Untersuchungen zur Grammatik der Adjunkte [Reprint 2013 ed.] 9783110817225, 9783110145946


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German Pages 281 [284] Year 1997

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Table of contents :
Vorwort
1. Die Grundlagen des Adjunktproblems
1.1 Einleitung
1.2 Ein kurzer begriffsgeschichtlicher Überblick
1.3 Probleme der Explikation des Adjunktbegriffs in einer Theorie der Grammatik
1.4 Zusammenfassung
1.5 Zum Aufbau der Arbeit
2. Einige theoretische Voraussetzungen des Adjunktproblems
2.1 Einleitung
2.2 Die X¯-Theorie
2.3 Die θ-Theorie
2.4 Probleme der Adjunktrepräsentation im Rahmen der θ- und der X¯-Theorie
2.5 Ereignistheoretische Lizensierungsaspekte
2.6 Zusammenfassung
3. Bemerkungen zum Transformations- und Bindungsverhalten von Adjunkten
3.1 Einleitung
3.2 Der rektionstheoretische Status von Adjunkten und Adjunktspuren und das Problem der Ebenen
3.3 Probleme der D-Struktur in GB
3.4 Zusammenfassung
4. Die Prominenztheorie der Prädikat-Argument-Struktur
4.1 Einleitung
4.2 Die hierarchische Organisation der A-Struktur
4.3 Die Argumentstruktur von Nominalisierungen
4.4 Die Argumentstruktur von Passiven und Nominalen
4.5 Zusammenfassung
5. Direktionalität der Lizensierung
5.1 Einleitung
5.2 Haiders Theorie der Strukturlinearisierung
5.3 Lizensierungsrichtung und die Positionierung von Adverbien
5.4 Zusammenfassung
6. Instrumentalphrasen, Benefaktive und „freie Dative“ – Argumente oder Adjunkte?
6.1 Einleitung
6.2 Abgrenzungsprobleme bei Instrumentalphrasen
6.3 Instrumentalphrasen in der Prinzipien- und Parameter-Theorie
6.4 Lizensierung von Instrumentalangaben
6.5 Benefaktive Phrasen und das Problem der „freien Dative“
6.6 Zusammenfassung
7. Eine syntaktische und semantische Analyse von Phrasen mit „als“
7.1 Einleitung
7.2 Appositionen als Beispiele fur optionale Nominalerweiterungen
7.3 Die syntaktische und semantische Analyse von Phrasen mit „als“ im Deutschen
7.4 Die „als“-Phrase als Satellit des Indefinitpronomens „man“
7.5 „Als“-Phrasen als Satelliten von Nominalisierungen
7.6 Zusammenfassung
8. Parenthesen als Adjunkte? - Vorüberlegungen zur Syntax und Semantik von Satzeinschüben
8.1 Einleitung
8.2 Der satzgrammatische Status sententieller Parenthesen
8.3 Das Problem des formalen Zusammenhangs von Trägersatz und parenthetischem Einschub
8.4 Zusammenfassung
9. Schlußbemerkungen
Bibliographie
Autorenregister
Sachregister
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Untersuchungen zur Grammatik der Adjunkte [Reprint 2013 ed.]
 9783110817225, 9783110145946

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Frank Beckmann Untersuchungen zur Grammatik der Adjunkte

W G DE

Studia Linguistica Germanica

Herausgegeben von Stefan Sonderegger und Oskar Reichmann

44

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1997

Frank Beckmann

Untersuchungen zur Grammatik der Adj unkte

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1997

® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Beckmann, Frank: Untersuchungen zur Grammatik der Adjunkte / Frank Beckmann. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1997 (Studia linguistica Germanica ; 44) Zugl.: Bochum, Univ., Diss., 1994 u. d.T.: Beckmann, Frank: Einige Adjunkte im Deutschen ISBN 3-11-014594-4

© Copyright 1997 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer-GmbH, Berlin

Vorwort Das vorliegende Buch ist die für die Publikation überarbeitete Version meiner Doktorarbeit, die im Juni 1994 von der Fakultät für Philologie der Ruhr-Universität Bochum unter dem Titel „Einige Adjunkte im Deutschen. Vorüberlegungen zu einer Systematisierung des syntaktischen Verhaltens und der semantischen Lizensierungsbedingungen .freier Angaben' " als Dissertation im Fach Allgemeine Sprachwissenschaft angenommen wurde. Ich möchte an dieser Stelle ganz herzlich meinem Doktorvater und früheren Chef, Herrn Prof. Dr. Helmut Schnelle, für die über die vielen Jahre hinweg großzügig gewährte Betreuung und Förderung danken. Dieser Dank gilt auch meinem Zweitgutachter, Herrn Prof. Dr. Horst Singer, auf dessen persönlichen und fachlichen Rat ich mich seit Beginn meines Studiums stets verlassen konnte. Meinen Freunden Jörg Klinger und Thomas Stolz sei gedankt für die vielen Ermutigungen und ihre (überstrapazierte) Hilfsbereitschaft. Auch Martin Hoelter, Katharina Grewe, Claudia Kunze und Rainer Osswald haben immer eine Antwort auf die Frage „Wo soll das alles enden?" gehabt. Dank auch an meine „neuen" Kolleginnen, Stefanie Eschenlohr und Frauke Rieger. Frau Dr. Schöning vom Verlag de Gruyter habe ich nicht nur zu danken für ihre Bereitschaft, meine Arbeit verlegerisch zu betreuen, sondern auch für ihre große Geduld mit dem säumigen Autor. Meiner Familie gebührt besonderer Dank für ihre bedingungslose Hilfe und Verläßlichkeit in schwierigen Situationen. Ich widme diese Arbeit meiner Frau Elke und unserem Sohn Nicholas. Viel zuviel von meiner Aufmerksamkeit und Zeit haben sie mit der Arbeit an dieser Untersuchung teilen müssen. So bleibt mir an dieser Stelle nur, ihnen für die Liebe und die Zuversicht, die sie mir geben, zu danken.

Berlin, im Frühjahr 1997

Frank Beckmann

Inhaltsverzeichnis Vorwort

V

1.

Die Grundlagen des Adjunktproblems

1.1 1.2 1.3

Einleitung Ein kurzer begriffsgeschichtlicher Uberblick Probleme der Explikation des Adjunktbegriffs in einer Theorie der Grammatik Zusammenfassung Zum Aufbau der Arbeit

1.4 1.5 2.

Einige theoretische Voraussetzungen des Adjunktproblems

2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.2.1 2.2.2.2 2.2.2.3 2.2.3 2.3 2.4

Einleitung Die X-Theorie Einleitung . . . „ Die orthodoxe X-Theorie .. „ Elementare Grundlagen der X-Theorie Zur X-Theorie der funktionalen Projektionen Adjunktionskonfigurationen im orthodoxen X-Modell „Relativierte X-Theorie" Die 0-Theorie Probleme der Adjunktrepräsentation im Rahmen der Θ- und der X-Theorie Ereignistheoretische Lizensierungsaspekte Zusammenfassung

2.5 2.6

1 3 14 19 20

23 24 24 24 24 27 29 32 35 39 45 51

Vili

Inhaltsverzeichnis

3.

Bemerkungen zum Transformations- und Bindungsverhalten von Adjunkten

3.1 3.2

Einleitung Der rektionstheoretische Status von Adjunkten und Adjunktspuren und das Problem der Ebenen Einleitung Die Beschreibung des Transformationsverhaltens von Adjunkten im „Barrier"-Modell Subjekt-Objekt-Asymmetrien unter Extraktion Adjunktextraktion γ-Markierung und LF-Tilgung:

3.2.1 3.2.2 3.2.2.1 3.2.2.2 3.2.2.3

52 53 53 54 54 57

D i e T h e o r i e v o n LASNIK L· S A I T O ( 1 9 8 4 )

59

63 63 64 64

3.3.2.3

Probleme der D-Struktur in GB Einleitung „Argumentprobleme" in der D-Struktur Bindungstheoretische Grundlagen Bindungstheoretische Probleme bei "tough"-Konstruktionen Anti-Rekonstruktionseffekte und die Theorie von LEBEAUX (1991)

70

3.4

Zusammenfassung

75

4.

Die Prominenztheorie der Prädikat-Argument-Struktur

4.1 4.2 4.2.1 4.2.2

Einleitung Die hierarchische Organisation der A-Struktur Der Begriff der thematischen Prominenz Evidenz für „thematische Prominenz": Synthetische Komposition Der Begriff der aspektuellen Prominenz Die Definition des Konzepts „externes Argument" Die Argumentstruktur von Nominalisierungen Ambige Nominalklassen und ihre syntaktischen Eigenschaften Die lexikalische Repräsentation von Nominalen Ereignisvariablen und die Argumentstruktur von Nominalen #-Markierungseigenschaften von argumentselegierenden Nominalen Die Argumentstruktur von Passiven und Nominalen

3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.2.1 3.3.2.2

4.2.3 4.2.4 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.2.1 4.3.2.2 4.4

67

76 79 79 82 83 88 89 92 93 93 95 98

Inhaltsverzeichnis

4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.5

Argumentstruktur und die Lizensierung von "a-adjuncts" "-ing"-Nominalisierungen "Adjectival Passives" Der Begriff des „obligatorischen Adjunkts" Zusammenfassung

5.

Direktionalität der Lizensierung

5.1 5.2 5.2.1

Einleitung Haiders Theorie der Strukturlinearisierung Serialisierungsmöglichkeiten in der VP und die Relevanz von Bindungsdaten Verbbewegung zur Herstellung von Direktionalitätsuniformität L-Markierung in der Larson-VP vs. L-Markierung von Segmenten von Adjunktionskategorien Lizensierungsrichtung und die Positionierung von Adverbien Einleitung Ausgangsdaten Ein Reanalyse-Vorschlag zur Adverb-Plazierung Die Theorie von Johnson (1991) Zusammenfassung

5.2.2 5.2.3 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.4 6.

Instrumentalphrasen, Benefaktive und „freie Dative"Argumente oder Adjunkte?

6.1 6.2 6.3

Einleitung Abgrenzungsprobleme bei Instrumentalphrasen Instrumentalphrasen in der Prinzipien- und Parameter-Theorie Bindungstheorie und 0-Theorie im Falle der Instrumentalphrasen Syntaktische Inkorporierbarkeit von Instrumentalphrasen? Lizensierung von Instrumentalangaben Semantische Subklassen von Verben mit Instrumentalbegleitern Zur Agensabhängigkeit instrumentaler Modifikation Einleitung

6.3.1 6.3.2 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.2.1

IX

98 101 102 104 106

108 112 112 117 118 120 120 120 122 126 127

129 131 134 134 136 138 138 139 139

X

6.4.2.2 6.4.2.3 6.4.2.4 6.4.3 6.4.4 6.5 6.5.1 6.5.2 6.6

Inhaltsverzeichnis

Allgemeine Eigenschaften von Medialkonstruktionen Mittelkonstruktionen und das Problem instrumentaler Modifikation Instrumentalinkorporierende Verben? Gibt es eine Kontinuumsdeutung der Instrumentalität? . . . Affiziertheit und aspektuelle Dimension Benefaktive Phrasen und das Problem der „freien Dative" Einleitung Zum Verhältnis von Dativkonstruktionen und Dative Shift Zusammenfassung

7.

Eine syntaktische und semantische Analyse von Phrasen mit „als"

7.1 7.2

Einleitung Appositionen als Beispiele für optionale Nominalerweiterungen Einleitung Eine Typologie der Appositionen und kasustheoretische Probleme Die syntaktische und semantische Analyse von Phrasen mit „als" im Deutschen Erster Uberblick: Syntaktisches Stellungsverhalten und semantische Paraphrasierungsmöglichkeiten von Namen und Pronomen mit „als"-Satelliten Einleitung Adverbiale Deutungsmöglichkeiten „als"-Begleiter von Dativ- und Akkusativobjekten Präpositionalobjekte Situativangaben Exkurs: Obligatorische Phrasen mit „als" als Bestandteile komplexer Prädikatsphrasen Zwischenzusammenfassung: Das syntaktische Stellungsverhalten von „als"-Satelliten von Eigennamen und Pronomen Die „als"-Phrase als Satellit des Indefinitpronomens „man" „Als"-Phrasen als Satelliten von Nominalisierungen Einleitung

7.2.1 7.2.2 7.3 7.3.1

7.3.1.1 7.3.1.2 7.3.1.3 7.3.1.4 7.3.1.5 7.3.2 7.3.3

7.4 7.5 7.5.1

140 142 146 147 149 152 152 156 160

164 169 169 170 175

175 175 177 181 184 186 189

191 196 204 204

Inhaltsverzeichnis

7.5.2 7.5.3 7.5.4 7.6

Extraponierbarkeit und Extrahierbarkeit von Phrasen mit „als" Zum Problem der Kasusangleichung Zur adverbialen Deutungsmöglichkeit Zusammenfassung

8.

Parenthesen als Adjunkte? - Vorüberlegungen zur Syntax und Semantik von Satzeinschüben

8.1 8.2 8.2.1 8.2.2

8.3.3 8.3.4 8.4

Einleitung Der satzgrammatische Status sententieller Parenthesen . . . Parenthesen als „Vertextungstyp" Bindungstheoretische Zusammenhänge zwischen Trägersatz und parenthetischem Einschub Einleitung Bindungstheorie und hierarchische Diskursstruktur Bindungstheorie und parenthetische Einschiibe Das Problem des formalen Zusammenhangs von Trägersatz und parenthetischem Einschub Einleitung Eine erste Systematisierung möglicher Einschubstellen von Parenthesen (insbesondere in der DP) Einleitung Zum Problem der Verbzweitstellung „Parenthese-Nischen" innerhalb der DP: Barrierentheoretische Erwägungen Koordinationsstrukturen und Parenthesen Weitere Einschubstellen Zusammenfassung

9.

Schlußbemerkungen

8.2.2.1 8.2.2.2 8.2.2.3 8.3 8.3.1 8.3.2 8.3.2.1 8.3.2.2 8.3.2.3

Bibliographie Autorenregister Sachregister

XI

207 211 212 213

215 216 216 219 219 220 222 227 227 232 232 233 235 238 240 241 243 252 265 267

Kapitel 1 Die Grundlagen des Adjunktproblems 1.1

Einleitung

Das Hauptanliegen dieser Arbeit ist es, Überlegungen zur Systematisierung eines sehr unübersichtlichen Bereichs der Grammatik anzustellen: Es geht um den Versuch, einige Aspekte des syntaktischen Verhaltens und der semantischen Lizensierung „freier Angaben" - sie werden in der durch die angelsächsische Literatur geprägten Grammatiktheorie heute meist als „Adjunkte" bezeichnet - anhand prototypischer Beispiele zu beschreiben und aufzuzeigen, welche unterschiedlichen Dimensionen diese „Adjunktproblematik" bei genauerer Betrachtung aufweist. Der technische Begriff der „Lizensierung", der in seiner syntaktischen Deutung von der Annahme ausgeht, daß das Vorkommen und die kategoriale Spezifikation von Elementen in wohlgeformten syntaktischen Strukturbeschreibungen strikten Beschränkungen gehorcht, deutet dabei an, welcher grammatische Modellrahmen als Orientierungsmarke fungiert. Das syntaktische Beschreibungsinstrumentarium, das wir in erster Linie zugrundelegen, ist die Theorie der „Prinzipien und Parameter" (PPT), und zwar weitestgehend in der Modellvariante der Rektions- und Bindungstheorie ( C H O M S K Y (1981, 1986a,b)). 1 Die P P T der Syntax geht von der Grundüberzeugung aus, daß die Grammatiken natürlicher Sprachen nicht im Rahmen von einzelsprachlich ausgerichteten Regelsystemen zu rekonstruieren sind, sondern als "a set of specifications for parameters in an invariant system of principles of Universal Grammar" ( C H O M S K Y 1991:417). Die traditionellen grammatischen Konstruktionen betrachtet C H O M S K Y in dieserii Sinne als „taxonomische Epiphänomene", deren Eigenschaften sich aus der Interaktion 1

Für einen forschungsnahen Uberblick über die P P T mit einem Ausblick auf die a k t u e l l e n E n t w i c k l u n g e n vgl. d e n H a n d b u c h b e i t r a g v o n CHOMSKY & LASNIK

(1993), für eine Darstellung der zentralen Theoriemodule mit Berücksichtigung des „minimalistischen Programms" (s.u.) siehe WEBELHUTH (1995).

2

Kapitel 1

dieser parametrisierten Prinzipien ergeben. Der lexikalischen Struktur verstanden als Theorie der Argumentstruktur - kommt dabei eine besondere Rolle zu, denn es wird davon ausgegangen, daß die Satzstruktur in ihren wesentlichen Eigenschaften durch die Eigenschaften der im Satz auftretenden lexikalischen Elemente determiniert ist (vgl. das „Prinzip der lexikalischen Strukturbestimmung", s.u.). Für die Theorie der Prinzipien und Parameter - wie auch das seit einiger Zeit zunehmend wichtige „Minimalistische Programm der Linguistischen Theorie" (MPLT; vgl. CHOMSKY (1993)) - ist, wie zu zeigen sein wird, das sich daraus ergebende „Adjunktproblem" besonders schwer zu handhaben: Adjunkte sind nicht durch die argumentstrukturellen Forderungen des Kernprädikators des Satzes (das Verb) festgelegt. Die Hauptschwierigkeit ergibt sich meiner Uberzeugung nach aus zwei Faktoren: Die Rolle der Semantik wird in der P P T vergleichsweise stiefmütterlich behandelt 2 , und bei gleichzeitiger Betonung der Bedeutung der lexikalischen Argumentstruktur für die syntaktische Strukturbildung wird das Problem der lexikalischen Fundierung der Distinktion von optionaler vs. obligatorischer Komplementation nur sehr unzureichend thematisiert. So wird selbst in grundlegenden Handbuchbeiträgen zur Lexikonkonzeption der generativen Grammatik die Frage der Optionalität von Konstituenten in einem Satz allenfalls auf der Ebene der notationeilen Kennzeichnungsmöglichkeiten dieser fakultativen Begleitkategorien, etwa im klassischen Subkategorisierungsrahmen, erörtert (vgl. ANDREWS (1988)). Andere Autoren diskutieren das Adjunktproblem immerhin ausführlicher, schlagen aber Lösungen vor, die letztlich darauf hinauslaufen, den grundlegenden Unterschied zwischen Adjunkt und Argument wegzudefinieren, indem für die Adjunktlizensierung letztlich derselbe Lizensierungsapparat genutzt wird wie für die Argumentlizensierung. Ein solches Vorgehen liegt m.E. den argumentstrukturbezogenen Vorschlägen von GRIMSHAW (1990) u n d GRIMSHAW L· VIKNER (1993) z u g r u n d e , m i t

denen ich mich im vierten Kapitel ausfürlicher auseinandersetze. Ich glaube, es ist ziemlich klar, daß diese Fragen der Schnittstellenproblematik - d.h. Probleme der Interaktion von Syntax, lexikalischer Semantik und Lexikon - erst seit einiger Zeit (und zwar, wie ich meine, im Zuge einer schrittweisen Liberalisierung des autonom-syntaktischen Anspruchs) 2

Eine gewisse Ausnahme bilden hier die Arbeiten von JACKENDOFF (1983, 1987, 1990a), der mit seiner Theorie der „konzeptuellen Semantik" eine semantische Theorie entwickelt, die in das mentalistische Programm der generativen Grammatik eingebettet ist und sich so deutlich von den an der Logik orientierten Semantikkonzeptionen etwa MoNTAGUEscher Prägung unterscheidet. Seine Vorstellungen dienen als Referenzpunkt für zahlreiche neuere Arbeiten, die den Zusammenhang von Syntax und lexikalischer Semantik beleuchten, etwa G RIMSH AW ( 1 9 9 0 ) , HALE & KEYSER ( 1 9 9 2 , 1 9 9 3 a ) u n d CARRIER & RANDALL ( 1 9 9 2 ) .

Die Grundlagen des Adjunktproblems

3

deutlich gesehen werden. Ein Beispiel dafür ist etwa die von B O U C H A R D (1991) vertretene These einer „relativierten Autonomie". Ich würde aber gerne noch einen Schritt weitergehen und behaupten, daß die Grammatik der Adjunkte neben einer expliziten Einbeziehung semantischer Konzepte sich letztlich auch der Berücksichtigung kommunikativ-pragmatischer Erwägungen nicht entziehen kann. 3

1.2

Ein kurzer begriffsgeschichtlicher Überblick

Das „Adjunktproblem", wie ich es bis hierher grob umrissen habe, ist dabei kein „hausgemachtes" Problem der generativen Grammatik. Die Schwierigkeiten einer adäquaten Beschreibung des Verhaltens fakultativer Satzkonstituenten ergeben sich nicht ausschließlich aus dem zugrundegelegten Beschreibungsmodell. Ganz unabhängig vom Grammatikmodell ist die Frage danach, bei welchen Konstituenten des Satzes es sich denn um Adjunkte und bei welchen es sich um Argumente handelt, schwer zu beantworten. Entscheidende Ursache ist dafür der Mangel an eindeutig operationalisierten Testverfahren zur Unterscheidung von Adjunkten und Argumenten. 4 Der erste, nach wie vor zu vollziehende Schritt besteht also in einer Klärung dessen, was man denn überhaupt unter einem Adjunkt verstehen will. Versucht man, in der Literatur Anknüpfungspunkte für eine auch nur terminologische Klärung zu finden, so verliert man sich augenblicklich in der Vielfalt der vorgeschlagenen Definitionen und muß erstaunt sein über die Uneinigkeit, die bei den Autoren darüber herrscht, welche Klassen von Ausdrücken und Ausdrucksvorkommen man denn als Adjunkt bzw. Adjunkt vor kommen bezeichnen soll. Einen im Vergleich zu heute sehr eingeschränkten Adjunktbegriff verwendet J E S P E R S E N . Er führt den Terminus im Rahmen seiner Theorie der "ranks" und "junctures" ein und erläutert ihn am folgenden Beispiel:

E i n e n direkten Anknüpfungspunkt für eine solche Strategie stellt m e i n e s Erachtens d a s "Principle of Poll Interpretation" ( F I ) (CHOMSKY (1986a)) dar, auf das wir a n späterer Stelle zurückkommen. Ein weiter wichtiger Faktor, der d a z u beiträgt, daß das Adjunktproblem so schwer handhabbar ist, liegt darin begründet, daß die (vortheoretisch) als Adj u n k t e klassifzierten Ausdrücke in einem Satz sehr unterschiedlichen Kategorien zuzuordnen sind. Ein Ausdruck wird zu einem Adjunkt dadurch, daß er in einer Relation z u d e n anderen Ausdrücken seiner U m g e b u n g steht, die sich von der Kopf- K o m p l e m e n t - R e l a t i o n unterscheidet. Der Adjunktcharakter einer Konstituente ergibt sich s o m i t nicht aus ihrer kategorialen Spezifikation, sondern aus ihrer Beziehimg zu anderen E l e m e n t e n i m Satz.

4

Kapitel 1

In the combination extremely hot weather, weather may be called a primary word or a principal; hot, which defines weather, is a secondary word or an adjunct; and extremely, which defines hot, is a tertiary word or a subjunct . . . it is of no use to distinguish more than the three words mentioned, as there are no formal or other traits that distinguish these lower orders from tertiary words. ( J E S P E R S E N 1 9 1 3 / 1 9 4 9 : 2 ) Nach dieser Definition bezeichnet „Adjunkt" also eine Klasse von Ausdrücken in attributiver Funktion (eine Bestimmung, die m a n im übrigen auch bei B U S S M A N N ( 1 9 9 0 ) findet), d.h. Adjunkte sind für J E S P E R S E N primär Begleiter des Nomens. 5 Diese Auffassung wird auch von E N G E L (1988), einem der wenigen Germanisten, bei dem „Adjunkt" als deskriptiver Begriff überhaupt vorkommt, geteilt. Adjunkte konstituieren seiner Definition nach eine Teilmenge der Begleiter (er spricht von „Satelliten") des Nomens, die sich durch relativ leichte Dislozierbarkeit - also Verschiebbarkeit im Satz auszeichnen. Das führt seinerseits dazu, daß Adjunkt und Bezugswort im Deutschen in der Regel nicht adjazent sind. Semantisch-pragmatisch sind sie dadurch charakterisiert, daß sie einen Teil des Rhemas darstellen, also neue Information einführen (so zum Beispiel in Der Sanitäter kam VÖLLIG E R S C H Ö P F T ins Dorf zurück), während adjektivische Attribute (die für ihn - anders als für J E S P E R S E N - keine Adjunkte sind) eine thematische Funktion haben (vgl. Der VÖLLIG E R S C H Ö P F T E Sanitäter kam ins Dorf zurück). Die Bestimmung des Adjunktcharakters hat danach bei E N G E L eine funktionale Dimension, die in den meisten Arbeiten aus dem Umfeld der Prinzipien- und Parameter-Theorie unbeachtet bleibt. E N G E L (1988:629) unterscheidet folgende Ausdrucksmöglichkeiten von Adjunkten: 1. Adjunkte sind durch als eingeleitete NPs, die in Numerus und Kasus mit dem Bezugswort kongruieren, vgl. Hanna hatte ALS SEKRETÄRIN seltsame

Beobachtungen

gemacht;6

2. Adjunkte sind unflektierte Adjektive und APs sowie P P s als Erweiterungen des Subjekts und der Objekte des Verbs, vgl. Hanna stürzte 5

6

Vgl. d a z u die Unterscheidung bei RADFORD (1988:254), bei d e m Adjunkte u n d Attribute aufgrund ihrer unterschiedlichen linearen Abfolge im Englischen unterschieden werden: Attribute erscheinen vor der Konstituente, die sie modifizieren, Adjunkte folgen ihr - dies entspricht g e n a u der i m Englischen vorzufindenden Distribution von Adjektiven u n d Adverbien. D a s Kriterium der Kasuskongruenz zwischen Attribut u n d Kernnominal wird v o n einigen Autoren als definierendes Charakteristikum der engen Apposition angesehen; dabei ist aber auch der Nominativ des Attributs bzw. der A p p o s i t i o n - n e b e n d e m Kongruenzkasus - zugelassen, vgl. HEIDOLPH ET AL. (1981: 144).

