Unternehmensplanung in Krise und Insolvenz 9783814557281

In der Krise und in der Insolvenz eines Unternehmens gibt es eine Fülle von Planungsanlässen, etwa bei der Vorbereitung

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German Pages 250 [270] Year 2015

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Unternehmensplanung in Krise und Insolvenz
 9783814557281

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Nickert/Kühne Unternehmensplanung in Krise und Insolvenz

RWS-Skript 379

Unternehmensplanung in Krise und Insolvenz 2016

von Cornelius Nickert, Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Insolvenzund Steuerrecht, CVA (Certified Valuation Analyst), Offenburg Matthias Kühne, Rechtsanwalt, Betriebswirt (IWW), Fachanwalt für Insolvenzrecht, CVA (Certified Valuation Analyst), Offenburg

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH ˜ Köln

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2016 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH Postfach 27 01 25, 50508 Köln E-Mail: [email protected], Internet: http://www.rws-verlag.de Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, das Werk oder Teile daraus in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) zu vervielfältigen. Satz und Datenverarbeitung: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt Druck und Verarbeitung: rewi Druckhaus Winters GmbH, Wissen

Vorwort Das vorliegende Buch richtet sich an alle, die mit krisenbehafteten oder insolventen Unternehmen in Berührung kommen. Es ist ein Buch von Praktikern für Praktiker. Aus unserer Sicht deckt es die wichtigsten Themen ab, die typischerweise im Rahmen der Unternehmensplanung von krisenbehafteten oder insolventen Unternehmen behandelt werden. Das Buch verfolgt einen interdisziplinären Ansatz. Während die betriebswirtschaftlichen Bücher zum Thema Unternehmensplanung einzig die Fragen der Unternehmenssteuerung aufarbeiten, enthält dieses Skript wesentliche Querverweise zur Rechtsprechung. Der Praktiker muss nämlich gerade in der Krise dafür gewappnet sein, die Planung einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen. Insoweit richtet sich das Skript nicht nur an die Organe und Gesellschafter, sondern vor allem auch an die Berater, wie z. B. Unternehmensberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer. Zudem soll es den Richtern eine Entscheidungs- und Interpretationshilfe für die zugrunde gelegten Unternehmensplanungen geben. Entscheidungen zur Unternehmensplanung sind im Kontext der Sanierung oder Insolvenz spärlich. Insoweit wurde an der einen oder anderen Stelle auf andere Rechtsgebiete und Entscheidungen innerhalb dieser Bereiche zurückgegriffen. Das Buch ist natürlich nicht ohne die Mithilfe zahlreicher Personen entstanden. Unser Dank gilt insbesondere Frau Magdalena Zander und Herrn Markus Sauerwald vom RWS Verlag für deren kompetente Unterstützung beim Abfassen dieses Skripts. Zu Dank sind wir in besonderem Maße aber unseren Familien verpflichtet, die dieses Buch durch ihre Geduld erst ermöglicht haben. Den Lesern wünschen wir viel Freude. Für Kritik und Anregungen sind wir bereits jetzt sehr dankbar ([email protected]).

Offenburg, im Oktober 2015

Matthias Kühne Cornelius Nickert

V

Inhaltsverzeichnis Rn.

Seite

Vorwort ............................................................................................................ V Literaturverzeichnis ...................................................................................... XI A. Planungsanlässe ........................................................................... 1 ........ 1 I.

Pflicht zur Unternehmensplanung? .......................................... 13 ........ 3

II. Krise bzw. Sanierung .................................................................. 23 ........ 4 III. Insolvenzverfahren ..................................................................... 27 ........ 5 B. Adressat einer Planungsrechnung ........................................... 31 ........ 7 C. Unternehmensplanung in der Rechtsprechung .................... 33 ........ 9 I.

OLG Celle, Urt. v. 23.10.2003 – 16 U 199/02, ZIP 2003, 2118 ............................................................................ 36 ...... 10

II. OLG Köln, Urt. v. 24.9.2009 – 18 U 134/05, GmbHR 2010, 251 ...................................................................... 39 ...... 11 III. ARAG/Garmenbeck: BGH, Urt. v. 21.4.1997, DB 1997, 1068 ............................................................................. 41 ...... 12 IV. BGH, Urt. v. 6.6.1994, ZIP 1994, 1103 ..................................... 44 ...... 13 V. Anforderungen der Rechtsprechung an Fortbestehensprognosen und Sanierungsgutachten ......................................... 45 ...... 13 VI. Sonstige Entscheidungen zur Unternehmensplanung ............. 60 ...... 17 D. Planungsarten und -methoden ................................................ 67 ...... 19 I.

Reine Ertragsplanung/Rentabilitätsvorschau ............................ 79 ...... 20

II. Reine Liquiditätsrechnung ......................................................... 83 ...... 25 III. Integrierte Planung ..................................................................... 86 ...... 25 IV. Konzern- bzw. Gruppenplanung oder Stand-Alone-Ansatz ... 92 ...... 27 V. Szenarioplanung/Simulation ...................................................... 95 ...... 28 E.

Planungshandbuch .................................................................. 104 ...... 31

F.

Projektmanagement ................................................................ 154 ...... 45

VII

Inhaltsverzeichnis Rn.

I.

Seite

Ablauf einer Planung ................................................................ 163 ...... 47

II. Einbettung des Planungsprozesses in die Sanierung .............. 170 ...... 48 III. Informationsgewinnung und Anforderungen an die Qualität der Informationen ..................................................... 174 ...... 49 IV. Unternehmensplanung als Tatsache i. S. d. § 286 ZPO und Gewissheit i. S. d. ZPO? ................................................... 204 ...... 57 1. Unternehmensplanung als Tatsache i. S. d. § 286 ZPO ........................................................................ 205 ...... 57 2. Gewissheit i. S. d. § 286 ZPO .......................................... 219 ...... 61 V. Person des Planungserstellers .................................................. 226 ...... 62 G. Auftrag und Honorarvereinbarung ...................................... 240 ...... 67 I.

Auftragsinhalt und Verantwortlichkeiten ............................... 242 ...... 67

II. Aufgabendefinition ................................................................... 248 ...... 69 III. Honorarvereinbarung und Zahlungsmodalitäten ................... 254 ...... 70 IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters .................. 1. Haftungsvereinbarung und Haftungsbegrenzung .......... 2. Haftung des Beraters/Planerstellers ................................ 3. Haftung aus Delikt ........................................................... 4. Bestätigungsvermerk in den Berichten ............................ 5. Beweisanzeichen für eine Krise ........................................

264 264 276 328 347 351

...... ...... ...... ...... ...... ......

72 72 76 90 93 94

H. Planungsgrundsätze ................................................................ 357 ...... 97 I.

GoP (Unternehmensplanung) ................................................. 360 ...... 97

II. IDW S 6 (Sanierung) ................................................................ 377 .... 100 III. ISU Grundsätze (Grundsätze ordnungsgemäßer Sanierungskonzepte, MaS) ....................................................... 384 .... 102 IV. Generelle Anforderungen der Banken .................................... 387 .... 102 I.

Analyse ..................................................................................... 401 .... 107

I.

Darstellung, Analyse und Beurteilung des Geschäftsmodells ...................................................................... 402 .... 107

II. Leitbild des sanierten Unternehmens ...................................... 409 .... 108 III. Beschreibung der wesentlichen Geschäftsfelder des Unternehmens ................................................................... 413 .... 109 1. Beschreibung der Unternehmensstrukturen ................... 416 .... 109 2. Beschreibung von Wettbewerbsvorteilen und Wettbewerbsstrategien ..................................................... 422 .... 112 VIII

Inhaltsverzeichnis Rn.

Seite

IV. Externe Analyse ........................................................................ 427 .... 114 V. Interne Analyse ......................................................................... 443 .... 118 VI. Feststellung des Krisenstadiums .............................................. 1. Feststellungen zur Stakeholderkrise ................................ 2. Feststellungen zur Strategiekrise ..................................... 3. Feststellungen zur Produkt- und Absatzkrise ................ 4. Feststellungen zur Erfolgskrise ........................................ 5. Feststellungen zur Liquiditätskrise .................................. 6. Feststellungen zur Insolvenzreife ....................................

472 475 478 481 484 486 488

.... .... .... .... .... .... ....

123 123 124 125 126 126 127

J.

Maßnahmen definieren .......................................................... 489 .... 129

I.

Überwindung der Insolvenz .................................................... 496 .... 130

II. Vermeidung der Insolvenz ....................................................... 497 .... 130 III. Überwindung der Liquiditätskrise ........................................... 1. Exkurs: Interne Maßnahmen ............................................ a) Kapitalerhöhung/vereinfachte Kapitalherabsetzung .................................................. b) Gesellschafterdarlehen .............................................. c) Patronatserklärungen ................................................ d) Verkauf von nicht betriebsnotwendigem Vermögen ................................................................... e) Sale and Lease Back ................................................... f) Factoring .................................................................... g) Sanierende Eingriffe in die Struktur des Unternehmens ........................................................... 2. Externe Maßnahmen ......................................................... a) Aufnahme neuer Gesellschafter ................................ b) Beiträge der Gläubiger ............................................... c) Die Banken als Gläubiger mit herausgehobener Stellung ......................................... d) Mezzanine-Kapital .....................................................

501 .... 131 503 .... 131 505 .... 132 525 .... 136 529 .... 137 533 .... 138 534 .... 138 535 .... 138 536 543 543 549

.... .... .... ....

139 140 140 141

594 .... 150 603 .... 152

IV. Überwindung der Erfolgskrise ................................................ 612 .... 154 V. Überwindung der Produkt- und Absatzkrise ......................... 614 .... 154 K. Integrierte Sanierungsplanung .............................................. 695 .... 169 I.

Darstellung der Problem- und Verlustbereiche ...................... 698 .... 169

II. Darstellung der Maßnahmeneffekte ........................................ 699 .... 169 III. Praktische Umsetzung ............................................................. 703 .... 170

IX

Inhaltsverzeichnis Rn.

Seite

IV. Wann dürfen Maßnahmen in der Planungsrechnung berücksichtigt werden? ............................................................ 713 .... 172 V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung ............ 719 .... 174 L.

Erstellen der Planungsrechnung ........................................... 821 .... 197

I.

Basisbilanz ................................................................................. 842 .... 201

II. Ertragsplanung .......................................................................... 855 .... 203 1. Direkte Insolvenzkosten .................................................. 880 .... 207 2. Indirekte Insolvenzkosten ................................................ 882 .... 208 III. Bilanzplanung ........................................................................... 899 .... 219 IV. Liquiditätsplanung .................................................................... 906 .... 220 V. Aufbau der Unternehmensplanung und Planungszyklus ...... 910 .... 221 M. Plausibilisierung der Planung ................................................ 915 .... 223 I.

Formelle Plausibilisierung ........................................................ 920 .... 224

II. Materielle Plausibilisierung ...................................................... 921 .... 224 N. Planungsfehler ......................................................................... 926 .... 225 O. Sanierungscontrolling ............................................................ 928 .... 227 P.

Berichterstattung und zusammenfassende Schlussbemerkung ................................................................... 936 .... 229

I.

Auswahl des Gutachters ........................................................... 947 .... 232

II. Auftrag ...................................................................................... 949 .... 232 III. Adressaten des Gutachtens ..................................................... 950 .... 232 IV. Bestandsaufnahme .................................................................... 951 .... 233 V. Maßnahmen und Annahmen ................................................... 953 .... 233 VI. Management .............................................................................. 955 .... 234 Q. Zusammenfassende Checkliste .............................................. 958 .... 235 R. Glossar ................................................................................................... 239 Stichwortverzeichnis ................................................................................... 247

X

Literaturverzeichnis Kommentare, Handbücher, Monographien Augustin Praxiserprobte Konzepte zur Unternehmensplanung, 2008 Balz/Landfermann Die neuen Insolvenzgesetze, 1999 Bamberger/Roth Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl., 2012 (zit.: Bearbeiter, in: Bamberger/Roth, BGB) Bauer Die GmbH in der Krise, 4. Aufl., 2013 Baumbach/Hueck GmbHG, 20. Aufl., 2013 (zit.: Bearbeiter in: Baumbach/Hueck, GmbHG) Beck’scher Bilanz-Kommentar Handelsbilanz, Steuerbilanz, 9. Aufl., 2014 (zit.: Bearbeiter, in: Beck’scher Bilanz-Kommentar) Bundessteuerberaterkammer Berufsrechtliches Handbuch (Stand: September 2014), http://www.stbk-koeln.de/fileadmin/site-template/pdf/BerufsrechtlichesHandbuch-StBK-K%C3%B6ln-Version-Februar-2015.pdf Bundessteuerberaterkammer Handbuch des Berufs-, Gebühren- und Kostenrechts für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte, 2002 Buth/Hermanns Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 4. Aufl., 2014 Dixit/Nalebuff Spieltheorie für Einsteiger – Strategisches Know-how für Gewinner, 1997 (zit.: Dixit/Nalebuff, Spieltheorie für Einsteiger) Dobelli Die Kunst des klaren Denkens: 52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen, 2011 Dobelli Die Kunst des klugen Handelns: 52 Irrwege, die Sie besser anderen überlassen, 2012 Drucker Management, Bd. 1, 2009

XI

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XII

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XIII

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XV

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XVI

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XIX

A. Planungsanlässe Die Aufgabe eines Unternehmens ist es, einen Versorgungsauftrag außerhalb 1 des Unternehmens zu erfüllen. Das Unternehmen existiert nicht um seiner selbst willen, sondern um eben diesen Zweck zu erfüllen. Dabei muss das Unternehmen Gewinn machen, denn Gewinne, so Drucker, sind die Kosten des Überlebens. Drucker, Management Bd. 1, S. 158 ff.

Um den Versorgungsauftrag zu erledigen und um Gewinne zu machen, muss 2 das Unternehmen zuerst einmal überleben oder überlebensfähig sein. Die Unternehmensplanung dient dazu, die zur Erreichung des Ziels erforder- 3 lichen Maßnahmen zu strukturieren. „Im vorliegenden Kontext ist ein Plan (lateinisch „planus“ = deutlich, klar) die Vorstellung einer zukünftigen Handlungsabfolge, eines Vorhabens, Projekts oder Programms“. Wagner, Lexikon Wirtschaft – Unternehmensplanung, DATEV LX 2299310.

Unterteilt wird die Unternehmensplanung dabei in die strategische und die 4 operative Planung. Die strategische Planung ist eher global, visionär und vor allem längerfristig ausgerichtet. Hierzu wird das Unternehmen in seinem Geschäftsfeld und im Wettbewerb analysiert und aufbauend auf den relevanten Trends und Entwicklungen, vor allem aber auf den Kernkompetenzen des Unternehmens die künftige Ausrichtung beschlossen. Nickert/Kühne, InsBüro 2014, 500 ff.; vgl. auch für kleinere KMU den INQA-Unternehmenscheck der Offensive Mittelstand unter http://www.offensive-mittelstand.de.

Aufgrund des längeren Planungshorizonts der strategischen Planung werden 5 die zur Erreichung der Ziele geplanten Maßnahmen in Zwischenetappen mit Zwischenzielen unterteilt. Die strategische Planung ist aufgrund der längerfristigen Perspektive eher verbal/qualitativ als quantitativ ausgestaltet. Gleichwohl beinhaltet eine solche strategische Planung auch Zahlen, wie z. B. die Forderung von Josef Ackermann nach 25 % Eigenkapitalrendite für die Deutsche Bank. Diese strategische Planung kann man mit dem Leitbild des sanierten Unternehmens i. S. d. IDW S 6 (Tz. 90 ff.) umschreiben. Bei der operativen Planung werden an Stelle von abstrakten übergeordneten 6 Zielen konkrete eher kurz- und mittelfristige Maßnahmen definiert, um die Ziele der strategischen Planung zu erreichen. Diese geplanten Maßnahmen und die bereits beschlossenen bzw. in Umsetzung befindlichen Maßnahmen werden dann als Ergebnis der Unternehmensplanung in einer sog. Planverprobungsrechnung verdichtet. Gerade der letzte Schritt zeigt dann die monetären Folgen einer Unternehmensplanung auf. Durch Weglassen oder Hinzufügen einer Maßnahme bzw. durch Veränderung sonstiger Parameter (z. B.

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A. Planungsanlässe

Lohnkostensteigerung) können dann verschiedene „Szenarien“ der Unternehmensplanung aufgezeigt werden. Insoweit dient die Unternehmensplanung zur Bewertung und zur Auswahl von Maßnahmen; sie dient also der Entscheidungsvorbereitung bei Ungewissheit. Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297 ff.

7 Besonders bedeutsam wird die Aufgabenstellung in der Krise bzw. Insolvenz der Gesellschaft: Zunächst einmal sind die in Betracht kommenden Maßnahmen danach auszusuchen, welche dem Unternehmen zur durchgreifenden Sanierung verhelfen. Aufgrund der regelmäßig gegebenen geringen Ressourcen muss die Auswahl hier sehr sorgfältig auf Basis eines Plans erfolgen. Dabei müssen verschiedene Alternativen gegeneinander abgewogen werden. 8 Auch für die Gläubiger und die Gesellschafter dient die Unternehmensplanung zur Entscheidungsvorbereitung: So entscheiden die Gesellschafter auf Basis einer solchen Planung, ob sie gewährte Mittel – im Rahmen der Möglichkeiten – abziehen, stehen lassen oder noch neue Mittel zur Verfügung stellen. Selbiges gilt für die Gläubiger. 9 Bei der Vergabe von Sanierungskrediten hat die Rechtsprechung für Kreditinstitute eine weitergehende Verpflichtung zur Vornahme einer besonderen Prüfung der nachhaltigen Überlebensfähigkeit bei der Vergabe von Sanierungskrediten entwickelt. Ohne ein Sanierungskonzept und eine positive Fortbestehensprognose „aufgrund einer sachkundigen und sorgfältigen Prüfung der Lage des Schuldners und besonders der Geschäftsaussichten …“ läuft das Kreditinstitut bei einem späteren Fehlschlag der Sanierung Gefahr, mit Schadensersatz- und Rückgewähransprüchen aus den §§ 138 und 826 BGB konfrontiert zu werden. BGH, Urt. v. 8.2.1956 – IV-ZR-242/52, BGHZ 10, 228.

10 Auch die Beurteilung der Insolvenzgründe hängt maßgeblich, wenn nicht sogar ausschließlich, von der Unternehmensplanung ab: Die Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit baut auf einer statischen Stichtagsliquidität ab, die dann in die Zukunft fortentwickelt, also geplant wird. Selbiges gilt für die drohende Zahlungsunfähigkeit, bei der sich lediglich der Planungszeitraum verlängert. Da die Beurteilung der Fortbestehensprognose im Rahmen der Überschuldungsprüfung letztlich der Beurteilung der drohenden Zahlungsunfähigkeitsprüfung ist, hat die Unternehmensplanung auch unmittelbare Auswirkung auf den Insolvenzgrund der Überschuldung. Wer also dokumentieren möchte oder sogar muss, dass ein Insolvenzgrund nicht besteht, kommt an einer Unternehmensplanung nicht vorbei. 11 Die Unternehmensplanung hat aber noch weitere Anwendungsbereiche. So dient sie im Rahmen der Unternehmensbewertung als Basis für den sog. Zukunftserfolgswert. Vgl. Nickert, in: FS Haarmeyer, S. 175 ff., 186 ff. = ZInsO 2013, 1722.

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I. Pflicht zur Unternehmensplanung?

Das Organ, das ein Unternehmen oder eine Beteiligung veräußert, wird sich 12 zuvor einen angemessenen Überblick über den Unternehmenswert auf Basis eines Zukunftserfolgs gemacht haben. Denn es kann sich nur enthaften, wenn der realisierte Preis über dem subjektiven Nutzen des Festhaltens am Unternehmen oder an der Beteiligung liegt (sog. Grenzpreis). Selbstverständlich gilt dies auch für den Insolvenzverwalter. OLG Rostock, Urt. v. 8.4.2011, NZI 2011, 488 = ZInsO 2011, 1511 (rkr., BGH, Beschl. v. 16.5.2013 – IX ZR 60/11).

I. Pflicht zur Unternehmensplanung? Gerade in der Krise ist also eine Unternehmensplanung unerlässlich. Davon 13 unabhängig stellt sich die Frage, ob es eine allgemeine Pflicht zur Erstellung einer Unternehmensplanung gibt. Eine gesetzliche Norm, in der dies generell geregelt ist, existiert nicht; es gibt also kein klares gesetzliches Gebot zur Einrichtung einer Unternehmensplanung. Jedoch mittelbar gibt es gesetzliche Konkretisierungen, die teilweise von der 14 Verpflichtung zur Planung ausgehen. So regelt § 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG, dass der Vorstand dem Aufsichtsrat über die „beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung zu berichten hat. Ein solcher kann nur bei Vorliegen einer Unternehmensplanung angenommen werden. Vgl. Hüffer, AktG, § 90 Rn. 4 ff., § 111 Rn. 13 ff.

Allerdings folgt nach h. M. die Verpflichtung zur zukunftsorientierten Über- 15 wachung nicht aus § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG, sondern aus den allgemeinen Leitungspflichten gemäß §§ 76 Abs. 1 und 93 Abs. 1 Satz 1 AktG. Hüffer, AktG, § 90 Rn. 4a.

In § 91 Abs. 2 AktG ist ferner die Verpflichtung zur Einrichtung eines Risiko- 16 früherkennungssystems statuiert. Das Risikofrüherkennungssystem soll Bestandsgefährdungen aufzeigen. Unter solchen versteht man nachteilige Veränderungen auf die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage der Aktiengesellschaft, sofern sie sich wesentlich auswirken können. Eben diese Wesentlichkeit kann erst ermittelt und aufgezeigt werden, wenn die Bestandsgefährdungen in der Planungsrechnung aufgezeigt werden. Für Unternehmen, die einen Lagebericht zu erstellen haben, muss nach § 289 17 HGB die Unternehmensplanung in ihrer Ausprägung und in ihrer Planungssicherheit so qualifiziert sein, dass sie als Grundlage für den Prognose- und Risikobericht dienen kann. Gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB muss der Kaufmann prüfen, ob die Beibehaltung der Fortführungsprognose im Rechnungswesen vertretbar ist. Hilfsmittel hierzu ist u. a. die Unternehmensplanung. Im insolvenznahen Bereich sind die Insolvenzgründe bei qualifizierten Rechts- 18 trägern zu prüfen, weil hier eine Insolvenzantragspflicht besteht. Die Insolvenz-

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A. Planungsanlässe

gründe können aber regelmäßig nur prognostisch überprüft werden, da sowohl die (drohende) Zahlungsunfähigkeit als auch die Fortbestehensprognose von der sachgerechten Abschätzung der künftigen Entwicklung abhängen. Dieser Abschätzung liegt aber regelmäßig eine Unternehmensplanung zugrunde. 19 Zuletzt gibt es vermehrt Stimmen, die die Einrichtung einer Planungsrechnung als Ausprägung der Leitungspflicht und damit als allgemeine Sorgfaltspflicht ansehen. Vgl. Groß/Amen, WPg 2003, 1161; Hüffer, AktG, § 90 Rn. 4a.

20 Überwiegend wird davon ausgegangen, dass das Gebot der Einrichtung eines Früherkennungssystems auch auf die GmbH und damit auch auf die GmbH & Co. KG übertragbar ist. Vgl. Bork, ZIP 2011, 101, 105; Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 96; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 33 m. w. N., str.

21 Da aber in einem Risikomanagementsystem alle Chancen und Risiken zu einem Gesamtwert verdichtet werden, müssen die Aussagen in einer Unternehmensplanung einfließen. Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, S. 159 ff.

22 Erst und nur dieser Schritt ermöglicht es, die Entscheidung vorzubereiten, indem „gute“ von „schlechten“ Risiken unterschieden werden. Man wird also heute davon ausgehen müssen, dass die Verpflichtung zur Unterhaltung einer Unternehmensplanung rechtsformübergreifend dann gilt, sobald keine natürliche Person Vollhafter ist. II. Krise bzw. Sanierung 23 Die Planungsanlässe sind vielschichtig. Im Vordergrund stehen in der Krise die Wiederherstellung der Überlebensfähigkeit und die Haftungsvermeidung der Organe durch den Ausschluss von Insolvenzgründen. Zuerst wird der Geschäftsführer bzw. Vorstand durch die Planung darlegen, dass die Zahlungsfähigkeit gesichert ist, mithin keine Zahlungsunfähigkeit besteht oder droht (Fortbestehensprognose). Ferner wird er durch die Darstellung der geplanten Maßnahmen in der Unternehmensplanung darlegen, dass die Maßnahmen durchführbar sind und zum Wiedererlangen der Überlebensfähigkeit führen. 24 Für Organe dient die Unternehmensplanung (gerade in der Krise) auch zur Entscheidungsvorbereitung bzw. im Nachgang zur Rechtfertigung der getroffenen Maßnahmen, insbesondere z. B. einer Des- oder Investitionsentscheidung oder eines Stilllegungsbeschlusses. 25 Als Planverprobungsrechnung ist die Unternehmensplanung wesentlicher Bestandteil eines Sanierungskonzepts und dient z. B. den Kreditinstituten als wesentliche Grundlage etwaiger Finanzierungsentscheidungen.

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III. Insolvenzverfahren

Grundsätzlich ist die Unternehmensplanung als Steuerungstool für das Con- 26 trolling und damit auch für das Sanierungscontrolling anerkannt. III. Insolvenzverfahren Im (eröffneten) Insolvenzverfahren kann sich der Insolvenzverwalter durch 27 eine Planungsrechnung dahingehend exkulpieren, dass er keine Masseverbindlichkeiten begründet hat, die er erkennbar zum Fälligkeitszeitpunkt nicht bedienen kann, § 61 Satz 2 InsO. Darüber hinaus ist eine Planungsrechnung eine gesetzlich vorgeschriebene Plananlage im Insolvenzplanverfahren, wenn der Plan die Befriedigung der Gläubiger aus künftigen Erträgen vorsieht. Erst die Planverprobungsrechnung zeigt auf, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen Aussicht auf Erfolg haben. Im Rahmen der Insolvenzplanerstellung wird durch die Planung dokumen- 28 tiert, dass die Befriedigung aus künftigen Mitteln möglich ist. Auch ist die Vergleichsrechnung, ob die Gläubiger im Plan besser stehen, eine Unternehmensplanung zweier Szenarien: Planszenario vs. Abwicklung in der Regelinsolvenz. Zuletzt wird der Insolvenzverwalter durch Vorhalten einer Unternehmens- 29 planung dokumentieren, dass er zu dem Zeitpunkt gutgläubig war, als er Masseverbindlichkeiten eingegangen ist, § 61 Satz 2 InsO. HambKomm-InsO/Heitzmann, InsO, § 61 Rn. 13.

Für Gläubiger ist die Planung eine wesentliche Entscheidungsgrundlage, ob 30 sie einem Insolvenzplan oder dem Verkauf des Unternehmens zustimmen oder alternativ das Unternehmen schließen lassen.

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B. Adressat einer Planungsrechnung Aus dem Planungsanlass folgt, wer Adressat der Unternehmensplanung ist. 31 In jedem Fall ist der Unternehmer bzw. sind die Organe und die Anteilseigner Adressaten der Unternehmensplanung. Jeder Planer muss sich klar machen, wer der künftige Leser der Unternehmensplanung ist. Unterschiedliche Adressaten haben nämlich unterschiedliche Anforderungen und Wünsche an den Planungsbericht. Als Leser kommen in Betracht: x

Insolvenzverwalter

x

Gläubigerausschuss

x

Geschäftsführer, Vorstand

x

Gesellschafter, Aufsichtsrat

x

Gerichte

x

Banken, Warenkreditversicherer

x

Jahresabschlussprüfer

x

Lieferanten und sonstige Gläubiger

Die Organe versuchen zunächst eine für das Unternehmen gute Entscheidung 32 vorzubereiten und damit gleichzeitig ihre eigene Haftung zu vermeiden. Das heißt als Mindestanforderung dürfte die Dokumentation des Ausschlusses etwaiger Insolvenzgründe bestehen. Für die Anteilseigner stellt sich ebenso wie für die Vertragspartner die Frage, ob und inwieweit das Unternehmen fortgeführt werden kann, ob die Leistungen aus künftigen Geschäftsbeziehungen hinreichend sicher sind und ob es für die Gesellschafter sinnvoll ist, eine Kapitalerhöhung vorzunehmen. Die Insolvenzgläubiger möchten das Erfolgspotential aus einer Fortführung bzw. aus einer Unternehmensveräußerung aufgezeigt wissen, wobei ein potentieller Absonderungserlös an die Absonderungsgläubiger ersichtlich sein sollte. D. h. jeder Beteiligte untersucht die Planung aus seiner Perspektive. Daher muss sich der Planer gut überlegen, was mit der Planung aufgezeigt werden soll. Ziel des Planungsberichts muss es daher sein, die zu erwartenden Rückfragen vorwegzunehmen, sodass die Leser des Planungsberichts sämtliche Fragen geklärt bekommen.

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C. Unternehmensplanung in der Rechtsprechung Die Rechtsprechung zur Unternehmensplanung ist nicht üppig. Die Recht- 33 sprechung hatte in der Vergangenheit wenig Gelegenheit, sich mit der Unternehmensplanung zu beschäftigen. Im Wesentlichen stammen die Urteile aus dem Bereich der Unternehmensbewertung (z. B. aus Spruchverfahren), der Besteuerung und in wenigen Urteilen zur deliktischen bzw. Organhaftung. Dort sind allerdings Tendenzen zu erkennen, den abzufindenden Minderheitsaktionären aufgrund des zwangsweisen Ausscheidens eher höhere Abfindungen zuzusprechen. Dies führt bei Fragen der Unternehmensbewertung tendenziell zu höheren Ergebnissen. Ob dies für Fragen der Krise bzw. Insolvenz übertragbar ist, scheint fraglich, zumal hier der Gläubigerschutz zumindest bei haftungsbeschränkten Gesellschaften dominieren dürfte. Dies ändert aber grundsätzlich nichts daran, dass die Entscheidungen insoweit vergleichbar sind, als das „Handwerkszeug“ der Planung in beiden Fällen identisch ist. Die Frage des Schutzbedarfs dürfte dann eine Frage der Beweislast oder der sekundären Behauptungslast sein. Gleichwohl ist es wichtig, das wesentliche Substrat dieser Entscheidungen herauszufiltern um darauf aufbauend Handlungsempfehlungen abzuleiten. Ein Sanierungskonzept ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung be- 34 achtlich, wenn es x

den Fortführungswillen des Schuldners bzw. seiner Organe erkennen lässt und

x

ein in sich schlüssiges Konzept ist, 

das die Bereinigung sämtlicher Verbindlichkeiten des Schuldners und seine dauerhafte wirtschaftliche Stabilisierung in überschaubarer Zeit zum Ziel hat,



das von den erkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht,



sich insbesondere auf konkret benennbare, nachvollziehbare Umstände stützt,



die wirtschaftliche Lage des Schuldners im Rahmen seiner Wirtschaftsbranche analysiert und die Krisenursachen sowie die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage erfasst,



das nicht offensichtlich undurchführbar ist und auf der Seite des Schuldners im maßgeblichen Zeitpunkt ernsthafte und begründete Aussichten auf Erfolg rechtfertigt,



das von einem unvoreingenommenen, branchenkundigen Fachmann stammt, dem die vorgeschriebenen oder üblichen Buchhaltungsunterlagen zeitnah vorliegen, und



das jedenfalls in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt ist. 9

C. Unternehmensplanung in der Rechtsprechung BGH, Urt. v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248; BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 52/10, ZIP 2013, 894; BGH, Urt. v. 21.11.2005 – II ZR 277/03, ZIP 2006, 279; Ganter, NZI 2014, 673, 678.

35 Die einzelnen Anforderungen können wie folgt skizziert werden: I. OLG Celle, Urt. v. 23.10.2003 – 16 U 199/02, ZIP 2003, 2118 36 Das OLG Celle hat in einer viel beachteten Entscheidung die rechtlichen Anforderungen an betriebswirtschaftliche Beratungsleistungen umrissen: „Es handelt sich um eine einfache Beschreibung von augenfälligen Tatsachen sowie um eine Fassung und Neudarstellung von den dem Unternehmer schon bekannten Zahlen. Für den Unternehmer ist das Gutachten völlig wertlos, um seine Situation besser zu erkennen und auch vollständig ungeeignet, um konkrete betrieblich realisierbare Maßnahmen zur Verbesserung der Situation oder zur Sanierung des Unternehmens erfolgreich zu entwickeln. …… Die Analyse ist nicht nach den allgemein anerkannten Regeln der Betriebswirtschaft gefertigt. Sie entspricht weiterhin nicht den Richtlinien für die Bezuschussung von Unternehmensberatungen durch das Bundesministerium für Wirtschaft, in dessen Ziffer 4.3.1 es u. a. heißt, dass bei allgemeinen Beratungen der Bericht auf der Grundlage des Beratungsauftrages eine Analyse der Situation des beratenen Unternehmens, der im Einzelnen ermittelten Schwachstellen, konkrete Verbesserungsvorschläge sowie eine detaillierte Anleitung zur Umsetzung in die betriebliche Praxis enthalten soll. Im Analysebericht sind weder im Einzelnen die ermittelten Schwachstellen noch konkrete Verbesserungsvorschläge enthalten. … Darüber hinaus enthält die Analyse handwerkliche Mängel. Beispielsweise wird zu Jahresende 1999 ein Negativkapital von 245.999 DM ausgewiesen, im Status vier Monate später stehen 257.000 DM Eigenkapital, ohne dass erklärt wird, woher diese Verbesserung um mehr als eine halbe Million DM kommt. … Der Sachverständige führt zu den Anregungen des Mitarbeiters der Klägerin zur Betriebsfortführung aus, es handele sich um nichts weiter als Schlagworte, die in dieser Form wertlos seien. Die einzelnen Punkte hätten in einem Maßnahmenplan ausgearbeitet und durch eine Kosten Nutzen Analyse ersetzt werden müssen. Insgesamt heißt es in dem Gutachten (Seite 9), der Bericht bestehe fast nur aus Schlagworten und Arbeitsplänen, enthalte viele Wiederholungen und Hinweise, es fehlten aber wesentliche Tätigkeiten, die zur Auftragserfüllung notwendig gewesen wären. Dies gelte insbesondere für den Wettbewerb, der überhaupt nicht erwähnt werde, Marketingmaßnahmen würden oberflächlich und schlagwortartig angedeutet, der Hinweis, Grundstücke sollten verkauft werden, um Liquidität zu erhalten, sei unbrauchbar, weil nicht gesagt werde, aus welchen Gründen welche Grundstücke verkauft werden sollten und ob das angesichts der vermutlich mit Grundpfandrechten belasteten Immobilien überhaupt möglich sei.“

37 Aus diesem Urteil kann abgeleitet werden, dass eine betriebswirtschaftliche Beratungsleistung folgende Mindestbestandteile enthalten muss: • Allgemeine Unternehmensanalyse • Wettbewerbsanalyse • SWOT Analyse • Kennzahlenanalyse mit Lagebeurteilung 10

II. OLG Köln, Urt. v. 24.9.2009 – 18 U 134/05, GmbHR 2010, 251

• Banken- bzw. Verbindlichkeitenspiegel mit Sicherheitenspiegel • Maßnahmenplan mit Kosten-Nutzen-Analyse • Marketingmaßnahmen • Planverprobungsrechnung Letztlich muss sich der Berater an die einschlägigen Berufsstandards halten. 38 Der damalige Standard dürfte wegen des Zeitfortschritts nur noch einen rudimentären Anhaltspunkt geben. Heute halten wir die Orientierung am IDW S 6 und an den Grundsätzen ordnungsgemäßer Planungsrechnung des Bunds Deutscher Unternehmensberater (GoP 2.1) für unerlässlich. II. OLG Köln, Urt. v. 24.9.2009 – 18 U 134/05, GmbHR 2010, 251 In einer weiteren viel zitierten Entscheidung hatte sich das OLG Köln mit 39 der Sanierungsfähigkeit eines Unternehmens, damals zur Frage des Kapitalersatzrechts, zu befassen. Es hat dabei folgende Anforderungen bzw. Grundsätze aufgestellt: „Nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen L setzt ein Sanierungskonzept im Wesentlichen Folgendes voraus: •

Beschreibung des Unternehmens



Analyse des Unternehmens



Krisenursachenanalyse



Lagebeurteilung



Leitbild des sanierten Unternehmens



Maßnahmen zur Sanierung des Unternehmens



Planverprobungsrechnung

Dies entspricht den Anforderungen, die der Dachausschuss Recht des Instituts der Wirtschaftsprüfer 1991 an ein Sanierungsgutachten gestellt hat (vgl. Gutachten L, S. 23) und das in dieser Form auch im Schrifttum dargestellt wird (Maus, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 2. Aufl., 1999, S. 238). … In Wahrheit handelt es sich bei den dargestellten Prüfpunkten um eine Zusammenfassung einleuchtender Vernunfterwägungen, die bei jeder geplanten Sanierung angestellt werden müssen. Es enthält nach den zutreffenden Feststellungen des Sachverständigen L keine Einleitung bzw. als Basis keine Beschreibung der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der zu sanierenden Unternehmensgruppe. Ein sachverständiger Dritter ist, wie der Sachverständige mit Recht hervorhebt, nicht in der Lage, sich aus dem Gutachten das diesem Papier zugrunde liegende Basis-Mengengerüst anzulesen und zu erarbeiten, um die Plausibilität der Annahmen und darauf aufbauend die Folgerichtigkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen bzw. des Sanierungskonzepts zu beurteilen.

11

C. Unternehmensplanung in der Rechtsprechung Des Weiteren fehlt dem Gutachten C, wie der Sachverständige auf S. 28 seiner Stellungnahme hervorhebt, die erforderliche Krisenursachenanalyse. Stärken und Schwächen des Unternehmens werden nicht überschaubar herausgearbeitet. Es handele sich immer nur um allgemeine Aussagen und es werde mit pauschalierten Begriffen gearbeitet wie etwa „erwartete Nachfrage- und Umsatzsteigerung“, „Senkung der Entsorgungskosten durch Optimierung des Stoffstrom-Managements“ und „Verbesserungspotential in der Nutzung von Verbundeffekten“. Das Leitbild des sanierten Unternehmens, mithin das Ziel aller auf die Sanierung gerichteten Bemühungen, wird im Gutachten C nicht konkret herausgearbeitet. Was die einzelnen Unternehmen zu bieten haben in dem Sinne von produktbezogenen, marktbezogenen oder funktionalen Erfolgspotentialen, wird nach den vom Sachverständigen L überzeugend vermittelten Erkenntnissen in der Bankenpräsentation nicht dargestellt. Die von C vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen, die im Sanierungskonzept in ihrem Zusammenhang beschrieben und hinsichtlich ihrer beabsichtigten Auswirkungen verdeutlicht werden müssen, sind nach den Ausführungen des Sachverständigen L im Gutachten C sehr global gehalten, was der Sachverständige auf S. 40 ff. seines Gutachtens anhand einer beachtlichen Anzahl von Beispielen, auf deren nähere Darstellung verwiesen wird, nachvollziehbar erläutert. Seine abschließende Feststellung, dass das Gutachten C nur schematische und globale Ansätze enthalte, um Ansatzpunkte für Kostenreduzierungen und Umsatzsteigerungen aufzuzeigen, ist aus diesen Beispielen überzeugend hergeleitet. Charakteristisches Merkmal all dieser Beispiele ist die abstrakte Darstellung von Sanierungsmöglichkeiten ohne konkreten Bezug zu dem in Rede stehenden Unternehmen. Die Behandlung eines jeden Beispiels endet folglich mit einer offenen Frage nach der Übertragung des Ansatzes auf das betreffende Unternehmen. Nichts anderes gilt schließlich für die Planverprobungsrechnung. Die abschließende Feststellung des Sachverständigen L, es sei jeweils nur eine Ganz-JahresErgebnisplanung für die Jahre 98/99, 99/00 und 00/01 vorgelegt worden, ohne dass erkennbar sei, wie sich die dort ausgewiesenen Zahlen im Einzelnen zusammensetzen, fasst das Ergebnis dieses Abschnitts eindrucksvoll zusammen. Die Planrechnungen, mit denen der Sachverständige sich sorgfältig auseinandergesetzt hat, arbeiten mit Werten, die für die jeweils betroffenen Unternehmensteile ohne nähere erläuterte Schätzgrundlagen in den Raum gestellt und damit mehr gegriffen als geschätzt werden. Insgesamt gelangt der Sachverständige L zu dem Ergebnis, dass das Gutachten C nicht als verwertbarer Sanierungsplan anzusehen ist. Es fehle jeweils eine detaillierte Absatzplanung, eine Investitionsplanung und eine Personalkostenplanung. Eine Plan-Bilanz, die zeigt, mit welchen Wirtschaftsgütern die geplanten Umsätze und Kosten getätigt werden sollen, fehlt nach der Zusammenfassung ebenfalls. Gleiches gilt für die erforderliche best- und worst-case-Berechnung.“

40 Das heißt, ein Sanierungskonzept, das den obigen Anforderungen nicht genügt, ist vor Gericht untauglich. Da das Sanierungskonzept in die Planverprobungsrechnung mündet, gelten diese Anforderungen auch für jede Unternehmensplanung in der Krise. III. ARAG/Garmenbeck: BGH, Urt. v. 21.4.1997, DB 1997, 1068 41 Die Unternehmensplanung ist die prognostische Abbildung der wahrscheinlichen künftigen Entwicklung der Gesellschaft (sachgerechte Abschätzung). Diese geht einher mit einem kaufmännischen Ermessen. Zwar können die

12

IV. BGH, Urt. v. 6.6.1994, ZIP 1994, 1103

Organe keinen „gerichtsfreien“ Ermessensspielraum für sich beanspruchen, dennoch entsteht eine Verantwortlichkeit erst dann, wenn das kaufmännische Ermessen zum Nachteil der Gesellschaft deutlich überspannt wurde. So hat der BGH in der ARAG/Garmenbeck Entscheidung zur Verantwortlichkeit der Aufsichtsräte entschieden: „… Eine Schadenersatzpflicht des Vorstandes kann daraus nicht hergeleitet werden. Diese kann erst in Betracht kommen, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss.“

Dieses Privileg gilt unseres Erachtens uneingeschränkt auch für Berater, die 42 im Auftrag der Gesellschaft eine Planungsrechnung für diese erstellen. Für die Krise speziell gliedern sich die Entscheidungen in zwei Kategorien: Zum 43 einen geht es um die Frage des „Handwerkszeugs“ (OLG Celle und Köln); zum anderen geht es um die Frage des kaufmännischen Ermessens (BGH). IV. BGH, Urt. v. 6.6.1994, ZIP 1994, 1103 Bereits in seiner Grundsatzentscheidung vom 6.6.1994 hatte der BGH klar- 44 gestellt, dass dem Organ bezüglich der Zukunft der Gesellschaft auch bei der Prüfung der Insolvenzgründe ein Beurteilungsspielraum zusteht: „Hierbei ist dem Geschäftsführer ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzubilligen; vor allem kommt es nicht auf nachträgliche Erkenntnisse, sondern auf die damalige Sicht eines ordentlichen Geschäftsleiters an.“ Allerdings steht dem Organ dieser Beurteilungsspielraum erst und nur dann zu, wenn dieser aufgrund sorgfältiger Ermittlung der Tatsachengrundlage und gegebenenfalls aufgrund einer fundierten Beratung ausgeübt wurde: So hat der BGH mit Urteil vom 20.9.2011 – II ZR 234/09, DStR 2011, 876 entschieden: „Der organschaftliche Vertreter einer Gesellschaft, der selbst nicht über die erforderliche Sachkunde verfügt, kann den strengen Anforderungen an eine ihm obliegende Prüfung der Rechtslage und an die Beachtung von Gesetz und Rechtsprechung nur genügen, wenn er sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt und den erteilten Rechtsrat einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterzieht.“

V. Anforderungen der Rechtsprechung an Fortbestehensprognosen und Sanierungsgutachten Die wesentlichen Eckpunkte der Rechtsprechung an die Anforderungen an 45 Sanierungskonzepte können wie folgt nach Ganter, NZI 2014, 763 ff.,

zusammengefasst werden: • Das Sanierungskonzept geht von erkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten aus, die in sich schlüssig und durchführbar sind. 13

C. Unternehmensplanung in der Rechtsprechung

• Dem Gutachtenersteller lagen die erforderlichen Buchhaltungsunterlagen des Unternehmens vor. • Das dargestellte Sanierungskonzept enthält die Analyse der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens im Rahmen seiner Wirtschaftsbranche und erfasst Krisenursachen. • Das Sanierungsgutachten beurteilt die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage des Unternehmens zutreffend. • Das Unternehmen ist objektiv sanierungsfähig und die für die Sanierung konkret in Angriff genommenen Maßnahmen sind insgesamt objektiv geeignet, das Unternehmen in einem überschaubaren Zeitraum zu sanieren. • Die geplanten Sanierungsmaßnahmen sind jedenfalls in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt; das heißt, die Sanierungsmaßnahmen wurden sachgerecht eingeleitet. 46 Ferner kann festgehalten werden, dass die identischen Anforderungen auch bei KMU gelten. 47 BGH, Urt. v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248: (Hervorhebungen von den Verfassern) Die Fortbestehensprognose setzt „mindestens ein in sich schlüssiges Konzept voraus, dass von den erkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht und nicht offensichtlich undurchführbar ist… Sowohl für die Frage der Erkennbarkeit der Ausgangslage als auch für die Prognose der Durchführbarkeit ist auf die Beurteilung eines unvoreingenommenen – nicht notwendigerweise unbeteiligten branchenkundigen Fachmanns abzustellen… Eine solche Prüfung muss die wirtschaftliche Lage des Schuldners im Rahmen seiner Wirtschaftsbranche analysieren und die Krisenursachen sowie die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage erfassen. Dies gilt… grundsätzlich auch für den Versuch der Sanierung eines kleineren Unternehmens.“

48 Entscheidend ist der Nachweis der Überlebensfähigkeit, der sich aus dem Ertrags- und Finanzplan ergibt. 49 BGH, Beschl. v. 9.10.2006 – II ZR 303/05, ZIP 2006, 2171: „Aus dem Gesetzeswortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO folgt außerdem zweifelsfrei, dass eine günstige Fortführungsprognose sowohl den Fortführungswillen des Schuldners bzw. seiner Organe als auch die objektive – grundsätzlich aus einem aussagekräftigen Unternehmenskonzept (sog. Ertrags- und Finanzplan) herzuleitende – Überlebensfähigkeit des Unternehmens voraussetzt.“

50 Für eine positive Fortbestehensprognose ist eine positive Zahlungsfähigkeitsprognose „objektiv mit überwiegender Wahrscheinlichkeit“ zu fordern. 51 OLG Stuttgart, Urt. v. 18.1.2006 – 4 U 189/05 (juris): „Für die Fortbestehensprognose ist darauf abzustellen, ob die Finanzkraft des Unternehmens objektiv mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zur Fortführung zumindest mittelfristig ausreicht (BGHZ 119, 201). Es handelt sich damit

14

V. Anforderungen der Rechtsprechung an Fortbestehensprognosen und Sanierungsgutachten zwar um eine Zahlungsfähigkeitsprognose (MüKomm/InsO-Drukarczyk/ Schüler, § 19, Rn. 53; Bork, Wie erstellt man eine Fortbestehensprognose?, ZIP 2000, 1709/1710). Dies gibt aber lediglich den Gegenstand der Prognose wieder. Um insoweit eine positive Prognose abgeben zu können, sind ein Fortführungswille und die Fortführungsmöglichkeit erforderlich (HK-InsO/ Kirchhof, aaO, § 19, Rn. 9 und 10; FK-InsO/Schmerbach, aaO, § 19, Rn. 20a und 21). (1) Zur Konkretisierung ist die Fortbestehensprognose in drei Stufen aufzustellen: Zunächst muss ein aussagekräftiges und plausibles Unternehmenskonzept erstellt werden. Sodann ist einem zweiten Schritt auf der Grundlage des Unternehmenskonzepts ein Finanzplan aufzustellen, in dem die finanzielle Entwicklung des Unternehmens für den Prognosezeitraum dargestellt wird. Auf der dritten Stufe ist aus dem Ergebnis des Finanzplans die Fortbestehensprognose abzuleiten (Empfehlungen des Fachausschusses Recht des Instituts deutscher Wirtschaftsprüfer [FAR/IDW], WPg 1997, 22 ff.; Uhlenbruck, aaO, § 19, Rn. 28; Bork, aaO, S. 1709/1711). (2) Den Prognosezeitraum konkretisiert die herrschende Auffassung in der Literatur dahin, dass sich die Fortbestehensprognose und damit die Finanzplanung auf die Zeit bis zum Ablauf des nächsten Geschäftsjahres zu erstrecken hat (Uhlenbruck, aaO, § 19, Rn. 30 m. w. N.; MüKomm/InsO-Drukarczyk/ Schüler, § 19, Rn. 56; Bork, aaO, S. 1709/1710). bb) Damit erschöpft sich die Prognose entgegen der Auffassung der Berufung nicht in einer Kostendeckungsrechnung, diese ist lediglich Teil der Prognose. (…) Erforderlich ist auch ein aussagekräftiges und tragfähiges Unternehmenskonzept. Insbesondere ist darzulegen, welcher Gestaltungsrahmen besteht, welche Zielvorstellungen und Strategien verfolgt werden und wie der Soll-Verlauf des Unternehmens geplant ist (Bork, ZIP 2000, 1709/1711).“

Wir halten die Formulierung des OLG Stuttgart für missverständlich, weil es 52 keine Planung/Fortbestehensprognose gibt, die objektiv mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein positives Finanzergebnis ausweist. Wie oben dargelegt und vom BVerfG in der Entscheidung „Daimler/Chrysler“ entschieden, BVerfG, Beschl. v. 24.5.2012 – 1 BvR 3221/10 („Daimler/ Chrysler“), ZIP 2012, 1656, dazu EWiR 2012, 571 (Luttermann),

existiert eine objektive Planung nicht. Sie würde vom Planenden, vom Gutachter und letztlich vom Gericht etwas objektiv Unmögliches verlangen. Daher kann es auch keine objektiv überwiegende Wahrscheinlichkeit geben. Die Planung ist daher lediglich auf Vertretbarkeit zu überprüfen. Vgl. Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297 ff.

Die Planung muss „objektivierbar“ also intersubjektiv auf Plausibilität über- 53 prüfbar sein oder wie Großfeld unter Hinweis auf LG Dortmund, Beschl. v. 1.4.2004 – 18 AktE 2/03, NZG 2004, 723

ausführt: „Sicht eines objektiv vernünftigen dritten Betrachters“. Die Liquiditätsüberdeckung muss dabei „überwiegend wahrscheinlich“ sein 54 und aus einem Ertrags- und Finanzplan anzuleiten sein.

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C. Unternehmensplanung in der Rechtsprechung

55 OLG Celle, Urt. v. 9.3.2005 – 9 U 180/04 (juris): „Eine solche (Fortbestehensprognose) ist dann anzunehmen, wenn die überwiegende Wahrscheinlichkeit ergibt, dass die Gesellschaft mittelfristig über die erforderliche Liquidität verfügen wird, um einen Einnahmeüberschuss zu erzielen, aus dem die gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten gedeckt werden können. (…) Zudem ist Voraussetzung für eine Fortbestehensprognose, dass ein dokumentierter Finanz- und Ertragsplan vorgelegt wird, aus dem sich nachvollziehbar ergibt, auf welche Art und Weise das Unternehmen trotz rechnerischer Überschuldung weitergeführt werden kann. Die Erstellung eines solchen Konzepts ist Sache des Geschäftsführers, der die Umstände darlegen und ggf. beweisen muss, die es aus seiner Sicht rechtfertigen, das Unternehmen trotz rechnerischer Überschuldung fortzuführen“.

56 Jedoch reicht ein substanzloses Konzept mit allgemeinen Empfehlungen hierfür nicht aus. 57 OLG Dresden, Urt. v. 21.9.2004 – 2 U 1441/04, GmbHR 2005, 173: „Gegen die Inanspruchnahme nach § 64 Abs. 2 GmbH kann der betroffene Geschäftsführer nicht einwenden, aufgrund der optimistischen Angaben eines in der Krise des Unternehmens hinzugezogenen Unternehmensberaters habe er von einer positiven Fortbestehensprognose ausgehen dürfen, wenn sich diese auf ein substanzloses Sanierungskonzept stützt, das nur allgemein gehaltene Empfehlungen von Selbstverständlichkeiten enthält“.

58 Prüfungshorizont für die Fortbestehensprognose ist ein betriebswirtschaftlich überschaubarer Zeitraum. 59 OLG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 20.8.2003 – 5 U 67/03, ZInsO 2004, 512: „Eine Fortbestehensprognose setzt grundsätzlich die Aufstellung eines dokumentierten Ertrags- und Finanzplanes voraus (Baumbach/Hueck-SchulzeOsterloh, aaO m. w. N.). Die Prognose ist positiv, wenn sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit ergibt, dass die Gesellschaft mittelfristig Einnahmenüberschüsse erzielen wird, aus denen die gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten gedeckt werden können (Baumbach/Hueck-Schulze-Osterloh, aaO, Rn. 12 zu § 64). Der Planungszeitraum wird aus praktischen Gründen zwar oft auf ein bis zwei Jahre beschränkt (Baumbach/Hueck-Schulze-Osterloh, aaO, Rn. 10 zu § 64). Entscheidend ist insoweit jedoch der im Einzelfall betriebswirtschaftlich überschaubare Zeitraum (Scholz-Karsten Schmidt, GmbHG, Rn. 12 zu § 63). (…) Stellt er bei der ihm obliegenden laufenden Überprüfung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens fest, dass dieses in die Krise geraten ist, muss er prüfen, ob sich für das Unternehmen eine positive Fortbestehensprognose stellt. Er darf das Unternehmen nur weiter betreiben, wenn er begründete Anhaltspunkte hierfür findet. Dabei kommt ihm ein gewisser Beurteilungsspielraum zu, wobei es nicht auf nachträgliche Erkenntnisse, sondern auf die damalige Sicht eines ordentlichen Geschäftsleiters ankommt. Notfalls muss er sich fachkundig beraten lassen.“

16

VI. Sonstige Entscheidungen zur Unternehmensplanung

VI. Sonstige Entscheidungen zur Unternehmensplanung Bei der Unternehmensplanung für die Zwecke der Unternehmensbewertung 60 ist es verfassungsrechtlich anerkannt, dass die der Unternehmensbewertung zugrunde liegenden Prognosen über die künftige Entwicklung der Unternehmen und ihrer Erträge (lediglich) daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage beruhen und vertretbar sind. Denn jede in die Zukunft gerichtete Prognose ist in ihrer Natur nach mit Unsicherheiten behaftet. Es ist daher nicht geboten, eine auf zutreffender Tatsachengrundlage beruhende, vertretbare Prognose durch eine andere – ebenfalls notwendigerweise – nur vertretbare Prognose zu ersetzen. Generell ist in Unternehmensbewertungsverfahren also anerkannt, dass der Ertragswert auf subjektiver Einschätzung beruht. BVerfG, Beschl. v. 24.5.2012 – 1 BvR 3221/10 („Daimler/ Chrysler“), ZIP 2012, 1656; Großfeld Recht der Unternehmensbewertung, Rn. 401.

Einen wahren, allein richtigen Unternehmenswert gibt es nicht. Aufgrund 61 dieses subjektiven Einschlags kann das Ergebnis daher keine Richtigkeitskontrolle sein, sondern allenfalls ein Vertretbarkeitsurteil. OLG Stuttgart Beschl. v. 8.7.2011 – 20 W 14 / 08 – AG 2011, 795.

Diese Entscheidung ist unseres Erachtens uneingeschränkt auf die Fälle der 62 Unternehmensplanung im Krisen- bzw. Insolvenzbereich übertragbar. Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297.

Auch hier fußt die Planung auf subjektiven Einschätzungen und Annahmen, 63 die nicht auf Richtigkeit überprüft werden können. Vielmehr ist die Planung auf Vertretbarkeit zu untersuchen (sog. Vertretbarkeitspostulat). Was nun aber zu tun ist, wenn eine Planung nach Ansicht des Gutachters oder 64 des Gerichts unplausibel ist, hat das Oberlandesgericht Stuttgart in einem Unternehmensbewertungsfall entschieden. Aufgabe des Bewerters ist es, die Planung auf Plausibilität zu überprüfen. Eine seiner Einschätzung nach nicht plausible Planung kann er der Bewertung nicht zugrunde legen. Hält der Bewerter die Planung nicht für plausibel, muss er dies dem Vorstand mitteilen. Passt der Vorstand darauf hin, seine Planung an, ist diese neue Planung für die Bewertung zugrunde zu legen, soweit sie auf zutreffenden Informationen, daran orientierten realistischen Annahmen beruht und nicht in sich widersprüchlich ist. OLG Stuttgart Beschl. v. 5.5.2013 – 20 W 6/10 = NZG 2013, 897, EWiR 2013, 569 (LS).

Soweit er die Planung nicht anpasst, muss der Bewerter diese Planungsanpas- 65 sung vornehmen. Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, Rn. 403.

17

C. Unternehmensplanung in der Rechtsprechung

66 Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte einen Fall der Unternehmensbewertung zu entscheiden, in dem keine Unternehmensplanung vorlag. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.3.2008 – I-26-W-8/07 (AktE), AG 2008, 498; DATEV LX 7009303: „Liegen Planungsrechnungen eines Unternehmens nicht vor, muss der Sachverständige eine Zukunftsprognose treffen, indem er die in der Vergangenheit erzielten Unternehmensergebnisse und erkennbaren Entwicklungen der Zukunft berücksichtigt.“

18

D. Planungsarten und -methoden Geht man mit der Rechtsprechung davon aus, dass die Unternehmenspla- 67 nung als subjektive Planung anzustellen ist, stellt sich dennoch die Frage, wie generell geplant werden muss und welche Anforderungen an eine „gerichtsfeste“ Planung zu stellen sind bzw. wann eine Planung als „pathologisch“ zu verwerfen ist. In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird zwischen der Planung und der 68 Prognoserechnung unterschieden. Wöhe differenziert die beiden Begriffe wie folgt: „Die Planung legt fest, welche Entscheidungen man treffen muss, damit künftige Ereignisse eintreten, während die Prognose voraussagt, dass mit dem Eintritt bestimmter Ereignisse wahrscheinlich zu rechnen ist“. Fundstelle nach Ehrmann, Unternehmensplanung, S. 47.

Die Betriebswirtschaftslehre versteht unter der Planung das Auswählen und 69 Festlegen von Entscheidungen/Maßnahmen, die man treffen muss, um ein geplantes Ziel bzw. künftiges Ereignis zu erreichen. Unter einer Prognose versteht man demgegenüber die Voraussage, dass mit dem Eintritt eines Ereignisses mit einer bestimmten Wahrscheinlich zu rechnen ist. Ehrmann, Unternehmensplanung, S. 47.

Die Ermittlung der Insolvenzgründe dient der Frage nach einer Insolvenzan- 70 tragspflicht bzw. einem Insolvenzantragsrecht. Es geht also um die Vorbereitung einer ggf. gesetzlich gebotenen Entscheidung. Diese Definition vorausgesetzt, dürfte für die insolvenzrechtlich zu treffen- 71 den Entscheidungen, z. B. über das Vorliegen von Insolvenzgründen, von einer Prognose auszugehen sein, während man für die Planung der Sanierung, z. B. im Rahmen eines Sanierungsgutachtens, von einer Planung ausgeht. Würde man diese Differenzierung nicht auch auf die insolvenzrechtlichen Planungsbzw. Prognoseansätze anwenden und generell auf die Unternehmensplanung abstellen, könnte man regelmäßig jeden Insolvenzgrund dadurch beseitigen, dass man – überspitzt formuliert – „einen Lottogewinn oder den großen Auftrag aus Fernost einplant“. Die Planung aber hat eine handlungsorientierte Gestaltungsfunktion („spiel Lotto“), während der Prognose eine erkenntnisorientierte Informationsfunktion innewohnt. Pieroth, Systematische Prognosefehler in der Unternehmensplanung, S. 31.

Dass der Gesetzgeber die (betriebswirtschaftliche) Prognose verlangt, folgt 72 nicht nur aus dieser Funktion, sondern auch aus der Formulierung des Gesetzes“; vgl. § 18 Abs. 2 InsO: „voraussichtlich“; § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO: „überwiegend wahrscheinlich“. Nickert, in: Nickert/Lamberti, Rn. 165 (erscheint in Kürze).

19

D. Planungsarten und -methoden

73 Sprachlich wird dies „korrigiert“ indem gelegentlich von einer „objektiven“ Planung gesprochen wird. OLG Stuttgart Urt. v. 18.1.2006 – 4 U 189/05; so auch K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, § 19 Rn. 47, 53.

74 Gemeint ist damit eine intersubjektiv nachvollziehbare wie einer dem Wahrscheinlichkeitsbedarf entsprechenden Prognose. 75 Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass in der Praxis eine saubere Trennung zwischen Planung und Prognose schwierig ist bzw. diese sogar verschwimmen kann. Denn wie in dem gerade angeführten Beispiel des eingeplanten Lottogewinns macht es in planerischen Fällen wenig Sinn, Maßnahmen oder Erfolge einzuplanen, deren Eintritt unwahrscheinlich bzw. unrealistisch sind. Es geht also nicht nur bei der Prognose, sondern auch bei der Planung darum, unsichere Erwartungen in einer geeigneten Form zu greifen und planerisch zu erfassen. 76 Generell muss man davon ausgehen, dass die zukünftige Entwicklung des Unternehmens, gleichgültig ob Planungs- oder Prognosefall, unsicher ist. Gemäß dem Bonmot von Benjamin Franklin sind lediglich der Tod und die Steuern gewiss. Sicherlich sind einige Teilbereiche im Unternehmen mit Sicherheit planbar. Dies gilt insbesondere für vertraglich bestehende Verpflichtungen für das Unternehmen, wie z. B. der Kapitaldienst aufgrund eines vereinbarten und ausgereichten Darlehens. Sobald aber Dritte mit dem Unternehmen in Geschäftsbeziehung treten, verlässt man den Bereich der sicheren Erwartung. So können Kunden und/oder Lieferanten kommen und gehen, Leistungsträger aus der Belegschaft können kündigen etc. Diese Unsicherheit kann sich durch ein Risiko oder durch eine Ungewissheit ergeben (Näheres siehe unter Rn. 719 ff.). 77 Wenn aber die wesentlichen Erfolgsdeterminanten unsicher bzw. risikobehaftet sind, muss dies in der Prognoserechnung und in der Unternehmensplanung berücksichtigt werden. Nach Ehrmann, Unternehmensplanung, S. 47,

ist die Prognose ein wichtiger Bereich im Planungsgeschehen. Dies ist dahingehend zu verstehen, dass jeder Planung zugleich eine Prognose innewohnt. Die Planung ist also der Oberbegriff und die Prognose nur eine Unterkategorie der Planung. Dies ist insbesondere in Planungsanlässen rund um die Krise und Insolvenz zweifellos richtig und zugrunde zu legen. 78 Vor diesem Hintergrund ist auf verschiedene Planungsausprägungen einzugehen. I. Reine Ertragsplanung/Rentabilitätsvorschau 79 Zunächst einmal ist die Ertragsplanung zu nennen. Vor rund 10 – 20 Jahren war im betrieblichen Prozess noch die reine Ertragsplanung der Standard. Insbesondere die Kommunikation mit den Banken erfolgte oft über eine sog. Rentabilitätsvorschau. Darin wurde dargelegt, wie sich geplante unternehme-

20

I. Reine Ertragsplanung/Rentabilitätsvorschau

rische Maßnahmen, insbesondere eine Investition, auf die Rentabilität des Unternehmens auswirken. Die Planung wurde in der Form der Gewinn- und Verlustrechnung entsprechend § 275 HGB entweder nach dem Gesamtkostenverfahren: 1. Umsatzerlöse 2. Erhöhung oder Verminderung des Bestands an fertigen und unfertigen Erzeugnissen 3. andere aktivierte Eigenleistungen 4. sonstige betriebliche Erträge 5. Materialaufwand: a) Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und für bezogene Waren b) Aufwendungen für bezogene Leistungen 6. Personalaufwand: a) Löhne und Gehälter b) soziale Abgaben und Aufwendungen für Altersversorgung und für Unterstützung, davon für Altersversorgung 7. Abschreibungen: a) auf immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens und Sachanlagen b) auf Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens, soweit diese die in der Kapitalgesellschaft üblichen Abschreibungen überschreiten 8. sonstige betriebliche Aufwendungen 9. Erträge aus Beteiligungen, davon aus verbundenen Unternehmen 10. Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens, davon aus verbundenen Unternehmen 11. sonstige Zinsen und ähnliche Erträge, davon aus verbundenen Unternehmen 12. Abschreibungen auf Finanzanlagen und auf Wertpapiere des Umlaufvermögens 13. Zinsen und ähnliche Aufwendungen, davon an verbundene Unternehmen 14. Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit 15. außerordentliche Erträge

21

D. Planungsarten und -methoden

16. außerordentliche Aufwendungen 17. außerordentliches Ergebnis 18. Steuern vom Einkommen und vom Ertrag 19. sonstige Steuern 20. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag oder nach dem Umsatzkostenverfahren: 1. Umsatzerlöse 2. Herstellungskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachten Leistungen 3. Bruttoergebnis vom Umsatz 4. Vertriebskosten 5. allgemeine Verwaltungskosten 6. sonstige betriebliche Erträge 7. sonstige betriebliche Aufwendungen 8. Erträge aus Beteiligungen, davon aus verbundenen Unternehmen 9. Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens, davon aus verbundenen Unternehmen 10. sonstige Zinsen und ähnliche Erträge, davon aus verbundenen Unternehmen 11. Abschreibungen auf Finanzanlagen und auf Wertpapiere des Umlaufvermögens 12. Zinsen und ähnliche Aufwendungen, davon an verbundene Unternehmen 13. Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit 14. außerordentliche Erträge 15. außerordentliche Aufwendungen 16. außerordentliches Ergebnis 17. Steuern vom Einkommen und vom Ertrag 18. sonstige Steuern 19. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag

22

I. Reine Ertragsplanung/Rentabilitätsvorschau

oder in der Form der kurzfristigen Erfolgsrechnung nach dem DATEV Schema: 29098/55003/2015 Musterholz GmbH

20.10.2015 Blatt 1

Kanzlei-Rechnungswesen pro V.5.02 Kurzfristige Erfolgsrechnung April 2015 – Handelsrecht SKR 03

BWA-Nr. 1 BWA-Form DATEV-BWA Wareneinsatz KG3

Bezeichnung

Apr/2015

% Ges. Leistg.

Jan/2015 Apr/2015

% Ges. Leistg.

Umsatzerlöse

245.188,92

100,00

1.318.643,92

100,00

Best.Verdg. FE/UE

0,00

–54,99

Akt.Eigenleistungen

0,00

0,00

Gesamtleistung

245.188,92

100,00

1.318.588,93

100,00

Mat./Wareneinkauf

429.044,58

174,99

951.692,67

72,18

–183.855,66

–74,99

366.896,26

27,82

882,36

0,07

367.778,62

27,89

355.085,90

26,93

95.480,63

7,24

Rohertrag So. betr. Erlöse Betriebl. Rohertrag

0,00 –183.855,66

–74,99

Kostenarten: Personalkosten Raumkosten

0,00 48.601,92

19,82

Betriebl. Steuern

0,00

2.110,00

0,16

Versich./Beiträge

0,00

17.275,56

1,31

Besondere Kosten

0,00

0,00

Kfz-Kosten (o. St.)

636,36

0,26

34.407,49

2,61

Werbe-/Reisekosten

847,02

0,35

12.289,04

0,93

Kosten Warenabgabe

0,00

5.232,16

0,40

Abschreibungen

0,00

25.614,96

1,94

Repartur/Instandh. Sonstige Kosten Gesamtkosten Betriebsergebnis Zinsaufwand

7.976,83

0,60

3.638,58

0,00 1,48

39.072,06

2,96

53.723,88

21,91

594.544,63

45,09

–237.579,54

–96,90

–226.766,01

–17,20

10.929,00

0,83

0,00

23

D. Planungsarten und -methoden Bezeichnung

Apr/2015

% Ges. Leistg.

Jan/2015 Apr/2015

% Ges. Leistg.

Sonst. neutr. Aufw

–1.512,60

–0,62

–1.102,60

–0,08

Neutraler Aufwand

–1.512,60

–0,62

9.826,40

0,75

Zinserträge

0,00

49,96

Sonst. neutr. Ertr

0,00

0,00

Verr. kalk. Kosten

0,00

0,00

Neutraler Ertrag

0,00

49,96

Kontenkl. unbesetzt

0,00

0,00

Ergebnis vor Steuern

–236.066,94

Steuern Eink.u.Ertr Vorläufiges Ergebnis

–96,28

0,00 –236.066,94

–96,28

–236.542,45

–17,94

25.570,00

1,94

–262.112,45

–19,88

Das vorläufige Ergebnis entspricht dem derzeitigen Stand der Buchführung. Abschluss-/Abgrenzungsbuchungen können es noch verändern. Status 2015*FBW*B1A8 Werte in: EUR

erstellt. Hintergrund dieser Gliederung war die spätere Vergleichbarkeit mit dem betrieblichen Rechnungswesen. 80 Die reine Ertragsplanung erfolgt nicht integriert, d. h., es erfolgt gerade keine Verknüpfung mit der Bilanzplanung und keine Verknüpfung mit der Liquiditätsplanung. Aufgrund der Fokussierung allein auf den Ertrag bzw. auf die Rentabilität musste die voraussichtliche Liquiditätsentwicklung aus der Ertragsplanung abgeleitet werden. 81 Allerdings erfordert die Überleitung der Ertragsrechnung zur Liquiditätsrechnung zahlreiche Korrekturen, die eine solche Überleitungsrechnung unübersichtlich und damit als nicht mehr nachvollziehbar erscheinen lassen. Dies führt zu erheblichen Unsicherheiten, weswegen es heutzutage als allgemein anerkannt gilt, dass eine reine Ertragsplanung dann nicht mehr ausreichend ist, wenn es um die Beurteilung der künftigen Liquiditätslage geht. Dies ist aber im Krisen- bzw. Insolvenzumfeld regelmäßig der Fall, da die (drohende) Zahlungsunfähigkeit bzw. die Fortbestehensprognose als Teilbestandteil der Überschuldungsprüfung maßgeblich auf die künftige Liquiditätsentwicklung abstellt. 82 Dies bedeutet allerdings nicht, dass auf eine reine Ertragsplanung des Unternehmens nicht abgestellt werden könnte. Sie dient als Ausgangsgrundlage, 24

II. Reine Liquiditätsrechnung

um die künftige Entwicklung abbilden zu können und muss, nach erfolgreicher Plausibilisierung, durch weitere Schritte in eine integrierte Unternehmensplanung überführt werden. II. Reine Liquiditätsrechnung Teilweise wurde versucht, eine reine Liquiditätsplanung zu erstellen, um die 83 künftige Liquiditätsentwicklung abbilden zu können. Allerdings fehlt einer reinen Liquiditätsplanung, wenn man einmal den Kurzfristbereich von wenigen Wochen außer Acht lässt, das Fundament. Wenn man z. B. die voraussichtliche Liquiditätsentwicklung in einem Jahr abbilden möchte, muss der Planer darlegen, welche Umsatzerlöse in den Wochen davor realisiert wurden, denn nur diese werden voraussichtlich in einem Jahr, korrigiert um die Debitorenlaufzeit, auf das Konto fließen. Entsprechendes gilt für die (auszahlungswirksamen) Kosten. Infolge dessen ist es eine wesentliche Grundvoraussetzung, die künftige Ertragsplanung abzubilden, um dann aus dieser integriert auf die Liquidität zu schließen. In der Praxis ist dies oft dahingehend erfolgt, dass die Ertragsplanung auf 84 Monatsbasis ermittelt und die Abschreibung in der Planung neutralisiert wurde. Das Ergebnis wurde vereinfacht als Liquiditätsplanung angesehen. Ein solches Vorgehen kann aber heutigen Anforderungen nicht mehr genügen. 85 Eine solche Planung würde insbesondere keine Veränderungen im Finanzbereich (Darlehensaufnahme und/oder-tilgung) ausweisen. Insbesondere muss aber auch die zeitliche Abfolge von Ertragsveränderungen, Bilanzveränderungen und daraus abgeleiteten Liquiditätsveränderungen (sog. pagatorische Korrekturen) aufgezeigt werden. Dies soll an folgendem Beispiel veranschaulicht werden: Beispiel: Ein produzierendes und verarbeitendes Unternehmen kauft im Oktober Rohmaterialien ein, die es im November bezahlen muss. Die Waren werden im Laufe des Novembers und Dezembers verarbeitet. Im Januar erfolgt die Versendung sowie die Faktura und im Februar der Geldeingang auf dem Konto des Unternehmens. In diesem Fall würde der Wareneinsatz erst in dem Monat gezeigt werden, in dem die Rechnungsfaktura erfolgt (wenn man den Zwischenschritt der „Veredelung“ über die Bestandsveränderungen unberücksichtigt lässt). In der Bilanz ist die Ware aber im Oktober zugegangen und musste im November bezahlt werden. Demzufolge war der Geldabfluss (Liquiditätssicht) im November zu berücksichtigen, der ertragswirksame Wareneinsatz hingegen erst im Januar. Mit dem Geldeingang ist allerdings erst im Februar planerisch zu rechnen. Allein diese zeitlichen Verschiebungen lassen sich nur in der integrierten Planung aufzeigen. III. Integrierte Planung Wie oben dargestellt (siehe Rn. 85), erfüllt nur die integrierte Planung die An- 86 forderungen einer ordnungsgemäßen Unternehmensplanungsrechnung. Dies

25

D. Planungsarten und -methoden

ist so in den Standards des Bundes der Deutschen Unternehmensberater (http://www.bdu.de; GoP 2.1) und in den maßgeblichen Standards des Instituts der Wirtschaftsprüfer Deutschlands, IDW S 1 Tz. 81; S 6 (2009) Tz. 133; S 11 Tz. 33,

87 vorausgesetzt. Auch die Vorschriften zum Insolvenzplanrecht sehen eine integrierte Planung vor, wenn die Gläubiger aus künftigen Erträgen befriedigt werden sollen, § 230 InsO. Nach h. M. kann eine positive Prognose nur aufgrund einer integrierten Planungsrechnung (Planerfolgs-, Planbilanz- und Planliquiditätsrechnung) angenommen werden. BGH, Beschl. v. 9.10.2006 – II ZR 303/05, ZIP 2006, 2171.; „Ertrags- und Finanzplan“; IDW S 6 Rn. 140. „Bei kurzfristigen, wenige Wochen umfassenden Finanzplänen reicht eine unmittelbar auf dem Finanzstatus aufbauende Liquiditätsplanung aus. Andernfalls ist ein umfassender Finanzplan auf Basis einer integrierten Planung (Erfolgs-, Vermögens- und Liquiditätsplanung) zu erstellen“. IDW S 11 Tz. 33.

88 Allein die Liquiditätsbetrachtung scheidet aus, da eine Plausibilisierung praktisch nicht durchgeführt werden kann und damit einem Dritten die Einarbeitung und Überprüfung des Rechenwerks innerhalb angemessener Zeit nicht möglich ist, § 238 Abs. 1 Satz 2, 3 HGB analog. 89 Darüber hinaus kann nur mit der integrierten Planung eine Konsistenz des gesamten Planungsprozesses gewährleistet werden und stellt somit einen Kontrollmechanismus der Planung dar. Denn sowohl Liquiditäts- als auch Ertragsplanung aggregieren sich in der Planbilanz, welche nach dem Einpflegen aller Ergebnisse/Planpositionen ausgeglichen sein muss. Demzufolge ist eine ausgeglichene Bilanz ein wesentliches Indiz für eine unter rechnerischen Aspekten korrekt ausgeführte Planung. 90 Integriert bedeutet aber noch mehr als lediglich das Zusammenführen der Gewinn- und Verlustrechnung, der Bilanz und der Liquiditätsplanung. Diese drei Elemente bestehen wiederum aus Einzelplanungen, wie z. B. der Absatzplanung, der Produktionsplanung, der Personalplanung usw. Diese Teilpläne können sich z. B. an den Unternehmensfunktionen (Produktionsplanung, F&E-Planung, Logistikplanung, Vertriebsplanung usw.) orientieren. Demzufolge kann ein Konstrukt von zusammenhängenden Teilplänen entstehen, welche sich schlussendlich in der Planbilanz, Planerfolgs- und Planliquiditätsrechnung aggregieren. Mit Hilfe von den einzelnen Teilplänen kann im Unternehmen ein besserer Detailierungsgrad erzeugt werden, jedoch im Gegensatz ist dies mit einem höheren Planungsaufwand verbunden. 91 In der Praxis werden folgende unumgängliche Bearbeitungsschritte zur Integration der Planung durchgeführt: Zuerst wird, aufbauend auf den Teilplanungen, die Ertragsplanung (Planung der Gewinn- und Verlustrechnung), sodann die Basisbilanz auf den Stichtag der Planungsrechnung erstellt und die Bilanz-

26

IV. Konzern- bzw. Gruppenplanung oder Stand-Alone-Ansatz

entwicklung im Planungszeitraum abgebildet. Würde man auf die Erstellung der Basisbilanz verzichten, würde das Unternehmen quasi „bei Null“ beginnen. Die aktuellen Liquiditätsbestände, die Forderungen und Verbindlichkeiten würden ausgeblendet, weshalb das ganze Rechenwerk substanzlos wäre. Aus diesen beiden Rechenwerken (Ertrags- und Bilanzplanung) lässt sich dann die planerische Liquiditätsentwicklung ableiten. Praxistipp: Wir halten die Erstellung einer integrierten Planungsrechnung allein mit selbstentwickelten Excel-Listen für haftungsträchtig. Zum einen wird das Rechenwerk mit zunehmender Komplexität nicht mehr nachprüfbar, § 238 Abs. 1 Satz 2 HGB analog. Der Geschäftsführer der sich im Zweifel in der Zukunft mit der Unternehmensplanung exkulpieren muss, ist folglich gut beraten, mit einem intersubjektiv nachvollziehbaren Planungstool zu planen. Zum anderen kann sich im Vertretungsfalle ein Vertreter oder Nachfolger praktisch nicht mehr einarbeiten.

IV. Konzern- bzw. Gruppenplanung oder Stand-Alone-Ansatz Eine weitere regelmäßige Fragestellung im Zusammenhang mit der Unterneh- 92 mensplanung stellt die Planung von Konzernen bzw. Unternehmensgruppen dar. Zunächst einmal ist zu berücksichtigen, dass die Banken in der Krise regelmäßig auf eine Darstellung der gesamten Gruppe bestehen. Dies folgt schlicht und ergreifend den gesetzgeberischen Verpflichtungen, die Kreditnehmereinheiten insgesamt zu würdigen, § 19 KWG. Auch im operativen Bereich ist es nicht unüblich, in Konzernen den gesamten Konzern bzw. die Sparten oder Segmente konsolidiert zu planen. In der Krise bzw. in der Insolvenz hingegen ist jeder Rechtsträger selbständig 93 zu beurteilen. Insbesondere können nur ausnahmsweise Liquiditätsüberschüsse eines Konzernmitglieds zur Deckung etwaiger Lücken eines anderen Mitglieds berücksichtigt werden, wenn diesbezüglich entsprechende Vereinbarungen bestehen und etwaige Forderungen werthaltig sind. IDW S 11 Tz. 47 f.

Auch ist zu berücksichtigen, dass in den Konzernen unterschiedliche Organe 94 eingesetzt werden können, die jeweils für sich allein Haftungsminimierung betreiben müssen. In der Krise muss also jedes Organ selbständig überprüfen, ob es die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen muss. Daher ist zwingend, jedes Unternehmen einzeln (Stand Alone) zu beurteilen. Damit einher geht die Anforderung der Kreditwirtschaft auf eine konsolidierte Planung, die zusätzlich erstellt werden muss. Nur ausnahmsweise darf auf eine solche Stand-Alone-Planung verzichtet werden: Wenn z. B. der Konzern insgesamt Liquiditätsüberschüsse aufzeigt und ein etwaiger Verlustausgleich durch eine volle werthaltige und liquide Rückgriffsforderung (z. B. durch die Verlustausgleichspflicht gemäß § 302 AktG) abgesichert ist, kann auf die Einzelplanung der notleidenden Tochter verzichtet werden.

27

D. Planungsarten und -methoden

V. Szenarioplanung/Simulation 95 Eine Planung basiert auf Prognosen zur zukünftigen Entwicklung, von denen es laut OLG Stuttgart „nicht nur eine richtige gibt und die im seltensten Fall auch so wie vorhergesagt eintreffen“. OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.7.2013 – 20-W-2/12, DATEV LX 0967241; OLG Stuttgart, Beschl. v. 5.6.2013 – 20-W-6/10, DATEV LX 0963294.

96 Da die Zukunft unsicher ist, stellt sich die Frage, wie mit dieser Unsicherheit in den Planungsrechnungen umzugehen ist. In der Praxis wird häufig nur eine einwertige Planung erstellt. 97 Die KPMG erstellt jedes Jahr eine sog. Kapitalkostenstudie. Siehe http://www.kpmg.com/de/de/bibliothek/2014/seiten/ kapitalkostenstudie2014.aspx (Abruf am 15.8.2015).

98 Im Rahmen dieser Studie werden die Unternehmen im deutschsprachigen Europa analysiert. Dabei handelt es sich um große Unternehmen. Insoweit dürften die Zahlen für KMU nicht repräsentativ sein. Für das Jahr 2014 ermittelte die KPMG, dass lediglich 41 % dieser Unternehmen voll integriert geplant haben und 86 % dieser Unternehmen einwertig geplant haben. Hierbei wird das – aus Sicht der Geschäftsleitung – wahrscheinlichste Szenario abgebildet. Eine solche „einwertige Planung“ bildet jedoch in den meisten Fällen weder die Chancen, noch die Risiken sachgerecht ab. Eine einwertige Planung dürfte nur ausnahmsweise, in Fällen stabiler Geschäftsentwicklung, angemessen und ausreichend sein. Diese Situation liegt aber in der Krise bzw. Insolvenz gerade nicht vor. Die berufsständischen Standards, IDW S 1 Tz. 80; IDW S 6 Tz.135; IDW S 5 Tz. 27; IDW S 5 Tz. 4; Bund deutscher Unternehmensberater – Grundsätze ordnungsgemäßer Planung – BDU GoP 2.1 S. 10; KFS/BW 1 TZ 66 (dabei handelt es sich um den österreichischen Standard der Kammer der Wirtschaftstreuhänder zur Unternehmensbewertung v. 26.3.2014),

fordern deshalb, die Unsicherheit zumindest über Szenarien abzubilden. Bemerkenswerterweise enthält aber der Standard IDW S 11 zur Ermittlung von Insolvenzgründen diese Forderung nicht. 99 Hauptsächlich wird die Unsicherheit über einfache Szenarioplanung abgebildet. KPMG, Kapitalkostenstudie 2014, S. 17.

