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German Pages 288 Year 2019
Nickert/Kühne Unternehmensplanung in Krise und Insolvenz
RWS-Skript 379
Unternehmensplanung in Krise und Insolvenz
2., neu bearbeitete Auflage
von Cornelius Nickert, Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Insolvenzund Steuerrecht, CVA (Certified Valuation Analyst), Offenburg Matthias Kühne, Rechtsanwalt, Betriebswirt (IWW), Fachanwalt für Insolvenzrecht, CVA (Certified Valuation Analyst), Offenburg
RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH Köln
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Vorwort zur 2. Auflage Die Unternehmenssanierung gewinnt wieder an Bedeutung. Die fetten Jahre scheinen vorbei zu sein. Gleichzeitig hat sich der Einsatz von Sanierungsmaßnahmen intensiviert. Mehr denn je wird versucht, insbesondere auch mit den Sanierungsmöglichkeiten des ESUG, Unternehmen wieder fit für die Zukunft zu machen. Alle Pläne und Konzepte sind marginal, wenn sie sich nicht tatsächlich durchführen lassen. Dieser entscheidende Test für das Unternehmen, die Gesellschafter und die Stakeholder erfolgt über die Planverprobungsrechnung. In diesem Rahmen ist zu berücksichtigen, dass auch die beste Planung unsicher ist, weil niemand in der Lage ist, die Zukunft verlässlich vorherzusagen. Wir haben versucht, in der 2. Auflage den Anforderungen der Planungsrechnung in Krise, Sanierung und Insolvenz gerecht zu werden. Insbesondere haben wir versucht, die Bedeutung der Unsicherheit greifbar zu machen und Ansätze aufzuzeigen, wie intersubjektiv nachprüfbar mit der Ungewissheit einer Planung bzw. Prognose umgegangen werden kann. Dies hat nicht nur Auswirkung auf die Planung, sondern insbesondere auch auf die Prognose und damit nicht zuletzt auf die Ermittlung etwaiger Insolvenzgründe. Unser ganz besonderer Dank gilt Frau Magdalena Zander und Herrn Markus Sauerwald, die die 2. Auflage verlagsseitig professionell begleitet haben. Frau Zander hat das kurzfristige Erscheinen nach Abgabe des Manuskripts durch Ihren unermüdlichen Einsatz möglich gemacht. Daneben bedanken wir uns ganz besonders für die Geduld des Verlages, insbesondere von Herrn Sauerwald, die immer dann erforderlich ist, wenn ein Praktiker im volatilen Umfeld nebenher eine Veröffentlichung be- oder überarbeiten soll. Das Werk befindet sich auf dem Rechtsstand von Dezember 2018. Wir hoffen, dass die 2. Auflage gut angenommen wird und freuen uns auf eine anregende Diskussion sowie auf konstruktive Kritik.
Offenburg, im Februar 2019
Cornelius Nickert Matthias Kühne
V
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
Vorwort ............................................................................................................ V Literaturverzeichnis ...................................................................................... XI A. Planungsanlässe ........................................................................... 1 ........ 1 I.
Pflicht zur Unternehmensplanung? .......................................... 13 ........ 3
II. Krise bzw. Sanierung .................................................................. 23 ........ 4 III. Insolvenzverfahren ..................................................................... 27 ........ 5 B. Adressat einer Planungsrechnung ........................................... 32 ........ 7 C. Unternehmensplanung in der Rechtsprechung .................... 34 ........ 9 I.
OLG Celle, Urt. v. 23.10.2003 – 16 U 199/02, ZIP 2003, 2118 ............................................................................................. 37 ...... 10
II. OLG Köln, Urt. v. 24.9.2009 – 18 U 134/05, GmbHR 2010, 251 ...................................................................... 41 ...... 11 III. ARAG/Garmenbeck: BGH, Urt. v. 21.4.1997, DB 1997, 1068 ............................................................................. 43 ...... 13 IV. BGH, Urt. v. 6.6.1994, ZIP 1994, 1103 ..................................... 46 ...... 13 V. Anforderungen der Rechtsprechung an Fortbestehensprognosen und Sanierungsgutachten ................................................ 47 ...... 14 VI. Sonstige Entscheidungen zur Unternehmensplanung ............. 63 ...... 17 D. Planungsarten und -methoden ................................................ 70 ...... 19 I.
Reine Ertragsplanung/Rentabilitätsvorschau ............................ 83 ...... 21
II. Reine Liquiditätsrechnung ......................................................... 88 ...... 25 III. Integrierte Planung ..................................................................... 91 ...... 26 IV. Konzern- bzw. Gruppenplanung oder Stand-alone-Ansatz .... 98 ...... 28 V. Szenarioplanung/Simulation .................................................... 101 ...... 28 E.
Planungshandbuch .................................................................. 110 ...... 31
VII
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
F.
Projektmanagement ................................................................ 166 ...... 45
I.
Ablauf einer Planung ................................................................ 176 ...... 47
II. Einbettung des Planungsprozesses in die Sanierung .............. 183 ...... 48 III. Informationsgewinnung und Anforderungen an die Qualität der Informationen ..................................................... 187 ...... 49 IV. Unternehmensplanung als Tatsache i. S. d. § 286 ZPO und Gewissheit i. S. d. ZPO? ................................................... 221 ...... 59 1. Unternehmensplanung als Tatsache i. S. d. § 286 ZPO ......................................................................... 222 ...... 59 2. Gewissheit i. S. d. § 286 ZPO ........................................... 242 ...... 63 V. Person des Planungserstellers .................................................. 251 ...... 65 G. Auftrag und Honorarvereinbarung ...................................... 265 ...... 69 I.
Auftragsinhalt und Verantwortlichkeiten ............................... 267 ...... 69
II. Aufgabendefinition ................................................................... 273 ...... 71 III. Honorarvereinbarung und Zahlungsmodalitäten ................... 280 ...... 72 IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters .................. 1. Haftungsvereinbarung und Haftungsbegrenzung .......... 2. Haftung des Beraters/Planerstellers ................................ 3. Haftung aus Delikt ........................................................... 4. Bestätigungsvermerk in den Berichten ............................ 5. Beweisanzeichen für eine Krise ........................................
292 292 304 364 385 389
...... ...... ...... ...... ...... ......
76 76 79 94 98 99
H. Planungsgrundsätze ................................................................ 395 .... 101 I.
GoP (Unternehmensplanung) ................................................. 401 .... 103
II. IDW S 6 (Sanierung) ................................................................ 418 .... 106 III. ISU Grundsätze (Grundsätze ordnungsgemäßer Sanierungskonzepte, MaS) ....................................................... 427 .... 108 IV. Generelle Anforderungen der Banken .................................... 430 .... 108 I.
Analyse ..................................................................................... 444 .... 113
I.
Darstellung, Analyse und Beurteilung des Geschäftsmodells ...................................................................................... 446 .... 113
II. Leitbild des sanierten Unternehmens ...................................... 453 .... 114 III. Beschreibung der wesentlichen Geschäftsfelder des Unternehmens .......................................................................... 457 .... 115 1. Beschreibung der Unternehmensstrukturen ................... 460 .... 116 VIII
Inhaltsverzeichnis Rn.
2.
Seite
Beschreibung von Wettbewerbsvorteilen und Wettbewerbsstrategien ..................................................... 466 .... 118
IV. Externe Analyse ........................................................................ 471 .... 120 V. Interne Analyse ......................................................................... 492 .... 125 VI. Feststellung des Krisenstadiums .............................................. 1. Feststellungen zur Stakeholderkrise ................................ 2. Feststellungen zur Strategiekrise ..................................... 3. Feststellungen zur Produkt- und Absatzkrise ................ 4. Feststellungen zur Erfolgskrise ........................................ 5. Feststellungen zur Liquiditätskrise .................................. 6. Feststellungen zur Insolvenzreife ....................................
523 526 529 532 535 537 539
.... .... .... .... .... .... ....
130 130 131 132 133 133 134
J.
Maßnahmen definieren .......................................................... 540 .... 135
I.
Überwindung der Insolvenz .................................................... 547 .... 136
II. Vermeidung der Insolvenz ....................................................... 548 .... 136 III. Überwindung der Liquiditätskrise ........................................... 1. Exkurs: Interne Maßnahmen ............................................ a) Kapitalerhöhung/vereinfachte Kapitalherabsetzung .. b) Gesellschafterdarlehen .............................................. c) Patronatserklärungen ................................................ d) Verkauf von nicht betriebsnotwendigem Vermögen ................................................................... e) Sale and Lease Back ................................................... f) Factoring .................................................................... g) Sanierende Eingriffe in die Struktur des Unternehmens ........................................................... 2. Externe Maßnahmen ......................................................... a) Aufnahme neuer Gesellschafter ................................ b) Beiträge der Gläubiger ............................................... c) Die Banken als Gläubiger mit herausgehobener Stellung ....................................................................... d) Mezzanine-Kapital .....................................................
552 554 556 576 580
.... .... .... .... ....
137 137 138 142 143
584 .... 144 585 .... 144 586 .... 144 587 600 600 606
.... .... .... ....
145 147 147 148
659 .... 158 668 .... 160
IV. Überwindung der Erfolgskrise ................................................ 677 .... 161 V. Überwindung der Produkt- und Absatzkrise ......................... 679 .... 162 K. Integrierte Sanierungsplanung .............................................. 760 .... 175 I.
Darstellung der Problem- und Verlustbereiche ...................... 763 .... 175
II. Darstellung der Maßnahmeneffekte ........................................ 764 .... 175 III. Praktische Umsetzung ............................................................. 768 .... 176
IX
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
IV. Wann dürfen Maßnahmen in der Planungsrechnung berücksichtigt werden? ............................................................ 778 .... 178 V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung ............ 785 .... 180 L.
Erstellen der Planungsrechnung ........................................... 892 .... 205
I.
Basisbilanz ................................................................................. 919 .... 210
II. Ertragsplanung .......................................................................... 932 .... 213 1. Direkte Insolvenzkosten .................................................. 968 .... 219 2. Indirekte Insolvenzkosten ................................................ 970 .... 219 III. Bilanzplanung ........................................................................... 991 .... 232 IV. Liquiditätsplanung .................................................................... 999 .... 233 V. Aufbau der Unternehmensplanung und Planungszyklus .... 1003 .... 234 VI. Erfordernis eines Sicherheitspuffers ...................................... 1008 .... 235 M. Plausibilisierung der Planung .............................................. 1014 .... 237 I.
Formelle Plausibilisierung ...................................................... 1019 .... 238
II. Materielle Plausibilisierung .................................................... 1020 .... 238 N. Planungsfehler ....................................................................... 1027 .... 241 O. Sanierungscontrolling .......................................................... 1029 .... 243 P.
Berichterstattung und zusammenfassende Schlussbemerkung ................................................................. 1038 .... 245
I.
Auswahl des Gutachters ......................................................... 1049 .... 248
II. Auftrag .................................................................................... 1053 .... 248 III. Adressaten des Gutachtens .................................................... 1054 .... 248 IV. Bestandsaufnahme .................................................................. 1055 .... 249 V. Maßnahmen und Annahmen ................................................. 1057 .... 249 VI. Management ............................................................................ 1059 .... 250 Q. Zusammenfassende Checkliste ............................................ 1062 .... 251 R. Glossar ................................................................................................... 255 Stichwortverzeichnis ................................................................................... 263
X
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XX
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A. Planungsanlässe Die Aufgabe eines Unternehmens ist es, einen Versorgungsauftrag außerhalb 1 des Unternehmens zu erfüllen. Das Unternehmen existiert nicht um seiner selbst willen, sondern um eben diesen Zweck zu erfüllen. Dabei muss das Unternehmen Gewinn machen, denn Gewinne, so Drucker, sind die Kosten des Überlebens. Drucker, Management Bd. 1, S. 158 ff.
Um den Versorgungsauftrag zu erledigen und um Gewinne zu machen, muss 2 das Unternehmen zuerst einmal überleben oder überlebensfähig sein. Die Unternehmensplanung dient dazu, die zur Erreichung des Ziels erforder- 3 lichen Maßnahmen zu strukturieren. „Im vorliegenden Kontext ist ein Plan (lateinisch „planus“ = deutlich, klar) die Vorstellung einer zukünftigen Handlungsabfolge, eines Vorhabens, Projekts oder Programms“. Wagner, Lexikon Wirtschaft – Unternehmensplanung, DATEV LX 2299310.
Unterteilt wird die Unternehmensplanung dabei in die strategische und die 4 operative Planung. Die strategische Planung ist eher global, visionär und vor allem längerfristig ausgerichtet. Hierzu wird das Unternehmen in seinem Geschäftsfeld und im Wettbewerb analysiert und aufbauend auf den relevanten Trends und Entwicklungen, vor allem aber auf den Kernkompetenzen des Unternehmens die künftige Ausrichtung beschlossen. Nickert/Kühne, InsBüro 2014, 500 ff.; vgl. auch für kleinere KMU den INQA-Unternehmenscheck der Offensive Mittelstand unter http://www.offensive-mittelstand.de.
Aufgrund des längeren Planungshorizonts der strategischen Planung werden 5 die zur Erreichung der Ziele geplanten Maßnahmen in Zwischenetappen mit Zwischenzielen unterteilt. Die strategische Planung ist aufgrund der längerfristigen Perspektive eher verbal/qualitativ als quantitativ ausgestaltet. Gleichwohl beinhaltet eine solche strategische Planung auch Zahlen, wie z. B. die Forderung von Josef Ackermann nach 25 % Eigenkapitalrendite für die Deutsche Bank. Diese strategische Planung kann man mit dem Leitbild des sanierten Unternehmens i. S. d. IDW S 6 (Tz. 90 ff.) umschreiben. Bei der operativen Planung werden an Stelle von abstrakten übergeordneten 6 Zielen konkrete eher kurz- und mittelfristige Maßnahmen definiert, um die Ziele der strategischen Planung zu erreichen. Diese geplanten Maßnahmen und die bereits beschlossenen bzw. in Umsetzung befindlichen Maßnahmen werden dann als Ergebnis der Unternehmensplanung in einer sog. Planverprobungsrechnung verdichtet. Gerade der letzte Schritt zeigt dann die monetären Folgen einer Unternehmensplanung auf. Durch Weglassen oder Hinzufügen einer Maßnahme bzw. durch Veränderung sonstiger Parameter (z. B.
1
A. Planungsanlässe
Lohnkostensteigerung) können dann verschiedene „Szenarien“ der Unternehmensplanung aufgezeigt werden. Insoweit dient die Unternehmensplanung zur Bewertung und zur Auswahl von Maßnahmen; sie dient also der Entscheidungsvorbereitung bei Ungewissheit. Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297 ff.
7 Besonders bedeutsam wird die Aufgabenstellung in der Krise bzw. Insolvenz der Gesellschaft: Zunächst einmal sind die in Betracht kommenden Maßnahmen danach auszusuchen, welche dem Unternehmen zur durchgreifenden Sanierung verhelfen. Aufgrund der regelmäßig gegebenen geringen Ressourcen muss die Auswahl hier sehr sorgfältig auf Basis eines Plans erfolgen. Dabei müssen verschiedene Alternativen gegeneinander abgewogen werden. Die Abwägung erfolgt dabei nicht nur in Bezug auf Liquidität und/oder Rentabilität, sondern auch in Bezug auf die der Planung innewohnende Ungewissheit. Nickert/Schilling, InsBüro 2017, 51 ff., 105 ff.
8 Auch für die Gläubiger und die Gesellschafter dient die Unternehmensplanung zur Entscheidungsvorbereitung: So entscheiden die Gesellschafter auf Basis einer solchen Planung, ob sie gewährte Mittel – im Rahmen der Möglichkeiten – abziehen, stehen lassen oder noch neue Mittel zur Verfügung stellen. Selbiges gilt für die Gläubiger. 9 Bei der Vergabe von Sanierungskrediten hat die Rechtsprechung für Kreditinstitute eine weitergehende Verpflichtung zur Vornahme einer besonderen Prüfung der nachhaltigen Überlebensfähigkeit bei der Vergabe von Sanierungskrediten entwickelt. Ohne ein Sanierungskonzept und eine positive Fortbestehensprognose „aufgrund einer sachkundigen und sorgfältigen Prüfung der Lage des Schuldners und besonders der Geschäftsaussichten …“ läuft das Kreditinstitut bei einem späteren Fehlschlag der Sanierung Gefahr, mit Schadensersatz- und Rückgewähransprüchen aus den §§ 138 und 826 BGB konfrontiert zu werden. BGH, Urt. v. 8.2.1956 – IV-ZR-242/52, BGHZ 10, 228.
10 Auch die Beurteilung der Insolvenzgründe hängt maßgeblich, wenn nicht sogar ausschließlich, von der Unternehmensplanung ab: Die Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit baut auf einer statischen Stichtagsliquidität ab, die dann in die Zukunft fortentwickelt, also geplant wird. Selbiges gilt für die drohende Zahlungsunfähigkeit, bei der sich lediglich der Planungszeitraum verlängert. Da die Beurteilung der Fortbestehensprognose im Rahmen der Überschuldungsprüfung letztlich der Beurteilung der drohenden Zahlungsunfähigkeitsprüfung ist, hat die Unternehmensplanung auch unmittelbare Auswirkung auf den Insolvenzgrund der Überschuldung. Wer also dokumentieren möchte oder sogar muss, dass ein Insolvenzgrund nicht besteht, kommt an einer Unternehmensplanung nicht vorbei. Allerdings ist bereits an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die Insolvenzgründe auf Grundlage einer Prognose
2
I. Pflicht zur Unternehmensplanung?
zu ermitteln sind. Gegebenenfalls ist die Planung in eine Prognose zu überführen. Nickert/Kühne, ZInsO 2017, 2405 ff.
Die Unternehmensplanung hat aber noch weitere Anwendungsbereiche. So 11 dient sie im Rahmen der Unternehmensbewertung als Basis für den sog. Zukunftserfolgswert. Vgl. Nickert, in: FS Haarmeyer, S. 175 ff., 186 ff. = ZInsO 2013, 1722.
Das Organ, das ein Unternehmen oder eine Beteiligung veräußert, wird sich 12 zuvor einen angemessenen Überblick über den Unternehmenswert auf Basis eines Zukunftserfolgs gemacht haben. Denn es kann sich nur enthaften, wenn der realisierte Preis über dem subjektiven Nutzen des Festhaltens am Unternehmen oder an der Beteiligung liegt (sog. Grenzpreis). Selbstverständlich gilt dies auch für den Insolvenzverwalter. OLG Rostock, Urt. v. 8.4.2011, NZI 2011, 488 = ZInsO 2011, 1511 (rkr., BGH, Beschl. v. 16.5.2013 – IX ZR 60/11).
I. Pflicht zur Unternehmensplanung? Gerade in der Krise ist also eine Unternehmensplanung unerlässlich. Davon 13 unabhängig stellt sich die Frage, ob es eine allgemeine Pflicht zur Erstellung einer Unternehmensplanung gibt. Eine gesetzliche Norm, in der dies generell geregelt ist, existiert nicht; es gibt also kein klares gesetzliches Gebot zur Einrichtung einer Unternehmensplanung. Jedoch mittelbar gibt es gesetzliche Konkretisierungen, die teilweise von der 14 Verpflichtung zur Planung ausgehen. So regelt § 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG, dass der Vorstand dem Aufsichtsrat über die „beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung zu berichten hat. Ein solcher kann nur bei Vorliegen einer Unternehmensplanung angenommen werden. Vgl. Hüffer, AktG, § 90 Rn. 4 ff., § 111 Rn. 13 ff.
Allerdings folgt nach h. M. die Verpflichtung zur zukunftsorientierten Über- 15 wachung nicht aus § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG, sondern aus den allgemeinen Leitungspflichten gemäß §§ 76 Abs. 1 und 93 Abs. 1 Satz 1 AktG. Hüffer, AktG, § 90 Rn. 4a.
In § 91 Abs. 2 AktG ist ferner die Verpflichtung zur Einrichtung eines Risiko- 16 früherkennungssystems statuiert. Das Risikofrüherkennungssystem soll Bestandsgefährdungen aufzeigen. Unter solchen versteht man nachteilige Veränderungen auf die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage der Aktiengesellschaft, sofern sie sich wesentlich auswirken können. Eben diese Wesentlichkeit kann erst ermittelt und aufgezeigt werden, wenn die Bestandsgefährdungen in der Planungsrechnung aufgezeigt werden. Vgl. Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, S. 450 ff.
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A. Planungsanlässe
17 Für Unternehmen, die einen Lagebericht zu erstellen haben, muss nach § 289 HGB die Unternehmensplanung in ihrer Ausprägung und in ihrer Planungssicherheit so qualifiziert sein, dass sie als Grundlage für den Prognose- und Risikobericht dienen kann. Gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB muss der Kaufmann prüfen, ob die Beibehaltung der Fortführungsprognose im Rechnungswesen vertretbar ist. Hilfsmittel hierzu ist u. a. die Unternehmensplanung. 18 Im insolvenznahen Bereich sind die Insolvenzgründe bei qualifizierten Rechtsträgern zu prüfen, weil hier eine Insolvenzantragspflicht besteht. Die Insolvenzgründe können aber regelmäßig nur prognostisch überprüft werden, da sowohl die (drohende) Zahlungsunfähigkeit als auch die Fortbestehensprognose von der sachgerechten Abschätzung der künftigen Entwicklung abhängen. Dieser Abschätzung liegt aber regelmäßig eine Unternehmensplanung zugrunde. 19 Zuletzt gibt es vermehrt Stimmen, die die Einrichtung einer Planungsrechnung als Ausprägung der Leitungspflicht und damit als allgemeine Sorgfaltspflicht ansehen. Vgl. Groß/Amen, WPg 2003, 1161; Hüffer, AktG, § 90 Rn. 4a.
20 Überwiegend wird davon ausgegangen, dass das Gebot der Einrichtung eines Früherkennungssystems auch auf die GmbH und damit auch auf die GmbH & Co. KG übertragbar ist. Vgl. Bork, ZIP 2011, 101, 105; Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 96; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 33 m. w. N., str.
21 Da aber in einem Risikomanagementsystem alle Chancen und Risiken zu einem Gesamtwert verdichtet werden, müssen die Aussagen in einer Unternehmensplanung einfließen. Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, S. 275 ff. und 440 ff.
22 Erst und nur dieser Schritt ermöglicht es, die Entscheidung vorzubereiten, indem „gute“ von „schlechten“ Risiken unterschieden werden. Man wird also heute davon ausgehen müssen, dass die Verpflichtung zur Unterhaltung einer Unternehmensplanung rechtsformübergreifend dann gilt, sobald keine natürliche Person Vollhafter ist. II. Krise bzw. Sanierung 23 Die Planungsanlässe sind vielschichtig. Im Vordergrund stehen in der Krise die Wiederherstellung der Überlebensfähigkeit und die Haftungsvermeidung der Organe durch den Ausschluss von Insolvenzgründen. Zuerst wird der Geschäftsführer bzw. Vorstand durch die Planung darlegen, dass die Zahlungsfähigkeit gesichert ist, mithin keine Zahlungsunfähigkeit besteht oder droht (Fortbestehensprognose). Ferner wird er durch die Darstellung der geplanten Maßnahmen in der Unternehmensplanung darlegen, dass die Maßnahmen durchführbar sind und zum Wiedererlangen der Überlebensfähigkeit führen.
4
III. Insolvenzverfahren
Für Organe dient die Unternehmensplanung (gerade in der Krise) auch zur 24 Entscheidungsvorbereitung bzw. im Nachgang zur Rechtfertigung der getroffenen Maßnahmen, insbesondere z. B. einer Des- oder Investitionsentscheidung oder eines Stilllegungsbeschlusses. Als Planverprobungsrechnung ist die Unternehmensplanung wesentlicher 25 Bestandteil eines Sanierungskonzepts und dient z. B. den Kreditinstituten als wesentliche Grundlage etwaiger Finanzierungsentscheidungen. Grundsätzlich ist die Unternehmensplanung als Steuerungstool für das Con- 26 trolling und damit auch für das Sanierungscontrolling anerkannt. III. Insolvenzverfahren Im (eröffneten) Insolvenzverfahren kann sich der Insolvenzverwalter durch 27 eine Planungsrechnung dahingehend exkulpieren, dass er keine Masseverbindlichkeiten begründet hat, die er erkennbar zum Fälligkeitszeitpunkt nicht bedienen kann, § 61 Satz 2 InsO. BGH, Urt. v. 20.7.2017 – IX ZR 310/14; BGH, Urt. v. 17.12.2004 – IX ZR 185/03, ZIP 2005, 311 = ZInsO 2005, 205.
Darüber hinaus ist eine Planungsrechnung eine gesetzlich vorgeschriebene 28 Plananlage im Insolvenzplanverfahren, wenn der Plan die Befriedigung der Gläubiger aus künftigen Erträgen vorsieht. Erst die Planverprobungsrechnung zeigt auf, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen Aussicht auf Erfolg haben. Im Rahmen der Insolvenzplanerstellung wird durch die Planung dokumen- 29 tiert, dass die Befriedigung aus künftigen Mitteln möglich ist. Auch ist die Vergleichsrechnung, ob die Gläubiger im Plan besser stehen, eine Unternehmensplanung zweier Szenarien: Planszenario vs. Abwicklung in der Regelinsolvenz. Zuletzt wird der Insolvenzverwalter durch Vorhalten einer Unternehmens- 30 planung dokumentieren, dass er zu dem Zeitpunkt gutgläubig war, als er Masseverbindlichkeiten eingegangen ist, § 61 Satz 2 InsO. Heitzmann, in: HambKomm-InsO, § 61 Rn. 14 ff.
Für Gläubiger ist die Planung eine wesentliche Entscheidungsgrundlage, ob 31 sie einem Insolvenzplan oder dem Verkauf des Unternehmens zustimmen oder alternativ das Unternehmen schließen lassen.
5
B. Adressat einer Planungsrechnung Aus dem Planungsanlass folgt, wer Adressat der Unternehmensplanung ist. 32 In jedem Fall ist der Unternehmer bzw. sind die Organe und die Anteilseigner Adressaten der Unternehmensplanung. Jeder Planer muss sich klarmachen, wer der künftige Leser der Unternehmensplanung ist. Unterschiedliche Adressaten haben nämlich unterschiedliche Anforderungen und Wünsche an den Planungsbericht. Als Leser kommen in Betracht: x
Insolvenzverwalter
x
Gläubigerausschuss
x
Geschäftsführer, Vorstand
x
Gesellschafter, Aufsichtsrat
x
Gerichte
x
Banken, Warenkreditversicherer
x
Jahresabschlussprüfer
x
Lieferanten und sonstige Gläubiger
Die Organe versuchen zunächst eine für das Unternehmen gute Entscheidung 33 vorzubereiten und damit gleichzeitig ihre eigene Haftung zu vermeiden. Das heißt als Mindestanforderung dürfte die Dokumentation des Ausschlusses etwaiger Insolvenzgründe bestehen. Für die Anteilseigner stellt sich ebenso wie für die Vertragspartner die Frage, ob und inwieweit das Unternehmen fortgeführt werden kann, ob die Leistungen aus künftigen Geschäftsbeziehungen hinreichend sicher sind und ob es für die Gesellschafter sinnvoll ist, eine Kapitalerhöhung vorzunehmen. Die Insolvenzgläubiger möchten das Erfolgspotential aus einer Fortführung bzw. aus einer Unternehmensveräußerung aufgezeigt wissen, wobei ein potentieller Absonderungserlös an die Absonderungsgläubiger ersichtlich sein sollte. D. h. jeder Beteiligte untersucht die Planung aus seiner Perspektive. Daher muss sich der Planer gut überlegen, was mit der Planung aufgezeigt werden soll. Ziel des Planungsberichts muss es daher sein, die zu erwartenden Rückfragen vorwegzunehmen, sodass die Leser des Planungsberichts sämtliche Fragen geklärt bekommen.
7
C. Unternehmensplanung in der Rechtsprechung Die Rechtsprechung zur Unternehmensplanung ist nicht üppig. Die Recht- 34 sprechung hatte in der Vergangenheit wenig Gelegenheit, sich mit der Unternehmensplanung zu beschäftigen. Im Wesentlichen stammen die Urteile aus dem Bereich der Unternehmensbewertung (z. B. aus Spruchverfahren), der Besteuerung und in wenigen Urteilen zur deliktischen bzw. Organhaftung. Dort sind allerdings Tendenzen zu erkennen, den abzufindenden Minderheitsaktionären aufgrund des zwangsweisen Ausscheidens eher höhere Abfindungen zuzusprechen. Dies führt bei Fragen der Unternehmensbewertung tendenziell zu höheren Ergebnissen. Ob dies für Fragen der Krise bzw. Insolvenz übertragbar ist, scheint fraglich, zumal hier der Gläubigerschutz zumindest bei haftungsbeschränkten Gesellschaften dominiert. Dies ändert aber grundsätzlich nichts daran, dass die Entscheidungen insoweit vergleichbar sind, als das „Handwerkszeug“ der Planung in beiden Fällen identisch ist. Die Frage des Schutzbedarfs dürfte dann eine Frage der Beweislast oder der sekundären Behauptungslast sein. Gleichwohl ist es wichtig, das wesentliche Substrat dieser Entscheidungen herauszufiltern um darauf aufbauend Handlungsempfehlungen abzuleiten. Weitere Rechtsprechung ergibt sich zur Frage nach der Sanierungsfähigkeit 35 einer Unternehmung. Diese Frage spielt eine wesentliche Rolle bei der Prüfung der Insolvenzgründe (Fortbestehensprognose) und bei der Prüfung der Anfechtungsvoraussetzungen des § 133 InsO, insbesondere, ob ein taugliches Sanierungskonzept vorliegt. Ein solches Sanierungskonzept ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung beachtlich, wenn es x
den Fortführungswillen des Schuldners bzw. seiner Organe erkennen lässt und
x
ein in sich schlüssiges Konzept ist, –
das die Bereinigung sämtlicher Verbindlichkeiten des Schuldners und seine dauerhafte wirtschaftliche Stabilisierung in überschaubarer Zeit zum Ziel hat,
–
das von den erkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht,
–
sich insbesondere auf konkret benennbare, nachvollziehbare Umstände stützt,
–
die wirtschaftliche Lage des Schuldners im Rahmen seiner Wirtschaftsbranche analysiert und die Krisenursachen sowie die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage erfasst,
–
das nicht offensichtlich undurchführbar ist und auf der Seite des Schuldners im maßgeblichen Zeitpunkt ernsthafte und begründete Aussichten auf Erfolg rechtfertigt,
9
C. Unternehmensplanung in der Rechtsprechung
–
das von einem unvoreingenommenen, branchenkundigen Fachmann stammt, dem die vorgeschriebenen oder üblichen Buchhaltungsunterlagen zeitnah vorliegen, und
–
das jedenfalls in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt ist. BGH, Urt. v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248; BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 52/10, ZIP 2013, 894; BGH, Urt. v. 21.11.2005 – II ZR 277/03, ZIP 2006, 279; Ganter, NZI 2014, 673, 678.
36 Die einzelnen Anforderungen können wie folgt skizziert werden: I. OLG Celle, Urt. v. 23.10.2003 – 16 U 199/02, ZIP 2003, 2118 37 Das OLG Celle hat in einer viel beachteten Entscheidung die rechtlichen Anforderungen an betriebswirtschaftliche Beratungsleistungen umrissen: „Es handelt sich um eine einfache Beschreibung von augenfälligen Tatsachen sowie um eine Fassung und Neudarstellung von den dem Unternehmer schon bekannten Zahlen. Für den Unternehmer ist das Gutachten völlig wertlos, um seine Situation besser zu erkennen und auch vollständig ungeeignet, um konkrete betrieblich realisierbare Maßnahmen zur Verbesserung der Situation oder zur Sanierung des Unternehmens erfolgreich zu entwickeln. …… Die Analyse ist nicht nach den allgemein anerkannten Regeln der Betriebswirtschaft gefertigt. Sie entspricht weiterhin nicht den Richtlinien für die Bezuschussung von Unternehmensberatungen durch das Bundesministerium für Wirtschaft, in dessen Ziffer 4.3.1 es u. a. heißt, dass bei allgemeinen Beratungen der Bericht auf der Grundlage des Beratungsauftrages eine Analyse der Situation des beratenen Unternehmens, der im Einzelnen ermittelten Schwachstellen, konkrete Verbesserungsvorschläge sowie eine detaillierte Anleitung zur Umsetzung in die betriebliche Praxis enthalten soll. Im Analysebericht sind weder im Einzelnen die ermittelten Schwachstellen noch konkrete Verbesserungsvorschläge enthalten. … Darüber hinaus enthält die Analyse handwerkliche Mängel. Beispielsweise wird zu Jahresende 1999 ein Negativkapital von 245.999 DM ausgewiesen, im Status vier Monate später stehen 257.000 DM Eigenkapital, ohne dass erklärt wird, woher diese Verbesserung um mehr als eine halbe Million DM kommt. … Der Sachverständige führt zu den Anregungen des Mitarbeiters der Klägerin zur Betriebsfortführung aus, es handele sich um nichts weiter als Schlagworte, die in dieser Form wertlos seien. Die einzelnen Punkte hätten in einem Maßnahmenplan ausgearbeitet und durch eine Kosten Nutzen Analyse ersetzt werden müssen. Insgesamt heißt es in dem Gutachten (Seite 9), der Bericht bestehe fast nur aus Schlagworten und Arbeitsplänen, enthalte viele Wiederholungen und Hinweise, es fehlten aber wesentliche Tätigkeiten, die zur Auftragserfüllung notwendig gewesen wären. Dies gelte insbesondere für den Wettbewerb, der überhaupt nicht erwähnt werde, Marketingmaßnahmen würden oberflächlich und schlagwortartig angedeutet, der Hinweis, Grundstücke sollten verkauft werden, um Liquidität zu erhalten, sei unbrauchbar, weil nicht gesagt werde, aus welchen Gründen welche Grundstücke verkauft werden sollten und ob das angesichts der vermutlich mit Grundpfandrechten belasteten Immobilien überhaupt möglich sei.“
38 Aus diesem Urteil kann abgeleitet werden, dass eine betriebswirtschaftliche Beratungsleistung folgende Mindestbestandteile enthalten muss: x 10
Allgemeine Unternehmensanalyse
II. OLG Köln, Urt. v. 24.9.2009 – 18 U 134/05, GmbHR 2010, 251
x
Wettbewerbsanalyse
x
SWOT-Analyse
x
Kennzahlenanalyse mit Lagebeurteilung
x
Banken- bzw. Verbindlichkeitenspiegel mit Sicherheitenspiegel
x
Maßnahmenplan mit Kosten-Nutzen-Analyse
x
Marketingmaßnahmen
x
Planverprobungsrechnung
Letztlich muss sich der Berater an die einschlägigen Berufsstandards halten. 39 Der damalige Standard dürfte wegen des Zeitfortschritts nur noch einen rudimentären Anhaltspunkt geben. Zwar verlangt die Rechtsprechung nicht die Anwendung der berufsständischen Standards. BGH, Urt. v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235.
Gleichwohl halten wir die Orientierung am IDW S 6 und an den Grundsät- 40 zen ordnungsgemäßer Planungsrechnung des Bunds Deutscher Unternehmensberater (GoP 2.1) für unerlässlich, um eigene Haftungsrisiken zu vermeiden. Insbesondere die Beantwortung der Frage nach der künftigen Rentabilität ist zwar nicht vom BGH gefordert, hat aber eine große Auswirkung auf die Entscheidung, z. B. der Eigenkapitalgeber, ob sie in der Krise zu weiteren Kapitalzufuhren bereit sind. II. OLG Köln, Urt. v. 24.9.2009 – 18 U 134/05, GmbHR 2010, 251 In einer weiteren viel zitierten Entscheidung hatte sich das OLG Köln mit 41 der Sanierungsfähigkeit eines Unternehmens, damals zur Frage des Kapitalersatzrechts, zu befassen. Es hat dabei folgende Anforderungen bzw. Grundsätze aufgestellt: „Nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen L setzt ein Sanierungskonzept im Wesentlichen Folgendes voraus: •
Beschreibung des Unternehmens
•
Analyse des Unternehmens
•
Krisenursachenanalyse
•
Lagebeurteilung
•
Leitbild des sanierten Unternehmens
•
Maßnahmen zur Sanierung des Unternehmens
•
Planverprobungsrechnung
Dies entspricht den Anforderungen, die der Dachausschuss Recht des Instituts der Wirtschaftsprüfer 1991 an ein Sanierungsgutachten gestellt hat (vgl. Gutachten L, S. 23) und das in dieser Form auch im Schrifttum dargestellt wird
11
C. Unternehmensplanung in der Rechtsprechung (Maus, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 2. Aufl., 1999, S. 238). … In Wahrheit handelt es sich bei den dargestellten Prüfpunkten um eine Zusammenfassung einleuchtender Vernunfterwägungen, die bei jeder geplanten Sanierung angestellt werden müssen. Es enthält nach den zutreffenden Feststellungen des Sachverständigen L keine Einleitung bzw. als Basis keine Beschreibung der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der zu sanierenden Unternehmensgruppe. Ein sachverständiger Dritter ist, wie der Sachverständige mit Recht hervorhebt, nicht in der Lage, sich aus dem Gutachten das diesem Papier zugrunde liegende Basis-Mengengerüst anzulesen und zu erarbeiten, um die Plausibilität der Annahmen und darauf aufbauend die Folgerichtigkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen bzw. des Sanierungskonzepts zu beurteilen. Des Weiteren fehlt dem Gutachten C, wie der Sachverständige auf S. 28 seiner Stellungnahme hervorhebt, die erforderliche Krisenursachenanalyse. Stärken und Schwächen des Unternehmens werden nicht überschaubar herausgearbeitet. Es handele sich immer nur um allgemeine Aussagen und es werde mit pauschalierten Begriffen gearbeitet wie etwa „erwartete Nachfrage- und Umsatzsteigerung“, „Senkung der Entsorgungskosten durch Optimierung des Stoffstrom-Managements“ und „Verbesserungspotential in der Nutzung von Verbundeffekten“. Das Leitbild des sanierten Unternehmens, mithin das Ziel aller auf die Sanierung gerichteten Bemühungen, wird im Gutachten C nicht konkret herausgearbeitet. Was die einzelnen Unternehmen zu bieten haben in dem Sinne von produktbezogenen, marktbezogenen oder funktionalen Erfolgspotentialen, wird nach den vom Sachverständigen L überzeugend vermittelten Erkenntnissen in der Bankenpräsentation nicht dargestellt. Die von C vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen, die im Sanierungskonzept in ihrem Zusammenhang beschrieben und hinsichtlich ihrer beabsichtigten Auswirkungen verdeutlicht werden müssen, sind nach den Ausführungen des Sachverständigen L im Gutachten C sehr global gehalten, was der Sachverständige auf S. 40 ff. seines Gutachtens anhand einer beachtlichen Anzahl von Beispielen, auf deren nähere Darstellung verwiesen wird, nachvollziehbar erläutert. Seine abschließende Feststellung, dass das Gutachten C nur schematische und globale Ansätze enthalte, um Ansatzpunkte für Kostenreduzierungen und Umsatzsteigerungen aufzuzeigen, ist aus diesen Beispielen überzeugend hergeleitet. Charakteristisches Merkmal all dieser Beispiele ist die abstrakte Darstellung von Sanierungsmöglichkeiten ohne konkreten Bezug zu dem in Rede stehenden Unternehmen. Die Behandlung eines jeden Beispiels endet folglich mit einer offenen Frage nach der Übertragung des Ansatzes auf das betreffende Unternehmen. Nichts anderes gilt schließlich für die Planverprobungsrechnung. Die abschließende Feststellung des Sachverständigen L, es sei jeweils nur eine GanzJahres-Ergebnisplanung für die Jahre 98/99, 99/00 und 00/01 vorgelegt worden, ohne dass erkennbar sei, wie sich die dort ausgewiesenen Zahlen im Einzelnen zusammensetzen, fasst das Ergebnis dieses Abschnitts eindrucksvoll zusammen. Die Planrechnungen, mit denen der Sachverständige sich sorgfältig auseinandergesetzt hat, arbeiten mit Werten, die für die jeweils betroffenen Unternehmensteile ohne nähere erläuterte Schätzgrundlagen in den Raum gestellt und damit mehr gegriffen als geschätzt werden. Insgesamt gelangt der Sachverständige L zu dem Ergebnis, dass das Gutachten C nicht als verwertbarer Sanierungsplan anzusehen ist. Es fehle jeweils eine detaillierte Absatzplanung, eine Investitionsplanung und eine Personalkostenplanung. Eine PlanBilanz, die zeigt, mit welchen Wirtschaftsgütern die geplanten Umsätze und
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III. ARAG/Garmenbeck: BGH, Urt. v. 21.4.1997, DB 1997, 1068 Kosten getätigt werden sollen, fehlt nach der Zusammenfassung ebenfalls. Gleiches gilt für die erforderliche best- und worst-case-Berechnung.“
Das heißt, ein Sanierungskonzept, das den obigen Anforderungen nicht genügt, 42 ist vor Gericht untauglich. Da das Sanierungskonzept in die Planverprobungsrechnung mündet, gelten diese Anforderungen auch für jede Unternehmensplanung in der Krise. III. ARAG/Garmenbeck: BGH, Urt. v. 21.4.1997, DB 1997, 1068 Die Unternehmensplanung ist die prognostische Abbildung der wahrschein- 43 lichen künftigen Entwicklung der Gesellschaft (sachgerechte Abschätzung). Diese geht einher mit einem kaufmännischen Ermessen. Zwar können die Organe keinen „gerichtsfreien“ Ermessensspielraum für sich beanspruchen, dennoch entsteht eine Verantwortlichkeit erst dann, wenn das kaufmännische Ermessen zum Nachteil der Gesellschaft deutlich überspannt wurde. So hat der BGH in der ARAG/Garmenbeck Entscheidung zur Verantwortlichkeit der Aufsichtsräte entschieden: „… Eine Schadenersatzpflicht des Vorstandes kann daraus nicht hergeleitet werden. Diese kann erst in Betracht kommen, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss.“
Dieses Privileg gilt unseres Erachtens uneingeschränkt auch für Berater, die 44 im Auftrag der Gesellschaft eine Planungsrechnung für diese erstellen. Für die Krise speziell gliedern sich die Entscheidungen in zwei Kategorien: Zum 45 einen geht es um die Frage des „Handwerkszeugs“ (OLG Celle und Köln); zum anderen geht es um die Frage des kaufmännischen Ermessens (BGH). IV. BGH, Urt. v. 6.6.1994, ZIP 1994, 1103 Bereits in seiner Grundsatzentscheidung vom 6.6.1994 hatte der BGH klar- 46 gestellt, dass dem Organ bezüglich der Zukunft der Gesellschaft auch bei der Prüfung der Insolvenzgründe ein Beurteilungsspielraum zusteht: „Hierbei ist dem Geschäftsführer ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzubilligen; vor allem kommt es nicht auf nachträgliche Erkenntnisse, sondern auf die damalige Sicht eines ordentlichen Geschäftsleiters an.“ Allerdings steht dem Organ dieser Beurteilungsspielraum erst und nur dann zu, wenn dieser aufgrund sorgfältiger Ermittlung der Tatsachengrundlage und gegebenenfalls aufgrund einer fundierten Beratung ausgeübt wurde: So hat der BGH mit Urteil vom 20.9.2011 – II ZR 234/09, DStR 2011, 876 entschieden: „Der organschaftliche Vertreter einer Gesellschaft, der selbst nicht über die erforderliche Sachkunde verfügt, kann den strengen Anforderungen an eine ihm obliegende Prüfung der Rechtslage und an die Beachtung von Gesetz und Rechtsprechung nur genügen, wenn er sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem
13
C. Unternehmensplanung in der Rechtsprechung unabhängigen, für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt und den erteilten Rechtsrat einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterzieht.“
V. Anforderungen der Rechtsprechung an Fortbestehensprognosen und Sanierungsgutachten 47 Die wesentlichen Eckpunkte der Rechtsprechung an die Anforderungen an Sanierungskonzepte können wie folgt nach Ganter, NZI 2014, 763 ff.,
zusammengefasst werden: x
Das Sanierungskonzept geht von erkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten aus, die in sich schlüssig und durchführbar sind.
x
Dem Gutachtenersteller lagen die erforderlichen Buchhaltungsunterlagen des Unternehmens vor.
x
Das dargestellte Sanierungskonzept enthält die Analyse der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens im Rahmen seiner Wirtschaftsbranche und erfasst Krisenursachen.
x
Das Sanierungsgutachten beurteilt die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage des Unternehmens zutreffend.
x
Das Unternehmen ist objektiv sanierungsfähig und die für die Sanierung konkret in Angriff genommenen Maßnahmen sind insgesamt objektiv geeignet, das Unternehmen in einem überschaubaren Zeitraum zu sanieren.
x
Die geplanten Sanierungsmaßnahmen sind jedenfalls in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt; das heißt, die Sanierungsmaßnahmen wurden sachgerecht eingeleitet.
48 Ferner kann festgehalten werden, dass die identischen Anforderungen auch bei KMU gelten. 49 BGH, Urt. v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248: (Hervorhebungen von den Verfassern) Die Fortbestehensprognose setzt „mindestens ein in sich schlüssiges Konzept voraus, dass von den erkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht und nicht offensichtlich undurchführbar ist… Sowohl für die Frage der Erkennbarkeit der Ausgangslage als auch für die Prognose der Durchführbarkeit ist auf die Beurteilung eines unvoreingenommenen – nicht notwendigerweise unbeteiligten branchenkundigen Fachmanns abzustellen… Eine solche Prüfung muss die wirtschaftliche Lage des Schuldners im Rahmen seiner Wirtschaftsbranche analysieren und die Krisenursachen sowie die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage erfassen. Dies gilt… grundsätzlich auch für den Versuch der Sanierung eines kleineren Unternehmens.“
14
V. Anforderungen der Rechtsprechung an Fortbestehensprognosen
Entscheidend ist der Nachweis der Überlebensfähigkeit, der sich aus dem Er- 50 trags- und Finanzplan ergibt. BGH, Beschl. v. 9.10.2006 – II ZR 303/05, ZIP 2006, 2171:
51
„Aus dem Gesetzeswortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO folgt außerdem zweifelsfrei, dass eine günstige Fortführungsprognose sowohl den Fortführungswillen des Schuldners bzw. seiner Organe als auch die objektive – grundsätzlich aus einem aussagekräftigen Unternehmenskonzept (sog. Ertrags- und Finanzplan) herzuleitende – Überlebensfähigkeit des Unternehmens voraussetzt.“
Für eine positive Fortbestehensprognose ist eine positive Zahlungsfähigkeits- 52 prognose „objektiv mit überwiegender Wahrscheinlichkeit“ zu fordern. OLG Stuttgart, Urt. v. 18.1.2006 – 4 U 189/05 (juris):
53
„Für die Fortbestehensprognose ist darauf abzustellen, ob die Finanzkraft des Unternehmens objektiv mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zur Fortführung zumindest mittelfristig ausreicht (BGHZ 119, 201). Es handelt sich damit zwar um eine Zahlungsfähigkeitsprognose (MüKomm/InsO-Drukarczyk/ Schüler, § 19, Rn. 53; Bork, Wie erstellt man eine Fortbestehensprognose?, ZIP 2000, 1709/1710). Dies gibt aber lediglich den Gegenstand der Prognose wieder. Um insoweit eine positive Prognose abgeben zu können, sind ein Fortführungswille und die Fortführungsmöglichkeit erforderlich (HK-InsO/ Kirchhof, aaO, § 19, Rn. 9 und 10; FK-InsO/Schmerbach, a. a. O, § 19, Rn. 20a und 21). (1) Zur Konkretisierung ist die Fortbestehensprognose in drei Stufen aufzustellen: Zunächst muss ein aussagekräftiges und plausibles Unternehmenskonzept erstellt werden. Sodann ist einem zweiten Schritt auf der Grundlage des Unternehmenskonzepts ein Finanzplan aufzustellen, in dem die finanzielle Entwicklung des Unternehmens für den Prognosezeitraum dargestellt wird. Auf der dritten Stufe ist aus dem Ergebnis des Finanzplans die Fortbestehensprognose abzuleiten (Empfehlungen des Fachausschusses Recht des Instituts deutscher Wirtschaftsprüfer [FAR/IDW], WPg 1997, 22 ff.; Uhlenbruck, aaO, § 19, Rn. 28; Bork, aaO, S. 1709/1711). (2) Den Prognosezeitraum konkretisiert die herrschende Auffassung in der Literatur dahin, dass sich die Fortbestehensprognose und damit die Finanzplanung auf die Zeit bis zum Ablauf des nächsten Geschäftsjahres zu erstrecken hat (Uhlenbruck, aaO, § 19, Rn. 30 m. w. N.; MüKomm/InsO-Drukarczyk/ Schüler, § 19, Rn. 56; Bork, aaO, S. 1709/1710). bb) Damit erschöpft sich die Prognose entgegen der Auffassung der Berufung nicht in einer Kostendeckungsrechnung, diese ist lediglich Teil der Prognose. (…) Erforderlich ist auch ein aussagekräftiges und tragfähiges Unternehmenskonzept. Insbesondere ist darzulegen, welcher Gestaltungsrahmen besteht, welche Zielvorstellungen und Strategien verfolgt werden und wie der Soll-Verlauf des Unternehmens geplant ist (Bork, ZIP 2000, 1709/1711).“
Wir halten die Formulierung des OLG Stuttgart für missverständlich, weil es 54 keine Planung/Fortbestehensprognose gibt, die objektiv mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein positives Finanzergebnis ausweist. Wie oben dargelegt und vom BVerfG in der Entscheidung „Daimler/Chrysler“ entschieden, BVerfG, Beschl. v. 24.5.2012 – 1 BvR 3221/10 („Daimler/ Chrysler“), ZIP 2012, 1656, dazu EWiR 2012, 571 (Luttermann),
15
C. Unternehmensplanung in der Rechtsprechung
existiert eine objektive Planung nicht. Sie würde vom Planenden, vom Gutachter und letztlich vom Gericht etwas objektiv Unmögliches verlangen. Daher kann es auch keine objektiv überwiegende Wahrscheinlichkeit geben. Die Planung ist daher lediglich auf Vertretbarkeit zu überprüfen. Vgl. Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297 ff.
55 Die Planung muss „objektivierbar“ also intersubjektiv auf Plausibilität überprüfbar sein oder wie Großfeld unter Hinweis auf LG Dortmund, Beschl. v. 1.4.2004 – 18 AktE 2/03, NZG 2004, 723
ausführt: „Sicht eines objektiv vernünftigen dritten Betrachters“. 56 Die Liquiditätsüberdeckung muss dabei „überwiegend wahrscheinlich“ sein und aus einem Ertrags- und Finanzplan anzuleiten sein. 57 OLG Celle, Urt. v. 9.3.2005 – 9 U 180/04 (juris): „Eine solche (Fortbestehensprognose) ist dann anzunehmen, wenn die überwiegende Wahrscheinlichkeit ergibt, dass die Gesellschaft mittelfristig über die erforderliche Liquidität verfügen wird, um einen Einnahmeüberschuss zu erzielen, aus dem die gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten gedeckt werden können. (…) Zudem ist Voraussetzung für eine Fortbestehensprognose, dass ein dokumentierter Finanz- und Ertragsplan vorgelegt wird, aus dem sich nachvollziehbar ergibt, auf welche Art und Weise das Unternehmen trotz rechnerischer Überschuldung weitergeführt werden kann. Die Erstellung eines solchen Konzepts ist Sache des Geschäftsführers, der die Umstände darlegen und ggf. beweisen muss, die es aus seiner Sicht rechtfertigen, das Unternehmen trotz rechnerischer Überschuldung fortzuführen“.
58 Jedoch reicht ein substanzloses Konzept mit allgemeinen Empfehlungen hierfür nicht aus. 59 OLG Dresden, Urt. v. 21.9.2004 – 2 U 1441/04, GmbHR 2005, 173: „Gegen die Inanspruchnahme nach § 64 Abs. 2 GmbH kann der betroffene Geschäftsführer nicht einwenden, aufgrund der optimistischen Angaben eines in der Krise des Unternehmens hinzugezogenen Unternehmensberaters habe er von einer positiven Fortbestehensprognose ausgehen dürfen, wenn sich diese auf ein substanzloses Sanierungskonzept stützt, das nur allgemein gehaltene Empfehlungen von Selbstverständlichkeiten enthält“.
60 Prüfungshorizont für die Fortbestehensprognose ist ein betriebswirtschaftlich überschaubarer Zeitraum. 61 OLG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 20.8.2003 – 5 U 67/03, ZInsO 2004, 512: „Eine Fortbestehensprognose setzt grundsätzlich die Aufstellung eines dokumentierten Ertrags- und Finanzplanes voraus (Baumbach/Hueck-SchulzeOsterloh, aaO m. w. N.). Die Prognose ist positiv, wenn sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit ergibt, dass die Gesellschaft mittelfristig Einnahmenüberschüsse erzielen wird, aus denen die gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten gedeckt werden können (Baumbach/Hueck-Schulze-Osterloh, aaO, Rn. 12 zu § 64). Der Planungszeitraum wird aus praktischen Gründen zwar oft auf ein bis zwei Jahre beschränkt (Baumbach/Hueck-SchulzeOsterloh, aaO, Rn. 10 zu § 64). Entscheidend ist insoweit jedoch der im Ein-
16
VI. Sonstige Entscheidungen zur Unternehmensplanung zelfall betriebswirtschaftlich überschaubare Zeitraum (Scholz-Karsten Schmidt, GmbHG, Rn. 12 zu § 63). (…) Stellt er bei der ihm obliegenden laufenden Überprüfung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens fest, dass dieses in die Krise geraten ist, muss er prüfen, ob sich für das Unternehmen eine positive Fortbestehensprognose stellt. Er darf das Unternehmen nur weiter betreiben, wenn er begründete Anhaltspunkte hierfür findet. Dabei kommt ihm ein gewisser Beurteilungsspielraum zu, wobei es nicht auf nachträgliche Erkenntnisse, sondern auf die damalige Sicht eines ordentlichen Geschäftsleiters ankommt. Notfalls muss er sich fachkundig beraten lassen.“
KG Berlin Urt. v. 4.11.2015 – 24 U 112/14, ZIP 2016, 1451; BGH Beschl. v. 62 7.3.2017 – XI ZR 571/15, ZIP 2017, 809: Das Kammergericht hat in einer beachtenswerten Entscheidung verschiedene Thesen zum Sanierungskonzept aufgestellt. Insbesondere hat es die Dauer der Privilegierung des Überbrückungskredits auf drei Wochen bestimmt. Allerdings hat der BGH im Nichtannahmebeschluss eine solche starre Grenze abgelehnt. Viel wichtiger sind aber die weiteren Aussagen des Kammergerichts, die der BGH nicht beanstandet hat: Zum einen muss beim Sanierungskonzept über eine Firmengruppe die gesamte Gruppe einbezogen sein. Sofern Sicherheiten oder Darlehen seitens der Gesellschafter vorgesehen sind, muss auch deren VFE-Lage im Gutachten analysiert werden. Noch gravierender ist zum anderen die Anforderung an das Rechnungswesen. Ein Sanierungskonzept, welches nicht auf aktuellen und transparenten Jahresabschlüssen aufbaut, ist schon aus diesem Grund unbeachtlich.
VI. Sonstige Entscheidungen zur Unternehmensplanung Bei der Unternehmensplanung für die Zwecke der Unternehmensbewertung 63 ist es verfassungsrechtlich anerkannt, dass die der Unternehmensbewertung zugrunde liegenden Prognosen über die künftige Entwicklung der Unternehmen und ihrer Erträge (lediglich) daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage beruhen und vertretbar sind. Denn jede in die Zukunft gerichtete Prognose ist in ihrer Natur nach mit Unsicherheiten behaftet. Es ist daher nicht geboten, eine auf zutreffender Tatsachengrundlage beruhende, vertretbare Prognose durch eine andere – ebenfalls notwendigerweise – nur vertretbare Prognose zu ersetzen. Generell ist in Unternehmensbewertungsverfahren also anerkannt, dass der Ertragswert auf subjektiver Einschätzung beruht. BVerfG, Beschl. v. 24.5.2012 – 1 BvR 3221/10 („Daimler/ Chrysler“), ZIP 2012, 1656; Großfeld Recht der Unternehmensbewertung, Rn. 401.
Einen wahren, allein richtigen Unternehmenswert gibt es nicht. Aufgrund 64 dieses subjektiven Einschlags kann das Ergebnis daher keine Richtigkeitskontrolle sein, sondern allenfalls ein Vertretbarkeitsurteil. OLG Stuttgart Beschl. v. 8.7.2011 – 20 W 14/08 – AG 2011, 795.
17
C. Unternehmensplanung in der Rechtsprechung
65 Diese Entscheidung ist unseres Erachtens uneingeschränkt auf die Fälle der Unternehmensplanung im Krisen- bzw. Insolvenzbereich übertragbar. Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297.
66 Auch hier fußt die Planung auf subjektiven Einschätzungen und Annahmen, die nicht auf Richtigkeit überprüft werden können. Vielmehr ist die Planung auf Vertretbarkeit zu untersuchen (sog. Vertretbarkeitspostulat). 67 Was nun aber zu tun ist, wenn eine Planung nach Ansicht des Gutachters oder des Gerichts unplausibel ist, hat das Oberlandesgericht Stuttgart in einem Unternehmensbewertungsfall entschieden. Aufgabe des Bewerters ist es, die Planung auf Plausibilität zu überprüfen. Eine seiner Einschätzung nach nicht plausible Planung kann er der Bewertung nicht zugrunde legen. Hält der Bewerter die Planung nicht für plausibel, muss er dies dem Vorstand mitteilen. Passt der Vorstand darauf hin, seine Planung an, ist diese neue Planung für die Bewertung zugrunde zu legen, soweit sie auf zutreffenden Informationen, daran orientierten realistischen Annahmen beruht und nicht in sich widersprüchlich ist. OLG Stuttgart Beschl. v. 5.5.2013 – 20 W 6/10 = NZG 2013, 897, EWiR 2013, 569 (LS).
68 Soweit er die Planung nicht anpasst, muss der Bewerter diese Planungsanpassung vornehmen. Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, Rn. 403.
69 Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte einen Fall der Unternehmensbewertung zu entscheiden, in dem keine Unternehmensplanung vorlag. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.3.2008 – I-26-W-8/07 (AktE), AG 2008, 498; DATEV LX 7009303: „Liegen Planungsrechnungen eines Unternehmens nicht vor, muss der Sachverständige eine Zukunftsprognose treffen, indem er die in der Vergangenheit erzielten Unternehmensergebnisse und erkennbaren Entwicklungen der Zukunft berücksichtigt.“
18
D. Planungsarten und -methoden Geht man mit der Rechtsprechung davon aus, dass die Unternehmensplanung 70 als subjektive Planung anzustellen ist, stellt sich dennoch die Frage, wie generell geplant werden muss und welche Anforderungen an eine „gerichtsfeste“ Planung zu stellen sind bzw. wann eine Planung als „pathologisch“ zu verwerfen ist. In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird zwischen der Planung und der 71 Prognoserechnung unterschieden. Wöhe differenziert die beiden Begriffe wie folgt: „Die Planung legt fest, welche Entscheidungen man treffen muss, damit künftige Ereignisse eintreten, während die Prognose voraussagt, dass mit dem Eintritt bestimmter Ereignisse wahrscheinlich zu rechnen ist“. Fundstelle nach Ehrmann, Unternehmensplanung, S. 47; vgl. auch Reiß, in: Handwörterbuch der Planung, S. 1627 ff.
Die Betriebswirtschaftslehre versteht unter der Planung das Auswählen und 72 Festlegen von Entscheidungen/Maßnahmen, die man treffen muss, um ein geplantes Ziel bzw. künftiges Ereignis zu erreichen. Unter einer Prognose versteht man demgegenüber die Voraussage, dass mit dem Eintritt eines Ereignisses mit einer bestimmten Wahrscheinlich zu rechnen ist. Ehrmann, Unternehmensplanung, S. 47; Reiß, in: Handwörterbuch der Planung, S. 1627 ff.