Die Grundlagen des Adjunktproblems

5

Zimmer oder Hanna stürzte MIT GROSSEM GESCHREI ins Zimmer-, E N G E L betont hier ausdrücklich, daß es sich bei diesen Modifikatoren u m nominalbezogene Ausdrücke handelt; diese Analyse ist aber nicht unstrittig. WEINEND ¿715

3. Adjunkte sind Adverbien bzw. Pronomen wie selbst (hier in der Funktion des emphatischen Reflexivums) und allein, vgl. Ich SELBST habe ihm das gesagt oder Hugo war ALLEIN auf dem Dach gewesen. In der Version des Adjunktbegriffs nach ENGEL wird klar unterschieden zwischen Adjunkten zum Subjekt bzw. Objekt auf der einen Seite und den adverbialen Bestimmungen, die das Verb bzw. den Satz modifizieren, auf der anderen Seite. Diese als „Satzangaben" zusammengefaßten modifikativen Erweiterungen fallen laut E N G E L nicht unter den Adjunktbegriff eine Auffassung, die der gängigen Verwendung des Begriffs in vielen anderen einschlägigen Arbeiten widerspricht. Satzangaben sind gemäß ENGEL Elemente, die einen Satz „situativ" einbetten bzw. eine Verbalphrase „modifikativ" erweitern. Situierende Angaben haben die Aufgabe, „den im Satz beschriebenen Sachverhalt in verschiedenartige (temporale, lokale, kausale usw.) Zusammenhänge einzuordnen" (ENGEL 1988:225). Sie dienen somit einer Präzisierung der an den Hörer gerichteten Aussage. Dieses Funktionsmoment der Präzisierung ist m.E. von zentraler Bedeutung für die allgemeinen Vorkommensbedingungen von Adjunkten, auf das wir an anderer Stelle noch zurückkommen werden. Festzuhalten ist für den ENGELschen Adjunktbegriff also folgendes: Adjunkte sind spezielle Typen von Angaben zum Nomen, die sich durch ihre rhematische Funktion auszeichnen. Bezüglich ihres Stellungsverhaltens sind sie durch große Variabilität ( = Dislozierbarkeit) charakterisiert. Die umfassende englische Grammatik von QUIRK et al. (1972/1979) erweitert ihren Adjunktbegriff im Vergleich zu JESPERSENs Konzeption drastisch, definiert ihn genaugenommen sogar um. Die Autoren verstehen unter Adjunkten eine Teilklasse der adverbialen Bestimmungen, beziehen die mit Adjunkt bezeichneten Ausdrücke also nicht mehr im Sinne einer attributiven und appositiven Deutung auf nominale Elemente im Satz, sondern auf das Verb bzw. das Prädikat: Adverbials can be divided into two classes, distinguished by whether or not they are integrated to some extent into the structure of the clause. Those t h a t are integrated to some extent are termed adjuncts. Those that are peripheral to clause structure are subdivided into disjuncts or conjuncts. (QUIRK et al. (1972/1979:421)

6

Kapitel 1

Deis wesentliche Element dieser Begriffsdefinition beruht auf dem wenig präzisen Kriterium "integrated to some extent in clause structure" ; dieses Kriterium sei erfüllt, so die Autoren, wenn "it is affected by clausal processes". Unterschieden werden drei Arten von "clausal processes", die als Adjunktkriterien zählen (vgl. Q U I R K et al. (1972/1979:421f.), die von Konjunkten und Disjunkten nicht erfüllt werden: 1. Ein Adjunkt-Adverbial kann nicht satzinitial in einem negierten Aussagesatz realisiert sein, vgl. * Quickly they didn't leave for home', 2. In Entscheidungsfragen ("alternative interrogation") kann ein Adjunkt-Adverbial mit einem anderen Adjunkt-Adverbial kontrastiert werden, vgl. Does he write to his parents because he wants to or (does he write to them) because he needs money? 3. Adverbial-Adjunkte können durch Kontrastnegation gegenübergestellt werden, vgl. We didn't go to Chicago on Monday, but we did go there on Tuesday. In seiner Taxonomie der syntaktischen Relationen erörtert L E H M A N N (1983: 341) neben den rektionsgebundenen Relationen auch die sog. Modifikationsrelationen und unterscheidet dabei zwischen adnominaler Modifikation (dazu zählt er Attribution und Determination, letztere verstanden als Modifikation durch Artikel, Demonstrativpronomen oder Numeralia) und adverbialer Modifikation. Der alternative Terminus für adverbiale Modifikation ist bei L E H M A N N schließlich die Bezeichnung Adjunktion·, damit fällt die klassische Definition j E S P E R S E N s für das Konzept „Adjunkt" aus der Begriffsextension heraus. Adjunktionen erhöhen die Komplexität von Sätzen - so wie dies auch in anderen Beispielen von syntaktischer Relationalität der Fall ist (von L E H M A N N (1983:341) unter dem Stichwort Soziation zusammengefaßt, zu der er Koordination und Apposition zählt). 7 LYONS (1968) illustriert den Adjunktbegriff primär anhand der freien adverbialen Bestimmungen, die als Satzadverbiale fungieren, wobei auch für ihn die Weglaßprobe, durch die der optionale Charakter einer Satzkonstituente bestimmbar ist, den entscheidenden Test darstellt: 8 7

8

Interessant ist hier auch die Tatsache, daß die α/s-Phrasen, die ENGEL ZU den Adjunkten zählt u n d die von vielen Autoren (zum Beispiel SCHINDLER (1990)) als zumindest „appositionsverdächtige" Einheiten eingestuft werden, bei LEHMANN unter eine ganz andere Art von syntaktischer Relationalität als die „ Adjunktion" - e b e n die Soziation - fallen. Anders ills bei JESPERSEN ist dies aber nur eine aus Gründen der Exposition und keine systematisch motivierte Entscheidung. LYONS (1968:345) schreibt: "An adjunct is by definition a 'modifier' attached to a 'head', u p o n which it is dependent

Die Grundlagen des Adjunktproblems

7

The difference between an adjunct and a complement is, in principle, quite clear: the former is an optional (extranuclear), and the latter an obligatory (nuclear) constituent of the sentence [...] In practice, the distinction between sentence adjuncts and predicates is far from clear [...] the same class of words or phrases may occur as locative or temporal adjunct in one set of sentences and as complement (of the copula) in t h e o t h e r . (LYONS 1968: 346)

Adjuncts (of place, time, manner, reason, etc.) are optional, or structurally dispensable, constituents of the sentence: they may be removed without affecting the remainder of the sentence. (LYONS 1 9 6 8 : 3 3 4 ) [...] the subject and the predicate together form the nucleus of the sentence. The subject and the predicate are therefore nuclear, and adjuncts are extranuclear, constituents. (LYONS 1968:334)

Die wichtigste Beobachtung von LYONS scheint mir darin zu bestehen, daß eine Gleichsetzung von kategorialer Zugehörigkeit eines Ausdrucks zu einer bestimmten Wort- oder Ausdrucksklasse und syntaktischer Funktion des Ausdruck nicht möglich ist; vielmehr ist es die Relation des betreffenden Ausdrucks zu einem bestimmten Prädikator, die den Argumentbzw. Nicht-Argumentcharakter des Ausdrucks determiniert. Mit anderen Worten: Es ist nicht möglich, z.B. PPs 9 grundsätzlich zu den VP- oder satzmodifizierenden Ausdrucksklassen zu zählen, weil - je nach Prädikator

9

and from which it can b e detached without any consequent syntactic change in the sentence . . . We are here concerned with what are normally regarded ¿is sentence adjuncts, rather than modifiers of low-level constituents." - Mein beachte, daß hier Adjunkte als "attached to a head" definiert werden, während m a n in der Phrasenstrukturtheorie - etwa in der Version der X-Theorie - zwar Adjunktionen a n X ° - K ö p f e zuläßt, Adjunkte (verstanden als freie Angaben) aber meist nicht a n den Kopf, sondern an eine seiner Projektionen anbindet. Ein Speziellfall ist der der engen Apposition in pseudopartitiven Konstruktionen wie ein Glas Milch, für die LAWRENZ (1993: 130f.) eine Inkorporationsanalyse vorschlägt, bei der es z u einer Adjunktion der quantifizierten N°-Konstituente ( = Milch) an den quantifizierenden N°-Ausdruck ( = Glas) kommt. Dies gilt natürlich auch für andere Kategorien. So wird in Abhängigkeit vom Konstruktionstyp ein üblicherweise optionales Adverb in der Mittelkonstruktion obligatorisch, vgl. (i)

Peter liest das Buch schnell.

(ii)

Das Buch liest sich schnell.

(iii)

* Das Buch liest sich.

8

Kapitel 1

- ein und dieselbe P P unterschiedliche Funktionen haben kann. 1 0 Diese Beobachtung wird belegt durch die Beispiele in (1), wo die P P als Argument (wie in (la)), als Prädikat (in (lb)) und als modifizierendes Adjunkt (in (lc)) auftritt: (1)

a.

Peter wohnt in Bochum.

b.

Peter ist in Bochum.

c.

Peter trifft Maria in Bochum.

Zunächst ist zu betonen, daß - wie bereits gesagt - aufgrund der Ausdifferenzierung der Aktantenstruktur auch solche Erweiterungen möglich sind, die nicht als eindeutig optional oder als eindeutig obligatorisch bestimmbar sind. Es handelt sich hier um optionale Argumente oder valenzmögliche Ergänzungen - die Terminologie macht die Unsicherheit, mit der diese Konstituenten gehandhabt werden, mehr als deutlich. Die Unterscheidung von Satzkonstituenten in nukleare und extranukleare Konstituenten bei LYONS ist allerdings ohne jeden explanatorischen Gehalt. Offen bleibt auch die Frage, in welchem Sinn der „Rest" des Satzes, der nach Auslassung einer der Konstituenten „übrigbleibt", betroffen bzw. nicht betroffen von der Auslassung ist. Die strukturelle Notwendigkeit von Ausdrücken markiert j a nur einen Aspekt denkbarer „Notwendigkeitsdimensionen". Es ist daher sinnvoll, zwischen folgenden Notwendigkeitsaspekten zu differenzieren: 1. syntaktische Notwendigkeit im Sinne strikter Subkategorisierung bzw. (im logischen Sinne) der Saturierung von Leerstellen eines Prädikats; 2. semantische Notwendigkeit (etwa im Sinne der GREBEschen Sinnergänzungen) 11 ; ein Ausdruck ist nach diesem semantischen Notwendigkeitskriterium dann optional, wenn er zum Verständnis der Satzaussage nicht notwendig ist; 12 10

11

12

Diese Einschätzung wird keineswegs aligemein geteilt. So weist HEUER (1978:3f) in seiner Darstellung der TESNlÈREschen Valenztheorie darauf hin, daß dieser die Präpositionalausdriicke grundsätzlich zu d e n freien A n g a b e n zählt (denen - näherungsweise - die Adjunkte der P r i n z i p i e n - u n d P a r a m e t e r - T h e o r i e entsprechen), „nur die reinen Kasus [werden] zu d e n a c t a n t s gerechnet." TESNIERE geht also d e m n a c h n o c h von der Möglichkeit einer Identifikation von kategorialer Zugehörigkeit u n d syntaktischer Funktion aus. GREBE (1966:468) diskutiert die sog. Abstrichprobe zur Herstellung syntaktischer Grundformen von Sätzen; für diese Abstrichprobe spielen semantische Argumente n o c h eine zentrale Rolle, was j a auch durch die Rede v o n „Sinnergänzungen" des Verbs deutlich wird. „ . . . In semantischer Hinsicht bildet der Aktant mit d e m Verb eine Einheit; das

9

Die Grundlagen des Adjunktproblems

3. kommunikativ-pragmatische Notwendigkeit, die nicht auf der sententiellen, sondern der Diskurs- oder Textebene zu explizieren ist. 13 Die exakte Abgrenzung dieser Notwendigkeitskriterien ist ihrerseits keine triviale Angelegenheit. Vergleichen wir dazu die folgenden Beispiele: (2)

a.

! Der Unfall ereignete sich.

b.

Der Unfall ereignete sich

c.

This house is built.

d.

This house is built and this is made by a magician.

am frühen Morgen in dichtem Nebel

}

Der Satz in (2a) ist, wenn auch nicht ungrammatisch im formalen Sinn, so doch zumindest pragmatisch markiert. Die ¡-Markierung ist zurückzuführen auf den geringen Informationsgehalt der ausgedrückten Proposition; der Satz wird deutlich akzeptabler, wenn eine Konstituente ergänzend hinzutritt, die solche Zusatzinformationen, welche nicht bereits in der Subjekt-NP enthalten und nur redundanterweise durch das Verb nochmals ausgedrückt werden, bereitstellt. Dies wird in (2b) illustriert. In Begriffen der Theorie der funktionalen Satzperspektive gesprochen kann man sagen, daß ein Satz wie (2a) ausschließlich thematisches Material enthält. Dies ergibt sich im vorliegenden Beispiel nicht daraus, daß eine entsprechende Diskurssituation mit kontextuell gebundenen Partizipanten vorliegt, sondern begründet sich aus der Tatsache, daß die lexikalische Semantik der NP bereits implizit enthält, was das Verb nochmals explizit ausdrückt; der Satz übermittelt also keine Informationen, die nicht schon im Subjekt selbst enthalten sind. Diese Analyse bietet auch den Vorteil, daß erklärt werden kann, warum Abweichungen von der Standardintonation den Satz akzeptabel erscheinen lassen, einen geeigneten Kontext vorausgesetzt. In diesen Fällen markiert

13

geht oft so weit, daß die Verbbedeutung ohne die B e d e u t u n g des Aktanten unvollständig wäre, wie in Alfred schlägt Bernhard. Ohne zweiten Aktanten wäre Alfred schlägt kaum zu verstehen. Auf der anderen Seite ist die Angabe grundsätzlich fakultativ: [jj Alfred ißt ist aus sich selbst heraus verständlich, es bedarf keines Hinweises darauf, o b er z u m Essen überhaupt ein Instrument benötigt.] Y" (TESNIBRE 1980:116). - Eine solche Formulierung läßt aber offen, was es genau heißen soll, daß eine Verbbedeutung „unvollständig " ist. BLUHM (1978:12f.) definiert seinen Begriff der kommunikativen Notwendigkeit wie folgt: „Unter kommunikativer Notwendigkeit soll die regelgeleitete Verwend u n g bei der Äußerung von Satzteilen verstanden werden, die in einer gegebenen Situation als Satzkette geäußert sinnvoller Teil einer Kommunikation seien u n d hinreichendes Verständnis b e i m Partner erreichen." - Daraus ist zu folgern, daß es sich hier u m ein Kriterium des Sprachgebrauchs handelt und nicht, wie dies in der CHOMSKYschen Tradition üblich ist, u m ein Kriterium des Sprachwissens.

10

Kapitel 1

die Betonung (hier durch Kursivdruck notiert) den Träger der rhematischen Information: (3)

a.

Der Unfall ereignete sich (im Gegensatz zu einem anderen, der erwartet wurde, aber dennoch nicht geschah).

b.

Der Unfall ereignete sich (aber die erwartete K a t a s t r o p h e blieb aus).

c.

Der Unfall ereignete sich (obwohl es so aussah, als könne m a n ihn verhindern).

JACKENDOFF schließlich definiert (ex negativo) seinen Adjunktbegriff im Rückgriff auf das Konzept der VP-internen Lizensierung, indem er schreibt: " . . .1 a m using the term adjunct for the present to include any phrase in V P not licensed by the verb." (JACKENDOFF (1990a:159)). 1 4 Das heißt also: Es gibt die prinzipielle Möglichkeit des Vorkommens von Phrasen innerhalb von XPs, die nicht (lexikalisch) durch den Kopf X o der phrasalen Projektion dieses Kopfes lizensiert sind. Dies ist allerdings eine Auffassung, die an die Rahmenvorstellungen von JACKENDOFFS "Conceptual Semantics" geknüpft und d a m i t modellgebunden ist. 1 5 Innerhalb dieses Modells werden freie A d j u n k t e über eine besondere Klasse von sog. „Korrespondenzregeln" in die Struktur integriert, die sich von den Regeln zur „Argumentfusion", wie sie für die von einem Prädikat subkategorisierten Ergänzungen anzusetzen sind, unterscheiden. JACKENDOFF (1990a:158) sagt dazu: . . . time, place, and manner phrases should not be p a r t of verbal sub categorization. But, then, what licenses the intèrpretation of these phrases? It has always, I think, been tacitly 14

Ausgespart wird üblicherweise die Frage, wodurch denn das Verb selbst lizensiert ist. Die meisten Grammatiktheorien sind verborientiert in dem Sinne, daß sie die Valenzeigenschaften des Verbs zum Ausgangspunkt der formellen Rekonstruktion der Satzstruktur machen. Sie gehen mehr oder weniger explizit davon aus, daß das Verb den Kern der Strukturbeschreibung darstellt und Leerstellen um sich herum eröffnet, vgl. dazu SCHNELLE (1991:389): „Nach der klassischen Auffassimg ist das Verb das Hauptglied der Verbalgruppe, von dem andere, von ihm regierte bzw. es notwendig ergänzende Glieder [ wie Objekte und Präpositionalobjekte ] abhängen, nach der Valenztheorie ist es das Kernglied des ganzen Satzes. Ganz offesichtlich steht die Valenztheorie in enger Beziehung zur dogmatischen Auffassung der modernen Logik: Das Verb ist sozusagen der Relationsausdruck, die anderen Glieder sind seine Argumente."

15

Andere Autoren nehmen nämlich Lizensierung von Adverbien zum Beispiel durch das Vorkommen eines nicht-thematischen Ereignisarguments in der Argumentstruktur des Verbs an; diese Idee geht auf DAVIDSON (1967) zurück. Adverbiale Modifikation wird hier rekonstruiert als Prädikation über das im Satz beschriebene Ereignis.

Die Grundlagen des Adjunktproblems

11

understood that these phrases are integrated into the sentence's interpretation by different correspondence rules than are strictly sub categorized arguments. Man beachte, daß hier von Lizensierung der Interpretation die Rede ist und nicht von syntaktischer Lizensierung innerhalb einer bestimmten Strukturbeschreibung. Es geht JACKENDOFF also um die satzsemantische und nicht die formalsyntaktische Integration von Adjunkten in den sententiellen Strukturzusammenhang. Aber selbst wenn die Lizensierung in erster Linie in dem Sinne semantisch kontrolliert ist, daß eine freie Angabe im satzsemantischen Kontext interpretierbar sein muß, so muß die entsprechende Konstituente doch auch in die syntaktische Struktur der Konstruktion linear und - zumindest dann, wenn man eine Konstituentenstrukturorganisation für den Satz zugrundelegt - hierarchisch integriert werden können. Dabei sind die möglichen Integrationspositionen selbstverständlich nicht beliebig - wenn auch berücksichtigt werden muß, daß etwa im Deutschen mit seiner ohnehin relativ freien Wortstellung die Stellungsvariabilität von Adverbien bzw. Adverbialen groß ist. In Sprachen mit Adjazenzforderung für die Abfolge von kasuszuweisender und kasusmarkierter Kategorie ist diese Variablilität von vornherein grundsätzlich eingeschränkter. Man darf meiner Ansicht nach nicht den Fehler machen, das Problem der syntaktischen Lizensierung von Adjunkten gleichzusetzen mit der Erfüllung von Kriterien, die die semantische Wohlgeformtheit des Satzes (bzw. der Äußerung, wenn man Kontextfaktoren in die semantische Bewertung bzw. Interpretation einbezieht) determinieren. „Lizensierung von Adjunkten" bedeutet also mehr als die bloße Kompatibilität semantischer Selektionsrestriktionen, die zum Beispiel zwischen verbalem Kopf und möglichen Adverbien erfüllt sein müssen. Diese semantische und selezionale Kompatibilität muß auch für Konstituenten gegeben sein, die in einer Komplementrelation zueinander stehen. Sie ist also kein hinreichendes Kriterium für eine funktionale Differenzierung von Klassen möglicher „Begleitphrasen" von Prädikatoren. Zu den hier angedeuteten Ausgangsschwierigkeiten kommt erschwerend die Tatsache hinzu, daß insbesondere die freien adverbialen Bestimmungen in ihrer Eigenschaft als prototypische Adjunkte schon in der deskriptiven Systematisierung, also losgelöst von den sich im Einzelfall stellenden mo · · ·] whose 0-grid contains one undischarged internal 0-role. Then a may be reanalyzed as [v ...].

Diese Regel ist in der zitierten Form allerdings nicht unmittelbar auf die uns interessierenden Daten anwendbar, da die V 1 -Projektion über keine verbleibende unsaturierte interne Θ-Rolle mehr verfügt. Einfache transitive Verben verfügen nur über eine einzige interne 0-Rolle, die schon durch das Komplement des Verbs saturiert ist. Notwendig ist also, wenn man an V^Reanalyse festhalten will, die Formulierung einer geeigneten Regel, die auch auf transitive Verben anwendbar ist und zudem ausschließt, daß die V 1 -Maximalprojektion, d.h. die Projektionsstufe von V 1 , die neben dem verbalen Kopf und dessen Komplement auch das Adverb dominiert, V 1 Reanalyse durchläuft. Weiterhin bleibt noch eine Beschränkung zu formulieren, die verhindert, daß im Fall von Verben mit NP-Komplementen das

126

Kapitel 5

Verb allein (also ohne vorherige V 1 -Reanalyse) Kopfbewegung durchläuft und so ungrammatische Konstruktionen wie in (15) entstehen. Letzteres ergibt sich aber mit ziemlicher Sicherheit aus der Adjazenzforderung. Die exakte Ausbuchstabierung dieser Bedingungen m u ß auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Wir können aber festhalten, daß die Reanalyse ü b e r h a u p t nur dann als sinnvoll anzunehmen ist, wenn neben Verb und Komplement ein optionaler Begleiter (in diesem Fall: ein Adverb) vorliegt und die Reanalyse die Bedingungen d a f ü r schafft, die Einhaltung des Direktionalitätsparameters auf der Ebene der S-Struktur zu gewährleisten.

5.3.4

Die Theorie von Johnson (1991)

Der Analysevorschlag von JOHNSON (1991) verzichtet gänzlich auf die A n n a h m e von Reanalyse; weiterhin ist hier eine zentrale A n n a h m e , daß die Adjazenzbedingung der Zuweisung von strukturellem Kasus nicht für die "NP First property" im Englischen verantwortlich ist. Allerdings unterscheiden sich auch andere A n n a h m e n von den bis hier referierten: Im Gegensatz zu FUKUI geht JOHNSON von einer Version der X-Theorie aus, bei der auch lexikalische Kategorien über Spezifikator-Positionen verfügen (dies ist auch in LARSONS Analyse der Double Oèjeci-Konstruktionen der Fall). Außerdem wird angenommen, daß Verben grundsätzlich aus der V P bewegt werden, wobei strukturell kasusmarkierte NPs in die Spec-Position der V P bewegt werden. Die Landeposition der V-Bewegung wird in JOHNSONS Analyse nicht eindeutig bestimmt, wir gehen daher auch hier von einer A d j u n k t i o n an eine funktionale Kategorie aus. Eine tentative Strukturbeschreibung wäre dann die in der folgenden Abbildung:

V1

Adverb

V^NP I I

tj

t,

Die abschließende Lösung JOHNSONS rekurriert auf die Bedingungen, unter denen struktureller Kasus zugewiesen wird: Struktureller Kasus wird der SpecVP-Position zugeweisen. Aus diesem G r u n d e ist Bewegung von

Lizensierungsdirektionalität

127

NPs (nicht aber von PPs) in diese Position obligatorisch. Unter der zusätzlichen Annahme, daß Spezifikatoren links von X 1 realisiert werden, ergibt sich daraus automatisch, daß NP-Komplemente anderen Komplementen des Verbs immer vorausgehen müssen. Die orthodoxe Adjazenzbedingung für die Zuweisung des strukturellen Kasus wird damit zu einer Bedingung, die zwar nach wie vor mit der Kasustheorie korrelliert ist, die aber mit Adjazenz im klassischen Sinne nichts mehr zu tun hat, sondern die sich aus der Tatsache ergibt, daß struktureller Kasus der Spezifikator-Position zugewiesen wird. Natürlich ist vor diesem Hintergrund zu begründen, woraus sich die Kasuszuweisung an diese Position ergibt bzw. woraus sie herleitbar ist und wodurch gewährleistet wird, daß der Spezifikator innerhalb der relevanten Phrase linksperipher ist. Weiterhin gilt es zu begründen, warum überhaupt für lexikalische Kategorien diese Spezifikatorposition anzusetzen ist (kontra FUKUI), wohin exakt das Verb bewegt wird und wodurch diese Verbbewegung obligatorisch wird; die Behauptung, daß "verbs move out of the VP they head" (JOHNSON ( 1 9 9 1 : 5 8 4 ) ) ist keine Begründung, sondern Stipulation (wenn auch empirisch untermauert, vgl. die von LARSON angefügten Beobachtungen aus der Koordinationstheorie; vgl. LARSON ( 1 9 8 8 ) ) . Eine Herleitung dieser Notwendigkeit von Verbbewegung innerhalb des Prinzipiengefüges der Grammatik bleibt aber ein Desiderat.

5.4

Zusammenfassung

In diesem konkreten Conjecture gegebenen

Kapitel wurde die Frage erörtert, wie sich Adjunkte - hier am Beispiel freie Adverbien - in die durch die Basic Branching (BBC) und die Direktionalitätsparameter der Θ-Theorie vorSerialisierungsmuster einpassen.

Ansatzpunkt war dabei die Beobachtung, daß die kasustheoretische Adjazenzbedingung für die Zuweisung des strukturellen Objektiv gewährleistet sein muß und Adverbien deswegen in einer Position, in der sie diese Adjazenz stören, nicht lizensiert sind. Es wurde ein Reanalyseprozeß vorgeschlagen, durch den (bestimmte, noch auszubuchstabierende Bedingungen vorausgesetzt) ein komplexer Kopf entsteht, der neben dem verbalen Prädikator auch das Adverb enthält. Durch diese Reanalyse entsteht ein Ausdruck, der wie ein Kopf bewegt werden kann und insofern die Herleitung von Wortstellungsmustern gestattet, die von der zugrundeliegenden Abfolge abweichen.

128

Kapitel 5

Die zugrundeliegende Abfolge ihrerseits ergibt sich aus universalen Beschränkungen (BBC). Der optionale Charakter der Reanalyse paßt sich in das von FUKUI vorgeschlagene Okonomieprinzip ein, nach dem Bewegungen dann optional sind, wenn sie keinerlei Zwang durch unabhängige Prinzipien unterliegen. Bewegung und Reanalyse ist aber obligatorisch, wenn die die Wiederherstellung von zuvor gesetzten Parameter werten bzw. eine Ubereinstimmung mit diesen Parameterwerten abzuleiten gestatten. Ein Desiderat der vorgeschlagenen Analyse bleibt zugegebenermaßen die präzise Ausbuchstabierung der Reanalysebedingung. Der Anspruch ist denn auch nur, eine Hypothese formuliert zu haben, die für weitere Forschungen als Leitlinie hilfreich sein mag und insofern auch eine kritische Einordnung des im Verlauf der Arbeit immer wieder angesprochenen „Epiphänomenalismus"-Arguments der Adjunktlizensierung zu leisten.

Kapitel 6 Instrumentalphrasen, Benefaktive und „freie Dative" - Argumente oder Adjunkte? 6.1

Einleitung

In diesem Kapitel werden einige Überlegungen zum Verhalten von Instrumental- und Benefaktiv-Phrasen angestellt, die sich bezüglich ihres syntaktischen und semantischen Verhaltens deutlich von echten „freien Angaben" (wie etwa Temporalangaben etc.) unterscheiden und deren Status als Adjunkt bzw. als Argument des verbalen Prädikators kaum eindeutig bestimmbar ist. Instrumentalphrasen, illustriert in den Sätzen in (1), treten üblicherweise in Handlungssätzen auf und werden von vielen Autoren als prototypische Erweiterungen von „Kausativkonstruktionen" angesehen: (1)

a.

Peter schneidet das Brot mit dem Messer,

b.

Peter hits the dog with a stick.

Im Deutschen und Englischen werden solche Ausdrücke in den allermeisten Fällen - wie z.B. auch in (1) - als Präpositionalphrasen realisiert, deren Kopf in der Regel die Präposition mit bzw. with ist. Eine solche Beschränkung der Vorkommensmöglichkeiten entweder auf Kausativkonstruktionen oder auch bestimmte Verbklassen 1 ist jedoch nicht haltbar. Instrumentale können vielmehr auch mit nicht-kausativen und nicht-,,affizierenden" Verben (zum Begriff der Affiziertheit vgl. die späteren Ausführungen in diesem Kapitel) kombiniert werden. Syntaktisch notwendig sind 1

DlXON (1991:9) spricht z.B. von A F F E C T - V e r b e n , die d a d u r c h definiert seien, d a ß in i h r e m I n v e n t a r von zuzuweisenden semantischen Rollen eine besondere Rolle v o r k o m m t : "Affect verbs a r e likely t o involve a n Agent, a T a r g e t , a n d s o m e t h i n g which is m a n i p u l a t e d by t h e Agent t o come into c o n t a c t w i t h t h e T a r g e t (which I call t h e M a n i p ) . A M a n i p can always b e s t a t e d , a l t h o u g h it o f t e n d o e s n o t h a v e t o b e , e.g.John rubbed the glass (with a soft cloth),Mary sliced the tomato (with her new knife), Tom punched Bill (with his left fist)."

130

Kapitel 6

Instrumentalphrasen nicht; dies wird durch ihre Weglaßbarkeit deutlich. Die Frage, ob es sich u m oblique Argumente handelt - wobei m a n unter Obliquen solche Argumente versteht, die zwar eine thematische Rolle vom Verb erhalten, aber syntaktisch nicht overt realisiert werden müssen - ist so einfach allerdings auch nicht zu beantworten. Ein eindeutiges Testverfahren zur Abgrenzung von Obliquen und obligatorischen Argumenten gibt es nicht. Ein weiteres konzeptuelles Problem, das sich für ein Modell wie die Prinzipien- und Parameter-Theorie in ihrer Version der Lectures on Government and Binding stellt, sei in diesem Zusammenhang nur kurz angesprochen, weil es hier nicht mehr umfassend diskutiert, geschweige denn gelöst werden kann: Thematisch markierte (also argumentstrukturell lizensierte), aber syntaktisch nicht overt realisierte Argumente - eben die obliquen Argumente - müssen dem Projektionsprinzip zufolge auf allen Strukturebenen der Grammatik instantiiert sein. Wenn die Ebene der Logischen Form die syntaktisch bzw. strukturell relevanten Informationen für die semantische Interpretation kodiert, dann muß dieses Argument auch entsprechend strukturell in der LF instantiiert sein (wie natürlich auch in der D- und S-Struktur). Was aber genau bedeutet „strukturelle Präsenz"? Genügt die Präsenz als leere Kategorie? Eine weitere Besonderheit von Instrumentalphrasen ist die Tatsache, daß ihre semantische Interpretation offenbar mit dem Gedanken an eine Art „kognitives Kontinuum" vereinbar ist; derartige Überlegungen sind sowohl von Psycholinguisten (SCHLESINGER ( 1 9 7 9 , 1 9 8 9 ) ) als auch von Grammatikalisierungstheoretikern ( H E I N E , C L A U D I fe H Ü N N E M E Y E R ( 1 9 9 1 ) ) angestellt worden. Die Trag- und Reichweite dieses Kontinuumsgedankens soll ebenfalls kritisch diskutiert werden, zumal er im Hinblick auf die anzustellenden Lizensierungsbedingungen von Instrumentalphrasen relevant zu sein scheint. Auch die Benefaktiv-Rolle kann nicht als inhärent optional oder obligatorisch charakterisiert werden. Bei solchen Verben wie geben, schenken, schicken usw. übernimmt das obligatorische Dativ-Objekt die BenefaktivRolle, andernfalls sind resultierende Konstruktionen elliptisch, unter Umständen verbunden mit einer Veränderung der Lesart des betreffenden Verbs; so wird das Transfer-Verb geben in (2d) semantisch genau wie schenken interpretiert, wobei der Benefizient/Rezipient unbestimmt bleibt: (2)

a.

Peter schenkt Hans ein Buch.

b.

Peter gibt Hans ein Buch.

c.

Peter schenkt ein Buch.

d.

Peter gibt ein Buch.

131

Instrumentalphrasen, Benefaktive und „freie Dative"

Eindeutig optional sind diese Benefaktiv-Rollen bei Handlungsverben, die ein agentivisches Subjekt verlangen. Bei solchen Verben ist die Benefaktiv-Rolle nicht Bestandteil der Kernsemantik des Verbs (vgl. GIVÓN ( 1 9 8 4 : 1 2 8 ) ) :

(3)

a. b.

