahmen der Gesamtsaldierung zu berücksichtigen sind. Da die Gesamtsaldierung dem Prinzip von Adäquanz von Leistung und Gegenleistung folgt, um wirtschaftliche Komplexität juridifizierbar zu verarbeiten, bedarf es einer zum Marktwert funktional-äquivalenten Wertbestimmung dieser Vorteile, um eine Verrechenbarkeit zu ermöglichen. Vorzuschlagen ist im Falle nicht hinreichender Quantifizierbarkeit von werthaltigen Vorteilen die für eine Saldierung erforderliche Bewertung anhand von Vergleichen vorzunehmen und den Wert des immateriellen Vorteilspostens daran zu bemessen, wie viel ein anderes vergleichbares Unternehmen typischerweise bereit wäre für eine vergleichbare Gegenleistung zu zahlen. Die Orientierung am Quasi-Geldwert rekonstruiert den „wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplan“ des konkret zu betrachtenden Unternehmens durch den Maßstab der Marktüblichkeit. Es ist ein Versuch immaterielle Werte über marktorientierte Vergleichsgrößen in ihrem Wertgehalt zu verobjektivieren, um sie mit einem geldwerten quantifizierbaren Vermögensvorteil gleichzustellen. • Vermögensvorteil und Unmittelbarkeitsprinzip – Nachteilskompensierend ist die Gesamtheit aller aus der Pflichtwidrigkeit unmittelbar resultierender im Rahmen von wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplänen vorteilsbringender wertbestimmender Faktoren zum Tatvollendungszeitpunkt. Ein zufälliger oder nachträglicher Schadensausgleich (insbesondere das Bereithalten liquider Mittel) sowie Schadensersatz- oder Gewährleistungsansprüche des Vermögensinhabers im Falle

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F. Ergebnis

eines pflichtwidrigen Geschäfts genügen dem Unmittelbarkeitserfordernis nicht. – Erworbene Vorteile können mit Kompensationsgefährdungspotentialen einhergehen (vorteilsgleiche Vermögenschancen), so wie wirtschaftliche Nachteile auch mit Kompensationswahrscheinlichkeiten einhergehen können (schadensgleiche Vermögensgefährdungen). Die Unterscheidung von schadensgleicher Vermögensgefährdung und vorteilsgleicher Vermögenschance gewinnt besondere Bedeutung bei der Frage, ob der Unmittelbarkeitszusammenhang von Vermögensgefährdung und Schadenseffektivierung auch im Zusammenhang von Chance und Vorteilsrealisierung Geltung beanspruchen kann. Das ist zu verneinen. Im Falle von unmittelbar auf der Pflichtverletzung beruhenden Vorteilschancen, findet das Unmittelbarkeitsprinzip nicht auch im Zusammenhang zwischen Chance und Realisierung Anwendung. Das Erfordernis einer doppelten Unmittelbarkeit bleibt schadensgleichen Vermögensgefährdung vorbehalten. – Eine Gefährdung von Vermögensvorteilen durch Verhalten mit Nachteilspotential (Kompensationsgefährdung), d.h. wirtschaftlich negativ zu bewertende Gefahren einer ausbleibenden Kompensation, wie z. B. staatliche Straf- oder Bußgeldansprüche oder die Zahlungsunwilligkeit bzw. -unfähigkeit müssen sich wiederum, da zuungunsten des Täters saldiert wird und eine Vergleichbarkeit mit einer schadensgleichen Vermögensgefährdung vorliegt, am Grundsatz der doppelten Unmittelbarkeit messen lassen.