Die Ermittlung der Insolvenzgründe dient der Frage nach einer Insolvenzan- 73 tragspflicht bzw. einem Insolvenzantragsrecht. Es geht also um die Vorbereitung einer ggf. gesetzlich gebotenen Entscheidung. Diese Definition vorausgesetzt, ist für die insolvenzrechtlich zu treffenden 74 Entscheidungen, z. B. über das Vorliegen von Insolvenzgründen, von einer Prognose auszugehen sein, während man für die Planung der Sanierung, z. B. im Rahmen eines Sanierungsgutachtens, von einer Planung ausgeht. Würde man diese Differenzierung nicht auch auf die insolvenzrechtlichen Planungsbzw. Prognoseansätze anwenden und generell auf die Unternehmensplanung abstellen, könnte man regelmäßig jeden Insolvenzgrund dadurch beseitigen, dass man – überspitzt formuliert – „einen Lottogewinn oder den großen Auftrag aus Fernost einplant“. Die Planung aber hat eine handlungsorientierte Gestaltungsfunktion („spiel Lotto“), während der Prognose eine erkenntnisorientierte Informationsfunktion innewohnt. Pieroth, Systematische Prognosefehler in der Unternehmensplanung, S. 31.
Dass der Gesetzgeber die (betriebswirtschaftliche) Prognose verlangt, folgt 75 nicht nur aus dieser Funktion, sondern auch aus der Formulierung des Gesetzes“; vgl. § 18 Abs. 2 InsO: „voraussichtlich“; § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO: „überwiegend wahrscheinlich“. Nickert, in: Nickert/Lamberti, Rn. 165.
19
D. Planungsarten und -methoden
76 Sprachlich wird dies „korrigiert“ indem gelegentlich von einer „objektiven“ (besser: objektivierten) Planung gesprochen wird. OLG Stuttgart Urt. v. 18.1.2006 – 4 U 189/05; so auch K. Schmidt, in: K. Schmidt, InsO, § 19 Rn. 47, 53.
77 Gemeint ist damit eine intersubjektiv nachvollziehbare wie einer dem Wahrscheinlichkeitsbedarf entsprechenden Prognose. 78 Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass in der Praxis eine saubere Trennung zwischen Planung und Prognose schwierig ist bzw. diese sogar verschwimmen kann. Denn wie in dem gerade angeführten Beispiel des eingeplanten Lottogewinns macht es in planerischen Fällen wenig Sinn, Maßnahmen oder Erfolge einzuplanen, deren Eintritt unwahrscheinlich bzw. unrealistisch sind. Es geht also nicht nur bei der Prognose, sondern auch bei der Planung darum, unsichere Erwartungen in einer geeigneten Form zu greifen und planerisch zu erfassen. 79 Generell muss man davon ausgehen, dass die zukünftige Entwicklung des Unternehmens, gleichgültig ob Planungs- oder Prognosefall, unsicher ist. Gemäß dem Bonmot von Benjamin Franklin sind lediglich der Tod und die Steuern gewiss. Sicherlich sind einige Teilbereiche im Unternehmen mit Sicherheit planbar. Dies gilt insbesondere für vertraglich bestehende Verpflichtungen für das Unternehmen, wie z. B. der Kapitaldienst aufgrund eines vereinbarten und ausgereichten Darlehens. Sobald aber Dritte mit dem Unternehmen in Geschäftsbeziehung treten, verlässt man den Bereich der „sicheren Erwartung“. So können Kunden und/oder Lieferanten kommen und gehen, Leistungsträger aus der Belegschaft können kündigen etc. Diese Unsicherheit kann sich durch ein Risiko oder durch eine Ungewissheit ergeben (Näheres siehe unter Rn. 786 ff.). 80 Wenn aber die wesentlichen Erfolgsdeterminanten unsicher bzw. risikobehaftet sind, muss dies in der Prognoserechnung und in der Unternehmensplanung berücksichtigt werden. Nach Ehrmann, Unternehmensplanung, S. 47,
ist die Prognose ein wichtiger Bereich im Planungsgeschehen. Dies ist dahingehend zu verstehen, dass jeder Planung zugleich eine Prognose innewohnt. Die Planung ist also der Oberbegriff und die Prognose nur eine Unterkategorie der Planung. Dies ist insbesondere in Planungsanlässen rund um die Krise und Insolvenz zweifellos richtig und zugrunde zu legen. 81 Der Ablauf einer Planung erfolgt typischerweise auch in verschiedenen Prozessschritten, in welchen Prognose und Planung ineinandergreifen. So ist Ausgangsbasis die Prognose der künftigen Entwicklung („was passiert, wenn nichts passiert“). Sodann werden zur Verbesserung der Situation Maßnahmen ermittelt und die finanziellen Auswirkungen abgeschätzt. Will das Unternehmen diesen Maßnahmen nähertreten, werden diese Maßnahmen in die Planung integriert und deren Gesamtauswirkung auf die VFE-Lage prognostiziert.
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I. Reine Ertragsplanung/Rentabilitätsvorschau
Prognose What if
Maßnahmenplanung
Abschl. Prognose
Bevor der Prozess im Detail angesehen wird, ist auf verschiedene Planungs- 82 ausprägungen einzugehen. I. Reine Ertragsplanung/Rentabilitätsvorschau Zunächst einmal ist die Ertragsplanung zu nennen. Vor rund 10 – 20 Jahren 83 war im betrieblichen Prozess noch die reine Ertragsplanung der Standard. Insbesondere die Kommunikation mit den Banken erfolgte oft über eine sog. Rentabilitätsvorschau. Darin wurde dargelegt, wie sich geplante unternehmerische Maßnahmen, insbesondere eine Investition, auf die Rentabilität des Unternehmens auswirken (ROI – Return on Invest). Die Planung wurde in der Form der Gewinn- und Verlustrechnung entsprechend § 275 HGB entweder nach dem Gesamtkostenverfahren: 1. Umsatzerlöse 2. Erhöhung oder Verminderung des Bestands an fertigen und unfertigen Erzeugnissen 3. andere aktivierte Eigenleistungen 4. sonstige betriebliche Erträge 5. Materialaufwand: a) Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und für bezogene Waren b) Aufwendungen für bezogene Leistungen 6. Personalaufwand: a) Löhne und Gehälter b) soziale Abgaben und Aufwendungen für Altersversorgung und für Unterstützung, davon für Altersversorgung 7. Abschreibungen: a) auf immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens und Sachanlagen b) auf Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens, soweit diese die in der Kapitalgesellschaft üblichen Abschreibungen überschreiten 8. sonstige betriebliche Aufwendungen 9. Erträge aus Beteiligungen, davon aus verbundenen Unternehmen
21
D. Planungsarten und -methoden
10. Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens, davon aus verbundenen Unternehmen 11. sonstige Zinsen und ähnliche Erträge, davon aus verbundenen Unternehmen 12. Abschreibungen auf Finanzanlagen und auf Wertpapiere des Umlaufvermögens 13. Zinsen und ähnliche Aufwendungen, davon an verbundene Unternehmen 14. Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit 15. außerordentliche Erträge 16. außerordentliche Aufwendungen 17. außerordentliches Ergebnis 18. Steuern vom Einkommen und vom Ertrag 19. sonstige Steuern 20. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag
oder nach dem Umsatzkostenverfahren: 1. Umsatzerlöse 2. Herstellungskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachten Leistungen 3. Bruttoergebnis vom Umsatz 4. Vertriebskosten 5. allgemeine Verwaltungskosten 6. sonstige betriebliche Erträge 7. sonstige betriebliche Aufwendungen 8. Erträge aus Beteiligungen, davon aus verbundenen Unternehmen 9. Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens, davon aus verbundenen Unternehmen 10. sonstige Zinsen und ähnliche Erträge, davon aus verbundenen Unternehmen 11. Abschreibungen auf Finanzanlagen und auf Wertpapiere des Umlaufvermögens 12. Zinsen und ähnliche Aufwendungen, davon an verbundene Unternehmen
22
I. Reine Ertragsplanung/Rentabilitätsvorschau
13. Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit 14. außerordentliche Erträge 15. außerordentliche Aufwendungen 16. außerordentliches Ergebnis 17. Steuern vom Einkommen und vom Ertrag 18. sonstige Steuern 19. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag oder in der Form der kurzfristigen Erfolgsrechnung nach dem DATEV Schema: 29098/55003/2015 Musterholz GmbH
20.10.2015 Blatt 1
Kanzlei-Rechnungswesen pro V.5.02 Kurzfristige Erfolgsrechnung April 2015 – Handelsrecht SKR 03
BWA-Nr. 1 BWA-Form DATEV-BWA Wareneinsatz KG3
Bezeichnung
Apr/2015
% Ges. Leistg.
Jan/2015 Apr/2015
% Ges. Leistg.
Umsatzerlöse
245.188,92
100,00
1.318.643,92
100,00
Best.Verdg. FE/UE
0,00
–54,99
Akt. Eigenleistungen
0,00
0,00
Gesamtleistung
245.188,92
100,00
1.318.588,93
100,00
Mat./Wareneinkauf
429.044,58
174,99
951.692,67
72,18
–183.855,66
–74,99
366.896,26
27,82
882,36
0,07
367.778,62
27,89
355.085,90
26,93
95.480,63
7,24
Rohertrag So. betr. Erlöse Betriebl. Rohertrag
0,00 –183.855,66
–74,99
Kostenarten: Personalkosten Raumkosten
0,00 48.601,92
19,82
Betriebl. Steuern
0,00
2.110,00
0,16
Versich./Beiträge
0,00
17.275,56
1,31
Besondere Kosten
0,00
0,00
Kfz-Kosten (o. St.)
636,36
0,26
34.407,49
2,61
23
D. Planungsarten und -methoden Bezeichnung
Apr/2015
% Ges. Leistg.
Jan/2015 Apr/2015
% Ges. Leistg.
Werbe-/Reisekosten
847,02
0,35
12.289,04
0,93
Kosten Warenabgabe
0,00
5.232,16
0,40
Abschreibungen
0,00
25.614,96
1,94
Repartur/Instandh. Sonstige Kosten Gesamtkosten Betriebsergebnis Zinsaufwand
7.976,83
0,60
3.638,58
0,00 1,48
39.072,06
2,96
53.723,88
21,91
594.544,63
45,09
–237.579,54
–96,90
–226.766,01
–17,20
10.929,00
0,83
Sonst. neutr. Aufw
–1.512,60
0,00 –0,62
–1.102,60
–0,08
Neutraler Aufwand
–1.512,60
–0,62
9.826,40
0,75
Zinserträge
0,00
49,96
Sonst. neutr. Ertr
0,00
0,00
Verr. kalk. Kosten
0,00
0,00
Neutraler Ertrag
0,00
49,96
Kontenkl. unbesetzt
0,00
0,00
Ergebnis vor Steuern
–236.066,94
Steuern Eink.u.Ertr Vorläufiges Ergebnis
–96,28
0,00 –236.066,94
–96,28
–236.542,45
–17,94
25.570,00
1,94
–262.112,45
–19,88
Das vorläufige Ergebnis entspricht dem derzeitigen Stand der Buchführung. Abschluss-/Abgrenzungsbuchungen können es noch verändern. Status 2015*FBW*B1A8 Werte in: EUR
erstellt. Hintergrund dieser Gliederung war die (spätere) Vergleichbarkeit mit dem betrieblichen Rechnungswesen. 84 Die reine Ertragsplanung erfolgt nicht integriert, d. h., es erfolgt gerade keine Verknüpfung mit der Bilanzplanung und keine Verknüpfung mit der Liquiditätsplanung. Aufgrund der Fokussierung allein auf den Ertrag bzw. auf die Rentabilität musste die voraussichtliche Liquiditätsentwicklung aus der Ertragsplanung abgeleitet werden.
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II. Reine Liquiditätsrechnung
Allerdings erfordert die Überleitung der Ertragsrechnung zur Liquiditäts- 85 rechnung zahlreiche Korrekturen, die eine solche Überleitungsrechnung unübersichtlich und damit als nicht mehr nachvollziehbar erscheinen lassen. Insbesondere die Kapitalveränderungen (Aufnahmen, Tilgungen, Kapitalerhöhungen, Ausschüttungen) und die Veränderungen des Umlaufvermögens und der Lieferantenverbindlichkeiten (Working Capital) beeinflussen die Liquidität wesentlich und können in einer Ertragsrechnung nicht abgebildet werden. Dies führt zu erheblichen Unsicherheiten, weswegen es heutzutage als allge- 86 mein anerkannt gilt, dass eine reine Ertragsplanung dann nicht mehr ausreichend ist, wenn es um die Beurteilung der künftigen Liquiditätslage geht. Dies ist aber im Krisen- bzw. Insolvenzumfeld regelmäßig der Fall, da die (drohende) Zahlungsunfähigkeit bzw. die Fortbestehensprognose als Teilbestandteil der Überschuldungsprüfung maßgeblich auf die künftige Liquiditätsentwicklung abstellt. Dies bedeutet allerdings nicht, dass auf eine reine Ertragsplanung des Unter- 87 nehmens nicht abgestellt werden könnte. Sie dient als Ausgangsgrundlage, um die künftige Entwicklung abbilden zu können und muss, nach erfolgreicher Plausibilisierung, durch weitere Schritte in eine integrierte Unternehmensplanung überführt werden. II. Reine Liquiditätsrechnung Teilweise wurde versucht, eine reine Liquiditätsplanung zu erstellen, um die 88 künftige Liquiditätsentwicklung abbilden zu können. Allerdings fehlt einer reinen Liquiditätsplanung, wenn man einmal den Kurzfristbereich von wenigen Wochen außer Acht lässt, das Fundament. Wenn man z. B. die voraussichtliche Liquiditätsentwicklung in einem Jahr abbilden möchte, muss der Planer darlegen, welche Umsatzerlöse in den Wochen davor realisiert wurden, denn nur diese werden voraussichtlich in einem Jahr, korrigiert um die Debitorenlaufzeit, auf das Konto fließen. Entsprechendes gilt für die (auszahlungswirksamen) Kosten. Infolge dessen ist es eine wesentliche Grundvoraussetzung, die künftige Ertragsplanung abzubilden, um dann aus dieser integriert auf die Liquidität zu schließen. In der Praxis ist dies oft dahingehend erfolgt, dass die Ertragsplanung auf 89 Monatsbasis ermittelt und die Abschreibung in der Planung neutralisiert wurde. Das Ergebnis wurde vereinfacht als Liquiditätsplanung angesehen. Ein solches Vorgehen genügt aber heutigen Anforderungen nicht mehr. Eine 90 solche Planung würde insbesondere keine Veränderungen im Finanzbereich (Darlehensaufnahme und/oder-tilgung) ausweisen. Insbesondere muss aber auch die zeitliche Abfolge von Ertragsveränderungen, Bilanzveränderungen und daraus abgeleiteten Liquiditätsveränderungen (sog. pagatorische Korrekturen) aufgezeigt werden. Dies soll an folgendem Beispiel veranschaulicht werden:
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D. Planungsarten und -methoden
Beispiel: Ein produzierendes und verarbeitendes Unternehmen kauft im Oktober Rohmaterialien ein, die es im November bezahlen muss. Die Waren werden im Laufe des Novembers und Dezembers verarbeitet. Im Januar erfolgt die Versendung sowie die Faktura und im Februar der Geldeingang auf dem Konto des Unternehmens. In diesem Fall würde der Wareneinsatz erst in dem Monat gezeigt werden, in dem die Rechnungsfaktura erfolgt (wenn man den Zwischenschritt der „Veredelung“ über die Bestandsveränderungen unberücksichtigt lässt). In der Bilanz ist die Ware aber im Oktober zugegangen und musste im November bezahlt werden. Demzufolge war der Geldabfluss (Liquiditätssicht) im November zu berücksichtigen, der ertragswirksame Wareneinsatz hingegen erst im Januar. Mit dem Geldeingang ist allerdings erst im Februar planerisch zu rechnen. Allein diese zeitlichen Verschiebungen lassen sich nur in der integrierten Planung aufzeigen. III. Integrierte Planung 91 Wie oben dargestellt (siehe Rn. 90), erfüllt nur die integrierte Planung die Anforderungen einer ordnungsgemäßen Unternehmensplanungsrechnung. Dies ist so in den Standards des Bundes der Deutschen Unternehmensberater (http://www.bdu.de; GoP 2.1) und in den maßgeblichen Standards des Instituts der Wirtschaftsprüfer Deutschlands festgelegt. IDW S 1 Tz. 81; S 6 (2012) Tz. 140 ff.; F&A zu IDW S 6 (2016) unter Tz. 7.2; S 11 Tz. 33, 41.
92 Dies setzt mittlerweile auch die BStBK in ihren Hinweisen zur Verlautbarung der Bundessteuerberaterkammer zu den Grundsätzen für die Erstellung von Jahresabschlüssen in Bezug auf Gegebenheiten, die der Annahme der Unternehmensfortführung entgegenstehen (v. 13./14. März 2018, Tz. 33),
zur Beurteilung auch der Fortführungsannahme im handelsrechtlichen Jahresabschluss voraus. 93 Auch die Vorschriften zum Insolvenzplanrecht sehen eine integrierte Planung vor, wenn die Gläubiger aus künftigen Erträgen befriedigt werden sollen, § 230 InsO. Nach h. M. kann eine positive Prognose nur aufgrund einer integrierten Planungsrechnung (Planerfolgs-, Planbilanz- und Planliquiditätsrechnung) angenommen werden. BGH, Beschl. v. 9.10.2006 – II ZR 303/05, ZIP 2006, 2171; „Ertrags- und Finanzplan“; IDW S 6 Tz. 140. „Bei kurzfristigen, wenige Wochen umfassenden Finanzplänen reicht eine unmittelbar auf dem Finanzstatus aufbauende Liquiditätsplanung aus. Andernfalls ist ein umfassender Finanzplan auf Basis einer integrierten Planung (Erfolgs-, Vermögens- und Liquiditätsplanung) zu erstellen“. IDW S 11 Tz. 33.
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III. Integrierte Planung
Allein die Liquiditätsbetrachtung scheidet also regelmäßig aus, da eine Plau- 94 sibilisierung praktisch nicht durchgeführt werden kann und damit einem Dritten die Einarbeitung und Überprüfung des Rechenwerks innerhalb angemessener Zeit nicht möglich ist, § 238 Abs. 1 Satz 2, 3 HGB analog. Darüber hinaus kann nur mit der integrierten Planung eine Konsistenz des ge- 95 samten Planungsprozesses gewährleistet werden und stellt somit einen Kontrollmechanismus der Planung dar. Denn sowohl Liquiditäts- als auch Ertragsplanung aggregieren sich in der Planbilanz, welche nach dem Einpflegen aller Ergebnisse/Planpositionen ausgeglichen sein muss. Demzufolge ist eine ausgeglichene Bilanz ein wesentliches Indiz für eine unter rechnerischen Aspekten korrekt ausgeführte Planung. Integriert bedeutet aber noch mehr als lediglich das Zusammenführen der Ge- 96 winn- und Verlustrechnung, der Bilanz und der Liquiditätsplanung. Diese drei Elemente bestehen wiederum aus Einzelplanungen, wie z. B. der Absatzplanung, der Produktionsplanung, der Personalplanung usw. Diese Teilpläne können sich z. B. an den Unternehmensfunktionen (Produktionsplanung, F&E-Planung, Logistikplanung, Vertriebsplanung usw.) orientieren. Demzufolge kann ein Konstrukt von zusammenhängenden Teilplänen entstehen, welche sich schlussendlich in der Planbilanz, Planerfolgs- und Planliquiditätsrechnung aggregieren. Mit Hilfe von den einzelnen Teilplänen kann im Unternehmen ein besserer Detailierungsgrad erzeugt werden, jedoch im Gegensatz ist dies mit einem höheren Planungsaufwand verbunden. In der Praxis werden folgende unumgängliche Bearbeitungsschritte zur Inte- 97 gration der Planung durchgeführt: Zuerst wird, aufbauend auf den Teilplanungen, die Ertragsplanung (Planung der Gewinn- und Verlustrechnung), sodann die Basisbilanz auf den Stichtag der Planungsrechnung (Planungsbeginn) erstellt und die Bilanzentwicklung im Planungszeitraum abgebildet. Würde man auf die Erstellung der Basisbilanz verzichten, würde das Unternehmen quasi „bei null“ beginnen. Die aktuellen Liquiditätsbestände, die Forderungen und Verbindlichkeiten würden ausgeblendet, weshalb das ganze Rechenwerk substanzlos wäre. Aus diesen beiden Rechenwerken (Ertrags- und Bilanzplanung) lässt sich dann die planerische Liquiditätsentwicklung ableiten. Sodann werden die Bilanzveränderungen geplant. Hierzu zählen z. B. Kapitalzuführungen (Eigenund Fremdkapital, Einlagen), Kapitalrückführungen (Ausschüttungen, Entnahmen, Tilgungen) und vor allem die Planung der Veränderung des Nettoumlaufvermögens (Working Capital) in der zeitlichen Abfolge der Prozessschritte. Praxistipp: Wir halten die Erstellung einer integrierten Planungsrechnung allein mit selbstentwickelten Excel-Listen für haftungsträchtig. Zum einen wird das Rechenwerk mit zunehmender Komplexität nicht mehr nachprüfbar, § 238 Abs. 1 Satz 2 HGB analog. Der Geschäftsführer der sich im Zweifel in der Zukunft mit der Unternehmensplanung exkulpieren muss, ist folglich gut beraten, mit einem intersubjektiv nachvollziehbaren Planungstool zu planen. Zum anderen kann sich im Vertretungsfalle ein Vertreter oder Nachfolger praktisch nicht mehr einarbeiten.
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D. Planungsarten und -methoden
IV. Konzern- bzw. Gruppenplanung oder Stand-alone-Ansatz 98 Eine weitere regelmäßige Fragestellung im Zusammenhang mit der Unternehmensplanung stellt die Planung von Konzernen bzw. Unternehmensgruppen dar. Zunächst einmal ist zu berücksichtigen, dass die Banken in der Krise regelmäßig auf eine Darstellung der gesamten Gruppe bestehen. Dies folgt schlicht und ergreifend den gesetzgeberischen Verpflichtungen, die Kreditnehmereinheiten insgesamt zu würdigen, § 19 KWG. Auch im operativen Bereich ist es nicht unüblich, in Konzernen den gesamten Konzern bzw. die Sparten oder Segmente konsolidiert zu planen. Ein derartiges Vorgehen ist auch von der Rechtsprechung gefordert, insbesondere um Wechselwirkungen aufzuzeigen, KG Berlin, Urt. v. 4.11.2015 – 24 U 112/14, ZIP 2016, 1451.
99 In der Krise bzw. in der Insolvenz hingegen ist jeder Rechtsträger selbständig zu beurteilen. Insbesondere können nur ausnahmsweise Liquiditätsüberschüsse eines Konzernmitglieds zur Deckung etwaiger Lücken eines anderen Mitglieds berücksichtigt werden, wenn diesbezüglich entsprechende Vereinbarungen bestehen und etwaige Forderungen werthaltig sind. IDW S 11 Tz. 47 f.
100 Auch ist zu berücksichtigen, dass in den Konzernen unterschiedliche Organe eingesetzt werden können, die jeweils für sich allein Haftungsminimierung betreiben müssen. In der Krise muss also jedes Organ selbständig überprüfen, ob es die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen muss. Daher ist zwingend, jedes Unternehmen einzeln (stand alone) zu beurteilen. Damit einher geht die Anforderung der Kreditwirtschaft auf eine konsolidierte Planung, die zusätzlich erstellt werden muss. Nur ausnahmsweise darf auf eine solche Stand-alone-Planung verzichtet werden: Wenn z. B. der Konzern insgesamt Liquiditätsüberschüsse aufzeigt und ein etwaiger Verlustausgleich durch eine volle werthaltige und sofort liquiditätswirksame Rückgriffsforderung (z. B. durch die Verlustausgleichspflicht gemäß § 302 AktG bei gleichzeitigem Zugang zu Liquidität) abgesichert ist, kann u. E. auf die Einzelplanung der notleidenden Tochter verzichtet werden. V. Szenarioplanung/Simulation 101 Eine Planung basiert zunächst auf Prognosen zur zukünftigen Entwicklung, von denen es laut OLG Stuttgart „nicht nur eine richtige gibt und die im seltensten Fall auch so wie vorhergesagt eintreffen“. OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.7.2013 – 20-W-2/12, NZG 2013, 1179; OLG Stuttgart, Beschl. v. 5.6.2013 – 20-W-6/10, NZG 2013, 897.
102 Da die Zukunft unsicher ist, stellt sich die Frage, wie mit dieser Unsicherheit in den Planungsrechnungen umzugehen ist. In der Praxis wird häufig nur eine
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V. Szenarioplanung/Simulation
einwertige Planung erstellt. Gelegentlich sieht man in der Praxis „Szenarioplanungen“, meist im „göttlichen“ Dreiklang (worst, most likely, best). Die KPMG erstellt jedes Jahr eine sog. Kapitalkostenstudie.
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Siehe https://assets.kpmg/content/dam/kpmg/pdf/2015/07/ kapitalkostenstudie-2014-new.pdf. (Abruf am 19.2.2019).
Im Rahmen dieser Studie werden die Unternehmen im deutschsprachigen 104 Europa analysiert. Dabei handelt es sich um große Unternehmen. Insoweit dürften die Zahlen für KMU nicht repräsentativ sein. Für das Jahr 2017 ermittelte die KPMG, dass lediglich 56 % dieser Unternehmen voll integriert geplant haben und 82 % dieser Unternehmen einwertig geplant haben. Hierbei wird laut KPMG der Erwartungswert abgebildet. Eine solche „einwertige Planung“ bildet jedoch lediglich einen verdichteten Wert unter Bezugnahme der Chancen und Risiken sachgerecht ab. Er zeigt aber gerade nicht auf, um wie viel das spätere Ergebnis tatsächlich um den Erwartungswert streuen kann. Eine einwertige Planung dürfte nur ausnahmsweise, in Fällen stabiler Geschäftsentwicklung, angemessen und ausreichend sein. Diese Situation liegt aber in der Krise bzw. Insolvenz gerade nicht vor. Die berufsständischen Standards, IDW S 1 Tz. 80; IDW S 6 Tz.135; IDW S 5 Tz. 27; IDW S 5 Tz. 4; Bund deutscher Unternehmensberater – Grundsätze ordnungsgemäßer Planung – BDU GoP 2.1 S. 10; KFS/BW 1 Tz. 66 (dabei handelt es sich um den österreichischen Standard der Kammer der Wirtschaftstreuhänder zur Unternehmensbewertung v. 26.3.2014),
fordern deshalb, die Unsicherheit zumindest über Szenarien abzubilden. Bemerkenswerterweise enthält aber der Standard IDW S 11 zur Ermittlung von Insolvenzgründen diese Forderung nicht. Hauptsächlich wird die Unsicherheit in nur 16 % aller Fälle über einfache Sze- 105 narioplanung abgebildet. KPMG, Kapitalkostenstudie 2017, S. 20.
Üblicherweise werden Planungen rund 8 – 12 Werttreiber (Chancen & Risi- 106 ken) zugrunde gelegt. Dabei handelt es sich schon um ein extrem verkürztes Modell der Zukunft, was jeder Planung/Prognose immanent ist. Angesichts dessen erscheint das Herausgreifen von in der Regel drei Szenarien (Best, Real und Worst Case) als willkürlich. Wenn man beispielsweise 8 Werttreiber heranzieht und jeden vereinfachend mit einem Worst, Most Likely und einem Best Case versieht, gelangt man schon zu 6.561 möglichen Szenarien. Bei 12 Werttreibern kommt man schon auf 531.441 Szenarien. Dabei blendet eine solche stark vereinfachende Reduktion auf drei sogenannte Merkmalsausprägungen die Möglichkeit von Zwischenwerten, also von Werten zwischen dem Worst Case und dem Most Likely Case bzw. dem Best Case aus. Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2298 f.; Barkalov, BC 9/2011, 381, 383 unter Bezugnahme auf die „Forward Visibility Studie“ von Capgemini Consulting.
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D. Planungsarten und -methoden
107 Zur Abbildung der Chancen und Risiken ist eine erwartungstreue Planung (z. B. eine stochastische Planung) unter Aufzeigen der voraussichtlichen Streuung um den Erwartungswert erforderlich. Gleißner/Presber, Kredit & Rating Praxis, 3/2010, 27 ff.
108 Eine Planung ist dann erwartungstreu, wenn der Erwartungswert alle möglichen Planabweichungen in Form von Chancen und Risiken mit den jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeiten widerspiegelt. 109 In der Praxis wird dies zunehmend mit Hilfe einer Planungssimulation erstellt, indem eine Vielzahl von möglichen Planszenarien simuliert wird und dann mit statistischen Verfahren die Planwerte abgeleitet werden. Als „Endergebnis“ ergibt sich danach die relative Wahrscheinlichkeitsverteilung bzw. das „Risikoprofil“ der Planungsposition. Von dieser Verteilung kann dann der Erwartungswert sowie die Streuungsbänder der Planungsposition abgeleitet werden. Diese Streuungsbänder stellen die Bandbreite der Planungspositionen bei einer zugrunde liegenden Wahrscheinlichkeit dar – sozusagen, welches Ausmaß die Planungsposition im „schlechtesten“ und im „besten“ Fall zu einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit einnehmen. In der Praxis werden solche Tools nur zu 2 % eingesetzt. KPMG, Kapitalkostenstudie 2017, S. 13; Gleißner/Knecht/ Egretzberger/Kamaras, KSI, 5/2010, 217 ff.
Beispiel: Der Materialaufwand wird zu 95 % nicht höher sein als 250.000 € und im Umkehrschluss zu 5 % nicht geringer als 250.000 €.
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E. Planungshandbuch Wenn nun aber eine Planung so beschaffen sein muss, dass sie einem sach- 110 verständigen Dritten innerhalb kurzer Zeit einen Überblick verschaffen soll, müssen die „wesentlichen Spielregeln“ einer Unternehmensplanungsrechnung dokumentiert sein. In der Lehre und in der Praxis wird häufig die Erstellung eines „Planungshandbuchs“ („Planungsleitlinien“) vorgeschlagen bzw. ist sogar vorgesehen. Dabei handelt es sich nicht zwingend um ein körperliches Buch oder Dokument, sondern um die Grunddokumentation der Unternehmensplanungsrechnung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Voraussetzung der Dokumentation für die Prognose gleichermaßen gilt. Im Planungshandbuch bzw. in den Planungsrichtlinien werden die Grundent- 111 scheidungen der Planung geregelt. Ehrmann, Unternehmensplanung, S. 116 f.
Dabei geht es darum, mit welchen Planungsgrundsätzen gearbeitet wird, wer 112 die Planung erstellt, wer die Informationen für die Planung zu liefern hat, wie der Inhalt und der Umfang der Planung auszugestalten ist, wie der Planungsablauf inhaltlich und zeitlich geregelt ist, wie Informationen gewonnen und ausgewertet werden, mit welchen Planungsmethoden und Planungsverfahren gearbeitet wird, wie das Planungsergebnis auszusehen hat und vor allem wann und unter welchen Voraussetzungen die Planung zu überarbeiten ist. Diese Grundsatzentscheidungen haben Verbindlichkeitscharakter. Nach unserem Verständnis gehen diese Grundsatzentscheidungen aber über einen Verbindlichkeitscharakter hinaus. Der für die Jahresabschlusserstellung geltende Grundsatz der Stetigkeit der Bilanzierung gilt auch uneingeschränkt für die Planung. Sofern vom Grundsatz der Stetigkeit der Planung abgewichen wird, erfordert dies entsprechend einen klaren und deutlichen Hinweis im Planungsbericht. Wichtig ist zu wissen, dass man eine vorgelegte Unternehmensplanung nur 113 dann analysieren und bewerten kann, wenn man das Planungshandbuch bzw. die Planungsrichtlinien kennt. Auch für die Unternehmensplanung ist anerkannt, dass ein unabhängiger erfahrener Dritter sich in angemessener Zeit einen Überblick über die Planung verschaffen können muss, § 238 Abs. 1 Satz 2 HGB analog. Dies ist ohne Kenntnis des Planungshandbuchs schlechterdings unmöglich. Tatsächlich wird der wesentliche Inhalt des Planungshandbuchs, sofern die 114 Planung durch externe Berater erstellt wird, im Berichtsteil unter „Auftrag und Auftragsdurchführung“ abgebildet. In besonderen Fällen, die von üblichen Planungsschemata abweichen, kann es sich empfehlen, das Planungshandbuch bzw. die Planungsrichtlinien als Anlage dem Planungsbericht beizufügen. Sofern die Planungsrichtlinien bzw. das Planungshandbuch nicht entsprechend 115 deutlich kenntlich gemacht sind, sollte der Leser der Unternehmensplanung
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E. Planungshandbuch
diese Informationen einholen. Andernfalls handelt es sich um die sprichwörtliche „Katze im Sack“. 116 Was ist nun aber im Planungshandbuch konkret geregelt? 117 Zunächst einmal sollte der Planungsanlass hinreichend deutlich kenntlich gemacht sein. Aus diesem Planungsanlass ergeben sich nämlich Konsequenzen für die anzustellende Planungsrechnung. Planungsanlässe können dabei die routinemäßige Planung für Controllingzwecke oder die Planung für Sonderanlässe sein, z. B. Bewertung für wirtschaftliche, rechtliche, insbesondere steuerliche Zwecke. 118 Ferner muss das Ziel der Planung vermerkt sein. Grundsätzlich gilt jede Unternehmensplanung einer Entscheidungsvorbereitung. Durch die Unternehmensplanung soll die künftige Entwicklung ggf. unter Einbeziehung von geplanten Maßnahmen abgebildet werden. Die Planung versucht damit die Unsicherheit über die künftige Entwicklung dahingehend auszugleichen, dass die erwarteten Entwicklungen abgebildet und damit zugleich zur Entscheidungs- und Steuerungsgrundlage gemacht werden können. Die Angabe des Ziels der Planung über diesen allgemeinen Planungsinhalt hinaus ist aber dann erforderlich, wenn z. B. Beiträge oder Leistungen von Dritten eingeworben werden sollen wie z. B. Darlehen, Kapitalerhöhungen oder Gläubigerverzichte. 119 Aus Anlass und Ziel der Planung ergibt sich meist die Beantwortung der Frage, ob bei Unternehmensverbünden konsolidiert und/oder einzeln (stand alone) zu planen ist. Ist auch das Ziel der Tätigkeit, Insolvenzgründe auszuschließen, ist in jedem Fall einzeln zu planen, da die Insolvenzgründe rechtsträgerbezogen zu ermitteln sind. Zusätzlich ist zu überprüfen, ob, sofern bei einer Verbundfirma ein Insolvenzgrund entdeckt wurde, dies Auswirkungen auf andere Gesellschaften haben wird (Dominoeffekt). 120 Die Unternehmensplanung ist allgemein aber auch Steuerungsmaßnahme für die betrieblichen Aktivitäten. So kann sie z. B. für den Vertrieb eine Zielvorgabe sein. Planungen, die zu diesem Zweck aufgestellt werden haben aber in der Regel einen anspannenden oder motivierenden Charakter. Niemand wird sich ein Ziel setzen, was er erwartungsgemäß auf jeden Fall erreichen wird. Er wird das Ziel, vergleichbar einem Hochspringer, etwas höher ansetzen, um sich zu einer besseren Leistung zu motivieren. Derartig erstellte Pläne sind damit tendenziell zu optimistisch oder positiv dargestellt. Umgangssprachlich werden Sie als „ambitioniert, aber „realistisch“ bezeichnet. Kappes/Schentler, CFO aktuell 6/2015, 105, 108.
121 Abzugrenzen, auch im Planungshandbuch, ist die Planung von der Prognose. Eine Prognose ist eine auf die Zukunft bezogene Äußerung über ein Ereignis, einen Zustand oder eine Entwicklung. Insbesondere ist die Prognose keine dem Beweis zugängliche Tatsache. Eine Prognose ist also die Voraus-
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E. Planungshandbuch
sage einer künftigen Entwicklung, eines künftigen Zustands oder eines günstigen Verlaufs. OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.2.2012 – I – 15 U 164/11 (juris); BGH, Urt. v. 25.11.1997 – VI ZR 306/96, MDR 1998, 283.
Die Prognosen sind von anderen Begriffen hinreichend deutlich abzugren- 122 zen. In der Literatur wird oft auf die Planung, z. B. bei der Planverprobungsrechnung im Sanierungskonzept, verwiesen. IDW S 6 (2008) Tz. 140 ff.; IDW ES 6 (2017) Tz. 68 ff.
Von einer Planung spricht man, wenn künftige Handlungen zukunftsgerich- 123 tet, informationsbasiert und rational vorstrukturiert werden. Insoweit ist die Planung ein verdichtetes Modell der Zukunft zur Entscheidungsvorbereitung. Ziel der Planung ist die Entscheidungsoptimierung. Dementsprechend zeichnet sich die Planung – als Entscheidungsgrundlage – durch ihre Handlungsorientierung aus; "Mache A, um B zu erreichen". Demgegenüber ist die Prognose erkenntnisorientiert; „X wird eintreten“. IDW S 6 (2008) Tz. 140 ff.; IDW ES 6 (2017) Tz. 68 ff; Pieroth, Systematische Prognosefehler in der Unternehmensplanung, S. 11 m. w. N.
Eine ambitionierte Planung kann daher keine taugliche Grundlage für eine in- 124 solvenzrechtlich gebotene Prognoseentscheidung, wie z. B. über das Vorliegen eines Insolvenzgrundes, sein. Es ist jedoch möglich, eine Planung in eine Prognose zu überführen. Im Planungshandbuch ist folglich klarzustellen, ob eine Planung und/oder eine Prognose erstellt wird. Die Unternehmensplanung dient den Unternehmen aber auch als Steuerungs- 125 größe für die Ressourcenzuteilung. Insbesondere bei getrennt geführten Abteilungen oder Sparten werden Ressourcenzuteilungen, z. B. für Investitionen von den Planungsrechnungen, abhängig gemacht. Die Gesamtunternehmenssteuerung versucht natürlich die Ressourcen dorthin zu allokieren, wo ein maximaler Return on Invest (ROI) zu erzielen sein wird. Insoweit stehen die Abteilungen oder Sparten in einem Wettbewerb um die Ressourcen. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Sparten oder Abteilungsverantwortlichen regelmäßig an sie gerichtete Erwartungen zu dämpfen versuchen, um am Ende des Planungszeitrahmens mit einem entsprechenden Ergebnis glänzen zu können. Dieser Spannungsbogen wird von Unternehmen zu Unternehmen zu unterschiedlichen Akzentuierungen führen. Das Ergebnis einer vorgelegten Unternehmensplanung kann aber nur dann bewertet werden, wenn Informationen über diese Hintergründe vorliegen. Neben der Planungsart wird in dem Planungshandbuch regelmäßig festge- 126 halten, an wen sich die Planung richtet, also wer der Leser der Planung ist. Je nach Adressat der Unternehmensplanung bestehen unterschiedliche Interessen. Zunächst ist aber zu berücksichtigen, dass die Unternehmensplanung ein internes Dokument für die Unternehmenssteuerung der Geschäftsführung ist.
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E. Planungshandbuch
Dementsprechend ist das Handbuch mit der Geschäftsleitung abzustimmen. Dementsprechend hat auch die Geschäftsleitung festzulegen, was sie in der Planung lesen bzw. erfahren will. Es werden damit zugleich Ziel und Zweck der Planung dokumentiert. 127 In der Regel wird im Planungshandbuch auch festgelegt, wer die Planung bis wann zu erstellen hat, wer die Planung freigibt und wer die dazu erforderlichen Informationen beisteuert. Damit einher geht normalerweise die Definition der Planungstiefe, also ob und inwieweit detailliert geplant werden soll (siehe Rn. 157). 128 Der zeitliche Planungsablauf, also wann und wie oft die Planung erstellt wird und bis wann mit der Freigabe der Planung zu rechnen ist, wird ebenfalls im Planungshandbuch geregelt. Die Planungsmethoden, also wie die Werte der Zukunft abgebildet werden, kann ebenfalls dokumentiert werden. Dasselbe gilt für die Informationsgewinnung bzw. Quellen der Informationsgewinnung. 129 Im Planungshandbuch sollte auch geregelt sein, dass und wie auf die strategische Planung abzustellen ist. Die insolvenzrechtliche Unternehmensplanung kann mit der operativen Unternehmensplanung gleichgestellt werden. Dabei handelt es sich um die finanzwirtschaftliche Planung der Erträge, der Bilanzentwicklung und der Liquiditätsentwicklung. So sieht das Insolvenzplanrecht auch vor, dass eben diese Unterlagen einem Insolvenzplan beizufügen sind, wenn die Gläubiger aus künftigen Erträgen befriedigt werden sollen. 130 Eine solche operative Unternehmensplanung hängt aber nicht in der Luft. Sie ist in die strategische Planung des Unternehmens einzubetten. Nun zeigt die Erfahrung, dass gerade bei KMU es nicht nur an operativen Planungen, sondern auch an strategischen Planungen mangelt. Demgegenüber ist bei größeren Mittelständlern bzw. in Großunternehmen regelmäßig von einer strategischen Planungsvielfalt auszugehen, da hier verschiedene strategische Szenarien geplant werden. In letzterem Falle ist von der verabschiedeten strategischen Planung auszugehen. Gegebenenfalls kann auf die anderen Planungsszenarien ein weiteres operatives Planungsszenario aufgesetzt werden. 131 Sofern aber keine strategische Unternehmensplanung, insbesondere bei KMU vorliegt, muss die strategische Stoßrichtung des Unternehmens durch Befragungen des Managements erhoben und hinreichend dokumentiert werden. Gerade hier zeigt die Praxis, dass Widersprüchlichkeiten eher die Regel als die Ausnahme sind. Die Unternehmen signalisieren in den Gesprächsterminen, dass Sie einem erheblichen Preis- und Kostendruck ausgesetzt sind verkünden aber in ihrer strategischen Planung stolz, dass Sie die Qualitätsführerschaft i. V. m. einem Hochpreisangebot bei ihren bestehenden Kunden anstreben. Solche Widersprüche sind im Rahmen des Planungsprozesses aufzuarbeiten und ggf. in einer erstmaligen strategischen Planung oder in einer Revisionierung der bestehenden Unternehmensplanung zu dokumentieren.
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E. Planungshandbuch
Das strategische Geschäftsmodell gewinnt auch an Bedeutung, wenn die Banken 132 „die Zuführung von Eigenkapital“ verlangen. Tatsächlich bedeutet dies in der Praxis, dass die Unternehmen ganz oder zum Teil verkauft werden sollen. Meist geschieht dies i. V. m. der Trennung vom Alteigentümer. Sofern der Alteigentümer aus der Geschäftsführung verdrängt werden soll, muss für planerische Zwecke berücksichtigt werden, ob dies Auswirkungen auf die künftige Ertragskraft der Unternehmung hat. Betriebswirtschaftlich wird dies unter dem Stichwort der „übertragbaren Ertragskraft“ diskutiert. Vgl. IDW-Praxishinweis-1/2014 – Besonderheiten bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts kleiner und mittelgroßer Unternehmen (IDW Praxishinweis 1/2014) = BStBK, Hinweise der Bundessteuerberaterkammer zu den Besonderheiten bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts kleiner und mittelgroßer Unternehmen (4.2.2), Berufsrechtliches Handbuch – Berufsfachlicher Teil; DATEV LX 0404068; Nickert/Kühne, NWB 2014, 2021.
Insoweit sollte bei Veränderungen der Gesellschafter oder Organisationsstruk- 133 tur im Handbuch klar vermerkt sein, von welchem Zukunftsszenario ausgegangen wird. Sollten hier verschiedene Szenarien angedacht werden, muss überprüft werden, ob für die verschiedenen Szenarien auch unterschiedliche Planungsrechnungen erstellt werden müssen. Dies gilt erst recht, wenn z. B. die Planung für den Rechtsträger erstellt wird 134 und im Planungsbericht ein Exit-Szenario in Form der übertragenden Sanierung vorgesehen ist. In diesem Fall ist zu prüfen, welche Auswirkung eine eventuell bestehende Nicht-Übertragbarkeit von Erlaubnissen, Genehmigungen oder z. B. der Kundendaten zur Folge hat. OLG Frankfurt, Urt. v. 24.1.2018 – 13 U 165/16, DB 2018, 502 = ZIP 2018, 644; dazu EWiR 2018, 209 (Mankowski).
Im Planungshandbuch sollte ebenfalls geregelt werden, wer für welche Infor- 135 mationserhebungen verantwortlich ist und wie der Prozess der Informationserhebung erfolgen soll. Hierzu bietet es sich an, die Prozessabläufe im Unternehmen zu analysieren und diese mit dem Organigramm abzugleichen. Hieraus ergibt sich dann, wer über welche Informationen verfügt. Dieses Erfahrungswissen der verantwortlichen Mitarbeiter ist in hohem Maße planungsrelevant. Aus diesem Grund müssen Unternehmensplanungsrechnungen, die allein auf Basis der Auskünfte der Geschäftsführung erstellt wurden, skeptisch hinterfragt werden. Außerdem sollte im Planungshandbuch und selbstverständlich auch im Unternehmensplanungsauftrag im Fall der Planung durch einen externen Dritten sichergestellt werden, dass der Planer Zugang zu allen Informationen und vor allem zu den entsprechenden Mitarbeitern erhält. In besonderen Fällen kann es erforderlich sein, Daten von externen Daten- 136 anbietern zu kaufen. Sofern dies im einschlägigen Fall erforderlich ist, sollte dies auch im Planungshandbuch mit einer entsprechenden Mittelfreigabe geregelt sein.
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E. Planungshandbuch
137 Die Planungsmethoden, also wie die Werte der Zukunft abgebildet werden, kann ebenfalls dokumentiert werden. 138 Zu bestimmen ist selbstverständlich auch, wer tatsächlich der Planungsersteller ist. Dies wird in vielen Unternehmen vom Controlling erfolgen. Die Verantwortlichkeit für die Unternehmensplanung obliegt aber der Geschäftsleitung. Daher ist im Planungshandbuch ein Freigabeprozess zu definieren. Insbesondere ist im Freigabeprozess aber auch zu bestimmen, ob und in welchem Umfang andere, z. B. der Aufsichtsrat, am Freigabeprozess teilnehmen. 139 Eine Selbstverständlichkeit ist es, dass diejenigen Dritten, von denen Sanierungsbeiträge erwartet werden, in den Planungsprozess einzubeziehen sind. Gemäß dem bereits oben skizzierten Grundsatz, dass unrealistische Erwartungen nicht planerisch erfasst werden dürfen, ist die Einbeziehung solcher Dritter unumgänglich. 140 Sofern die Unternehmensplanungsrechnung durch einen Berater erstellt wird, ist im Planungshandbuch kenntlich zu machen, ob der Planungsersteller in der Funktion als Berater tätig wird oder ob er in der Funktion als neutraler Gutachter tätig wird. In der Betriebswirtschaft kennt man diese Unterscheidung im Wesentlichen aus der Unternehmensbewertung. Dort hat sich im Rahmen der Kölner Funktionslehre eine Differenzierung herauskristallisiert, die auf die Fälle der Planungsrechnung in der Krise oder in der Insolvenz übertragbar ist. Peemöller, in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 7 ff.
141 Die Unternehmensbewertung kennt die Unterscheidung nach neutralem Gutachter, Berater und Vermittler. Letztere Funktion spielt bei Unternehmensplanungen in der Krise allenfalls dann eine Rolle, wenn z. B. die Trennung und Abfindung von Gesellschaftern im Sanierungsprozess mit geregelt werden soll. Die anderen beiden Funktionen definiert das IDW in S 1 unter Tz. 12 wie folgt: x
„Neutraler Gutachter“: In der Funktion als neutraler Gutachter wird der Wirtschaftsprüfer als Sachverständiger tätig, der mit nachvollziehbarer Methodik einen von den individuellen Wertvorstellungen betroffenen Parteien unabhängigen Wert des Unternehmens – den objektivierten Unternehmenswert – ermittelt.
x
„Berater“: In der Beratungsfunktion ermittelt der Wirtschaftsprüfer einen subjektiven Entscheidungswert, der z. B. angeben kann, was – unter Berücksichtigung der vorhandenen individuellen Möglichkeiten und Planungen – ein bestimmter Investor für ein Unternehmen höchstens anlegen darf (Preisobergrenze) oder ein Verkäufer mindestens verlangen muss (Preisuntergrenze), um seine ökonomische Situation durch die Transaktion nicht zu verschlechtern.“
142 Diese Entscheidung kann auf die Situation des Planerstellers in der Krise übertragen werden: Der neutrale Gutachter trifft eine von den individuellen Wert-
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E. Planungshandbuch
vorstellungen unabhängige Einschätzung. Demgegenüber erstellt der Berater eine nach der Rechtsprechung zur Unternehmensbewertung akzeptierte subjektive Einschätzung der Geschäftsleitung. Auf Letztere aber kommt es nach der Rechtsprechung im Falle der Krise und Insolvenz an. BGH, Urt. v. 6.6.1994 – II-ZR-292/91, ZIP 1994, 1103 („gewisser Beurteilungsspielraum“); Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2300 ff.
In der Praxis wird der Berater eher den Spielraum zugunsten seines Mandanten 143 einnehmen und im Rahmen der Prognose den Beurteilungsspielraum in diese Richtung ausschöpfen, während der neutrale Dritte eine vermittelnde Position einnehmen wird. Dies sollte aber nicht dazu verleiten, per se Sicherheitsabschläge vorzunehmen. Berater, die in diesem Umfeld nachhaltig tätig sind, können es sich nicht erlauben, den Stakeholdern unvertretbare Planungen vorzulegen. Zum einen haben sie wiederholten und nachhaltigen Kontakt insbesondere mit den institutionellen Gläubigern, zum anderen wissen die Berater, dass sie wenigstens im Mittel auch an der Planungstreue gemessen werden. Also hat der Planungsersteller kenntlich zu machen, in welcher Funktion er tä- 144 tig wird. Sofern er als objektiver bzw. neutraler Gutachter tätig wird, hat er das planerische Ergebnis „ohne Berücksichtigung subjektiver Wertschätzungen speziell Interessierter“ aufzuzeigen. Tatsächlich entsteht hieraus ein Dilemma. Es gibt in der Krise keine neutrale Sicht der Dinge. Die Zukunftserwartungen sind immer subjektiv. Sie können, wie das BVerfG in der Daimler/Crysler-Entscheidung festgestellt hat, lediglich daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage beruhen und vertretbar, mithin plausibel, sind. BVerfG, Beschl. v. 24.5.2012 – 1 BvR 3221/10 („Daimler/ Chrysler“), ZIP 2012, 1656.
Eben jenes ist die Aufgabe des neutralen Gutachters, während der Berater 145 subjektive Entscheidungswerte bzw. Argumentationen für seinen Mandanten aufzeigt. Im Planungshandbuch wird regelmäßig auch die Planungsart geregelt. In der 146 betrieblichen Steuerungspraxis ist die einfache Ertragsplanung nicht unüblich. Dass eine solche reine Ertragsplanung in der Krise nicht mehr ausreichend ist, folgt zum einen bereits aus der Existenz der Insolvenzgründe, die auf die Liquidität oder die Überschuldung (Bilanz) abstellen. Ferner folgt dies aus den notwendigen Plananlagen im Fall der Befriedigung aus künftigen Erträgen und zuletzt aus den einschlägigen berufsrechtlichen Standards z. B. des IDW des BDU. Sofern also im Planungshandbuch die einfache Ertragsplanung oder Rentabilitätsvorschau als Steuerungsgröße angeordnet wird, kann zwar eine solche Planung als Ausgangsbasis einer Sanierungsplanung oder insolvenzrechtlichen Prognoseentscheidung herangezogen werden. Das Gesamtergebnis kann aber erst nach einer Überführung in eine integrierte Ertrags-, Bilanzund Liquiditätsplanung abgeleitet werden.
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E. Planungshandbuch
147 Neben der Planungsart wird regelmäßig im Planungshandbuch auch der Planungszeitraum geregelt. Dieser Zeitraum kann je nach Planungsanlass stark variieren. Ist z. B. in einem Insolvenzplan geregelt, dass die Gläubiger aus künftigen Erträgen zu befriedigen sind, sollte die Planung soweit dauern, bis die Leistungen aus dem Insolvenzplan erfüllt sind. Sofern aber die Planung erstellt wird, um einen Insolvenzgrund zu beurteilen, gelten die jeweiligen Maßstäbe der §§ 17 – 19 InsO. Hier ist insbesondere auf das Urteil des BGH vom 5.12.2013, BGH, Urt. v. 5.12.2013, ZIP 2014, 183,
hinzuweisen, nach der der Planungszeitraum für die Fortbestehensprognose so lange andauert, bis die letzte zum Prüfungszeitpunkt bestehende Verbindlichkeit (Achtung: Nicht fällige!) getilgt ist. „In die Prognose, die bei der Prüfung drohender Zahlungsunfähigkeit anzustellen ist, muss die gesamte Finanzlage des Schuldners bis zur Fälligkeit aller bestehenden Verbindlichkeiten einbezogen werden.“
148 Hat also eine Unternehmung eine Immobilie finanziert, deren Restfinanzierungsdauer noch acht Jahre andauert, so beträgt der Planungszeitraum für die Fortbestehensprognose eben jene acht Jahre. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der BGH im Urteil vom 22.5.2014, BGH, Urt. v. 22.5.2014 – IX ZR 95/13, ZIP 2014, 1289,
diese Frage ausdrücklich offen gelassen hat: „Damit braucht auf die umstrittene Frage, welcher Zeitraum der Prognose zugrunde zu legen ist (vgl. HK-InsO/Kirchhof, 6. Aufl., § 18 Rn. 8; Pape/ Uhländer/Sikora, InsO, § 18 Rn. 19, Uhlenbruck a. a. O Rn. 18 f. jeweils m. w. N.) hier nicht eingegangen zu werden.“
149 Das IDW hat in seinem Standard IDW S 11 unter Tz. 97, 60 in Übereinstimmung mit der h. M., a. A. Nickert, in: Nickert/Lamberti, Rn. 213 ff.: 3 – 5 Jahre, mind. bis zum Erreichen eines eingeschwungenen Zustands,
für die Ermittlung der drohenden Zahlungsunfähigkeit und die Fortbestehensprognose festgelegt, dass der Prognosezeitraum regelmäßig bis zur letzten Fälligkeit der bestehenden Verbindlichkeiten läuft. Im Falle langfristiger Verbindlichkeiten (z. B. Pensionsverpflichtungen oder längerfristige Darlehen) entspricht der Prognosezeitraum aufgrund zunehmender Prognoseunsicherheit dem der Fortbestehensprognose. Dieser umfasst aufgrund im Zeitablauf zunehmender Prognoseunsicherheit i. d. R. nur das laufende sowie das folgende Geschäftsjahr. Begründet wird dies regelmäßig mit der (bloßen) Behauptung, man könne i. d. R. betriebswirtschaftlich nicht verlässlich weiter planen. Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 217; vgl. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, Rn. 5.141; zur Kritik: Nickert/Nickert/Kühne, KTS 2019, 29, 62.
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E. Planungshandbuch
Richtig ist dies hingegen nicht, was die Praxis der Unternehmensbewerter 150 eindrucksvoll unter Beweis stellt. Studie i-advise März 2018, http://www.i-advise.de/de/wpcontent/uploads/2018/03/180314-Studie-Bewertungspraxis.pdf (Abruf am 19.2.2019); KPMG Kapitalkostenstudie 2017, https://assets.kpmg/content/dam/kpmg/ch/pdf/cost-of-capital2017-de.pdf (Abruf am 19.2.2019)
Außerdem wird im Planungshandbuch die Planungsdarstellung geregelt. 151 Hierzu zählt z. B. auch, ob die Planung in Form eines schriftlichen Berichts, einer Präsentation oder ggf. nur über einen mündlichen Vortrag erfolgen soll. Im Rahmen der insolvenzrechtlichen Planungserstellung halten wir eine schriftliche Dokumentierung der Planung für unverzichtbar. Vgl. Nickert, in: Nickert/Lamberti, Rn. 333 ff.
Zur Planungsdarstellung zählt aber auch die Frage, an wen sich die Planung 152 richtet. Hieraus können sich besondere Anforderungen an das Berichtswesen ergeben. Sofern sich die Unternehmensplanung z. B. auch an Banken richtet, ist es sinnvoll, abzubilden, wie sich der aktuell bestehende Kreditspiegel oder Financial Covenants in der Zukunft entwickeln wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Unternehmen über mehrere Banken mit Kreditbeziehungen verfügt. Korrespondierend hierzu kann sich die Darstellung der Entwicklung der Sicherheiten anbieten. Für die Praxis ist es empfehlenswert, derartige Fragestellungen vor Beginn der Tätigkeit mit den entsprechenden Stakeholdern abzuklären. Ebenfalls wird im Planungshandbuch regelmäßig geregelt, mit welchen tech- 153 nischen Mitteln die Planung erfolgt, also ob mit einem Software Tool oder z. B. mit Microsoft Excel geplant wird. Die verschiedenen Stakeholder haben in der Krise der Gesellschaft verschieden 154 gelagerte Interessen. Die Interessen sind herauszuarbeiten und im Planungshandbuch zu skizzieren, sodass hieraus Anforderungen an die Darstellung abgeleitet werden können. Eine Unternehmensplanungsrechnung ist ein stichtagsbezogenes Werk. Zu 155 einem definierten Stichtag ist die Planung aufzustellen. Im Rahmen des Planungshandbuchs sollte geregelt werden, wie mit Informationen umzugehen ist, die sich nach dem Stichtag ereignet haben. Insbesondere gehört hierzu die Regelung, ob eine „Redepflicht“ des Planungserstellers besteht oder nicht. Ferner sollte geregelt sein, wann und wie entschieden wird, ob eine erstellte Planungsrechnung aufgrund späterer Ereignisse überplant oder vollkommen neu erstellt wird. Neben dem Planungszeitraum ist auch das Planungsintervall zu regeln. Mit 156 dem Planungsintervall ist die ggf. unterjährige Untergliederung der Jahresplanung gemeint. Gerade im Krisen- oder Insolvenzumfeld machen Jahresplanungen nur dann einen Sinn, wenn es keinerlei unterjährigen Zyklus und
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E. Planungshandbuch
keine unterjährigen abweichenden Liquiditätsbelastungen gibt. Sobald aber z. B. ein unterjähriger Zyklus besteht, Weihnachtsgeld ausbezahlt wird oder im Sommer Betriebsferien bestehen, reicht eine Jahresplanung nicht mehr aus. Dann ist das Planungsintervall zu definieren. Dabei halten wir Planungen bis auf Tagesebene für unangebracht. Praktikabel und üblich ist, die Planung im ersten und in der Regel im Folgejahr auf Monatsbasis zu erstellen und in den nachfolgenden Jahren auf Quartale bzw. auf Ganzjahre umzustellen. Insbesondere die Zahlungseingänge der Kunden und die Daten der Warenlieferungen seitens der Lieferanten können oft noch nicht einmal wochengenau abgebildet werden, sodass wir Planungen in kürzeren Intervallen skeptisch gegenüberstehen. Die damit einhergehende dramatische Steigerung des Aufwands steht dem möglichen Erkenntnisgewinn in keinem vernünftigen Verhältnis gegenüber. Was in einem solchen Fall allerdings parallel neben der Unternehmensplanung gemacht werden muss, ist eine kurzfristige Liquiditätsplanung, die aus der Finanzbuchführung zusammen mit der integrierten Unternehmensplanung für die nächsten zwei bis drei Monate ohne Weiteres abgeleitet werden kann. 157 Ferner ist im Planungshandbuch die Planungstiefe zu regeln. Darunter ist die Tiefe der Gliederung der Planung zu verstehen. Die Unternehmensplanung ist ein Modell der Zukunft. Was bedeutet nun Modell? Ein Modell veranschaulicht die Realität in einer reduzierten Weise. Es ist ein reduziertes Abbild der Wirklichkeit bzw. für den Fall der Unternehmensplanung der Zukunft. Wikipedia „Modell“, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Modell (Abruf am 13.7.2015).