Er arbeitete für seinen Vater. ? Er beobachtete den Hirsch für seinen Vater.

c.

Er baute einen Tisch für seinen Vater.

d.

* Er verstand die Frage für seinen Vater.

e.

* Er war groß für seinen Vater.

Die Realisierung der Phrase mit für erzwingt aber nicht in jedem Fall eine Benefaktiv-Deutung; so ist für seinen Vater in (3b) nicht zwingend als Nutznießer der beschriebenen Handlung zu verstehen, sondern eher i m S i n n e v o n Er beobachtete

den Hirsch

anstelle

seines

Vaters.

I n dieser

Lesart ist der Satz völlig akzeptabel. In den anderen Sätzen erfolgt durch die Angabe des Benefaktivs eine weitergehende Präzisierung des beschriebenen Sachverhaltes bzw. Ereignisses, die über die Informationen, die der an sich schon thematisch geschlossene Ausdruck bereitstellt, hinausgeht. Anders als etwa temporale Modifikatoren, die das ausgedrückte Ereignis „situieren" (vgl. Kapitel 1), werden durch die Benefaktive sozusagen „erweiterte thematische Partizipanten" eingeführt. Wichtig scheint mir in diesem Zusammenhang auch die Tatsache zu sein, daß dies korrelliert mit der alternativen Realisierbarkeit der betreffenden Phrase im Rahmen einer freien Dativkonstruktion, in diesem Fall der nicht möglichen Konstruktion eines dativus commodi: (4)

a.

* Er arbeitet seinem Vater.

b.

* Er beobachtet seinem Vater den Hirsch.

c.

6.2

Er baut seinem Vater einen Tisch.

Abgrenzungsprobleme bei Instrumentalphrasen

Wie bei anderen Arten von Prädikats- und Satzerweiterungen auch sind die verfügbaren Tests zur Bestimmung des Adjunkt- bzw. Argumentcharakters von Instrumentalphrasen nicht geeignet, um eine eindeutige Abgrenzung leisten zu können. Sie sprechen teilweise für einen Status als

132

Kapitel 6

freie Angaben, teilweise für einen Status als Ergänzungen. Nur wenige Beispiele zeigen dies. Instrumentalphrasen sind zum Beispiel nicht in unkoordinierten Reihungen iterierbar, vgl. (5)

a.

* Peter schneidet das Brot mit einem Messer mit einer Brotmaschine.

b.

Peter schneidet das Brot am Samstag am Abend in der Küche.

Fehlende Iterierbarkeit wird üblicherweise als ein Argumentkriterium angeführt, welches indirekt mit den Transitivitäts- bzw. Valenzeigenschaften des betreffenden Prädikators zusammenhängt. Neben solchen rein syntaktischen Tests gibt es auch die Möglichkeit, semantische Paraphrasierungen anzuwenden. Sie weisen Instrumental-PPs als Adjunkte aus, zum Beispiel im Falle der uná-zwar-Paraphrasen, vgl. (6)

a.

Peter schneidet das Brot. —• * Peter schneidet, und zwar das Brot.

b.

Peter schneidet das Brot mit dem Messer. —• Peter schneidet das Brot, und zwar mit dem Messer.

Auch dieses Paraphrasierungsverfahren läuft letztlich darauf hinaus, daß das Transitivitäts- bzw. Subkategorisierungsverhalten des jeweiligen Verbs abgeprüft wird. Die Paraphrasierung in (6a) mit der Herausstellung der Konstituente in der „und zwar"-Paraphrase führt letztlich dazu, daß die Subkategorisierungsbedingungen des Verbs nicht erfüllt sind, daher ist der Satz ungrammatisch. Der Teil des Satzes, der die und zwar- Paraphrase darstellt, kann nicht die Argumentfunktion des Verbs übernehmen. Mit anderen Worten: Die «íi¿-2war-Paraphrase ist letztlich nur eine weitere Variante der Weglaßprobe. Im Zusammenhang mit der und-^war-Herausstellung sind weitere Fakten zu berücksichtigen, vgl. (7)

Peter schneidet etwas, und zwar das Brot.

In diesem Fall liegt eine korrelative Verknüpfung zwischen dem Indefinitpronomen etwas und der und-zwar-Herausstellung vor; man spricht auch von der Explikation des Indefinitpronomens durch die und-zwarParaphrase. Interessant ist, daß dies nicht in allen Fällen zu satzgrammatisch wohlgeformten Ausdrücken führt: (8)

a.

? Peter schneidet etwas, und zwar das Brot mit dem Messer.

Instrumentalphrasen, Benefaktive und „freie Dative"

133

b.

Peter schneidet etwas, und zwar das Brot, mit dem Messer.

c.

* Peter, und zwar das Brot, schneidet etwas, mit dem Messer.

d. * / ? Peter, und zwar mit dem Messer, schneidet das Brot. e.

Peter schneidet, und zwar mit dem Messer, das Brot.

Der Satz in (8a) ist deswegen markiert, weil hier der Fokus durch die Einführung des Indefinitpronomens etwas auf ein T h e m a gelegt wird, welches dann in der und ztuar-Paraphrase expliziert wird. In dieser Explikation erscheint dann aber eben nicht nur das T h e m a , sondern das T h e m a kombiniert mit dem Instrumentalausdruck, also dem ereignisorientierten Modifikationselement. Es kommt zu einem Clash der Bezugsmöglichkeiten: etwas kann nur bezogen bzw. expliziert werden durch eine in die undzwar-Paraphrase eingebettete Thema-NP, der Instrumentalausdruck ist nicht entsprechend zuzuordnen. Das bedeutet nicht, daß nicht die NP innerhalb der und ziwar-Herausstellung komplex sein kann. Wenn die zusätzliche Präpositionalphrase auf das Kernnominal der NP beziehbar ist (im Sinne einer modifikativen Erweiterung dieser NP und nicht des beschriebenen Ereignisses), dann ist die Äußerung wohlgeformt: (9)

Peter schneidet etwas, und zwar das Brot mit der harten Kruste.

Nach einer intonatorischen Pause, die die Instrumentalphrase aus der Intonationseinheit, die die und zwar-Phrase darstellt, isoliert, wird der Satz bzw. die Äußerung wieder akzeptabel, vgl. (8b). Die Ungrammatikalität von (8c) hingegen ergibt sich unmittelbar daraus, daß die und- zwarExplikation dem zu explizierenden Element nicht vorausehen kann (vgl. dazu auch Kapitel 8 über die Positionierungsmöglichkeiten von sententiellen Parenthesen). Die gleiche Erklärung gilt auch für die Bewertung von (8c); daß die Beurteilung nicht so stark ist wie in (8c) ergibt sich hier daraus, daß die mit-PP auch nominalmodifizierend konstruiert werden kann (und eben nicht ereignismodifizierend). Völlig grammatisch ist die Konstruktion allerdings dann, wenn die und ziuar-Herausstellung der Instrumentalphrase dem Verb folgt, wie dies in (8e) der Fall ist. Gehen wir von diesen Beobachtungen an und ziwar-Herausstellungen wieder zu einer detaillierteren Analyse der eigentlichen Instrumentalphrasen über. Instrumentalphrasen verhalten sich (im Gegensatz etwa zu Temporalangaben) bindungstheoretisch so, als ob sie D-strukturell präsent sind, im Sinne der Prinzipien- und Parametertheorie also thematisch markiert werden; trotz der zu beobachtenden bindungstheoretischen Eigenschaften bleiben sie strukturell optional in dem Sinne, daß aus ihrem Fehlen kein Transitivitätsverstoß abzuleiten ist, d.h. es bleibt bei ihrer strukturellen Optionalität. Thematische Markierung und syntaktische Realisierung stehen also nicht in einem eindeutigen Verhältnis zueinander.

134

Kapitel 6

Analysen von verschiedenen „exotischen" Sprachen liefern Autoren wie BAKER ( 1988a,b) und MARANTZ (1984) Evidenz für die These, daß Instrumentalphrasen als ^-markierte, aber optionale Argumente des Verbs zu rekonstruieren sind und nicht (was j a im Adjunktfalle anzunehmen wäre) als Modifikatoren der VP. Die Inkorporierbarkeit von Instrumentalund Benefaktivphrasen wird in Kapitel 6.3.2 thematisiert. Diskutieren wir zunächst die theorieimmanenten Bedingungen der Instrumentalphrasenrealisierung ausführlicher.

6.3

Instrumentalphrasen in der Prinzipien- und Parameter-Theorie

Interessant vor dem Hintergrund der Prinzipien- und Parameter-Theorie sind Instrumentalphrasen vor allem im Rahmen der 0-Theorie und den sich im Zusammenhang mit der Theta-Theorie ergebenden Fragen bezüglich der D-strukturellen Präsenz von Instrumentalphrasen; in diesem Zusammenhang spielt auch die Bindungstheorie eine nicht unwichtige Rolle, und zwar sowohl als Diagnostikum wie auch als zu analysierender Phänomenbereich.

6.3.1

Bindungstheorie und Theta-Theorie im Falle der Instrumentalphrasen

In Kapitel 3 wurde das Problem der D-strukturellen Präsenz von Adjunkten im Hinblick auf bindungstheoretische und (^-theoretische Fragestellungen bereits im Uberblick diskutiert. Das Argument ist auf die Bewertung des Status von Instrumentalphrasen auszuweiten, wie SPEAS (1991: 250f.) gezeigt hat. Ansatzpunkt für die Überlegungen sind die folgenden Beispiele: (10)

a.

with John's,· novel finished, he¿ began to write a book on poetry

b.

* with John's* computer, he¿ began to write a book on poetry

Wir wollen die Kernpunkte der Argumentation kurz zusammenfassen. Eine der Aussagen der Bindungstheorie besagt, daß ein R-Ausruck (d.h. im Fall von (10) der Name John) nicht von einem koindizierten Pronomen c-kommandiert werden darf. Aus dieser ansonsten gut begründeten Generalisierung ergibt sich für die Beispiele in (10) ein Dilemma, das sich wie folgt darstellt:

Instrumentalphrasen, Benefaktive und „freie Dative"

135

1. Ist die with-Phiase VP-intern T h e t a - m a r k i e r t und somit Dstrukturell vorhanden, dann liegt die für die Bindungsverhältnisse kritische c-Kommando-Konfiguration (in der D - S t r u k t u r ) vor und der betreffende Satz sollte ungrammatisch sein. Angenommen nun, diese V P - i n t e r n e Konfiguration sei gegeben: W a r u m ist die Ungrammatikalität dann beschränkt auf den Satz, innerhalb dessen die withPhrase instrumental gedeutet wird, und warum bleibt der Satz im Fall einer temporalen Deutung der entsprechenden Phrase grammatisch? 2. W i r d - alternativ - die Bindungsbeschränkung für die S-Struktur formuliert, so sollten beide Sätze grammatisch sein, denn in beiden S-Strukturen befindet sich der R-Ausdruck nicht im Skopus des Pronomens; augenscheinlich liegt ein Grammatikalitätskontrast dennoch vor. Als Lösung des Dilemmas schlägt SPEAS, anknüpfend an Arbeiten von LEBEAUX ( 1 9 8 8 ; weiter ausgeführt in LEBEAUX ( 1 9 9 1 ) ) , vor, das entsprechende Bindungsprinzip nicht auf eine der syntaktischen Repräsentationsebenen zu beschränken, sondern die ganze Derivation hindurch anzuwenden. Unter der Voraussetzung, daß nun 0-Adjunkte D-strukturell nicht präsent sind, sondern mittels generalisierter Transformationen direkt in satzinitialer Position „basisgeneriert" werden, ist klar, warum der Satz bindungstheoretisch kein Problem macht: Ein Bindungsverstoß wäre nur in einer VP-eingebetteten oder in einer an die V P adjungierten Dstrukturellen Konfiguration möglich, nicht aber in der satzinitialen, denn hier befindet sich das gesamte Adjunkt (sprich: die with-Phrase) außerhalb des Bereichs des Pronomens. Im Falle eines ö-markierten Ausdrucks wie der Instrumentalphrase in ( 1 0 b ) ist diese Phrase allerdings D-strukturell präsent, befindet sich also in einer Konfiguration, in der die Phrase als Schwesterkonstituente des Verbs bzw. der V P erscheint. In eben dieser Konfiguration wäre dann die Instrumentalphrase innerhalb des Pronominalbereichs und der bindungstheoretische Verstoß liegt vor. Zusammenfassend wird als Lösung des Dilemmas also zu sagen sein: Das Bindungsprinzip ist nicht beschränkt auf b e s t i m m t e Repräsentationsebenen, und „ 0 - A d j u n k t e " werden (wie die Temporalangabe) in einer satzinitialen Position basisgeneriert, die die strukturellen Bedingungen für die Ableitung eines Bindungsverstoßes nicht erfüllt. Instrumentalphrasen - verstanden als 0-markierte Ausdrücke bzw. „0-Adjunkte" - werden hingegen aus einer Position innerhalb der V P herausbewegt, die für sich genommen schon die Ableitung von Bindungsverstößen gestattet. Die hier vorgenommene Unterscheidung zwischen „Ö-Adjunkten" (wie der Instrumentalphrase) und „ 0 - A d j u n k t e n " (wie der Temporalangabe) ist

136

Kapitel 6

natürlich weiter zu begründen. So wie die Unterscheidung hier steht, ist sie nicht mehr als die thematische Paraphrase der bekannten Unterscheidung zwischen optionalen Ergänzungen und freien Angaben. 6.3.2

Syntaktische Inkorporierbarkeit von Instrumentalphrasen?

Die Arbeiten von B A K E R (1988a, 1988b) über Applikativkonstruktionen sind von zentraler Bedeutung für zahlreiche Forschungen im Bereich der generativen Syntax, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der sog. Inkorporationstheorie. Für den Kontext unserer Arbeit sind sie primär deswegen interessant, weil in verschiedenen Sprachen (insbesondere zahlreichen Bantu-Sprachen) sog. Instrumental- und Benefaktiv-Applikative möglich sind, deren Bildung im Zusammenhang mit dem Argument- bzw. Adjunktstatus der betreffenden Konstituenten zu sehen ist. Applikative zeichnen sich dadurch aus, daß ein zugrundeliegendes obliques oder indirektes Objekt an der syntaktischen Oberfläche als direktes Objekt erscheint. Das Vorliegen einer applikativen Konstruktion wird durch die Präsenz eines entsprechenden morphologischen Markers angezeigt, die applikative Konstruktion ist mit der nicht-applikativen bedeutungsgleich. In der Theorie BAKERS (1988a) werden ApplikativKonstruktionen als Resultat eines Kopfbewegungsprozesses angesehen, bei dem der präpositionale Kopf einer P P aus dieser P P herausbewegt und in das die P P regierende Verb inkorporiert wird. Diese Inkorporation ist ein Vorgang von Adjunktion einer X°-Kategorie (hier: P°) an eine andere X°-Kategorie (nämlich V o ). Dabei verändern sich die Kasusrektionsbedingungen: Wenn eine Präposition zum Beispiel vor der Inkorporation einem Komplement obliquen Kasus zuweist, kann der durch Inkorporation entstandene komplexe Ausdruck zum Beispiel strukturellen Kasus zuweisen. Das BAKERsche "Government Transparency Corollary" (BAKER (1988a:289) stellt sicher, daß das durch die Kopfbewegung gestrandete NP-Komplement des präpositionalen Kopfes regiert ist. 2 Die zurückbleibende Kopfspur ist regiert, d.h. die P P fungiert - obwohl es sich um eine maximale Projektion handelt - nicht als Barriere. Vereinfachend gesagt: Die Bewegung eines Kopfes X öffnet die Barriere XP (vgl. STERNEFELD (1991:135). Die entsprechende Inkorporationsstruktur sieht schematisch wie folgt aus: 2

BAKER (1988a: 64): "The Government Transparency Corollary (GTC): A lexical category which has an i t e m incorporated into it governs everything which the incorporated i t e m governed in its original structural position".

137

Instrumentalphrasen, Benefaktive und „freie Dative" VP

V

PP

V^p,

P^NP I t,

NP

Im Deutschen werden gelegentlich die Dative Shift-Verben (die unten unter dem Stichwort der Benefaktiv-Alternation diskutiert werden) als Applikative bezeichnet; allerdings sind Applikative in diesem Sinne im Deutschen sehr viel weniger produktiv und morphologisch nicht markiert. Den Bantu-Sprachen vergleichbare overte Inkorporationsvorgänge gibt es im Deutschen nicht. - Wir illustrieren zunächst instrumentale und benefaktive Applikativkonstruktionen am Chichewa, einer von BAKER (1988a) untersuchten Bantu-Sprache. Die Daten entsprechen seinen Daten (168) in BAKER (1988a:300): (11)

a. Mavuto a

-na

-umb

-a

mtsuko.

Mavuto SP PAST formen ASP Wassertopf Mavuto formte den Wassertopf. b. Mavuto a

-na

-umb

-ir

a

mfumu

mtsuko

Mavuto SP PAST formen APPL ASP Häuptling Wassertopf Mavuto formte den Wassertopf für den Häuptling. c. Mavuto a -na -umb -ir a mpeni mtsuko Mavuto SP PAST formen APPL ASP Messer Wassertopf Mavuto formte den Wassertopf mit einem Messer. Obwohl sowohl die instrumentale wie auch die benefaktive ApplikativKonstruktion möglich ist, verhalten sich die beiden Rollen unter Inkorporation unterschiedlich: Während die Thema- und die Instrumentalrolle inkorporiert werden können, wird die Benefaktiv-Rolle nicht inkorporiert. Unter der allgemeinen Voraussetzung der Inkorporationstheorie, nach der nur Argumente inkorporiert werden können, folgt daraus, daß die Instrumentalrolle direkt vom Verb thematisch markiert wird (also als Argument aufzufassen ist), während die Benefaktiv-Rolle diese Inkorporationsmöglichkeit nicht aufweist. Dies wiederum wird als Beleg dafür gewertet, daß Benefaktive keine Argumente des Verbs sind, also vom Verb auch nicht ^-markiert werden. Ihre thematische Markierung kommt von der Präposition, während die Präposition in der Instrumentalphrase nur die Funktion eines Kasusmarkers hat. BAKER (1988b) stellt dies schematisch ähnlich wie in der folgenden Abbildung dar. Ich habe allerdings

138

Kapitel 6

die Instrumentalphrase nicht als PP, sondern im Sinne der BAKERschen Analyse als KP (Kasusphrase) repräsentiert 3 :

6.4

Lizensierung von Instrumentalangaben

6.4.1

Semantische Subklassen von Verben mit Instrumentalbegleitern

Die Zulässigkeitsbedingungen von Instrumentalangaben wurden bisher noch nicht thematisiert. Zu den am häufigsten genannten Vorkommensbedingungen von Instrumentalen gehört die Präsenz eines Agens (hier verstanden als kognitive Rolle), das in einem Handlungsereignis das Instrument kontrolliert. Zu unterscheiden ist hier zwischen Handlungsverben mit objektaffizierender Bedeutung, sowie Handlungsverben ohne objektaffizierende Bedeutungskomponente. Die objektaffizierenden Handlungsverben zerfallen in zwei Klassen: 1. Handlungsverben mit objektaffizierender Bedeutung, bei denen ein prototypisches Instrument fest zur Bedeutungsstruktur hinzugehört (die „Grundzüge" sprechen in diesem Zusammenhang von „Instrumentalinkorporation"), bei denen allerdings die syntaktisch overte Realisierung der Instrumentalphrase beschränkt ist (Stichwort: Redundanzvermeidung)4, illustriert in (12)

a. b.

* Peter sägt das Holz mit einer Säge. Peter sägt das Holz mit einer scharfen Säge.

Im Fall dieser instrumentalinkorporierenden Verben findet man in der Literatur Vorschläge zur lexikalisch-konzeptuellen Repräsentation, die sich lesen wie Wörterbuchdefinitionen, vgl. 3

4

Die Superskripte geben jeweis an, zwischen welchen Kategorien die jeweiligen 0-Markierungsrelationen bestehen Die Grammatikalitätsverteilung in (12) ist kontrastiv zu verstehen.

Instrumentalphrasen, Benefaktive und „freie Dative"

(13)

a.

139

"cut" : [ χ produce linear separation in materia] integrity of y, by sharp edge coming into contact with l a t t e r ] ( H A L E h KEYSER 1 9 8 7 : 5 )

b.

"break"

: [EVENT Χ [CAUSE [y [LOSE INTEGRI-

T Y ] ] ] ] (BOUCHARD 1 9 9 1 : 2 9 )

2. Handlungsverben mit objektaffizierender Bedeutung, bei denen die Instrumentalphrase kein stereotypes oder prototypisches Instrument bezeichnet, das Instrument also nicht in die Bedeutungsstruktur inkorporiert ist. Dieser Unterschied wird in den Lexikoneinträgen in (13) ebenfalls notiert: In beiden Fällen liegt ein Verb mit objektaffizierender Semantik vor, nur in einem Fall aber die explizite Aufführung eines Instruments bzw. von Eigenschaften eines Instruments. 3. Handlungsverben ohne objekiaffizierende Semantik, z.B. solche Verben wie beobachten, untersuchen etc., bei denen übrigens auch kein Instrumentalsubjekt möglich ist (s.u.) Die formale Rekonstruktion eines solchen Konzepts wie „Objektaffizierung" gestaltet sich in einem Modell wie bei JACKENDOFF (1990a) zum Beispiel so, daß eine Analyse der lexikalisch-konzeptuellen Struktur des Verbeintrags relativ zu verschiedenen Ebenen (in Anlehnung an die Phonologie als "tiers" bezeichnet) erfolgt, wobei insbesondere der "action tier" die Möglichkeit bietet, zwei Aktereignisse aufeinander zu beziehen, in denen das erste Argument der ACT-Funktion im einen Fall die handelnde Person an einem Instrument und im zweiten Aktereignis das Instrument an einem Patiens ist. 6.4.2

Zur Agensabhängigkeit instrumentaler Modifikation

6.4.2.1

Einleitung

Kommen wir zurück zum Problem der Agensabhängigkeit der Realisierung von Instrumentalphrasen. Wenn der Instrumentalausdruck tatsächlich abhängig ist von der (overten oder inferentiell erschließbaren) Präsenz eines Agens, dann sollten bei den Diathesen des Verbs, die die thematische Struktur betreffen (z.B. sog. Antikausative), in jedem Fall die Ausdrucksmöglichkeiten der Instrumentalphrase wegfallen. Ein gutes Beispiel sind die sogenannten „Mittel-"oder „Medialkonstruktionen", zu deren Grammatik wir zunächst einige einführende Bemerkungen machen müssen.

Kapitel 6

140

6.4.2.2

Allgemeine Eigenschaften von Medialkonstruktionen

Medialkonstruktionen gehören zu den Diathesen des Verbs, die in der generativen Syntaxtheorie intensiv diskutiert worden sind (vgl. u.a. HALE k

KEYSER (1987), KEYSER k

R O E P E R ( 1 9 8 4 ) , ABRAHAM ( 1 9 8 6 , 1 9 8 8 ,

1 9 9 0 ) , H A I D E R ( 1 9 8 5 ) , FAGAN ( 1 9 9 2 ) ) , vor a l l e m vor d e m H i n t e r g r u n d d e r

Projektionsmechanismen und -zusammenhänge, die zwischen der lexikalischen Argumentstruktur und der syntaktischen Tiefenstruktur bestehen. Der Begriff der Medialisierung bezeichnet in diesem Kontext einen Valenzrahmenwechsel bzw. eine Transitivitätsalternation vom (in 14) illustrierten Typ (14)

a.

Das Buch liest sich gut.

b.

Bureaucrats bribe easily.

c.

D i e s t o e l zit lekker. ( H O E K S T R A k R O B E R T S ( 1 9 9 3 : 1 8 4 ) )

(Auf dem Stuhl sitzt sich gut) Bei diesen Konstruktionen ist ganz charakteristisch, daß eine adverbiale Komponente - die im transitiven Satz oberflächensyntaktisch optional ist - obligatorisch wird. Deutlicher als im Deutschen, wo durch die Auslassung der Modifikation eine (marginal verwendete) elliptische Lesart entsteht, ist dies im Englischen, vgl. (15)

a.

? Das Buch liest sich, (elliptisch, aber deutlich markiert für: Man kann dató Buch gut lesen.)

b.

* Bureaucrats bribe.

niemals möglich. Das adverbiale Element hat also in dieser Konstruktion den Status einer Ergänzung. KEYSER k

ROEPER (1984) gehen davon aus, daß Mittelkonstruktio-

nen generische Aussagen machen, also Propositionen ausdrücken, "that are held to be generally true" ( K E Y S E R k

ROEPER ( 1 9 8 4 : 3 8 4 ) ) . Sie be-

schreiben also - etwa im Gegensatz zu ergativen Konstruktionen, die ansonsten (bis zum Beispiel auf die Notwendigkeit adverbialer Modifikation, die j a - wie gesagt - bei der ergativen Konstruktion nicht gegeben ist) viele Gemeinsamkeiten mit Medialkonstruktionen zu haben scheinen - keine Ereignisse mit veränderlichen räum-zeitlichen Koordinaten. Im Englischen ist dies leicht illustrierbar durch die Nicht-Kombinierbarkeit einer entsprechenden Konstruktion mit einer Temporalangabe, vgl. (16)

a.

* Bureaucrats bribed easily this morning.

b.

? Autos fahren sich heute gut.

c.

Das Auto fährt sich heute gut.

Instrumentalphrasen, Benefaktive und „freie Dative"

141

Das einhellige Urteil in der Literatur lautet: Mittelkonstruktionen sind mit spezfischer Zeitreferenz, wie sie durch spezifische Temporalangaben ausgedrückt wird, inkompatibel. Dies erklärt auch das Fragezeichen in (16b); der Satz ist nur dann vollständig akzeptabel, wenn das Temporaladverb heute nicht spezfisch den heutigen Tag (bezogen auf den Außerungszeitpunkt) meint, sondern allgemeiner so etwas wie heutzutage ausdrücken soll. Der Satz in (16c) scheint ein Gegenbeispiel zur behaupteten Inkompatiblität zu sein und auch zu einer weiteren, häufig zitierten Eigenschaft von Medialkonstruktionen im Widerspruch zu stehen. Medialkonstruktionen sind danach mit "the existence of a single individual satisfying the description" ( HOEKSTRA L· ROBERTS (1993:87)) inkompatibel. Der Unterschied ist hier: Es ist tatsächlich ein ganz spezifisches Fahrzeug gemeint; diese Lesart wird durch den definiten Artikel sozusagen erzwungen. Die diesem Fahrzeug in der Konstruktion zugeschriebene Eigenschaft ist aber temporal nicht stabil, kann sich also - im Sinne der "stage level" Eigenschaften Kratzers verändern. Dies führt schließlich zu einer Relativierung der ansonsten für generische Aussagen typischen Allgemeingültigkeit der Aussage und eröffnet damit auch die Möglichkeit der temporalen Modifikation. Wir fassen die folgenden typischen Eigenschaften von Mittelkonstruktionen noch einmal zusammen: 1. das logische Subjekt des transitiven Verbs ist in der Konstruktion mit dem Mittelverb nicht syntaktisch präsent und im Gegensatz zum Passiv auch nicht durch eine von-Phrase substituierbar; 2. das strukturelle Subjekt entspricht wie in der Passivkonstruktion dem logischen Objekt; 3. in Abhängigkeit von der jeweiligen Einzelsprache kann das Vorkommen eines pronominalen, nicht-referenten und nicht-reflexiven Pronomens obligatorisch sein. 4. Adverbiale Modifikation ist obligatorisch. Wir beschäftigen uns im folgenden nicht mit den Eigenschaften der Mittelkonstruktion als solcher (auch nicht der Frage der konkreten Herleitung der Konstruktion, sei es nun durch einen syntaktischen oder einen lexikalischen Prozess, in dessen Verlauf die thematische Struktur verändert wird), sondern mit der ganz konkreten und speziellen Frage der Einbettung von Instrumental-Phrasen in den Konstruktionstyp sowie der Frage, welche obliquen Kasus und Konstituenten mit Adjunktcharakter in Medialkonstruktionen vorkommen können.

142

Kapitel 6

6.4.2.3

Mittelkonstruktionen und das P r o b l e m instrumentaler Modifikation

Wir kommen nun zur Analyse von Instrumentalphrasen, die als Begleiter des antikausativen bzw. medialisierten Verbs auftreten können. (17)

a.

Peter zerbricht die Scheibe mit einem Hammer.

b.

Die Scheibe zerbricht.

c. d.

Die Scheibe zerbricht sich mit einem Hammer schnell.

e.

Der Hammer zerbricht die Scheibe.

f.

Die Scheibe wird zerbrochen.

g.

Die Scheibe wird mit einem Hammer zerbrochen.

h. i.

(18)

* Die Scheibe zerbricht mit einem Hammer.

* Die Scheibe zerbricht von Peter. * Die Scheibe zerbricht sich von Peter schnell.

j.

Die Scheibe wird von Peter zerbrochen.

a.

Peter löst das Problem mit einem Computer.

b.

Der Computer löst das Problem.

c.

Das Problem löst sich mit dem Computer schnell.