II. Schlusswort Wirkungsprobleme im Zusammenhang mit dem Untreuestrafrecht gehen vornehmlich auf ein Anpassungsdefizit gegenüber dem Wirtschaftssystem im Rahmen eines durch § 266 StGB spezifisch verrechtlichten Modells der wirtschaftlichen Außenwelt zurück. Die aus diesem Defizit entspringende dogmatische Gestalt einer uferlosen „Generalklausel“ führt dazu, dass in einigen beschriebenen Fällen wirtschaftlich komplexe Sachverhalte einer Pönalisierung unterworfen werden, ohne zu berücksichtigen, dass diesen Sachverhalten eine ökonomische Logik innewohnt, die eine Pönalisierung gar nicht einfordert. Die Folge ist ein hypertropher Zugriff des Untreuestrafrechts auf die Wirtschaft, d.h. eine übersteigerte Kriminalisierung des Wirtschaftslebens (‚Kolonialisierung der Lebenswelt‘) mit wirtschaftlich und damit auch gesamtgesellschaftlich nachteiligem Folgenpotential. Im Mittelpunkt dieser Untersuchung stand daher die Frage, wie im Rahmen der Auslegung des unterbestimmten Untreuestraftatbestands eine Adä-

II. Schlusswort

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quanz zu seinem Anwendungsgegenstand, nämlich der Wirtschaft, hergestellt werden kann, ohne dabei die normativen Binnenregeln des Rechts zu verletzen und ohne eine weitere Anwendungsverkomplizierung durch ein kasuistisches Theorie- und Judikatsgeflecht zu bewirken. Zielsetzung war die Rückkehr zu einem vereinfachten Untreuestrafrecht, dessen Einfachheit nicht in Unterkomplexität oder Ignoranz besteht, sondern in intersystemischer Komplexitätsadäquanz, d.h. einer adäquaten prinzipiierten „Verarbeitung“ der Komplexität wirtschaftlicher Prozesse und Eigenlogiken. Die hier vorgeschlagene „Nachbestimmung“ des § 266 StGB anhand des funktionalen Wesenskerns wird einer Austarierung rechtlicher und wirtschaftlicher Systemlogiken gerecht, d.h. dem Umstand, „daß die Wirtschaft unter durch das Recht erschwerten Bedingungen Profite bzw. rentablen Kapitaleinsatz sucht und das Rechtssystem unter durch Wirtschaft erschwerten Bedingungen Gerechtigkeit oder doch hinreichend konsistente Fallentscheidungen“1225. Im Gegensatz zu einer Funktionalisierung des § 266 StGB als außerstrafrechtlicher Annex und erst recht als Annex einer außerrechtlichen Normativität ging es vorliegend um die Konturierung des Untreuestrafrechts mittels seiner autonom prinzipiierten und spezifizierten Funktionalität. Der Funktionalität als Ausgangspunkt einer wirtschaftadäquaten und restringierenden Konturierung des § 266 StGB werden insbesondere das funktionale Kriterium einer untreueerheblichen Pflichtenstellung, das funktionale Kritierium einer untreuerheblichen Pflichtverletzung sowie der Grundsatz einer umfassenden Gesamtsaldierung im Rahmen des wirtschaftlichen Vermögens- und Schadensbegriffs unter Berücksichtigung des „Unmittelbarkeitsprinzips“ gerecht. Die immer auf den individuellen Treupflichtigen, seine Privatautonomie und sein Vermögen zurückbezogene Schutzrichtung des § 266 StGB, sowie die Self-Restriction des Strafrechts in der Form der personalisierten Zurechnungsregeln (Unmittelbarkeitsgrundsatz) sind Gründe dafür, dass das Strafrecht, um seiner effizienten Anwendbarkeit und seiner Strukturerhaltung willen, nicht unbegrenzt geeignet ist als „Großsteuerung“ gesellschaftlicher Verläufe zu fungieren. Dabei wäre es aber auch schon ein Gewinn, wenn § 266 StGB konsequent als Wirtschaftsstrafrechtsnorm behandelt würde und Instrumentierungen für formale, nicht vermögensrelevante Zwecke und Rechtsgutsvertauschungen ausblieben. Die funktionale Interpretation redet nicht einer Ökonomisierung des Untreuestrafrechts im Sinne einer Fremdsteuerung das Wort, sondern unterbrei1225

Luhmann, Recht der Gesellschaft, S. 455.