158 Insoweit beinhaltet das Modell notwendigerweise nicht alle Elemente. Entscheidend ist dabei, die wesentlichen Zusammenhänge, Strukturen und Elemente zu erfassen und abzubilden. Anderseits muss die Modellbildung auch Praktikabilitätsüberlegungen gehorchen. Die Modelle müssen beherrschbar sein. So macht es z. B. keinen Sinn die künftige Entwicklung bis auf Buchungssatzebene zu planen. Über den Umfang der Planung können keine allgemeinen Empfehlungen ausgesprochen werden. Die Planungstiefe ist folglich eine Frage des Einzelfalls. Unseres Erachtens hängt Sie stark von der Unternehmensanalyse, insbesondere des Chancen- Risiko-Profils des Unternehmens ab. Auf jeden Fall müssen die Ergebnisse in einer Planverprobungsrechnung münden, die sich in der Gliederung an den §§ 266, 275 HGB zu orientieren hat. Dringend empfehlenswert ist es, die Planungstiefe und die Begründung der Planungstiefe zumindest in den Arbeitspapieren zu vermerken. 159 Planungen bis auf Kontenebene der Finanzbuchführung halten wir für nicht angebracht. Tatsächlich stellt sich dann nicht selten heraus, dass auf einem Konto eine Abweichung in eine Richtung und auf einem anderen Konto in die gegenläufige Richtung vorliegt. Die Abweichungen auf den Konten können beträchtlich sein – auf der GuV-Position nach § 275 HGB oder auf der Bilanzpositionen nach § 266 HGB – gleichen sich aber wieder aus. Daher sollte sich der Planungsersteller davor hüten, die Planung zu tief zu untergliedern. Aller40
E. Planungshandbuch
dings kann in Fällen oberhalb von kleinen Unternehmen die Planung allein im Gliederungsschema der Bilanz nicht mehr ausreichend sein. Nach dem altbewährten Paretosatz (sog. 80/20-Regel) sind die wesentlichen Erfolgstreiber der Unternehmensanalyse zu ermitteln. Diese Erfolgstreiber werden dann hinreichend konkret geplant. Z. B. können die Umsatzerlöse nach Kunden oder nach Produkten (Produktgruppen) geplant werden. Hierzu werden die Daten des betrieblichen Rechnungswesens analysiert und die Kunden herausgefiltert, mit denen 80 % der Umsatzerlöse getätigt werden. Diese Kunden werden dann in der Regel individuell geplant. Sofern aber die Unternehmung über eine homogene Kundenstruktur verfügt, ist es angezeigt, auf Produktebene zu planen und zu prüfen, mit welchen Produkten 80 % der Umsatzerlöse getätigt werden usw. Hier verbietet sich eine standardisierte Bewertung. Vielmehr ist die Unternehmensplanung ein „Maßanzug“, der auf jeden Fall individuell angepasst sein muss. Und eben jene Anpassung passiert im Planungshandbuch. Mittlerweile existieren verschiedene Standards. Daher sollte in den Planungs- 160 richtlinien auch geregelt sein, ob sich der Planungsersteller an einen Planungsstandard bindet und, wenn ja, an welchen Planungsstandard er sich gebunden hat. Sofern ein solches Statement erfolgt, ist dann dieser Standard anzuwenden oder aber hinreichend deutlich zu kennzeichnen, auf welche Bestandteile des Standards man entweder verzichtet hat oder wie man diese in veränderter Form angewandt hat. Es haben sich aber Mindestregeln herausgestellt, die sich als Planungsgrund- 161 sätze x
der Vollständigkeit der Planung,
x
der Wesentlichkeit und Angemessenheit der Planung,
x
der Folgerichtigkeit,
x
der Transparenz und
x
der Dokumentation
herausgestellt haben. Insbesondere der Standard der Vollständigkeit der Planung ist bedeutsam. Planungen bis auf den ordentlichen Betriebserfolg (Betriebsergebnisse nur bis zum EBIT oder bis zum EBITDA) stellen nur einen Teilbereich des Unternehmens dar. Aufgrund der Notwendigkeit einer integrierten Unternehmensplanung ist selbstverständlich, dass eine derartige Planung nicht Gegenstand einer insolvenzrechtlichen Prognose und auch nicht einer Krisenplanung sein kann. Eine solche Planung wäre nicht vollständig, da sie zum einen nicht das vollständige Ergebnis zeigt und darüber hinaus wesentliche Planungspositionen (Bilanz und Liquidität) außer Acht lässt. Entscheidend ist auch, wie in einer Planung mit Unsicherheit (Risiko und 162 Ungewissheit) umgegangen wird. Aus diesem Grund muss die Planungsricht-
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E. Planungshandbuch
linie hierauf eine Antwort geben. In der Praxis erfolgt dies dadurch, dass geregelt wird, ob ein erwarteter Wert (Modus oder Management Case oder Real Case) geplant wird oder ob ein Erwartungswert geplant wird, in welchem alle Chancen und Risiken zu einem Erwartungswert verdichtet werden. Alternativ zu Szenarien könnte eine simulationsbasierte Planung erstellt werden (Monte-Carlo-Simulation). Sofern ein sog. Erwartungswert geplant wird, was nach unserem Verständnis rechtlich geboten ist, sollte im Planungshandbuch geregelt werden, wie dieser Erwartungswert erzeugt wird. Vgl. hierzu Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297 ff.
163 Zum Schluss ist noch darauf hinzuweisen, dass die Planung im Idealfall entsprechend dem betrieblichen Rechnungswesen aufgebaut wird. Dies erleichtert künftige Soll- und Ist-Vergleiche. Betriebswirtschaftlich oder rechtlich zwingend ist dies hingegen nicht. Sofern in der Krise zur Neuausrichtung geplant wird, ist diese Neuausrichtung nach dem Grundsatz der Wesentlichkeit zu planen und ggf. die Kontierung im Rechnungswesen anzupassen. 164 Zum Schluss sollte geregelt werden, wie mit künftigen Soll-Ist-Abweichungen umgegangen wird und vor allem aber bei welcher Abweichungsgröße eine Überplanung oder zumindest eine förmliche Entscheidung über eine Neuplanung anzusetzen ist. Gerade in der Krise und beim Neuaufbau einer Unternehmensplanung gewinnt diese Regelung ein besonderes Gewicht. 165
Checkliste Planungshandbuch Planungsanlass untersuchen
Aus dem Planungsanlass folgen Anforderungen an die Planung.
Was ist genau verlangt?
Planung oder Prognose? Anmerkung: Im Folgenden wird Planung und Prognose synonym verwendet.
Ziel der Planung
• • • •
Planungsart bestimmen
• integrierte Planung (Regelfall)? • reine Ertragsplanung? Bei Gruppen/Konzern: • konsolidiert? • stand alone?
Planungsstandard und -methode
Ist ein Standard vorgegeben? Wenn nein, orientieren an GoP 2.1/IDW S 1/6 • einwertige Planung • Szenarien • Bandbreitenplanung z. B. Monte-CarloSimulation
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Zielvorgabe? Steuerungsgröße? Entscheidungsvorbereitung? gesetzlicher/vertraglicher Anlass? Welcher?
E. Planungshandbuch Planungsinstanz und Ablauf
• • • • •
Wer verantwortet Planung? Wer gibt Planung frei? Ist Vieraugenprinzip erforderlich? Wenn ja, wie wird es sichergestellt? Wie ist der Planungsablauf?
Sind Dritte erforderlich? Wie ist die Qualität der Informationen und Auskunftspersonen zu beurteilen? Planungsablauf
Was ist sinnvoll? • Top down • Bottom up • Gegenstromverfahren
Wer plant? In welcher Funktion?
Welches Planungs-Know-how besteht? Ist es für den Anlass ausreichend? Soll die Planung subjektiv (Berater) oder objektiviert (neutraler Gutachter) erstellt werden?
Planungsstichtag und -zeitraum
Welcher Planungszeitraum wird benötigt? • Stichtag • Einjährige Planung oder mehrjährige Planung
Welchen Zeitraum sollen die zu erstellenden Planungen umfassen?
Ab wann soll geplant werden?
Planungsintervall?
• i. d. R. monatlich • ab dem 3. Planjahr i. d. R. jährlich
Liegt eine schriftliche Strategie vor?
Wie wird die Verzahnung der operativen Planung mit der strategischen Planung sichergestellt?
Welche Teilpläne liegen vor?
• Absatzplan • Investitionsplan • Kapitalaufnahme und Rückführung (EK und FK)
Informationsgeber
Wer sind die (internen) Informationsgeber? Gibt es ein Organigramm? • Vertrieb • Einkauf • Produktion • Finanzen • Sonstiges Welche externen Informationsgeber gibt es? • Verbände • Berater • Experten • Sonstiges
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E. Planungshandbuch Wer ermittelt Grundtatbestände
strategische Analyse, z. B. • Tendenzen, Trends • PESTL • Wettbewerbsanalyse • Standort • Betriebsanalyse • SWOT
Planungstiefe
• • • •
Was und wie tief soll geplant werden? Wer entscheidet diese Frage Was macht Sinn? Wie ist das Rechnungswesen aufgebaut?
Mit welcher EDV soll geplant • DATEV Unternehmensplanung werden? • StrategieNavigator • Excel mit Crystal Ball oder @Risk • Wie soll der Planungsbericht abgefasst sein?
Darstellungsart • Power Point • nur Zahlenwerk • Bericht • Anforderungen an den Bericht (Dritte etc.)
Was ist das Ziel der Planung und wer erhält die Planung?
• gesetzlicher Auftrag • vertraglicher Auftrag • Investitionsentscheidung (z. B. auch Dritter wie Bank)
Zeitlicher Ablauf
Bis wann wird die Planung benötigt? • gesetzlicher Anlass • vertraglicher Anlass • Sonstiges
Zwischenschritte
Gibt es Zwischenschritte? Wenn ja welche?
Richtlinien für Soll-/ Ist-Vergleiche
Wie sehen die Soll/Ist Vergleiche aus? Zahlen, Kennzahlen, Sonstiges?
Berichtskaskade; wer berichtet an wen? Bei welcher Abweichung soll die Planung revisioniert werden?
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Ab welcher Abweichung wird die Neuplanung diskutiert?
F. Projektmanagement Jede Sanierung und damit auch die Unternehmensplanung ist in aller Regel 166 ein Projekt. Nickert/Nickert, InsBüro 2014, 121.
Es geht darum, das Potential des Unternehmens leistungswirtschaftlich und 167 in aller Regel auch finanzwirtschaftlich abzubilden. Eine solche Planung ist üblicherweise mit rechtlichen und steuerrechtlichen Problemen behaftet. Regelmäßig sind Informationen von mehreren Wissensträgern einzuholen und zu koordinieren. Daher werden neben den entscheidenden Informationen insbesondere betriebswirtschaftliche Kenntnisse in der Finanzwirtschaft, in der Leistungswirtschaft und darüber hinaus steuerliche und rechtliche Kenntnisse erforderlich sein, um die Aufgabe zu bewältigen. Oft müssen Beraterstäbe mit den Mitarbeitern des Unternehmens koordiniert werden. In der Krise wird diese Leistung meist extern eingekauft. Dies hat mehrere 168 Gründe: zum einen wollen die Stakeholder, insbesondere die Banken und Sparkassen, einen „neutralen externen Dritten“, um eine gewisse sachliche und personelle Distanz sicherzustellen. Ferner geht der BGH im Urteil vom 14.5.2007, BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II-ZR-48/06 ZIP 2007, 1265,
in der Haftungsrechtsprechung davon aus, dass sich das Organ bei der Insolvenzreifeprüfung extern beraten lassen muss, wenn es nicht selbst über entsprechende Fähigkeiten verfügt: „Dabei muss sich der organschaftliche Vertreter, sollte er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügen, ggf. extern beraten lassen (BGHZ 126, 181, 199, dort zur Prüfung der positiven Fortführungsprognose; OLG Düsseldorf NZG 1999, 944, 946 zur Feststellung der Überschuldung; Hefermehl/Spindler aaO; Mertens in Kölner Komm. z. AktG, 2. Aufl. § 93 Rn. 99; Hopt in Großkomm. z. AktG, 4. Aufl. § 73 Rn. 255 m. w. N.; Wiesner, in: MünchHdb. d. GesR, Bd. 4 2. Aufl. § 26 Rn. 7 m. w. N.). Dafür reicht selbstverständlich eine schlichte Anfrage bei einer von dem organschaftlichen Vertreter für fachkundig gehaltenen Person nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass sich das Vertretungsorgan unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt.“
Da diese Kenntnis äußerst selten bei Organen gegeben ist, muss man von einer 169 „allgemeinen Beratungspflicht“ ausgehen. Insoweit sind bereits die Aktivitäten im Unternehmen mit denen des Beratungsunternehmens zu koordinieren. Da ein solches Projekt nur in den seltensten Fällen von einem Beratungsunternehmen allein zu realisieren ist, sind mehrere Betriebsteile und Partner mit zum Teil unterschiedlichen Beratungsaufträgen mit den Aktivitäten des Unternehmens zu koordinieren. Letztlich handelt es sich also um Projektmanagement.
45
F. Projektmanagement
170 Zum anderen müssen in der turbulenten Phase etliche Zusatzaufgaben wahrgenommen werden, sodass zur fachlichen Anforderung noch der tatsächliche Arbeitsbedarf abzubilden ist. Dies ist meist nur unter Zuhilfenahme Dritter zu leisten. 171 Generell gilt beim Projektmanagement, dass zu Beginn das Projektziel definiert werden muss. Ausgehend von diesem Gesamtziel sollten Etappenziele (sog. Milestones) definiert werden. Beispielsweise könnte das Projektziel die Sanierung einer Gesellschaft mit der Herstellung einer Eigenkapitalquote von 10 % und einer Umsatzrendite von 8 % sein. Die Etappenziele hierzu wären z. B. x
zunächst die Analyse der Zahlungsunfähigkeit,
x
danach das Erstellen einer Fortbestehensprognose,
x
die Vorlage eines Unternehmenssanierungsgutachtens gemäß IDW S 6 und zuletzt
x
deren Präsentationen sowie
x
(in der Regel parallel zu der Gutachtenstellung) die Verhandlungen mit den Geschäftspartnern und
x
im Anschluss die Umsetzung der geplanten Sanierungsmaßnahmen.
172 Nicht minder wichtig ist die Bestimmung eines Projektverantwortlichen, der die verschiedenen Aktivitäten miteinander koordiniert. In Sanierungsfällen von KMU ist eine Projektsteuerungssoftware nicht erforderlich. Allerdings muss sichergestellt sein, dass die Aktivitäten koordiniert, gesteuert und überwacht werden. Dies kann mit Word bzw. Excel sehr einfach dargestellt werden. Sofern die einzelnen Bearbeitungsschritte aufeinander aufbauen, kann dies in der Tabelle abgebildet werden. Damit ist auch gleich erkennbar, welche Folgeschritte sich ggf. verändern bzw. verzögern, wenn im Vorfeld Bearbeitungstermine nicht eingehalten werden. Sind mehrere Beteiligte in diesen Prozess involviert, kann sich die Einrichtung eines Datenraums in der Cloud empfehlen. 173 Letztlich kann man mit relativ einfachen Schritten das gesamte Projekt steuern. Es muss lediglich definiert sein, wer etwas mit wem macht. Was genau zu tun ist und bis wann es fertig sein soll. Zum Schluss muss noch geregelt werden, an wen Zwischenziele bzw. die Fertigstellung zu berichten ist. 174 Eine derartige Projektaufnahme ist auch aus Honorarsicherungsgründen dringend angezeigt. Sobald Klarheit über die zu verrichtenden Aufgaben besteht, kann auch der Beratungsaufwand kalkuliert und die Vorschüsse entsprechend angepasst werden. Erst und nur dann können auch die Kosten der Sanierung einschließlich der Beraterkosten in der Ertragsplanung und in der Liquiditätsplanung berücksichtigt werden. 175 Eine Nichtberücksichtigung würde weder bei den Banken noch bei den Unternehmen auf Gegenliebe stoßen.
46
I. Ablauf einer Planung Datum: ……
Projekt/Auftrag: … erledigt Lfd. Nr. Bezeichnung: … SDV: … Name: …
erledigt Wer
Mit wem
Bis wann Info an
I. Ablauf einer Planung Der Ablauf einer Planungserstellung orientiert sich grundsätzlich an einem 176 5-stufigen Aufbau: x
Auftragsbestimmung und -abgrenzung
x
Unternehmensanalyse
x
Erstellen der Unternehmensplanung –
Planung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens
–
Planung der (Sanierungs-) Maßnahmen
–
Prüfung des Vorliegens von Insolvenzgründen und ggf. Handlungsempfehlungen zur Haftungsvermeidung (bei Kapitalgesellschaften (& Co.) Erstellen einer sog. Fortbestehensprognose)
x
Umfassender Planungsbericht
x
Nachgelagerte Begleitung, Controlling.
Für die Umsetzung der einzelnen Stufen werden üblicherweise folgende Zeit- 177 abläufe kalkuliert: Tätigkeit:
Bearbeitungsdauer ca.:
1. Auftragsdefinition, Unternehmensanalyse und Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit
wenige Tage bis max. 3 Wochen
2. Fortbestehensprognose
3 – 8 Wochen
3. Sanierungsgutachten und Planungsbericht
2 – 6 Monate
4. nachgelagerte Betreuung
6 – 18 Monate
Kernbestandteile der Planungsrechnung sind: Beschreibung von Auftragsgegen- 178 stand und -umfang, Darstellung der bisherigen Unternehmensentwicklung, Analyse der aktuellen Unternehmenslage, Analyse des Krisenstadiums und der Krisenursachen, Darstellung des Leitbildes des sanierten Unternehmens, Maßnahmen zur Bewältigung der Krise und die Verdichtung der Ergebnisse in einer integrierten Unternehmensplanung. Während des gesamten Prozesses empfiehlt es sich, die Kommunikation ge- 179 genüber den Stakeholdern, insbesondere gegenüber den Banken und den
47
F. Projektmanagement
Hauptgläubigern, über den CRO bzw. den Berater zu steuern. Gerade bei KMU werden Fachbegriffe öfters fälschlich verwendet und es droht, dass die Gläubiger hieraus Folgerungen und Maßnahmen ableiten, die schwer bis irreversibel sind. 180 Im Rahmen des Sanierungsprozesses ist die wirtschaftliche Ausgangslage darzustellen. Das Geschäftsmodell des Unternehmens ist eingehend zu beschreiben und ggf. zu analysieren. Hierzu zählt die Analyse des Unternehmensumfelds, z. B. einer PESTL-Analyse. Ebenso ist die Stellung im Wettbewerb anhand der Methode der Porters Five Forces zu begutachten und es sind die Stärken und Schwächen des Unternehmens (SWOT-Analyse) zu beurteilen. Die Jahresabschlüsse der letzten drei bis fünf Jahre (u. U. länger) sind ebenfalls zu analysieren. Zuletzt sind die Krisenursachen und das Krisenstadium zu analysieren, um darauf aufbauend ein Leitbild des sanierten Unternehmens darzustellen. Gegebenenfalls wird hierzu die Unternehmensstrategie völlig neu definiert. 181 Aus den gewonnenen Erkenntnissen sind die Maßnahmen zur Bewältigung der Krise zu definieren. Hierzu zählen alle Maßnahmen zur Überwindung der Krise. Gerade dieser Prozessschritt kann besonders zeit- und arbeitsintensiv sein, da z. B. im leistungswirtschaftlichen Bereich „sog. Machbarkeitsstudien“ erforderlich werden können. Dies kann z. B. aber auch der Einstieg eines Investors sein – hierfür ist eine verlässliche Bewertung des Unternehmens von entscheidender Bedeutung. An dieser Stelle können aber auch Maßnahmen im Bereich des Gesellschaftsrechts, wie z. B. eine Kapitalerhöhung, eine Kapitalherabsetzung oder auch ein Debt-Equity-Swap sein. 182 Die Maßnahmen sind in einer integrierten Unternehmensplanung abzubilden. Diese ist mit Kennzahlen zu verproben. Im Nachgang ist die Umsetzung der Maßnahmen zu überwachen. II. Einbettung des Planungsprozesses in die Sanierung 183 Die Unternehmensplanung ist in den Sanierungsprozess zu integrieren. Darunter versteht man, dass zum einen die Planung auf einen aktuellen Stichtag oder auf einen Stichtag in der nahen Zukunft gelegt wird. Zum anderen muss die Unternehmensplanung die Sanierungsmaßnahmen in ihren Auswirkungen auf die Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage darstellen. Da die Planung aufzeigt, ob und welchen Erfolg die Maßnahmen auf die künftige Unternehmensentwicklung haben, hat dies einen iterativen Charakter. Das heißt, die Maßnahme wird in ihren Auswirkungen verbal umschrieben und sodann in die Unternehmensplanung hineinmodelliert. Dann werden die Auswirkungen im Detail überprüft, um zu entscheiden, ob die Maßnahme überhaupt durchgeführt werden soll. Damit erlangt die Unternehmensplanung eine ihrer wichtigsten Funktionen: Die Vorbereitung einer Entscheidung. Im Grunde genommen wird dieser Prozess vielfach wiederholt. Man kann es einfacher ausdrücken: Die Unternehmensplanung zeigt zunächst die Entwicklung unter dem
48
III. Informationsgewinnung und Anforderungen an die Qualität der Informationen
Motto: „Was passiert, wenn nichts passiert“. Sodann wird die erste Maßnahme verbal und ihre Auswirkungen umschrieben. Diese Maßnahme wird dann in der Planung berücksichtigt und das Planungsergebnis wird angesehen. Zeigt die Maßnahme die erhoffte Wirkung, wird sie aller Voraussicht nach beschlossen werden. Sodann wiederholt sich der Prozess mit der zweiten Maßnahme usw. usf. Bei der Einbindung in den Sanierungsprozess ist aber nicht nur zu berück- 184 sichtigen, ob die Maßnahme die erhofften Wirkungen zeigt. Es ist auch zu berücksichtigen und zu bewerten, ob die Maßnahme von Zustimmungen Dritter abhängt. Dies soll an folgendem Beispiel verdeutlicht werden: Es könnte eine neue Maschine angeschafft werden, die zu wesentlich günstige- 185 ren Produktionskosten betrieben werden kann. Allerdings muss die Maschine durch die Hausbank finanziert werden. Hier ist zu berücksichtigen, ob die Hausbank die Finanzierung aufgrund der Krise noch übernehmen wird oder nicht. Daher ist es zunächst sehr wichtig, auch das Krisenstadium zu analysieren, 186 weil sich daraus vielfältige Informationen über Annahmen und die Einschätzung der Zustimmung Dritter ergeben. III. Informationsgewinnung und Anforderungen an die Qualität der Informationen Die Qualität der Informationen bestimmt die Qualität der Planung.
187
Wild, Grundlagen der Unternehmensplanung, S. 118.
Soweit falsche, fehlerhafte Informationen im Modell berücksichtigt werden, 188 beeinträchtigt dies die Unternehmensplanung. Umgangssprachlich wird vom Gigo-Effekt“ gesprochen (Garbage in, Garbage out). Für die Unternehmensplanung werden Informationen über die Zukunft benötigt. Diese ist ungewiss. Informationen dienen dazu, eben jene Unsicherheit oder Ungewissheit zu reduzieren. Wild, Grundlagen der Unternehmensplanung, S. 119.
Wenn z. B. ein Smartphonehersteller aus einer Marktstudie erfährt, dass die 189 Mobilnutzung weiter zunehmen wird und er aus einer weiteren Studie in Erfahrung gebracht hat, dass sein Smartphone bei den Kunden besonders beliebt ist, so reduziert dies die Ungewissheit über den künftigen Absatz, ohne diese völlig zu beseitigen. Die Grundfunktion einer Information ist es, dass diese verschiedene künftige Umweltzustände ausschließt. So dürfte im obigen Beispiel das Szenario eines Umsatzrückgangs ausgeschlossen sein. Die Information ermöglicht es also, sich auf die anderen Bereiche (Umsatzerhalt bzw. anstieg) zu konzentrieren.
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F. Projektmanagement
190 Dabei ist anerkannt, dass es vollkommene Informationen über die Zukunft nicht gibt. Folglich ist jede Information über die Zukunft mehr oder weniger unsicher. Zum Beispiel könnte ein anderer Smartphonehersteller künftig eine Technik in sein Modell integrieren, die sich bei den Kunden durchsetzt. Der Grad der Ungewissheit lässt sich oft nur verbal beschreiben, also qualitativ bewerten. Objektiv nachprüfbare Informationen über die Zukunft im Sinne einer Gewissheit existieren nicht. 191 Generell gilt bei Informationen, dass sie zwei Eigenschaften haben: einen Informationsgehalt und eine Wahrscheinlichkeit. Der Informationsgehalt kann „exakt“ sein („Der Umsatz steigt um 3 %“) oder er kann in einer Bandbreite umschrieben werden („Der Umsatz steigt um 2 – 5 %“). 192 Ferner kann die Information von kurzfristiger Dauer sein („Wir kaufen dieses Jahr gelbe Kleider ein, denn die Farbe des Sommers ist gelb“) oder sie kann langfristiger Natur sein („Das niedrige Zinsniveau wird uns noch mind. fünf Jahre erhalten bleiben.“). Man spricht von der Prognosereichweite. Wild, Grundlagen der Unternehmensplanung, S. 94 f.
193 Eine Information über eine zukünftige Entwicklung beinhaltet aber immer auch eine Wahrscheinlichkeit. Sie kann sehr wahrscheinlich oder auch weniger wahrscheinlich sein. Vgl. hierzu Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 406 ff.
194 Insoweit ist es üblich, in Szenarien oder in Bandbreiten zu planen. Was aber für das Planungsergebnis gilt, muss entsprechend für die Behandlung von Informationen gelten: Informationen über die Zukunft sind immer unvollkommen und damit unsicher. Der Grad der Unsicherheit ist über Schwankungen, Szenarien oder Bandbreiten abzuschätzen und aufzuzeigen. 195 Der Informationsgehalt einerseits und der Wahrscheinlichkeitsgehalt einer Information und damit der Planung andererseits verhalten sich gegenläufig. Je genauer die Information und je weiter die Prognosereichweite, desto unwahrscheinlicher ist deren Eintreten. Die unwahrscheinlichste Prognose ist folglich die einwertige Prognose. Schon aus diesem Grund ist einwertigen (deterministischen) Unternehmensplanungen mit einer gesunden Skepsis zu begegnen. Sie beinhaltet eine „Wahrscheinlichkeitsaussage“ von 100 % und schließt alle anderen Prognosen vollständig aus, weil sie diesen anderen Prognosen eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 0 % zuordnet. Wild, Grundlagen der Unternehmensplanung, S. 88.
50
III. Informationsgewinnung und Anforderungen an die Qualität der Informationen
Zusammenhang Information und Sicherheit 120,00 % 100,00 % 80,00 % 60,00 % 40,00 % 20,00 %
% 00 0,
10
0
%
% 0
,0 90
% 0 ,0
,0 80
70
,0
0
%
%
Informationsgehalt
60
,00 50
0
%
% 0
,0 40
,0 30
% 0 ,0
,0 0 20
% 10
0, 00
%
0,00 %
Sicherheit
Exemplarisch seien hier die Expertenschätzungen zur Dollarkursentwicklung 196 genannt, die trotz z. T. beträchtlicher Bandbreitenschätzungen in der überwiegenden Mehrzahl eine fehlerhafte Entwicklung prognostizierten. Gigerenzer, Risiko, S. 118 ff.
Legendär ist auch der Irrtum von Steve Ballmer, der als CEO von Microsoft 197 kurz nach Vorstellung des iPhone äußerte, dass es mit einem Preis von 500 USDollar das teuerste Telefon in der Welt und wegen fehlender Software-Funktionen und der virtuellen Tastatur nicht für Geschäftskunden geeignet sei. Ca. fünf Jahre später war der Umsatz Apples mit dem iPhone größer als der Konzernumsatz von Microsoft. Thomas J. Watson wird folgendes Zitat (1943) zugeschrieben: „Ich glaube, dass es auf der Welt einen Bedarf von vielleicht fünf Computern geben wird.“ Insoweit sind selbst die Schätzungen von Experten mit einer Restunsicherheit behaftet. Objektive Wahrscheinlichkeiten sind also nicht ermittelbar. So bleiben für die Unternehmensplanung meist nur subjektive Wahrschein- 198 lichkeiten, die aber in ihrer Aussagekraft eingeschränkt, vor allem aber intersubjektiv kaum nachprüfbar sind. Gleichwohl muss in Ermangelung einer besseren Möglichkeit auf diese zurückgegriffen werden. BVerfG, Beschl. v. 24.5.2012 – 1 BvR 3221/10 („Daimler/ Chrysler“), ZIP 2012, 1656 = ZIP 2012, 1656; sonstige Rspr. z. B. BGH, Urt. v. 6.6.1994, BGHZ 126, 181 = ZIP 1994, 1103 zur Insolvenzreifeprüfung: Es besteht „gewisser Beurteilungsspielraum“; BGH, Urt. v. 21.4.1997, DB 1997, 1068 ff., „ARAG/Garmenbeck“.
Als Konsequenz hieraus besteht ein „weiter Beurteilungsspielraum, der erst 199 dann verletzt ist, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf 51
F. Projektmanagement
sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss.“ 200 Wild teilte die Informationen in Gruppen ein: Von einer faktischen Information oder Tatsacheninformationen ist auszugehen, wenn diese nachprüfbar oder dem Beweis zugänglich sind („Laut Kreditvertrag sind künftig monatlich 1.000 € zu tilgen“). Wild, Grundlagen der Unternehmensplanung, S. 121 ff.
201 Demgegenüber sind prognostische Informationen, da sie sich auf künftige Tatsachen beziehen, dem Beweis nicht zugänglich. Im Zusammenhang mit der Unternehmensplanung spricht man auch von Annahmen, Erwartungen und Prognosen i. e. S. Explanatorische Informationen erklären Ursachen-Wirkungszusammenhänge. Diese sind i. d. R. nur auf logische Stringenz überprüfbar. Konjunktive Informationen drücken die Möglichkeit aus, dass künftig etwas passiert, ohne sich dabei festzulegen. So kann z. B. auf dem Apennin die Möglichkeit eines Schadens durch ein Erdbeben angenommen werden, ohne sich festzulegen, ob und wann sich dies ereignet. Normative Informationen sind „Soll-Aussagen“, die Normen und Werturteile ausdrücken („Unser Wettbewerber soll nicht gegen das UWG verstoßen“). Zum Schluss drücken logische Informationen Beziehungen zwischen Informationen aus („Die Geburtenrate steigt, der Bedarf an Windeln steigt“). Bis auf die erste Informationsart sind alle anderen Informationen unsicher. Dessen muss sich der Planer bewusst sein und er muss mit dieser Unsicherheit in der Planung umgehen. 202 Die Art der Information birgt entsprechende Gewissheiten oder Ungewissheiten. Aus diesem Grund ist es auch erforderlich, sich über die Art der Information Gedanken zu machen, um diese auf Fehler oder Ungewissheiten zu überprüfen. Insbesondere sind die Zusammenhänge oder die Schlussfolgerungen einer Information zu hinterfragen. Insoweit gilt grundsätzlich, dass die Informationen bzw. Schlussfolgerungen durch Erfahrungswissen begründbar sein sollen. Eine Information oder Schlussfolgerung mit Erfahrungswissen ist einer Information oder Schlussfolgerung ohne Erfahrungswissen vorzuziehen. Allerdings gilt dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt. Ein hierzu anschauliches Beispiel (sog. Truthahn-Illusion) nach Thaleb und Gigerenzer, Thaleb, Der schwarze Schwan, S. 61 ff. und Gigerenzer, Risiko, S. 55 f.,
ist die Laplace Regel, nach der die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Ereignisses (P) mit der Wiederholung (n) steigt (P = (n + 1)/(n + 2). So hat das Truthahnküken am Tage seines Schlüpfens noch Angst vor dem Menschen, die mit jedem Tag des Fütterns weiter abnimmt.
52
III. Informationsgewinnung und Anforderungen an die Qualität der Informationen
Wahrscheinlichkeit in % 100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0% 0
2
4
6
8
10
12
14
16
Aber nach einem Vierteljahr ist Thanksgiving (sog. Truthahn-Illusion).
203
Wie aber soll man mit diesem Dilemma in der Planung umgehen? Die Unsicher- 204 heit der Information außer Acht lassen und mit dem erwarteten Wert (Modus) zu planen, ist keine Lösung. So wurde bereits für die Unternehmensplanung festgestellt: „Je weniger befähigt ein Unternehmensbewerter ist, umso ausgeprägter wird sein Ehrgeiz sein, einwertige Ertragsprognosen abzugeben: Er wird sich nicht damit begnügen, Bandbreiten möglicher künftiger Ertragsgrößen anzuführen und die Wahrscheinlichkeiten dieser alternativen Ertragsgrößen zu benennen; er wird vielmehr Wissen über die Zukunft fingieren und so, Wahrsagern nicht unähnlich, zu einwertigen Ertragsprognosen kommen.“ Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensbewertung, S. 116. „Das Verdecken der Prognoseunsicherheit durch Zugrundelegen eines einwertigen Ertrags ist zwar üblich, aber unsachgemäß.“ Ballwieser, Unternehmensbewertung, Sp. 2084in: Gerke/Steiner, Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens; zitiert nach Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 301. „Unsichere Erwartungen müssten durch Szenarioentwicklungen oder periodenbezogene Wahrscheinlichkeitsverteilungen berücksichtigt werden. Die Wirtschaftsprüfer scheuen offenbar hiervon zurück, um dem Vorwurf der Beliebigkeit der Erwartungsbildung zu entgehen.“ Ballwieser, IDW S 1 und objektivierter Unternehmenswert, in: Essler/Lobe/Röder, Fairness Opinion, S. 149. „In Anbetracht des Untersicherheitsproblems erscheint es nicht realitätsgerecht, einen einwertigen Zukunftserfolg zu prognostizieren. Der zwangsläufigen Mehrwertigkeit der Ertragserwartungen ist nach herrschender Auffassung durch die Ermittlung einer Bandbreite möglicher Erträge unter Angabe einer Wahrscheinlichkeitsverteilung Rechnung zu tragen.“ Mandl/Rabel, Unternehmensbewertung, S. 405.
53
F. Projektmanagement
205 Aus diesem Grund müssen zunächst alle Prognosen erfasst bzw. erhoben werden. Anschließend könnte man die Prognosen mit der geringsten „gefühlten“ Wahrscheinlichkeit ausschließen und den Rest der Prognosen einem zu begründenden Auswahlverfahren unterziehen. Hier könnte die Prognose herangezogen werden, die die höchste Einzeleintrittswahrscheinlichkeit hat, es könnten aber auch Erwartungswerte gebildet werden oder Mittelwerte oder der Median herangezogen werden. 206 Wie nun aber sind die für die Unternehmensplanung erforderlichen Informationen zu erheben? Unseres Erachtens sollte die Informationsgewinnung vorwiegend auf Expertenbefragungen im Unternehmen erfolgen. Im Unternehmen müssen sie erfolgen, weil es auf die subjektiven Wahrscheinlichkeiten ankommt. Experten in diesem Sinne sind all die Personen, die zur aufgeworfenen Fragestellung überlegenes Sachwissen haben. Daher sollte sich der Planungsersteller auch den Zugang zu diesen Mitarbeitern vertraglich absichern lassen. Üblicherweise werden diese Personen im Rahmen der Analyse des Unternehmens ohnehin zur Vergangenheit und zur Ist-Situation befragt, sodass diese auch bezüglich Ihrer Erwartung der Zukunft befragt werden müssen. Ausgangspunkt für die Auswahl der zu befragenden Personen ist das Organigramm des Unternehmens. Selbstverständlich sind diese Informationen anhand externer Informationen (z. B. Feri-Branchenstudien etc.) zu plausibilisieren. Damit aber wird ersichtlich, dass die Qualität abhängig von den Beschäftigten im Unternehmen ist. Gerade bei KMU dürfte die Qualität der Informationen eher infrage zu stellen sein als bei größeren Unternehmen, die Marktforschungs- und z. T. ganze volkswirtschaftliche Abteilungen unterhalten. Bei der Informationserhebung über die künftige Entwicklung sollte die Differenzierung der Informationen nach dem Mengengerüst (z. B. Absatzmenge) und dem Wertegerüst (z. B. Absatzpreis) erfolgen. Sodann sollten Befragungen bezüglich der Chancen und Risiken erfolgen. Sinnvoll ist unseres Erachtens die Abfrage von zu erwartenden Bandbreiten und ggf. einer Verteilungsfunktion innerhalb dieser Bandbreite. Erstens wird dem Informant die Scheu vor einer einwertigen Prognose genommen und zweitens ist die Wahrscheinlichkeit zuvor berechneter manipulierter Angaben und Informationen deutlich reduziert, weil eine solche Aussage in ihrer Wirkungsweise deutlich schwieriger zu greifen ist. Das Ergebnis dieser Befragungen ist mit den Organen abzustimmen, denn nicht die Meinung der Mitarbeiter, sondern die subjektive Sicht der Organe ist rechtserheblich. Im Falle von Abweichungen müssen die Organe aber Ihre Position darlegen und plausibel begründen können. Diese Informationskorridore mit Verteilungsfunktion gehen dann in eine Erwartungswertbildung ein. Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2300.
207 Aus solchen Befragungen können dann Aussagen über Bandbreiten, Verteilungsfunktionen und weitere Parameter abgeleitet werden. Diese wiederum können über eine Monte-Carlo-Funktion in eine Ergebnisprognose überführt werden, die nicht nur einen Erwartungswert („Mean“) erzeugt, sondern Aussagen zulässt, wie z. B. in welchem Korridor wird sich das Ergebnis mit
54
III. Informationsgewinnung und Anforderungen an die Qualität der Informationen
einer Wahrscheinlichkeit von 80 % bewegen. Bei der Monte-Carlo-Simulation handelt es sich um ein statistisches Zufallsverfahren, mit Hilfe dessen die voraussichtliche Entwicklung abgebildet werden kann. Die Monte-Carlo-Simulation nutzt die Theorie der großen Zahl. So wird sich 208 bei genügender Anzahl der Würfe eines Würfels als Mittelwert aller Würfe rd. 3,5 ergeben ([1+2+3+4+5+6]/6). Richtig dabei ist, dass sich Unternehmen praktisch ausnahmslos in einer „Spielsituation“ befinden. Diese Theorie versucht zu beschreiben, dass und wie der Erfolg eines einzelnen in einer Entscheidungssituation von den Aktionen anderer abhängt. Vgl. hierzu Göbel, Entscheidungen in Unternehmen, S. 125 ff.; Dixit/Nalebuff, Spieltheorie für Einsteiger, S. 34 ff.
Insoweit hängt die weitere Unternehmensentwicklung davon ab, wie sich die 209 Kunden, die Lieferanten, die Mitarbeiter u. a. verhalten. Sie hängt ferner davon ab, ob der Wettbewerb oder der neu hinzutretende Wettbewerb bessere Angebote den eigenen Kunden und den Zielkunden unterbreitet. Die Entwicklung hängt aber auch von volkswirtschaftlichen Entwicklungen ab. Allein aus dieser skizzenhaften Aufzählung wir ersichtlich, dass das planende Unternehmen die eigene Entwicklung nicht im Griff hat. Dies gilt umso mehr, als sich manche Entwicklungen ausgleichen („ein Kunde geht, ein neuer wird gewonnen“), und andere verstärken („Ein Schadensfall tritt ein. Aufgrund des schlechteren Ratings erhöht die Bank die Zinsen“ oder „Ein Auftrag wird gut abgewickelt. Daher wird das Unternehmen empfohlen und erhält lukrative Aufträge“). Großfeld/Egger/Tönnes, Recht der Unternehmensbewertung, Rn. 517 ff. (und Rn. 430 der Vorauflage).
Das Unternehmen kann viel für die eigene Entwicklung tun. Es kann sie aber 210 nur in sehr eingeschränktem Umfang bestimmen. Aufgrund der Vielzahl der Einflussfaktoren ist die Entwicklung auch dem Zufall unterworfen. Insoweit ist es eine sachgerechte Vereinfachung, für die Abbildung der zukünftigen Entwicklung die Theorie der großen Zahl zu nutzen und mit einem Zufallsgenerator eine vorgegebene Anzahl an „Systemdurchläufen“ zu erzeugen. Roy L. Nersesian, @Risk Bank Credit and Financial Analysis, S. 10 ff.; John Charnes, Financial Modeling and Excel, S. 4 ff.
In das System müssen die Rechenalgorithmen (Umsatz abzüglich Warenein- 211 satz abzüglich Personalkosten etc.) eingegeben werden. Den einzelnen Schritten (z. B. Umsatzerlöse) werden auf Basis der erhobenen Informationen statistische Verteilungsmöglichkeiten zugeordnet. Folgendes einfaches Beispiel soll das Vorgehen verdeutlichen: Beispiel 1: Position
Verteilungsfunktion
unten
Mitte
oben
Umsatzerlöse
Dreieck
40
60
80
Wareneinsatz in %
Dreieck
20 %
18 %
16 %
sonstige Kosten
Normalverteilt (StdD 2,0)
20
55
F. Projektmanagement
212 In dem obigen Beispiel 1 wäre der Erwartungswert der Planung 29,22. Das Ergebnis liegt mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 % zwischen 19,85 und 38,62. Die Standardabweichung zum Erwartungswert beträgt 7,00. Wie eine solche Auswertung im Detail zu analysieren ist, zeigen wir weiter unten, Rn. 860 ff. Entscheidend ist aber, zu erkennen, dass eine solche Analyse einer einwertigen Planung, deren Eintrittswahrscheinlichkeit mit 100 % suggeriert wird, deutlich überlegen ist. Entscheidend ist aber auch hier die Qualität der zugrunde gelegten Informationen. Dies soll nachfolgendes Beispiel verdeutlichen, welches den praktisch selben Erwartungswert aufzeigt. Bei diesem Beispiel wurden die Werte „gestaucht“, d. h. die Korridore liegen näher am mittleren Wert: Beispiel 2: Position
Verteilungsfunktion
unten
Mitte
oben
Umsatzerlöse
Dreieck
55
60
65
Wareneinsatz in %
Dreieck
19 %
18 %
17 %
sonstige Kosten
Normalverteilt (StdD 0,5)
20
213 In dem obigen Beispiel 2 wäre der Erwartungswert der Planung 29,20. Das Ergebnis liegt mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 % zwischen 26,86 und 31,53. Die Standardabweichung (sog. Risikomaß) zum Erwartungswert beträgt 1,75.
56
III. Informationsgewinnung und Anforderungen an die Qualität der Informationen
Das heißt, das Risiko einer künftigen Planunterschreitung (sog. Risikomenge) ist deutlich geringer. Dennoch ist der Erwartungswert nahezu identisch. Die Monte-Carlo-Simulation nutzt dabei die Theorie der großen Zahl. Diese 214 Methode kann gerade auch für Prognoserechnungen verwendet werden. In einem System wird aufgrund eines Zufallsgenerators eine vorgegebene Anzahl an „Systemdurchläufen“ erzeugt. In das System müssen die Rechenalgorithmen (Umsatz abzüglich Wareneinsatz abzüglich Personalkosten etc.) eingegeben werden. Diese Rechenalgorithmen müssen begründet werden bzw. begründbar sein. Nachdem dieses System kalibriert ist, wird eine vorgegebene Anzahl von Simulationen durch einen Zufallsgenerator erzeugt. Aufgrund dieser Nutzung des Zufallsgenerators kommen bei zwei Durchläufen praktisch niemals dieselben Werte heraus. Ist die Anzahl der Durchläufe groß genug gewählt, nähern sich die Durchläufe aber aneinander an (Theorie der großen Zahl). Aus diesem Grund ist es von besonderer Bedeutung, etwaige Korridore und 215 Verteilungsannahmen zu den Informationen zu treffen. Einwertige Informationen sind diesen mehrwertigen Informationen in ihrem Aussagegehalt und vor allem in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts deutlich unterlegen. Problematisch bei der Informationserhebung und damit zugleich bei der Pla- 216 nung ist aber auch die Modellbildung. Insbesondere, wenn nur die kürzere Vergangenheit analysiert wird und die Schwankungen der Bilanz und Ertragspositionen untersucht werden, können gravierende Entwicklungen mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit (sog. Schwarze Schwäne) in der Modellbildung unberücksichtigt bleiben. Daher ist die Informationserhebung auf Basis einer Risikoinventur dringend erforderlich, um dieses Problem sachgerecht zu beheben. Grundsätzlich kann man mit der Betriebswirtschaftslehre,
217
nach Wild, Grundlagen der Unternehmensplanung, S. 87 ff.,
als Voraussetzungen einer rechtskonformen Prognose folgende Thesen aufstellen: 1. Eine Prognose, die durch ein gegebenes Erfahrungswissen begründet wird, ist einer Prognose ohne bzw. mit weniger Erfahrungswissen vorzuziehen. 2. Die Vertrauenswürdigkeit einer Prognose steigt mit der Qualität ihrer Begründung. 3. Jüngere (aktuellere) Erfahrungswerte (z. B. aktuelle Trends) und geringere Prognosezeiträume erhöhen die Glaubwürdigkeit und Wahrscheinlichkeit einer Planung. 4. Der Unsicherheitsgrad einer Prognose steigt mit zunehmendem Informationsgehalt (mit zunehmender Präzisierung der Aussage).
57
F. Projektmanagement
218 Die Thesen sind aber immer im Einzelfall daraufhin zu untersuchen, ob sie sachgerecht sind. Denn den Thesen kann entgegengehalten werden: 1. Das Erfahrungswissen führt z. B. in den Fällen der Truthahn-Illusion zu Fehleinschätzungen. 2. Besondere Ereignisse und Begründungen bleiben besser im Gedächtnis haften und aktuelle und populäre Begründungstrends werden überbewertet (z. B. Rating-Einschätzungen vor der Immobilienkriese in den USA). 3. Jüngere Werte werden übergewichtet, denn langfristig konvergieren (pendeln) alle Werte zum Gleichgewicht, also zur Mitte. 219 Gleichwohl bleibe es eine der Hauptaufgaben, diese Wahrnehmungsverzerrungen so gut wie möglich zu eliminieren. Morlidge/Player, Future Ready, 2010 S. 50: „First, this means that forecasts have to be unbiased.“
220 Der Planungsersteller hat zur Informationsgewinnung also dafür Sorge zu tragen, dass x
durch planvolles Vorgehen auf Basis einer Risikoinventur alle wesentlichen Informationen vorliegen,
x
die Ausgangssituation klar und übersichtlich dargestellt ist, insbesondere die Annahmen und Erwartungen benannt werden,
x
die Informationen auf ihre Wahrnehmungsverzerrungen, Glaubwürdigkeit und/oder Plausibilität geprüft werden,
x
keine Zufälligkeiten oder persönliche Vorurteile das Ergebnis beeinträchtigen,
x
die Vergangenheitszahlen Grundlage für die Ableitung der Planzahlen sein können,
x
die Schlussfolgerungen für die Planung sachlich und rechnerisch richtig ermittelt worden sind,
x
bei künftigen Vorhaben bzw. Maßnahmen von wesentlicher Bedeutung (z. B. Veräußerung von Vermögenswerten) sowie bei Beiträgen Dritter (z. B. Kapitalerhöhungen, Aufnahme oder Umschuldung von Krediten, Forderungserlasse und -stundungen, Beiträge der Belegschaft) der Grad der Konkretisierung bzw. der erreichte Stand der Umsetzung anzugeben ist und
x
er den Grad der innewohnenden Unsicherheit (Chancen und Risiken) nachvollziehbar und begründet ausdrückt.
58
IV. Unternehmensplanung als Tatsache i. S. d. § 286 ZPO und Gewissheit i. S. d. ZPO?
IV. Unternehmensplanung als Tatsache i. S. d. § 286 ZPO und Gewissheit i. S. d. ZPO? In rechtlicher Hinsicht stellt sich die Frage, ob eine solche Unternehmens- 221 planung, z. B. eine Fortbestehensprognose gemäß § 19 InsO, eine „Tatsache“ ist und wie diese Tatsache denn zu beweisen ist. 1. Unternehmensplanung als Tatsache i. S. d. § 286 ZPO Das Gericht hat nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche 222 Behauptung (z. B. die positive Fortführungsprognose, die Sanierungsfähigkeit, die Verneinung von Insolvenzgründen etc.) für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Unter Tatsachen versteht man alle der äußeren Wahrnehmung zugänglichen Geschehnisse oder Zustände, aus denen das objektive Recht Rechtswirkungen herleitet. Greger, in: Zöller, ZPO, § 286 Rn. 9.
Dementsprechend sind Tatsachen Geschehnisse und/oder Eigenschaften der 223 Gegenwart oder der Vergangenheit, die dem Beweis zugänglich sind. RG, Urt. v. 14.11.1883, RGSt 24, 387; BGH, Urt. v. 26.10.1951, BGHZ 3, 270.
Nach Laumen,
224
in Prütting/Gehrlein ZPO, § 284 Rn. 7,
können danach „… zukünftige Tatsachen (Prognosen über die Gewinnentwicklung eines geschädigten Unternehmens), Gegenstand eines Beweises sein. Allerdings gehörten Werturteile nicht zu den Tatsachen. Sie bringen eine überwiegend auf einer Wertung beruhende subjektive Beurteilung zum Ausdruck und können deshalb nicht durch eine Beweisaufnahme auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden (BGH NJW 82, 2248, 2249 f [BGH 22.06.1982 – VI ZR 255/80] für den Vorwurf des Betruges), sondern unterliegen lediglich der Kategorie der Richtigkeit.“ Laumen, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, § 284 Rn. 9.
Bender/Nack bringen es auf den Punkt:
225
„Bei der Prognose wird mittels des Erfahrungssatzes auf ein künftiges Ereignis, bei der Beweis-Entscheidung wird auf ein vergangenes Ereignis geschlossen.“ Bender/Nack, Tatsachenfeststellung vor Gericht, Bd. 1, S. 201.
Wir halten die Auffassung, Prognosen seien Tatsachen für falsch. Die Unter- 226 nehmensplanung, insbesondere die Kernaussage der Planung, ist kein „Geschehnis“ und auch keine „Zustand“. Die Planung bildet als Modell die Zukunft ab, die definitionsgemäß noch nicht geschehen ist. Sie ist, weil in der Zukunft liegend, auch kein Zustand. Folglich kann sie keine Tatsache sein. Im Zusammenhang mit Prognosen können nach unserer Auffassung nur in dreierlei Hinsicht Tatsachen angenommen werden: (1) In dem Sinne, dass die Prognose überhaupt angestellt
59
F. Projektmanagement
wurde und (2) darüber hinaus auch die Annahmen, die der Prognose zugrunde liegen, sowie (3) die Art und Weise, mit der die Prognose erstellt wurde. Spindler, AG 2006, 677, 679 f., 685.
227 In anderen Rechtsbereichen wurde dies obergerichtlich und höchstrichterlich anerkannt. Eine Prognose ist eine auf die Zukunft bezogene Äußerung über ein Ereignis, einen Zustand oder eine Entwicklung. OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.2.2012 – I – 15 U 164/11 (juris).
228 Insbesondere ist die Prognose keine dem Beweis zugängliche Tatsache. BGH, Urt. v. 25.11.1997 – VI ZR 306/96, MDR 1998, 283; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.2.2012 – I -15 U 164/11 (juris).
229 Auch Greger, in: Zöller, ZPO, Vor § 284 Rn. 24b,
geht davon aus, dass sich die Ermittlungspflicht des Gerichts bei Prognosen auf die notwendige Überzeugung von Umständen erstreckt, aufgrund derer auf das tatbestandsrelevante Ereignis geschlossen werden kann. Das Ergebnis der Prognose, also die Aussage an sich, ist hingegen keine Tatsache, a. A. aber Prütting, in: MünchKomm-ZPO, § 284 Rn. 41,
der angenommene zukünftige Ereignisse (Prognose) als Tatsache ansieht, und wohl auch Kuhner, Wpg 2007, 825, 826,
der die Wertermittlung und damit inzident die Planung als Tatsachenfrage ansieht. Allerdings liegen der Planung auch Annahmen zugrunde, die selbst wiederum keine Tatsachen sind, z. B. ein FERI-Branchen-Rating oder die Annahme über eine Dollar-Kurs-Entwicklung. Sollte sich der Planer derartige Informationen zu eigen machen, muss er sich dessen bewusst sein, dass z. B. auch die FERI Branchenentwicklung eine Prognose ist ebenso wie die Annahme über eine Dollarkursschwankung. Es ist also bei der Unternehmensplanung zu unterscheiden, ob die zugrunde liegenden Annahmen Tatsachen (z. B. ein vertraglich vereinbarter Kredit mit Rückzahlungsvereinbarung) sind oder Prognosen. Im Fall der Tatsachen teilen wir die Auffassung von Groß/Amen, Wpg 2002, 225; 2002, 433; 2003, 67; FK-InsO/Schmerbach, § 19 Rn. 35 f.; zuletzt Groß, KSI 2012, 241 mit Erwiderung von Gleißner, KSI 2013, 172 ff.,
wonach nicht auf eine statistische Hypothesenwahrscheinlichkeit abzustellen ist. Vielmehr ist hier der Ansatz von Groß/Amen überzeugend, wonach sich das Gericht eine Überzeugung i. S. e. Vollbeweises nach § 286 ZPO über die zugrunde liegenden Tatsachen verschaffen muss. Für die weiteren Annahmen, die prognostischen Charakter haben, halten wir hingegen die Auffassung von Drukarczyk/Schüler, Wpg 2003, 56; dies., in: KS-InsO, S. 95 ff.; siehe auch Gleißner, KSI 2013, 172 ff.,
60
IV. Unternehmensplanung als Tatsache i. S. d. § 286 ZPO und Gewissheit i. S. d. ZPO?
für überzeugend. Wie bereits dem Begriff Prognose innewohnend, handelt es sich um eine Vorhersage oder Voraussage über Ereignisse, Zustände oder Entwicklungen in der Zukunft. Anders als z. B. Prophezeiungen unterscheiden sich Prognosen durch ihre Wissenschaftsorientierung. Wikipedia „Prognose“, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/ Prognose (Abruf am 6.11.2013).
Damit ist sichergestellt, dass die Prognosen intersubjektiv auf Plausibilität 230 nachprüfbar sind, was regelmäßig für derartige Fälle von der Rechtsprechung verlangt wird. Bei der Aussage der Prognose wird zwischen einer nominalen, einer ordinalen und einer kardinalen Prognose unterschieden. Vgl. Wild, Grundlagen der Unternehmensplanung, S. 98.
Nominal meint in diesem Zusammenhang, dass sich unterschiedliche Szenarien 231 ausschließen („Das Worst-Case-Szenario schließt das Best-Case-Szenario aus“ und umgekehrt). Unter einer ordinalen Messung versteht man die Bildung einer Reihenfolge ohne die Abstände der Szenarien zu bestimmen („Deutschland ist Fußballweltmeister 2014“ – wie groß der Abstand zu Argentinien war, ist nicht definiert). Die kardinale Messung aber legt die Unterschiede zwischen den Szenarien zahlenmäßig fest („Usain Bolt gewinnt mit 9,58 Sekunden vor Tyson Gay in 9,71 Sekunden“). Prognosen im juristischen Umfeld benötigen aber einen „Fall“. Jeder Prognose, mag sie auch aus noch so vielen Szenarien zusammengesetzt sein, braucht zum Schluss einen Fall, ein Szenario, welches der rechtlichen Überprüfung zugeführt wird. Die Planung bzw. die Prognose erfordert einen eindeutigen (Entscheidungs-)Wert. IDW WPH Edition, Sanierung und Insolvenz, Kap. B Tz. 376, 383.
Aus der Vielzahl der Informationen und der Szenarien ist also ein relevantes 232 Prognoseergebnis zu bilden. Das heißt, die nominale Prognose kann juristisch nicht ausreichen. Daher stellt sich die Frage, ob eine ordinale Prognose anzustellen ist. So wohl Groß/Amen, Wpg 2002, 225; 2002, 433; 2003, 67; FK-InsO/Schmerbach, § 19 Rn. 35 f.; zuletzt Groß, KSI 2012, 241; Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 222; Frystatzki, NZI 2014, 840, 845; zurecht ablehnend: Drukarczyk/Schüler, in: KS-InsO, S. 95 ff. (115 ff., 129 ff.); dies., Wpg 2003, 56 ff.; Drukarczyk/ Schüler, in: MünchKomm-InsO, § 19 Rn. 89; Gleißner, KSI 2013, 172 ff.; Kühne/Nickert, ZinsO 2014, 2297 ff.
Die Rechtsprechung hat sich explizit zu der Frage noch nicht geäußert. Sie 233 scheint aber der h. M. zu folgen. Zu den Wahrscheinlichkeiten in der Rspr. des BGH vgl. BGH, Urt. v. 2.6.1997 – II ZR 211/95, ZIP 1997, 1648; BGH, Urt. v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, ZIP 1994, 1103.
Dies ist vordergründig „systemgerecht“, weil es darum geht, ein Tatbestands- 234 merkmal „überwiegend wahrscheinlich“ festzustellen. Dabei ist der Tatrichter, 61
F. Projektmanagement
von wenigen Ausnahmen abgesehen, gehalten, eine eigene Gewissheit, quasi „digital“ i. S. v. liegt vor oder liegt nicht vor, festzustellen. Eine stochastische Berechnung ist weder geboten noch angezeigt. Greger, in: Zöller, ZPO, § 286 Rn. 19 unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 26.10.1993 – VI ZR 155/92, NJW 1994, 801.
235 Allerdings drückt die ordinale Prognose nicht das Gesamtergebnis bzw. die Gesamtwahrscheinlichkeit aus, sondern legt nur fest, welche Prognose die höchste Einzeleintrittswahrscheinlichkeit besitzt. Klarstellend ist aber anzumerken, dass eine Prognose immer an einen Punkt kommt, an welchem Elemente nicht mehr in ihrer Ungewissheit objektiviert quantifiziert abgebildet werden können. Wild, Grundlagen der Unternehmensplanung, S. 98 f.
236 Dieser Punkt ist aber schon bei der ordinalen Prognose erreicht. So könnten z. B. zehn Szenarien vorliegen, bei denen neun Szenarien 8,3 % Eintrittswahrscheinlichkeit und eines 16,7 % aufzeigen würden. Wenn die 8,3-Prozentigen ein negative Ergebnis aufwiesen und nur das 16,7 %ige Szenario positiv wäre, so würde dieses Szenario im ordinalen System den Verzug erhalten; sprich: 16,7 % würden die 83,3 %ige negative Prognose übertreffen. Vgl. hierzu auch Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297.
237 Eine solche Rangfolge im ordinalen System würde aber das Gesamt-ChancenRisikoverhältnis nicht richtig interpretieren und zu falschen Schlussfolgerungen führen. 238 Natürlich bestünde die Möglichkeit, die Szenarien so lange auszudünnen, bis die Aussage der verbleibenden Szenarien im ordinalen System ein brauchbares Maß erzeugt. Sofern man allerdings mit der allgemeinen Praxis die Planung auf 8 – 12 Werttreiber reduziert und diese jeweils mit den üblichen drei Szenarien plant, resultieren hieraus bei der Annahme von 10 Werttreibern alleine 310 Szenarien, also ungefähr 59.000 Szenarien. Hier ist aber zu beachten, dass gerade die Szenarienbildung bei nicht diskret verteilten Einflussfaktoren an sich keinen geeigneten und nachprüfbaren Prozessen folgt, Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2298 f.,
sodass sowohl die Bildung als auch die Reduktion der Szenarien entweder auf rein subjektiven Kriterien oder sogar willkürlich erfolgt. Gleißner bringt dies auf den Punkt: beim wertenden Gesamturteil gibt es kein „sicher sanierungsfähig“ oder sicher nicht sanierungsfähig“. „…die Realität liegt irgendwo in der Mitte und genau dies drückt eine Sanierungserfolgswahrscheinlichkeit aus.“ Es bedarf also trotz der Grenzen der Aufklärungsmöglichkeit einer Prognose der Beurteilung des Gesamtrisikoumfangs. Gleißner, KSI 2013, 172 ff.; Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, S. 251 ff., 275 ff.