100 In Anbetracht der Tatsache, dass Planungen immerhin noch rund 8 – 12 Werttreiber zugrunde gelegt werden, erscheint das Herausgreifen von in der Regel drei Szenarien (Best, Real und Worst Case) als willkürlich.

28

V. Szenarioplanung/Simulation Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2298 f.; Barkalov, BC 9/2011, 381, 383 unter Bezugnahme auf die „Forward Visibility Studie“ von Capgemini Consulting.

Zur Abbildung der Chancen und Risiken ist eine erwartungstreue Planung (z. B. 101 eine stochastische Planung) erforderlich. Gleißner/Presber, Kredit & Rating Praxis, 3/2010, 27 ff.

Eine Planung ist dann erwartungstreu, wenn der Erwartungswert alle möglichen 102 Planabweichungen in Form von Chancen und Risiken mit den jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeiten widerspiegelt. In der Praxis wird dies zunehmend mit Hilfe einer Planungssimulation er- 103 stellt, indem eine Vielzahl von möglichen Planszenarien simuliert wird und dann mit statistischen Verfahren die Planwerte abgeleitet werden. Als „Endergebnis“ ergibt sich danach die relative Wahrscheinlichkeitsverteilung bzw. das „Risikoprofil“ der Planungsposition. Von dieser Verteilung kann dann der Erwartungswert sowie die Streuungsbänder der Planungsposition abgeleitet werden. Diese Streuungsbänder stellen die Bandbreite der Planungspositionen bei einer zugrunde liegenden Wahrscheinlichkeit dar – sozusagen, welches Ausmaß die Planungsposition im „schlechtesten“ und im „besten“ Fall zu einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit einnehmen. Gleißner/Knecht/Egretzberger/Kamaras, KSI, 5/2010, 217 ff.

Beispiel: Der Materialaufwand wird zu 95 % nicht höher sein als 250.000 € und im Umkehrschluss zu 5 % nicht geringer als 250.000 €.

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E. Planungshandbuch Wenn nun aber eine Planung so beschaffen sein muss, dass sie einem sach- 104 verständigen Dritten innerhalb kurzer Zeit einen Überblick verschaffen soll, müssen die „wesentlichen Spielregeln“ einer Unternehmensplanungsrechnung dokumentiert sein. In der Lehre und in der Praxis wird häufig die Erstellung eines „Planungshandbuchs“ („Planungsleitlinien“) vorgeschlagen bzw. ist sogar vorgesehen. Dabei handelt es sich nicht zwingend um ein körperliches Buch oder Dokument, sondern um die Grunddokumentation der Unternehmensplanungsrechnung. Im Planungshandbuch bzw. in den Planungsrichtlinien werden die Grundent- 105 scheidungen der Planung geregelt. Ehrmann, Unternehmensplanung, S. 116 f.

Dabei geht es darum, mit welchen Planungsgrundsätzen gearbeitet wird, wer 106 die Planung erstellt, wer die Informationen für die Planung zu liefern hat, wie der Inhalt und der Umfang der Planung auszugestalten ist, wie der Planungsablauf inhaltlich und zeitlich geregelt ist, wie Informationen gewonnen und ausgewertet werden, mit welchen Planungsmethoden und Planungsverfahren gearbeitet wird, wie das Planungsergebnis auszusehen hat und vor allem wann und unter welchen Voraussetzungen die Planung zu überarbeiten ist. Diese Grundsatzentscheidungen haben Verbindlichkeitscharakter. Nach unserem Verständnis gehen diese Grundsatzentscheidungen aber über einen Verbindlichkeitscharakter hinaus. Der für die Jahresabschlusserstellung geltende Grundsatz der Stetigkeit der Bilanzierung gilt auch uneingeschränkt für die Planung. Sofern vom Grundsatz der Stetigkeit der Planung abgewichen wird, erfordert dies entsprechend einen klaren und deutlichen Hinweis im Planungsbericht. Wichtig ist zu wissen, dass man eine vorgelegte Unternehmensplanung nur 107 dann analysieren und bewerten kann, wenn man das Planungshandbuch bzw. die Planungsrichtlinien kennt. Auch für die Unternehmensplanung ist anerkannt, dass ein unabhängiger erfahrener Dritter sich in angemessener Zeit einen Überblick über die Planung verschaffen können muss, § 238 Abs. 1 Satz 2 HGB analog. Dies ist ohne Kenntnis des Planungshandbuchs schlechterdings unmöglich. Tatsächlich wird der wesentliche Inhalt des Planungshandbuchs, sofern die 108 Planung durch externe Berater erstellt wird, im Berichtsteil unter „Auftrag und Auftragsdurchführung“ abgebildet. In besonderen Fällen, die von üblichen Planungsschemata abweichen, kann es sich empfehlen, das Planungshandbuch bzw. die Planungsrichtlinien als Anlage dem Planungsbericht beizufügen. Sofern die Planungsrichtlinien bzw. das Planungshandbuch nicht entsprechend 109 deutlich kenntlich gemacht sind, sollte der Leser der Unternehmensplanung diese Informationen einholen. Andernfalls handelt es sich um die sprichwörtliche „Katze im Sack“.

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E. Planungshandbuch

110 Was ist nun aber im Planungshandbuch konkret geregelt? 111 Zunächst einmal sollte der Planungsanlass hinreichend deutlich kenntlich gemacht sein. Aus diesem Planungsanlass ergeben sich nämlich Konsequenzen für die anzustellende Planungsrechnung, vgl. Planungsanlass. 112 Ferner muss das Ziel der Planung vermerkt sein. Grundsätzlich gilt jede Unternehmensplanung einer Entscheidungsvorbereitung. Durch die Unternehmensplanung soll die künftige Entwicklung ggf. unter Einbeziehung von geplanten Maßnahmen abgebildet werden. Die Planung versucht damit die Unsicherheit über die künftige Entwicklung dahingehend auszugleichen, dass die erwarteten Entwicklungen abgebildet und damit zugleich zur Entscheidungsgrundlage gemacht werden können. Die Angabe des Ziels der Planung über diesen allgemeinen Planungsinhalt hinaus ist aber dann erforderlich, wenn z. B. Beiträge oder Leistungen von Dritten eingeworben werden sollen wie z. B. Darlehen, Kapitalerhöhungen oder Gläubigerverzichte. 113 Die Unternehmensplanung ist allgemein aber auch Steuerungsmaßnahme für die betrieblichen Aktivitäten. So kann sie z. B. für den Vertrieb eine Zielvorgabe sein. Planungen, die zu diesem Zweck aufgestellt werden haben aber in der Regel einen anspannenden oder motivierenden Charakter. Niemand wird sich ein Ziel setzen, was er erwartungsgemäß auf jeden Fall erreichen wird. Er wird das Ziel, vergleichbar einem Hochspringer, etwas höher ansetzen, um sich zu einer besseren Leistung zu motivieren. Derartig erstellte Pläne sind damit tendenziell zu optimistisch oder positiv dargestellt. Umgangssprachlich werden Sie als „ambitioniert, aber „realistisch“ bezeichnet. Kappes/Schentler, CFO aktuell 6/2015, 105, 108.

114 Eine ambitionierte Planung kann aber keine taugliche Grundlage für eine insolvenzrechtlich gebotene Prognoseentscheidung, wie z. B. über das Vorliegen eines Insolvenzgrundes, sein. 115 Die Unternehmensplanung dient den Unternehmen aber auch als Steuerungsgröße für die Ressourcenzuteilung. Insbesondere bei getrennt geführten Abteilungen oder Sparten werden Ressourcenzuteilungen, z. B. für Investitionen von den Planungsrechnungen, abhängig gemacht. Die Gesamtunternehmenssteuerung versucht natürlich die Ressourcen dahin zu allokieren, wo ein maximaler Return on Invest (ROI) zu erzielen sein wird. Insoweit stehen die Abteilungen oder Sparten in einem Wettbewerb um die Ressourcen. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Sparten oder Abteilungsverantwortlichen regelmäßig an sie gerichtete Erwartungen zu dämpfen versuchen, um am Ende des Planungszeitrahmens mit einem entsprechenden Ergebnis glänzen zu können. Dieser Spannungsbogen wird von Unternehmen zu Unternehmen zu unterschiedlichen Akzentuierungen führen. Das Ergebnis einer vorgelegten Unternehmensplanung kann aber nur dann bewertet werden, wenn Informationen über diese Hintergründe vorliegen.

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V. Szenarioplanung/Simulation

Neben der Planungsart wird in dem Planungshandbuch regelmäßig festge- 116 halten, an wen sich die Planung richtet, also wer der Leser der Planung ist. Je nach Adressat der Unternehmensplanung bestehen unterschiedliche Interessen. Zunächst ist aber zu berücksichtigen, dass die Unternehmensplanung ein internes Dokument für die Unternehmenssteuerung der Geschäftsführung ist. Dementsprechend ist das Handbuch mit der Geschäftsleitung abzustimmen. Dementsprechend hat auch die Geschäftsleitung festzulegen, was sie in der Planung lesen bzw. erfahren will. Es werden damit zugleich Ziel und Zweck der Planung dokumentiert. In der Regel wird im Planungshandbuch auch festgelegt, wer die Planung bis 117 wann zu erstellen hat, wer die Planung freigibt und wer die dazu erforderlichen Informationen beisteuert. Damit einher geht normalerweise die Definition der Planungstiefe, also ob und inwieweit detailliert geplant werden soll (siehe Rn. 145). Der zeitliche Planungsablauf, also wann und wie oft die Planung erstellt wird 118 und bis wann mit der Freigabe der Planung zu rechnen ist, wird ebenfalls im Planungshandbuch geregelt. Die Planungsmethoden, also wie die Werte der Zukunft abgebildet werden, kann ebenfalls dokumentiert werden. Dasselbe gilt für die Informationsgewinnung bzw. Quellen der Informationsgewinnung. Im Planungshandbuch sollte auch geregelt sein, dass und wie auf die strategi- 119 sche Planung abzustellen ist. Die insolvenzrechtliche Unternehmensplanung kann mit der operativen Unternehmensplanung gleichgestellt werden. Dabei handelt es sich um die finanzwirtschaftliche Planung der Erträge, der Bilanzentwicklung und der Liquiditätsentwicklung. So sieht das Insolvenzplanrecht auch vor, dass eben diese Unterlagen einem Insolvenzplan beizufügen sind, wenn die Gläubiger aus künftigen Erträgen befriedigt werden sollen. Eine solche operative Unternehmensplanung hängt aber nicht in der Luft. Sie 120 ist in die strategische Planung des Unternehmens einzubetten. Nun zeigt die Erfahrung, dass gerade bei KMU es nicht nur an operativen Planungen, sondern auch an strategischen Planungen mangelt. Demgegenüber ist bei größeren Mittelständlern bzw. in Großunternehmen regelmäßig von einer strategischen Planungsvielfalt auszugehen, da hier verschiedene strategische Szenarien geplant werden. In letzterem Falle ist von der verabschiedeten strategischen Planung auszugehen. Gegebenenfalls kann auf die anderen Planungsszenarien ein weiteres operatives Planungsszenario aufgesetzt werden. Sofern aber keine strategische Unternehmensplanung, insbesondere bei KMU 121 vorliegt, muss die strategische Stoßrichtung des Unternehmens durch Befragungen des Managements erhoben und hinreichend dokumentiert werden. Gerade hier zeigt die Praxis, dass Widersprüchlichkeiten eher die Regel als die Ausnahme sind. Die Unternehmen signalisieren in den Gesprächsterminen, dass Sie einem erheblichen Preis- und Kostendruck ausgesetzt sind verkünden aber in ihrer strategischen Planung stolz, dass Sie die Qualitätsführerschaft i. V. m. einem Hochpreisangebot bei ihren bestehenden Kunden an33

E. Planungshandbuch

streben. Solche Widersprüche sind im Rahmen des Planungsprozesses aufzuarbeiten und ggf. in einer erstmaligen strategischen Planung oder in einer Revisionierung der bestehenden Unternehmensplanung zu dokumentieren. 122 Das strategische Geschäftsmodell gewinnt auch an Bedeutung, wenn die Banken „die Zuführung von Eigenkapital“ verlangen. Tatsächlich bedeutet dies in der Praxis, dass die Unternehmen ganz oder zum Teil verkauft werden sollen. Meist geschieht dies i. V. m. der Trennung vom Alteigentümer. Sofern der Alteigentümer aus der Geschäftsführung verdrängt werden soll, muss für planerische Zwecke berücksichtigt werden, ob dies Auswirkungen auf die künftige Ertragskraft der Unternehmung hat. Betriebswirtschaftlich wird dies unter dem Stichwort der „übertragbaren Ertragskraft“ diskutiert. Vgl. IDW-Praxishinweis-1/2014 – Besonderheiten bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts kleiner und mittelgroßer Unternehmen (IDW Praxishinweis 1/2014) = Bundessteuerberaterkammer Hinweise der Bundessteuerberaterkammer zu den Besonderheiten bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts kleiner und mittelgroßer Unternehmen (4.2.2), Berufsrechtliches Handbuch – Berufsfachlicher Teil; DATEV LX 0404068; Nickert/Kühne, NWB 2014, 2021.

123 Insoweit sollte bei Veränderungen der Gesellschafter oder Organisationsstruktur im Handbuch klar vermerkt sein, von welchem Zukunftsszenario ausgegangen wird. Sollten hier verschiedene Szenarien angedacht werden, muss überprüft werden, ob für die verschiedenen Szenarien auch unterschiedliche Planungsrechnungen erstellt werden müssen. 124 Im Planungshandbuch sollte ebenfalls geregelt werden, wer für welche Informationserhebungen verantwortlich ist und wie der Prozess der Informationserhebung erfolgen soll. Hierzu bietet es sich an, die Prozessabläufe im Unternehmen zu analysieren und diese mit dem Organigramm abzugleichen. Hieraus ergibt sich dann, wer über welche Informationen verfügt. Dieses Erfahrungswissen der verantwortlichen Mitarbeiter ist in hohem Maße planungsrelevant. Aus diesem Grund müssen Unternehmensplanungsrechnungen, die allein auf Basis der Auskünfte der Geschäftsführung erstellt wurden, skeptisch hinterfragt werden. Außerdem sollte im Planungshandbuch und selbstverständlich auch im Unternehmensplanungsauftrag im Fall der Planung durch einen externen Dritten sichergestellt werden, dass der Planer Zugang zu allen Informationen und vor allem zu den entsprechenden Mitarbeitern erhält. 125 In besonderen Fällen kann es erforderlich sein, Daten von externen Datenanbietern zu kaufen. Sofern dies im einschlägigen Fall erforderlich ist, sollte dies auch im Planungshandbuch mit einer entsprechenden Mittelfreigabe geregelt sein. 126 Die Planungsmethoden, also wie die Werte der Zukunft abgebildet werden, kann ebenfalls dokumentiert werden.

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V. Szenarioplanung/Simulation

Zu bestimmen ist selbstverständlich auch, wer tatsächlich der Planungsersteller 127 ist. Dies wird in vielen Unternehmen vom Controlling erfolgen. Die Verantwortlichkeit für die Unternehmensplanung obliegt aber der Geschäftsleitung. Daher ist im Planungshandbuch ein Freigabeprozess zu definieren. Insbesondere ist im Freigabeprozess aber auch zu bestimmen, ob und in welchem Umfang andere, z. B. der Aufsichtsrat, am Freigabeprozess teilnehmen. Eine Selbstverständlichkeit ist es, dass diejenigen Dritten, von denen Sanie- 128 rungsbeiträge erwartet werden, in den Planungsprozess einzubeziehen sind. Gemäß dem bereits oben skizzierten Grundsatz, dass unrealistische Erwartungen nicht planerisch erfasst werden dürfen, ist die Einbeziehung solcher Dritter unumgänglich. Sofern die Unternehmensplanungsrechnung durch einen Berater erstellt wird, 129 ist im Planungshandbuch kenntlich zu machen, ob der Planungsersteller in der Funktion als Berater tätig wird oder ob er in der Funktion als neutraler Gutachter tätig wird. In der Betriebswirtschaft kennt man diese Unterscheidung im Wesentlichen aus der Unternehmensbewertung. Dort hat sich im Rahmen der Kölner Funktionslehre eine Differenzierung herauskristallisiert, die auf die Fälle der Planungsrechnung in der Krise oder in der Insolvenz übertragbar ist. Peemöller, in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 7 ff.

Die Unternehmensbewertung kennt die Unterscheidung nach neutralem Gut- 130 achter, Berater und Vermittler. Letztere Funktion spielt bei Unternehmensplanungen in der Krise allenfalls dann eine Rolle, wenn z. B. die Trennung und Abfindung von Gesellschaftern im Sanierungsprozess mit geregelt werden soll. Die anderen beiden Funktionen definiert das IDW in S 1 unter Tz. 12 wie folgt: x

„Neutraler Gutachter“: In der Funktion als neutraler Gutachter wird der Wirtschaftsprüfer als Sachverständiger tätig, der mit nachvollziehbarer Methodik einen von den individuellen Wertvorstellungen betroffenen Parteien unabhängigen Wert des Unternehmens – den objektivierten Unternehmenswert – ermittelt.

x

„Berater“: In der Beratungsfunktion ermittelt der Wirtschaftsprüfer einen subjektiven Entscheidungswert, der z. B. angeben kann, was – unter Berücksichtigung der vorhandenen individuellen Möglichkeiten und Planungen – ein bestimmter Investor für ein Unternehmen höchstens anlegen darf (Preisobergrenze) oder ein Verkäufer mindestens verlangen muss (Preisuntergrenze), um seine ökonomische Situation durch die Transaktion nicht zu verschlechtern.“

Diese Entscheidung kann auf die Situation des Planerstellers in der Krise über- 131 tragen werden: Der neutrale Gutachter trifft eine von den individuellen Wertvorstellungen unabhängige Einschätzung. Demgegenüber erstellt der Berater eine nach der Rechtsprechung zur Unternehmensbewertung akzeptierte sub-

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E. Planungshandbuch

jektive Einschätzung der Geschäftsleitung. Auf Letztere aber kommt es im Falle der Krise und Insolvenz an. BGH, Urt. v. 6.6.1994 – II-ZR-292/91, ZIP 1994, 1103 („gewisser Beurteilungsspielraum“); Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2300 ff.

132 In der Praxis wird der Berater eher den Spielraum zugunsten seines Mandanten einnehmen und im Rahmen der Prognose den Beurteilungsspielraum in diese Richtung ausschöpfen, während der neutrale Dritte eine vermittelnde Position einnehmen wird. Dies sollte aber nicht dazu verleiten, per se Sicherheitsabschläge vorzunehmen. Berater, die in diesem Umfeld nachhaltig tätig sind, können es sich nicht erlauben, den Stakeholdern unvertretbare Planungen vorzulegen. Zum einen haben sie wiederholten und nachhaltigen Kontakt insbesondere mit den institutionellen Gläubigern, zum anderen wissen die Berater, dass sie wenigstens im Mittel auch an der Planungstreue gemessen werden. 133 Also hat der Planungsersteller kenntlich zu machen, in welcher Funktion er tätig wird. Sofern er als objektiver bzw. neutraler Gutachter tätig wird, hat er das planerische Ergebnis „ohne Berücksichtigung subjektiver Wertschätzungen speziell Interessierter“ aufzuzeigen. Tatsächlich entsteht hieraus ein Dilemma. Es gibt in der Krise keine neutrale Sicht der Dinge. Die Zukunftserwartungen sind immer subjektiv. Sie können, wie das BVerfG in der Daimler/CryslerEntscheidung festgestellt hat, lediglich daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage beruhen und vertretbar sind. BVerfG, Beschl. v. 24.5.2012 – 1 BvR 3221/10 („Daimler/ Chrysler“), ZIP 2012, 1656.

134 Eben jenes ist die Aufgabe des neutralen Gutachters, während der Berater subjektive Entscheidungswerte bzw. Argumentationen für seinen Mandanten aufzeigt. 135 Im Planungshandbuch wird regelmäßig auch die Planungsart geregelt. In der betrieblichen Steuerungspraxis ist die einfache Ertragsplanung nicht unüblich. Dass eine solche reine Ertragsplanung in der Krise nicht mehr ausreichend ist, folgt zum einen bereits aus der Existenz der Insolvenzgründe, die auf die Liquidität oder die Überschuldung (Bilanz) abstellen. Ferner folgt dies aus den notwendigen Plananlagen im Fall der Befriedigung aus künftigen Erträgen und zuletzt aus den einschlägigen berufsrechtlichen Standards z. B. des IDW des BDU. Sofern also im Planungshandbuch die einfache Ertragsplanung oder Rentabilitätsvorschau als Steuerungsgröße angeordnet wird, kann zwar eine solche Planung als Ausgangsbasis einer Sanierungsplanung oder insolvenzrechtlichen Prognoseentscheidung herangezogen werden. Das Gesamtergebnis kann aber erst nach einer Überführung in eine integrierte Ertrags-, Bilanzund Liquiditätsplanung abgeleitet werden. 136 Neben der Planungsart wird regelmäßig im Planungshandbuch auch der Planungszeitraum geregelt. Dieser Zeitraum kann je nach Planungsanlass stark variieren. Ist z. B. in einem Insolvenzplan geregelt, dass die Gläubiger aus 36

V. Szenarioplanung/Simulation

künftigen Erträgen zu befriedigen sind, sollte die Planung soweit dauern, bis die Leistungen aus dem Insolvenzplan erfüllt sind. Sofern aber die Planung erstellt wird, um einen Insolvenzgrund zu beurteilen, gelten die jeweiligen Maßstäbe der §§ 17 – 19 InsO. Hier ist insbesondere auf das Urteil des BGH vom 5.12.2013, BGH, Urt. v. 5.12.2013, ZIP 2014, 183,

hinzuweisen, nach der der Planungszeitraum für die Fortbestehensprognose so lange andauert, bis die letzte zum Prüfungszeitpunkt bestehende Verbindlichkeit (Achtung: Nicht fällige!) getilgt ist. „In die Prognose, die bei der Prüfung drohender Zahlungsunfähigkeit anzustellen ist, muss die gesamte Finanzlage des Schuldners bis zur Fälligkeit aller bestehenden Verbindlichkeiten einbezogen werden.“

Hat also eine Unternehmung eine Immobilie finanziert, deren Restfinanzie- 137 rungsdauer noch acht Jahre andauert, so beträgt der Planungszeitraum für die Fortbestehensprognose eben jene acht Jahre. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der BGH im Urteil vom 22.5.2014, BGH, Urt. v. 22.5.2014 – IX ZR 95/13, ZIP 2014, 1289,

diese Frage ausdrücklich offen gelassen hat: „Damit braucht auf die umstrittene Frage, welcher Zeitraum der Prognose zugrunde zu legen ist (vgl. HK-InsO/Kirchhof, 6. Aufl., § 18 Rn. 8; Pape/Uhländer/ Sikora, InsO, § 18 Rn. 19, Uhlenbruck aaO Rn. 18 f. jeweils m. w. N.) hier nicht eingegangen zu werden.“

Das IDW hat in seinem Standard IDW S 11 unter Tz. 97, 60 in Überein- 138 stimmung mit der h. M., a. A. Nickert, in: Nickert/Lamberti, Rn. 213 ff., (erscheint in Kürze): 3 – 5 Jahre, mind. bis zum Erreichen eines eingeschwungenen Zustands,

für die Ermittlung der drohenden Zahlungsunfähigkeit und die Fortbestehensprognose festgelegt, dass der Prognosezeitraum regelmäßig bis zur letzten Fälligkeit der bestehenden Verbindlichkeiten läuft. Im Falle langfristiger Verbindlichkeiten (z. B. Pensionsverpflichtungen oder längerfristige Darlehen) entspricht der Prognosezeitraum aufgrund zunehmender Prognoseunsicherheit dem der Fortbestehensprognose. Dieser umfasst aufgrund im Zeitablauf zunehmender Prognoseunsicherheit i. d. R. nur das laufende sowie das folgende Geschäftsjahr. Außerdem wird im Planungshandbuch die Planungsdarstellung geregelt. 139 Hierzu zählt z. B. auch, ob die Planung in Form eines schriftlichen Berichts, einer Präsentation oder ggf. nur über einen mündlichen Vortrag erfolgen soll. Im Rahmen der insolvenzrechtlichen Planungserstellung halten wir eine schriftliche Dokumentierung der Planung für unverzichtbar. Vgl. Nickert, in: Nickert/Lamberti, Rn. 333 ff.

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E. Planungshandbuch

140 Zur Planungsdarstellung zählt aber auch die Frage, an wen sich die Planung richtet. Sofern sich die Unternehmensplanung z. B. auch an Banken richtet, ist es sinnvoll, abzubilden, wie sich der aktuell bestehende Kreditspiegel oder Financial Covenants in der Zukunft entwickeln wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Unternehmen über mehrere Banken mit Kreditbeziehungen verfügt. Korrespondierend hierzu kann sich die Darstellung der Entwicklung der Sicherheiten anbieten. Für die Praxis ist es empfehlenswert, derartige Fragestellungen vor Beginn der Tätigkeit mit den entsprechenden Stakeholdern abzuklären. 141 Ebenfalls wird im Planungshandbuch regelmäßig geregelt, mit welchen technischen Mitteln die Planung erfolgt, also ob mit einem Software Tool oder z. B. mit Microsoft Excel geplant wird. 142 Die verschiedenen Stakeholder haben in der Krise der Gesellschaft verschieden gelagerte Interessen. Die Interessen sind herauszuarbeiten und im Planungshandbuch zu skizzieren, sodass hieraus Anforderungen an die Darstellung abgeleitet werden können. 143 Eine Unternehmensplanungsrechnung ist ein stichtagsbezogenes Werk. Zu einem definierten Stichtag ist die Planung aufzustellen. Im Rahmen des Planungshandbuchs sollte geregelt werden, wie mit Informationen umzugehen ist, die sich nach dem Stichtag ereignet haben. Insbesondere gehört hierzu die Regelung, ob eine „Redepflicht“ des Planungserstellers besteht oder nicht. Ferner sollte geregelt sein, wann und wie entschieden wird, ob eine erstellte Planungsrechnung aufgrund späterer Ereignisse überplant oder vollkommen neu erstellt wird. 144 Neben dem Planungszeitraum ist auch das Planungsintervall zu regeln. Mit dem Planungsintervall ist die ggf. unterjährige Untergliederung der Jahresplanung gemeint. Gerade im Krisen- oder Insolvenzumfeld machen Jahresplanungen nur dann einen Sinn, wenn es keinerlei unterjährigen Zyklus und keine unterjährigen abweichenden Liquiditätsbelastungen gibt. Sobald aber z. B. Weihnachtsgeld ausbezahlt wird oder im Sommer Betriebsferien bestehen, reicht eine Jahresplanung nicht mehr aus. Dann ist das Planungsintervall zu definieren. Dabei halten wir Planungen bis auf Tagesebene für unangebracht. Praktikabel und üblich ist, die Planung im ersten und in der Regel im Folgejahr auf Monatsbasis zu erstellen und in den nachfolgenden Jahren auf Quartale bzw. auf Ganzjahre umzustellen. Insbesondere die Zahlungseingänge der Kunden und die Daten der Warenlieferungen seitens der Lieferanten können oft noch nicht einmal wochengenau abgebildet werden, sodass wir Planungen in kürzeren Intervallen skeptisch gegenüberstehen. Die damit einhergehende dramatische Steigerung des Aufwands steht dem möglichen Erkenntnisgewinn in keinem vernünftigen Verhältnis gegenüber. Was in einem solchen Fall allerdings parallel neben der Unternehmensplanung gemacht werden muss, ist eine kurzfristige Liquiditätsplanung, die aus der Finanzbuchführung zusammen mit der integrierten Unternehmensplanung für die nächsten zwei bis drei Monate ohne Weiteres abgeleitet werden kann. 38

V. Szenarioplanung/Simulation

Ferner ist im Planungshandbuch die Planungstiefe zu regeln. Darunter ist 145 die Tiefe der Gliederung der Planung zu verstehen. Die Unternehmensplanung ist ein Modell der Zukunft. Was bedeutet nun Modell? Ein Modell veranschaulicht die Realität in einer reduzierten Weise. Es ist ein reduziertes Abbild der Wirklichkeit bzw. für den Fall der Unternehmensplanung der Zukunft. Wikipedia „Modell“, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Modell (Abruf am 13.7.2015).

Insoweit beinhaltet das Modell nicht alle Elemente. Entscheidend ist dabei, 146 die wesentlichen Zusammenhänge, Strukturen und Elemente zu erfassen und abzubilden. Anderseits muss die Modellbildung auch Praktikabilitätsüberlegungen gehorchen. Die Modelle müssen beherrschbar sein. So macht es z. B. keinen Sinn die künftige Entwicklung bis auf Buchungssatzebene zu planen. Über den Umfang der Planung können keine allgemeinen Empfehlungen ausgesprochen werden. Die Planungstiefe ist folglich eine Frage des Einzelfalls. Unseres Erachtens hängt Sie stark von der Unternehmensanalyse, insbesondere des Chancen- Risiko-Profils des Unternehmens ab. Auf jeden Fall müssen die Ergebnisse in einer Planverprobungsrechnung münden, die sich in der Gliederung an den §§ 266, 275 HGB zu orientieren hat. Dringend empfehlenswert ist es, die Planungstiefe und die Begründung der Planungstiefe zumindest in den Arbeitspapieren zu vermerken. Planungen bis auf Kontenebene der Finanzbuchführung halten wir für nicht 147 angebracht. Tatsächlich stellt sich dann nicht selten heraus, dass auf einem Konto eine Abweichung in eine Richtung und auf einem anderen Konto in die gegenläufige Richtung vorliegt. Die Abweichungen auf den Konten können beträchtlich sein – auf der GuV-Position nach § 275 HGB oder auf der Bilanzpositionen nach § 266 HGB – gleichen sich aber wieder aus. Daher sollte sich der Planungsersteller davor hüten, die Planung zu tief zu untergliedern. Allerdings kann in Fällen oberhalb von kleinen Unternehmen die Planung allein im Gliederungsschema der Bilanz nicht mehr ausreichend sein. Nach dem altbewährten Paretosatz (sog. 80/20-Regel) sind die wesentlichen Erfolgstreiber der Unternehmensanalyse zu ermitteln. Diese Erfolgstreiber werden dann hinreichend konkret geplant. Z. B. können die Umsatzerlöse nach Kunden oder nach Produkten (Produktgruppen) geplant werden. Hierzu werden die Daten des betrieblichen Rechnungswesens analysiert und die Kunden herausgefiltert, mit denen 80 % der Umsatzerlöse getätigt werden. Diese Kunden werden dann in der Regel individuell geplant. Sofern aber die Unternehmung über eine homogene Kundenstruktur verfügt, ist es angezeigt, auf Produktebene zu planen und zu prüfen, mit welchen Produkten 80 % der Umsatzerlöse getätigt werden usw. Hier verbietet sich eine standardisierte Bewertung. Vielmehr ist die Unternehmensplanung ein „Maßanzug“, der auf jeden Fall individuell angepasst sein muss. Und eben jene Anpassung passiert im Planungshandbuch. Mittlerweile existieren verschiedene Standards. Daher sollte in den Planungs- 148 richtlinien auch geregelt sein, ob sich der Planungsersteller an einen Planungsstandard bindet und, wenn ja, an welchen Planungsstandard er sich gebunden 39

E. Planungshandbuch

hat. Sofern ein solches Statement erfolgt, ist dann dieser Standard anzuwenden oder aber hinreichend deutlich zu kennzeichnen, auf welche Bestandteile des Standards man entweder verzichtet hat oder wie man diese in veränderter Form angewandt hat. 149 Es haben sich aber Mindestregeln herausgestellt, die sich als Planungsgrundsätze x

der Vollständigkeit der Planung,

x

der Wesentlichkeit und Angemessenheit der Planung,

x

der Folgerichtigkeit,

x

der Transparenz und

x

der Dokumentation

herausgestellt haben. Insbesondere der Standard der Vollständigkeit der Planung ist bedeutsam. Planungen bis auf den ordentlichen Betriebserfolg (Betriebsergebnisse nur bis zum EBIT oder bis zum EBITDA) stellen nur einen Teilbereich des Unternehmens dar. Aufgrund der Notwendigkeit einer integrierten Unternehmensplanung ist selbstverständlich, dass eine derartige Planung nicht Gegenstand einer insolvenzrechtlichen Prognose und auch nicht einer Krisenplanung sein kann. Eine solche Planung wäre nicht vollständig, da sie zum einen nicht das vollständige Ergebnis zeigt und darüber hinaus wesentliche Planungspositionen (Bilanz und Liquidität) außer Acht lässt. 150 Entscheidend ist auch, wie in einer Planung mit Unsicherheit (Risiko und Ungewissheit) umgegangen wird. Aus diesem Grund muss die Planungsrichtlinie hierauf eine Antwort geben. In der Praxis erfolgt dies dadurch, dass geregelt wird, ob ein erwarteter Wert (Modus oder Management Case oder Real Case) geplant wird oder ob ein Erwartungswert geplant wird, in welchem alle Chancen und Risiken zu einem Erwartungswert verdichtet werden. Sofern ein sog. Erwartungswert geplant wird, was nach unserem Verständnis rechtlich geboten ist, sollte im Planungshandbuch geregelt werden, wie dieser Erwartungswert erzeugt wird. Vgl. hierzu Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297 ff.

151 Zum Schluss ist noch darauf hinzuweisen, dass die Planung im Idealfall entsprechend dem betrieblichen Rechnungswesen aufgebaut wird. Dies erleichtert künftige Soll- und Ist-Vergleiche. Betriebswirtschaftlich oder rechtlich zwingend ist dies hingegen nicht. 152 Zum Schluss sollte geregelt werden, wie mit künftigen Soll-Ist-Abweichungen umgegangen wird und vor allem aber bei welcher Abweichungsgröße eine Überplanung oder zumindest eine förmliche Entscheidung über eine Neuplanung anzusetzen ist. Gerade in der Krise und beim Neuaufbau einer Unternehmensplanung gewinnt diese Regelung ein besonderes Gewicht.

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V. Szenarioplanung/Simulation

153

Checkliste Planungshandbuch Planungsanlass untersuchen

Aus dem Planungsanlass folgen Anforderungen an die Planung.

Ziel der Planung

• • • •

Planungsart bestimmen

• integrierte Planung (Regelfall)? • reine Ertragsplanung? Bei Gruppen/Konzern: • konsolidiert? • Stand alone?

Planungsstandard und -methode

Ist ein Standard vorgegeben? Wenn nein, orientieren an GoP 2.1/IDW S 1/6 • einwertige Planung • Szenarien • Monte-Carlo-Simulation

Planungsinstanz und Ablauf

• • • • •

Zielvorgabe? Steuerungsgröße? Entscheidungsvorbereitung? gesetzlicher/vertraglicher Anlass? Welcher?

Wer verantwortet Planung? Wer gibt Planung frei? Ist 4 Augen Prinzip erforderlich? Wenn ja, wie wird es sichergestellt? Wie ist der Planungsablauf?

Wie ist die Qualität der Sind Dritte erforderlich? Informationen und Auskunftspersonen zu beurteilen? Planungsablauf

Was ist sinnvoll? • Top down • Bottom up • Gegenstromverfahren

Wer plant? In welcher Funktion?

Welches Planungs-Knowhow besteht? Ist es für den Anlass ausreichend? Soll die Planung subjektiv (Berater) oder objektiviert (neutraler Gutachter) erstellt werden?

Planungsstichtag und -zeitraum

Welcher Planungszeitraum wird benötigt? • Stichtag • Einjährige Planung oder mehrjährige Planung

Welchen Zeitraum sollen die zu erstellenden Planungen umfassen?

Ab wann soll geplant werden?

Planungsintervall?

• i. d. R. monatlich • ab dem 3. Planjahr i. d. R. jährlich

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E. Planungshandbuch Liegt eine schriftliche Strategie vor?

Wie wird die Verzahnung der operativen Planung mit der strategischen Planung sichergestellt?

Welche Teilpläne liegen vor?

• Absatzplan • Investitionsplan • Kapitalaufnahme und Rückführung (EK und FK)

Informationsgeber

Wer sind die (internen) Informationsgeber? Gibt es ein Organigramm? • Vertrieb • Einkauf • Produktion • Finanzen • Sonstiges Welche externen Informationsgeber gibt es? • Verbände • Berater • Experten • Sonstiges

Wer ermittelt Grundtatbestände

strategische Analyse, z. B. • Tendenzen, Trends • PESTL • Wettbewerbsanalyse • Standort • Betriebsanalyse • SWOT

Planungstiefe

• • • •

Was und wie tief soll geplant werden? Wer entscheidet diese Frage Was macht Sinn? Wie ist das Rechnungswesen aufgebaut?

Mit welcher EDV soll geplant • DATEV Unternehmensplanung werden? • StrategieNavigator • Excel mit Crystal Ball • DATEV Radar • Strategie Navigator? Wie soll der Planungsbericht abgefasst sein?

Darstellungsart • Power Point • nur Zahlenwerk • Bericht • Anforderungen an den Bericht (Dritte etc.)

Was ist das Ziel der Planung und wer erhält die Planung?

• gesetzlicher Auftrag • vertraglicher Auftrag • Investitionsentscheidung (z. B. auch Dritter wie Bank)

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V. Szenarioplanung/Simulation Zeitlicher Ablauf

Bis wann wird die Planung benötigt? • gesetzlicher Anlass • vertraglicher Anlass • Sonstiges

Zwischenschritte

Gibt es Zwischenschritte? Wenn ja welche?

Richtlinien für Soll-/ Ist-Vergleiche

Wie sehen die Soll/Ist Vergleiche aus? Zahlen, Kennzahlen, Sonstiges?

Berichtskaskade; wer berichtet an wen? Bei welcher Abweichung soll die Planung revisioniert werden?

Ab welcher Abweichung wird die Neuplanung diskutiert?

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F. Projektmanagement Jede Sanierung und damit auch die Unternehmensplanung ist in aller Regel 154 ein Projekt. Nickert/Nickert, InsBüro 2014, 121.

Es geht darum, das Potential des Unternehmens leistungswirtschaftlich und 155 in aller Regel auch finanzwirtschaftlich abzubilden. Eine solche Planung ist üblicherweise mit rechtlichen und steuerrechtlichen Problemen, auf jeden Fall aber mit mehreren Wissensträgern behaftet. Daher werden neben den entscheidenden Informationen insbesondere betriebswirtschaftliche Kenntnisse in der Finanzwirtschaft, in der Leistungswirtschaft und darüber hinaus steuerliche und rechtliche Kenntnisse erforderlich sein, um die Aufgabe zu bewältigen. Oft müssen Beraterstäbe mit den Mitarbeitern des Unternehmens koordiniert werden. In der Krise wird diese Leistung meist extern eingekauft. Dies hat mehrere 156 Gründe: zum einen wollen die Stakeholder, insbesondere die Banken und Sparkassen, einen „neutralen externen Dritten“, um eine gewisse sachliche und personelle Distanz sicherzustellen. Ferner geht der BGH im Urteil vom 14.5.2007, BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II-ZR-48/06 ZIP 2007, 1265,

in der Haftungsrechtsprechung davon aus, dass sich das Organ bei der Insolvenzreifeprüfung extern beraten lassen muss, wenn es nicht selbst über entsprechende Fähigkeiten verfügt: „Dabei muss sich der organschaftliche Vertreter, sollte er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügen, ggf. extern beraten lassen (BGHZ 126, 181, 199, dort zur Prüfung der positiven Fortführungsprognose; OLG Düsseldorf NZG 1999, 944, 946 zur Feststellung der Überschuldung; Hefermehl/ Spindler aaO; Mertens in Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. § 93 Rn. 99; Hopt in Großkomm.z.AktG, 4. Aufl. § 73 Rn. 255 m.w.Nachw.; Wiesner in MünchHdb.d.GesR, Bd. 4 2. Aufl. § 26 Rn. 7 m.w.Nachw.). Dafür reicht selbstverständlich eine schlichte Anfrage bei einer von dem organschaftlichen Vertreter für fachkundig gehaltenen Person nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass sich das Vertretungsorgan unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt.“

Da diese Kenntnis äußerst selten bei Organen gegeben ist, muss man von einer 157 „allgemeinen Beratungspflicht“ ausgehen. Insoweit sind bereits die Aktivitäten im Unternehmen mit denen des Beratungsunternehmens zu koordinieren. Da ein solches Projekt nur in den seltensten Fällen von einem Beratungsunternehmen allein zu realisieren ist, sind mehrere Betriebsteile und Partner mit zum Teil unterschiedlichen Beratungsaufträgen mit den Aktivitäten des Unternehmens zu koordinieren. Letztlich handelt es sich also um Projektmanagement. Generell gilt beim Projektmanagement, dass zu Beginn das Projektziel definiert 158 werden muss. Ausgehend von diesem Gesamtziel sollten Etappenziele (sog. 45

F. Projektmanagement

Milestones) definiert werden. Beispielsweise könnte das Projektziel die Sanierung einer Gesellschaft mit der Herstellung einer Eigenkapitalquote von 10 % und einer Umsatzrendite von 8 % sein. Die Etappenziele hierzu wären z. B. x

zunächst das Erstellen einer Fortbestehensprognose,

x

die Vorlage eines Unternehmenssanierungsgutachtens gemäß IDW S 6 und zuletzt

x

deren Präsentationen sowie

x

(in der Regel parallel zu der Gutachtenstellung) die Verhandlungen mit den Geschäftspartnern und

x

im Anschluss die Umsetzung der geplanten Sanierungsmaßnahmen.

159 Nicht minder wichtig ist die Bestimmung eines Projektverantwortlichen, der die verschiedenen Aktivitäten miteinander koordiniert. In Sanierungsfällen von KMU ist eine Projektsteuerungssoftware nicht erforderlich. Allerdings muss sichergestellt sein, dass die Aktivitäten koordiniert, gesteuert und überwacht werden. Dies kann mit Word bzw. Excel sehr einfach dargestellt werden. Sofern die einzelnen Bearbeitungsschritte aufeinander aufbauen, kann dies in der Tabelle abgebildet werden. Damit ist auch gleich erkennbar, welche Folgeschritte sich ggf. verändern bzw. verzögern, wenn im Vorfeld Bearbeitungstermine nicht eingehalten werden. Sind mehrere Beteiligte in diesen Prozess involviert, kann sich die Einrichtung eines Datenraums in der Cloud, z. B. in der Dropbox, empfehlen. 160 Letztlich kann man mit relativ einfachen Schritten das gesamte Projekt steuern. Es muss lediglich definiert sein, wer etwas mit wem macht. Was genau zu tun ist und bis wann es fertig sein soll. Zum Schluss muss noch geregelt werden, an wen Zwischenziele bzw. die Fertigstellung zu berichten ist. 161 Eine derartige Projektaufnahme ist auch aus Honorarsicherungsgründen dringend angezeigt. Sobald Klarheit über die zu verrichtenden Aufgaben besteht, kann auch der Beratungsaufwand kalkuliert und die Vorschüsse entsprechend angepasst werden. Erst und nur dann können auch die Kosten der Sanierung einschließlich der Beraterkosten in der Ertragsplanung und in der Liquiditätsplanung berücksichtigt werden. 162 Eine Nichtberücksichtigung würde weder bei den Banken noch bei den Unternehmen auf Gegenliebe stoßen. Datum: ……

Projekt/Auftrag: … erledigt Lfd. Nr. Bezeichnung: … SDV: … Name: …

46

erledigt Wer

Mit wem

Bis wann Info an

I. Ablauf einer Planung

I. Ablauf einer Planung Der Ablauf einer Planungserstellung orientiert sich grundsätzlich an einem 163 5-stufigen Aufbau: x

Auftragsbestimmung und -abgrenzung

x

Unternehmensanalyse

x

Erstellen der Unternehmensplanung 

Planung der (Sanierungs-) Maßnahmen



Prüfung des Vorliegens von Insolvenzgründen und ggf. Handlungsempfehlungen zur Haftungsvermeidung (bei Kapitalgesellschaften (& Co.) Erstellen einer sog. Fortbestehensprognose)

x

Umfassender Planungsbericht

x

Nachgelagerte Begleitung, Controlling.

Für die Umsetzung der einzelnen Stufen werden üblicherweise folgende Zeit- 164 abläufe kalkuliert: Tätigkeit:

Bearbeitungsdauer:

1. Auftragsdefinition, Unternehmensanalyse und Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit

wenige Tage bis max. 3 Wochen

2. Fortbestehensprognose

6 – 8 Wochen

3. Planungsbericht

2 – 6 Monate

4. Sanierungsgutachten und nachgelagerte Betreuung 6 – 18 Monate

Kernbestandteile der Planungsrechnung sind: Beschreibung von Auftragsgegen- 165 stand und -umfang, Darstellung der bisherigen Unternehmensentwicklung, Analyse der aktuellen Unternehmenslage, Analyse des Krisenstadiums und der Krisenursachen, Darstellung des Leitbildes des sanierten Unternehmens, Maßnahmen zur Bewältigung der Krise und die Verdichtung der Ergebnisse in einer integrierten Unternehmensplanung. Während des gesamten Prozesses übernehmen bzw. empfiehlt es sich, die 166 Kommunikation gegenüber den Stakeholdern, insbesondere gegenüber den Banken und den Hauptgläubigern über den CRO bzw. den Berater zu steuern. Im Rahmen des Sanierungsprozesses ist die wirtschaftliche Ausgangslage 167 darzustellen. Das Geschäftsmodell des Unternehmens ist eingehend zu beschreiben und ggf. zu analysieren. Die Jahresabschlüsse der letzten drei bis fünf Jahre sind zu analysieren, ebenso die Stellung im Wettbewerb anhand der Methode der Porters Five Forces und die Stärken und Schwächen des Unternehmens (SWOT Analyse). Zuletzt sind die Krisenursachen und das Krisenstadium zu analysieren, um darauf aufbauend ein Leitbild des sanierten Unternehmens darzustellen. Gegebenenfalls wird hierzu die Unternehmensstrategie völlig neu definiert. 47

F. Projektmanagement

168 Aus den gewonnenen Erkenntnissen sind die Maßnahmen zur Bewältigung der Krise zu definieren. Hierzu zählen alle Maßnahmen zur Überwindung der Krise. Gerade dieser Prozessschritt kann besonders zeit- und arbeitsintensiv sein, da z. B. im leistungswirtschaftlichen Bereich „sog. Machbarkeitsstudien“ erforderlich werden können. Dies kann z. B. aber auch der Einstieg eines Investors sein – hierfür ist eine verlässliche Bewertung des Unternehmens von entscheidender Bedeutung. An dieser Stelle können aber auch Maßnahmen im Bereich des Gesellschaftsrechts, wie z. B. eine Kapitalerhöhung, eine Kapitalherabsetzung oder auch ein Debt-Equity-Swap sein. 169 Die Maßnahmen sind in einer integrierten Unternehmensplanung abzubilden. Diese ist mit Kennzahlen zu verproben. Im Nachgang ist die Umsetzung der Maßnahmen zu überwachen. II. Einbettung des Planungsprozesses in die Sanierung 170 Die Unternehmensplanung ist in den Sanierungsprozess zu integrieren. Darunter versteht man, dass zum einen die Planung auf einen aktuellen Stichtag oder auf einen Stichtag in der nahen Zukunft gelegt wird. Zum anderen muss die Unternehmensplanung die Sanierungsmaßnahmen in ihren Auswirkungen auf die Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage darstellen. Da die Planung aufzeigt, ob und welchen Erfolg die Maßnahmen auf die künftige Unternehmensentwicklung haben, hat dies einen iterativen Charakter. Das heißt, die Maßnahme wird in ihren Auswirkungen verbal umschrieben und sodann in die Unternehmensplanung hinein modelliert. Dann werden die Auswirkungen im Detail überprüft, um zu entscheiden, ob die Maßnahme überhaupt durchgeführt werden soll. Damit erlangt die Unternehmensplanung eine ihrer wichtigsten Funktionen: Die Vorbereitung einer Entscheidung. Im Grunde genommen wird dieser Prozess vielfach wiederholt. Man kann es einfacher ausdrücken: Die Unternehmensplanung zeigt zunächst die Entwicklung unter dem Motto: „Was passiert, wenn nichts passiert“. Sodann wird die erste Maßnahme verbal und ihre Auswirkungen umschrieben. Diese Maßnahme wird dann in der Planung berücksichtigt und das Planungsergebnis wird angesehen. Zeigt die Maßnahme die erhoffte Wirkung, wird sie aller Voraussicht nach beschlossen werden. Sodann wiederholt sich der Prozess mit der zweiten Maßnahme usw. usf. 171 Bei der Einbindung in den Sanierungsprozess ist aber nicht nur zu berücksichtigen, ob die Maßnahme die erhofften Wirkungen zeigt. Es ist auch zu berücksichtigen und zu bewerten, ob die Maßnahme von Zustimmungen Dritter abhängt. Dies soll an folgendem Beispiel verdeutlicht werden: 172 Es könnte eine neue Maschine angeschafft werden, die zu wesentlich günstigeren Produktionskosten betrieben werden kann. Allerdings muss die Maschine durch die Hausbank finanziert werden. Hier ist zu berücksichtigen, ob die Hausbank die Finanzierung aufgrund der Krise noch übernehmen wird oder nicht.

48

III. Informationsgewinnung und Anforderungen an die Qualität der Informationen

Daher ist es zunächst enorm wichtig, auch das Krisenstadium zu analysieren, 173 weil sich daraus vielfältige Informationen über Annahmen und die Einschätzung der Zustimmung Dritter ergeben. III. Informationsgewinnung und Anforderungen an die Qualität der Informationen Die Qualität der Informationen bestimmt die Qualität der Planung.

174

Wild, Grundlagen der Unternehmensplanung, S. 118.

Soweit falsche, fehlerhafte Informationen im Modell berücksichtigt werden, 175 beeinträchtigt dies die Unternehmensplanung. Umgangssprachlich wird vom Gigo-Effekt“ gesprochen (garbage in, garbage out). Für die Unternehmensplanung werden Informationen über die Zukunft benötigt. Diese ist ungewiss. Informationen dienen dazu, eben jene Unsicherheit oder Ungewissheit zu reduzieren. Wild, Grundlagen der Unternehmensplanung, S. 119.

Wenn z. B. ein Smartphonehersteller aus einer Marktstudie erfährt, dass die 176 Mobilnutzung weiter zunehmen wird und er aus einer weiteren Studie in Erfahrung gebracht hat, dass sein Smartphone bei den Kunden besonders beliebt ist, so reduziert dies die Ungewissheit über den künftigen Absatz, ohne diese völlig zu beseitigen. Die Grundfunktion einer Information ist es, dass diese verschiedene künftige Umweltzustände ausschließt. So dürfte im obigen Beispiel das Szenario eines Umsatzrückgangs ausgeschlossen sein. Die Information ermöglicht es also, sich auf die anderen Szenarien (Umsatzerhalt bzw. -anstieg) zu konzentrieren. Dabei ist anerkannt, dass es vollkommene Informationen über die Zukunft 177 nicht gibt. Folglich ist jede Information über die Zukunft mehr oder weniger unsicher. Zum Beispiel könnte ein anderer Smartphonehersteller künftig eine Technik in sein Modell integrieren, die sich bei den Kunden durchsetzt. Der Grad der Ungewissheit lässt sich oft nur verbal beschreiben, also qualitativ bewerten. Objektiv nachprüfbare Informationen über die Zukunft existieren praktisch nicht. Generell gilt bei Informationen, dass sie zwei Eigenschaften haben: einen In- 178 formationsgehalt und eine Wahrscheinlichkeit. Der Informationsgehalt kann „exakt“ sein („Der Umsatz steigt um 3 %“) oder er kann in einer Bandbreite umschrieben werden („Der Umsatz steigt um 2 – 5 %“). Ferner kann die Information von kurzfristiger Dauer sein („Wir kaufen dieses Jahr gelbe Kleider ein, denn die Farbe des Sommers ist gelb“) oder sie kann langfristiger Natur sein („Das niedrige Zinsniveau wird uns noch mind. fünf Jahre erhalten bleiben.“). Man spricht von der Prognosereichweite. Wild, Grundlagen der Unternehmensplanung, S. 94 f.

49

F. Projektmanagement

179 Eine Information über eine zukünftige Entwicklung beinhaltet aber immer auch eine Wahrscheinlichkeit. Sie kann sehr wahrscheinlich oder auch weniger wahrscheinlich sein. Vgl. hierzu Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 291, 296.

180 Insoweit ist es üblich, in Szenarien oder in Bandbreiten zu planen. Was aber für das Planungsergebnis gilt, muss entsprechend für die Behandlung von Informationen gelten: Informationen über die Zukunft sind immer unvollkommen und damit unsicher. Der Grad der Unsicherheit ist über Schwankungen, Szenarien oder Bandbreiten abzuschätzen und aufzuzeigen. 181 Der Informationsgehalt einerseits und der Wahrscheinlichkeitsgehalt einer Information und damit der Planung andererseits verhalten sich gegenläufig. Je genauer die Information und je weiter die Prognosereichweite, desto unwahrscheinlicher ist deren Eintreten. Die unwahrscheinlichste Prognose ist folglich die einwertige Prognose. Sie beinhaltet eine Wahrscheinlichkeitsaussage von 100 % und schließt alle anderen Prognosen vollständig aus, weil sie diesen anderen Prognosen eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 0 % zuordnet. Wild, Grundlagen der Unternehmensplanung, S. 88.

182 Exemplarisch seien hier die Expertenschätzungen zur Dollarkursentwicklung genannt, die trotz z. T. beträchtlicher Bandbreitenschätzungen in der überwiegenden Mehrzahl eine fehlerhafte Entwicklung prognostizierten. Gigerenzer, Risiko, S. 118 ff.

183 Legendär ist auch der Irrtum von Steve Ballmer, der als CEO von Microsoft kurz nach Vorstellung des iPhone äußerte, dass es mit einem Preis von 500 USDollar das teuerste Telefon in der Welt und wegen fehlender Software-Funktionen und der virtuellen Tastatur nicht für Geschäftskunden geeignet sei. Ca. fünf Jahre später war der Umsatz Apples mit dem iPhone größer als der Konzernumsatz von Microsoft. Thomas J. Watson wird folgendes Zitat (1943) zugeschrieben: „Ich glaube, dass es auf der Welt einen Bedarf von vielleicht fünf Computern geben wird.“ Insoweit sind selbst die Schätzungen von Experten mit einer Restunsicherheit behaftet. Objektive Wahrscheinlichkeiten sind also nicht ermittelbar. 184 So bleiben für die Unternehmensplanung nur subjektive Wahrscheinlichkeiten, die aber in ihrer Aussagekraft eingeschränkt, vor allem aber intersubjektiv kaum nachprüfbar sind. Gleichwohl muss in Ermangelung einer besseren Möglichkeit auf diese zurückgegriffen werden. BVerfG, Beschl. v. 24.5.2012 – 1 BvR 3221/10 („Daimler/ Chrysler“), ZIP 2012, 1656 = ZIP 2012, 1656; sonstige Rspr. z. B. BGH, Urt. v. 6.6.1994, BGHZ 126, 181 = ZIP 1994, 1103 zur Insolvenzreifeprüfung: Es besteht „gewisser Beurteilungsspielraum“; BGH, Urt. v. 21.4.1997, DB 1997, 1068 ff., „ARAG/Garmenbeck“.

50

III. Informationsgewinnung und Anforderungen an die Qualität der Informationen

Als Konsequenz hieraus besteht ein „weiter Beurteilungsspielraum, der erst 185 dann verletzt ist, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss.“ Wild teilte die Informationen in Gruppen ein: Von einer faktischen Information 186 oder Tatsacheninformationen ist auszugehen, wenn diese nachprüfbar oder dem Beweis zugänglich sind („Laut Kreditvertrag sind künftig monatlich 1.000 € zu tilgen“). Wild, Grundlagen der Unternehmensplanung, S. 121 ff.

Demgegenüber sind prognostische Informationen, da sie sich auf künftige 187 Tatsachen beziehen, dem Beweis nicht zugänglich. Im Zusammenhang mit der Unternehmensplanung spricht man auch von Annahmen, Erwartungen und Prognosen i. e. S. Explanatorische Informationen erklären Ursachen-Wirkungszusammenhänge. Diese sind i. d. R. nur auf logische Stringenz überprüfbar. Konjunktive Informationen drücken die Möglichkeit aus, dass künftig etwas passiert, ohne sich dabei festzulegen. So kann z. B. auf dem Apennin die Möglichkeit eines Schadens durch ein Erdbeben angenommen werden, ohne sich festzulegen, ob und wann sich dies ereignet. Normative Informationen sind „Soll-Aussagen“, die Normen und Werturteile ausdrücken („Unser Wettbewerber soll nicht gegen das UWG verstoßen“). Zum Schluss drücken logische Informationen Beziehungen zwischen Informationen aus („Die Geburtenrate steigt, der Bedarf an Windeln steigt“). Bis auf die erste Informationsart sind alle anderen Informationen unsicher. Dessen muss sich der Planer bewusst sein und er muss mit dieser Unsicherheit in der Planung umgehen. Die Art der Information birgt entsprechende Gewissheiten oder Ungewiss- 188 heiten. Aus diesem Grund ist es auch erforderlich, sich über die Art der Information Gedanken zu machen, um diese auf Fehler oder Ungewissheiten zu überprüfen. Insbesondere sind die Zusammenhänge oder die Schlussfolgerungen einer Information zu hinterfragen. Insoweit gilt grundsätzlich, dass die Informationen bzw. Schlussfolgerungen durch Erfahrungswissen begründbar sein sollen. Eine Information oder Schlussfolgerung mit Erfahrungswissen ist einer Information oder Schlussfolgerung ohne Erfahrungswissen vorzuziehen. Allerdings gilt dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt. Ein hierzu anschauliches Beispiel (sog. Truthahn-Illusion) nach Thaleb und Gigerenzer, Thaleb, Der schwarze Schwan, S. 61 ff. und Gigerenzer, Risiko, S. 55 f.,

ist die Laplace Regel, nach der die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Ereignisses (P) mit der Wiederholung (n) steigt (P = (n + 1)/(n + 2). So hat das Truthahnküken am Tage seines Schlüpfens noch Angst vor dem Menschen, 51

F. Projektmanagement

die mit jedem Tag des Fütterns weiter abnimmt. Aber nach einem Vierteljahr ist Thanksgiving (sog. Truthahn-Illusion). 189 Wie aber soll man mit diesem Dilemma in der Planung umgehen? Die Unsicherheit der Information außer Acht lassen und mit dem erwarteten Wert (Modus) zu planen, ist keine Lösung. So wurde bereits für die Unternehmensplanung festgestellt: „Je weniger befähigt ein Unternehmensbewerter ist, umso ausgeprägter wird sein Ehrgeiz sein, einwertige Ertragsprognosen abzugeben: Er wird sich nicht damit begnügen, Bandbreiten möglicher künftiger Ertragsgrößen anzuführen und die Wahrscheinlichkeiten dieser alternativen Ertragsgrößen zu benennen; er wird vielmehr Wissen über die Zukunft fingieren und so, Wahrsagern nicht unähnlich, zu einwertigen Ertragsprognosen kommen.“ Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensbewertung, S. 116. „Das Verdecken der Prognoseunsicherheit durch Zugrundelegen eines einwertigen Ertrags ist zwar üblich, aber unsachgemäß.“ Ballwieser, Unternehmensbewertung, Sp. 2084in: Gerke/ Steiner, Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens; zitiert nach Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 301. „Unsichere Erwartungen müssten durch Szenarioentwicklungen oder periodenbezogene Wahrscheinlichkeitsverteilungen berücksichtigt werden. Die Wirtschaftsprüfer scheuen offenbar hiervon zurück, um dem Vorwurf der Beliebigkeit der Erwartungsbildung zu entgehen.“ Ballwieser, IDW S 1 und objektivierter Unternehmenswert, in: Essler/Lobe/Röder, Fairness Opinion, S. 149. „In Anbetracht des Untersicherheitsproblems erscheint es nicht realitätsgerecht, einen einwertigen Zukunftserfolg zu prognostizieren. Der zwangsläufigen Mehrwertigkeit der Ertragserwartungen ist nach herrschender Auffassung durch die Ermittlung einer Bandbreite möglicher Erträge unter Angabe einer Wahrscheinlichkeitsverteilung Rechnung zu tragen.“ Mandl/Rabel, Unternehmensbewertung, S. 405

190 Aus diesem Grund müssen zunächst alle Prognosen erfasst bzw. erhoben werden. Anschließend könnte man die Prognosen mit der geringsten „gefühlten“ Wahrscheinlichkeit ausschließen und den Rest der Prognosen einem zu begründenden Auswahlverfahren unterziehen. Hier könnte die Prognose herangezogen werden, die die höchste Einzeleintrittswahrscheinlichkeit hat, es könnten aber auch Erwartungswerte gebildet werden oder Mittelwerte oder der Median herangezogen werden. 191 Wie nun aber sind die für die Unternehmensplanung erforderlichen Informationen zu erheben? Unseres Erachtens sollte die Informationsgewinnung vorwiegend auf Expertenbefragungen im Unternehmen erfolgen. Im Unternehmen müssen sie erfolgen, weil es auf die subjektiven Wahrscheinlichkeiten ankommt. Experten in diesem Sinne sind all die Personen, die zur aufgeworfenen Fragestellung überlegenes Sachwissen haben. Daher sollte sich der Planungsersteller auch den Zugang zu diesen Mitarbeitern vertraglich absichern lassen. Üblicher52

III. Informationsgewinnung und Anforderungen an die Qualität der Informationen

weise werden diese Personen im Rahmen der Analyse des Unternehmens ohnehin zur Vergangenheit und zur Ist-Situation befragt, sodass diese auch bezüglich Ihrer Erwartung der Zukunft befragt werden müssen. Ausgangspunkt für die Auswahl der zu befragenden Personen ist das Organigramm des Unternehmens. Selbstverständlich sind diese Informationen anhand externer Informationen (z. B. Feri-Branchenstudien etc.) zu plausibilisieren. Damit aber wird ersichtlich, dass die Qualität abhängig von den Beschäftigten im Unternehmen ist. Gerade bei KMU dürfte die Qualität der Informationen eher infrage zu stellen sein als bei größeren Unternehmen, die Marktforschungs- und z. T. ganze volkswirtschaftliche Abteilungen unterhalten. Bei der Informationserhebung über die künftige Entwicklung sollte die Differenzierung der Informationen nach dem Mengengerüst (z. B. Absatzmenge) und dem Wertegerüst (z. B. Absatzpreis) erfolgen. Sodann sollten Befragungen bezüglich der Chancen und Risiken erfolgen. Sinnvoll ist unseres Erachtens die Abfrage von zu erwartenden Bandbreiten und ggf. einer Verteilungsfunktion innerhalb dieser Bandbreite. Erstens wird dem Informant die Scheu vor einer einwertigen Prognose genommen und zweitens ist die Wahrscheinlichkeit zuvor berechneter manipulierter Angaben und Informationen deutlich reduziert, weil eine solche Aussage in ihrer Wirkungsweise deutlich schwieriger zu greifen ist. Das Ergebnis dieser Befragungen ist mit den Organen abzustimmen, denn nicht die Meinung der Mitarbeiter, sondern die subjektive Sicht der Organe ist rechtserheblich. Im Falle von Abweichungen müssen die Organe aber Ihre Position darlegen und plausibel begründen können. Diese Informationskorridore mit Verteilungsfunktion gehen dann in eine Erwartungswertbildung ein. Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2300.

Aus solchen Befragungen können dann Aussagen über Bandbreiten, Vertei- 192 lungsfunktionen und weitere Parameter abgeleitet werden. Diese wiederum können über eine Monte-Carlo-Funktion in eine Ergebnisprognose überführt werden, die nicht nur einen Erwartungswert („Mean“) erzeugt, sondern Aussagen zulässt, wie z. B. in welchem Korridor wird sich das Ergebnis mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 % bewegen. Bei der Monte-Carlo-Simulation handelt es sich um ein statistisches Zufallsverfahren, mit Hilfe dessen die voraussichtliche Entwicklung abgebildet werden kann. Die Monte-Carlo-Simulation nutzt die Theorie der großen Zahl. So wird sich 193 bei genügender Anzahl der Würfe eines Würfels als Mittelwert aller Würfe rd. 3,5 ergeben ([1+2+3+4+5+6]/6). Richtig dabei ist, dass sich Unternehmen praktisch ausnahmslos in einer „Spielsituation“ befinden. Diese Theorie versucht zu beschreiben, dass und wie der Erfolg eines einzelnen in einer Entscheidungssituation von den Aktionen anderer abhängt. Vgl. hierzu Göbel, Entscheidungen in Unternehmen, S. 108 ff.; Dixit/Nalebuff, Spieltheorie für Einsteiger, S. 34 ff.

Insoweit hängt die weitere Unternehmensentwicklung davon ab, wie sich die 194 Kunden, die Lieferanten, die Mitarbeiter u. a. verhalten. Sie hängt ferner davon ab, ob der Wettbewerb oder der neu hinzutretende Wettbewerb bessere Ange53

F. Projektmanagement

bote den eigenen Kunden und den Zielkunden unterbreitet. Die Entwicklung hängt aber auch von volkswirtschaftlichen Entwicklungen ab. Allein aus dieser skizzenhaften Aufzählung wir ersichtlich, dass das planende Unternehmen die eigene Entwicklung nicht im Griff hat. Dies gilt umso mehr, als sich manche Entwicklungen ausgleichen („ein Kunde geht, ein neuer wird gewonnen“), und andere verstärken („Ein Schadensfall tritt ein. Aufgrund des schlechteren Ratings erhöht die Bank die Zinsen“ oder „Ein Auftrag wird gut abgewickelt. Daher wird das Unternehmen empfohlen und erhält lukrative Aufträge“). Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, Rn. 430.

195 Das Unternehmen kann viel für die eigene Entwicklung tun. Es kann sie aber nur in sehr eingeschränktem Umfang bestimmen. Aufgrund der Vielzahl der Einflussfaktoren ist die Entwicklung auch dem Zufall unterworfen. Insoweit ist es eine sachgerechte Vereinfachung, für die Abbildung der zukünftigen Entwicklung die Theorie der großen Zahl zu nutzen und mit einem Zufallsgenerator eine vorgegebene Anzahl an „Systemdurchläufen“ zu erzeugen. In das System müssen die Rechenalgorithmen (Umsatz abzüglich Wareneinsatz abzüglich Personalkosten etc.) eingegeben werden. Den einzelnen Schritten (z. B. Umsatzerlöse) werden auf Basis der erhobenen Informationen statistische Verteilungsmöglichkeiten zugeordnet. Folgendes einfaches Beispiel soll das Vorgehen verdeutlichen: Beispiel 1: Position

Verteilungsfunktion

unten

Mitte

oben

Umsatzerlöse

Dreieck

40

60

80

Wareneinsatz in %

Dreieck

20 %

18 %

16 %

sonstige Kosten

Normalverteilt (StdD 2,0)

20

196 In dem obigen Beispiel 1 wäre der Erwartungswert der Planung 29,22. Das Ergebnis liegt mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 % zwischen 19,85 und 38,62. Die Standardabweichung zum Erwartungswert beträgt 7,00. Wie eine solche Auswertung im Detail zu analysieren ist, zeigen wir weiter unten, Rn. 790 ff.

54

III. Informationsgewinnung und Anforderungen an die Qualität der Informationen

Entscheidend ist aber, zu erkennen, dass eine solche Analyse einer einwertigen Planung, deren Eintrittswahrscheinlichkeit damit 100 % beträgt, deutlich überlegen ist. Entscheidend ist aber auch hier die Qualität der zugrunde gelegten Informationen. Dies soll nachfolgendes Beispiel verdeutlichen, welches den praktisch selben Erwartungswert aufzeigt. Bei diesem Beispiel wurden die Werte „gestaucht“, d. h. die Korridore liegen näher am mittleren Wert: Beispiel 2: Position

Verteilungsfunktion

unten

Mitte

oben

Umsatzerlöse

Dreieck

55

60

65

Wareneinsatz in %

Dreieck

19 %

18 %

17 %

sonstige Kosten

Normalverteilt (StdD 0,5)

20

In dem obigen Beispiel 2 wäre der Erwartungswert der Planung 29,20. Das 197 Ergebnis liegt mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 % zwischen 26,86 und 31,53. Die Standardabweichung zum Erwartungswert beträgt 1,75. Das heißt, das Risikoausmaß einer künftigen Planunterschreitung ist deutlich geringer. Dennoch ist der Erwartungswert nahezu identisch. Die Monte-Carlo-Simulation nutzt dabei die Theorie der großen Zahl. Diese 198 Methode kann auch für Prognoserechnungen verwendet werden. In einem System wird aufgrund eines Zufallsgenerators eine vorgegebene Anzahl an „Systemdurchläufen“ erzeugt. In das System müssen die Rechenalgorithmen (Umsatz abzüglich Wareneinsatz abzüglich Personalkosten etc.) eingegeben werden. Diese Rechenalgotrithmen müssen begründet werden bzw. begründbar sein. Nachdem dieses System kalibriert ist, wird eine vorgegebene Anzahl von Simulationen durch einen Zufallsgenerator erzeugt. Aufgrund dieser Nutzung des Zufallsgenerators kommen bei zwei Durchläufen praktisch niemals dieselben Werte heraus. Ist die Anzahl der Durchläufe groß genug gewählt, nähern sich die Durchläufe aber aneinander an (Theorie der großen Zahl). Aus diesem Grund ist es von besonderer Bedeutung, etwaige Korridore und 199 Verteilungsannahmen zu den Informationen zu treffen. Einwertige Informa-

55

F. Projektmanagement

tionen sind diesen mehrwertigen Informationen in ihrem Aussagegehalt und vor allem in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts deutlich unterlegen. 200 Problematisch bei der Informationserhebung und damit zugleich bei der Planung ist aber auch die Modellbildung. Insbesondere, wenn nur die kürzere Vergangenheit analysiert wird und die Schwankungen der Bilanz und Ertragspositionen untersucht werden, können gravierende Entwicklungen mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit (sog. Schwarze Schwäne) in der Modellbildung unberücksichtigt bleiben. Daher ist die Informationserhebung auf Basis einer Risikoinventur dringend erforderlich, um dieses Problem sachgerecht zu beheben. 201 Grundsätzlich kann man mit der Betriebswirtschaftslehre, nach Wild, Grundlagen der Unternehmensplanung, S. 87 ff.,

als Voraussetzungen einer rechtskonformen Prognose folgende Thesen aufstellen: 1. Eine Prognose, die durch ein gegebenes Erfahrungswissen begründet wird, ist einer Prognose ohne bzw. mit weniger Erfahrungswissen vorzuziehen. 2. Die Vertrauenswürdigkeit einer Prognose steigt mit der Qualität ihrer Begründung. 3. Jüngere (aktuellere) Erfahrungswerte (z. B. aktuelle Trends) und geringere Prognosezeiträume erhöhen die Glaubwürdigkeit und Wahrscheinlichkeit einer Planung. 4. Der Unsicherheitsgrad einer Prognose steigt mit zunehmendem Informationsgehalt (mit zunehmender Präzisierung der Aussage). 202 Die Thesen sind aber immer im Einzelfall daraufhin zu untersuchen, ob sie sachgerecht sind. Denn den Thesen kann entgegengehalten werden: 1. Das Erfahrungswissen führt in den Fällen der Truthahn-Illusion zu Fehleinschätzungen. 2. Besondere Ereignisse und Begründungen bleiben besser im Gedächtnis haften und aktuelle und populäre Begründungstrends werden überbewertet (z. B. Rating-Einschätzungen vor der Immobilienkriese in den USA). 3. Jüngere Werte werden übergewichtet, denn langfristig konvergieren (pendeln) alle Werte zum Gleichgewicht, also zur Mitte. 203 Der Planungsersteller hat zur Informationsgewinnung also dafür Sorge zu tragen, dass x

durch planvolles Vorgehen auf Basis einer Risikoinventur alle wesentlichen Informationen vorliegen,

x

die Ausgangssituation klar und übersichtlich dargestellt ist, insbesondere die Annahmen und Erwartungen benannt werden,

x

die Informationen auf ihre Glaubwürdigkeit und/oder Plausibilität geprüft werden,

56

IV. Unternehmensplanung als Tatsache i. S. d. § 286 ZPO und Gewissheit i. S. d. ZPO?

x

keine Zufälligkeiten oder persönliche Vorurteile das Ergebnis beeinträchtigen,

x

die Vergangenheitszahlen Grundlage für die Ableitung der Planzahlen sein können,

x

die Schlussfolgerungen für die Planung sachlich und rechnerisch richtig ermittelt worden sind,

x

bei künftigen Vorhaben bzw. Maßnahmen von wesentlicher Bedeutung (z. B. Veräußerung von Vermögenswerten) sowie bei Beiträgen Dritter (z. B. Kapitalerhöhungen, Aufnahme oder Umschuldung von Krediten, Forderungserlasse und -stundungen, Beiträge der Belegschaft) der Grad der Konkretisierung bzw. der erreichte Stand der Umsetzung anzugeben ist und

x

er den Grad der innewohnenden Unsicherheit (Chancen und Risiken) nachvollziehbar und begründet ausdrückt.

IV. Unternehmensplanung als Tatsache i. S. d. § 286 ZPO und Gewissheit i. S. d. ZPO? In rechtlicher Hinsicht stellt sich die Frage, ob eine solche Unternehmens- 204 planung, z. B. eine Fortbestehensprognose gemäß § 19 InsO, eine „Tatsache“ ist und wie diese Tatsache denn zu beweisen ist. 1. Unternehmensplanung als Tatsache i. S. d. § 286 ZPO Das Gericht hat nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche 205 Behauptung (z. B. die positive Fortführungsprognose, die Sanierungsfähigkeit, die Verneinung von Insolvenzgründen etc.) für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Unter Tatsachen versteht man alle der äußeren Wahrnehmung zugänglichen Geschehnisse oder Zustände, aus denen das objektive Recht Rechtswirkungen herleitet. Greger, in: Zöller, ZPO, § 286 Rn. 9.

Dementsprechend sind Tatsachen Geschehnisse und/oder Eigenschaften der 206 Gegenwart oder der Vergangenheit, die dem Beweis zugänglich sind. RG, Urt. v. 14.11.1883, RGSt 24, 387; BGH, Urt. v. 26.10.1951, BGHZ 3, 270.

Nach Laumen,

207

in Prütting/Gehrlein ZPO, § 284 Rz. 7,

können danach „… zukünftige Tatsachen (Prognosen über die Gewinnentwicklung eines geschädigten Unternehmens), Gegenstand eines Beweises sein. Allerdings gehörten Werturteile nicht zu den Tatsachen. Sie bringen eine überwiegend auf einer Wertung beruhende subjektive Beurteilung zum Ausdruck und können deshalb nicht durch eine Beweisaufnahme auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden (BGH

57

F. Projektmanagement NJW 82, 2248, 2249 f [BGH 22.06.1982 – VI ZR 255/80] für den Vorwurf des Betruges), sondern unterliegen lediglich der Kategorie der Richtigkeit.“ Laumen, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, § 284 Rn. 9.

208 Wir halten die Auffassung, Prognosen seien Tatsachen für falsch. Die Unternehmensplanung, insbesondere die Kernaussage der Planung, ist kein „Geschehnis“. Die Planung bildet als Modell die Zukunft ab, die definitionsgemäß noch nicht geschehen ist. Sie ist, weil in der Zukunft liegend, auch kein Zustand. Folglich kann sie keine Tatsache sein. Im Zusammenhang mit Prognosen können nach unserer Auffassung nur in dreierlei Hinsicht Tatsachen angenommen werden: (1) In dem Sinne, dass die Prognose überhaupt angestellt wurde und (2) darüber hinaus auch die Annahmen, die der Prognose zugrunde liegen, sowie (3) die Art und Weise, mit der die Prognose erstellt wurde. Spindler, AG 2006, 677, 679 f., 685.

209 Auch Greger, in: Zöller, ZPO, Vor § 284 Rn. 24b,

geht davon aus, dass sich die Ermittlungspflicht des Gerichts bei Prognosen auf die notwendige Überzeugung von Umständen erstreckt, aufgrund derer auf das tatbestandsrelevante Ereignis geschlossen werden kann. Das Ergebnis der Prognose, also die Aussage an sich, ist hingegen keine Tatsache, a. A. aber Prütting, in: MünchKomm-ZPO, § 284 Rn. 41,

der angenommene zukünftige Ereignisse (Prognose) als Tatsache ansieht, und wohl auch Kuhner, Wpg 2007, 825, 826,

der die Wertermittlung und damit inzident die Planung als Tatsachenfrage ansieht. Allerdings liegen der Planung auch Annahmen zugrunde, die selbst wiederum keine Tatsachen sind, z. B. ein FERI-Branchen-Rating oder die Annahme über eine Dollar-Kurs-Entwicklung. Sollte sich der Planer derartige Informationen zu eigen machen, muss er sich dessen bewusst sein, dass z. B. auch die FERI Branchenentwicklung eine Prognose ist ebenso wie die Annahme über eine Dollarkursschwankung. Es ist also bei der Unternehmensplanung zu unterscheiden, ob die zugrunde liegenden Annahmen Tatsachen (z. B. ein vertraglich vereinbarter Kredit mit Rückzahlungsvereinbarung) sind oder Prognosen. Im Fall der Tatsachen teilen wir die Auffassung von Groß/Amen, Wpg 2002, 225; 2002, 433; 2003, 67; FK-InsO/Schmerbach, § 19 Rn. 34; zuletzt Groß, KSI 2012, 241 mit Erwiderung von Gleißner, KSI 2013, 172 ff.,

wonach nicht auf eine statistische Hypothesenwahrscheinlichkeit abzustellen ist. Vielmehr ist hier der Ansatz von Groß/Amen überzeugend, wonach sich das Gericht eine Überzeugung i. S. e. Vollbeweises nach § 286 ZPO über die zugrunde liegenden Tatsachen verschaffen muss. Für die weiteren Annahmen,

58

IV. Unternehmensplanung als Tatsache i. S. d. § 286 ZPO und Gewissheit i. S. d. ZPO?

die prognostischen Charakter haben, halten wir hingegen die Auffassung von Drukarczyk/Schüler, Wpg 2003, 56; dies., in: KS-InsO, S. 95 ff.; siehe auch Gleißner, KSI 2013, 172 ff.,

für überzeugend. Wie bereits dem Begriff Prognose innewohnend, handelt es sich um eine Vorhersage oder Voraussage über Ereignisse, Zustände oder Entwicklungen in der Zukunft. Anders als z. B. Prophezeiungen unterscheiden sich Prognosen durch ihre Wissenschaftsorientierung. Wikipedia „Prognose“, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Prognose (Abruf am 6.11.2013).

Damit ist sichergestellt, dass die Prognosen intersubjektiv auf Plausibilität 210 nachprüfbar sind, was regelmäßig für derartige Fälle von der Rechtsprechung verlangt wird. Bei der Aussage der Prognose wird zwischen einer nominalen, einer ordinalen und einer kardinalen Prognose unterschieden. Vgl. Wild, Grundlagen der Unternehmensplanung, S. 98.

Nominal meint in diesem Zusammenhang, dass sich unterschiedliche Szenarien 211 ausschließen („Das Worst-Case-Szenario schließt das Best-Case-Szenario aus“ und umgekehrt). Unter einer ordinalen Messung versteht man die Bildung einer Reihenfolge ohne die Abstände der Szenarien zu bestimmen („Deutschland ist Fußballweltmeister 2014“ – wie groß der Abstand zu Argentinien war, ist nicht definiert). Die kardinale Messung aber legt die Unterschiede zwischen den Szenarien zahlenmäßig fest („Usain Bolt gewinnt mit 9,58 Sekunden vor Tyson Gay in 9,71 Sekunden“). Prognosen im juristischen Umfeld benötigen aber einen „Fall“. Jeder Prognose, mag sie auch aus noch so vielen Szenarien zusammengesetzt sein, braucht zum Schluss einen Fall, ein Szenario, welches der rechtlichen Überprüfung zugeführt wird. Aus der Vielzahl der Informationen und der Szenarien ist also ein relevantes Prognoseergebnis zu bilden. Das heißt, die nominale Prognose kann juristisch nicht ausreichen. Daher stellt sich die Frage, ob eine ordinale Prognose anzustellen ist. So wohl Groß/Amen, Wpg 2002, 225; 2002, 433; 2003, 67; FK-InsO/Schmerbach, § 19 Rn. 34; zuletzt Groß, KSI 2012, 241.

Allerdings drückt die ordinale Prognose nicht das Gesamtergebnis bzw. die Ge- 212 samtwahrscheinlichkeit aus, sondern legt nur fest, welche Prognose die höchste Einzeleintrittswahrscheinlichkeit besitzt. Klarstellend ist aber anzumerken, dass eine Prognose immer an einen Punkt kommt, an welchem Elemente nicht mehr in ihrer Ungewissheit objektiviert quantifiziert abgebildet werden können. Wild, Grundlagen der Unternehmensplanung, S. 98 f.

Dieser Punkt ist aber schon bei der ordinalen Prognose erreicht. So könnten 213 z. B. zehn Szenarien vorliegen, bei denen neun Szenarien 8,3 % Eintrittswahrscheinlichkeit und eines 16,7 % aufzeigen würden. Wenn die 8,3-Prozentigen ein negative Ergebnis aufwiesen und nur das 16,7 %ige Szenario positiv wäre,

59

F. Projektmanagement

so würde dieses Szenario im ordinalen System den Verzug erhalten; sprich: 16,7 % würden die 83,3 %ige negative Prognose übertreffen. Vgl. hierzu auch Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297.