Folgende Beobachtungen sind aus diesen Datenverteilungen abzulesen: 1. Das Vorkommen eines Agens ist die Voraussetzung für die Ausdrucksmöglichkeit des Instrumentalausdrucks (vgl. (17c)); der Vergleich mit den Passivkonstruktionen in (17f) und (17g) zeigt, daß die overte, d.h. oberflächensyntaktische Realisierung keine Voraussetzung ist. Im Passiv wird die Agens-Rolle allerdings nicht semantisch getilgt, d.h. sie kann im Gegensatz zur antikausativen (ergativen) Konstruktion (vgl. die Ungrammatikalität von (17h)) durch eine PP wiederaufgenommen werden; dies wird in (17j) gezeigt. Diese NichtWiederaufnehmbarkeit der Agens-Rolle liegt allerdings auch in der Medialkonstruktion vor, vgl. (17k). 2. Ein instrumentales Subjekt ist umso akzeptabler, j e „selbsttätiger" das Instrument ist. Dies korrelliert mit der Möglichkeit, daß der Instrumentalkasus eine Art „kognitives Kontinuum" 5 mit der 5

Zu fragen ist hier natürlich, ob die Kontinuität als Kontinuum linguistischer oder konzepiueller Kategorien zu rekonstruieren ist. Das Problem, das sich hier stellt, scheint mir vergleichbar dem Problem der Abbildung des kontinuierlichen

Instrumentalphrasen, Benefaktive und „freie Dative"

143

Agens-Rolle bildet, und zwar entsprechend den Prominenzhierarchien, nach denen thematische Rollen in der Subjektposition erscheinen können (vgl. unten); eine instrumentale Deutung des Subjekts ist also möglich, ohne daß ein vom Instrument unabhängiges Agens vorliegt. Das instrumentale Subjekt scheint eher beide Aspekte in sich zu vereinigen. 3. Medialkonstruktionen (17d, 18c) lassen eine instrumentale Modifikation zu, obwohl ein Agens nicht mehr ohne weiteres nachweisbar ist (es ist allenfalls implizit vorhanden) 6 . Das Problem ist hier, daß der semantische Typ des Satzes verändert ist, d.h. es handelt sich nicht mehr um einen Handlungssatz, sondern um eine Eigenschaftsbeschreibung. Ein Indiz für die Präsenz eines Agens ist die Kombinierbarkeit eines entsprechenden Satzes mit agensmodifizierenden Adverbien, die im Falle der Ergativkonstruktionen eben nicht gegeben ist - genau wie auch eine Wiederaufnahme des Agens durch eine präpositionale Phrase im Medialfall (im Gegensatz zum Passiv, vgl. die Daten in (17)) nicht möglich ist, vgl. (19)

a.

Peter zerbricht die Scheibe freiwillig/absichtlich (mit einem Hammer).

b.

* Die Scheibe zerbricht freiwillig/absichtlich (mit einem Hammer).

c.

Die Scheibe wird absichtlich/freiwillig zerbrochen.

d.

* Die Scheibe zerbricht sich freiwillig/absichtlich (mit einem Hammer).

Das Vorkommen eines Instrumentalausdrucks kann also vom Vorkommen bzw. der Präsenz eines Agens einerseits nicht gelöst werden, andererseits ist das Agens auch nicht mehr so zugänglich wie zuvor (zum Beispiel bezogen auf agensorientierte Modifikation). Wir folgern daraus: Verändern grammatische oder lexikalische Prozesse die Argumentstruktur oder die Sprachsignals auf die diskreten Kategorien der Phonologie bzw. der phonologischen Beschreibungssprache. Mir scheint es prinzipiell denkbar zu sein, im Bereich der kognitiven/thematischen Rollen eine vergleichbare Situation zu konstatieren, die sich so darstellt, daß kognitv gesprochen ein entsprechendes Interpretationskontinuum vorliegt, welches dann - im Rahmen der lexiko-syntaktischen und -semantischen Rekonstruktion - auf diskrete Kategorien einer Beschreibungssprache, eben die Kategorien der thematischen Rollen abzubilden sei. Was immer das konkret bedeuten mag; indirektes Indiz für die weiterbestehende Präsenz des Agens trotz fehlender syntaktisch-overter Realisierung sind Paraphrasierungen wie Man kann die Scheibe (schnell) mii einem Hammer zerbrechen.

144

Kapitel 6

thematische Struktur eines Verbs derart, daß die Agensrolle getilgt wird, dann bleiben davon die Ausdrucksmöglichkeiten für die Instrumentalphrase davon nicht unberührt (vgl. Ergativkonstruktionen). Die Agensrolle bleibt als Lizensierungselement im Falle des medialisierten Verbs vorhanden, steht für agensorientierte Modifikation aber nicht mehr zur Verfügung. Wir erhalten eine Art „Agentivitätshierarchie", die sich wie folgt darstellen läßt (mit HV= Handlungsverb, pHV = passiviertes Handlungsverb, mHV = medialisiertes Handlungsverb und eHV = ergatives Handlungsverb): (20)

HV -< pHV -< mHV -< eHV

Das medialisierte Handlungsverb mHV steht in der Hierarchie zwischen pHV und eHV und läßt, wie gesagt, die adverbiale Modifikation zu (die tatsächlich als Modifikation aufzufassen ist, weil die Instrumentalphrase nicht an die Stelle des adverbialen Komplements treten kann); mit dem Ubergang von pHV zu mHV wird allerdings die Hierarchiegrenze für agensorientierte Modifikation überschritten. Überlegungen wie diese sprechen m.E. eindeutig gegen eine diskontinuierliche Behandlung thematischer Rollen; vielmehr gibt es kontinuierliche Abstufungen zwischen den Rollen, die sich im grammatischen Verhalten zeigen und die, wenn man solche Begriffe wie „Agens, „Patiens" etc. als diskrete Kategorien einer Beschreibungssprache für die formale Rekonstruktion verwendet, verlorengehen. Für die Unterscheidung zwischen ergativer Konstruktion und Mittelkonstruktion, insbesondere bezogen auf die implizite Präsenz des . Agens in der Mittelkonstruktion, scheint mir auch folgende Datenverteilung interessant zu sein: (21)

a.

* Es ist leicht, daß die Scheibe zerbricht.

b.

Es ist leicht, PRO die Scheibe zu zerbrechen.

c.

* Es ist schnell, PRO die Scheibe zu zerbrechen.

Diese Paraphrasen zeigen, daß im Falle der ergativen Konstruktion das modifizierende Adverb nicht in einer es-Herausstellung ausgedrückt werden kann, während dies bei der medialisierten Verwendung des Verbs (natürlich nur in Abhängigkeit von der Semantik des Adverbs bzw. Adjektivs) möglich ist. In dem Fall, in dem dies möglich ist, ist dann eine Infinitivkonstruktion zu bilden, die üblicherweise als Subjekt über ein leeres pronominales Element PRO verfügt. Dieses analysiere ich als Träger der impliziten Agens-Rolle. Da ein solches PRO-Element für die ergative Konstruktion nicht anzusetzen ist, ist auch die Agens-Rolle nicht präsent

Instrumentalphrasen, Benefaktive und „freie Dative"

145

(nicht einmal implizit präsent, wobei implizite Präsenz in der Medialkonstruktion bedeutet: gebunden an das leere Pronomen PRO). Die Ungrammatikalität der Paraphrase in (21) ergibt sich aus der Tatsache, daß hier eine prädikative Paraphrasierung gewählt wurde. Man vergleiche im Gegensatz dazu die folgenden Beispiele: (22)

a.

Es geschieht schnell, daß die Scheibe zerbricht.

b.

Es geschieht leicht, die Scheibe zu zerbrechen.

c.

Es geschieht leicht, daß die Scheibe zerbricht.

Diese Verteilung ist damit zu erklären, daß im Falle der ergati ven Konstruktion der Ereignischarakter erhalten bleibt, der hier explizit durch das Verb geschehen ausgedrückt wird; in diesem Sinne ist in (22a) bis (22c) das Adverb bzw. prädikative Adjektiv der Matrixkonstruktion ein Ereignismodifikator bzw. eine Prädikation über das beschriebene Ereignis. Es werden keine Eigenschaftsaussagen mehr über die Scheibe gemacht. Dafür spricht auch die Tatsache, daß temporale und aspektuelle Modifikatoren die Stelle der Adjektive einnehmen können, wenn das Verb geschehen heißt. Dies ist dann aber auch immer an die Finitheit des eingebetteten Satzes gebunden, infinite Komplementation scheidet eindeutig aus. In der prädikativen Verwendung ist die Ungrammatikalität des entsprechenden Modifikators selbsterklärend: (23)

a.

Es geschieht häufig, daß die Scheibe zerbricht.

b.

Es geschieht in wenigen Minuten, daß die Scheibe zerbricht.

c.

* Es geschieht häufig, PRO die Scheibe zu zerbrechen.

d.

* Es geschieht in wenigen Minuten, PRO die Scheibe zu zerbrechen.

e.

* Es ist häufig, PRO die Scheibe zu zerbrechen.

f.

* Es ist in wenigen Minuten, PRO die Scheibe zu zerbrechen.

Ganz analoge Verteilungen finden wir auch, wenn wir Konstruktionen mit agensorientierten Adverbien bilden: (24)

a.

* Es ist/geschieht absichtlich, daß die Scheibe zerbricht.

b.

* Es ist/geschieht absichtlich, PRO die Scheibe zu zerbrechen.

c.

* Es ist/geschieht absichtlich, daß die Scheibe zerbrochen wird.

Auch hier zeigt sich, daß diese agensorientierte Modifikation ausschließlich dann zugelassen ist, wenn im eingebetteten Satz eine Passivkonstruktion

146

Kapitel 6

mit implizitem Agens vorliegt; das implizite PRO reicht als Träger der Agens-Rolle zur Lizensierung nicht aus. Die Frage ist noch zu beantworten, in welcher syntaktischen Position sich das PRO-Element in der Mittelkonstruktion denn befindet. Die Subjektposition des Satzes wird ja durch das bewegte Objekt besetzt. Ich mache dazu in Anlehnung an H O E K S T R A & R O B E R T S (1993) den folgenden Vorschlag: PRO befindet sich in der Spezifikator-Position der VP. Auch diese Analyse bedarf weiterer Absicherung und Präzisierung, für die an dieser Stelle kein Raum mehr bleibt. Folgende wichtige Punkte seien aber festgehalten. Die NP, die als Oberflächensubjekt erscheint, wird in Objektposition generiert und saturiert hier die entsprechende Argumentposition des verbalen Theta-Grids. Auf der nächsten Projektionsebene kommt es zur Theta-Bindung der Ereignisvariablen des Verbs. Dieser Vorgang ist spezifisch für Mittelkonstruktionen, da bei „normaler" adverbialer Modifikation diese Ereignisstelle eben nicht saturiert wird, sondern nur mit der entsprechenden Position des Adverbs „gemergt" und unsaturiert weitergegeben wird. Die Ereignisbindung wird deswegen postuliert, weil nur auf diese Weise der Nicht-Ereignischarakter von Mittelkonstruktionen erklärbar wird. Auf der VP-Ebene schließlich wird das Agens bzw. die externe Theta-Rolle des Verbs durch PRO saturiert, für das wir ebenfalls eine Argumentposition annehmen müssen. Daraus folgt, daß auf der IP-Ebene bereits alle Argumentstellen saturiert sind. Sollten nun doch noch Modifikatoren hinzutreten, so geschieht dies unabhängig von der durch das Verb bereitgestellten Ereignisvariablen (etwa in dem Sinne, wie W I L L I A M S (1994) dies anzudeutet; vgl. dazu auch Kapitel 2 dieser Arbeit). Wir beenden an dieser Stelle unsere Medialdiskussion (die zugegebenermaßen zahlreiche lose Enden aufweist) und wenden uns wieder der Instrumentaldiskussion im engeren Sinne zu. 6.4.2.4

Instrumentalinkorporierende Verben 7

Wie sieht es mit den instrumentalen Modifikationsmöglichkeiten bei instrumentalinkorporierenden Verben aus, bei denen das Instrument zur Bedeutungsstruktur fest hinzugehört? Es muß hier einen Mechanismus geben, der die Abbildung des semantisch präsenten Instruments auf eine thematische Rolle, die dann eine Argumentposition lizensieren könnte, verhindert. Eine gänzlich andere Option hingegen bestünde darin, die Gramma7

Der Begriff der „Inkorporation" wird an dieser Stelle als deskriptiver Begriff verwendet und nicht als technischer Begriff im Sinne BAKERS (1988a).

Instrumentalphrasen, Benefaktive und „freie Dative"

147

tikalitätsverteilungen in (19) nicht auf die Kerngrammatik im engeren Sinne zurückzuführen, sondern die durch Sterne markierten Abweichungen zu erklären mit dem Hinweis auf die Inkompatibilität der betreffenden Aussage mit unserem Wissen über die Welt, also den Versuch, Weltwissen und pragmatische Inferenzen als Erklärungsinstanzen ins Feld zu führen. Eine solche Lösung scheint mir deswegen nicht plausibel, weil die illustrierten Diathesen selbst j a in einem systematischen Zusammenhang stehen, der die Agens-Rolle jeweils involviert. Eine Verschiebung der Erklärung der Ungrammatikalität (die man dann gar nicht mehr so nennen dürfte) auf die genannten außergrammatischen Faktoren (pragmatische Inferenz, konzeptuelles Wissen und Weltwissen) resultierte dann in einem Hybrid.

6.4.3

G i b t es e i n e K o n t i n u u m s d e u t u n g der I n s t r u m e n t alitât?

Instrumentalphrasen - insbesondere solche, die von einer Präposition wie mit eingeleitet werden - bewegen sich bezüglich ihrer Interpretation innerhalb eines kognitiven Kontinuums, d.h. es gibt - so die These - eine Art Spektrum der Interpretierbarkeit von Instrumentality über Art & Weise bis hin zum Komitativ/Assoziativ (vgl. S C H L E S I N G E R ( 1 9 7 9 , 1 9 8 9 ) ) . 8 Um deutlicher zu machen, worin das Kontinuums-Problem besteht, vergleichen wir die Daten in (25) und (26): (25)

(26)

a.

Peter zerbricht die Scheibe mit einem Hammer. (Instrumental)

b.

Peter zerbricht die Scheibe mit roher Gewalt. (Art u. Weise, Instrumental)

c.

Peter zerbricht die Scheibe mit Begeisterung. (Art u. Weise)

d.

Peter zerbricht die Scheibe mit Hans. (Komitativ)

a.

* Peter zerbricht die Scheibe mit einem Hammer und mit Hans.

b.

Peter zerbricht die Scheibe mit einem Hammer mit roher Gewalt.

Eine Alternative wäre der Versuch, die unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten aus der Polysemie der Präposition abzuleiten, wobei das Problem dann von der Bedeutungsrepräsentation des Verbs (welche ein Instrument entweder inkorporiert oder mindestens impliziert) auf die Ebene der Bedeutungsrepräsentation der Präposition verlagert würde. JACKENDOFF (1990a) scheint eine solche Strategie zu verfolgen, indem er unterschiedliche Adjunktregeln für Instrumentale, Benefaktive etc. vorschlägt, d.h. er argumentiert für eine KorrespondenzregelLösung des Kontinuum-Problems.

148

Kapitel 6

c.

* Peter zerbricht die Scheibe mit einem Hammer und mit roher Gewalt.

d.

Peter zerbricht die Scheibe mit Hans und mit roher Gewalt.

Der Konjunktionstest in (26) illustriert, daß es sich tatsächlich immer um verschiedene kognitive Rollen handelt. In (25b) ist nicht eindeutig entscheidbar, ob die m¿i-Phrase instrumental oder zur Markierung einer Bestimmung der Art und Weise gedeutet wird, denn eine instrumentale Paraphrasierung ist möglich. Auch das gemeinsame Vorkommen von beiden kognitiven Rollen führt zu keinem Grammatikalitätsverstoß. Für Angaben der Art und Weise ist typisch, daß sie mittels eines Adverbs paraphrasierbar sind, vgl. (27)

a.

Peter benutzt rohe Gewalt, um die Scheibe zu zerbrechen.

b.

Peter zerbricht begeistert die Scheibe.

Das Problem ist: Wie verhalten sich das Kontinuum der Interpretation und die Implikation eines (abstrakten) Instruments bei Handlungsverben zueinander? Zunächst scheint es j a so zu sein, als sei das Instrument lexikalisch-semantisch impliziert, wobei die syntaktisch overte Realisierung 1. reglementiert ist über pragmatische Prozesse der Redundanzvermeidung (bei den instrumentalinkorporierenden) und 2. gesteuert durch die Präsenz eines Agens sowie 3. lexiko-semantisch nicht vorbestimmt bei nicht-affizierenden Verben. Da dieses Agens nicht overt realisiert sein muß, wie die Medialkonstruktionen zeigen, spricht einiges dafür, dieses Agens nur auf der Ebene der kognitiven (konzeptuellen) Struktur anzusetzen und nicht thematisch d.h. in die Schnittstelle zur Syntax - zu projizieren. Weiterhin sprechen Beispiele wie (29d) und (30e) dafür, die kognitiven Rollen Agens und Instrument zu assimilieren, um der Tatsache gerecht zu werden, daß die Instrumentalrolle als Subjekt (zumindest in der Oberfläche) ausgedrückt wird und dabei noch über Merkmale von Agentivität verfügt. Eine entsprechende Assimilation zwischen Instrumental und Angaben der Art und Weise (vgl. (25b)) ist ebenfalls möglich: (28)

a. b. c.

Peter schneidet das Brot mit dem Messer. ? Das Messer schneidet das Brot. Das Brot schneidet sich gut.

Instrumentalphrasen, Benefaktive und „freie Dative"

(29)

a. b.

(30)

Peter beobachtet den Hirsch mit dem Fernrohr. * Das Fernrohr beobachtet den Hirsch.

c.

Der Hirsch beobachtet sich gut.

a.

Peter untersucht die Probe mit dem Mikroskop.

b. c.

149

* Das Mikroskop untersucht die Probe. Die Probe untersucht sich schnell.

Diese Unterschiede sind unter Umständen geeignet, die Instrumentalrolle im Sinne eines Kontinuums weiter aufzuschlüsseln. Während in (28a) wie auch bei den instrumentalinkorporierenden Verben - das Instrument die Handlungen bzw. Verrichtungen an einem Thema (bzw. „affizierten Objekt") vermittelt, ist dies bei den Beispielen in (29) und (30) nicht der Fall. Hier sieht es vielmehr so aus, daß es sich 1. nicht um prototypische Affizierungs-Verben (oder im weitesten Sinne: kausative Verben) handelt, 2. daß die Vermittlung einer Handlung durch das Instrument auf das Objekt schon aufgrund der Semantik des Verbs nicht möglich und 3. daß eine Subjektfähigkeit des Instruments nicht gegeben ist. Inwieweit Eigenschaften des Instruments selbst wieder dessen Subjektfähigkeit beeinflussen, ist unklar. Man vergleiche dazu solche Beispiele wie Peter untersucht die Probe mit dem Computer vs. Der Computer untersucht die Probe. Festzustehen scheint jedenfalls: Das Vorhandensein eines Agens kann die instrumentale Rolle nicht semantisch lizensieren, weil die instrumentale und die agentive Rolle gar nicht strikt voneinander zu trennen sind.

6.4.4

Affiziertheit und aspektuelle Dimension

Noch einige abschließende Bemerkungen zum Thema „Affiziertheit". Durch eine Verbhandlung wird ein Objekt dann affiziert, wenn sich sein Zustand oder seine Beschaffenheit durch die vom Verb ausgedrückte Manipulation verändern. Dies ist beim Schneiden des Brotes sicherlich der Fall, nicht aber bei der Beobachtung des Hirsches. Beide Ereignisse terminieren selbstverständlich zu einem bestimmten Zeitpunkt, wobei aber der Terminationspunkt des Durchschneidens des Brotes spätestens „intern" dadurch begrenzt wird, daß das Objekt des Schneidens (nämlich das Brot) seinen

150

Kapitel 6

Zustand so verändert hat, daß es nicht mehr weiter aufgeschnitten werden kann. Der Beobachtungsvorgang hingegen ist nur extern begrenzbar, nicht dadurch, daß der Hirsch seinen Zustand in einer Weise verändert hat, der eine weitere Beobachtung nicht mehr ermöglicht. Er bleibt von der Verbalhandlung also „unaffiziert" im so verstandenen Sinne. Mit dieser Sichtweise wird klar, daß Affiziertheit einen eindeutig aspektuellen Charakter annimmt. Wenn wir ein weiteres Mal auf die von PUSTEJOVSKY entwickelten Vorstellungen zur Ereignisstruktur zurückkommen (die aber aus Gründen, die ja bei der Kritik an GRIMSHAW im vierten Kapitel deutlich wurden, keinen endgültigen Anspruch auf Abgesichertheit erheben können), dann können wir von folgender Hypothese ausgehen: Verben mit objektaffizierender Semantik verfügen über eine komplexe Ereignisstrukturanalyse in dem Sinne, daß sie einen Übergang darstellen, und zwar von einem Prozess in einen Zustand. Der Ubergang (bzw. die „Transition") hat also eine ereignistheoretische Substruktur, die wir in einer einfachen Strukturdarstellung in der folgenden Abbildung illustrieren 9 : Durch diese Analyse der Ereignisstruktur in Sub-Ereignisse entstehen zwei Teilstrukturen, die als mögliche Modifikationsanker für Adjunkte in Frage kommen: Modifiziert werden kann einmal der Prozess-Aspekt des Ereignisses oder aber der Zustands-Aspekt des (komplexen) Ereignisses. Aufgrund dieser Tatsache ist es tatsächlich so, daß ein Satz wie (31)

Peter hat das Brot fast/beinahe geschnitten.

ambig ist, nämlich mit einem Bezug des Aspektmodifikators auf prinzipiell beide Teilaspekte des komplexen Ereignisses. Die beiden Deutungen werden in der Paraphrasierung in (2) wiedergegeben: (32)

a.

Fast/Beinahe hat Peter das Brot geschnitten, aber er hat es dann doch nicht getan (im Sinne von: Er hat dann doch nicht damit begonnen).

b.

Peter hat das Brot fast/beinahe geschnitten, aber es nicht ganz geschafft (im Sinne von: Er hat zwar begonnen, aber nicht das ganze Brot geschafft).

Strukturell abbildbar wird dies durch die Adjunktion des Aspektmodifikators an eines der beiden Sub-Ereignisse. Auf diese Weise wird auch klar, daß der Instrumentalausdruck - in diesem Fall mit dem. Messer - nur auf das erste Subereignis, also den Prozess-Anteil bezogen werden kann, denn ein Zustand (vermittelt durch ein Instrument) ist nicht vorstellbar, sehr 9

Es ist hier n a t ü r l i c h möglich, d a ß das konkrete Ereignis zu einem Z e i t p u n k t t e r m i n i e r t , a n d e m d a s Brot noch nicht ganz zerschnitten ist; dies ä n d e r t a b e r nichts darein, d a ß die E r e i g n i s s t r u k t u r des Verbs komplex bleibt. Die A b k ü r z u n gen b e d e u t e n : S = schneiden, b = B r o t , ZS = zerschnitten

Instrumentalphrasen, Benefaktive und „freie Dative"

151

wohl aber ein Vorgang, der über das Instrument vermittelt wird. In diesem Sinne verhält sich der Instrumentalausdruck genau wie ein beliebiger anderer Ausdruck zur Modifikation der Art & Weise, etwa (33)

Peter schneidet das Brot langsam.

Auch hier ist das Adverb nur auf das erste Teilereignis zu beziehen. Ein Verb wie beobachten hat nun keine komplexe Ereignisstrukturanalyse im Sinne einer Transition aufzuweisen. Es handelt sich ausschließlich um einen Prozeß. Daraus ergibt sich, daß nur diese Ereigniskomponente auch modifizierbar ist und Ambiguitäten, wie sie bei einem komplexen Ereignisverb durch die Modifikation mittels eines Aspektmodifikators vorstellbar sind, nicht Zustandekommen. Das bedeutet, daß in einem Satz wie (34)

Peter hat fast/beinah den Hirsch beobachtet.

nur die Interpretation möglich ist, daß der Vorgang des Beobachtens beinahe stattgefunden hat. 1 0 Entsprechend ist auch eine instrumentale Modifikation nur dieses Prozess-Ereignisses möglich. Was passiert mit den Ereignisstrukturen des Verbs, wenn das Subjekt durch das Instrument ersetzt wird? Nun, das Instrument besetzt die Position des Agens (d.h. die erste Argumentstelle des Handlungsverbs schneiden bzw. beobachten), es erscheint jedensfalls nicht mehr „adjungiert" in der Position eines Modifikators. Ob dies überhaupt möglich ist, hängt von der Kompatibilität der semantischen Merkmale ab (im Sinne der oben intuitiv genannten „Selbsttätigkeit" etc.); wenn es möglich ist, wie im Fall des Computers, bedeutet dies aber auch, daß eine weitergehende aspektuelle Modifikation des Prozess-Teilereignisses nicht mehr realisierbar ist. Um dies zu veranschaulichen, betrachten wir das folgende Beispiel: (35)

Der Computer hat die Probe fast untersucht.

Dieser Satz ist nur so zu verstehen, daß die Untersuchung fast abgeschlossen ist; der Aspektmodifikator bezieht sich also nur auf das zweite Teilereignis. In dem Fall, wo ein echtes Agens vorliegt und der Computer nur das kontrollierte Instrument darstellt, bleibt die Ambiguität erhalten: (36)

Peter hat die Probe fast mit dem Computer untersucht.

Dieser Satz kann den Aspektmodifikator auf beide Teilereignisse beziehen (das Instrument natürlich nur auf das erste), also bedeuten, daß Peter fast begonnen hätte, die Probe mit dem Computer zu untersuchen, oder aber 10

NlEUWHOF (1993) kommt bei seiner konzeptuell-semantischen Analyse des Distributionsverhaltens von Adverbien im Niederländischen unabhängig zu ähnlichen Ergebnissen.

152

Kapitel 6

bedeuten, daß die Untersuchung fast abgeschlossen ist. Mit anderen Worten: Obwohl das Verb untersuchen nicht im selben Sinne objektaffizierend ist wie schneiden, verfügt-es dennoch über eine komplexe Ereignisstrukturanalyse in dem Sinne, daß die Untersuchung eines Gegenstandes bzw. einer Probe irgendwann in einem Ergebnis „resultiert , also intern begrenzt ist (so wie dies auch für Schneiden-Ereignisse gilt). Dies ist bei Beobachtungs-Ergebnissen eben nicht der Fall.

6.5

Benefaktive Phrasen und das Problem der „freien Dative"

6.5.1

Einleitung

Hintergrund ist im Zusammenhang mit dem Problem der Analyse von Benefaktiven wie auch schon bei den Instrumentalphrasen die Frage, ob es sich bei Benefaktiven um Adjunkte oder Argumente zum Verb handelt. Hier ist besonders die entsprechende Einordnung von „freien Dativen" zu leisten. Dative bzw. Dativobjekte kommen sowohl als valenzgebundene als auch als freie Dative vor. Als Ergänzung bzw. Argument eines Prädikats übernimmt das Dativobjekt eine ganze Reihe von semantischen Funktionen. Bestimmte intransitive Verben und Adjektive (im prädikativen Gebrauch) selegieren Dativ-Subjekte, vgl. (37)

a.

Mir/Mich schwindelt.

b.

Mir/Mich graust.

c.

Mir ist übel.

d.

Mir ist schwindelig.

Wenn die Subjektposition durch ein Expletivum besetzt ist, kann aber auch eine Dativrealisierung in Objektposition erfolgen; eine Vertauschung zwischen Expletivum und Dativobjekt (in dem Sinne, daß das Expletivum satzfinal erscheint), ist aber nur im Fall der Verben möglich, vgl. (38c) und (38d) vs. (39c) und (39d): (38)

(39)

a.

Es schwindelt mir/?mich.

b.

Es graust mir/mich.

c.

Mir/Mich graust es.

d.

Mir/Mich schwindelt es.

a.

Es ist mir übel.

Instrumentalphrasen, Benefaktive und „freie Dative"

b.

Es ist mir schwindelig.

c.

Mir ist es schwindelig.

d.

Mir ist es übel.

e.

* Mir ist übel es.

f.

* Mir ist schwindelig es.

Bei transitiven Verben sind Dative als „Betroffenheits-" und „Verantwortlichkeits-Dative" bekannt (vgl. (40) und (41)). (40)

(41)

a.

Das Buch gefällt mir.

b.

Das Argument leuchtet mir ein.

a.

Die Möbel verbrennen ihm.

b.

Das Glas zerbricht ihm.

153

als

Diese Dativkonstruktionen sind häufig systematisch bezogen auf sog. „ergative Verben", bei denen das direkte Objekt des transitiven Verbs zum Subjekt des Dativverbs wird, das Subjekt hingegen zur Dativergänzung (vgl. EISENBERG (1989:301)). Diese Alternation ist nicht bedeutungserhaltend, wie man durch entsprechende Testverfahren zeigen kann: (42)

a.

Er verbrennt die Möbel.

b.

Er tut etwas, und zwar verbrennt er die Möbel. — • Die Möbel verbrennen ihm. — • Die Möbel verbrennen.

c.

Ihm passiert etwas, und zwar verbrennen ihm die Möbel.

(43)

Er verbrennt ihr die Möbel. — • Er verbrennt die Möbel für sie. — • Er tut etwas für sie: Er verbrennt ihre Möbel. — • Er tut etwas an ihrer Stelle: Er verbrennt ihre Möbel. —> Er tut ihr etwas an: Er verbrennt ihre Möbel.