239 Da in Krise oder Insolvenz letztlich alle Entscheidungen an dem Ausschluss der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit hängen, muss also der Gesamtrisiko-
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IV. Unternehmensplanung als Tatsache i. S. d. § 286 ZPO und Gewissheit i. S. d. ZPO?
umfang auf Liquiditäts- oder Cashflow-Ebene sachgerecht abgeschätzt werden. Letztlich müsste u. E. das Gericht analog § 287 ZPO unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen eine bestehende Prognose auf Plausibilität untersuchen oder, sofern keine Prognose existiert, das Prognoseergebnis schätzen. OLG Stuttgart, Urt. v. 17.10.2011 (Tz. 178 ff.) – 20 W 7/11, DATEV LX 1575383.
Allerdings darf nach dem BVerfG das Gericht nicht eine auf zutreffender 240 Tatsachengrundlage beruhende, vertretbare Prognose durch eine andere – ebenfalls notwendigerweise nur vertretbare – Prognose ersetzen. BVerfG, Beschl. v. 24.5.2012 – 1 BvR 3221/10, ZIP 2012, 1656 („Daimler/Chrysler“).
Entscheidend ist und bleibt damit die subjektive, aber plausible Prognose der 241 Organe. Diese ist keine Tatsache i. S. d. ZPO. Eine Prognose ist nämlich eine auf die Zukunft bezogene Äußerung über ein Ereignis, einen Zustand oder eine Entwicklung. Insbesondere ist die Prognose daher keine dem Beweis zugängliche Tatsache. Eine Prognose ist also die Voraussage einer künftigen Entwicklung, eines künftigen Zustands oder eines günstigen Verlaufs und damit einem Vollbeweis mangels Tatsacheneigenschaft nicht zugänglich. BGH, Urt. v. 25.11.1997 – VI ZR 306/96, MDR 1998, 283; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.2.2012 – I – 15 U 164/11 (juris).
2. Gewissheit i. S. d. § 286 ZPO Damit stellt sich die Frage, was unter der Gewissheit i. S. d. § 286 ZPO zu 242 verstehen ist. Zunächst gilt der allgemeine zivilrechtliche Grundsatz zur freien Beweiswürdigung. „Der Revision ist zuzugeben, daß ein Gericht keine „unerfüllbaren Beweisanforderungen“ stellen darf (BGHZ 7, 116; BVerwG 7, 248), und daß es keine unumstößliche Gewißheit bei der Prüfung verlangen darf, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist. Irrig ist jedoch der Vortrag, der Zivilprozeßrichter dürfe sich in Fällen dieser Art mit einer bloßen Wahrscheinlichkeit begnügen. Denn nach § 286 ZPO muß der Richter aufgrund der Beweisaufnahme entscheiden, ob er eine Behauptung für wahr oder nicht für wahr hält, er darf sich also gerade nicht mit einer bloßen Wahrscheinlichkeit beruhigen. Im übrigen stellt § 286 ZPO nur darauf ab, ob der Richter selbst die Überzeugung von der Wahrheit einer Behauptung gewonnen hat. Diese persönliche Gewißheit ist für die Entscheidung notwendig, und allein der Tatrichter hat ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Eine von allen Zweifeln freie Überzeugung setzt das Gesetz dabei nicht voraus. Auf diese eigene Überzeugung des entscheidenden Richters kommt es an, auch wenn andere zweifeln oder eine andere Auffassung erlangt haben würden. Der Richter darf und muß sich aber in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewißheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Das wird allerdings vielfach ungenau so ausgedrückt, daß das Gericht sich mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit begnügen dürfe; das ist falsch, falls
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F. Projektmanagement damit von der Erlangung einer eigenen Überzeugung des Richters von der Wahrheit abgesehen werden sollte (vgl. BGH DRiZ 1967, 239 und 1969, 53).“ BGH, Urt. v. 17.2.1970 – III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 255.
243 Maßgebend ist also die subjektive Überzeugung des entscheidenden Richters. Diese richterliche Überzeugung darf nicht mit der rein persönlichen Gewissheit gleichgesetzt werden. Laumen, in Prütting/Gehrlein, ZPO, § 286 Rn. 4.
244 An diesen Kriterien muss sich auch die Plausibilitätsprüfung orientieren. Dabei können lediglich einzelne Bestandteile der Planung einem Vollbeweis unterzogen werden, die Tatsachen i. S. d. §§ 284, 286 ZPO sind. Hierunter können alle Tatsachen i. S. d. § 286 ZPO verstanden werden, also z. B. die aktuelle Vertragssituation des Unternehmens, wie z. b. Kreditverträge, Kontokorrentlinien, erteilte Aufträge, Beschäftigungsverhältnisse etc. 245 Keine Tatsachen sind aber die Annahmen über die Zukunft, also z. B. welche Aufträge können für die Zukunft akquiriert werden, welche Wareneinsatzquoten können mit den Lieferanten ausgehandelt werden etc. Dies geht so weit, dass sogar die Bilanz selbst ein mehr oder weniger großes Prognosebündel ist. So ist die Einschätzung der Geschäftsleitung, ob Anlagevermögen abgewertet werden muss, eine Prognose. Selbiges gilt für die Forderungen, also mit welchem Zahlungseingang aus dem Forderungsbestand zu rechnen ist. Entsprechendes gilt für die Vorräte oder für aktivierte Verlustvorträge. Auch die Rückstellungen sind wiederum eine Prognosegröße, bei der der künftige Aufwand – um die Latenz „wegzuschaffen“ – prognostiziert wird. All diese prognostischen Einschätzungen sind allein einer Plausibilitätsbeurteilung und gerade keinem Vollbeweis zugänglich. 246 Sodann stellt sich die Frage, was sich überhaupt hinter der Begrifflichkeit Plausibilitätsbeurteilung versteckt. „Die Plausibilitätskontrolle, auch Plausibilitätsprüfung oder Plausibilisierung, ist eine Methode, in deren Rahmen ein Wert oder allgemein ein Ergebnis überschlagsmäßig daraufhin überprüft wird, ob es überhaupt plausibel, also annehmbar, einleuchtend und nachvollziehbar sein kann oder nicht. Es kann nicht immer die Richtigkeit des Wertes oder Ergebnisses verifiziert werden, sondern es soll eine ggf. vorhandene offensichtliche Unrichtigkeit erkannt werden. Ein Vorteil der Plausibilitätskontrolle ist, dass sie mit lediglich geringem Aufwand durchgeführt werden kann, ein Nachteil ist, dass weniger offensichtliche Unrichtigkeiten in ihrem Rahmen nicht erkannt werden“. „Die Wörter Plausibilität und plausibel werden verwendet, um eine Aussage über die richtige Größenordnung von gemessenen oder berechneten Werten zu machen. Dazu schätzt man einen Wert grob ab und überprüft, ob der gemessene Wert mit dem Schätzwert übereinstimmt. So ist zum Beispiel diese Aussage üblich: Das klingt plausibel!“. Wikipedia „Plausibilitätskontrolle“, siehe https://de.wikipedia.org/ wiki/Plausibilitätskontrolle (Abruf am 19.7.2015).
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V. Person des Planungserstellers
Die BStBK hat dies für die Plausibilitätskontrolle von Jahresabschlüssen wie 247 folgt ausgedrückt: „Ein Auftrag zur Erstellung eines Jahresabschlusses mit Plausibilitätsbeurteilungen ist dadurch gekennzeichnet, dass der Steuerberater neben der eigentlichen Erstellungstätigkeit die ihm vorgelegten Belege, Bücher und Bestandsnachweise durch Befragungen und analytische Beurteilungen auf ihre Plausibilität hin beurteilt, um mit einer gewissen Sicherheit auszuschließen, dass diese nicht ordnungsgemäß sind.“ Verlautbarung der Bundessteuerberaterkammer zu den Grundsätzen für die Erstellung von Jahresabschlüssen (3.1.1), Berufsrechtliches Handbuch – Berufsfachlicher Teil, Tz. 11 (entspricht inhaltlich IDW S 7).
Übertragen auf die Unternehmensplanung in Krise und Insolvenz stellt sich 248 also für den Prognoseersteller die Aufgabenstellung, durch (Zeugen-)Befragungen und durch analytische Prüfungshandlungen mit einer gewissen Sicherheit auszuschließen, dass die Planung bzw. Prognose nicht ordnungsgemäß ist. Dabei kann sich der Ersteller im Rahmen der analytischen Prüfungshandlungen eines Sachverständigen („Experten“) bedienen. Das Gericht wiederum kann und darf nur überprüfen, ob die Prognose formell und materiell plausibel ist. Ihlau/Duscha, BB 2013, 2346, 2348.
Unter der formellen Plausibilisierung verstehen die Autoren, dass die Pla- 249 nungssystematik und die rechnerische Richtigkeit beurteilt wird. Unter der materiellen Plauisibilisierung verstehen sie, dass die externen Faktoren (Markt, Marktumfeld) und die internen Faktoren ((Unternehmensanalyse) zutreffend ermittelt und hieraus sachgerechte Annahmen für die Zukunft abgeleitet wurden. Wann nach betriebswirtschaftlichen Kriterien ein solcher Grad von Gewiss- 250 heit hinsichtlich der Prognoseaussage vorliegt, haben wir weiter unten (siehe Rn. 786) behandelt. V. Person des Planungserstellers In der Krise sind die Handlungen des Managements besonders bedeutsam, 251 kann doch jeder Fehler u. U. sofort das „Aus“ für das Unternehmen bedeuten. Die Krise macht die Nutzung von Expertenwissen aufgrund folgender Umstände zwingend erforderlich (gemäß IDW WP HB Band II 2014, L Rn. 16): x
Die Probleme sind komplizierter und vielschichtiger als bei den üblichen Analysen.
x
Die Unterlagen sind vielfach unvollständig und unzuverlässig.
x
Die Arbeiten stehen unter besonderem Zeitdruck.
x
Die Betroffenen sind in erhöhtem Maße befangen.
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F. Projektmanagement
252 Vor diesem Hintergrund gibt es drei Hauptgründe für die Inanspruchnahme von Beratern (gemäß IDW WP HB Band II 2014, L Tz. 13): x
Bedarf an zusätzlichen Ressourcen
x
Bedarf an Expertenwissen
x
Bedarf an Objektivität
253 In der Regel kommt das Management an der Einschaltung von Experten nicht vorbei, will es ein persönliches Haftungsrisiko zumindest minimieren. So geht auch das IDW (IDW WP HB Band II 2014, L Tz. 22) davon aus, dass es sich um eine wesentliche Berateraufgabe handelt: „Wirtschaftsprüfer werden häufig von Gesellschaftern, Banken und anderen Interessenten mit der Begutachtung eines Sanierungskonzepts beauftragt. Die Auftraggeber solcher Gutachten wollen vom neutralen Sachverständigen eine klare und nachvollziehbare Aussage darüber, ob bei Befolgung der Vorschläge im Sanierungskonzept eine wirtschaftliche Gesundung des Krisenunternehmens zu erwarten ist. Insbesondere ist für die rechtlich unbedenkliche Vergabe von Sanierungskrediten neben einem Sanierungskonzept auch die sorgfältige Prüfung der Erfolgsaussichten, mithin eine positive Fortbestehensprognose, erforderlich.“
254 Davon geht auch die Rechtsprechung im Rahmen der Überprüfung der Insolvenzgründe aus. BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265, Leitsatz 2: „Ein organschaftlicher Vertreter einer Gesellschaft verletzt seine Insolvenzantragspflicht nicht schuldhaft, wenn er bei fehlender eigener Sachkunde zur Klärung des Bestehens der Insolvenzreife der Gesellschaft den Rat eines unabhängigen, fachlich qualifizierten Berufsträgers einholt, diesen über sämtliche für die Beurteilung erheblichen Umstände ordnungsgemäß informiert und nach eigener Plausibilitätskontrolle der ihm daraufhin erteilten Antwort dem Rat folgt und von der Stellung eines Insolvenzantrags absieht.“
255 Aus den Gründen: „Dabei muss sich der organschaftliche Vertreter, sollte er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügen, ggf. extern beraten lassen (BGHZ 126, 181 = ZIP 1994, 1103, 199, dort zur Prüfung der positiven Fortführungsprognose; OLG Düsseldorf NZG 1999, 944, 946 zur Feststellung der Überschuldung; Hefermehl/Spindler aaO; Mertens in Kölner Komm. z. AktG, 2. Aufl. § 93 Rn. 99; Hopt in Großkomm. z. AktG, 4. Aufl. § 73 Rn. 255 m. w. N.; Wiesner in MünchHdb. d. GesR, Bd. 4 2. Aufl. § 26 Rn. 7 m. w. N.). Dafür reicht selbstverständlich eine schlichte Anfrage bei einer von dem organschaftlichen Vertreter für fachkundig gehaltenen Person nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass sich das Vertretungsorgan unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt.“
256 Aus der Formulierung „fachlich qualifizierter“ Berufsträger ist messerscharf zu schließen, dass der BGH die Einschaltung eines „einfachen“ Berufsträger für nicht ausreichend erachtet. A. A. Roedel & Partner – Reckhardt, Finanzplanung in der Krise, 1 ff.; DATEV LX 0408182.
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V. Person des Planungserstellers
Die Anforderungen an die Prüfung der Insolvenzgründe sind derart hoch ge- 257 setzt, dass nur in den Fällen ein externer Rat entbehrlich erscheint, in denen Sanierungs- bzw. Insolvenzexperten in die Geschäftsführungsämter berufen sind. Dasselbe gilt für die Erstellung von Planungsrechnungen in der Krise. Auch für die Eigenverwaltung ist anerkannt, dass die Bewältigung der Auf- 258 gabenstellungen insolvenzrechtliche Experten erfordert. „Gerade die Komplexität der insolvenzrechtlichen Aufgabenstellungen – insbesondere im Rahmen einer Betriebsfortführung – macht die Hinzuziehung insolvenzrechtlicher Experten i. d. R. unabdingbar, da kaum ein Schuldner bzw. eines seiner Leitungsorgane von sich aus über die erforderlichen Kenntnisse verfügen dürfte. Das Fehlen solcher Kenntnisse (in Form von beauftragten Beratern oder durch einen entsprechend qualifizierten CRO wird inzwischen selbst von den Gerichten eher als Umstand gewertet, der gegen die Anordnung der Eigenverwaltung spricht.“ Fiebig, in: HambKomm-InsO, § 270 Rn. 24.
Dies bedingt natürlich für den Unternehmensplaner in der Krise, dass er eben 259 jenes Spezialwissen und die erforderliche Erfahrung gewährleisten und dokumentieren muss. Diese Entwicklung hat durch das ESUG auch Niederschlag im Gesetz gefun- 260 den. So dürfen Bescheinigungen über die Insolvenzgründe und den Nachweis, dass eine Sanierung nicht offensichtlich ausgeschlossen ist, gemäß § 270b InsO nur von einem „in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt oder einer sonstigen vergleichbaren Person mit vergleichbarer Qualifikation“ erteilt werden. Unternehmensplanungen in der Krise werden also nur anzuerkennen sein, wenn sie von einem in Insolvenzangelegenheiten erfahrenen Berufsträger erstellt wurden. Ausgeschlossen als Planungsersteller ist der prüfende Wirtschaftsprüfer. Bei 261 prüfungspflichtigen Mandaten kann der Abschlussprüfer nämlich nicht Ersteller der Fortbestehensprognose sein: „Ob im Falle einer parallelen Befassung als Abschlussprüfer ein die Unabhängigkeit gefährdender Ausschlussgrund besteht, ist im Einzelfall anhand der einschlägigen Vorschriften pflichtgemäß zu prüfen. Die Erstellung eines Sanierungskonzeptes oder von Teilen eines solchen Konzeptes – insb. der Planung – ist mit der Tätigkeit als Abschlussprüfer unvereinbar, da der Abschlussprüfer die Voraussetzung der Unternehmensfortführung (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) zu beurteilen hat und dabei nicht eine von ihm selbst erstellte Unterlage zum Gegenstand der Prüfung machen darf. Die Beurteilung eines Sanierungskonzeptes führt dagegen grundsätzlich nicht zu einem Ausschluss als Abschlussprüfer.“ IDW S 6 Tz. 26.
Wichtig ist aber auch die Berücksichtigung der Bankenperspektive. Ein noch 262 so elegantes Gutachten ist dann Schall und Rauch, wenn es von den Banken nicht akzeptiert wird und diese in der Konsequenz die Gefolgschaft verweigern. Die Banken lehnen aber i. d. R. den bislang tätigen Berater für die Erstellung von Sanierungsgutachten und/oder Fortbestehensprognosen ab: Nach zumin67
F. Projektmanagement
dest teilweise vertretener Auffassung kann nicht der für das Unternehmen tätige Steuerberater oder Unternehmensberater die Fortbestehensprognose erstellen. Dieser kommt regelmäßig nicht als Sanierungsfachmann infrage. Dagegen soll schon die mangelnde Objektivität aufgrund des Umstands sprechen, dass dieser Berater zuvor bereits in der Sache befasst war. Ausnahmsweise aber soll der beratende Steuerberater oder Unternehmensberater die Fortbestehensprognose erstellen können, wenn er anlässlich der Krise als ausgewiesener Experte konsultiert wurde und erst dann das Gespräch mit der Bank sucht. Vgl. Theewen, MaRisk-Handbuch Sanierung, S. 75.
263 Aus diesem Grund sollte der Berater dringend seine Beauftragung im Vorfeld mit den Banken abklären. Es empfiehlt sich daher, Informationsschreiben an die Kreditinstitute zu versenden, in denen über folgende Dinge informiert wird: x
Auftragsdefinition
x
Handelnde Personen
x
Fachliche Qualifikation der handelnden Personen
x
Erfahrung der handelnden Personen
x
Voraussichtliche Dauer der Gutachtenerstellung
264 Dabei ist um eine Rückäußerung zu bitten, ob gegen die Einschaltung des Beraters Bedenken bestehen.
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G. Auftrag und Honorarvereinbarung Wie bereits oben ausgeführt, ist für die Unternehmensplanung in der Krise 265 i. d. R. eine Beauftragung eines externen Beraters erforderlich. Dieser muss „Experte“ sein und darüber hinaus in sehr kurzer Zeit seine Einschätzung abgeben zu können. Er benötigt in seiner Kanzlei die erforderlichen Ressourcen. Zu Beginn des Auftragsverhältnisses sind folgende Punkte zwingend zu klären: 266 x
Genauer Auftragsinhalt und Abgrenzung der Verantwortlichkeiten Es kann sich empfehlen insbesondere auch zu regeln, für was der Berater nicht zuständig ist (Negativabgrenzung) und wer dies an Stelle des Beraters zu erledigen hat.
x
Honorarvereinbarung und Zahlungsmodalitäten
x
Ggf. gesonderte Haftungsvereinbarung, insbesondere Einbeziehung von AGB
I. Auftragsinhalt und Verantwortlichkeiten Das akute Krisenstadium prägt zusammen mit den Problemen der bereits 267 durchlaufenen Krisenstadien maßgeblich die Festlegung des Auftragsinhalts. Zugleich erwachsen im Verlauf der Aufarbeitung dieser Stadien unterschiedliche Erwartungen an die Verantwortlichkeit des Erstellers von Konzepten zur Krisenbewältigung. Dient das Konzept bei akuter Insolvenznähe der Entscheidungsfindung von 268 Kapitalgebern (Gesellschafter, Kreditgeber, andere Gläubiger) und soll eine akute Insolvenznähe beseitigt werden, kann sich daraus eine Haftungsausweitung über den eigentlichen Auftraggeber hinaus ergeben (Dritthaftung). BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11; BGHZ 193, 297 = ZIP 2012, 1353, dazu EWiR 2012, 509 (Westermann) (Einbeziehung des Geschäftsführers in den Schutzbereich des Steuerberatungsvertrages mit der GmbH.); Redepflicht über Insolvenzgründe bzw. über nachhaltige Verluste beim Unternehmensverkauf in der Krise, BGH, Urt. v. 28.11.2001 – VIII ZR 37/01, ZIP 2002, 440 und BGH, Urt. v. 4.4.2001 – VIII ZR 32/00, ZIP 2001, 918. Wichtig: Daher muss bereits bei der Festlegung des Auftragsgegenstandes sowohl für das beauftragende Unternehmen als auch für die Kapitalgeber und andere Dritte erkennbar werden, welche Aufgaben der Ersteller übernimmt und welchem Zweck das Arbeitsergebnis dienen soll.
Bei Vereinbarung der Auftragsbedingungen sollte der Ersteller festlegen, x
269
unter welchen Voraussetzungen er mit einer Überlassung seines Arbeitsergebnisses an Dritte einverstanden ist und
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G. Auftrag und Honorarvereinbarung
x
welche Haftung dann gegenüber den Dritten gelten soll. Dies gilt in besondere dann, wenn der Ersteller seinen Mandanten zu Gesprächen mit Dritten über die Lage des Unternehmens, die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen und deren Erfolgsaussichten begleitet. In diesem Fall sind ggf. ergänzende Vereinbarungen zu treffen. Praxistipp: Selbst wenn der Planungsersteller die Ergebnisse Dritter ungeprüft übernehmen darf, sollte er die eingehenden Unterlagen und Informationen auf Schlüssigkeit (nicht Plausibilität) überprüfen. Er sollte ferner abschätzen, ob die Person des Informationsgebers geeignet ist, die Information zu erteilen. Auf die ungeprüfte Übernahme hat der Planungsersteller in seinem Planungsbericht und in der Bescheinigung hinzuweisen, BGH, Urt. v. 10.11.1994, III ZR 50/94; BGHZ 127, 378 = ZIP 1994, 1954 (sog. Dachstuhlurteil): „Der Sachverständige darf Informationen des Auftraggebers auch dann bei der Erstellung seines Gutachtens berücksichtigen – und wird dies vielfach auch tun müssen –, wenn er deren Wahrheitsgehalt nicht nachprüfen kann. Er muss dann aber diesen Umstand in seinem Gutachten kenntlich machen (vgl. auch BGH, Urt. v. 2.11.1983, NJW 1984, 356). Tut er dies, so gibt er damit regelmäßig zu erkennen, dass er für die Richtigkeit der Angaben seines Auftraggebers nicht einstehen will.“ Andernfalls droht eine Dritthaftung, insbesondere, wenn der Berater auf Hinweis oder Anregung der Hausbank beauftragt wurde. Allerdings kann diese Dritthaftung vertraglich ausgeschlossen werden, BGH, Urt. v. 2.4.1998 – III ZR 245/96, DStR 1998, 823. Hiernach ist es allein Sache der Vertragsparteien zu bestimmen, gegenüber welchen Personen eine Schutzpflicht begründet werden soll. Denn nach dem BGH, Beschl. v. 30.10.2008 – III ZR 307/07, DStR 2009, 497 muss für die Haftung des Beauftragten gegenüber Dritten klar sein, dass von ihm gerade im Drittinteresse eine Leistung verlangt wird.
270 Vor rechtsverbindlicher Vereinbarung eines Auftrags wird sich der Ersteller im Rahmen einer ersten Abschätzung mit Unterstützung durch die Unternehmensleitung ein Bild von der Unternehmenslage und den erforderlichen Aufgaben machen. Dazu hat der Ersteller insbesondere das Krisenstadium festzustellen, um daraus einen ersten Überblick über die notwendigen Maßnahmen zur Krisenüberwindung zu gewinnen. Wichtig: Folgende Punkte sollten in einem Auftrag fest vereinbart werden: x Genauer Auftragsinhalt und Umfang x Unbeschränkter Zugang zu Geschäftsunterlagen x Umfassendes Auskunftsrecht gegenüber der Gesellschaft x Ggf. können die Mitwirkungspflichten des Auftraggebers vereinbart werden. x Vertraglich vereinbarter Anspruch auf eine Vollständigkeitserklärung x Vereinbarung, dass das Konzept nur als Ganzes, ggf. nach vorherigem schriftlichem Einverständnis herausgegeben werden darf.
271 Sofern von dem Konzept auch Entscheidungen Dritter, insbesondere Banken, abhängen, sind der Auftragsinhalt und die Akzeptanz auch mit diesen abzu70
II. Aufgabendefinition
stimmen. Verlangt die Bank z. B. ein Vollkonzept nach IDW S 6 und wird dieses nicht vollumfänglich abgearbeitet, hat dies für den Mandanten fatale Folgen. Im Ergebnis steht die Ablehnung der Bank schon von vornherein fest. Ferner sollte die Funktion des Beraters definiert werden, siehe Rn. 140 ff.
272
Praxistipp: Die Erstellung eines Sanierungskonzepts oder von Teilen eines solchen Konzepts – insbesondere der Planung – ist mit der Tätigkeit als Abschlussprüfer unvereinbar, da der Abschlussprüfer die Voraussetzung der Unternehmensfortführung (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) zu beurteilen hat und dabei nicht eine von ihm selbst erstellte Unterlage zum Gegenstand der Prüfung machen darf. Die Beurteilung eines Sanierungskonzepts führt dagegen grundsätzlich nicht zu einem Ausschluss als Abschlussprüfer. Gleiches wird für den mit der „Abschlussprüfung“ (umfassende Beurteilung) befassten Steuerberater gelten.
II. Aufgabendefinition Die Aufgaben können differenziert ausgestaltet sein. So können lediglich die 273 Annahmen der Geschäftsleitung in eine Unternehmensplanung überführt werden, eine Fortbestehensprognose nach § 19 Abs. 2 InsO erstellt werden oder ein umfassendes Sanierungsgutachten erstellt werden. „Bei der Beauftragung ist deutlich zu kennzeichnen, ob es sich um ein umfassendes Sanierungskonzept i. S. dieses IDW Standards handelt oder ob nur Teilbereiche eines solchen Konzepts Gegenstand der Aufgabenstellung sind, wie z. B. die Erstellung einer Liquiditätsplanung zum Zwecke einer Fortbestehensprognose oder einer weitergehenden Fortführungsprognose nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB auf Grundlage einer integrierten Planung“. IDW S 6 Tz. 4.
Da die Anforderungen des IDW deutlich über die Anforderungen des BGH 274 hinausgehen, vgl. Ganter, NZI 2014, 673 ff.,
ist es ratsam, sich auf die Anforderungen des BGH zurückzuziehen und diese Form der Beauftragung mit dem Mandanten und den wesentlichen Stakeholdern vorab zu besprechen. Der BGH stellt an „Sanierungskonzepte“ bzw. an die „Überlebensprognose“ folgende Anforderungen: Ein Sanierungskonzept ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung beacht- 275 lich, wenn es den Fortführungswillen des Schuldners bzw. seiner Organe erkennen lässt, ein in sich schlüssiges Konzept ist, das die Bereinigung sämtlicher Verbindlichkeiten des Schuldners, und seine dauerhafte wirtschaftliche Stabilisierung in überschaubarer Zeit zum Ziel hat, das von den erkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht, sich insbesondere auf konkret benennbare, nachvollziehbare Umstände stützt, die wirtschaftliche Lage des Schuldners im Rahmen seiner Wirtschaftsbranche analysiert und die Krisenursachen sowie die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage erfasst, das nicht offensichtlich undurchführbar ist und auf der Seite des Schuldners im maßgeblichen
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G. Auftrag und Honorarvereinbarung
Zeitpunkt ernsthafte und begründete Aussichten auf Erfolg rechtfertigt, das von einem unvoreingenommenen, branchenkundigen Fachmann stammt, dem die vorgeschriebenen oder üblichen Buchhaltungsunterlagen zeitnah vorliegen und das jedenfalls in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt ist. BGH, Urt. v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248; BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 52/10, ZIP 2013, 894; BGH, Urt. v. 21.11.2005 – II ZR 277/03, ZIP 2006, 279; Ganter, NZI 2014, 673, 678.
276 Die Planungserstellung kann zusammen mit anderen Beratern arbeitsteilig erfolgen. Dies führt letztlich dazu, dass selbst dann noch Berater teilweise tätig werden können, wenn die Bank eine Fortbestehensprognose oder ein Sanierungsgutachten von ihnen ablehnt. Dies ist insbesondere auch bei langjährigen Beratern sinnvoll, haben diese doch umfangreiches Detailwissen. Der externe Berater wird dieses Detailwissen mit einer „kritischen Distanz“ würdigen und in seine Beurteilung einfließen lassen. Bei arbeitsteiliger Vorgehensweise ist aber zu klären, ob und wie dies im Außenverhältnis dargestellt wird. 277 Wichtig ist in diesem Fall, dass die gemeinschaftlich beauftragten Berater ihre Vermögensschadenhaftpflichtversicherungen abgleichen, denn im Haftungsfall wird ansonsten für die Schadenshöchstsumme ein Querschnitt aus den Höchstsummen der beauftragten Berater gebildet. 278 Analog dem IDW Standard PS 322 müssen Sie sich bei Verwertung der Arbeit eines Sachverständigen über folgende Umstände ein eigenes Bild machen: x
Beurteilung der beruflichen Qualifikation und fachlichen Kompetenz
x
Beurteilung von Art und Umfang der Tätigkeit
x
Beurteilung der Arbeitsergebnisse „Im Prüfungsbericht sind Ausführungen zur Verwertung und Einschätzung von Arbeiten Sachverständiger zu machen, die für die Beurteilung des Abschlussprüfers wesentlich waren. Die Ausführungen müssen deutlich machen, inwieweit sich die Beurteilungen des Abschlussprüfers auf die Arbeit von Sachverständigen stützen und wie der Abschlussprüfer diese Arbeit einschätzt“. IDW PS 322 (2013) Tz. 23; vgl. auch IDW PS 322 (2017) Tz. 17 ff. und A 9 ff.
279 Nicht nur deshalb, sondern auch wegen § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO (Bescheinigung im Schutzschirmverfahren) empfiehlt es sich, auf die Qualifikationen und die Erfahrung des Beraters hinzuweisen, es sei denn, dieser ist bei den wesentlichen Stakeholdern persönlich bekannt. III. Honorarvereinbarung und Zahlungsmodalitäten 280 Zuerst stellt sich die Frage nach der Angemessenheit eines Honorars für die Planungsleistung. Ein Anhaltspunkt für das Honorar kann die Prüfungsgebühr von Banken für strukturierte Finanzierungen sein. Hier werden üblicherweise zwischen 0,5 und 1,5 % der Transaktionssumme als Prüfungsgebühr berechnet.
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III. Honorarvereinbarung und Zahlungsmodalitäten
Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die meisten Unternehmensberater auf Stunden- bzw. Tagesbasis tätig werden. Vgl. http://www.bdu.de/wie-wir-sie-unterstuetzen/wie-wirunternehmen-unterstuetzen/honorare/ (Abruf am 19.10.2015).
Sofern ein Insolvenzverwalter für ein insolventes Unternehmen plant, stellt 281 sich die Frage, ob er für die Einrichtung einer Unternehmensplanung Zuschläge zur Verwaltervergütung beantragen kann. Dabei hat das LG Heilbronn im Beschluss vom 21.12.2010, LG Heilbronn, Beschl. v. 21.12.2010 – 1 T 593/10 Bm, ZInsO 2011, 352,
entschieden, dass die Liquiditätsplanung für sich keine Zuschläge rechtfertigt. Sie hängt zwingend mit der Betriebsfortführung zusammen und ist als solche im Zuschlag für die Betriebsfortführung enthalten. Wir gehen aber davon aus, dass damit nur die kurzfristige Liquiditätsplanung gemeint sein kann, die die Haftung des Insolvenzverwalters nach § 61 InsO ausschließen soll. Eine solche ist aus der Buchführung abzuleiten. Wenn darüber hinaus eine mittelfristige Planung erstellt wird, in die Sanierungsmaßnahmen hinein modelliert werden und die zukünftige Bilanz-, Ertrags- und Finanzlage abgebildet wird, so ist dies eine Tätigkeit, die weit über die Regeltätigkeit des Insolvenzverwalters hinausgeht. Sie muss daher unseres Erachtens gesondert zuschlagsfähig sein, zumal dafür ein besonderes Expertenwissen und eine besondere EDVAusstattung erforderlich ist. Im Bereich der Krisen- und Sanierungsberatung gehört die rechtssichere Ho- 282 norarvereinnahmung zum Handwerkszeug eines jeden Beraters. Hierbei hat der Berater darauf zu achten, dass diese vor einer möglichen Insolvenzanfechtung geschützt sind. Da der Steuerberater, der die Bücher führt, jedenfalls nach einer gewissen 283 Zeit des Vorliegens der Zahlungsunfähigkeit die Umstände kennt, die auf die Zahlungsunfähigkeit seines Mandanten schließen, ist bei ihm in den meisten Fällen von einer Kenntnis i. S. d. § 130 InsO auszugehen. Vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2012 – IX ZR 205/11, ZIP 2012, 2449.
Aufgrund des weitreichend prognostischen Charakters der drohenden Zah- 284 lungsunfähigkeit geht unseres Erachtens diese Rechtsprechung zu weit. Zumindest muss noch die erwartete Kenntnis über die weitere zu erwartende Entwicklung des Schuldners beim Steuerberater hinzukommen. Grundsätzlich aber hat die Rechtsprechung des BGH zur Folge, dass der Steuerberater beim Empfang der Geldleistung von seinem Mandanten bösgläubig ist und damit eine anfechtbare Rechtshandlung vorliegt. Eine weitere wichtige Entscheidung für den beratenden Berufsstand hat das 285 AG Hannover mit Urteil vom 12.12.2001, AG Hannover, Urt. v. 12.12.2001 – 520 C 11608/01, ZInsO 2002, 89,
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G. Auftrag und Honorarvereinbarung
betreffend die Anfechtung von Honorarleistungen in der Krise gefällt: Berät ein Berater einen Schuldner zur Abwendung der Insolvenz bis wenige Tage vor Insolvenzantragsstellung und nimmt er sodann nach Stellung des Insolvenzantrags einen Betrag zur Befriedigung einer Vorschussrechnung entgegen, so ist diese Handlung anfechtbar. Der Berater muss sich hierbei die Kenntnis des Insolvenzantrags eines Sozius gemäß § 166 BGB zurechnen lassen. Ein unanfechtbares Bargeschäft kommt nicht in Betracht, weil wegen der Kenntnis des Insolvenzantrags die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO ebenfalls gegeben sind. 286 Ob diese Entscheidung nach der Anfechtungssreform noch Bestand haben würde, ist zumindest fraglich. Der Berater, der seine Leistung innerhalb der Grenzen des Bargeschäfts erbringt, muss die Anfechtung nur noch fürchten, wenn sein Handeln unlauter war, § 142 Abs. 1 InsO. Bei der Stellung eines qualifizierten Insolvenzantrags Hilfe zu leisten, dürfte aber gerade keine Unlauterbarkeit darstellen. 287 Nach der Entscheidung des BGH vom 10. Januar 2013, BGH, Urt. v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174 ff. („Göttinger Gruppe“),
kann der Berater gegenüber der Anfechtung nur dann sicher sein, wenn von ernsthaften Sanierungsbemühungen ausgegangen werden kann. Dazu muss zu der Zeit der angefochtenen Handlung ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorliegen, das mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt worden ist und beim Schuldner die ernsthaft begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt. 288 Im Übrigen ist auf die Ausführungen von Ganter, NZI 2014, 673 ff.,
sowie Rendels/Zabel, Insolvenzplan, Rn. 85 ff.,
hinzuweisen: Der Planer ist gut beraten, vor Aufnahme seiner Tätigkeit einen Vorschuss zu verlangen. Nachdem der Mandant Insolvenzantrag gestellt hat, kann er gutgläubig keine Zahlungen des Schuldners mehr entgegennehmen. Eine Anfechtung der Beraterhonorare ist dann als Bargeschäft i. S. d. § 142 InsO grundsätzlich ausgeschlossen. Sofern ihm nämlich die Zahlungsunfähigkeit des Mandanten positiv bekannt ist und durch die Zahlung die übrigen Gläubiger benachteiligt werden, schließt auch ein Bargeschäft die Anfechtbarkeit nicht aus, § 133 Abs. 1 InsO. In diesem Fall kann eine Anfechtung nur dann vermieden werden, wenn die Bezahlung nicht aus dem Vermögen Ihres Mandanten, sondern von einem Dritten geleistet wird.
289 In Sanierungsfällen sollte sich der Berater also durch Vorschüsse absichern. Allerdings muss er beachten, dass er den Vorschuss nicht höher als die Aufwendungen der voraussichtlich nächsten vier Wochen dotieren darf und zudem nach Ablauf der vier Wochen sofort über den Vorschuss abrechnen muss. In dieser
74
III. Honorarvereinbarung und Zahlungsmodalitäten
Situation hilft es auch nicht mehr, mit der Einstellung der Leistung zu drohen. Aus der Rechtsprechung des BGH hierzu folgendes Urteil vom 13.3.2003: „Veranlasst ein Gläubiger, der mit einer Altforderung nur Insolvenzgläubiger wäre, durch Weigerung, andernfalls eine für die Fortführung notwendige Leistung nicht zu erbringen, den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter dazu, die Neu- und die Altforderung zu erbringen, so ist die Zusage der Zahlung der Altforderung anfechtbar.“ BGH, Urt. v. 13.3.2003 – IX ZR 56/02, ZIP 2003, 855.
Im Fall hatte ein Gläubiger bei Anordnung der schwachen Insolvenzverwaltung 290 Forderungen gegen den Schuldner. Weitere Leistungen wollte der Gläubiger erst erbringen, wenn auch die Altforderungen ausgeglichen würden. Der vorläufige Insolvenzverwalter tat dies und focht die Zahlung nach Insolvenzeröffnung wieder an. Der BGH gab der Anfechtungsklage des Insolvenzverwalters statt. Ferner ist auf die Entscheidung des BGH vom 6.12.2007:
291
„Als Bargeschäft (§ 142 InsO) werden Leistungen des Schuldners privilegiert, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt ist. Insbesondere können auch Dienstleistungen eines Steuerberaters oder Rechtsanwalts Bargeschäfte sein. Bei länger währenden Vertragsbeziehungen ist dafür zu verlangen, dass die jeweiligen Leistungen und Gegenleistungen zeitlich oder gegenständlich teilbar und zeitnah – entweder in Teilen oder abschnittsweise – ausgetauscht werden. Wenn zwischen dem Beginn der anwaltlichen Tätigkeit und der Erbringung einer Gegenleistung mehr als 30 Tage liegen, ist ein Bargeschäft zu verneinen. Rechtsanwälte werden dadurch nicht unangemessen benachteiligt. Denn sie können jederzeit Vorschüsse verlangen. Allerdings sind die Voraussetzungen eines Bargeschäfts nicht erfüllt, wenn der Rechtsanwalt einen Vorschuss in einer Höhe geltend macht, der die wertäquivalente Vergütung für die nächsten 30 Tage überschreitet.“ BGH, Urt. v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, ZIP 2008, 232
und die Entscheidung des BGH vom 13.4.2006 hinzuweisen: „Es ist anerkannt, dass die Erfüllung beliebiger gegenseitiger Verträge unter die Bargeschäftsausnahme fallen kann (MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 142 Rn. 4; HK-InsO/Kreft, aaO § 142 Rn. 3). Auch länger dauernde Vertragsbeziehungen scheiden nicht von vornherein als Bargeschäft aus. Insbesondere können Dienstleistungen eines Steuerberaters oder Rechtsanwalts Bargeschäfte sein (vgl. BGHZ 28, 344, 347 f; 77, 250, 252 f; BGH, Urt. v. 28. Januar 1988 – IX ZR 102/87, WM 1988, 472, 474; v. 18. Juli 2002 – IX ZR 480/00, NJW 2002, 3252 f; vgl. auch Kirchhof ZInsO 2005, 340, 343 f). Anwaltliche Dienstleistungen können sich über einen längeren Zeitraum hinziehen. Selbst wenn es sich nicht um Dauermandate handelt, sind Zeitspannen von Monaten oder gar Jahren nicht selten. Dies wäre unter dem Gesichtspunkt des engen zeitlichen Zusammenhangs unproblematisch, wenn auf den Zeitraum zwischen der Beendigung der Dienstleistung und der Zahlung des Honorars abzustellen wäre (so Lwowski/ Wunderlich, aaO S. 312; ähnlich Kirchhof ZInsO 2005, 340, 344). Dies ist jedoch unzutreffend. Zwar hat der Rechtsanwalt, der von dem Mandanten alsbald nach Fälligkeit der Vergütung bezahlt wird, dem Mandanten keinen Kredit durch Stundung gewährt. Dass im Falle einer Kreditgewährung ein Bargeschäft nicht in Betracht kommt, rechtfertigt jedoch nicht den Umkehrschluss, ein Bargeschäft liege immer dann vor, wenn kein Kredit gewährt werde. Der
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G. Auftrag und Honorarvereinbarung Dienstleistende erbringt eine Vorleistung, wenn seine Vergütung erst nach Beendigung seiner Dienste fällig wird. Im Allgemeinen hat, wer an den Schuldner Vorleistungen erbracht hat, wegen seines Anspruchs auf die Gegenleistung nur eine Insolvenzforderung (BGHZ 135, 25, 27). Die dem § 142 InsO zugrundeliegende gesetzgeberische Erwägung, dass dem in der Krise befindlichen Schuldner eine weitere Teilnahme am Geschäftsverkehr ermöglicht werden soll, falls dies die Gläubigergesamtheit nicht beeinträchtigt, betrifft nicht Fälle, in denen über längere Zeit vorgeleistet wird. Wer beispielsweise für den Schuldner ein Gebäude errichtet und sich darauf einlässt, dass der Werklohn insgesamt erst nach Abschluss der Bauarbeiten zu entrichten ist, kann sich, wenn der Schuldner ihn in der Krise bezahlt, nicht darauf berufen, der Bauvertrag sei ein Bargeschäft gewesen. Mit Dienstverträgen verhält es sich nicht anders. Der Bundesgerichtshof hat deshalb bei der Prüfung, ob der Vertrag über die Dienstleistung eines anwaltlichen oder steuerlichen Beraters ein privilegiertes Bargeschäft darstellt, grundsätzlich auf den Zeitraum zwischen der Annahme des Auftrags oder dem Beginn der Tätigkeit und der Gegenleistung abgestellt (BGHZ 28, 334, 348; BGH, Urt. v. 18. Juli 2002 aaO S. 3253 – in dem zuletzt genannten Fall konnte er offen lassen, ob dieser Zeitraum zu lang war, weil der Gläubiger dem Schuldner auch zu dem späteren Zeitpunkt der Fälligkeit die Gegenleistung gestundet hatte).“ BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05, ZIP 2006, 1261.
IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters 1. Haftungsvereinbarung und Haftungsbegrenzung 292 Vor der eigentlichen Auftragsannahme sind die monetären Risiken des Auftrags abzuschätzen. Es sollte stets darauf geachtet werden, das Haftungsrisiko vertraglich einzuschränken. Eine Vereinbarung ist möglich über x
die wirksame Einbeziehung der AGB mit enthaltener Haftungsbeschränkung und
x
individuell vereinbarter Haftungsbeschränkung.
293 Soweit das Haftungsrisiko den Höchstbetrag der eigenen Haftpflichtversicherung übersteigt, kommt der Abschluss einer Einzelobjektversicherung in Betracht. Die Frage der Kostentragung ist mit dem Mandanten zu klären und ggf. in der Vergütungsvereinbarung aufzunehmen. Während eine größtmögliche Haftungsreduzierung grundsätzlich im Interesse des Beraters liegt, kann eine über die Mindestsumme hinausgehende Haftpflichtversicherung durchaus auch als Marketinginstrument verwendet werden. 294 Es empfiehlt sich, eine klare Vertragsvereinbarung treffen. Aus Beweisgründen sollte auch immer schriftlich festhalten werden, was vereinbart wurde. Nur so kann verhindert werden, dass Dritte ungewollt in den Schutzbereich des von Ihnen geschlossenen Vertrages fallen. Der Auftragsanlass und der Parteiwille von Berater und Mandant sollte dokumentiert werden. Es sollte weiter der Hinweis erfolgen, dass die Arbeit für den Mandanten erstellt wurde und keine Schutzwirkung zugunsten Dritter entfalten soll. BGH, Urt. v. 2.4.1998 – III ZR 245/96, DStR 1998, 823.
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IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters
Zusätzlich sollte (zumindest in den AGB) vereinbart werden, dass eine Weiter- 295 gabe der Berichte, Bescheinigungen und/oder Testate etc. nur mit Zustimmung des Beraters und vor allem nur vollständig mit eingebundenen AGBs erfolgen darf. Der Haftung aufgrund der Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zu- 296 gunsten Dritter (siehe Rn. 269) steht es nicht entgegen, dass der Mandant den Berater bewusst mit falschen Wertangaben „füttert“. Der Mandant selbst könnte in diesem Fall aufgrund des Gebots von Treu und Glauben keine Ansprüche gegen den Berater geltend machen. Es gilt zwar eigentlich der Grundsatz, dass die Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht weiter gehen darf als diejenige im eigentlichen Vertragsverhältnis. Allerdings macht der BGH in diesem Fall eine Einschränkung, soweit der Dritte den sachverständigen Aussagen ersichtlich besonderes Vertrauen schenkt. BGH, Urt. v. 10.11.1994 – III ZR 50/94; BGHZ 127, 378 = ZIP 1994, 1954.
Es obliegt hier dem Berater möglichem Haftungspotential durch geeignete 297 Hinweise zu begegnen. Es kommt dabei auf den Wortlaut des Testats o. Ä. an. Auf diesen achten die Beteiligten. Die Haftung des Beraters kann hier nur so weit reichen, soweit dieser aus Sicht der Dritten die Verantwortung für die Richtigkeit der testierten Zahlen übernimmt. Der BGH erkennt, dass der Steuerberater nicht alle Angaben seines Mandanten auf deren Wahrheitsgehalt überprüfen kann. Dieser Umstand muss dann aber kenntlich gemacht werden, weil ansonsten 298 davon ausgegangen werden muss, dass der Sachverständige (Steuerberater) für die Richtigkeit der Angaben seines Mandanten einstehen will. BGH, Urt. v. 10.11.1994 – III ZR 50/94, BGHZ 127, 378 = ZIP 1994, 1954.
An dieser Stelle ist es nun wichtig, den Erstellungsbericht und die Bescheini- 299 gung präzise zu formulieren. In den Fällen, in denen sich der Berater auf die ungeprüften Angaben seines Mandanten stützt, muss er daher im Erstellungsbericht eindeutig erkennen lassen, dass die Erstellung der Leistung gerade nicht auf seinen eigenen Ermittlungen beruht, sondern eben auf den (plausiblen) Angaben seines Mandanten. Aber Vorsicht: Ein Risiko bleibt (natürlich) dennoch bei dem Berater. Nämlich das, nicht zu erkennen, dass die ihm vorgelegten Zahlen und Daten nicht plausibel sind. Praxistipp: Es sollte daher nur bescheinigt werden, dass z. B. der Status aufgrund der Buchführung des Mandanten erstellt und Letztere sowie die Wertansätze nur in eingeschränktem Maße überprüft wurden, Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, Rn. 290, 291 (Bilanztestat). Der Berater sollte im Rahmen des Bestätigungsvermerks deutlich alle Angaben seines Mandanten (Auftraggebers) kennzeichnen, die er bei der Statuserstellung verwertet hat. Es muss klar erkennbar sein, welche Angaben er von seinem Mandanten erhalten hat.
77
G. Auftrag und Honorarvereinbarung
300 Aus dem Grundsatz, dass dem in den Schutzbereich miteinbezogenen Dritten nicht mehr Rechte zustehen können als dem eigentlichen Vertragspartner (vgl. § 334 BGB) wird gefolgert, dass dem Dritten auch die in den Grundvertrag (im Wege von AGB) wirksam aufgenommenen Haftungsbeschränkungen entgegengehalten werden können. Dies gilt im Übrigen auch für die gesetzliche Haftungsbeschränkung aus § 323 Abs. 2 HGB. Der Berater kann also in seinen allgemeinen Auftragsbedingungen seine Haftung betragsmäßig begrenzen. Hier muss allerdings darauf geachtet werden, dass die vereinbarte Höchstsumme zur wirtschaftlichen Bedeutung des Auftrags in einem angemessenen Verhältnis steht. Falls eine solche Haftungsbeschränkung vereinbart wurde, sollte auch im schriftlichen Beratungsbericht darauf hingewiesen werden. Praxistipp: Der Berater kann sich aber in seinen allgemeinen Auftragsbedingungen für die Fälle vorsätzlichen Handelns nicht freizeichnen, § 103 VVG n. F.
301 Ferner sollte der Berater dringend darauf achten, dass er sich den Zugang zu allen Informationen und die Unterzeichnung einer Vollständigkeitserklärung zusichern lässt. Ob dies im Vertrag geregelt sein muss, wie es offenbar das IDW vorsieht, ist eine Geschmackssache. „Der Wirtschaftsprüfer wird sich den Zugang zu allen Geschäftsunterlagen vertraglich sichern und ein umfassendes Auskunftsrecht gegenüber der Gesellschaft zur Bedingung einer Auftragsannahme machen. Je nach Lage des Einzelfalles sollte sowohl im Auftrag als auch im Erstellungsbericht auf die Mitwirkungspflichten des Auftraggebers und weiterer beteiligter Stakeholder eingegangen werden“. IDW S 6 Tz. 24.
302 Verweigert sich der Mandant hier, wäre dies im Gutachten/Bericht aus Sicherheitsgründen auch in der abschließenden Bescheinigung kenntlich zu machen. Formulierungsvorschlag: … Der Mandant hat die Abgabe einer berufsüblichen Vollständigkeitsbescheinigung abgelehnt. Die Aussagen des Mandanten konnten nicht auf Richtigkeit überprüft werden. Wir mussten diese ungeprüft als wahr, richtig und vollständig unterstellen. Dies vorausgeschickt …
Muster einer Vollständigkeitserklärung für die Erstellung/Prüfung von Sanierungskonzepten Pfitzer, IDW WP HB Band II 2014, L Tz. 125: Betrifft: Tatsachenbasis für Sanierungskonzepte Ihnen als Ersteller/Prüfer unseres Sanierungskonzepts erkläre ich als Geschäftsführer hiermit Folgendes: 1. Die Aufklärungen und Nachweise, um die Sie mich gebeten haben, habe ich Ihnen vollständig und nach bestem Wissen und Gewissen gegeben. Dabei habe ich alle nach meiner Einschätzung relevanten tatsächlichen Umstände und Zusammenhänge, die für eine sachgerechte Erarbeitung eines Sanierungskonzepts notwendig waren, mitgeteilt.
78
IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters 2. Für die Entwicklung des Sanierungskonzepts war nach meiner Einschätzung wesentlich der Überblick über die Unternehmensentwicklung, insbesondere die finanzwirtschaftliche Entwicklung, die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse einschließlich aller finanziellen Verbindungen zu den Gesellschaftern und weiter alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse einschließlich der gesamten Finanzierungsstruktur. Alle wesentlichen leistungswirtschaftlichen Faktoren sind gleichfalls berücksichtigt worden. 3. Alle Umstände und Berührungspunkte zu Personen, die im Rahmen des zu erarbeitenden Sanierungskonzepts wirtschaftliche Interessen haben oder haben könnten, sind Ihnen mitgeteilt worden. 4. Verträge, die wegen ihres Gegenstands, ihrer Dauer oder aus sonstigen Gründen für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft von Bedeutung sind oder werden könnten, sind einbezogen worden. Finanzielle Verpflichtungen aus diesen Verträgen sowie sonstige wesentliche finanzielle Verpflichtungen sind in die Information mit einbezogen worden. 5. Rechtsstreitigkeiten und sonstige Auseinandersetzungen, die für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage von Bedeutung sind, fanden Erwähnung. 6. Ich habe dafür Sorge getragen, dass Ihnen Einblick in alle Bücher und Schriften der Gesellschaft gewährt wurde, die für das Sanierungskonzept von Bedeutung sind. 7. Als Auskunftsperson habe ich Ihnen die nachfolgend aufgeführten Personen benannt: […] Diese Personen sind von mir angewiesen worden, Ihnen alle gewünschten Auskünfte und Nachweise richtig und vollständig zu geben. […] Ort, Datum und Unterschrift
Zur eigenen Haftungsabsicherung wird der Berater entsprechend Pfitzer,
303
IDW WP HB Band II 2014, L Tz. 684,
in analoger Anwendung des IDW PS 460 die x
Arbeitsschritte,
x
Art und Umfang der Prüfungshandlungen,
x
Informationsquellen und
x
daraus resultierende Feststellungen
ordnungsgemäß in seinen Handakten dokumentieren. Allein aufgrund der hohen Rate an gescheiterten Sanierungsberatungen muss eine solche Dokumentation erfolgen. 2. Haftung des Beraters/Planerstellers Die Möglichkeiten der zivilrechtlichen Haftung des Beraters in der Krise des 304 Mandanten sind äußerst vielschichtig. Als potenzielle Gläubiger eines solchen Haftungsanspruchs kommen insbesondere in Betracht: x
der Mandant selbst,
79
G. Auftrag und Honorarvereinbarung
x
der Geschäftsführer des Mandanten,
x
nach der Insolvenzeröffnung die Insolvenzmasse, sprich der Insolvenzverwalter,
x
Gesellschafter des bisherigen Mandantenunternehmens,
x
Gläubiger des Mandantenunternehmens, insbesondere Lieferanten, Kreditund Sicherheitengeber, Finanzamt und Sozialversicherungsträger,
x
der Unternehmenskäufer und/oder dessen Kreditgeber.
305 Die Erstellung der Unternehmensplanung ist haftungsträchtig. Das folgt nicht zuletzt daraus, dass gerade in der Krisensituation die Buchhaltung und die anderen Informationsquellen des Unternehmens oft mangelhaft sind und zudem ein angemessenes Honorar für qualifizierte Arbeit nicht (mehr) oder nur noch eingeschränkt zur Verfügung steht. Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass sich die Haftung nach dem Auftrag bemisst. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass vom Ergebnis der Unternehmensplanung regelmäßig unternehmerische Entscheidungen abhängig gemacht werden, insbesondere die Stellung eines evtl. gebotenen Insolvenzantrags. Wenn die Planung fehlerhaft ist und deshalb ein gebotener Insolvenzantrag unterlassen wird, stellt sich regelmäßig die Frage nach der Haftung. Dabei können wegen § 64 GmbHG sehr schnell gewaltige Haftungsforderungen gegenüber den Organen entstehen, die diese dann versuchen, an den Berater weiterzureichen. Mittlerweile dürfte geklärt sein, dass der Geschäftsführer in den Schutzbereich des Beratungsvertrages einbezogen ist. BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, ZIP 2012, 1353; Urt. v. 26.1.2017 – IX ZR 285/14, ZIP 2017, 427.
306 Damit kann er eine Haftung bei unterlassenem Insolvenzantrag an den Berater „weiterreichen“. 307 Im Zusammenhang mit Unternehmen in der Krise steht seit einiger Zeit die Haftung des Steuerberaters für Insolvenzverschleppungsschäden im Fokus. Die Rechtsprechung hat mit der Entscheidung des BGH, Urt. v. 26.1.2017 – IX ZR 285/14, ZIP 2017, 427; dazu EWiR 2017, 173 (Wagner),
an Bedeutung gewonnen. Im Wesentlichen hat der BGH entschieden, dass für die Prüfung der Fortführungsannahme im Rahmen der Bilanzierung Insolvenzgründe ausgeschlossen werden müssen und bei Zweifeln über das Vorliegen pflichtiger Insolvenzgründe eine Redepflicht des Beraters besteht. Diese Rechtsprechung ist auf andere Berater (Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, Unternehmensberater) und auch auf andere Aufträge (Unternehmensplanung, Sanierungskonzepte etc.) übertragbar. Den Ausgangspunkt bildet hierbei hauptsächlich der Antrieb von Insolvenzverwaltern die Haftungsmasse durch Inanspruchnahme der Steuerberater anzureichern. Dabei wird die Argumentationslinie verfolgt, dass hohe Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners hätten 80
IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters
vermieden werden können, wenn der Steuerberater rechtzeitig auf eine drohende bzw. bereits eingetretene Überschuldung sowie die ggf. bestehende Verpflichtung zur Stellung eines Insolvenzantrags hingewiesen hätte. Versäume der Steuerberater die Erteilung derartiger Hinweise, so stelle dies eine Vertragsverletzung dar, welche zum Schadensersatz verpflichte. Es handelt sich dabei um eine mögliche Haftung aus dem Beratungsvertrag. 308 Diese kann sich aus §§ 280, 611, 675 BGB ergeben. Hierfür wäre grundsätzlich erforderlich, dass der Steuerberater eine schuldhafte Pflichtverletzung begeht, welche zu einem kausalen Schaden führt. Pflichtverletzung Der Berater wird überwiegend als verpflichtet angesehen einen richtigen Jahres- 309 abschluss zu erstellen, der ggf. auch eine bilanzielle Überschuldung zutreffend ausweist. Bereits in einer Entscheidung des BGH,
310
BGH, Urt. v. 18.2.1987 – IVa-ZR-232/85, GmbHR 1987, 463; DATEV LX 0081533,
heißt es (Leitsatz aus GmbHR): „Ist die GmbH nicht nur am Bilanzstichtag, sondern auch zur Zeit der Bilanzerstellung überschuldet und erkennt der den Jahresabschluss erstellende Steuerberater dies schuldhaft nicht, haftet er aus positiver Vertragsverletzung.“
Übertragen auf die Planungstätigkeit in Krise, Sanierung und Insolvenz be- 311 deutet dies, dass die Planung zutreffend sein muss. Das heißt, insbesondere müssen der Eintritt der Insolvenz und vor allem die hieraus anfallenden direkten und indirekten Insolvenzkosten planerisch berücksichtigt werden. Andernfalls liegt eine Hauptpflichtverletzung vor. Entscheidende Frage ist aber, ob den Berater in der Krise des Mandanten dar- 312 über hinaus Aufklärungs- und Warnpflichten treffen und falls ja, wie weit diese gehen. Die Rechtsprechung hierzu war für den Steuerberater uneinheitlich. Letztlich 313 lässt sie sich kurz wie folgt zusammenfassen: Der Steuerberater, der über die Erstellung der Buchhaltung bzw. Handelsbilanz hinaus keinen betriebswirtschaftlichen Beratungsauftrag hat, ist nicht zur Warnung vor Insolvenzreife verpflichtet. Kühne, NWB-BB 2013, 652 ff. m. w. N.