214 Eine solche Rangfolge im ordinalen System würde aber das Gesamt-ChancenRisikoverhältnis nicht richtig interpretieren und zu falschen Schlussfolgerungen führen. 215 Natürlich bestünde die Möglichkeit, die Szenarien so lange auszudünnen, bis die Aussage der verbleibenden Szenarien im ordinalen System ein brauchbares Maß erzeugt. Sofern man allerdings mit der allgemeinen Praxis die Planung auf 8 – 12 Werttreiber reduziert und diese jeweils mit den üblichen drei Szenarien plant, resultieren hieraus bei der Annahme von 10 Werttreibern alleine 310 Szenarien, also ungefähr 59.000 Szenarien. Hier ist aber zu beachten, dass gerade die Szenarienbildung an sich keinen geeigneten und nachprüfbaren Prozessen folgt, Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2298 f.,

sodass sowohl die Bildung wie die Reduktion der Szenarien entweder auf rein subjektiven Kriterien oder sogar willkürlich erfolgt. Gleißner bringt dies auf den Punkt: beim wertenden Gesamturteil gibt es kein „sicher sanierungsfähig“ oder sicher nicht sanierungsfähig“. „…die Realität liegt irgendwo in der Mitte und genau dies drückt eine Sanierungserfolgswahrscheinlichkeit aus.“ Es bedarf also trotz der Grenzen der Aufklärungsmöglichkeit einer Prognose der Beurteilung des Gesamtrisikoumfangs. Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, S. 159, 174 ff.

216 Da in Krise oder Insolvenz letztlich alle Entscheidungen an dem Ausschluss der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit hängen, muss also der Gesamtrisikoumfang auf Liquiditäts- oder Cashflow-Ebene sachgerecht abgeschätzt werden. Letztlich müsste u. E. das Gericht analog § 287 ZPO unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen eine bestehende Prognose auf Plausibilität untersuchen oder, sofern keine Prognose existiert, das Prognoseergebnis schätzen. OLG Stuttgart, Urt. v. 17.10.2011 (Tz. 178 ff.) – 20 W 7/11, DATEV LX 1575383.

217 Allerdings darf nach dem BVerfG das Gericht nicht eine auf zutreffender Tatsachengrundlage beruhende, vertretbare Prognose durch eine andere – ebenfalls notwendigerweise nur vertretbare – Prognose ersetzen. BVerfG, Beschl. v. 24.5.2012 – 1 BvR 3221/10, ZIP 2012, 1656 („Daimler/Chrysler“).

218 Entscheidend ist und bleibt damit die subjektive aber plausible Prognose der Organe. Diese ist keine Tatsache i. S. d. ZPO.

60

IV. Unternehmensplanung als Tatsache i. S. d. § 286 ZPO und Gewissheit i. S. d. ZPO?

2. Gewissheit i. S. d. § 286 ZPO Zunächst gilt der allgemeine zivilrechtliche Grundsatz zur freien Beweiswür- 219 digung. „Der Revision ist zuzugeben, daß ein Gericht keine „unerfüllbaren Beweisanforderungen“ stellen darf (BGHZ 7, 116; BVerwG 7, 248), und daß es keine unumstößliche Gewißheit bei der Prüfung verlangen darf, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist. Irrig ist jedoch der Vortrag, der Zivilprozeßrichter dürfe sich in Fällen dieser Art mit einer bloßen Wahrscheinlichkeit begnügen. Denn nach § 286 ZPO muß der Richter aufgrund der Beweisaufnahme entscheiden, ob er eine Behauptung für wahr oder nicht für wahr hält, er darf sich also gerade nicht mit einer bloßen Wahrscheinlichkeit beruhigen. Im übrigen stellt § 286 ZPO nur darauf ab, ob der Richter selbst die Überzeugung von der Wahrheit einer Behauptung gewonnen hat. Diese persönliche Gewißheit ist für die Entscheidung notwendig, und allein der Tatrichter hat ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Eine von allen Zweifeln freie Überzeugung setzt das Gesetz dabei nicht voraus. Auf diese eigene Überzeugung des entscheidenden Richters kommt es an, auch wenn andere zweifeln oder eine andere Auffassung erlangt haben würden. Der Richter darf und muß sich aber in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewißheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Das wird allerdings vielfach ungenau so ausgedrückt, daß das Gericht sich mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit begnügen dürfe; das ist falsch, falls damit von der Erlangung einer eigenen Überzeugung des Richters von der Wahrheit abgesehen werden sollte (vgl. BGH DRiZ 1967, 239 und 1969, 53).“ BGH, Urt. v. 17.2.1970 – III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 255.

Maßgebend ist also die subjektive Überzeugung des entscheidenden Richters. 220 Diese richterliche Überzeugung darf nicht mit der rein persönlichen Gewissheit gleichgesetzt werden. Laumen, in Prütting/Gehrlein, ZPO, § 284 Rn. 4.

An diesen Kriterien muss sich auch die Plausibilitätsprüfung orientieren. Dabei 221 können die Bestandteile der Planung einem Vollbeweis unterzogen werden, die Tatsache i. S. d. §§ 284, 286 ZPO sind. Sodann stellt sich die Frage, was sich überhaupt hinter der Begrifflichkeit 222 Plausibilitätsbeurteilung versteckt. „Die Plausibilitätskontrolle, auch Plausibilitätsprüfung oder Plausibilisierung, ist eine Methode, in deren Rahmen ein Wert oder allgemein ein Ergebnis überschlagsmäßig daraufhin überprüft wird, ob es überhaupt plausibel, also annehmbar, einleuchtend und nachvollziehbar sein kann oder nicht. Es kann nicht immer die Richtigkeit des Wertes oder Ergebnisses verifiziert werden, sondern es soll eine ggf. vorhandene offensichtliche Unrichtigkeit erkannt werden. Ein Vorteil der Plausibilitätskontrolle ist, dass sie mit lediglich geringem Aufwand durchgeführt werden kann, ein Nachteil ist, dass weniger offensichtliche Unrichtigkeiten in ihrem Rahmen nicht erkannt werden“. „Die Wörter Plausibilität und plausibel werden verwendet, um eine Aussage über die richtige Größenordnung von gemessenen oder berechneten Werten zu machen. Dazu schätzt man einen Wert grob ab und überprüft, ob der gemessene

61

F. Projektmanagement Wert mit dem Schätzwert übereinstimmt. So ist zum Beispiel diese Aussage üblich: Das klingt plausibel!“. Wikipedia „Plausibilitätskontrolle“, siehe https://de.wikipedia.org/ wiki/Plausibilitätskontrolle (Abruf am 19.7.2015).

223 Die BStBK hat dies für die Plausibilitätskontrolle von Jahresabschlüssen wie folgt ausgedrückt: „Ein Auftrag zur Erstellung eines Jahresabschlusses mit Plausibilitätsbeurteilungen ist dadurch gekennzeichnet, dass der Steuerberater neben der eigentlichen Erstellungstätigkeit die ihm vorgelegten Belege, Bücher und Bestandsnachweise durch Befragungen und analytische Beurteilungen auf ihre Plausibilität hin beurteilt, um mit einer gewissen Sicherheit auszuschließen, dass diese nicht ordnungsgemäß sind.“ Verlautbarung der Bundessteuerberaterkammer zu den Grundsätzen für die Erstellung von Jahresabschlüssen (3.1.1), Berufsrechtliches Handbuch – Berufsfachlicher Teil Tz. 11 (entspricht inhaltlich IDW S 7).

224 Übertragen auf die Unternehmensplanung in Krise und Insolvenz stellt sich also für das Gericht die Aufgabenstellung, durch (Zeugen-) Befragungen und durch analytische Prüfungshandlungen mit einer gewissen Sicherheit auszuschließen, dass die Planung bzw. Prognose nicht ordnungsgemäß ist. Dabei kann sich das Gericht im Rahmen der analytischen Prüfungshandlungen eines Sachverständigen bedienen. 225 Wann nach betriebswirtschaftlichen Kriterien ein solcher Grad von Gewissheit hinsichtlich der Prognoseaussage vorliegt, haben wir weiter unten (siehe Rn. 719) behandelt. V. Person des Planungserstellers 226 In der Krise sind die Handlungen des Managements besonders bedeutsam, kann doch jeder Fehler u. U. sofort das „Aus“ für das Unternehmen bedeuten. Die Krise macht die Nutzung von Expertenwissen aufgrund folgender Umstände zwingend erforderlich (gemäß IDW WP HB Band II 2014, L Rn. 16): x

Die Probleme sind komplizierter und vielschichtiger als bei den üblichen Analysen.

x

Die Unterlagen sind vielfach unvollständig und unzuverlässig.

x

Die Arbeiten stehen unter besonderem Zeitdruck.

x

Die Betroffenen sind in erhöhtem Maße befangen.

227 Vor diesem Hintergrund gibt es drei Hauptgründe für die Inanspruchnahme von Beratern (gemäß IDW WP HB Band II 2014, L Tz. 13): x

Bedarf an zusätzlichen Ressourcen

x

Bedarf an Expertenwissen

x

Bedarf an Objektivität

62

V. Person des Planungserstellers

In der Regel kommt das Management an der Einschaltung von Experten 228 nicht vorbei, will es ein persönliches Haftungsrisiko zumindest minimieren. So geht auch das IDW (IDW WP HB Band II 2014, L Tz. 22) davon aus, dass es sich um eine wesentliche Berateraufgabe handelt: „Wirtschaftsprüfer werden häufig von Gesellschaftern, Banken und anderen Interessenten mit der Begutachtung eines Sanierungskonzepts beauftragt. Die Auftraggeber solcher Gutachten wollen vom neutralen Sachverständigen eine klare und nachvollziehbare Aussage darüber, ob bei Befolgung der Vorschläge im Sanierungskonzept eine wirtschaftliche Gesundung des Krisenunternehmens zu erwarten ist. Insbesondere ist für die rechtlich unbedenkliche Vergabe von Sanierungskrediten neben einem Sanierungskonzept auch die sorgfältige Prüfung der Erfolgsaussichten, mithin eine positive Fortbestehensprognose, erforderlich.“

Davon geht auch die Rechtsprechung im Rahmen der Überprüfung der Insol- 229 venzgründe aus. BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265, Leitsatz 2: „Ein organschaftlicher Vertreter einer Gesellschaft verletzt seine Insolvenzantragspflicht nicht schuldhaft, wenn er bei fehlender eigener Sachkunde zur Klärung des Bestehens der Insolvenzreife der Gesellschaft den Rat eines unabhängigen, fachlich qualifizierten Berufsträgers einholt, diesen über sämtliche für die Beurteilung erheblichen Umstände ordnungsgemäß informiert und nach eigener Plausibilitätskontrolle der ihm daraufhin erteilten Antwort dem Rat folgt und von der Stellung eines Insolvenzantrags absieht.“

Aus den Gründen:

230

„Dabei muss sich der organschaftliche Vertreter, sollte er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügen, ggf. extern beraten lassen (BGHZ 126, 181 = ZIP 1994, 1103, 199, dort zur Prüfung der positiven Fortführungsprognose; OLG Düsseldorf NZG 1999, 944, 946 zur Feststellung der Überschuldung; Hefermehl/Spindler aaO; Mertens in Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. § 93 Rn. 99; Hopt in Großkomm.z.AktG, 4. Aufl. § 73 Rn. 255 m. w. N.; Wiesner in MünchHdb.d.GesR, Bd. 4 2. Aufl. § 26 Rn. 7 m. w. N.). Dafür reicht selbstverständlich eine schlichte Anfrage bei einer von dem organschaftlichen Vertreter für fachkundig gehaltenen Person nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass sich das Vertretungsorgan unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt.“

Aus der Formulierung „fachlich qualifizierter“ Berufsträger ist messerscharf zu 231 schließen, dass der BGH die Einschaltung eines „einfachen“ Berufsträger für nicht ausreichend erachtet. A. A. Roedel & Partner – Reckhardt, Finanzplanung in der Krise, 1 ff.; DATEV LX 0408182.

Die Anforderungen an die Prüfung der Insolvenzgründe sind derart hoch ge- 232 setzt, dass nur in den Fällen ein externer Rat entbehrlich erscheint, in denen Sanierungs- bzw. Insolvenzexperten in die Geschäftsführungsämter berufen sind. Dasselbe gilt für die Erstellung von Planungsrechnungen in der Krise.

63

F. Projektmanagement

233 Auch für die Eigenverwaltung ist anerkannt, dass die Bewältigung der Aufgabenstellungen insolvenzrechtliche Experten erfordert. „Gerade die Komplexität der insolvenzrechtlichen Aufgabenstellungen – insbesondere im Rahmen einer Betriebsfortführung – macht die Hinzuziehung insolvenzrechtlicher Experten i. d. R. unabdingbar, da kaum ein Schuldner bzw. eines seiner Leitungsorgane von sich aus über die erforderlichen Kenntnisse verfügen dürfte. Das Fehlen solcher Kenntnisse (in Form von beauftragten Beratern oder durch einen entsprechend qualifizierten CRO wird inzwischen selbst von den Gerichten eher als Umstand gewertet, der die Anordnung der Eigenverwaltung ausschließt“. HambKomm-InsO/Fiebig, § 270 Rn. 22.

234 Dies bedingt natürlich für den Unternehmensplaner in der Krise, dass er eben jenes Spezialwissen und die erforderliche Erfahrung gewährleisten und dokumentieren muss. 235 Diese Entwicklung hat durch das ESUG auch Niederschlag im Gesetz gefunden. So dürfen Bescheinigungen über die Insolvenzgründe und den Nachweis, dass eine Sanierung nicht offensichtlich ausgeschlossen ist, gemäß § 270b InsO nur von einem „in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt oder einer sonstigen vergleichbaren Person mit vergleichbarer Qualifikation“ erteilt werden. Unternehmensplanungen in der Krise werden also nur anzuerkennen sein, wenn sie von einem in Insolvenzangelegenheiten erfahrenen Berufsträger erstellt wurden. 236 Ausgeschlossen als Planungsersteller ist der prüfende Wirtschaftsprüfer. Bei prüfungspflichtigen Mandaten kann der Abschlussprüfer nämlich nicht Ersteller der Fortbestehensprognose sein: „Ob im Falle einer parallelen Befassung als Abschlussprüfer ein die Unabhängigkeit gefährdender Ausschlussgrund besteht, ist im Einzelfall anhand der einschlägigen Vorschriften pflichtgemäß zu prüfen. Die Erstellung eines Sanierungskonzeptes oder von Teilen eines solchen Konzeptes – insb. der Planung – ist mit der Tätigkeit als Abschlussprüfer unvereinbar, da der Abschlussprüfer die Voraussetzung der Unternehmensfortführung (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) zu beurteilen hat und dabei nicht eine von ihm selbst erstellte Unterlage zum Gegenstand der Prüfung machen darf. Die Beurteilung eines Sanierungskonzeptes führt dagegen grundsätzlich nicht zu einem Ausschluss als Abschlussprüfer.“ IDW S 6 Tz. 26.

237 Wichtig ist aber auch die Berücksichtigung der Bankenperspektive. Ein noch so elegantes Gutachten ist dann Schall und Rauch, wenn es von den Banken nicht akzeptiert wird und diese in der Konsequenz die Gefolgschaft verweigern. Die Banken lehnen aber i. d. R. den bislang tätigen Berater für die Erstellung von Sanierungsgutachten und/oder Fortbestehensprognosen ab: Nach zumindest teilweise vertretener Auffassung kann nicht der für das Unternehmen tätige Steuerberater oder Unternehmensberater die Fortbestehensprognose erstellen. Dieser kommt regelmäßig nicht als Sanierungsfachmann infrage. Dagegen soll schon die mangelnde Objektivität aufgrund des Umstands sprechen, dass dieser Berater zuvor bereits in der Sache befasst war. Ausnahmsweise aber 64

V. Person des Planungserstellers

soll der beratende Steuerberater oder Unternehmensberater die Fortbestehensprognose erstellen können, wenn er anlässlich der Krise als ausgewiesener Experte konsultiert wurde und erst dann das Gespräch mit der Bank sucht. Vgl. Theewen, MaRisk-Handbuch Sanierung, S. 75.

Aus diesem Grund sollte der Berater dringend seine Beauftragung im Vorfeld 238 mit den Banken abklären. Es empfiehlt sich daher, Informationsschreiben an die Kreditinstitute zu versenden, in denen über folgende Dinge informiert wird: x

Auftragsdefinition

x

Handelnde Personen

x

Fachliche Qualifikation der handelnden Personen

x

Erfahrung der handelnden Personen

x

Voraussichtliche Dauer der Gutachtenerstellung

Dabei ist um eine Rückäußerung zu bitten, ob gegen die Einschaltung des 239 Beraters Bedenken bestehen.

65

G. Auftrag und Honorarvereinbarung Wie bereits oben ausgeführt, ist für die Unternehmensplanung in der Krise 240 i. d. R. eine Beauftragung eines externen Beraters erforderlich. Dieser muss „Experte“ sein und darüber hinaus in sehr kurzer Zeit seine Einschätzung abgeben zu können. Er benötigt in seiner Kanzlei die erforderlichen Ressourcen. Zu Beginn des Auftragsverhältnisses sind folgende Punkte zwingend zu klären: 241 x

Genauer Auftragsinhalt und Abgrenzung der Verantwortlichkeiten Es kann sich empfehlen insbesondere auch zu regeln, für was der Berater nicht zuständig ist (Negativabgrenzung) und wer dies an Stelle des Beraters zu erledigen hat.

x

Honorarvereinbarung und Zahlungsmodalitäten

x

Ggf. gesonderte Haftungsvereinbarung, insbesondere Einbeziehung von AGB

I. Auftragsinhalt und Verantwortlichkeiten Das akute Krisenstadium prägt zusammen mit den Problemen der bereits 242 durchlaufenen Krisenstadien maßgeblich die Festlegung des Auftragsinhalts. Zugleich erwachsen im Verlauf der Aufarbeitung dieser Stadien unterschiedliche Erwartungen an die Verantwortlichkeit des Erstellers von Konzepten zur Krisenbewältigung. Dient das Konzept bei akuter Insolvenznähe der Entscheidungsfindung von 243 Kapitalgebern (Gesellschafter, Kreditgeber, andere Gläubiger) und soll eine akute Insolvenznähe beseitigt werden, kann sich daraus eine Haftungsausweitung über den eigentlichen Auftraggeber hinaus ergeben (Dritthaftung). BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11; BGHZ 193, 297 = ZIP 2012, 1353, dazu EWiR 2012, 509 (Westermann) (Einbeziehung des Geschäftsführers in den Schutzbereich des Steuerberatungsvertrages mit der GmbH.) Wichtig: Daher muss bereits bei der Festlegung des Auftragsgegenstandes sowohl für das beauftragende Unternehmen als auch für die Kapitalgeber und andere Dritte erkennbar werden, welche Aufgaben der Ersteller übernimmt und welchem Zweck das Arbeitsergebnis dienen soll.

Bei Vereinbarung der Auftragsbedingungen sollte der Ersteller festlegen,

244

x

unter welchen Voraussetzungen er mit einer Überlassung seines Arbeitsergebnisses an Dritte einverstanden ist und

x

welche Haftung dann gegenüber den Dritten gelten soll. Dies gilt in besondere dann, wenn der Ersteller seinen Mandanten zu Gesprächen mit Dritten über die Lage des Unternehmens, die erforderlichen Sanierungs67

G. Auftrag und Honorarvereinbarung

maßnahmen und deren Erfolgsaussichten begleitet. In diesem Fall sind ggf. ergänzende Vereinbarungen zu treffen. Praxistipp: Selbst wenn der Planungsersteller die Ergebnisse Dritter ungeprüft übernehmen darf, sollte er die eingehenden Unterlagen und Informationen auf Schlüssigkeit (nicht Plausibilität) überprüfen. Er sollte ferner abschätzen, ob die Person des Informationsgebers geeignet ist, die Information zu erteilen. Auf die ungeprüfte Übernahme hat der Planungsersteller in seinem Planungsbericht und in der Bescheinigung hinzuweisen, BGH, Urt. v. 10.11.1994, III ZR 50/94; BGHZ 127, 378 = ZIP 1994, 1954 (sog. Dachstuhlurteil): „Der Sachverständige darf Informationen des Auftraggebers auch dann bei der Erstellung seines Gutachtens berücksichtigen – und wird dies vielfach auch tun müssen –, wenn er deren Wahrheitsgehalt nicht nachprüfen kann. Er muss dann aber diesen Umstand in seinem Gutachten kenntlich machen (vgl. auch BGH, Urt. v. 2.11.1983, NJW 1984, 356). Tut er dies, so gibt er damit regelmäßig zu erkennen, dass er für die Richtigkeit der Angaben seines Auftraggebers nicht einstehen will.“ Andernfalls droht eine Dritthaftung, insbesondere, wenn der Berater auf Hinweis oder Anregung der Hausbank beauftragt wurde. Allerdings kann diese Dritthaftung vertraglich ausgeschlossen werden, BGH, Urt. v. 2.4.1998 – III ZR 245/96, DStR 1998, 823. Hiernach ist es allein Sache der Vertragsparteien zu bestimmen, gegenüber welchen Personen eine Schutzpflicht begründet werden soll. Denn nach dem BGH, Beschl. v. 30.10.2008 – III ZR 307/07, DStR 2009, 497 muss für die Haftung des Beauftragten gegenüber Dritten klar sein, dass von ihm gerade im Drittinteresse eine Leistung verlangt wird.

245 Vor rechtsverbindlicher Vereinbarung eines Auftrags wird sich der Ersteller im Rahmen einer ersten Abschätzung mit Unterstützung durch die Unternehmensleitung ein Bild von der Unternehmenslage und den erforderlichen Aufgaben machen. Dazu hat der Ersteller insbesondere das Krisenstadium festzustellen, um daraus einen ersten Überblick über die notwendigen Maßnahmen zur Krisenüberwindung zu gewinnen. Wichtig: Folgende Punkte sollten in einem Auftrag fest vereinbart werden: x Genauer Auftragsinhalt und Umfang x Unbeschränkter Zugang zu Geschäftsunterlagen x Umfassendes Auskunftsrecht gegenüber der Gesellschaft x Ggf. können die Mitwirkungspflichten des Auftraggebers vereinbart werden. x Vertraglich vereinbarter Anspruch auf eine Vollständigkeitserklärung x Vereinbarung, dass das Konzept nur als Ganzes, ggf. nach vorherigem schriftlichem Einverständnis herausgegeben werden darf.

246 Sofern von dem Konzept auch Entscheidungen Dritter, insbesondere Banken, abhängen, sind der Auftragsinhalt und die Akzeptanz auch mit diesen abzustimmen. Verlangt die Bank z. B. ein Vollkonzept nach IDW S 6 und wird dieses nicht vollumfänglich abgearbeitet, hat dies für den Mandanten fatale Folgen. Im Ergebnis steht die Ablehnung der Bank schon von vornherein fest. 68

II. Aufgabendefinition

Ferner sollte die Funktion des Beraters definiert werden, siehe Rn. 129 ff.

247

Praxistipp: Die Erstellung eines Sanierungskonzepts oder von Teilen eines solchen Konzepts – insbesondere der Planung – ist mit der Tätigkeit als Abschlussprüfer unvereinbar, da der Abschlussprüfer die Voraussetzung der Unternehmensfortführung (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) zu beurteilen hat und dabei nicht eine von ihm selbst erstellte Unterlage zum Gegenstand der Prüfung machen darf. Die Beurteilung eines Sanierungskonzepts führt dagegen grundsätzlich nicht zu einem Ausschluss als Abschlussprüfer. Gleiches wird für den mit der „Abschlussprüfung“ (umfassende Beurteilung) befassten Steuerberater gelten.

II. Aufgabendefinition Die Aufgaben können differenziert ausgestaltet sein. So können lediglich die 248 Annahmen der Geschäftsleitung in eine Unternehmensplanung überführt werden, eine Fortbestehensprognose nach § 19 Abs. 2 InsO erstellt werden oder ein umfassendes Sanierungsgutachten erstellt werden. „Bei der Beauftragung ist deutlich zu kennzeichnen, ob es sich um ein umfassendes Sanierungskonzept i. S. dieses IDW Standards handelt oder ob nur Teilbereiche eines solchen Konzepts Gegenstand der Aufgabenstellung sind, wie z. B. die Erstellung einer Liquiditätsplanung zum Zwecke einer Fortbestehensprognose oder einer weitergehenden Fortführungsprognose nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB auf Grundlage einer integrierten Planung“. IDW S 6 Tz. 4.

Da die Anforderungen des IDW deutlich über die Anforderungen des BGH 249 hinausgehen, vgl. Ganter, NZI 2014, 673 ff.,

ist es ratsam, sich auf die Anforderungen des BGH zurückzuziehen und diese Form der Beauftragung mit dem Mandanten und den wesentlichen Stakeholdern vorab zu besprechen. Der BGH stellt an „Sanierungskonzepte“ bzw. an die „Überlebensprognose“ folgende Anforderungen: Ein Sanierungskonzept ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung beacht- 250 lich, wenn es den Fortführungswillen des Schuldners bzw. seiner Organe erkennen lässt, ein in sich schlüssiges Konzept ist, das die Bereinigung sämtlicher Verbindlichkeiten des Schuldners, und seine dauerhafte wirtschaftliche Stabilisierung in überschaubarer Zeit zum Ziel hat, das von den erkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht, sich insbesondere auf konkret benennbare, nachvollziehbare Umstände stützt, die wirtschaftliche Lage des Schuldners im Rahmen seiner Wirtschaftsbranche analysiert und die Krisenursachen sowie die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage erfasst, das nicht offensichtlich undurchführbar ist und auf der Seite des Schuldners im maßgeblichen Zeitpunkt ernsthafte und begründete Aussichten auf Erfolg rechtfertigt, das von einem unvoreingenommenen, branchenkundigen Fachmann stammt, dem die vorgeschriebenen oder üblichen Buchhaltungsunterlagen zeitnah vorliegen und das jedenfalls in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt ist. 69

G. Auftrag und Honorarvereinbarung BGH, Urt. v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248; BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 52/10, ZIP 2013, 894; BGH, Urt. v. 21.11.2005 – II ZR 277/03, ZIP 2006, 279; Ganter, NZI 2014, 673, 678.

251 Die Planungserstellung kann zusammen mit anderen Beratern arbeitsteilig erfolgen. Dies führt letztlich dazu, dass selbst dann noch Berater teilweise tätig werden können, wenn die Bank eine Fortbestehensprognose oder ein Sanierungsgutachten von ihnen ablehnt. Dies ist insbesondere auch bei langjährigen Beratern sinnvoll, haben diese doch umfangreiches Detailwissen. Der externe Berater wird dieses Detailwissen mit einer „kritischen Distanz“ würdigen und in seine Beurteilung einfließen lassen. Bei arbeitsteiliger Vorgehensweise ist aber zu klären, ob und wie dies im Außenverhältnis dargestellt wird. 252 Analog dem IDW Standard PS 322 müssen Sie sich bei Verwertung der Arbeit eines Sachverständigen über folgende Umstände ein eigenes Bild machen: x

Beurteilung der beruflichen Qualifikation und fachlichen Kompetenz

x

Beurteilung von Art und Umfang der Tätigkeit

x

Beurteilung der Arbeitsergebnisse „Im Prüfungsbericht sind Ausführungen zur Verwertung und Einschätzung von Arbeiten Sachverständiger zu machen, die für die Beurteilung des Abschlussprüfers wesentlich waren. Die Ausführungen müssen deutlich machen, inwieweit sich die Beurteilungen des Abschlussprüfers auf die Arbeit von Sachverständigen stützen und wie der Abschlussprüfer diese Arbeit einschätzt“. IDW PS 322 Tz. 23.

253 Nicht nur deshalb, sondern auch wegen § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO (Bescheinigung im Schutzschirmverfahren) empfiehlt es sich, auf die Qualifikationen und die Erfahrung des Beraters hinzuweisen, es sei denn, dieser ist bei den wesentlichen Stakeholdern persönlich bekannt. III. Honorarvereinbarung und Zahlungsmodalitäten 254 Zuerst stellt sich die Frage nach der Angemessenheit eines Honorars für die Planungsleistung. Ein Anhaltspunkt für das Honorar kann die Prüfungsgebühr von Banken für strukturierte Finanzierungen sein. Hier werden üblicherweise zwischen 0,5 und 1,5 % der Transaktionssumme als Prüfungsgebühr berechnet. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die meisten Unternehmensberater auf Stunden- bzw. Tagesbasis tätig werden. Vgl. http://www.bdu.de/wie-wir-sie-unterstuetzen/wie-wirunternehmen-unterstuetzen/honorare/ (Abruf am 19.10.2015).

255 Sofern ein Insolvenzverwalter ein insolventes Unternehmen plant, stellt sich die Frage, ob er für die Einrichtung einer Unternehmensplanung Zuschläge zur Verwaltervergütung beantragen kann. Dabei hat das LG Heilbronn im Beschluss vom 21.12.2010, LG Heilbronn, Beschl. v. 21.12.2010 – 1 T 593/10 Bm, 1 T 593/10, ZInsO 2011, 352,

70

III. Honorarvereinbarung und Zahlungsmodalitäten

entschieden, dass die Liquiditätsplanung für sich keine Zuschläge rechtfertigt. Sie hängt zwingend mit der Betriebsfortführung zusammen und ist als solche im Zuschlag für die Betriebsfortführung enthalten. Wir gehen aber davon aus, dass damit nur die kurzfristige Liquiditätsplanung gemeint sein kann, die die Haftung des Insolvenzverwalters nach § 61 InsO ausschließen soll. Wenn darüber hinaus eine mittelfristige Planung erstellt wird, in die Sanierungsmaßnahmen hinein modelliert werden und die zukünftige Bilanz-, Ertrags- und Finanzlage abgebildet wird, so ist dies eine Tätigkeit, die weit über die Regeltätigkeit des Insolvenzverwalters hinausgeht. Sie muss daher unseres Erachtens gesondert zuschlagsfähig sein, zumal dafür ein besonderes Expertenwissen und eine besondere EDV-Ausstattung erforderlich ist. Im Bereich der Krisen- und Sanierungsberatung gehört die rechtssichere Ho- 256 norarvereinnahmung zum Handwerkszeug eines jeden Beraters. Hierbei hat der Berater darauf zu achten, dass diese vor einer möglichen Insolvenzanfechtung geschützt sind. Da der Steuerberater, der die Bücher führt, jedenfalls nach einer gewissen 257 Zeit des Vorliegens der Zahlungsunfähigkeit die Umstände kennt, die auf die Zahlungsunfähigkeit seines Mandanten schließen, ist bei ihm in den meisten Fällen von einer Kenntnis i. S. d. § 130 InsO auszugehen. Vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 205/11, ZIP 2012, 2449.

Aufgrund des weitreichend prognostischen Charakters der drohenden Zah- 258 lungsunfähigkeit geht unseres Erachtens diese Rechtsprechung zu weit. Zumindest muss noch die erwartete Kenntnis über die weitere zu erwartende Entwicklung des Schuldners beim Steuerberater hinzukommen. Grundsätzlich aber hat die Rechtsprechung des BGH zur Folge, dass der Steuerberater beim Empfang der Geldleistung von seinem Mandanten bösgläubig ist und damit eine anfechtbare Rechtshandlung vorliegt. Eine weitere wichtige Entscheidung für den beratenden Berufsstand hat das 259 AG Hannover mit Urteil vom 12.12.2001, AG Hannover, Urt. v. 12.12.2001 – 520 C 11608/01, ZInsO 2002, 89,

betreffend die Anfechtung von Honorarleistungen in der Krise gefällt: Berät ein Berater einen Schuldner zur Abwendung der Insolvenz bis wenige Tage vor Insolvenzantragsstellung und nimmt er sodann nach Stellung des Insolvenzantrags einen Betrag zur Befriedigung einer Vorschussrechnung entgegen, so ist diese Handlung anfechtbar. Der Berater muss sich hierbei die Kenntnis des Insolvenzantrags eines Sozius gemäß § 166 BGB zurechnen lassen. Ein unanfechtbares Bargeschäft kommt nicht in Betracht, weil wegen der Kenntnis des Insolvenzantrags die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO ebenfalls gegeben sind. Nach der Entscheidung des BGH vom 10. Januar 2013,

260

BGH, Urt. v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174 ff. („Göttinger Gruppe“),

71

G. Auftrag und Honorarvereinbarung

kann der Berater gegenüber der Anfechtung nur dann sicher sein, wenn von ernsthaften Sanierungsbemühungen ausgegangen werden kann. Dazu muss zu der Zeit der angefochtenen Handlung ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorliegen, das mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt worden ist und beim Schuldner die ernsthaft begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt. 261 Im Übrigen ist auf die Ausführungen von Rendels/Zabel, Insolvenzplan, Rn. 85 ff.,

hinzuweisen: Der Planer ist gut beraten, vor Aufnahme seiner Tätigkeit einen Vorschuss zu verlangen. Nachdem der Mandant Insolvenzantrag gestellt hat, kann er gutgläubig keine Zahlungen des Schuldners mehr entgegennehmen. Eine Anfechtung der Beraterhonorare ist dann als Bargeschäft i. S. d. § 142 InsO grundsätzlich ausgeschlossen. Sofern ihm nämlich die Zahlungsunfähigkeit des Mandanten positiv bekannt ist und durch die Zahlung die übrigen Gläubiger benachteiligt werden, schließt auch ein Bargeschäft die Anfechtbarkeit nicht aus, § 133 Abs. 1 InsO. In diesem Fall kann eine Anfechtung nur dann vermieden werden, wenn die Bezahlung nicht aus dem Vermögen Ihres Mandanten, sondern von einem Dritten geleistet wird.

262 In Sanierungsfällen sollte sich der Berater also durch Vorschüsse absichern. Allerdings muss er beachten, dass er den Vorschuss nicht höher als die Aufwendungen der voraussichtlich nächsten vier Wochen dotieren darf und zudem nach Ablauf der vier Wochen sofort über den Vorschuss abrechnen muss. In dieser Situation hilft es auch nicht mehr, mit der Einstellung der Leistung zu drohen. Aus der Rechtsprechung des BGH hierzu folgendes Urteil vom 13.3.2003: „Veranlasst ein Gläubiger, der mit einer Altforderung nur Insolvenzgläubiger wäre, durch Weigerung, andernfalls eine für die Fortführung notwendige Leistung nicht zu erbringen, den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter dazu, die Neu- und die Altforderung zu erbringen, so ist die Zusage der Zahlung der Altforderung anfechtbar.“ BGH, Urt. v. 13.3.2003 – IX ZR 56/02, ZIP 2003, 855.

263 Im Fall hatte ein Gläubiger bei Anordnung der schwachen Insolvenzverwaltung Forderungen gegen den Schuldner. Weitere Leistungen wollte der Gläubiger erst erbringen, wenn auch die Altforderungen ausgeglichen würden. Der vorläufige Insolvenzverwalter tat dies und focht die Zahlung nach Insolvenzeröffnung wieder an. Der BGH gab der Anfechtungsklage des Insolvenzverwalters statt. IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters 1. Haftungsvereinbarung und Haftungsbegrenzung 264 Vor der eigentlichen Auftragsannahme sind die monetären Risiken des Auftrags abzuschätzen. Es sollte stets darauf geachtet werden, das Haftungsrisiko vertraglich einzuschränken. Eine Vereinbarung ist möglich über x

die wirksame Einbeziehung der AGB mit enthaltener Haftungsbeschränkung und

x

individuell vereinbarter Haftungsbeschränkung.

72

IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters

Soweit das Haftungsrisiko den Höchstbetrag der eigenen Haftpflichtversiche- 265 rung übersteigt, kommt der Abschluss einer Einzelobjektversicherung in Betracht. Die Frage der Kostentragung ist mit dem Mandanten zu klären und ggf. in der Vergütungsvereinbarung aufzunehmen. Während eine größtmögliche Haftungsreduzierung grundsätzlich im Interesse des Beraters liegt, kann eine über die Mindestsumme hinausgehende Haftpflichtversicherung durchaus auch als Marketinginstrument verwendet werden. Es empfiehlt sich, eine klare Vertragsvereinbarung treffen. Aus Beweisgründen 266 sollte auch immer schriftlich festhalten werden, was vereinbart wurde. Nur so kann verhindert werden, dass Dritte ungewollt in den Schutzbereich des von Ihnen geschlossenen Vertrages fallen. Der Auftragsanlass und der Parteiwille von Berater und Mandant sollte dokumentiert werden. Es sollte weiter der Hinweis erfolgen, dass die Arbeit für den Mandanten erstellt wurde und keine Schutzwirkung zugunsten Dritter entfalten soll. BGH, Urt. v. 2.4.1998 – III ZR 245/96, DStR 1998, 823.

Zusätzlich sollte (zumindest in den AGB) vereinbart werden, dass eine Weiter- 267 gabe der Berichte, Bescheinigungen und/oder Testate etc. nur mit Zustimmung des Beraters und vor allem nur vollständig mit eingebundenen AGBs erfolgen darf. Der Haftung aufgrund der Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zu- 268 gunsten Dritter (siehe Rn. 244) steht es nicht entgegen, dass der Mandant den Berater bewusst mit falschen Wertangaben „füttert“. Der Mandant selbst könnte in diesem Fall aufgrund des Gebots von Treu und Glauben keine Ansprüche gegen den Berater geltend machen. Es gilt zwar eigentlich der Grundsatz, dass die Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht weiter gehen darf als diejenige im eigentlichen Vertragsverhältnis. Allerdings macht der BGH in diesem Fall eine Einschränkung, soweit der Dritte den sachverständigen Aussagen ersichtlich besonderes Vertrauen schenkt. BGH, Urt. v. 10.11.1994 – III ZR 50/94; BGHZ 127, 378 = ZIP 1994, 1954.

Es obliegt hier dem Berater möglichem Haftungspotential durch geeignete 269 Hinweise zu begegnen. Es kommt dabei auf den Wortlaut des Testats o. Ä. an. Auf diesen achten die Beteiligten. Die Haftung des Beraters kann hier nur so weit reichen, soweit dieser aus Sicht der Dritten die Verantwortung für die Richtigkeit der testierten Zahlen übernimmt. Der BGH erkennt, dass der Steuerberater nicht alle Angaben seines Mandanten auf deren Wahrheitsgehalt überprüfen kann. Dieser Umstand muss dann aber kenntlich gemacht werden, weil ansonsten 270 davon ausgegangen werden muss, dass der Sachverständige (Steuerberater) für die Richtigkeit der Angaben seines Mandanten einstehen will. BGH, Urt. v. 10.11.1994 – III ZR 50/94, BGHZ 127, 378 = ZIP 1994, 1954.

73

G. Auftrag und Honorarvereinbarung

271 An dieser Stelle ist es nun wichtig, den Erstellungsbericht und die Bescheinigung präzise zu formulieren. In den Fällen, in denen sich der Berater auf die ungeprüften Angaben seines Mandanten stützt, muss er daher im Erstellungsbericht eindeutig erkennen lassen, dass die Erstellung der Leistung gerade nicht auf seinen eigenen Ermittlungen beruht, sondern eben auf den (plausiblen) Angaben seines Mandanten. Aber Vorsicht: Ein Risiko bleibt (natürlich) dennoch bei dem Berater. Nämlich das, nicht zu erkennen, dass die ihm vorgelegten Zahlen und Daten nicht plausibel sind. Praxistipp: Es sollte daher nur bescheinigt werden, dass z. B. der Status aufgrund der Buchführung des Mandanten erstellt und Letztere sowie die Wertansätze nur in eingeschränktem Maße überprüft wurden, Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, Rn. 290, 291 (Bilanztestat). Der Berater sollte im Rahmen des Bestätigungsvermerks deutlich alle Angaben seines Mandanten (Auftraggebers) kennzeichnen, die er bei der Statuserstellung verwertet hat. Es muss klar erkennbar sein, welche Angaben er von seinem Mandanten erhalten hat.

272 Aus dem Grundsatz, dass dem in den Schutzbereich miteinbezogenen Dritten nicht mehr Rechte zustehen können als dem eigentlichen Vertragspartner (vgl. § 334 BGB) wird gefolgert, dass dem Dritten auch die in den Grundvertrag (im Wege von AGB) wirksam aufgenommenen Haftungsbeschränkungen entgegengehalten werden können. Dies gilt im Übrigen auch für die gesetzliche Haftungsbeschränkung aus § 323 Abs. 2 HGB. Der Berater kann also in seinen allgemeinen Auftragsbedingungen seine Haftung betragsmäßig begrenzen. Hier muss allerdings darauf geachtet werden, dass die vereinbarte Höchstsumme zur wirtschaftlichen Bedeutung des Auftrags in einem angemessenen Verhältnis steht. Falls eine solche Haftungsbeschränkung vereinbart wurde, sollte auch im schriftlichen Beratungsbericht darauf hingewiesen werden. Praxistipp: Der Berater kann sich aber in seinen allgemeinen Auftragsbedingungen für die Fälle vorsätzlichen Handelns nicht freizeichnen, § 103 VVG n. F.

273 Ferner sollte der Berater dringend darauf achten, dass er sich den Zugang zu allen Informationen und die Unterzeichnung einer Vollständigkeitserklärung zusichern lässt. Ob dies im Vertrag geregelt sein muss, wie es offenbar das IDW vorsieht, ist eine Geschmackssache. „Der Wirtschaftsprüfer wird sich den Zugang zu allen Geschäftsunterlagen vertraglich sichern und ein umfassendes Auskunftsrecht gegenüber der Gesellschaft zur Bedingung einer Auftragsannahme machen. Je nach Lage des Einzelfalles sollte sowohl im Auftrag als auch im Erstellungsbericht auf die Mitwirkungspflichten des Auftraggebers und weiterer beteiligter Stakeholder eingegangen werden“. IDW S 6 Tz. 24.

274 Verweigert sich der Mandant hier, wäre dies im Gutachten/Bericht aus Sicherheitsgründen auch in der abschließenden Bescheinigung kenntlich zu machen.

74

IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters Formulierungsvorschlag: … Der Mandant hat die Abgabe einer berufsüblichen Vollständigkeitsbescheinigung abgelehnt. Die Aussagen des Mandanten konnten nicht auf Richtigkeit überprüft werden. Wir mussten diese ungeprüft als wahr, richtig und vollständig unterstellen. Dies vorausgeschickt …

Muster einer Vollständigkeitserklärung für die Erstellung/Prüfung von Sanierungskonzepten Pfitzer, IDW WP HB Band II 2014, L Tz. 125: Betrifft: Tatsachenbasis für Sanierungskonzepte Ihnen als Ersteller/Prüfer unseres Sanierungskonzepts erkläre ich als Geschäftsführer hiermit Folgendes: 1. Die Aufklärungen und Nachweise, um die Sie mich gebeten haben, habe ich Ihnen vollständig und nach bestem Wissen und Gewissen gegeben. Dabei habe ich alle nach meiner Einschätzung relevanten tatsächlichen Umstände und Zusammenhänge, die für eine sachgerechte Erarbeitung eines Sanierungskonzepts notwendig waren, mitgeteilt. 2. Für die Entwicklung des Sanierungskonzepts war nach meiner Einschätzung wesentlich der Überblick über die Unternehmensentwicklung, insbesondere die finanzwirtschaftliche Entwicklung, die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse einschließlich aller finanziellen Verbindungen zu den Gesellschaftern und weiter alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse einschließlich der gesamten Finanzierungsstruktur. Alle wesentlichen leistungswirtschaftlichen Faktoren sind gleichfalls berücksichtigt worden. 3. Alle Umstände und Berührungspunkte zu Personen, die im Rahmen des zu erarbeitenden Sanierungskonzepts wirtschaftliche Interessen haben oder haben könnten, sind Ihnen mitgeteilt worden. 4. Verträge, die wegen ihres Gegenstands, ihrer Dauer oder aus sonstigen Gründen für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft von Bedeutung sind oder werden könnten, sind einbezogen worden. Finanzielle Verpflichtungen aus diesen Verträgen sowie sonstige wesentliche finanzielle Verpflichtungen sind in die Information mit einbezogen worden. 5. Rechtsstreitigkeiten und sonstige Auseinandersetzungen, die für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage von Bedeutung sind, fanden Erwähnung. 6. Ich habe dafür Sorge getragen, dass Ihnen Einblick in alle Bücher und Schriften der Gesellschaft gewährt wurde, die für das Sanierungskonzept von Bedeutung sind. 7. Als Auskunftsperson habe ich Ihnen die nachfolgend aufgeführten Personen benannt: […] Diese Personen sind von mir angewiesen worden, Ihnen alle gewünschten Auskünfte und Nachweise richtig und vollständig zu geben. […] Ort, Datum und Unterschrift

Zur eigenen Haftungsabsicherung wird der Berater entsprechend Pfitzer,

275

IDW WP HB Band II 2014, L Tz. 684,

75

G. Auftrag und Honorarvereinbarung

in analoger Anwendung des IDW PS 460 die x

Arbeitsschritte,

x

Art und Umfang der Prüfungshandlungen,

x

Informationsquellen und

x

daraus resultierende Feststellungen

ordnungsgemäß in seinen Handakten dokumentieren. Allein aufgrund der hohen Rate an gescheiterten Sanierungsberatungen muss eine solche Dokumentation erfolgen. 2. Haftung des Beraters/Planerstellers 276 Die Möglichkeiten der zivilrechtlichen Haftung des Beraters in der Krise des Mandanten sind äußerst vielschichtig. Als potenzielle Gläubiger eines solchen Haftungsanspruchs kommen insbesondere in Betracht: x

der Mandant selbst,

x

der Geschäftsführer des Mandanten,

x

nach der Insolvenzeröffnung die Insolvenzmasse, sprich der Insolvenzverwalter,

x

Gesellschafter des bisherigen Mandantenunternehmens,

x

Gläubiger des Mandantenunternehmens, insbesondere Lieferanten, Kreditund Sicherheitengeber, Finanzamt und Sozialversicherungsträger,

x

der Unternehmenskäufer und/oder dessen Kreditgeber.

277 Die Erstellung der Unternehmensplanung ist haftungsträchtig. Das folgt nicht zuletzt daraus, dass gerade in der Krisensituation die Buchhaltung und die anderen Informationsquellen des Unternehmens oft mangelhaft sind und zudem ein angemessenes Honorar für qualifizierte Arbeit nicht (mehr) oder nur noch eingeschränkt zur Verfügung steht. Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass sich die Haftung nach dem Auftrag bemisst. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass vom Ergebnis der Unternehmensplanung regelmäßig unternehmerische Entscheidungen abhängig gemacht werden, insbesondere die Stellung eines evtl. gebotenen Insolvenzantrags. Wenn die Planung fehlerhaft ist und deshalb ein gebotener Insolvenzantrag unterlassen wird, stellt sich regelmäßig die Frage nach der Haftung. Dabei können wegen § 64 GmbHG sehr schnell gewaltige Haftungsforderungen gegenüber den Organen entstehen, die diese dann versuchen, an den Berater weiterzureichen. Mittlerweile dürfte geklärt sein, dass der Geschäftsführer in den Schutzbereich des Beratungsvertrages einbezogen ist. BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, ZIP 2012, 1353.

76

IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters

Damit kann er eine Haftung bei unterlassenem Insolvenzantrag an den Berater 278 „weiterreichen“. Im Zusammenhang mit Unternehmen in der Krise steht seit einiger Zeit die 279 Haftung des Steuerberaters für Insolvenzverschleppungsschäden im Fokus. Die Rechtsprechung hierzu ist auf andere Berater (Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, Unternehmensberater) übertragbar. Den Ausgangspunkt bildet hierbei hauptsächlich der Antrieb von Insolvenzverwaltern die Haftungsmasse durch Inanspruchnahme der Steuerberater anzureichern. Dabei wird die Argumentationslinie verfolgt, dass hohe Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners hätten vermieden werden können, wenn der Steuerberater rechtzeitig auf eine drohende bzw. bereits eingetretene Überschuldung sowie die ggf. bestehende Verpflichtung zur Stellung eines Insolvenzantrags hingewiesen hätte. Versäume der Steuerberater die Erteilung derartiger Hinweise, so stelle dies eine Vertragsverletzung dar, welche zum Schadensersatz verpflichte. Es handelt sich dabei um eine mögliche Haftung aus dem Beratungsvertrag. 280 Diese kann sich aus §§ 280, 611, 675 BGB ergeben. Hierfür wäre grundsätzlich erforderlich, dass der Steuerberater eine schuldhafte Pflichtverletzung begeht, welche zu einem kausalen Schaden führt. Pflichtverletzung Der Berater wird überwiegend als verpflichtet angesehen einen richtigen Jahres- 281 abschluss zu erstellen, der ggf. auch eine bilanzielle Überschuldung zutreffend ausweist. Bereits in einer Entscheidung des BGH,

282

BGH, Urt. v. 18.2.1987 – IVa-ZR-232/85, GmbHR 1987, 463; DATEV LX 0081533,

heißt es (Leitsatz aus GmbHR): „Ist die GmbH nicht nur am Bilanzstichtag, sondern auch zur Zeit der Bilanzerstellung überschuldet und erkennt der den Jahresabschluss erstellende Steuerberater dies schuldhaft nicht, haftet er aus positiver Vertragsverletzung.“

Entscheidende Frage ist aber, ob den Berater in der Krise des Mandanten dar- 283 über hinaus Aufklärungs- und Warnpflichten treffen und falls ja, wie weit diese gehen. Die Rechtsprechung hierzu war für den Steuerberater uneinheitlich. Letztlich 284 lässt sie sich kurz wie folgt zusammenfassen: Der Steuerberater, der über die Erstellung der Buchhaltung bzw. Handelsbilanz hinaus keinen betriebswirtschaftlichen Beratungsauftrag hat, ist nicht zur Warnung vor Insolvenzreife verpflichtet. Kühne, NWB-BB 2013, 652 ff. m. w. N.

Enthält der Jahresabschluss aber Aussagen zur Insolvenzreife, müssen diese 285 richtig und belastbar sein. Der BGH hat in zwei aktuellen Urteilen zu dieser Frage Stellung genommen:

77

G. Auftrag und Honorarvereinbarung

286 In einem ersten Urteil hat der BGH am 7.3.2013, BGH, Urt. v. 7.3.2013 – IX ZR 64/12, ZIP 2013, 829,

entschieden, dass das steuerberatende Dauermandat von einer GmbH bei üblichem Zuschnitt keine Pflicht begründet, die Mandantin bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz auf die Pflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, eine Überprüfung in Auftrag zu geben oder selbst vorzunehmen, ob Insolvenzreife besteht. 287 Aus den Gründen: „(…) Welche Aufgaben der Steuerberater zu erfüllen hat, richtet sich nach Inhalt und Umfang des erteilten Mandats (BGH, Urteil vom 4. März 1987 – IVa ZR 222/85, WM 1987, 661, 662; vom 26. Januar 1995 – IX ZR 10/94, BGHZ 128, 358, 361). Der Steuerberater ist verpflichtet, sich mit den steuerrechtlichen Punkten zu befassen, die zur pflichtgemäßen Erledigung des ihm erteilten Auftrags zu beachten sind. Nur in den hierdurch gezogenen Grenzen des Dauermandats hat er den Auftraggeber auch ungefragt über die bei der Bearbeitung auftauchenden steuerrechtlichen Fragen zu belehren (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 1966 – VII ZR 132/64, WM 1967, 72, 73; vom 6. Dezember 1979 – VII ZR 19/79, WM 1980, 308, 309; vom 26. Januar 1995, aaO). Zu den vertraglichen Nebenpflichten des Steuerberaters gehört es, den Mandanten vor Schaden zu bewahren (§ 242 BGB) und auf Fehlentscheidungen, die für ihn offen zutage liegen(…). Gemessen an diesen Grundsätzen war es nicht Aufgabe des mit der allgemeinen steuerlichen Beratung der GmbH beauftragten Beraters, die Gesellschaft bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz darauf hinzuweisen, dass es die Pflicht des Geschäftsführers ist, eine Überprüfung vorzunehmen oder in Auftrag zu geben, ob Insolvenzreife eingetreten ist und gegebenenfalls gemäß § 15a InsO Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt werden muss. Anders als bei einem ausdrücklichen Auftrag zur Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 9 ff) besteht eine solche Pflicht bei einem allgemeinen steuerrechtlichen Mandat nicht. Sie würde die Verantwortlichkeit des Beraters, sich mit den steuerrechtlichen Angelegenheiten zu befassen, erheblich erweitern. Der Berater müsste dann trotz der Beschränkung seiner Hauptpflichten auf die steuerrechtliche Beratung (vgl. § 33 StBerG und BGH, Urteil vom 14. Juni 2012, aaO Rn. 10 f) auch die allgemeine wirtschaftsrechtliche Beratung, zu der die Prüfung des Vorliegens von Insolvenzgründen zu zählen ist, im Blick haben und der Gesellschaft neben steuerrechtlichen Ratschlägen ohne besonderen Auftrag auch insolvenzund gesellschaftsrechtliche Hinweise erteilen. Im Hinblick auf die rechtlich komplexe Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Überschuldung im Sinne des § 19 InsO vorliegt (vgl. HmbKomm-InsO/ Schröder, 4. Aufl., § 19 Rn. 12 ff; MünchKomm-InsO/Drukarcyk/Schüler, 2. Aufl., § 19 Rn. 52 ff; Pape, aaO Rn. 34 ff; Sikora in Pape/Uhländer, InsO, § 19 Rn. 9 ff; Uhlenbruck, aaO Rn. 28 ff), hätte sich der Steuerberater mit schwierigen Rechtsfragen zu befassen, die für ihn – auch im Fall der Feststellung einer Unterdeckung in der Handelsbilanz – in aller Regel nicht offen zutage liegen. Ihm kann deshalb nicht die Pflicht auferlegt werden, auf bloßen äußeren Verdacht hin den Hinweis zu erteilen, die Gesellschaft sei möglicherweise überschuldet im Sinne des § 19 InsO, oder ohne konkreten Auftrag zunächst eine Fortführungsprognose zu erstellen (vgl. Pape, aaO Rn. 37 ff; Sikora aaO Rn. 16 ff) und sodann – je nach Ergebnis dieser Prognose – eine Prüfung der rechnerischen Überschuldung

78

IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters nach Fortführungs- oder Zerschlagungswerten (vgl. Pape, aaO Rn. 52 ff; Sikora aaO Rn. 28 ff) vorzunehmen. Die Erkenntnis der Überschuldung setzt vielmehr voraus, dass weitere Untersuchungen – etwa hinsichtlich des Vorhandenseins von stillen Reserven und der bestehenden Fortführungsaussichten – angestellt werden, die für den Steuerberater nicht ohne weiteres aus dessen Kenntnis der steuerlichen Situation des Unternehmens folgen. So sind bei der Erstellung der Fortführungsprognose des § 19 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz InsO, die nach der Aufhebung des § 6 Abs. 3 FMStG durch Art. 18 des Gesetzes zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess und zur Änderung anderer Vorschriften vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2418) auf Dauer ausreicht, um eine rechnerische Überschuldung zu überwinden (vgl. Pape, aaO Rn. 34), subjektive und prognostische Elemente zu berücksichtigen, die sich dem Steuerberater im Rahmen seines allgemeinen Mandats nicht ohne weiteres erschließen. Ob Fortführungswilligkeit der Beteiligten besteht, ein umsetzbarer Finanzplan gegeben ist und ein schlüssiges und realisierbares Unternehmenskonzept für die Zukunft vorliegt (vgl. Pape, aaO Rn. 37 ff), kann der Steuerberater den Erkenntnissen, die er bei Wahrnehmung des allgemeinen Mandats gewinnt, nicht entnehmen. Für ihn wird nur die bilanzielle Überschuldung offenbar, die nicht einmal ausreicht, um eine rechnerische Überschuldung im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz InsO erkennbar zu machen. Die im Schrifttum mehrheitlich und vereinzelt auch in der Rechtsprechung vertretene Auffassung, der Steuerberater habe im Rahmen seiner Vertragspflichten zur Beratung und Schadensverhütung kraft seines überlegenen Wissens den Geschäftsführer einer GmbH darüber aufzuklären, dass er verpflichtet sei, zur Klärung der Insolvenzreife eine Überschuldungsbilanz aufzustellen und bei Feststellung der Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft fristgerecht zu beantragen, wenn Überschuldung der Gesellschaft gemäß § 19 Abs. 2 InsO unmittelbar drohe oder bereits eingetreten sei (vgl. LG Wuppertal, ZInsO 2011, 1997, 1998 f; LG Saarbrücken, ZInsO 2012, 330, 337; Hölzle, DStR 2003, 2075; Gräfe, DStR 2010, 618 ff; Mutschler, DStR 2012, 539, 540; Reck, ZInsO 2000, 121, 122; Schmittmann, StuB 2009, 696; Sundermeier/Gruber, DStR 2000, 929; Wagner/Zabel, NZI 2008, 660; Zugehör, NZI 2008, 652, 653; K. Schmidt in Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 4. Aufl., Rn. 1.182; Gräfe in Gräfe/ Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 4. Aufl., Rn. 291 Stichwort: Überschuldung), ist mit der Beschränkung der Pflichten des Steuerberaters auf die steuerliche Beratung bei einem allgemeinen steuerrechtlichen Mandat nicht in Übereinstimmung zu bringen. Auch aus der vertraglichen Nebenpflicht, den Mandanten vor Schaden zu bewahren, ergibt sich nicht die Verpflichtung des Steuerberaters, auf einen möglicherweise bestehenden Anlass zur Prüfung der Insolvenzreife hinzuweisen. Die Annahme, den Steuerberater treffe eine Hinweispflicht kraft seines überlegenen Wissens (vgl. Mutschler, aaO) oder seiner besonderen Autorität (vgl. K. Schmidt, aaO), ist nicht gerechtfertigt. Ein überlegenes Wissen im Hinblick auf eine drohende Überschuldung des Unternehmens im Fall einer bilanziellen Überschuldung hat der Steuerberater durch seine Aufgabe, Jahresabschlüsse zu fertigen, nicht. Sein Wissen steht vielmehr hinter dem des Geschäftsführers zurück, der nicht nur die reinen Zahlen kennt, sondern auch die für eine Fortführungsprognose maßgeblichen weiteren Umstände. Der Geschäftsführer muss beurteilen, ob er das Unternehmen in seiner bisherigen Form fortführen kann. Dass der äußere Anlass für eine Überschuldungsprüfung gegeben ist, kann er ohne weiteres aus der Handelsbilanz, vorausgesetzt diese ist zutreffend erstellt, entnehmen, wenn diese eine Unterdeckung aufweist. Eine – möglicherweise auch drittschützende – Haftung des Steuerberaters für einen Insolvenzverschleppungsschaden kann deshalb nur ein-

79

G. Auftrag und Honorarvereinbarung treten, wenn dieser ausdrücklich mit der Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens beauftragt ist (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 9 ff). Dem Steuerberater ist aufgrund der Erstreckung seines Berufsbildes gemäß § 57 Abs. 3 Nr. 3 StBerG auf „eine wirtschaftsberatende, gutachtliche oder treuhänderische Tätigkeit sowie die Erteilung von Bescheinigungen über die Beachtung steuerrechtlicher Vorschriften in Vermögensübersichten und Erfolgsrechnungen“ grundsätzlich gestattet, entsprechende Aufgaben wahrzunehmen, wenn er den Auftrag dazu hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2012, aaO Rn. 10). Ein Konflikt zu § 5 Abs. 1 RDG tritt nicht ein, denn die Insolvenz- und die Sanierungsberatung gehört als Nebenleistung zum Berufsbild des Steuerberaters/Wirtschaftsprüfers (Gräfe, DStR 2010, 618, 619). Deshalb ist diese berufsrechtlich zulässige Sonderberatung aber noch nicht Inhalt jedes steuerlichen Dauermandats. Zutreffend sind die Entscheidungen und Literaturmeinungen, die eine Hinweisund Warnpflicht des Steuerberaters auf die Pflichten bei möglicher Insolvenzreife im Falle eines allgemeinen Mandats ablehnen (vgl. OLG Celle, ZInsO 2011, 1004; ZIP 2012, 2353; OLG Schleswig, GI 1993, 373, 378 f; LG Koblenz, DStRE 2010, 647 ff; Hoth, ZInsO 2011, 1009; Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rn. 101). Es ist originäre Aufgabe des Geschäftsführers, die Zahlungsfähigkeit und eine etwaige Überschuldung des von ihm geleiteten Unternehmens im Auge zu behalten und auf eventuelle Anzeichen für eine Insolvenzreife zu reagieren (OLG Celle, ZInsO 2011, 1004, 1005). Der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verpflichtet, für eine Organisation zu sorgen, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht; verfügt er selbst nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse, muss er sich gegebenenfalls fachkundig beraten lassen (BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 199; vom 20. Februar 1995 – II ZR 9/94, ZIP 1995, 560, 561; vom 14. Mai 2007 – II ZR 48/06, ZInsO 2007, 660 Rn. 16; vom 27. März 2012 – II ZR 171/10, ZInsO 2012, 1177, Rn. 15; vom 19. Juni 2012 – II ZR 243/11, ZInsO 2012, 1536 Rn. 11). Weist die Handelsbilanz der Gesellschaft eine Überschuldung aus, hat er nach diesen Grundsätzen eine Überschuldungsprüfung selbst vorzunehmen oder gesondert in Auftrag zu geben. Auf den Steuerberater der Gesellschaft, den im Rahmen eines allgemeinen Mandats die Pflicht zur steuerlichen Beratung der Gesellschaft trifft, kann er diese Aufgabe nicht ohne besonderen Auftrag abwälzen.“

288 In einem weiteren Urteil hat sich der BGH, BGH, Urt. v. 6.6.2013 – IX ZR 204/12, ZIP 2013, 1332,

mit der Frage der Haftung des Steuerberaters beschäftigt: In seinem Urteil hat der BGH einen Fall zur Steuerberaterhaftung im Zusammenhang mit einer insolvenzrechtlichen Überschuldung der beauftragenden Gesellschaft entschieden. 289 Eine GmbH hatte ihren Steuerberater mit der Erstellung der Steuerbilanz zum 31.12.2004 beauftragt. Der Berater erstellte diese Bilanz am 29.8.2005. Im Bilanzbericht führte er zwar aus, dass zum Bilanzstichtag ein nicht gedeckter Fehlbetrag besteht, es sich dabei aber nur um eine „Überschuldung rein bilanzieller Natur“ handelt – weil für die Verbindlichkeiten Rangrücktrittserklärungen vorlägen und die Gesellschaft zudem einen hohen Firmenwert habe. Tatsächlich aber war die GmbH zum Bilanzstichtag insolvenzrechtlich überschuldet.

80

IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters

In seinem Urteil führt der BGH aus, dass es grundsätzlich nicht Aufgabe des 290 mit der allgemeinen steuerlichen Beratung der GmbH beauftragten Beraters ist, die Gesellschaft bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz darauf hinzuweisen, dass es die Pflicht des Geschäftsführers ist, eine Überprüfung vorzunehmen oder in Auftrag zu geben, ob Insolvenzreife eingetreten ist und ggf. ein Insolvenzantrag zu stellen ist. Haftungsrechtlich verantworten muss sich der Steuerberater allerdings dann, 291 wenn er einen ausdrücklichen Auftrag zur Prüfung der Insolvenzreife des Unternehmens hat. So gelagert sah der BGH den vorliegenden Fall. Der Steuerberater hat gerade nicht nur eine Handelsbilanz erstellt. Vielmehr 292 hat er mit seiner Bemerkung, dass es sich um eine „Überschuldung rein bilanzieller Natur“ handelt, eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Gesellschaft ausgeschlossen. Und auch der Hinweis auf die Rangrücktrittsvereinbarungen und den Firmenwert zeigt, dass der Berater eine Leistung erbracht hat, die über die steuerliche Bilanzierung hinausgeht. Wegen der wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung der Angelegenheit 293 handelt es sich bei dieser Feststellung des Steuerberaters um eine zusätzliche Prüfung, auf deren Richtigkeit die GmbH, bzw. deren Geschäftsführer, vertrauen durfte – und nicht nur um eine bloße Gefälligkeit. Daher besteht im vorliegenden Fall eine Haftung des Steuerberaters: Ver- 294 antworten muss er sich wegen der Folgen der durch seine Erklärung bedingten verspäteten Insolvenzantragstellung. Er muss also den Schaden ersetzen, der nach Eintritt der Insolvenzreife durch die Fortsetzung der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft entstanden ist. Praxistipp: Diese einschränkende Auffassung gilt aber nicht für den Planungsersteller in der Krise. Er wird gerade deshalb beauftragt, um mögliche Insolvenzgründe auszuschließen, bzw. Sanierungschancen aufzuzeigen. Die inzidente Prüfung der Insolvenzgründe mit einer daraus abgeleiteten Redepflicht ist nur folgerichtig. Eine Ausnahme wird dann zu machen sein, wenn der Berater die Unternehmensplanung erstellt, damit ein anderer Berater, z. B. ein Fachanwalt für Insolvenzrecht, hieraus die Insolvenzgründe ableitet oder ausschließt. Eine derartige Konstellation und vor allem eine negative Abgrenzung des Auftragsumfangs sollte aber deutlich und klar vereinbart werden.

Problematisch dürfte in diesem Zusammenhang auch die Übersendung von 295 Zwischenberichten, Stati oder BWAs sein, die tatsächlich ohne betriebswirtschaftliche Abgrenzungen erstellt sind. Eine solche BWA ist für den Unternehmer ohne Aussagekraft und sogar irreführend. OLG, Urt. v. 8.11.2012 – 14 U 8/12, DATEV LX 0963361 (rechtskräftig durch BGH, Beschl. v. 20.3.2014 – IX ZR 293/12); Ehlers, NWB-BB 2008, 92.

Sie ist in hohem Maße haftungsträchtig. Selbiges gilt für die kommentarlose 296 Übergabe einer „unerfreulichen“ BWA. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Mandanten nicht der Lage sind, eine BWA zu lesen und zu interpretieren. 81

G. Auftrag und Honorarvereinbarung Praxistipp: Es gilt daher, anhand der von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen, Handlungsprämissen zu entwickeln, die die Gefahr einer Haftung für den Berater mit betriebswirtschaftlichem Beratungsauftrag möglichst minimieren: Stellt der Berater eine bilanzielle Überschuldung fest, müssen bei diesem „sämtliche Alarmglocken läuten“. Diese hat zumindest indizielle Bedeutung für eine insolvenzrechtliche Überschuldung (BGH, Urt. v. 7.3.2005 – II ZR 138/03, ZIP 2005, 807). Der Sanierungsberater bewegt sich nun in einem haftungsträchtigen Feld. Grundsätzlich muss von der Belehrungsbedürftigkeit des Mandanten (bzw. des Geschäftsführers) ausgegangen werden. Eine solche entfällt zwar, wenn der Mandant/Geschäftsführer die Rechtslage erkennt. Dies hat allerdings der Berater in einem möglichen Haftungsprozess zu beweisen (Zugehör, NZI 2008, 652). Es sollte daher ausdrücklich auf das Vorliegen einer bilanziellen Überschuldung hingewiesen werden. Daneben sollte auf die Erforderlichkeit der Überprüfung der Insolvenzgründe hingewiesen werden und auf eine mögliche Insolvenzantragspflicht aufmerksam gemacht werden. Obschon den Berater keine Dokumentationspflicht über erfolgte Hinweise trifft (Ehlers, NZI 2008, 211, 212) ist eine ausreichende Dokumentation zu empfehlen, da er der prozessualen Behauptung des Mandanten, ein Hinweis sei nicht erfolgt, zumindest substantiiert entgegnen muss (vgl. § 138 Abs. 3 ZPO).

Verschulden 297 Erstellt der Berater einen fehlerhaften Bericht oder unterlässt er einen erforderlichen Hinweis, so muss diese Pflichtverletzung zur Begründung einer Haftung schuldhaft geschehen sein. Im Rahmen der vertraglichen Haftung wird ein Verschulden des Beraters allerdings vermutet, § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB. Es ist dann an ihm selbst, zu beweisen, dass ihm weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit vorzuwerfen sind, § 276 BGB. Leider kann sich der Berater nicht immer (und gerade in Krisenzeiten nicht) darauf verlassen, dass sein Mandant ihm vollständige und richtige Unterlagen überlässt. Beruht die Fehlerhaftigkeit des Abschlusses auf der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der bereitgestellten Informationen, so muss der Steuerberater nachweisen, dass er von der Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen durfte. Praxistipp: Damit Sie im Streitfall nachweisen können, dass Ihr Mandant Ihnen versichert hatte, dass seine Unterlagen vollständig und richtig sind, sollten Sie sich das von Ihrem Mandanten im Voraus immer schriftlich bestätigen lassen.

Kausalität 298 Wie bei jeder Haftungsinanspruchnahme des Steuerberaters gilt: Ein Haftungsfall liegt nur dann vor, wenn der dem Berater vorwerfbare (bestimmte) Fehler auch die Ursache für den eingetretenen Schaden ist. Das heißt, eine Kausalitätsprüfung darf auch im Zusammenhang mit Krisenmandaten nicht unterbleiben.

82

IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters

Dieser Ursachenzusammenhang ist vom Mandanten zu beweisen. Im Falle der Geltendmachung eines Insolvenzverschleppungsschadens obliegt es danach diesem nachzuweisen, dass er sich entsprechend einer richtigen Aufklärung verhalten hätte und so eine Hinauszögerung des Insolvenzantrags und dadurch der entstandene Schaden vermieden worden wäre. Unter Umständen kommt dem Mandanten hier jedoch die Vermutung eines beratungsrichtigen Verhaltens zugute. OLG Köln, Urt. v. 17.12.2009 – 8 U 27/09; DStR 2011, 47.

Schaden Als Schadensposten kommen die Ausschüttung eines angeblichen Gewinns 299 trotz Insolvenzreife, ungerechtfertigte Investitionsentscheidungen, die Vergabe von nachteiligen Aufträgen oder das Anwachsen der Verbindlichkeiten in Betracht. Zugehör, NZI 2008, 652, 656.

Mitverschulden Liegen sämtliche oben genannten Voraussetzungen vor, so hat sich der Steuer- 300 berater schadensersatzpflichtig gemacht. Dabei darf jedoch ein etwaiges Mitverschulden des Geschäftsführers des Mandanten nicht unberücksichtigt bleiben. Dieses wird dem Mandanten regelmäßig nach § 31 BGB zuzurechnen sein. Den Geschäftsführer selbst trifft die Pflicht, Insolvenzantrag im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu stellen, § 15a InsO. Soweit er in der kritischen Phase Berater einschaltet, muss er deren Ergebnisse zumindest auf Plausibilität untersuchen. Tut er dies nicht, so setzt er einen massiven Verursachungs- und Verschuldensbeitrag. Gräfe, DStR 2010, 669, 671; BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II-ZR-48/06, ZIP 2007, 1265.

301

Das LG Saarbrücken, Urt. v. 28.11.2011 – 9 O 261/00, DATEV LX 4006651,

führt dazu aus (Hervorhebungen durch Autoren): „Versäumt es der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin, sich in den eigenen Angelegenheiten hinreichend zu informieren, so hat er einen (schweren) Verursachungs- und Verschuldensbetrag gesetzt (Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung 4. Aufl. Rn. 710). Die Pflicht des Geschäftsführers, Insolvenzantrag zu stellen, beginnt mit der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung der GmbH. Positive Kenntnis hiervon ist nicht erforderlich, da die insolvenzrechtlichen Organpflichten und ihre Sanktionen gerade auf der Selbstprüfungspflicht der Unternehmensleitung im Gläubigerinteresse beruhen. Es genügt die bloße Erkennbarkeit (BGH, NJW 2000, 668). Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein Verschulden des Geschäftsführers bei objektiver Versäumung der Insolvenzantragspflicht zu vermuten (BGHZ 143, 184 f.; 171, 46). Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht vom Mitverschuldenseinwand ausgenommen, wenn der Steuerberater den Geschäftsführer nicht auf etwaige Insolvenzgefahren hingewiesen hat oder Bilanzen ein falsches Bild vom Unternehmen zeigen (Gräfe DStR 2010, 669, 672). Der Mitverschuldenseinwand greift hin-

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G. Auftrag und Honorarvereinbarung gegen, wie bereits ausgeführt, in der Regel nicht, wenn der Geschäftsführer den Steuerberater mit der Überprüfung der Überschuldung bzw. Insolvenzreife der GmbH beauftragt hat. In einem solchen Fall hat er sich seiner Selbstprüfungspflicht im Allgemeinen nicht entledigt (Gräfe DStR 2010, 669, 672).“

Unzutreffende Stellung eines Insolvenzantrags 302 Vorsicht ist umgekehrt auch dann geboten, wenn der Mandant die Insolvenzeröffnung beantragt, nachdem er von seinem Berater falsch beraten wurde bzw. dieser eine fehlerhafte Planung erstellt hat. In diesem Fall besteht ebenso die Gefahr der Inanspruchnahme des Beraters aufgrund vertraglicher Pflichtverletzung. OLG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 11.8.2011 – 1 U 75/07, DATEV LX 1575369.

Dritthaftung 303 Der Steuerberater kann sich im Rahmen der Beratung eines Krisenunternehmens aber nicht nur gegenüber dem Mandanten selbst bzw. gegenüber den Vertretungsorganen haftbar machen, sondern auch gegenüber Dritten, wie z. B. der Bank. Es stellt sich hier also meist das Problem der sog. Dritthaftung. So wird der Berater in der Regel gerade in Krisenzeiten vermehrt an Vertragsverhandlungen teilnehmen sowie der Bank gegenüber Auskünfte über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens erteilen. Ein besonders hohes Haftungsrisiko gegenüber der Bank besteht in solchen Situationen vor allem dann, wenn der Berater erkennt, dass die Bank wesentliche Entscheidungen und Maßnahmen auf der Grundlage gerade seiner Aussagen trifft. Sundermeier/Gruber, DStR 2009, 929.

304 Gerade auch im Rahmen einer Insolvenz hat das Thema der Dritthaftung eine große Bedeutung, weil jetzt die Verbindlichkeiten nicht mehr bezahlt werden können und die Gläubiger sich an einen solventen Schuldner halten. 305 Der Standardfall ist der, dass der Unternehmer/das Unternehmen von der Bank einen neuen Kredit erhält bzw. ein bereits bestehender Kredit erweitert wird. Ausschlaggebend war für die Bank dabei die vom Steuerberater gefertigte Bilanz des Unternehmens. OLG München, Urt. v. 12.11.2009 – 23 U 2516/09, GmbH-StB 2011, 71.

306 Grundsätzlich gilt bei der Dritthaftung nach gefestigter Rechtsprechung, dass derjenige, der mit Sachkunde schuldhaft eine falsche Auskunft erteilt, dem Empfänger nach Vertragsgrundsätzen schon dann haftet, wenn die Auskunft erkennbar für diesen von erheblicher Bedeutung war, und er sie zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse oder Maßnahmen gemacht hat. BGH, Urt. v. 2.4.1998 – III ZR 245/96, ZIP 1998, 826.

307 Auf den obigen Fall angewandt bedeutet das Folgendes: Fertigt der Steuerberater eine fehlerhafte Bilanz, wonach das Unternehmen „besser da steht“ als es tatsächlich der Fall ist, und macht der Sachbearbeiter der Bank diese Bilanz 84

IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters

zur Grundlage der Kreditvergabe, so kann grundsätzlich eine Haftung des Steuerberaters gegenüber der Bank in Betracht kommen. Eine wichtige Rolle bei der Frage, ob der Steuerberater haftet oder nicht, spielt aber auch die Tatsache, in welchem Umfang der Steuerberater die Verantwortung für die Richtigkeit einer Bilanz übernimmt. Dies gilt entsprechend für den Berater, der Planungsleistungen erbringt aber auch für entsprechende Mitarbeiter im schuldnerischen Unternehmen. Vgl. Kühne/Nickert, ControllerMagazin 2014, 59 ff.

Letztlich bestehen mehrere Ansatzpunkte eines geschädigten Dritten den 308 Steuerberater in die Haftung zu nehmen: x

Haftung über einen separat (stillschweigend oder ausdrücklich) geschlossenen Auskunftsvertrag (siehe Rn. 316 ff.).

x

Haftung über die Grundsätze des sog. Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (siehe Rn. 306 ff.).

x

Sachwalterhaftung über § 311 Abs. 3 BGB. Auf diese wird hier nicht gesondert eingegangen. Die Rechtsprechung löst derartige Fälle überwiegend nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Emmerich, in: MünchKomm-BGB, § 311 Rn. 197.

x

Haftung aus Delikt.

Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Ein Vertrag kann auch Schutzwirkungen zugunsten Dritter entfalten, wenn 309 der Dritte bestimmungsgemäß mit der Leistung des Beraters in Berührung kommt, der Mandant ein Interesse an einer Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages hat und dies dem Berater erkennbar ist. Nach der Rechtsprechung gibt es vier Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit 310 von einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ausgegangen werden kann: 1. Leistungsnähe: Der Dritte (regelmäßig die Bank) muss sich in Leistungsnähe befinden, d. h., er muss mit der vom Steuerberater zu erbringenden Leistung bestimmungsgemäß in Berührung kommen und den Gefahren einer Schlechtleistung etwa ebenso stark ausgesetzt sein wie sein Auftraggeber, der Mandant. 2. Gläubigernähe: Der Mandant muss ein Interesse am Schutz des Dritten (der Bank) haben. Der Dritte muss dem Mandanten so nahe stehen, dass diesem die Vertragserfüllung gegenüber dem Dritten ebenso wichtig ist wie gegenüber sich selbst. Die Beweiskraft soll auch gegenüber dem Dritten wirken. Gräfe, DStR 2010, 669.

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G. Auftrag und Honorarvereinbarung

3. Erkennbarkeit: Diese Leistungsnähe (1.) und die Gläubigernähe (2.) des Dritten müssen dem Steuerberater bei Vertragsschluss erkennbar gewesen sein. 4. Schutzbedürfnis: Hat der Dritte eigene vertragliche Ansprüche gegen den Steuerberater, so erscheint er nicht schutzbedürftig. Daneben dient dieses Kriterium auch als Einfallstor für wertende Betrachtungen. So wird in diesem Zusammenhang auch danach gefragt, ob dem Steuerberater das erweiterte Haftungsrisiko noch zugemutet werden kann. Gräfe, DStR 2010, 669, 670.

Handelt es sich um eine Pflichtprüfung des Steuerberaters, so muss die in § 323 HGB zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Intention, die Haftung zu begrenzen, auch im Rahmen einer Dritthaftung berücksichtigt werden. Die Einbeziehung einer unbekannten Vielzahl von Gläubigern, Gesellschaftern oder Anteilserwerbern liefe dieser Intention zuwider. Der Steuerberater/Abschlussprüfer wird regelmäßig nicht bereit sein, ein derart unüberschaubares Haftungsrisiko zu übernehmen. Davon kann jedoch dann ausgegangen werden, wenn die Vertragsteile übereinstimmend davon ausgehen, dass die Prüfung auch im Interesse eines Dritten durchgeführt wird und das Ergebnis diesem als Entscheidungsgrundlage dienen soll. Im Falle der freiwilligen Prüfung des Jahresabschlusses wendet der BGH diese Grundsätze zumindest auch dann an, wenn die Prüfung nach den für die Pflichtprüfung maßgeblichen §§ 316, 317 HGB vorgenommen wird. BGH, Urt. v. 2.4.1998 – III ZR 245/96, ZIP 1998, 826.

311 § 18 KWG verlangt den Banken vor Kreditgewährung eine Prüfung der Jahresabschlüsse ab. Es erscheint daher grundsätzlich nicht abwegig anzunehmen, dass dieser Umstand dem Steuerberater/Abschlussprüfer bei Erstellung einer Pflichtprüfung stets bewusst sein muss und Banken daher generell in die Schutzwirkung des Vertrages mit dem Mandanten miteinzubeziehen sind. Jedoch hat das OLG Köln vom 24.2.2011, OLG Köln, Urt. v. 24.2.2011 – I-8 U 29/10, ZIP 2012, 1084,

diesem Ansatz unlängst eine Absage erteilt. Danach kommt es auch bei den Banken auf eine Prüfung der oben genannten Voraussetzungen im Einzelfall an. 312 Grundsätzlich muss man davon ausgehen, dass die Banken die Kreditentscheidung von den Berichten des Beraters abhängig machen. Das heißt, die Leistungsnähe ist dem Berater bekannt. Der Mandant wird grundsätzlich auch kein Interesse daran haben, dass die Hausbank durch den Berater durch objektiv falsche Informationen fehlgeleitet wird. All dies ist für den Berater erkennbar, sodass generell eine abstrakte Haftungsgefahr besteht. Um den Haftungskreis nicht unüberschaubar auszudehnen, wendet der BGH die Regeln zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter allerdings zunehmend restriktiv an. BGH, Urt. v. 6.4.2006 – III ZR 256/04, ZIP 2006, 954.

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IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters

Eine Haftung des Beraters gegenüber der Bank setzt demnach voraus, dass er 313 eine Pflichtverletzung aus dem Auftrag mit dem Mandanten begangen hat. Wenn der Auftrag auf die einfache Erstellung des Berichts gerichtet ist, muss der Berater weder die Angaben des Mandanten plausibilisieren, noch muss er diese überprüfen. Dasselbe gilt für vom Mandanten gemachte Aussagen. Die Grenze ist allerdings dort erreicht, wo sich die Fehlerhaftigkeit der Un- 314 terlagen bzw. der Aussagen des Mandanten dem Berater aufdrängen. Hier muss der Berater nachhaken und den Sachverhalt aufklären. Auf Basis dieser Informationen schuldet der Berater allerdings eine rechtlich fehlerfreie Leistung. Allerdings ist zu beachten, dass der Pflichtenumfang des Beraters gegenüber der 315 Bank nicht weitergeht, als dies in dem zugrunde liegenden Auftragsverhältnis mit dem Mandanten vereinbart wurde. Folglich gelten auch AGB, die der Berater zum Vertragsinhalt gemacht hat, z. B. gegenüber den Banken, § 334 BGB. Stillschweigend geschlossener Auskunftsvertrag Beim stillschweigend geschlossenen Auskunftsvertrag besteht eine direkte ver- 316 tragliche Beziehung zwischen dem Berater und der Bank. Ein solcher Vertrag kommt nach der Rechtsprechung des BGH dann zustande, wenn eine Auskunft von einer sachkundigen Person verlangt wird, die erkennbar von erheblicher Bedeutung ist und zur Grundlage wesentlicher Entscheidungen gemacht wird. Nach der Rechtsprechung des BGH kommt eine Haftung aus einem „still- 317 schweigend“ abgeschlossenen Auskunftsvertrag – z. B. eben gegenüber der kreditgebenden Bank – in Betracht. Grundlegende Voraussetzung einer derartigen Haftung ist jedoch, dass die Auskunft für den Dritten erkennbar von erheblicher Bedeutung war, und er sie zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse machen will. BGH, Urt. v. 6.4.2006 – III ZR 256/04, ZIP 2006, 954.