Weitere Dative sind der Symmetriedativ, bei dem das Dativobjekt in jedem Falle obligatorisch ist, der Zuwendungsdativ und der Transfer-Dativ, bei dem das Dativobjekt die Goa/-Rolle trägt (bzw. den Rezipienten realisiert): (44)

(45)

a.

Er ähnelt ihm.

b.

Sie begegnen ihm.

a.

Er dankt ihr.

154

(46)

Kapitel 6

b.

Er droht ihr.

a.

Er gibt ihr das Geschenk.

b.

Er verkauft dem Teufel seine Seele.

Bedeutend unklarer sind die Fälle der folgenden Dativkonstruktionen in bezug auf ihre Einordnung als Angaben bzw. Ergänzungen. D a t i v u s ethicus. Zuerst ist der dativus ethicus zu nennen. Er wird nach B E C K E R (1843:234f.; zitiert nach EISENBERG wie folgt charakterisiert: (1989:299)): Eine Beziehung auf ein Empfinden und Begehren drückt insbesondere derjenige Dativ aus, welcher auf eine ganz unbestimmte Weise eine gemütliche Teilnahme der sprechenden oder angesprochenen Person an dem Ausgesagten bezeichnet, z.B. Ich lobe mir das Landleben.

Es sind Euch gar trotzige

Kameraden.

EISENBERG (1989:299) folgert daraus, daß der Sprecher mit der Verwendung des Ethicus sich selbst - oder alternativ: den Adressaten - auf einer kommunikativ-pragmatischen Ebene ins Spiel bringe. Ahnliches gilt auch für den dativus iudicantis, wo der Dativ die Einstellung des Sprechers bzw. dessen Beurteilung eines beschriebenen Sachverhalts oder eines beschriebenen Ereignisses kodiert:

(47)

a.

Du trinkst mir zu viel.

b.

Du bist mir nicht engagiert genug.

In der Topologie des Satzes nimmt der Dativ des Beurteilers die gleiche Stellung ein wie ein dativisches Objekt, ist nach klassischer Auffassung aber keine Ergänzung, „denn er ist nicht im Stellenplan des Adjektivs oder Verbs verankert" ( E I S E N B E R G (1989:299)). Dies ist aber selbstverständlich keine Erklärung. Die Frage muß vielmehr lauten: Warum gehört der Dativ nicht wenigstens als optionales Argument zum Stellenplan hinzu? D a t i v u s iudicantis. W E G E N E R (1985:54f.) analysiert den dativus iudicantis als satzmodifizierend, nicht als prädikatsmodifizierend. Diese These wird von EISENBERG aber abgelehnt, weil der Dativ - wie EISENBERG betont - „eindeutig an die Kookkurrenz mit einem Satzglied gebunden ist". Man vergleiche dazu (48)

a.

Er singt zu laut.

b.

Er singt mir zu laut.

c.

* Er singt mir laut.

Instrumentalphrasen, Benefaktive und „freie Dative"

155

Mir scheint es so zu sein, daß der Ausdruck zu laut immer voraussetzt, daß ein Sachverhalt etc. gegen eine Skala bewertet wird, und zwar im Sinne von (49)

Jemand singt zu laut, und zwar für das Empfinden eines Dritten.

Dieser „Dritte" wird mit dem dativus iudicantis in (48b) explizit genannt, bleibt in (48a) aber unerwähnt. Der Gedanke der Skala ist entscheidend, weil eine einfache Bewertung durch Gradpartikel wie besonders nicht hinreichend ist, um den Iudicantis lizensieren zu können: (50)

a. b.

Er singt besonders laut. ( = Er singt lauter als die Norm) * Er singt mir besonders laut.

Noch deutlicher werden die Abgrenzungsprobleme bei den folgenden Dativtypen: Dativus commodi und dativus incommodi. Wenn es sich bei diesem Dativ des Nutznießers bzw. Dativ des Geschädigten um Angaben handelt, dann sollten sie sich anders als die entsprechenden Dativobjekte verhalten, denen man - aufgrund der Verbsemantik - eine ähnliche Aktantenfunktion wie die des Nutznießers (Benefaktivs) zuordnet. Bei einem Transferverb wie kaufen gehört der Dativ sicher viel enger zur Verbsemantik hinzu als etwa bei putzen, vgl. (51)

a.

Er kauft seinem Sohn neue Schuhe.

b.

Er putzt seinem Sohn die Schuhe.

c.

Er putzt die Schuhe für seinen Sohn.

Die präpositionale Paraphrasemöglichkeit der Dativkonstituente (wie in (51c) ist beim Malefaktiv bzw. dativus incommodi offenbar sehr viel eingeschränkter: (52)

a.

Er lehnt ihr den Antrag ab.

b.

Er lehnt den Antrag ab, den sie gestellt hat.

c.

* Er lehnt den Antrag für sie ab.

Die Konstruktion in (52c) ist natürlich für sich genommen grammatisch wohlgeformt, ist aber keine gültige Paraphrase von (52a). Mit anderen Worten: Der dativus incommodi läßt nicht dasselbe Alternationsverhalten zu wie der dativus commodi. Eine weitere wichtige Einschränkung ist, daß weder der dativus commodi noch der dativus incommodi mit allen Verben vereinbar ist (wie dies bei Temporal- und Lokalangaben in der Regel der Fall ist). Eine ganze Reihe von Verben schließt diese Dative als Erweiterungen aus, insbesondere

156

Kapitel 6

die intransitiven. 1 1 Aber auch bei einer Reihe von transitiven Verben sind dativus commodi und dativus incommodi ausgeschlossen: (53)

a.

Sie versteckt ihm den Brief.

b.

* Sie versteht ihm den Brief.

c.

* Sie genießt ihr/sich den Rotwein.

d.

* Er liest sich das Buch.

Aus der Natur der Sache ergibt sich natürlich, daß im Falle eines intransitiven Verbs ein dativus commodi nur möglich ist, wenn die entsprechende Dativ-Konstituente reflexiv ist. D a t i v u s p o s s e s s i v u s u n d P e r t i n e n z d a t i v . Diese Form der DativErweiterung wird häufig den Ergänzungen (Argumenten) zugerechnet und bezeichnet Konstruktionstypen wie in (54): (54)

a.

Sie trat ihm auf den Fuß.

b.

Er brach sich den Arm.

Wir beenden diesen deskriptiven Uberblick über „freie Dative" und wenden uns der Analyse des Verhältnisses von Dativkonstruktionen und Dative Shift zu.

6.5.2

Zum Verhältnis von Dativkonstruktionen und Dative Shift

Unklar scheint mir insgesamt das Verhältnis der genannten Dativkonstruktionen zu solchen allgemeinen thematischen Rollen wie Benefaktiv zu sein. Mit den Worten der kanonischen Strukturrepräsentation gesprochen sollte es möglich sein, eine Aktantenfunktion bzw. Theta-Rolle wie Benefaktiv als Präpositionalphrase oder als D a t i v - K P zu realisieren (zumindest was den dativus commodi angeht). Andererseits ist es so, daß dieser Konstruktionstyp des Dative Shift im Englischen sehr viel „unschuldiger" gehandhabt wird als für das Deutsche. HOFFMAN (1991) beginnt ihre Dissertation mit den folgenden Daten: (55)

11

a.

Robin sent Pat a present,

b.

Chris knit Lee a sweater.

Man beobachtet allerdings hier bei einer Teilklasse der intransitiven Verben insbesondere denen, die Prozesse der Nahrungsaufnahme bezeichnen - die Tendenz, in bestimmten informellen Redekontexten (Umgangssprache, evtl. auch dialektal bzw. soziolektal gefärbt), ein reflexives Dativ-Element einzuführen, etwa in: Ich esse mir jetzt eine Currywurst oder Ich trinke mir jetzt erst mal ein Bier.

Instrumentalphrasen, Benefaktive u n d „freie Dative"

157

Diese Daten alternieren mit Sätzen wie (56)

a.

Robin sent a parcel to Pat.

b.

Chris knit a sweater for Lee.

Alternationen wie diese - in der Literatur bekannt als "double object construction" (vgl. (55a)) bzw. "benefactive construction" (vgl. (55b)) charakterisiert H O F F M A N ( 1 9 9 1 ) als "lexically conditioned", d.h. sie sind nicht mit allen Verben gleich gut möglich. Konstruktionstypen dieser Art sollen aber einer einheitlichen Beschreibung im Rahmen der Double Object Constructions zugeführt werden. Ihr Programm lautet daher: "I show ... that all multiple object constructions cross-linguistically have multiple lexical heads, involve head-to-head movement, and are subject to general conditions on licensing." ( H O F F M A N ( 1 9 9 1 : 1 2 ) ) . Das Englische unterscheidet sich im Alternationsverhalten natürlich grundlegend von typologisch anderen Sprachen - etwa den Bantu-Sprachen - bei denen die Alternationen morphologisch durch Applikativ-Affixe am Verb vermittelt sind; sie sind in diesen Sprachen auch deutlich produktiver als etwa im Englischen oder Deutschen. Im Sinne einer universalgrammatischen Systematisierung der Fakten wäre es sehr unbefriedigend, für das Englische wie für die Bantu-Sprachen eine lexikalische Lösung in dem Sinne anzunehmen, daß bestimmte Verben zwei interne Theta-Rollen vergeben können 12 (neben der Rolle für das Thema, die an das direkte Objekt zugewiesen wird, noch eine zusätzliche Ziel- bzw. Benefaktiv-Rolle), die in bestimmter Weise auch ohne Vermittlung durch eine Präposition realisiert werden können. Diese Strategie wird den beobachteten Produktivitätsunterschieden und auch den morphologischen Aspekten der Alternation in den Bantu-Sprachen nicht gerecht. Noch problematischer erscheint mir allerdings, daß die vorgeschlagene Strategie offenbar darauf beruht, daß Benefaktive als Argumente anzusehen sind. Man könnte andernfalls ja auch kaum von "double object constructions" sprechen - und dies angesichts der oben beobachteten Inkorporationsunterschiede im Vergleich zu den Instrumentalen. Für das Deutsche sind solche Inkorporationsargumente nicht zu finden, da es (overte) Inkorporation nicht gibt. Ein interessanter Unterschied, der aber in eine vergleichbare Richtung geht, betrifft das Verhalten 12

Im Sinne einer CSR müßte mein z.B. für den Benefaktiv zwei solcher kanonischen Strukturrpräsentationen annehmen: eine wirklich „echte" CSR für (56b), die besagt: C S R ( B E N ) = for N P und eine „strukturell sensitive" CSR, die d e n Fall in (55b) abdeckt. Ein solches Verfahren widerspricht aber UTAH (BAKER (1988a:46)), welches besagt: "Identical thematic relationships between items are represented by identical structural relationships between those items at the level of d-structure."

158

Kapitel 6

von Instrumentalen und Benefaktiven unter Preposition Stranding in whKonstruktionen. Wir betrachten zur Illustration deis folgende Beispiel: (57)

(58)

a.

Hans hat das Brot mit dem Messer geschnitten.

b.

Da hat Hans das Brot mit geschnitten.

c.

Wo hat Hans das Brot mit geschnitten?

d.

Womit hat Hans das Brot geschnitten?

a.

Hans hat die Suppe für die Kinder gekocht.

b.

* Da/die ... hat Hans die Suppe für gekocht.

c.

* Wo hat Hans die Suppe für gekocht?

d.

Für wen hat Hans die Suppe gekocht?

e.

* Wem hat Hans die Suppe für gekocht?

Auffällig ist der Grammatikalitätskontrast zu den entsprechenden Beispielen in (58b) und (58c). Die These wäre, daß eine Voraussetzung für Preposition Stranding darin besteht, daß die in die ursprüngliche P P eingebettete NP nicht durch ein Merkmal wie [-(-belebt] charakterisierbar sein darf; andernfalls gibt es keine geeignete Proform. Die Formen, die als Proformen auftreten können, sind in diesem Fall die Personalpronomen selbst, die dann aber nicht mit dem präpositionalen Anteil kombiniert werden können (vgl. (58e)) bzw. nur zusammen mit der Präposition bewegt werden können (siehe (58d)). Ähnliche Beobachtungen machen wir im Zusammenhang mit der Komitativ-Konstruktion, d.h. der kognitiven Rolle, die sich innerhalb eines Kontinuumsspektrums mit der Instrumental-Rolle befindet, vgl. (59)

a.

Hans ist mit Maria zur Party gekommen.

b.

* Da ist Hans mit zur Party gekommen.

c.

* Wo ist Hans mit zur Party gekommen?

d.

Mit wem ist Hans zur Party gekommen?

Diese ungrammatischen Beispiele sind unakzeptabel unter der KomitativLesart. Wie beim Benefaktiv ist kein Preposition Stranding möglich, stattdessen wird allenfalls auf eine Instrumentaldeutung umgeschaltet (eine denkbare Antwort auf die Frage in (59c) wäre: mit dem Auto). Als Ergebnis dieser Diskussion halten wir fest: Auch im Deutschen scheinen Instrumentale enger zum Verb zu gehören als Benefaktive, was sich am unterschiedlichen syntaktischen Verhalten zeigt. Bei einer umfassenden Analyse ist weiterhin die Möglichkeit zu berücksichtigen, daß es eine Vielzahl von Lesartenunterschieden gibt, für die man - bei gleichem konstruktionellem Aufbau - eine Erklärung finden muß:

Instrumentalphrasen, Benefaktive und „freie Dative"

(60)

159

a.

Ich b i t t e Dich d a r u m , daß Du einen Brief für mich schreibst.

b.

Ich bitte Dich d a r u m , daß Du einen Brief an mich schreibst.

c.

Ich bitte Dich d a r u m , daß Du mir einen Brief schreibst.

d.

Ich bitte Dich d a r u m , daß Du s t a t t meiner einen Brief schreibst.

Der Satz in (60a) ist semantisch ambig insofern, als er Interpretationen wie in (60c) und (60d) zuläßt. Der Satz in (60c) wiederum gestattet neben der Interpration von (60a) auch die Interpretation wie in (60b). (61)

(62)

a.

Ich bitte Dich d a r u m , daß Du einen Pullover für mich strickst.

b.

Ich bitte Dich d a r u m , daß Du mir einen Pullover strickst.

a.

Ich bitte Dich d a r u m , daß Du für mich das Treffen absagst.

b. ? / * Ich bitte Dich d a r u m , daß Du mir das Treffen absagst. c. (63)

a. b.

* Ich bitte Dich d a r u m , daß Du das Treffen mit mir absagst. Ich bitte Dich d a r u m , daß Du Maria für mich triffst, * Ich bitte Dich d a r u m , daß Du mir Maria triffst.

In (63a) kann die Präposition für nur im Sinne von (an)statt interpretiertiert werden, keinesfalls als Benefaktiv. Dies zeigt sich auch daran, daß die entsprechende Dativalternation nicht möglich ist. Die Substitution der /«Y-Phrase durch die Dativkonstituente ist offenbar an die Benefaktiv-Rolle bzw. -Interpretation der Präpositionalphrase gebunden. Eine a d ä q u a t e Analyse sollte natürlich auch den analogen Fakten im Deutschen gerecht werden. Wir finden hier ganz ähnliche Konstruktionen bzw. Alternationen wie im Englischen, vgl. (64)

a.

Hans kocht den Kindern eine Suppe,

b.

Hans kocht für die Kinder eine Suppe.

Man analysiert die postverbale N P in (64a) traditionell als dativus commodi (d.h. als „Dativ des Nutznießers"). Dieser Dativ realisiert also, in Begriffen der Theta-Theorie gesprochen, die Benefaktiv-Rolle. Interessant ist die Beobachtung, daß dieser besondere Dativ offenbar abhängig ist von der Präsenz eines Akkusativobjekts. Fehlt dieses Akkusativobjekt, so kann die Benefaktiv-Rolle nur von einer N P innerhalb einer P P ausgedrückt werden: (65)

a.

* Hans kocht den Kindern.

160

Kapitel 6

b.

Hans kocht für die Kinder.

WEGENER (1991) stützt mit Daten wie diesen die Hypothese, daß auch der Dativ (abgesehen von solchen besonderen Adjunkt-Dativen wie dativus ethicus und dativus iudicantis) ein struktureller Kasus des Deutschen sei. 1 3 Dies generalisiert zu der folgenden Beobachtung: [...] der Dativ tritt regelmäßig erst dann auf, wenn ein Akkusativ bereits realisiert ist. Dabei folgt die Kasusverteilung eindeutig semantischen Prinzipien? dem Belebten wird der Dativ, dem Unbelebten der Akkusativ zugewiesen. (WEGENER (1991:79))

Fassen wir das bisher Gesagte zusammen.

6.6

Zusammenfassung

Die Deutung von m¿¿-Phrasen folgt einem Kontinuum mit Instrumentality und Bestimmung der Art & Weise (sowie solchen Zwischenpolen wie Komitativ) als Eckpolen. Instrumentalität (wie auch zum Beispiel die Vorkommensmöglichkeit von Benefaktiven) unterliegt dabei engeren Zulässigkeitsbeschränkungen als die Bestimmungen der Art & Weise, die weniger gebunden sind an solche „Lizensierungsfaktoren" wie Präsenz eines Agens in der thematisch-kognitiven Struktur. Auffällig ist hier, daß zum Beispiel bei den Medialkonstruktionen ein entsprechendes Adverb der Art & Weise obligatorisch wird. Das Agens als Lizensierungsgrundlage für das Vorkommen von Instrumentalausdrücken ist nur kognitiv, nicht aber lexiko-syntaktisch 13

Dieser Kasus zeichnet sich im übrigen dadurch aus, daß bestimmte Dative beim selben Verb und derselben Theta-Rolle mit anderen Kasus - eben Präpositionalkasus - alternieren, ganz ähnlich wie dies auch Akkusative tun, vgl. WEGENER (1991:73) (i) sie bindet die Blumen (ii) sie bindet einen Kranz (iii) *sie bindet die Blumen einen Kranz. (iv) sie bindet die Blumen zu einem Kranz. Der Dativ gehorcht somit - genau wie der Akkusativ - der H AIDERschen "single case condition" (zitiert nach WEGENER (1991:73):„Jeder Kasus wird einem und nur einem Argument zugewiesen und jedes Argument trägt einen und nur einen Kasus.")

Instrumentalphrasen, Benefaktive und „freie Dative"

161

(in der Argumentstruktur) oder lexikalisch-semantisch (in der eigentlichen Bedeutungsrepräsentation) Voraussetzung für die Realisierung der Instrumentalphrase. Die Bedeutungsrepräsentation von instrumentalinkorporierenden Verben legt der möglichen Adjunktkombinatorik Beschränkungen im Sinne einer Strategie der Redundanzvermeidung auf, die nicht mit strikten Korrespondenzregeln explizierbar sind. Hier scheint es dann so zu sein, als würden im weitesten Sinne pragmatische Bedingungen durch entsprechende Lexikoneinträge prädeterminiert. In diesem letzteren Fall bleiben natürlich mei-Phrasen mit einer anderen als einer instrumentalen Interpretation ohne Problem realisierbar, was seinerseits für eine vergleichsweise oberflächennahe Verortung der Kookkurrenzbeschränkungen zu sprechen scheint. Wichtig ist auch die Beobachtung, daß intuitiv so unterschiedliche Rollen wie Instrumental und Art & Weise nicht innerhalb einer P P bzw. in PPs mit identischem Kopf gemeinsam mit einem Verb auftreten können. Dies wäre nicht zu erwarten, wenn Adjunkte tatsächlich so unrestringiert zu einem Kernsyntagma hinzufügbar wären, wie dies üblicherweise in der Literatur für Adjunkte angenommen wird. Die Adjunktkombinatorik unterliegt vielmehr interaktiven Rollenbeschränkungen, d.h. kognitive Rollen können nicht unabhängig voneinander zugewiesen werden. Dabei ist zu beachten, daß ein Ausweichen auf alternative sprachliche Realisierungsformen diese Ausdrucksweise ermöglicht (z.B. Instrumental als PP, Bestimmung der Art L· Weise als Adverb). Neben den syntaktischen Beschränkungen gibt es für die betreffenden Adjunkte also auch Subkategorisierungsbeschränkungen bezüglich der jeweiligen Kombinationsmöglichkeiten. Instrumentale Subjekte unterliegen besonderen Beschränkungen. Sie sind offenbar nur bei Handungsverben zulässig, bei denen der instrumental gedeutete Ausdruck in Subjektposition Agenscharakter haben kann und wo eine komplexe Ereignisstrukturanalyse des Verbs vorliegt. Ersteres ergibt sich aus der inhärenten Semantik, die eine Eigenschaft einschließt, die man intuitiv als „Fähigkeit zur Selbsttätigkeit" charakterisieren kann. Die aspektuellen (d.h. ereignisstrukturbezogenen) Argumente werden im folgenden zusammenfassend dargelegt. Betrachten wir als Ausgangspunkt dazu die folgenden Daten: (66)

a. b. c.

Hans schneidet das Brot in wenigen Minuten. * Hans schneidet das Brot für wenige Minuten. {φ Hans schneidet für den Zeitraum weniger Minuten Brot) Hans klettert für einige Minuten auf den Baum.

Die in (66a) und (66c) beschriebenen Ereignisse können wie folgt paraphrasiert bzw. expliziert werden:

162

(67)

Kapitel 6

a.

Es dauert wenige Minuten, bis Hans das Brot vollständig geschnitten hat. = Das Ereignis des Schneidens verändert das Objekt (Pattens, Thema) des Ereignisses in einer Weise, die dessen Zustand nach Beendigung des Ereignisses nicht mehr rückgängig zu machen erlaubt, d.h. der einmal erreichte Zustand ist irreversibel.

b.

Für den Zeitraum einiger Minuten klettert Hans auf den Baum, (dann klettert er wieder herunter) = Das Ereignis des auf-den-Baum-Kletterns terminiert in einem Zustand (nämlich: Hans befindet sich auf dem Baum), der temporal begrenzt ist und gegebenenfalls rückgängig gemacht werden kann bzw. in einen anderen Zustand überführt werden kann.

Insgesamt gilt im Vergleich der beiden beschriebenen Ereignisse: Der Zustand des Brotes verändert sich in irreversibler Weise, der Zustand des Baums aber nicht. In diesem Sinne verhält sich das Beispiel in (66c) völlig entsprechend zu dem Beispiel, das oben schon für ein instrumental modifizierbares, aber nicht-affizierendes Verb angeführt und diskutiert wurde: 14 (68)

a.

Hans beobachtet den Hirsch für einige Minuten,

b.

* Hans beobachtet den Hirsch in einigen Minuten.

Es wurde dafür argumentiert, daß die Ungrammatikalität von (68b) sich dadurch ergibt, daß der Beobachtungsvorgang nicht immanent durch die aspektuelle Semantik des Verbs begrenzt ist. Das Ereignis, um das es geht, ist keines, bei dem eine Zustandsveränderung des Objekts herbeigeführt wird und bei dem man sagt, daß es in wenigen Minuten in einer Zustandsveränderung des Objekts terminiert. Das Ereignis kann nur extern begrenzt werden. Das Schneiden des Brotes hingegen ist intern begrenzt dadurch., daß im Verlauf des Ereignisses das Objekt irgendwann einmal seinen Zustand soweit verändert hat, daß man nicht sinnvoll seinen Fortgang behaupten kann. Profan gesagt: Irgendwann ist das Brot einmal aufgeschnitten, d.h. das ursprüngliche Objekt, das einmal Gegenstand der Manipulationen eines Agens war, gibt es nicht mehr. Ich bezeichne dies als „interne Begrenzung" des Ereignisses. Natürlich ist auch die Beobachtung des Hirsches ein begrenztes Ereignis, es ist allerdings extern begrenzt ünd nicht dadurch, daß der Hirsch als Objekt (Patiens oder Thema der Aktivität des Agens) seine Beschaffenheit verändert hat. 11

Selbstverständlich mufi klar sein, daß in (68c) nicht die Lesart: Hans wird den Hirsch in einigen Minuten beobachten intendiert ist.

Instrumentalphrasen, Benefaktive und „freie Dative"

163

Im Anschluß an eine deskriptive Sichtung freier Dative im Deutschen wurde das Verhältnis von Dative Shift und Benefaktiv-Alternation untersucht. Da overte Inkorporation im Deutschen im Sinne der BAKERschen Applikativ-Analyse nicht existiert, mußte auf Beispiele von Bewegung mit Preposition Stranding als empirische Basis für die Fixierung von Verhaltensunterschieden zwischen Benefaktiven und Instrumentalausdrücken ausgewichen werden. Solche Unterschiede werden tatsächlich festgestellt, wobei hier auch wieder semantische Faktoren relevant zu sein scheinen, insbesondere ein Merkmal wie [ + / - belebt] scheint relevant für die Beschränkungen von Prepossition Stranding - und zwar auch im Zusammenhang mit der Kontinuumsdeutung Instrumental >- Komitativ. Wichtigste semantische Beobachtung bleibt aber die ganz offensichtliche Relevanz von interaktiven Rollenbeschränkungen, die sich keinesfalls mit einer Prominenztheorie thematischer Rollen in Einklang bringen läßt.

Kapitel 7 Eine syntaktische und semantische Analyse von Phrasen mit »als" 7.1

Einleitung

Adjunktrelationen können zwischen Nominalen einerseits und sehr unterschiedlichen syntaktischen Klassen zuzuordnenden Kategorien andererseits bestehen. Die typischen Konstruktionen, die unter einen solchen Begriff der nominalen Adjunktrelation fallen, zählt man standardmäßig zu den Attributionskonstruktionen, so etwa (i) attributive Adjektive (das blaue Auto), (ii) Infinitivsätze (die Ankündigung, die Arbeit abzugeben) und (iii) Relativsätze ( d e r Mann, der das Buch gelesen hat). Wir konzentrieren uns in unserer Analyse auf das syntaktische und semantische Verhalten der a/s-Phrase1, wie sie in (1) illustriert wird: (1)

a.

Peter hat als Künstler

großen Erfolg.

b.

Peter als Künstler

c.

Ich als Zahnarztfrau

d.

Der Verdächtige ist schließlich als Täter verhaftet worden.

e.

Die Wirkung der Substanz als Rauschmittel bekannt.

f.

Tandler ist von seinem Posten als CSU-Vize ten.

ist sehr erfolgreich. empfehle Blendax-Antibelag. ist seit langem zurückgetre-

Der Status dieser o/s-Phrasen ist in der germanistischen Literatur schon häufiger diskutiert worden. Neben der wichtigen Arbeit von KOLDE (1971) 1

Eine terminologische Präzisierung ist an dieser Stelle angebreicht: Es ist sicherlich adäquater, anstatt von a/s-Phrasen von mit als eingeleiteten NPs/DPs zu sprechen; Phrasen sind dadurch charakterisiert, daß sie durch eine einzelne Proform ersetzt werden können, weis bei den Syntagmen mit als eben nicht der Fall i s t ( v g l . d a z u KOLDE ( 1 9 7 1 ) ; LYONS ( 1 9 6 8 ) ) .

Phrasen m i t „als"

165

sind insbesondere die Untersuchungen von L A N G E (1974), BLOSEN et al. (1975), SMITH (1977), HEIDOLPH (1979) und HELBIG (1984a, 1984b) zu nennen. Die „Lizensierungsbedingungen", denen sie unterliegen, werden in diesen Arbeiten aber nicht thematisiert; sie sind ein wichtiger Gegenstand der vorliegenden Untersuchung, wobei - wie auch schon in anderen Fällen - die kommunikativ-pragmatische Ebene zu berücksichtigen sein wird. Λ/s-Phrasen wie in (1), die von vielen Autoren und deskriptiven Grammatiken als Appositionen2 bestimmt werden, zeichnen sich dabei durch die Besonderheit aus, daß sie in bestimmten Fällen nicht nominalbezogen, sondern adverbial zu interpretieren sind und dabei durchaus restriktive Funktionen übernehmen können. Dies hat Konsequenzen für die Formulierbarkeit ihrer Lizensierungsbedingungen und konfrontiert den Grammatiker erneut mit den bekannten notorischen Abgrenzungsproblemen. Wir haben im Verlauf der Untersuchung primär zu klären, 1. unter welchen Bedingungen adjunktive Erweiterungen - in diesem Fall: die mit als eingeleiteten - überhaupt möglich sind (allgemeine Lizensierungsproblematik) und 2. wo im Satz bzw. wo in seiner Strukturbeschreibung sie erscheinen können (spezielle Lizensierungsproblematik). Mit der unterschiedlichen Positionierung der Phrasen in der linearen Abfolge sind strukturelle Ambiguitäten verbunden, die ihrerseits in der Analyse zu berücksichtigen sind. Die hier vorgenommene Analyse erfolgt in zwei Teilen. Im ersten Teil werden - im Anschluß an einige allgemeine Bemerkungen - solche a/s-Phrasen untersucht, die als Begleiter von Eigennamen und Pronomen auftreten. Von Eigennamen und Pronomen wird üblicherweise angenommen, daß sie über keine Argumentstruktur im selben Sinne wie etwa Nominalisierungen oder auch Gattungsnamen verfügen, woraus gefolgert werden darf, 2

Zahlreiche deskriptive Grammatiken sehen Appositionen als Spezialfall der Attribution an. Appositionen sind danach Attribute, die dem Bezugswort - d.h. der Basis der Apposition - syntaktisch nachgestellt u n d oft als Nominalausdrücke realisiert sind. Wir werden in dieser Arbeit allerdings nicht den Versuch unternehmen, eine systematische Syntax u n d Semantik der Apposition zu entwickeln. Für die Syntax der Apposition verweise ich auf die wichtigen Arbeiten von L Ö B E L ( 1 9 8 6 ) und L A W R E N Z ( 1 9 9 3 ) . Die letztgenannte Arbeit ist mir seinerzeit nur in Manuskriptauszügen zugänglich gewesen; ich zitiere diese Auszüge i m folgenden als L A W R E N Z ( 1 9 9 1 ) , habe mich ansonsten aber u m die Angabe der Belegstellen in L A W R E N Z ( 1 9 9 3 ) bemüht. - Umfassende Arbeiten zur Semantik der Apposition gibt es meines Wissens nicht. Ansätze zu einer solchen Semantik - interessanterweise ebenfalls a m Beispiel der a/i-Phrasen - entwickelt U M B A C H ( 1 9 9 6 ) . Die Ergebnisse dieser neueren Forschungen können in der vorliegenden Arbeit aber nicht mehr berücksichtigt werden.