Enthält der Jahresabschluss aber Aussagen zur Insolvenzreife, müssen diese 314 richtig und belastbar sein. Der BGH hat in zwei aktuellen Urteilen zu dieser Frage Stellung genommen: In einem ersten Urteil hatte der BGH am 7.3.2013,
315
BGH, Urt. v. 7.3.2013 – IX ZR 64/12, ZIP 2013, 829,
81
G. Auftrag und Honorarvereinbarung
entschieden, dass das steuerberatende Dauermandat von einer GmbH bei üblichem Zuschnitt keine Pflicht begründet, die Mandantin bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz auf die Pflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, eine Überprüfung in Auftrag zu geben oder selbst vorzunehmen, ob Insolvenzreife besteht. 316 Diese Rechtsprechung hat der BGH mit Urteil vom 26.1.2017 explizit aufgegeben, BGH, Urt. v. 26.1.2017 – IX ZR 285/14, ZIP 2017, 427. Leitsatz Nr. 3: Der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater hat die Mandantin auf einen möglichen Insolvenzgrund und die daran anknüpfende Prüfungspflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und er annehmen muss, dass die mögliche Insolvenzreife der Mandantin nicht bewusst ist (teilweise Aufgabe von BGH, Urteil vom 7. März 2013, IX ZR 64/12, WM 2013, 802). (Rn. 44). Aus den Gründen: (Rn. 44) a) Eine Hinweispflicht des Steuerberaters besteht auch außerhalb des beschränkten Mandatsgegenstandes, soweit die Gefahren dem Steuerberater bekannt oder für ihn offenkundig sind oder sich ihm bei ordnungsgemäßer Bearbeitung aufdrängen und wenn er Grund zu der Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich der Gefahr nicht bewusst ist (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 – IX ZR 12/05, WM 2009, 369 Rn. 14 m. w. N.; Vill in G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 2 Rn. 20). Dies gilt insbesondere, wenn die Gefahr Interessen des Auftraggebers betrifft, die mit dem beschränkten Auftragsgegenstand in engem Zusammenhang stehen (BGH, Urteil vom 9. Juli 1998 – IX ZR 324/97, WM 1998, 2246, 2248; vom 18. Dezember 2008, aaO; Vill aaO). (Rn. 45) aa) Diese Voraussetzungen können bei einem Steuerberater erfüllt sein, der beauftragt ist, einen Jahresabschluss zu erstellen. Trotz inhaltlich richtiger Bilanz können zugunsten des Mandanten Hinweis- und Warnpflichten bestehen, wenn der Steuerberater einen Insolvenzgrund erkennt oder für ihn ernsthafte Anhaltpunkte für einen möglichen Insolvenzgrund offenkundig sind und er annehmen muss, dass die mögliche Insolvenzreife der Mandantin nicht bewusst ist. Solche Anhaltspunkte können für den Steuerberater etwa dann offenkundig sein, wenn die Jahresabschlüsse der Gesellschaft in aufeinanderfolgenden Jahren wiederholt nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge aufweisen. Dies kommt weiter in Betracht, wenn für den Steuerberater offenkundig ist, dass die bilanziell überschuldete Gesellschaft über keine stillen Reserven verfügt. Maßgeblich für die Frage, ob eine Hinweis- und Warnpflicht des Steuerberaters besteht, sind dabei nur die von ihm für den zu erstellenden Jahresabschluss zu prüfenden Umstände. (Rn. 46) Der Steuerberater muss im Hinblick auf § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ohnehin anhand der ihm zur Verfügung gestellten Informationen und der ihm sonst – etwa auch aus einem Dauermandat – bekannten Umstände prüfen, ob sich daraus ernsthafte Hinweise auf einen möglichen Insolvenzgrund ergeben, die als tatsächliche Gegebenheiten Zweifel an der Fortführungsprognose wecken (vgl. Zugehör, WM 2013, 1965, 1969 ff; Vill aaO § 2 Rn. 23). Insbesondere ist der Steuerberater verpflichtet, die Mandantin über rechtliche oder tatsächliche Gegebenheiten zu un-
82
IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters terrichten, die er im Zuge der Erstellung der Jahresbilanz erkennen muss und die der Fortführung der Unternehmenstätigkeit im Sinne des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB entgegenstehen können. Da § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB auf die Tätigkeit des Unternehmens abstellt und im Unterschied dazu §§ 17 ff InsO Handlungspflichten für den Unternehmensträger bestimmen (Kaiser, ZIP 2012, 2478, 2480 f; Eickes, Zum Grundsatz der Unternehmensfortführung in der Insolvenz, S. 116), liegt es für den Steuerberater und den Mandanten nahe, dass der Steuerberater auf solche sich bei der Prüfung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ergebende offenkundige Umstände hinweist, die für den Mandanten Handlungspflichten nach den §§ 17 ff InsO begründen können. (Rn. 47) Hingegen ist der Steuerberater nicht zu weitergehenden Überprüfungen verpflichtet. Erst recht ist der Steuerberater nicht verpflichtet, von sich aus eine Überschuldungsprüfung vorzunehmen. Vielmehr hat der Geschäftsführer – wenn ihm die entsprechenden Indizien genannt werden – die erforderlichen Überprüfungen selbst vorzunehmen oder gesondert in Auftrag zu geben (BGH, Urteil vom 7. März 2013 – IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 21). Es ist originäre Aufgabe des Geschäftsführers, die Zahlungsfähigkeit und eine etwaige Überschuldung des von ihm geleiteten Unternehmens im Auge zu behalten und auf eventuelle Anzeichen für eine Insolvenzreife zu reagieren (BGH, Urteil vom 7. März 2013 – IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 21). Der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verpflichtet, für eine Organisation zu sorgen, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht; verfügt er selbst nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse, muss er sich gegebenenfalls fachkundig beraten lassen (BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 199; vom 20. Februar 1995 – II ZR 9/94, ZIP 1995, 560, 561; vom 14. Mai 2007 – II ZR 48/06, ZInsO 2007, 660 Rn. 16; vom 27. März 2012 – II ZR 171/10, ZInsO 2012, 1177, Rn. 15; vom 19. Juni 2012 – II ZR 243/11, ZInsO 2012, 1536 Rn. 11). (Rn. 48) bb) Im Streitfall können nach den revisionsrechtlich zu unterstellenden Behauptungen des Klägers solche für den Beklagten offenkundige Umstände vorliegen. Bereits der dem Beklagten mit der erstmaligen Auftragserteilung bekannte Jahresabschluss für das Jahr 2002 wies einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 33.127,93 € auf. Der jeweilige Fehlbetrag stieg in allen vom Beklagten erstellten Jahresabschlüssen mit Ausnahme des Jahresabschlusses für das Jahr 2006 stets an. Zudem hat der Kläger behauptet, dass die Schuldnerin bereits bei Beauftragung des Beklagten über keine stillen Reserven verfügt habe.“
Kurzum: Der Berater muss seinen Mandanten auf Solvenzrisiken hinweisen, 317 wenn ihm solche offenkundig sind. Solche offenkundigen Risiken sind z. B. für den Fall der Überschuldung: x
Verbrauch von 50 % des Stammkapitals und
x
vollständiger Verbrauch des Stammkapitals.
Für den Fall der Zahlungsunfähigkeit: x
318
Ein negatives Netto-Umlaufvermögen (sog. Working Capital, was dem Saldo aus kurzfristigem Umlaufvermögen und den kurzfristigen Verbindlichkeiten entspricht). 83
G. Auftrag und Honorarvereinbarung BStBK, Hinweise zur Verlautbarung der Bundessteuerberaterkammer zu den Grundsätzen für die Erstellung von Jahresabschlüssen in Bezug auf Gegebenheiten, die der Annahme der Unternehmensfortführung entgegenstehen (beschlossen vom Präsidium der Bundessteuerberaterkammer am 13./14. März 2018).
319 Im Zweifelsfall sollte der Berater, gerade bei KMU, von der Belehrungsbedürftigkeit seines Mandanten ausgehen. 320 Wenn nun aber schon der Steuerberater bei der Deklarationstätigkeit einer Hinweispflicht unterliegt, wird dies erst recht für den Berater gelten, der in der Krise einen Sanierungsauftrag oder einen die Sanierung unterstützenden Auftrag durchführt. Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn die Prüfung der Solvenzreife explizit aus dem Auftrag ausgenommen wurde. Leitsatz 2: Für die Pflichten des Beraters aus einem im Zusammenhang mit einer Unternehmenssanierung geschlossenen Beratungsvertrag besteht keine gesetzliche Regelung. Daher ist für Art und Umfang der Pflichten des Sanierungsberaters ausschließlich das im Wege der Vertragsauslegung anhand der dienstvertraglichen Vereinbarungen zu ermittelnde Pflichtenprogramm maßgebend. (Rn. 87). Leitsatz 3: Bestand danach insgesamt keine Verpflichtung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, das Bestehen von Insolvenzgründen zu prüfen, die sich aus einer konzernrechtlichen Unzulässigkeit der im Konzern herrschenden Praxis einer Stundung von Verlustausgleichsansprüchen bis zu einer späteren Verrechnung ergeben könnten, kann der Berater hierfür auch nicht haftbar gemacht werden. (Rn. 88). OLG Frankfurt Urt. v. 17.01.2018 – 4 U 4/17, ZIP 2018, 488.
321 Die Entscheidung des BGH vom 26.1.2017 hat aber auch dahingehend große Bedeutung, als bei bestehendem Insolvenzgrund nur noch dann unter der Fortführungsannahme (Going Concern) bilanziert werden darf, wenn auch ein Fortführungskonzept für die Insolvenz vorliegt. Dieses Urteil ist nach der Rechtsprechung des LG Düsseldorf erst recht auf Wirtschaftsprüfer zu erstrecken. Orientierungssatz (juris) 1: Die für den Steuerberater zur Bilanzierung nach Fortführungswerten bei einer insolvenzbedrohten Gesellschaft aufgestellten Grundsätze gelten als Mindestvoraussetzungen „erst recht“ für die Tätigkeit des Abschlussprüfers der Gesellschaft. (Rn. 39) LG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.2017 – 13 O 481/14 (rkr.), ZInsO 2018, 607.
322 Damit liegt auf der Hand, dass auch der Wirtschaftsprüfer als Nebenpflicht auf etwaige Solvenzrisiken hinweisen muss. 323 In einem weiteren Urteil hat sich der BGH, BGH, Urt. v. 6.6.2013 – IX ZR 204/12, ZIP 2013, 1332,
mit der Frage der Haftung des Steuerberaters beschäftigt: In seinem Urteil hat der BGH einen Fall zur Steuerberaterhaftung im Zusammenhang mit einer insolvenzrechtlichen Überschuldung der beauftragenden Gesellschaft entschieden. 84
IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters
Eine GmbH hatte ihren Steuerberater mit der Erstellung der Steuerbilanz zum 324 31.12.2004 beauftragt. Der Berater erstellte diese Bilanz am 29.8.2005. Im Bilanzbericht führte er zwar aus, dass zum Bilanzstichtag ein nicht gedeckter Fehlbetrag besteht, es sich dabei aber nur um eine „Überschuldung rein bilanzieller Natur“ handelt – weil für die Verbindlichkeiten Rangrücktrittserklärungen vorlägen und die Gesellschaft zudem einen hohen Firmenwert habe. Tatsächlich aber war die GmbH zum Bilanzstichtag insolvenzrechtlich überschuldet. In seinem Urteil führt der BGH aus, dass es grundsätzlich nicht Aufgabe des 325 mit der allgemeinen steuerlichen Beratung der GmbH beauftragten Beraters ist, die Gesellschaft bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz darauf hinzuweisen, dass es die Pflicht des Geschäftsführers ist, eine Überprüfung vorzunehmen oder in Auftrag zu geben, ob Insolvenzreife eingetreten ist und ggf. ein Insolvenzantrag zu stellen ist. Haftungsrechtlich verantworten muss sich der Steuerberater allerdings dann, 326 wenn er einen ausdrücklichen Auftrag zur Prüfung der Insolvenzreife des Unternehmens hat. So gelagert sah der BGH den vorliegenden Fall. Der Steuerberater hat gerade nicht nur eine Handelsbilanz erstellt. Vielmehr 327 hat er mit seiner Bemerkung, dass es sich um eine „Überschuldung rein bilanzieller Natur“ handelt, eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Gesellschaft ausgeschlossen. Und auch der Hinweis auf die Rangrücktrittsvereinbarungen und den Firmenwert zeigt, dass der Berater eine Leistung erbracht hat, die über die steuerliche Bilanzierung hinausgeht. Wegen der wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung der Angelegenheit 328 handelt es sich bei dieser Feststellung des Steuerberaters um eine zusätzliche Prüfung, auf deren Richtigkeit die GmbH, bzw. deren Geschäftsführer, vertrauen durfte – und nicht nur um eine bloße Gefälligkeit. Daher besteht im vorliegenden Fall eine Haftung des Steuerberaters: Ver- 329 antworten muss er sich wegen der Folgen der durch seine Erklärung bedingten verspäteten Insolvenzantragstellung. Er muss also den Schaden ersetzen, der nach Eintritt der Insolvenzreife durch die Fortsetzung der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft entstanden ist. Praxistipp: Künftig werden bei Krisenunternehmen integrierte Unternehmensplanungen zur Begründung der Fortführungsannahme zu erstellen sein. Dies ist einerseits lukrativ, aber haftungsträchtig. Im Rahmen der Beauftragung sollte dringend geregelt werden, wer welche Verantwortlichkeit hat. Insbesondere könnte unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Frankfurt (siehe Rn. 319) vereinbart werden, dass der Berater die Unternehmensplanung erstellt, damit ein anderer Berater, z. B. ein Fachanwalt für Insolvenzrecht, hieraus die Insolvenzgründe ableitet oder ausschließt. Eine derartige Konstellation und vor allem eine negative Abgrenzung des Auftragsumfangs sollte aber deutlich und klar vereinbart werden.
85
G. Auftrag und Honorarvereinbarung
330 Problematisch dürfte in diesem Zusammenhang auch die Übersendung von Zwischenberichten, Stati oder BWAs sein, die tatsächlich ohne betriebswirtschaftliche Abgrenzungen erstellt sind. Eine solche BWA ist für den Unternehmer ohne Aussagekraft und sogar irreführend. OLG Oldenburg Urt. v. 8.11.2012 – 14 U 8/12, DATEV LX 0963361 (rkr. durch BGH, Beschl. v. 20.3.2014 – IX ZR 293/12); Ehlers, NWB-BB 2008, 92; Kreide/Dimmling, DATEV magazin Heft 8/2017, S. 22, 24).
331 Sie ist in hohem Maße haftungsträchtig. Selbiges gilt für die kommentarlose Übergabe einer „unerfreulichen“ BWA. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Mandanten nicht der Lage sind, eine BWA zu lesen und zu interpretieren. Praxistipp: Es gilt daher, anhand der von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen, Handlungsprämissen zu entwickeln, die die Gefahr einer Haftung für den Berater mit betriebswirtschaftlichem Beratungsauftrag möglichst minimieren: Stellt der Berater eine bilanzielle Überschuldung fest, müssen bei diesem „sämtliche Alarmglocken läuten“. Diese hat zumindest indizielle Bedeutung für eine insolvenzrechtliche Überschuldung (BGH, Urt. v. 7.3.2005 – II ZR 138/03, ZIP 2005, 807). Der Sanierungsberater bewegt sich nun in einem haftungsträchtigen Feld. Grundsätzlich muss von der Belehrungsbedürftigkeit des Mandanten (bzw. des Geschäftsführers) ausgegangen werden. Eine solche entfällt zwar, wenn der Mandant/Geschäftsführer die Rechtslage erkennt. Dies hat allerdings der Berater in einem möglichen Haftungsprozess zu beweisen (Zugehör, NZI 2008, 652). Es sollte daher ausdrücklich auf das Vorliegen einer handelsbilanziellen Überschuldung hingewiesen werden. Daneben sollte auf die Erforderlichkeit der Überprüfung der Insolvenzgründe hingewiesen werden und auf eine mögliche Insolvenzantragspflicht aufmerksam gemacht werden. Obschon den Berater keine Dokumentationspflicht über erfolgte Hinweise trifft (Ehlers, NZI 2008, 211, 212) ist eine ausreichende Dokumentation zu empfehlen, da er der prozessualen Behauptung des Mandanten, ein Hinweis sei nicht erfolgt, zumindest substantiiert entgegnen muss (vgl. § 138 Abs. 3 ZPO).
Verschulden 332 Erstellt der Berater einen fehlerhaften Bericht oder unterlässt er einen erforderlichen Hinweis, so muss diese Pflichtverletzung zur Begründung einer Haftung schuldhaft geschehen sein. Im Rahmen der vertraglichen Haftung wird ein Verschulden des Beraters allerdings vermutet, § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB. Es ist dann an ihm selbst, zu beweisen, dass ihm weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit vorzuwerfen sind, § 276 BGB. Leider kann sich der Berater nicht immer (und gerade in Krisenzeiten nicht) darauf verlassen, dass sein Mandant ihm vollständige und richtige Unterlagen überlässt. Beruht die Fehlerhaftigkeit des Abschlusses auf der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der bereitgestellten Informationen, so muss der Steuerberater nachweisen, dass er von der Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen durfte. 86
IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters Praxistipp: Damit Sie im Streitfall nachweisen können, dass Ihr Mandant Ihnen versichert hatte, dass seine Unterlagen vollständig und richtig sind, sollten Sie sich das von Ihrem Mandanten im Voraus immer schriftlich bestätigen lassen.
Kausalität Wie bei jeder Haftungsinanspruchnahme des Steuerberaters gilt: Ein Haftungs- 333 fall liegt nur dann vor, wenn der dem Berater vorwerfbare (bestimmte) Fehler auch die Ursache für den eingetretenen Schaden ist. Das heißt, eine Kausalitätsprüfung darf auch im Zusammenhang mit Krisenmandaten nicht unterbleiben. Dieser Ursachenzusammenhang ist vom Mandanten zu beweisen. Im Falle der Geltendmachung eines Insolvenzverschleppungsschadens obliegt es danach diesem nachzuweisen, dass er sich entsprechend einer richtigen Aufklärung verhalten hätte und so eine Hinauszögerung des Insolvenzantrags und dadurch der entstandene Schaden vermieden worden wäre. Unter Umständen kommt dem Mandanten hier jedoch die Vermutung eines beratungsrichtigen Verhaltens zugute. OLG Köln, Urt. v. 17.12.2009 – 8 U 27/09; DStR 2011, 47.
Schaden Als Schadensposten kommen die Ausschüttung eines angeblichen Gewinns 334 trotz Insolvenzreife, ungerechtfertigte Investitionsentscheidungen, die Vergabe von nachteiligen Aufträgen oder das Anwachsen der Verbindlichkeiten in Betracht. Zugehör, NZI 2008, 652, 656.
Mitverschulden Liegen sämtliche oben genannten Voraussetzungen vor, so hat sich der Steuer- 335 berater schadensersatzpflichtig gemacht. Dabei darf jedoch ein etwaiges Mitverschulden des Geschäftsführers des Mandanten nicht unberücksichtigt bleiben. Dieses wird dem Mandanten regelmäßig nach § 31 BGB zuzurechnen sein. Den Geschäftsführer selbst trifft die Pflicht, Insolvenzantrag im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu stellen, § 15a InsO. Soweit er in der kritischen Phase Berater einschaltet, muss er deren Ergebnisse zumindest auf Plausibilität untersuchen. Tut er dies nicht, so setzt er einen massiven Verursachungs- und Verschuldensbeitrag. Gräfe, DStR 2010, 669, 671; BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II-ZR-48/06, ZIP 2007, 1265.
336
Das LG Saarbrücken, Urt. v. 28.11.2011 – 9 O 261/00, DATEV LX 4006651,
führt dazu aus (Hervorhebungen durch Autoren): „Versäumt es der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin, sich in den eigenen Angelegenheiten hinreichend zu informieren, so hat er einen (schweren)
87
G. Auftrag und Honorarvereinbarung Verursachungs- und Verschuldensbetrag gesetzt (Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung 4. Aufl. Rn. 710). Die Pflicht des Geschäftsführers, Insolvenzantrag zu stellen, beginnt mit der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung der GmbH. Positive Kenntnis hiervon ist nicht erforderlich, da die insolvenzrechtlichen Organpflichten und ihre Sanktionen gerade auf der Selbstprüfungspflicht der Unternehmensleitung im Gläubigerinteresse beruhen. Es genügt die bloße Erkennbarkeit (BGH, NJW 2000, 668). Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein Verschulden des Geschäftsführers bei objektiver Versäumung der Insolvenzantragspflicht zu vermuten (BGHZ 143, 184 f.; 171, 46). Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht vom Mitverschuldenseinwand ausgenommen, wenn der Steuerberater den Geschäftsführer nicht auf etwaige Insolvenzgefahren hingewiesen hat oder Bilanzen ein falsches Bild vom Unternehmen zeigen (Gräfe DStR 2010, 669, 672). Der Mitverschuldenseinwand greift hingegen, wie bereits ausgeführt, in der Regel nicht, wenn der Geschäftsführer den Steuerberater mit der Überprüfung der Überschuldung bzw. Insolvenzreife der GmbH beauftragt hat. In einem solchen Fall hat er sich seiner Selbstprüfungspflicht im Allgemeinen nicht entledigt (Gräfe DStR 2010, 669, 672).“
Unzutreffende Stellung eines Insolvenzantrags 337 Vorsicht ist umgekehrt auch dann geboten, wenn der Mandant die Insolvenzeröffnung beantragt, nachdem er von seinem Berater falsch beraten wurde bzw. dieser eine fehlerhafte Planung erstellt hat. In diesem Fall besteht ebenso die Gefahr der Inanspruchnahme des Beraters aufgrund vertraglicher Pflichtverletzung. OLG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 11.8.2011 – 1 U 75/07, DATEV LX 1575369; OLG München, Urt. v. 4.2.2015 – 7 U 2177/14, ZIP 2015, 826 (für den Gesellschafter).
338 Der Berater hat also die Wahl zwischen Pest und Cholera. Dritthaftung 339 Der Steuerberater kann sich im Rahmen der Beratung eines Krisenunternehmens aber nicht nur gegenüber dem Mandanten selbst bzw. gegenüber den Vertretungsorganen haftbar machen, sondern auch gegenüber Dritten, wie z. B. der Bank. Es stellt sich hier also meist das Problem der sog. Dritthaftung. So wird der Berater in der Regel gerade in Krisenzeiten vermehrt an Vertragsverhandlungen teilnehmen sowie der Bank gegenüber Auskünfte über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens erteilen. Ein besonders hohes Haftungsrisiko gegenüber der Bank besteht in solchen Situationen vor allem dann, wenn der Berater erkennt, dass die Bank wesentliche Entscheidungen und Maßnahmen auf der Grundlage gerade seiner Aussagen trifft. Sundermeier/Gruber, DStR 2009, 929.
340 Gerade auch im Rahmen einer Insolvenz hat das Thema der Dritthaftung eine große Bedeutung, weil jetzt die Verbindlichkeiten nicht mehr bezahlt werden können und die Gläubiger sich an einen solventen Schuldner halten. 341 Der Standardfall ist der, dass der Unternehmer/das Unternehmen von der Bank einen neuen Kredit erhält bzw. ein bereits bestehender Kredit erweitert
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IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters
wird. Ausschlaggebend war für die Bank dabei die vom Steuerberater gefertigte Bilanz des Unternehmens. OLG München, Urt. v. 12.11.2009 – 23 U 2516/09, GmbH-StB 2011, 71.
Grundsätzlich gilt bei der Dritthaftung nach gefestigter Rechtsprechung, dass 342 derjenige, der mit Sachkunde schuldhaft eine falsche Auskunft erteilt, dem Empfänger nach Vertragsgrundsätzen schon dann haftet, wenn die Auskunft erkennbar für diesen von erheblicher Bedeutung war, und er sie zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse oder Maßnahmen gemacht hat. BGH, Urt. v. 2.4.1998 – III ZR 245/96, ZIP 1998, 826.
Auf den obigen Fall angewandt bedeutet das Folgendes: Fertigt der Steuerbera- 343 ter eine fehlerhafte Bilanz, wonach das Unternehmen „besser da steht“ als es tatsächlich der Fall ist, und macht der Sachbearbeiter der Bank diese Bilanz zur Grundlage der Kreditvergabe, so kann grundsätzlich eine Haftung des Steuerberaters gegenüber der Bank in Betracht kommen. Eine wichtige Rolle bei der Frage, ob der Steuerberater haftet oder nicht, spielt aber auch die Tatsache, in welchem Umfang der Steuerberater die Verantwortung für die Richtigkeit einer Bilanz übernimmt. Dies gilt entsprechend für den Berater, der Planungsleistungen erbringt aber auch für entsprechende Mitarbeiter im schuldnerischen Unternehmen. Vgl. Kühne/Nickert, ControllerMagazin 2014, 59 ff.
Letztlich bestehen mehrere Ansatzpunkte eines geschädigten Dritten den 344 Steuerberater in die Haftung zu nehmen: x
Haftung über einen separat (stillschweigend oder ausdrücklich) geschlossenen Auskunftsvertrag (siehe Rn. 352 ff.).
x
Haftung über die Grundsätze des sog. Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (siehe Rn. 342 ff.).
x
Sachwalterhaftung über § 311 Abs. 3 BGB. Auf diese wird hier nicht gesondert eingegangen. Die Rechtsprechung löst derartige Fälle überwiegend nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Emmerich, in: MünchKomm-BGB, § 311 Rn. 197.
x
Haftung aus Delikt.
Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Ein Vertrag kann auch Schutzwirkungen zugunsten Dritter entfalten, wenn 345 der Dritte bestimmungsgemäß mit der Leistung des Beraters in Berührung kommt, der Mandant ein Interesse an einer Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages hat und dies dem Berater erkennbar ist.
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G. Auftrag und Honorarvereinbarung
346 Nach der Rechtsprechung gibt es vier Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit von einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ausgegangen werden kann: 1. Leistungsnähe: Der Dritte (regelmäßig die Bank) muss sich in Leistungsnähe befinden, d. h., er muss mit der vom Steuerberater zu erbringenden Leistung bestimmungsgemäß in Berührung kommen und den Gefahren einer Schlechtleistung etwa ebenso stark ausgesetzt sein wie sein Auftraggeber, der Mandant. 2. Gläubigernähe: Der Mandant muss ein Interesse am Schutz des Dritten (der Bank) haben. Der Dritte muss dem Mandanten so nahe stehen, dass diesem die Vertragserfüllung gegenüber dem Dritten ebenso wichtig ist wie gegenüber sich selbst. Die Beweiskraft soll auch gegenüber dem Dritten wirken. Gräfe, DStR 2010, 669.
3. Erkennbarkeit: Diese Leistungsnähe (1.) und die Gläubigernähe (2.) des Dritten müssen dem Steuerberater bei Vertragsschluss erkennbar gewesen sein. 4. Schutzbedürfnis: Hat der Dritte eigene vertragliche Ansprüche gegen den Steuerberater, so erscheint er nicht schutzbedürftig. Daneben dient dieses Kriterium auch als Einfallstor für wertende Betrachtungen. So wird in diesem Zusammenhang auch danach gefragt, ob dem Steuerberater das erweiterte Haftungsrisiko noch zugemutet werden kann. Gräfe, DStR 2010, 669, 670.
Handelt es sich um eine Pflichtprüfung des Steuerberaters, so muss die in § 323 HGB zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Intention, die Haftung zu begrenzen, auch im Rahmen einer Dritthaftung berücksichtigt werden. Die Einbeziehung einer unbekannten Vielzahl von Gläubigern, Gesellschaftern oder Anteilserwerbern liefe dieser Intention zuwider. Der Steuerberater/Abschlussprüfer wird regelmäßig nicht bereit sein, ein derart unüberschaubares Haftungsrisiko zu übernehmen. Davon kann jedoch dann ausgegangen werden, wenn die Vertragsteile übereinstimmend davon ausgehen, dass die Prüfung auch im Interesse eines Dritten durchgeführt wird und das Ergebnis diesem als Entscheidungsgrundlage dienen soll. Im Falle der freiwilligen Prüfung des Jahresabschlusses wendet der BGH diese Grundsätze zumindest auch dann an, wenn die Prüfung nach den für die Pflichtprüfung maßgeblichen §§ 316, 317 HGB vorgenommen wird. BGH, Urt. v. 2.4.1998 – III ZR 245/96, ZIP 1998, 826.
347 § 18 KWG verlangt den Banken vor Kreditgewährung eine Prüfung der Jahresabschlüsse ab. Es erscheint daher grundsätzlich nicht abwegig anzunehmen, dass dieser Umstand dem Steuerberater/Abschlussprüfer bei Erstellung einer Pflichtprüfung stets bewusst sein muss und Banken daher generell in die Schutzwirkung des Vertrages mit dem Mandanten miteinzubeziehen sind. Jedoch hat das OLG Köln vom 24.2.2011, OLG Köln, Urt. v. 24.2.2011 – I-8 U 29/10, ZIP 2012, 1084,
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IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters
diesem Ansatz unlängst eine Absage erteilt. Danach kommt es auch bei den Banken auf eine Prüfung der oben genannten Voraussetzungen im Einzelfall an. Grundsätzlich muss man davon ausgehen, dass die Banken die Kreditentschei- 348 dung von den Berichten des Beraters abhängig machen. Das heißt, die Leistungsnähe ist dem Berater bekannt. Der Mandant wird grundsätzlich auch kein Interesse daran haben, dass die Hausbank durch den Berater durch objektiv falsche Informationen fehlgeleitet wird. All dies ist für den Berater erkennbar, sodass generell eine abstrakte Haftungsgefahr besteht. Um den Haftungskreis nicht unüberschaubar auszudehnen, wendet der BGH die Regeln zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter allerdings zunehmend restriktiv an. BGH, Urt. v. 6.4.2006 – III ZR 256/04, ZIP 2006, 954.
Eine Haftung des Beraters gegenüber der Bank setzt demnach voraus, dass er 349 eine Pflichtverletzung aus dem Auftrag mit dem Mandanten begangen hat. Wenn der Auftrag auf die einfache Erstellung des Berichts gerichtet ist, muss der Berater weder die Angaben des Mandanten plausibilisieren, noch muss er diese überprüfen. Dasselbe gilt für vom Mandanten gemachte Aussagen. Die Grenze ist allerdings dort erreicht, wo sich die Fehlerhaftigkeit der Un- 350 terlagen bzw. der Aussagen des Mandanten dem Berater aufdrängen. Hier muss der Berater nachhaken und den Sachverhalt aufklären. Auf Basis dieser Informationen schuldet der Berater allerdings eine rechtlich fehlerfreie Leistung. Allerdings ist zu beachten, dass der Pflichtenumfang des Beraters gegenüber der 351 Bank nicht weitergeht, als dies in dem zugrunde liegenden Auftragsverhältnis mit dem Mandanten vereinbart wurde. Folglich gelten auch AGB, die der Berater zum Vertragsinhalt gemacht hat, z. B. gegenüber den Banken, § 334 BGB. Stillschweigend geschlossener Auskunftsvertrag Beim stillschweigend geschlossenen Auskunftsvertrag besteht eine direkte ver- 352 tragliche Beziehung zwischen dem Berater und der Bank. Ein solcher Vertrag kommt nach der Rechtsprechung des BGH dann zustande, wenn eine Auskunft von einer sachkundigen Person verlangt wird, die erkennbar von erheblicher Bedeutung ist und zur Grundlage wesentlicher Entscheidungen gemacht wird. Nach der Rechtsprechung des BGH kommt eine Haftung aus einem „still- 353 schweigend“ abgeschlossenen Auskunftsvertrag – z. B. eben gegenüber der kreditgebenden Bank – in Betracht. Grundlegende Voraussetzung einer derartigen Haftung ist jedoch, dass die Auskunft für den Dritten erkennbar von erheblicher Bedeutung war, und er sie zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse machen will. BGH, Urt. v. 6.4.2006 – III ZR 256/04, ZIP 2006, 954.
Für den Berater bedeutet das: Er ist ggf. nicht nur seinem Mandanten und 354 Vertragspartner zur erforderlichen Sorgfalt verpflichtet, sondern auch diesen dritten Personen, wie z. B. der Bank.
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G. Auftrag und Honorarvereinbarung
355 Aber: Ein solcher konkludent geschlossener Auskunftsvertrag kommt zumindest nicht schon dann zustande, wenn das Kreditinstitut ohne weitere Ausführungen lediglich um Übersendung des testierten Jahresabschlusses bittet und der Berater dieser Bitte entspricht. Schmitz, DB 1989, 1920.
356 Allein durch die bloße Übersendung des Jahresabschlusses schafft der Berater keinen zusätzlichen Vertrauenstatbestand. Ebenso wenig reicht es aus, wenn der Kreditnehmer/Mandant die von seinem Steuerberater erstellten Jahresabschlüsse mit dessen Wissen an die kreditgebende Bank weiterleitet. OLG München, Urt. v. 13.4.1995 – 24 U 86/93, WM 1997, 613.
357 Die Rechtsprechung des BGH zur Annahme eines Auskunftsvertrages fasst der BGH anschaulich so zusammen: „Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der stillschweigende Abschluß eines Auskunftsvertrages zwischen Geber und Empfänger der Auskunft und damit eine vertragliche Haftung des Auskunftgebers für die Richtigkeit seiner Auskunft regelmäßig dann anzunehmen, wenn die Auskunft für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung ist und er sie zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse machen will; dies gilt insbesondere in Fällen, in denen der Auskunftgeber für die Erteilung der Auskunft besonders sachkundig oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse bei ihm im Spiel ist. […] Wie der Bundesgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat […], ist dieser Rechtsprechung allerdings nicht zu entnehmen, daß für das Zustandekommen eines Auskunftsvertrages ohne Rücksicht auf die Besonderheiten des jeweiligen Falles allein schon die Sachkunde des Auskunftgebers und die Bedeutung der Auskunft für den Empfänger ausreichen. Diese Umstände stellen vielmehr lediglich Indizien dar, die, wenn auch mit erheblichem Gewicht, in die Würdigung der gesamten Gegebenheiten des konkreten Falles einzubeziehen sind. Für den stillschweigenden Abschluß eines Auskunftsvertrages ist entscheidend darauf abzustellen, ob die Gesamtumstände unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung und des Verkehrsbedürfnisses den Rückschluß zulassen, daß beide Teile nach dem objektiven Inhalt ihrer Erklärungen die Auskunft zum Gegenstand vertraglicher Rechte und Pflichten gemacht haben […]. So hat der Bundesgerichtshof bei der rechtlichen Beurteilung von Fällen, in denen der konkludente Abschluß eines Auskunftsvertrages angenommen oder in Erwägung gezogen wurde, außer der Sachkunde des Auskunftgebers und der Bedeutung seiner Auskunft für den Empfänger jeweils auch weitere Umstände mitberücksichtigt, die für einen Verpflichtungswillen des Auskunftgebers sprechen können, wie z. B. dessen eigenes wirtschaftliches Interesse an dem Geschäftsabschluß (Urt. v. 5. Juli 1962 – VII ZR 199/60 – WM 1962, 1110, 1111), ein persönliches Engagement in der Form von Zusicherungen nach Art einer Garantieübernahme (BGHZ 7, 371, 377; Urt. v. 13. Juni 1962 – VIII ZR 235/61 – NJW 1962, 1500), das Versprechen eigener Nachprüfung der Angaben des Geschäftspartners des Auskunftsempfängers (Urt. v. 7. Januar 1965 – VII ZR 28/63 – WM 1965, 287, 288), die Hinzuziehung des Auskunftgebers zu Vertragsverhandlungen auf Verlangen des Auskunftsempfängers (BGH, Urt. v. 25. Oktober 1966 – VI ZR 8/65 – VersR 1967, 65, 66) oder die Einbeziehung in solche Verhandlungen als unabhängige neutrale Person (Urt. v. 18. Januar 1972 – VI ZR 184/70 – VersR 1972, 441, 443) sowie eine bereits anderweitig bestehende Vertragsbeziehung zwischen Auskunftsgeber und Auskunftsempfänger (Urt. v. 14. November 1968 – VII ZR 51/67 – WM 1969, 36, 37). Durch derartige zusätzliche Erfordernisse soll verhindert
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IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters werden, daß die Vertragshaftung in unangemessener Weise auf Hilfspersonen ausgeweitet wird (BGH, Urt. v. 17. September 1985 aaO).“ BGH, Urt. v. 13.2.1992 – III ZR 28/90, NJW 1992, 2080 = DB 1992, 1572.
Danach liegt stets eine gesteigerte Haftungsgefahr vor, wenn der Steuerberater 358 auf Verlangen der Bank persönlich an (Kredit-)Verhandlungen bzw. gleichsam als neutraler Sachwalter teilnimmt. Bezieht er sich dabei zur Begründung der Kreditwürdigkeit u. a. auf die selbstgefertigten Bilanzen, setzt er die eigene Persönlichkeit als Garant für die Richtigkeit seiner Erklärung ein. Will der Berater eine solche Haftung ausschließen, so sollte dieser der Bank vorsorglich einen Hinweis erteilen, dass er nicht als neutraler Sachverständiger, sondern zur Unterstützung des Mandanten als Berater auftritt. Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, Rn. 426.
Fehlt es an einem persönlichen „Auskunftskontakt“, wird die Begründung 359 eines Auskunftsvertrages regelmäßig nicht in Betracht kommen. Allerdings muss auch in diesen Fällen eine Bewertung der Gesamtumstände vorgenommen werden. Etwa ein „persönliches Engagement in der Form von Zusicherungen nach Art einer Garantieübernahme“, erscheint auch in diesem Zusammenhang nicht von vornherein ausgeschlossen. BGH, Urt. v. 13.2.1992 – III ZR 28/90, NJW 1992, 2080 = DB 1992, 1572.
Im Konkreten bedeutet dies, dass eine Haftung aus einem Auskunftsvertrag 360 droht, wenn die Bank nach der persönlichen Meinung des Beraters fragt. Sofern der Berater erkennbar nur die vom Mandanten ermittelten Bewertungen erläutert, befindet er sich noch nicht im Auskunftsvertrag. Sofern die Bank aber eine Bewertung durch den Berater verlangt oder eine persönliche Einschätzung der Situation durch den Berater verlangt, droht die Haftung aus einem stillschweigend geschlossenen Auskunftsvertrag. Aus diesem Grund werden die Auftragsabgrenzung (neutraler Dritter oder Berater) und deren strikte Einhaltung von erheblicher Bedeutung. Da es sich beim Auskunftsvertrag um eine selbständige Rechtsbeziehung handelt, sind mangels anderer Vereinbarung die AGB nicht in das Vertragsverhältnis mit einbezogen. Damit droht die Haftung – und zwar in unbegrenzter Höhe. Aber: Ein solcher konkludent geschlossener Auskunftsvertrag kommt zumin- 361 dest nicht schon dann zustande, wenn das Kreditinstitut ohne weitere Ausführungen lediglich um Übersendung des Berichts bittet und der Berater dieser Bitte entspricht. Allein durch die bloße Übersendung des Berichts schafft der Berater keinen zusätzlichen Vertrauenstatbestand. Ebenso wenig reicht es aus, wenn der Kreditnehmer/Mandant die vom Berater erstellten Berichte mit dessen Wissen an die kreditgebende Bank weiterleitet (siehe Rn. 356). Problematisch ist allerdings, dass die Banken in der Krise keine „einfachen 362 Erstellungsaufträge“ akzeptieren. Sofern – wie üblich – vom Berater verlangt wird, die Annahmen und Auskünfte des Mandanten zu plausibilisieren, muss dies im Auftrag geregelt werden und dann auch tatsächlich umgesetzt werden. 93
G. Auftrag und Honorarvereinbarung
Andernfalls droht sogar die Haftung gemäß § 826 BGB aufgrund einer Bescheinigung „ins Blaue hinein“. 363 Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass mit dem Planungsauftrag (nicht mit dem Steuerberatungsauftrag!) Nebenpflichten bestehen. Insbesondere gehen wir von einer Nebenpflicht zur Warnung wegen einer bestehenden Insolvenzreife aus. Dies gilt auch dann, wenn der Planungsauftrag nur die Planverprobungsrechnung für einen Insolvenzplan beinhaltet und daher nur auf Monatsbasis erfolgt ist. Denn der BGH hat mit Urteil vom 7.5.1991, BGH, Urt. v. 7.5.1991 – IX ZR 188/90, DB 1991, 2029,
zugunsten einer solchen Nebenpflicht entschieden. Dies gilt erst recht, wenn der Unternehmensplaner den Eindruck erweckt hat, er hätte inzidenter die Insolvenzgründe geprüft. Vgl. BGH v. 6.6.2013 – IX ZR 204/12, ZIP 2013, 1332.
3. Haftung aus Delikt 364 Neben der vertraglichen Haftung kommt regelmäßig auch eine Haftung aus Delikt gegenüber etwaigen geschädigten Dritten in Betracht. Insbesondere sind hierbei die Beihilfe zur Insolvenzverschleppung gemäß §§ 823 Abs. 2, 830 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a InsO, die Beihilfe zum Betrug gemäß §§ 823 Abs. 2, 830 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB, Bankrottdelikte sowie die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB zu nennen. Beihilfe zur Insolvenzverschleppung 365 Der Steuerberater kann zur Haftung herangezogen werden, wenn er sich an einem Verstoß des Geschäftsführers gegen § 15a InsO beteiligt. Der GmbHGeschäftsführer muss hierzu schuldhaft gegen seine Insolvenzantragspflicht verstoßen und dadurch einen zurechenbaren Schaden der Gesellschaftsgläubiger ausgelöst haben. Zugehör, NZI 2008, 652, 659.
366 Derzeit kontrovers diskutiert wird die Frage, ob sich der Steuerberater schon dann strafrechtlich verantwortlich und folglich deliktsrechtlich schadensersatzpflichtig macht, wenn er sein Mandat nicht niederlegt, sondern die steuerliche Betreuung einer insolvenzrechtlich überschuldeten GmbH fortsetzt. Pestke, Stbg 2009, 512, 518.
367 Eine Straflosigkeit kommt dabei aber insbesondere in Betracht, soweit das Vorgehen des Steuerberaters noch als sog. berufstypische oder neutrale Handlung qualifiziert werden könnte. BGH, Beschl. v. 20.9.1999 – StR 729/98, NStZ 2000, 34; OLG Köln, Beschl. v. 3.12.2010 – 1 Ws 146/10 ZInsO 2011, 288.
368 Hierzu wird überwiegend ein Urteil des LG Koblenz fruchtbar gemacht, in welchem dieses davon ausgeht, dass die Erstellung von Jahresabschlüssen nach Insolvenzreife keine Pflichtverletzung darstelle, da der Steuerberater der Ge-
94
IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters
sellschaft auf diesem Wege bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten helfe, welche diese auch noch in der Insolvenz treffen. Pestke, Stbg 2009, 512, 518, Froehner, ZInsO 2011, 1617, 1621.
Dies hat das OLG Köln in einem Beschluss (Klageerzwingungsverfahren) v. 369 3.12.2010 bestätigt: „1. Wird einem Steuerberater Beihilfe zu der Insolvenzverschleppung durch einen GmbH-Geschäftsführer deshalb vorgeworfen, weil er nach Eintritt der Insolvenzreife der Gesellschaft seine steuerberatende Tätigkeit (durch Buchführungsarbeiten, Abgabe von Steuererklärungen etc.) fortgeführt hat, ist für die Feststellung eines Beihilfevorsatzes zu beachten, dass nur dann, wenn das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf abzielt, eine strafbare Handlung zu begehen, und der Hilfeleistende dies weiß, sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten ist. Für die Steuerberatertätigkeiten gilt dieser Grundsatz wie allgemein für berufstypische „neutrale“ Handlungen.“ OLG Köln, Beschl. v. 3.12.2010 – 1 Ws 146/10, ZInsO 2011, 288 (Klageerzwingungsverfahren).
Allerdings dürfte fraglich sein, ob diese Entscheidung auf den Planungsersteller 370 in der Krise übertragbar ist, namentlich, ob diese Leistung noch als neutrale berufsadäquate Handlung anzusehen ist. Hinzu kommen noch strafrechtliche Risiken, wenn ein gebotener Insolvenz- 371 antrag unterbleibt und der Berater an der Fortführung/“Sanierung“ mitwirkt. „Die Grenze zur strafbaren psychischen Beihilfe wird vor allem auch überschritten, wenn der Berater trotz bestehender Insolvenzantragspflicht bei der Abwicklung der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens mitwirkt und damit hilft, die Gesellschaft weiter aufrechtzuerhalten, selbst wenn er schriftliche Warnungen und Belehrungen gibt.“ Schmidt/Uhlenbruck-Uhlenbruck, Rn. 11.103.
Eine Straflosigkeit kommt dabei aber dann in Betracht, soweit das Vorgehen 372 des Steuerberaters noch als sog. berufstypische oder neutrale Handlung qualifiziert werden könnte. „Für den Beihilfevorsatz eines herangezogenen firmenexternen Beraters wie des Angeklagten sind grundsätzlich folgende – allgemein für berufstypische „neutrale“ Handlungen geltende – Grundsätze zu beachten: Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen, und weiß dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten (vgl. BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 3). In diesem Fall verliert sein Tun stets den „Alltagscharakter“; es ist als „Solidarisierung“ mit dem Täter zu deuten (Roxin in LK 11. Aufl. § 27 Rn. 19) und dann auch nicht mehr als „sozialadäquat“ anzusehen (vgl. Löwe-Krahl, wistra 1995, 201, 203). Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung „die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein“ ließ (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 1 Beihilfe 3; Roxin aaO).“ BGH, Beschl. v. 20.9.1999 –5 StR 729/98, NStZ 2000, 34.
95
G. Auftrag und Honorarvereinbarung
373 Unseres Erachtens ist zu differenzieren: Soll die Planung erst die Existenz von Insolvenzgründen ermitteln bzw., ausschließen, ist die Planungserstellung gerade vom Gesetzgeber verlangt (Selbstprüfungspflicht). Besteht jedoch schon die Kenntnis vom Insolvenzgrund, ist die Planungserstellung nur noch unproblematisch, solange sie im Drei-Wochen-Zeitraum erfolgt und damit zugleich Sanierungsversuche ernsthaft unternommen werden. Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung 374 Die Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus § 826 BGB kommt regelmäßig neben einer möglicherweise bestehenden vertraglichen Haftung (siehe Rn. 304 ff.) in Betracht. Ihr kommt dabei eine nicht unerhebliche praktische Bedeutung zu. Zum einen bedarf es zu ihrer Begründung nicht der zumeist schwierigen Feststellung des Vorliegens eines Straftatbestandes und zum anderen kommt hier – anders als im Rahmen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter – die Haftungsbeschränkung aus § 323 Abs. 2 HGB nicht zur Anwendung. Wagner, in: MünchKomm-BGB, § 826 Rn. 92.
375 Entscheidende Kriterien zur Annahme einer Haftung aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung sind das Vorliegen von Vorsatz und Sittenwidrigkeit. Positive Kenntnis von der Unrichtigkeit der abgegebenen Erklärungen ist hierfür jedenfalls nicht erforderlich. Der BGH hat die Voraussetzungen für eine Haftung aus § 826 BGB durch seine Rechtsprechung weiter präzisiert: 376 BGH, Urt. v. 9.3.2010 – XI ZR 93/09, ZIP 2010, 786: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Voraussetzung für die Haftung eines Gutachters wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung eines Dritten durch ein fehlerhaftes Gutachten, daß der Sachverständige bei Erstellung des Gutachtens leichtfertig oder gewissenlos und zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Daß der Sachverständige ein falsches Gutachten erstellt hat, reicht dazu, wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zu Recht angenommen hat, nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, daß sich der Sachverständige etwa durch nachlässige Ermittlungen zu den Grundlagen seines Auftrages oder gar durch „ins Blaue“ gemachte Angaben der Gutachtenaufgabe leichtfertig entledigt und damit eine Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Adressaten des Gutachtens oder den in seinem Informationsbereich stehenden Dritten an den Tag gelegt hat, die angesichts der Bedeutung, die das Gutachten für deren Entschließungen hatte, und der von ihm in Anspruch genommenen Kompetenz als gewissenlos bezeichnet werden muß […].
377 BGH, Urt. v. 20.4.2004 – X ZR 250/02, ZIP 2004, 1814: Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haftet gemäß § 826 BGB nicht nur, wer die die Sittenwidrigkeit seines Handelns begründenden Umstände positiv kennt, sondern auch, wer sich dieser Kenntnis bewusst verschließt […] und etwa seine Berufspflichten in solchem Maße leichtfertig verletzt, dass sein Verhalten als bedenken- und gewissenlos zu bezeichnen ist […]. Aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns kann sich die Schlussfolgerung ergeben, dass mit Schädigungsvorsatz gehandelt worden ist (BGHZ 129, 136; 176, 281 Tz. 46). Von vorsätzlichem Handeln ist auszugehen, wenn der Schädiger so leichtfertig gehandelt hat, dass er eine Schädigung des anderen Teils in Kauf genommen haben muss […].
96
IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters
Für die Einordnung des Handelns des Beraters als sittenwidrig reicht es 378 demnach aus, dass dieser sich seiner Aufgabe leichtfertig entledigt, sein Testat gleichsam „ins Blaue hinein“ erteilt. Leichtfertigkeit ist anzunehmen, wenn die Buchhaltung des Mandanten wesentliche Lücken aufwies oder relevante Informationen fehlten, sodass die Ordnungsmäßigkeit der Bilanz redlicherweise nicht hätte festgestellt werden dürfen. Wagner, in: MünchKomm-BGB, § 826 Rn. 67. „Erforderlich ist (nach Auffassung des BGH) vielmehr, daß der Wirtschaftsprüfer leichtfertig bzw. gewissenlos gehandelt hat (BGH, Urt. v. 26. 11. 1986 IVa ZR 86/85, WM 1987, 257, 258; BGH, Urt. v. 14. 4. 1986 - II ZR 123/85, WM 1986, 904, 906). Ein solches sittenwidriges Verhalten kann schon dann vorliegen, wenn der das Testat erteilende Wirtschaftsprüfer sich grob fahrlässig der Einsicht in die Unrichtigkeit seines Bestätigungsvermerkes verschließt.“ BGH, Urt. v. 26.9.2000 – X ZR 94/98, BGHZ 145, 185.
Zur Begründung des Vorsatzes reicht es aus, dass sich der Steuerberater vor- 379 stellte, sein Testat könne Dritte zu nachteiligen Vermögensentscheidungen veranlassen. Wagner, in: MünchKomm-BGB, § 826 Rn. 67.
Interessant in Bezug auf den Vorsatz des Steuerberaters ist, dass der BGH 380 hierbei einen Rückschluss aus den Umständen zulässt: Das sittenwidrige Handeln kann danach als derart leichtfertig erscheinen, dass der Steuerberater eine Schädigung in Kauf genommen haben muss und folglich von vorsätzlichem Handeln auszugehen ist. In eine ähnliche Richtung – also ebenfalls die Anforderungen an den Nachweis des Vorsatzes abmildernd – ging bereits eine Entscheidung des BGH vom 26.11.1986. BGH, Urt. v. 26.11.1986 – IVa ZR 86/85, DB 1987, 828.
Dieser lag folgender Sachverhalt zugrunde:
381
A wollte vom Alleingesellschafter der V-GmbH Anteile im Wert von 500 TDM kaufen. Er bat hierfür seine Hausbank um Finanzierung der Kaufsumme. Aus diesem Grund legte er der Bank den Zwischenabschluss zum 31.5.1981 vor, den der Steuerberater der V-GmbH unterschrieben hatte. Nachdem der Steuerberater bei der V-GmbH erhebliche Buchführungsmängel festgestellt hatte (in 1981 war noch gar keine Buchung, in 1980 waren noch nicht alle Buchungen vorgenommen worden), versah er den Zwischenabschluss mit folgendem Vermerk: „Ich erstatte diesen Bericht aufgrund der vorgelegten Bücher und Unterlagen sowie der mir erteilten Auskünfte und gegebenen Nachweise nach bestem Wissen und Gewissen.“ A erwarb die Anteile an der V-GmbH und seine Hausbank räumte ihm auch den gewünschten Kredit in gleicher Höhe (500 TDM) ein. Die neu erworbenen Geschäftsanteile des A ließ sich die Bank als Sicherheit verpfänden. Wenig später wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der V-GmbH und über das persönliche Vermögen des A eröffnet. Die Hausbank des A fiel mit der Begründung aus, der Zwischenabschluss habe einen Gewinn ausgewiesen, obwohl die Gesellschaft zum 31.5.1981 erhebliche Verluste erlitten habe. 97
G. Auftrag und Honorarvereinbarung
382 Unter diesen Umständen hätte die Bank einen Haftungsanspruch aus § 826 BGB gegen den Steuerberater, wenn dieser die positive Vorstellung besaß, der Abschluss werde möglicherweise bei Kreditverhandlungen mit einem Geldgeber verwandt und diesen zur Ausgabe eines ungesicherten Kredits veranlassen. Die schadensbegründende Fehldisposition der Bank müsste zudem vom Steuerberater für den Fall ihres Eintritts billigend in Kauf genommen worden sein. Schindhelm/Grothe, DStR 1989, 445.
383 Im vorliegenden Fall ist der Bundesgerichtshof zu dem Ergebnis gekommen, dass ein solcher bedingter Vorsatz seitens des Steuerberaters nahe liegt. Begründet wurde dies wie folgt: […] das Berufungsgericht bei der Entscheidung der Frage, ob die Beklagten mit einer Weitergabe des Zwischenabschlusses an eine Bank rechneten, allgemeine Erfahrungssätze außer Acht gelassen hat. Sie meint, es sei eine Erfahrungstatsache, daß Unternehmerpersönlichkeiten wie V in der Regel von der Hausbank einen Dispositionskredit in Form einer Kreditlinie zugesagt werde; Geschäfte wie das vorliegende würden nach der Lebenserfahrung regelmäßig teilweise fremdfinanziert. Dieser Auffassung kann sich der Senat zwar nicht in vollem Umfang anschließen. Es mag Fälle geben, in denen der Käufer eines Unternehmens in der Lage ist, den vereinbarten Kaufpreis aus eigenen Mitteln aufzubringen. Die Regel ist dies allerdings nicht. Es lag daher nahe, dass die Beklagten aufgrund ihrer Berufserfahrung mit der Möglichkeit einer Kreditaufnahme des Käufers zum Zwecke der Finanzierung des Kaufpreises rechneten. Eine andere Beurteilung wäre nur dann angebracht, wenn die Beklagten positive Anhaltspunkte dafür gehabt hätten, dass V den Erwerb ausschließlich aus eigenen Mitteln finanzieren wollte.
384 Die aufgeführten Rechtssprechungsbeispiele zeigen, dass die Hürden zur Annahme einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung u. U. alles andere als unüberwindlich hoch sein können. Es bedarf hier dementsprechend der erhöhten Aufmerksamkeit des Beraters. 4. Bestätigungsvermerk in den Berichten 385 Im Rahmen Ihrer Bestätigungsvermerke muss sich der Berater an seinen Auftrag halten. Soweit er lediglich einen Auftrag zur Planungserstellung ohne jegliche Prüfungshandlung hat, darf er auch nur in diesem Rahmen bestätigen. 386 In der Praxis finden sich oftmals Bescheinigungen wie: „Auf Grund der stillen Reserven ist eine Überschuldung i. S. d. § 64 Abs. 1 GmbHG nicht gegeben“.
387 Oder noch schlimmer: Anhangangabe: „Auf § 64 Abs. 1 GmbHG (heute: § 15a InsO) wurde hingewiesen.“
388 Dies vermittelt dem Bilanzleser den Eindruck, der Ersteller hätte eine Überschuldungsprüfung vorgenommen und wäre zu dem Ergebnis gelangt, eine Überschuldung läge (nicht) vor. Dies ist höchst gefährlich (siehe Rn. 304 ff.). Ist der Vermerk falsch, droht eine Haftung, ohne dass dafür ein Honorar vereinnahmt worden wäre. Soweit der Mandant den Auftrag zur Erstellung der 98
IV. Haftungsvereinbarung und Haftung des Beraters
Planungsrechnung erteilt, hat der Berater nach dessen Angaben eine handwerklich korrekte Planung zu erstellen. Soweit er die Annahmen auf Plausibilität überprüfen soll, muss dies natürlich (zusätzlich) erfolgen. 5. Beweisanzeichen für eine Krise Zuletzt gibt es Beweisanzeichen für eine handfeste Krise. Diese bergen für die 389 Berater in vielerlei Hinsicht Risiken: Zum einen stehen die Honorarzahlungen unter einem verschärften Haftungsfokus. Zum anderen steigt die Gefahr einer Beraterhaftung und zum Schluss besteht die Gefahr der Teilnahme an einer Insolvenzstraftat. Insbesondere die Strafverfolgungsbehörden stützen sich bei ihren Ermittlungen auf die „kriminalistischen“ Methoden. Vgl. Schreiber, in: Nickert/Lamberti, Rn. 981 ff.
390
Das sind z. B.: x
Wechsel der Hauptlieferanten bei Zahlungsverzug, („Lieferantenreiterei“)
x
mangelnde Versicherbarkeit Ihres Mandanten (Delkredere),
x
Zahlen mit vordatierten Schecks,
x
Anstieg der Wechselfinanzierung,
x
Rückgang der Skontierlöse,
x
zunehmende Mahnungen, Mahnbescheide etc.,
x
andauernde Ausnutzung des Kontokorrentrahmens, Überziehung des Rahmens,
x
Rückgabe von Schecks, Lastschriften etc.,
x
Kreditkündigung bzw. Rückführen der Linie,
x
Nichtzahlen von betriebsnotwendigen Dauerverbindlichkeiten, wie z. B. Miete, Pacht, Leasing, Telefon, Löhne, Sozialversicherungsbeiträge, LSt, USt,
x
Vorfinanzierung über die Vorsteuer,
x
geschätzte UStVA,
x
Buchhaltungs- und Bilanzierungsrückstände
x
Ausverkäufe,
x
Sachanlagenverkäufe,
x
vorzugsweises Bedienen von Freunden und Verwandten, Rückführung von Verbindlichkeiten, für die private Sicherheiten bestellt wurden,
x
vorsorgliches Bestellen von Fremd- oder Eigentümergrundschulden,
x
Umfirmierung und Verlegung des Geschäftssitzes,
x
Wechsel der Telefonnummern und Austragung aus dem Telefonbuch,
x
Angabe nur des Postfachs auf dem Briefbogen.
99
G. Auftrag und Honorarvereinbarung
391 In einer neueren Entscheidung hat sich der BGH erneut mit der Frage befasst, wie anhand von Indizien die Zahlungseinstellung und mithin eine Zahlungsunfähigkeit festgestellt werden kann. BGH, Urt. v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, ZIP 2013, 2015 (zur Insolvenzanfechtung).
392 Der BGH hat betont, dass eine Zahlungseinstellung schon aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau von mehreren darauf hindeutenden Beweisanzeichen gefolgert werden kann. Wenn solche Beweisanzeichen oder Indizien vorhanden sind, bedarf es nach der Entscheidung keiner Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten. Insbesondere muss auch nicht eine Unterdeckung der Verbindlichkeiten von mindestens 10 % dargelegt und festgestellt werden. Das erleichtert den Nachweis der Zahlungseinstellung und damit der Zahlungsunfähigkeit, insbesondere für Anfechtungsverfahren, erheblich. Im genannten Urteil führt der BGH diverse Indizien auf, die auf eine Zahlungseinstellung schließen lassen. So sind erhebliche Zahlungsrückstände, die der Schuldner bis Verfahrenseröffnung nicht mehr vollständig beglichen hat, regelmäßig ein Indiz für die Zahlungsunfähigkeit. Das Gleiche gilt für den Verbindlichkeitenrückstand gegenüber einem Stromversorger, wenn für den schuldnerischen Betrieb, wie in der Regel der Fall, die Stromversorgung von existenzieller Bedeutung ist. Ebenfalls ein Kriterium, das auf eine Zahlungsunfähigkeit hindeutet, ist das halbjährige Nichtbegleichen von Sozialversicherungsbeiträgen oder die dauerhaft schleppende Zahlungsweise. Auch sich immer wieder erneuernde Forderungsrückstände verweisen darauf, dass nicht lediglich eine geringfügige Liquiditätslücke oder eine bloße Zahlungsstockung vorliegen. 393 Auch wenn bei Vorliegen solcher Indizien die Tageseinnahmen des Schuldners eigentlich genügen würden, um die Forderung des konkreten betroffenen Gläubigers zu befriedigen, dessen Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit nachzuweisen ist, steht dies der Annahme einer Zahlungseinstellung und der Kenntnis des Gläubigers hiervon nicht entgegen, zumal wenn der betreffende Gläubiger die Erfahrung macht, dass seine Forderung trotz der angeblich ausreichenden Tageseinnahmen nicht voll befriedigt werden. 394 Liegen entsprechende Indizien vor, die auf eine Zahlungseinstellung hindeuten, ist es nach dem neuen Urteil des BGH Sache des Tatrichters, ausgehend von den festgestellten Indizien eine Gesamtabwägung vorzunehmen, ob tatsächlich von einer Zahlungseinstellung auszugehen ist. Praxistipp: In der obigen Situation sollte der Berater den Mandanten kurzfristig zu einer eingehenden Überprüfung der Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage anhalten (BStBK, Hinweise zur Verlautbarung der Bundessteuerberaterkammer zu den Grundsätzen für die Erstellung von Jahresabschlüssen in Bezug auf Gegebenheiten, die der Annahme der Unternehmensfortführung entgegenstehen vom 13./14. März 2018, Tz. 33, 41). In dieser Situation ist es wichtig, dass der Berater Mandanten über Indizien informiert und über das Risiko einer mangelnden Dokumentation des Ausschlusses von Insolvenzgründen belehrt.