Für den Berater bedeutet das: Er ist ggf. nicht nur seinem Mandanten und 318 Vertragspartner zur erforderlichen Sorgfalt verpflichtet, sondern auch diesen dritten Personen, wie z. B. der Bank. Aber: Ein solcher konkludent geschlossener Auskunftsvertrag kommt zumin- 319 dest nicht schon dann zustande, wenn das Kreditinstitut ohne weitere Ausführungen lediglich um Übersendung des testierten Jahresabschlusses bittet und der Berater dieser Bitte entspricht. Schmitz, DB 1989, 1920.

Allein durch die bloße Übersendung des Jahresabschlusses schafft der Berater 320 keinen zusätzlichen Vertrauenstatbestand. Ebenso wenig reicht es aus, wenn der Kreditnehmer/Mandant die von seinem Steuerberater erstellten Jahresabschlüsse mit dessen Wissen an die kreditgebende Bank weiterleitet. OLG München, Urt. v. 13.4.1995 – 24 U 86/93, WM 1997, 613.

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G. Auftrag und Honorarvereinbarung

321 Die Rechtsprechung des BGH zur Annahme eines Auskunftsvertrages fasst der BGH anschaulich so zusammen: „Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der stillschweigende Abschluß eines Auskunftsvertrages zwischen Geber und Empfänger der Auskunft und damit eine vertragliche Haftung des Auskunftgebers für die Richtigkeit seiner Auskunft regelmäßig dann anzunehmen, wenn die Auskunft für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung ist und er sie zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse machen will; dies gilt insbesondere in Fällen, in denen der Auskunftgeber für die Erteilung der Auskunft besonders sachkundig oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse bei ihm im Spiel ist. […] Wie der Bundesgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat […], ist dieser Rechtsprechung allerdings nicht zu entnehmen, daß für das Zustandekommen eines Auskunftsvertrages ohne Rücksicht auf die Besonderheiten des jeweiligen Falles allein schon die Sachkunde des Auskunftgebers und die Bedeutung der Auskunft für den Empfänger ausreichen. Diese Umstände stellen vielmehr lediglich Indizien dar, die, wenn auch mit erheblichem Gewicht, in die Würdigung der gesamten Gegebenheiten des konkreten Falles einzubeziehen sind. Für den stillschweigenden Abschluß eines Auskunftsvertrages ist entscheidend darauf abzustellen, ob die Gesamtumstände unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung und des Verkehrsbedürfnisses den Rückschluß zulassen, daß beide Teile nach dem objektiven Inhalt ihrer Erklärungen die Auskunft zum Gegenstand vertraglicher Rechte und Pflichten gemacht haben […]. So hat der Bundesgerichtshof bei der rechtlichen Beurteilung von Fällen, in denen der konkludente Abschluß eines Auskunftsvertrages angenommen oder in Erwägung gezogen wurde, außer der Sachkunde des Auskunftgebers und der Bedeutung seiner Auskunft für den Empfänger jeweils auch weitere Umstände mitberücksichtigt, die für einen Verpflichtungswillen des Auskunftgebers sprechen können, wie z. B. dessen eigenes wirtschaftliches Interesse an dem Geschäftsabschluß (Urt. v. 5. Juli 1962 – VII ZR 199/60 – WM 1962, 1110, 1111), ein persönliches Engagement in der Form von Zusicherungen nach Art einer Garantieübernahme (BGHZ 7, 371, 377; Urt. v. 13. Juni 1962 – VIII ZR 235/61 – NJW 1962, 1500), das Versprechen eigener Nachprüfung der Angaben des Geschäftspartners des Auskunftsempfängers (Urt. v. 7. Januar 1965 – VII ZR 28/63 – WM 1965, 287, 288), die Hinzuziehung des Auskunftgebers zu Vertragsverhandlungen auf Verlangen des Auskunftsempfängers (BGH, Urt. v. 25. Oktober 1966 – VI ZR 8/65 – VersR 1967, 65, 66) oder die Einbeziehung in solche Verhandlungen als unabhängige neutrale Person (Urt. v. 18. Januar 1972 – VI ZR 184/70 – VersR 1972, 441, 443) sowie eine bereits anderweitig bestehende Vertragsbeziehung zwischen Auskunftsgeber und Auskunftsempfänger (Urt. v. 14. November 1968 – VII ZR 51/67 – WM 1969, 36, 37). Durch derartige zusätzliche Erfordernisse soll verhindert werden, daß die Vertragshaftung in unangemessener Weise auf Hilfspersonen ausgeweitet wird (BGH, Urt. v. 17. September 1985 aaO).“ BGH, Urt. v. 13.2.1992 – III ZR 28/90, NJW 1992, 2080 = DB 1992, 1572.

322 Danach liegt stets eine gesteigerte Haftungsgefahr vor, wenn der Steuerberater auf Verlangen der Bank persönlich an (Kredit-)Verhandlungen bzw. gleichsam als neutraler Sachwalter teilnimmt. Bezieht er sich dabei zur Begründung der Kreditwürdigkeit u. a. auf die selbstgefertigten Bilanzen, setzt er die eigene Persönlichkeit als Garant für die Richtigkeit seiner Erklärung ein. Will der Berater eine solche Haftung ausschließen, so sollte dieser der Bank vorsorglich

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IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters

einen Hinweis erteilen, dass er nicht als neutraler Sachverständiger, sondern zur Unterstützung des Mandanten als Berater auftritt. Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, Rn. 426.

Fehlt es an einem persönlichen „Auskunftskontakt“, wird die Begründung 323 eines Auskunftsvertrages regelmäßig nicht in Betracht kommen. Allerdings muss auch in diesen Fällen eine Bewertung der Gesamtumstände vorgenommen werden. Etwa ein „persönliches Engagement in der Form von Zusicherungen nach Art einer Garantieübernahme“, erscheint auch in diesem Zusammenhang nicht von vornherein ausgeschlossen. BGH, Urt. v. 13.2.1992 – III ZR 28/90, NJW 1992, 2080 = DB 1992, 1572.

Im Konkreten bedeutet dies, dass eine Haftung aus einem Auskunftsvertrag 324 droht, wenn die Bank nach der persönlichen Meinung des Beraters fragt. Sofern der Berater erkennbar nur die vom Mandanten ermittelten Bewertungen erläutert, befindet er sich noch nicht im Auskunftsvertrag. Sofern die Bank aber eine Bewertung durch den Berater verlangt oder eine persönliche Einschätzung der Situation durch den Berater verlangt, droht die Haftung aus einem stillschweigend geschlossenen Auskunftsvertrag. Aus diesem Grund werden die Auftragsabgrenzung (neutraler Dritter oder Berater) und deren strikte Einhaltung von erheblicher Bedeutung. Da es sich beim Auskunftsvertrag um eine selbständige Rechtsbeziehung handelt, sind mangels anderer Vereinbarung die AGB nicht in das Vertragsverhältnis mit einbezogen. Damit droht die Haftung – und zwar in unbegrenzter Höhe. Aber: Ein solcher konkludent geschlossener Auskunftsvertrag kommt zumin- 325 dest nicht schon dann zustande, wenn das Kreditinstitut ohne weitere Ausführungen lediglich um Übersendung des Berichts bittet und der Berater dieser Bitte entspricht. Allein durch die bloße Übersendung des Berichts schafft der Berater keinen zusätzlichen Vertrauenstatbestand. Ebenso wenig reicht es aus, wenn der Kreditnehmer/Mandant die vom Berater erstellten Berichte mit dessen Wissen an die kreditgebende Bank weiterleitet (siehe Rn. 320). Problematisch ist allerdings, dass die Banken in der Krise keine „einfachen 326 Erstellungsaufträge“ akzeptieren. Sofern – wie üblich – vom Berater verlangt wird, die Annahmen und Auskünfte des Mandanten zu plausibilisieren, muss dies im Auftrag geregelt werden und dann auch tatsächlich umgesetzt werden. Andernfalls droht sogar die Haftung gemäß § 826 BGB aufgrund einer Bescheinigung „ins Blaue hinein“. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass mit dem Planungsauftrag (nicht mit 327 dem Steuerberatungsauftrag!) Nebenpflichten bestehen. Insbesondere gehen wir von einer Nebenpflicht zur Warnung wegen einer bestehenden Insolvenzreife aus. Dies gilt auch dann, wenn der Planungsauftrag nur die Planverprobungsrechnung für einen Insolvenzplan beinhaltet und daher nur auf Monatsbasis erfolgt ist. Denn der BGH hat mit Urteil vom 7.5.1991, BGH, Urt. v. 7.5.1991 – IX ZR 188/90, DB 1991, 2029,

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G. Auftrag und Honorarvereinbarung

zugunsten einer solchen Nebenpflicht entschieden. Dies gilt erst recht, wenn der Unternehmensplaner den Eindruck erweckt hat, er hätte inzidenter die Insolvenzgründe geprüft. Vgl. BGH v. 6.6.2013 – IX ZR 204/12, ZIP 2013, 1332.

3. Haftung aus Delikt 328 Neben der vertraglichen Haftung kommt regelmäßig auch eine Haftung aus Delikt gegenüber etwaigen geschädigten Dritten in Betracht. Insbesondere sind hierbei die Beihilfe zur Insolvenzverschleppung gemäß §§ 823 Abs. 2, 830 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a InsO, die Beihilfe zum Betrug gemäß §§ 823 Abs. 2, 830 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB sowie die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB zu nennen. Beihilfe zur Insolvenzverschleppung 329 Der Steuerberater kann zur Haftung herangezogen werden, wenn er sich an einem Verstoß des Geschäftsführers gegen § 15a InsO beteiligt. Der GmbHGeschäftsführer muss hierzu schuldhaft gegen seine Insolvenzantragspflicht verstoßen und dadurch einen zurechenbaren Schaden der Gesellschaftsgläubiger ausgelöst haben. Zugehör, NZI 2008, 652, 659.

330 Derzeit kontrovers diskutiert wird die Frage, ob sich der Steuerberater schon dann strafrechtlich verantwortlich und folglich deliktsrechtlich schadensersatzpflichtig macht, wenn er sein Mandat nicht niederlegt, sondern die steuerliche Betreuung einer insolvenzrechtlich überschuldeten GmbH fortsetzt. Pestke, Stbg 2009, 512, 518.

331 Eine Straflosigkeit kommt dabei aber insbesondere in Betracht, soweit das Vorgehen des Steuerberaters noch als sog. berufstypische oder neutrale Handlung qualifiziert werden könnte. BGH, Beschl. v. 20.9.1999 – StR 729/98, NStZ 2000, 34; OLG Köln, Beschl. v. 3.12.2010 – 1 Ws 146/10 ZInsO 2011, 288.

332 Hierzu wird überwiegend ein Urteil des LG Koblenz fruchtbar gemacht, in welchem dieses davon ausgeht, dass die Erstellung von Jahresabschlüssen nach Insolvenzreife keine Pflichtverletzung darstelle, da der Steuerberater der Gesellschaft auf diesem Wege bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten helfe, welche diese auch noch in der Insolvenz treffen. Pestke, Stbg 2009, 512, 518, Froehner, ZInsO 2011, 1617, 1621.

333 Dies hat das OLG Köln in einem Beschluss (Klageerzwingungsverfahren) v. 3.12.2010 bestätigt: „1. Wird einem Steuerberater Beihilfe zu der Insolvenzverschleppung durch einen GmbH-Geschäftsführer deshalb vorgeworfen, weil er nach Eintritt der Insolvenzreife der Gesellschaft seine steuerberatende Tätigkeit (durch Buchführungsarbeiten, Abgabe von Steuererklärungen etc.) fortgeführt hat, ist für die Feststellung eines Beihilfevorsatzes zu beachten, dass nur dann, wenn das

90

IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf abzielt, eine strafbare Handlung zu begehen, und der Hilfeleistende dies weiß, sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten ist. Für die Steuerberatertätigkeiten gilt dieser Grundsatz wie allgemein für berufstypische „neutrale“ Handlungen.“ OLG Köln, Beschl. v. 3.12.2010 – 1 Ws 146/10, ZInsO 2011, 288 (Klageerzwingungsverfahren).

Allerdings dürfte fraglich sein, ob diese Entscheidung auf den Planungsersteller 334 in der Krise übertragbar ist, namentlich, ob diese Leistung noch als neutrale berufsadäquate Handlung anzusehen ist. Unseres Erachtens ist zu differenzieren: Soll die Planung erst die Existenz von Insolvenzgründen ermitteln bzw., ausschließen, ist die Planungserstellung gerade vom Gesetzgeber verlangt (Selbstprüfungspflicht). Besteht jedoch schon die Kenntnis vom Insolvenzgrund, ist die Planungserstellung nur noch unproblematisch, solange sie im Drei-WochenZeitraum erfolgt und damit zugleich Sanierungsversuche ernsthaft unternommen werden. Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung Die Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB 335 kommt regelmäßig neben einer möglicherweise bestehenden vertraglichen Haftung (siehe Rn. 276 ff.) in Betracht. Ihr kommt dabei eine nicht unerhebliche praktische Bedeutung zu. Zum einen bedarf es zu ihrer Begründung nicht der zumeist schwierigen Feststellung des Vorliegens eines Straftatbestandes und zum anderen kommt hier – anders als im Rahmen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter – die Haftungsbeschränkung aus § 323 Abs. 2 HGB nicht zur Anwendung. Wagner, in: MünchKomm-BGB, § 826 Rn. 92.

Entscheidende Kriterien zur Annahme einer Haftung aus vorsätzlicher sitten- 336 widriger Schädigung sind das Vorliegen von Vorsatz und Sittenwidrigkeit. Positive Kenntnis von der Unrichtigkeit der abgegebenen Erklärungen ist hierfür jedenfalls nicht erforderlich. Der BGH hat die Voraussetzungen für eine Haftung aus § 826 BGB durch seine Rechtsprechung weiter präzisiert: BGH, Urt. v. 9.3.2010 – XI ZR 93/09, ZIP 2010, 786:

337

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Voraussetzung für die Haftung eines Gutachters wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung eines Dritten durch ein fehlerhaftes Gutachten, daß der Sachverständige bei Erstellung des Gutachtens leichtfertig oder gewissenlos und zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Daß der Sachverständige ein falsches Gutachten erstellt hat, reicht dazu, wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zu Recht angenommen hat, nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, daß sich der Sachverständige etwa durch nachlässige Ermittlungen zu den Grundlagen seines Auftrages oder gar durch „ins Blaue“ gemachte Angaben der Gutachtenaufgabe leichtfertig entledigt und damit eine Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Adressaten des Gutachtens oder den in seinem Informationsbereich stehenden Dritten an den Tag gelegt hat, die angesichts der Bedeutung, die das Gutachten für deren Entschließungen hatte, und der von ihm in Anspruch genommenen Kompetenz als gewissenlos bezeichnet werden muß […].

91

G. Auftrag und Honorarvereinbarung

338 BGH, Urt. v. 20.4.2004 – X ZR 250/02, ZIP 2004, 1814: Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haftet gemäß § 826 BGB nicht nur, wer die die Sittenwidrigkeit seines Handelns begründenden Umstände positiv kennt, sondern auch, wer sich dieser Kenntnis bewusst verschließt […] und etwa seine Berufspflichten in solchem Maße leichtfertig verletzt, dass sein Verhalten als bedenken- und gewissenlos zu bezeichnen ist […]. Aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns kann sich die Schlussfolgerung ergeben, dass mit Schädigungsvorsatz gehandelt worden ist (BGHZ 129, 136; 176, 281 Tz. 46). Von vorsätzlichem Handeln ist auszugehen, wenn der Schädiger so leichtfertig gehandelt hat, dass er eine Schädigung des anderen Teils in Kauf genommen haben muss […].

339 Für die Einordnung des Handelns des Beraters als sittenwidrig reicht es demnach aus, dass dieser sich seiner Aufgabe leichtfertig entledigt, sein Testat gleichsam „ins Blaue hinein“ erteilt. Leichtfertigkeit ist anzunehmen, wenn die Buchhaltung des Mandanten wesentliche Lücken aufwies oder relevante Informationen fehlten, sodass die Ordnungsmäßigkeit der Bilanz redlicherweise nicht hätte festgestellt werden dürfen. Wagner, in: MünchKomm-BGB, § 826 Rn. 67.

340 Zur Begründung des Vorsatzes reicht es aus, dass sich der Steuerberater vorstellte, sein Testat könne Dritte zu nachteiligen Vermögensentscheidungen veranlassen. Wagner, in: MünchKomm-BGB, § 826 Rn. 67.

341 Interessant in Bezug auf den Vorsatz des Steuerberaters ist, dass der BGH hierbei einen Rückschluss aus den Umständen zulässt: Das sittenwidrige Handeln kann danach als derart leichtfertig erscheinen, dass der Steuerberater eine Schädigung in Kauf genommen haben muss und folglich von vorsätzlichem Handeln auszugehen ist. In eine ähnliche Richtung – also ebenfalls die Anforderungen an den Nachweis des Vorsatzes abmildernd – ging bereits eine Entscheidung des BGH vom 26.11.1986. BGH, Urt. v. 26.11.1986 – IVa ZR 86/85, DB 1987, 828,

342 Dieser lag folgender Sachverhalt zugrunde: 343 A wollte vom Alleingesellschafter der V-GmbH Anteile im Wert von 500 TDM kaufen. Er bat hierfür seine Hausbank um Finanzierung der Kaufsumme. Aus diesem Grund legte er der Bank den Zwischenabschluss zum 31.5.1981 vor, den der Steuerberater der V-GmbH unterschrieben hatte. Nachdem der Steuerberater bei der V-GmbH erhebliche Buchführungsmängel festgestellt hatte (in 1981 war noch gar keine Buchung, in 1980 waren noch nicht alle Buchungen vorgenommen worden), versah er den Zwischenabschluss mit folgendem Vermerk: „Ich erstatte diesen Bericht aufgrund der vorgelegten Bücher und Unterlagen sowie der mir erteilten Auskünfte und gegebenen Nachweise nach bestem Wissen und Gewissen.“ A erwarb die Anteile an der V-GmbH und seine Hausbank räumte ihm auch den gewünschten Kredit in gleicher Höhe (500 TDM) ein. Die neu erworbenen Geschäftsanteile des A ließ sich die Bank 92

IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters

als Sicherheit verpfänden. Wenig später wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der V-GmbH und über das persönliche Vermögen des A eröffnet. Die Hausbank des A fiel mit der Begründung aus, der Zwischenabschluss habe einen Gewinn ausgewiesen, obwohl die Gesellschaft zum 31.5.1981 erhebliche Verluste erlitten habe. Unter diesen Umständen hätte die Bank einen Haftungsanspruch aus § 826 344 BGB gegen den Steuerberater, wenn dieser die positive Vorstellung besaß, der Abschluss werde möglicherweise bei Kreditverhandlungen mit einem Geldgeber verwandt und diesen zur Ausgabe eines ungesicherten Kredits veranlassen. Die schadensbegründende Fehldisposition der Bank müsste zudem vom Steuerberater für den Fall ihres Eintritts billigend in Kauf genommen worden sein. Schindhelm/Grothe, DStR 1989, 445.

Im vorliegenden Fall ist der Bundesgerichtshof zu dem Ergebnis gekommen, 345 dass ein solcher bedingter Vorsatz seitens des Steuerberaters nahe liegt. Begründet wurde dies wie folgt: […] das Berufungsgericht bei der Entscheidung der Frage, ob die Beklagten mit einer Weitergabe des Zwischenabschlusses an eine Bank rechneten, allgemeine Erfahrungssätze außer Acht gelassen hat. Sie meint, es sei eine Erfahrungstatsache, daß Unternehmerpersönlichkeiten wie V in der Regel von der Hausbank einen Dispositionskredit in Form einer Kreditlinie zugesagt werde; Geschäfte wie das vorliegende würden nach der Lebenserfahrung regelmäßig teilweise fremdfinanziert. Dieser Auffassung kann sich der Senat zwar nicht in vollem Umfang anschließen. Es mag Fälle geben, in denen der Käufer eines Unternehmens in der Lage ist, den vereinbarten Kaufpreis aus eigenen Mitteln aufzubringen. Die Regel ist dies allerdings nicht. Es lag daher nahe, dass die Beklagten aufgrund ihrer Berufserfahrung mit der Möglichkeit einer Kreditaufnahme des Käufers zum Zwecke der Finanzierung des Kaufpreises rechneten. Eine andere Beurteilung wäre nur dann angebracht, wenn die Beklagten positive Anhaltspunkte dafür gehabt hätten, dass V den Erwerb ausschließlich aus eigenen Mitteln finanzieren wollte.

Die aufgeführten Rechtssprechungsbeispiele zeigen, dass die Hürden zur 346 Annahme einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung u. U. alles andere als unüberwindlich hoch sein können. Es bedarf hier dementsprechend der erhöhten Aufmerksamkeit des Beraters. 4. Bestätigungsvermerk in den Berichten Im Rahmen Ihrer Bestätigungsvermerke muss sich der Berater an seinen Auf- 347 trag halten. Soweit er lediglich einen Auftrag zur Planungserstellung ohne jegliche Prüfungshandlung hat, darf er auch nur in diesem Rahmen bestätigen. In der Praxis finden sich oftmals Bescheinigungen wie:

348

„Auf Grund der stillen Reserven ist eine Überschuldung i. S. d. § 64 Abs. 1 GmbHG nicht gegeben“.

93

G. Auftrag und Honorarvereinbarung

349 Oder noch schlimmer: Anhangangabe: „Auf § 64 Abs. 1 GmbHG (heute: § 15a InsO) wurde hingewiesen.“

350 Dies vermittelt dem Bilanzleser den Eindruck, der Ersteller hätte eine Überschuldungsprüfung vorgenommen und wäre zu dem Ergebnis gelangt, eine Überschuldung läge (nicht) vor. Dies ist höchst gefährlich (siehe Rn. 276 ff.). Ist der Vermerk falsch, droht eine Haftung, ohne dass dafür ein Honorar vereinnahmt worden wäre. Soweit der Mandant den Auftrag zur Erstellung der Planungsrechnung erteilt, hat der Berater nach dessen Angaben eine handwerklich korrekte Planung zu erstellen. Soweit er die Annahmen auf Plausibilität überprüfen soll, muss dies natürlich (zusätzlich) erfolgen. 5. Beweisanzeichen für eine Krise 351 Zuletzt gibt es Beweisanzeichen für eine handfeste Krise. Diese bergen für die Berater in vielerlei Hinsicht Risiken: Zum einen stehen die Honorarzahlungen unter einem verschärften Haftungsfokus. Zum anderen steigt die Gefahr einer Beraterhaftung und zum Schluss besteht die Gefahr der Teilnahme an einer Insolvenzstraftat. Insbesondere die Strafverfolgungsbehörden stützen sich bei ihren Ermittlungen auf die „kriminalistischen“ Methoden. Vgl. Schreiber, in: Nickert/Lamberti, Rn. 981 ff. (erscheint in Kürze).

352 Das sind z. B.: x

Wechsel der Hauptlieferanten bei Zahlungsverzug,

x

mangelnde Versicherbarkeit Ihres Mandanten (Delkredere),

x

Zahlen mit vordatierten Schecks,

x

Anstieg der Wechselfinanzierung,

x

Rückgang der Skontierlöse,

x

zunehmende Mahnungen, Mahnbescheide etc.,

x

andauernde Ausnutzung des Kontokorrentrahmens, Überziehung des Rahmens,

x

Rückgabe von Schecks, Lastschriften etc.,

x

Kreditkündigung bzw. Rückführen der Linie,

x

Nichtzahlen von betriebsnotwendigen Dauerverbindlichkeiten, wie z. B. Miete, Pacht, Leasing, Telefon, Löhne, Sozialversicherungsbeiträge, LSt, USt,

x

Vorfinanzierung über die Vorsteuer,

94

IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters

x

geschätzte UStVA,

x

Buchhaltungs- und Bilanzierungsrückstände

x

Ausverkäufe,

x

Sachanlagenverkäufe,

x

vorzugsweises Bedienen von Freunden und Verwandten, Rückführung von Verbindlichkeiten, für die private Sicherheiten bestellt wurden,

x

vorsorgliches Bestellen von Fremd- oder Eigentümergrundschulden,

x

Umfirmierung und Verlegung des Geschäftssitzes,

x

Wechsel der Telefonnummern und Austragung aus dem Telefonbuch,

x

Angabe nur des Postfachs auf dem Briefbogen.

In einer neueren Entscheidung hat sich der BGH erneut mit der Frage befasst, 353 wie anhand von Indizien die Zahlungseinstellung und mithin eine Zahlungsunfähigkeit festgestellt werden kann. BGH, Urt. v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, ZIP 2013, 2015 (zur Insolvenzanfechtung).

Der BGH hat betont, dass eine Zahlungseinstellung schon aus einem einzelnen, 354 aber auch aus einer Gesamtschau von mehreren darauf hindeutenden Beweisanzeichen gefolgert werden kann. Wenn solche Beweisanzeichen oder Indizien vorhanden sind, bedarf es nach der Entscheidung keiner Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten. Insbesondere muss auch nicht eine Unterdeckung der Verbindlichkeiten von mindestens 10 % dargelegt und festgestellt werden. Das erleichtert den Nachweis der Zahlungseinstellung und damit der Zahlungsunfähigkeit, insbesondere für Anfechtungsverfahren, erheblich. Im genannten Urteil führt der BGH diverse Indizien auf, die auf eine Zahlungseinstellung schließen lassen. So sind erhebliche Zahlungsrückstände, die der Schuldner bis Verfahrenseröffnung nicht mehr vollständig beglichen hat, regelmäßig ein Indiz für die Zahlungsunfähigkeit. Das Gleiche gilt für den Verbindlichkeitenrückstand gegenüber einem Stromversorger, wenn für den schuldnerischen Betrieb, wie in der Regel der Fall, die Stromversorgung von existenzieller Bedeutung ist. Ebenfalls ein Kriterium, das auf eine Zahlungsunfähigkeit hindeutet, ist das halbjährige Nichtbegleichen von Sozialversicherungsbeiträgen oder die dauerhaft schleppende Zahlungsweise. Auch sich immer wieder erneuernde Forderungsrückstände verweisen darauf, dass nicht lediglich eine geringfügige Liquiditätslücke oder eine bloße Zahlungsstockung vorliegen. Auch wenn bei Vorliegen solcher Indizien die Tageseinnahmen des Schuldners 355 eigentlich genügen würden, um die Forderung des konkreten betroffenen Gläubigers zu befriedigen, dessen Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit nachzuweisen ist, steht dies der Annahme einer Zahlungseinstellung und der Kenntnis

95

G. Auftrag und Honorarvereinbarung

des Gläubigers hiervon nicht entgegen, zumal wenn der betreffende Gläubiger die Erfahrung macht, dass seine Forderung trotz der angeblich ausreichenden Tageseinnahmen nicht voll befriedigt werden. 356 Liegen entsprechende Indizien vor, die auf eine Zahlungseinstellung hindeuten, ist es nach dem neuen Urteil des BGH Sache des Tatrichters, ausgehend von den festgestellten Indizien eine Gesamtabwägung vorzunehmen, ob tatsächlich von einer Zahlungseinstellung auszugehen ist. Praxistipp: In der obigen Situation sollte der Berater den Mandanten kurzfristig zu einer eingehenden Überprüfung der Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage anhalten (Empfehlung der BStBK in: Handbuch des Berufs-, Gebühren- und Kostenrechts für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte, A 13 S. 160 f.). In dieser Situation ist es wichtig, dass der Berater Mandanten über Indizien informiert und über das Risiko einer mangelnden Dokumentation des Ausschlusses von Insolvenzgründen belehrt.

96

H. Planungsgrundsätze Nach der Entscheidung des OLG Celle vom 23.10.2003,

357

OLG Celle, Urt., v. 23.10.2003 – 16 U 199/02, ZIP 2003, 2118,

haben sich Berater an übliche Standards zu halten. Andernfalls genügt seine Stellungnahme nicht den Anforderungen der Rechtsprechung. Unternehmensplanung ist nicht mit dem Lesen der Kristallkugel gleichzusetzen. Ordnungsgemäße Planung ist eine Mischung aus Handwerkszeug, Intuition und gesundem Menschenverstand. Eine seriöse Unternehmensplanung ist kein „Freifahrtschein“, der aufgrund seiner Zukunftsbezogenheit zu rechtfertigen ist. Um hier die Spreu vom Weizen zu trennen existieren berufsständische Anforderungen an Planungsrechnungen. Als solche Verlautbarungen kommen im Wesentlichen in Betracht:

358

x

Verlautbarungen des BdU (GoP)

x

Verlautbarungen des IDW S 6; S 2; S 1, S 11, PS 270; PS 300, PS 230

x

Verlautbarungen des ISU Instituts

x

Anforderungen an Beratungsleistungen für öffentliche Förderprogramme (z. B. der KfW)

Insoweit muss kurz auf die infrage kommenden Standards eingegangen werden.

359

I. GoP (Unternehmensplanung) Der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (http://www.bdu.de) hat 360 in seinen Grundsätzen ordnungsgemäßer Planung (GoP 2.1) den einzigen speziellen Standard zur Unternehmensplanung aufgestellt. Der Standard ist kostenlos im Internet unter http://www.bdu.de/media/3706/gop21-web.pdf (Abruf am 15.7.2015),

abzurufen. Die Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensplanung des BDU sind allgemeine Planungsgrundsätze, die für alle planerischen Fälle gelten, also auch, aber nicht nur für Sanierungen/Insolvenzreifeprüfungen. Die GoP gehen von einer integrierten Planung aus und verlangen Detailpläne 361 (Gesamtleistung mit Mengen- und Wertgerüst, Materialaufwand etc.). Auf diese kann situativ verzichtet werden. Die Planung ist zu plausibilisieren (z. B. Kapazitätsplanung) und die künftige Entwicklung ist anhand von Kennzahlen darzustellen.

97

H. Planungsgrundsätze

362 Der Standard schlägt folgende Stufen der Planung vor: 1. Rahmenplanung (Mission, Vision, Philosophie) 2. Analyse (Umweltanalyse und Unternehmensanalyse mit Stärken/ Schwächenprofil) 3. Lageprognose (Chancen/Risiken) 4. Zielfindung (Inhalte, Zielausmaß, Fristigkeit) 5. Strategiebildung (Geschäftsfeldbestimmung) 6. Implementierung (Maßnahmenplanung, Budgetierung) 7. Überprüfung der Planungsannahmen und -ansätze 363 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die einzelnen Schritte in der Praxis nicht losgelöst voneinander stehen, sondern in der Regel iterativ abgearbeitet werden. Das heißt, dass z. B. Maßnahmen vorgeschlagen und in die Planung einbezogen werden. Nach Analyse der Planung nach Maßnahmen werden dann einige Bestandteil der endgültigen Planung und andere wiederum verworfen. 364 Nach dem Standard gelten folgende elementaren Planungsgrundsätze: x

Grundsatz der Vollständigkeit der Planung

x

Grundsatz der Wesentlichkeit und Angemessenheit

x

Grundsatz der Folgerichtigkeit

x

Erfordernis der Dokumentation

x

Grundsatz der Transparenz

365 Der BDU fasst hierzu folgende Kernthesen zusammen: KT 1.1: Oberstes Ziel der Planung ist gestalterisches Vorausdenken der Zukunft KT 2.2: Die Planungsergebnisse haben folgenden Kriterien zu genügen: •

Vollständigkeit



Wesentlichkeit



Folgerichtigkeit



Verbindlichkeit



Nachvollziehbarkeit durch Dokumentation

KT 2.3: Innerhalb des Planungsprozesses ist die Partizipation der Beteiligten zu sichern, um Akzeptanz zu erreichen und damit die Effektivität der Planung zu steigern.

366 Der wesentliche Unterschied zu den Grundsätzen des IDW ist der Planungshorizont von „grundsätzlich drei Jahren“ (vgl. GoP 2.1 Tz. 6.2). Lediglich für Bankgespräche und für den internen Gebrauch sollen das erste und das nächste Planjahr ausreichend sein. 98

I. GoP (Unternehmensplanung)

Ansonsten haben sich allgemeine Grundsätze herausgebildet, die für alle Pla- 367 nungsrechnungen gelten. Diese lassen sich wie folgt skizzieren: Grundsatz der Wahrheit Grundsatz der Vollständigkeit und Genauigkeit der Daten und Informa- 368 tionen x

Die internen und externen Daten müssen regelmäßig und nicht nur sporadisch erhoben werden.

x

Sind die Daten vollständig? Welche Daten sind nicht vollständig? Welche Auswirkungen hat dies auf die Planung?

x

Sind die Informationen zuverlässig und richtig?

x

Sind die Daten relevant?

x

Sind die Daten ohne Weiteres verwendbar oder müssen die Daten umgerechnet oder aufbereitet werden?

x

Wie lange braucht es, bis die Daten erhoben sind?

x

Wie teuer ist die Informationsbeschaffung?

x

Externer Planer: Sind die Daten des betrieblichen Rechnungswesens verlässlich?

x

Externer Planer: Liegt eine Vollständigkeitserklärung vor?

x

Der Grundsatz wird durch das Wesentlichkeitsprinzip eingeschränkt. Nicht wesentliche Daten und Informationen müssen nicht zeit- und kostenintensiv erhoben werden.

Grundsatz der zeitpunktgetreuen Planung x

Periodenabgrenzung bei Ertragsplanung.

x

Zahlungsfluss bei Liquiditätsplanung.

369

Grundsatz der Vorsicht

370

x

Es ist realistisch und vorsichtig zu planen.

x

Je größer die Unsicherheit der künftigen Entwicklung oder je größer die Unsicherheit über die Daten oder Informationen, desto größer muss der Sicherheitspuffer dotiert werden.

Grundsatz der erwartungsgetreuen Planung x

Erwartungsgetreue Planung, Abbildung eines Erwartungswertes.

x

Klarheit der Planung

371

Die Planung nebst Dokumentation muss übersichtlich sein, insbesondere 372 dürfen Einnahmen und Ausgaben bzw. Erträge und Aufwendungen nicht saldiert werden.

99

H. Planungsgrundsätze

Vergleichbarkeit und Stetigkeit der Planung 373 Die aufeinanderfolgenden Planungen müssen vergleichbar und stetig sein. Sie sollten in derselben Weise dargestellt werden, wie das betriebliche Rechnungswesen, um Soll-Ist-Vergleiche zu erleichtern. Elastizität der Planung 374 Die Planung muss jederzeit kurzfristig auf eintretende Veränderungen angepasst werden können. Überprüfbarkeit der Planung 375 Die Planung muss von einem sachverständigen Dritten in angemessener Zeit überprüfbar sein. 376 Zur Vorbereitung der Planungsrechnung sind die Vergangenheitsdaten zu analysieren und ggf. aufzubereiten. Sondereffekte (z. B. Schadensfälle, Anlagenverkäufe) sind zu bereinigen, um die Basis für die ordentliche und nachhaltige Ertragslage zu ermitteln. Dabei darf sich der Berater nicht blind auf das Rechnungswesen verlassen. Die Daten des Rechnungswesens sind zumindest zu plausibilisieren. Wird das Rechnungswesen unkritisch übernommen, so besteht die Gefahr, dass die Prüfung auf ein falsches Fundament aufbaut. Dies gilt jedenfalls bei nicht testierten Jahresabschlüssen. Hält diese Plausibilisierungsprüfung stand, kann m. E. auf weitere Prüfungen verzichtet werden. Andernfalls sind weitere Prüfungshandlungen vorzunehmen. II. IDW S 6 (Sanierung) 377 Der Standard des IDW regelt die Prüfung von Sanierungskonzepten und Fortbestehensprognosen nach § 19 Abs. 2 InsO. 378 Ein derartiges Konzept enthält: x

In seinem ersten Teil Aussagen über tatsächliche wesentliche Unternehmensdaten, Ursachen- und Wirkungszusammenhänge sowie rechtliche und ökonomische Einflussfaktoren (vgl. auch IDW PS 230).

x

Es beschreibt dann auf der Grundlage einer systematischen Lagebeurteilung die im Hinblick auf das Leitbild des sanierten Unternehmens zu ergreifenden Maßnahmen und quantifiziert deren Auswirkungen im Rahmen einer integrierten Liquiditäts-, Ertrags- und Vermögensplanung (integrierte Planung). Das Sanierungskonzept muss hinsichtlich der vorgesehenen Beiträge der betroffenen Interessengruppen (vor allem der Gesellschafter, der Kreditgeber, des Managements und der Arbeitnehmer), sowie bezüglich der Umsetzung der erforderlichen operativen und strategischen Restrukturierungsmaßnahmen realisierbar sein.

379 Maßgebend für das Konzept sind die Besonderheiten des jeweiligen Auftrags. Bei der Beauftragung ist deutlich zu kennzeichnen, ob es sich um ein x 100

umfassendes Sanierungskonzept i. S. d. IDW Standards handelt oder ob nur

II. IDW S 6 (Sanierung)

x

Teilbereiche eines solchen Konzepts Gegenstand der Aufgabenstellung sind, wie z. B. die Erstellung einer Liquiditätsplanung zum Zwecke einer Fortbestehensprognose oder einer weitergehenden Fortführungsprognose nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB auf Grundlage einer integrierten Planung.

Das IDW geht von einer „Sanierungsprüfung“ aus, d. h. von einem prüferischen 380 Auftrag. Daher ist die Neutralität des Prüfers immanent. Stufe 1 Zur Abwendung einer drohenden Insolvenz hat das Sanierungskonzept in einer 381 ersten Stufe Maßnahmen zur Herbeiführung bzw. Sicherstellung der Fortführungsfähigkeit (positive Fortführungsprognose) vorzusehen, mit denen sich die künftige Bestandsgefährdung des Unternehmens, also insbesondere die Gefahr des Eintritts von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, mindestens für das laufende und das folgende Jahr abwenden oder beheben lässt. Stufe 2 In einer nächsten Stufe muss im Sanierungskonzept dargelegt werden, wie das 382 zu sanierende Unternehmen diese Fortführungsfähigkeit nachhaltig erreichen kann. Dies setzt voraus, dass das Unternehmen auf seinem relevanten Markt über Wettbewerbsfähigkeit verfügt oder sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit diese Fähigkeit erarbeiten kann. Die Wettbewerbsfähigkeit gründet sich vor allem auch auf das Mitarbeiterpotenzial, also das Wissen, die Fähigkeiten, die Loyalität und die Motivation des Managements und der Belegschaft, die es ermöglichen, für die Kunden Werte durch marktfähige Produkte und Leistungen zu schaffen. Dazu muss die Unternehmensleitung über den Willen, die Fähigkeiten und die Möglichkeiten verfügen, das Unternehmen in einem überschaubaren Betrachtungszeitraum so weiterzuentwickeln, dass es zu einer Marktstellung gelangt, die ihm eine nachhaltige und branchenübliche Rendite bei einer angemessenen Eigenkapitalausstattung ermöglicht und es daher wieder attraktiv für Kapitalgeber macht (Renditefähigkeit). Auf dieser Stufe ist der Planungszeitraum entsprechend auszuweiten. Kernbestandteile eines Sanierungskonzepts i. S. d. IDW Standards sind:

383

x

Die Beschreibung von Auftragsgegenstand und -umfang,

x

Basisinformationen über die wirtschaftliche und rechtliche Ausgangslage des Unternehmens in seinem Umfeld, einschließlich der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage,

x

die Analyse von Krisenstadium und -ursachen, einschließlich der Analyse, ob eine Insolvenzgefährdung vorliegt,

x

Darstellung des Leitbilds mit dem Geschäftsmodell des sanierten Unternehmens,

x

die Maßnahmen zur Bewältigung der Unternehmenskrise und Abwendung einer Insolvenzgefahr,

101

H. Planungsgrundsätze

x

ein integrierter Unternehmensplan,

x

die zusammenfassende Einschätzung der Sanierungsfähigkeit.

III. ISU Grundsätze (Grundsätze ordnungsgemäßer Sanierungskonzepte, MaS) 384 Das ISU Institut hat allgemeine Grundsätze aufgestellt und stellt kostenlos Checklisten auf seiner Homepage zum Download zur Verfügung. Siehe http://www.isu-institut.com/de/downloads/index.html (Abruf am 19.10.2015).

385 Das ISU Institut empfiehlt, das Auftragsverhältnis klar offenzulegen und kenntlich zu machen, wer den Auftrag bearbeitet hat. Die Qualifikation des Gutachters und die Erfahrung sind offenzulegen, vgl. auch § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO. In Abweichung zu den anderen Standards geht das ISU Institut von dem Erfordernis der Neutralität des Beraters aus. Mit dem Grundsatz der Angemessenheit meint das Institut, dass der Umfang der Prüfung abhängig von der Größe des Unternehmens ist. Wir möchten hier aber auf das Urteil des BGH vom 4.12.1997, BGH, Urt. v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248,

hinweisen, nach dem die Grundsätze des BGH zur Sanierung auch bei kleinen und mittleren Unternehmen gelten. Das heißt, an den Grundsätzen (Analyse, Konzepterstellung, integrierte Planung, Verprobung etc.) ändert sich nichts, lediglich die „Detaillierungstiefe“ kann angemessen reduziert werden. 386 Grundsätze des ISU Instituts: x

Neutralität und Qualifikation des Gutachters

x

Vollständigkeit und Aktualität

x

Wesentlichkeit

x

Angemessenheit

x

Klarheit

x

Folgerichtigkeit

x

Flexibilität

x

Sicherung Sanierungsmanagement

x

Dokumentation

IV. Generelle Anforderungen der Banken 387 Bei der Vergabe von Sanierungskrediten hat die Rechtsprechung für Kreditinstitute eine weitergehende Verpflichtung zur Vornahme einer besonderen Prüfung der nachhaltigen Überlebensfähigkeit bei Vergabe von Sanierungskrediten entwickelt. Entscheidend für die Banken ist in dieser Phase neben der Sicherung

102

IV. Generelle Anforderungen der Banken

der eigenen Forderungen vor allem die Haftungsvermeidung (drittgefährdende Kreditierung). Ohne ein Sanierungskonzept und eine positive Fortbestehensprognose „aufgrund einer sachkundigen und sorgfältigen Prüfung der Lage des Schuldners und besonders der Geschäftsaussichten …“ läuft das Kreditinstitut bei einem späteren Fehlschlag der Sanierung Gefahr, mit Schadensersatz- und Rückgewähransprüchen aus den §§ 138 und 826 BGB konfrontiert zu werden. Aus diesem Grund verlangen die Banken in jedem Fall die Einhaltung der 388 Voraussetzungen der BGH Rechtsprechung. Vgl. Ganter, NZI 2014, 673 m. w. N.

Die weiteren Anforderungen der Banken an Sanierungsgutachten unterschei- 389 den sich, da noch kein einheitlicher (Banken-) Standard existiert. Nach unserer Wahrnehmung bestehen folgende Anforderungen: Auswahl des Gutachters:

390

x

Es muss sich um einen branchenkundigen, externen Wirtschaftsfachmann handeln.

x

Der Ersteller des Gutachtens und der Sanierungsberater sollen personenidentisch sein.

x

Es muss Gewähr bestehen, dass eine erste Indikation innerhalb von zwei Wochen, das Gutachten spätestens nach zwei bis drei Monaten vorliegt. Wir halten dies gerade in Fällen von Großunternehmen für utopisch. Größere Sanierungsgutachten benötigen regelmäßig eine Zeit von bis zu sechs Monaten. Als Zwischenschritt ist eine Fortbestehensprognose vorzulegen.

Auftrag:

391

x

Es soll sich um eine Lösung aus einem Guss handeln.

x

Die Wahrung der erforderlichen Neutralität oder zumindest eine „kritische Distanz zum Mandanten“ muss gewährleistet sein.

x

Die Möglichkeit eines ständigen, gegenseitigen und ungehinderten Informationsflusses zwischen Bank und Berater soll sichergestellt werden.

Bestandsaufnahme:

392

x

Untersuchung von Vertrieb, Produktion, Fertigung und Beschaffung

x

Analyse sämtlicher Krisenursachen

x

Verfehltes Management und mangelhaftes Controlling sind häufigste Ursachen

x

Prüfung, ob ordentliche Buchhaltung erstellt ist; Aufdeckung manipulativer Sachverhalte

x

Art und Laufzeit der Finanzierungen; Erstellung eines sog. Bankenspiegels

x

Prüfung alternativer Finanzierungsmöglichkeiten 103

H. Planungsgrundsätze

393 Umfeldanalyse: x

gründliche Untersuchung von Markt und Wettbewerb

x

Eruierung einschlägiger Benchmarks

x

Auf dieser Grundlage ist die künftige strategische Ausrichtung des Unternehmens vorzunehmen.

x

Erwünscht: Handlungsalternativen

394 Situationsanalyse: x

Bild von der derzeitigen Situation des Unternehmens

x

Darstellung des Krisenstadiums, um Bedrohungsmaß einschätzen und dementsprechend die nächsten Schritte einleiten zu können. Unterscheidung zumindest in Strategie-, Ertrags- und Liquiditätskrise

x

Darstellung eines Exit-Szenarios

395 Maßnahmen: x

Nach einer SWOT-Analyse und Lagebeurteilung ist der Blick auf die erforderlichen Maßnahmen zu lenken. Diese sollen sich am Leitbild des sanierten Unternehmens orientieren.

x

Von kurzfristiger Stabilisierung hin zum langfristigen Ziel, einen ausreichenden und stetigen Cashflow zu erwirtschaften

x

Pflicht der Gesellschafter, sich im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit zu orientieren, da diese auch von Wertzuwachs profitieren.

x

Finanzierungsbeiträge der Banken müssen insolvenzfest möglich sein.

x

Personalanpassungen

396 Milestones: x

Eine Milestones-Planung ist unerlässlich. Sie erleichtert den beteiligten Gläubigern den regelmäßigen Abgleich

397 Pläne: x

Durchspielen mehrerer Szenarien – einschließlich eines Exit-Szenarios – als grundlegender Bestandteil des Konzepts

x

Nachgelagert: Soll/Ist-Vergleiche; Darstellung der Abweichungen

x

Falls außergerichtliche Sanierung nicht der richtige Weg ist: Darstellung der Sanierung in der Insolvenz oder Liquidation

398 Beurteilung des Managements: x

Vermittlung und Durchsetzung notwendiger Veränderungen

x

Ggf. Interimsmanagement

104

IV. Generelle Anforderungen der Banken

Insolvenzgründe: x

399

Prüfung Insolvenzgründe nach IDW S 11 und IDW S 6

Einhaltung von Standards (BGH und/oder Berufsstandard):

400

x

Ist vom Verfasser des Gutachtens zu bestätigen. Ein Muster befindet sich im Anhang von IDW S 6

x

Sanierungsfähigkeit und Sanierungswürdigkeit

x

Maßgebend ist die Sanierungsfähigkeit aufgrund einer objektiven Beurteilung. Wir halten dies für falsch. Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297 ff.

x

Maßgeblich ist eine objektivierbare Begutachtung, also eine auf Vertretbarkeit intersubjektiv nachprüfbare Beurteilung.

105

I. Analyse „Wenn ich 1 Stunde Zeit hätte, ein Problem zu lösen, von dem mein Leben abhängt, dann würde ich: 40 Minuten damit verbringen, das Problem zu untersuchen, 15 Minuten damit verbringen, Lösungsmöglichkeiten zu prüfen und 5 Minuten damit verbringen, das Problem zu lösen.” (Albert Einstein)

Die Unternehmensplanung erstellen bzw. zu überprüfen wird nur derjenige 401 können, der sich zuvor mit dem Unternehmen intensiv auseinandergesetzt hat. Hierzu gehört zunächst eine „Außensicht“, d. h., das Unternehmen muss in Bezug auf sein Markt und Marktumfeld analysiert werden. Hierzu gehört auch die Beschreibung des Geschäftsmodells, das sich erst hieraus der relevante Markt ergibt. Sodann muss eine Analyse der „Innensicht“, insbesondere die Analyse der Stärken, der Schwächen, der Chancen und der Risiken (SWOT Analyse) erfolgen. Erst diese umfassende Analyse erlaubt es dem Planer bzw. Planungsleser, die Folgerichtigkeit und die Plausibilität der Planung (-sannahmen) zu beurteilen. I. Darstellung, Analyse und Beurteilung des Geschäftsmodells Ausgangsbasis einer jeden Unternehmensplanung ist das Verständnis des Ge- 402 schäftsmodells. Das Geschäftsmodell ist eine modellhafte Beschreibung des Geschäfts. Es soll helfen, die Schlüsselfaktoren des Erfolgs oder des Misserfolgs zu begreifen. Eine allgemeine Definition des Geschäftsmodells, die allseits anerkannt ist, existiert nicht. Einigkeit besteht allerdings dahingehend, dass das Geschäftsmodell nicht mit der Strategie zu verwechseln ist. Die Strategie dient vielmehr dazu, das Geschäftsmodell in die Realität umzusetzen. Wir analysieren das Geschäftsmodell anhand der Methode von Osterwalder und Pigneur, die sie in ihrem Buch Business Model Generation beschrieben haben. Danach geht das Geschäftsmodell von einem Wertangebot (Value Proposition) aus. Das Wertangebot beschreibt das Paket von Leistungen und Dienstleistungen, dass für ein bestimmtes Kundensegment wertschöpft. Das Wertangebot ist der Grund für die Kundenbeziehungen, denn es löst ein Kundenbedürfnis. Mit der Analyse einher geht die Analyse des Angebots- oder des Nachfragemarkts. Besonderes Augenmerk bei der Analyse des Wertangebots sollte auf Leistungsbündel gelegt werden. Beispielsweise kann der iPod von Apple herangezogen werden, der erst durch die Verknüpfung mit dem Programm iTunes und der Möglichkeit, Musiktitel digital zu kaufen und zu verwalten so erfolgreich geworden ist. Es gilt also bei der Analyse des Wertangebots nachzufragen, weshalb die Kun- 403 den die Produkte oder Dienstleistungen des Unternehmens kaufen sollen. Da das Wertangebot für eine gewisse Zielklientel gedacht ist, geht mit der Analyse die Untersuchung des Käufermarktes einher. Ist das Wertangebot und die Zielkundengruppe definiert, muss im Geschäftsmodell erklärt werden, wie die Kundenbeziehungen gepflegt werden und wie die Distribution der Produkte bzw. der Leistungen erfolgt. 107

I. Analyse

404 Auf der anderen Seite stehen Geschäftspartner, die erforderlich sind, um den Kunden das Wertangebot unterbreiten zu können. Die Realisation des Geschäftsmodells setzt Ressourcen, z. B. Kapital oder Produktionskapazitäten, ebenso voraus wie Schlüsseltätigkeiten. 405 Wenn diese Bereiche analysiert sind, können daraus Zahlungsströme abgeleitet, eingeschätzt und bewertet werden. Wichtiger Hinweis: Wir möchten an dieser Stelle auf das Buch von Osterwalder und Pigneur Business Model Generation und den Folgetitel Value Proposition Design verweisen. Nicht unerwähnt lassen möchten wir, dass sie begleitend zum Buch eine iPad-App entwickelt haben, mit der das Geschäftsmodell grafisch aufgearbeitet werden kann und in eine sehr einfache Rohfassung eines Zahlungsstromplanes überführt werden kann.

406 Für die grafische Abbildung des Geschäftsmodells haben Osterwalder und Pigneur die Business Model Canvas entwickelt. Dieses Canvas ist als kostenlose PDF-Datei unter http://www.businessmodelgeneration.com

im Internet frei zugänglich. 407 In der Krise bzw. im Insolvenzverfahren wird anstelle des Begriffs „Geschäftsmodell“ das „Leitbild des sanierten Unternehmens“ verwendet, welches nach unserer Ansicht im Wesentlichen deckungsgleich ist. Nickert/Kühne, InsBüro 2014, 500 ff.

408 Der einzige Unterschied kann man unseres Erachtens darin sehen, dass das Leitbild des sanierten Unternehmens zukunftsbezogen ist, also einen SollZustand beschreibt, während das Geschäftsmodell den aktuellen Ist-Zustand abbildet. Allerdings gehört auch hier die strategische Planung und die Veränderung auf die künftigen Gegebenheiten dazu, sodass auch das künftige Geschäftsmodell zu beschreiben ist. II. Leitbild des sanierten Unternehmens 409 Mit der Analyse des Unternehmens beschreiben Sie den „Ist-Zustand“. Mit der Beschreibung des Leitbilds des sanierten Unternehmens wird dagegen der „SollZustand“ beschrieben. Letztlich sollen die Maßnahmen aufzeigen, wie man vom Ist zum Soll kommt. Diese drei Bestandteile können auch als strategische Planung bezeichnet werden. 410 Die Erarbeitung des Leitbilds des sanierten Unternehmens ist eine der Kernaufgaben im Rahmen eines Sanierungsprozesses. IDW S 6 (Tz. 83 ff.) definiert das Leitbild des sanierten Unternehmens wie folgt: „Das Leitbild des sanierten Unternehmens umschreibt die Konturen eines sanierten Unternehmens, das in wirtschaftlicher Hinsicht mindestens eine nachhaltige durchschnittliche branchenübliche Rendite und eine angemessen Eigenkapitalausstattung aufweist. Es erschöpft sich nicht in einer Beschreibung gegenwärtiger

108

III. Beschreibung der wesentlichen Geschäftsfelder des Unternehmens Verhältnisse, sondern zeichnet das Bild eines zukünftigen Unternehmens, das wieder attraktiv für Eigen- und Fremdkapitalgeber geworden ist.“

Es dient zugleich der Identifizierung geeigneter Sanierungsmaßnahmen, die 411 erforderlich sind, um sich im Wettbewerb mit seinen Leistungen (Produkten oder Dienstleistungen) gegenüber seinen Wettbewerbern zu behaupten. Damit trägt es zur Ausrichtung der verschiedenen Unternehmenseinheiten und zur Koordinierung der Handlungsverantwortlichen bei. Das Leitbild schließt ein realisierbares, zukunftsfähiges Geschäftsmodell ein. 412 Als knapp und klar zu beschreibende Eckdaten eines Geschäftsmodells kommen insbesondere in Betracht: III. Beschreibung der wesentlichen Geschäftsfelder des Unternehmens Beschreibung der wesentlichen Geschäftsfelder, insbesondere mit: x

ihren Produkt-/Marktkombinationen,

x

der zugehörigen Umsatz-/Kostenstruktur und

x

den hierfür erforderlichen Prozessen und Systemen,

x

Ressourcen und Fähigkeiten, die es zu entwickeln und zu nutzen gilt.

413

Für das Leitbild kommen ergänzend hinzu:

414

x

die langfristigen Zielvorstellungen und Grundstrategien des Unternehmens,

x

die angestrebte Wettbewerbsposition bzw. die angestrebten Wettbewerbsvorteile für den Kunden,

x

die zu beachtenden gemeinsamen Wertvorstellungen, Grundregeln und Verhaltensweisen,

x

die in ihrer Gesamtheit den Kern der Unternehmenskultur bilden und

x

das interne Miteinander sowie das Auftreten nach außen maßgeblich prägen.

Diese Bestandteile des Leitbilds sind nach dem Kriterium der Stimmigkeit zu 415 analysieren und auszurichten. Im Laufe der Konzepterstellung ist das Leitbild anhand der gewonnenen Erkenntnisse zusammen mit den Stakeholdern weiterzuentwickeln. Wichtiger Hinweis: Strategie bedeutet nicht nur zu sagen, was man für wen und wie tun will. Es bedeutet vor allem zu sagen, was man künftig nicht (mehr) oder zumindest anders machen möchte. Dies wird nach unserer Erfahrung häufig vernachlässigt.

1. Beschreibung der Unternehmensstrukturen Das Leitbild gibt das Ziel der Unternehmensentwicklung an. Es legt die Struk- 416 turen und Potenziale des Unternehmens unter Effektivitäts- und Stimmig109

I. Analyse

keitsaspekten fest. Grundvoraussetzung ist zunächst einmal, dass beschrieben wird, was das Unternehmen überhaupt macht, also welche Produkte es herstellt bzw. welche Leistungen es erbringt, auf welchen Märkten es tätig ist, welche Leistungen das Unternehmen selbst erbringt oder welche es einkauft. Hierzu gehört im Übrigen: 417 Die Darstellung der rechtlichen Strukturen. Diese beginnen mit der Rechtsform des Unternehmens. Hier ist es üblich, die Historie auszuwerten und die wesentlichen Verträge darzustellen und ggf. zu analysieren. 418 Das Produktions- und Absatzprogramm ist darzustellen. Dabei ist sowohl auf die Leistungsreife oder die Fokussierung (Spezialisierung), im Detail auf die Produktions- bzw. Fertigungstiefe und auf die Qualitätsmerkmale einzugehen. Zumindest Letzteres sollte aus der Kundensicht analysiert werden. Öfters ist nämlich festzustellen, dass Unternehmen eine Qualität anstreben, die vom Markt zum einen nicht gefordert und vor allem nicht vergütet wird. 419 Krisenunternehmen zeigen regelmäßig Schwächen in Marketing und Vertrieb. Oft fehlt eine klare Positionierung bzw. der Vertrieb nimmt entgegen der Positionierung Aufträge an, um Kapazitäten zu decken. Dies geht einher mit einer erodierenden Preispolitik. Aufgrund der Angst „Geschäft zu verlieren“ werden Aufträge unter den Vollkosten, bisweilen auch unter den direkten Kosten angenommen. Begründet wird dies mit dem Aufbau oder Ausbau „strategischer Partnerschaften. Im Leitbild ist darzustellen, wie dies in der Zukunft aussehen soll. Gegebenenfalls ist dies mit einer Reduktion der Kapazitäten und mit deutlichen Einschnitten verbunden. Wesentlicher Bestandteil ist die künftige Positionierung des Unternehmens. Vgl. hierzu Sawtschenko, Positionierung – das erfolgreichste Marketing auf unserem Planeten, S. 45 ff.

420 Dabei geht es kurz darum, einer relevanten Zielkundengruppe ein einzigartiges Angebot an Leistungen zu offerieren, mit dem man sich signifikant vom Wettbewerb abhebt (USP – Unique Selling Proposition). Unseres Erachtens sind die Positionierung und die Preispolitik die entscheidenden Faktoren des Leitbilds des Unternehmens. Mit der richtigen Positionierung und der richtigen Preispolitik entsteht der wirtschaftliche Erfolg. Ob diesbezüglich der richtige Weg eingeschlagen wird kann durch eine einzige Frage analysiert werden: Es ist kritisch zu hinterfragen, ob das Unternehmen künftig über die erforderliche „Pricing-Power“ verfügt. So lautete die Aussage von Warren Buffet anlässlich der Finanzkrise: Financial Crisis Inquiry Commission Staff Audiotape of Interview with Warren Buffett, Berkshire Hathaway May 26, 2010: „And basically the single most important decision in evaluating a business is pricing power. You’ve got the power to raise prices without losing business to a competitor, and you’ve got a very good business. And if you have to have a prayer session before raising the price by a tenth of a cent (laughs), then you got a terrible business.”

110

III. Beschreibung der wesentlichen Geschäftsfelder des Unternehmens Siehe http://de.scribd.com/doc/50676366/Transcript-of-WarrenBuffett-Interview-With-FCIC (Abruf am 12.8.2014); verkürztes Zitat im Ausschussbericht (Seite 207) unter http://www.gpo.gov/fdsys/pkg/GPO-FCIC/pdf/GPO-FCIC.pdf (Abruf am 12.8.2014); die Pricing Power ist der „Lackmustest“ der Unternehmensstrategie, vgl. auch Simon, Preisheiten 2013, S. 27 ff.

Nachfolgend wollen wir den weiteren wesentlichen Analysebereich kurz 421 skizzieren: x

Ferner sind die Produktion und Beschaffung (Ausstattung, Kapazitäten/ Standorte, Layout, Technologie, Vorleistungen, Abläufe, Bestände, Lieferbeziehungen) zu analysieren. Insbesondere die Produktionskapazitäten sind interessant, zeigen sie doch Reinvestitionsbedarfe und/oder eine Absatzbegrenzung (Mengenbegrenzung) nach oben, soweit das Unternehmen ohne weitere Investitionen auskommen will/muss.

x

Soweit erforderlich sind die Forschung und Entwicklung (F&E engl. R&D; Fähigkeiten, Innovations- und Ideenmanagement, Vermarktungsprozess, Patente, Lizenzen) zu untersuchen. Die Analyse der F&E ist ein Teilbereich der Kernkompetenzanalyse. Nur ein Unternehmen mit hohen und dauerhaft verteidigbaren Kernkompetenzen wird sich im Markt auch dauerhaft durchsetzen. Kernkompetenzen in diesem Sinne sind diejenigen Fähigkeiten, die es einem Unternehmen ermöglichen, einen Wettbewerbsvorteil dauerhaft zu verteidigen. Diese Fähigkeit erfordert es, den Kunden des Unternehmens einen wesentlichen Kundennutzen zu stiften. Prahalad/Hamel, The Core Competence of the Corporation, Harvard Business Review, May/June 1990, 79 – 91.

Allerdings können diese Kernkompetenzen nicht nur in Produkten/Leistungen, sondern auch in den unternehmensinternen Prozessen bzw. im Management bestehen. x

Finanzanalyse (Kapitalbedarf, Zugang zu Finanzquellen, Rating, Kapitalstruktur, Eigenkapitalrentabilität und Cashflow)

x

Analyse der Mitarbeiter (Belegschaftsstärke, Qualifikationen, Arbeitszeitmodelle, Vergütung, Lernprogramme, Motivation, Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber). Hier kann eine existierende schriftliche Personalstrategie, die Bewertung der Assembled Workforce“ oder eine Wissensbilanz (http://www.akwissensbilanz.org/) eine wertvolle Analysequelle sein. Dabei müssen die Führungs- und Fachkräfte (quantitatives und qualitatives Potenzial, Motivation, Anreizsysteme, Abhängigkeit von Schlüsselpersonen) einbezogen werden.

x

Organisation (Unternehmenskultur, Abläufe, Führungs- und Entscheidungsprozesse, lernende Organisation). Ausgangspunkt dieser Analyse wird das Firmenorganigramm sein.

x

Nachhaltigkeit (insb. Arbeitnehmer- und Umweltbelange)

111

I. Analyse

x

Unterstützungssysteme (Rechnungswesen mit Qualitätsbeurteilung, Controlling, IT, Shared Services)

x

Das Leitbild lässt sich auch mit Kennzahlen, wie z. B. Marktanteil, Bekanntheitsgrad, Kundenzufriedenheit, Innovationsleistung, Produktivität und Mitarbeiterbindung weiter konkretisieren.

2. Beschreibung von Wettbewerbsvorteilen und Wettbewerbsstrategien 422 Ziel der Sanierung muss es sein, dass das Unternehmen sich nicht nur am Markt behaupten kann, sondern dass es über das Streben nach Wettbewerbsvorteilen in die Lage versetzt wird, eine Rentabilität zu erreichen, sodass das Unternehmen wieder attraktiv für Eigen- und Fremdkapitalgeber wird. Die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen setzt voraus, dass das Unternehmen im Vergleich zur Konkurrenz über bestimmte Alleinstellungsmerkmale verfügt. Diese können z. B. im Produkt- und Preisbereich, im Markenimage, im Produktions- und Servicebereich sowie in der Kundennähe und der Kundenbindung liegen. Zu einem Wettbewerbsvorteil werden Alleinstellungsmerkmale dann, wenn die im Vergleich zu anderen Wettbewerbern relevanten Besonderheiten der Unternehmung: x

vom Kunden wahrgenommen werden (nicht jede kundenbezogene Besonderheit eines Unternehmens wird als solche überhaupt registriert),

x

vom Kunden besonders honoriert werden (nicht alle wahrgenommenen Leistungs- und Produktmerkmale betreffen Kernbedürfnisse des Kunden und sind insofern kaufrelevant) und

x

dauerhaft sind (ein wirklicher Wettbewerbsvorteil liegt nicht vor, wenn die Besonderheit ohne Weiteres und schnell imitierbar ist).

423 Zur Realisierung von Wettbewerbsvorteilen muss das Unternehmen im Leitbild darstellen, mit welchen Strategien es sich im Wettbewerb behaupten will. Für seine strategische Positionierung kommen in Betracht: x

Kosten-/Preiswettbewerb,

x

Qualitäts-/Leistungswettbewerb,

x

Wettbewerb um Zeitvorteile („Responsewettbewerb“),

x

Innovations-/Technologiewettbewerb und

x

Wettbewerb um die beste Wertschöpfungsarchitektur (sog. Layer Competition).

424 Um durch Einsatz einer geeigneten Wettbewerbsstrategie zu einem nachhaltigen Markterfolg zu gelangen, müssen die verschiedenen Ressourcen und Fähigkeiten des Unternehmens unter dem Kriterium der Stimmigkeit so ausgewählt und zum Einsatz gebracht werden, dass daraus Wettbewerbsvorteile entstehen.

112

III. Beschreibung der wesentlichen Geschäftsfelder des Unternehmens

Checkliste zur Abfassung eines Leitbilds eines sanierten Unternehmens Abgeleitet aus Leitfaden Wissensbilanz, http://www.akwissensbilanz.org/Infoservice/Infomaterial/Wissens bilanz-Leitfaden_2.0_Stand_2013.pdf (Abruf am 15.7.2015). Geschäftsumfeld • • • • • • • • • •

Welche Chancen und Risiken beeinflussen unser Geschäft? Welche aktuellen Entwicklungen im Geschäftsumfeld gibt es? Wie ist die Situation auf den Absatzmärkten? Wer sind unsere wichtigsten Wettbewerber und was ist unsere Position? Wie ist die Situation auf den Beschaffungsmärkten? Was sind die technologischen Rahmenbedingungen am Markt? Welche politischen Rahmenbedingungen müssen wir beachten? Wie sieht das soziale Umfeld an unseren Standorten aus? Wie ist die aktuelle Konjunkturlage unserer Branche? Wie sieht der Markt für potenzielle und zukünftige Mitarbeiter aus?

Vision

• Was ist unser Selbstverständnis als Organisation? • Was wollen wir grundsätzlich erreichen und was sind unsere übergeordneten, langfristigen Ziele? • Ggf.: Welche Position am Markt wollen wir einnehmen?

Strategie

• Welche Strategie verfolgen wir zum Erreichen unserer Vision im gegebenen Geschäftsumfeld? • Wie können wir unsere bisherigen Stärken dazu nutzen? • Welche Schwächen müssen wir ausgleichen und wie wollen wir sie ausgleichen?

Personal/ Intellektuelles Kapital

• Wie soll unser Personal zusammengesetzt sein? Welche Qualifikationen benötigen wir? • Welches Strukturkapital benötigen wir, um unsere Vision und Strategie umzusetzen? • Welches Sozialkapital benötigen wir, um erfolgreich zu sein? Mit wem müssen wir Beziehungen auf bzw. ausbauen?

Geschäftserfolge • Woran messen wir den Erfolg unseres Unternehmens? • Welche Geschäftsergebnisse müssen wir kurz- und mittelfristig sicherstellen, um unsere Vision zu erreichen, die Pricing-Power zu erhalten oder auszubauen und unsere Strategie zu erfüllen? • Wie sind diese Ergebnisse genau definiert (in absoluten oder Prozentzahlen)? • Hilfsfrage: Welche externen Wirkungen sollen bei Kunden, Partnern und der Öffentlichkeit erzielt werden? • Hilfsfrage: Was schätzen unsere Kunden an uns? Geschäftsprozesse

• Über welche zentralen Geschäftsprozesse (Leistungsprozesse/ Kernprozesse) werden unsere Geschäftsergebnisse erstellt? • Hilfsfrage: Was produzieren und verkaufen wir und über welche zentralen Prozesse/Arbeitsschritte erzielen wir für unsere Kunden einen Mehrwert?

113

425

I. Analyse

426 Die Beantwortung dieser Fragen stellt zugleich die strategische Planung dar. IV. Externe Analyse Analyse der Marktsituation – Porters Five Forces 427 Die fünf Marktkräfte (Porters Five Forces) sind eine geeignete und übliche Darstellungsform um das Unternehmen im Wettbewerb darzustellen. Die Branchenstrukturanalyse nach dem Fünf-Kräfte-Modell (engl. five forces) ist im strategischen Management ein von Michael E. Porter entwickeltes Hilfsmittel zur Strategieanalyse in der unternehmerischen Planung. Porter, Wettbewerbsstrategie, S. 33 ff. Die Ergebnisse dieser Analyse fließen oft als Umweltanalyse in eine SWOTAnalyse ein, wobei die Kräfte beschrieben werden, die von der externen Umwelt auf die Unternehmung einwirken. Der Ursprung des Modells ist der industrieökonomische Ansatz. Der Grundgedanke ist, dass sich die Attraktivität des Marktes vor allem durch die Marktstruktur bestimmt. Die Marktstruktur wiederum beeinflusst das strategische Verhalten der Unternehmen, d. h. ihre Wettbewerbsstrategie, welche wiederum ihren Markterfolg bestimmt. So ist der Erfolg einer Unternehmung also zumindest indirekt von der Marktstruktur abhängig. Das Modell basiert auf der Idee, dass die Attraktivität einer Branche durch die Ausprägung der fünf wesentlichen Wettbewerbskräfte bestimmt wird: 1.

Rivalität unter den bestehenden Wettbewerbern/brancheninterner Wettbewerb (zentrale Triebkraft) (engl. intensity of competitive rivalry bzw. industry rivalry)

2.

Bedrohung durch neue Anbieter (engl. potential entrants) (auch Zugangsbeschränkung (engl. barriers to entry oder threat of entry)

3.

Verhandlungsstärke der Lieferanten (engl. bargaining power of suppliers)

4.

Verhandlungsstärke der Abnehmer (engl. bargaining power of buyers bzw. bargaining power of customers)

5.

Bedrohung durch Ersatzprodukte (Substitution) (engl. threat of substitutes)

Je stärker die Bedrohung durch diese fünf Wettbewerbskräfte ist, desto unattraktiver ist die betrachtete Branche und desto schwieriger ist es, einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Unternehmen sollten daher versuchen, in einer Branche mit attraktiver Branchenstruktur tätig zu sein und eine verteidigungsfähige Position in ihrer Branche aufzubauen, also eine Position in der die fünf Wettbewerbskräfte eine möglichst wenig bedrohliche Ausprägung aufweisen. Unternehmen können zudem auf die fünf Kräfte mit Hilfe entsprechender strategischer Ausrichtung einwirken. Dies kann die Attraktivität einer Branche erhöhen. Wenn jedoch Unternehmen die Verteilung der Wettbewerbskräfte zum Vorteil der eigenen Wettbewerbsposition beeinflussen ohne sich über die langfristigen Auswirkungen im Klaren zu sein oder diese bewusst in Kauf nehmen, kann dies Struktur und Rentabilität einer Branche ebenso zerstören. Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Branchenstrukturanalyse (Abruf am 20.7.2015).

114

IV. Externe Analyse

Potentielle Mitbewerber Bedrohung durch Markteintritt neuer Konkurrenten

Mitbewerber Zulieferer

Verhandlungsstärke

Verhandlungsstärke

Kunden

Rivalität

Bedrohung durch Ersatzprodukte

Ersatzprodukte

PESTL Analyse Mit der PESTL Analyse wird das gesamte Unternehmensumfeld und beste- 428 hende oder aufkommende Trends untersucht. Wikipedia „STEP Analyse“, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/STEP-Analyse(Abruf am 18.7.2015).

Darunter versteht man:

429

Sozio-kulturelle Faktoren sind Werte, Lebensstil, demografische Einflüsse, Einkommensverteilung, Bildung, Bevölkerungswachstum, Sicherheit. Technologische Faktoren umfassen Forschung, neue Produkte und Prozesse, Produktlebenszyklen, staatliche Forschungsausgaben. Ökonomische Faktoren sind Wirtschaftswachstum, Inflation, Zinsen, Wechselkurse, Besteuerung, Arbeitslosigkeit, Konjunkturzyklen, Verfügbarkeit von Ressourcen. Politische Faktoren beinhalten Wettbewerbsaufsicht, Gesetzgebung, politische Stabilität, Steuerrichtlinien, Handelshemmnisse, Sicherheitsvorgaben und Subventionen. Zwischen den einzelnen Faktoren gibt es wechselseitige Abhängigkeiten, das heißt, dass eine Änderung in einem Gebiet auch zu Veränderungen in anderen Bereichen führen kann. So können z. B. technologische Veränderungen ökonomische Folgen haben oder politische Entscheidungen die ökonomische Entwicklung beeinflussen. Für jede der vier oben genannten Einflussfaktoren sollten bei der STEP (PEST)-Analyse die folgenden Fragen gestellt werden um die Veränderungen und die treibenden Kräfte zu identifizieren, die die Veränderung herbeiführen: Welche zukünftigen Trends könnten das Nachfrage- und Marktverhalten unserer Lieferanten/unserer Wettbewerber verändern? Wann wird hierfür der Zeitpunkt sein?

115

I. Analyse

Branchenanalyse 430 Zusätzlich sollten aktuelle Branchenanalysen ausgewertet werden. Diese können z. B. von Feri (kostenpflichtig) und von den Banken bzw. Bankverbänden i. d. R. kostenlos bezogen werden. SWOT Analyse 431 Ebenfalls sollte das Unternehmen einer SWOT-Analyse unterzogen werden, die den internen Bereich mit dem externen Unternehmensumfeld verknüpft. Stärken (Strength) Lage des Unternehmens • Patente • Kostenvorteile durch eigenes Know-how • Marketingexpertise von Experten • Exklusiver Zugang zu natürlichen Ressourcen • Qualitätsprozesse und Verfahren • Neues, innovatives Produkt oder Service • Starke Marke oder Reputation • Know-how der Mitarbeiter

Schwächen (Weaknesses) Mangel an Marketingexpertise • Lage der Firma • Geringere Qualität der Waren oder • Dienstleistungen • Beschädigte Reputation • Undifferenzierte Produkte oder Services (d. h. im Vergleich zu Ihren Konkurrenten) • Konkurrenten haben besseren Zugang zu Vertriebskanälen

Möglichkeiten (Opportunities) • Fusionen, Joint Ventures oder strategische Allianzen • Sich entwickelnder Markt (China, das Internet) • Neue Technologien • Neuer internationaler Markt • Neue attraktive Marktsegmente

Bedrohungen (Threats) • Neue Regelungen • Ein neuer Konkurrent im eigenen Binnenmarkt • Preiskrieg • Konkurrent hat ein neues, innovatives Ersatzprodukt oder Service • Technologischer Fortschritt lässt den Markt für die eigenen Produkte verschwinden

432 Soll eine Unternehmensplanung einerseits ein zu erwartendes Ergebnis unter Einbeziehung aller Chancen und Risiken aufzeigen und anderseits das Risiko von Planabweichungen kenntlich machen, Flath/Biederstedt/Herlitz, Controlling & Management Review, Sonderheft 2015, 82 ff.,

muss sich die Planung und damit vorgelagert die Unternehmensanalyse zwingend mit dem Risikomanagement des Unternehmens beschäftigen. Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, S. 159 ff.; ders., ZfCM 2004, 350 ff.

433 Sofern, wie bei KMU häufig der Fall, das Unternehmen über kein systematisches Risikomanagement verfügt, muss im Rahmen der Unternehmensplanung wenigstens rudimentär und auf die wesentlichen Chance-Risiko-Treiber eine Analyse und Bewertung erfolgen. Wichtig ist dabei, nicht nur die Risiken,

116

IV. Externe Analyse

sondern auch die Chancen zu berücksichtigen. Im Folgenden wird zur Vereinfachung nur noch von Risiken gesprochen. Bei der Analyse des Risikomanagements wird zunächst eine Risikoinventur 434 durchführt. Es empfiehlt sich alle relevanten Bereiche anhand einer Checkliste zu analysieren. Als Ausgangsbasis kann z. B. auf die Risikofeldermatrix von Gleißner zurückgegriffen werden. Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, S. 63.

Zum Beispiel:

435

Risikofeldermatrix: Strategisches Risiken Einzel-Risiko

Schadens- Eintrittswahrausmaß scheinlichkeit

Strategische Risiken

In Euro

In Prozent

Unsichere Prämissen für Strategie Marktrisiken Abhängigkeit von Großkunden Finanzmarktrisiken Financial Covenants Compliance & Corp Governance Rechnungswesen & Controlling Leistungsrisiken Auftragsplanung und Vorbereitung Außerordentliche und spezielle Risiken Projektkalkulation

Anschließend werden die Risiken bewertet. Üblicherweise erfolgt dies unter- 436 teilt in zwei Kategorien: x

Eintrittswahrscheinlichkeit und

x

Schadenshöhe

In Bezug auf die Unternehmensplanung ist es erforderlich, die Risikointegra- 437 tion nach dem Grundsatz der Wesentlichkeit auf die starken Risikotreiber zu konzentrieren. Als Faustformel sollte man jedenfalls bei KMU die wichtigsten 5 – 15 Risikofelder erfassen. Dies deckt sich in etwa mit den wesentlichen Werttreibern der Planung, die in der Praxis auf 8 – 12 reduziert werden. Barkalov, BC 9/2011, 381, 383.

Im Rahmen der einwertigen Planung oder bei der Szenarioplanung werden für 438 die Planungsfälle dann die Erwartungswerte aus dieser Risikobewertung übernommen. Soweit die Planung Maßnehmen zur Risikoreduktion, Risikovermeidung oder Risikoüberwindung vorsieht, sind diese ebenfalls zu berücksichtigen. 117

I. Analyse

439 Soweit die Risiken in einer Monte-Carlo-Simulation erfasst werden, wird die Grundplanung um die Risiken mit der entsprechenden Verteilungsannahme ergänzt. Eine solche Simulation schaffe natürlich wesentlich mehr Transparenz über die Risiken einschließlich deren Auswirkungen, ist aber auch entsprechend aufwendiger. 440 Soweit ein explizites Risikomanagement besteht, sollte die Entscheidung bzw. Vorgabe zur Risikopräferenz be- und hinterfragt werden. INQA-Unternehmenscheck 441 Ein weiteres noch recht neues Tool ist der INQA Unternehmenscheck der „Offensive Mittelstand“ (http://www.offensive-mittelstand.de/praxishilfen/ inqa-unternehmenscheck-guter-mittelstand/; mit einer kostenlosen App des Tests für Apple iOS und Android). Dieser Check kann ein erster Indikator für eine Erstanalyse sein. Er eignet sich eher für kleinere Unternehmen (Faustformel unter 50 Mitarbeiter). Mit dem Check kann man in einem ersten Termin eine grobe Darstellung der Problembereiche abfragen. Ausgehend von dieser Ersteinschätzung ist aber eine weitere tiefere Untersuchung regelmäßig angezeigt. 442 Der Check hat den Vorteil, dass die zur Verfügung gestellten Unterlagen einfach und verständlich aufgebaut sind. Die ersten drei Bereiche (Strategie, Liquidität, Risikomanagement) sind äußerst planungsrelevant. V. Interne Analyse 443 Selbstverständlich gehört zur Analyse der Ausgangslage die interne Jahresabschlussanalyse (Bilanzanalyse) z. B. mit den DATEV-Programmen, mit denen man auch die Insolvenzgründe ansatzweise überprüfen kann: x

Rechnungswesen mit OPOS

x

DAEV Liquiditätsvorausschau (Excel-Tool)

x

Unternehmensanalyse/Krisenprognose

x

Unternehmensprognose, -planung

x

Betriebsvergleich

x

Statische Liquidität

x

Rating Software

x

Datenanalyse mit ACL(korrespondierend IDEA)

444 Zunächst richtet sich der Blick in die Vergangenheit. Hier gibt es Bilanz-, GuVPositionen und signifikante Kennzahlen, die über einen längeren Zeitraum ausgewertet werden können. Es bieten sich Analyseprogramme, wie z. B. die Unternehmensanalyse, an. Zunächst gilt es dann offensichtliche Abweichungen festzustellen, z. B. Umsatzeinbruch, Anstieg der Fremdverschuldung, Anstieg der Halbfertigen im Bau etc. Diese Abweichungen sind zu hinterfragen und aufzuklären. 118

V. Interne Analyse

Darüber hinaus gibt es Faustformeln, mit denen man in einer Vielzahl von 445 Fällen zu treffenden Ergebnissen gelangt: Vgl. auch Lienhard in: Nickert/Lamberti, Rn. 85 ff. (erscheint in Kürze).

Liquidität: x Liquidität 1. Grades sollte mehr als 90 % betragen. x

Liquidität 2. Grades sollte mehr als 100 % betragen.

x

Analyse des dynamischen Verschuldungsgrads

446

Zum Barvermögen ist bei den Liquiditätsgraden die freie Kreditlinie hinzu- 447 zuzählen. Die Zahlen stellen keine absolut verlässlichen Werte dar, allerdings lassen Sie 448 mit wenig Aufwand vergleichsweise gute Aussagen über die wirtschaftliche Lage zu. Besonderheiten können sich bei hohem Vorratsvermögen und einer großen Umschlagshäufigkeit ergeben. Ertrag: x

Eigenkapitalrentabilität – die Eigenkapitalrentabilität sollte wenigstens 449 einem Vergleich mit einer Bankanlage zzgl. Risikozuschlag standhalten.

x

Umsatzrentabilität – diese Kennzahl ist stark branchenabhängig und kann nicht verallgemeinert werden.