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F. Ergebnis

tet einen Restriktionsvorschlag, der sich bei völligem normativen Strukturerhalt auf die Logik der Wirtschaft als Regelungsgegenstand bezieht. Recht, dass sich selbst und auch der Wirtschaft die Rolle eines funktionalen gesellschaftlichen Teilsystems zuschreibt, begegnet seinem Anwendungsgegenstand, dem Wirtschaftssystem, mit Verständnis für seine funktionale Autonomie und seine normative Eigenkomplexität, es begegnet ihm mit der nötigen Distanz und belässt ihm Freiräume, soweit die eigene Systemvernunft keine zwingende Intervention erfordert, und es ist derart in sich gefestigt und vorhersehbar, dass es die eigene Funktion zu erfüllen erlaubt.

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Sachwortverzeichnis Absprachen im Verfahren siehe Deal Adäquanz – Leistung und Gegenleistung 35, 353, 356 – Professionelle Adäquanz 121 – Recht und Wirtschaft 27, 62, 66, 78, 151, 227, 384 Aktiengesellschaft 25, 46–48, 119, 132, 136, 210, 214, 223–224, 238, 334, 347, 349 Aktienkurs siehe Börsenwert Aktienoptionen 336, 338 Aktionäre 210, 214, 223–224, 334 Akzessorietät 66, 87, 113, 218, 220, 340 Anerkennungsprämien siehe Sondervergütungen 405 Anfechtungs- und Widerrufsrechte 236, 370 Appreciation Awards siehe Sondervergütungen Aufsichtsrat 84, 119–120, 136, 214, 223, 339 Auslegung, funktionale 25, 35, 54, 57, 61–62, 67, 73, 93 Außenverhältnis 47, 81, 117, 119, 129, 244 Berliner Banken-Skandal 26, 197, 326 Bestechungszahlungen 25, 113, 122, 173, 176, 202, 207, 301, 330, 363, 388 Betriebsrat 345 BKK-Verfahren 339 Börsenwert 162, 243, 334, 343 Compliance-Regeln 172, 210 Corporate-Governance-Kodex siehe Compliance-Regeln

Corporate Reputation siehe Reputation Deal 69 Dispositionsfonds 300, 312 Dispositionsmacht 50, 54, 100, 207, 215, 299, 306 Einverständnis 54, 125, 156, 198, 209, 211, 215, 224, 385 Ermessen 93, 132, 160, 173, 183, 186 Exspektanz siehe Vermögenschance Funktionales Kriterium – untreueerhebliche Pflichtenstellungen 51, 93 – untreueerhebliche Pflichtverletzungen 128, 139, 143, 156 Funktionalismus 28, 62, 66 Gefährdungsschaden siehe Vermögensgefährdung Gesamtplan, wirtschaftlich vernünftiger 192, 198, 244, 267, 270, 359, 361, 364, 367, 384 Gesamtsaldierung, Prinzip der 232 Geschäftsführer 47, 84, 108, 117, 129, 145, 174–175, 191, 205, 222, 235, 266, 268, 320, 361 Gewährleistungsrechte siehe Schadensersatzansprüche Hauptversammlung siehe Aktionäre Haushaltsuntreue 24, 271 Irrtum 384

Sachwortverzeichnis Kapitalakquise 334 Kick-Back 122 Know-How 335 Koevolution siehe Rechtsevolution Komparabilitätshypothese siehe QuasiGeldwert Konzern 216 Korruption siehe Bestechungszahlungen Kreditvergabe 127, 169, 171, 194, 238, 325 Kundenakquise 329 Leistungsanreize 335–336, 338, 342, 349–350 Liquidierbarkeitsthese 257–258, 279, 285, 355 Lobbyarbeit 329, 333, 374 Lustreisen siehe VW-Affäre Mannesmann-Verfahren 23, 72–73, 134, 338 Marketing 184, 328, 331, 359, 361, 374, 382 Marktstellungsvorteile 327, 363, 374–375 Marktwert 240, 251, 260, 262, 264, 311, 313, 359, 405 Mietkautionen 102 Missbrauchstatbestand 81–82, 114 Moral Hazard siehe Principle-AgentModell Motivation siehe Leistungsanreize Ökonomische Analyse des Rechts 77–78 Parteispenden siehe Lobbyarbeit Personalakquise 338, 353 Pflichtverletzungen – durch Unterlassen siehe Unterlassen 146 – formelle 168, 176, 185, 272, 332 – untreueerhebliche siehe Funktionales Prinzip