100
H. Planungsgrundsätze Nach der Entscheidung des OLG Celle vom 23.10.2003,
395
OLG Celle, Urt., v. 23.10.2003 – 16 U 199/02, ZIP 2003, 2118,
haben sich Berater an übliche Standards zu halten. Andernfalls genügt seine Stellungnahme nicht den Anforderungen der Rechtsprechung. Unternehmensplanung ist nicht mit dem Lesen der Kristallkugel gleichzusetzen. Ordnungsgemäße Planung ist eine Mischung aus Handwerkszeug, Intuition und gesundem Menschenverstand. Eine seriöse Unternehmensplanung ist kein „Freifahrtschein“, der aufgrund seiner Zukunftsbezogenheit zu rechtfertigen ist. Um hier die Spreu vom Weizen zu trennen existieren berufsständische Anforderungen an Planungsrechnungen. 396
Als solche Verlautbarungen kommen im Wesentlichen in Betracht: x
Verlautbarungen des BdU (GoP 2.1)
x
Verlautbarungen des IDW S 6; S 2; S 1, S 11, PS 270; PS 300, PS 230, PH 2/2017
x
Leitfaden Fortbestehensprognose Kammer der Wirtschaftstreuhänder, Wirtschaftskammer Österreich und KMU Forschung Austria
x
Verlautbarungen des ISU Instituts
x
Anforderungen an Beratungsleistungen für öffentliche Förderprogramme (z. B. der KfW).
Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass diese Rechtsprechung vom BGH in 397 Insolvenzfällen nicht übernommen wurde. So hat der BGH mit Urteil vom 12.5.2016 entschieden: Leitsatz 5: „Der Sanierungsplan des Schuldners muss nicht den formalen Erfordernissen entsprechen, wie sie das Institut für Wirtschaftsprüfer e. V. in dem IDW Standard S6 (IDWS6) oder das Institut für die Standardisierung von Unternehmenssanierungen (ISU) als Mindestanforderungen an Sanierungskonzepte (MaS) aufgestellt haben.“ (Rn. 19) BGH, Urt. v. 12.5.2016 – IX ZR 65/14, ZIP 2016, 1235.
Gleichwohl sollte kurz auf die infrage kommenden Standards eingegangen wer- 398 den, da der Berater bei Beachtung dieser Grundsätze, welche über die Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinausgehen, Ganter, NZI 2014, 673 ff.,
im „sicheren Hafen“ ist. Um dies zu erläutern, ist nochmals kurz die Zusammenfassung dieser Recht- 399 sprechung zu betrachten. Ein solches Sanierungsgutachten nach Maßgabe der BGH-Rechtsprechung muss die (positive) Sanierungsfähigkeit bescheinigen.
101
H. Planungsgrundsätze
Bei der Beauftragung ist sicherzustellen, dass insbesondere die Anforderungen aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an Sanierungskonzepte erfüllt werden. Dabei ist zu beachten, dass die nachfolgend dargestellten Bestandteile und Aussagen enthalten sind. x
Das Sanierungsgutachten geht von den erkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten des Unternehmens aus und ist durchführbar.
x
Dabei ist sowohl für die Frage der Erkennbarkeit der Ausgangslage als auch für die Prognose der Durchführbarkeit auf die Beurteilung eines unvoreingenommenen – nicht notwendigerweise unbeteiligten – branchenkundigen Wirtschaftsfachmann abzustellen.
x
Dem unabhängigen branchenkundigen Wirtschaftsfachmann sind die erforderlichen Buchhaltungsunterlagen des Unternehmens vorzulegen.
x
Das Sanierungsgutachten enthält eine Analyse der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens im Rahmen seiner Wirtschaftsbranche und erfasst die Krisenursachen.
x
Das Sanierungsgutachten beurteilt die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage des Unternehmens zutreffend.
x
Das Sanierungsgutachten muss darlegen, ob das Unternehmen objektiv sanierungsfähig ist und die für seine Sanierung konkret in Angriff genommenen Maßnahmen insgesamt objektiv geeignet sind, das Unternehmen in überschaubarer Zeit durchgreifend zu sanieren.
x
Das Sanierungsgutachten muss darlegen, ob die geplanten Sanierungsmaßnahmen jedenfalls in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt sind, d. h., die Sanierungsaktivitäten objektiv sachgerecht eingeleitet wurden.
400 Das Sanierungsgutachten sollte als Fazit folgende eindeutige Aussage enthalten: „Wir waren beauftragt, die Geschäftsführung des Kreditnehmers bei der Erstellung des Sanierungskonzepts zu begleiten und auf der Grundlage dieses Konzepts eine abschließende gutachterliche Stellungnahme zu Sanierungsfähigkeit der Kreditnehmer abzugeben. Das vorliegende Sanierungskonzept geht von den anerkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten aus. Im Rahmen unserer Tätigkeit sind wir zu der abschließenden gutachterlichen Urteilen gelangt, dass aufgrund der im vorliegenden Sanierungsgutachtens beschriebenen Sachverhalte, Erkenntnisse und Maßnahmen auch im Hinblick auf die überwiegende Eintrittswahrscheinlichkeit der Annahmen und Bedingungen keine ernsthaften Zweifel an der Sanierungsfähigkeit des Kreditnehmers bestehen und deshalb die Sanierung ernsthafte begründete Aussichten auf Erfolg hat sowie der Kreditnehmer aus Sicht eines objektiven Dritten sanierungsfähig ist und die für ihre Sanierung in Angriff genommenen Maßnahmen zusammen objektiv geeignet sind, die Gesellschaft in überschaubarer Zeit durchgreifen zu sanieren. Das vorliegende Sanierungsgutachten erfüllt zum Zeitpunkt seiner Bestellung die rechtlich zwingenden BGH-Mindestanforderungen an ein solches Gutachten.“
102
I. GoP (Unternehmensplanung)
I. GoP (Unternehmensplanung) Der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (http://www.bdu.de) hat 401 in seinen Grundsätzen ordnungsgemäßer Planung (GoP 2.1) den einzigen speziellen Standard zur Unternehmensplanung aufgestellt. Der Standard ist kostenlos im Internet unter http://www.bdu.de/media/3706/gop21-web.pdf (Abruf am 15.7.2015),
abzurufen. Die Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensplanung des BDU sind allgemeine Planungsgrundsätze, die für alle planerischen Fälle gelten, also auch, aber nicht nur für Sanierungen/Insolvenzreifeprüfungen. Der Standard bezieht sich, wie der Name schon ausdrückt, lediglich auf die 402 Unternehmensplanung. Allerdings ist er gleichwohl verwendbar, weil im Rahmen der Analyse und der Lageprognose sowie bei der Maßnahmenplanung und Planverprobungsrechnung sämtliche Bearbeitungsschritte der BGH-Rechtsprechung mit abgearbeitet werden müssen. Die GoP gehen von einer integrierten Planung aus und verlangen Detailpläne (Gesamtleistung mit Mengen- und Wertgerüst, Materialaufwand etc.). Auf diese kann situativ verzichtet werden. Die Planung ist zu plausibilisieren (z. B. Kapazitätsplanung) und die künftige Entwicklung ist anhand von Kennzahlen darzustellen. 403
Der Standard schlägt folgende Stufen der Planung vor: 1. Rahmenplanung (Mission, Vision, Philosophie) 2. Analyse (Umweltanalyse und Unternehmensanalyse mit Stärken-/ Schwächenprofil) 3. Lageprognose (Chancen/Risiken) 4. Zielfindung (Inhalte, Zielausmaß, Fristigkeit) 5. Strategiebildung (Geschäftsfeldbestimmung) 6. Implementierung (Maßnahmenplanung, Budgetierung) 7. Überprüfung der Planungsannahmen und -ansätze
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die einzelnen Schritte in der Praxis nicht los- 404 gelöst voneinander stehen, sondern in der Regel iterativ abgearbeitet werden. Das heißt, dass z. B. Maßnahmen vorgeschlagen und in die Planung einbezogen werden. Nach Analyse der Planung nach Maßnahmen werden dann einige Bestandteil der endgültigen Planung und andere wiederum verworfen. Nach dem Standard gelten folgende elementaren Planungsgrundsätze: x
Grundsatz der Vollständigkeit der Planung
x
Grundsatz der Wesentlichkeit und Angemessenheit
x
Grundsatz der Folgerichtigkeit
405
103
H. Planungsgrundsätze
x
Erfordernis der Dokumentation
x
Grundsatz der Transparenz
406 Der BDU fasst hierzu folgende Kernthesen zusammen: KT 1.1: Oberstes Ziel der Planung ist gestalterisches Vorausdenken der Zukunft KT 2.2: Die Planungsergebnisse haben folgenden Kriterien zu genügen: •
Vollständigkeit
•
Wesentlichkeit
•
Folgerichtigkeit
•
Verbindlichkeit
•
Nachvollziehbarkeit durch Dokumentation
KT 2.3: Innerhalb des Planungsprozesses ist die Partizipation der Beteiligten zu sichern, um Akzeptanz zu erreichen und damit die Effektivität der Planung zu steigern.
407 Der wesentliche Unterschied zu den Grundsätzen des IDW ist der Planungshorizont von „grundsätzlich drei Jahren“ (vgl. GoP 2.1 Tz. 6.2). Lediglich für Bankgespräche und für den internen Gebrauch sollen das erste und das nächste Planjahr ausreichend sein. 408 Ansonsten haben sich allgemeine Grundsätze herausgebildet, die für alle Planungsrechnungen gelten. Diese lassen sich wie folgt skizzieren: Grundsatz der Wahrheit 409 Grundsatz der Vollständigkeit und Genauigkeit der Daten und Informationen x
Die internen und externen Daten müssen regelmäßig und nicht nur sporadisch erhoben werden.
x
Sind die Daten vollständig? Welche Daten sind nicht vollständig? Welche Auswirkungen hat dies auf die Planung?
x
Sind die Informationen zuverlässig und richtig?
x
Sind die Daten relevant?
x
Sind die Daten ohne Weiteres verwendbar oder müssen die Daten umgerechnet oder aufbereitet werden?
x
Wie lange braucht es, bis die Daten erhoben sind?
x
Wie teuer ist die Informationsbeschaffung?
x
Externer Planer: Sind die Daten des betrieblichen Rechnungswesens verlässlich?
x
Externer Planer: Liegt eine Vollständigkeitserklärung vor?
104
I. GoP (Unternehmensplanung)
x
Der Grundsatz wird durch das Wesentlichkeitsprinzip eingeschränkt. Nicht wesentliche Daten und Informationen müssen nicht zeit- und kostenintensiv erhoben werden.
Grundsatz der zeitpunktgetreuen Planung x
Periodenabgrenzung bei Ertragsplanung.
x
Zahlungsfluss bei Liquiditätsplanung.
410
Grundsatz der Vorsicht
411
x
Es ist realistisch und vorsichtig zu planen.
x
Je größer die Unsicherheit der künftigen Entwicklung oder je größer die Unsicherheit über die Daten oder Informationen, desto größer muss der Sicherheitspuffer dotiert werden.
Grundsatz der erwartungsgetreuen Planung x
Erwartungsgetreue Planung, Abbildung eines Erwartungswertes.
x
Klarheit der Planung
412
Die Planung nebst Dokumentation muss übersichtlich sein, insbesondere 413 dürfen Einnahmen und Ausgaben bzw. Erträge und Aufwendungen nicht saldiert werden. Vergleichbarkeit und Stetigkeit der Planung Die aufeinanderfolgenden Planungen müssen vergleichbar und stetig sein. Sie 414 sollten in derselben Weise dargestellt werden, wie das betriebliche Rechnungswesen, um Soll-Ist-Vergleiche zu erleichtern. Elastizität der Planung Die Planung muss jederzeit kurzfristig auf eintretende Veränderungen ange- 415 passt werden können. Überprüfbarkeit der Planung Die Planung muss von einem sachverständigen Dritten in angemessener Zeit 416 überprüfbar sein. Zur Vorbereitung der Planungsrechnung sind die Vergangenheitsdaten zu 417 analysieren und ggf. aufzubereiten. Sondereffekte (z. B. Schadensfälle, Anlagenverkäufe) sind zu bereinigen, um die Basis für die ordentliche und nachhaltige Ertragslage zu ermitteln. Dabei darf sich der Berater nicht blind auf das Rechnungswesen verlassen. Die Daten des Rechnungswesens sind zumindest zu plausibilisieren. Wird das Rechnungswesen unkritisch übernommen, so besteht die Gefahr, dass die Prüfung auf ein falsches Fundament aufbaut. Dies gilt jedenfalls bei nicht testierten Jahresabschlüssen. Hält diese Plausibilisierungsprüfung stand, kann m. E. auf weitere Prüfungen verzichtet werden. Andernfalls sind weitere Prüfungshandlungen vorzunehmen.
105
H. Planungsgrundsätze
II. IDW S 6 (Sanierung) 418 Der Standard des IDW regelt die Prüfung von Sanierungskonzepten. Das IDW hat die Neufassung im Mai/Juni 2018 verabschiedet. Die Vorgängerversion aus dem Jahre 2012 beinhaltete noch die Beurteilung von Fortbestehensprognosen nach § 19 Abs. 2 InsO. Gemäß der aktuellen Entwicklung hat das IDW den umfangreichen Standard in den eigentlichen Kernstandard und die parallel entwickelten Fragen und Antworten untergliedert, wobei nur der Standard für die Mitglieder des IDW bindend ist und die F&A (unverbindliche) Handlungsempfehlungen mit exemplarischem Charakter sind. 419 Ein derartiges Konzept enthält: x
„Die Beschreibung von Auftragsgegenstand und -umfang.
x
Basisinformationen über die wirtschaftliche und rechtliche Ausgangslage des Unternehmens in seinem Umfeld, einschließlich der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage.
x
Die Analyse von Krisenstadium und -ursachen sowie die Analyse, ob eine Insolvenzgefährdung vorliegt.
x
Die Darstellung des Leitbilds mit dem Geschäftsmodell des sanierten Unternehmens.
x
Die Darstellung der Maßnahmen zur Abwendung einer Insolvenzgefahr und Bewältigung der Unternehmenskrise sowie zur Herstellung des Leitbilds des sanierten Unternehmens.
x
Einen integrierten Unternehmensplan.
x
Die zusammenfassende Einschätzung der Sanierungsfähigkeit.“ IDW IDW S 6 – Anforderungen an Sanierungskonzepte (IDW S 6), Tz. 11(Stand: 16.5.2018).
420 Maßgebend für das Konzept sind die Besonderheiten des jeweiligen Auftrags. Bei der Beauftragung ist deutlich zu kennzeichnen, welche Aufgaben der Konzeptersteller übernimmt und welchem Zweck das Arbeitsergebnis dienen soll, ob es sich also um ein IDW IDW S 6 – Anforderungen an Sanierungskonzepte (IDW S 6), Tz. 35 (Stand: 16.5.2018).
x
umfassendes Sanierungskonzept i. S. d. IDW Standards handelt oder ob nur
x
Teilbereiche eines solchen Konzepts Gegenstand der Aufgabenstellung sind, wie z. B. die Erstellung einer Liquiditätsplanung zum Zwecke einer Fortbestehensprognose oder einer weitergehenden Fortführungsprognose nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB auf Grundlage einer integrierten Planung.
421 Das IDW geht von einer „Sanierungsprüfung“ aus, d. h. von einem prüferischen Auftrag. Daher ist die Neutralität des Prüfers immanent. IDW S 6 – Anforderungen an Sanierungskonzepte (IDW S 6), Tz. 38 (Stand: 16.5.2018); vgl. auch § 43 Abs. 1 Satz 2 WPO.
106
II. IDW S 6 (Sanierung)
Stufe 1 Zur Abwendung einer drohenden Insolvenz hat das Sanierungskonzept in einer 422 ersten Stufe Maßnahmen zur Herbeiführung bzw. Sicherstellung der Fortführungsfähigkeit (positive Fortführungsprognose) vorzusehen, mit denen sich die künftige Bestandsgefährdung des Unternehmens, also insbesondere die Gefahr des Eintritts von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, mindestens für das laufende und das folgende Jahr abwenden oder beheben lässt. Stufe 2 In einer nächsten Stufe muss im Sanierungskonzept dargelegt werden, wie das 423 zu sanierende Unternehmen diese Fortführungsfähigkeit nachhaltig erreichen kann. Dies setzt voraus, dass das Unternehmen auf seinem relevanten Markt über Wettbewerbsfähigkeit verfügt oder sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit diese Fähigkeit erarbeiten kann. Die Wettbewerbsfähigkeit gründet sich vor allem auch auf das Mitarbeiterpotenzial, also das Wissen, die Fähigkeiten, die Loyalität und die Motivation des Managements und der Belegschaft, die es ermöglichen, für die Kunden Werte durch marktfähige Produkte und Leistungen zu schaffen. Dazu muss die Unternehmensleitung über den Willen, die Fähigkeiten und die Möglichkeiten verfügen, das Unternehmen in einem überschaubaren Betrachtungszeitraum so weiterzuentwickeln, dass es zu einer Marktstellung gelangt, die ihm eine nachhaltige und branchenübliche Rendite bei einer angemessenen Eigenkapitalausstattung ermöglicht und es daher wieder attraktiv für Kapitalgeber macht (Renditefähigkeit). Auf dieser Stufe ist der Planungszeitraum entsprechend auszuweiten. Sanierungsfähig ist ein Unternehmen, wenn eine positive insolvenzrechtliche 424 Fortbestehensprognose festgestellt wird und eine durchgreifende Sanierung, d. h. die Wiederherstellung der Rentabilität der unternehmerischen Tätigkeit, als Voraussetzung, aus eigener Kraft im Wettbewerb bestehen zu können, dokumentiert werden kann. IDW, IDW S 6 – Anforderungen an Sanierungskonzepte (IDW S 6), Tz. 24 ff. (Stand: 16.5.2018).
Das IDW verlangt zur Feststellung der Wettbewerbsfähigkeit die Finanzier- 425 barkeit am Markt. Diese erfordert grundsätzlich eine angemessene positive Rendite sowie ein angemessenes positives Eigenkapital. IDW, IDW S 6 – Anforderungen an Sanierungskonzepte (IDW S 6), Tz. 26 (Stand: 16.5.2018).
Insoweit geht das IDW über die Anforderungen der Rechtsprechung der 426 Obergerichte deutlich hinaus. Vgl. zur Rechtsprechung Ganter, NZI 2014, 673 m. w. N.
107
H. Planungsgrundsätze
III. ISU Grundsätze (Grundsätze ordnungsgemäßer Sanierungskonzepte, MaS) 427 Das ISU Institut hat allgemeine Grundsätze aufgestellt und stellt kostenlos Checklisten auf seiner Homepage zum Download zur Verfügung. Siehe http://www.isu-institut.com/de/downloads/index.html (Abruf am 19.10.2015).
428 Das ISU Institut empfiehlt, das Auftragsverhältnis klar offenzulegen und kenntlich zu machen, wer den Auftrag bearbeitet hat. Die Qualifikation des Gutachters und die Erfahrung sind offenzulegen, vgl. auch § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO. In Abweichung zu den anderen Standards geht das ISU Institut von dem Erfordernis der Neutralität des Beraters aus. Mit dem Grundsatz der Angemessenheit meint das Institut, dass der Umfang der Prüfung abhängig von der Größe des Unternehmens ist. Wir möchten hier aber auf das Urteil des BGH vom 4.12.1997, BGH, Urt. v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248,
hinweisen, nach dem die Grundsätze des BGH zur Sanierung auch bei kleinen und mittleren Unternehmen gelten. Das heißt, an den Grundsätzen (Analyse, Konzepterstellung, integrierte Planung, Verprobung etc.) ändert sich nichts, lediglich die „Detaillierungstiefe“ kann angemessen reduziert werden. Vgl. hierzu auch die umgesetzten Bestrebungen des IDW zur Adjustierung des Standards S 6 auf KMU IDW S 6 (2018), Tz. 39 ff., sowie F & A zu IDW S 6 – Fragen und Antworten: Zur Erstellung und Beurteilung von Sanierungskonzepten nach IDW S 6 (F & A zu IDW S 6) unter 2.2. (beide Stand: 16.5.2018).
429 Grundsätze des ISU Instituts: x
Neutralität und Qualifikation des Gutachters
x
Vollständigkeit und Aktualität
x
Wesentlichkeit
x
Angemessenheit
x
Klarheit
x
Folgerichtigkeit
x
Flexibilität
x
Sicherung Sanierungsmanagement
x
Dokumentation
IV. Generelle Anforderungen der Banken 430 Bei der Vergabe von Sanierungskrediten hat die Rechtsprechung für Kreditinstitute eine weitergehende Verpflichtung zur Vornahme einer besonderen Prüfung der nachhaltigen Überlebensfähigkeit bei Vergabe von Sanierungskrediten ent108
IV. Generelle Anforderungen der Banken
wickelt. Entscheidend für die Banken ist in dieser Phase neben der Sicherung der eigenen Forderungen vor allem die Haftungsvermeidung (drittgefährdende Kreditierung). Ohne ein Sanierungskonzept und eine positive Fortbestehensprognose „aufgrund einer sachkundigen und sorgfältigen Prüfung der Lage des Schuldners und besonders der Geschäftsaussichten …“ läuft das Kreditinstitut bei einem späteren Fehlschlag der Sanierung Gefahr, mit Schadensersatz- und Rückgewähransprüchen aus den §§ 138 und 826 BGB konfrontiert zu werden. Aus diesem Grund verlangen die Banken in jedem Fall die Einhaltung der 431 Voraussetzungen der BGH Rechtsprechung. Vgl. Ganter, NZI 2014, 673 m. w. N.
Die weiteren Anforderungen der Banken an Sanierungsgutachten unterschei- 432 den sich, da noch kein einheitlicher (Banken-) Standard existiert. Nach unserer Wahrnehmung bestehen folgende Anforderungen: Auswahl des Gutachters:
433
x
Es muss sich um einen branchenkundigen, externen Wirtschaftsfachmann handeln.
x
Der Ersteller des Gutachtens und der Sanierungsberater sollen personenidentisch sein.
x
Es muss Gewähr bestehen, dass eine erste Indikation innerhalb von zwei Wochen, das Gutachten spätestens nach zwei bis drei Monaten vorliegt. Wir halten dies gerade in Fällen von Großunternehmen für utopisch. Größere Sanierungsgutachten benötigen regelmäßig eine Zeit von bis zu sechs Monaten. Als Zwischenschritt ist eine Fortbestehensprognose vorzulegen.
Auftrag:
434
x
Es soll sich um eine Lösung aus einem Guss handeln.
x
Die Wahrung der erforderlichen Neutralität oder zumindest eine „kritische Distanz zum Mandanten“ muss gewährleistet sein.
x
Die Möglichkeit eines ständigen, gegenseitigen und ungehinderten Informationsflusses zwischen Bank und Berater soll sichergestellt werden.
Bestandsaufnahme:
435
x
Untersuchung von Vertrieb, Produktion, Fertigung und Beschaffung
x
Analyse sämtlicher Krisenursachen
x
Dabei müssen dem Gutachter die Unterlagen des Rechnungswesens zeitnah und vollständig vorliegen. KG Berlin, Urt. v. 4.11.2015 – 24 U 112/14, ZIP 2016, 1451; BGH, Beschl. v. 7.3.2017 – XI ZR 571/15, ZIP 2017, 809.
109
H. Planungsgrundsätze
x
Verfehltes Management und mangelhaftes Controlling sind häufigste Ursachen.
x
Prüfung, ob ordentliche Buchhaltung erstellt ist; Aufdeckung manipulativer Sachverhalte
x
Art und Laufzeit der Finanzierungen; Erstellung eines sog. Bankenspiegels
x
Prüfung alternativer Finanzierungsmöglichkeiten
436 Umfeldanalyse: x
gründliche Untersuchung von Markt und Wettbewerb
x
Eruierung einschlägiger Benchmarks
x
Auf dieser Grundlage ist die künftige strategische Ausrichtung des Unternehmens vorzunehmen.
x
Erwünscht: Handlungsalternativen
437 Situationsanalyse: x
Bild von der derzeitigen Situation des Unternehmens
x
Darstellung des Krisenstadiums, um Bedrohungsmaß einschätzen und dementsprechend die nächsten Schritte einleiten zu können. Unterscheidung zumindest in Strategie-, Ertrags- und Liquiditätskrise
x
Darstellung eines Exit-Szenarios
438 Maßnahmen: x
Nach einer SWOT-Analyse und Lagebeurteilung ist der Blick auf die erforderlichen Maßnahmen zu lenken. Diese sollen sich am Leitbild des sanierten Unternehmens orientieren.
x
Von kurzfristiger Stabilisierung hin zum langfristigen Ziel, einen ausreichenden und stetigen Cashflow zu erwirtschaften
x
Pflicht der Gesellschafter, sich im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit zu orientieren, da diese auch von Wertzuwachs profitieren.
x
Finanzierungsbeiträge der Banken müssen insolvenzfest möglich sein.
x
Personalanpassungen
439 Milestones: x
Eine Milestones-Planung ist unerlässlich. Sie erleichtert den beteiligten Gläubigern den regelmäßigen Abgleich
440 Pläne: x
110
Durchspielen mehrerer Szenarien – einschließlich eines Exit-Szenarios – als grundlegender Bestandteil des Konzepts
IV. Generelle Anforderungen der Banken
x
Nachgelagert: Soll/Ist-Vergleiche; Darstellung der Abweichungen
x
Falls außergerichtliche Sanierung nicht der richtige Weg ist: Darstellung der Sanierung in der Insolvenz oder Liquidation
Beurteilung des Managements: x
Vermittlung und Durchsetzung notwendiger Veränderungen
x
Ggf. Interimsmanagement
441
Insolvenzgründe: x
442
Prüfung Insolvenzgründe nach IDW S 11 und IDW S 6
Einhaltung von Standards (BGH und/oder Berufsstandard):
443
x
Ist vom Verfasser des Gutachtens zu bestätigen. Ein Muster befindet sich im Anhang von IDW S 6
x
Sanierungsfähigkeit und Sanierungswürdigkeit
x
Maßgebend ist die Sanierungsfähigkeit aufgrund einer objektiven Beurteilung. Wir halten dies für falsch. Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297 ff.
x
Maßgeblich ist eine objektivierbare Begutachtung, also eine auf Vertretbarkeit intersubjektiv nachprüfbare Beurteilung.
111
I. Analyse „Wenn ich 1 Stunde Zeit hätte, ein Problem zu lösen, von dem mein Leben abhängt, dann würde ich: 40 Minuten damit verbringen, das Problem zu untersuchen, 15 Minuten damit verbringen, Lösungsmöglichkeiten zu prüfen und 5 Minuten damit verbringen, das Problem zu lösen.“
444
(Albert Einstein)
Die Unternehmensplanung erstellen bzw. zu überprüfen wird nur derjenige 445 können, der sich zuvor mit dem Unternehmen intensiv auseinandergesetzt hat. Hierzu gehört zunächst eine „Außensicht“, d. h., das Unternehmen muss in Bezug auf sein Markt und Marktumfeld analysiert werden. Hierzu gehört auch die Beschreibung des Geschäftsmodells, das sich erst hieraus der relevante Markt ergibt. Sodann muss eine Analyse der „Innensicht“, insbesondere die Analyse der Stärken, der Schwächen, der Chancen und der Risiken (SWOTAnalyse) erfolgen. Erst diese umfassende Analyse erlaubt es dem Planer bzw. Planungsleser, die Folgerichtigkeit und die Plausibilität der Planung(-sannahmen) zu beurteilen. I. Darstellung, Analyse und Beurteilung des Geschäftsmodells Ausgangsbasis einer jeden Unternehmensplanung ist das Verständnis des Ge- 446 schäftsmodells. Das Geschäftsmodell ist eine modellhafte Beschreibung des Geschäfts. Es soll helfen, die Schlüsselfaktoren des Erfolgs oder des Misserfolgs zu begreifen. Eine allgemeine Definition des Geschäftsmodells, die allseits anerkannt ist, existiert nicht. Einigkeit besteht allerdings dahingehend, dass das Geschäftsmodell nicht mit der Strategie zu verwechseln ist. Die Strategie dient vielmehr dazu, das Geschäftsmodell in die Realität umzusetzen. Wir analysieren das Geschäftsmodell anhand der Methode von Osterwalder und Pigneur, die sie in ihrem Buch Business Model Generation beschrieben haben. Danach geht das Geschäftsmodell von einem Wertangebot (Value Proposition) aus. Das Wertangebot beschreibt das Paket von Leistungen und Dienstleistungen, dass für ein bestimmtes Kundensegment wertschöpft. Das Wertangebot ist der Grund für die Kundenbeziehungen, denn es löst ein Kundenbedürfnis. Mit der Analyse einher geht die Analyse des Angebots- oder des Nachfragemarkts. Besonderes Augenmerk bei der Analyse des Wertangebots sollte auf Leistungsbündel gelegt werden. Beispielsweise kann der iPod von Apple herangezogen werden, der erst durch die Verknüpfung mit dem Programm iTunes und der Möglichkeit, Musiktitel digital zu kaufen und zu verwalten so erfolgreich geworden ist. Es gilt also bei der Analyse des Wertangebots nachzufragen, weshalb die Kun- 447 den die Produkte oder Dienstleistungen des Unternehmens kaufen sollen. Da das Wertangebot für eine gewisse Zielklientel gedacht ist, geht mit der Analyse die Untersuchung des Käufermarktes einher. Ist das Wertangebot und die Zielkundengruppe definiert, muss im Geschäftsmodell erklärt werden, wie die Kundenbeziehungen gepflegt werden und wie die Distribution der Produkte bzw. der Leistungen erfolgt. 113
I. Analyse
448 Auf der anderen Seite stehen Geschäftspartner, die erforderlich sind, um den Kunden das Wertangebot unterbreiten zu können. Die Realisation des Geschäftsmodells setzt Ressourcen, z. B. Kapital oder Produktionskapazitäten, ebenso voraus wie Schlüsseltätigkeiten. 449 Wenn diese Bereiche analysiert sind, können daraus Zahlungsströme abgeleitet, eingeschätzt und bewertet werden. Wichtiger Hinweis: Wir möchten an dieser Stelle auf das Buch von Osterwalder und Pigneur Business Model Generation und den Folgetitel Value Proposition Design verweisen. Nicht unerwähnt lassen möchten wir, dass sie begleitend zum Buch eine Online-Lösung entwickelt haben, mit der das Geschäftsmodell grafisch aufgearbeitet werden kann und in eine sehr einfache Rohfassung eines Zahlungsstromplanes überführt werden kann.
450 Für die grafische Abbildung des Geschäftsmodells haben Osterwalder und Pigneur die Business Model Canvas entwickelt. Dieses Canvas ist als kostenlose PDF-Datei unter http://www.businessmodelgeneration.com
im Internet frei zugänglich. 451 In der Krise bzw. im Insolvenzverfahren wird anstelle des Begriffs „Geschäftsmodell“ das „Leitbild des sanierten Unternehmens“ verwendet, welches nach unserer Ansicht im Wesentlichen deckungsgleich ist. Nickert/Kühne, InsBüro 2014, 500 ff.
452 Der einzige Unterschied kann man unseres Erachtens darin sehen, dass das Leitbild des sanierten Unternehmens zukunftsbezogen ist, also einen SollZustand beschreibt, während das Geschäftsmodell den aktuellen Ist-Zustand abbildet. Allerdings gehört auch hier die strategische Planung und die Veränderung auf die künftigen Gegebenheiten dazu, sodass auch das künftige Geschäftsmodell zu beschreiben ist. II. Leitbild des sanierten Unternehmens 453 Mit der Analyse des Unternehmens beschreiben Sie den „Ist-Zustand“. Mit der Beschreibung des Leitbilds des sanierten Unternehmens wird dagegen der „SollZustand“ beschrieben. Letztlich sollen die Maßnahmen aufzeigen, wie man vom Ist zum Soll kommt. Diese drei Bestandteile können auch als strategische Planung bezeichnet werden. 454 Die Erarbeitung des Leitbilds des sanierten Unternehmens ist eine der Kernaufgaben im Rahmen eines Sanierungsprozesses. IDW S 6 (Tz. 83 ff.) definiert das Leitbild des sanierten Unternehmens wie folgt: „Das Leitbild des sanierten Unternehmens umschreibt die Konturen eines sanierten Unternehmens, das in wirtschaftlicher Hinsicht mindestens eine nachhaltige durchschnittliche branchenübliche Rendite und eine angemessen Eigen-
114
III. Beschreibung der wesentlichen Geschäftsfelder des Unternehmens kapitalausstattung aufweist. Es erschöpft sich nicht in einer Beschreibung gegenwärtiger Verhältnisse, sondern zeichnet das Bild eines zukünftigen Unternehmens, das wieder attraktiv für Eigen- und Fremdkapitalgeber geworden ist.“
Es dient zugleich der Identifizierung geeigneter Sanierungsmaßnahmen, die 455 erforderlich sind, um sich im Wettbewerb mit seinen Leistungen (Produkten oder Dienstleistungen) gegenüber seinen Wettbewerbern zu behaupten. Damit trägt es zur Ausrichtung der verschiedenen Unternehmenseinheiten und zur Koordinierung der Handlungsverantwortlichen bei. Das Leitbild schließt ein realisierbares, zukunftsfähiges Geschäftsmodell ein. 456 Als knapp und klar zu beschreibende Eckdaten eines Geschäftsmodells kommen insbesondere in Betracht: III. Beschreibung der wesentlichen Geschäftsfelder des Unternehmens Beschreibung der wesentlichen Geschäftsfelder, insbesondere mit: x
ihren Produkt-/Marktkombinationen,
x
der zugehörigen Umsatz-/Kostenstruktur und
x
den hierfür erforderlichen Prozessen und Systemen,
x
Ressourcen und Fähigkeiten, die es zu entwickeln und zu nutzen gilt.
457
Für das Leitbild kommen ergänzend hinzu:
458
x
die langfristigen Zielvorstellungen und Grundstrategien des Unternehmens,
x
die angestrebte Wettbewerbsposition bzw. die angestrebten Wettbewerbsvorteile für den Kunden,
x
die zu beachtenden gemeinsamen Wertvorstellungen, Grundregeln und Verhaltensweisen,
x
die in ihrer Gesamtheit den Kern der Unternehmenskultur bilden und
x
das interne Miteinander sowie das Auftreten nach außen maßgeblich prägen.
Diese Bestandteile des Leitbilds sind nach dem Kriterium der Stimmigkeit zu 459 analysieren und auszurichten. Im Laufe der Konzepterstellung ist das Leitbild anhand der gewonnenen Erkenntnisse zusammen mit den Stakeholdern weiterzuentwickeln. Wichtiger Hinweis: Strategie bedeutet nicht nur zu sagen, was man für wen und wie tun will. Es bedeutet vor allem zu sagen, was man künftig nicht (mehr) oder zumindest anders machen möchte. Dies wird nach unserer Erfahrung häufig vernachlässigt.
115
I. Analyse
1. Beschreibung der Unternehmensstrukturen 460 Das Leitbild gibt das Ziel der Unternehmensentwicklung an. Es legt die Strukturen und Potenziale des Unternehmens unter Effektivitäts- und Stimmigkeitsaspekten fest. Grundvoraussetzung ist zunächst einmal, dass beschrieben wird, was das Unternehmen überhaupt macht, also welche Produkte es herstellt bzw. welche Leistungen es erbringt, auf welchen Märkten es tätig ist, welche Leistungen das Unternehmen selbst erbringt oder welche es einkauft. Hierzu gehört im Übrigen: 461 Die Darstellung der rechtlichen Strukturen. Diese beginnen mit der Rechtsform des Unternehmens. Hier ist es üblich, die Historie auszuwerten und die wesentlichen Verträge darzustellen und ggf. zu analysieren. 462 Das Produktions- und Absatzprogramm ist darzustellen. Dabei ist sowohl auf die Leistungsreife oder die Fokussierung (Spezialisierung), im Detail auf die Produktions- bzw. Fertigungstiefe und auf die Qualitätsmerkmale einzugehen. Zumindest Letzteres sollte aus der Kundensicht analysiert werden. Öfters ist nämlich festzustellen, dass Unternehmen eine Qualität anstreben, die vom Markt zum einen nicht gefordert und vor allem nicht vergütet wird. 463 Krisenunternehmen zeigen regelmäßig Schwächen in Marketing und Vertrieb. Oft fehlt eine klare Positionierung bzw. der Vertrieb nimmt entgegen der Positionierung Aufträge an, um Kapazitäten zu decken. Dies geht einher mit einer erodierenden Preispolitik. Aufgrund der Angst „Geschäft zu verlieren“ werden Aufträge unter den Vollkosten, bisweilen auch unter den direkten Kosten angenommen. Begründet wird dies mit dem Aufbau oder Ausbau „strategischer Partnerschaften. Im Leitbild ist darzustellen, wie dies in der Zukunft aussehen soll. Gegebenenfalls ist dies mit einer Reduktion der Kapazitäten und mit deutlichen Einschnitten verbunden. Wesentlicher Bestandteil ist die künftige Positionierung des Unternehmens. Vgl. hierzu Sawtschenko, Positionierung – das erfolgreichste Marketing auf unserem Planeten, S. 45 ff.
464 Dabei geht es kurz darum, einer relevanten Zielkundengruppe ein einzigartiges Angebot an Leistungen zu offerieren, mit dem man sich signifikant vom Wettbewerb abhebt (USP – Unique Selling Proposition). Unseres Erachtens sind die Positionierung und die Preispolitik die entscheidenden Faktoren des Leitbilds des Unternehmens. Mit der richtigen Positionierung und der richtigen Preispolitik entsteht der wirtschaftliche Erfolg. Ob diesbezüglich der richtige Weg eingeschlagen wird kann durch eine einzige Frage analysiert werden: Es ist kritisch zu hinterfragen, ob das Unternehmen künftig über die erforderliche „Pricing-Power“ verfügt. So lautete die Aussage von Warren Buffet anlässlich der Finanzkrise: Financial Crisis Inquiry Commission Staff Audiotape of Interview with Warren Buffett, Berkshire Hathaway May 26, 2010:
116
III. Beschreibung der wesentlichen Geschäftsfelder des Unternehmens „And basically the single most important decision in evaluating a business is pricing power. You’ve got the power to raise prices without losing business to a competitor, and you’ve got a very good business. And if you have to have a prayer session before raising the price by a tenth of a cent (laughs), then you got a terrible business.” Siehe http://de.scribd.com/doc/50676366/Transcript-of-WarrenBuffett-Interview-With-FCIC (Abruf am 12.8.2014); verkürztes Zitat im Ausschussbericht (Seite 207) unter http://www.gpo.gov/fdsys/pkg/GPO-FCIC/pdf/GPO-FCIC.pdf (Abruf am 12.8.2014); die Pricing Power ist der „Lackmustest“ der Unternehmensstrategie, vgl. auch, Simon, Preisheiten, S. 27 ff.
Nachfolgend wollen wir den weiteren wesentlichen Analysebereich kurz 465 skizzieren: x
Ferner sind die Produktion und Beschaffung (Ausstattung, Kapazitäten/ Standorte, Layout, Technologie, Vorleistungen, Abläufe, Bestände, Lieferbeziehungen) zu analysieren. Insbesondere die Produktionskapazitäten sind interessant, zeigen sie doch Reinvestitionsbedarfe und/oder eine Absatzbegrenzung (Mengenbegrenzung) nach oben, soweit das Unternehmen ohne weitere Investitionen auskommen will/muss.
x
Soweit erforderlich sind die Forschung und Entwicklung (F&E engl. R&D; Fähigkeiten, Innovations- und Ideenmanagement, Vermarktungsprozess, Patente, Lizenzen) zu untersuchen. Die Analyse der F&E ist ein Teilbereich der Kernkompetenzanalyse. Nur ein Unternehmen mit hohen und dauerhaft verteidigbaren Kernkompetenzen wird sich im Markt auch dauerhaft durchsetzen. Kernkompetenzen in diesem Sinne sind diejenigen Fähigkeiten, die es einem Unternehmen ermöglichen, einen Wettbewerbsvorteil dauerhaft zu verteidigen. Diese Fähigkeit erfordert es, den Kunden des Unternehmens einen wesentlichen Kundennutzen zu stiften. Prahalad/Hamel, The Core Competence of the Corporation, Harvard Business Review, May/June 1990, 79 – 91.
Allerdings können diese Kernkompetenzen nicht nur in Produkten/Leistungen, sondern auch in den unternehmensinternen Prozessen bzw. im Management bestehen. x
Finanzanalyse (Kapitalbedarf, Zugang zu Finanzquellen, Rating, Kapitalstruktur, Eigenkapitalrentabilität und Cashflow)
x
Analyse der Mitarbeiter (Belegschaftsstärke, Qualifikationen, Arbeitszeitmodelle, Vergütung, Lernprogramme, Motivation, Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber). Hier kann eine existierende schriftliche Personalstrategie, die Bewertung der Assembled Workforce“ oder eine Wissensbilanz (http://www.akwissensbilanz.org/) eine wertvolle Analysequelle sein. Dabei müssen die Führungs- und Fachkräfte (quantitatives und qualitatives Potenzial, Motivation, Anreizsysteme, Abhängigkeit von Schlüsselpersonen) einbezogen werden. 117
I. Analyse
x
Organisation (Unternehmenskultur, Abläufe, Führungs- und Entscheidungsprozesse, lernende Organisation). Ausgangspunkt dieser Analyse wird das Firmenorganigramm sein.
x
Nachhaltigkeit (insb. Arbeitnehmer- und Umweltbelange)
x
Unterstützungssysteme (Rechnungswesen mit Qualitätsbeurteilung, Controlling, IT, Shared Services)
x
Das Leitbild lässt sich auch mit Kennzahlen, wie z. B. Marktanteil, Bekanntheitsgrad, Kundenzufriedenheit, Innovationsleistung, Produktivität und Mitarbeiterbindung weiter konkretisieren.
2. Beschreibung von Wettbewerbsvorteilen und Wettbewerbsstrategien 466 Ziel der Sanierung muss es sein, dass das Unternehmen sich nicht nur am Markt behaupten kann, sondern dass es über das Streben nach Wettbewerbsvorteilen in die Lage versetzt wird, eine Rentabilität zu erreichen, sodass das Unternehmen wieder attraktiv für Eigen- und Fremdkapitalgeber wird. Die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen setzt voraus, dass das Unternehmen im Vergleich zur Konkurrenz über bestimmte Alleinstellungsmerkmale verfügt. Diese können z. B. im Produkt- und Preisbereich, im Markenimage, im Produktions- und Servicebereich sowie in der Kundennähe und der Kundenbindung liegen. Zu einem Wettbewerbsvorteil werden Alleinstellungsmerkmale dann, wenn die im Vergleich zu anderen Wettbewerbern relevanten Besonderheiten der Unternehmung: x
vom Kunden wahrgenommen werden (nicht jede kundenbezogene Besonderheit eines Unternehmens wird als solche überhaupt registriert),
x
vom Kunden besonders honoriert werden (nicht alle wahrgenommenen Leistungs- und Produktmerkmale betreffen Kernbedürfnisse des Kunden und sind insofern kaufrelevant) und
x
dauerhaft sind (ein wirklicher Wettbewerbsvorteil liegt nicht vor, wenn die Besonderheit ohne Weiteres und schnell imitierbar ist).
467 Zur Realisierung von Wettbewerbsvorteilen muss das Unternehmen im Leitbild darstellen, mit welchen Strategien es sich im Wettbewerb behaupten will. Für seine strategische Positionierung kommen in Betracht: x
Kosten-/Preiswettbewerb,
x
Qualitäts-/Leistungswettbewerb,
x
Wettbewerb um Zeitvorteile („Responsewettbewerb“),
x
Innovations-/Technologiewettbewerb und
x
Wettbewerb um die beste Wertschöpfungsarchitektur (sog. Layer Competition).
118
III. Beschreibung der wesentlichen Geschäftsfelder des Unternehmens
Um durch Einsatz einer geeigneten Wettbewerbsstrategie zu einem nachhal- 468 tigen Markterfolg zu gelangen, müssen die verschiedenen Ressourcen und Fähigkeiten des Unternehmens unter dem Kriterium der Stimmigkeit so ausgewählt und zum Einsatz gebracht werden, dass daraus Wettbewerbsvorteile entstehen. Checkliste zur Abfassung eines Leitbilds eines sanierten Unternehmens Abgeleitet aus Leitfaden Wissensbilanz, http://www.akwissensbilanz.org/Infoservice/Infomaterial/Wisse nsbilanz-Leitfaden_2.0_Stand_2013.pdf (Abruf am 15.7.2015). Geschäftsumfeld • • • • • • • • • •
Welche Chancen und Risiken beeinflussen unser Geschäft? Welche aktuellen Entwicklungen im Geschäftsumfeld gibt es? Wie ist die Situation auf den Absatzmärkten? Wer sind unsere wichtigsten Wettbewerber und was ist unsere Position? Wie ist die Situation auf den Beschaffungsmärkten? Was sind die technologischen Rahmenbedingungen am Markt? Welche politischen Rahmenbedingungen müssen wir beachten? Wie sieht das soziale Umfeld an unseren Standorten aus? Wie ist die aktuelle Konjunkturlage unserer Branche? Wie sieht der Markt für potenzielle und zukünftige Mitarbeiter aus?
Vision
• Was ist unser Selbstverständnis als Organisation? • Was wollen wir grundsätzlich erreichen und was sind unsere übergeordneten, langfristigen Ziele? • Ggf.: Welche Position am Markt wollen wir einnehmen?
Strategie
• Welche Strategie verfolgen wir zum Erreichen unserer Vision im gegebenen Geschäftsumfeld? • Wie können wir unsere bisherigen Stärken dazu nutzen? • Welche Schwächen müssen wir ausgleichen und wie wollen wir sie ausgleichen?
Personal/ Intellektuelles Kapital
• Wie soll unser Personal zusammengesetzt sein? Welche Qualifikationen benötigen wir? • Welches Strukturkapital benötigen wir, um unsere Vision und Strategie umzusetzen? • Welches Sozialkapital benötigen wir, um erfolgreich zu sein? Mit wem müssen wir Beziehungen auf bzw. ausbauen?
Geschäftserfolge • Woran messen wir den Erfolg unseres Unternehmens? • Welche Geschäftsergebnisse müssen wir kurz- und mittelfristig sicherstellen, um unsere Vision zu erreichen, die Pricing-Power zu erhalten oder auszubauen und unsere Strategie zu erfüllen? • Wie sind diese Ergebnisse genau definiert (in absoluten oder Prozentzahlen)? • Hilfsfrage: Welche externen Wirkungen sollen bei Kunden, Partnern und der Öffentlichkeit erzielt werden? • Hilfsfrage: Was schätzen unsere Kunden an uns?
119
469
I. Analyse Geschäftsprozesse
• Über welche zentralen Geschäftsprozesse (Leistungsprozesse/ Kernprozesse) werden unsere Geschäftsergebnisse erstellt? • Hilfsfrage: Was produzieren und verkaufen wir und über welche zentralen Prozesse/Arbeitsschritte erzielen wir für unsere Kunden einen Mehrwert?
470 Die Beantwortung dieser Fragen stellt zugleich die strategische Planung dar. IV. Externe Analyse Analyse der Marktsituation – Porters Five Forces 471 Die fünf Marktkräfte (Porters Five Forces) sind eine geeignete und übliche Darstellungsform um das Unternehmen im Wettbewerb darzustellen. Die Branchenstrukturanalyse nach dem Fünf-Kräfte-Modell (engl. five forces) ist im strategischen Management ein von Michael E. Porter entwickeltes Hilfsmittel zur Strategieanalyse in der unternehmerischen Planung. Porter, Wettbewerbsstrategie, S. 33 ff. Die Ergebnisse dieser Analyse fließen oft als Umweltanalyse in eine SWOTAnalyse ein, wobei die Kräfte beschrieben werden, die von der externen Umwelt auf die Unternehmung einwirken. Der Ursprung des Modells ist der industrieökonomische Ansatz. Der Grundgedanke ist, dass sich die Attraktivität des Marktes vor allem durch die Marktstruktur bestimmt. Die Marktstruktur wiederum beeinflusst das strategische Verhalten der Unternehmen, d. h. ihre Wettbewerbsstrategie, welche wiederum ihren Markterfolg bestimmt. So ist der Erfolg einer Unternehmung also zumindest indirekt von der Marktstruktur abhängig. Das Modell basiert auf der Idee, dass die Attraktivität einer Branche durch die Ausprägung der fünf wesentlichen Wettbewerbskräfte bestimmt wird: 1.
Rivalität unter den bestehenden Wettbewerbern/brancheninterner Wettbewerb (zentrale Triebkraft) (engl. intensity of competitive rivalry bzw. industry rivalry)
2.
Bedrohung durch neue Anbieter (engl. potential entrants) (auch Zugangsbeschränkung (engl. barriers to entry oder threat of entry)
3.
Verhandlungsstärke der Lieferanten (engl. bargaining power of suppliers)
4.
Verhandlungsstärke der Abnehmer (engl. bargaining power of buyers bzw. bargaining power of customers)
5.
Bedrohung durch Ersatzprodukte (Substitution) (engl. threat of substitutes)
Je stärker die Bedrohung durch diese fünf Wettbewerbskräfte ist, desto unattraktiver ist die betrachtete Branche und desto schwieriger ist es, einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Unternehmen sollten daher versuchen, in einer Branche mit attraktiver Branchenmmmstruktur tätig zu sein und eine verteidigungsfähige Position in ihrer Branche aufzubauen, also eine Position in der die fünf Wettbewerbskräfte eine möglichst wenig bedrohliche Ausprägung aufweisen. Unternehmen können zudem auf die fünf Kräfte mit Hilfe entsprechender strategischer Ausrichtung einwirken. Dies kann die Attraktivität einer Branche
120
IV. Externe Analyse erhöhen. Wenn jedoch Unternehmen die Verteilung der Wettbewerbskräfte zum Vorteil der eigenen Wettbewerbsposition beeinflussen ohne sich über die langfristigen Auswirkungen im Klaren zu sein oder diese bewusst in Kauf nehmen, kann dies Struktur und Rentabilität einer Branche ebenso zerstören. Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/ Branchenstrukturanalyse (Abruf am 20.7.2015).
Potentielle Mitbewerber Bedrohung durch Markteintritt neuer Konkurrenten
Mitbewerber Zulieferer
Verhandlungsstärke
Verhandlungsstärke
Kunden
Rivalität
Bedrohung durch Ersatzprodukte
Ersatzprodukte
PESTL Analyse Mit der PESTL Analyse wird das gesamte Unternehmensumfeld und beste- 472 hende oder aufkommende Trends untersucht. Wikipedia „STEP Analyse“, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/ STEP-Analyse (Abruf am 18.7.2015).
473
Darunter versteht man: Sozio-kulturelle Faktoren sind Werte, Lebensstil, demografische Einflüsse, Einkommensverteilung, Bildung, Bevölkerungswachstum, Sicherheit. Technologische Faktoren umfassen Forschung, neue Produkte und Prozesse, Produktlebenszyklen, staatliche Forschungsausgaben. Ökonomische Faktoren sind Wirtschaftswachstum, Inflation, Zinsen, Wechselkurse, Besteuerung, Arbeitslosigkeit, Konjunkturzyklen, Verfügbarkeit von Ressourcen. Politische Faktoren beinhalten Wettbewerbsaufsicht, Gesetzgebung, politische Stabilität, Steuerrichtlinien, Handelshemmnisse, Sicherheitsvorgaben und Subventionen. Zwischen den einzelnen Faktoren gibt es wechselseitige Abhängigkeiten, das heißt, dass eine Änderung in einem Gebiet auch zu Veränderungen in anderen Bereichen führen kann. So können z. B. technologische Veränderungen ökonomische Folgen haben oder politische Entscheidungen die ökonomische Entwicklung beeinflussen. Für jede der vier oben genannten Einflussfaktoren sollten bei der STEP (PEST)-Analyse die folgenden Fragen gestellt werden
121
I. Analyse um die Veränderungen und die treibenden Kräfte zu identifizieren, die die Veränderung herbeiführen: Welche zukünftigen Trends könnten das Nachfrage- und Marktverhalten unserer Lieferanten/unserer Wettbewerber verändern? Wann wird hierfür der Zeitpunkt sein?
Branchenanalyse 474 Zusätzlich sollten aktuelle Branchenanalysen ausgewertet werden. Diese können z. B. von Feri (kostenpflichtig) und von den Banken bzw. Bankverbänden i. d. R. kostenlos bezogen werden. SWOT-Analyse 475 Ebenfalls sollte das Unternehmen einer SWOT-Analyse unterzogen werden, die den internen Bereich mit dem externen Unternehmensumfeld verknüpft. Stärken (Strength) Lage des Unternehmens • Patente • Kostenvorteile durch eigenes Know-how • Marketingexpertise von Experten • Exklusiver Zugang zu natürlichen Ressourcen • Qualitätsprozesse und Verfahren • Neues, innovatives Produkt oder Service • Starke Marke oder Reputation • Know-how der Mitarbeiter
Schwächen (Weaknesses) Mangel an Marketingexpertise • Lage der Firma • Geringere Qualität der Waren oder • Dienstleistungen • Beschädigte Reputation • Undifferenzierte Produkte oder Services (d. h. im Vergleich zu Ihren Konkurrenten) • Konkurrenten haben besseren Zugang zu Vertriebskanälen
Möglichkeiten (Opportunities) • Fusionen, Joint Ventures oder strategische Allianzen • Sich entwickelnder Markt (China, das Internet) • Neue Technologien • Neuer internationaler Markt • Neue attraktive Marktsegmente
Bedrohungen (Threats) • Neue Regelungen • Ein neuer Konkurrent im eigenen Binnenmarkt • Preiskrieg • Konkurrent hat ein neues, innovatives Ersatzprodukt oder Service • Technologischer Fortschritt lässt den Markt für die eigenen Produkte verschwinden
Lebenszyklusanalyse 476 Im Zeitalter der Digitalisierung müsste u. E. auch eine Lebenszyklusanalyse angestrengt werden. In vielen Fällen wird die Bewertung, auf welcher Entwicklungsstufe des Lebenszyklus das Unternehmen steht, eine wichtige Vorfrage für Beurteilung der Sanierungsfähigkeit sein. Dies betrifft sowohl die Analyse des Lebenszyklus des Unternehmens, als auch der Branche an sich. Folglich hat es auch Auswirkung auf die Ertragspotentiale des Unternehmens und damit auf die Gesamtbeurteilung.
122
IV. Externe Analyse
Soll eine Unternehmensplanung einerseits ein zu erwartendes Ergebnis unter 477 Einbeziehung aller Chancen und Risiken aufzeigen und anderseits das Risiko von Planabweichungen kenntlich machen, Flath/Biederstedt/Herlitz, Controlling & Management Review, Sonderheft 2015, 82 ff.,
muss sich die Planung und damit vorgelagert die Unternehmensanalyse zwingend mit dem Risikomanagement bzw. dem Früherkennungssystem gemäß § 91 Abs. 2 AktG des Unternehmens beschäftigen. Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, S. 159 ff.; ders., ZfCM 2004, 350 ff.
Sofern, wie bei KMU häufig der Fall, das Unternehmen über kein systemati- 478 sches Risikomanagement verfügt, muss im Rahmen der Unternehmensplanung wenigstens rudimentär und auf die wesentlichen Chance-Risiko-Treiber eine Analyse und Bewertung erfolgen. Wichtig ist dabei, nicht nur die Risiken, sondern auch die Chancen zu berücksichtigen. Im Folgenden wird zur Vereinfachung nur noch von Risiken gesprochen. Bei der Analyse des Risikomanagements wird zunächst eine Risikoinventur 479 durchführt. Es empfiehlt sich alle relevanten Bereiche anhand einer Checkliste zu analysieren. Als Ausgangsbasis kann z. B. auf die Risikofeldermatrix von Gleißner zurückgegriffen werden. Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, S. 113 ff.
480
Zum Beispiel: Risikofeldermatrix: Strategisches Risiken Einzel-Risiko
Schadens- Eintrittswahrausmaß scheinlichkeit
Strategische Risiken
In Euro
In Prozent
Unsichere Prämissen für Strategie Marktrisiken Abhängigkeit von Großkunden Finanzmarktrisiken Financial Covenants Compliance & Corp Governance Rechnungswesen & Controlling Leistungsrisiken Auftragsplanung und Vorbereitung Außerordentliche und spezielle Risiken Projektkalkulation
123
I. Analyse
481 Anschließend werden die Risiken bewertet. Üblicherweise erfolgt dies unterteilt in zwei Kategorien: x
Eintrittswahrscheinlichkeit und
x
Schadenshöhe.
482 Falsch wäre es aber u. E., diese Erwartungswerte (Eintrittswahrscheinlichkeit * Schadenshöhe) zu ermitteln und einfach aufzuaddieren. Denn dies würde unterstellen, dass sich alle Erwartungswerte in einem Planjahr bzw. in einem Planungshorizont realisieren. Tatsächlich aber ist festzustellen, dass sich nicht nur Risiken, sondern auch Chancen realisieren. Gleißner/Romeike sprechen daher bei dieser Vorgehensweise von der „größten anzunehmenden Dummheit im Risikomanagement“. Gleißner/Romeike, Risk, Compliance & Audit 2011, 21 – 26.
483 Daher müssen die Risiken, aber auch die Chancen zu einem „Gesamtrisikoumfang“ aggregiert werden. 484 In Bezug auf die Unternehmensplanung ist es erforderlich, die Risikointegration nach dem Grundsatz der Wesentlichkeit auf die starken Risikotreiber zu konzentrieren. Als Faustformel sollte man jedenfalls bei KMU die wichtigsten 5 – 15 Risikofelder erfassen. Dies deckt sich in etwa mit den wesentlichen Werttreibern der Planung, die in der Praxis auf 8 – 12 reduziert werden. Barkalov, BC 9/2011, 381, 383.
485 Im Rahmen der einwertigen Planung oder bei der Szenarioplanung werden für die Planungsfälle dann die Erwartungswerte aus dieser Risikobewertung übernommen. Allerdings nicht in dem Sinne, dass alle Erwartungswerte der Risiken in einem Planjahr monetär berücksichtigt werden. Gleißner/Romeike Risk, Compliance & Audit 2011, 21 ff.
486 Vielmehr ist aus den Einzelrisiken eine Risikoaggregation (Gesamtrisikoumfang) abzuleiten, die dann entweder als Eigenkapitalbedarf oder als Liquiditätsbedarf ausgedrückt werden kann (Sicherheitspuffer). Soweit die Planung Maßnahmen zur Risikoreduktion, Risikovermeidung oder Risikoüberwindung vorsieht, sind diese natürlich zu berücksichtigen. 487 Soweit die Risiken in einer Monte-Carlo-Simulation erfasst werden, wird die Grundplanung um die Risiken mit der entsprechenden Verteilungsannahme ergänzt. Eine solche Simulation schaffe natürlich wesentlich mehr Transparenz über die Risiken einschließlich deren Auswirkungen, ist aber auch entsprechend aufwendiger. 488 Soweit ein explizites Risikomanagement besteht, sollte die Entscheidung bzw. Vorgabe zur Risikopräferenz be- und hinterfragt werden.
124
V. Interne Analyse
INQA-Unternehmenscheck Ein weiteres noch recht neues Tool ist der INQA Unternehmenscheck der 489 „Offensive Mittelstand“. Siehe https://www.offensive-mittelstand.de/ompraxisvereinbarungen/inqa-unternehmenscheck-gutermittelstand (Abruf am 19.2.2019) mit einer kostenlosen App des Tests für Apple iOS und Android.