Kapitalausstattung: x Eigenkapitalquote (sollte mind. über 10 % liegen)

450

Finanzierung: x Deckungsgrad I > 1

451

Alle diese Zahlen können unmittelbar aus der BWA/SuSa entnommen werden. 452 Damit stehen Sie der Bank bzw. einem Insolvenzverwalter gleichermaßen zur Verfügung. Die Zahlen sind nicht absolut zu verstehen, aber sie geben eine erste Indikation für die Problemstellen. Neben diesem vergangenheitsbezogenen internen Vergleich ist der Branchen- 453 vergleich ein gutes Analyseargument. Produkte werden hierzu z. B. von der DATEV oder vom Deubner Verlag angeboten. Auch die Banken, insbesondere die Volksbanken und Sparkassen, stellen derartige Zahlen zur Verfügung. Der Vorteil bei den örtlichen Banken sind die regionalen Branchenkennzahlen. Die Banken reichen Kredite aus und verdienen damit ihr Geld. Allerdings überwachen die Banken die Engagements, um Risiken vorzeitig abschätzen zu können. Die Banken verfügen über große Datenbestände und Informationsquellen. In der Krise begrüßen die Banken offensives Vorgehen. Das heißt, es kann ratsam sein, die Bank nach der Beurteilung des Engagements und deren Einschätzung zu fragen. In der Regel besitzen die Banken eine StärkenSchwächen-Analyse und können Vor- und Nachteile zur Konkurrenz aufzei119

I. Analyse

gen. Ferner können über Innungen, Kammern etc. Branchenkennzahlen angefordert werden. Diese Zahlen können dann mit den eigenen Zahlen verglichen werden, um hieraus Schlüsse auf die eigene Lage zu ziehen. 454 Bedenklich ist insbesondere aus Sicht der Banken, wenn das Unternehmen in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einem oder mehreren Hauptkunden oder -lieferanten steht. Jedenfalls wenn die getätigten Umsätze mehr als 20 % betragen, sollte die Situation kritisch hinterfragt und regelmäßig beobachtet werden. Unter Umständen müssen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Vertragspartners in die eigene Entscheidung einbezogen werden (Kreditreform etc.). Gerade bei größeren Unternehmen bietet sich hier die Durchsicht des Lageberichts (Risikobericht und Prognosebericht) an. Eine derartige Abhängigkeit kann ein erstes Krisenanzeichen sein, insbesondere in insolvenzanfälligen Branchen (z. B. Bau). 455 Soweit das Unternehmen in der Vergangenheit bereits Planungsrechnungen erstellt hat, sind diese einschließlich der folgenden Soll-Ist-Vergleiche zu analysieren. Insbesondere wenn der Auftrag auf Plausibilisierung der Planung lautet, ist die Anzahl der Vorplanungen und die Planungstreue von besonderer Bedeutung. Je mehr Planungserfahrung im Unternehmen besteht, desto glaubwürdiger ist die Aussage der Planung. Selbiges gilt für die Planungstreue. Vgl. auch Spindler, AG 2006, 677, 679 „repeated games“; Karollus/Huemer, Die Fortbestehensprognose im Rahmen der Überschuldungsprüfung, S. 103.

456 Ziel der externen und internen Analyse ist es, das nachhaltige Erfolgspotential zu zeigen. Dies bedingt, dass die Vergangenheit um (positive wie negative) Sondereffekte zu bereinigen ist. Darunter versteht man solche Ereignisse und Effekte, die einmalig sind und sich voraussichtlich im Planungszeitraum nicht wiederholen werden. 457 Bei der Bilanzanalyse bietet sich folgendes Vorgehen an: x

Analyse der letzten 5 – 10 Jahresabschlüsse mit Kennzahlenanalyse

x

Bereinigung der Vergangenheit um aperiodische nicht nachhaltige Sondereffekte (händische Eingabe oder Änderung im gesondert gespeicherten Buchführungsbestand)

x

Erneute Analyse der Vergangenheit mit Kennzahlenanalyse

458 Ein wichtiger und in der Sanierungspraxis bislang übersehener Analyseschwerpunkt ist die Analyse der nachhaltigen Ertragskraft in Bezug auf Schlüsselmitarbeiter bzw. den Unternehmer. Seitens der Stakeholder wird oft verlangt, der Gesellschaft „Eigenkapital zuzuführen“. Gemeint ist damit immer wieder, einen anderen Gesellschafter aufzunehmen, der dann auch in die Leitungsfunktion eintritt. Hintergrund ist der Vertrauensverlust insbesondere bei den Banken. Man traut dem Unternehmer, der das Unternehmen in die Krise geführt hat nicht zu, das Unternehmen wieder aus der Krise heraus zu führen. Dabei wird regelmäßig übersehen, dass selbst bei schlechter Unternehmensführung Er120

V. Interne Analyse

tragspotential am Unternehmer oder am Geschäftsführer hängen kann. Dies ist insbesondere auch bei Vergleichsrechnungen in Insolvenzplänen gemäß § 220 InsO zu berücksichtigen. Gerade in kleinen und mittleren Unternehmen, sog. KMU, kann dies aufgrund 459 der bestimmenden Funktion des Unternehmers bedeutsam sein. Letztlich ist entscheidend, ob und in welchem Umfang die Ertragskraft vom Unternehmer abhängt, sog. übertragbare Ertragskraft. Ist dies der Fall und soll die Person des Unternehmens ausgetauscht werden, so muss die Ertragsauswirkung in der Planung gezeigt werden. IDW-Praxishinweis-1/2014 – Besonderheiten bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts kleiner und mittelgroßer Unternehmen (IDW Praxishinweis 1/2014), IDW Fachnachrichten, Heft 4/2014, 282.

Weitere qualitative Besonderheiten bestehen häufig in Überschneidungen 460 zwischen betrieblicher und privater Sphäre und zu nicht marktgerechten Konditionen vergüteter Mitarbeit von Familienmitgliedern der Eigentümer. Beim Ausscheiden des Unternehmers sind die in seiner Person bestehenden Erfolgsfaktoren zu bereinigen. In diesem Fall würde massiv Unternehmenswert vernichtet. Dies können folgende Punkte sein: x

Beziehungen zu Kunden und Lieferanten

x

Spezialwissen

x

Führungsqualitäten

x

Geschäfte mit nahe stehenden Personen

461

Soweit wertbestimmende Faktoren für die Erzielung der finanziellen Über- 462 schüsse künftig nicht mehr oder nur noch zeitlich begrenzt zur Verfügung stehen, ist die in der Vergangenheit vorhandene Ertragskraft nur partiell oder zeitlich begrenzt übertragbar. Ist die Ertragskraft nur in einem eingeschränkten Maße übertragbar, schmilzt das zukünftige Ertragspotential in einem endlichen Zeitraum ab. Damit ist zu unterscheiden:

463

x

Vollständig übertragbare Ertragskraft: Hier wird davon ausgegangen, dass das bisherige Management im Unternehmen verbleibt oder ein gleichwertiger Ersatz gefunden wird. Dies bedarf einer genauen Analyse.

x

Partiell oder temporär übertragbare Ertragskraft

Aufgrund der engen Bindung der Erträge bzw. Einnahmen an die Person des 464 Eigentümers können sich ohne dessen weiteres Mitwirken im Unternehmen diese Erfolgsfaktoren im Zeitablauf verbrauchen und somit nur zeitlich begrenzt zur Verfügung stehen. Die damit verbundenen finanziellen Überschüsse können zumindest nicht dauerhaft erwirtschaftet werden. 121

I. Analyse

465 Der jeweilige Abschmelzungszeitraum hängt von den Verhältnissen des zu bewertenden Unternehmens sowie unter Umständen auch von seinem Branchenumfeld ab. 466 Bezüglich der Kennzahlen sollte überlegt werden, welche von diesen überhaupt einen Aussagegehalt für die Zukunft haben. So wird die Analyse der Anlagendeckung eines Handelsunternehmens, welches das Geschäft in gemieteten Immobilien betreibt, wenig Sinn machen. Insoweit sind nachfolgende Vorschläge auf deren Gehalt zu hinterfragen. Das IDW schlägt im Standard S 6 (Tz. 146 ff.) nachfolgende Kennzahlen zur Analyse der Planung vor. Diese Kennzahlen in der Planung abzubilden, macht nur dann einen Sinn, wenn sie auch die der Historie ermittelt wurden. 467 Die integrierte Planung ist insbesondere um solche Kennzahlen zu ergänzen, die die Aussage zur Sanierungsfähigkeit stützen. In Betracht kommen: 1. Liquiditätskennzahlen, vor allem: a) Liquiditätsgrade I bis III b) Cashflow in % vom Umsatz c) Schuldentilgungsdauer in Jahren (dynamischer Verschuldungsgrad) d) Kapitaldienstdeckungsfähigkeit – Debt Service Coverage 2. Ertragskennzahlen, vor allem: a) Gesamtkapitalrentabilität b) Eigenkapitalrentabilität c) Umsatzrentabilität d) Material-/Fremdleistungsquote e) Personalaufwandsquote f) EBITDA in % v. Umsatz 3. Vermögenskennzahlen, vor allem: a) Eigenmittelquote b) Verschuldungsgrad c) Anlagendeckung d) Working Capital e) Laufzeiten der Debitoren und Kreditoren in Tagen f) Vorratsreichweite in Tagen. 468 Hinzu kommen etwaige vertraglich vereinbarte Kennzahlen im Rahmen sog. Covenants und/oder Ratingnoten, z. B. nach der IFD Rating Skala.

122

VI. Feststellung des Krisenstadiums

Eine weitere Analyse kann der Ermittlung der Gewinn-Schwelle (Break Even 469 Point, BEP) dienen, also der Absatzmenge, die zu erreichen ist, um ein positives Ergebnis zu erzielen. Der Differenzbetrag vom aktuellen Niveau und vom BEP kann als Sicherheitspuffer verstanden werden. Dieser kann sich aber auch auf den Preis beziehen, also wie viel Preisreduktion bei gleichbleibender absatzmenge zu verkraften ist. An diese Kennzahlen sollte man sich aber nicht sklavisch halten. Wenn man 470 akzeptiert, dass die Planung aufgrund der Individualität des Unternehmens ein Maßanzug ist, gilt dies auch für die Auswahl der Kennzahlen. So ist z. B. bei einem Textil-Einzelhändler in der Innenstadt der Umsatz/m² eine entscheidende Kennzahl, die aber im produzierenden Gewerbe überhaupt nichts aussagt. Die Entwicklung der Kennzahlen und deren Kommentierung verdeutlichen 471 den geplanten Sanierungsverlauf und stellen Kontrollgrößen für den Grad der Zielerreichung des Sanierungskonzepts dar. Sie liefern zugleich Eckpunkte für die Beurteilung des Sanierungskonzepts durch Dritte. VI. Feststellung des Krisenstadiums Auch für die Zwecke der Unternehmensplanung ist es wichtig, das Krisen- 472 stadium zu bestimmen. Denn in die Planung sind bekanntlich Maßnahmen hinein zu modellieren. Dabei gilt der Grundsatz der stadiengerechten Überwindung der Krise. Folglich müssen zunächst die Krisenstadien in ihren Ausprägungen ermittelt werden. Unternehmen in der Krise durchlaufen regelmäßig verschiedene Stadien, wobei 473 sich in der Entwicklung bis hin zur Insolvenz die Stadien der Stakeholder-, Strategie-, Produkt- und Absatzkrise sowie der Erfolgs- und Liquiditätskrise unterscheiden lassen. Diese Krisenstadien müssen sich nicht zwingend in dieser Verlaufsfolge entwickeln; sie können auch parallel, singulär oder überlappend auftreten. Krisen spitzen sich im Zeitablauf i. d. R. zu. Nach IDW S 6 sind die einzelnen Krisenstadien vollständig zu analysieren. 474 Dies gilt uneingeschränkt auch für die Zwecke der Unternehmensplanung, da das Krisenstadium abgestimmte Überwindungsmaßnahmen erfordert, die in die Planungsrechnung einbezogen werden müssen, und darüber hinaus die Anforderungen an die Dokumentation der Annahmen bestimmt werden. 1. Feststellungen zur Stakeholderkrise Krisen auf Ebene der Stakeholder (dies sind insbesondere Mitglieder der Unter- 475 nehmensleitung und der Überwachungsorgane, Gesellschafter, Arbeitnehmer und ihre Vertretungen, Banken und andere Gläubiger) entstehen oft durch Konflikte zwischen diesen Gruppen und ihren Mitgliedern. Die Konsequenzen treten schleichend ein. Das bisherige Leitbild ist wegen 476 veränderter Rahmenbedingungen überholt oder wird in dem Unternehmen

123

I. Analyse

nicht mehr gelebt. Innerhalb der Leitungs- und Überwachungsebene bis in die Belegschaft hinein treten Blockaden und Polarisierungen auf. Dadurch wird das Aufkommen eines Umfeldes begünstigt, das Täuschungen und Vermögensschädigungen ermöglicht, z. B. weil x

Aktivitäten des Controlling und der internen Revision bewusst behindert oder manipuliert werden,

x

falsche Bereichsergebnisse billigend in Kauf genommen werden,

x

Unstimmigkeiten in den Potenzialen u. a. dadurch eintreten, dass Schwächen in der Produktqualität durch erhöhte Marketing-Aktivitäten kompensiert werden sollen.

477 Dies geht oft einher mit Spannungen zwischen der Geschäftsleitung und der Belegschaft. Hier ist zu berücksichtigen, dass mein „Unternehmen“ nicht sanieren kann. Insolvent oder in der Krise ist zwar ein „Unternehmen“, also ein Rechtsträger. Schieflagen entstehen durch fehlerhafte Entscheidungen und durch fehlerhaftes oder unterlassenes Handeln. Dies kann sich auf alle Ebenen (Geschäftsleitung und Mitarbeiter) beziehen. Eine Sanierung gegen die Mitarbeiter und/oder gegen die Geschäftsleitung ist nicht möglich, soll doch die Sanierung künftig richtige Entscheidungen und richtiges Handeln bewirken. Aus diesem Grund ist der Analyse des Personalwesens besondere Bedeutung beizumessen. 2. Feststellungen zur Strategiekrise 478 Strategiekrisen ergeben sich häufig als Folge einer Stakeholderkrise, z. B. x

Wegen unzureichender Kundenorientierung und unsystematischer Beobachtung der Wettbewerbsentwicklungen erfolgen unangemessene oder ineffektive Innovationen und Investitionen, Die Folge sind falsche Strategien und strukturelle Defizite. Hierfür sind gerade erfolgreiche Unternehmen anfällig, das deren bestehende oder kurzfristige Erfolge Schwachstellen überdecken.

x

Übermäßige Abhängigkeiten von einzelnen Lieferanten, Kunden, Absatzwege, Finanzierungsquellen etc.

x

Schwächen im Personalmanagement können gleichermaßen Ursache wie auch Folge einer Strategiekrise sein (siehe Rn. 477 f.).

x

Die Wahl der Vertriebswege: Der Außendienst und dessen Entlohnung kann häufig Verstärker der Krisenursache sein.

x

Die Sortimentsbreite des Unternehmens ist zu untersuchen (Gefahr der Verzettelung). Damit einher geht die Analyse der Diversifikationspolitik. Unseres Erachtens ist gerade bei KMU weniger mehr. Im Sinne der engpasskonzentrierten Strategie (EKS) sollten KMU eher „spitz statt breit“

124

VI. Feststellung des Krisenstadiums

sein, d. h. eher weniger Leistungen, diese aber besser als der Markt erbringen. Vgl. zur Methode: Friedrich, Erfolgreich durch Spezialisierung, S. 91 ff., 125; Friedrich/Malik/Seiwert, Das große 1x1 der Erfolgsstrategie, S. 20 f.

x

Es fehlt an einer strategische Ausrichtung des Unternehmens oder diese ist nicht schriftlich fixiert und den Mitarbeitern bekannt.

x

Das Unternehmen versäumt, Innovationen dauerhaft zu verankern. Vielmehr erfolgen planlose Produktentwicklungen ohne Prioritäten und Zeitvorgaben.

Auch exogene Ursachen spielen eine Rolle, wie z. B.: x

Änderung des Kaufverhaltens

x

Sinkende reale Kaufkraft

x

Marktsättigungen

x

Spezifische Branchenrisiken

x

Politische Risiken

479

Zu erkennen ist die Strategiekrise vor allem am Verlust von Marktanteilen, was 480 wiederum einen Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit indiziert und damit grundlegende strategische Sanierungsmaßnahmen erforderlich macht. 3. Feststellungen zur Produkt- und Absatzkrise In der Folge einer Strategiekrise kann sich eine Produkt- und Absatzkrise 481 entwickeln. Sie liegt vor, wenn die Nachfrage nach den Hauptumsatz und -Erfolgsträgern nicht nur vorübergehend stark zurückgeht. Aus dieser Entwicklung resultieren steigende Vorratsbestände und dadurch eine Zunahme der Kapitalbindung. Auch führen Unterauslastungen der Produktionskapazitäten zu Ergebnisrückgängen. Regelmäßig folgt auf die Strategiekrise eine Marketingkrise. Wichtig ist dabei 482 das Marketingverständnis. Darunter ist gerade nicht nur Werbung zu verstehen, sondern ein systematischer Prozess, mit dem sichergestellt wird, dass die Produkte und Leistungen bei den Zielkunden ankommen. Namentlich geht es um Produktanpassungen, die optimale Bepreisung der Produkte und Leistungen, die richtige Wahl der Kundenkanäle und zum Schluss auch Werbung und Vertrieb. Pointiert kann man es ausdrücken: „Der Köder muss dem Fisch und nicht dem Angler schmecken.“ Eine solche Situation kann durch Umstände auf der Nachfrageseite oder auf 483 Unternehmensseite verursacht sein, wie z. B.: x

Qualitativ nicht ausreichendes Marketing- und Vertriebskonzept

125

I. Analyse

x

Sortimentsschwächen

x

Verzögerte Produktentwicklungserfolge

x

Qualitätsprobleme bei Produkten, Dienstleistungen, Service

x

Veraltete Produktpaletten

x

Falsch eingeschätzte Preisentwicklung und Fehler in der Preispolitik

x

Schwächen in der Liefertreue

x

Umsatzrückgänge infolge überhöhter Preisforderungen

x

Preise unter Selbstkosten

x

Keine oder nur unzureichende Vor- und Nachkalkulationen

x

Verlustbringende Großprojekte

x

Schlechte Materialwirtschaft; zu hohe, veraltete oder falsch strukturierte Warenbestände

x

Fehler in der Vertriebssteuerung/falsche Anreizsysteme im Vertrieb

4. Feststellungen zur Erfolgskrise 484 Ein Renditeverfall drückt sich darin aus, dass x

zunächst die Eigenkapitalkosten (vgl. IDW S 1 Tz. 85 ff.) nicht mehr verdient werden,

x

sodann entstehen starke Gewinnrückgänge und schließlich

x

Verluste bis hin zum vollständigen Verzehr von Eigenkapital.

x

Diese Entwicklung wird geprägt durch Nachfragerückgänge, Preisverfall und Kostensteigerungen je verkaufter Einheit.

485 Diese Entwicklung wird geprägt durch Nachfragerückgänge, Preisverfall, Kostensteigerungen je verkaufter Einheit und meistens Verlust der wichtigen und besten Mitarbeiter. 5. Feststellungen zur Liquiditätskrise 486 Mit Eintritt der Liquiditätskrise ist das Unternehmen in seiner Existenz akut gefährdet. Eingetretene Liquiditätsschwierigkeiten indizieren ein Insolvenzrisiko, falls keine oder unzureichende Maßnahmen ergriffen werden. 487 Häufig wird spätestens mit einer Liquiditätskrise auch eine krisenverschärfende Finanzierungsstruktur offensichtlich. Gründe hierfür können sein: x

126

Mangelnde Fristenkongruenz zwischen Kapitalbindung und Kapitalbereitstellung

VI. Feststellung des Krisenstadiums

x

Unzureichendes Forderungsmanagement

x

Unzureichendes Working-Capital-Management

x

Finanzierung von Anlagevermögen aus Cashflow

x

Fehlende Übereinstimmung zwischen Geschäftsmodell und Eigenkapitalsituation

x

Komplexe Finanzierungsstruktur aufgrund einer Vielzahl bilateraler Beziehungen zu Finanzgebern mit heterogener Interessenlage

x

Unausgewogene Zusammensetzung der Finanzierung mit Eigenkapital, Fremdkapital und hybriden Finanzierungsformen.

x

Klumpenrisiken in der Fälligkeitsstruktur von Finanzierungen.

x

Zu große Investitionen, insbesondere auch in unproduktiven Bereichen

6. Feststellungen zur Insolvenzreife Eine sich zuspitzende Liquiditätskrise kann zu dem Insolvenzgrund der 488 (drohenden) Zahlungsunfähigkeit führen. Wird eine Insolvenzreife festgestellt, muss diese mit geeigneten und schnell realisierbaren Maßnahmen beseitigt und eine positive Fortbestehensprognose geschaffen werden.

127

J. Maßnahmen definieren Das jeweilige Krisenstadium bestimmt Inhalte, Handlungsspielraum und Maß- 489 nahmen des Sanierungskonzepts. Die Sanierungsmaßnahmen zielen entsprechend der Dringlichkeit zunächst x

auf die Beseitigung von Insolvenzgründen (Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung), d. h. auf die Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens (Liquiditätssicherungsprogramm) und (erst dann) auf die vermögensmäßige Schuldendeckung,

x

dann auf das Erreichen der Gewinnzone durch ein effizientes Kostensenkungs- und Effizienzsteigerungsprogramm und schließlich

x

auf die strategische (Neu-)Ausrichtung des Unternehmens, ggf. bis hin zu den jeweils maßgeblichen Stakeholdern, um zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Erfolgspotenziale und dadurch Wachstumspotenziale zu erschließen.

Allerdings ist darauf zu achten, dass nicht nur bei den Kosten angesetzt wird 490 (Effizienz), sondern zuerst überlegt wird, wie aus den bestehenden Ressourcen mehr Ertrag erzeugt werden kann (Effektivität). Hamel/Prahalad, Wettlauf um die Zukunft, S. 31 ff.

Nachhaltige Sanierung verlangt ein Konzept zur Stärkung bzw. Wiedergewin- 491 nung der Wettbewerbsfähigkeit und kann sich nicht mit Kurz- und Mittelfristmaßnahmen begnügen. Für den Sanierungserfolg ist die Einhaltung der zeitlichen und finanziellen Vorgaben von entscheidender Bedeutung. Es sollen daher im Sanierungskonzept für die einzelnen Maßnahmen die zeitlichen und finanziellen Erfordernisse sowie die Verantwortlichen genannt werden (siehe Rn. 162). In der Entwicklung der Krisenstadien verstärken die Krisenursachen der vor- 492 gelagerten Krisenstadien die Probleme in der Erfolgs- und der Liquiditätskrise. Um eine Insolvenz zu vermeiden, sind zunächst liquiditätssichernde und verlustbeseitigende Maßnahmen einzuleiten. Ein nachhaltiger Sanierungserfolg wird sich jedoch nur einstellen, wenn auch die Ursachen aus vorgelagerten und parallelen Krisenstadien beseitigt worden sind. Je weiter die festgestellte Unternehmenskrise fortgeschritten ist, umso wichti- 493 ger wird es, auch Sanierungsstrategien im Rahmen eines möglichen Insolvenzverfahrens zu untersuchen und einer außergerichtlichen Sanierung gegenüberzustellen.

129

J. Maßnahmen definieren

494 Allgemein gilt für alle Maßnahmen, dass sie detailliert beschrieben werden müssen. Dabei bietet sich folgendes „Raster“ an: MaßBeginn der nahme Maßnahme

Kosten der Zeitpunkt Wirkung der Maßnahme Kosten Maßnahme

Zeitpunkt UmsetzungswahrWirkung scheinlichkeit

495 Sinnvoll erachten wir auch, die Wirkung der Maßnahmen auf die VFE-Lage tabellarisch festzuhalten. Hierdurch wird sichergestellt, dass die Maßnahmen in der Planungsrechnung richtig abgebildet werden. MaßZeitpunkt Zeitpunkt Zeitpunkt FolgewirFolgewirFolgewirkung nahme und Ertrags- und Bilanz- und Liquidi- kung Ertrag kung Bilanz Liquidität wirkung wirkung tätswirkung

I. Überwindung der Insolvenz 496 Die Sanierung des Unternehmens in der Insolvenz kann im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens – ggf. i. V. m. einer Eigenverwaltung – erfolgen. Dafür gewährt die Insolvenzordnung zahlreiche Erleichterungen zur Entlastung von unwirtschaftlichen Verträgen und Dauerschuldverhältnissen. Die Sanierung des Betriebs ist aber auch durch übertragende Sanierung möglich. Gerade durch das ESUG wurden mit Einführung des Schutzschirmverfahrens und der Stärkung der Eigenverwaltung Anreize für eine Sanierung innerhalb eines Insolvenzverfahrens geschaffen. Eine gute Planung zeigt die verschiedenen Handlungsoptionen mit ihren Vor- und Nachteilen auf. II. Vermeidung der Insolvenz 497 Mit Feststellung eines Insolvenzgrunds besteht bei Kapitalgesellschaften & Co. und ihnen insoweit gleichgestellten Personenhandelsgesellschaften noch eine Frist von höchstens drei Wochen, um durch geeignete Sanierungsmaßnahmen die Einleitung des Insolvenzverfahrens abzuwenden. 498 Die Sicherung der Zahlungsfähigkeit setzt voraus, dass das Unternehmen im Prognosezeitraum in die Lage versetzt wird, seine jeweils fälligen Verbindlichkeiten fristgerecht zu begleichen, d. h. den Ausschluss der zwingenden Insolvenzgründe. 499 Zur Abwendung einer Überschuldung muss entweder der Status eine Schuldendeckung aufweisen, z. B. durch Eigenmittelzufuhr oder rangrückgetretenen Darlehen, oder aber die Fortbestehensprognose muss aufgrund der Liquiditäts-

130

III. Überwindung der Liquiditätskrise

ausstattung positiv sein. Neben Gesellschafterleistungen kommen auch Beiträge der Gläubiger und der Belegschaft in Betracht. „Die Fortführungsfähigkeit eines Unternehmens hängt in einer solch kritischen Phase auch davon ab, welche Handlungsspielräume aufgrund bestehender „Realoptionen“ einschließlich zugesagter sowie ernsthaft in Aussicht gestellter Absicherungen und Beiträge durch die Gesellschafter, Banken, maßgebliche Lieferanten und Gläubiger sowie Management und Belegschaft noch vorhanden sind.“ IDW S 6 Tz. 109.

Das heißt, Sanierungsberatung ist immer eine Bewertung und Auswahl von 500 Handlungsoptionen. Auf nur abstrakt mögliche Handlungsalternativen kann eine Aussage zur Fortführungsfähigkeit nicht gestützt werden. Vgl. auch OLG Celle, Urt. v. 23.10.2003 – 16 U 199/02, ZIP 2003, 2118.

III. Überwindung der Liquiditätskrise Die insolvenzrechtliche Liquidität wird aus drei Bestandteilen abgeleitet: Den 501 aktuell freien Mitteln, den künftigen Einzahlungen und den künftigen Auszahlungen. Die Liquiditätskrise kann durch zwei Maßnahmen beseitigt werden: entweder werden frische liquide Mittel beigebracht (z. B. Erhöhung freier Mittel und/oder künftiger Einzahlungen durch Anforderung von A-conto-Zahlungen) oder es werden „Fälligkeiten beseitigt“ (z. B. Reduktion künftiger Auszahlungsverpflichtungen durch Ratenzahlungsvereinbarungen). „Liquiditätspotenziale können z. B. durch •

Optimierung der Lagerhaltung,



Reduzierung der Forderungslaufzeiten,



Factoring von Forderungen,



Outsourcing von Randfunktionen/Randgeschäften sowie



Sale and Lease Back von Anlagegütern

gehoben werden,“ IDW S 6 Tz. 111.

Die dauerhafte Wiedergewinnung hinreichender Kreditfähigkeit setzt zudem 502 voraus, dass das Unternehmen sein Rating verbessert, und ausreichende Sicherheiten stellen kann. Diese können auch von Dritten, also aus dem Gesellschafterbereich sowie von der öffentlichen Hand kommen. Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2305.

1. Exkurs: Interne Maßnahmen Der folgende Abschnitt befasst sich mit internen, kurzfristigen Möglichkeiten, 503 die Insolvenzantragspflicht zu vermeiden. Es gilt danach Maßnahmen zu ergreifen, die in der Lage sind, Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung zu ver131

J. Maßnahmen definieren

hindern bzw. zu beseitigen. Die dabei naturgemäß erforderliche, schnellstmögliche Umsetzung verlangt nach kurzfristig wirksamen Sanierungsmaßnahmen. Um der sich bietenden Fülle an potentiellen Maßnahmen Herr zu werden, bietet sich eine Unterscheidung von internen und externen Maßnahmen an, wobei interne Maßnahmen vom jeweiligen Unternehmen autonom, ohne jegliche Drittbeteiligung durchgeführt werden können. Dagegen benötigen die externen Maßnahmen der Mithilfe oder des Einverständnisses Dritter. Im Rahmen der internen Maßnahmen bietet sich eine weitere Unterscheidung zwischen leistungswirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Maßnahmen an. Diese Differenzierungen dienen lediglich der leichteren Erfassbarkeit des Stoffes, eine in jedem Bereich trennscharfe Abgrenzung vermögen sie nicht zu leisten. 504 Übergreifend lässt sich feststellen, dass die Maßnahmen regelmäßig kombiniert angewendet werden müssen, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Welche Einzelmaßnahmen bzw. welche Kombination von Maßnahmen hierfür am besten geeignet erscheinen, muss für jeden Einzelfall gesondert beurteilt werden. Die nachfolgend aufgeführten Maßnahmen können danach nicht abschließend sein, sondern bieten lediglich Anhaltspunkte für einen einzelfallgerechten Maßnahmenkatalog. a) Kapitalerhöhung/vereinfachte Kapitalherabsetzung 505 Eine effektive Kapitalerhöhung (vgl. §§ 55 ff. GmbHG) führt zur Einbringung frischer Bar- oder Sachmittel auf der Aktivseite der Bilanz. Dies wirkt sich positiv hinsichtlich einer potentiellen Überschuldung aus und kann daneben, im Falle von Bareinlagen, auch zur Verbesserung der Liquidität sorgen. Erforderlich ist hierfür ein Gesellschafterbeschluss mit Dreiviertel-Mehrheit (vgl. § 53 Abs. 2 GmbHG) sowie die Eintragung ins Handelsregister (vgl. § 57 Abs. 1 GmbHG). Die sanierende, effektive Kapitalerhöhung wird typischerweise mit einer nominellen Kapitalherabsetzung verbunden. Dies ist zur Bereinigung der Bilanz vor der Zuführung frischen Kapitals notwendig, um eine Bindung der neuen Mittel zur Deckung früherer Verluste zu verhindern. Zu Sanierungszwecken kann eine vereinfachte Kapitalherabsetzung durchgeführt werden (vgl. § 58a GmbHG). Im Unterschied zur ordentlichen Kapitalherabsetzung zeichnet sich diese durch ein beschleunigtes Verfahren sowie einen verminderten Gläubigerschutz aus. Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 58 Rn. 2.

506 Sie beinhaltet die Auflösung der Rücklagen zur Deckung der Verluste sowie zur Verwendung in der Kapitalrücklage. Beträge, die durch die vereinfachte Kapitalherabsetzung in die Kapitalrücklage gelangt sind, unterliegen allerdings einer fünfjährigen Ausschüttungssperre (§ 58b Abs. 3 GmbHG). Daneben bestehen innerhalb dieses Zeitraums auch für Gewinnausschüttungen strengere Anforderungen (vgl. § 58d GmbHG). Zu beachten ist aber, dass bei Kapitalherabsetzung und Kapitalerhöhung ein Anteilseignerwechsel stattfinden kann, der

132

III. Überwindung der Liquiditätskrise

zum Verlust von steuerlichen Verlustvorträgen führen kann, §§ 8c KStG, 10a GewStG. Im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung bestehen allerdings nicht zu unter- 507 schätzende Haftungsrisiken. Diese treffen gemäß § 24 GmbHG nicht lediglich jene Gesellschafter, die neue Einlagen übernommen haben, sondern sämtliche Mitgesellschafter. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, S. 156.

Ein erhebliches Risiko besteht ferner bei Vorleistungen auf eine noch nicht be- 508 schlossene Kapitalerhöhung. Hier ist zu beachten, dass bei der Kapitalerhöhung die Zuzahlung im Zeitpunkt der Beschlussfassung noch unverbraucht vorhanden sein muss. Dies führt zu einem Einfrieren des Erhöhungsbetrags. Gerade in Sanierungsfällen wird aber die Liquidität schnell benötigt. Aus diesem Grund billigt die Rechtsprechung in der Krise Erleichterungen zu. In Ausnahmefällen sind Vorauszahlungen auf einen künftigen Kapitalerhöhungsbeschluss zulässig, wenngleich dies grundsätzlich unzulässig ist. Die Gefahr, für den Erhöhungsbetrag nochmals in Anspruch genommen zu werden, ist erheblich. Eine Vorauszahlung auf eine noch nicht beschlossene Kapitalerhöhung ist grundsätzlich unwirksam. So hat der BGH im Leitsatz seines Urteils vom 15.3.2004,

509

BGH, Urt. v. 15.3.2004 –II ZR 210/01, ZIP 2004, 849

entschieden: „Im Kapitalaufbringungssystem der GmbH bildet der Kapitalerhöhungsbeschluss die maßgebliche Zäsur. Voreinzahlungen auf die künftige Kapitalerhöhung haben schuldtilgende Wirkung nur dann, wenn der eingezahlte Betrag im Zeitpunkt der Fassung des Erhöhungsbeschlusses noch als solcher im Vermögen der Gesellschaft vorhanden ist. […]“

Es sollte demnach bei der Kapitalerhöhung auf jeden Fall darauf geachtet 510 werden, dass das voreingezahlte Kapital zur Zeit des Erhöhungsbeschlusses noch vorhanden ist. Der BGH hat dies in seinem Urteil vom 26.6.2006 nochmals ausdrücklich klargestellt und im Leitsatz zu den Anforderungen an eine wirksame Voreinzahlung wie folgt ausgeführt: „Voreinzahlungen auf eine künftige Kapitalerhöhung haben grundsätzlich nur dann Tilgungswirkung, wenn der eingezahlte Betrag im Zeitpunkt der Beschlussfassung und der mit ihr üblicherweise verbundenen Übernahmeerklärung als solcher noch im Gesellschaftsvermögen zweifelsfrei vorhanden ist (Bestätigung von BGH, 15. März 2004, II ZR 210/01. Ausnahmsweise können Voreinzahlungen unter engen Voraussetzungen als wirksame Erfüllung der später übernommenen Einlageschuld anerkannt werden, wenn nämlich die Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung im Anschluss an die Voreinzahlung mit aller gebotenen Beschleunigung nachgeholt wird, ein akuter Sanierungsfall vorliegt, andere Maßnahmen nicht in Betracht kommen und die Rettung der sanierungsfähigen Gesellschaft scheitern würde, falls die übliche Reihenfolge der Durchführung der Kapitalerhöhungsmaßnahme beachtet werden müsste.“ BGH, Urt. v. 26.6.2006 – II ZR 43/05, ZIP 2006, 2214.

133

J. Maßnahmen definieren

511 In den Entscheidungsgründen präzisiert der BGH die Anforderungen an eine Ausnahme noch weiter. Für das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen ist der Gesellschafter darlegungs- und beweispflichtig: x

Es muss ein akuter Sanierungsfall vorliegen.

x

Die Gesellschaft muss sofort frische Mittel benötigen.

x

Andere Maßnahmen dürfen nicht zum Ziel führen (Einzahlung von Mitteln in die Kapitalrücklage oder auf ein gesondertes, der Haftung für einen bestehenden Bankkredit nach den bankrechtlichen Regeln nicht unterliegendes Sonderkonto).

x

Die Einzahlung erfolgt mit Sanierungswillen.

x

Es besteht eine grundsätzliche Sanierungsfähigkeit.

x

Die Einzahlung muss die drohende Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung beseitigen.

x

Die Erkennbarkeit des Tilgungszwecks muss eindeutig gegeben sein.

x

Ferner muss ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Beschlussfassung gegeben sein und

x

die Voreinzahlung ist im Kapitalerhöhungsbeschluss und bei Eintragungsanmeldung offenzulegen.

512 Aus diesen Anforderungen wird ersichtlich, dass die Begründung des Vorliegens einer Ausnahme im Einzelfall nur äußerst selten gelingen wird. Schmidt bezeichnet daher „jede dem Kapitalerhöhungsbeschluss vorausgehende Zahlung als […] schwere(n) Kunstfehler“. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, S. 161.

513 Ein weiteres Problem stellt sich bei Zahlungen auf ein debitorisches Konto. Die Einlageverpflichtung wird hier nur erfüllt, soweit die Kreditlinie noch nicht erschöpft ist oder das Kreditinstitut auf einem anderen Konto entsprechenden Kredit gewährt oder den Geschäftsführer über einen Betrag in Höhe der Einlage anderweitig verfügen lässt (Kreditzusage, stillschweigende Gestattung). BGH, Urt. v. 18.3.2002 – II ZR 363/00, ZIP 2002, 799; BGH, Urt. v. 8.11.2004 – II ZR 362/02, ZIP 2005, 121; Bauer, Die GmbH in der Krise, Rn. 614.

514 Vorsorglich sollte der Geschäftsführer daher vor Eingang der neuen Bareinlagen ein neues Konto einrichten und die Zahlungen dorthin anfordern oder mit der Bank über die Kreditlinie verhandeln. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, S. 157.

Hin- und Herzahlen 515 Seit der GmbHG-Reform durch das MoMiG im Jahr 2008 ist dieses Problem ausdrücklich in § 19 Abs. 5 GmbHG geregelt. Zuvor konnte sich ein Gesell-

134

III. Überwindung der Liquiditätskrise

schafter nicht von seiner Einlagepflicht befreien, wenn der Einlagebetrag, meist als Darlehen, zeitnah nach Leistung der Einlage wieder an diesen zurückfloss. Erst mit tatsächlicher Leistung des Gesellschafters auf die – nach Ansicht des BGH – nichtige Darlehensabrede konnte die Einlageschuld erfüllt werden. BGH, Urt. v. 21.11.2005 – II ZR 140/04, ZIP 2005, 2203.

Nach dem MoMiG ist mittlerweile auch im Falle einer Hin- und Herzahlung 516 eine Befreiung von der Einlagepflicht möglich. Hierzu müssen allerdings die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein: x

x

Die Leistung ist durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt, 

der jederzeit fällig ist oder



durch fristlose Kündigung fällig werden kann.

Die Angabe ist in der Anmeldung zum Handelsregister notwendig.

Besonderes Augenmerk verdient dabei das Erfordernis der „Vollwertigkeit“. 517 Ob hierzu lediglich die Bonität des Gesellschafters vorliegen muss oder ob gar Liquidität in entsprechender Höhe zu verlangen ist, war zunächst nicht eindeutig geklärt. Bauer, Die GmbH in der Krise, Rn. 631.

Mittlerweile muss aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung davon 518 ausgegangen werden, dass der Anspruch tatsächlich liquide sein muss. OLG Nürnberg, Urt. v. 13.10.2010 – 12 U 1528/09, ZIP 2010, 2300.

Daneben muss beachtet werden, dass die Angabe in der Anmeldung der Kapi- 519 talerhöhung nicht bloß als Ordnungsvorschrift dient, sondern vielmehr als konstitutives Merkmal zur Einlagenerbringung verstanden wird. BGH, Urt. v. 20.7.2009 – II ZR 273/07, BGHZ 182, 103 = ZIP 2009, 1561 (m. Bespr. Altmeppen, S. 1545), dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer).

Verdeckte Sacheinlagen Was hierunter verstanden wird, erläutert der BGH anschaulich in seinem Urteil 520 vom 11.2.2008: „Als verdeckte Sacheinlage ist es anzusehen, wenn die gesetzlichen Regeln für Sacheinlagen dadurch unterlaufen werden, dass zwar eine Bareinlage vereinbart wird, die Gesellschaft aber bei wirtschaftlicher Betrachtung von dem Einleger aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Einlage getroffenen Absprache einen Sachwert erhalten soll (vgl. BGHZ 170, 47, 51 = ZIP 2007, 178 Tz. 11 m. w. N. u. st. Rspr.). Eine derartige Aufspaltung des wirtschaftlich einheitlich gewollten Vorgangs einer Sacheinbringung in mehrere rechtlich getrennte Geschäfte, bei denen der Gesellschaft zwar formal Bargeld als Einlage zugeführt, dieses jedoch im Zusammenhang mit einem Rechtsgeschäft gegen die Übertragung eines anderen Gegenstandes zurückgewährt wird, und mit dem die Gesellschaft im wirtschaftlichen Ergebnis keine Bar-, sondern eine Sacheinlage erhält, […]“ BGH, Urt. v. 11.2.2008 – II ZR 171/06, ZIP 2008, 643.

135

J. Maßnahmen definieren

521 Nach früherer Rechtslage befreiten „verdeckte Sacheinlagen“ nicht von der Einlageschuld, mit der Folge, dass diese nochmals zu leisten war. BGH, Urt. v. 11.2.2008 – II ZR 171/06, ZIP 2008, 643.

522 Durch das MoMiG erfuhr diese Sachverhaltskonstellation eine Regelung in § 19 Abs. 4 GmbHG. Die „verdeckte Sacheinlage“ wird danach zwar nicht mehr als unwirksam betrachtet. Dennoch bleibt ein nicht unerhebliches Risiko bestehen. Der Wert der Sacheinlage zum Zeitpunkt der Überlassung an die Gesellschaft wird auf die Einlagepflicht angerechnet. Eine verbleibende Differenz ist auszugleichen. Befand sich die Gesellschaft demnach bereits bei Überlassung in der Krise, kann es zu beträchtlichen Wertberichtigungen kommen, woraus für den Gesellschafter ein u. U. enormes Unterdeckungsrisiko erwächst. Zahlungen an Gesellschaftsgläubiger 523 Selbst wenn die Einlagenzahlung an einen Gesellschaftsgläubiger auf Weisung des Geschäftsführers erfolgt, befreit diese den Einlageschuldner nicht. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, S. 158.

524 Die Leistung der Einlage durch Zahlung an einen Gesellschaftsgläubiger sollte keinesfalls erfolgen. Schmidt bezeichnet dies als „eiserne Regel“ des Geschäftsführers. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, S. 159.

b) Gesellschafterdarlehen 525 Die Kreditfinanzierung durch Gesellschafterdarlehen birgt enormes Sanierungspotential. Hierdurch kann nicht lediglich die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft gesichert bzw. wiederhergestellt, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Überschuldung vermieden oder beseitigt werden. Durch das MoMiG kam es diesbezüglich zur Aufgabe des „Eigenkapitalersatzrechts“ (§ 32a GmbHG a. F.) und zur vollständigen Verlagerung des Regelungsbereichs in das Insolvenzrecht (insb. §§ 19, 39, 135 InsO). Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Regeln zum Eigenkapitalersatz fanden die §§ 30, 31 GmbHG analog auf eigenkapitalersetzende Darlehen und diesen gleichgesetzten Finanzierungsmaßnahmen Anwendung. Wurde danach ein Darlehen als eigenkapitalersetzend angesehen, so folgte daraus eine Rückzahlungssperre bis zur nachhaltigen Wiederherstellung des Stammkapitals, sprich bis zur Beseitigung einer Unterbilanz. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, S. 177 f.

526 Will ein Gesellschafter einen Sanierungsbeitrag durch Gewährung eines Darlehens leisten, so muss er nach neuer Rechtslage folgende Punkte berücksichtigen. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, S. 183 ff.

x

136

Das Darlehen ist im Insolvenzfall nachrangig zu berücksichtigen, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO.

III. Überwindung der Liquiditätskrise

x

Rückzahlungen binnen Jahresfrist vor einer Insolvenz unterliegen der Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO (dies gilt auch, falls der Gesellschafter seinen Rückzahlungsanspruch abgetreten hat und die Gesellschaft an den Dritten gezahlt hat). BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582.

x

Etwaige Besicherungen des Darlehens werden erst nach zehn Jahren anfechtungsfest, § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

x

Dies gilt auch für Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Finanzierungsmaßnahmen (z. B. gestundete Forderungen, typische stille Einlagen, Warenkreditlinien durch Duldung nachträglicher Forderungsbegleichung).

x

Aber: Es besteht keine gesetzliche Rückzahlungssperre während der Krise mehr nach § 30 GmbHG analog.

Soll mit dem Darlehen nicht lediglich der Zahlungsunfähigkeit entgegengewirkt 527 werden, sondern soll ebenso eine Überschuldung verhindert oder beseitigt werden, so muss bzgl. des Darlehens ein Rangrücktritt gemäß § 39 Abs. 2 InsO hinter die in § 39 Abs. 1 Nr. 1 – 5 InsO bezeichneten Forderungen vereinbart werden. Nur dies führt dazu, dass das Gesellschafterdarlehen nicht im Überschuldungsstatus passiviert werden müssen (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO). Ein ähnliches Problem ergibt sich im Zusammenhang mit der Stellung von Si- 528 cherheiten für Drittkredite durch die Gesellschafter. Damit dem Rückzahlungsanspruch des Dritten im Überschuldungsstatus ein Freistellungsanspruch gegen den Gesellschafter entgegengesetzt werden kann (§ 19 Abs. 2 Satz 2 InsO analog), muss x

eine Freistellungspflicht des Gesellschafters zugunsten der Gesellschaft vereinbart und

x

für den Regressanspruch des Gesellschafters gegen die Gesellschaft ein Rangrücktritt vereinbart werden. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, S. 187.

c) Patronatserklärungen Eine sog. harte Patronatserklärung kann die Überschuldung beseitigen, indem 529 Erstere auf der Aktivseite des Überschuldungsstatus ausgewiesen wird. Sie ist eine Erklärung zum unbedingten Verlustausgleich zugunsten sämtlicher Gläubiger des Unternehmens (interne Patronatserklärung). Bauer, Die GmbH in der Krise, Rn. 139.

Die Überschuldung beseitigt diese allerdings nur, wenn sie der Gesellschaft 530 einen eigenen durchsetzbaren Anspruchs gegen den Patron einräumt. OLG Celle, Urt. v. 18.6.2008 – 9 U 14/08, ZIP 2008, 2416.

137

J. Maßnahmen definieren

531 Als Patron kommen insbesondere verbundene Unternehmen innerhalb eines Konzerns oder auch Gesellschafter in Betracht. Wird eine Patronatserklärung lediglich gegenüber einem Gläubiger erklärt (externe Patronatserklärung), handelt es sich um ein individuelles Kreditsicherungsmittel. Dieses entlastet den Überschuldungsstatus nur soweit x

eine Freistellungspflicht des Gesellschafters zugunsten der Gesellschaft vereinbart und

x

für den Regressanspruch des Gesellschafters gegen die Gesellschaft ein Rangrücktritt vereinbart werden. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, S. 187.

532 Die sog. weiche Patronatserklärung, so etwa die Erklärung, dass man auch weiterhin zur Gesellschaft „stehe“, beinhaltet keine rechtsverbindliche Verpflichtung des Patrons und ist zur Beseitigung oder Verhinderung der Überschuldung ungeeignet. Bauer, Die GmbH in der Krise, Rn. 148.

d) Verkauf von nicht betriebsnotwendigem Vermögen 533 Der Verkauf nicht betriebsnotwendigen Vermögens, wie etwa von Grundstücken, Unternehmensbeteiligungen etc., verschafft dem Unternehmen liquide Mittel und kann zur Aufdeckung stiller Reserven führen, was sich positiv auf den Überschuldungsstatus auswirkt. Umgekehrt muss bei Veräußerungen in einer Notlage auch mit Wertabschlägen gerechnet werden. Liegt also der Erlös unter dem Buchwert, kommt es zur Verlustrealisierung, was sich negativ auf den Überschuldungsstatus auswirkt. e) Sale and Lease Back 534 Handelt es sich um betriebsnotwendiges Vermögen, kommt auch das sog. Sale and Lease Back in Betracht. Hierbei veräußert das Unternehmen seinen Vermögensgegenstand, um diesen dann zurückzu„leasen“. Auch hier kann es zur Aufdeckung stiller Reserven sowie zur Liquiditätsverbesserung und damit zur Verbesserung des Überschuldungsstatus bzw. der Zahlungsfähigkeit kommen. Dieses Instrument kann allerdings nur zur kurzfristigen Intervention dienen, da das Leasing lediglich in den Anfangsperioden zu Liquiditätsvorteilen führt und in der Folge aufgrund der Leasingraten sowohl den künftigen Cashflow wie den künftigen Ertrag belasten. f) Factoring 535 Das sog. Factoring, also der Verkauf von Forderungen, führt zur schnellen Zufuhr von Liquidität. Allerdings entstehen dabei auch nicht unerhebliche Kosten für die Verwaltung des Forderungskäufers (Factor), dessen Gewinne, Risikoprämien und Zinsen. Es wird zwischen „echtem“ und „unechtem“ Factoring unterschieden. Nur beim „echten“ Factoring verbleibt die Forderung endgültig 138

III. Überwindung der Liquiditätskrise

beim Factor, auch wenn eine Zahlung hierauf nicht erfolgt. Beim „unechten“ Factoring holt sich der Factor die Liquidität, im Falle der Uneinbringlichkeit der Forderung, wieder vom Verkäufer zurück. Nur das „echte“ Factoring führt zur Bilanzentlastung. Da sich der Einzug von Forderungen eines insolventen Unternehmens regelmäßig schwierig gestaltet, wird es meist schwer sein, einen „echten“ Factor während des akuten Krisenstadiums zu finden. g) Sanierende Eingriffe in die Struktur des Unternehmens Als weitere Möglichkeit, einer Insolvenzantragspflicht zu entgehen, bietet 536 sich die Umwandlung in eine Rechtsform an, für die keine Insolvenzantragspflicht besteht, z. B. Verschmelzung der GmbH auf deren Alleingesellschafter bzw. auf eine Personengesellschaft. Daneben besteht u. a. auch die Möglichkeit der Verschmelzung einer GmbH auf eine GmbH. Allerdings werden durch das UmwStG erhebliche Hürden aufgebaut. So gehen insbesondere etwaige Verlustvorträge verloren (§ 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Schmidt/Uhlenbruck-Crezelius, S. 328 ff. Dies stellt eine nicht unerhebliche „Sanierungsbremse“ dar, Schmidt/UhlenbruckCrezelius, S. 328 ff., Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 17 Rn. 142.

Die Verschmelzung einer sanierungsbedürftigen auf eine gesunde Gesellschaft 537 erscheint dementsprechend wenig ratsam. Aber auch im umgekehrten Fall der Verschmelzung einer gesunden Gesellschaft auf eine sanierungsbedürftige, droht der Verlust der Verlustvorträge nach § 8c KStG. Schmidt/Uhlenbruck-Crezelius, S. 328 ff.

Sinnvoll ist eine solche Maßnahme erst auf Basis eines Sanierungskonzepts, 538 um damit in den Genuss des Sanierungserlasses zu gelangen. BMF Schreiben (koordinierter Ländererlass) v. 27.3.2003, BStBl. 2003 I 240.

Daneben ist zu beachten, dass eine Verschmelzung ohne weitere Kapitalmaß- 539 nahmen u. U. gar nicht durchführbar ist, falls bereits eine Überschuldung des zu sanierenden Unternehmens vorliegt. Butz/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 17 Rn. 43.

Hinzu kommt der Gläubigerschutz des UmwG (vgl. § 22 UmwG), welcher es 540 nicht erlaubt, sich von Altverbindlichkeiten zu befreien. Letztlich darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Umwandlung erst mit Eintragung wirksam wird (§ 20 UmwG). Den Umwandlungsvorgang innerhalb der Drei-WochenFrist zur Insolvenzantragsstellung abzuschließen, gestaltet sich daher regelmäßig äußerst schwierig. Bauer, Die GmbH in der Krise, Rn. 266.

Strukturveränderungen mit Hilfe des Umwandlungsrechts können zwar einen 541 gewissen Sanierungsbeitrag leisten, erscheinen jedoch eher zur Insolvenzpro139

J. Maßnahmen definieren

phylaxe geeignet und sollten jedenfalls stets nur einen Teil eines umfassenden Sanierungskonzepts darstellen. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, S. 212.

542 Wir halten die Empfehlung der Verschmelzung für hochgradig haftungsträchtig. Beispiel: GmbH

EU

AV

100

Kap

0

UV

300

VB

500

FB

100 500

Haus

100

LV

50

500

VB

150

150

150

Wenn in dieser Situation die GmbH auf den Einzelunternehmer ohne ein taugliches Sanierungskonzept verschmolzen wird, könnte der Vorwurf der Vermögensverschleuderung seitens der Gläubiger des Einzelunternehmers erhoben werden. Dies könnte neben der Strafbarkeit gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB u. U. die Versagung der Restschuldbefreiung zur Folge haben, § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO. 2. Externe Maßnahmen a) Aufnahme neuer Gesellschafter 543 Integraler Bestandteil einer Sanierung kann die Zuführung frischer Finanzmittel sein. Dabei spielt die Aufnahme neuer Gesellschafter im Zuge einer Kapitalerhöhung meist eine zentrale Rolle. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, S. 209.

544 Auch hier sind selbstverständlich die mit einer Kapitalerhöhung verbundenen, oben unter Rn. 494 ff. aufgeführten Risiken zu beachten. Neue Gesellschafter können sowohl Gläubiger als auch bis dato nicht involvierte Dritte sein. 545 Als Sanierungshemmnis wirken sich u. U. bestehende Bezugsrechte der Altgesellschafter aus. Obwohl im GmbHG, anders als im AktG (§ 186 AktG), nicht ausdrücklich geregelt, sind diese auch bei der GmbH höchstrichterlich anerkannt. BGH, Urt. v. 18.4.2005 – II ZR 151/03, ZIP 2005, 985.

546 Es empfiehlt sich danach etwaige Bezugsrechte auszuschließen. Hierfür bedarf es allerdings regelmäßig eines rechtfertigenden Grundes. Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 55 Rn. 23f.

547 Zusätzlich darf der verfolgte Zweck nicht auf schonendere Weise erreichbar sein und der damit verbundene Nachteil nicht außer Verhältnis zu dem für die Gesellschaft erstrebten Vorteil stehen. Zöllner/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 55 Rn. 26 f.

140

III. Überwindung der Liquiditätskrise

Diese Voraussetzungen liegen zumindest dann vor, wenn die erstrebte Sanie- 548 rung nicht anders erreichbar ist. Zöllner/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 55 Rn. 27.

b) Beiträge der Gläubiger Stundung von Forderungen Forderungsstundungen sind ein effektives Mittel, um eine unmittelbar bevor- 549 stehende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit zu verhindern oder zu beseitigen. Die aktuelle Fälligkeit der Rückzahlung wird dadurch beseitigt, kurzfristig fällige Verbindlichkeiten in langfristige Schulden umzuwandeln. Die Vereinbarung von Ratenzahlungen stellt ebenfalls eine Stundung dar. Um sich positiv auf die Zahlungsfähigkeit auswirken zu können, wird teilweise 550 verlangt, dass die „Stundungen“ ausdrücklich vereinbart werden müssen. Schmidt/Uhlenbruck-Uhlenbruck, S. 248.

Bloße Nichtzahlung oder verspätete Zahlungen seitens des Schuldners führten 551 nach dieser Ansicht nicht zur Berücksichtigung bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit. Lediglich wenn sich der Gläubiger von vornherein mit Teilzahlungen zufrieden gebe oder wenn Gläubigerbanken unbeanstandet die Kreditlinien überziehen ließen, solle etwas anderes gelten. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2007 verlangt der BGH, Urt. v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, ZIP 2007, 1666,

für die Annahme der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 InsO allerdings ein „ernsthaftes Einfordern“ der jeweiligen Forderung. Hierzu führt dieser aus: „[…] Sinn und Zweck des § 17 InsO verlangen vielmehr, an dem Erfordernis des „ernsthaften Einforderns“ als Voraussetzung einer die Zahlungsunfähigkeit begründenden oder zu dieser beitragenden Forderung festzuhalten. Von der Fälligkeit einer Forderung i. S. d. § 271 Abs. 1 BGB darf nicht schematisch auf die Zahlungsunfähigkeit i. S. v. § 17 InsO geschlossen werden. Vielmehr kann im Einzelfall zu prüfen sein, ob eine nach § 271 Abs. 1 BGB fällige Forderung, die der Schuldner nicht erfüllt, den Schluss auf eine Zahlungsunfähigkeit zulässt. Nach wie vor ist nicht zu verlangen, dass ein Gläubiger ein Zahlungsverlangen regelmäßig oder auch nur ein einziges Mal wiederholt, um sicherzustellen, dass seine Forderung bei der Prüfung der Eröffnungsvoraussetzungen Berücksichtigung findet. Der Zweck der Vorschrift des § 17 InsO, den richtigen Zeitpunkt für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu finden, gebietet die Berücksichtigung auch solcher Gläubiger, die den Schuldner zur Zahlung aufgefordert, dann aber weitere Bemühungen eingestellt haben, ohne ihr Einverständnis damit zum Ausdruck zu bringen, dass der Schuldner seine Verbindlichkeit vorerst nicht erfüllt. Die Forderung eines Gläubigers, der in eine spätere oder nachrangige Befriedigung eingewilligt hat, darf hingegen nicht berücksichtigt werden, auch wenn keine rechtlich bindende Vereinbarung getroffen worden ist oder die Vereinbarung nur auf die Einrede des Schuldners berücksichtigt würde und vom Gläubiger einseitig aufgekündigt werden könnte. Regelmäßig ist eine Forderung also dann i. S. v. § 17 Abs. 2 InsO fällig, wenn eine Gläubigerhandlung feststeht, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt. Dies ist grundsätzlich schon bei Übersendung

141

J. Maßnahmen definieren einer Rechnung zu bejahen. Das Insolvenzgericht hat im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§ 5 Abs. 1 InsO) jedoch Tatsachenbehauptungen des Schuldners oder anderen Anhaltspunkten nachzugehen, die konkret als möglich erscheinen lassen, dass der Gläubiger sich dem Schuldner gegenüber mit einer nachrangigen Befriedigung unter – sei es auch zeitweiligem – Verzicht auf staatlichen Zwang einverstanden erklärt hat (vgl. BGH, Urt. v. 8. Oktober 1998, aaO).“

552 Danach bedarf es u. U. wohl nicht unbedingt einer ausdrücklichen oder gar nur wirksamen Stundungsvereinbarung, um eine Forderung bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit außer Acht zu lassen. Im Sinne eines möglichst rechtssicheren Vorgehens sowie im Hinblick auf eine ausreichende Dokumentation zu Beweiszwecken, empfiehlt es sich jedoch, derartige Vereinbarungen schriftlich festzuhalten. Bauer, Die GmbH in der Krise, Rn. 185.

553 Auch sog. Stillhalteabkommen – die nicht unbedingt eine Stundung im Rechtssinne enthalten müssen – reichen aus, um eine Forderung nicht als fällige Verbindlichkeit in Ansatz bringen zu müssen. BGH, Urt. v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, ZIP 2008, 420.

Forderungsverzicht mit Besserungsschein 554 Ein Verzicht der Gläubiger auf ihre Forderungen befreit die Gesellschaft von ihrer Zahlungspflicht, kann sich also u. U. positiv auf die Zahlungsfähigkeit auswirken. Daneben bietet dieser ein geeignetes Mittel, die Überschuldung zu verhindern oder zu beseitigen. Rechtsdogmatisch stellt der Verzicht einen Erlassvertrag i. S. v. § 397 Abs. 1 BGB dar. Die Forderung erlischt mit Abschluss des Erlassvertrags, wodurch akzessorische Sicherheiten frei werden. Nichtakzessorische Sicherheiten sind vom Gläubiger zurückzugewähren. 555 Auf einen Forderungsverzicht werden sich hauptsächlich diejenigen Gläubiger einlassen, die an einer Fortsetzung der Geschäftsbeziehung interessiert oder deren Forderungen ungesichert sind. Schmidt/Uhlenbruck-Uhlenbruck, S. 250.

556 Regelmäßig werden diese aber nicht gänzlich auf ihre Forderungen verzichten wollen. Dementsprechend wird der Erlassvertrag häufig mit einer sog. Besserungsabrede (Besserungsschein) gekoppelt. Dies wird durch Vereinbarung einer auflösenden Bedingung bezüglich des Erlasses erreicht. Verbessern sich die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft, so lebt die Forderung wieder auf. Ein solches Wiederaufleben ist in der Unternehmensplanung abzubilden. In der Erfolgsrechnung wird dies, weil aperiodisch, im außerordentlichen Aufwand ausgewiesen. Zabel, in Kübler HRI, § 27 Rn. 115.

557 Besteht die Forderung aufgrund des Verzichts zunächst nicht mehr, dürfen auch keine Zinsen auf diese gezahlt werden. Knebel, DB 2009, 1094, 1095.

142

III. Überwindung der Liquiditätskrise

Möchte der Gläubiger dieser – für den Fall des Wiederauflebens der Forderung 558 – nicht verlustig gehen, muss eine rückwirkende Verzinsung für die Zeit der andauernden Krise vereinbart werden. Knebel, DB 2009, 1094, 1095.

Durch den Forderungsverzicht kann es zu sog. Sanierungsgewinnen kommen. 559 Diese sind grundsätzlich zu versteuern. Da es sich dabei um Gewinne ohne tatsächlichen Liquiditätszufluss handelt, stellt eine Besteuerung eine nicht zu unterschätzende Gefährdung des Sanierungserfolgs dar. Hinsichtlich der Besteuerung von Sanierungsgewinnen ist zwischen dem For- 560 derungsverzicht durch einen Drittgläubiger und einem Verzicht seitens eines Gesellschafter-Gläubigers zu unterscheiden. Handelt es sich um einen Drittgläubiger, entsteht der Gesellschaft ein grundsätzlich zu besteuernder Gewinn in Höhe der Forderung. Verzichtet ein Gesellschafter-Gläubiger, führt dies zu einer erfolgsneutralen, verdeckten Einlage in Höhe des werthaltigen Teils der Forderung, soweit der Verzicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 16 Rn. 33.

Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis soll gegeben sein, wenn ein 561 Nichtgesellschafter bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns der Gesellschaft den durch den Verzicht entstandenen Vermögensvorteil nicht gewährt hätte. BFH, Urt. v. 16.4.1991 – VIII R 100/87, DStR 1991, 1348.

In Höhe des Differenzbetrages zwischen werthaltigem Teil der Forderung und 562 deren Nennbetrag entsteht ein grundsätzlich zu versteuernder Sanierungsgewinn. Die Steuer auf derartige Sanierungsgewinne können aus Billigkeitsgründen, 563 auf Grundlage des BMF-Schreibens v. 27.3.2003, BMF-Schreiben v. 27.3.2003, Bundesministerium der Finanzen, IV A 6 – S-2140 – 8/03, Schreiben (koordinierter Ländererlass) v. 27.3.2003, BStBl 2003 I 240,

gestundet und/oder erlassen werden. Dieser sog. Sanierungserlass stellt hierfür folgende Voraussetzungen auf: x

Sanierungsbedürftigkeit

x

Sanierungsfähigkeit des Unternehmens

x

Sanierungseignung des Schulderlasses

x

Sanierungsabsicht der Gläubiger

Vorsicht gebietet diesbezüglich aber eine neue Entscheidung des Bundesfinanz- 564 hofs. BFH, Beschl. v. 28.2.2012, VIII R 2/08, ZIP 2012, 989.

143

J. Maßnahmen definieren

565 Darin heißt es: Ob der Wortlaut des Gesetzes und die Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks 13/7480, S. 192) es ausschließen, die Besteuerung eines Sanierungsgewinns i. S. d. aufgehobenen Vorschrift weiterhin – allein aufgrund der §§ 163, 227 AO – als sachlich unbillig anzusehen und von der Besteuerung auszunehmen, wenn wie im Streitfall außer der Tatsache des sanierungsbedingten Verzichts eines Gläubigers nach den tatsächlichen Feststellungen des FG weder besondere sachliche oder persönliche Billigkeitsgründe ersichtlich sind, ist streitig […] Jedenfalls ist die Auffassung der Vorinstanz, ein entsprechender Wille des Gesetzgebers (zur generellen Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen) könne angesichts der Abschaffung des § 3 Nr. 66 EStG a. F. nicht angenommen werden, bei der im Rahmen der Kostenentscheidung vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht von vornherein abzulehnen. Denn der Gesetzgeber hat bislang eine generelle Ersatzregelung für § 3 Nr. 66 EStG a. F. nicht geschaffen, sondern lediglich begrenzt auf Teilbereiche des Steuerrechts (wie die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a des Körperschaftsteuergesetzes) eine partielle Sanierungsgewinnbegünstigung eingeführt.

566 Erfolgt demnach ein sanierungsbedingter Verzicht, ohne dass „besondere sachliche oder persönliche Billigkeitsgründe ersichtlich sind“, so besteht erhebliche Unsicherheit bezüglich einer Steuerstundung und/oder eines Steuererlasses auf etwaige Sanierungsgewinne. Nur der Vollständigkeit halber sei auf den Vorlagebeschluss des BFH vom 25.3.2015, Vorlagebeschluss des BFH v. 25.3.2015 – X R 23/13, BFH/NV 2015, 1124,

hingewiesen, nach welchem die Verfassungsmäßigkeit des Sanierungserlasses auf den Prüfstand gestellt wird. Rangrücktrittserklärung 567 Mit Vereinbarung eines Rangrücktritts bleibt die Forderung des Gläubigers erhalten. Entscheidend ist jedoch, dass die zurückgetretene Forderung im Überschuldungsstatus nicht mehr passiviert werden muss. BGH, Urt. v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, ZIP 2001, 235.

568 Dies ergibt sich für Gesellschafterdarlehen und diesen vergleichbaren Finanzierungsmitteln ausdrücklich aus § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO. Daneben gilt dies auch für sonstige Gesellschafterforderungen sowie für Drittgläubigerforderungen. Neben einer Entlastung des Überschuldungsstatus kann durch die Erklärung eines Rangrücktritts auch eine Zahlungsunfähigkeit verhindert oder beseitigt werden. Dies ergibt sich aus dem bereits zuvor erwähnten Urteil des BGH vom 19.7.2007, Urt. v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, ZIP 2007, 1666,

wonach Forderungen, in deren nachrangige Befriedigung der Gläubiger eingewilligt hat, bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit unberücksichtigt bleiben. Schmidt/Uhlenbruck-Wittig, S. 271 f.

569 Regelungsbedürftig ist neben dem Rangrücktritt für den Insolvenzfall die vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre, die sich nicht ohne Weiteres aus dem 144

III. Überwindung der Liquiditätskrise

Rangrücktritt ergibt. Nur die Vereinbarung einer vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre im Rangrücktritt lässt es zu, die Verbindlichkeit bei der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeitsprüfung unberücksichtigt zu lassen. Bitter, in: Scholz, GmbHG, Vor § 64 Rn. 65 f.

Vom BGH wird diese Durchsetzungssperre wohl in den Rangrücktritt „hinein- 570 interpretiert“. BGH, Urt. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638.

Nicht eindeutig geklärt ist allerdings, in welchen Rang die Forderung zurück- 571 zutreten hat, um die Überschuldungsbilanz zu entlasten. Zunächst verlangte der BGH einen sog. qualifizierten Rangrücktritt. Wälzholz, GmbH-StB 2006, 76, 77.

Dabei musste ein Gleichrang mit der Rückgewähr von Einlagen (vgl. § 199 572 Satz 2 InsO), dem absolut letzten Rang, vereinbart werden. Mit dem MoMiG wurde im Jahr 2008 die Regelung des § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO eingefügt. Danach sind Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus vergleichbaren Finanzierungsmitteln dann nicht in den Überschuldungsstatus aufzunehmen, wenn für diese ein Nachrang hinter die Forderungen nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 InsO, gemäß § 39 Abs. 2 InsO, vereinbart wird. Hieraus wird allgemein gefolgert, dass ein Zurücktreten sämtlicher Forderungen in den Rang des § 39 Abs. 2 InsO genügt, seien es Darlehensforderungen, sonstige Forderungen der Gesellschafter oder Forderungen etwaiger Drittgläubiger. Schmidt/Uhlenbruck-Wittig, S. 273; Bauer, Die GmbH in der Krise, Rn. 156 ff.

Angesichts der nach wie vor im Raum stehenden Rechtsprechung des BGH, 573 kann allerdings (noch) nicht mit letzter Gewissheit davon ausgegangen werden, dass ein Zurücktreten in den Rang des § 39 Abs. 2 InsO ausreicht. Auch in steuerrechtlicher Hinsicht birgt der Rangrücktritt Gefahren. Seit ge- 574 raumer Zeit unklar war danach, wie der Rangrücktritt zu formulieren sei, um nicht in den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2a EStG zu fallen. Fällt der Rangrücktritt unter diese Norm, so führt dies zu u. U. einer potentiell sanierungsgefährdenden Besteuerung. § 5 Abs. 2a EStG lautet: Für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, sind Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind.

Soll danach eine Befriedigung der Forderung lediglich aus späteren Gewinnen 575 erfolgen, so fiele der Rangrücktritt unter den Wortlaut der Norm. Daraus würde folgen, dass die Verbindlichkeit nicht mehr in der Steuerbilanz ausgewiesen werden könnte, sondern vielmehr ertragswirksam aus dieser auszubuchen wäre. Es entstünde ein zu versteuernder Gewinn. Der Bundesfinanzhof, BFH, Urt. v. 30.11.2011 – I R 100/10, BStBl 2012 II 0332,

145

J. Maßnahmen definieren

führt dazu aus: „Eine Verbindlichkeit, die nur aus künftigen Gewinnen oder einem etwaigen Liquidationsüberschuss erfüllt zu werden braucht, kann mangels gegenwärtiger wirtschaftlicher Belastung nicht ausgewiesen werden. […] Im Streitfall sind der Klägerin die von ihrer Alleingesellschafterin gewährten Darlehen zwar nicht erlassen worden; es wurde vielmehr nur ein Rangrücktritt vereinbart. Eine Rangrücktrittsvereinbarung, nach der eine Verbindlichkeit nur aus künftigen Gewinnen oder einem eventuellen Liquidationsüberschuss zu bedienen ist, belastet den Schuldner aber nicht stärker, als wäre die Verbindlichkeit gegen entsprechende Besserungsabrede erlassen worden (insoweit anders als Rangrücktrittsvereinbarungen, die auch aus sonstigem Vermögen zu bedienen sind, […]. Es ist daher gerechtfertigt, diese Verbindlichkeit wie einen Erlass mit Besserungsabrede zu behandeln und die Verbindlichkeit nicht auszuweisen […].“

576 Steuerbilanziell behandelt der Bundesfinanzhof den Rangrücktritt somit wie einen Forderungsverzicht mit Besserungsabrede und verlangt eine Ausbuchung der Verbindlichkeit, falls diese lediglich aus späteren Gewinnen oder einem Liquidationsüberschuss befriedigt werden soll. Praxistipp: Bei der Formulierung des Rangrücktritts ist daher unbedingt darauf zu achten, dass die spätere Befriedigung nicht nur aus Gewinnen und/oder einem Liquidationsüberschuss erfolgen soll, sondern daneben auch aus sonstigem freien Vermögen der Gesellschaft nach Begleichung sämtlicher anderer Verbindlichkeiten. Soweit das Sanierungskonzept aber einen Eigentümerwechsel vorsieht, kann aus dem Urteil „Kapital“ geschlagen werden. Die Altgesellschafter könnten einen steuerschädlichen Rangrücktritt erklären und damit den Verlustvortrag aufbrauchen. Soweit die Gesellschaft nach Anteilseignerwechsel saniert wird, lebt die Verbindlichkeit aufwandswirksam wieder auf.

Debt-Equity-Swap 577 Im Rahmen des Debt-Equity-Swap werden Gläubigerforderungen in Eigenkapital umgewandelt. Die Gläubiger erhalten so die Möglichkeit einer direkten Beteiligung am zu sanierenden Unternehmen. Durch den Wegfall von Tilgungsund Verzinsungspflichten des Schuldners verbessert sich dessen Liquidität, was sich positiv auf die Zahlungsfähigkeit auswirkt. Gleichzeitig kann eine Überschuldung verhindert oder beseitigt werden. Daneben erscheint der Erwerb von Unternehmensbeteiligungen dann besonders attraktiv, wenn beim Schuldner Rechtspositionen bestehen, welche nicht frei übertragbar sind, wie etwa Lizenzen oder öffentlich-rechtliche Genehmigungen. In diesen Fällen folgte aus einer „übertragenden Sanierung“ – also dem Einzelverkauf von Assets des Krisenunternehmens – nämlich der Verlust dieser Rechte. 578 Der Swap wird regelmäßig in zwei Schritten vollzogen: x

Kapitalherabsetzung als erster Schritt,

x

Kapitalerhöhung durch Sacheinlage als zweiter Schritt.

146

III. Überwindung der Liquiditätskrise

Die Kombination aus Kapitalherabsetzung und -erhöhung wird als Kapital- 579 schnitt bezeichnet. Da die Kapitalherabsetzung zu Sanierungszwecken erfolgt, kann diese nach den vereinfachten Regeln des § 58a GmbHG (§ 229 Abs. 2 AktG) durchgeführt werden. Hierdurch werden Wertminderungen der Vergangenheit oder Zukunft ausgeglichen und sonstige Verluste gedeckt. Daneben dient sie der Herstellung eines adäquaten Verhältnisses zwischen dem Wert der einzubringenden Forderung und dem aktuellen Wert der Gesellschaft, um so eine gerechte Beteiligung am Eigenkapital des Unternehmens zu erreichen. Die Gläubigerforderung wird sodann in gezeichnetes Kapital umgewandelt und stellt eine Sacheinlage nach § 56 GmbHG (183 Abs. 1 AktG) dar. Die Forderung erlischt entweder durch Konfusion infolge der Übertragung auf die Gesellschaft oder durch Erlassvertrag zwischen Gläubiger und Schuldner nach § 397 BGB. Bei der Durchführung des Debt-Equity-Swap bestehen allerdings nicht un- 580 erhebliche Hemmnisse. So bedürfen die zur Umsetzung erforderlichen Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich einer 75 %-Mehrheit (vgl. §§ 58a Abs. 5, 53 Abs. 2 GmbHG; §§ 229 Abs. 3, 222 Abs. 1 AktG; § 54 Abs. 2 GmbHG, § 182 Abs. 1 AktG). Daneben müssen diese ins Handelsregister eingetragen werden. Die gesellschaftsrechtlichen Durchführungsvorschriften können zu erheblichem Zeitverlust führen, was eine schnelle Verhinderung oder Beseitigung der Überschuldung u. U. unmöglich macht. Exkurs: Situation nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (ESUG) Diese Probleme beseitigt das ESUG, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, durch die Einführung des § 254a Abs. 2 InsO. Danach gelten die in den Insolvenzplan aufgenommenen Beschlüsse in der vorgeschriebenen Form automatisch mit Planannahme als abgegeben. Auch sämtliche sonst erforderlichen Maßnahmen zur Vorbereitung von Beschlüssen gelten als bewirkt. Das Insolvenzrecht hebelt somit das Gesellschaftsrecht aus. Die Registereintragungen werden zwar nicht entbehrlich, allerdings wird die Berechtigung zur entsprechenden Anmeldung aus Beschleunigungsgründen dem Insolvenzverwalter zugesprochen.

Risiken des Debt-Equity-Swap: Im Rahmen der Einbringung der Forderung in das Unternehmen besteht 581 grundsätzlich die Schwierigkeit der Bewertung dieser Forderung. Gläubiger laufen danach stets Gefahr, im Wege der sog. Differenzhaftung (§§ 9 Abs. 1, 19 Abs. 4 GmbHG) in Anspruch genommen zu werden. Diese besteht nach gesellschaftsrechtlichen Kapitalaufbringungsregeln grundsätzlich dann, wenn im Rahmen einer Kapitalerhöhung der Wert der Forderungen, die als Sacheinlage eingebracht worden sind, zu hoch angesetzt wurde. Scheitert die Sanierung letztlich, so führt dies ggf. nicht nur zum Ausfall der Forderung, sondern es droht auch eine Nachschusspflicht in Höhe der Differenz zwischen Nennbetrag der Einlage und tatsächlichem Wert der Forderung zur Unternehmensbewertung insolventer Unternehmen. BT-Drucks. 17/5712, S. 36; vgl. Nickert, ZInsO 2013, 1722 ff. und BewP 2012, 82 ff.

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J. Maßnahmen definieren

582 Daraus folgt ein nur schwer zu kalkulierendes Risiko für die Gläubiger, was sich bislang in einer dementsprechend mäßigen Motivation zur Durchführung eines Debt-Equity-Swap niederschlug. Zudem muss aufgrund der Differenzhaftungsgefahr mit zusätzlichem Zeitverlust gerechnet werden, da sich der Gläubiger meist eines Wertgutachtens bedienen wird. Born, BB 2009, 1730, 1732.

583 Jedenfalls ist von einem derartigen Vorgehen ohne ein qualifiziertes Gutachten abzuraten. 584 Alternativ kann der Gläubiger zuerst eine kleine symbolische Kapitalerhöhung (ggf. i. V. m. einer vereinfachten Kapitalherabsetzung) durchführen und anschließend bei disquotaler Gewinnverteilung die Forderung durch eine Eigenkapitalvereinbarung ins Mezzanine-Kapital tauschen, sog. Debt-to-MezzanineSwap. Für die Einlagen in die freie Kapitalrücklage gelten nämlich die strengen Kapitalaufbringungs- bzw. Kapitalerhöhungsvorschriften nicht. Exkurs: Situation nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (ESUG) Dieses Risiko wird durch die Einführung des § 254 Abs. 4 InsO (ESUG) für den Debt-Equity-Swap nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beseitigt, welcher derartige Ansprüche für Forderungseinlagen im Insolvenzplan ausschließt.

„Change-of-Control“-Klauseln 585 Kreditverträge sehen oftmals eine Kündigungsmöglichkeit des Kreditinstituts vor, soweit sich wesentliche Änderungen in der Zusammensetzung der Gesellschafter ergeben. Hieraus kann ein erheblicher Liquiditätsverlust folgen, welcher eine erfolgreiche Sanierung gefährdet oder gar unmöglich macht. Exkurs: Situation nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (ESUG) Demgemäß erklärt § 225a Abs. 4 InsO (ESUG) solche sog. Change-of-ControlKlauseln sowie ähnliche Regelungen für unwirksam.

Abfindungsansprüche der Altgesellschafter 586 Teilweise kann die Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Gläubiger unzumutbar für einen Altgesellschafter sein. Kommt es im Zuge dessen zu einem Austritt des Altgesellschafters, so stellen dessen Abfindungsansprüche u. U. ebenfalls eine Bedrohung für eine erfolgreiche Sanierung dar. 587 Im Insolvenzverfahren sind diese allerdings nachrangig, vgl. §§ 199, 225 InsO, es sei denn, der Gesellschafter wurde bereits vor dem Insolvenzverfahren und außerhalb der Jahresfrist des § 135 InsO ausgeschlossen. KG Berlin, Urt. v. 9.3.2015 – 23 U 112/11, ZIP 2015, 937. Exkurs: Situation nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (ESUG) Aus diesem Grund erklärt § 225a Abs. 5 InsO (ESUG) für die Anspruchsberechnung die Liquidationswerte für maßgeblich und lässt eine Stundung der Ansprüche von bis zu drei Jahren zu.

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III. Überwindung der Liquiditätskrise

Sanierungsgewinn Im Rahmen des Debt-Equity-Swap kann es – wie auch beim Forderungsverzicht 588 – zu einem sog. Sanierungsgewinn der Gesellschaft kommen. Regelmäßig wird nämlich der tatsächliche Wert der einzubringenden Gläubigerforderung unter deren Nennwert liegen. Eingebracht wird meist allerdings nur der tatsächliche oder objektive Wert, um der Differenzhaftung zu entgehen (siehe Rn. 522). Aus dem Verzicht des Gläubigers auf den nicht werthaltigen Teil seiner Forderung folgt ein Sanierungsgewinn der Gesellschaft, welcher der Körperschaftsund Gewerbesteuer unterliegt. Auch hier kann u. U. der sog. Sanierungserlass, BMF-Schreiben v. 27.3.2003 – IV A 6-S 2140-8/03, BStBl 2003 I 240,

greifen, wonach die Besteuerung des Sanierungsgewinns aus sachlichen Billigkeitsgründen gestundet und ggf. erlassen werden kann. Liegen dessen Voraussetzungen vor, so ist der Sanierungsgewinn zunächst mit den Verlustvorträgen zu verrechnen, wobei Verlustausgleichs- und Verrechnungsbeschränkungen nicht zur Anwendung kommen. Die Steuer auf den überschießenden Betrag kann dann gestundet und im weiteren Verlauf ggf. erlassen werden (vgl. §§ 163, 221, 227 AO). Der Sanierungserlass stellt jedoch lediglich eine Billigkeitsmaßnahme der je- 589 weiligen Finanzverwaltung dar. Zudem erscheint die aktuelle Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, BFH, Beschl. v. 28.2.2012 – VIII R 2/08, ZIP 2012, 989,

zur Anwendbarkeit des Sanierungserlasses wenig vertrauenserweckend (siehe Rn. 564 zum Forderungsverzicht). Es müssen demnach vorab verbindliche Auskünfte der zuständigen Finanzämter eingeholt werden, um Planungssicherheit zu gewährleisten, was u. U. in der Sanierungssituation zu unerwünschten Zeitverlusten führen kann. Daneben findet der Sanierungserlass lediglich auf die Körperschaftssteuer Anwendung. Hinsichtlich der Gewerbesteuer bleibt einzig die Möglichkeit mit der jeweils zuständigen Gemeinde einzeln über einen Erlass zu verhandeln, was zu noch größeren Reibungsverlusten führen kann. Zwar orientieren sich die Gemeinden häufig an der entsprechenden Handhabung durch die Finanzämter. Eine koordinierende Kontaktaufnahme bleibt dennoch unerlässlich. Zusätzlich bestehen mancherorts Bedenken ob der Vereinbarkeit des Sanierungserlasses mit den europäischen Vorschriften zum Beihilferecht. Resümierend lässt sich feststellen, dass Sanierungsgewinne einen nicht unerheblichen Unsicherheits- und Zeitfaktor darstellen können. Verlust von Verlustvorträgen In einem Debt-Equity-Swap kann ein sog. schädlicher Beteiligungserwerb nach 590 § 8c Abs. 1 KStG liegen. Danach führt ein Beteiligungserwerb zwischen 25 % und 50 % zum quotalen Untergang, ein Beteiligungserwerb von über 50 % gar zum vollständigen Untergang des Verlustvortrags. Um hierdurch Sanierungsversuche nicht zu torpedieren, fügte der Gesetzgeber mit § 8c Abs. 1a KStG

149

J. Maßnahmen definieren

eine „Sanierungsklausel“ ein, die vor einem derartigen Verlust abschirmte. Allerdings war diese Regelung Gegenstand eines förmlichen europarechtlichen Prüfungsverfahrens für rechtswidrige staatliche Beihilfen nach Art. 108 Abs. 2 AEUV, im Zuge dessen sie von der Europäischen Kommission Anfang 2011 kassiert wurde. Tatsächlich ist die Anwendung bereits im Jahr 2010 durch das BMF suspendiert worden. Die Bundesregierung hat Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Kommissionsentscheidung vor dem EuGH erhoben. Bis zu einer Entscheidung des EuGH bleibt die Anwendung der Norm aber jedenfalls ausgesetzt. Übernahmeangebot 591 Handelt es sich bei dem Schuldner um eine börsennotierte Aktiengesellschaft und überschreitet der Gläubiger im Rahmen des Debt-Equity-Swap die Kontrollschwelle von 30 % der Aktien, so müsste er den übrigen Aktionären gemäß §§ 29, 35 WpÜG ein Übernahmeangebot unterbreiten. Eine Befreiung kommt nur begrenzt und erst nach Prüfung durch die BaFin in Betracht. Der Gläubiger müsste folglich weiteres Kapital – zusätzlich zu seiner Forderung – aufbringen, was von diesem meist nicht gewollt sein wird. Insolvenzanfechtung 592 Wird innerhalb eines Jahres nach Durchführung des Debt-Equity-Swap ein Insolvenzantrag gestellt, so besteht nach einigen Stimmen in der Literatur die Gefahr, dass der ehemalige Gläubiger seines damals erworbenen Unternehmensanteils, durch Anfechtung des „Swaps“ nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, verlustig geht. Bauer/Dimmling, NZI 2011, 517, 519; Gehrlein, BB 2008, 846.