166

Kapitel 7

daß α/s-Phrasen als Satelliten von individuendenotierenden Eigennamen grundsätzlich keinen Argumentstatus haben. Hier ist es eindeutig, daß es sich bei ihnen um Adjunkte handeln muß, die in keiner argumentstrukturellen Beziehung zu ihrer Basis stehen. Letzteres kann bei Nominalisierungen, die im nächsten Schritt thematisiert werden, nicht von vornherein ausgeschlossen werden; hier ist ein solcher Argumentstatus u.a. abhängig davon, ob der als Kopf fungierende Nominalausdruck eine Argumentstruktur aufweist oder nicht. 3 Aus diesem Grunde liegt also vorderhand folgende Hypothese nahe: • Phrasen mit als, die als Begleiter von Namen bzw. Pronomen auftreten, sind grundsätzlich Adjunkte, während der Status der Phrasen mit als, die als Begleiter einer Nominalisierung vorkommen, im Einzelfall zu klären und zu bestimmen ist. Ansatzpunkt ist die Beobachtung, daß auch ein restriktiver Relativsatz als Begleiter eines Pronomens nicht konstruierbar ist. Restriktive Ausdrücke zeichnen sich extensional-semantisch dadurch aus, daß sie der vom modifizierten Kopf denotierten Denotatsmenge zusätzliche Beschränkungen auferlegen. Da, wo die Denotatsmenge eine Einermenge ist (wie dies bei individuendenotierenden Namen und Proformen im Singular nun einmal der Fall ist), kann keine zusätzliche Einschränkung der Extension hinzukommen. HAIDER (1988) zieht daraus explizit die Folgerung, daß Personalpronomen nur appositive Relativsätze lizensieren. Interessant ist die Tatsache, daß sich Indefinit-Pronomina (wie jeder, niemand, wahrscheinlich auch jemand) in dieser Hinsicht offenbar anders verhalten. Diese Ausdrücke können wie Quantoren behandelt werden, die insofern restriktiv modifizierbar sind, als sie „als Restriktionen über den Individuenbereich der Variablen, die sie binden, rekonstruiert werden können" (vgl. HAIDER (1988:38)). Er referiert VATERS Typologie der Proformen (vgl. VATER (1986)) und schreibt dazu: Er [VATER, F.B.] geht davon aus, daß die Pronomina Proform e n f ü r einzelne Projektionsniveaus [einer X-Schichtung, F.B.] bilden. Pronomina wie jemand, etwas, niemand, nichts sind N 1 -Proformen, da sie restriktive Relativsätze, aber keine Komplemente zulassen. Personalpronomina sind N 2 -Proformen, weil sie nur appositive Relativsätze erlauben und man ist eine N 3 -Proform, denn es tritt stets nackt auf [ . . . ] . (HAIDER (1988:37)) 3

Vgl. hierzu die einleitenden Ausführungen zur Argumentstruktur von Nominalisierungen in Kapitel 4.3.

Phrasen mit „als"

167

Diese Generalisierung scheint mir - auch unabhängig von der Tatsache, daß man nach der aktuellen X-Theorie nicht mehr von diesen drei Schichtungsniveaus des nominalen Kopfes ausgehen sollte - nicht haltbar. Insbesondere auch die Behauptung, die Proform man trete stets „nackt" (also ohne modifizierenden Begleiter) auf, ist nicht ohne Einschränkung zutreffend, wenn man die Möglichkeit einer Modifikation durch die a/s-Phrase, unter Umständen vermittelt durch ein pronominales Element wie das emphatische Reflexivum selbst, berücksichtigt. Diese Elemente - selbst und allein - werden gelegentlich in der Literatur ebenfalls als prototypische Adjunkte behandelt bzw. klassifiziert. Wir werden ihre Eigenschaften in Kapitel 7.2.4 im Zusammenhang mit der a/s-Phrase ebenfalls diskutieren. Wir haben also die Frage zu klären, ob es sich bei Phrasen mit als tatsächlich um Appositionen (im semantischen Sinne) handelt, oder ob sie semantisch als restriktive Modifikatoren „höherer Ordnung" fungieren können. Den Begriff der „Restriktion" verstehe ich hier im Sinne einer Spezifizierung oder Präzisierung derart, daß die a/s-Phrase eine bestimmte Eigenschaft des Individuums, über das eine Aussage gemacht wird (z.B. Peter) hervorgehoben und besonders betont wird. Das Individuum Peter ist nach einer möglichen Auffassung bestimmt durch die Summe seiner Eigenschaften; eine dieser Eigenschaften ist im gerade vollzogenen kommunikativen Akt besonders wichtig, nämlich seine Eigenschaft, Künstler zu sein. 4 Insofern ist eine Aussage wie (2) präziser als eine Aussage wie (3): (2)

(3)

a.

Peter hat als Künstler großen Erfolg gehabt,

b.

Peter als Künstler hat großen Erfolg gehabt.

Peter hat großen Erfolg gehabt.

Der Illustration von L E R N E R & ZIMMERMANN ( 1 9 9 1 ) folgend kann man auch sagen: Der Name in (2) und (3) trägt durch die Festlegung des Individuums zur Bedeutung des Satzes bei, wobei der Sprecher jeweils voraussetzt, daß die Gesprächspartner/Adressaten Peter „irgendwie" kennen; er bezieht sich in (3) aber nicht auch auf die Eigenschaft Peters, Künstler und (in eben dieser Eigenschaft) erfolgreich zu sein - dies ist Information, die der Sprecher nicht voraussetzt, sondern in (2) explizit macht. Die alternative Deutung - hier primär für den Satz in (2a) - würde darauf hinauslaufen, die α/s-Phrase auf das Prädikat zu beziehen. Hier hätte man es dann nicht mit einem erfolgreichen „Künstlerindividuum 4

Ich diskutiere hier nicht die denkbaren Alternativen einer angemessenen Semantik für Eigennamen und beziehe mich im wesentlichen auf eine „(reine) Benennungstheorie" (vgl. LERNER & ZIMMERMANN (1991: 350)).

168

Kapitel 7

Peter" zu t u n , sondern mit dem Individuum Peter, das auf b e s t i m m t e Weise erfolgreich ist, nämlich künstlerisch. Wir fassen als Ausgangsmotivation für die vorzulegende Analyse zus a m m e n : Phrasen m i t als sind aufgrund ihrer „Doppelorientiertheit", d.h. wegen ihrer adnominalen und adverbialen Bezugsmöglichkeiten, eine besonders interessante Herausforderung für jede restriktive Theorie der Lizensierung, die das im ersten Kapitel zitierte „Lizensierungsdogma" ("Every element t h a t appears in a well-formed structure m u s t be licensed in one of a small number of ways", CHOMSKY (1986a: 93); vgl. Seite 18) e r n s t n i m m t . Neben den rein argumentstrukturtheoretischen Erwägungen, die j a auch für Verben angestellt werden können, k o m m t bei ihnen im Fall einer adnominalen Konstruktion das Problem hinzu, daß ein „Ausweichen" auf eine ereignistheoretische Dimension der Beschreibung bzw. semantischen Analyse, wie m a n sie für P r ä d i k a t s a d j u n k t e (also Verbadverbien, insbesondere im Zusammenhang mit der Analyse von sekundären Prädikationen) vorgeschlagen hat (vgl. exemplarisch RAPOPORT (1991)), nicht ohne weiteres möglich ist, obwohl m a n mit GRIMSHAWS Theorie (vgl. GRIMSHAW (1990) und Kapitel 4 dieser Arbeit) durchaus einen ernstzunehmenden Vorschlag zur Verfügung h a t , der Ereignisstrukturen - insbesondere auch bei Nominalisierungen 5 - postuliert. Unabhängig davon wollen wir davon ausgehen, daß auch Nominalerweiterungen - einschließlich der Phrasen mit als - nicht in einer unbeschränkten (d.h. in einer sich systematischen Regeln bzw. Steuerungsprinzipien entziehenden) Weise frei zu einem Nominalausdruck hinzufügbar sind. Es ist zu klären, wie die für P r ä d i k a t s a d j u n k t e vorgeschlagene Theorie, welche besagt, daß sie durch die Relation des A d j u n k t s zum vom Verb beschriebenen Ereignis lizensiert seien, auf Nominalkonstruktionen 5

GRIMSHAW (1990) weist d a r a u f h i n , daß die Frage der Beziehung zwischen Verb u n d deverbaler Nominalisierung seit CHOMSKYS Remarks on Nomina.liza.tion intensiv u n d konträr diskutiert wird. Die Positionen, die bezogen werden, besagen einmal, daß Nominalisierungen über eine d e m zugrundeliegenden Verb entsprechende Argumentstruktur (einschließlich der Selektionsmöglichkeit obligatorischer Argumente) verfügen, während andere Autoren (HlGGINBOTHAM (1983), DOWTY (1989)) behaupten, daß Substantive grundsätzlich nur optionale Argum e n t e selegieren können. - Es ist zu fragen, wie sich diese Grundüberlegungen auf ausgewählte Nominalerweiterungen im Deutschen anwenden lassen. In diesem Zusammenhang wird auch das angesprochene Problem der Ereignisstruktur von Nominalen bzw. Nominalisierungen zu diskutieren sein. — Im folgenden wird die Position vertreten, daß sich Nominalisierung .und verbelle Basis sehr wohl bezüglich ihrer lexikalischen und funktionalen Eigenschaften unterscheiden können (d.h. bezogen auf die obligatorischen bzw. optionalen Argumente, des funktioneilen Kopfes ihrer Projektion usw.); es gibt aber keine Unterschiede bezüglich der Projektionsprinzipien für thematische Rollen u n d der Prinzipien, die die Bewegung innerheilb von D P und V P steuern; vgl. die Ausführungen unten.

Phrasen mit „als"

169

übertragbar ist. Auch hier gilt wieder: Eigennamen und Pronomen haben keine zugrundeliegende Ereignisstruktur, sind aber dennoch durch Phrasen mit als modifizierbar. Eine Modifikationsmöglichkeit durch Adjektive ist demgegenüber nur sehr viel eingeschränkter möglich. Sie scheint zudem im Falle des Eigennamens gebunden an die Präsenz des (ansonsten im Zusammenhang mit Eigennamen in kanonischen Argumentpositionen optionalen) definiten Artikel, vgl. (4)

a. b.

der schlaue Hans * schlauer Hans

Bei allen diesen Problemen ist natürlich auch zu prüfen, in welchem Sinne man bei einer solchen Lizensierung durch ereignisstrukturbezogene Relationen noch von einer syntaktischen Lizensierungsrelation sprechen kann. Da hier ganz deutlich auch semantische Faktoren einbezogen werden, ist einerseits die Frage der Abgrenzung von Syntax und Semantik bei der Lizensierung zu stellen, andererseits aber auch die Frage, wodurch denn eine Lizensierungsrelation ihrem Charakter nach als syntaktisch oder semantisch einzuordnen ist. Wir werden diese Fragen anhand von entsprechenden Detailanalysen diskutieren.

7.2

Appositionen als Beispiele für optionale Nominalerweiterungen

7.2.1

Einleitung

Deskriptive Grammatiken klassifizieren Appositionen üblicherweise als nachgestellte (also postnominale) Attribute, die sich semantisch durch die Tatsache auszeichnen, daß sie - im Gegensatz zu den restriktiven Modifikatoren 6 - die Extension des modifizierten Nominalausdrucks bzw. 6

Eine Explikation des Modifikator-Konzepts, wie VATER (1986) sie vorschlägt und die auf einzelsprachlichen Wortstellungseigenschaften beruht, halte ich für wenig angemessen. VATER definiert Modifikatoren wie folgt: „Der Terminus 'Modifikator' faßt alle Konstituenten links vom Kern-N[ominal, F.B.] zusammen: Determinantien, Quantoren und Adjektivphrasen (AP)." (VATER (1986:135)). Nach dieser Definition würden Appositionen grundsätzlich nicht als Modifikatoren aufzufassen sein. - Als Arbeitsgrundlage möchte ich von folgender Begriffsbestimmung ausgehen: Der Terminus „Modifikator" ist ein Oberbegriff für restriktive und nicht-restriktive Modifikatoren, und der Begriff der nicht-restriktiven Modifikation ist synonym zum Begriff der appositiven Modifikation zu verwenden. So sind z u m Beispiel freie bzw. nicht-restriktive Relativsätze appositive Relativsätze.

Kapitel 7

170

die ihnen zugeordnete Denotatsmenge nicht einschränken. Dies entspricht der von EISENBERG (1989:254) vorgeschlagenen Definition: „Danach ist die Apposition eine 'Beifügung' zu einem Nominal, die den Begriffsumfang dieses Nomináis nicht verändert." Daraus ergibt sich allerdings noch kein Kriterium für die Abgrenzung zwischen enger und weiter Apposition; auch der Ubergang zur Parenthese ist hier noch nicht klar markiert. Die „nähere Bestimmung" des von einem Nominalausdruck bezeichneten Individuums (in den Fällen, wo es sich bei dem Bezugsnominal der Apposition um einen Namen oder ein Pronomen handelt), eines Ereignisses oder eines Sachverhalts (etwa im Fall von Ereignisnominalisierungen bzw. Nominalisierungen von Handlungsverben), die eine Apposition leistet, funktioniert - so scheint es jedenfalls unter einer extensionalen Sichtweise - nach anderen Mechanismen als die nähere Bestimmung, die ein restriktiver Modifikator (etwa ein restriktiver Relativsatz oder ein pränominales Attribut) durch die Selektion eines Referenzobjekts aus einer Denotatsmenge liefert. 7.2.2

Eine Typologie der Appositionen und kasustheoretische P r o b l e m e

M a n k a n n m i t ENGEL ( 1 9 8 8 : 8 0 7 ) z w i s c h e n

1. nominalen Appositionen, 2. qualitativen Appositionen und 3. situativen Appositionen zum Nomen (und Pronomen, was in den Beispielen nicht gesondert illustriert wird)7 unterscheiden, wobei 2. und 3. nach semantischen Eigenschaften klassifiziert sind, während 1. kategorial definiert ist. Typischerweise enthalten Appositionen dieses Typs kein finîtes Verb, was in der angelsächsischen Literatur gelegentlich als Charakteristikum für "free adjunct structures" (vgl. BEUKEMA (1982)) angeführt wird: (5)

a.

Peter, ein Linguistikstudent, . . .

b.

Peter, enttäuscht und verbittert, . . .

c.

Peter, in Bochum, . . .

Charakteristisch für den nominalen Appositionstyp in (6), in der phonetischen Form realisiert mit „Komma-Intonation", ist die Adjazenzforderung Vgl. aber Kapitel 7.2.4 für eine detailliertere Diskussion des Verhaltens des Pronomens man im Zusammenhang mit appositionaler Modifikation.

Phrasen mit „als"

171

für Bezugsnominal und Apposition. Verschiebungen innerhalb des Satzes (seien es nun Topikalisierung, Extraposition oder Verschiebungen innerhalb des Mittelfeldes) führen grundsätzlich zu ungrammatischen Sätzen: (6)

a.

* [ Ein Linguistikstudent versität.

Peter t,· geht in Bochum zur Uni-

b.

* Peter t,· geht in Bochum zur Universität, [ ein Linguistikstudent ]¿.

c.

* Peter t,· geht [ ein Linguistikstudent ]¿ in Bochum zur Universität.

Das Beispiel in (6a) erhält eine grammatische Lesart unter der Voraussetzung, daß Peter als Apposition zu ein Linguistikstudent aufgefaßt und konstruiert wird. Dies muß dann allerdings durch einen entsprechenden Intonationsverlauf bzw. eine geeignete Setzung von Sprechpausen (unmittelbar nach ein Linguistikstudent) deutlich gemacht werden. In der orthographischen Form geschieht dies durch Setzung der entsprechenden Komata: (7)

Ein Linguistikstudent, Peter, geht in Bochum zur Universität.

Hier ist allerdings ein Ubergang zur parenthetischen Form - vermittelt durch die Pause zwischen DP und Eigenname - sehr wahrscheinlich und man wird unter Umständen gar nicht mehr von „Apposition" im eigentlichen Sinne sprechen können. 8 Funktional gesprochen liefert diese „Apposition" ebenfalls so etwas wie eine „Präzisierung" des zuvor durch die indefinite NP eingeführten Individuums. Interessant scheint mir in jedem Fall die Beobachtung, daß die Extrapositionsmöglichkeiten aus DPs in der Subjekt- und in der Objektposition deutliche Akzeptabilitätsunterschiede mit sich bringen. Die Extraktion der appositiven Beifügung in (6b) aus der Subjekt-DP heraus ist ganz klar ungrammatisch. Die Daten entsprechen hier dem von L A W R E N Z ( 1 9 9 3 : 1 5 5 ) beobachteten Extrapositionsverbot appositiver DPs aus definiten und indefiniten Subjekt-DPs 9 , vgl. 8

Als Beleg dafür werte ich auch die Beobachtung, daß selbst unter der parenthetischen Deutung ein Satz wie (6a) deutlich besser akzeptiert sind, wenn ein expliziter Parenthesemarker eingeführt wird, vgl. (i)

9

Ein Linguistikstudent, nämlich Peter, geht in Bochum zur Universität.

Bxtrapositionen sind hier möglich, wenn es sich zwar tun eine indefinite SubjektDP handelt, die Apposition hingegen eine definite „spezifizierende" DP darstellt. Typische Beispiele sind hier sog. „und-zwar-Herausstellungen", etwa Ein berühmter Dramatiker wurde heute vor 425 Jahren geboren, (und zwar) der geniale William Shakespeare.; vgl. dazu LAWRENZ (1993: 155).

172 (8)

Kapitel 7

a.

* Die Schlange t gilt als sehr gefährlich, ein gliedmaßenloses Tier.

b.

* Hans Kempowski t will sich beim Bürgermeister beschweren, unser neuer Nachbar.

Anders stellt sich die Situation dar, wenn eine Nebensatzstruktur vorliegt und die fragliche DP in der Objektposition des Verbs realisiert ist: (9)

a.

Du weißt, daß ich Peter, einen Linguistikstudenten aus Bochum, kenne.

b.

Du weißt, daß ich Peter kenne, einen Linguistikstudenten aus Bochum.

Ein dem nicht so ohne weiteres vergleichbares Stellungsverhalten zeigt die qualitative Apposition aus (2b). Wir beobachten die folgenden Positionierungsmöglichkeiten : (10)

a.

Peter, enttäuscht und verbittert, verläßt die Universität.

b.

* Enttäuscht und verbittert Peter verläßt die Universität.

c.

Enttäuscht und verbittert verläßt Peter die Universität.

d.

Peter verläßt (,) entäuscht und verbittert (,) die Universität.

e.

Peter verläßt die Universität (,) enttäuscht und verbittert.

f.

Peters enttäuschtes und verbittertes Verlassen der Universität . . .

Ganz offenbar sind rein oberflächensyntaktisch betrachtet im Fall der qualitativen Apposition größere Wortstellungsvariabilitäten gegeben. Dies beruht aber zumindest zum Teil auf einer „optischen Täuschung". Die These lautet nämlich, daß in Konstruktionen wie (10c) bis (10e) auf eine adverbiale bzw. situative Deutung von enttäuscht und verbittert umgeschaltet wird: Die Art und Weise der Befindlichkeit, in der Peter die Universität verläßt, ist als enttäuscht und verbittert zu beschreiben. Nachgewiesen werden kann dies durch ein entsprechendes Verhalten unter Nominalisierung, vgl. (lOf). Formal wird die situative Deutung durch entsprechende phonologische Pausen, die im Falle der appositi ven Deutung die Phrase aus dem Satzintonationsverl auf ausgliedern, angezeigt. Kätegorial ist dies dadurch möglich, daß die Adjektive zwar adverbial umzudeuten sind, das semantische Inklusionsverhältnis (extensional gesprochen) zwischen Peter und ein Linguistikstudent gestattet eine solche Deutung für die nominale Apposition aber nicht. Eine solche Umdeutung ist nur dann möglich, wenn eine

173

Phrasen mit „als"

geeignete Partikel - wie z.B. als oder übrigens - als „Fügungselement" zur Verfügung steht. Problematisch ist das morpho-syntaktische Kasuskongruenzverhalten solcher Appositionen wie in (11), wenn sie in entsprechende syntaktische Kontexte eingebettet werden. Man vergleiche dazu die nachfolgenden Beispiele: (11)

a.

Peter, ein Student aus Bochum, macht momentan eine schwere Krise durch.

b.

Peter, übrigens ein Student aus Bochum, macht momentan eine schwere Krise durch.

c.

Ich verstehe mich mit Peter, einem Studenten aus Bochum, sehr gut.

d.

* Ich verstehe mich mit Peter, ein Student aus Bochum, sehr gut.

e.

Ich verstehe mich mit Peter, übrigens ein Student aus Bochum, sehr gut.

f.

* Ich verstehe mich mit Peter, übrigens einem Studenten aus Bochum, sehr gut.

g.

* Ich verstehe mich, übrigens ein/em Bochum,·, mit Peter¿ t¿ sehr gut.

h.

* Übrigens ein/em Studenten aus Bochum verstehe ich mich mit Peter t sehr gut.

Student(en)

aus

Ganz offensichtlich muß die Kasuskongruenz, die zwischen Bezugsnominal und Apposition (wenn man denn Konstruktionen wie in ( l i e ) als Apposition zu analysieren gewillt ist) besteht, nicht in jedem Fall vorliegen (vgl. ( l i b ) vs. (11c)). Die Frage, die sich dann allerdings stellt, betrifft die möglichen Abgrenzungskriterien von Parenthese (s.u.) und Apposition. In den vorliegenden Beispielen wird diese Abgrenzung besonders problematisch, weil das Adverb übrigens explizit nebengeordnete Information einführt, was per se schon in Richtung „parenthetischer Charakter" weist. 10 Wichtig für die Analyse ist auch die Überlegung, daß ein Student als anaphorische NP verstanden werden kann, die eines Antezedens bedarf bzw. nur durch ein Antezedens lizensiert ist, vgl. (11g). 1 1 Hier befindet 10 11

Gelegentlich bezeichnet man übrigens auch als „Parenthesemarker". Der Satz ?? Ich verstehe mich, übrigens ein Linguistikstudent, mit Peter sehr gut würde hier eher so interpretiert, als bezöge sich der übrigens-Teil des Satzes auf ich und nicht auf Peter. - Zugegebenermaßen liegt dieser Satz an der Akzeptabilitätsgrenze.

174

Kapitel 7

sich die anaphorische NP außerhalb des Bindungsskopus (c-KommandoBereichs) des bindenden R-Ausdrucks, was ein klarer Lizensierungsverstoß ist. Interessant ist, daß bei Einbeziehung eines Adverbials in die komplexere Apposition gänzlich entgegengesetzte Kongruenzeffekte erzielt werden: (12)

a.

* Ich verstand mich mit Peter, früher/damals einem Linguistikstudenten, sehr gut.

b.

Ich verstand mich mit Peter, früher/damals ein LinguistikStudent, sehr gut.

Zu den ungeklärten Fragen gehört hier: Woraus ergibt sich bei der morphosyntaktisch kongruenten Konstruktion in (12a) deren Ungrammatikalität, aus der morphosyntaktisch inkongruenten Struktur in (12b) aber deren Grammatikalität? Für den Moment halten wir als Erklärung der Datenverteilung in (12) folgendes fest: Das Verb sich mit jemandem verstehen weist über die Präposition mit den Dativ zu. Das Vorkommen eines Adverbials, welches den optionalen (appositiven) Nominalbegleiter einleitet, macht die entsprechende phrasale Projektion für Kasuszuweisung opak. In diesem Fall wird ein Default-Kasus realisiert, der strukturell zugewiesen wird. Wodurch sie genau erfolgt, bleibt noch zu klären. Leider ist es an dieser Stelle nicht möglich, die Details dieser Vorstellung von einer Blockade der Kasuszuweisung durch das Adverbial im Detail auszuarbeiten. 1 2 Für den - zugegebenermaßen ad hoc formulierten - Vorschlag spricht m . E . allerdings, daß eine attributive Konstruktion des Adverbs mit entsprechendem Adjektiv aus (12), hier illustriert in (13), diesen blockierenden Effekt eben nicht hat, vgl. (13)

a.

? Ich verstand mich mit Peter, ein früherer/damaliger Linguistikstudent, sehr gut.

b.

Ich verstand mich mit Peter, einem früheren/damaligen Linguistikstudenten, sehr gut.

Hier ist tatsächlich (13a) graduell schlechter als (13b); der Einschub befindet sich aber dennoch im Rektionsbereich der Präposition. Der Nominativ in (13a) gliedert allerdings den Gesamtausdruck geradezu aus der Struktur aus (bildlich gesprochen: der „Kongruenzverlauf ist unterbrochen), 12

Ich bemühe mich auch nicht um eine genauere Bewertung der These, daß es sich bei (12b) um einen rudimentären Relativsatz handelt; der adverbial eingeleitete Einschub hätte demnach elliptischen Charakter, vgl. Ich verstand mich mit Peter, der früh er/damals (ein) Linguistikstudent war, sehr gut. vs. * I c h verstand mich mit Peter, der früher/damals (einem) Linguistikstudent(en) war, sehr gut.

Phrasen mit „als"

175

so daß dieser eher wie ein unabhängiges Element (etwa im Sinne eines parenthetischen Einschubs, vgl. Kapitel 8) fungiert. Nach diesen ersten Analysevorschlägen für Appositionen und einen ersten Uberblick über ihre Transformations- und Lizensierungsbedingungen kommen wir nun endlich zum Verhalten der Phrasen mit als.

7.3

Die syntaktische und semantische Analyse von Phrasen mit „als" im Deutschen

7.3.1

Erster Überblick: Syntaktisches Stellungsverhalten u n d semantische Paraphrasierungsmöglichkeiten v o n N a m e n u n d P r o n o m e n mit „als"-Satelliten

7.3.1.1

Einleitung

Phänomenologischer Ansatzpunkt für die systematische Untersuchung von Nominalerweiterungen im Hinblick auf deren Adjunkt-Status ist die Darstellung von E N G E L (1988), der unter Adjunkten explizit die „dislozierbaren Satelliten" des Nomens versteht und unter anderem durch als eingeleitete Nominalphrasen als ein prototypisches Beispiel anführt. Der Begriff der „Dislozierbarkeit" umschreibt dabei das laut E N G E L wichtigste syntaktische Charakteristikum dieses Ausdruckstyps, nämlich die (im Vergleich zu Komplementen bzw. Argumenten des Verbs) relativ freie Verschiebbarkeit innerhalb des Satzes. Diese Charakterisierung widerspricht allerdings der „Bewegungsträgheit" von Adjunkten, die häufig in der Literatur als deren definierendes Charakteristikum angeführt wird. „Bewegungsträgheit" ist allerdings ein sehr spezielles und sprachspezifisches Merkmal, dessen Relevanz vor dem Hintergrund des allgemeinen Grads der Wortstellungsfreiheit innerhalb einer Einzelsprache zu sehen und zu bewerten ist. Es ist zu erwarten, daß in Sprachen mit vergleichsweise freier Wortstellung die Bewegungs(im)mobilität nur eine unpräzise bestimmbare Eigenschaft von Konstituenten und damit kein zuverlässiges Diagnostikum darstellen kann; dies gilt dann natürlich auch für die Adjunkte, die - wenn es sich zum Beispiel um Adverbien handelt - natürlich mit ihrer Realisierung in unterschiedlichen Positionen im Satz ihren Skopus verändern und so zu einer Lesartveränderung des jeweiligen Satzes beitragen können. Wir werden zeigen, daß dies auch bei der Verschiebung von Nominalerweiterungen mit als der Fall sein kann - was im Zweifelsfall dafür spricht, die unterschiedlichen Oberflächenabfolgen gar nicht als Verschiebung zu analysieren, denn vor dem Hintergrund des Bedeutungs-

176

Kapitel 7

erhaltungsgebots von Transformationen ergeben sich für die Herleitung unterschiedlicher Adverbialstellungen mit einer Veränderung der Bedeutung natürlich zusätzliche schwerwiegende konzeptuelle Probleme. Bei ENGELS Bestimmung des Adjunktbegriffs wird, anders als in den meisten PPT-orientierten Arbeiten, die informationsstrukturelle Gliederung des Satzes berücksichtigt. Er nimmt an, daß Adjunkte als Teil des Rhemas aufzufassen seien, während Attribute (die E N G E L im Gegensatz etwa zu JESPERSEN von den Adjunkten strikt unterscheidet) als Thema bzw. zumindest als Teil des Themas angesehen werden. Mit anderen Worten: Adjunkte führen eine neue semantische Information ein, während adjektivische Attribute eine bereits bekannte Information wieder aufgreifen (vgl. E N G E L (1988): 628)). Bezogen auf die a/s-Phrasen lautet sein Ausgangsbeispiel wie folgt: (14)

a.