Dieser Check kann ein erster Indikator für eine Erstanalyse sein. Er eignet 490 sich eher für kleinere Unternehmen (Faustformel unter 50 Mitarbeiter). Mit dem Check kann man in einem ersten Termin eine grobe Darstellung der Problembereiche abfragen. Ausgehend von dieser Ersteinschätzung ist aber eine weitere tiefere Untersuchung regelmäßig angezeigt. Der Check hat den Vorteil, dass die zur Verfügung gestellten Unterlagen 491 einfach und verständlich aufgebaut sind. Die ersten drei Bereiche (Strategie, Liquidität, Risikomanagement) sind äußerst planungsrelevant. V. Interne Analyse Selbstverständlich gehört zur Analyse der Ausgangslage die interne Jahresab- 492 schlussanalyse (Bilanzanalyse) z. B. mit den DATEV-Programmen, mit denen man auch die Insolvenzgründe ansatzweise überprüfen kann: x
Rechnungswesen mit OPOS
x
DAEV Liquiditätsvorausschau (Excel-Tool)
x
Unternehmensanalyse/Krisenprognose
x
Unternehmensprognose, -planung
x
Betriebsvergleich
x
Statische Liquidität
x
Rating Software
x
Datenanalyse mit ACL(korrespondierend IDEA)
Zunächst richtet sich der Blick in die Vergangenheit. Hier gibt es Bilanz-, GuV- 493 Positionen und signifikante Kennzahlen, die über einen längeren Zeitraum ausgewertet werden können. Es bieten sich Analyseprogramme, wie z. B. die Unternehmensanalyse, an. Zunächst gilt es dann offensichtliche Abweichungen festzustellen, z. B. Umsatzeinbruch, Anstieg der Fremdverschuldung, Anstieg der Halbfertigen im Bau etc. Diese Abweichungen sind zu hinterfragen und aufzuklären. Darüber hinaus gibt es Faustformeln, mit denen man in einer Vielzahl von 494 Fällen zu treffenden Ergebnissen gelangt: Vgl. auch Lienhard, in: Nickert/Lamberti, Rn. 85 ff.
125
I. Analyse
Liquidität: 495 x
Liquidität 1. Grades sollte mehr als 90 % betragen.
x
Liquidität 2. Grades sollte mehr als 100 % betragen.
x
Analyse des dynamischen Verschuldungsgrads.
496 Zum Barvermögen ist bei den Liquiditätsgraden die freie Kreditlinie hinzuzuzählen. 497 Die Zahlen stellen keine absolut verlässlichen Werte dar, allerdings lassen Sie mit wenig Aufwand vergleichsweise gute Aussagen über die wirtschaftliche Lage zu. Besonderheiten können sich bei hohem Vorratsvermögen und einer großen Umschlagshäufigkeit ergeben. Ertrag: 498 x
Eigenkapitalrentabilität – die Eigenkapitalrentabilität sollte wenigstens einem Vergleich mit einer Bankanlage zzgl. Risikozuschlag standhalten.
x
Umsatzrentabilität – diese Kennzahl ist stark branchenabhängig und kann nicht verallgemeinert werden.
Kapitalausstattung: 499 x
Eigenkapitalquote (sollte mind. über 10 % liegen)
Finanzierung: 500 x
Deckungsgrad I > 1
501 Alle diese Zahlen können unmittelbar aus der BWA/SuSa entnommen werden. Damit stehen Sie der Bank bzw. einem Insolvenzverwalter gleichermaßen zur Verfügung. Die Zahlen sind nicht absolut zu verstehen, aber sie geben eine erste Indikation für die Problemstellen. 502 Neben diesem vergangenheitsbezogenen internen Vergleich ist der Branchenvergleich ein gutes Analyseargument. Produkte werden hierzu z. B. von der DATEV oder vom Deubner Verlag angeboten. Auch die Banken, insbesondere die Bundesbank, die Volksbanken und Sparkassen, stellen derartige Zahlen zur Verfügung. Die Banken reichen Kredite aus und verdienen damit ihr Geld. Allerdings überwachen die Banken die Engagements, um Risiken vorzeitig abschätzen zu können. Die Banken verfügen über große Datenbestände und Informationsquellen. In der Krise begrüßen die Banken offensives Vorgehen. Das heißt, es kann ratsam sein, die Bank nach der Beurteilung des Engagements und deren Einschätzung zu fragen. In der Regel besitzen die Banken eine Stärken-Schwächen-Analyse und können Vor- und Nachteile zur Konkurrenz aufzeigen. Ferner können über Innungen, Kammern etc. Branchenkennzahlen angefordert werden. Diese Zahlen können dann mit den eigenen Zahlen verglichen werden, um hieraus Schlüsse auf die eigene Lage zu ziehen. 503 Bedenklich ist insbesondere aus Sicht der Banken, wenn das Unternehmen in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einem oder mehreren Hauptkunden oder
126
V. Interne Analyse
-lieferanten steht. Jedenfalls wenn die getätigten Umsätze mehr als 20 % betragen, sollte die Situation kritisch hinterfragt und regelmäßig beobachtet werden. Unter Umständen müssen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Vertragspartners in die eigene Entscheidung einbezogen werden (Kreditreform etc.). Gerade bei größeren Unternehmen bietet sich hier die Durchsicht des Lageberichts (Risikobericht und Prognosebericht) an. Eine derartige Abhängigkeit kann ein erstes Krisenanzeichen sein, insbesondere in insolvenzanfälligen Branchen (z. B. Bau). Soweit das Unternehmen in der Vergangenheit bereits Planungsrechnungen 504 erstellt hat, sind diese einschließlich der folgenden Soll-Ist-Vergleiche zu analysieren. Insbesondere wenn der Auftrag auf Plausibilisierung der Planung lautet, ist die Anzahl der Vorplanungen und die Planungstreue von besonderer Bedeutung. Je mehr Planungserfahrung im Unternehmen besteht, desto glaubwürdiger ist die Aussage der Planung. Selbiges gilt für die Planungstreue. Vgl. auch Spindler, AG 2006, 677, 679 „repeated games“; Karollus/Huemer, Die Fortbestehensprognose im Rahmen der Überschuldungsprüfung, S. 103.
Allerdings ist im Falle einer Abweichung zu untersuchen, ob es sich wirklich 505 um eine materielle Abweichung oder nur um eine Verschiebung handelt. Von einer materiellen Abweichung, die zur Überplanung führt, soll dann auszugehen sein, wenn viermal hintereinander eine wesentliche Abweichung der jeweiligen (wesentlichen) Planungsposition in gleicher Richtung festgestellt wird. Vgl. Morlidge/Player, Future Ready 2012, S. 136.
Ziel der externen und internen Analyse ist es, das nachhaltige Erfolgspotential 506 zu zeigen. Dies bedingt, dass die Vergangenheit um (positive wie negative) Sondereffekte zu bereinigen ist. Darunter versteht man solche Ereignisse und Effekte, die einmalig sind und sich voraussichtlich im Planungszeitraum nicht wiederholen werden. Bei der Bilanzanalyse bietet sich folgendes Vorgehen an:
507
x
Analyse der letzten 5 – 10 Jahresabschlüsse mit Kennzahlenanalyse
x
Bereinigung der Vergangenheit um aperiodische nicht nachhaltige Sondereffekte (händische Eingabe oder Änderung im gesondert gespeicherten Buchführungsbestand)
x
Erneute Analyse der Vergangenheit mit Kennzahlenanalyse
Ein wichtiger und in der Sanierungspraxis bislang übersehener Analyseschwer- 508 punkt ist die Analyse der nachhaltigen Ertragskraft in Bezug auf Schlüsselmitarbeiter bzw. den Unternehmer. Seitens der Stakeholder wird oft verlangt, der Gesellschaft „Eigenkapital zuzuführen“. Gemeint ist damit immer wieder, einen anderen Gesellschafter aufzunehmen, der dann auch in die Leitungsfunktion eintritt. Hintergrund ist der Vertrauensverlust insbesondere bei den Banken. Man traut dem Unternehmer, der das Unternehmen in die Krise ge127
I. Analyse
führt hat nicht zu, das Unternehmen wieder aus der Krise heraus zu führen. Dabei wird regelmäßig übersehen, dass selbst bei unglücklicher Unternehmensführung Ertragspotential am Unternehmer oder am Geschäftsführer hängen kann. Dies ist insbesondere auch bei Vergleichsrechnungen in Insolvenzplänen gemäß § 220 InsO zu berücksichtigen. 509 Gerade in kleinen und mittleren Unternehmen, sog. KMU, kann dies aufgrund der bestimmenden Funktion des Unternehmers bedeutsam sein. Letztlich ist entscheidend, ob und in welchem Umfang die Ertragskraft vom Unternehmer abhängt, sog. übertragbare Ertragskraft. Ist dies der Fall und soll die Person des Unternehmens ausgetauscht werden, so muss die Ertragsauswirkung in der Planung gezeigt werden. IDW-Praxishinweis-1/2014 – Besonderheiten bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts kleiner und mittelgroßer Unternehmen (IDW Praxishinweis 1/2014), IDW Fachnachrichten, Heft 4/2014, 282.
510 Weitere qualitative Besonderheiten bestehen häufig in Überschneidungen zwischen betrieblicher und privater Sphäre und zu nicht marktgerechten Konditionen vergüteter Mitarbeit von Familienmitgliedern der Eigentümer. Beim Ausscheiden des Unternehmers sind die in seiner Person bestehenden Erfolgsfaktoren zu bereinigen. In diesem Fall würde massiv Unternehmenswert vernichtet. 511 Dies können folgende Punkte sein: x
Beziehungen zu Kunden und Lieferanten
x
Spezialwissen
x
Führungsqualitäten
x
Geschäfte mit nahestehenden Personen
512 Soweit wertbestimmende Faktoren für die Erzielung der finanziellen Überschüsse künftig nicht mehr oder nur noch zeitlich begrenzt zur Verfügung stehen, ist die in der Vergangenheit vorhandene Ertragskraft nur partiell oder zeitlich begrenzt übertragbar. Ist die Ertragskraft nur in einem eingeschränkten Maße übertragbar, schmilzt das zukünftige Ertragspotential in einem endlichen Zeitraum ab. 513 Damit ist zu unterscheiden: x
Vollständig übertragbare Ertragskraft: Hier wird davon ausgegangen, dass das bisherige Management im Unternehmen verbleibt oder ein gleichwertiger Ersatz gefunden wird. Dies bedarf einer genauen Analyse.
x
Partiell oder temporär übertragbare Ertragskraft
128
V. Interne Analyse
Aufgrund der engen Bindung der Erträge bzw. Einnahmen an die Person des 514 Eigentümers können sich ohne dessen weiteres Mitwirken im Unternehmen diese Erfolgsfaktoren im Zeitablauf verbrauchen und somit nur zeitlich begrenzt zur Verfügung stehen. Die damit verbundenen finanziellen Überschüsse können zumindest nicht dauerhaft erwirtschaftet werden. Der jeweilige Abschmelzungszeitraum hängt von den Verhältnissen des zu 515 bewertenden Unternehmens sowie unter Umständen auch von seinem Branchenumfeld ab. Bezüglich der Kennzahlen sollte überlegt werden, welche von diesen überhaupt 516 einen Aussagegehalt für die Zukunft haben. So wird die Analyse der Anlagendeckung eines Handelsunternehmens, welches das Geschäft in gemieteten Immobilien betreibt, wenig Sinn machen. Insoweit sind nachfolgende Vorschläge auf deren Gehalt zu hinterfragen. Das IDW schlägt in den F&A zum Standard S 6 (7.4.) nachfolgende Kennzahlen zur Analyse der Planung vor. Diese Kennzahlen in der Planung abzubilden, macht nur dann einen Sinn, wenn sie auch die der Historie ermittelt wurden. Liquiditätskennzahlen
Ertragskennzahlen
Vermögenskennzahlen
• Liquiditätsgrade I bis III • Cashflow in % vom Umsatz • Schuldentilgungsdauer in Jahren • Kapitaldienstdeckungsfähigkeit – Debt Service Coverage
• • • •
• • • • •
Gesamtkapitalrentabilität Eigenkapitalrentabilität Umsatzrentabilität Material-/ Fremdleistungsquote • Personalaufwandsquote • EBITDA in % vom Umsatz
517
Eigenmittelquote Verschuldungsgrad Anlagendeckung Working Capital Laufzeiten der Debitoren und Kreditoren in Tagen • Vorratsreichweite in Tagen
Hinzu kommen etwaige vertraglich vereinbarte Kennzahlen im Rahmen sog. 518 Covenants und/oder Ratingnoten, z. B. nach DATEV MIDIAS. Eine weitere Analyse kann der Ermittlung der Gewinn-Schwelle (Break Even 519 Point, BEP) dienen, also der Absatzmenge, die zu erreichen ist, um ein positives Ergebnis zu erzielen. Nickert/Strecker, InsBüro 2004, 211.
Der Differenzbetrag vom aktuellen Niveau und vom BEP kann als Sicherheits- 520 puffer verstanden werden. Dieser kann sich aber auch auf den Preis beziehen, also wie viel Preisreduktion bei gleichbleibender Absatzmenge zu verkraften ist. An diese Kennzahlen sollte man sich aber nicht sklavisch halten. Wenn man 521 akzeptiert, dass die Planung aufgrund der Individualität des Unternehmens ein Maßanzug ist, gilt dies auch für die Auswahl der Kennzahlen. So ist z. B. bei einem Textil-Einzelhändler in der Innenstadt der Umsatz/m² eine entscheidende Kennzahl, die aber im produzierenden Gewerbe überhaupt nichts aussagt.
129
I. Analyse
522 Die Entwicklung der Kennzahlen und deren Kommentierung verdeutlichen den geplanten Sanierungsverlauf und stellen Kontrollgrößen für den Grad der Zielerreichung des Sanierungskonzepts dar. Sie liefern zugleich Eckpunkte für die Beurteilung des Sanierungskonzepts durch Dritte. VI. Feststellung des Krisenstadiums 523 Auch für die Zwecke der Unternehmensplanung ist es wichtig, das Krisenstadium zu bestimmen. Denn in die Planung sind bekanntlich Maßnahmen hinein zu modellieren. Dabei gilt der Grundsatz der stadiengerechten Überwindung der Krise. Folglich müssen zunächst die Krisenstadien in ihren Ausprägungen ermittelt werden. 524 Unternehmen in der Krise durchlaufen regelmäßig verschiedene Stadien, wobei sich in der Entwicklung bis hin zur Insolvenz die Stadien der Stakeholder-, Strategie-, Produkt- und Absatzkrise sowie der Erfolgs- und Liquiditätskrise unterscheiden lassen. Diese Krisenstadien müssen sich nicht zwingend in dieser Verlaufsfolge entwickeln; sie können auch parallel, singulär oder überlappend auftreten. Krisen spitzen sich im Zeitablauf i. d. R. zu. 525 Nach IDW S 6 sind die einzelnen Krisenstadien vollständig zu analysieren. Dies gilt uneingeschränkt auch für die Zwecke der Unternehmensplanung, da das Krisenstadium abgestimmte Überwindungsmaßnahmen erfordert, die in die Planungsrechnung einbezogen werden müssen, und darüber hinaus die Anforderungen an die Dokumentation der Annahmen bestimmt werden. 1. Feststellungen zur Stakeholderkrise 526 Krisen auf Ebene der Stakeholder (dies sind insbesondere Mitglieder der Unternehmensleitung und der Überwachungsorgane, Gesellschafter, Arbeitnehmer und ihre Vertretungen, Banken und andere Gläubiger) entstehen oft durch Konflikte zwischen diesen Gruppen und ihren Mitgliedern. 527 Die Konsequenzen treten schleichend ein. Das bisherige Leitbild ist wegen veränderter Rahmenbedingungen überholt oder wird in dem Unternehmen nicht mehr gelebt. Innerhalb der Leitungs- und Überwachungsebene bis in die Belegschaft hinein treten Blockaden und Polarisierungen auf. Dadurch wird das Aufkommen eines Umfeldes begünstigt, das Täuschungen und Vermögensschädigungen ermöglicht, z. B. weil x
Aktivitäten des Controlling und der internen Revision bewusst behindert oder manipuliert werden,
x
falsche Bereichsergebnisse billigend in Kauf genommen werden,
x
Unstimmigkeiten in den Potenzialen u. a. dadurch eintreten, dass Schwächen in der Produktqualität durch erhöhte Marketing-Aktivitäten kompensiert werden sollen.
130
VI. Feststellung des Krisenstadiums
Dies geht oft einher mit Spannungen zwischen der Geschäftsleitung und der Be- 528 legschaft. Hier ist zu berücksichtigen, dass mein „Unternehmen“ nicht sanieren kann. Insolvent oder in der Krise ist zwar ein „Unternehmen“, also ein Rechtsträger. Schieflagen entstehen durch fehlerhafte Entscheidungen und durch fehlerhaftes oder unterlassenes Handeln. Dies kann sich auf alle Ebenen (Geschäftsleitung und Mitarbeiter) beziehen. Eine Sanierung gegen die Mitarbeiter und/oder gegen die Geschäftsleitung ist nicht möglich, soll doch die Sanierung künftig richtige Entscheidungen und richtiges Handeln bewirken. Aus diesem Grund ist der Analyse des Personalwesens besondere Bedeutung beizumessen. 2. Feststellungen zur Strategiekrise Strategiekrisen ergeben sich häufig als Folge einer Stakeholderkrise, z. B.
529
x
Wegen unzureichender Kundenorientierung und unsystematischer Beobachtung der Wettbewerbsentwicklungen erfolgen unangemessene oder ineffektive Innovationen und Investitionen, Die Folge sind falsche Strategien und strukturelle Defizite. Hierfür sind gerade erfolgreiche Unternehmen anfällig, das deren bestehende oder kurzfristige Erfolge Schwachstellen überdecken.
x
Übermäßige Abhängigkeiten von einzelnen Lieferanten, Kunden, Absatzwege, Finanzierungsquellen etc.
x
Schwächen im Personalmanagement können gleichermaßen Ursache wie auch Folge einer Strategiekrise sein (siehe Rn. 528 f.).
x
Die Wahl der Vertriebswege: Der Außendienst und dessen Entlohnung kann häufig Verstärker der Krisenursache sein.
x
Die Sortimentsbreite des Unternehmens ist zu untersuchen (Gefahr der Verzettelung). Damit einher geht die Analyse der Diversifikationspolitik. Unseres Erachtens ist gerade bei KMU weniger mehr. Im Sinne der engpasskonzentrierten Strategie (EKS) sollten KMU eher „spitz statt breit“ sein, d. h. eher weniger Leistungen, diese aber besser als der Markt erbringen. Vgl. zur Methode: Friedrich, Erfolgreich durch Spezialisierung, S. 91 ff., 125; Friedrich/Malik/Seiwert, Das große 1x1 der Erfolgsstrategie, S. 20 f.
x
Es fehlt an einer strategische Ausrichtung des Unternehmens oder diese ist nicht schriftlich fixiert und den Mitarbeitern bekannt.
x
Das Unternehmen versäumt, Innovationen dauerhaft zu verankern. Vielmehr erfolgen planlose Produktentwicklungen ohne Prioritäten und Zeitvorgaben.
131
I. Analyse
x
Heutzutage hört man ferner immer mehr Stimmen, die behaupten, ein Unternehmen ohne eine Digitalisierungsstrategie sei nicht fortführungsfähig. Wir würden dies nicht absolut gelten lassen. Es gibt durchaus Geschäftsfelder, die weniger von der Digitalisierung betroffen sind. Allerdings sollte dieser Analysepunkt auf jeder Checkliste stehen.
530 Auch exogene Ursachen spielen eine Rolle, wie z. B.: x
Änderung des Kaufverhaltens
x
Sinkende reale Kaufkraft
x
Marktsättigungen
x
Spezifische Branchenrisiken
x
Politische Risiken
531 Zu erkennen ist die Strategiekrise vor allem am Verlust von Marktanteilen, was wiederum einen Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit indiziert und damit grundlegende strategische Sanierungsmaßnahmen erforderlich macht. 3. Feststellungen zur Produkt- und Absatzkrise 532 In der Folge einer Strategiekrise kann sich eine Produkt- und Absatzkrise entwickeln. Sie liegt vor, wenn die Nachfrage nach den Hauptumsatz und -Erfolgsträgern nicht nur vorübergehend stark zurückgeht. Aus dieser Entwicklung resultieren steigende Vorratsbestände und dadurch eine Zunahme der Kapitalbindung. Auch führen Unterauslastungen der Produktionskapazitäten zu Ergebnisrückgängen. 533 Regelmäßig folgt auf die Strategiekrise eine Marketingkrise. Wichtig ist dabei das Marketingverständnis. Darunter ist gerade nicht nur Werbung zu verstehen, sondern ein systematischer Prozess, mit dem sichergestellt wird, dass die Produkte und Leistungen bei den Zielkunden ankommen. Namentlich geht es um Produktanpassungen, die optimale Bepreisung der Produkte und Leistungen, die richtige Wahl der Kundenkanäle und zum Schluss auch Werbung und Vertrieb. Pointiert kann man es ausdrücken: „Der Köder muss dem Fisch und nicht dem Angler schmecken.“ 534 Eine solche Situation kann durch Umstände auf der Nachfrageseite oder auf Unternehmensseite verursacht sein, wie z. B.: x
Qualitativ nicht ausreichendes Marketing- und Vertriebskonzept
x
Sortimentsschwächen (z. B. „Me-too-Produkte“)
x
Verzögerte Produktentwicklungserfolge
x
Qualitätsprobleme bei Produkten, Dienstleistungen, Service
132
VI. Feststellung des Krisenstadiums
x
Veraltete Produktpaletten
x
Falsch eingeschätzte Preisentwicklung und Fehler in der Preispolitik
x
Schwächen in der Liefertreue
x
Umsatzrückgänge infolge überhöhter Preisforderungen
x
Preise unter Selbstkosten
x
Keine oder nur unzureichende Vor- und Nachkalkulationen
x
Verlustbringende Großprojekte
x
Schlechte Materialwirtschaft; zu hohe, veraltete oder falsch strukturierte Warenbestände
x
Fehler in der Vertriebssteuerung/falsche Anreizsysteme im Vertrieb
4. Feststellungen zur Erfolgskrise Ein Renditeverfall drückt sich darin aus, dass
535
x
zunächst die Eigenkapitalkosten (vgl. IDW S 1 Tz. 85 ff.) nicht mehr verdient werden,
x
sodann entstehen starke Gewinnrückgänge und schließlich
x
Verluste bis hin zum vollständigen Verzehr von Eigenkapital.
x
Diese Entwicklung wird geprägt durch Nachfragerückgänge, Preisverfall und Kostensteigerungen je verkaufter Einheit.
Diese Entwicklung wird geprägt durch Nachfragerückgänge, Preisverfall, 536 Kostensteigerungen je verkaufter Einheit und meistens Verlust der wichtigen und besten Mitarbeiter. 5. Feststellungen zur Liquiditätskrise Mit Eintritt der Liquiditätskrise ist das Unternehmen in seiner Existenz akut 537 gefährdet. Eingetretene Liquiditätsschwierigkeiten indizieren ein Insolvenzrisiko, falls keine oder unzureichende Maßnahmen ergriffen werden. Häufig wird spätestens mit einer Liquiditätskrise auch eine krisenverschärfende 538 Finanzierungsstruktur offensichtlich. Gründe hierfür können sein: x
Mangelnde Fristenkongruenz zwischen Kapitalbindung und Kapitalbereitstellung
x
Unzureichendes Forderungsmanagement
x
Unzureichendes Working-Capital-Management
x
Finanzierung von Anlagevermögen aus Cashflow
133
I. Analyse
x
Fehlende Übereinstimmung zwischen Geschäftsmodell und Eigenkapitalsituation
x
Komplexe Finanzierungsstruktur aufgrund einer Vielzahl bilateraler Beziehungen zu Finanzgebern mit heterogener Interessenlage
x
Unausgewogene Zusammensetzung der Finanzierung mit Eigenkapital, Fremdkapital und hybriden Finanzierungsformen.
x
Klumpenrisiken in der Fälligkeitsstruktur von Finanzierungen.
x
Zu große Investitionen, insbesondere auch in unproduktiven Bereichen
6. Feststellungen zur Insolvenzreife 539 Eine sich zuspitzende Liquiditätskrise kann zu dem Insolvenzgrund der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit führen. Wird eine Insolvenzreife festgestellt, muss diese mit geeigneten und schnell realisierbaren Maßnahmen beseitigt und eine positive Fortbestehensprognose geschaffen werden.
134
J. Maßnahmen definieren Das jeweilige Krisenstadium bestimmt Inhalte, Handlungsspielraum und Maß- 540 nahmen des Sanierungskonzepts. Die Sanierungsmaßnahmen zielen entsprechend der Dringlichkeit zunächst x
auf die Beseitigung von Insolvenzgründen (Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung), d. h. auf die Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens (Liquiditätssicherungsprogramm) und (erst dann) auf die vermögensmäßige Schuldendeckung,
x
dann auf das Erreichen der Gewinnzone durch ein effizientes Kostensenkungs- und Effizienzsteigerungsprogramm und schließlich
x
auf die strategische (Neu-)Ausrichtung des Unternehmens, ggf. bis hin zu den jeweils maßgeblichen Stakeholdern, um zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Erfolgspotenziale und dadurch Wachstumspotenziale zu erschließen.
Allerdings ist darauf zu achten, dass nicht nur bei den Kosten angesetzt wird 541 (Effizienz), sondern zuerst überlegt wird, wie aus den bestehenden Ressourcen mehr Ertrag erzeugt werden kann (Effektivität). Hamel/Prahalad, Wettlauf um die Zukunft, S. 31 ff.
Nachhaltige Sanierung verlangt ein Konzept zur Stärkung bzw. Wiedergewin- 542 nung der Wettbewerbsfähigkeit und kann sich nicht mit Kurz- und Mittelfristmaßnahmen begnügen. Für den Sanierungserfolg ist die Einhaltung der zeitlichen und finanziellen Vorgaben von entscheidender Bedeutung. Es sollen daher im Sanierungskonzept für die einzelnen Maßnahmen die zeitlichen und finanziellen Erfordernisse sowie die Verantwortlichen genannt werden (siehe Rn. 175). In der Entwicklung der Krisenstadien verstärken die Krisenursachen der vor- 543 gelagerten Krisenstadien die Probleme in der Erfolgs- und der Liquiditätskrise. Um eine Insolvenz zu vermeiden, sind zunächst liquiditätssichernde und verlustbeseitigende Maßnahmen einzuleiten. Ein nachhaltiger Sanierungserfolg wird sich jedoch nur einstellen, wenn auch die Ursachen aus vorgelagerten und parallelen Krisenstadien beseitigt worden sind. Je weiter die festgestellte Unternehmenskrise fortgeschritten ist, umso wich- 544 tiger wird es, auch Sanierungsstrategien im Rahmen eines möglichen Insolvenzverfahrens zu untersuchen und einer außergerichtlichen Sanierung gegenüberzustellen.
135
J. Maßnahmen definieren
545 Allgemein gilt für alle Maßnahmen, dass sie detailliert beschrieben werden müssen. Dabei bietet sich folgendes „Raster“ an: MaßBeginn der nahme Maßnahme
Kosten der Zeitpunkt Wirkung der Maßnahme Kosten Maßnahme
Zeitpunkt UmsetzungswahrWirkung scheinlichkeit
546 Sinnvoll erachten wir auch, die Wirkung der Maßnahmen auf die VFE-Lage tabellarisch festzuhalten. Hierdurch wird sichergestellt, dass die Maßnahmen in der Planungsrechnung richtig abgebildet werden. MaßZeitpunkt Zeitpunkt Zeitpunkt FolgewirFolgewirFolgewirkung nahme und Ertrags- und Bilanz- und Liquidi- kung Ertrag kung Bilanz Liquidität wirkung wirkung tätswirkung
I. Überwindung der Insolvenz 547 Die Sanierung des Unternehmens in der Insolvenz kann im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens – ggf. i. V. m. einer Eigenverwaltung – erfolgen. Dafür gewährt die Insolvenzordnung zahlreiche Erleichterungen zur Entlastung von unwirtschaftlichen Verträgen und Dauerschuldverhältnissen. Die Sanierung des Betriebs ist aber auch durch übertragende Sanierung möglich. Gerade durch das ESUG wurden mit Einführung des Schutzschirmverfahrens und der Stärkung der Eigenverwaltung Anreize für eine Sanierung innerhalb eines Insolvenzverfahrens geschaffen. Eine gute Planung zeigt die verschiedenen Handlungsoptionen mit ihren Vor- und Nachteilen auf. II. Vermeidung der Insolvenz 548 Mit Feststellung eines Insolvenzgrunds besteht bei Kapitalgesellschaften & Co. und ihnen insoweit gleichgestellten Personenhandelsgesellschaften noch eine Frist von höchstens drei Wochen, um durch geeignete Sanierungsmaßnahmen die Einleitung des Insolvenzverfahrens abzuwenden. 549 Die Sicherung der Zahlungsfähigkeit setzt voraus, dass das Unternehmen im Prognosezeitraum in die Lage versetzt wird, seine jeweils fälligen Verbindlichkeiten fristgerecht zu begleichen, d. h. den Ausschluss der zwingenden Insolvenzgründe. 550 Zur Abwendung einer Überschuldung muss entweder der Status eine Schuldendeckung aufweisen, z. B. durch Eigenmittelzufuhr oder rangrückgetretenen Darlehen, oder aber die Fortbestehensprognose muss aufgrund der Liquiditäts-
136
III. Überwindung der Liquiditätskrise
ausstattung positiv sein. Neben Gesellschafterleistungen kommen auch Beiträge der Gläubiger und der Belegschaft in Betracht. „Die Fortführungsfähigkeit eines Unternehmens hängt in einer solch kritischen Phase auch davon ab, welche Handlungsspielräume aufgrund bestehender „Realoptionen“ einschließlich zugesagter sowie ernsthaft in Aussicht gestellter Absicherungen und Beiträge durch die Gesellschafter, Banken, maßgebliche Lieferanten und Gläubiger sowie Management und Belegschaft noch vorhanden sind.“ IDW F&A 6.1.; IDW S 6 (2012) Tz. 109.
Das heißt, Sanierungsberatung ist immer eine Bewertung und Auswahl von 551 Handlungsoptionen. Auf nur abstrakt mögliche Handlungsalternativen kann eine Aussage zur Fortführungsfähigkeit nicht gestützt werden. Vgl. auch OLG Celle, Urt. v. 23.10.2003 – 16 U 199/02, ZIP 2003, 2118.
III. Überwindung der Liquiditätskrise Die insolvenzrechtliche Liquidität wird aus drei Bestandteilen abgeleitet: Den 552 aktuell freien Mitteln, den künftigen Einzahlungen und den künftigen Auszahlungen. Die Liquiditätskrise kann durch zwei Maßnahmen beseitigt werden: entweder werden frische liquide Mittel beigebracht (z. B. Erhöhung freier Mittel und/oder künftiger Einzahlungen durch Anforderung von A-conto-Zahlungen) oder es werden „Fälligkeiten beseitigt“ (z. B. Reduktion künftiger Auszahlungsverpflichtungen durch Ratenzahlungsvereinbarungen). „Liquiditätspotenziale können z. B. durch •
Optimierung der Lagerhaltung,
•
Reduzierung der Forderungslaufzeiten,
•
Factoring von Forderungen,
•
Outsourcing von Randfunktionen/Randgeschäften sowie
•
Sale and Lease Back von Anlagegütern
gehoben werden.“ IDW F&A 6.1.; IDW S 6 (2012) Tz. 111.
Die dauerhafte Wiedergewinnung hinreichender Kreditfähigkeit setzt zudem 553 voraus, dass das Unternehmen sein Rating verbessert, und ausreichende Sicherheiten stellen kann. Diese können auch von Dritten, also aus dem Gesellschafterbereich sowie von der öffentlichen Hand kommen. Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2305.
1. Exkurs: Interne Maßnahmen Der folgende Abschnitt befasst sich mit internen, kurzfristigen Möglichkeiten, 554 die Insolvenzantragspflicht zu vermeiden. Es gilt danach Maßnahmen zu ergrei137
J. Maßnahmen definieren
fen, die in der Lage sind, Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung zu verhindern bzw. zu beseitigen. Die dabei naturgemäß erforderliche, schnellstmögliche Umsetzung verlangt nach kurzfristig wirksamen Sanierungsmaßnahmen. Um der sich bietenden Fülle an potentiellen Maßnahmen Herr zu werden, bietet sich eine Unterscheidung von internen und externen Maßnahmen an, wobei interne Maßnahmen vom jeweiligen Unternehmen autonom, ohne jegliche Drittbeteiligung durchgeführt werden können. Dagegen benötigen die externen Maßnahmen der Mithilfe oder des Einverständnisses Dritter. Im Rahmen der internen Maßnahmen bietet sich eine weitere Unterscheidung zwischen leistungswirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Maßnahmen an. Diese Differenzierungen dienen lediglich der leichteren Erfassbarkeit des Stoffes, eine in jedem Bereich trennscharfe Abgrenzung vermögen sie nicht zu leisten. 555 Übergreifend lässt sich feststellen, dass die Maßnahmen regelmäßig kombiniert angewendet werden müssen, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Welche Einzelmaßnahmen bzw. welche Kombination von Maßnahmen hierfür am besten geeignet erscheinen, muss für jeden Einzelfall gesondert beurteilt werden. Die nachfolgend aufgeführten Maßnahmen können danach nicht abschließend sein, sondern bieten lediglich Anhaltspunkte für einen einzelfallgerechten Maßnahmenkatalog. a) Kapitalerhöhung/vereinfachte Kapitalherabsetzung 556 Eine effektive Kapitalerhöhung (vgl. §§ 55 ff. GmbHG) führt zur Einbringung frischer Bar- oder Sachmittel auf der Aktivseite der Bilanz. Dies wirkt sich positiv hinsichtlich einer potentiellen Überschuldung aus und kann daneben, im Falle von Bareinlagen, auch zur Verbesserung der Liquidität sorgen. Erforderlich ist hierfür ein Gesellschafterbeschluss mit Dreiviertel-Mehrheit (vgl. § 53 Abs. 2 GmbHG) sowie die Eintragung ins Handelsregister (vgl. § 57 Abs. 1 GmbHG). Die sanierende, effektive Kapitalerhöhung wird typischerweise mit einer nominellen Kapitalherabsetzung verbunden. Dies ist zur Bereinigung der Bilanz vor der Zuführung frischen Kapitals notwendig, um eine Bindung der neuen Mittel zur Deckung früherer Verluste zu verhindern. Zu Sanierungszwecken kann eine vereinfachte Kapitalherabsetzung durchgeführt werden (vgl. § 58a GmbHG). Im Unterschied zur ordentlichen Kapitalherabsetzung zeichnet sich diese durch ein beschleunigtes Verfahren sowie einen verminderten Gläubigerschutz aus. Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl., 2015, § 58 Rn. 2.
557 Sie beinhaltet die Auflösung der Rücklagen zur Deckung der Verluste sowie zur Verwendung in der Kapitalrücklage. Beträge, die durch die vereinfachte Kapitalherabsetzung in die Kapitalrücklage gelangt sind, unterliegen allerdings einer fünfjährigen Ausschüttungssperre (§ 58b Abs. 3 GmbHG). Daneben bestehen innerhalb dieses Zeitraums auch für Gewinnausschüttungen strengere Anforderungen (vgl. § 58d GmbHG). Zu beachten ist aber, dass bei Kapitalherabsetzung und Kapitalerhöhung ein Anteilseignerwechsel stattfinden kann, der
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III. Überwindung der Liquiditätskrise
zum Verlust von steuerlichen Verlustvorträgen führen kann, §§ 8c KStG, 10a GewStG. Im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung bestehen allerdings nicht zu unter- 558 schätzende Haftungsrisiken. Diese treffen gemäß § 24 GmbHG nicht lediglich jene Gesellschafter, die neue Einlagen übernommen haben, sondern sämtliche Mitgesellschafter. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, Rn. 2.40 f. m. w. N.
Ein erhebliches Risiko besteht ferner bei Vorleistungen auf eine noch nicht be- 559 schlossene Kapitalerhöhung. Hier ist zu beachten, dass bei der Kapitalerhöhung die Zuzahlung im Zeitpunkt der Beschlussfassung noch unverbraucht vorhanden sein muss. Dies führt zu einem Einfrieren des Erhöhungsbetrags. Gerade in Sanierungsfällen wird aber die Liquidität schnell benötigt. Aus diesem Grund billigt die Rechtsprechung in der Krise Erleichterungen zu. In Ausnahmefällen sind Vorauszahlungen auf einen künftigen Kapitalerhöhungsbeschluss zulässig, wenngleich dies grundsätzlich unzulässig ist. Die Gefahr, für den Erhöhungsbetrag nochmals in Anspruch genommen zu werden, ist erheblich. Eine Vorauszahlung auf eine noch nicht beschlossene Kapitalerhöhung ist grundsätzlich unwirksam. So hat der BGH im Leitsatz seines Urteils vom 15.3.2004,
560
BGH, Urt. v. 15.3.2004 – II ZR 210/01, ZIP 2004, 849
entschieden: „Im Kapitalaufbringungssystem der GmbH bildet der Kapitalerhöhungsbeschluss die maßgebliche Zäsur. Voreinzahlungen auf die künftige Kapitalerhöhung haben schuldtilgende Wirkung nur dann, wenn der eingezahlte Betrag im Zeitpunkt der Fassung des Erhöhungsbeschlusses noch als solcher im Vermögen der Gesellschaft vorhanden ist. […]“
Es sollte demnach bei der Kapitalerhöhung auf jeden Fall darauf geachtet 561 werden, dass das voreingezahlte Kapital zur Zeit des Erhöhungsbeschlusses noch vorhanden ist. Der BGH hat dies in seinem Urteil vom 26.6.2006 nochmals ausdrücklich klargestellt und im Leitsatz zu den Anforderungen an eine wirksame Voreinzahlung wie folgt ausgeführt: „Voreinzahlungen auf eine künftige Kapitalerhöhung haben grundsätzlich nur dann Tilgungswirkung, wenn der eingezahlte Betrag im Zeitpunkt der Beschlussfassung und der mit ihr üblicherweise verbundenen Übernahmeerklärung als solcher noch im Gesellschaftsvermögen zweifelsfrei vorhanden ist (Bestätigung von BGH, 15. März 2004, II ZR 210/01. Ausnahmsweise können Voreinzahlungen unter engen Voraussetzungen als wirksame Erfüllung der später übernommenen Einlageschuld anerkannt werden, wenn nämlich die Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung im Anschluss an die Voreinzahlung mit aller gebotenen Beschleunigung nachgeholt wird, ein akuter Sanierungsfall vorliegt, andere Maßnahmen nicht in Betracht kommen und die Rettung der sanierungsfähigen Gesellschaft scheitern würde, falls die übliche Reihenfolge der Durchführung der Kapitalerhöhungsmaßnahme beachtet werden müsste.“ BGH, Urt. v. 26.6.2006 – II ZR 43/05, ZIP 2006, 2214.
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J. Maßnahmen definieren
562 In den Entscheidungsgründen präzisiert der BGH die Anforderungen an eine Ausnahme noch weiter. Für das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen ist der Gesellschafter darlegungs- und beweispflichtig: x
Es muss ein akuter Sanierungsfall vorliegen.
x
Die Gesellschaft muss sofort frische Mittel benötigen.
x
Andere Maßnahmen dürfen nicht zum Ziel führen (Einzahlung von Mitteln in die Kapitalrücklage oder auf ein gesondertes, der Haftung für einen bestehenden Bankkredit nach den bankrechtlichen Regeln nicht unterliegendes Sonderkonto).
x
Die Einzahlung erfolgt mit Sanierungswillen.
x
Es besteht eine grundsätzliche Sanierungsfähigkeit.
x
Die Einzahlung muss die drohende Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung beseitigen.
x
Die Erkennbarkeit des Tilgungszwecks muss eindeutig gegeben sein.
x
Ferner muss ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Beschlussfassung gegeben sein und
x
die Voreinzahlung ist im Kapitalerhöhungsbeschluss und bei Eintragungsanmeldung offenzulegen.
563 Aus diesen Anforderungen wird ersichtlich, dass die Begründung des Vorliegens einer Ausnahme im Einzelfall nur äußerst selten gelingen wird. Schmidt bezeichnet daher „eine dem Kapitalerhöhungsbeschluss vorausgehende Zahlung […] als einen Kunstfehler“. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, Rn. 2.49.
564 Ein weiteres Problem stellt sich bei Zahlungen auf ein debitorisches Konto. Die Einlageverpflichtung wird hier nur erfüllt, soweit die Kreditlinie noch nicht erschöpft ist oder das Kreditinstitut auf einem anderen Konto entsprechenden Kredit gewährt oder den Geschäftsführer über einen Betrag in Höhe der Einlage anderweitig verfügen lässt (Kreditzusage, stillschweigende Gestattung). BGH, Urt. v. 18.3.2002 – II ZR 363/00, ZIP 2002, 799; BGH, Urt. v. 8.11.2004 – II ZR 362/02, ZIP 2005, 121; Bauer, Die GmbH in der Krise, Rn. 1590.
565 Vorsorglich sollte der Geschäftsführer daher vor Eingang der neuen Bareinlagen ein neues, aktivisches Konto einrichten und die Zahlungen dorthin anfordern oder mit der Bank über die Kreditlinie verhandeln. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, Rn. 2.42.
Hin- und Herzahlen 566 Seit der GmbHG-Reform durch das MoMiG im Jahr 2008 ist dieses Problem ausdrücklich in § 19 Abs. 5 GmbHG geregelt. Zuvor konnte sich ein Gesell-
140
III. Überwindung der Liquiditätskrise
schafter nicht von seiner Einlagepflicht befreien, wenn der Einlagebetrag, meist als Darlehen, zeitnah nach Leistung der Einlage wieder an diesen zurückfloss. Erst mit tatsächlicher Leistung des Gesellschafters auf die – nach Ansicht des BGH – nichtige Darlehensabrede konnte die Einlageschuld erfüllt werden. BGH, Urt. v. 21.11.2005 – II ZR 140/04, ZIP 2005, 2203.
Nach dem MoMiG ist mittlerweile auch im Falle einer Hin- und Herzahlung 567 eine Befreiung von der Einlagepflicht möglich. Hierzu müssen allerdings die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein: x
x
Die Leistung ist durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt, –
der jederzeit fällig ist oder
–
durch fristlose Kündigung fällig werden kann.
Die Angabe ist in der Anmeldung zum Handelsregister notwendig.
Besonderes Augenmerk verdient dabei das Erfordernis der „Vollwertigkeit“. 568 Ob hierzu lediglich die Bonität des Gesellschafters vorliegen muss oder ob gar Liquidität in entsprechender Höhe zu verlangen ist, war zunächst nicht eindeutig geklärt. Bauer, Die GmbH in der Krise, Rn. 940 ff., 966, 1540 f.
Mittlerweile muss aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung davon 569 ausgegangen werden, dass der Anspruch tatsächlich liquide sein muss. OLG Nürnberg, Urt. v. 13.10.2010 – 12 U 1528/09, ZIP 2010, 2300.
Daneben muss beachtet werden, dass die Angabe in der Anmeldung der Kapi- 570 talerhöhung nicht bloß als Ordnungsvorschrift dient, sondern vielmehr als konstitutives Merkmal zur Einlagenerbringung verstanden wird. BGH, Urt. v. 20.7.2009 – II ZR 273/07, BGHZ 182, 103 = ZIP 2009, 1561 (m. Bespr. Altmeppen, S. 1545), dazu EWiR 2009, 537 (Maier-Reimer).
Verdeckte Sacheinlagen Was hierunter verstanden wird, erläutert der BGH anschaulich in seinem Urteil 571 vom 11.2.2008: „Als verdeckte Sacheinlage ist es anzusehen, wenn die gesetzlichen Regeln für Sacheinlagen dadurch unterlaufen werden, dass zwar eine Bareinlage vereinbart wird, die Gesellschaft aber bei wirtschaftlicher Betrachtung von dem Einleger aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Einlage getroffenen Absprache einen Sachwert erhalten soll (vgl. BGHZ 170, 47, 51 = ZIP 2007, 178 Tz. 11 m. w. N. u. st. Rspr.). Eine derartige Aufspaltung des wirtschaftlich einheitlich gewollten Vorgangs einer Sacheinbringung in mehrere rechtlich getrennte Geschäfte, bei denen der Gesellschaft zwar formal Bargeld als Einlage zugeführt, dieses jedoch im Zusammenhang mit einem Rechtsgeschäft gegen die Übertragung eines anderen Gegenstandes zurückgewährt wird, und mit dem die Gesellschaft im wirtschaftlichen Ergebnis keine Bar-, sondern eine Sacheinlage erhält, […]“ BGH, Urt. v. 11.2.2008 – II ZR 171/06, ZIP 2008, 643.
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J. Maßnahmen definieren
572 Nach früherer Rechtslage befreiten „verdeckte Sacheinlagen“ nicht von der Einlageschuld, mit der Folge, dass diese nochmals zu leisten war. BGH, Urt. v. 11.2.2008 – II ZR 171/06, ZIP 2008, 643.
573 Durch das MoMiG erfuhr diese Sachverhaltskonstellation eine Regelung in § 19 Abs. 4 GmbHG. Die „verdeckte Sacheinlage“ wird danach zwar nicht mehr als unwirksam betrachtet. Dennoch bleibt ein nicht unerhebliches Risiko bestehen. Der Wert der Sacheinlage zum Zeitpunkt der Überlassung an die Gesellschaft wird auf die Einlagepflicht angerechnet. Eine verbleibende Differenz ist auszugleichen. Befand sich die Gesellschaft demnach bereits bei Überlassung in der Krise, kann es zu beträchtlichen Wertberichtigungen kommen, woraus für den Gesellschafter ein u. U. enormes Unterdeckungsrisiko erwächst. Zahlungen an Gesellschaftsgläubiger 574 Selbst wenn die Einlagenzahlung an einen Gesellschaftsgläubiger auf Weisung des Geschäftsführers erfolgt, befreit diese den Einlageschuldner nicht. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, Rn. 2.45.
575 Die Leistung der Einlage durch Zahlung an einen Gesellschaftsgläubiger sollte keinesfalls erfolgen. Schmidt bezeichnet dies als „eiserne Regel“ des Geschäftsführers. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, Rn. 2.45.
b) Gesellschafterdarlehen 576 Die Kreditfinanzierung durch Gesellschafterdarlehen birgt enormes Sanierungspotential. Hierdurch kann nicht lediglich die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft gesichert bzw. wiederhergestellt, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Überschuldung vermieden oder beseitigt werden. Durch das MoMiG kam es diesbezüglich zur Aufgabe des „Eigenkapitalersatzrechts“ (§ 32a GmbHG a. F.) und zur vollständigen Verlagerung des Regelungsbereichs in das Insolvenzrecht (insb. §§ 19, 39, 135 InsO). Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Regeln zum Eigenkapitalersatz fanden die §§ 30, 31 GmbHG analog auf eigenkapitalersetzende Darlehen und diesen gleichgesetzten Finanzierungsmaßnahmen Anwendung. Wurde danach ein Darlehen als eigenkapitalersetzend angesehen, so folgte daraus eine Rückzahlungssperre bis zur nachhaltigen Wiederherstellung des Stammkapitals, sprich bis zur Beseitigung einer Unterbilanz. Schmidt/Uhlenbruck-Brinkmann, Rn. 2.93 m. w. N.
577 Will ein Gesellschafter einen Sanierungsbeitrag durch Gewährung eines Darlehens leisten, so muss er nach neuer Rechtslage folgende Punkte berücksichtigen. Schmidt/Uhlenbruck-Brinkmann, Rn. 2.91 ff.
x
142
Das Darlehen ist im Insolvenzfall nachrangig zu berücksichtigen, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO.
III. Überwindung der Liquiditätskrise
x
Rückzahlungen binnen Jahresfrist vor einer Insolvenz unterliegen der Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO (dies gilt auch, falls der Gesellschafter seinen Rückzahlungsanspruch abgetreten hat und die Gesellschaft an den Dritten gezahlt hat). BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582.
x
Etwaige Besicherungen des Darlehens werden erst nach zehn Jahren anfechtungsfest, § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO.
x
Dies gilt auch für Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Finanzierungsmaßnahmen (z. B. gestundete Forderungen, typische stille Einlagen, Warenkreditlinien durch Duldung nachträglicher Forderungsbegleichung).
x
Aber: Es besteht keine gesetzliche Rückzahlungssperre während der Krise mehr nach § 30 GmbHG analog.
Soll mit dem Darlehen nicht lediglich der Zahlungsunfähigkeit entgegengewirkt 578 werden, sondern soll ebenso eine Überschuldung verhindert oder beseitigt werden, so muss bzgl. des Darlehens ein Rangrücktritt gemäß § 39 Abs. 2 InsO hinter die in § 39 Abs. 1 Nr. 1 – 5 InsO bezeichneten Forderungen vereinbart werden. Nur dies führt dazu, dass das Gesellschafterdarlehen nicht im Überschuldungsstatus passiviert werden müssen (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO). Ein ähnliches Problem ergibt sich im Zusammenhang mit der Stellung von Si- 579 cherheiten für Drittkredite durch die Gesellschafter. Damit dem Rückzahlungsanspruch des Dritten im Überschuldungsstatus ein Freistellungsanspruch gegen den Gesellschafter entgegengesetzt werden kann (§ 19 Abs. 2 Satz 2 InsO analog), muss x
eine Freistellungspflicht des Gesellschafters zugunsten der Gesellschaft vereinbart und
x
für den Regressanspruch des Gesellschafters gegen die Gesellschaft ein Rangrücktritt vereinbart werden. Schmidt/Uhlenbruck-Brinkmann, Rn. 2.116 und 2.148.
c) Patronatserklärungen Eine sog. harte Patronatserklärung kann die Überschuldung beseitigen, indem 580 Erstere auf der Aktivseite des Überschuldungsstatus ausgewiesen wird. Sie ist eine Erklärung zum unbedingten Verlustausgleich zugunsten sämtlicher Gläubiger des Unternehmens (interne Patronatserklärung). Bauer, Die GmbH in der Krise, Rn. 203 ff.
Die Überschuldung beseitigt diese allerdings nur, wenn sie der Gesellschaft 581 einen eigenen durchsetzbaren Anspruch gegen den Patron einräumt. OLG Celle, Urt. v. 18.6.2008 – 9 U 14/08, ZIP 2008, 2416.
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J. Maßnahmen definieren
582 Als Patron kommen insbesondere verbundene Unternehmen innerhalb eines Konzerns oder auch Gesellschafter in Betracht. Wird eine Patronatserklärung lediglich gegenüber einem Gläubiger erklärt (externe Patronatserklärung), handelt es sich um ein individuelles Kreditsicherungsmittel. Dieses entlastet den Überschuldungsstatus nur soweit x
eine Freistellungspflicht des Gesellschafters zugunsten der Gesellschaft vereinbart und
x
für den Regressanspruch des Gesellschafters gegen die Gesellschaft ein Rangrücktritt vereinbart werden. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, Rn. 5.135 ff.
583 Die sog. weiche Patronatserklärung, so etwa die Erklärung, dass man auch weiterhin zur Gesellschaft „stehe“, beinhaltet keine rechtsverbindliche Verpflichtung des Patrons und ist zur Beseitigung oder Verhinderung der Überschuldung ungeeignet. Bauer, Die GmbH in der Krise, Rn. 224 ff.
d) Verkauf von nicht betriebsnotwendigem Vermögen 584 Der Verkauf nicht betriebsnotwendigen Vermögens, wie etwa von Grundstücken, Unternehmensbeteiligungen etc., verschafft dem Unternehmen liquide Mittel und kann zur Aufdeckung stiller Reserven führen, was sich positiv auf den Überschuldungsstatus auswirkt. In diesem Fall müssen dann aber auch etwaige steuerliche Konsequenzen berücksichtigt werden. Umgekehrt muss bei Veräußerungen in einer Notlage auch mit Wertabschlägen gerechnet werden. Liegt also der Erlös unter dem Buchwert, kommt es zur Verlustrealisierung, was sich negativ auf den Überschuldungsstatus auswirkt. e) Sale and Lease Back 585 Handelt es sich um betriebsnotwendiges Vermögen, kommt auch das sog. Sale and Lease Back in Betracht. Hierbei veräußert das Unternehmen seinen Vermögensgegenstand, um diesen dann zurückzu„leasen“. Auch hier kann es zur Aufdeckung stiller Reserven sowie zur Liquiditätsverbesserung und damit zur Verbesserung des Überschuldungsstatus bzw. der Zahlungsfähigkeit kommen. Dieses Instrument kann allerdings nur zur kurzfristigen Intervention dienen, da das Leasing lediglich in den Anfangsperioden zu Liquiditätsvorteilen führt und in der Folge aufgrund der Leasingraten sowohl den künftigen Cashflow wie den künftigen Ertrag belasten. f) Factoring 586 Das sog. Factoring, also der Verkauf von Forderungen, führt zur schnellen Zufuhr von Liquidität. Allerdings entstehen dabei auch nicht unerhebliche Kosten für die Verwaltung des Forderungskäufers (Factor), dessen Gewinne, Risiko-
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III. Überwindung der Liquiditätskrise
prämien und Zinsen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass Factoring nur zu einem Einmaleffekt führt, d. h., es bringt einmal eine Liquiditätsspitze und anschließend (dauerhaft) Erlösschmälerungen. Es wird zwischen „echtem“ und „unechtem“ Factoring unterschieden. Nur beim „echten“ Factoring verbleibt die Forderung endgültig beim Factor, auch wenn eine Zahlung hierauf nicht erfolgt. Beim „unechten“ Factoring holt sich der Factor die Liquidität, im Falle der Uneinbringlichkeit der Forderung, wieder vom Verkäufer zurück. Nur das „echte“ Factoring führt zur Bilanzentlastung. Da sich der Einzug von Forderungen eines insolventen Unternehmens regelmäßig schwierig gestaltet, wird es meist schwer sein, einen „echten“ Factor während des akuten Krisenstadiums zu finden. g) Sanierende Eingriffe in die Struktur des Unternehmens Als weitere Möglichkeit, einer Insolvenzantragspflicht zu entgehen, bietet 587 sich die Umwandlung in eine Rechtsform an, für die keine Insolvenzantragspflicht besteht, z. B. Verschmelzung der GmbH auf deren Alleingesellschafter bzw. auf eine Personengesellschaft. Daneben besteht u. a. auch die Möglichkeit der Verschmelzung einer GmbH auf eine GmbH. Allerdings werden durch das UmwStG erhebliche Hürden aufgebaut. So gehen insbesondere etwaige Verlustvorträge verloren (§ 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt und Crezelius, Rn. 2.245 ff., 2.626 ff.; dies stellt eine nicht unerhebliche „Sanierungsbremse“ dar, Schmidt/Uhlenbruck-Crezelius, Rn. 2.639; Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 17 Rn. 142.
Die Verschmelzung einer sanierungsbedürftigen auf eine gesunde Gesellschaft 588 erscheint dementsprechend wenig ratsam. Aber auch im umgekehrten Fall der Verschmelzung einer gesunden Gesellschaft auf eine sanierungsbedürftige, droht der Verlust der Verlustvorträge nach § 8c KStG. Schmidt/Uhlenbruck-Crezelius, Rn. 2.629 m. w. N.
Sinnvoll ist eine solche Maßnahme erst auf Basis eines Sanierungskonzepts, 589 um damit in den Genuss des Sanierungserlasses, der in dem § 3a EStG n. F. geregelt sein wird, zu gelangen. BMF Schreiben (koordinierter Ländererlass) v. 27.3.2003, BStBl. 2003 I 240.
Der BFH hat den Sanierungserlass mit einem am 7.2.2017 veröffentlichten 590 Beschluss zwar für nicht mehr anwendbar erklärt, es wird jedoch eine endgültige Verabschiedung einer gesetzlichen Neuregelung (§ 3a EStG und die dazugehörigen weiteren Regelungen) erwartet. Die EU-Kommission hat dem Bundesministerium für Finanzen anstelle des 591 geforderten gesondert bekanntzumachenden förmlichen Beschlusses einen „Comfort Letter“ übersandt und die gesetzliche Neuregelung des Sanierungserlasses nicht als unzulässige Beihilfe angesehen und damit ihre Unbe-
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J. Maßnahmen definieren
denklichkeit bescheinigt. Die Voraussetzungen für das Inkrafttreten der neuen Vorschrift sind folglich bisher mangels formellen Beschlusses noch nicht erfüllt. Es bedarf hierfür noch einer Änderung der Vorschrift, die derzeit noch einen solchen Vorbehalt enthält. Der bisherige Vorbehalt des Inkrafttretens soll nun aber tatsächlich gestrichen werden. BT-Drucks. 19/4455, S. 109.
592 Mit der nachträglich eingefügten Regelung des Art. 15a im Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (BT-Drucks. 19/4455) soll die bisherige Regelung des Art. 6 Abs. 2 nun aufgehoben werden. 593 § 3a EStG würde damit gemäß Art 6 Abs. 1 des Gesetzes gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen zum 5.7.2017 rückwirkend in Kraft treten. 594 Der Bundesrat hat um Prüfung gebeten, ob eine gesicherte Rechtsgrundlage auch für Sanierungsfälle geschaffen werden kann, in denen der Forderungsverzicht der Gläubiger bis zum 8.2.2017 erklärt oder in denen bis zu diesem Stichtag eine verbindliche Auskunft erteilt wurde. 595 Zwischenzeitlich hat das Gesetz sowohl den Bundestag als auch den Bundesrat passiert und wurde ratifiziert. 596 Daneben ist zu beachten, dass eine Verschmelzung ohne weitere Kapitalmaßnahmen u. U. gar nicht durchführbar ist, falls bereits eine Überschuldung des zu sanierenden Unternehmens vorliegt. Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 17 Rn. 43.
597 Hinzu kommt der Gläubigerschutz des UmwG (vgl. § 22 UmwG), welcher es nicht erlaubt, sich von Altverbindlichkeiten zu befreien. Letztlich darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Umwandlung erst mit Eintragung wirksam wird (§ 20 UmwG). Den Umwandlungsvorgang innerhalb der Drei-WochenFrist zur Insolvenzantragsstellung abzuschließen, gestaltet sich daher regelmäßig äußerst schwierig. Bauer, Die GmbH in der Krise, Rn. 269 ff.
598 Strukturveränderungen mit Hilfe des Umwandlungsrechts können zwar einen gewissen Sanierungsbeitrag leisten, erscheinen jedoch eher zur Insolvenzprophylaxe geeignet und sollten jedenfalls stets nur einen Teil eines umfassenden Sanierungskonzepts darstellen. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, Rn. 2.246.
599 Wir halten die Empfehlung der Verschmelzung für hochgradig haftungsträchtig.
146
III. Überwindung der Liquiditätskrise
Beispiel: GmbH
EU
AV
100
Kap
0
UV
300
VB
500
FB
100 500
500
Haus
100
LV
50
VB
150
150
150
Wenn in dieser Situation die GmbH auf den Einzelunternehmer ohne ein taugliches Sanierungskonzept verschmolzen wird, könnte der Vorwurf der Vermögensverschleuderung seitens der Gläubiger des Einzelunternehmers erhoben werden. Dies könnte neben der Strafbarkeit gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB u. U. die Versagung der Restschuldbefreiung zur Folge haben, § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO. 2. Externe Maßnahmen a) Aufnahme neuer Gesellschafter Integraler Bestandteil einer Sanierung kann die Zuführung frischer Finanz- 600 mittel sein. Dabei spielt die Aufnahme neuer Gesellschafter im Zuge einer Kapitalerhöhung meist eine zentrale Rolle. Schmidt/Uhlenbruck-Schluck-Amend und K. Schmidt, Rn. 2.240 f.
Auch hier sind selbstverständlich die mit einer Kapitalerhöhung verbundenen, 601 oben unter Rn. 545 ff. aufgeführten Risiken zu beachten. Neue Gesellschafter können sowohl Gläubiger als auch bis dato nicht involvierte Dritte sein. Als Sanierungshemmnis wirken sich u. U. bestehende Bezugsrechte der Alt- 602 gesellschafter aus. Obwohl im GmbHG, anders als im AktG (§ 186 AktG), nicht ausdrücklich geregelt, sind diese auch bei der GmbH höchstrichterlich anerkannt. BGH, Urt. v. 18.4.2005 – II ZR 151/03, ZIP 2005, 985.