593 Allerdings kommt den Neugesellschaftern bereits nach Meinung des Gesetzgebers das „Sanierungsprivileg“ des § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO zugute, wodurch die Gefahr einer Anfechtung tatsächlich wohl nicht besteht. BT-Drucks. 17/5712, S. 32. Praxistipp: Der Debt-Equity-Swap stellt grundsätzlich ein überaus effektives Mittel zur Bekämpfung der Überschuldung dar. Aufgrund der mannigfaltigen Risiken und der u. U. zeitintensiven Durchführung, wird er sich allerdings meist nicht zur kurzfristigen Intervention eignen.

c) Die Banken als Gläubiger mit herausgehobener Stellung 594 Die Banken spielen eine herausragende Rolle bei der Sanierung von Unternehmen. Anders als andere große Gläubigergruppen (Arbeitnehmer/Lieferanten), sind diese durch ihre Organisation und finanzielle Ausstattung auch zur kurzfristigen Hilfe in der Lage. Oft werden die Banken zusätzlich ein nicht unerhebliches Eigeninteresse an der Sanierung des Kreditnehmers haben, um bereits gewährte Kredite zu retten. Schmidt/Uhlenbruck-Wittig, S. 272.

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III. Überwindung der Liquiditätskrise

Diese Umstände machen die Banken zum wohl wichtigsten Partner sowohl 595 bei der kurzfristigen Verhinderung oder Beseitigung von Insolvenzgründen als auch der gesamten Sanierung. Als Kreditgläubiger stehen der Bank selbstverständlich die oben unter 596 Rn. 549 ff. aufgeführten Möglichkeiten offen. Danach kann die Bank sich ebenfalls für Stundung, Verzicht (mit Besserungsschein), Rangrücktritt oder ggf. „Debt-Equity-Swap“ entscheiden. Gewährung zusätzlicher Kredite Eine zentrale Rolle spielen die Banken allerdings im Zusammenhang mit der 597 Zuführung frischer Mittel durch Gewährung zusätzlicher Kredite. Meist wird nur die Bank in der Lage sein, kurzfristig, durch Zuführung von Liquidität, eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Die Banken befinden sich folglich regelmäßig in der Position, über „Sein oder Nichtsein“ des Unternehmens zu entscheiden. Schmidt/Uhlenbruck-Wittig, S. 258.

Im Zuge der Gewährung neuer Kredite läuft die Bank allerdings Gefahr, sich 598 gegenüber den restlichen Gläubigern wegen sittenwidriger Insolvenzverschleppung nach § 826 BGB schadensersatzpflichtig zu machen. Die Grundsätze hierzu hat die Rechtsprechung herausgearbeitet. Wann eine Kreditgewährung sittenwidrig erscheint, fasst das Landgericht Köln, LG Köln, Urt. v. 27.2.2008 – 4 O 272/07 (juris),

anschaulich zusammen: Entschließt sich die Bank zu dem Versuch, das Unternehmen durch weitere Kredite zu stützen, so verstößt sie nicht schon deshalb gegen die guten Sitten, weil die Möglichkeit eines Misslingens und damit einer Schädigung anderer Gläubiger besteht, die infolge zu günstiger Beurteilung der Lage ihre Forderung nicht rechtzeitig beitreiben oder sichern oder neue Geschäfte eingehen. (BGH Urteil vom 26.3.1984 – II ZR 171/83, Rn. 62 zitiert nach Juris). Allerdings kann sie bei einer solchen Lage mit den Interessen der anderen Gläubiger in Konflikte geraten, vor allem mit den Neugläubigern. Das gilt vor allem dann, wenn sie dem konkursreifen Unternehmen nicht (mehr) Kredit in der Höhe geben und/ oder belassen will, den es zur Sanierung braucht, sondern nur einen solchen, der den wirtschaftlichen Todeskampf des Unternehmens lediglich verlängert, damit sie sich in der so gewonnenen Zeit aus ihren Sicherheiten zum Nachteil der anderen Gläubiger ungehindert und besser befriedigen kann. Der anstößige Eigennutz der Bank liegt auf der Hand, wenn sie die um eigener Vorteile willen bewirkte Hinausschiebung des Konkurses veranlasst, obwohl sie weiß oder doch billigend in Kauf nimmt, dass dadurch die Lieferanten des Unternehmens zu Schaden kommen können, während sie, weil deren neue Lieferung kraft des Sicherungsvertrages in ihr Eigentum übergehen, dadurch demnächst günstiger abschneiden kann. Ob und in welchem Umfange sie diesen Zweck bei der Liquidation des Unternehmens erreicht, ist nicht wesentlich. Schon der Beweggrund, der sie bei der Hinausschiebung des Konkurses geleitet hat, macht ihr Verhalten sittenwidrig (BGH NJW 1970, 657 Rn. 11 zit. nach juris).

151

J. Maßnahmen definieren

599 Es muss sich bei der Kreditvergabe um einen ernsthaften Sanierungsversuch handeln, um dem Urteil der Sittenwidrigkeit zu entgehen. Die Voraussetzungen hierfür formuliert der BGH, BGH, Urt. v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248,

wie folgt: „Ein ernsthafter Sanierungsversuch kann unter Umständen als solcher eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung objektiv sogar dann ausschließen, wenn er letztlich scheitert […]. Ein derartiger Sanierungsversuch setzt nämlich mindestens ein in sich schlüssiges Konzept voraus, das von den erkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht und nicht offensichtlich undurchführbar ist […]. Sowohl für die Frage der Erkennbarkeit der Ausgangslage als auch für die Prognose der Durchführbarkeit ist auf die Beurteilung eines unvoreingenommenen – nicht notwendigerweise unbeteiligten –, branchenkundigen Fachmanns abzustellen, dem die vorgeschriebenen oder üblichen Buchhaltungsunterlagen zeitnah vorliegen […]. Eine solche Prüfung muß die wirtschaftliche Lage des Schuldners im Rahmen seiner Wirtschaftsbranche analysieren und die Krisenursachen sowie die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage erfassen. Das gilt – entgegen der Auffassung der Klägerin – grundsätzlich auch für den Versuch der Sanierung eines kleineren Unternehmens, weil dabei ebenfalls Gläubiger in für sie beträchtlichem Umfange geschädigt werden können; lediglich das Ausmaß der Prüfung kann dem Umfang des Unternehmens und der verfügbaren Zeit angepaßt werden.“

600 Das Sanierungsgutachten sollte möglichst von externen, branchenkundigen Sachverständigen erstellt werden, und die Anforderungen der Rechtsprechung erfüllen. Schmidt/Uhlenbruck-Wittig, S. 261.

601 Ein solches Gutachten ist kosten- und zeitintensiv. Ist eine Prüfung bereits eingeleitet, kann die Bank daher sog. Überbrückungskredite gewähren, die die Zahlungsfähigkeit bis zur Fertigstellung des Gutachtens erhalten. Wallner/Neuenhahn, NZI 2006, 553, 556; MaS, S. 255 ff.

602 Die Rechtsprechungsanforderungen gelten auch für kleinere Unternehmen. Die Prüfungsintensität kann dabei jedoch dem Umfang des Unternehmens sowie der zur Verfügung stehenden Zeit angepasst werden. BGH, Urt. v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248.

d) Mezzanine-Kapital 603 Zur Verhinderung oder Beseitigung der Zahlungsfähigkeit und (unter bestimmten Voraussetzungen) Überschuldung bietet sich insbesondere sog. MezzanineKapital an. Es handelt sich dabei um Finanzierungsinstrumente, die eine Stellung zwischen Eigen- und Fremdkapital einnehmen. Je nach vertraglicher Ausgestaltung, werden diese dem Eigenkapital („Equity Mezzanine“) oder Fremdkapital („Debt Mezzanine“) zugerechnet. Typische Erscheinungsformen sind Genussrechte, Wandel- und Optionsanleihen, atypische stille Gesellschaft („Equity Mezzanine“), Nachrang- und partiarische Darlehen sowie die typische 152

III. Überwindung der Liquiditätskrise

stille Gesellschaft („Debt Mezzanine“). Als schnelle Sanierungsinstrumente kommen dabei insbesondere die stille Beteiligung und die Genussrechte sowie die Nachrang- und partiarischen Darlehen in Betracht. Stille Beteiligungen Bei der stillen Beteiligung wird zwischen typischer und atypischer stiller Beteili- 604 gung unterschieden. Bei der typischen stillen Beteiligung ist der stille Gesellschafter am Gewinn und je nach Vereinbarung am Verlust des Unternehmens beteiligt, nicht jedoch am Vermögen der Gesellschaft. Bei der atypischen stillen Beteiligung werden dem stillen Gesellschafter umfangreiche Vermögens- und Kontrollrechte eingeräumt. Der atypisch stille Gesellschafter ist nicht nur am Gewinn und Verlust, sondern zusätzlich am Vermögen der Gesellschaft beteiligt, einschließlich des Anlagevermögens, der stillen Reserven und ggf. des Geschäftswerts. Der atypischen Beteiligung wird regelmäßig Eigenkapitalcharakter zugesprochen. Damit ist sie, anders als die typisch stille Beteiligung, in der Lage, sich positiv auf die Handelsbilanz auszuwirken und so die Bonität des Unternehmens zu stärken. Sie bringt daneben neue liquide Mittel und ist frei in der Gestaltung. Die Kapitalerhöhungsformalitäten gelten nicht. Sie können auf ein debitorisches Konto oder sogar an einen Gläubiger bezahlen. Die Fragen der Gewinnverteilung können frei verhandelt werden. Dies führt dazu, dass im Verlustfall (Veräußerung oder Liquidation) der Verlust nach der Ergebnisverwendung aufgeteilt wird. Damit wird der Verlust auf die atypisch stille Beteiligung steuerlich abzugsfähig. Die handelsbilanzielle Einordnung als Eigenkapital soll allerdings nicht auto- 605 matisch zur Nichtberücksichtigung im Überschuldungsstatus führen. Hey, GmbHR 2001, 1100, 1105.

Vielmehr ist hierfür sowohl bei atypischer als auch bei typischer stiller Beteili- 606 gung die Vereinbarung eines Rangrücktritts erforderlich. OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.11.2010 – I-23 U 98/09, 23 U 98/09 (juris); Schmidt/Uhlenbruck-Uhlenbruck, S. 531.

Wir sind allerdings der Meinung, dass mit

607

IDW HFA 1/94

eine schuldrechtliche Nachrangvereinbarung neben den anderen Voraussetzungen für den handelsbilanziellen Eigenkapitalausweis erforderlich ist. Damit läge dann zugleich auch insolvenzrechtlich ein Nachrang vor. Genussrechte Werden Genussrechte nachrangig ausgestaltet, erfolgsabhängig vergütet oder 608 für einen längerfristigen Zeitraum überlassen und nehmen diese auch am Verlust bis zu ihrer vollen Höhe teil, so werden sie als Eigenkapital eingestuft. IDW HFA 1/94.

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J. Maßnahmen definieren

609 Bestehen Vertragsmodalitäten zu Kündigung und Rückzahlung, liegt eine Einstufung als Fremdkapital nahe. Im ersteren Fall kommt eine Passivierung im Überschuldungsstatus nicht in Betracht, soweit die Genussrechte im Rang nach den Verbindlichkeiten des § 39 InsO aus Liquidationserlösen zurückzuzahlen sind. Schmidt/Uhlenbruck-Uhlenbruck, S. 532.

610 Im letzteren Fall bedarf es einer Rangrücktrittsvereinbarung in den Rang des § 39 Abs. 2 InsO, um einer Passivierungspflicht zu entgehen. Schmidt/Uhlenbruck-Uhlenbruck, S. 532.

Nachrang- und partiarische Darlehen 611 Damit sich diese positiv auf den Überschuldungsstatus auswirken, bedarf es auch hier etwaiger Rangrücktrittserklärungen (vgl. Rn. 567 ff.). IV. Überwindung der Erfolgskrise 612 Um nach einer Erfolgskrise mindestens eine nachhaltige, branchenübliche Rendite zu erreichen, bedarf es eines umfassenden Sanierungskonzepts. So können einzelne Geschäfte aufgegeben, andere gebündelt oder neu in das Portfolio aufgenommen werden; i. d. R. ist es zudem vorteilhaft, das Leistungssortiment zu straffen und die Fertigungstiefe zu reduzieren. Überdies können geschäftsübergreifend Möglichkeiten der Bündelung von Funktionen/Prozessen sowie der Verwendung von Gleichteilen in der Fertigung genutzt werden. Eine Verbesserung der Kostenstruktur lässt sich z. B. durch Senkung der Bezugspreise, Optimierung der Verbrauchsmengen, Verminderung der Ausschussquote, Senkung der Lagerkosten und der Kapitalbindungskosten, Reduktion und Bereinigung der Artikelvielfalt, Veränderungen der Vergütungsstruktur im Personalbereich, Personalabbau, Senkung/Flexibilisierung der Fixkosten sowie Abbau von Leerkosten/Senkung der Stückkosten durch bessere Kapazitätsauslastung erreichen. 613 Überdies sind i. d. R. Maßnahmen zur Steigerung der Umsatzerlöse durchzuführen. Durch die Verbesserung der Wertschöpfungsprozesse und des Lieferund Leistungsprogramms, eine stärkere Fokussierung auf die Kundenbedürfnisse sowie eine Verbesserung von Marketing und Vertrieb lassen sich Mengenund/oder Preiserhöhungen erzielen. V. Überwindung der Produkt- und Absatzkrise 614 Ist eine Produkt- und Absatzkrise von nur vorübergehender Natur, kommt es lediglich darauf an, Maßnahmen zu identifizieren, um diese Schwächephase durchzustehen. Um das Belegschaftspotenzial mit seinen Qualifikationen zu erhalten, sind bestandswahrende Maßnahmen in Erwägung zu ziehen, wie z. B. x

Einführung von Kurzarbeit,

x

Rücknahme von Leiharbeit,

154

V. Überwindung der Produkt- und Absatzkrise

x

Abbau von Zeitguthaben,

x

Verkürzung der Wochenarbeitszeit.

Im Übrigen halten wir es mit Hamel/Prahalad, für dringend angezeigt, das 615 Problem radikal, also an der Wurzel, anzupacken. Bestehen Produkt- und Absatzkrisen, ist dies zuerst ein Marketingproblem. Nur wenn die Zeit nicht ausreicht, um dieses Problem anzugehen, sollten Personalmaßnahmen in Betracht kommen. Zuvor sollten aber alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sein (siehe Rn. 638 ff.). Dies ist heutzutage umso wichtiger, als es den Unternehmen immer schwerer fällt, geeignete Mitarbeiter zu finden. Dieses Problem verstärkt sich in der Krise und nochmals nach einem durchgeführten Personalabbau. Hamel/Prahalad, Wettlauf um die Zukunft, S. 31 ff.

Exkurs: Personalmaßnahmen in der Krise Gerade in der Krise sind Arbeitgeber bestrebt, zur Reduzierung der Personal- 616 kosten oder aber auch Steigerung der Produktivität auf Arbeitsbedingungen Einfluss zu nehmen, oder aber auch Personal abzubauen. In vielen Fällen ist der Arbeitgeber jedoch nicht in der Lage, diese Änderungen einseitig gegenüber den Mitarbeitern durchzusetzen. Weisungsrecht des Arbeitgebers Teilweise ist der Arbeitgeber berechtigt, Arbeitsbedingungen einseitig durch 617 Weisung zu verändern. Sofern eine einseitige Weisung zulässig ist, wird diese dem Arbeitnehmer lediglich mitgeteilt und sodann unmittelbar umgesetzt. Gerade im Bereich innerbetrieblicher Umstrukturierung wird dies jedoch regelmäßig dann ausscheiden, sofern dem Arbeitnehmer eine geringerwertige Tätigkeit zugewiesen wird oder aber auch Arbeitsentgelt einseitig gekürzt werden soll. Einseitige Weisungen sind z. B. dann möglich, wenn im Arbeitsvertrag eine 618 Versetzungsklausel bezüglich der Tätigkeit des Arbeitsortes aufgenommen wurde. Ebenso kann der Arbeitgeber die Arbeitszeit, also deren Beginn und Ende sowie die Lage der Pausen, einseitig im Wege einer Weisung bestimmen. Der Arbeitgeber hat jedoch bei allen Maßnahmen das sog. billige Ermessen zu 619 wahren. Interessen des Arbeitnehmers sind gegen die Interessen des Arbeitgebers abzuwägen. Änderungskündigung Ist eine einseitige Weisung nicht möglich und erklärt sich der Arbeitnehmer 620 nicht freiwillig zur Umsetzung bereit, können Änderungen des Arbeitsverhältnisses nur im Rahmen einer sog. Änderungskündigung vorgenommen werden. Diese setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen: x

Kündigung des mit dem Arbeitnehmer bestehenden Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung der Kündigungsfrist und

x

gleichzeitiges Angebot des Abschlusses eines Arbeitsverhältnisses zu geänderten, konkret genannten Bedingungen.

155

J. Maßnahmen definieren

621 Mit einer Änderungskündigung können unterschiedliche Zwecke verfolgt werden, wie z. B. die Versetzung des Arbeitnehmers in einen anderen Betrieb, die Kürzung von Arbeitsentgelt, die Zuweisung eines freien geringerwertigen Arbeitsplatzes etc. 622 Auf eine Änderungskündigung findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Voraussetzung ist es insbesondere, dass die vorgeschlagene, geänderte Arbeitsbedingung i. S. d. Kündigungsschutzgesetzes sozial gerechtfertigt ist. 623 Im Rahmen der Sanierung eines Unternehmens wird regelmäßig ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Änderung der Arbeitsbedingungen bestehen. 624 Sofern mit der Änderungskündigung eine Entgeltkürzung vorgenommen werden soll, ist zu beachten, dass die Rechtsprechung hieran sehr hohe Anforderungen stellt. In vielen Fällen wird es einfacher sein, einen teilweisen Personalabbau vorzunehmen. 625 Vor einer Änderungskündigung ist ein etwaig vorhandener Betriebsrat jedenfalls gemäß § 102 BetrVG zu beteiligen. Beendigung von Arbeitsverhältnissen 626 Eine Beendigung von Arbeitsverhältnissen kommt grundsätzlich in Form eines einvernehmlichen Aufhebungsvertrages oder aber in Form einer (betriebsbedingten) Kündigung in Betracht. 627 Aufhebungsverträge sind für Mitarbeiter regelmäßig nicht attraktiv, da diesen im Falle einer anschließenden Arbeitslosigkeit das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs gemäß § 143 SGB III droht. 628 Diese Folgen können dann vermieden werden, wenn bereits im Aufhebungsvertrag zur Vermeidung einer ansonsten unumgänglich betriebsbedingten Kündigung, unter Einhaltung der Kündigungsfrist eine Vereinbarung über eine Abfindung in Höhe von 0,5 Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr vereinbart wird. 629 Sofern eine einvernehmliche Aufhebung der Arbeitsverhältnisse nicht möglich ist, sind betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen. Eine Kündigung bedarf gemäß § 623 BGB der Schriftform. 630 Die Kündigungsfristen sind entweder aus tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Regelungen zu entnehmen. Subsidiär gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen des § 622 BGB. Vor dem Ausspruch der Kündigung ist im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes eine Sozialauswahl vorzunehmen. 631 Liegt eine Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG vor, z. B. aufgrund einer Stilllegung eines ganzen Betriebes oder eines wesentlichen Betriebsteiles, muss mit dem Betriebsrat zunächst ein Interessenausgleich verhandelt werden. Ebenfalls auch ein Sozialplan.

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V. Überwindung der Produkt- und Absatzkrise

Ebenso ist zu beachten, dass ggf. gemäß § 17 Kündigungsschutzgesetz eine 632 Massenentlassungsanzeige gegenüber der Bundesagentur für Arbeitet abzugeben ist. Diese muss vor Ausspruch der Kündigung bei der Agentur für Arbeit eingegangen sein. Praxistipp: In Krisensituationen empfiehlt es sich bei einem erforderlichen Personalschnitt einmal und tief zu schneiden. Mehrere Abschnitte erhöhen zum einen das Risiko im Rahmen der Sozialauswahl. Zum anderen sorgt jede Kündigungswelle für Unruhe und Unsicherheit. In dieser Phase sorgt die ständig präsente Möglichkeit weiterer Kündigungen für Misstrauen in der Belegschaft. Dies wirkt sich selbstverständlich auch auf die Motivation und die Produktivität negativ aus.

Um in der Übergangszeit die Ertragseinbußen möglichst gering zu halten bzw. 633 zu kompensieren, sind solche Maßnahmen um ein striktes Kostenmanagement nebst entsprechenden Kontrollen in allen Unternehmensbereichen zu ergänzen. Stellt sich heraus, dass die Produkt- und Absatzkrise nicht durch kurzfristige Überbrückungsmaßnahmen beseitigt werden kann, sind die Kapazitäten im Leistungsbereich strukturell anzupassen. Dazu ist zuvor zu untersuchen, ob Produkte und Leistungen als marktfähig angesehen werden können und mit welchem Absatzvolumen zu rechnen ist. Einzubeziehen sind dabei auch Maßnahmen zur Beseitigung von Schwächen in Marketing und Vertrieb sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Absatzchancen, z. B. durch Sonderaktionen, Rabatte und zusätzliche Werbung. Liegt die Problematik der Produkt- und Absatzkrise indes auf der Ebene der 634 Leistungserbringung (z. B. Sortimentsschwächen, mangelnde Qualität der Produkte, unzureichende Liefertreue, falsche Preispolitik), müssen Maßnahmen definiert werden, mit denen sich in den relevanten Funktionen und Prozessen Verbesserungen durchsetzen lassen. Dies erstreckt sich u. a. auf die Bereiche von Produktverbesserungen bzw. der von Neuprodukten, der Beseitigung von Qualitäts- und Belieferungsmängel sowie der Behebung von Ertragsnachteilen. Dabei ist auch abzuwägen, inwieweit vorübergehende Rendite- oder Gewinneinbußen in Kauf genommen werden können. Soweit – etwa infolge von Produktinnovationen oder Nachfrageverschiebungen 635 – der Absatz nachhaltig gestört ist, sind die Möglichkeiten für eine grundsätzliche Neuausrichtung auszuloten. Beispiele für geeignete Maßnahmen gegen die Umsatz-und Absatzkrise: Der Gewinn eines Unternehmens wird durch vier Werttreiber beeinflusst: • Absatzmenge • Absatzpreis • Variable Kosten • Fixkosten

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J. Maßnahmen definieren

636 Von diesen vier Werttreibern hat der Preis die höchste Wirkung. Ziel einer jeden Sanierung muss es daher sein, diesen Gewinnhebel zu maximieren und das Unternehmen zurück zu einer starken „Pricing-Power“ zu führen. Allgemein gilt: Generell ist es besser, einen Absatz- als einen Preisrückgang zu akzeptieren. 637 Folglich sollten alle Möglichkeiten einer Preiserhöhung genutzt werden, zumal die Preiserhöhung als Sanierungsmittel auch die Maßnahme ist, die am schnellsten wirkt. Demgegenüber wirken Kostensenkungen, z. B. durch Vertragskündigungen, in der Regel erst in mittelfristiger Zukunft. 638 Im Folgenden stellen wir Sanierungsmaßnahmen dar, die aus dem lesenswerten Buch von Hermann Simon „33 Sofortmaßnahmen gegen die Krise“ entnommen sind. Diese sind vor allem auch dazu geeignet, schnelle Wirkung zu entfalten und daher in der Krisenberatung besonders interessant. Maßnahme 1: Garantien geben 639 Nicht selten haben Kunden Sorgen bzw. Bedenken beim Kauf eines Gutes bzw. bei der Beauftragung einer Dienstleistung. Es ist wichtig, diese Ängste und Sorgen zu kennen, um darauf aufbauend entsprechende Garantien abzugeben. 640 Hyundai hat z. B. in den USA Fahrzeuge finanziert bzw. geleast und dem Käufer die Möglichkeit eingeräumt, das Fahrzeug zurückzugeben, wenn er aufgrund eingetretener Arbeitslosigkeit die Raten nicht mehr bezahlen kann. Einen ähnlichen Ansatz hat in Deutschland Town & Country Haus verfolgt, als es Geringverdienern beim Kauf einer Immobilie ein Versicherungspaket mitverkaufte, was Risiken wie Berufsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit mitversicherte. Maßnahme 2: Probezeit vereinbaren 641 Gerade bei vollen Lagerbeständen führt die Einräumung einer Probezeit bzw. eine Rücktrittsmöglichkeit nicht selten zu zusätzlichen Umsätzen und damit zum Lagerabbau. Auf demselben Modell basieren etliche Textil-OnlineHändler, die ohne die Umtauschmöglichkeit praktisch keinen Absatz machen würden. Maßnahme 3: Vereinbaren Sie erfolgsabhängige Bezahlung 642 Immer dort, wo aufgrund des gelieferten Gegenstands bzw. der Dienstleistung ein konkreter Erfolg gemessen werden kann, kommt dieser Ansatz ins Spiel. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Grundleistung entweder kostenlos erbracht bzw. der Preis deutlich reduziert wird. Mit der Erfolgsprämie muss allerdings die Differenz zum üblichen Umsatz überkompensiert werden. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass nicht bei jedem verkauften Gut bzw. bei jeder erbrachten Dienstleistung der Erfolg eintreten wird. In der Mischkalkulation sollte letztlich darin eine Preiserhöhung stecken. Sofortmaßnahme 4: Schulen Sie alle Mitarbeiter im Vertrieb, die harte Vorteile benennen können 643 Bringen Sie diese Nutzenvorteile insbesondere auch dann ins Spiel, wenn sich aus den harten Vorteilen weitere Möglichkeiten entwickeln.

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V. Überwindung der Produkt- und Absatzkrise

Beispiel: Sie verkaufen Ihren Kunden eine Maschine, die den Energieverbrauch um 30 % reduziert. In diesem Fall ist eine Finanzierung über das KFW-EnergieeffizienzProgramm zu sehr günstigen Zinskonditionen möglich, sodass der Kunde beim Kauf dieser Maschine noch günstige Finanzierungsmöglichkeiten mit nutzen kann. Maßnahme 5: Die eigene Finanzkraft nutzen Dieses Argument greift insbesondere dann, wenn die Kunden selbst auf Liqui- 644 ditätssicherung bedacht sind. In derartigen Fällen ist es regelmäßig möglich, Nachlässe vollständig bzw. fast vollständig zu vermeiden, wenn den Kunden entsprechende Zahlungsziele bzw. Ratenzahlungen eingeräumt werden können. Allerdings ist in diesen Fällen auf die Forderungssicherung zu achten. Ent- 645 weder sollten also die Kunden einer vorherigen Analyse unterzogen werden (Creditreform) oder aber es sollte eine Forderungsausfallversicherung abgeschlossen werden. Maßnahme 6: Prüfen Sie die Möglichkeit von Tauschgeschäften Insbesondere dann, wenn gegenläufige Geschäftsbeziehungen bestehen, können 646 Tauschgeschäfte vereinbart werden, die letztlich die Liquidität schonen. Maßnahme 7: Kundenakquise Insbesondere in Fällen, in denen eine gesamte Branche in der Krise steckt, 647 bieten sich Möglichkeiten, Kunden von angeschlagenen Wettbewerbern zu gewinnen. Achten Sie daher auf alle Informationen betreffend Ihre Wettbewerber. Hierzu können Sie den kostenlosen Dienst von Google „Alerts“ nutzen, um sich dauerhaft und unverzüglich über Ihre Wettbewerber zu informieren. Gerade wenn die Gerüchteküche brodelt, sollten Sie Ihre Vertriebsaktivitäten intensivieren. Bitte beachten Sie aber, dass derartige Gerüchte nicht in den Umlauf gebracht 648 werden dürfen. Darin könnte ein Verstoß gegen das UWG liegen, der strafund zivilrechtliche Haftungsfolgen mit sich bringen kann. Maßnahme 8: Überprüfen und entwickeln Sie die Geschäftsmodelle Statt Rabatte zu geben, können Sie z. B. Verfügbarkeitsgarantien, Laufleistungs- 649 garantien geben oder z. B. in dem Kfz-Vertrieb Benzinpreis-Garantien geben (Beispiel: Sie garantieren einen Benzinpreis von 1,50 €. Geht der Benzinpreis nach oben, erhält der Kunde die Differenz erstattet). Maßnahme 9: Vertriebsleistung erhöhen In der Krise sollte regelmäßig der Fokus auf dem Erhalt des Absatzniveaus bzw. 650 auf der Steigerung des Absatzniveaus und nicht bei der Kosteneinsparung im Vertrieb liegen. Insbesondere sollten Sie Wert darauf legen, dass die Bearbeitungsgeschwindigkeit im Vertrieb aufrechterhalten bleibt. Sofern neue Mitarbeiter für den Vertrieb gesucht werden, bietet sich unter Umständen die Umsetzung von Mitarbeitern an. Diese kennen die Produkte und ggf. auch schon 159

J. Maßnahmen definieren

die Kunden, sodass es einfacher ist, einen Mitarbeiter aus der Produktion im Vertrieb einzusetzen, als einen externen Vertriebsmitarbeiter einzustellen. Dies gilt jedenfalls bei technologischen Produkten. Maßnahme 10: Kernvertriebszeit erhöhen 651 Sie sollten dafür sorgen, dass die Vertriebsmitarbeiter so wenig wie möglich mit Routine und Dokumentationsarbeiten belastet werden. In der Absatzkrise sind regelmäßig die Mitarbeiter nicht vollständig ausgelastet. In dieser Phase muss es Ziel der Sanierung sein, so viel wie möglich delegierbare Tätigkeiten vom Vertrieb auf die unausgelasteten Mitarbeiter zu übertragen, damit die Kernvertriebszeit erhöht werden kann. Die unausgelasteten Mitarbeiter können die Reisen und die Routen planen, sodass unproduktive Reisezeiten minimiert werden können. Gegebenenfalls können unausgelastete Mitarbeiter als Fahrer fungieren, damit die Vertriebsmitarbeiter während der Reisezeit die Dokumentationen und Besuchsprotokolle fertigstellen können. Maßnahme 11: Passen Sie die Vertriebsintensität der Bedeutung der Kunden an 652 Vertriebsmitarbeiter neigen dazu, die Kunden gleichmäßig zu besuchen. Das bedeutet, dass ein C-Kunde genauso viel Aufmerksamkeit erhält wie ein A-Kunde. In der Krise aber sollten Sie gemäß dem Pareto-Prinzip vorrangig die 20 % Kunden bearbeiten, mit denen Sie 80 % ihres Geschäftserfolgs erzielen. Maßnahme 12: Direktvertrieb 653 Auch für den Direktvertrieb können unter Umständen Innendienstmitarbeiter aus der Produktion eingesetzt werden. Insbesondere im B2B Geschäft sollten Sie alle Ihre Mitarbeiter mit den entsprechenden Verkaufsmaterialien versorgen, damit diese im Freundes- und Bekanntenkreis akquirieren können. Maßnahme 13: Neue Kundensegmente erschließen 654 Die Erschließung neuer Kundensegmente kann in nicht bedienten Regionen, Zielbranchen oder Preislagen erfolgen. Allerdings ist zu bedenken, dass dies nicht selten einen erheblichen finanziellen Aufwand verursacht. Sofern aber die Kundesegmente regional oder inhaltlich dem bisherigen Segmenten nahekommen, kann dies anders sein. Zu bedenken ist allerdings, dass die Wettbewerber mit Preiskämpfen reagieren können, was die gesamte Segmenterweiterung infrage stellen kann. Maßnahme 14: Incentives 655 Im Vertrieb sind Anreizsysteme üblich. Gerade in der Absatzkrise müssen Sie besonders sorgfältig gewählt sein. Vermeiden Sie dort Umsatz- bzw. Absatzincentives, da diese regelmäßig zulasten der Marge gehen. Vereinbaren Sie Incentives nur auf den Deckungsbeitrag und setzen Sie einen Sockelbeitrag fest, der zum Erzielen einer Prämie erforderlich ist. Belohnen Sie den besten Mitarbeiter (der Mitarbeiter, der die höchsten Margen erzielt) mit einer Sonderprämie.

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V. Überwindung der Produkt- und Absatzkrise

Maßnahme 15: Setzen Sie Innendienstler im Vertrieb ein Gerade nicht ausgelastete Innendienstler können Vertriebstätigkeiten über- 656 nehmen. Insbesondere Telefon, Vertrieb und Direktvertrieb können von diesen Mitarbeitern gut bedient werden. Eine solche Veränderung kann bisweilen die Mitarbeiter auch motivieren und unerkannte Talente offenbaren. Maßnahmen 16: Verkäufer der Konkurrenz akquirieren Nicht selten hängen Kundenbeziehungen an der persönlichen Beziehung zum 657 Verkäufer. Aus diesem Grund können Sie durch die Anstellung eines Verkäufers vom Wettbewerber gelegentlich Kunden mit zu Ihnen hinüber ziehen. Die Möglichkeit bietet sich insbesondere dann an, wenn der Wettbewerber in einer noch schwierigeren Situation ist als ihr Unternehmen. Maßnahme 17: Verkaufskompetenz aufbauen und intern weitergeben Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal von Top-Verkäufern gegenüber 658 normalen Verkäufern ist das Kundenverständnis. Top-Verkäufer kennen die Geschäftsprozesse Ihrer Kunden wesentlich besser. Daher können Sie die wirtschaftlichen Vorteile der eigenen Dienstleistungen besser darstellen und ggf. sogar berechnen. In der Krise muss der Vertrieb angehalten werden, die Geschäftsprozesse der Kunden genau zu studieren, um damit den Vertrieb zu optimieren. Maßnahme 18: Verstärkung des Cross-Sellings Das Cross-Selling kann insbesondere dadurch erweitert werden, dass für beste- 659 hende Kunden die Leistungen erweitert werden. Dies geschieht am besten durch Bündelung mehrerer Leistungen zu einem Gesamtangebot. Diese Paketbildung macht im Übrigen die Leistung gegenüber Konkurrenzleistungen schwerer vergleichbar, sodass die Preisdiskussion bestenfalls in den Hintergrund gedrängt, jedenfalls aber relativiert werden kann. Maßnahme 19: Vertriebssortiment erweitern Wenn Sie Güter produzieren, können Sie überlegen ergänzende Produkte als 660 Handelsware mit zu vertreiben. Dadurch wird die Vertriebsmöglichkeit für Ihren Außendienst erhöht. Möglicherweise werden dadurch sogar die Kundenbeziehungen gefestigt, weil Sie weitere Problemlösungen anbieten. Maßnahme 20: Angebotsmenge bzw. Absatz reduzieren In Zeiten von Überkapazitäten wird kein Geld verdient. Daher besteht in der 661 Krise ein großer Bedarf, etwaige Überkapazitäten zu reduzieren bzw. ganz zu vermeiden. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Porsche, Herr Wiedeking, hat einmal gesagt, dass das Erfolgsgeheimnis von Porsche war, immer ein Auto weniger zu verkaufen als man hätte verkaufen können. Durch diese bewusste Verknappung konnte man sich den Rabattschlachten entziehen und hat darüber hinaus die Nachfrage nach dem Kfz hochgehalten. Ob dies in den b2bMärkten umsetzbar ist, sei dahingestellt. Jedenfalls bringt eine Verknappung der Kapazitäten durch die Reduktion von Fixkosten eine gewisse Entspannung und kann argumentativ in den Preisverhandlungen genutzt werden. 161

J. Maßnahmen definieren

Maßnahme 21: Preise intelligent senken 662 Generell gilt die Regel, dass man lieber Mengen- als Preisrückgänge akzeptieren sollte. Dies bedeutet allerdings nicht, dass man strikt auf seinen Preisen beharren sollte. Maßgeblich für die Frage, ob und in welchem Umfang die Preise gesenkt werden sollen, ist die sog. Preiselastizität. Das heißt, ab welchem Preisrückgang kann man die Nachfrage nach der Leistung steigern. Es steht nämlich keineswegs fest, dass eine Preisreduktion dazu führt, dass man die gleiche Menge wie bisher absetzen kann. 663 Im Rahmen der Preiselastizität ist auch zu berücksichtigen, dass die Interessenlage des Anbieters bzw. der Kunden bei Preissenkungen oder bei Preiserhöhungen asymmetrisch ist. In diesem Zusammenhang ist auf die GutenbergKurve zu verweisen, nach der ein größerer Zu- bzw. Abgang von Kunden zu verzeichnen ist, je größer die Differenz des neuen Preises zur durchschnittlichen Preisbildung ist. Maßnahme 22: Natural-, statt Preisrabatte 664 Sie kennen die klassische amerikanische Werbung: „Buy two, get one free.“ 665 Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass das dritte umsonst mitgegebene Stück nur zu den Herstellungskosten zu kalkulieren ist und damit dem Käufer zwar ein Rabatt von 33 % signalisiert wird, dieser aber um die Gewinnmarge zu reduzieren ist. Sofern keine Vollauslastung besteht und in Deckungsbeitragskategorien kalkuliert wird, ist der Deckungsbeitrag aller drei verkauften Einheiten zum Preis von 2/3 des Listenpreises zu kalkulieren, was unter Umständen für das Unternehmen immer noch wirtschaftlich sinnvoll sein kann. 666 In die gleiche Kategorie fallen Zusatzleistungen, die entgeltlich oder vergünstigt dazugestellt werden. Maßnahme 23: Nicht lineares Pricing und Price-Bundling 667 Beim nicht linearen Pricing sinkt der Preis pro Einheit bei zunehmender bestellter Zahl der gekauften Einheiten. Dies kommt letztlich dem NaturalRabatt sehr ähnlich. 668 Noch interessanter ist das Price-Bundling, in dem mehrere Produkte zu einem Gesamtpaketpreis verkauft werden. Bei derartigen Leistungen ist der Preis mit dem des Wettbewerbers nur schwer vergleichbar. Damit kann zugleich die Qualität der eigenen Leistung bzw. den Service besser in den Vordergrund der Preisverhandlungen heben. Maßnahme 24: Verteidigen Sie Ihre Listenpreise 669 Gerade in der Krise sollten Sie Preisverhandlungen optimal vorbereiten. Dies bedeutet zum einen die Kenntnis der Prozesse des Kunden und die Errechnung des von Ihnen gestifteten Nutzens und zum anderen klare Zielvorgaben für den Vertrieb sowie ein entsprechendes Controlling.

162

V. Überwindung der Produkt- und Absatzkrise

Maßnahme 25: Nebenleistungen berechnen Nicht selten werden die Preise der Hauptleistung mit Argusaugen beobachtet, 670 während die Nebenleistungen nur in begrenztem Maße überprüft werden. So kann es z. B. unbemerkt bleiben, wenn das Kfz im Preis gleich bleibt, aber die nicht serienmäßig integrierte Klimaanlage im Preis erhöht wird. Dasselbe gilt für Ersatzteile bzw. Verschleißteile. Maßnahme 26: Reduktion der Rabattstufen Zum einen braucht der Vertrieb klare Spielregeln wann und in welchem Umfang 671 ihm ein Preisspielraum eingeräumt wird. Zum anderen ist zu beachten, dass Rabattverhandlungen üblicherweise in 5er oder 10er Schritten geführt werden. Sofern man es schafft, diese schrittweise zu reduzieren, fallen die gewährten Rabatte automatisch geringer aus. Maßnahme 27: Bisher kostenlos erbrachte Inklusivleistungen bzw. Serviceleistungen getrennt abrechnen Man spricht hier vom sog. Unbundling. Beispielsweise könnte ein Maschinen- 672 bauer die Beratung zum Kauf einer Maschine gesondert abrechnen. Maßnahme 28: Wertschöpfungskette durch Service vertiefen Genauso wie Sie bislang kostenlose Inklusivleistungen bepreisen können, 673 können Sie die Hauptleistung um Service-Angebote anreichern, die dann selbstverständlich berechnet werden müssen. So kann z. B. ein Software-Programmierer Schulungen zu seiner Software gegen Entgelt anbieten. Maßnahme 29: Den Kundenanteil mit Serviceverträgen erhöhen Serviceverträge bringen eine permanente Auslastung bzw. permanente Erträge 674 und Cash-Flows. Sie machen das Unternehmen kalkulierbarer und können so attraktiv sein, das gesamte Bepreisungssystem umzustellen bzw. anzupassen. Maßnahme 30: Entwicklung vom Produkt- zum Systemanbieter Dieser Ansatz dürfte in der Regel für kurzfristige Maßnahmen nicht geeignet 675 sein. Im Wesentlichen geht es darum, dem Kunden umfassende Problemlösungen statt der Lieferung einzelner Produkte zu offerieren. Dies führt dazu, dass das Unternehmen weniger austauschbar wird und führt insgesamt zu einer Verstärkung der Kundenbindung. Maßnahme 31: Serviceflexibilität erhöhen Gerade in der Krise ist die Bereitschaft von Arbeitnehmern und Betriebsräten 676 flexible Lösungen zu suchen enorm wichtig. Es wird nämlich regelmäßig übersehen, dass in einem Vertragsangebot neben den Faktoren Leistung und Preis ein weiteres wichtiges Entscheidungskriterium einbezogen werden muss: Die Zeit bzw. Arbeitsgeschwindigkeit. Wenn Sie z. B. eine Bestellung bei Amazon tätigen, haben Sie die Möglichkeit, das Paket zum Standardpreis in 2 – 3 Werktagen zugesandt zu bekommen. Alternativ haben Sie die Möglichkeit, gegen einen Aufpreis von der Über-Nacht-Lieferung zu profitieren. Das heißt, die

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J. Maßnahmen definieren

erhöhte Bearbeitungsgeschwindigkeit hat einen Preis, der zugleich von den Kunden akzeptiert wird. Insbesondere diese Bearbeitungsgeschwindigkeit kann ein wichtiges Differenzierungsmerkmal zum Wettbewerb sein. Maßnahme 32: Vom Erstmarkt zum Zweitmarkt 677 In der Krise werden zunehmend gebrauchte Gegenstände gekauft. Dies erhöht den Bedarf nach Wartungen von Gebrauchtgegenständen. So könnte z. B. ein Maschinenbauer nicht ausgelastete Kapazitäten darauf verwenden, alte Maschinen zu reparieren bzw. zu warten. Gegebenenfalls könnten diese Maschinen an- und später wieder verkauft werden. Maßnahme 33: Innovative Service-Angebote 678 Nutzbar ist hier alles, was dem Kunden gefällt. So gibt es FlugzeugtriebwerkHersteller, die danach vergütet werden, „wie viel die Triebwerke laufen“. Das heißt, der Flugzeugbauer bezahlt kein Triebwerk. Er bekommt es quasi kostenlos geliefert. Dafür wird pro Flugstunde eine Gebühr an den Triebwerk-Hersteller fällig. Ähnliche Konzepte gibt es auch für Windkrafträder. 679 Im Bereich der Drucker-Technik wurden sog. Pay-per-Use-Tarife eingeführt. Das heißt, die Unternehmen bekamen einen Drucker zur Verfügung gestellt. In dem Drucker ist ein Zähler integriert und der Kunde zahlt pro getätigter Kopie bzw. pro getätigtem Ausdruck. 680 In allen Formen einher geht ein damit inbegriffenes Service- und Wartungsabkommen mit dem Lieferanten. Überwindung der Strategiekrise 681 Grundlage der strategischen Neuausrichtung ist das Leitbild des rendite- und wettbewerbsfähigen Unternehmens. Nickert/Kühne, InsBüro 2014, 500.

682 Ausgangspunkt der Strategiedefinition ist die Unternehmensanalyse. Diese hat Chancen und Schwächen aufgezeigt. Bei dieser Analyse sind die Wettbewerbskräfte und Trends mit eingeflossen. Aus diesen wesentlichen Informationen ist in kreativer Arbeit eine Neuausrichtung vorzunehmen. 683 Wir sind dabei der Auffassung, dass sich die Unternehmen die Strategie selbst geben müssen. Sind sie dazu nicht in der Lage, muss entweder das Management ausgetauscht werden oder aber das Unternehmen muss vom Markt ausscheiden. Die Rolle der Berater kann sich nur darauf reduzieren, in strukturierter Weise bei der Analyse zu helfen und die richtigen Fragen zu stellen. In der Krise kommt hinzu, dass ein enormer Zeitdruck besteht und aus diesem Grund einige Schritte von externen Beratern übernommen bzw. moderiert werden können. Zuletzt wollen die Stakeholder und insbesondere die Gläubiger eine Stellungnahme über die Plausibilität der Neuausrichtung. 684 Beurteilungskriterien für die Überwindung einer Strategiekrise sind nicht allein positive Liquiditäts- und Erfolgsaussichten als Ergebnis einer integrierten Pla164

V. Überwindung der Produkt- und Absatzkrise

nung. Zusätzlich sind die Kriterien über das Erlangen einer nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit und von Wettbewerbsvorteilen heranzuziehen, weil diese entscheidend dafür sind, ob das Unternehmen seine Marktanteile halten oder gar ausbauen und Umsatzwachstum generieren kann. Um seine Wettbewerbsfähigkeit auszubauen oder gar Wettbewerbsvorteile zu 685 generieren, muss das Unternehmen unter Berücksichtigung der Kundenanforderungen und der Vorgehensweisen der Konkurrenten seine Marktaktivitäten und Ressourcen optimal aufeinander abstimmen. Dies kann im Rahmen einer Unternehmensstrategie eigenständig, durch Allianzen mit Wettbewerbern oder durch Fusionen/Übernahmen erfolgen. Ziel der strategischen Unternehmensplanung ist die Begründung einer nachhal- 686 tig profitablen Unternehmensentwicklung durch Entwicklung geeigneter Produkt-Markt-Strategien (Strategien über das Produkt-Markt-Konzept) und Ressourcen-Strategien (Strategien zur Nutzung und Ausgestaltung der vorhandenen bzw. zu beschaffenden Ressourcen). Dabei gilt es, möglichst über die Absicherung der Wettbewerbsfähigkeit hinaus Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Um den stetigen Herausforderungen des Wettbewerbs zu genügen, ist es er- 687 forderlich, die Leistungen im Spannungsfeld von Qualität, Kosten und Zeit zu optimieren. Im Ergebnis sind Portfoliozusammensetzung, Kerngeschäfte, Kernfähigkeiten sowie angestrebte Marktposition/Wettbewerbsvorteile strategiekonform zu definieren. Über den Markterfolg und damit die Wettbewerbsfähigkeit entscheidet letztlich immer die Sicht des Kunden; sie ist maßgebend für die Beurteilung von Wettbewerbsvorteilen. Befindet sich das Unternehmen z. B. in einer Wettbewerbssituation, die 688 durch eine hohe Zahl relativ gleich starker Wettbewerber, standardisierte Produkte und hohe Fixkosten geprägt ist, ist es wahrscheinlich, dass das Unternehmen in einen Preiskampf gerät und sich einem Verdrängungswettbewerb ausgesetzt sieht. In einer solchen Situation kommt es darauf an, ob sich das Unternehmen allein oder in Kooperation, insbesondere über Kosten- oder Differenzierungsvorteile, profitablen Absatz sichern kann. Der Schwerpunkt der strategischen Neuausrichtung liegt im Bereich der Ge- 689 schäftsfeldplanung und der Ressourcenneuordnung sowie in der Formulierung der Unternehmensstrategie. Es ist daher festzulegen, wie die im – ggf. neu formulierten – Leitbild niedergelegten Ziele mittel- und langfristig erreicht werden sollen. Als Stoßrichtung des Maßnahmenpakets kommen folgende mittel- und längerfristig wirkende Optionen der Strategieplanung in Betracht: x

Stärkung des Kerngeschäfts, z. B. durch 

gezielte Profilierung der Marke oder des Produkts,



Definition des Marktsegments oder einer Nischenbelegung,



Profilierung durch Identifikation und Ausbau der Stärken und Eliminierung von Schwachstellen. 165

J. Maßnahmen definieren

x

x

x

Ausweitung des Kerngeschäfts durch das Angebot 

komplementärer Produkte und Dienstleistungen sowie



integrierter Lösungen über die bisherigen Leistungen hinaus.

Transfer bisheriger Produkte, Marken, Ressourcen, Fähigkeiten und Kompetenzen auf neue Anwendungsbereiche wie z. B.: 

neue Kunden,



neue Regionen,



neue Geschäftsfelder.

Entwicklung neuer Erfolgspotenziale: 

Produkt- und Prozessinnovationen,



Aufbau von Kernkompetenzen,



Öffnung für Partnerschaften,



Einführung von Netzwerkstrukturen und strategischen Allianzen.

690 Im Rahmen der strategischen Neuausrichtung kann es erforderlich sein, sich in einem ersten Schritt auf die strategischen Optionen zu konzentrieren, bei denen die Ressourceneinsätze höchstmögliche Effektivität versprechen; dies umfasst die Beschränkung zunächst auf wenige Optionen aus der sodann mittelfristig umzusetzenden Gesamtstrategie. 691 Ausgehend von den Festlegungen im Leitbild sind in der strategischen Ausrichtung einzelne materielle Ressourcen (z. B. Grundstücke, Gebäude, Anlagen) ebenso zu bestimmen wie immaterielle (z. B. Know-how, Lizenzen, Patente), personelle (z. B. Führungskräfte, Mitarbeiter) und finanzielle Ressourcen. Die geschickte Kombination verschiedener Ressourcen sollte zu übergreifenden, besonderen Fähigkeiten führen (sog. organisatorische Fähigkeiten), die z. B. an der Beherrschung einzelner Technologien oder wichtiger Prozesse (z. B. Produktentwicklungsprozesse oder Auftragsabwicklungsprozesse), aber auch an besonderen Stärken in einzelnen Funktionen (z. B. Kundenakquisition, Produktion, Montage, Service) oder Systemen (z. B. schlagkräftige und flexible Aufbauorganisation, ausgebautes Controlling) zu erkennen sind. 692 Im Rahmen der strategischen Neuausrichtung hat das Unternehmen seine Potenziale unter Effektivitäts-, Nachhaltigkeits- und Stimmigkeitsaspekten auszurichten. Überwindung der Stakeholderkrise 693 Eine Stakeholderkrise, die sich negativ auf die Entwicklung des Unternehmens auswirkt, kann letztlich nur überwunden werden, wenn es der Unternehmensleitung oder dem Aufsichtsorgan gelingt, mit allen Interessengruppen wieder einen Konsens zur vertrauensvollen Zusammenarbeit und zu einer gemeinsam getragenen und gelebten Unternehmens- und Zielstruktur zu finden. 166

V. Überwindung der Produkt- und Absatzkrise

Unter Berücksichtigung der Ziele einer guten Corporate Governance ist auch 694 zu bedenken, ob und wo Stärkungen im Hinblick auf leistungsfähige Organisationsstrukturen mit kompetenten, integren und durchsetzungsfähigen Organen (Leitungs- und Überwachungsorgane, Anteilseigner) geboten sind. Die Unternehmensorgane sind so zu besetzen, dass das Unternehmen den angestrebten Sanierungserfolg nachhaltig erreichen kann. Die Unternehmensführung muss in der Lage sein: x

Das Unternehmensleitbild entsprechend den (künftigen) Markt- und Wettbewerbsanforderungen zu präzisieren und weiterzuentwickeln.

x

Angemessene Zielvorgaben abzuleiten und der Belegschaft vorzugeben.

x

Durch Vorbild und Vorleben eine starke Unternehmenskultur zu prägen,

x

Die ständigen Wandlungsanforderungen des Unternehmens zu bewältigen und

x

das erforderliche Vertrauen seiner internen und externen Stakeholder zu gewinnen.

167

K. Integrierte Sanierungsplanung Das Sanierungskonzept enthält in zusammengefasster Form eine zahlenmäßige 695 Abbildung des Sanierungsablaufs. Durch diese Planverprobungsrechnung wird nachgewiesen, dass voraussichtlich keine Zahlungsunfähigkeit eintritt und zugleich die Finanzierbarkeit der geplanten Maßnahmen nachgewiesen. Ausgehend von der Unternehmensanalyse und den identifizierten Schwach- 696 stellen sind die Maßnahmen zu quantifizieren (siehe Rn. 189 f.) und in einem integrierten Unternehmensplan zusammenzuführen. IDW S 6 Tz. 133, S 11 Tz. 32.

Die aus der Unternehmensanalyse gewonnenen Kennzahlen sind den Kennzah- 697 len laut integrierter Planung gegenüberzustellen. Dies dient der Vorbereitung der Plausibilitätsbeurteilung. I. Darstellung der Problem- und Verlustbereiche Der Scherpunkt der Arbeit und der Berichterstattung gilt den wesentlichen 698 Schwachstellen und deren Überwindung. Diese ist sinnvollerweise nach Geschäftsfeldern, Produktbereichen, Produktionsstandorten, Absatzgebieten etc. zu gliedern. Zudem sind in zusammengefasster Form die Restrukturierungserfordernisse unter finanziellen Aspekten anzugeben (z. B. Kapitalbedarf und -zuführung, Maßnahmen zur Ergebnisverbesserung). Der Schwerpunkt liegt in der Abschätzung der zukünftigen Entwicklung ohne Berücksichtigung der Sanierungsmaßnahmen („Was passiert, wenn nichts passiert?“). II. Darstellung der Maßnahmeneffekte Sodann ist darzulegen, welche Wirkungen die Maßnahmen auf die künftige 699 Ergebnis-, Finanz- und Vermögensentwicklung des Unternehmens voraussichtlich haben. Nach h. M. ist dies für das laufende und das folgende Planjahr zu quantifizieren. Hierzu sind die Maßnahmeneffekte möglichst monatlich zu beschreiben, während für die Folgejahre viertel- bzw. halbjährliche Planangaben ausreichend sind. Wichtig ist es anzugeben, welche Maßnahmen bereits eingeleitet und mit 700 welchem Grad diese bereits realisiert sind. Für die Sicherung und Kontrolle der Umsetzung sollen die hierfür jeweils Verantwortlichen genannt werden. Nach dem IDW können beabsichtigte Maßnahmen in der Planungsrechnung berücksichtigt werden: „Das Sanierungskonzept kann Maßnahmen umfassen, die von der Mitwirkung Dritter abhängen und bei denen zum Zeitpunkt der Erstellung eine rechtlich bindende Verpflichtung noch aussteht. Hierbei handelt es sich z. B. um folgende Sachverhalte:

169

K. Integrierte Sanierungsplanung

x

Die Zinszahlungen für die von der XY-Bank gewährten Darlehen werden nach einer vorläufigen Vereinbarung mit der Bank bis zum 31.12.[…] ausgesetzt.

x

Die Gesellschafter beabsichtigen, eine Zuzahlung in das Eigenkapital der Gesellschaft in Höhe von […] € vorzunehmen.

x

Der Gläubiger XY hat in Aussicht gestellt, in Höhe von […] € mit seinen Forderungen gegen Besserungsabrede im Range hinter alle anderen Gläubiger zurückzutreten.

x

Die Gesellschaft beabsichtigt den Verkauf einer Teileinheit, wobei erste Gespräche mit Interessenten schon begonnen haben.

x

Mit der Arbeitnehmervertretung soll ein Sanierungsbeitrag in Form des Verzichts auf Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld etc. verhandelt werden“. IDW S 6 Tz. 137.

701 In der Regel wird mit dem Gutachten eine Finanzierungsanfrage verbunden. 702 Wir halten die Berücksichtigung von geplanten Maßnahmen für ein Sanierungskonzept für richtig. Allerdings gebietet der Gläubigerschutz, dass bei der Fortbestehensprognose innerhalb der dreiwöchigen Insolvenzantragsfrist bei bestehender Insolvenzantragsfrist entsprechende Zustimmungserklärungen eingeholt werden. Andernfalls ist der Insolvenzantrag unumgänglich, es sei denn die Maßnahmen sind für das Aufrechterhalten des Zahlungsgleichgewichts nicht erforderlich (siehe Rn. 713 ff.). III. Praktische Umsetzung 703 Der Erfolg des Sanierungskonzepts hängt maßgeblich von der konzeptgemäßen Umsetzung der Maßnahmen sowie der kontinuierlichen Überwachung und Fortschreibung des Konzepts durch die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft ab. 704 Eine integrierte Sanierungsplanung kann nur dann optimal realisiert werden, wenn das Maßnahmenbündel in seiner Gesamtheit betrachtet, ausgewählt und umgesetzt wird. Statt einer isolierten Betrachtung einzelner Maßnahmen müssen somit alle Querbeziehungen innerhalb eines Maßnahmenbündels berücksichtigt werden. Denn im Regelfall ist die unternehmerische Krise gerade auf ein Zusammenkommen und das Zusammenspiel von unterschiedlichen Faktoren zurückzuführen. Somit ist die Stimmigkeit eine notwendige Bedingung für den Erfolg der Sanierung. 705 Gesetzt den Fall, es bestehen grundsätzlich gute Aussichten für eine erfolgreiche, außergerichtliche Sanierung des Unternehmens, dieses befindet sich jedoch nicht mehr lediglich im Krisenstadium, sondern steht unmittelbar vor dem Eintritt von Insolvenzgründen oder befindet sich gar bereits in diesem Bereich.

170

III. Praktische Umsetzung

Die Folge wäre die Insolvenzantragspflicht. Eine u. U. vielversprechende außergerichtliche Sanierung wäre abgeschnitten. Der folgende Abschnitt befasst sich mit den sich in dieser Lage bietenden 706 Möglichkeiten, die Insolvenzantragspflicht zu vermeiden. Es gilt danach Maßnahmen zu ergreifen, die in der Lage sind, Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung zu verhindern bzw. zu beseitigen. Die dabei naturgemäß erforderliche, schnellstmögliche Umsetzung verlangt nach kurzfristig wirksamen Sanierungsmaßnahmen. Um der sich bietenden Fülle an potentiellen Maßnahmen Herr zu werden, bietet sich eine Unterscheidung von internen und externen Maßnahmen an, wobei interne Maßnahmen vom jeweiligen Unternehmen autonom, ohne jegliche Drittbeteiligung durchgeführt werden können. Dagegen benötigen die externen Maßnahmen die Mithilfe oder das Einverständnis Dritter. Im Rahmen der internen Maßnahmen bietet sich eine weitere Unterscheidung zwischen leistungswirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Maßnahmen an. Diese Differenzierungen dienen lediglich der leichteren Erfassbarkeit des Stoffes, eine in jedem Bereich trennscharfe Abgrenzung vermögen sie nicht zu leisten. Übergreifend lässt sich feststellen, dass die Maßnahmen regelmäßig kombi- 707 niert angewendet werden müssen, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Welche Einzelmaßnahmen bzw. welche Kombination von Maßnahmen hierfür am besten geeignet erscheinen, muss für jeden Einzelfall gesondert beurteilt werden. Die nachfolgend aufgeführten Maßnahmen können danach nicht abschließend sein, sondern bieten lediglich Anhaltspunkte für einen einzelfallgerechten Maßnahmenkatalog. Aufgrund der Rechtsprechung des OLG Celle,

708

OLG Celle, Urt. v. 23.10.2003 – 16 U 199/02, ZIP 2003, 2118,

muss sich der Ersteller der Prognoserechnung an die berufsständischen Verlautbarungen halten. Andernfalls genügt seine Stellungnahme nicht den Anforderungen der Rechtsprechung. Als solche Verlautbarungen kommen u. E. in Betracht: x

Verlautbarungen des BdU (GoP 2.1)

x

Verlautbarungen des IDW (S 1, 2, 5, 6, 11)

x

Verlautbarungen des ISU Instituts (MaS)

x

Anforderungen an Beratungsleistungen für öffentliche Förderprogramme (z. B. der KfW)

Auf jeden Fall aber hat sich der Planer an die teilweise geringeren Vorausset- 709 zungen der Rechtsprechung des BGH zu halten. Im Detail siehe Ganter, NZI 2014, 763 ff.

171

K. Integrierte Sanierungsplanung

710 Unseres Erachtens kann eine positive Prognose nur aufgrund einer integrierten Planungsrechnung (Planerfolgs-, Planbilanz- und Planliquiditätsrechnung) angenommen werden. Allein die Liquiditätsbetrachtung scheidet aus, da nur an dieser Plausibilisierungen praktisch nicht durchgeführt werden können und damit einem Dritten die Einarbeitung und Überprüfung des Rechenwerks innerhalb angemessener Zeit nicht möglich ist, § 238 Abs. 1 Satz 2, 3 HGB analog (siehe Rn. 104 ff.). 711 Oft wird es vorkommen, dass der Planer in einer manifesten Krise seine Arbeit erst aufnimmt. Dann muss in dieser Zeit die kurzfristige Liquidität geplant werden, um das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit auszuschließen. Aus der maximal auf Wochenbasis erstellen Liquiditätsvorschau kann die kurzfristige Liquiditätsveränderung betrachtet werden. IDW S 11 Tz. 33.

712 Dies kann helfen, um in diesem Zeitfenster die Liquidität z. B. durch Überbrückungskredite aufrechtzuerhalten und die mittelfristige Planung fertigzustellen. IV. Wann dürfen Maßnahmen in der Planungsrechnung berücksichtigt werden? 713 In der Planung dürfen alle ernsthaft beabsichtigten, beschlossenen und realistischen Maßnahmen berücksichtigt werden. Geplante Maßnahmen dürfen berücksichtigt werden, wenn diese ohne Zustimmung Dritter durchführbar sind. 714 Wenn aber die Zustimmung Dritter erforderlich ist, stellt sich die Frage nach dem planerisches Ermessen bzw. einem nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum. x

IDW S 6 Tz. 135: Das Sanierungskonzept kann Maßnahmen umfassen, die von der Mitwirkung Dritter abhängen und bei denen zum Zeitpunkt der Erstellung eine rechtlich bindende Verpflichtung noch aussteht.

x

BGH, Urt. v. 6.6.1994, ZIP 1994, 1103: Hierbei ist dem Geschäftsführer ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzubilligen; vor allem kommt es nicht auf nachträgliche Erkenntnisse, sondern auf die damalige Sicht eines ordentlichen Geschäftsleiters an.

715 Probleme wirft hier die noch junge Entscheidung des BGH vom 22.11.2012 auf: BGH, Urt. v. 22.11.2012 – IX ZR 62/10, ZIP 2013, 79: „Zahlungsunfähigkeit droht, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 Abs. 2 InsO). Von der Nichtzahlung einer nach § 271 Abs. 1 BGB fälligen Forderung darf nicht schematisch auf die Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden. Eine Forderung ist vielmehr nur dann zu berücksichtigen, wenn eine Gläubigerhandlung feststeht, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt. Hierfür genügen sämtliche fälligkeitsbegründenden Handlungen des Gläubigers, gleich ob die Fälligkeit aus der ursprünglichen Vertragsabrede oder aus einer nach Erbringung der Leistung

172

IV. Wann dürfen Maßnahmen in der Planungsrechnung berücksichtigt werden? übersandten Rechnung herrührt. Eine zusätzliche Rechtshandlung im Sinne eines Einforderns ist daneben entbehrlich. Dieses Merkmal dient allein dem Zweck, solche fälligen Forderungen bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit auszuschließen, die rein tatsächlich – also auch ohne rechtlichen Bindungswillen oder erkennbare Erklärung – gestundet sind … Die vom Berufungsgericht angenommene Stundung der Darlehensrückzahlung über rund 2.710.000 € hatte ihren Grund in den Verhandlungen der Schuldnerin mit einer anderen Bank über eine Ablösung des Darlehens. Diese Verhandlungen begrenzten aber auch die Stundung. Für eine Fortdauer der Stundungsvereinbarung über den Zeitpunkt eines Scheiterns der Ablöseverhandlungen hinaus gibt es keine Anhaltspunkte. Damit war absehbar, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig sein würde, sobald die Ablöseverhandlungen scheiterten.“

Aufgrund des Urteils, welches zur Frage der drohenden Zahlungsunfähigkeit 716 i. S. d. § 18 InsO ergangen ist, stellt sich die Frage, ob zur Vermeidung der negativen Fortbestehensprognose schon bei Planungserstellung eine Zustimmung Dritter vorliegen muss. Unserer Meinung nach gilt auch hier der Grundsatz „pacta sunt servanda“: Das heißt, bei einem Eingriff in einen bestehenden Vertrag muss die Zustimmung Dritter vorliegen. Dies gilt insbesondere bei einem echten Sanierungsbeitrag, z. B. einem Forderungsverzicht, sog. „Haircut“. Eine Ausnahme kann nur dort angenommen werden, wo eine Pflicht zur Zustimmung besteht, z. B. bei einem Sanierungserlass nach der AO, wenn die Voraussetzungen evident gegeben sind. Wenn die Fortbestehensprognose erstellt werden soll, um Gläubiger z. B. zu einem Verzicht zu bringen, also die Zustimmungen Dritter noch nicht vorliegen, muss die Bescheinigung lauten, dass grundsätzlich keine positive Prognose besteht. Eine positive Prognose ist aber dann anzunehmen, wenn die im Gutachten vermerkten Zustimmungen innerhalb einer Frist bis zum […] eingehen. Dann aber obliegt es dem Organ, innerhalb der dreiwöchigen Antragspflicht unter Vorlage der Fortbestehensprognose für die Zustimmung des Gläubigers zu werben. Beim Abschluss künftiger Verträge im ordentlichen Geschäftsgang ist die 717 Annahme zu plausibilisieren, ob zum entsprechenden Zeitpunkt die Zustimmung bzw. der Vertragsschluss anzunehmen ist. Das heißt, wenn im gewöhnlichen Lauf der Dinge mit dem Geschäft (Umsatzerlös, Darlehensprolongation) zu rechnen ist, darf dies planerisch berücksichtigt werden. Bei atypischen Geschäftsvorfällen (Eingriff in bestehende Verträge) muss aus Gründen des Gläubigerschutzes eine ganz konkrete Annahme für den Gläubigerbeitrag begründet sein. Abgesichert werden kann dies durch eine Absichtserklärung. Letztlich ist es aber auch wieder eine Frage des Planungsanlasses. Will z. B. 718 der Insolvenzverwalter überprüfen, ob er einen Betrieb fortführen soll oder nicht, muss für diese betriebswirtschaftliche Entscheidung anders vorgegangen werden: Es ist allein der gewöhnliche Lauf der Dinge zu berücksichtigen. Wenn aber die Annahme eines Insolvenzgrunds bei einer haftungsbeschränkten Gesellschaft an die Planung geknüpft ist, muss aus Gründen des Gläubigerschutzes ein höheres Maß an einer Konkretisierung gefordert werden. Dies ist letztlich eine Ausprägung der Beweislastverteilung.

173

K. Integrierte Sanierungsplanung

V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung „Je weniger befähigt ein Unternehmensbewerter ist, umso ausgeprägter wird sein Ehrgeiz sein, einwertige Ertragsprognosen abzugeben: Er wird sich nicht damit begnügen, Bandbreiten möglicher künftiger Ertragsprognosen zu benennen; er wird vielmehr Wissen über die Zukunft fingieren und so, Wahrsagern nicht unähnlich, zu einwertigen Ertragsprognosen kommen.“ Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensbewertung, S. 116.

719 Was aber sind nun die Anforderungen an das „überwiegend wahrscheinlich“ der Planung? Welche konkreten Anforderungen sind zu stellen? Ausgangsüberlegungen: Die Schuldnerperspektive 720 Maßgebend für die insolvenzrechtlichen Entscheidungen soll die Unternehmensplanung sein. So folgt aus der Unternehmensplanung die künftige (drohende) Zahlungsunfähigkeit. Auch die Fortbestehensprognose leitet sich aus der Unternehmensplanung ab. Dies gilt gleichermaßen für die Massekostendeckung im Insolvenzplan und die Schlechterstellung im Insolvenzplanverfahren. 721 Gläubiger und Schuldner befinden sich in der Krise in einer Entscheidungssituation unter Ungewissheit. In dieser Situation soll die Unternehmensplanung die Entscheidung vorbereiten, ob eine außergerichtliche Sanierung noch durchführbar ist oder nicht. 722 Die Planung aber hat eine handlungsorientierte Gestaltungsfunktion, während der Prognose eine erkenntnisorientierte Informationsfunktion innewohnt. Pieroth, Systematische Prognosefehler in der Unternehmensplanung, S. 31.

723 Dass der Gesetzgeber die (betriebswirtschaftliche) Prognose verlangt, folgt nicht nur aus dieser Funktion, sondern auch aus der Formulierung des Gesetzes. Vgl. § 18 Abs. 2 InsO „voraussichtlich“; § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO: „überwiegend wahrscheinlich“; vgl. auch Nickert in: Nickert/ Lamberti, Rn. 165.

724 Gesucht ist also eine Prognose und keine Planung i. e. S. Dabei ist maßgebend die (subjektive) Sicht der Geschäftsleitung. BVerfG, Beschl. v. 24.5.2012 – 1 BvR 3221/10, ZIP 2012, 1656 („Daimler/Chrysler“); BGH, Urt. v. 21.4.1997, DB 1997, 1068 „ARAG/Garmenbeck“ und in der Grundsatzentscheidung der BGH, Urt. v. 6.6.1994, ZIP 1994, 1103; Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2300 f.; FK-InsO/Schmerbach, § 18 Rn. 25; Spindler, AG 2006, 677, 678 ff.

725 Eine objektive Planung gibt es nicht, lediglich eine objektivierbare Planung. Für diese besteht ein Gestaltungs- und damit ein Beurteilungsspielraum. Insoweit ist der Beurteilungsmaßstab auf „Vertretbarkeit ex ante“ reduziert. Ins174

V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung

besondere ist es keine Aufgabe der Gerichte, eine vertretbare Unternehmensplanung durch eine ebenfalls nur vertretbare Planung zu ersetzen. BVerfG, Beschl. v. 24.5.2012 – 1 BvR 3221/10, ZIP 2012, 1656 („Daimler/Chrysler“); Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2300 f.

Erforderlich ist nach herrschender betriebswirtschaftlicher Auffassung eine 726 erwartungswertgetreue Planung (Erwartungswert), Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2302 ff.; Gleißner, KSI 2013, 172; Drukarczyk/Schüler, Wpg 2003, 57; dies., in: KS-InsO, S. 95 ff.,

und nicht nur ein Modus oder Modalwert („Management Case“), so aber Groß. Groß, KSI 2012, 241; Groß/Amen, Wpg 2002, 225; 2002, 433; 2003, 67.

Die Gegner des Erwartungswertkonzepts berufen sich darauf, dass den Szena- 727 rien keine nachprüfbaren Wahrscheinlichkeiten zuzuordnen sind. Dem ist entgegenzuhalten, dass sie bei einer „einwertigen Planung“ ebenfalls Wahrscheinlichkeiten zuordnen. Nämlich ihrem Planungsfall 100 % und allen anderen Möglichkeiten 0 %. Dass dies keine sachgerechte Annahme ist, liegt auf der Hand. Im Übrigen würden bei einer einwertigen Planung Sachverhalte kalkulatorisch unberücksichtigt, die jeder Unternehmenskäufer in seine Bewertung einfließen lassen würde: Ein KMU wird auf 10 Mio. € Schadensersatz verklagt. Der Rechtsanwalt begutachtet die Erfolgsaussichten mit 60 %. Bei der einwertigen ordinalen Planung würde dieser Sachverhalt in der Planungsrechnung gänzlich unberücksichtigt bleiben. Das Erwartungswertkonzept darf aber nicht dem Trugschluss folgen, es würde 728 einen Sicherheitspuffer beinhalten. Auch der Erwartungswert ist unsicher. Der Erwartungswert aggregiert alle Chancen und Risiken zu einem Wert. Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 15, 17, 291, 296.

Dabei werden alle Chancen und Risiken gleich (nach ihren Wahrscheinlich- 729 keiten) berücksichtigt. 1 € Chance und 1 € Risiko heben sich auf. Der Erwartungswert geht also von Risikoneutralität aus. Um das Risiko im Entscheidungswert zu berücksichtigen, werden z. B. gewichtete Szenarien und/oder Monte-Carlo-Simulationen angeboten, um daraus Korrekturen abzuleiten. Alle diese Techniken enthalten im Falle des Erwartungswerts aber keinen Sicherheitspuffer für das inhärente Risiko. Planungen in der Krise verlangen aber einen eindeutigen Wert. Dies gilt insbe- 730 sondere dann, wenn Insolvenzgründe ausgeschlossen werden sollen oder seitens der finanzierenden Banken eine drittgläubigergefährdende Kreditierung ausgeschlossen werden soll. In diesen Fällen kann die Planung nicht mit einem „Korridor“ enden, in dessen unterem Bereich die Insolvenzantragspflicht gezeigt wird, im oberen Bereich aber eine Fortsetzung außerhalb eines Insolvenzverfahrens als möglich angesehen wird. Eindeutige Ergebnisse aber haben einen 175

K. Integrierte Sanierungsplanung

hohen Informationsgehalt. Sie vermitteln den Eindruck, dass dieses Szenario rechtlich relevant ist und schließen zumindest für die Beurteilung der aufgeworfenen rechtlichen Frage die anderen Szenarien aus. Es ist aber Allgemeingut, dass der Unsicherheitsgrad einer Prognose mit zunehmendem Informationsgehalt (mit zunehmender Präzisierung der Aussage) steigt. Wild, Grundlagen der Unternehmensplanung, S. 88.

731 „Je eindeutiger die Planungsaussage, desto unwahrscheinlicher wird die Aussage“. Das heißt, in der Krise besteht das Dilemma, dass eindeutige Entscheidungswerte gesucht sind, die aber auf Kosten der Wahrscheinlichkeit gehen. Die Gläubigerperspektive 732 Die Gläubiger wünschen eine rechtzeitige Insolvenzantragsstellung. Sobald eine Insolvenzantragspflicht besteht, wechselt die Dispositionsbefugnis des Schuldners hin zu den Gläubigern. Die tragenden Entscheidungen treffen die Gläubiger bzw. der Gläubigerausschuss. Insbesondere gilt dies für die Entscheidung über die Unternehmensfortführung. Um dieses „Wahlrecht“ nicht leerlaufen zu lassen, existiert bei haftungsbegrenzten Gesellschaften die Insolvenzantragspflicht. Zur Beurteilung der Wertungsfrage ist aber nicht nur auf die bestehenden Altgläubiger, sondern auch auf die Sicht des Marktschutzes, also der Neugläubiger zu schauen. Denn in der Krise gilt: Dem Schuldner ist es verboten, zulasten der Gläubiger zu spekulieren, §§ 266, 283 ff. StGB. Gesucht wird also der Zeitpunkt, zu dem die Dispositionsbefugnis über das schuldnerische Vermögen vom Schuldner und dessen Organen auf die Gläubiger übergeht. 733 Die Gläubigerperspektive verlangt gerade wegen der Subjektivität der Planung nach Schutz. Ein solcher Schutz ist nur durch einen „Sicherheitspuffer“ zu erreichen. Karollus/Huermer, Die Fortbestehensprognose im Rahmen der Überschuldungsprüfung, S. 103 f.

Die Sicht der Rechtsprechung und Literatur 734 Bei der Beurteilung der drohenden Zahlungsunfähigkeit und der Fortbestehensprognose i. S. d. § 19 InsO ist sich die h. M. einig, dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit entscheidend sein soll (sog. 50 + x %-Regel). Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, S. 93; IDW S 6 Tz. 17; Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 18 Rn. 26; FK-InsO/ Schmerbach, § 18 Rn. 24, § 19 Rn. 32; HambKomm-InsO/Schröder, § 19 Rn. 13, § 18 Rn. 8; K. Schmidt in: K. Schmidt, § 19 Rn. 48; HK-InsO/Kirchhof, § 19 Rn. 8; K/P/B-Pape, InsO, § 19 Rn. 37; Steffan, in: IDW WP HB Band II 2014, L Tz. 75 ff. sowie S Tz. 243 f.; BGH, Urt. v. 13.7.1992 – II-ZR-269/91; BGHZ 119, 201 = ZIP 1992, 1382. „Ergibt die Prognose, dass der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlicher ist als deren Vermeidung, droht Zahlungsunfähigkeit“.

176

V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung BGH, Urt. v. 5.12.2013 – IX ZR 93/11, ZIP 2014, 183 = ZfIR 2014, 162 (LS) = ZInsO 2014, 77, dazu EWiR 2014, 391 (Luttmann).

Allerdings hat der BGH entschieden, dass dem Schuldner die Zahlungsunfähig- 735 keit trotz gewährter Prolongation des Darlehens drohen kann, wenn die in dieser Zeit geführten Umschuldungsverhandlungen keine sichere Erfolgsaussicht bieten. BGH, Urt. v. 22.11.2012 – IX-ZR-62/10, ZIP 2013, 79.

Das heißt, die h. M. und die Rechtsprechung gehen davon aus, dass Chancen 736 und Risiken gleich zu gewichten sind und dass die Chancen die Risiken wenn auch nur in einem geringen Umfang überwiegen müssen. Diese Auffassung geht also von sog. Risikoneutralität aus und sortiert die Szenarien in ein Ordinalsystem. Die Abstände der Szenarien zueinander, wie in einem Kardinalsystem, werden nicht berücksichtigt. Dies soll folgendes plakatives Beispiel verdeutlichen:

737

Szenario

Worst

Best

Betrag

./. 1.000

+1

Wahrscheinlichkeit

49 %

51 %

In diesem Fall wäre die Fortbestehensprognose positiv. Oder noch deutlicher 738 das Beispiel nach Bitter. Bitter, in: Scholz, GmbHG, Vor § 64 Rn. 39:

Das Unternehmen U sieht sich Verbindlichkeiten von 500 ausgesetzt und 739 verfügt über eine Liquidität von 300. Würde der Geschäftsführer – Risikoneutralität und ein ordinales System vorausgesetzt, beschließen, die 300 im Casino beim Roulette auf „rot und die Null“ zu setzen. Bei korrekter Anwendung der Prognose wäre in diesem Fall die Fortbestehensprognose positiv. Dieses Ergebnis wäre unbefriedigend, würde es doch den Schuldnern erlauben 740 in diesem Rahmen auf Kosten und Risiko der Gläubiger zu spekulieren. Bitter, in: Scholz, GmbHG, Vor § 64 Rn. 39; Haas/Kolmann/Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 92 Rn. 27.

Aus diesem Grund verlangen einige Stimmen, entweder Korrekturen in Form 741 von nicht näher bestimmten Sicherheitspuffern vorzunehmen, Karollus/Huemer, Die Fortbestehensprognose im Rahmen der Überschuldungsprüfung, S. 103 f.,

oder die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen (ohne diese steigenden Anforderungen näher zu definieren). FK-InsO/Schmerbach, § 18 Rn. 25.

177

K. Integrierte Sanierungsplanung

742 Wir haben an anderer Stelle gefordert, eine Mindestausfallwahrscheinlichkeit aus Sicht der Gläubiger, also ein Zielrating, zum Maßstab zu machen. Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297 ff.

743 Anderseits hat die Rechtsprechung in Organhaftungsfällen die Zügel deutlich angezogen. Der Geschäftsführer muss in allen Angelegenheiten der GmbH mit der Sorgfalt eines Kaufmanns handeln, § 43 Abs. 1 GmbHG. Ein Organ, das Geschäfte betreibt, die vom Unternehmenszweck nicht gedeckt sind, handelt pflichtwidrig. BGH, Urt. v. 15.1.2013 – II ZR 90/11, ZIP 2013, 455.

744 Der Geschäftsführer kann sich nicht auf fachliche Unkenntnis oder Unwissenheit berufen. Er muss sich bei Übernahme des Geschäftsführeramts in eigener Person die notwendigen Kenntnisse verschaffen, OLG Schleswig, Urt. v. 11.2.2010 – 5 U 60/09, ZIP 2010, 516 (zur Insolvenzreifeprüfung),

oder einen Fachmann zu Rate ziehen, dessen Empfehlung und Beurteilung er auf Plausibilität zu überprüfen hat. Der Geschäftsführer muss für eine Organisation sorgen, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht. BGH, Urt. v. 19.6.2012 – II ZR 243/11, ZIP 2012, 1557 = Bestätigung von BGH, Urt. v. 20.2.1995 – II ZR 9/94, ZIP 1995, 560.