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Pflichtwidrigkeitszusammenhang 238 Politisierung 277 Principle-Agent-Modell 37, 39, 54, 337 Produktivität siehe Leistungsanreize Professionelle Adäquanz siehe Adäquanz Provisionen siehe Kick-Back Quasi-Geldwert 359 Rechts- und sittenwidrige Rechtsgeschäfte 110, 163, 198 Rechtsdogmatik siehe Auslegung, funktionale Rechtsevolution 34, 64, 69, 75 Rechtssicherheit 67, 71, 73, 95, 190, 228, 232, 240, 249, 262, 284 Reputation 308, 328, 344, 357, 374 Risikogeschäfte 142, 183, 295, 365, 389 – Risikobegriff 180 – Risikomanagement 183 – Risikoschaden 297 Sanierungskredite 197, 326 Sanktionen 203, 379 – Übernahme von Sanktionen 348 Scalping 243 Schadensbegriff 228, 232, 246, 276, 278, 285 Schadensersatzansprüche 369, 377, 380 Schadensgleiche Vermögensgefährdung siehe Vermögensgefährdung Schwarze Kassen 24, 207, 299, 363 Shareholder-Value 138, 141, 334 Sicherungsverträge 100 Siemens-AUB-Affäre 345, 348 Siemens-Korruptionsaffäre siehe Schwarze Kassen Sittenwidrigkeit siehe Rechts- und sittenwidrige Rechtsgeschäfte

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Sachwortverzeichnis

Sondervergütungen 23, 72, 119, 336, 354 Sorgfaltspflichtverletzungen siehe Pflichtverletzungen, formelle Sponsoring 331 Stammkapitalerhaltungsgrundsatz 215 Stiftung 46–47, 84, 146, 166, 239 Strukturelle Kopplung 34, 50, 61, 205, 242, 254, 277, 357 Submissionsuntreue 309 Systemtheorie 29, 36, 66, 79, 161, 221, 277, 284 Tatvollendungszeitpunkt 232, 234, 245, 268, 292, 295, 372 Teilnahme 119, 122, 126 Treubruchtatbestand 86 Treueverhältnis, faktisches 106 Unmittelbarkeitszusammenhang 237, 292, 298, 312, 318, 367, 374, 378 Unordentliche Buchführung 307 Unterlassen 97, 106, 119, 124, 142, 146, 153, 158, 197, 307–308, 332 Unternehmensspenden siehe Sponsoring

Vermögensbegriff 110, 226, 232, 252, 258 Vermögenschance, vorteilsgleiche 319, 324, 352, 355, 365, 374 Vermögensgefährdung, schadensgleiche 285, 386 Vermögensmehrung, optimale siehe Unterlassen Versuchsstrafbarkeit 390 Vertrauensschutz 36 – Systemvertrauen 40, 43, 49, 54, 97 Vorsatz 154, 383 Vorstand 23, 48, 84, 108, 349 Vorstandsvergütungen, überhöhte siehe Sondervergütungen Vorteilsgleiche Vermögenschance siehe Vermögenschance VW-Affäre 345 Widerrufsrechte siehe Anfechtungs- und Widerrufsrechte Wirtschaftlich vernünftiger Gesamtplan siehe Gesamtplan Wirtschaftsstrafrecht 58 Zivilrechtsakzessorietät siehe Akzessorietät