Hanna hatte als Sekretärin seltsame Beobachtungen gemacht. ( E N G E L (1988: 6 2 9 ) )

b.

Hanna hatte seltsame Beobachtungen gemacht.

Diese Grammatikalitätsverteilung in (14) korrespondiert nicht mit der Verteilung in (15) (vgl. LAWRENZ (1991:7)): (15)

a. b.

* Eine Tätigkeit erfordert eine gute Ausbildung. Eine Tätigkeit als Dozent erfordert eine gute Ausbildung.

In Konstruktionen wie diesen ist die a/s-Phrase (oder ein anderer Ausdruck, der die Tätigkeit näher bestimmt, im Sinne eines Komplements also „komplettiert) - im Gegensatz zu (14) - obligatorisch, also von der Nominalisierung bzw. deren Argumentstruktur verlangt. Sie ist erforderlich, weil der Satz in (15a) keine ausreichenden Informationen enthält bzw. „kommuniziert", die eine Äußerung „relevant" (im Sinne von GRICE) machen würden. Dieses Informationsdefizit wird durch die ergänzende a/s-Phrase ausgefüllt. Ihre pragmatische Lizensierungsbedingung besteht dann darin, eben diese zusätzliche Information bereitzustellen: Sie ist kommunikativ relevant und formalsyntaktisch durch Adjunktion an einen zu modifizierenden Ausdruck möglich. Eine gewisse Rolle spielt hier natürlich auch die Indefinitheit, vgl. (16)

a.

Die Tätigkeit als Dozent erfordert eine gute Ausbildung.

b.

Diese Tätigkeit erfordert eine gute Ausbildung.

Im Fall (16b), wo das Demonstrativum signalisiert, daß es sich um eine ganz bestimmte Tätigkeit handelt (nämlich eine solche, die kontextuell verankert und im Diskurs bekannt ist), ist die a/s-Phrase zwar ebenfalls lizensiert, wird pragmatisch aber nicht erzwungen. Relevant sind in

Phrasen mit „als"

177

diesem Zusammenhang auch die Unterschiede bezüglich der Kompositionsmöglichkeiten zu sein, welche belegen, daß in (15) die in der a/s-Phrase ausgedrückte Konstituente argumentstrukturbezogen ist, in (14) hingegen nicht: (17)

a. b.

* Sekretärinnen-Hanna hatte seltsame Beobachtungen macht.

ge-

Eine Dozententätigkeit erfordert eine gute Ausbildung.

Wenn die Bildung von Komposita an die Präsenz einer thematischen Struktur bzw. Argumentstruktur gebunden ist, dann ist (17) ein klarer Beleg dafür, daß das Nomen Tätigkeit im Gegensatz zum Eigennamen über eine solche verfügt. Das in die Wortbildung bzw. Komposition eingehende Element ist in (17a) nicht thematisch markiert (also auch nicht thematisch nicht lizensiert), in (17b) jedoch sehr wohl. In die gleiche Richtung geht auch die Beobachtung, daß eine reine NPApposition im Fall des Eigennamens möglich, im Fall von (14) aber selbst ein Ausweichen auf eine parenthetische Deutung ausgeschlossen ist; die „appositive" Information bleibt hier obligatorisch, weil eine Argumentstelle der Nominalisierung zu saturieren ist (wenn auch nicht notwendigerweise in der kategorialen Form einer a/s-Phrase) 1 3 : (18)

a. b.

Hanna, die Sekretärin, hatte seltsame Beobachtungen gemacht. * Die Tätigkeit, Dozent, erfordert eine gute Ausbildung.

c.

Die Tätigkeit eines Dozenten erfordert eine gute Ausbildung.

d.

Die Tätigkeit „Dozent" erfordert eine gute Ausbildung.

Entscheidend ist hier auch der zu beobachtende Kontrast zwischen (18b) und (18d); als grammatisch ist die Konstruktion nur dann anzusehen, wenn phonologische bzw. orthographische Markierungen verdeutlichen, daß der Ausdruck Dozent hier quasi „zitierend" benutzt wird. 7.3.1.2

Adverbiale Deutungsmöglichkeiten

Bei der Analyse von (14) wird also behauptet, daß die a/s-Phrase das Nominal in Subjektposition näher spezifiziert. Allerdings scheint es durchaus plausibel - und stellt für manche Sprecher sogar die präferierte Lesart dar - , die a/s-Phrase im weitesten Sinne „situierend" zu interpretieren, und Das Beispiel in (18a) ist natürlich keine Paraphrase von (14a).

Kapitel 7

178

zwar in diesem Fall in einer temporalen Deutung, durch die das im Satz ausgedrückte Ereignis zeitlich „verortet" wird. Ob diese Tatsache es rechtfertigt, die α/s-Phrase als Situativ-Angabe zum Nomen zu klassifizieren, bleibt zu klären. Jedenfalls macht die entsprechende Paraphrasierung in (19a) deutlich, wie eine solche („situative) Deutung aussieht; sie konkurriert mit der anderen, nominalmodifizierenden Deutung von (14), die in der Paraphrase (19b) explizit gemacht werden soll: (19)

a.

Hanna hatte, als sie Sekretärin war, seltsame Beobachtungen gemacht.

b.

Hanna hatte in ihrer Eigenschaft als Sekretärin seltsame Beobachtungen gemacht.

Wir stoßen hier auf eine Schwierigkeit, die eine lange Tradition in der Geschichte der Bemühungen um die Grammatik der α/s-Phrasen hat, nämlich die Schwierigkeit zu entscheiden, ob diese a/s-Phrasen als Bestandteile der VP - und damit als im weitesten Sinne des Wortes „Adverbiale" - oder als Konstituenten der NP, die sie modifizieren, zu deuten sind. Gerade diese Schwierigkeit hat dazu geführt, daß α/s-Phrasen ein Hybridstatus zugeschrieben wurde, der sich in Begriffen wie „adverbialer Apposition" (MÖTSCH ( 1 9 6 5 ) ; vgl. KOLDE ( 1 9 7 1 : 1 8 3 ) ) bis hin zur Charakterisierung von a/s-Phrasen als Elemente mit „doppelter syntaktischer Orientiertheit" (nämlich sowohl zur NP als auch zur VP, vgl. ADMONI ( 1 9 6 6 ) ; vgl. auch hier KOLDE ( 1 9 7 1 : 1 8 3 ) ) niederschlägt. KOLDE ( 1 9 7 1 ) selbst bemüht sich um eine Lösung dieses Problems der angemessenen Zuordnung, ohne sie aber wirklich liefern zu können. Vor dem Hintergrund der aktuellen Theorieentwicklung in Syntax und Semantik scheint es daher durchaus angemessen, sich der Frage noch einmal zu widmen. Dies ist insbesondere deswegen angebracht, weil man beobachtet, daß - nimmt man den Begriff von der „adverbialen Apposition" ernst ein deutlicher Unterschied in der „Produktivität" bzw. Variabilität dieser Adverbialdeutung möglich ist: 1. „adverbiale" Paraphrasen sind nicht für alle α/s-Phrasen möglich und 2. α/s-Phrasen unterscheiden sich im Einzelfall bezüglich ihrer Paraphrasierbarkeit als temporales oder kausales Adverbial (s.u.). Die „Appositionsdeutung" der a/s-Phrase ist insofern problematisch ist, als es gewisse Abweichungen und syntaktische Unterschiede zur „echten" nominalen Apposition gibt, die j a auch schon in Kapitel 7.2.2 angesprochen wurden. Man vergleiche dazu nochmals die folgenden Beispiele:

Phrasen mit „als"

(20)

179

a.

Hanna, eine Sekretärin, hatte seltsame Beobachtungen gemacht. Hanna als Sekretärin hatte seltsame Beobachtungen gemacht.

b.

* Hanna hatte, eine Sekretärin, seltsame Beobachtungen gemacht. Hanna hatte als Sekretärin seltsame Beobachtungen gemacht.

c.

* Eine Sekretärin hatte Hanna seltsame Beobachtungen gemacht. Als Sekretärin hatte Hanna seltsame Beobachtungen gemacht.

d.

* Hanna hatte seltsame Beobachtungen gemacht, eine Sekretärin. Hanna hatte seltsame Beobachtungen gemacht als Sekretärin.

Ganz offensichtlich ist die rein nominale Apposition stellungsmäßig sehr viel eingeschränkter als die a/s-Phrase; sie läßt auch keine und-zwarExtrapositionen zu, vgl. (21)

a.

Hanna hatte seltsame Beobachtungen gemacht, und zwar als Sekretärin.

b.

* Hanna hatte seltsame Beobachtungen gemacht, und zwar eine Sekretärin.

Welche Konsequenzen sind aus dieser Beobachtung zu ziehen? Auf den ersten Blick scheint es wenig wünschenswert, den Appositionsbegriff rein oberflächensyntaktisch zu definieren und Kettenadjazenz der nominalen Apposition zum Bezugswort als definierendes Kriterium vorauszusetzen. Zwar wäre es dann möglich, den Begriff der nominalen Apposition einheitlich zu fassen (und damit die Ungrammatikalitäten in (20) zu erklären); nicht gezeigt wird aber, warum die a/s-Phrase sowohl in derselben Position, wo in den Beispielen (20b) bis (20c) diese String-Adjazenz nicht vorliegt, wie die reine nominale Apposition vorkommen und darüberhinaus noch weitere topologische Positionen im Satz besetzen kann. Die Alternative wäre natürlich, a/s-Phrasen gar nicht appositiv zu deuten. Genau dies wird im folgenden versucht. Wir beobachten, daß bei veränderter Wortstellung die in (21) ausgeführten Paraphrasierungsmöglichkeiten erhalten bleiben. Ausgangsbeispiel ist (22a), die einzige zulässige Paraphrasierung ist in (22b) gegeben. (22c), hier in Analogie zu (22a), scheidet aus:

180 (22)

Kapitel 7

a.

H a n n a als Sekretärin h a t t e seltsame Beobachtungen gemacht.

b.

H a n n a in ihrer Eigenschaft als Sekretärin h a t t e seltsame Beobachtungen gemacht.

c.

* H a n n a hatte, als sie Sekretärin war, seltsame Beobachtungen gemacht.

Zur Erklärung dieser Datenverteilung wird die folgende Hypothese formuliert: Die Phrase mit als in unmittelbarer Adjazenz zum satzinitialen Bezugswort ist ausschließlich als Prädikat zum Bezugswort zu interpretieren; eine adverbiale Deutung scheidet in diesem Fall aus. Die Phrase m i t als wird innerhalb der D P lokal mit dem Bezugselement konstruiert. Die D P / N P , die in die a/s-Phrase eingebettet ist, kongruiert mit ihrem Bezugswort im Kasus. Die komplette a/s-Phrase, die in (22a) als Bestandteil des Subjekts analysiert wird, ist ansonsten bezüglich ihrer syntaktischen Positionierungsmöglichkeiten im Satz nur minimal eingeschränkt, wobei aber zu berücksichtigen ist, daß m i t der syntaktischen Position semantische Interpretationsmöglichkeiten variieren. Obwohl, wie ENGEL (1988:628) beobachtet, das A d j u n k t typischerweise vom „regierenden Nomen" (man sollte hier besser vom „modifizierten Nomen" sprechen) getrennt ist (vgl. (14)), gehe ich zunächst auf einer abstrakten Strukturebene von der Adjazenz von Nomen und adjunktiver Nominalerweiterung aus. Diese soll jeweils durch die Spur „t" markiert werden. Eine Extraposition der a/s-Phrase in das Nachfeld (vgl. (23a)) ist genauso möglich wie ihre Topikalisierung (vgl. (23b)) oder eine Verschiebung innerhalb des Mittelfeldes (vgl. (23c)). Bedingung ist allerdings, daß generelle topologische Beschränkungen (insbesondere die obligatorische Zweitstellung des Finitums, vgl. die Ungrammatikalität von (23d)) eingehalten werden: (23)

a.

H a n n a t h a t t e seltsame Beobachtungen gemacht als Sekretärin.

b.

Als Sekretärin h a t t e H a n n a t seltsame Beobachtungen gemacht.

c.

H a n n a t h a t t e seltsame Beobachtungen als Sekretärin gemacht.

d.

* Als Sekretärin H a n n a t h a t t e seltsame Beobachtungen gemacht.

e.

H a n n a als Sekretärin h a t t e seltsame Beobachtungen gemacht.

Phrasen mit „als" f.

181

Hanna t hatte als Sekretärin seltsame Beobachtungen gemacht.

In Anknüpfung an (22a), hier wiederholt als (23e), macht man die Beobachtung, daß nicht bei allen diesen unterschiedlichen Stellungsmöglichkeiten im gleichen Sinne semantische Interpretationsmöglichkeiten bestehen wie für das Beispiel in (14a), oben wiederholt als (23f). Eine temporale Deutung, d.h. eine Interpretation der α/s-Phrase als zeitliche Situativangabe in (23a) und (23e) scheint nicht möglich zu sein, während sie für (23b) und (23c) zumindest denkbar erscheint. Wir folgern daraus, daß den Ketten in (23b) und (23c) zwei unterschiedliche semantische Formen zuzuordnen sind, die hier sehr informell angegeben werden: • Im Fall der Eigenschaftsdeutung ist die o/s-Phrase Bestandteil der Subjekt-DP, im Fall der Adverbialdeutung Bestandteil der VP, d.h. I. ((Hanna (als Sekretärin)) (hatte seltsame Beobachtungen gemacht)) II. ((Hanna) ( als Sekretärin (hatte seltsame Beobachtungen gemacht))) In beiden Fällen ist die α/s-Phrase ein Funktor, nur angewendet auf unterschiedliche Argumente. Um noch einmal konkreter die Verhältnisse zu bestimmen, halten wir fest: 1. den Beispielen in (23b), (23f) und (23c) sind I und II zuzuordnen 2. den Beispielen in (23a) und (23e) ist nur I zuzuordnen. Wir folgern daraus, daß die Logischen Formen, die den ambigen Beispielen zuzuordnen sind, sich aus den unterschiedlichen Skopusmöglichkeiten für die α/s-Phrase ergeben müssen.

7.3.1.3

„Als"-Begleiter von Dativ- und Akkusativobjekten

A/s-Phrasen können auch als Satelliten von anderen Konstituenten als dem Subjektnominal vorkommen: (24)

a/s-Satelliten von Akkusativ-Ergänzungen, vgl. Ich hatte sie als Programmiererin für diese Stelle vorgeschlagen. ( E N G E L , S. 629)

182

Kapitel 7

Es ist interessant zu fragen, ob nicht auch in diesem Fall neben der „Eigenschaftsinterpretation" der a/s-Phrase eine situierende Interpretationsbzw. Paraphrase-Möglichkeit gegeben ist. Dies scheint tatsächlich der Fall zu sein, allerdings nicht im Rahmen einer temporalen, sondern einer kausalen Deutung: (25)

a.

Ich hatte sie für diese Stelle in ihrer Eigenschaft als Programmiererin vorgeschlagen.

b.

Ich hatte sie für diese Stelle vorgeschlagen, weil sie die Programmiererin ist/war.

c.

* Ich hatte sie für diese Stelle vorgeschlagen, als sie die Programmiererin war.

d.

Ich hatte sie für diese Stelle vorgeschlagen, weil ich die Programmiererin war.

Wir ignorieren hier im übrigen vorerst die Möglichkeit, die a/s-Phrase auf das Nominal der PP zu beziehen und in diesem Sinne die Stelle näher zu charakterisieren. Dies wäre auch bei einer Wortstellung wie der in (24) nicht möglich, vgl. unten. Dies wäre dann möglich, wenn der Satz lautete (26)

Ich hatte sie [für diese Stelle als Programmiererin] vorgeschlagen.

Etwas kritisch bzw. nicht-präferiert ist diese Interpretation deswegen, weil man wegen der vorkommenden Pronomina und Genus-Kongruenzen klare Hinweise daraufhat, die a/s-Phrase tatsächlich auf das Akkusativ-Objekt zu beziehen. Dennoch bleibt natürlich die andere Interpretation, in der Paraphrasierung verdeutlicht in (27), ohne weiteres akzeptabel: (27)

Ich hatte sie für diese Programmierer-Stelle vorgeschlagen.

Das Nominal der a/s-Phrase steht für die Komposition mit dem Kernnominal der P P zur Verfügung, was ebenfalls darauf schließen läßt, daß dieses Element argurnentstrukturbezogen ist. Die Daten in (25) belegen also, daß es keinesfalls so ist, daß im Fall einer Deutung der a/s-Phrase genau eine situierende Interpretation - eben eine temporale - möglich ist; auch andere Deutungsmöglichkeiten bestehen, im Fall von (25) eine kausale Deutung, allerdings nur dann, wenn Bezugselement der a/s-Phrase die Objekt-NP ist und nicht, wie dies der ambige Satz in (24) prinzipiell zuläßt, das Pronomen in Subjekt-Position. Die Frage ist, von. welchen Fakten dies abhängig ist. Eine kausale Deutung - quasi als Alternative zur temporalen - scheidet für (14) und (22) jedenfalls aus.

Phrasen mit „als"

183

Wir halten als deskriptive Generalisierung nochmals fest: Phrasen mit als erlauben - unter anderem in Abhängigkeit von der syntaktischen Position, die sie im Satz belegen - eine temporale und/oder kausale Paraphrase bzw. Interpretation. Eine temporale Interpretation ist nicht möglich, wenn die entsprechende Phrase unmittelbar adjazent zum Subjekt-Nominal ist (vgl. (22)). Vervollständigen wir unseren systematischen Uberblick. Dieser belegt, daß a/s-Phrasen auch ohne weiteres als Begleiter von Dativ- sowie innerhalb von Präpositionalergänzungen vorkommen können: (28)

a/s-Satelliten von Dativergänzungen, vgl. a.

Ihr als Sekretärin habe ich immer vertraut. (ENGEL (1988:629))

b.

Ich habe ihr als Sekretärin immer vertraut.

Auch hier ist wieder zu fragen, wie denkbare Paraphrasierungen aussehen könnten. Eine kausal-adverbiale Deutung scheint mir nicht möglich zu sein, die temporale Deutungsmöglichkeit ist bestenfalls marginal (marginale Akzeptabilität markiert durch %): (29)

a. b.

Ich habe ihr in ihrer Eigenschaft als Sekretärin vertraut. * Ich habe ihr vertraut, weil sie die Sekretärin war.

c. % Ich habe ihr vertraut, als sie die Sekretärin war. Der Satz in (29a) ist eine zulässige Paraphrase sowohl für (28a) als auch für (28b). (29b) hingegen ist weder als Paraphrase für (28a) noch für (28b) zulässig, (29c) ist eine marginal mögliche Paraphrase für (28a) und (28b). Letzteres gilt zumindest für die in (28) vorliegenden Wortstellungen unter normaler Betonung. Die temporale Deutung wird akzeptabler, wenn die a/s-Phrase sich nicht in unmittelbarer Adjazenz zum modifizierten Nominal befindet (siehe dazu auch die Bewertung der Daten in (22) und die dortigen Beobachtungen). Man vergleiche dazu die folgenden Daten: (30)

a.

Ihr habe ich als Sekretärin immer vertraut.

b.

Ich habe ihr als Sekretärin immer vertraut. (= (28b))

Natürlich ist (30a) strukturell ambig, weil die a/s-Phrase sich grundsätzlich auch auf ich beziehen kann. Wir wollen diese Möglichkeit ignorieren; die Spur deutet die kanonische Position an. Die Frage ist, ob (30a) paraphrasiert werden k a n n als Ich habe ihr immer

vertraut,

als sie

Sekretärin

war. Mir scheint diese Möglichkeit gegeben zu sein, eine kausale Paraphrase scheidet aber aus.

184

Kapitel 7

7.3.1.4

Präpositionalobjekte

Als verbleibende Option ist zu prüfen, wie sich a/s-Phrasen innerhalb von Präpositionalobjekten verhalten. Damit leichter erkennbar ist, welche Konstituenten zusammengehören bzw. in welche Konstituente die alsPhrase integriert ist, sind entsprechende Klammerungen angegeben: (31)

a/s-Satelliten zur NP in einer Präpositionalergänzung, vgl. a.

Wir haben [ mit Ihnen [ als einem Freund der Familie ] ] ohnehin gerechnet. (ENGEL, 6 2 9 )

b.

[ Mit Ihnen [ als (einem) Freund der Familie ] ] haben wir ohnehin gerechnet.

c.

* [ Als einem Freund der Familie ] haben wir [ mit Ihnen [ t ] ] ohnehin gerechnet.

d.

* [ Mit Ihnen ] haben wir [ t [ als einem Freund der Familie ] ] ohnehin gerechnet.

e.

[ Als Freund der Familie ] haben wir [mit Ihnen [ t ] ] ohnehin gerechnet.

Auffällig ist hier die Ungrammatikalität von (31c) und (31d). Die alsPhrase kann zwar als Extraktionsfragment in der Ursprungsposition zurückbleiben, während die einbettende PP topikalisiert ist (vgl. (31d)), dabei sind jedoch beide Konstruktionen aufgrund von Kasusverletzungen ungrammatisch: Gefordert ist nicht der Kasus, der aufgrund der Präsenz der Präposition mit (für die kanonische Positionierung in (31a)) gefordert würde, sondern der Defaultkasus (s.o.). Dies erklärt auch, warum bei entsprechender Kasusabweichung und damit bei Realisierung des Defaultkasus (vgl. (31e) der Satz grammatisch ist. Gut untersucht sind die Extraktionsdaten vom Typ in (32): (32)

a.

* [ Mit Ihnen als einem Freund ]¿ haben wir [ t, der Familie ] ohnehin gerechnet.

b.

* [ Als Freund ]¿ haben wir [mit Ihnen t,· der Familie ] ohnehin gerechnet.

Zu (32a) ist zu sagen, daß der postnominale Genitiv der Familie immer adjazent zum modifizierten Nominal sein muß. Dies wird damit erklärt, daß es sich beim postnominalen Genitiv um einen strukturellen Kasus handelt, für den gilt: „Nomina können den Genitiv nur an unmittelbar benachbarte NPs zuweisen" (HAIDER ( 1 9 8 8 : 7 ) ) . Diese Beschränkung verbietet z.B. das Vorkommen von Elementen - unter anderem auch α/s-Phrasen - in einer Position zwischen Nominal und modifizierendem Genitiv:

Phrasen mit „als"

(33)

a.

der Wahlsieg der SPD am vergangenen Sonntag

b.

* der Wahlsieg am vergangenen Sonntag der SPD

c.

das Bild des Künstlers als junger Mann

d.

* das Bild als junger Mann des Künstlers

185

Auch in (32b) ist die Adjazenz zum postnominalen Genitiv nicht gegeben, der Genitiv ist sozusagen „gestrandet". Die Grammatikalitätsverteilungen in (32) erklären sich also mit den verletzten Kasusbedingungen für den Genitiv, nicht als Verletzung von Extraktionsbeschränkungen für a/s-Phrasen bzw. α/s-Phrasen einbettende Konstituenten. Anders gesagt: Die topikalisierten Elemente in (32) bilden gar keine Konstituente. Genauere Betrachtung verdient auch das Verhalten des unbestimmten Artikels in den Daten in (31). Im Zusammenhang mit der semantischen Paraphrasierung im Sinne einer situativen Deutung ist auch hier wieder eine kausale Paraphrase näherliegender als etwa eine temporale oder gar die reine Eigenschaftsinterpretation, die „appositive" Alternative zur Adverbialdeutung. Letzteres wird u.a. dadurch belegt, daß die wnd-ziuar-Herausstellung in dieser Deutung auffällig erscheint. Eine und2war-Herausstellung, die die kausale Deutung aufrechterhält (wie hier in (34c)) ist hingegen akzeptabel. Eine temporale Deutung scheidet a priori aus: (34)

a.

Mit Ihnen haben wir ohnehin gerechnet, weil Sie ein Freund der Familie sind.

b.

* Mit Ihnen haben wir ohnehin gerechnet, und zwar in Ihrer Eigenschaft als Freund der Familie.

c.

Mit Ihnen haben wir ohnehin gerechnet, und zwar aufgrund Ihrer Eigenschaft als Freund der Familie.

d.

* Mit Ihnen haben wir ohnehin gerechnet, als sie ein Freund der Familie waren.

Die temporale Deutung scheint hier, so die These, deswegen auszuscheiden, weil das in der a/s-Phrase ausgedrückte Prädikat (nämlich die Eigenschaft von jemandem, Freund der Familie zu sein) eine "individual level" Eigenschaft (im Sinne von KRATZER (1989)) darstellt, also keine vorübergehende (oder "stage level"-) Eigenschaft. Für solche nicht-vorübergehenden, also stabilen Eigenschaften macht es keinen Sinn, eine temporale Relativierung vorzusehen, wie dies bei der Temporaladverbial-Deutung j a geschieht. Dies korrelliert mit der These, daß nur stage /eue/-Prädikate in ihrer Argumentstruktur über ein Ereignisargument verfügen, welches dann u.a. für temporale Modifikation als Anbindungsstelle zur Verfügung

186

Kapitel 7

stehen kann. Die andere Interpretation wäre, daß die entsprechenden Argumentstellen des als-Anschlusses schon lokal (s.o.) innerhalb der P P saturiert sind und nicht mehr auf der Ebene I o durch I gebunden werden können (vgl. Kapitel 2.4). 7.3.1.5

Situativangaben

Nach dieser Diskussion von α/s-Phrasen mit eindeutigem Bezug auf Nominalkonstituenten diskutiert ENGEL ihre Verwendung als Modifikatoren von Situativergänzungen bzw. Situativangaben: (35)

a/s-Satellit zur Situativergänzung, vgl. Sie hielten sich damals in Obsteig als dem sonnenreichsten Ort der G e g e n d a u f . (ENGEL, 629)

(36)

a/s-Satellit zur Situativangabe zum Verb, vgl. Wir machten in Zederhaus als dem ersten Ort nach dem Tunnel S t a t i o n . (ENGEL, 629)

Bei diesen Beispielen ist jedoch nicht ohne weiteres zu sehen, wie sich etwa (35) von (31), wo die o/s-Phrase einen Nominalausdruck innerhalb einer subkategorisierten P P modifiziert, unterscheidet. Die Ortsangabe ist auch hier vom Verb subkategorisiert (im Sinne von sich irgendwo aufhalten). Semantisch gesehen charakterisiert sie den Ort bzw. die Ortsangabe genauer, ohne daß aber eine kausale Deutung (im Sinne von Sie hielten sich damals in Obsteig auf, weil es der sonnenreichste Ort der Gegend war) gänzlich ausgeschlossen werden kann. Interessant sind auch die folgenden Daten: (37)

a.

Sie hielten sich damals in Obsteig als dem sonnenreichsten Ort der Gegend auf. (=(35))

b.

* Sie hielten sich in Obsteig damals als dem sonnenreichsten Ort der Gegend auf.

c.

Sie hielten sich in Obsteig, damals dem sonnenreichsten Ort der Gegend, auf.

d.

Sie hielten sich in Obsteig, damals der sonnenreichste Ort der Gegend, auf.

e.

Sie hielten sich in Obsteig als dem damals sonnenreichsten Ort der Gegend auf.

Ganz offensichtlich kann deis temporale Adverb damals nicht zwischen P P und a/s-Phrase intervenieren, vgl. (37b). In die a/s-Phrase selbst können

187

Phrasen mit „als"

allerdings ohne Probleme weitere Modifikatoren eingebaut werden, wie dies in (37e) illustriert wird. Bedeutungserhaltend ist diese Verschiebung natürlich nicht; mit der Veränderung der oberflächenstrukturellen Position verändert sich der Skopus des Adverbs und damit auch die Lesart des Satzes. Die Sätze in (37a) und (37e) sind somit keine Paraphrasen voneinander, sehr wohl aber (37c), (37d) und (37e). Man hat allerdings den Eindruck, daß für den Satz in (37e) eine kausale Deutung näherliegt als für die Paraphrasen in (37c) und (37d) (etwa im Sinne von: Sie hielten sich in Obsteig auf, weil das damals der sonnenreichste war.)

Ort der Gegend

Komplizierter sind die Verhältnisse in (36). Die a/s-Phrase soll hier die Situativangabe modifizieren, wobei allerdings nicht unmittelbar evident ist, bei welcher der lokalen Präpositionalphrasen es sich um die Situativangabe und bei welcher es sich um das vom Verb subkategorisierte Präpositionalobjekt handelt. Betrachten wir dazu folgende zusätzlichen Beispiele: (38)

a. Wir machten in Zederhaus Station. b. % Wir machten in Zederhaus als dem ersten Ort Station. c. Wir machten nach dem Tunnel Station. d. % Wir machten nach dem Tunnel als erstem Ort Station. e. Wir machten nach dem Tunnel Station.