745 Weiter hat das OLG Thüringen zum Umgang mit Risiken bereits im Jahr 2000 zu einem Fall vor Inkrafttreten des KonTraG entschieden: „Hinsichtlich etwaiger Risikogeschäfte hat der Geschäftsführer zu beachten, dass er unangemessene Risiken für seine Firma zu vermeiden hat (Hachenburg/ Mertens, a.a.O. § 43 RdNr. 27; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 43 RdNr. 15; Roth/Altmeppen, GmbHG, 3. Aufl. 1997, § 43 RdNr. 6; Rowedder/ Koppensteiner, GmbHG, 3. Aufl. 1997, § 43 RdNr. 17). Ein erlaubtes Risiko geht er aber nicht schon dann ein, wenn zur Zeit der Vornahme des Geschäfts die bloße Wahrscheinlichkeit bestand, dass sich das Geschäft gewinnbringend auswirken würde (Hachenburg/Mertens, a.a.O.). Vielmehr ist zu berücksichtigen, ob der unwahrscheinliche, aber nicht auszuschließende negative Ausgang des beabsichtigten Geschäfts zu unangemessen hohen Risiken für den Bestand und die Entwicklung der Firma führen kann (Hachenburg/Mertens, a.a.O., unter Hinweis auf BGHZ 69, 207 ff. [213]). Eine Sorgfaltspflichtverletzung ist zu bejahen, wenn die naheliegende Möglichkeit einer Schädigung bestand (Kust, WM 1980, 758 ff. [761] unter Hinweis auf BGH, VersR 1975, 812). Gewagte Geschäfte sind aber nicht stets als unangemessen anzusehen (Hachenburg/ Mertens, a.a.O.; Kust, WM 1980 758 ff. (760]). Zu beachten ist hierbei der Geschäftszweck der Firma und der Wille der Gesellschafter (Hachenburg/Mertens, a.a.O.). Stellt sich hierbei heraus, dass bei rechtzeitiger Information der Gesellschafter das Geschäft unterblieben wäre, so kann der Geschäftsführer in der Haftung stehen (Fleck, GmbH-Rundschau 1974, 224 f. [225]). Die Regeln sorgfältiger Unternehmensleitung gebieten ihm grundsätzlich, die im Rechts- und Geschäftsverkehr angemessenen und branchenüblichen Vorsichtsregeln einzuhalten. Dem widerspricht beispielsweise die leichtfertige Gewährung von Warenkrediten oder die Kreditgewährung ohne übliche Sicherheiten (Hachenburg/

178

V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung Mertens, a.a.O.).“Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, § 43 RdNr. 17 fassen zutreffend wie folgt zusammen: „Es muss im Regelfall wahrscheinlich sein, dass sich das in Frage stehende Verhalten als für die Gesellschaft vorteilhaft erweist (RGZ 129, 272, 275). Ausnahmen kommen nur in Betracht, wenn einem vergleichsweise geringfügigen Risiko eine besonders hohe Gewinnchance gegenübersteht. Aber auch bei Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts muss das Geschäft unterbleiben, wenn es im Falle seines Misslingens zu einer erheblichen Gefährdung des Unternehmens führen würde (…).“ „Zieht man bisherige Entscheidungen aus der Rechtsprechung heran, um die Pflichten eines Geschäftsführers einzugrenzen, so ist zu beachten, dass diese Entscheidungen jeweils vor dem Hintergrund des konkreten Einzelfalles ergangen sind und nicht verallgemeinert werden dürfen. (so ausdrücklich Scholz/Schneider, GmbHG, 8. Aufl. 1993, § 43 RdNr. 79).“ OLG Thüringen, Urt. v. 8.8.2000 – 8-U-1387/98, NZG 2001, 86 = DStR 2001, 863 (rechtskräftig durch BGH, Beschl. v. 28.1.2002 – II ZR 318/00).

Das heißt, der Geschäftsführer muss sich im Vorfeld einer Entscheidung durch 746 Informationsverschaffung ein zutreffendes Bild von der tatsächlichen Lage machen. Er muss die künftigen Chancen und Risiken abschätzen und eine Würdigung vornehmen. Selbst wenn die Risiken in ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit gering, in ihrer Auswirkung aber groß sind, muss das Geschäft unterbleiben, es sei denn der Geschäftsführer kann sich auf eine Weisung der Gesellschafter (z. B. Gesellschafterbeschluss) berufen. Anders als bei der Insolvenzreifeprüfung verlangt die Rechtsprechung hier, dass 747 nicht nur die Eintrittswahrscheinlichkeiten abgeschätzt, sondern die Auswirkungen in die Abwägung mit einbezogen werden. Die Rechtsprechung verlangt hier explizit nicht nur die Entscheidung im Ordinalsystem, sondern gerade im Kardinalsystem. In Bezug auf den Gläubigerschutz ist der Schutz der Gesellschaft und der Gesellschafter also deutlich stärker ausgeprägt. Im Fall der Krise soll der Geschäftsführer nämlich riskante Geschäfte, insbesondere die Fortführung der Gesellschaft außerhalb eines Insolvenzverfahrens, schon dann sanktionslos tätigen dürfen, wenn die Chancen die Risiken überwiegen. Unseres Erachtens liegt hier ein Wertungsbruch vor. Siehe auch Bitter, in: Scholz, GmbHG, Vor § 64 Rn. 39.

Aus der insolvenzrechtlichen Verteilungsreihenfolge ist nämlich auch auf eine 748 unterschiedlich gestaffelte Schutzbedürftigkeit zu schließen. Insoweit müssten die Positionen der Außengläubiger schützenswerter sein als die Interessen der Eigenkapitalgeber. Dafür spricht auch, dass sich die Geschäftspartner selbst wiederum haftbar 749 machten, würden Sie bei einer nur geringfügig übersteigenden Sanierungswahrscheinlichkeit auf Ziel bzw. auf Risiko die Geschäftsbeziehung mit dem Schuldner fortsetzten, OLG Koblenz, Urt. v. 23.12.2014 – 3-U-1544/13, ZIP 2015, 22 (Geschäft mit einer im Gründungsstadium befindlichen GmbH ohne Absicherung),

179

K. Integrierte Sanierungsplanung

oder sogar Kredite ausreichen: „Dieser Spielraum ist nach der Rechtsprechung des Senats jedoch dann überschritten, wenn aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters das hohe Risiko eines Schadens unabweisbar ist und keine vernünftigen wirtschaftlichen Gründe dafür sprechen, es dennoch einzugehen (Sen. Urt. v. 3. Dezember 2001 – II ZR 308/99ZIP 2002, 213 =, dazu EWiR 2002, 341 (Schäfer), ZIP 2002, 213, 214). Für Vorstandsmitglieder einer Genossenschaftsbank bedeutet dies, dass Kredite grundsätzlich nicht ohne übliche Sicherheiten und nur unter Beachtung der Beleihungsobergrenzen gewährt werden dürfen.“ BGH, Urt. v. 21.3.2005 – II-ZR-54/03, ZIP 2005, 981. „Der Handlungsspielraum ist dort überschritten, wenn aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Bank das hohe Risiko eines Schadens unabweisbar ist und keine vernünftigen geschäftlichen Gründe dafür sprechen, es dennoch einzugehen. Eine Pflichtverletzung ist gegeben, wenn ein Organmitglied gegen die in dieser Branche anerkannten Erkenntnisse und Erfahrungssätze verstößt. Dies bedeutet für die Bankentätigkeit, dass Kredite grundsätzlich nicht ohne übliche Sicherheiten und nur unter Beachtung der Beleihungsobergrenzen gewährt werden dürfen (vgl. BGH, DStR 2005, 933, 935).“ OLG Koblenz Urt. v. 24.9.2007 – 12-U-1437/04, DStR 2008, 687.

750 Dies entspricht auch den meisten berufsständischen Standards, vgl. im Übrigen Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2303: „Aufgrund der Fülle von Einflussfaktoren kann es sich empfehlen, mehrwertige Planungen, Szenarien oder Ergebnisbandbreiten zu erstellen, um das Ausmaß der Unsicherheit der künftigen finanziellen Überschüsse zu verdeutlichen und erste Anhaltspunkte für die Berücksichtigung der Unsicherheit im Rahmen des Bewertungskalküls zu gewinnen.“ (IDW S 1 Tz. 80) „Zur Berücksichtigung der Planungsunsicherheiten kann es zudem sachgerecht sein, Sensitivitäts- oder Alternativrechnungen durchzuführen oder mit einer quantitativen Risikoeinschätzung, etwa über den Einsatz der „Monte-CarloSimulation“, die Einhaltung von Liquidität, die Aufrechterhaltung einer vorgegebenen Eigenmittelquote oder weiterer sog. Covenants (z. B. die Einhaltung von Kennzahlen, Auflagen und Bedingungen während der Kreditlaufzeit) abzuschätzen.“ (IDW S 6 Tz.142) „Der Ungewissheit künftiger Datenentwicklung kann auch durch die rollierende Planung, die Alternativplanung oder die flexible Planung begegnet werden in den Ausprägungen „worst case“, „normal case“, „best case“. Bei allen Bemühungen, nur begrenzt Vorausschaubares in den Griff zu bekommen, müssen die den Planungsvorgaben zugrunde liegenden Wertgrößen realisierbar und damit realistisch bleiben. … Chancen und Gefahren sowie mögliche Ursachen der Planabweichungen sind zu benennen und möglichst zu quantifizieren, um den Gesamtumfang möglicher Planabweichungen einschätzen zu können. Unvollkommene Informationen geben Anlass, durch Anwendung geeigneter Prognosemethoden und Simulationsverfahren die Unsicherheit möglichst zu begrenzen.“ (GoP 2.1 des BDU)

751 Kasten Schmidt hat in einer vielzitierten Aussage behauptet, dass es keinen Grund dafür gibt, ein Unternehmen vom Markt zu nehmen, welches jederzeit seine Gläubigerforderungen bedienen kann. Karsten Schmidt, AG 1978, 334 ff.

180

V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung

Im Rahmen der Unternehmensplanung geht es gerade darum, zu dokumen- 752 tieren, dass das Unternehmen künftig Gläubigerforderungen fristgerecht nachkommen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Unternehmenssanierung scheitern kann und in der Folge die Frage nach der Haftung bzw. Anfechtung aufgeworfen wird. Die unternehmerische Entscheidung wird also nicht in einem rechtsfreien Raum getroffen, sondern kann gerade rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Dabei ist zu prüfen, ob ex ante die Einschätzung der Organe zutreffend war. Die Situation ist vergleichbar mit der Abfindung von Minderheiten bei gesell- 753 schaftsrechtlichen Strukturmaßnahmen oder bei der Organhaftung beim Kauf und/oder Verkauf von Unternehmen (-sbeteiligungen). Dabei ist aktuell noch eine unterschiedliche Behandlung in Bewertungsfällen gegenüber Sanierungsfällen festzustellen. Unternehmenssanierung Groß, KSI 2012, 241; Groß/Amen, Wpg 2002, 225; 2002, 433; 2003, 67; a. A.: Gleißner, KSI 2013, 172; Drukarczyk/ Schüler, Wpg 2003, 57; dies., in: KS-InsO, S. 95 ff.; Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297 ff.

Unternehmensbewertung IDW S 1 Tz. 89; Hachmeister/Rudhardt, DStR 2014, 158, 163; BVerfG, Beschl. v. 24.5.2012 – 1 BvR 3221/10 („Daimler/ Chrysler“), ZIP 2012, 1656, dazu EWiR 2012, 571 (Luttermann)

Erforderlich ist eine objektive Betrachtung. Erforderlich ist die subjektive Betrachtung der Geschäftsleitung, die vertretbar sein muss. Es genügt eine überwiegende Wahrschein- Es gilt eine quantitative (mathematische) lichkeit i. S. e. komparativen nicht quanti- Wahrscheinlichkeit, die auf Erwartungsfizierbaren Hypothesenwahrscheinlichkeit. werten aufbaut. Die Risiken werden nur „komparativ“ berücksichtigt („Sekt oder Selters“).

Die Risiken im Bewertungsobjekt werden abgeschätzt und entweder als Sicherheitsäquivalent oder als Risikozuschlag beim Zins berücksichtigt

Das OLG Celle hat in seinem Urteil vom 23.10.2003,

754

OLG Celle, Urt. v. 23.10.2003 – 16 U 199/02, ZIP 2003, 2118,

die rechtlichen Anforderungen an betriebswirtschaftliche Beratungsleistungen umrissen und gefordert, dass ein Gutachten bzw. eine Beratungsleistung nach den „allgemein anerkannten Regeln der Betriebswirtschaft gefertigt“ werden muss. Damit wird die Frage durch die „allgemein anerkannten Regeln der Betriebswirtschaft“ entschieden. Da für die Beurteilung von Planungen also ein nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entsprechendes Konzept aus der subjektiven Sicht ex ante verlangt wird, FK-InsO/Schmerbach, § 19 Rn. 34,

ist zunächst zu untersuchen, welche Anforderungen die Betriebswirtschaftslehre an die Interpretation derartiger Planungen stellt.

181

K. Integrierte Sanierungsplanung

Normative (präskriptive) Entscheidungstheorie 755 Im Kontexte der Unternehmensplanung wird diese Fragestellung nach unseren Recherchen direkt nicht beantwortet. Hinweise finden sich in den Teilbereichen Rating, Risikomanagement und Entscheidungslehre. 756 Mit dem Rating werden in der Regel Entscheidungen der Gläubiger vorbereitet, insbesondere die Vergabe von Krediten oder Avalrahmen. Beim Risikomanagement werden Entscheidungen des Unternehmens vorbereitet, z. B. welche Risiken müssen wir vermeiden, welche müssen wir auf andere überwälzen, welche müssen wir abmildern und welche Risiken nehmen wir hin und preisen sie in der Kalkulation ein. Da sowohl die Teilbereiche Rating und Risikomanagement Entscheidungen vorbereiten, ist es nahliegend, zunächst einmal in der „Spezialdisziplin“, also der betriebswirtschaftlichen Entscheidungslehre, zu suchen. 757 Göbel bringt dies auf den Punkt: „Wirtschaften ist nichts anderes als die fortgesetzte Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten. Wirtschaften heißt also entscheiden und BWL ist die Lehre vom Entscheiden. Solche Entscheidungen folgen nach rationalen Gründen. BWL ist daher die Lehre nach dem Rationalprinzip“. Göbel, Entscheidungen in Unternehmen, S. 20.

758 Daraus folgen dann die Ableitungen des Maximumprinzips: „handle so, dass Du mit gegebenem Aufwand maximalen Ertrag generierst“, und das Minimumprinzip: „handle so, dass Du den Erfolg mit geringstem Aufwand erreichst“. Göbel, Entscheidungen im Unternehmen, S. 83 f.

759 Ausgehend von diesen Grundüberlegungen hat sich in der betriebswirtschaftlichen Literatur die normative oder präskriptive Entscheidungslehre entwickelt. Diese bestimmt, wie die Akteure eine Entscheidung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätze treffen sollen. Dabei geht die BWL vom rational handelnden homo oeconomicus aus. Vanini, Risikomanagement, S. 64.

760 Die Entscheidung hierüber ist zunächst abhängig von den Zielen des Unternehmens, die dann wiederum Auswirkung auf die Präferenzen haben. Göbel, Entscheidungen im Unternehmen, S. 53 ff.

761 Im Rahmen des Rationalitätsprinzips sind Entscheidungen nach monetären Größen zu treffen. BWL ist die Lehre, aus Geld mehr Geld zu machen, bzw. den Gewinn in privaten Unternehmen zu maximieren. Göbel Entscheidungen im Unternehmen, S. 19.

762 Entscheidungen werden regelmäßig unter Unsicherheit (Risiko und Ungewissheit) getroffen. Die Unsicherheit (im Folgenden Risiko) hat aber einen Preis, was man z. B. an der Existenz von Versicherungen oder von Optionen erkennen 182

V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung

kann. Mittels des Preises für die Bewältigung der Unsicherheit kann diese in die Entscheidung einbezogen werden. So finden sich z. B. in den üblichen Kalkulationsschemata Kosten für einen möglichen Forderungsausfall. Theoretisch wird dies mit dem Bernoulli-Prinzip (Erwartungsnutzentheorie) und der RisikoNutzen-Funktion begründet. Göbel, Entscheidungen im Unternehmen, S. 95 ff.; Vanini, Risikomanagement, S. 64 ff.; Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, S. 25.

Diese kann durch Befragung ermittelt werden.

763

Göbel, Entscheidungen im Unternehmen, S. 97 ff.

Problematisch an der präskriptiven Entscheidungstheorie ist, dass die Menschen 764 eben nicht nur als homo oeconomicus handeln und dass ihre Risikonutzenfunktionen nur schwer messbar sind und sich vor allem ständig ändern. Castedello, in IDW WP HB Band II 2014, A Tz. 323 m. w. N.

Wie sollen nun Unternehmen mit Risiken umgehen? Um diese Frage besser zu beurteilen, ist ein Ausflug ins Risikomanagement 765 erforderlich. Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, S. 2 f.

Vor der Krise bzw. Insolvenz sieht die Situation wie folgt aus:

766

Ein Unternehmen wird bei bestehenden Handlungsoptionen versuchen, die- 767 jenige zu wählen, die den höchsten Ertrag (ROI) verspricht. Vorliegend liegt es nahe, das Projekt D zu wählen, da es den größten Ertrag verspricht. Erwartete Rendite 20 %

15 %

10 %

5%

Projekt C

Projekt A

Projekt B

Projekt D

183

K. Integrierte Sanierungsplanung

768 Allerdings sind alle Handlungsoptionen risikobehaftet, denn die Zukunft ist ungewiss. Der Kaufmann wird entsprechend der üblichen Modelle im Risikomanagement überlegen, welche Risiken er bewusst eingeht, welche er in seine Preisbildung einkalkuliert, welcher er vermeidet und/oder welche er reduziert. 769 Dabei wird er sich von den Kriterien Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkung des Risikos im Schadensfall leiten lassen. Grafisch kann die Situation wie folgt skizziert werden:

Eintretenswahrscheinlichkeit

direkte Berücksichtigung im Angebot Risikoreduzierung/ Risikoverlagerung

Selbstübernahme/ Rückstellungen Risikoverlagerung

Auswirkung

770 Ein ordentlicher Kaufmann wird vor dieser Analyse Handlungsoption ausschließen, die die Existenz des Unternehmens gefährdet, soweit sich ein Risiko verwirklicht. Beispiel: Ein Rechtsanwalt wird einen haftungsträchtigen Auftrag, der ihm ein mageres Honorar verspricht, im Risikofall aber seine Existenz kostet, ablehnen. 771 Insoweit existiert eine Maximalrisikolinie, die nicht überschritten wird oder zumindest, die nicht bewusst überschritten werden sollte.

184

V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung Maximalrisikolinie

Erwartete Rendite

Projekt D 20 % Projekt B 15 %

10 % Projekt A Projekt C 5%

5%

10 %

15 %

20 %

Risiko

Aus diesem Grund fallen Handlungsoptionen aus der Perspektive, die diesen 772 „Rubikon“ überschreiten. ThürOLG Jena, Urt. v. 8.8.2000 – 8 U 1387/98, NZG 2001, 86 = DStR 2001, 863. Maximalrisikolinie

Erwartete Rendite

Projekt D 20 % Projekt B 15 %

10 % Projekt A Projekt C 5%

5%

10 %

15 %

20 %

Risiko

Nach dem Ausschluss dieser Maximalrisiken (Projekt B und D) könnte man 773 meinen, das Projekt A sei vorzugswürdig, zeigt es doch eine höhere zu erwartende Rendite als das Projekt C. Allerdings ist noch zu beurteilen, wie „risikofreudig“ der Unternehmer ist. Grundsätzlich wird bei Investoren bzw. Unter185

K. Integrierte Sanierungsplanung

nehmern zwischen „risikoavers“ (risikoscheu), „risikoneutral“ und „risikofreudig“ (Risikoappetit) unterschieden. 774 Aus dem Risikomanagement und der Unternehmensbewertung ist bekannt, dass es eine subjektive Risikopräferenz gibt. Diese subjektive Risikopräferenz wird auch „Risikotoleranz“ genannt. Man kennt diese z. B. aus den Beratungsgesprächen der Banken bei Kapitalanlagen. 775 Die Risikotoleranz kann als Funktion ausgedrückt werden. Unter Beachtung dieser Risikotoleranz ist eine Rendite x erforderlich, um ein Risiko y einzugehen. Diese Risikotoleranzfunktion geben die Eigenkapitalgeber durch Satzungszweck und/oder Gesellschafterbeschluss vor. Maximalrisikolinie

Erwartete Rendite

Risikotoleranz

Projekt D

20 %

Projekt B 15 %

10 %

Projekt C

Projekt A

5%

5%

10 %

15 %

20 %

Risiko

776 Der Bereich unter der Risikotoleranzlinie ist grundsätzlich unattraktiv und daher abzulehnen.

186

V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung Maximalrisikolinie

Erwartete Rendite

Risikotoleranz

Projekt D

20 % Projekt B 15 %

10 % Projekt A Projekt C 5%

5%

10 %

15 %

20 %

Risiko

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist das Projekt C das einzig verbleibende 777 Projekt, welches aus Sicht des Unternehmens sinnvoll erscheint. Erwartete Rendite

Maximalrisikolinie

Risikotoleranz Projekt D

20 % Projekt B 15 %

10 % Projekt C

Projekt A

5%

5%

10 %

15 %

20 %

Risiko

Man kann dieses Zusammenspiel zwischen Chance (ROI) und Risiko sehr gut 778 an Private-Equity-Gesellschaften oder Venture Capital beobachten. Diese Investoren gehen größere Risiken ein, verlangen aber höhere Risiken. Ihre Maximalrisikolinien liegen i. d. R. deutlich über den Linien der anderen Investoren.

187

K. Integrierte Sanierungsplanung

779 Diese Grundsätze werden auch in der oben skizzierten Rechtsprechung zur Organhaftung vertreten. BGH, Urt. v. 21.3.2005 – II-ZR-54/03, ZIP 2005, 981; OLG Thüringen, Urt. v. 8.8.2000 – 8-U-1387/98, NZG 2001, 86 = DStR 2001, 863, rkr. d. BGH, Beschl. v. 28.1.2002 – II ZR 318/00; OLG Koblenz, Urt. v. 23.12.2014 – U-1544/13, ZIP 2015, 224.

780 Danach wird sowohl die Maximalrisikolinie als auch die Risikopräferenz von den Anteilseignern vorgegeben. 781 In der Krise ändert sich aber die Situation. Die Organe haben die Interessen der Gläubiger zu wahren. Die Risikopräferenz der Anteilseigner ist zu ersetzen durch die Risikopräferenz der Gläubiger. Diese ist den Organen nicht bekannt und kann auch nicht erfragt werden, weil damit die Krise offenkundig würde. Aus diesem Grund sind die betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre und die Literatur zum Risikomanagement nicht mehr uneingeschränkt übertragbar. Daher muss eine hypothetische Risikopräferenz der Gläubiger ermittelt werden oder ein Substitut als „Krücke“ herhalten. Deskriptive Entscheidungstheorie 782 Demgegenüber beschreiben die Vertreter der verhaltenswissenschaftichen Theorien, wie Menschen tatsächlich entscheiden. Diese Ansätze stammen im Wesentlichen aus der Psychologie und Soziologie. Die Forschung hat ermittelt, dass die Menschen begrenzte kognitive Fähigkeiten und Kapazitäten haben. Ferner ändern sich die Präferenzen. Die Menschen reagieren hierauf mit Heuristiken (Daumenregeln), die teilweise auch unbewusst ablaufen (Intuition, Bauchgefühl). Gigerenzer, Risiko, S. 143; Göbel, Entscheidungen in Unternehmen, S. 161.

783 Ferner zeigen die Verhaltenswissenschaftler, dass die Menschen nicht nur handeln, um den finanziellen Erfolg zu maximieren. Auch andere Motive treiben ihr Handeln an. Göbel, Entscheidungen in Unternehmen, S. 164 f.

784 Weiter haben die Verfechter der deskriptiven Entscheidungstheorie herausgearbeitet, dass sich die Zielgewichtung verändert. So sind Entscheider bei bestehenden Gewinnchancen und bei existierendem hohem Vermögen risikoavers, während sie bei Verlustgefahren und bei geringem Vermögen risikofreudiger sind. Vanini, Risikomanagement 2012 S. 80.

785 Allerdings sind auch Verzerrungen (Bias) zu beobachteten, die zu Fehlentscheidungen führen. Göbel, Entscheidungen in Unternehmen, S. 167 ff.; Vanini, Risikomanagement 2012, S. 76 ff.; Dobelli, Die Kunst des klaren Denkens; ders., Die Kunst des klaren Handelns.

188

V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung

Insbesondere werden folgende typische Fehler genannt, die für die Unter- 786 nehmensplanung von Interesse sind. Eine weiterreichende tabellarische Darstellung findet sich in Göbel, Entscheidungen in Unternehmen, S. 190 ff.; Beshears/Gino, HBM 2015, 22, 28:

x

Entscheidungen werden auf Basis von Informationen getroffen. Dabei werden Informationen stärker gewichtet, wenn sie leichter verfügbar sind (Verfügbarkeitsheuristik).

x

Prognosen werden ausgehend von einem Startwert getroffen. Dieser Startwert verzerrt die Prognose hin zu seinem Wert (Ankerheuristik).

x

Die Erfahrung, die in der Vergangenheit mit ähnlichen Sachverhalten gemacht wurde, wird auf den aktuellen Sachverhalt übertragen (Repräsentativitätsheuristik). Dabei entsteht die Gefahr, dass wesentliche Unterschiede im Sachverhalt außer Acht gelassen werden.

x

Menschen überschätzen ihre eigenen Fähigkeiten (Overconfidence-Bias) und gehen davon aus, dass sie die Kontrolle über zufällige Ereignisse haben (Illusion of Control).

x

Menschen wollen sich nicht eingestehen, Verluste erlitten zu haben oder sie wollen die erlittenen Verlust nicht hinnehmen („Jetzt erst recht“), Gleißner, ControllerMagazin 2014, S. 34, 40,

und gehen daher den eingeschlagenen Weg weiter (Verlustaversion, Sunk Cost Bias). Dabei verkennen sie, dass Nichtstun auch eine Entscheidung ist, die ebenso wie ein Handeln mit Risiken behaftet ist (Omission Bias). Kahnemann und Tversky haben herausgefunden, dass die Theorie des homo 787 oeconomicus, auf dem die normative Lehre basiert, bei den tatsächlichen Entscheidungen von Menschen nicht bestätigt wird. So verändert die Historie oder die Ausgangsbasis eines Menschen dessen Erwartungsnnutzen. „Heute besitzen Jack und Jill 5 Millionen. Gestern hatte Jack 1 Million und Jill hatte 9 Millionen. Sind sie gleich zufrieden? Haben sie den gleichen Nutzen? Kahnemann, Schnelles Denken, langsames Denken, S. 338.

In der Folge ihrer Forschungen fanden Sie eine Vierteilung der Risikopräferenz 788 heraus. Kahnemann, Schnelles Denken, langsames Denken, S. 389: Gewinne

Verluste

Hohe Wahrscheinlichkeit – Sicherheitseffekt

95 % Gewinnchance auf 95 % Verlustchance von 10 T€; Angst vor Enttäuschung 10 T€; Hoffnung Verlust zu vermeiden – risikofreudig – risikoscheu

Geringe Wahrscheinlichkeit – Möglichkeitseffekt

95 % Gewinnchance auf 10 T€; Hoffnung auf hohen Gewinn – risikofreudig

95 % Verlustchance von 10 T€; Furcht vor Verlust – risikoscheu

189

K. Integrierte Sanierungsplanung

789 In der fortgeschrittenen Krise trifft am ehesten die Situation links unten zu: Die Sanierungswahrscheinlichkeiten sind meistens gering; gleichzeitig sind die Chancen auf Zugewinn bezogen auf den Unternehmenswert enorm. Das heißt, Manager sind in dieser Situation risikofreudig. Generell gilt in diesen Situationen, dass Menschen übertrieben optimistisch sind. Sie überschätzen die Wahrscheinlichkeiten positiver Ereignisse und unterschätzen negative Entwicklungen. Beshears/Gino, HBM 2015, 22, 28; Göbel, Entscheidungen in Unternehmen S. 223 f.; Kahnemann, Schnelles Denken, langsames Denken, S. 308 ff.

Die Situation der Krise bzw. Insolvenz 790 Mit zunehmender Krise verschiebt sich das Chancen-Risiko-Gleichgewicht. Im Falle des „gesunden Unternehmens“ werden die Gesellschafter bzw. wird die Geschäftsleitung sehr vorsichtig mit Risiken umgehen – sie haben viel zu verlieren. Demgegenüber haben die Gläubiger nichts zu gewinnen, sie erhalten maximal das, was ihnen nach der Rechtsordnung zusteht. Für ihr Risiko, mit der Forderung auszufallen, erhalten sie keine Risikoprämie, es sei denn diese wurde vorher als Bestandteil des Preises einkalkuliert. Ihr „Ertrag“ ist hierdurch nach oben begrenzt. Allerdings sind ihre Forderungen rechtlich quasi sicher. 791 In der Krise kippt dieses Verhältnis: Der Nominalwert der Forderungen wird nicht mehr erreicht. In der Bewertungslehre spricht man von „Debt-Beta“. Die Gläubiger sind mit ihren Forderungen „nicht mehr im Geld“. Sie haben aber ein weiteres Risiko: Ihre Quote könnte sich noch weiter verschlechtern. 792 In dieser Situation haben die Schuldner aber regelmäßig nichts mehr zu verlieren. Ihr Eigenkapital ist faktisch nichts mehr wert. Dies folgt, lässt man sog. Mitmachprämien und den Realoptionsansatz außer Betracht, aus der insolvenzrechtlichen Verteilungsreihenfolge. Die Gesellschafter haben aber eine nach oben unbegrenzten Chance auf Wertsteigerung. 793 Die Planungen in der Krise zeigen des Öfteren den berühmten „HockeyStick“. Das heißt, nach einer kurzen Verlustperiode werden hohe Gewinne und hohe Wachstumsraten ausgewiesen. Gewinne kommen von übernommenen Risiken. Selbst wenn diese Planungen nicht vom Prinzip Hoffnung getragen sind und handwerklich zutreffend erstellt wurden ist zu berücksichtigen, dass hohe Gewinnerwartungen also von hohen eingegangenen Risiken stammen. Dies gilt nicht nur für die Börse, sondern auch für das außerbörsliche Wirtschaftsleben. Soweit nämlich ein Marktteilnehmer eine Gewinnchance aufgrund seines Ideenreichtums oder aufgrund einer Innovation erschlossen hat, versuchen die Wettbewerber, diese Position streitig zu machen. Aus diesem Grund tendieren langfristig alle Gewinnerwartungen zur Gesamtmarktrendite. Wer aber langfristig eine höhere Rendite erwirtschaften will muss auch langfristig höhere Risiken eingehen. 794 Nun ist es in der Krise so, dass die wesentlichen Gewinnchancen bei den Gesellschaftern und nicht bei den Gläubiger liegen. Die Verlustrisiken aber liegen

190

V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung

bei den Gläubigern. Ist nämlich in der Krise der Wert des Eigenkapitals praktisch auf null abgesunken, haben die Anteilseigner nichts mehr zu verlieren. Aus diesem Chancen-Risiko-Ungleichgewicht erwächst zumindest bei haftungsbeschränkten Gesellschaften Verantwortung. Diese Verantwortung ist der Preis, den die Gesellschafter für die Haftungsbeschränkung zu bezahlen haben. In der Konsequenz muss dies dazu führen, dass nicht mehr die subjektiven 795 Erwartungen der Anteilseigner bzw. Organe, sondern diejenigen der Gläubiger maßgebend sind. Auf deren Risiko geht die Fortführung in der Krise. Bei den Gläubigern ist aber zu beachten, dass diese unterschiedliche Ausgangssituationen haben. So sind manche Gläubiger dinglich gesichert. Die Frage der Fortführung hat Auswirkung auf die Bewertung der Sicherheiten. Zudem weisen die Gläubiger unterschiedliche Risikopräferenzen (Risikotoleranzen) auf, was z. B. bei Mezzaninekapitalgeber sichtbar wird. Endlich haben die Gläubiger keine Zukunftserwartungen i. S. e. Unternehmensplanung ihrer Schuldner. Ihnen fehlt schlicht das Sach- und Detailwissen. In der Betriebswirtschaftslehre wird dies als Prinzipal-Agent-Problem be- 796 handelt. Vgl. Vanini, Risikomanagement, S. 72; Spindler, AG 2006, 677, 678.

Diese geht davon aus, dass es einen Prinzipal (Auftraggeber) und einen Agenten 797 (Auftragnehmer, Beauftragten) gibt, die über unterschiedliche Informationen verfügen. Dabei soll der Agent die Interessen des Prinzipals wahrnehmen. Grundsätzlich aber vertreten beide unterschiedliche Interessen. Um dieses Dilemma für den Prinzipal zu lösen, wird eine Überwachung des Agenten durch den Pinzipal vorgeschlagen. Vanini, Risikomanagement, S. 75.

In der Krise der Unternehmung besteht eine vergleichbare Situation. Der 798 Schuldner verwaltet sein Vermögen als Agent für den Prinzipal (Gläubiger). Der Schuldner hat einen besseren Informationsstand als die Gläubiger und er hat andere Interessen. Soweit der Schuldner keinen Insolvenzantrag stellt, trifft er auch eine (vielleicht unbewusste) Entscheidung, denn keine Entscheidung zu einem aktiven Tun zu treffen ist auch eine Entscheidung. Gleißner, ControllerMagazin 2014, S. 34:

„Auch die Beibehaltung eines Status quo bedarf einer Entscheidung“. Aufgrund 799 des praktisch auf Null abgesunkenen Unternehmenswerts hat der Schuldner nichts mehr zu verlieren; sein Einsatz ist quasi Null. Seine Gewinnchance ist aber hoch. Für die Gläubiger ist es umgekehrt. Ihre Erkenntnis ist gering und sie haben etwas zu verlieren. Die allgemeinen Lösungsansätze der BWL verfangen in der Krise nicht. Es 800 gibt keinen allgemeinen Überwachungsanspruch gegenüber seinen Schuldnern. Noch nicht einmal das Insolvenzantragsrecht genügt diesen Anforderungen, zumal die Gläubiger regelmäßig keinen vertieften Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners haben, um einen Insolvenzgrund glaub191

K. Integrierte Sanierungsplanung

haft zu machen. Ganz im Gegenteil: Nach der InsO kontrolliert sich der Agent, jedenfalls bei insolvenzantragspflichtigen Gesellschaften, selbst. 801 Die Rechtsprechung kennt ähnliche Konstellationen aus dem Bereich der Experten- oder Sachwalterhaftung. BGH, Urt. v. 16.7.2009 – III-ZR-21/09, WM 20093, 1753 für Versicherungsmakler; vgl. auch Gehrlein/Sutschet in: Bamberger/ Roth, BGB, § 311 Rn. 115 ff.

802 Diese Sachwalterhaftung, die vor der BGB-Reform durch Rechtsprechungsregeln galt, ist seit 2002 in § 311 Abs. 3 BGB im Gesetz verankert. Danach können Dritte in einen Vertrag mit entsprechenden Haftungspflichten eingebunden sein, ohne selbst Vertragspartei zu sein. Dabei gelten nach wie vor zwei Grundtypen: Das eigene persönliche Interesse am Vertragsschluss und die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens. Beim unternehmerischen Organ wird das eigene wirtschaftliche Interesse nur ausnahmsweise anzunehmen sein. Gehrlein/Sutschet, in: Bamberger/Roth, BGB, § 311 Rn. 120.

803 Allerdings nimmt die Rechtsprechung dann eine persönliche Haftung an, wenn in der beruflichen Stellung des Verhandelnden, d. h. in seiner Funktion und Stellung, ein Vertrauenstatbestand gesetzt wird. Dies kann z. B. beim Unternehmenssanierer der Fall sein. So hat der BGH entschieden: „1. Ein Unternehmensberater, der die Geschäftsführung eines sanierungsbedürftigen Unternehmens übernimmt und bei Vertragsverhandlungen, die er als Vertreter des Unternehmens mit Dritten führt, auf seine früheren Sanierungserfolge hinweist, kann damit besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch nehmen und deswegen bei Pflichtverletzungen selbst aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen haften. 2. Ein Unternehmenssanierer, der bei Kreditverhandlungen besonderes persönliches Vertrauen für sich in Anspruch nimmt, darf dem Verhandlungspartner Umstände, die seine Eignung für die Sanierungsaufgabe in Frage stellen (Vorstrafe wegen Betrugs, eidesstattliche Versicherung nach ZPO § 807, Fälschung von Dienstzeugnissen), nicht verschweigen.“ BGH, Urt. v. 3.4.1990 – XI ZR 206/88, ZIP 1990, 659.

804 Wenn nun diese fremdnützige Sachwalter- oder Expertenstellung zur persönlichen Haftung gegenüber Dritten führt, zeigt dies eine Wertungsentscheidung der Rechtsordnung. An die Expertenstellung und an überlegenes Wissen ist Verantwortung geknüpft. Diese Wertungsentscheidung würde konterkariert, wenn man dem Geschäftsführer erlaubte, die Interessen und die Risikopräferenz der Gläubiger unberücksichtigt zu lassen. 805 Ferner ist zu berücksichtigen, dass das Vermögen in der Krise zur Bedienung der Gläubigerforderungen einer Bindung und einem „Spekulationsverbot“ unterliegt, § 283 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Bitter, in: Scholz, GmbHG, Vor § 64 Rn. 39; Haas/Kolmann/Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 92 Rn. 27.

192

V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung

Folglich ist auf die Sicht der Gläubiger abzustellen, wenn der Schuldner das 806 Unternehmen führt und damit Risiken eingeht. So haben sich die Maximalrisikolinie und die Risikotoleranz an den Gläubigerinteressen auszurichten. In der Praxis aber haben die Gläubiger keine einheitliche Risikopräferenz. Zudem kann diese vom Schuldner in der Praxis gar nicht in Erfahrung gebracht werden. Anderseits darf dies nicht dazu führen, dass überhaupt keine Risikopräferenz oder sogar Risikoneutralität angenommen wird. Die Lösung bietet der Rückgriff auf anerkannte Ratingsysteme der Banken und/oder der Versicherungswirtschaft. Sie zeigen eine Risikopräferenz aus der Perspektive der Fremdkapitalgeber. Diese sind auch von der BAFin geprüft und drücken allgemeine nach betriebwirtschaftlichen Kriterien gültige Wertungen aus. Jedenfalls sind sie als praktikable Näherungslösung besser geeignet, als die Risikopräferenz willkürlich zu schätzen oder sogar Risikoneutralität zu unterstellen. Die Unternehmensplanung muss also einen Erwartungswert zeigen, der nach 807 gültigen Kriterien zumindest gerade noch außerhalb des Forderungsausfalls eingestuft wird. Wir haben an anderer Stelle dargelegt, dass dies mindestens ein Zielrating nach S&P von B – oder eine Einjahresausfallwahrscheinlichkeit unter 8 % sein muss. Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2306.

Soweit dieser Korridor erreicht werden kann, kann unseres Erachtens von der 808 Überlebensfähigkeit ausgegangen werden. Eine andere Alternative wäre – wie bislang – auf die Liquidität abzustellen. 809 Dann aber kann unseres Erachtens nicht auf den Erwartungswert der Planung allein abgestellt werden. Dies soll an folgendem Beispiel aus Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2305

verdeutlicht werden: Beispiel:

Verlust

Gewinn

Erwartungswert

193

K. Integrierte Sanierungsplanung

810 Bei der Planung wäre also zu untersuchen, welche Risiken für den künftigen Cashflow bestehen oder wieviel Cashflow im Risiko steht, sog. Cashflow at Risk (CFaR). Soweit in einem Planungsfall folgende Werte ausgewiesen werden: Szenario

Worst

Real

Best

Planung 1

–100

100

300

Planung 2

50

100

150

und jedes Szenario mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 33 % bewertet wird, zeigen beide Planungen einen Erwartungswert von 100. Dennoch ist das Risiko der Gläubiger im Fall 1 größer. Hier kann der Wert negativ werden. Die Chancen beurteilen die Gläubiger nicht (siehe Rn. 790 ff.). Sie partizipieren nicht an den Gewinnchancen des Unternehmens. Die Gläubiger tragen also das „Downside-Risk“ ohne am „Upside“ zu profitieren. Sofern eine Entscheidung im Interesse der Gläubiger getroffen werden muss – und nur dazu dienen die Insolvenzantragspflichten –, muss auch deren Kalkül in die Entscheidung einbezogen werden. 811 Nun darf dies aber nicht dazu führen, die Frage allein unter Zuhilfenahme des Worst-Case-Szenarios zu beurteilen. Vielmehr muss sich der Planer vergegenwärtigen, dass auch seine Planungen unsicher sind, was sich eben in den Szenarien ausdrückt. So führen die GoP 2.1 des BDU aus: „Die Zukunft und damit alle Prognosen, auf denen eine Planung basiert, sind unsicher. Ordnungsgemäße Planung erfordert daher Transparenz über die bei der Planung zugrunde liegenden unsicheren Annahmen bezüglich der Zukunftsentwicklung und derjenigen Risiken, die Planungsabweichungen auslösen können.“

812 Aus diesen Szenarien und der Wahrscheinlichkeitsbeurteilung kann auf mittlere Fehler geschlossen werden. Fehler meint in diesem Zusammenhang nicht, dass die Planung handwerklich fehlerhaft ist, sondern in welcher Bandbreite sich das Ergebnis vom Erwartungswert unterscheidet bzw. in welchem Korridor es sich wahrscheinlich bewegen wird. „Der Ungewissheit künftiger Datenentwicklung kann auch durch die rollierende Planung, die Alternativplanung oder die flexible Planung begegnet werden in den Ausprägungen Worstcase“, „Normalcase“, „Bestcase“. Bei allen Bemühungen, nur begrenzt Vorausschaubares in den Griff zu bekommen, müssen die den Planungsvorgaben zugrunde liegenden Wertgrößen realisierbar und damit realistisch bleiben. Da jede Planung zukunftsbezogen ist, sind Planungsabweichungen zu erwarten. Chancen und Gefahren sowie mögliche Ursachen der Planabweichungen sind zu benennen und möglichst zu quantifizieren, um den Gesamtumfang möglicher Planabweichungen einschätzen zu können. Unvollkommene Informationen geben Anlass, durch Anwendung geeigneter Prognosemethoden und Simulationsverfahren die Unsicherheit möglichst zu begrenzen“, BDU GoP 2.1. Ein Schwankungsund damit Risikomaß aus der Mathematik ist die Standardabweichung. Die Standardabweichung gibt an wie weit sich eine Zufallsvariable vom Mitteloder Erwartungswert unterscheidet. Es gibt einen Korridor, in welchem sich die

194

V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung

Planungsabweichungen „im Mittel“ bewegen. Dieser Korridor wird in der Mathematik als Standardabweichung (Standard Deviation, SD, Sigma, ı) bezeichnet. Er lässt sich für praktisch alle Verteilungsfunktionen, zumindest näherungsweise, errechnen. Vgl. Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, S. 117 ff.

Im Falle einer Monte-Carlo-Simulation liefert die Software die Standardab- 813 weichung für komplexe Verteilungsformen. Eine große Ergebnisbandbreite bedingt damit automatisch eine hohe Standard- 814 abweichung und umgekehrt. Das heißt, das Risiko für die Gläubiger auszufallen, ist bei einer größeren Standardabweichung auch größer. Daher kann man die Standardabweichung zur Kalibrierung eines „Sicherheitspuffers“ heranziehen. Karollus/Huemer, Die Fortbestehensprognose im Rahmen der Überschuldungsprüfung, S. 103 f.

Folgendes plakatives Beispiel soll diesen Gedanken untermauern:

815

Beispiel: Sie durchwandern eine Wüste. Der Ranger teilt ihnen mit, im Mittel benötigen die Wanderer drei Tage bei einer Standardabweichung von einem halben Tag. Dies bedeute nicht, dass manche Wanderer auch schneller als zweieinhalb Tage oder langsamer als dreieinhalb Tage sind. Nur die Schwankungen „im Mittel“ belaufen sich zwischen zweieinhalb und dreieinhalb Tagen. Für wie viel Tage würden Sie Wasser im Rucksack mittnehmen? In der Krise bzw. Insolvenz besteht nun die Besonderheit, dass der Ranger (Geschäftsführer) seinen Wanderern (Gläubiger) den Rucksack packt und diese weder die durchschnittliche Wanderdauer, noch die Standardabweichung kennen. Für wie viel Tage soll der Ranger Wasser einpacken? Insoweit kann man von der Überlebensfähigkeit dann ausgehen, wenn vom Er- 816 wartungswert die Standardabweichung der relevanten Größe, in der Insolvenzbeurteilung der Liquidität, in Abzug gebracht wird. Dabei sollte man sich vergegenwärtigen, dass dies kein besonders großer Sicherheitspuffer ist. Die Finanzwirtschaft verwendet den VaR mit einer 99 %igen Wahrscheinlichkeit. „Bislang wurde der VaR überwiegend von Banken zur Berechnung ihrer Handels- und Kreditrisiken sowie von Versicherungen und institutionellen AssetManagern eingesetzt. Auch die Derivateverordnung für institutionelle Anleger fordert den VaR – abgeleitet aus Grundsatz I des KWG – mit eben dem genannten Konfidenzniveau von 99 % und einer Haltedauer von zehn Tagen“. Handelsblatt v. 31.7.2015, http://www.handelsblatt.com/finanzen/anlagestrategie/zertifikate/ nachrichten/messgroesse-drueckt-risiken-in-zahlen-aus-der-valueat-risk-ansatz/2532860.html (Abruf am 1.8.2015).

195

K. Integrierte Sanierungsplanung

817 Dies entspricht in etwa der 3-fachen Standardabweichung. Der Industriestandard in Bezug auf Qualitätsanforderungen wird mit Six-Sigma, also mit der 6-fachen Standardabweichung bemessen. Bezogen auf die Gauß’sche Normalverteilung beträgt die Wahrscheinlichkeit damit 99,99966 % oder die Fehlerhäufigkeit 0,00034 %. Industriestandard

Six Sigma (6-fach)

99,99966 %

Banksteuerung VaR I

doppelt

95 %

Banksteuerung VaR II

dreifach

99 %

818 Der Ansatz mit der einfachen Standardabweichung ist also gerade kein gläubigerfreundlicher Ansatz. Er entspricht z. B. bei der Standardnormalverteilung (Gauß’sche Glockenkurve) einer ca. 84 %igen Wahrscheinlichkeitsanforderung und damit in etwa dem Pareto-Prinzip. Bei einer derartigen Insolvenzwahrscheinlichkeit würde ein Kreditinstitut keinen Kredit mehr vergeben. Gleichwohl geht dieser Ansatz aber weit über die bisher gebräuchliche 50 + x % Regel hinaus nach der man einfach auch die Münze werfen könnte (Kopf + Rand > Zahl). 819 Eine andere Möglichkeit wäre die Durchführung eines „Stresstests“, indem man z. B. die größte Umsatzschwankung oder die größte EBIT-Schwankung der letzten zehn Jahre des zu planenden Unternehmens, alternativ die branchenüblichen Schwankungen als Stresstest simuliert. Gleißner/Grundmann, ZfCM 2008, 314 ff.

820 Wenn die Liquiditätsplanung des Unternehmens diesen Sicherheitspuffer verkraftet ist sie „robust“ genug, damit man von einer Überlebensfähigkeit ausgehen und gleichzeitig ein Spekulieren auf Kosten der Gläubiger ausschließen kann. Dies bedeutet, dass bei großen Bandbreiten der Planungsszenarien auch große Abzüge vorzunehmen sind und umgekehrt. Soweit zwar die erwartungswertgetreue Planung die Liquiditätsdeckung aufzeigt, den Abzug der Standardabweichung aber nicht mehr verkraftet, ist der Zeitpunkt gekommen, um die Gläubiger zu fragen, ob sie auf dieser Basis die Unternehmensfortführung auf ihr Risiko wünschen. Das aber ist der Zeitpunkt, an dem eine Insolvenzantragspflicht angenommen werden muss, will man die Gläubigerpositionen ernst nehmen. Die Standardabweichung ist also ein Sicherheitspuffer und trägt den Gläubigerpräferenzen in pauschalierter Weise Rechnung.

196

L. Erstellen der Planungsrechnung Entscheidend für den Schuldner und die finanzierenden Banken ist der Blick 821 nach vorn. Sofern eine Auftragsplanung und volle Auftragsbücher oder regelmäßige Auftragseingänge vorhanden sind, können die künftigen Werte recht verlässlich abgebildet werden. Andernfalls muss die Zukunft prognostiziert werden. Dabei gibt es verschiedene Methoden.

822

Vgl. Ehrmann, Unternehmensplanung, S. 91 ff.

Diese sind sowohl auf die Planung im Ganzen wie auf die zugrunde liegenden 823 Teilplanungen oder einzelnen Informationen anzuwenden. Vorweg sind die mathematisch-statistischen Prognosemethoden (quantitative 824 Planungstechniken), wie die Trendextrapolation, gleitende Durchschnitte und exponentielle Glättung, zu nennen. Diese gehen allerdings davon aus, dass sich die Zukunft „in etwa“ entwickeln wird wie die Vergangenheit. Dies würde bei Krisenunternehmen fast immer die Prognose in die Insolvenz bedeuten. Eine Berechtigung haben diese Prognosemethoden aber für die Basisplanung (Was passiert, wenn nichts passiert?), siehe Rn. 170, 698. Daneben existieren die qualitativen Planungsmethoden, wie z. B. die Szenario- 825 Technik und die Delphi-Methode. Bei der Szenariotechnik werden für wesentliche Parameter Annahmen/Szenarien entwickelt und deren Auswirkung auf die Unternehmensplanung abgebildet. Letztlich werden die verschiedenen Szenarien mit Wahrscheinlichkeiten versehen, deren Gesamtsumme immer 1,0 sein muss. In der Regel werden hier drei Szenarien („Worst“, Real und Best Case“) abgebildet. Problematisch daran ist die Szenarienbildung. Vgl. Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2298 f.

Demgegenüber wird bei der Delphi-Methode,

826

Ehrmann, Unternehmensplanung, S. 95,

einem Expertengremium ein Prognosegegenstand unterbreitet. Die Experten treffen diesbezüglich Einschätzungen (ggf. auch in Form von Szenarien) und diese werden in Schleifen zur Diskussion und ggf. Überarbeitung gestellt. Allerdings besteht hier die Gefahr, dass bei vielen einbezogenen Personen und/oder vielen Diskussionsschleifen die Themen zu Tode diskutiert werden und eine Lösung immer nur ein Kompromiss ist. Eine Heuristik wäre, die in der Sache erfahrenste Person allein zu befragen. Nate Silver verweist auf eine Studie, nach der statistische Prognosemodelle 827 (normative Lehre), die einer bewertenden Justierung (Heuristik) unterzogen wurden, zu einer 15 % höheren Genauigkeit führen. Ziel einer Prognoserechnung sollt es also sein, die rationalen Entscheidungen mit Bauentscheidungen zu kombinieren. Silver, Die Berechnung der Zukunft, S. 245,

197

L. Erstellen der Planungsrechnung

828 Sowohl bei der Informationsbeschaffung wie auch bei der Prognose gilt, dass alle erreichbaren Tatsachengrundlagen erhoben werden müssen. Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 93 Rn. 48.

829 Die Verpflichtung, Informationen einzuholen wird mit der Bedeutung der Angelegenheit steigen. Letztlich ist diese bei der Planung eines Krisenunternehmens immer hoch. Diesbezüglich wird danach zu fragen sein, ob die Auswirkung der Information auf die Unternehmensplanung im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse wesentlich ist. Dann wir ein gesteigertes Maß an die Informationsbeschaffung zu fordern sein. Allerdings gilt keine Verpflichtung zur Erhebung sämtlicher irgendwie verfügbaren Informationen. Dann würde eine Planung nie zum Ende kommen. Außerdem kommt der Planer zu einem Punkt, zu dem die Kosten der weiteren Informationsbeschaffung in keinem Verhältnis zum Mehrwert dieser Informationen mehr stehen. 830 In der Praxis finden sich Ausführungen über die Art der Informationserhebung (Top down, Bottom up, Gegenstromverfahren). Im Hinblick auf die insolvenzrechtliche Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung vertreten wir die Auffassung, dass die Planung „Top Down“ zu erfolgen hat. Die Gespräche mit den Mitarbeitern dienen dazu, die Gesamtaussagen der Geschäftsleitung zu plausibilisieren. Ausgangspunkt: Basisplanung oder „Was passiert, wenn nichts passiert Planung“ 831 Die Unternehmensplanung ist kein „Freifahrtschein“, der mit der Zukunftsbezogenheit, BDU GoP 2.1 zu rechtfertigen ist. Es gibt in der Zwischenzeit berufsständische Anforderungen an Planungsrechnungen, die schon aus Haftungsgründen einzuhalten sind. Aus diesem Grund sollte, aufbauend auf der bisherigen Entwicklung ein Fortführungsszenario entwickelt werden. Es ist dringend empfehlenswert mit einer sog. Basisplanung zu beginnen. Zabel, in: Kübler, HRI, § 4 Rn. 154.

832 Das heißt, es wird geplant, was passiert, wenn das Unternehmen den eingeschlagenen Kurs beibehält („Was wäre wenn“). Dieses Szenario erleichtert es, die Gläubiger von dem Erfordernis von Sanierungsbeiträgen zu überzeugen. Zabel, in: Kübler, HRI, § 4 Rn. 155.

833 Sofern das Unternehmen in der Vergangenheit Planungsrechnungen erstellt hat, ist diesbezüglich ein Soll-Ist-Vergleich anzustellen und etwaige Abweichungen sind zu analysieren. Gegebenenfalls sind die Konsequenzen und Schlussfolgerungen aus dieser Erkenntnis in der Basisplanung zu berücksichtigen. Bereits für die Basisplanung gilt: Diese sollte eher vorsichtig (konservativ) erfolgen. Zabel, in: Kübler, HRI, § 27 Rn. 102; Rendels/Zabel, Insolvenzplan, Rn. 396 f.

834 Dennoch gilt, dass die Planung eine Prognose, also eine sachgerechte Abschätzung der Zukunft, ist. Es ist dringend angezeigt, sich dabei auf sog. Experten198

V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung

schätzungen zu berufen, sog Delphi-Methode (siehe Rn. 825 f.). Diese Experten sind regelmäßig im Betrieb zu finden, da für die Prognosen die subjektive Sicht des Unternehmens bzw. der Geschäftsleitung entscheidend ist. BVerfG, Beschl. v. 24.5.2012 – 1 BvR 3221/10 („Daimler/ Chrysler“), ZIP 2012, 1656.

Hierzu sollten Sie sich als Planersteller ein Organigramm vorlegen lassen, aus 835 dem die Verantwortlichen abgeleitet werden können. Beispiel: Verkaufsleiter

Absatz und Preis

Einkaufsleiter

Warenbezugskosten und sonstige Investitionskosten

Produktionsleiter

Wirkung der Maßnahmen auf Effektivität und Effizienz der Produktivität

Geschäftsleitung

Restliche Themen

Bei diesen zu erhebenden Informationen handelt es sich um die „Teilpläne“ 836 (Absatzplan, Investitionsplan, Personalplanung etc.) die in die integrierte Unternehmensplanung hineinmodelliert werden. Die relevanten Einschätzungen der entsprechenden Personen werden in Inter- 837 views erhoben. Es ist wichtig, dass in den Interviews darauf geachtet und hingewiesen wird, dass diese eine sachgerechte Information abgeben und nicht versuchen, durch eine einseitige tendenzielle Äußerung das Ergebnis zu beeinflussen. Zur Haftungsvermeidung ist es ratsam, die Interviews schriftlich zu protokollieren. Soweit der Gesprächspartner das Protokoll gegenzeichnet, zeigt dies die Wichtigkeit und gleichzeitig Verantwortlichkeit für die Aussage. In der Praxis hat dies schon öfters zur Revidierung oder Einschränkung von Aussagen geführt. Probleme bereiten den Personen die Einschätzungen, wenn eine solche erst- 838 malig getroffen wird. Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht, die betroffenen Personen Bandbreiten schätzen zu lassen. Gerade wenn die Personen noch nicht planungserfahren sind, haben sie Angst, eine falsche Angabe zu machen und versuchen sich daher einer konkreten Äußerung zu entziehen. Dies kann mit einer Bandbreitenschätzung umgangen werden. Wann man danach fragt, welcher Wert sicher nicht unterschritten und überschritten wird, fällt es den Personen deutlich leichter, dann einen für sie realistischen Zwischenwert zu setzen. Wir gehen dabei noch ein bisschen weiter und erheben damit zugleich die po- 839 tentielle Verteilungsfunktion für eine Monte-Carlo-Simulation. Aber selbst wenn dieses Tool nicht eingesetzt wird, bringt die Frage nach der Bandbreite und der Verteilungsfunktion (Dichtefunktion der künftigen Ereignisse) ein gewisses Gefühl für einen anzusetzenden Erwartungswert.

199

L. Erstellen der Planungsrechnung

840 Checkliste zur Verteilungsannahme bei Monte-Carlo-Simulationen Diese Checkliste soll eine Hilfestellung bei der Verteilungsannahme bei Monte-CarloSimulationen geben. Fragestellung/Risikoverteilung:



Kann der Erwartungsbereich konkret eingeschränkt werden? Kann der Erwartungsbereich in keine Richtung eingeschränkt werden? Ist die Schwankungswahrscheinlichkeit in beide Richtungen gleich? Ist eine Abweichung vom wahrscheinlichsten Wert (Mode) in eine bestimmte Richtung wahrscheinlicher? Ist die Schwankungswahrscheinlichkeit in einem gewissen Bereich gleich und fällt außerhalb dieses Bereiches ab? Fällt die Wahrscheinlichkeit mit steigendem Abstand zum Mode langsamer? Fällt die Wahrscheinlichkeit mit steigendem Abstand zum Mode schneller? Fällt die Wahrscheinlichkeit mit steigendem Abstand zum Mode gleichmäßig in der jeweiligen Richtung? Mit welchem niedrigen Wert können Sie gerade nicht mehr rechnen? Max: Mit welchem höchsten Wert können Sie gerade nicht mehr rechnen? Mode: Was ist für Sie der wahrscheinlichste Wert? Mode1 – Mode2: In welchem Bereich sind die Werte gleich wahrscheinlich? Erwartungswert μ: Was ist für Sie der durchschnittliche Wert? Standardabw. ı Skalenparameter b: Welche Abweichung vom obigen Wert erwarten Sie im Mittel?

841 Für alle geplanten Positionen ist eine sachgerechte Annahme über die Auswirkung in der x

Gewinn- und Verlustrechnung (BWA),

x

in der Bilanz und

x

in der Liquidität getrennt

x

nach den verschiedenen Zeiträumen zu treffen (integrierte Planung).

200

I. Basisbilanz Praxistipp: Die Unternehmensplanung ist als Prognoserechnung ausgestaltet (Zabel, in: Kübler, HRI, § 27 Rn. 102). Die Planung ist ein reduziertes Modell der Zukunft. Insoweit ist das Modell nach dem Grundsatz der Wesentlichkeit aufzubauen. Das heißt, es sind die wesentlichen Werttreiber der künftigen (!) Entwicklung und damit der Werttreiber für die Planungsrechnung detailliert zu greifen, während die nicht wesentlichen mit deutlichen Vereinfachungen prognostiziert werden. Was nun die wesentlichen Parameter sind folgt aus der Unternehmensanalyse, insbesondere aus der Analyse der Chancen und Risikosituation. Die Planung ist insoweit ein Maßanzug. Durch die Unternehmensanalyse können insbesondere durch Sensitivitätsanalysen die wesentlichen Werttreiber ermittelt werden. Jedenfalls für KMU hat sich herausgestellt, dass als Faustformel die 5 – 15 wichtigsten Treiber ermittelt und sachgerecht prognostiziert werden müssen. Eine Planung auf FiBu-Kontenebene lehnen wir hingegen ab, weil sich regelmäßig zeigt, dass sich die Schwankungen auch wechselseitig ausgleichen (Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, Rn. 430).

I. Basisbilanz Eine Planungsrechnung erfolgt in aller Regel zu einem Planungsstichtag. Das 842 heißt, auf diesen Stichtag ist die Basisbilanz der Planung aufzustellen. Damit einher geht regelmäßig die Frage, ob Maßnahmen, die nach dem Stichtag, aber vor Fertigstellung der Planung beschlossen wurden, in der Planungsrechnung berücksichtigt werden dürfen bzw. sogar müssen. Unternehmensplanungen sind zeitpunktbezogen zu ermitteln. Mit dem Pla- 843 nungsstichtag wird festgelegt, welche Geschäftsvorfälle (nicht mehr) zu berücksichtigen sind. Der maßgebliche Stichtag bestimmt sich aus dem Auftrag (Vereinbarung Stichtag) oder aus dem Bewertungsanlass. Zur Abgrenzung der zum Stichtag zu berücksichtigenden Ereignisse hat die 844 Rechtsprechung zur Unternehmensbewertung die sog. Wurzeltheorie entwickelt. BGH, Urt. v. 17.1.1973 – IV ZR 142/70, DB 1973, 563.

Im Rahmen von Unternehmensbewertungen sind deshalb nur Ereignisse/Sach- 845 verhalte berücksichtigungsfähig, die zum Bewertungsstichtag bereits „in der Wurzel“ angelegt waren, d. h. für Sachverständige/Bewerter erkennbar waren. Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 135.

Bei der „Verwurzelung“ von Verhältnissen und Ereignissen am Bewertungs- 846 stichtag kann nicht auf jede Entwicklung abgestellt werden, die sich rückblickend durch eine irgendwie geartete Kausalkette bis vor den Bewertungsstichtag zurückverfolgen lässt. LG Dortmund, Beschl. v. 14.2.1996 – 20 Akte 3/94, AG 1996, 279.

Eine Entsprechung findet die Wurzeltheorie in der bilanzrechtlichen Abgren- 847 zung zwischen am Bilanzstichtag aufzunehmenden wertaufhellenden Tatsachen und nicht aufzunehmenden wertbeeinflussenden Tatsachen. Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 137.

201

L. Erstellen der Planungsrechnung

848 Daher sind noch nicht verwurzelte Annahmen nicht in der Basisbilanz, sondern in der Planung i. e. S. zu berücksichtigen. Dies hat im Hinblick auf die Unsicherheit der Planungsannahmen u. U. Auswirkungen auf den Planungsansatz. 849 In der Basisbilanz sind alle Aktiva und Passiva stichtagsgetreu mit ihren „Buchwerten“ aufzunehmen. Insbesondere ist darauf zu achten, dass alle Verbindlichkeitenposten (nicht nur die fälligen Verbindlichkeiten) und vor allem auch in angemessenem Umfang Rückstellungen in der Basisbilanz aufgenommen werden. Selbstverständlich sind die Forderungen realistisch zu bewerten, weil andernfalls die Liquidität im Kurzfristbereich fehlerhaft zu positiv dargestellt wird. Im Bereich der Forderungen und Verbindlichkeiten können im Einzelfall Saldenbestätigungen einzuholen sein. 850 Wir verwenden hierzu die Fälligkeitsliste aus DATEV/OPOS. Die auf den Sachkonten gebuchten Verbindlichkeiten versuchen wir über die Finanzbuchführung zu erschließen. Für ältere Forderungen, die noch nicht beizutreiben waren, müssen angemessene Bewertungsabschläge bereits in der Basisbilanz vorgenommen werden. Kanzlei-Rechnungswesen V.5.75 – RW – 29098/271/2009/Musterholz GmbH – [Fälligkeitsliste Übersicht] Fällig

Summe

Deb.

Summe

Kred.

Deb.

kumuliert

Kred.

kumuliert

5.4.2008 – 11.4.2008

–41.055,00

–41.055,00

–41.055,00

–41.055,00

31.1.2009 – 6.2.2009

–1.615,60

–42.670,60

–1.615,60

–42.670,60

7.2.2009 – 13.2.2009

–520,80

–43.191,40

–520,80

–43.191,40

14.2.2009 – 20.2.2009

33.148,14

–10.043,26

6.922,91

6.922,91

26.225,23

–16.966,17

21.2.2009 – 27.2.2009

9.545,41

–497,85

8.719,52

15.642,43

825,89

–16.140,28

28.2.2009 – 6.3.2009

82.856,34

82.358,49

15.642,43

82.856,34

66.716,06

7.3.2009 – 13.3.2009

38.077,64

120.436,13

15.642,43

38.077,64

104.793,70

14.3.2009 – 20.3.2009

14.535,53

134.971,66

294,00

15.936,43

14.241,53

119.035,23

21.3.2009 – 27.3.2009

6.844,17

141.815,83

39.509,77

55.446,20

–32.665,60

86.369,63

28.3.2009 – 3.4.2009

8.341,40

150.157,23

4.669,77

60.115,97

3.671,63

90.041,26

150.157,23

20.304,23

80.420,20

–20.304,23

69.737,03

78.276,99

158.697,19

–51.713,90

18.023,13

158.697,19

40.194,80

58.217,93

4.4.2009 – 10.4.2009 11.4.2009 – 17.4.2009

26.563,09

176.720,32

18.4.2009 – 24.4.2009

40.194,80

216.915,12

Differenz

Differenz kumuliert

851 Im Übrigen kann auf IDW PS 205 (Eröffnungsbilanzwerte) verwiesen werden. Bei besonders vielen Absonderungsgläubigern empfiehlt sich, eine lieferantenbezogene Inventur zu veranlassen. Eine solche ist ohnehin im Falle der Sanierung im Insolvenzverfahren unumgänglich. 852 Ein weiteres Praxisproblem ist die Erstellung einer „künftigen Basisbilanz“. Beispiel: Es soll im November die Planung für das Folgejahr erstellt werden. 853 Zwei „Techniken“ bieten sich zur Erstellung an: Entweder der Planer nimmt den letzten Jahresabschluss und erstellt für das laufende und das folgende Ge-

202

II. Ertragsplanung

schäftsjahr eine Unternehmensplanung. Nach dem Überschreiben der gebuchten Planwerte erhält der Planer damit eine Bilanz zum Stichtag des Planungsbeginns. Alternativ kann die künftige Basisbilanz sachgerecht abgeschätzt werden, indem aus der aktuellen BWA (diese muss dann aber belastbar sein und unter betriebswirtschaftlichen Grundsätzen erstellt sein) und der kurzfristigen Zukunftsprognose die Werte abgeleitet werden. Wir halten dieses Vorgehen für vertretbar, zumal jede Planung und z. B. auch jede Unternehmensbewertung eine sachgerechte Abschätzung der Zukunft darstellt. Außerdem enthält jede Basisbilanz auch Annahmen bzw. sachgerechte Schätzungen, z. B. die Höhe der Rückstellungen oder die Bewertung des Umlaufvermögens. Daher kann dieses Vorgehen auch für die Unternehmensplanung angewandt werden. Nach dem Erstellen der Basisbilanz müssen Annahmen darüber getroffen 854 werden, wie diese Basisbilanz aufzulösen ist. Fehlerhaft wäre es, die Basisbilanz unverändert zu lassen und dauerhaft zu perpetuieren. Dazu müssen Annahmen über den Liquiditätsab- bzw. -zufluss aus den Rückstellungen und Debitorenund Kreditorenlaufzeiten getroffen werden. Die Forderungen sind mit ihren wahren Werten anzusetzen. Die Vergangenheitsanalyse (ggf. i. V. m. der Maßnahmenplanung) ist dafür wesentliche Entscheidungsgrundlage. Besonders kritisch ist dies, wenn z. B. für einen Passivprozess eine Rückstellung gebildet wird. Hier ist – mit allen Schwierigkeiten – nach Rücksprache mit dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt darüber sachgerecht zu entscheiden, wann welches Ergebnis mit welcher zu erwartenden Entscheidung ergehen wird. II. Ertragsplanung In der Ertragsplanung sind die künftigen Erträge und Aufwendungen zu er- 855 fassen. Zur Evaluierung der Absätze existieren viele Methoden. Unseres Erachtens ist ein gesunder Menschenverstand und die erforderliche Kenntnis von den (künftigen) Marktgegebenheiten und der Leistung des Unternehmens viel wichtiger als eine „Methode“. Die sicherlich herausragende Teil-Planung ist die Absatzplanung. Gerade in 856 der Krise ist es besonders schwierig, die voraussichtlichen Absatzzahlen zu prognostizieren. Nach Ehrmann, Unternehmensplanung, S. 319 f.

muss der Absatzplan folgende Fragen beantworten: x

Welche Produkte sollen verkauft werden?

x

In welchem Umfang sollen die Produkte verkauft werden?

x

An wen sollen die Produkte verkauft werden?

x

Wann sollen die Produkte verkauft werden?

x

Wo sollen die Produkte verkauft werden?

203

L. Erstellen der Planungsrechnung

x

Zu welchem Preis sollen die Produkte verkauft werden?

x

Mit welchem Ergebnis sollen die Produkte verkauft werden?

857 Die Beantwortung der Fragen fußt auf der strategischen Umweltanalyse, der voraussichtlichen Entwicklung des Marktes und der Feststellung der strategischen Stellung des Unternehmens zum Gesamtmarkt (SWOT Analyse und Porters Five Forces), siehe Rn. 401 ff., 431. 858 Bei Unternehmen mit kleinen Produktsortimenten (z. B. Autohaus) kann die Planung in ein Mengen und ein Wertegerüst unterteilt werden (Absatzmenge * Absatzpreis). Bei größeren Sortimenten kann dies auf Produktgruppenebenen erfolgen. Wir halten eine solche Unterteilung aber nicht für zwingend. 859 Insbesondere bei ambitionierten Plänen müssen die Absatzplanungen mit den Kapazitätsplanungen verprobt werden. Ferner spielt die Analyse der PricingPower eine herausragende Rolle in der Unternehmensplanung. Soweit die Unternehmen in der Vergangenheit keine ausreichenden Preise am Markt durchsetzen konnten, ist zu hinterfragen, weshalb dies in der Zukunft anders sein soll. 860 Bei den Marketing- und Vertriebsmaßnahmen wird zur Darstellung üblicherweise auf die 4 Ps zurückgegriffen. Bei diesen handelt es sich um x

Product/Produkt,

x

Place/Distribution oder Verkaufsplatz,

x

Promotion/Werbung und Vertrieb und

x

Price/Preis.

861 Das heißt, die Maßnahmenplanung richtet sich danach aus, ob und in welchem Umfang in das Produkt eingegriffen bzw. das Produkt verändert wird, der Absatzmarkt bzw. die Bezugsquellenstandorte oder die Distributionskette verändert wird, wie die Werbung und Verkaufsförderung angepasst wird und zum Schluss welche Auswirkungen die geplanten Maßnahmen auf den angebotenen Produktpreis haben. 862 Gerade hier wird besonders auffällig, dass eine derartige Maßnahmenplanung und die Auswirkung der Maßnahme auf die Planungsrechnung erheblichen subjektiven Wertungen und Würdigungen unterworfen ist. Als bekanntes wie plakatives Beispiel kann die Einführung des iPhones durch Steve Jobs genannt werden. Steve Ballmer, damals Microsoft-Chef, machte sich öffentlich über das Smartphone lustig. Nur fünf Jahre später erzielte Apple mit dem iPhone mehr Umsatz als der gesamte Microsoft-Konzern. 863 Weiter ist zu berücksichtigen, dass Maßnahmen auch wechselbezüglich sind. Als einfaches Beispiel kann die Preissenkung genannt werden. Mit der Preissenkung geht üblicherweise die Annahme einher, eine größere Absatzmenge zu erreichen. Diese Maßnahme hat wiederum zum einen Einfluss auf die Produktionskosten und die erforderlichen Produktionskapazitäten und zum ande-

204

II. Ertragsplanung

ren aber auch auf die eigenen Warenbezugspreise (Skaleneffekte). Aber Unternehmen sind nicht nur nach innen kybernetische Systeme. Dies gilt uneingeschränkt auch für die Marktgegebenheiten, insbesondere für den Wettbewerb. Sehr gut zu betrachten ist dies bei den Preisschlachten der Discounter. Wer durch Preissenkungen Marktanteile gewinnen will, muss einkalkulieren, dass die Wettbewerber „nachziehen“ könnten. Ein geringerer Preis muss auch über die Werbung kommuniziert werden. Dabei ist abzuschätzen, mit welchem Werbebudget wie viel potenzielle Kunden mit welchem Erfolg erreicht werden können. Besonders wichtig ist es daher, mit den Mitarbeitern im Vertrieb „unter vier 864 Augen“ zu sprechen. Sollte der Vertrieb allein in den Händen des Unternehmers liegen, können strategische Kunden, z. B. auch online befragt werden. Die geplanten Absätze sind mit der Maximalauslastung (Kapazitätsplanung) zu verproben. Die Abbildung der Ertrags- und die Liquiditätsplanung muss für das laufende 865 und für das kommende Jahr sogar auf Monatsebene erfolgen, um die drohende Zahlungsunfähigkeit auszuschließen. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass es aufgrund unterjähriger Schwankungen (Saisonverlauf) zu Liquiditätsspitzen und/oder -engpässen kommen kann. Die Gründe hierfür sind vielfältig, u. a.: x

Saisonale Absatzschwankungen,

x

Projektgeschäft,

x

Wareneinkauf auf Vorrat, wenn die Waren nur saisonal verfügbar sind (z. B. Brauereien) etc.

Durch die monatliche Abbildung wird deutlich, wann es im Prognosezeitraum 866 wahrscheinlich zu Liquiditätsengpässen kommen wird. Im Gutachten muss ersichtlich sein, wie diese Spitzen abgedeckt sind bzw. dass diese Spitzen sich innerhalb bestehender Kreditlinien (Betriebsmittelkreditlinie) bewegen. Die in der Unternehmensplanung abgebildeten Zahlen müssen im Abgleich mit 867 der Vergangenheit, den getroffenen Maßnahmen zur Situationsverbesserung und im Vergleich zur Branche schlüssig sein. Deshalb sind Kennzahlenvergleiche sinnvoll; sie liefern wichtige Anhaltspunkte für Fragestellungen und Plausibilitätserwägungen. Szenarien Weiter sollte die Abbildung der Zahlen in Szenarien erfolgen. In der Praxis 868 werden oft drei Szenerien gebildet: Ein Real-Case-Szenario, ein Best-CaseSzenario und ein Worst-Case-Szenario. Eine Planung ist immer mit Unsicherheiten behaftet. Durch die Abbildung mehrerer Szenarien kann eine bessere Einschätzung über die Schwankungsbreiten erreicht werden. Allerdings ist es in besonderem Maße schwierig, Kriterien für die Szenario- 869 bildung zu entwickeln. Die Grenze zur Willkür ist fließend.

205

L. Erstellen der Planungsrechnung Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2298 f.

870 Dennoch ist es besser, mit einer Szenarioplanung zu arbeiten, als eine einwertige Planung zugrunde zu legen. Sensitivitätsanalyse 871 Im Rahmen der Plausibilisierung ermitteln wir die „erfolgskritischen Faktoren“ (Bsp.: Umsatz, Wareneinsatz bei volatilen Rohstoffbezugspreisen etc.) und überprüfen, wie sich die Veränderung der Faktoren auf die Planung auswirkt. Hierbei ist vor allen Dingen Augenmerk auf die sog. KPIs (Key Predictive Indicators) zu legen. Das sind die Indikatoren aufgrund derer auf eine Entwicklung in der Zukunft geschlossen werden kann. 872 Der Materialaufwand stellt neben dem Personalaufwand die in der Regel bedeutendste Aufwandsposition dar und ist daher mit großer Sorgfalt zu planen. In der Regel wird der Materialaufwand relativ zum Absatz geplant. Es handelt sich um variable Kosten. Sinnvollerweise wird der Aufwand in Relation zur Absatzmenge und nicht zum Umsatz gesetzt, es sei denn die an die Kunden fakturierten Preise und die Einkaufspreise bleiben konstant. Sofern in der Unternehmensplanung Verbesserungen der Materialaufwandsquote enthalten sind, müssen die Gründe für diese hinterfragt und plausibilisiert werden. 873 Die Personalkosten sind aufgrund der erwarteten Lohnkostensteigerung in der Branche zu schätzen. Sollte eine Reduktion bzw. eine geringere Steigerung als die der Branche zugrunde gelegt werden, sind die begründenden Maßnahmen zu hinterfragen und zu plausibilisieren. Nicht unüblich ist es, die Personalkosten in Fixkosten für die Gehälter und in Produktivlöhne zu unterteilen und die Fixkosten über eine Steigerung zu planen, die Entwicklung der Produktivlöhne aber in % der Gesamtleistung bzw. der Umsatzerlöse abzuschätzen. Als Plausibilisierung dient die „Personalkapazität“: Können die Absatzmengen mit diesem geplanten Personalbestand realisiert werden? 874 Sodann sind die Fixkosten mit ihren anzunehmenden Steigerungsraten bzw. geplanten Reduktionen zu planen. 875 Wir halten es für erforderlich, die Ergebnisse auch in ihrer steuerlichen Auswirkung zu planen, um die voraussichtliche Steuerbelastung abbilden zu können. Dazu gehören insbesondere auch Steuern auf Einmaleffekte, wie z. B. auf Buchgewinne aus Anlagenabgängen. Dasselbe gilt für die Nutzung etwaiger steuerlicher Verlustvorträge. Diese sind mit den Maßnahmen in Einklang zu bringen. Verlangen z. B. die Banken die Aufnahme eines Investors als Eigenkapitalgeber ist zu überprüfen und planerisch zu erfassen, welche Auswirkung dies auf einen bestehenden Verlustvortrag hat, §§ 8c KStG, 10a GewStG. 876 Die Planung der Positionen kann zeitlich verschiedene Auswirkungen in der Gewinn- und Verlustrechnung, der Bilanz und der Liquidität haben. Aus diesem Grund bietet es sich an, alle geplanten Veränderungen, insbesondere die be-

206

II. Ertragsplanung

schlossenen Sanierungsmaßnahmen tabellarisch in ihrer Wirkungsweise abzubilden: Maßnahme

Zeitpunkt GuV-Wirkung

Zeitpunkt Bilanzwirkung

KK-Erhöhung



Sofort

Sale and Lease Back

Sofort Erlös Künftig Sofort Mietaufwand Anlagenabgang

Sofort Cash Künftig Mietzahlung

Reduktion Lagerbestand

Erst mit Verkaufsvorgang

Erst mit Zahlungseingang

Schrittweise

Zeitpunkt Liquiditätswirkung sofort

usw.

Ferner ist aufbauend auf der Unternehmensanalyse nochmals zu überprüfen, 877 ob die Informationen aus dem Risikomanagement in die Unternehmensplanung sachgerecht eingearbeitet wurden. Soweit dies im Rahmen einer Monte-Carlo-Simulation erfolgt, sollte zwischen 878 den ordentlichen Planungsschwankungen und den zu erwartenden Ereignissen aus der Risikoanalyse unterschieden werden. Der wesentliche Unterschied bei der Planung eines Krisenunternehmens bzw. 879 insolventen Unternehmens ist aber die Abbildung etwaiger direkter und indirekter Insolvenzkosten. 1. Direkte Insolvenzkosten Sieht die Planung die Sanierung im Insolvenzverfahren vor, so sind die direkten 880 Insolvenzkosten in ihren betragsmäßigen Auswirkungen und in ihrem zeitlichen Anfall zu erfassen. Hierzu zählen: x

Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren

x

Kosten des Insolvenzverwalter/Sachwalters

x

Kosten des Gläubigerausschusses

x

Gutachterkosten

x

Kosten für die Insolvenzeröffnungsbilanz

x

Beratungskosten

Diese Kosten lassen sich, weil größtenteils normiert, relativ gut abschätzen. Aus 881 Transparenzgründen sind diese, weil aperiodisch, in dem außerordentlichen Aufwand zu planen, damit das nachhaltige wirtschaftliche Ergebnis des Unternehmens sichtbar bleibt. Zabel, in: Kübler, HRI, § 27 Rn. 102.

207

L. Erstellen der Planungsrechnung

2. Indirekte Insolvenzkosten 882 Schwieriger zu greifen, vor allem aber bedeutsamer sind die indirekten Insolvenzkosten. Dazu zählt man die Veränderungen aufgrund des Verlusts von x

Kunden,

x

Lieferanten und vor allem

x

von Schlüssel-Mitarbeitern.

883 Aus der Unternehmensbewertung von KMU kennt man diese Besonderheiten und beschreibt diese unter dem Stichwort der „übertragbaren Ertragskraft“. Vgl. Hinweise der Bundessteuerberaterkammer zu den Besonderheiten bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts kleiner und mittelgroßer Unternehmen (beschlossen vom Präsidium der Bundessteuerberaterkammer am 13.3.2014); vorbereitet von der Arbeitsgruppe „Bewertung von KMU“ in Zusammenarbeit mit einer gleichnamigen Arbeitsgruppe aus dem IDW.

884 Die Hinweise sind gleichlautend mit dem IDW-Praxishinweis 1/2014. IDW Fachnachrichten, Heft 4/2014, 282 ff.; Nickert/Kühne, NWB 2014, 2021.

885 Wir können keinen allgemeingültigen Algorithmus zur Abschätzung dieser Kosten geben. Ausgangsbasis für die Schätzung geben die Mitarbeiter- und Kundenfluktuationsquoten in der Vergangenheit (sog. Churn-Rate). Sofern das Unternehmen für größere Unternehmen als Lieferant tätig ist, ist zu beachten, dass in Krisenunternehmen ein Risikomanagement-Prozess abläuft, der die Aufrechterhaltung der Supply Chain sicherstellen soll. Schließlich ist die Unterbrechung der Betriebs- oder Lieferkette das Top Risiko weltweit. Allianz Risk Barometer 2015, abrufbar unter http://www.agcs.allianz.com/assets/PDFs/Reports/Allianz-RiskBarometer-2015_DE.pdf.

886 Das heißt, hier werden regelmäßig Ersatzlieferanten aufgebaut, was zu Umsatzeinbrüchen führt. 887 Bezüglich der Kunden- und Mitarbeiterfluktuation können keine allgemeinen Werte ermittelt werden. Insoweit ist diese Fluktuation zu schätzen. Davor sollte der Planer keine Angst haben, denn die Alternative, keinerlei Fluktuation zu unterstellen, dürfte viel weniger einer sachgerechten Prognose entsprechen. Auch hier gilt der Grundsatz: Das Bessere ist des Guten Feind. 888 Bei der Abschätzung der indirekten Insolvenzkosten ist also Erfahrung und Intuition gefragt. Allgemein geht man davon aus, dass die indirekten Kosten die direkten Insolvenzkosten deutlich übersteigen. Aus den USA sind einige Studien zu den Insolvenzkosten bekannt. 889 LoPucki/Doherty haben in einer Studie im Jahr 2004 48 private Großunternehmen im Chapter 11 Verfahren untersucht. Die direkten Insolvenzkosten

208

II. Ertragsplanung

entsprachen 1,4 % der Aktiva. Maßgeblich war aber die Anzahl der Beteiligten, die Anzahl der Tage und die Unternehmensgröße. LoPucki/Doherty, Journal of Empirical Legal Studies, 2004, 111 ff.

Insbesondere haben die Autoren eine positive Korrelation zwischen Länge/ 890 Kosten ermittelt. Bei der doppelten Länge des Verfahrens haben sich die Kosten um 57 % erhöht. Weiss hat in einer Studie folgende direkten Kosten ermittelt: Im Mittelwert: 891 20,6 % des Marktwertes des Eigenkapitals. Weiss, Journal of Financial Economics, 1990, 285.

Ang/Chua/McConnell fanden in einer Studie aus dem Jahr 1982 heraus, dass 892 Unternehmen die liquidiert wurden, 7,5 % des Liquiditationswertes als direkte Kosten verursachten. Ang/Chua/McConnell, JoF 1982, 219

Bris/Welch/Zhu haben in einer Studie den Unterscheidet zwischen Chapter 7 893 and Chapter 11 ermittelt, was in etwa der Eigenverwaltung gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren entspricht. Bris/Welch/Zhu, JoF 2006, 1253,

894

Sie ermittelten direkte Kosten (Mittelwert): Absolut (Relativ) x

Chapter 7: 21.417$ (8,15 %);

x

Chapter 11: 166.627$ (16,95 %).

Insbesondere für die planerische Abbildung der verschiedenen gerichtlichen 895 Sanierungsvarianten und die Abbildung eines etwaigen „Nachteils der Eigenverwaltung für die Gläubiger“ dürfte dies zumindest als Schätzer heranzuziehen sein. Insoweit kann diese Studie als „Schätzer“ für die anzustellende Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen sein. Es ist nämlich anerkannt, dass die Nutzung der Kenntnisse, Erfahrungen und des Vertrauens des Schuldners bei der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen sind. Neußner in: Kübler, HRI, § 10 Rn. 47.

Mit der Eigenverwaltung geht aber gerade ein stark positives Signal an den 896 Markt und an die Mitarbeiter, dass das Vertrauen in das Unternehmen und in das Management auch in der schwierigen Phase des Insolvenzverfahrens fortbesteht. Und eben dies ist auch in der Planung ggf. über Schätzungen abzubilden. Wichtig ist es darüber hinaus, mit den Mitarbeitern vertraulich ins Gespräch 897 zu kommen und ein Gefühl für die Situation zu erlangen. Es ist aber auch darauf hinzuweisen, dass es „negative“ Kosten gibt, die wir schon zahlreich erlebt haben. Die Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter stehen zum Unternehmen und begleiten es in der Sanierung („Jetzt erst recht!“). Um diese Auswirkungen zu greifen, ist es für den Planer enorm wichtig, Kontakt zu

209

L. Erstellen der Planungsrechnung

diesen Gruppen zu suchen und sich ein persönliches Bild zu verschaffen. Diese Kosten würden wir nicht durch eine „Expertenbefragung“ im Unternehmen erheben, da die Mitarbeiter dort i. d. R. keine Erfahrung mit solchen Situationen haben. 898 Checkliste im Planungsfall Nachfolgend bieten wir eine Grunddokumentation an, die wir als Checkliste im Planungsfall verstehen wollen. Da die Planung ein Maßanzug ist, muss diese Checkliste nach erfolgter Unternehmensanalyse auf den einzelnen Fall angepasst werden. Bei der nachfolgenden Checkliste handelt es sich um unsere interne Checkliste zum Erstellen der Planung mit dem Programm der DATEV eG „Unternehmensplanung“. Infos zur Unternehmensplanung 1. KN Ertrags- und Aufwandsplanung erstellen Prozessverantwortung:

Information (Info)

Prozess angelegt:

15.11.2007, 80 – Nickert

Letzte Änderung:

21.10.2013, 80 – Nickert

Ziel/Nutzen

Die Ertrags- und Aufwandsplanung wird für die Erstellung der Plan-GuV benötigt.

1 Umsatzplanung durchführen Detailinformation

Mit die entscheidende Größe des Zukunftserfolgswerts ist der Umsatz. Ohne Umsatz kein Gewinn. Der Umsatz kann anhand verschiedener Verfahren prognostiziert werden: 1. Delphi Methode 2. Szenario Technik 3. Netzplantechnik 4. Nutzwertanalyse 5. Zeitreihenanalyse 6. Freihand (Schätzung) 7. gleitender Durchschnitt 8. Trendextrapolation 9. exponentielle Glättung 10. Regressionsanalyse 11. Operations Research Details finden sich in Ehrmann, Unternehmensplanung, S. 91 ff.

Ziel/Nutzen

Die Umsatzplanung dient der Ermittlung der Erträge sowie in Kombination mit den Annahmen über das Zahlungsverhalten der Kunden der Berechnung des zeitlichen Anfalls der Einzahlungen.

210

II. Ertragsplanung 2 Bestandsveränderungen ermitteln Detailinformation

Vor allem die Bestandsveränderungen des Working Capital beeinflussen die Liquidität maßgeblich.

Ziel/Nutzen

Im Gesamtkostenverfahren sind die Bestandsveränderungen zu erfassen, um zu der Größe „Gesamtleistung“ zu kommen.

3 Sonstige betriebliche Erträge planen 3.1

sonstige betriebliche Erträge berücksichtigen

Auch die sonstigen betrieblichen Erträge sind, soweit absehbar, in der Planung zu berücksichtigen.

4 Materialaufwandsplanung durchführen Ziel/Nutzen

Der Materialaufwand stellt neben dem Personalaufwand die in der Regel bedeutendste Aufwandsposition dar und ist daher mit großer Sorgfalt zu planen. Wir planen den Materialaufwand in % zur Absatzmenge (nicht Umsatz). Sofern in der Unternehmensplanung Verbesserungen der Materialaufwandsquote enthalten sind, müssen die Gründe für diese hinterfragt werden.

5 Personalaufwandsplanung durchführen Ziel/Nutzen

Die Personalaufwendungen stellen insbesondere im Dienstleistungsbereich die mit Abstand größte Aufwandsposition dar.

5.1

Die Planung sollte trennen zwischen Gehältern (fix) und Produktivlöhnen (mittelfristig variabel). Neben der Entwicklung des Personalbestands ist die Veränderung der Lohnkosten zu berücksichtigen.

Personalbestand und Lohnkosten berücksichtigen

6 Sonstige betriebliche Aufwendungen prognostizieren Ziel/Nutzen

Bei den sonstigen betrieblichen Aufwendungen handelt es sich um eine Sammelposition verschiedener Kostenarten.

6.1

Aufwendungen im Detail planen

Die sonstigen betrieblichen Aufwendungen sollten bei größeren Unternehmen im Detail und nicht als Sammelposition geplant werden.

6.2

Versicherungen etc.

Vorgehen, wenn jährliche Vorauszahlungen geleistet werden. Es wird über ein 2. Detailobjekt erarbeitet, mit Hilfe dessen die Liquditätslage dargestellt wird.

211

L. Erstellen der Planungsrechnung ERSTES OBJEKT: „Zahlungswirkung“ erreichen: Erfolgswirkung z. B. im Januar 3.000,– € Zahlungswirkung z. B. 100 % sofort ZWEITES OBJEKT: „Erfolgswirkung“ erreichen: Erfolgswirkung z. B. im Januar 2.750,– € (negativ erfassen!), Februar – Dezember 250,– € (positiv erfassen); Zahlungswirkung: Besonderer Zahlungsverlauf, Sofortzahlung 0,00 % erfassen (also KEINE Zahlungswirkung). 7 Ertrag/Aufwand aus Auflösung/Zuführung SoPo prognostizieren Ziel/Nutzen

Bei einigen Unternehmen wurden bzw. werden Sonderposten mit Rücklageanteil gebildet/aufgelöst.

7.1

Der Ertrag/Aufwand aus der Auflösung/Zuführung eines Sonderpostens mit Rücklageanteil ist bei der Erstellung der PlanGuV und PlanBilanz zu berücksichtigen. Die steuerlichen Konsequenzen sind zu berücksichtigen.

Ertrag/Aufwand aus SoPo berücksichtigen

2. KN sonstige Planung Prozessverantwortung:

Information (Info)

Prozess angelegt:

15.11.2007, 80 – Nickert

Letzte Änderung:

7.5.2013, 80 – Nickert

Ziel/Nutzen

Die Entwicklung des Working Capital hat maßgeblichen Einfluss auf die Liquiditätsplanung.

1 Entwicklung der Vorräte ermitteln Ziel/Nutzen

Die Entwicklung der Vorräte ist zu planen, da diese den Umfang der Finanzierung beeinflussen. Insbesondere bei Wachstum muss überprüft werden, ob die Vorräte anzupassen sind.

1.1

Die Entwicklung der Vorräte ist im Einklang mit der Umsatz- und Materialaufwandsentwicklung sowie der durchschnittlichen Lagerdauer zu planen.

212

Entwicklung der Vorräte planen

II. Ertragsplanung 2 Entwicklung der Forderungen ermitteln Ziel/Nutzen

Der Bestand der Forderungen in der PlanBilanz hängt maßgeblich vom Zahlungsverhalten der Kunden ab. Aufschluss ergibt die Analyse der Debitorenumschlagsdauer und der betriebsinternen Prozesse des Mahnwesens.

2.1

Die Entwicklung der Forderungen ist im Einklang mit der Umsatzplanung zu planen.

Entwicklung der Forderungen planen

3 Entwicklung der Lieferantenverbindlichkeiten ermitteln Ziel/Nutzen

Der Bestand der Lieferantenverbindlichkeiten in der Plan-Bilanz hängt maßgeblich von den Zahlungs- und Verkaufsbedingungen der Lieferanten ab.

3.1

Die Entwicklung der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen ist im Einklang mit der Materialaufwandsplanung zu planen.

Entwicklung Verbindlichkeiten planen

4 Entwicklung der geleisteten/erhaltenen Anzahlung ermitteln Ziel/Nutzen

Insbesondere im Projektgeschäft bzw. der Auftragsfertigung hat die Entwicklung der geleisteten und erhaltenen Anzahlungen maßgeblichen Einfluss auf den Liquiditätsbedarf.

4.1

Die Entwicklung der geleisteten/ erhaltenen Anzahlungen ist aus der Vergangenheit, den betrieblichen Übungen oder den jeweiligen allgemeinen Geschäftsbedingungen abzuleiten. Dabei ist von besonderer Bedeutung, ob erhaltene Anzahlungen durch Bürgschaften abzusichern sind.

Entwicklung ableiten

5 Mindestkassenbestand erfassen Ziel/Nutzen

Die Erfassung des Mindestkassenbestands ist für die Ermittlung des Liquiditätsbedarfs und somit des Zinsaufwands erforderlich.

6 Investitionsplanung 6.1

Investitionsbedarf ermitteln

Die Ermittlung des Investitionsbedarfs garantiert, dass nur die erforderlichen Investitionen getätigt werden und gleichzeitig alle erforderlichen Investitionen im Investitionsplan enthalten sind.

213

L. Erstellen der Planungsrechnung Der Investitionsbedarf ist mit der Umsatzplanung abzustimmen – Sind die Umsätze mit den geplanten Investitionen realistischerweise zu erzielen? 6.2

anstehende Investitionen nach Priorität ordnen

Die Priorisierung dient dazu, bei begrenzter Liquidität zu gewährleisten, dass die Investitionen mit der höchsten Dringlichkeit getätigt werden.

6.3

Zeitplan für Investitionen entwickeln

Der Zeitplan der Investitionen bestimmt maßgeblich die zu erwartenden Auszahlungen, die wiederum den Finanzierungsbedarf bestimmen.

6.3.1

Unterschiede berücksichtigen Es ist zu berücksichtigen, dass zwischen dem Zeitpunkt der Investitionsentscheidung, Auftragsvergabe, Auftragsfertigstellung, Abnahme sowie Fälligkeit der Rechnungen zu unterscheiden ist.

6.4

Investitionshöhe ermitteln

6.4.1

Gesamtinvestitionen ermitteln

Aus dem nach Einzelmaßnahmen gegliederten Zeitplan können die in jeder Periode fälligen Gesamtinvestitionen ermittelt werden.

7 Abschreibungsbasis ermitteln Ziel/Nutzen

Bevor die Abschreibungen ermittelt werden können, muss die Abschreibungsbasis berechnet werden.

8 Abschreibungsmethode ermitteln Ziel/Nutzen

Zur Berechnung der Abschreibungen ist neben der Abschreibungsbasis die Abschreibungsmethode zu bestimmen.

8.1

Abschreibungsmethode ermitteln

Es ist zu klären, ob nach Verbrauch, degressiv oder linear abgeschrieben wird.

8.2

ggf. Festwert bilden

Gegebenenfalls kann sich die Bildung eines Festwerts empfehlen.

9 Abschreibungsdauer ermitteln 9.1

214

Abschreibungsdauer ermitteln

Als drittes Kriterium ist eine Annahme über die Nutzungsdauer zu treffen. Dabei können die amtlichen AfA-Tabellen zugrunde gelegt werden.

II. Ertragsplanung 10 Veränderung Rückstellungen 10.1

Zuführung/Auflösung Pensionsrückstellung ermitteln

Die Pensionsrückstellungen erreichen gerade bei deutschen Unternehmen häufig einen sehr hohen Stand. Dabei ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der Veränderung der Sterblichkeit die Rückstellungen eher unterdotiert sind.

10.1.1

Entwicklung Pensionsrückstellungen planen

Die Entwicklung der Pensionsrückstellungen ist im Einklang mit der Personalstruktur und -entwicklung zu planen.

10.2

Zuführung/Auflösung Steuerrückstellungen ermitteln

10.2.1

Zuführung und Auflösung planen

10.3

Zuführung/Auflösung sonstige Rückstellungen ermitteln

10.3.1

sonstige Rückstellungen

Die Zuführung und Auflösung der Steuerrückstellungen ist unter Berücksichtigung der geplanten Steuervorauszahlungen zu planen.

Die sonstigen Rückstellungen beinhalten v. a. Garantierückstellungen, Rückstellungen für Instandhaltung sowie für die Jahresabschlusserstellung und evtl. Rechtsstreitigkeiten.

11 Steuerplanung 11.1

Vorauszahlungen planen

11.2

Vorjahreszahlungen heranziehen

11.3

Nachzahlungen/Erstattungen planen

11.4

Nachzahlungen/Erstattungen Aus der Steuerschuld des laufenden berechnen Jahres und den Vorauszahlungen sind die Steuerrückstellungen/ -forderungen für die Plan-Bilanz des laufenden Jahres sowie die Nachzahlungen/Erstattungen für die Liquiditätsplanung des folgenden Jahres zu berechnen.

Im Rahmen der Planung wird üblicherweise vereinfachend angenommen, dass die Vorauszahlungen in Höhe der Steuerschuld des Vorjahres geleistet werden, auch wenn diese häufig noch nicht bekannt ist.

215

L. Erstellen der Planungsrechnung 11.5

Sonderfälle berücksichtigen

Steuerliche Sonderfälle, wie • die Bildung von § 7 g Rücklagen (IAB), • Auflösung von Rücklagen (IAB), • § 6b EStG, sind mit ihren Wirkungen einzuplanen.

12 Finanzergebnis und Kapitalveränderungen planen 12.1

Beteiligungserträge und -aufwand prognostizieren

12.1.1

Erträge/Aufwendungen prog- Beim Beteiligungsergebnis sind sämtliche Erträge aus Beteiligungen nostizieren zu erfassen, unabhängig von der Höhe der Beteiligung. Im Rahmen von Verlustübernahmeverpflichtungen können sich hohe Beteiligungsaufwendungen ergeben.

12.2

Zinserträge und -aufwand prognostizieren

12.2.1

Zinszahlungen berücksichtigen Es sind nur die Zinszahlungen aus bestehenden Forderungen/Verbindlichkeiten zu berücksichtigen. Da die Deckung des verbleibenden Finanzierungsbedarfs zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststeht, können die leistenden Zahlungen zwangsläufig noch nicht erfassen werden. Die Zinserträge und der Zinsaufwand ergeben sich nach Abschluss der Planung mittelbar aus dem Finanzbedarf sowie den Finanzierungskonditionen. Das Ergebnis wird wesentlich durch die Veränderung des Working Capital geprägt.

12.3

EK-erhöhungen bzw. Einlagen erfassen

12.3.1

Kapitalerhöhungen bzw. Einlagen planen

216

Beteiligungserträge mindern den Finanzierungsbedarf, Beteiligungsaufwendungen erhöhen ihn.

Bei Kapitalgesellschaften sind die geplanten Kapitalerhöhungen und bei Personengesellschaften die Einlagen zu planen, da diese den verbleibenden Kapitalbedarf bestimmen.

II. Ertragsplanung 12.4

geplante Emission von Anleihen erfassen

Anleihenemissionen können ein günstiges Finanzierungsinstrument darstellen und bedingen eine Minderung des laufenden Finanzierungsbedarfs.

12.4.1

geplante Emissionen erfassen

Bei größeren Unternehmen (i. d. R. ab 10 Millionen € Umsatz) ist zu prüfen, ob Anleihenemissionen (Genussrechte etc.) geplant sind. In die Planung sind die diesem Fall nicht nur die Einzahlungen, sondern auch die Zins- und Tilgungszahlungen zu integrieren.

12.5

geplante Ausschüttungen/ Entnahmen erfassen

Bei Kapitalgesellschaften sind die geplanten Ausschüttungen und bei Personengesellschaften die geplanten Entnahmen zu berücksichtigen, da sich um diese der Kapitalbedarf erhöht. Ausschüttungsprämissen bzw. Thesaurierungsprämissen können sich auch aus dem Gesellschaftsrecht bzw. aus der Satzung ergeben.

12.6

Tilgungsverpflichtungen erfassen

Die Tilgungsverpflichtungen aus Altverbindlichkeiten und aus dem im Rahmen der Planung neu aufgenommenen Fremdkapital sind in die Liquiditätsplanung zu integrieren, um den neuen Gesamtfinanzbedarf zu ermitteln.

12.7

Sonderfälle berücksichtigen

Zu berücksichtigen sind auch Liquiditätszu- oder -abflüsse aus Ergebnisabführungsvereinbarungen, Bürgschaften oder Patronatserklärungen.

3. KN Besonderheiten Krise und Insolvenz Prozessverantwortung:

Betriebswirt (BWL)

Prozess angelegt:

1.7.2014, 80 – Nickert

Letzte Änderung:

B1.8.2015, 80 – Nickert

1 Besonderheiten bei der Planung von Krisenunternehmen (Info) Detailinformation

Die Krise löst (aperiodische) Sonderkosten aus: • Beratungskosten • direkte Insolvenzkosten und • indirekte Insolvenzkosten (schon vor eigentlichem Insolvenzverfahren)

217

L. Erstellen der Planungsrechnung 2 direkte Insolvenzkosten 2.1

berechnen oder schätzen

Berechnen: • Gerichtskosten (nach Masse) • Kosten (vorläufiger) Insolvenzverwalter/(vorläufiger) Sachwalter • Gläubigerausschuss beides mit Software. Vergütungsrelevante Masse wird von BT oder von NN geschätzt. Hinzu kommen • Beratungskosten inkl. Steuerberater (Sonderkosten) • Gutachter für Bewertung • ggf. sonstige Berater

3 indirekte Insolvenzkosten Detailinformation

Falls keine Informationen vorhanden sind, müssen die indirekten Kosten geschätzt werden. Faustformel: 5 – 10 % der Gesamtleistung.

3.1

Kundenfluktuation

• Wie wirkt sich die Krise/ Insolvenz auf die Kunden aus? • Drohen die Kunden, Ersatzlieferanten aufzubauen? • Verlieren Kunden Sicherheit in Gewährleistungsansprüchen, was zu Absatzproblemen führen kann? • Welche Signale konnten bislang ermittelt werden?

3.2

Lieferantenfluktuation

• Wie wirkt sich die Krise/ Insolvenz auf die Lieferanten aus? • Sind sie bereit weiter zu beliefern? • Verlangen sie Vorauskasse? • Wie ist das Rating bei den Warenkreditversicherern? • Welche Signale konnten bislang ermittelt werden?

3.3

Mitarbeiterfluktuation

• Wie wirkt sich die Krise/ Insolvenz auf die Mitarbeiter aus? • Gibt es Schlüsselmitarbeiter? Haben diese alternative Beschäftigungsmöglichkeiten?

218

III. Bilanzplanung • Wie ist allgemein die Mitarbeitermotivation und die Loyalität zum Unternehmen/Management? • Welche Signale konnten bislang ermittelt werden? Was sind die Bestandteile der Kosten? • Kosten des scheidenden Mitarbeiters • Kosten der Neubesetzung • Einschulungs-/Einarbeitungskosten • Doppelbelastungskosten Es existieren Studien, die die Kosten zwischen 3 und 36 Monatsgehältern pro Mitarbeiter ermittelten.

III. Bilanzplanung Die Bilanzplanung ist erforderlich, um nicht ertragswirksame Veränderungen 899 abzubilden, sog pagatorische Korrekturen. Erst und nur dadurch lässt sich die Entwicklung der Liquidität darstellen. So sind z. B. Tilgungsleistungen, Darlehensaufnahmen, Entnahmen und Veränderungen im Working Capital nicht ertragswirksam, belasten aber die Liquidität. Gerade bei längerfristigen Fertigungszeiten ist die Working-Capital-Planung und die „Produktionsdauer“ von entscheidender Bedeutung für die Liquidität. Auch muss z. B. bei einem Lieferantenwechsel kalkuliert werden, ob sich an der Bezugsdauer oder an den Losgrößen etwas ändert und in der Folge die Ware früher oder später bezahlt werden muss. Bezüglich des Forderungseinzugs und der Forderungsverluste ist auf die tat- 900 sächlichen Gegebenheiten abzustellen. D. h. die Analyse der Vergangenheit ist die Ausgangsbasis für die Planungsannahmen, die nur dann verändert werden, wenn entsprechende Maßnahmen geplant sind und diese hinreichend wahrscheinlich sind. 901

Bezüglich der Verbindlichkeiten ist entgegen Zabel Zabel, in: Kübler, HRI, § 27 Rn. 134

auf die rechtlich geschuldeten Zahlungsziele abzustellen. IDW S 11 Tz. 26 f.

Im Zweifelsfall sind die Verbindlichkeiten sofort fällig, § 271 Abs. 1 BGB.

902

BGH, Beschl. v. 23.7.2015 – 3 StR 518/14, ZInsO 2015, 2021; IDW S 11 Tz. 27.

Ein in der Vergangenheit eigenmächtig eingeräumter „Lieferantenkredit“ darf 903 der Planung nicht unterstellt werden, würde er doch die rechtlich entstehende Zahlungsunfähigkeit ggf. verdecken. 219

L. Erstellen der Planungsrechnung

904 Daneben ist die Finanzplanung zu beachten, also die Aufnahme und Tilgung von Krediten und bei Einzelunternehmen bzw. Personengesellschaften auch die Entnahmeplanung der Unternehmer. 905 Außerdem ist eine Bilanzplanung erforderlich, um künftige Kennzahlen ermitteln zu können, an denen das Unternehmen gesteuert oder die Sanierung gesteuert werden kann. IV. Liquiditätsplanung 906 Sofern eine professionelle Software verwendet wird, ergibt sich die Liquidität als logische Konsequenz der Fortentwicklung der Basisbilanz durch die Ertragsund Bilanzplanung. 907 Wichtig sind aber noch Korrekturen, z. B. aus der Umsatzsteuer und aus dem Zahlungsverhalten der Kunden und den Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Lieferanten. 908 Die retrograde Ableitung der Liquidität aus der Bilanz- und Ertragsplanung soll nachfolgende Abbildung veranschaulichen. 909 Soweit die Steuern nicht im Aufwand erfasst werden und folglich bereits über die GuV-Planung bearbeitet sind, müssen diese aus der Steuerplanung als Teilplanung in die Liquiditätsplanung einbezogen werden. Dies ist insbesondere für die Einkommensteuer bei Personengesellschaften von Bedeutung, wenn aufgrund von Sonderbetriebseinnahmen (§ 15 Abs. 1 Satz 2 EStG) trotz negativer Ergebnisse in der Gewinnermittlung der Gesamthand Steuerbelastungen auf die Gesellschafter zukommen, die aus der Gesellschaft entnommen werden müssen. Vornahme der pagatorischen Korrekturen Erträge, die nicht zahlungswirksam sind 1. Minderung von Rückstellungen 2. Auflösung von Rückstellungen 3. Zuschreibungen auf Gegenstände des Anlagevermögens 4. Zunahme an Vorräten 5. Zunahme an Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 6. Abnahme an Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen Aufwände, die nicht zahlungswirksam sind 1. Erhöhung von Rückstellungen 2. Einstellung von Rückstellungen 3. Abschreibungen auf Gegenstände des Anlagevermögens 4. Außerplanm. Abschreibungen auf Gegenstände des AV 5. Abschreibungen auf Gegenstände des Umlaufvermögens 6. Verluste aus dem Abgang von Anlagevermögen 7. Abnahme an Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 8. Zunahme an Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen

220

V. Aufbau der Unternehmensplanung und Planungszyklus Zahlungseingänge, die nicht ertragswirksam sind 1. Darlehensaufnahmen 2. Kapitalerhöhungen 3. Gewinne aus dem Abgang von Anlagevermögen Zahlungsausgänge, die nicht ertragswirksam sind 1. Tilgungen von Darlehen 2. Kapitalherabsetzungen 3. Kauf von Anlagevermögen 4. Verluste aus dem Abgang von Anlagevermögen

V. Aufbau der Unternehmensplanung und Planungszyklus Unseres Erachtens sollte im Jahr des Planungsbeginns und im folgenden Jahr 910 die Planung auf Monatsbasis erfolgen. Eine Planung in kürzeren Intervallen halten wir für verzichtbar, weil sich die kurzfristige Planung (2 – 6 Wochen) unmittelbar aus der Finanzbuchführung ergibt (IDW S 11 Tz. 33), und längerfristig Scheingenauigkeiten erzeugt werden. Es ist schon schwierig genug, die integrierte Planung auf Monatsebene für die nächsten Jahre zu erstellen. Auf Wochenbasis wird dies schlechterdings unmöglich sein. Soweit die Planung mittels einer Monte-Carlo-Simulation erfolgt, halten wir 911 es für vertretbar und auch für sinnvoll, dass die Planung auf Jahresbasis erfolgt. In diesem Fall müssen die unterjährigen Liquiditätsschwankungen in der Vergangenheit analysiert und quantifiziert werden. Anschließend ist zu prognostizieren, wie sich diese Schwankung in der Zukunft verändern wird. Die Schwankungen in der Spitze zuzüglich eines angemessenen Sicherheitspuffers müssen dann in der Planung abgebildet werden. Entscheidender ist aber die Frage nach dem Planungshorizont. Der BGH hat 912 in seinem Urteil vom 5.12.2013 den Planungszeitraum bis zum Fälligwerden der letzten bereits begründeten Verbindlichkeit definiert. BGH, Urt. v. 5.12.2013 – IX ZR 93/11, ZIP 2014, 183 = ZfIR 2014, 162 (LS), dazu EWiR 2014, 391 (Luttmann).

Damit wäre im Falle von Pensionszusagen der Planungshorizont bis zum statis- 913 tischen Ableben des letzten Bezugsberechtigten auszudehnen. Allerdings hat der BGH mit Urteil vom 22.5.2014, BGH, Urt. v. 22.5.2014 – IX ZR 95/13, ZIP 2014, 1289,

die Frage nach dem Planungshorizont ausdrücklich als noch offen bezeichnet.

221

L. Erstellen der Planungsrechnung

914 Wir haben an anderer Stelle unter Bezugnahme auf die Grundsätze zur Unternehmensbewertung ausgeführt, dass wir entgegen der h. M., IDW S 11 Tz. 60; HambKomm-InsO/Schröder, § 18 Rn. 9; Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 217 ff. jeweils m. w. N.,

analog den Grundsätzen zur Unternehmensbewertung, IDW S 1 Tz. 77 f.; Popp, in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 193; Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, Rn. 432; Franken/Schulte, in: Fleischer/Hüttemann, § 5 Rn. 20, alle m. w. N.,

einen Zeitraum von 3 – 5 Jahren im Einzelfall auch länger für ausreichend aber auch erforderlich und umsetzbar halten. Nickert, in: Nickert/Lamberti, Rn. 215 (erscheint in Kürze).

222

M. Plausibilisierung der Planung Eine dem Gutachter vorgelegte Planung des Unternehmens bzw. eine selbst 915 mit den Unternehmern erarbeitete Planung muss in der Regel plausibilisiert werden. Dies verlangen nicht nur die Banken, sondern auch praktisch durchgängig alle Standards. Dabei muss zunächst definiert werden, was unter einer Plausibilisierung zu verstehen ist. „Die Plausibilitätskontrolle, auch Plausibilitätsprüfung oder Plausibilisierung, ist eine Methode, in deren Rahmen ein Wert oder allgemein ein Ergebnis überschlagsmäßig daraufhin überprüft wird, ob es überhaupt plausibel, also annehmbar, einleuchtend und nachvollziehbar sein kann oder nicht“. Wikipedia „Plausibilitätskontrolle“, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Plausibilit%C3 %A4tskontrolle (Abruf am 1.8.2015).

Für die Erstellung von Jahresabschlüssen definiert das IDW S 7 zusammen 916 mit der Bundessteuerberaterkammer wie folgt: „Ein Auftrag zur Erstellung eines Jahresabschlusses mit Plausibilitätsbeurteilungen ist dadurch gekennzeichnet, dass der Wirtschaftsprüfer neben der eigentlichen Erstellungstätigkeit die ihm vorgelegten Belege, Bücher und Bestandsnachweise durch Befragungen und analytische Beurteilungen auf ihre Plausibilität hin beurteilt, um mit einer gewissen Sicherheit auszuschließen, dass diese nicht ordnungsgemäß sind.“ BStBK, Verlautbarung der Bundessteuerberaterkammer zu den Grundsätzen für die Erstellung von Jahresabschlüssen (3.1.1), Berufsrechtliches Handbuch – Berufsfachlicher Teil, Plausibilisierung.

917

Schmidt/Almeling führen aus: „In den Teilgebieten des Lageberichts, die prognostische Angaben enthalten (§ 289 Abs. 1 S 4), hat der Abschlussprüfer zu prüfen, ob diese vor dem Hintergrund der Jahresabschluss-Angaben vollständig und plausibel erscheinen sowie ob die der Prognose zugrunde liegenden Annahmen und Wirkungszusammenhänge, die Art der Schätzung sowie deren Zeithorizont angegeben wurden (IDW PS 350 Tz. 10).“ Schmidt/Almeling, in: Beck'scher Bilanz-Kommentar, § 317 Rn. 55.

Unter Plausibilisierung versteht man also die Überprüfung einer Annahme, 918 Wirkungszusammenhänge und/oder Tatsachen durch Befragungen und/oder analytische Prüfungshandlungen mit dem Ziel einer gewissen Sicherheit. Da es keine vollständige Gewissheit über die künftige Entwicklung gibt, kann eine Planung nie richtig sein. Es kann nur verlangt werden, dass die Planung auf einer Tatsachenermittlung und auf fundierten Annahmen aufbaut und ein „vertretbares“ Ergebnis aufweist. BVerfG, Beschl. v. 24.5.2012 – 1 BvR 3221/10 („Daimler/ Chrysler“), ZIP 2012, 1656.

Die Plausibilisierung gliedert sich dabei in zwei Schritte.

919

Ihlau/Duscha, BB 2013, 2346 ff.

223

M. Plausibilisierung der Planung

I. Formelle Plausibilisierung 920 Unter der formellen Plausibilisierung versteht man die Überprüfung der Planungssystematik und die Überprüfung auf rechnerische Richtigkeit (insbesondere bei Excel). Unter der Planungssystematik versteht man die Ableitung der operativen Planung aus der strategischen Planung (Leitbild des sanierten Unternehmens), ferner die richtige Aggregation der Teilpläne zur Gesamtplanung und zuletzt die Analyse des Planungsprozesses, also auch die Einhaltung der berufsüblichen Formalien und Standards. Aschauer/Purtscher, BewertungsPraktiker 2013, 2.

II. Materielle Plausibilisierung 921 Demgegenüber versteht man unter der materiellen Plausibilisierung die inhaltliche Beurteilung der Planungsprämissen, also die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, die Markt- und Wettbewerbsanalyse, die interne Analyse, die SWOT Analyse, die Trends etc. und die Auswirkung auf die Zukunft, also auf die operative Planung. 922 Die Plausibilisierung erfolgt diesbezüglich durch x

Befragungen (intern und extern) sowie

x

analytische Prüfungshandlungen z. B. 

Branchenvergleiche,



Vorjahresvergleiche,



Abgleiche mit Marktstudien und/oder



Trendanalysen etc.

923 Sofern hier Abweichungen aufgedeckt werden, sind diese durch kritisches Hinterfragen entweder zu schließen oder die Prognose ist anzupassen. Bei diesen Befragungen hat sich die 5-W-Methode bewährt. Wikipedia 5-hy-Methode, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/ 5-Why-Methode (Abruf am 6.8.2015).

924 Kann ein Organ zu einer kritischen Fragestellungen auf fünf Warum-Fragen nachvollziehbare Antworten geben, kann die Aussage als belastbar angesehen werden. 925 Selbstverständlich sind die Schwerpunkte der Plausibilisierung auf die Unterschiede der Planung im Vergleich zur Vergangenheit zu legen. Hierzu gehört auch, ob und in welchem Umfang die Erkenntnisse aus dem Risikomanagement in der Planung abgebildet wurden.

224

N. Planungsfehler Die meisten und zugleich typischen Fehler, die wir im Bereich der Unterneh- 926 mensplanung vorgefunden haben, waren: x

Die Planung beginnt bei „Null“, d. h. ohne Basisbilanz und ohne etwaigen Verbindlichkeitenüberhang.

x

Die Basisbilanz, soweit sie erstellt wurde, wird ohne erforderliche Korrekturen aus dem Rechnungswesen übernommen und wird nicht aufgelöst.

x

Die Planung wird ohne USt erstellt.

x

Planung beachtet vertragliche, aber nicht die tatsächlichen Zahlungsgepflogenheiten der Kunden (BWA + Afa = Cashflow des Monats).

x

Die Planung geht von den Zahlungsgepflogenheiten des Unternehmens gegenüber seinen Lieferanten aus und betrachtet nicht die vertraglich geschuldeten Ziele.

x

Es erfolgt keine Bilanzplanung (Veränderung des Working Capitals).

x

Es erfolgt lediglich eine Planung des operativen Bereichs. Die Entnahmen bei Einzelunternehmen oder Personalgesellschaften, die Tilgungen, die Investitionen werden nicht berücksichtigt.

x

Der Planer hält keine kritische Distanz zum Unternehmen ein, d. h., der Berater traut sich nicht, sich notfalls zum „Königsmörder“ aufzuschwingen.

x

Die eigenen und die fremden Feststellungen und Annahmen werden nicht gründlich dokumentiert und erläutert.

Nach Augustin,

927

Praxiserprobte Konzepte zur Unternehmensplanung, S. 43,

liegen die zehn häufigsten Fehler in folgenden Bereichen: x

Beratungshonorar zu niedrig – daher keine Qualität

x

Kein Beratungsauftrag

x

Kein Planungssystem (z. B. Planung auf Excel-Basis)

x

Informationsbasis schwach

x

Keine Plausibilitätsprüfung (z. B. Branchenvergleich, Kennzahlenvergleich etc.)

x

Primat der operativen Planung (es wird nur soweit geplant, wie die Aufträge reichen, i. d. R. ein Jahr)

x

Planungsansatz starr (keine Alternativen/Szenarien)

x

Keine Kontrolle (Planungsannahmen werden nicht dokumentiert/erläutert)

x

Keine Dokumentation

x

Fokus auf Kreditinstitute 225

O. Sanierungscontrolling Eine Unternehmenssanierung ist kein statischer Zustand, sondern ein dyna- 928 mischer Prozess. Wenn das Sanierungskonzept erarbeitet ist, müssen die dort definierten Maßnahmen strukturiert und innerhalb der festgelegten Zeiträume umgesetzt werden. Gegenstand des Sanierungscontrollings ist deshalb zum einen, die Einhaltung 929 der Umsetzungsplanung zu steuern und zu kontrollieren. Maßgebend für das Sanierungscontrolling sind die Grundtatbestände der Unternehmensplanung im Planungshandbuch. Hierfür ist es erforderlich, dass klare Verantwortlichkeiten für die einzelnen 930 Projekte, eindeutige Aufgabenstellungen und Terminvorgaben ausgegeben werden. Die Informationen laufen dann bei einem oder mehreren Verantwortlichen (z. B. einem Lenkungsausschuss) zusammen. In der ersten Phase werden die Vorlagerhythmen für das Reporting kurzfristig 931 sein. Später können die zeitlichen Abstände weiter ausgedehnt werden. Das Reporting sollte in einer standardisierten Form erfolgen. Zum anderen ist es Aufgabe des Sanierungscontrollings, den Erfolg der definier- 932 ten Maßnahmen zu prüfen. Veränderungen der Rahmenbedingungen können es mit sich bringen, dass die Sanierungsplanung diesen neuen Gegebenheiten angepasst werden muss. Dann ist es erforderlich, nicht nur die Vergangenheitsdaten einer Analyse zu unterziehen, sondern auch die Zukunftsdaten entsprechend fortzuschreiben. Bei negativer Entwicklung muss ggf. anhand des Planungshandbuchs überprüft werden, ob erneut geplant werden und ob die Frage der Sanierungsfähigkeit erneut gestellt werden muss. Häufig verlangen Gläubiger und gerade Banken ein Sanierungscontrolling mit 933 entsprechendem Reporting. Dieses Berichtswesen umfasst dann neben Soll-/ Ist-Analysen Angaben zur dynamischen Fortschreibung des Sanierungsprozesses. Oft werden diese Aufgaben auf unabhängige Dritte, z. B. Wirtschaftsprüfer, übertragen, um auf diese Weise ein objektiviertes Urteil zu erlangen. In dieser Phase gilt es für das Unternehmen, ggf. verlorenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Die Umsetzung des Sanierungscontrollings ist in vielen Fällen ausschlaggebend für den Erfolg der Sanierung insgesamt. Für den Erfolg aller Maßnahmen ist die Einhaltung der zeitlichen und finanziellen Vorgaben von entscheidender Bedeutung. Es sind daher im Sanierungskonzept für die einzelnen Maßnahmen die zeitlichen und finanziellen Erfordernisse sowie die verantwortlichen Personen zu nennen (siehe Rn. 489 ff.). Die umzusetzenden Maßnahmen sollten daher in einer „Milestones-Übersicht“ 934 aufgelistet werden. Wichtig ist dabei, dass die Maßnahmen präzise aufgeführt sind, wie z. B. Preiserhöhung mit dem Kunden A in Höhe von 10 % auf den laufenden Rahmenvertrag ab dem 1.10.2015 oder Erhöhung der Kreditlinie durch die finanzierende Hausbank ab dem 1.10.2015 um 200 T€ (Ziele müssen 227

O. Sanierungscontrolling

dem SMART Akronym entsprechen: spezifisch, messbar, ambitioniert, realistisch und terminiert). Durch die präzisen Angaben soll sichergestellt sein, dass die Überwachung der Umsetzung greifbar ist und eine Aussage dazu getroffen werden kann, ob die Fortbestehensprognose negativ oder positiv eingestuft werden muss. 935 Hängt die Einstufung „positive Fortbestehensprognose“ von mehreren Faktoren ab und kann sie unter Umständen auch erreicht werden wenn nur drei von fünf Maßnahmen greifen, sollte dies transparent abgebildet werden. Nur dadurch ist gewährleistet, dass nach Ablauf der Fristen auch eine Beurteilung erfolgt, ob eine positive Fortbestehensprognose weiterhin gegeben ist.

228

P. Berichterstattung und zusammenfassende Schlussbemerkung Der Ersteller der Planung hat über die Durchführung des Auftrags zur Erstel- 936 lung einer Planungsrechnung schriftlich zu berichten. Abhängig vom Auftragsumfang folgen Gliederung und Inhalt dieser Berichterstattung den Planungsgrundsätzen. Der Bericht über die Erstellung einer Planungsrechnung kann mit einer zu- 937 sammenfassenden Schlussbemerkung abschließen, x

die eine Beurteilung darüber enthält, ob das Unternehmen voraussichtlich zahlungsfähig ist und

x

die auch auf die kritischen Faktoren und Annahmen eingeht, die für die Erhaltung des Zahlungsgleichgewichts von besonderer Bedeutung sind.

Beim Sanierungsgutachten sollte zudem auf die Wiedererlangung einer üblichen 938 Branchenrendite eingegangen werden. Sind nur einzelne Teilbereiche eines umfassenden Sanierungskonzepts Gegen- 939 stand des Auftrags, folgt daraus eine entsprechende Beschränkung der Berichterstattung und einer zusammenfassenden Schlussbemerkung. Wird eine zusammenfassende Schlussbemerkung erstellt, darf diese nur zusam- 940 men mit dem Erstellungsbericht an Dritte weitergegeben werden, um Missverständnisse über Art und Umfang der Tätigkeit des Erstellers und die Tragweite seiner Erklärung zu vermeiden. Für die zusammenfassenden Schlussbemerkungen (Bescheinigung) der Erstel- 941 lungsberichte werden folgende im Einzelfall anzupassende Formulierungen (siehe Beispiele) empfohlen: Bezüglich der Einreichung der Planung bei Gericht oder bei den Stakeholdern 942 empfiehlt sich, die Planung so spät wie möglich einzureichen. Begründet wird dies mit in der Folge möglichen Planabweichungen, die zu mannigfaltigen Diskussionen über die Belastbarkeit der Planung führen können. Rendels/Zabel, Insolvenzplan, Rn. 396.

Beispiel: Bescheinigung für Finanzierungsanfrage Die vorliegende Unternehmensplanrechnung für die Jahre 2015 bis 2019 wurde von uns auf der Grundlage der uns vorgelegten Unterlagen sowie der vom Auftraggeber erteilten Auskünfte unter Einbeziehung unserer allgemeinen Auftragsbedingungen laut Anlage erstellt. Die Planungsannahmen erscheinen uns dabei als plausibel. Nach der Beurteilung des Zahlenmaterials und der übergebenen Unterlagen sowie der gegebenen Auskünfte lässt sich feststellen, dass für den angefragten öffentlichen Förderkredit […] überwiegend wahrscheinlich Kapitaldienstfähigkeit besteht. 229

P. Berichterstattung und zusammenfassende Schlussbemerkung

Wegen der Einzelheiten verweise ich auf meinen Bericht, den Anhang und die Anlagen. Wie bei jeder Zukunftsplanung ist auch die vorliegende Planung mit inhärenten Risiken (insbesondere Entwicklungen der Auftragseingänge und Auftragsbearbeitung, Preisschwankungen) behaftet. Unser Auftraggeber hat uns für die Vollständigkeit seiner Angaben eine berufsüblichen Grundsätzen entsprechende Erklärung abgegeben, die wir zu unseren Arbeitspapieren genommen haben. Wir geben diese Bescheinigung nach bestem Wissen und Gewissen. Offenburg, […] Matthias Kühne Rechtsanwalt Betriebswirt (IWW) Beispiel für eine Planungswiederholung Die vorliegende Unternehmensplanrechnung für die Jahre 2015 bis 2019 wurde von mir auf der Grundlage der mir vorgelegten Unterlagen sowie der vom Auftraggeber erteilten Auskünfte unter Einbeziehung der allgemeinen Auftragsbedingungen erstellt. Ergänzend wurden die Grundlagen der Planungsrechnung durch eigene Recherchen mit Branchenwerten verprobt. Die Planungsannahmen erscheinen uns dabei als plausibel. Die Entwicklung der Finanz- und Ertragslage in den Planjahren steht im Einklang mit den getroffenen Planungsannahmen. Nach der Beurteilung des Zahlenmaterials und der übergebenen Unterlagen sowie der gegebenen Auskünfte lässt sich feststellen, dass das Unternehmen die im Sanierungsgutachten v. 4.11.2013 definierten Maßnahmen bereits zu einem Großteil umgesetzt hat und die restlichen Maßnahmen bereits in Umsetzung sind wodurch das Unternehmen überwiegend wahrscheinlich zukünftig wieder positive Ergebnisse erzielen wird. Die Zurückgewinnung der nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit ist durch die Umsetzung der definierten Maßnahmen erreicht worden. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf meinen Bericht und die Anlagen. Wie bei jeder Zukunftsplanung ist auch die vorliegende Planung mit inhärenten Risiken (insbesondere Entwicklungen der Auftragseingänge und Auftragsbearbeitung, Preisschwankungen) behaftet. Unser Auftraggeber hat uns für die Vollständigkeit seiner Angaben eine berufsüblichen Grundsätzen entsprechende Erklärung abgegeben. Ich gebe diese Bescheinigung nach bestem Wissen und Gewissen. Offenburg, […]. Matthias Kühne Rechtsanwalt Betriebswirt (IWW) 230

II. Materielle Plausibilisierung Praxistipp: Besonderes Augenmerk gilt dem Berichtswesen. Jeder Eindruck einer Garantie sollte unterlassen werden. Außerdem sollten die Planungsannahmen kommuniziert und erläutert werden. Hierzu zählt auch der Hinweis, ob es sich um eine vorsichtige oder um eine ambitionierte Planung handelt. Kuss, Wpg 2009, 326, 336 f. Wichtig: Nach der Planung muss unbedingt ein Soll/Ist-Vergleich stattfinden und ggf. die Planung angepasst werden. Kuss (Wpg 2009, 326) spricht insoweit von der „Planungstrias“.

Ferner kann im Wesentlichen auf den IDW PS 450 analog und die Ausführun- 943 gen im IDW WP (HB Band II 2014, L Tz. 684 ff.) verwiesen werden. Danach gehören zu den Prinzipien einer sinnvollen Informationsvermittlung: x

Objektivität i. S. e. intersubjektiven Nachprüfbarkeit der Argumentation

x

Kritische Berichterstattung

x

Klarheit

x

Beschränkung auf das Wesentliche (Materiality) in der Darstellung. Pfitzer/Groß, in: IDW WP HB Band II 2014, L Tz. 686.

Hervorzuheben ist lediglich, dass der Gutachtenersteller deutlich machen 944 muss, was x

eigene Feststellung,

x

fremde Feststellung und

x

eigene oder fremde Annahme ist.

Die Quellen der Erkenntnisse und die Begründung für die Annahmen sind 945 nachvollziehbar zu erläutern. Außerdem sollte der Gutachtenersteller darauf hinweisen, ob die Planung x

realistisch,

x

eher zurückhaltend oder

x

ambitioniert

946

ist. Letztlich ist dies die Beantwortung der Frage nach der Umsetzungswahrscheinlichkeit. Hier sind auch ergänzende Informationen wie z. B. die Mengenoder Preisspanne von Interesse, um abzuschätzen, wie „robust“ die Planung ist. Gegebenenfalls sind verschiedene Szenarien abzubilden und diese zu erläutern oder alternativ die Planungsauswertung in einer Monte-Carlo-Simulation und/ oder Sicherheitspuffer zu zeigen.

231

P. Berichterstattung und zusammenfassende Schlussbemerkung

I. Auswahl des Gutachters 947 Im Hinblick auf die Regelung in § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO sollte im Gutachten etwas zur Person des Planungserstellers vermerkt sein, es sei denn die Person ist bei allen Adressaten des Planungsberichts hinlänglich bekannt. Es muss sich um einen branchenkundigen, externen Wirtschaftsfachmann handeln. Gegebenenfalls ist die Qualifikation des Planers darzustellen. Der Ersteller des Gutachtens und der Sanierungsberater sollen personenidentisch sein. Der langjährige Steuerberater ist in der Regel aufgrund des bestehenden Näheverhältnisses ungeeignet. Ausnahmsweise aber soll der beratende Steuerberater oder Unternehmensberater die Fortbestehensprognose erstellen können, wenn er anlässlich der Krise als ausgewiesener Experte konsultiert wurde und erst dann das Gespräch mit der Bank sucht. Theeven, MA-Risk-Handbuch Sanierung S. 75.

948 Es muss Gewähr bestehen, dass eine erste Indikation innerhalb von zwei Wochen, das Gutachten spätestens nach zwei Monaten vorliegt. Wir halten dies gerade in größeren Fällen für utopisch. Größere Sanierungsgutachten benötigen regelmäßig eine Zeit von bis zu sechs Monaten. Als Zwischenschritt ist eine Fortbestehensprognose vorzulegen. II. Auftrag 949 Ferner muss der Inhalt des Auftrags kenntlich gemacht werden. Hierzu gehört insbesondere, ob ein Standard oder Anforderungen der Rechtsprechung zugrunde gelegt wurden und insbesondere, ob es sich um einen vollumfänglichen Auftrag handelt oder ob nur Teilbereiche bearbeitet wurden. III. Adressaten des Gutachtens 950 Der Planer muss sich im Vorfeld Gedanken darüber machen, wer der Leser der Planung ist. Zunächst einmal ist die Planung als Entscheidungsgrundlage bestimmt. Dies gilt nicht nur für die Unternehmensleitung, sondern auch für die Stakeholder. Es soll dokumentiert werden, welche Maßnahmen weshalb zu treffend sind. Darüber hinaus kommen folgende Leser in Betracht, die alle andersartige Interessen und Erwartungen an den Planungsbericht haben. So verlangen die finanzierenden Banken Kredit- und Sicherheitenspiegel, während die Arbeitnehmervertreter eine detaillierte Personalplanung verlangen. x

Gesellschafter

x

(Finanz-) Investoren

x

Kreditinstitute

x

Anleihegläubiger

x

ggf. Bürgschaftsbanken

232

IV. Bestandsaufnahme

x

sonstige Gläubiger

x

Arbeitnehmer

IV. Bestandsaufnahme Im Rahmen der Bestandsaufnahme ist die Analyse der Unternehmensplanung 951 darzustellen. Hierbei sind die wesentlichen Teile darzulegen, also dasjenige was in Bezug auf die künftigen Erträge von Belang ist. Hierzu zählt insbesondere die Analyse des Krisenstadiums. Im Gutachten sollte eine Bestandsaufnahme des Status quo erfolgen, insbe- 952 sondere: x

Interne und externe Unternehmensanalyse mit der Untersuchung von Vertrieb, Produktion, Fertigung und Beschaffung

x

Analyse sämtlicher Krisenursachen

x

Hinweise auf fehlerhaftes Management und Eignung der Geschäftsleitung

x

Mängel und Verbesserungspotentiale

x

Art und Laufzeit der Finanzierungen, Erstellung eines sog. Bankenspiegels

x

Prüfung alternativer Finanzierungsmöglichkeiten

V. Maßnahmen und Annahmen Ferner sind die geplanten Maßnahmen und die Planungsannahmen bzw. Prä- 953 missen aufzuzeigen. Auch hier ist der Grundsatz der Wesentlichkeit zu beachten. Im Hinblick auf das Geheimhaltungsinteresse des Unternehmens, kann es 954 empfehlenswert sein, bei Planungen, die für ein insolventes Unternehmen erstellt werden, Betriebsgeheimnisse und Kalkulationen nur an einen internen Kreis zu verteilen und nur die verdichtete Fassung zur Insolvenzakte zu reichen. Dieses Vorgehen kennt man von den sog. Fairness Opinions, die die Entscheidung der Gremien über Unternehmenskäufe u. Ä. absichern sollen. Bei diesen wird der sog. Opinion Letter in der Regel publik gemacht, währen das Valuation Memorandum dem internen Kreis vorbehalten bleibt. „Maßgebend für die Bestandteile der Berichterstattung ist im Einzelfall, wer Empfänger der Fairness Opinion ist und ob durch die Offenlegung von unternehmensinternen Daten dem Unternehmen ein möglicher Schaden entstehen kann. Aus diesen Gründen kann sich die Aufteilung der Berichterstattung in Opinion Letter sowie Valuation Memorandum in vielen Fällen anbieten“. Becker/Salcher/Kupke/Witzleben, in: IDW WP HB Band II 2014, E Tz. 75.

233

P. Berichterstattung und zusammenfassende Schlussbemerkung

VI. Management 955 Die Banken erwarten gerade bei KMU auch einen Hinweis über die Qualität des Managements. Dies bringt den Planer gelegentlich dazu, sich zum „Königsmörder“ aufzuschwingen, weil man dem Management die Überwindung der Krise nicht zutraut. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. 956 Ferner interessiert die Leser inwieweit die Geschäftsleitung notwendige Veränderungen vermitteln und durchsetzen kann oder ob ggf. Interimsmanagement hinzugezogen werden muss (Maßnahme). 957 Allerdings ist an dieser Stelle auch Erfolgspotential durch das Management zu erläutern. Dies gilt insbesondere für die Frage der (nicht) übertragbaren Ertragskraft.

234

Q. Zusammenfassende Checkliste Die nachfolgende Checkliste kann sowohl für die interne Qualitätskontrolle 958 als auch für die externe Kontrolle einer Unternehmensplanung herangezogen werden. Die Unternehmensplanung ist ein Maßanzug. Daher ist die Checkliste auf die Gegebenheit des Einzelfalls anzupassen. Checkliste Erstellung eines Gutachtens Int.Nr. […] Mandant Nr.

Jahr

Name

Stand Bearbeiter Name

Zeichen

Verantwortlich: überlassen

geprüft

am

am

A. Vorbereitungsphase

durch ja

nein

Vermerk des Auftragseingangs und Verdeutlichung des Auftrags (Funktion des Planungserstellers) Überprüfung von Art und Umfang der Planung sowie zeitlichen Vorgaben des Auftrags (Planungshandbuch) Ggf. Prüfung der erforderlichen Neutralität und evtl. Ablehnung Ggf. Abstimmung mit Stakeholdern, ob die Person des Gutachters akzeptiert wird Prüfung der zeitlichen und personellen Ressourcen Detaillierte Planung (Projektplanung)der Auftragsbearbeitung und konkretes Zeitmanagement Ggf. Abstimmung der Zeitplanung mit anderen (leistungswirtschaftlichen) Beratern und Stakeholdern Anforderung der erforderlichen Unterlagen beim Mandanten Sicherstellung der Vollständigkeit der zu erlangenden Informationen Terminierung und Organisation einer Inventur Soweit erforderlich: zeitnahe Beauftragung von Sachverständigen (z. B. zur Inventarisierung und Bewertung der Gegenstände von Anlage- und Umlaufvermögen) B. Hauptphase Festlegen der wesentlichen Inhalte Organisation und Überwachung von delegierbaren Arbeiten Durchführung der Unternehmensanalyse mit Risikoanalyse Sachverhaltsermittlung durch analytische Prüfungshandlungen, sachdienliche Befragungen und Dokumentation Verarbeitung der Sachverhaltsermittlung Maßnahmenplanung und Planungsprämissen Auswertung der laufenden Buchführung und Jahresabschlüsse der letzten 3 – 5 Jahre (Prüfen, ob nicht die letzten 10 Jahre erforderlich sind)

235

Q. Zusammenfassende Checkliste Betriebswirtschaftliche Analyse und anschauliche Darstellung der wirtschaftlichen und finanziellen Situation des Schuldners Herausarbeiten der Ursachen für die Krise des Unternehmens und Ermittlung des Krisenstadiums Ggf. Darstellung der Insolvenzgründe Erstellung der Planungsrechnung und/oder Fortbestehensprognose nach IDW S 6, S 11 Gegebenenfalls Begründung und Darstellung der Szenarien oder einer Monte-CarloSimulation Ermittlung oder Abschätzung des Risikos der künftigen Planerreichung Kontrolle: Vier-Augen-Prinzip; Sicherstellung der Vermeidung von Verzerrungen Möglicherweise: Darlegung eines Sanierungskonzepts Abfassen des Gutachtens in einer objektiven, verständlichen Sprache unter Verwertung der wesentlichen Informationen Sofern erforderlich: Hinweis auf evtl. Bestehende Insolvenzantragspflichten C. Nachbereitungen Entscheidung über die beizufügenden Anlagen Aufmerksame Prüfung des Schriftsatzes auf inhaltliche Fehler (z. B. bei der Verwendung von Textbausteinen) Rechtschreibprüfung Versenden Berichtsentwurf und Einholen der Vollständigkeitserklärung des Schuldners Persönliche Unterzeichnung des Gutachtens Fertigstellen des Gutachtens Übergabe an Mandanten mit einer ausreichenden Anzahl an Ausfertigungen D. Gutachten-Check (Bewertungsmaßstäbe) Verwendet der Gutachter eine verständliche Sprache? Ist das Gutachten unparteiisch und unvoreingenommen formuliert oder scheint der Gutachter befangen? Geht aus dem Gutachten der Auftrag klar hervor? Sind Stichtag und Zeitraum und erforderlichenfalls besondere Umstände der Auftragsbearbeitung im Gutachten aufgeführt? Ist das Gutachten übersichtlich aufgebaut? Ist das Gutachten in sich stichhaltig und schlüssig? Wurde ein Standard zugrunde gelegt und eingehalten?

236

VI. Management Wurde auf spezielle rechtliche Problembereiche hingewiesen? Lässt sich eindeutig erkennen, ob und in welchem Umfang sich der Gutachter zulässigerweise eines Sachverständigen bedient hat? Gibt das Gutachten Aufschluss über die angewandten Methoden zur Sachverhaltsermittlung? Macht das Gutachten die Situation des zu beurteilenden Unternehmens deutlich? Ist die Analyse des Unternehmens im Markt nachvollziehbar? Lässt die Analyse nachhaltige Zukunftspotentiale erkennen? Ist die Bewertung der Vermögenspositionen nachvollziehbar? Sind die Maßnahmen ausreichend beschrieben (Darstellung, Wirkung, Wirkungszeitpunkt, Wahrscheinlichkeit, Kosten, Zeitpunkt Kosten, Wechselwirkung zu anderen Maßnahmen)? Sind die gewählten Maßnahmen, die Planungsprämissen und die daraus abgeleiteten Planungen plausibel und begründet? Wie wurde plausibilisiert? Trennt das Gutachten eigene und fremde Ermittlungen? Stellt das Gutachten sichere oder mögliche Entwicklungen nach dem Erstellungsdatum ein und werden diese in die Beurteilung mit einbezogen? Stellt das Gutachten die Ungewissheit dar und wie geht der Gutachter damit um? Sind aus dem Gutachten die Gründe für die Entscheidungsfindung unschwer nachvollziehbar? Welche Software wurde für die Planung verwendet? Bei Excel: Ist die Planung rechnerisch richtig? Beantwortet das Gutachten die Gutachtenfrage? Wie hoch ist der Anteil an „Überflüssigem“, was das Gutachten unnötig aufbläht? Lässt das Gutachten Fragen unbeantwortet? Bedarf das Gutachten einer Nachbesserung?

237

R. Glossar Budget

Ein Budget ist ein Plan, der die Verteilung von Ressourcen i. d. R. Geldbeträge für eine Periode innerhalb der operativen Planung bzw. Budgetierung bestimmt. Die Ressourcen werden einzelnen Abteilungen/Verantwortlichen zugewiesen und dienen zur Erreichung der jeweiligen Ziele. Somit ist das Budget für die Maßnahmenumsetzung bestimmt.

Cashflow at Risk

Es ist ein Risikomaß für die zukünftigen Cashflows. Der Cashflow at Risk beruht auf den Annahmen des Value at Risk, jedoch werden hierbei anstatt eines Marktwertes die zukünftigen Cashflows als Maßstab herangezogen. Demnach ist es der finanzielle Überschuss, welcher innerhalb einer Periode/eines Betrachtungszeitpunkts und mit zugrunde liegender Wahrscheinlichkeit nicht unterschritten wird. Also der niedrigste Cashflow, der innerhalb einer Periode und bei vorgegebener Wahrscheinlichkeit mindestens erreicht wird.

Erwartungswert

Werden die Zufallsversuche mehrfach (i.d.R. unendlich oft) wiederholt ausgeführt und aus deren jeweiligen Ergebnissen der Mittelwert gebildet, erhält man den Erwartungswert (ist näherungsweise das arithmetische Mittel). Somit zeigt es auf, welchen Wert die Zufallsvariable im Mittel annehmen kann. Ferner beschreibt dieser Wert die Lage in einer Verteilungsfunktion. In der Planung wird er als aufsummiertes, gewichtetes Mittel aus den Chancen und Risiken verstanden. In der Praxis werden drei Szenarien mit ihren Einzeleintrittswahrscheinlichkeiten multipliziert und zum Erwartungswert zusammenaddiert.

Estimation

Siehe Prognose

Diskrete/stetige Verteilung

Eine Wahrscheinlichkeitsverteilung (Abkürzung: Verteilung) gibt an, wie sich die Wahrscheinlichkeiten auf die potenziellen Zukunftsereignisse, vor allem auf die möglichen Werte einer Zufallsvariablen, verteilen, eine Zufallsvariable ordnet jedem Ergebnis eines Zufallsexperimentes eine Zahl zu. Hierbei können die Variablen diskret (diskrete Verteilung) sein, d. h., die Ergebnisse/der Wertebereiche der Variablen sind abzählbar, z. B. beim Würfeln können/kann jedes Mal die Augen/das Ergebnis abgezählt werden. Eine be-

239

R. Glossar

kannte Verteilung stellt die Binomialverteilung dar. Demgegenüber ist eine stetige (kontinuierliche) Verteilung dadurch gekennzeichnet, dass innerhalb eines bestimmten Intervalls die Werte der Zufallsvariable beliebig sein können, was z. B. bei Gewichtsangaben der Fall ist. Die Normalverteilung ist eine typische stetige Verteilung. Forecast

Mit dem Forecast wird versucht durch Experteneinschätzungen (i. d. R. Management) eine Vorhersage der unternehmerischen Einflussfaktoren zu ermöglichen, um somit eine (i. d. R.) Gewinnhochrechnung für die Zeit bis zum Ende des laufenden Geschäftsjahrs oder für die kommenden zwölf Monate zu bilden. Grundlage sind die relevanten Kennzahlen des Unternehmens. Diese gewonnenen Informationen dienen dann dem Management zur proaktiven Steuerung des Unternehmens. Es ist ein dynamisches Instrument, welches unterjährig die kurzfristigen Veränderungen auf das geplante Ergebnis in aktualisierter Form aufzeigt. In der Praxis wird hierbei das gebuchte Ergebnis mit der ggf. angepassten Planung bis zum Jahresende fortgeschrieben.

Fremdkapital-Beta (Debt Beta)

Die Schuldner haben ihre Verbindlichkeiten zu begleichen. Die Bewertung erfolge nominal. Folglich wird für das Fremdkapital im CAPM ein Beta-Wert (Risikomaß) von null angesetzt, unter der Annahme, dass das Fremdkapital nicht risikobehaftet ist. Wird jedoch von den Eigenkapitalgebern Risiko auf die Fremdkapitalgeber transferiert (z. B. bei ungesicherten Gläubigern), sind die Eigenkapitalkosten (nach unten) anzupassen. Mit dem Debt Beta kann eine Bewertung und Berücksichtigung der Risikoübernahme ermöglicht werden. Es berechnet sich über die Eigenkapitalwertveränderung und der damit einhergehenden Auswahlwahrscheinlichkeit des Fremdkapitals.

Integrierte Unternehmensplanung

Die Unternehmensplanung besteht aus einzelnen Detail-/Teilplänen, die miteinander zu verknüpfen sind, sodass ihre Interdependenzen und Zusammenhänge ersichtlich sind. Innerhalb einer Unternehmensplanung sind unterschiedlichste Teilpläne (Subplanungen) zu erstellen. Zu Beginn werden auf Grundlage einer Absatzplanung nachfolgende (aufbauende) Teilpläne, wie z. B. Produktions-, Personalplanungen ermittelt (reine Mengenplanungen). Daraufhin folgen ggf. be-

240

R. Glossar

reichs-/abteilungsspezifische Planungen, bei denen wesentliche Teilaspekte z. B. Forschungs- und Entwicklungsplanungen abgebildet werden. All diese einzelnen Planungen sind aufeinander abzustimmen und zu verknüpfen. In einem Folgeschritt sind die Teilpläne auf eine monetäre Ebene zu transferieren und in einer Gesamtplanung zu aggregieren, was sich in der Ertrags-, Liquiditäts- und Bilanzplanung niederschlägt. Diese drei Planungen sind ebenfalls integriert zu planen. Durch die Verzahnung der einzelnen Planungen können deren Wechselwirkungen und Zusammenhänge einfließen. Des Weiteren dient sie als eine Kontrolle der Planung, denn durch die Integration sollte sich die gesamte Planung ausgleichen. Kardinale Ordnung

Es ist eine Einteilung von Merkmalen in der Statistik. Die Kardinale Ordnung besitzt eine quantitative Merkmalsausprägung mit einer Dimension. Ferner ermöglicht sie neben der Häufigkeit und Reihenfolge noch den Abstand zwischen zwei Merkmalsausprägungen sowie ggf. einen Nullpunkt zu bestimmen; Beispiel sind Alter (0 – 99 Jahren), Einkommen (0 – […] €).

Kybernetik

Unter Kybernetik wird eine Theorie verstanden, welche die zentralen Funktionen von dynamischen Systemen erforscht. Dadurch soll ermöglicht werden, dass die Informationsverarbeitung der Systeme gewährleistet ist und sich die Systeme lenken und regeln lassen bzw. sich selbst lenken und regeln.

Monte-CarloSimulation

Ist eine (computergestützte) Simulationsmethode, bei der über zufällig gewählte Parameter und deren (zufälliger) Kombination unterschiedlichste Szenarien generiert und somit zufällig Ergebnisse berechnet und gespeichert werden. Die Methode beruht auf dem Gesetz der großen Zahlen und führt bis zu mehreren Tausend Simulationen durch. Über die Fülle der errechneten Ergebnisse kann näherungsweise eine Wahrscheinlichkeitsverteilung der künftigen Ergebnisse abgeleitet werden.

Nominale Ordnung

Es ist eine Einteilung von Merkmalen in der Statistik. Es handelt sich hierbei um reine qualitative Merkmalsausprägungen, die keiner natürlichen Ordnung (Reihenfolge) unterliegen. Es lassen sich nur Häufigkeiten messen; Beispiel Geschlecht (Mann/Frau), Antworten (ja/nein).

241

R. Glossar

Ordinale Ordnung

Es ist eine Einteilung von Merkmalen in der Statistik. Unter dieser Ordnung lassen sich qualitative Merkmalsausprägungen zusammenfassen, welche zugleich einer natürlichen Ordnung unterliegen. Zu der messbaren Häufigkeit kann eine Reihenfolge bzw. Rangordnung bestimmt werden, Abstände zwischen den Klassen zu bestimmen, ist nicht möglich; Beispiele sind Schulnoten („sehr gut“ bis „ungenügend“) oder Platzierungen (Weltmeister, Zweiter ….).

Prinzipal-AgentTheorie

Diese Theorie untersucht die Leistungsbeziehung zwischen dem Prinzipal (Auftraggeber) und Agent (Auftragnehmer). Es ist anzunehmen, dass zum einen zwischen beiden Akteure eine Informationsasymmetrie vorherrscht, d. h., beide verfügen über einen unterschiedlichen Informationsstand. Zum anderen wird von den Akteuren verschiedenen Zielen nachgegangen bzw. jeder möchte seinen eigenen Nutzen maximieren. Infolgedessen bildet sich ein Interessenskonflikt zwischen dem Auftraggeber und -nehmer.

Prognose (Estimation) Eine Prognose ist eine (versuchte) Vorhersage der Zukunft. Mit ihr soll eine gewisse Aussage über eine zukünftige Entwicklung von einzelnen Variablen/ Planwerten und deren Eintrittswahrscheinlichkeit bestimmt werden. Dennoch ist die Prognose weiterhin unsicher. Die Werte lassen sich z. B. mit einer Fortschreibung der Vergangenheitswerte, subjektiven Schätzungen oder Kausalmodellen ermittelt. Sie ist ein wesentliches Hilfsmittel der Planung; Plan- und Prognosewerte müssen nicht übereinstimmen. Prospect-Theorie

242

Diese Theorie erklärt die Verhaltensweisen unter Unsicherheit und geht auf Kahneman/Tversky (1979) zurück. Das Verhalten der Entscheider wird nach ihren Erkenntnissen nicht als endgültige Nutzensteigerung gemessen. Hingegen wird zuerst eingeteilt, ob ein positiver oder negativer Nutzen gegenüber einem Referenzpunkt (z. B. Status quo, oder Branchenrendite) generiert wurde und daraufhin wird erst bewertet. Hierbei werden die Verluste (Nutzenverschlechterung) gegenüber dem Referenzpunkt deutlich intensiver empfunden als Gewinne mit gleichhohem Wert; der Entscheider neigt dazu, sich bei Verlusten risikoaffin und bei Gewinnen risikoavers zu verhalten. Des Weiteren werden die potenziellen zukünftigen Umweltszenarien nicht mit objektiven Eintrittswahr-

R. Glossar

scheinlichkeiten bewertet, sondern mit gewichtetet. Folglich wird den unsicheren Ereignissen im Vergleich zu sicheren Ereignissen eine höhere Eintrittswahrscheinlichkeit eingeräumt. Risikoaffinität

Beschreibt die Risikoneigung des Entscheiders in Form eines risikofreudigen Verhaltens. Demnach ist für den Entscheider die Risikozunahme schon durch eine unterproportionale Nutzensteigerung (z. B. Gewinn) gerechtfertigt. Das heißt, die Person bevorzugt die Alternative mit dem größeren Risiko, welche dafür einen größeren Nutzen stiftet, auch wenn dieser Nutzen unsicherer ist.

Risikoaversion

Beschreibt die Risikoneigung des Entscheiders in Form eines risikovermeidenden Verhaltens. Demnach ist für den Entscheider die Risikozunahme nur durch eine überproportionale Nutzensteigerung (z. B. Gewinn) gerechtfertigt. Das heißt, die Person bevorzugt die Alternative mit dem geringeren Risiko, welcher dafür mit einem sicheren Nutzen hinterlegt ist, auch wenn dieser Nutzen kleiner ausfallen kann.

Risikomanagement

Unter Risikomanagement werden alle organisatorischen Normen, Maßnahmen, Aktivitäten, Methoden und Instrumente verstanden, die im Unternehmen für die Identifikation, Bewertung, Steuerung und Überwachung von Risiken beitragen und die Risikosituation im Unternehmen gestalten, sodass u. a. die Unternehmensexistenz gesichert wird, die Unternehmensziele erreicht und die Kapital- und Risikokosten verringert werden.

Risikoneutralität

Beschreibt die Risikoneigung des Entscheiders in Form eines risikoneutralen Verhaltens. Demnach ist für den Entscheider die Risikozunahme durch eine proportionale Nutzensteigerung (z. B. Gewinn) gerechtfertigt. Das heißt, die Person bevorzugt weder die sichere noch die unsichere Alternative, sondern entscheidet sich für die Alternative, die unter mathematischen Verfahren ermittelt wird.

Risikoreduktion

Ist eine aktive Variante der Risikosteuerung. Es wird eine Risikobewältigung bzw. -verminderung verfolgt. Es ist die Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder die Schadensauswirkung zu minimieren. Für diese Steuerungsvariante können unterschiedlichste Ansätze verfolgt werden, z. B. können zusätzliche Qualitätssi243

R. Glossar

cherungen oder -kontrollen initiiert, weitere Kapazitäten aufgebaut oder fixe in variable Kostenblöcke überführt werden. Risikotragung

Ist eine passive Variante der Risikosteuerung. Das Unternehmen akzeptiert das vorhandene Risiko, nimmt es in Kauf und trägt somit das Risiko selbst. Es stellt das Restrisiko/Nettorisiko dar und ist i. d. R durch die Risikotragfähigkeit des Unternehmens gesichert; es sollte einer (permanenten) Risikoüberwachung unterstellt sein.

Risikoüberwälzung

Ist eine passive Variante der Risikosteuerung. Mit dieser Variante werden die identifizierten Risiken an Dritte weitergeben und von diesen getragen; in diesem Kontext sind in erster Linie Versicherungsunternehmen oder der Kapitalmarkt (optional Vertragspartner wie der Auftraggeber, Lieferant oder Kunde) als Dritte zu nennen. Für die Risikoübernahme sind Gegenleistungen, z. B. Versicherungsprämien, zu erbringen.

Risikovermeidung

Ist eine aktive Variante der Risikosteuerung. Bei der Risikovermeidung entscheidet sich das Unternehmen bewusst gegen die identifizierten Risiken und geht diese Tätigkeiten, aus welchen sich die Risiken ergeben, nicht ein. Dementsprechend wird auch auf die entfallenden Chancen verzichtet. Grundsätzlich sind solche Risiken zu vermeiden, die bestandsgefährdend sind, also die Unternehmensexistenz bedrohen oder die kaum beeinflussbar sind.

Schlüsselkennzahlen (KPI, Key Predictive Indicator)

Der englische Begriff bezeichnet zu Deutsch die (wesentlichen) Kennzahlen eines Unternehmens, die den künftigen Erfolg indizieren. Die KPI sind an die zentralen Ziele oder Erfolgsfaktoren des Unternehmens gekoppelt und messen deren Erfüllungsgrad.

Sensitivitätsanalyse

Es ist ein Verfahren, mit dem systematisch durch Variation einzelner Parameter/Parametergruppen deren Einfluss auf das Ergebnis überprüft wird.

Sicherheitspuffer

Ein Sicherheitspuffer kann als ein Auf-/Abschlag auf die Zielgröße angesehen werden. Der Puffer dient als ein Schutzmechanismus.

Standardabweichung

Die Standardabweichung ist wie die Varianz ein Streuungsmaß einer Zufallsvariablen/Merkmalsausprägung um ihren Mittel-/Erwartungswert und wird aus der positiven Quadratwurzel der Varianz ermittelt (siehe

244

R. Glossar

Varianz). Es besitzt die gleiche Dimension wie die Merkmalsausprägung (z. B. Euro) und wird abgekürzt als Sigma bzw. ı; es wird als Risikomaß verwendet. Szenarioplanung

Ein Szenario drückt eine potenzielle Zukunftskonstellation aus, die durch Kombination von den inund externen Einflussfaktoren entsteht. Bei der Szenarioplanung werden die Planwerte nicht nur einwertig, sondern mehrwertig geplant. Somit wird ein Planwert mit verschiedenen Zielausprägungen (Szenarien) versehen, es entsteht eine Bandbreite von möglichen Entwicklungen. Praxisüblich ist die Einteilung in Best(„beste“ Entwicklung), Real- (wahrscheinlichste Entwicklung), Worse-Case-Szenario („schlechteste“ Entwicklung).

Unternehmensplanung

In den Bereich der Unternehmensplanung fallen alle Planungen, die im und von dem Unternehmen erstellt werden. Sie umfassen insbesondere die strategische (langfristige) und die operative (kurzfristige) Planung. Unternehmensplanung mit Krisenbezug erfordert aber auch eine Aussage über die Umsetzungswahrscheinlichkeit der Planung und ist damit zugleich Prognose. In der Krise verschmelzen damit Planung und Prognose.

Value at Risk (VaR)

Der VaR ist eine Kennzahl die das Risikomaß einer Risikoposition bewertet und somit deren Verlustpotenzial misst. Mit der Kennzahl wird ausgedrückt, dass innerhalb einer Periode ein Verlust mit vorgegebener Wahrscheinlichkeit (Konfidenzintervall) nicht überschritten wird. Demnach ist der VaR der Betrag, der mit einer festgelegten Wahrscheinlichkeit verloren werden kann.

Varianz

Die Varianz ist als ein Streuungsmaß einer empirischen Häufigkeitsverteilung bestimmt, d. h., sie beschreibt, in welchem Umfang sich eine Zufallsvariable/Merkmalsausprägung um den Mittel-/Erwartungswert streut bzw. um wie viel sie von dem Mittel-/Erwartungswert abweicht, und zeigt somit die Breite der Verteilung an. Sie lässt sich ermitteln als mittlere quadratische Abweichung der Zufallsvariablen von dem Mittel-/Erwartungswert (Summe der quadrierten Abweichungen aller Messwerte vom Mittel-/Erwartungswert dividiert durch Anzahl der Messwerte). Die positive Quadratwurzel der Varianz ist die Standardabweichung.

245

Stichwortverzeichnis

Analyse – Beurteilung des Geschäftsmodells 402 ff. – externe 427 ff. – interne 443 ff. – Krisenstadium 472 ff. – Leitbild des sanierten Unternehmens 409 ff. – wesentliche Geschäftsfelder 413 ff. Auftrag – Berichterstattung 949

Basisbilanz

842 ff. Berichterstattung – Adressaten des Gutachtens 950 – Auftrag 949 – Auswahl des Gutachters 947 – Bestandsaufnahme 951 – Management 955 – Maßnahmen 953 ff. Beurteilungsspielraum 44, 132, 185, 714 ff. Beweislast 33, 718 Bilanzplanung 899 Branchenanalyse 430

Checklisten – Erstellung eines Gutachtens 958 – Leitbild eines sanierten Unternehmens 425 – Planungsfall 898 – Planungshandbuch 153 – Verteilungsannahme bei Monte-Carlo-Simulationen 840

Delphi-Methode 825 f., 834 Direkte Insolvenzkosten 880 ff., 898

Entscheidungsvorbereitung

6, 8, 24, 112, 153 Erfolgskrise – Krisenstadium 484 ff. – Überwindung 612 ff. Erfolgstreiber 147 Ertragskraft – übertragbare 122, 459 ff. Ertragsplanung 192, 196 – direkte Insolvenzkosten 880 f. – indirekte Insolvenzkosten 882 ff. – reine 79 ff. Erwartungswert 102 f., 726 ff., 807 ff., siehe auch Glossar

Factoring 535 Fortbestehensprognose 45 ff. Gesellschafterdarlehen 525 ff. Gewissheit – hinreichende 719 ff. Gigo-Effekt 175 GoP (Grundsätze ordnungsgemäßer Planung) 360 ff. Gutachten – Checkliste 958, siehe auch Sanierungsgutachten Haftung – aus Delikt 328 ff. – des Beraters 264 ff. – des Planerstellers 276 ff. Haftungsvereinbarung – Bestätigungsvermerk in den Berichten 347 ff. – Beweisanzeichen für Krise 351 ff. Honorarvereinbarung 377 ff. – Aufgabendefinition 248 ff.

247

Stichwortverzeichnis

– Auftragsinhalt 242 ff. – Bestätigungsvermerk 347 ff. – Beweisanzeichen für Krise 351 ff. – Haftung 264 ff.

Indirekte Insolvenzkosten

882 ff., 898 Informationsgewinnung – Gigo-Effekt 175 – Qualität der Informationen 174 ff. INQA-Unternehmenscheck 441 Insolvenz – Überwindung 496 – Vermeidung 497 Insolvenzreife – Krisenstadium 488 ff. Integrierte Sanierungsplanung – Maßnahmeneffekte 699 ff. – praktische Umsetzung 703 ff. – Problem- und Verlustbereiche 698 – Prognoseentscheidung 719 ff. ISU Grundsätze 384 ff.

Kapitalerhöhung

505 ff. Kernkompetenzen 421, 689 Konzernplanung 92 ff. Krisenstadium – Erfolgskrise 484 f. – Insolvenzreife 488 – Liquiditätskrise 486 f. – Produkt- und Absatzkrise 481 ff. – Stakeholderkrise 475 ff. – Strategiekrise 478 ff.

Liquiditätskrise – Krisenstadium 486 ff. – Überwindung 501 ff. Liquiditätsplanung 906 ff. Liquiditätsrechnung – reine 83 ff.

248

Maßnahmen – externe 543 ff. – interne 503 ff. – Überwindung der Erfolgskrise 612 ff. – Überwindung der Liquiditätskrise 501 ff. – Überwindung der Produkt- und Absatzkrise 614 ff. – Überwindung/Vermeidung der Insolvenz 496 ff. – Ziele 489 ff. Mezzanine-Kapital 603 ff. Monte-Carlo-Simulation 192 ff., 439, 878, 911, siehe auch Glossar – Checkliste 840

Ordnung – kardinale siehe Glossar – nominale siehe Glossar – ordinale siehe Glossar

Patronatserklärungen 529 ff. PESTL Analyse 428 f. Planung – formelle Plausibilisierung 920 – materielle Plausibilisierung 921 ff. Planungsanlässe 1 ff. – Insolvenzverfahren 27 ff. – Krise/Sanierung 23 ff. – Unternehmensplanung 13 ff. Planungsarten siehe Planungsmethoden Planungsersteller – Funktion 133 ff., 958 – Person 203, 226 ff., 236 Planungsfehler 926 ff. Planungsgrundsätze 357 ff.

Stichwortverzeichnis

– Anforderungen der Banken 387 ff. – GoP 360 ff. – IDW S 6 377 ff. – ISU Grundsätze 384 ff. Planungshandbuch 104 ff. – Checkliste 153 Planungsmethoden 67 ff., 825 ff. – Konzernplanung/Gruppenplanung 92 ff. – reine Ertragsplanung 79 ff. – reine Liquiditätsrechnung 83 ff. – Szenarioplanung/Simulation 95 ff. Planungsrechnung – Adressat 31 ff. – Basisbilanz 842 ff. – Berücksichtigung von Maßnahmen 713 ff. – Erstellen 821 ff. Plausibilisierung der Planung – formelle 920 – materielle 921 Porters Five Forces 427 ff. Pricing-Power 420, 425, 636, 859 Prinzipal-Agent-Theorie 796 ff., siehe Glossar Produkt- und Absatzkrise – Krisenstadium 481 ff. – Überwindung 614 ff. Prognoseentscheidung – hinreichende Gewissheit 719 ff. Prognoserechnung 68, 77, 198, 827, 841 Prognosezeitraum 138 Projektmanagement 154 – Ablauf einer Planung 163 ff. – Informationsgewinnung 174 ff. – Planungsersteller 226 ff. – Sanierungsprozess 170 ff.

Prospect-Theorie (neue Erwartungsnutzentheorie) siehe Glossar

Rentabilitätsvorschau siehe Ertragsplanung, reine Risiko – Risikofeldermatrix 435 ff. Risikomanagement 432 ff., 756, siehe auch Glossar

Sale and Lease Back 534 Sanierende Eingriffe 536 ff. Sanierungscontrolling 928 ff. Sanierungsgutachten – Anforderungen der Banken 390 ff. – Anforderungen der Rechtsprechung 45 ff., siehe auch Gutachten Sanierungsmaßnahmen 638 ff., 876 Sanierungsplanung – integrierte siehe integrierte Sanierungsplanung – Maßnahmeneffekte 699 ff. – Planungsrechnung 713 ff. – praktische Umsetzung 703 ff. – Problem- und Verlustbereiche 698 ff. Sicherheitspuffer 370, 469, 728 ff., 741, 814, 946, siehe auch Glossar Stakeholderkrise – Krisenstadium 475 ff. Stand-Alone-Ansatz 92 ff. Standardabweichung 196, 197, 812 ff., siehe auch Glossar Standards 38, 86, 98, 135, 148, 400 Strategiekrise – Krisenstadium 478 ff. SWOT Analyse 431 249

Stichwortverzeichnis

Szenarien 211, 825, 868 ff. Szenariotechnik 825

Unternehmensanalyse 682 Unternehmensplanung – als Tatsache 205 ff. – Fortbestehensprognosen und Sanierungsgutachten 45 ff. – in der Rechtsprechung 33 ff., 60 – Planungszyklus 910 ff.

250

Vermögen – Verkauf 533 Vertretbarkeit 52, 63, 400, 725

Wahrscheinlichkeit 188 ff. Werttreiber 635 ff. Wettbewerbsvorteile 422 ff. Zahlungsmodalitäten

254 ff., siehe auch Honorarvereinbarung