Der Eindruck, den man bei (38b) und (38d) gewinnt, läuft darauf hinaus, daß diese Sätze in einem gewissen Sinne unvollständig sind. Interessant ist dies deswegen, weil die gleichen Sätze ohne die a/s-Phrase (vgl. etwa (38e)) diesen Eindruck von Unvollständigkeit nicht vermitteln. Die Präsenz der a/s-Phrase erfordert offensichtlich eine zusätzliche Lokalangabe neben derjenigen, die schon vom Verb gefordert wird. Dies liegt natürlich auch daran, daß mit dem Substantiv Ort gewisse Interpretationsvorgaben bestehen. Übertragen auf (37d) bedeutet dies, daß man fragt: Nach dem Tunnel als erstem Ort wonach? Dabei ist nun wieder zu berücksichtigen, daß eine Wortstellung wie in (39) eine ganz andere Lesart nahelegt als die Abfolge der Konstituenten in (36): (39)

Wir machten nach dem Tunnel als erstem Ort in Zederhaus Station.

Hier scheint es mir eindeutig so zu sein, als bildeten die Ausdrücke [als erstem Ort in Zederhaus] eine Konstituente. Die folgende Paraphrasierung macht in etwa explizit, welche Interpretation anzunehmen ist: (40)

Wir machten nach dem Tunnel an mehreren Orten Station, und zwar zuerst in Zederhaus.

188

Kapitel 7

Die Tatsache, daß an mehreren Orten Station gemacht wurde, wird natürlich auch durch das Vorkommen des „adverbialen Quantors" in als erstem. Ort nahegelegt. Die Annahme, daß sich die α/s-Phrase aber nicht auf nach dem Tunnel bezieht, liegt u.a. auch darin begründet, daß man einen solchen Ausdruck üblicherweise nicht als Ort ansprechen würde, zumal dann nicht, wenn quasi „konkurrierend" im Satz ein Ortsname vorkommt. Dies mag in Ansätzen auch eine Erklärung für (38d) sein, kann aber natürlich nicht die Frage beantworten, warum dann trotzdem (38b) unvollständig bleibt. Offensichtlich führt die α/s-Phrase eine zusätzliche Dimension von lokaler Relationalität in die Struktur des Satzes ein, die zwei Lokalausdrücke zueinander in Beziehung setzt, dabei allerdings auf eine andere Art und Weise als im Fall der Beziehung, die zwischen den Lokalausdrücken auch dann besteht, wenn keine „relationierende" α/s-Phrase zur Verfügung steht, vgl. (41)

a.

Wir machten nach dem Tunnel in Zederhaus Station,

b.

? Wir machten in Zederhaus nach dem Tunnel Station.

Die eingeschränkte Akzeptabilität von (41a) und (41b) ist damit zu erklären, daß hier zwei Deutungen von nach dem Tunnel möglich sind, die nicht beide gleichermaßen akzeptabel sind. Da, wo nach dem Tunnel tatsächlich eine Ortsangabe im strikten Sinne sein soll, gilt die eingeschränkte Akzeptabilität. Wenn allerdings diese Phrase nach Durchquerung des Tunnels bedeuten soll, so verbessert sich die Akzeptabilität deutlich. Es ist zu prüfen, ob dies u.U. etwas mit unterschiedlichen Argumentstrukturen der jeweiligen P P zu tun hat. Die P P nach dem Tunnel hat einmal eine rein lokale Bedeutung, eindeutiger ausgedrückt durch Paraphrasierung in hinter dem Tunnel. In dem Falle, wo sie elliptisch für nach Durchquerung des Tunnels steht, ist allerdings nur eine temporale Interpretation möglich. Wenn hier tatsächlich unterschiedliche Argumentstrukturen zugrundeliegen, so ist zu fragen, ob die P P s - in Abhängigkeit von ihrer jeweiligen Interpretation - nicht auch unterschiedlichen Lizensierungsbedingungen gehorchen. Die Richtung, in die diese Analyse geht, sei vorerst nur angedeutet: Wenn wir von der temporalen Paraphrase ausgehen, so können wir dafür argumentieren, daß in der entsprechenden Argument- bzw. Ereignisstruktur tatsächlich ein zu modifizierendes Ereignisargument verbleibt; dieses Ereignisargument wird der lokalen Phrase fehlen. Die α/s-Phrase wiederum könnte dann im einen Fall das Ereignisargument modifizieren, im anderen Falle aber nicht. Erwägenswert erscheinen mir auch noch die folgenden Daten:

Phrasen mit „als"

(42)

189

a.

* [ Als dem sonnenreichsten Ort der Gegend ]¿ hielten sie sich damals in Obsteig t, auf.

b.

* Sie hielten sich damals in Obsteig t¿ auf, [ als dem sonnenreichsten Ort der Gegend ],·.

c.

Sie logierten damals in Obsteig als dem sonnenreichsten Ort der Gegend.

d.

Sie hielten sich damals in Obsteig t¿ auf, [ dem sonnenreichsten Ort der Gegend ]¿.

Diese Beispiele zeigen, daß eine Topikalisierung wie in (42a) und eine Extraposition wie in (42b) zu ungrammatischen Ergebnissen führt. Eine Dislozierung der α/s-Phrase aus der PP ist also nicht möglich; das Datum in (42c) belegt, daß dieses Verbot nichts damit zu tun hat, daß es sich bei dem Verb sich auflialten um ein trennbares Partikelverb mit Erstbetonung handelt und welches dann, wenn das abgetrennte Präfix am Ende der Satzaussage erscheint, intonatorisch die „Beendigung" der Aussage markiert und damit keinen „Nachtrag" im Sinne eines extraponierten Satzglieds mehr erlaubt. Entsprechendes wird auch durch (42d) deutlich, wo ich von einer Analyse im Sinne eines extraponierten Relativsatzes ausgehe. 7.3.2

E x k u r s : Obligatorische P h r a s e n mit „als" als Bestandteile komplexer Prädikatsphrasen

Phrasen mit als müssen also keineswegs immer notwendigerweise Adjunkte im Sinne von ENGEL, also optionale Bestandteile eines Satzes sein, geschweige denn immer nur als Begleiter von Nominalausdrücken vorkommen. Sie können unter bestimmten Bedingungen auch obligatorisch sein, zum Beispiel dann, wenn in Komparativkonstruktionen die Vergleichsphrase mit als eingeleitet wird, vgl. (43)

a.

Er ist größer als Fritz.

b.

Sie singt schöner als Madonna.

Daneben gibt es komplexe Prädikatsphrasen, bei denen als obligatorisch ist: (44)

(45)

a.

Ich betrachte Hans als Gegner.

b.

Ich sehe Hans als Gegner an.

c.

Ich schätze Hans als vertrauenswürdig ein.

a.

weil ich Hans als Gegner betrachte

190

Kapitel 7

b.

weil ich Hans als Gegner ansehe

c.

weil ich Hans als vertrauenswürdig einschätze

Für diese komplexen Prädikatsphrasen sind unterschiedliche Analysemöglichkeiten vorgeschlagen worden: Analysen, die alternativ von einem diskontinuierlichen Prädikat, einem Small Clause und einem dreistelligen Prädikat ausgehen. Diese Analyse werden für den Hauptsatz bzw. die Hauptsatzstellung in (46) illustriert: (46)

a. diskontinuierliches Prädikat: VP

Prädikat 1

OBJEKT

Prädikat 2

b. Small Clause-Analyse: VP

Verb

[Subjekt afc-Prädikat]

c. dreistelliges Prädikat: VP

Verb

Objekt

als-Prädikat

Die Analyse in (46a) soll ausgeschlossen werden, da wir von binären Verzweigungen ausgehen wollen. Die bisherige Analyse von o/s-Phrasen als Nominalbegleiter spricht, wie man leicht sehen kann, für die small clause-Analyse; hier wird nämlich die α/s-Phrase sozusagen als Eigenschaftszuschreibung mit dem Subjekt des small clause konstruiert; der small clause als Komplex fungiert dann als Komplement des Verbs. Gegenüber der Analyse in (46a) hat dies zusätzlich den Vorteil, daß wir nicht von einer Diskontinuität des Prädikats ausgehen müssen. Diese wird nämlich kaum handhabbar, wenn wir - aufgrund der Tatsache, daß es sich bei einschätzen und ansehen um Partikelverben handelt - auch die Verhältnisse bei Hauptsatzstellung diskutieren, wie sie in (45) illustriert wird. Hier hätten wir dann nämlich Verhältnisse wie in (47) anzusetzen: (47)

. . . [ schätzt^ [ O B J E K T als-Prädikat ] ein t,· ]

Wir halten also fest: Die Small-Clause-Analyse von Prädikaten mit obligatorischer α/s-Phrase gestattet die einheitliche Behandlung dieser Modifikatoren insofern, als sie als Modifikator eines Nominalausdrucks (nämlich des Subjekts des small clause) konstruierbar sind, also nicht auf das Verb

Phrasen mit „als"

191

selbst bezogen werden müssen. In diesem Sinne wird tatsächlich die alsPhrase als Prädikat des Subjekts des „small clause" aufgefaßt; obligatorisch ist aber die Präsenz der Konjunktion als, die das Prädikat einleitet. Ich schlage daher - tentativ - vor, das Element als als Operator aufzufassen, der die von als eingebettete Phrase zu einem Prädikat macht. Dabei handelt es sich aber u m ein Prädikat zweiter Ordnung, weil es - angewendet auf das Argument - keinen Wahrheitswert liefert, sondern einen Ausdruck, der dem Typ e zuzuordnen ist (wobei e in diesem Fall kein Individuum denotiert, sondern eine Eigenschaft des Individuums). Semantisch scheint mir eine solche Strategie durchaus plausibel zu sein; problematisch ist natürlich die syntaktische Seite, und zwar aus unterschiedlichen Gründen: 1. Das Verb regiert das Element als in den Small Clause hinein, d.h. daß als auch weiterhin von betrachten abhängig ist; 2. Der Small Clause kann durch Elemente angefüllt sein, die eigentlich zum Matrixsatz hinzugehören, etwa in Ich betrachtete Hans früher als Freund. Das Adverb bezieht sich auf das Verb und nicht den Zeitpunkt, an dem das Prädikat Freund für Hans wahr war. Aus diesen wenigen Anmerkungen sollte anschaulich geworden sein, wo die Schwierigkeiten liegen und wo weitere Bemühungen notwendig sind, u m zu einer formalen Klärung zu kommen, die hier nicht geleistet werden kann. Der Grundgedanke sei aber nochmals festgehalten: Es ist aus semantischen Gründen wünschenswert, die a/s-Phrase als Prädikat aufzufassen, welches auf Nominalausdrücke angewendet wird und als Ergebnis eine Einschränkung der vorhergehenden Denotatsmenge ihres nominalen Arguments liefert.

7.3.3

Zwischenzusammenfassung: Das syntaktische Stellungsverhalten von „als"-Satelliten von Eigennamen und P r o n o m e n

Die Unübersichtlichkeit des Phänomenbereichs legt es nahe, die Stellungsmöglichkeiten der α/s-Phrase im Uberblick zusammenzufassen. ENGEL beobachtet (1988:629f.) im wesentlichen die folgenden Einschränkungen (wobei aber zusätzlich zu berücksichtigen ist, daß ein Teil der Sätze relativ zu den unterschiedlichen Modifikationsmöglichkeiten - ambig ist): (48)

Das Nomen geht der α/s-Phrase bei Verb-Zweit-Stellung voraus, wenn der ganze Ausdruck [N - als- NP] vor (vgl. (48a)) oder hinter dem finiten Verb (vgl. (48b)) erscheint, vgl.

192

Kapitel 7

a.

(Die) Frau Müller als Sekretärin hat (der) Ina immer vertraut.

b.

(Die) Frau Müller hat (der) Ina als Sekretärin immer vertraut.

Die Fügung in (48a) ist eindeutig nur so zu interpretieren, daß sich die α/s-Phrase auf das Nominal in der Subjektposition bezieht; dies ergibt sich aus der topologischen Bedingung der Verb-Zweit-Stellung, d.h. die Elemente, die dem finiten Verb vorausgehen, müssen eine Konstituente bilden. Dies ist nicht möglich, wenn es sich bei der α/s-Phrase um ein aus der Objekt-NP bewegtes Element handelt. Dies wird schematisch in (49b) dargestellt. Im Fall von (48b) liegt allerdings eine ambige Fügung vor, bei der die α/s-Phrase sowohl auf die Subjekt- als auch auf die Objekt-NP bezogen sein kann; dies wird durch entsprechende Referenzindizes explizit, wobei ich davon ausgehen möchte, daß in kanonischer Stellung die modifizierende a¡s-Phrase und modifiziertes Bezugswort adjazent sind: (49)

(50)

a.

[(Die) Frau Müller* [als Sekretärin]*] hat (der) [Ina]¿ immer vertraut.

b.

* [(Die) Frau Müller]* [als Sekretärin]j hat (der) [Inaj [tj]] immer vertraut.

a.

[(Die) Frau Müller]; hat (der) [Ina,· [als Sekretärin],] immer vertraut.

b.

[(Die) Frau Müller^ [tj]] hat (der) [Ina*] [als Sekretärin]^ immer vertraut.

Eine Abfolge von α/s-Phrase und Nominal unmittelbar rechts vom finiten Verb erlaubt ausschließlich den Bezug der α/s-Phrase auf die SubjektNP/DP, vgl. (51)

a.

* [(Die) Frau Müller]j hat [als Sekretärin]* [(der) Ina* t* ] immer vertraut.

b.

[(Die) Frau Müller* t,· ] hat [als Sekretärin],· [(der) Inay] immer vertraut.

Bei Extraposition der α/s-Phrase in das Nachfeld des deklarativen VerbZweit-Satzes kann die Phrase sowohl auf das Nominal in der Subjektais auch auf das Nominal in der Objekt-Position bezogen sein, wobei der Bezug auf das Objektnominal im Vergleich zum Bezug auf das Subjektnominal kontrastiv schlechter ist, vgl.

Phrasen mit „als"

(52)

193

a.

(Die) Frau Müller hat (der) Ina immer vertraut als Sekretärin.

b.

[(Die) Frau Müller,· [t,·]] hat (der) Ina immer vertraut [als Sekretärin]*.

c.

? [(Die) Frau Müller,· ] hat [(der) Ina ; [tj]] immer vertraut [als Sekretärin^·.

Topikalisierbar ist die a/s-Phrase in jedem Fall, d.h. sowohl unter Bezug auf das Subjekt- als auch unter Bezug auf das Objekt-Nominal: (53)

a.

[Als Sekretärin],· hat [(die) Frau Müller* [t*]] der [Ina]j immer vertraut.

b.

[Als Sekretärin],· hat [(die) Frau Müller]^ der [Ina¿ [t,·]] immer vertraut.

Bei Topikalisierung des Objektnominals ergibt sich folgende Verteilung, bei der nicht nur der gesamte Komplex topikalisiert werden kann (vgl. (54a)), sondern auch eine Topikalisierung der durch die a/s-Phrase modifizierten NP möglich ist, während die a/s-Phrase selbst als Extraktionsfragment in der ursprünglichen Objekt-Position verbleibt: (54)

a.

[(Der) Ina als Sekretärin],· hat (die) Frau Müller t,· immer vertraut.

b.

[(Der) Ina]* hat [(die) Frau Müller^· [t* [als Sekretärin],·] immer vertraut.

c.

[(Der) Ina]j hat [(die) Frau Müller;· [als Sekretärin]*] [t¿ ] immer vertraut.

Wir finden also folgende deskriptive Generalisierungen: 1. bei einer Oberflächenabfolge [DP/NP - ( . . . ) - Y } i n - Ν [als -NP] . . . ] kann sich die a/s-NP grundsätzlich sowohl auf die satzinitiale D P / N P (vgl. (50b)) als auch auf das unmittelbar linksadjazente Ν (vgl. (50a)) beziehen; 2. bei einer Oberflächenabfolge [ D P / N P - ( . . . ) - V , * „ - a / s - N P [N]...] kann sich die als-NP nur auf die satzinitiale DP/NP beziehen (vgl. (48b) vs. (48a));

194

Kapitel 7

3. bei einer Oberflächenabfolge [als-NP Ν - ( . . . ) - V/i„ - DP/NP . . . ] gibt es keine grammatische Lesart (vgl. (23d)). Dies ergibt sich zum einen aus topologischen Gründen (Verbzweitstellung), zum anderen aus DP-internen Gründen (s.u.); 4. bei Extrapositionen der α/s-Phrase ins Nachfeld kann sich die extraponierte Phrase sowohl modifizierend auf das Subjekt- als auch auf das Objekt-Nominal beziehen, wobei allerdings der Bezug auf das Objekt weniger akzeptabel zu sein scheint. Zumindest kontrastiv betrachtet gibt es einen Grammatikalitätsunterschied (vgl. (52)). 5. bei Topikalisierungen kann die komplexe, durch die α/s-Phrase modifizierte Fügung topikalisiert werden; auch eine Topikalisierung des Bezugsnominals allein (unter Zurücklassung der α/s-Phrase) ist grammatisch, vgl. (53) und (54). Komplizierter sind die Fälle da, wo sich die α/s-Phrase auf ein Nomen bezieht, das als Komplement einer Präposition fungiert. In diesem Fall ist eine Topikalisierung der α/s-Phrase und damit eine Extraktion aus der Position heraus, in der das Objektnominal modifiziert wird, im Unterschied zu (53) nicht möglich. Dieser Kontrast wird illustriert in (55), wobei das entscheidende Datum in (55c) repräsentiert ist: (55)

a.

Als Sekretärin hat Frau Müller sich auf Ina verlassen.

b.

[ Als Sekretärin]; hat [ Frau Müller^ t¿ sich auf Ina¿ verlassen.

c.

* [ Als Sekretärin]; hat [ Frau Müller ]j sich [auf [ Ina* [ t,· ]]] verlassen.

d.

[ Auf [ Ina, [ als Sekretärin ]¿ ] hat Frau Müller sich t j verlassen.

Soll sich die α/s-Phrase also auf das Nominal beziehen, das als Komplement einer Präposition fungiert, dann kann sie nicht in satzinitiale Position vor das finite Verb verschoben werden (vgl. (55c)). Eine Topikalisierung des vollständigen Nomináis ist hingegen möglich (vgl. (55d)). Wir vervollständigen diesen Uberblick durch die Angabe einiger weiterer Beispiele, die illustrieren, daß natürlich auch für a/s-Phrasen die bekannten Extraktionsinselbeschränkungen gelten: Weder aus dem Relativsatz, einem Nominalkomplement noch einem Adjunktsatz können Elemente über A-Bewegung extrahiert werden. Im Sinne einer Echo-Frage ist allenfalls ein entsprechendes wh-Element in der in situ Position möglich:

Phrasen mit „als"

(56)

a. b.

195

Hans hat einen Versuch, [eine Anstellung als Linguist zu bekommen ] unternommen. Hans hat einen Versuch, [was zu bekommen ] unternommen ?

c.

Hans hat einen Versuch, [was als Linguist zu bekommen ] unternommen ?

d.

* Was,· hat Hans einen Versuch [ t,· als Linguist zu bekommen ] unternommen?

e.

* Als was,· hat Hans einen Versuch [ eine Anstellung t¿ zu bekommen ] unternommen ?

Bei diesen Beispielen scheint die Akzeptabilität höher zu sein, wenn nicht Verbendstellung, sondern Extraposition des Infinitivkomplements vorliegt. Dies ergibt sich wahrscheinlich aus funktionalen Gründen, weil intonatorisch die in situ verbliebene Fragekonstituente auf diese Weise fokussierbar ist. Wir wollen diese Möglichkeit hier aber nicht weiter verfolgen. Für die Beschreibung von Extraktionen aus Relativsätzen ergeben sich ganz entsprechende Verhältnisse; auch sie haben aber nichts mit den besonderen Eigenschaften der a/s-Phrase als vielmehr mit den allgemeinen Extraktionsinselbeschränkungen zu tun: (57)

a.

Hans hat einen Mann, der eine Anstellung als Linguist sucht, getroffen.

b.

* Was, hat Hans einen Mann, der t,· als Linguist sucht, getroffen ?

c.

* Als was,· hat Hans einen Mann, der eine Anstellung t¿ sucht, getroffen ?

d.

Hans hat einen Mann, der eine Anstellung als w a s sucht, getroffen ?

e.

Hans hat einen Mann, der was sucht, getroffen ?

Abschließend sei dies auch noch für ein Beispiel für einen „echten" Adjunktsatz illustriert, und zwar anhand des folgenden temporalen Nebensatzes: (58)

a.

Hans studierte lange, bevor er als Dozent arbeitete.

b.

* Wer¿ studierte lange, bevor t¿ als Dozent arbeitete ?

c.

* Als was studierte Hans lange, bevor er t¿ arbeitete ?

d.

Hans studierte lange, bevor er als was arbeitete ?

196

Kapitel 7

Der Satz in (58d) ist, wie man sieht, nur als Echo-Frage mit einer entsprechenden Intonation möglich.

7.4

Die „als"-Phrase als Satellit des Indefinitpronomens „man"

Oben wurde bereits kurz auf eine von HAIDER (1988:38) vertretene Auffassung hingewiesen, nach der der Generizitätsoperator für Subjekte, das Indefinit-Pronomen man (das im übrigen ausschließlich mit Subjektfunktion realisiert wird), nicht modifizierbar sei. Aus der Tatsache, daß es sich um ein Pronomen handelt, folgt weiterhin, daß auch keine Komplemente zu man möglich sind. Das Indefinitpronomen denotiert eine nicht näher umgrenzte bzw. eingeschränkte Menge (ausschließlich „menschlicher") Individuen. Wir kommen zur folgenden ersten Hypothese: Beide unterstellten semantischen und syntaktischen Eigenschaften - fehlende Modifizierbarkeit, fehlende Komplementierbarkeit - laufen darauf hinaus, daß man nicht als Kernelement von syntaktisch komplexeren Phrasen vorkommen kann bzw. nicht als Kernelement solcher Phrasen lizensiert ist. Diese Eigenschaft teilt das Indefinitpronomen mit den Personalpronomen, die bezogen auf potentielle Satelliten ebenfalls vergleichsweise eingeschränkt sind 14 , unterscheidet es aber gleichzeitig von den anderen Indefinitpronomina, etwa jemand oder etwas (vgl. ENGEL (1988:672f.)). Hinsichtlich der Kombinierbarkeit mit a/s-Phrasen ergibt sich allerdings ein Bild, das darauf schließen läßt, daß zumindest eine Modifikation des Pronomens man durch eben diese Phrasen möglich ist. Desweiteren gibt es appositive Modifikationsmöglichkeiten durch Pronomen wie selbst oder den Quantor allein. Wir betrachten folgende Beispiele: (59)

a.

Ich als Zahnarztfrau empfehle Perlweiß.

b.

Ich empfehle als Zahnarztfrau Perlweiß.

c.

Man empfiehlt als verantwortungsvoller gelmäßige Untersuchungen.

d. e.

* Man als verantwortungsvoller gelmäßige Untersuchungen.

Zahnarzt

Zahnarzt

re-

empfiehlt

re-

Man selbst ist auch meist nur mit seinen eigenen Problemen beschäftigt.

Sie lizensieren keine restriktiven Relativsätze, keine Adjektivattribute, sehr wohl wohl aber parenthetische Begleiter, vgl. Kapitel 8.

P h r a s e n m i t „als"

197

f.

Das kann man allein auch nicht schaffen.

g.

Man sollte besser nicht allein in dieser Gegend herumlaufen.

Die a/s-Phrase in (59a) kann unmittelbar adjazent zum Pronomen realisiert werden. 15 Eine solche Adjazenzstellung ist, wie der Kontrast zwischen (59c) und (59d) zeigt, im Falle des Indefinitpronomens nicht möglich. Unmittelbare Adjazenz ist hingegen dann wieder möglich, wenn das Indefinitpronomen nicht in satz-initialer Stellung vorkommt, vgl. (59a) und (60b) vs. (60c) und (60d): (60)

a.

Das macht man als verantwortungsvoller Zahnarzt nicht!

b.

Solche Bücher liest man als anständiger Mensch nicht.

c.

* Man als verantwortungsvoller Zahnarzt macht dató nicht!

d.

* Man als anständiger Mensch liest solche Bücher nicht.

Auffällig ist weiterhin, daß die a/s-Phrase in den Beispielen in (60) ohne weiteres in Topik-Position vorkommen kann (vgl. (61a) und (61b), auch die Extraposition (vgl.( 61b) und (61c)) ist grammatisch: (61)

a.

Als verantwortungsvoller Zahnarzt macht man t das nicht.

b.

Als anständiger Mensch liest man t solche Bücher nicht.

c.

Das empfiehlt man t nicht [ als verantwortungsvoller Zahnarzt ].

d.

Solche Bücher liest man t nicht [ als anständiger Mensch ].

e.

* Das empfiehlt t nicht [ man als verantwortungsvoller Zahnarzt ]

f.

* Solche Bücher liest t nicht [ man als anständiger Mensch ].

Weitergehende Modifikationen, etwa durch einen Relativsatz, werden allerdings nicht an das Pronomen angeschlossen, sondern an den Nominalausdruck, der in die a/s-Phrase eingebettet ist. (62)

a.

Man macht das als verantwortungsvoller Zahnarzt, der seine Zulassung behalten will, nicht.

E i n e k u r z e „impressionistische" A n m e r k u n g sei a n dieser Stelle g e s t a t t e t : M a n h a t d e n Bindruck, dafl α/s-Phrasen besonders h ä u f i g im Z u s a m m e n h a n g m i t Pers o n a l p r o n o m e n verwendet werden, d . h . sie sind in dieser Verwendung häufiger als Modifikatoren von voll-referentiellen N P s o d e r N a m e n . Eine überzeugende E r k l ä r u n g f ü r dieses P h ä n o m e n - wenn es d e n n tatsächlich so ist, wie ich gesagt h a b e - h a b e ich nicht; allerdings scheint die Anneihme plausibel, dafi die a / s - P h r a s e d e n vergleichsweise u n t e r b e s t i m m t e n semantischen G e h a l t der Aussage bzw. des Satzes spezifischer bzw. präziser m a c h t u n d in diesem Sinne eine wichtige k o m m u n i k a t i v - p r a g m a t i s c h e F u n k t i o n erfüllt.

198

Kapitel 7

b.

* Man, der seine Zulassung behalten will, macht das nicht.

c.

Man liest als anständiger Mensch, der Sitte und Moral schätzt, solche Bücher nicht.

d.

* Man, der Sitte und Moral schätzt, liest solche Bücher nicht.

Wir halten folgende Beobchtungen zusammenfassend fest: 1. Semantik: Das Indefinitpronomen/der Generizitätsoperator man ist durch α/s-Phrasen modifikativ erweiterbar. Insbesondere schränkt die α/s-Phrase die Denotatsmenge des Pronomens dahingehend ein, daß aufgrund der in der α/s-Phrase gemachten Eigenschaftsaussage eine Teilmenge der Individuen, die durch man umfassend denotiert werden, ausgewählt wird. Mit anderen Worten: Die α/s-Phrase fungiert aufgrund der Tatsache, daß sie deskriptiven Gehalt hat, welcher seinerseits auf das Pronomen übertragen wird, als Restriktion über die Denotatsmenge des Pronomens. 2. Syntax: Wenn das Pronomen man in Topik-Position erscheint, so ist Distanzstellung der α/s-Phrase obligatorisch. Adjazenz von man und α/s-Phrase ist möglich, wenn beide Ausdrücke dem Verb (des Hauptsatzes) folgen. Distanzstellung ist möglich bei Topikalisierung der α/s-Phrase und obligatorisch bei Extraposition, d.h. das Bezugspronomen muß als Extraktionsfragment zurückbleiben. Interessant ist die Beobachtung, daß unter ganz bestimmten Bedingungen die syntaktische Einschränkung, die die Distanzstellung des Indefinitpronomens und der α/s-Phrase für den Fall der Topikbesetzung durch das Pronomen verlangt, aufgehoben wird. Dies ist dann möglich, wenn ein Ausdruck wie selbst zwischen das Indefinitpronomen und den modifizierenden Ausdruck tritt, wie dies in (63a) und (63b) illustriert ist. Der modifizierende Ausdruck muß im übrigen nicht notwendigerweise eine α/s-Phrase sein. Wenn selbst realisiert ist, kann auch eine PP an die Stelle der α/s-Phrase treten; dies zeigt das Beispiel in (63c). Wie das Beispiel in (63e) nachweist, kann aber auch eine solche Präpositionalphrase nicht adjazent zum Pronomen man sein, sie weist insofern also dieselbe Distribution auf wie die α/s-Phrase: (63)

a.

Man selbst als verantwortungsvoller Zahnarzt würde regelmäßige Untersuchungen empfehlen.

b.

Man selbst als anständiger Mensch würde solche Bücher niemals lesen.

c.

Man selbst mit seinen begrenzten Fähigkeiten würde an solchen Aufgaben scheitern.

Phrasen mit „als"

199

d.

Man selbst würde mit seinen begrenzten Fähigkeiten an solchen Aufgaben scheitern.

e.

* Man mit seinen begrenzten Fähigkeiten würde an solchen Aufgaben scheitern.

Die Frage ist hier zunächst, wie man die Ausdruckskette man selbst syntaktisch und auch semantisch analysieren muß. Offenbar handelt es sich nach wie vor um ein Pronomen; semantisch schränkt selbst den Denotatsbereich des Pronomens man auf den Sprecher ein, d.h. das komplexe Pronomen wird sozusagen „sprecher-referentiell", erlaubt aber gleichzeitig die Einbeziehung der Angesprochenen in die gemachte Aussage. In dieser Bedeutung weist das komplexe Pronomen, modifiziert durch die a/s-Phrase, dieselbe Distribution auf wie das durch die a/s-Phrase modifizierte Personalpronomen. Auffällig ist auch hier wieder die Tatsache, daß die se/6s