Es empfiehlt sich danach etwaige Bezugsrechte auszuschließen. Hierfür be- 603 darf es allerdings regelmäßig eines rechtfertigenden Grundes. Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 55 Rn. 24 f.
Zusätzlich darf der verfolgte Zweck nicht auf schonendere Weise erreichbar 604 sein und der damit verbundene Nachteil nicht außer Verhältnis zu dem für die Gesellschaft erstrebten Vorteil stehen. Zöllner/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 55 Rn. 26 f.
Diese Voraussetzungen liegen zumindest dann vor, wenn die erstrebte Sanie- 605 rung nicht anders erreichbar ist. Zöllner/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 55 Rn. 27.
147
J. Maßnahmen definieren
b) Beiträge der Gläubiger Stundung von Forderungen 606 Forderungsstundungen sind ein effektives Mittel, um eine unmittelbar bevorstehende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit zu verhindern oder zu beseitigen. Die aktuelle Fälligkeit der Rückzahlung wird dadurch beseitigt, kurzfristig fällige Verbindlichkeiten in langfristige Schulden umzuwandeln. Die Vereinbarung von Ratenzahlungen stellt ebenfalls eine Stundung dar. 607 Um sich positiv auf die Zahlungsfähigkeit auswirken zu können, wird teilweise verlangt, dass die „Stundungen“ ausdrücklich vereinbart werden müssen. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, Rn. 2.354 ff.
608 Bloße Nichtzahlung oder verspätete Zahlungen seitens des Schuldners führten nach dieser Ansicht nicht zur Berücksichtigung bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit. Lediglich wenn sich der Gläubiger von vornherein mit Teilzahlungen zufrieden gebe oder wenn Gläubigerbanken unbeanstandet die Kreditlinien überziehen ließen, solle etwas anderes gelten. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2007 verlangt der BGH, Urt. v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, ZIP 2007, 1666,
für die Annahme der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 InsO allerdings ein „ernsthaftes Einfordern“ der jeweiligen Forderung. Hierzu führt dieser aus: „[…] Sinn und Zweck des § 17 InsO verlangen vielmehr, an dem Erfordernis des „ernsthaften Einforderns“ als Voraussetzung einer die Zahlungsunfähigkeit begründenden oder zu dieser beitragenden Forderung festzuhalten. Von der Fälligkeit einer Forderung i. S. d. § 271 Abs. 1 BGB darf nicht schematisch auf die Zahlungsunfähigkeit i. S. v. § 17 InsO geschlossen werden. Vielmehr kann im Einzelfall zu prüfen sein, ob eine nach § 271 Abs. 1 BGB fällige Forderung, die der Schuldner nicht erfüllt, den Schluss auf eine Zahlungsunfähigkeit zulässt. Nach wie vor ist nicht zu verlangen, dass ein Gläubiger ein Zahlungsverlangen regelmäßig oder auch nur ein einziges Mal wiederholt, um sicherzustellen, dass seine Forderung bei der Prüfung der Eröffnungsvoraussetzungen Berücksichtigung findet. Der Zweck der Vorschrift des § 17 InsO, den richtigen Zeitpunkt für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu finden, gebietet die Berücksichtigung auch solcher Gläubiger, die den Schuldner zur Zahlung aufgefordert, dann aber weitere Bemühungen eingestellt haben, ohne ihr Einverständnis damit zum Ausdruck zu bringen, dass der Schuldner seine Verbindlichkeit vorerst nicht erfüllt. Die Forderung eines Gläubigers, der in eine spätere oder nachrangige Befriedigung eingewilligt hat, darf hingegen nicht berücksichtigt werden, auch wenn keine rechtlich bindende Vereinbarung getroffen worden ist oder die Vereinbarung nur auf die Einrede des Schuldners berücksichtigt würde und vom Gläubiger einseitig aufgekündigt werden könnte. Regelmäßig ist eine Forderung also dann i. S. v. § 17 Abs. 2 InsO fällig, wenn eine Gläubigerhandlung feststeht, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt. Dies ist grundsätzlich schon bei Übersendung einer Rechnung zu bejahen. Das Insolvenzgericht hat im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§ 5 Abs. 1 InsO) jedoch Tatsachenbehauptungen des Schuldners oder anderen Anhaltspunkten nachzugehen, die konkret als möglich erscheinen lassen, dass der Gläubiger sich dem Schuldner gegenüber mit einer nachrangigen Befriedigung unter – sei es auch zeitweiligem – Verzicht auf staatlichen Zwang einverstanden erklärt hat (vgl. BGH, Urt. v. 8. Oktober 1998, aaO).“
148
III. Überwindung der Liquiditätskrise
Danach bedarf es u. U. wohl nicht unbedingt einer ausdrücklichen oder gar nur 609 wirksamen Stundungsvereinbarung, um eine Forderung bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit außer Acht zu lassen. Im Sinne eines möglichst rechtssicheren Vorgehens sowie im Hinblick auf eine ausreichende Dokumentation zu Beweiszwecken, empfiehlt es sich jedoch, derartige Vereinbarungen schriftlich festzuhalten. Bauer, Die GmbH in der Krise, Rn. 279 ff.
Auch sog. Stillhalteabkommen – die nicht unbedingt eine Stundung im 610 Rechtssinne enthalten müssen – reichen aus, um eine Forderung nicht als fällige Verbindlichkeit in Ansatz bringen zu müssen. BGH, Urt. v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, ZIP 2008, 420.
Forderungsverzicht mit Besserungsschein Ein Verzicht der Gläubiger auf ihre Forderungen befreit die Gesellschaft von 611 ihrer Zahlungspflicht, kann sich also u. U. positiv auf die Zahlungsfähigkeit auswirken. Daneben bietet dieser ein geeignetes Mittel, die Überschuldung zu verhindern oder zu beseitigen. Rechtsdogmatisch stellt der Verzicht einen Erlassvertrag i. S. v. § 397 Abs. 1 BGB dar. Die Forderung erlischt mit Abschluss des Erlassvertrags, wodurch akzessorische Sicherheiten frei werden. Nichtakzessorische Sicherheiten sind vom Gläubiger zurückzugewähren. Auf einen Forderungsverzicht werden sich hauptsächlich diejenigen Gläubiger 612 einlassen, die an einer Fortsetzung der Geschäftsbeziehung interessiert oder deren Forderungen ungesichert sind. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, Rn. 2.360 ff.
Regelmäßig werden diese aber nicht gänzlich auf ihre Forderungen verzichten 613 wollen. Dementsprechend wird der Erlassvertrag häufig mit einer sog. Besserungsabrede (Besserungsschein) gekoppelt. Dies wird durch Vereinbarung einer auflösenden Bedingung bezüglich des Erlasses erreicht. Verbessern sich die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft, so lebt die Forderung wieder auf. Ein solches Wiederaufleben ist in der Unternehmensplanung abzubilden. In der Erfolgsrechnung wird dies, weil aperiodisch, im außerordentlichen Aufwand ausgewiesen. Zabel, in: Kübler HRI, § 27 Rn. 115.
Besteht die Forderung aufgrund des Verzichts zunächst nicht mehr, dürfen 614 auch keine Zinsen auf diese gezahlt werden. Knebel, DB 2009, 1094, 1095.
Möchte der Gläubiger dieser – für den Fall des Wiederauflebens der Forderung 615 – nicht verlustig gehen, muss eine rückwirkende Verzinsung für die Zeit der andauernden Krise vereinbart werden. Knebel, DB 2009, 1094, 1095.
149
J. Maßnahmen definieren
616 Durch den Forderungsverzicht kann es zu sog. Sanierungsgewinnen kommen. Diese sind grundsätzlich zu versteuern. Da es sich dabei um Gewinne ohne tatsächlichen Liquiditätszufluss handelt, stellt eine Besteuerung eine nicht zu unterschätzende Gefährdung des Sanierungserfolgs dar. 617 Hinsichtlich der Besteuerung von Sanierungsgewinnen ist zwischen dem Forderungsverzicht durch einen Drittgläubiger und einem Verzicht seitens eines Gesellschafter-Gläubigers zu unterscheiden. Handelt es sich um einen Drittgläubiger, entsteht der Gesellschaft ein grundsätzlich zu besteuernder Gewinn in Höhe der Forderung. Verzichtet ein Gesellschafter-Gläubiger, führt dies zu einer erfolgsneutralen, verdeckten Einlage in Höhe des werthaltigen Teils der Forderung, soweit der Verzicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Buth/Hermanns, Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, § 16 Rn. 33.
618 Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis soll gegeben sein, wenn ein Nichtgesellschafter bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns der Gesellschaft den durch den Verzicht entstandenen Vermögensvorteil nicht gewährt hätte. BFH, Urt. v. 16.4.1991 – VIII R 100/87, DStR 1991, 1348.
619 In Höhe des Differenzbetrages zwischen werthaltigem Teil der Forderung und deren Nennbetrag entsteht ein grundsätzlich zu versteuernder Sanierungsgewinn. 620 Die Steuer auf derartige Sanierungsgewinne können aus Billigkeitsgründen, auf Grundlage des BMF-Schreibens v. 27.3.2003, BMF-Schreiben v. 27.3.2003, Bundesministerium der Finanzen, IV A 6 – S-2140 – 8/03, Schreiben (koordinierter Ländererlass) v. 27.3.2003, BStBl 2003 I 240,
gestundet und/oder erlassen werden. Dieser sog. Sanierungserlass stellt hierfür folgende Voraussetzungen auf: x
Sanierungsbedürftigkeit
x
Sanierungsfähigkeit des Unternehmens
x
Sanierungseignung des Schulderlasses
x
Sanierungsabsicht der Gläubiger
621 Vorsicht gebietet diesbezüglich aber eine neue Entscheidung des Bundesfinanzhofs. BFH, Beschl. v. 28.2.2012, VIII R 2/08, ZIP 2012, 989.
622 Darin heißt es: Ob der Wortlaut des Gesetzes und die Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks 13/7480, S. 192) es ausschließen, die Besteuerung eines Sanierungsgewinns i. S. d. aufgehobenen Vorschrift weiterhin – allein aufgrund der §§ 163, 227 AO – als sachlich unbillig anzusehen und von der Besteuerung auszunehmen,
150
III. Überwindung der Liquiditätskrise wenn wie im Streitfall außer der Tatsache des sanierungsbedingten Verzichts eines Gläubigers nach den tatsächlichen Feststellungen des FG weder besondere sachliche oder persönliche Billigkeitsgründe ersichtlich sind, ist streitig […] Jedenfalls ist die Auffassung der Vorinstanz, ein entsprechender Wille des Gesetzgebers (zur generellen Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen) könne angesichts der Abschaffung des § 3 Nr. 66 EStG a. F. nicht angenommen werden, bei der im Rahmen der Kostenentscheidung vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht von vornherein abzulehnen. Denn der Gesetzgeber hat bislang eine generelle Ersatzregelung für § 3 Nr. 66 EStG a. F. nicht geschaffen, sondern lediglich begrenzt auf Teilbereiche des Steuerrechts (wie die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a des Körperschaftsteuergesetzes) eine partielle Sanierungsgewinnbegünstigung eingeführt.
Erfolgt demnach ein sanierungsbedingter Verzicht, ohne dass „besondere sach- 623 liche oder persönliche Billigkeitsgründe ersichtlich sind“, so besteht erhebliche Unsicherheit bezüglich einer Steuerstundung und/oder eines Steuererlasses auf etwaige Sanierungsgewinne. Nur der Vollständigkeit halber sei auf den Vorlagebeschluss des BFH vom 25.3.2015, Vorlagebeschluss des BFH v. 25.3.2015 – X R 23/13, BFH/NV 2015, 1124,
hingewiesen, nach welchem die Verfassungsmäßigkeit des Sanierungserlasses auf den Prüfstand gestellt wird. Rangrücktrittserklärung Mit Vereinbarung eines Rangrücktritts bleibt die Forderung des Gläubigers 624 erhalten. Entscheidend ist jedoch, dass die zurückgetretene Forderung im Überschuldungsstatus nicht mehr passiviert werden muss. BGH, Urt. v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, ZIP 2001, 235.
Dies ergibt sich für Gesellschafterdarlehen und diesen vergleichbaren Finanzie- 625 rungsmitteln ausdrücklich aus § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO. Daneben gilt dies auch für sonstige Gesellschafterforderungen sowie für Drittgläubigerforderungen. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, Rn. 2.369.
Neben einer Entlastung des Überschuldungsstatus kann durch die Erklärung 626 eines Rangrücktritts auch eine Zahlungsunfähigkeit verhindert oder beseitigt werden. Dies ergibt sich aus dem bereits zuvor erwähnten Urteil des BGH vom 19.7.2007, Urt. v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, ZIP 2007, 1666,
wonach Forderungen, in deren nachrangige Befriedigung der Gläubiger eingewilligt hat, bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit unberücksichtigt bleiben. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, Rn. 2.364 ff.
Regelungsbedürftig ist neben dem Rangrücktritt für den Insolvenzfall die vor- 627 insolvenzliche Durchsetzungssperre, die sich nicht ohne Weiteres aus dem Rangrücktritt ergibt; ferner, dass die Zinsen vom Rangrücktritt mit erfasst sind und dass der Rangrücktritt im Besserungsfall erst endet, wenn Über151
J. Maßnahmen definieren
schuldung und Zahlungsunfähigkeit eindeutig und nachhaltig ausgeschlossen sind und die Schuld für die Dauer der Wirkung des Rangrücktritts wegfällt bzw. zur „Nichtschuld“ wird. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, Rn. 2.377.
628 Wird die Dauer der Durchsetzungssperre nicht genauer geregelt, wird die Forderung erst wieder durchsetzbar, „wenn die Gesellschaft weder bilanziell überschuldet ist noch durch die Zahlung in Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit geriete.“ Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, Rn. 2.372.
629 Eine Erweiterung durch klarstellende Besserungsklausel in der Form, dass die Sperrwirkung andauern soll, solange durch die Zahlung eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit „zu entstehen droht“, ist insofern ratsam. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, Rn. 2.372.
630 Nur die Vereinbarung einer vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre im Rangrücktritt lässt es zu, die Verbindlichkeit bei der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeitsprüfung unberücksichtigt zu lassen. Bitter, in: Scholz, GmbHG, Vor § 64 Rn. 65 f.
631 Vom BGH wird diese Durchsetzungssperre wohl in den Rangrücktritt „hineininterpretiert“ und berechtigt den Geschäftsführer, die Zahlung auf die im Rang zurückgetretene Schuld zu verweigern. BGH, Urt. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638.
632 Umstritten ist jedoch, ob aus dem Rangrücktritt ein Zahlungsverbot abzuleiten ist. Ein solches Zahlungsverbot leitet der BGH aus dem Verfügungscharakter des Rangrücktrittsvertrages her. 633 Dieses Zahlungsverbot kann dem Geschäftsführer insofern dienlich sein, als er trotz fortbestehender Krise von im Rang zurückgetretenen Gläubigern zu Teilzahlungen oder Zinszahlungen aufgefordert wird. Der Geschäftsführer kann eine solche Zahlung u. a. unter Berufung auf die Vereinbarung eigener Geschäftsführerpflichten sowie auf das aus dem Rangrücktritt abzuleitende Zahlungsverbot zurückweisen. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, Rn.2.379.
634 Nicht eindeutig geklärt ist allerdings, in welchen Rang die Forderung zurückzutreten hat, um die Überschuldungsbilanz zu entlasten. Zunächst verlangte der BGH einen sog. qualifizierten Rangrücktritt. Wälzholz, GmbH-StB 2006, 76, 77.
635 Dabei musste ein Gleichrang mit der Rückgewähr von Einlagen (vgl. § 199 Satz 2 InsO), dem absolut letzten Rang, vereinbart werden. Mit dem MoMiG wurde im Jahr 2008 die Regelung des § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO eingefügt. Danach sind Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus ver152
III. Überwindung der Liquiditätskrise
gleichbaren Finanzierungsmitteln dann nicht in den Überschuldungsstatus aufzunehmen, wenn für diese ein Nachrang hinter die Forderungen nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 InsO, gemäß § 39 Abs. 2 InsO, vereinbart wird. Hieraus wird allgemein gefolgert, dass ein Zurücktreten sämtlicher Forderungen in den Rang des § 39 Abs. 2 InsO genügt, seien es Darlehensforderungen, sonstige Forderungen der Gesellschafter oder Forderungen etwaiger Drittgläubiger. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, Rn. 2.370; Bauer, Die GmbH in der Krise, Rn. 229 ff.
Angesichts der nach wie vor im Raum stehenden Rechtsprechung des BGH, 636 kann allerdings (noch) nicht mit letzter Gewissheit davon ausgegangen werden, dass ein Zurücktreten in den Rang des § 39 Abs. 2 InsO ausreicht. Soll der Rangrücktritt, wie üblich, gerade die Überschuldung als Insolvenz- 637 auslösungsgrund ausschließen, muss eine vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre vereinbart werden, BGH, Urt. v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 mit Anmerkung Bitter/Heim.
In dieser Entscheidung hat der BGH klargestellt, dass ein Rangrücktritt hin- 638 ter die Forderungen aus § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ausreichend ist. Auch in steuerrechtlicher Hinsicht birgt der Rangrücktritt Gefahren. Seit ge- 639 raumer Zeit unklar war danach, wie der Rangrücktritt zu formulieren sei, um nicht in den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2a EStG zu fallen. Fällt der Rangrücktritt unter diese Norm, so führt dies zu u. U. einer potentiell sanierungsgefährdenden Besteuerung. § 5 Abs. 2a EStG lautet: Für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, sind Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind.
Soll danach eine Befriedigung der Forderung lediglich aus späteren Gewinnen 640 erfolgen, so fiele der Rangrücktritt unter den Wortlaut der Norm. Daraus würde folgen, dass die Verbindlichkeit nicht mehr in der Steuerbilanz ausgewiesen werden könnte, sondern vielmehr ertragswirksam aus dieser auszubuchen wäre. Es entstünde ein zu versteuernder Gewinn. Der Bundesfinanzhof, BFH, Urt. v. 30.11.2011 – I R 100/10, BStBl 2012 II 0332,
führt dazu aus: „Eine Verbindlichkeit, die nur aus künftigen Gewinnen oder einem etwaigen Liquidationsüberschuss erfüllt zu werden braucht, kann mangels gegenwärtiger wirtschaftlicher Belastung nicht ausgewiesen werden. […] Im Streitfall sind der Klägerin die von ihrer Alleingesellschafterin gewährten Darlehen zwar nicht erlassen worden; es wurde vielmehr nur ein Rangrücktritt vereinbart. Eine Rangrücktrittsvereinbarung, nach der eine Verbindlichkeit nur aus künftigen Gewinnen oder einem eventuellen Liquidationsüberschuss zu bedienen ist, belastet den Schuldner aber nicht stärker, als wäre die Verbindlichkeit gegen entsprechende Besserungsabrede erlassen worden (insoweit anders als Rangrücktrittsvereinbarungen, die auch aus sonstigem Vermögen zu bedienen sind, […].
153
J. Maßnahmen definieren Es ist daher gerechtfertigt, diese Verbindlichkeit wie einen Erlass mit Besserungsabrede zu behandeln und die Verbindlichkeit nicht auszuweisen […].“
641 Steuerbilanziell behandelt der Bundesfinanzhof den Rangrücktritt somit wie einen Forderungsverzicht mit Besserungsabrede und verlangt eine Ausbuchung der Verbindlichkeit, falls diese lediglich aus späteren Gewinnen oder einem Liquidationsüberschuss befriedigt werden soll. Praxistipp: Bei der Formulierung des Rangrücktritts ist daher unbedingt darauf zu achten, dass die spätere Befriedigung nicht nur aus Gewinnen und/oder einem Liquidationsüberschuss erfolgen soll, sondern daneben auch aus sonstigem freien Vermögen der Gesellschaft nach Begleichung sämtlicher anderer Verbindlichkeiten. Soweit das Sanierungskonzept aber einen Eigentümerwechsel vorsieht, kann aus dem Urteil „Kapital“ geschlagen werden. Die Altgesellschafter könnten einen steuerschädlichen Rangrücktritt erklären und damit den Verlustvortrag aufbrauchen. Soweit die Gesellschaft nach Anteilseignerwechsel saniert wird, lebt die Verbindlichkeit aufwandswirksam wieder auf.
Debt-Equity-Swap 642 Im Rahmen des Debt-Equity-Swap werden Gläubigerforderungen in Eigenkapital umgewandelt. Die Gläubiger erhalten so die Möglichkeit einer direkten Beteiligung am zu sanierenden Unternehmen. Durch den Wegfall von Tilgungsund Verzinsungspflichten des Schuldners verbessert sich dessen Liquidität, was sich positiv auf die Zahlungsfähigkeit auswirkt. Gleichzeitig kann eine Überschuldung verhindert oder beseitigt werden. Daneben erscheint der Erwerb von Unternehmensbeteiligungen dann besonders attraktiv, wenn beim Schuldner Rechtspositionen bestehen, welche nicht frei übertragbar sind, wie etwa Lizenzen oder öffentlich-rechtliche Genehmigungen. In diesen Fällen folgte aus einer „übertragenden Sanierung“ – also dem Einzelverkauf von Assets des Krisenunternehmens – nämlich der Verlust dieser Rechte. 643 Der Swap wird regelmäßig in zwei Schritten vollzogen: x
Kapitalherabsetzung als erster Schritt,
x
Kapitalerhöhung durch Sacheinlage als zweiter Schritt.
644 Die Kombination aus Kapitalherabsetzung und -erhöhung wird als Kapitalschnitt bezeichnet. Da die Kapitalherabsetzung zu Sanierungszwecken erfolgt, kann diese nach den vereinfachten Regeln des § 58a GmbHG (§ 229 Abs. 2 AktG) durchgeführt werden. Hierdurch werden Wertminderungen der Vergangenheit oder Zukunft ausgeglichen und sonstige Verluste gedeckt. Daneben dient sie der Herstellung eines adäquaten Verhältnisses zwischen dem Wert der einzubringenden Forderung und dem aktuellen Wert der Gesellschaft, um so eine gerechte Beteiligung am Eigenkapital des Unternehmens zu erreichen. Die Gläubigerforderung wird sodann in gezeichnetes Kapital umgewandelt und stellt eine Sacheinlage nach § 56 GmbHG (183 Abs. 1 AktG) dar. Die Forderung erlischt entweder durch Konfusion infolge der Übertragung auf die Gesell-
154
III. Überwindung der Liquiditätskrise
schaft oder durch Erlassvertrag zwischen Gläubiger und Schuldner nach § 397 BGB. Bei der Durchführung des Debt-Equity-Swap bestehen allerdings nicht un- 645 erhebliche Hemmnisse. So bedürfen die zur Umsetzung erforderlichen Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich einer 75 %-Mehrheit (vgl. §§ 58a Abs. 5, 53 Abs. 2 GmbHG; §§ 229 Abs. 3, 222 Abs. 1 AktG; § 54 Abs. 2 GmbHG, § 182 Abs. 1 AktG). Daneben müssen diese ins Handelsregister eingetragen werden. Die gesellschaftsrechtlichen Durchführungsvorschriften können zu erheblichem Zeitverlust führen, was eine schnelle Verhinderung oder Beseitigung der Überschuldung u. U. unmöglich macht. Exkurs: Situation nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (ESUG) Diese Probleme beseitigt das ESUG, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, durch die Einführung des § 254a Abs. 2 InsO. Danach gelten die in den Insolvenzplan aufgenommenen Beschlüsse in der vorgeschriebenen Form automatisch mit Planannahme als abgegeben. Auch sämtliche sonst erforderlichen Maßnahmen zur Vorbereitung von Beschlüssen gelten als bewirkt. Das Insolvenzrecht hebelt somit das Gesellschaftsrecht aus. Die Registereintragungen werden zwar nicht entbehrlich, allerdings wird die Berechtigung zur entsprechenden Anmeldung aus Beschleunigungsgründen dem Insolvenzverwalter zugesprochen.
Risiken des Debt-Equity-Swap: Im Rahmen der Einbringung der Forderung in das Unternehmen besteht 646 grundsätzlich die Schwierigkeit der Bewertung dieser Forderung. Gläubiger laufen danach stets Gefahr, im Wege der sog. Differenzhaftung (§§ 9 Abs. 1, 19 Abs. 4 GmbHG) in Anspruch genommen zu werden. Diese besteht nach gesellschaftsrechtlichen Kapitalaufbringungsregeln grundsätzlich dann, wenn im Rahmen einer Kapitalerhöhung der Wert der Forderungen, die als Sacheinlage eingebracht worden sind, zu hoch angesetzt wurde. Scheitert die Sanierung letztlich, so führt dies ggf. nicht nur zum Ausfall der Forderung, sondern es droht auch eine Nachschusspflicht in Höhe der Differenz zwischen Nennbetrag der Einlage und tatsächlichem Wert der Forderung zur Unternehmensbewertung insolventer Unternehmen. BT-Drucks. 17/5712, S. 36; vgl. Nickert, ZInsO 2013, 1722 ff. und BewP 2012, 82 ff.
Daraus folgt ein nur schwer zu kalkulierendes Risiko für die Gläubiger, was 647 sich bislang in einer dementsprechend mäßigen Motivation zur Durchführung eines Debt-Equity-Swap niederschlug. Zudem muss aufgrund der Differenzhaftungsgefahr mit zusätzlichem Zeitverlust gerechnet werden, da sich der Gläubiger meist eines Wertgutachtens bedienen wird. Born, BB 2009, 1730, 1732.
Jedenfalls ist von einem derartigen Vorgehen ohne ein qualifiziertes Gutachten 648 abzuraten. Alternativ kann der Gläubiger zuerst eine kleine symbolische Kapitalerhöhung 649 (ggf. i. V. m. einer vereinfachten Kapitalherabsetzung) durchführen und an155
J. Maßnahmen definieren
schließend bei disquotaler Gewinnverteilung die Forderung durch eine Eigenkapitalvereinbarung ins Mezzanine-Kapital tauschen, sog. Debt-to-MezzanineSwap. Für die Einlagen in die freie Kapitalrücklage gelten nämlich die strengen Kapitalaufbringungs- bzw. Kapitalerhöhungsvorschriften nicht. Exkurs: Situation nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (ESUG) Dieses Risiko wird durch die Einführung des § 254 Abs. 4 InsO (ESUG) für den Debt-Equity-Swap nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beseitigt, welcher derartige Ansprüche für Forderungseinlagen im Insolvenzplan ausschließt.
„Change-of-Control“-Klauseln 650 Kreditverträge sehen oftmals eine Kündigungsmöglichkeit des Kreditinstituts vor, soweit sich wesentliche Änderungen in der Zusammensetzung der Gesellschafter ergeben. Hieraus kann ein erheblicher Liquiditätsverlust folgen, welcher eine erfolgreiche Sanierung gefährdet oder gar unmöglich macht. Exkurs: Situation nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (ESUG) Demgemäß erklärt § 225a Abs. 4 InsO (ESUG) solche sog. Change-of-ControlKlauseln sowie ähnliche Regelungen für unwirksam.
Abfindungsansprüche der Altgesellschafter 651 Teilweise kann die Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Gläubiger unzumutbar für einen Altgesellschafter sein. Kommt es im Zuge dessen zu einem Austritt des Altgesellschafters, so stellen dessen Abfindungsansprüche u. U. ebenfalls eine Bedrohung für eine erfolgreiche Sanierung dar. 652 Im Insolvenzverfahren sind diese allerdings nachrangig, vgl. §§ 199, 225 InsO, es sei denn, der Gesellschafter wurde bereits vor dem Insolvenzverfahren und außerhalb der Jahresfrist des § 135 InsO ausgeschlossen. KG Berlin, Urt. v. 9.3.2015 – 23 U 112/11, ZIP 2015, 937. Exkurs: Situation nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (ESUG) Aus diesem Grund erklärt § 225a Abs. 5 InsO (ESUG) für die Anspruchsberechnung die Liquidationswerte für maßgeblich und lässt eine Stundung der Ansprüche von bis zu drei Jahren zu.
Sanierungsgewinn 653 Im Rahmen des Debt-Equity-Swap kann es – wie auch beim Forderungsverzicht – zu einem sog. Sanierungsgewinn der Gesellschaft kommen. Regelmäßig wird nämlich der tatsächliche Wert der einzubringenden Gläubigerforderung unter deren Nennwert liegen. Eingebracht wird meist allerdings nur der tatsächliche oder objektive Wert, um der Differenzhaftung zu entgehen (siehe Rn. 573). Aus dem Verzicht des Gläubigers auf den nicht werthaltigen Teil seiner Forderung folgt ein Sanierungsgewinn der Gesellschaft, welcher der Körperschaftsund Gewerbesteuer unterliegt. Auch hier kann u. U. die Freistellung von Sanierungsgewinnen greifen, wonach die Besteuerung des Sanierungsgewinns entfällt. Liegen dessen Voraussetzungen vor, so ist der Sanierungsgewinn zunächst 156
III. Überwindung der Liquiditätskrise
mit den Verlustvorträgen zu verrechnen (vgl. § 3a EStG, § 3c Abs. 4 EStG und § 7b GewStG). Hinzuweisen ist bei der Neuregelung, dass sich die Regelung explizit auch 654 auf die Gewerbesteuer und explizit auch auf Altfälle erstreckt. Die Beurteilung der Voraussetzungen liegt auch bei der Gewerbesteuer beim Finanzamt, welches den Sanierungsgewinn schon bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlage freistellt (GewSt-Messbescheid). Verlust von Verlustvorträgen In einem Debt-Equity-Swap kann ein sog. schädlicher Beteiligungserwerb nach 655 § 8c Abs. 1 KStG liegen. Danach führt ein Beteiligungserwerb zwischen 25 % und 50 % zum quotalen Untergang, ein Beteiligungserwerb von über 50 % gar zum vollständigen Untergang des Verlustvortrags. Um hierdurch Sanierungsversuche nicht zu torpedieren, fügte der Gesetzgeber mit § 8c Abs. 1a KStG eine „Sanierungsklausel“ ein, die vor einem derartigen Verlust abschirmte. Allerdings war diese Regelung Gegenstand eines förmlichen europarechtlichen Prüfungsverfahrens für rechtswidrige staatliche Beihilfen nach Art. 108 Abs. 2 AEUV, im Zuge dessen sie von der Europäischen Kommission Anfang 2011 kassiert wurde. Tatsächlich ist die Anwendung bereits im Jahr 2010 durch das BMF suspendiert worden. Die Bundesregierung hat Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Kommissionsentscheidung vor dem EuGH erhoben. Bis zu einer Entscheidung des EuGH bleibt die Anwendung der Norm aber jedenfalls ausgesetzt. Übernahmeangebot Handelt es sich bei dem Schuldner um eine börsennotierte Aktiengesellschaft 656 und überschreitet der Gläubiger im Rahmen des Debt-Equity-Swap die Kontrollschwelle von 30 % der Aktien, so müsste er den übrigen Aktionären gemäß §§ 29, 35 WpÜG ein Übernahmeangebot unterbreiten. Eine Befreiung kommt nur begrenzt und erst nach Prüfung durch die BaFin in Betracht. Der Gläubiger müsste folglich weiteres Kapital – zusätzlich zu seiner Forderung – aufbringen, was von diesem meist nicht gewollt sein wird. Insolvenzanfechtung Wird innerhalb eines Jahres nach Durchführung des Debt-Equity-Swap ein In- 657 solvenzantrag gestellt, so besteht nach einigen Stimmen in der Literatur die Gefahr, dass der ehemalige Gläubiger seines damals erworbenen Unternehmensanteils, durch Anfechtung des „Swaps“ nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, verlustig geht. Bauer/Dimmling, NZI 2011, 517, 519; Gehrlein, BB 2008, 846.
Allerdings kommt den Neugesellschaftern bereits nach Meinung des Gesetz- 658 gebers das „Sanierungsprivileg“ des § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO zugute, wodurch die Gefahr einer Anfechtung tatsächlich wohl nicht besteht. BT-Drucks. 17/5712, S. 32.
157
J. Maßnahmen definieren Praxistipp: Der Debt-Equity-Swap stellt grundsätzlich ein überaus effektives Mittel zur Bekämpfung der Überschuldung dar. Aufgrund der mannigfaltigen Risiken und der u. U. zeitintensiven Durchführung, wird er sich allerdings meist nicht zur kurzfristigen Intervention eignen.
c) Die Banken als Gläubiger mit herausgehobener Stellung 659 Die Banken spielen eine herausragende Rolle bei der Sanierung von Unternehmen. Anders als andere große Gläubigergruppen (Arbeitnehmer/Lieferanten), sind diese durch ihre Organisation und finanzielle Ausstattung auch zur kurzfristigen Hilfe in der Lage. Oft werden die Banken zusätzlich ein nicht unerhebliches Eigeninteresse an der Sanierung des Kreditnehmers haben, um bereits gewährte Kredite zu retten. Schmidt/Uhlenbruck-Kuder/Unverdorben, Rn. 2.401.
660 Diese Umstände machen die Banken zum wohl wichtigsten Partner sowohl bei der kurzfristigen Verhinderung oder Beseitigung von Insolvenzgründen als auch der gesamten Sanierung. 661 Als Kreditgläubiger stehen der Bank selbstverständlich die oben unter Rn. 606 ff. aufgeführten Möglichkeiten offen. Danach kann die Bank sich ebenfalls für Stundung, Verzicht (mit Besserungsschein), Rangrücktritt oder ggf. „Debt-Equity-Swap“ entscheiden. Gewährung zusätzlicher Kredite 662 Eine zentrale Rolle spielen die Banken allerdings im Zusammenhang mit der Zuführung frischer Mittel durch Gewährung zusätzlicher Kredite. Meist wird nur die Bank in der Lage sein, kurzfristig, durch Zuführung von Liquidität, eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Die Banken befinden sich folglich regelmäßig in der Position, über „Sein oder Nichtsein“ des Unternehmens zu entscheiden. Schmidt/Uhlenbruck-Kuder/Unverdorben, Rn. 2.416 ff.
663 Im Zuge der Gewährung neuer Kredite läuft die Bank allerdings Gefahr, sich gegenüber den restlichen Gläubigern wegen sittenwidriger Insolvenzverschleppung nach § 826 BGB schadensersatzpflichtig zu machen. Die Grundsätze hierzu hat die Rechtsprechung herausgearbeitet. Wann eine Kreditgewährung sittenwidrig erscheint, fasst das Landgericht Köln, LG Köln, Urt. v. 27.2.2008 – 4 O 272/07 (juris),
anschaulich zusammen: Entschließt sich die Bank zu dem Versuch, das Unternehmen durch weitere Kredite zu stützen, so verstößt sie nicht schon deshalb gegen die guten Sitten, weil die Möglichkeit eines Misslingens und damit einer Schädigung anderer Gläubiger besteht, die infolge zu günstiger Beurteilung der Lage ihre Forderung nicht rechtzeitig beitreiben oder sichern oder neue Geschäfte eingehen. (BGH Urteil vom 26.3.1984 – II ZR 171/83, Rn. 62 zitiert nach juris).
158
III. Überwindung der Liquiditätskrise Allerdings kann sie bei einer solchen Lage mit den Interessen der anderen Gläubiger in Konflikte geraten, vor allem mit den Neugläubigern. Das gilt vor allem dann, wenn sie dem konkursreifen Unternehmen nicht (mehr) Kredit in der Höhe geben und/oder belassen will, den es zur Sanierung braucht, sondern nur einen solchen, der den wirtschaftlichen Todeskampf des Unternehmens lediglich verlängert, damit sie sich in der so gewonnenen Zeit aus ihren Sicherheiten zum Nachteil der anderen Gläubiger ungehindert und besser befriedigen kann. Der anstößige Eigennutz der Bank liegt auf der Hand, wenn sie die um eigener Vorteile willen bewirkte Hinausschiebung des Konkurses veranlasst, obwohl sie weiß oder doch billigend in Kauf nimmt, dass dadurch die Lieferanten des Unternehmens zu Schaden kommen können, während sie, weil deren neue Lieferung kraft des Sicherungsvertrages in ihr Eigentum übergehen, dadurch demnächst günstiger abschneiden kann. Ob und in welchem Umfange sie diesen Zweck bei der Liquidation des Unternehmens erreicht, ist nicht wesentlich. Schon der Beweggrund, der sie bei der Hinausschiebung des Konkurses geleitet hat, macht ihr Verhalten sittenwidrig (BGH NJW 1970, 657 Rn. 11 zit. nach juris).
Es muss sich bei der Kreditvergabe um einen ernsthaften Sanierungsversuch 664 handeln, um dem Urteil der Sittenwidrigkeit zu entgehen. Die Voraussetzungen hierfür formuliert der BGH, BGH, Urt. v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248,
wie folgt: „Ein ernsthafter Sanierungsversuch kann unter Umständen als solcher eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung objektiv sogar dann ausschließen, wenn er letztlich scheitert […]. Ein derartiger Sanierungsversuch setzt nämlich mindestens ein in sich schlüssiges Konzept voraus, das von den erkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten ausgeht und nicht offensichtlich undurchführbar ist […]. Sowohl für die Frage der Erkennbarkeit der Ausgangslage als auch für die Prognose der Durchführbarkeit ist auf die Beurteilung eines unvoreingenommenen – nicht notwendigerweise unbeteiligten –, branchenkundigen Fachmanns abzustellen, dem die vorgeschriebenen oder üblichen Buchhaltungsunterlagen zeitnah vorliegen […]. Eine solche Prüfung muß die wirtschaftliche Lage des Schuldners im Rahmen seiner Wirtschaftsbranche analysieren und die Krisenursachen sowie die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage erfassen. Das gilt – entgegen der Auffassung der Klägerin – grundsätzlich auch für den Versuch der Sanierung eines kleineren Unternehmens, weil dabei ebenfalls Gläubiger in für sie beträchtlichem Umfange geschädigt werden können; lediglich das Ausmaß der Prüfung kann dem Umfang des Unternehmens und der verfügbaren Zeit angepaßt werden.“
Das Sanierungsgutachten sollte möglichst von externen, branchenkundigen 665 Sachverständigen erstellt werden, und die Anforderungen der Rechtsprechung erfüllen. Schmidt/Uhlenbruck-Kuder/Unverdorben, Rn. 2.422 f.
Ein solches Gutachten ist kosten- und zeitintensiv. Ist eine Prüfung bereits 666 eingeleitet, kann die Bank daher sog. Überbrückungskredite gewähren, die die Zahlungsfähigkeit bis zur Fertigstellung des Gutachtens erhalten. Wallner/Neuenhahn, NZI 2006, 553, 556; MaS, S. 255 ff.
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J. Maßnahmen definieren
667 Die Rechtsprechungsanforderungen gelten auch für kleinere Unternehmen. Die Prüfungsintensität kann dabei jedoch dem Umfang des Unternehmens sowie der zur Verfügung stehenden Zeit angepasst werden. BGH, Urt. v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248.
d) Mezzanine-Kapital 668 Zur Verhinderung oder Beseitigung der Zahlungsfähigkeit und (unter bestimmten Voraussetzungen) Überschuldung bietet sich insbesondere sog. MezzanineKapital an. Es handelt sich dabei um Finanzierungsinstrumente, die eine Stellung zwischen Eigen- und Fremdkapital einnehmen. Je nach vertraglicher Ausgestaltung, werden diese dem Eigenkapital („Equity Mezzanine“) oder Fremdkapital („Debt Mezzanine“) zugerechnet. Typische Erscheinungsformen sind Genussrechte, Wandel- und Optionsanleihen, atypische stille Gesellschaft („Equity Mezzanine“), Nachrang- und partiarische Darlehen sowie die typische stille Gesellschaft („Debt Mezzanine“). Als schnelle Sanierungsinstrumente kommen dabei insbesondere die stille Beteiligung und die Genussrechte sowie die Nachrang- und partiarischen Darlehen in Betracht. Stille Beteiligungen 669 Bei der stillen Beteiligung wird zwischen typischer und atypischer stiller Beteiligung unterschieden. Bei der typischen stillen Beteiligung ist der stille Gesellschafter am Gewinn und je nach Vereinbarung am Verlust des Unternehmens beteiligt, nicht jedoch am Vermögen der Gesellschaft. Bei der atypischen stillen Beteiligung werden dem stillen Gesellschafter umfangreiche Vermögens- und Kontrollrechte eingeräumt. Der atypisch stille Gesellschafter ist nicht nur am Gewinn und Verlust, sondern zusätzlich am Vermögen der Gesellschaft beteiligt, einschließlich des Anlagevermögens, der stillen Reserven und ggf. des Geschäftswerts. Der atypischen Beteiligung wird regelmäßig Eigenkapitalcharakter zugesprochen. Damit ist sie, anders als die typisch stille Beteiligung, in der Lage, sich positiv auf die Handelsbilanz auszuwirken und so die Bonität des Unternehmens zu stärken. Sie bringt daneben neue liquide Mittel und ist frei in der Gestaltung. Die Kapitalerhöhungsformalitäten gelten nicht. Sie können auf ein debitorisches Konto oder sogar an einen Gläubiger bezahlen. Die Fragen der Gewinnverteilung können frei verhandelt werden. Dies führt dazu, dass im Verlustfall (Veräußerung oder Liquidation) der Verlust nach der Ergebnisverwendung aufgeteilt wird. Damit wird der Verlust auf die atypisch stille Beteiligung steuerlich abzugsfähig. 670 Die handelsbilanzielle Einordnung als Eigenkapital soll allerdings nicht automatisch zur Nichtberücksichtigung im Überschuldungsstatus führen. Hey, GmbHR 2001, 1100, 1105.
671 Vielmehr ist hierfür sowohl bei atypischer als auch bei typischer stiller Beteiligung die Vereinbarung eines Rangrücktritts (mit Besserungsklausel) erforderlich. OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.11.2010 – I-23 U 98/09, 23 U 98/09 (juris); Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, Rn. 2.242.
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IV. Überwindung der Erfolgskrise
Wir sind allerdings der Meinung, dass mit
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IDW HFA 1/94
eine schuldrechtliche Nachrangvereinbarung neben den anderen Voraussetzungen für den handelsbilanziellen Eigenkapitalausweis erforderlich ist. Damit läge dann zugleich auch insolvenzrechtlich ein Nachrang vor, soweit der Nachrang klarstellend auch eine vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre enthält. Genussrechte Werden Genussrechte nachrangig ausgestaltet, erfolgsabhängig vergütet oder 673 für einen längerfristigen Zeitraum überlassen und nehmen diese auch am Verlust bis zu ihrer vollen Höhe teil, so werden sie als Eigenkapital eingestuft. IDW HFA 1/94.
Bestehen Vertragsmodalitäten zu Kündigung und Rückzahlung, liegt eine Ein- 674 stufung als Fremdkapital nahe. Im ersteren Fall kommt eine Passivierung im Überschuldungsstatus nicht in Betracht, soweit die Genussrechte im Rang nach den Verbindlichkeiten des § 39 InsO aus Liquidationserlösen zurückzuzahlen sind. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, Rn. 2.244, 2.369 und Schmidt/Uhlenbruck-Schluck-Amend, Rn. 2.85.
Im letzteren Fall bedarf es einer Rangrücktrittsvereinbarung in den Rang des 675 § 39 Abs. 2 InsO, um einer Passivierungspflicht zu entgehen. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, Rn. 2.244 und Schmidt/Uhlenbruck-Schluck-Amend, Rn. 2.85.
Nachrang- und partiarische Darlehen Damit sich diese positiv auf den Überschuldungsstatus auswirken, bedarf es 676 auch hier etwaiger Rangrücktrittserklärungen (vgl. Rn. 624 ff.). IV. Überwindung der Erfolgskrise Um nach einer Erfolgskrise mindestens eine nachhaltige, branchenübliche Ren- 677 dite zu erreichen, bedarf es eines umfassenden Sanierungskonzepts. So können einzelne Geschäfte aufgegeben, andere gebündelt oder neu in das Portfolio aufgenommen werden; i. d. R. ist es zudem vorteilhaft, das Leistungssortiment zu straffen und die Fertigungstiefe zu reduzieren. Überdies können geschäftsübergreifend Möglichkeiten der Bündelung von Funktionen/Prozessen sowie der Verwendung von Gleichteilen in der Fertigung genutzt werden. Eine Verbesserung der Kostenstruktur lässt sich z. B. durch Senkung der Bezugspreise, Optimierung der Verbrauchsmengen, Verminderung der Ausschussquote, Senkung der Lagerkosten und der Kapitalbindungskosten, Reduktion und Bereinigung der Artikelvielfalt, Veränderungen der Vergütungsstruktur im Personalbereich, Personalabbau, Senkung/Flexibilisierung der Fixkosten sowie Abbau von Leerkosten/Senkung der Stückkosten durch bessere Kapazitätsauslastung erreichen.
161
J. Maßnahmen definieren
678 Überdies sind i. d. R. Maßnahmen zur Steigerung der Umsatzerlöse durchzuführen. Durch die Verbesserung der Wertschöpfungsprozesse und des Lieferund Leistungsprogramms, eine stärkere Fokussierung auf die Kundenbedürfnisse sowie eine Verbesserung von Marketing und Vertrieb lassen sich Mengenund/oder Preiserhöhungen erzielen. V. Überwindung der Produkt- und Absatzkrise 679 Ist eine Produkt- und Absatzkrise von nur vorübergehender Natur, kommt es lediglich darauf an, Maßnahmen zu identifizieren, um diese Schwächephase durchzustehen. Um das Belegschaftspotenzial mit seinen Qualifikationen zu erhalten, sind bestandswahrende Maßnahmen in Erwägung zu ziehen, wie z. B. x
Einführung von Kurzarbeit,
x
Rücknahme von Leiharbeit,
x
Abbau von Zeitguthaben,
x
Verkürzung der Wochenarbeitszeit.
680 Im Übrigen halten wir es mit Hamel/Prahalad, für dringend angezeigt, das Problem radikal, also an der Wurzel, anzupacken. Bestehen Produkt- und Absatzkrisen, ist dies zuerst ein Marketingproblem. Nur wenn die Zeit nicht ausreicht, um dieses Problem anzugehen, sollten Personalmaßnahmen in Betracht kommen. Zuvor sollten aber alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sein (siehe Rn. 703 ff.). Dies ist heutzutage umso wichtiger, als es den Unternehmen immer schwerer fällt, geeignete Mitarbeiter zu finden. Dieses Problem verstärkt sich in der Krise und nochmals nach einem durchgeführten Personalabbau. Hamel/Prahalad, Wettlauf um die Zukunft, S. 31 ff.
Exkurs: Personalmaßnahmen in der Krise 681 Gerade in der Krise sind Arbeitgeber bestrebt, zur Reduzierung der Personalkosten oder aber auch Steigerung der Produktivität auf Arbeitsbedingungen Einfluss zu nehmen, oder aber auch Personal abzubauen. In vielen Fällen ist der Arbeitgeber jedoch nicht in der Lage, diese Änderungen einseitig gegenüber den Mitarbeitern durchzusetzen. Weisungsrecht des Arbeitgebers 682 Teilweise ist der Arbeitgeber berechtigt, Arbeitsbedingungen einseitig durch Weisung zu verändern. Sofern eine einseitige Weisung zulässig ist, wird diese dem Arbeitnehmer lediglich mitgeteilt und sodann unmittelbar umgesetzt. Gerade im Bereich innerbetrieblicher Umstrukturierung wird dies jedoch regelmäßig dann ausscheiden, sofern dem Arbeitnehmer eine geringerwertige Tätigkeit zugewiesen wird oder aber auch Arbeitsentgelt einseitig gekürzt werden soll. 683 Einseitige Weisungen sind z. B. dann möglich, wenn im Arbeitsvertrag eine Versetzungsklausel bezüglich der Tätigkeit des Arbeitsortes aufgenommen
162
V. Überwindung der Produkt- und Absatzkrise
wurde. Ebenso kann der Arbeitgeber die Arbeitszeit, also deren Beginn und Ende sowie die Lage der Pausen, einseitig im Wege einer Weisung bestimmen. Der Arbeitgeber hat jedoch bei allen Maßnahmen das sog. billige Ermessen zu 684 wahren. Interessen des Arbeitnehmers sind gegen die Interessen des Arbeitgebers abzuwägen. Änderungskündigung Ist eine einseitige Weisung nicht möglich und erklärt sich der Arbeitnehmer 685 nicht freiwillig zur Umsetzung bereit, können Änderungen des Arbeitsverhältnisses nur im Rahmen einer sog. Änderungskündigung vorgenommen werden. Diese setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen: x
Kündigung des mit dem Arbeitnehmer bestehenden Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung der Kündigungsfrist und
x
gleichzeitiges Angebot des Abschlusses eines Arbeitsverhältnisses zu geänderten, konkret genannten Bedingungen.
Mit einer Änderungskündigung können unterschiedliche Zwecke verfolgt 686 werden, wie z. B. die Versetzung des Arbeitnehmers in einen anderen Betrieb, die Kürzung von Arbeitsentgelt, die Zuweisung eines freien geringerwertigen Arbeitsplatzes etc. Auf eine Änderungskündigung findet das Kündigungsschutzgesetz Anwen- 687 dung. Voraussetzung ist es insbesondere, dass die vorgeschlagene, geänderte Arbeitsbedingung i. S. d. Kündigungsschutzgesetzes sozial gerechtfertigt ist. Im Rahmen der Sanierung eines Unternehmens wird regelmäßig ein dringendes 688 betriebliches Erfordernis für die Änderung der Arbeitsbedingungen bestehen. Sofern mit der Änderungskündigung eine Entgeltkürzung vorgenommen 689 werden soll, ist zu beachten, dass die Rechtsprechung hieran sehr hohe Anforderungen stellt. In vielen Fällen wird es einfacher sein, einen teilweisen Personalabbau vorzunehmen. Vor einer Änderungskündigung ist ein etwaig vorhandener Betriebsrat jeden- 690 falls gemäß § 102 BetrVG zu beteiligen. Beendigung von Arbeitsverhältnissen Eine Beendigung von Arbeitsverhältnissen kommt grundsätzlich in Form eines 691 einvernehmlichen Aufhebungsvertrages oder aber in Form einer (betriebsbedingten) Kündigung in Betracht. Aufhebungsverträge sind für Mitarbeiter regelmäßig nicht attraktiv, da diesen 692 im Falle einer anschließenden Arbeitslosigkeit das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs gemäß § 143 SGB III droht. Diese Folgen können dann vermieden werden, wenn bereits im Aufhebungs- 693 vertrag zur Vermeidung einer ansonsten unumgänglich betriebsbedingten Kündigung, unter Einhaltung der Kündigungsfrist eine Vereinbarung über eine
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J. Maßnahmen definieren
Abfindung in Höhe von 0,5 Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr vereinbart wird. 694 Sofern eine einvernehmliche Aufhebung der Arbeitsverhältnisse nicht möglich ist, sind betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen. Eine Kündigung bedarf gemäß § 623 BGB der Schriftform. 695 Die Kündigungsfristen sind entweder aus tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Regelungen zu entnehmen. Subsidiär gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen des § 622 BGB. Vor dem Ausspruch der Kündigung ist im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes eine Sozialauswahl vorzunehmen. 696 Liegt eine Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG vor, z. B. aufgrund einer Stilllegung eines ganzen Betriebes oder eines wesentlichen Betriebsteiles, muss mit dem Betriebsrat zunächst ein Interessenausgleich verhandelt werden. Ebenfalls auch ein Sozialplan. 697 Ebenso ist zu beachten, dass ggf. gemäß § 17 Kündigungsschutzgesetz eine Massenentlassungsanzeige gegenüber der Bundesagentur für Arbeitet abzugeben ist. Diese muss vor Ausspruch der Kündigung bei der Agentur für Arbeit eingegangen sein. Praxistipp: In Krisensituationen empfiehlt es sich bei einem erforderlichen Personalschnitt einmal und tief zu schneiden. Mehrere Abschnitte erhöhen zum einen das Risiko im Rahmen der Sozialauswahl. Zum anderen sorgt jede Kündigungswelle für Unruhe und Unsicherheit. In dieser Phase sorgt die ständig präsente Möglichkeit weiterer Kündigungen für Misstrauen in der Belegschaft. Dies wirkt sich selbstverständlich auch auf die Motivation und die Produktivität negativ aus.
698 Um in der Übergangszeit die Ertragseinbußen möglichst gering zu halten bzw. zu kompensieren, sind solche Maßnahmen um ein striktes Kostenmanagement nebst entsprechenden Kontrollen in allen Unternehmensbereichen zu ergänzen. Stellt sich heraus, dass die Produkt- und Absatzkrise nicht durch kurzfristige Überbrückungsmaßnahmen beseitigt werden kann, sind die Kapazitäten im Leistungsbereich strukturell anzupassen. Dazu ist zuvor zu untersuchen, ob Produkte und Leistungen als marktfähig angesehen werden können und mit welchem Absatzvolumen zu rechnen ist. Einzubeziehen sind dabei auch Maßnahmen zur Beseitigung von Schwächen in Marketing und Vertrieb sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Absatzchancen, z. B. durch Sonderaktionen, Rabatte und zusätzliche Werbung. 699 Liegt die Problematik der Produkt- und Absatzkrise indes auf der Ebene der Leistungserbringung (z. B. Sortimentsschwächen, mangelnde Qualität der Produkte, unzureichende Liefertreue, falsche Preispolitik), müssen Maßnahmen definiert werden, mit denen sich in den relevanten Funktionen und Prozessen Verbesserungen durchsetzen lassen. Dies erstreckt sich u. a. auf die Bereiche von Produktverbesserungen bzw. der von Neuprodukten, der Beseitigung von Qualitäts- und Belieferungsmängel sowie der Behebung von Ertragsnachteilen. 164
V. Überwindung der Produkt- und Absatzkrise
Dabei ist auch abzuwägen, inwieweit vorübergehende Rendite- oder Gewinneinbußen in Kauf genommen werden können. Soweit – etwa infolge von Produktinnovationen oder Nachfrageverschiebungen 700 – der Absatz nachhaltig gestört ist, sind die Möglichkeiten für eine grundsätzliche Neuausrichtung auszuloten. Beispiele für geeignete Maßnahmen gegen die Umsatz-und Absatzkrise: Der Gewinn eines Unternehmens wird durch vier Werttreiber beeinflusst: • Absatzmenge • Absatzpreis • Variable Kosten • Fixkosten Von diesen vier Werttreibern hat der Preis die höchste Wirkung. Ziel einer 701 jeden Sanierung muss es daher sein, diesen Gewinnhebel zu maximieren und das Unternehmen zurück zu einer starken „Pricing-Power“ zu führen. Allgemein gilt: Generell ist es besser, einen Absatz- als einen Preisrückgang zu akzeptieren. Folglich sollten alle Möglichkeiten einer Preiserhöhung genutzt werden, zu- 702 mal die Preiserhöhung als Sanierungsmittel auch die Maßnahme ist, die am schnellsten wirkt. Demgegenüber wirken Kostensenkungen, z. B. durch Vertragskündigungen, in der Regel erst in mittelfristiger Zukunft. Im Folgenden stellen wir Sanierungsmaßnahmen dar, die aus dem lesenswerten 703 Buch von Hermann Simon „33 Sofortmaßnahmen gegen die Krise“
entnommen sind. Diese sind vor allem auch dazu geeignet, schnelle Wirkung zu entfalten und daher in der Krisenberatung besonders interessant. Maßnahme 1: Garantien geben Nicht selten haben Kunden Sorgen bzw. Bedenken beim Kauf eines Gutes bzw. 704 bei der Beauftragung einer Dienstleistung. Es ist wichtig, diese Ängste und Sorgen zu kennen, um darauf aufbauend entsprechende Garantien abzugeben. Hyundai hat z. B. in den USA Fahrzeuge finanziert bzw. geleast und dem 705 Käufer die Möglichkeit eingeräumt, das Fahrzeug zurückzugeben, wenn er aufgrund eingetretener Arbeitslosigkeit die Raten nicht mehr bezahlen kann. Einen ähnlichen Ansatz hat in Deutschland Town & Country Haus verfolgt, als es Geringverdienern beim Kauf einer Immobilie ein Versicherungspaket mitverkaufte, was Risiken wie Berufsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit mitversicherte. Maßnahme 2: Probezeit vereinbaren Gerade bei vollen Lagerbeständen führt die Einräumung einer Probezeit bzw. 706 eine Rücktrittsmöglichkeit nicht selten zu zusätzlichen Umsätzen und damit
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J. Maßnahmen definieren
zum Lagerabbau. Auf demselben Modell basieren etliche Textil-OnlineHändler, die ohne die Umtauschmöglichkeit praktisch keinen Absatz machen würden. Maßnahme 3: Vereinbaren Sie erfolgsabhängige Bezahlung 707 Immer dort, wo aufgrund des gelieferten Gegenstands bzw. der Dienstleistung ein konkreter Erfolg gemessen werden kann, kommt dieser Ansatz ins Spiel. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Grundleistung entweder kostenlos erbracht bzw. der Preis deutlich reduziert wird. Mit der Erfolgsprämie muss allerdings die Differenz zum üblichen Umsatz überkompensiert werden. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass nicht bei jedem verkauften Gut bzw. bei jeder erbrachten Dienstleistung der Erfolg eintreten wird. In der Mischkalkulation sollte letztlich darin eine Preiserhöhung stecken. Sofortmaßnahme 4: Schulen Sie alle Mitarbeiter im Vertrieb, die harte Vorteile benennen können 708 Bringen Sie diese Nutzenvorteile insbesondere auch dann ins Spiel, wenn sich aus den harten Vorteilen weitere Möglichkeiten entwickeln. Beispiel: Sie verkaufen Ihren Kunden eine Maschine, die den Energieverbrauch um 30 % reduziert. In diesem Fall ist eine Finanzierung über das KFW-EnergieeffizienzProgramm zu sehr günstigen Zinskonditionen möglich, sodass der Kunde beim Kauf dieser Maschine noch günstige Finanzierungsmöglichkeiten mit nutzen kann. Maßnahme 5: Die eigene Finanzkraft nutzen 709 Dieses Argument greift insbesondere dann, wenn die Kunden selbst auf Liquiditätssicherung bedacht sind. In derartigen Fällen ist es regelmäßig möglich, Nachlässe vollständig bzw. fast vollständig zu vermeiden, wenn den Kunden entsprechende Zahlungsziele bzw. Ratenzahlungen eingeräumt werden können. 710 Allerdings ist in diesen Fällen auf die Forderungssicherung zu achten. Entweder sollten also die Kunden einer vorherigen Analyse unterzogen werden (Creditreform) oder aber es sollte eine Forderungsausfallversicherung abgeschlossen werden. Maßnahme 6: Prüfen Sie die Möglichkeit von Tauschgeschäften 711 Insbesondere dann, wenn gegenläufige Geschäftsbeziehungen bestehen, können Tauschgeschäfte vereinbart werden, die letztlich die Liquidität schonen. Maßnahme 7: Kundenakquise 712 Insbesondere in Fällen, in denen eine gesamte Branche in der Krise steckt, bieten sich Möglichkeiten, Kunden von angeschlagenen Wettbewerbern zu gewinnen. Achten Sie daher auf alle Informationen betreffend Ihre Wettbewerber. Hierzu können Sie den kostenlosen Dienst von Google „Alerts“ nutzen, um sich dauerhaft und unverzüglich über Ihre Wettbewerber zu informieren. Gerade wenn die Gerüchteküche brodelt, sollten Sie Ihre Vertriebsaktivitäten intensivieren. 166
V. Überwindung der Produkt- und Absatzkrise
Bitte beachten Sie aber, dass derartige Gerüchte nicht in den Umlauf gebracht 713 werden dürfen. Darin könnte ein Verstoß gegen das UWG liegen, der strafund zivilrechtliche Haftungsfolgen mit sich bringen kann. Maßnahme 8: Überprüfen und entwickeln Sie die Geschäftsmodelle Statt Rabatte zu geben, können Sie z. B. Verfügbarkeitsgarantien, Laufleistungs- 714 garantien geben oder z. B. in dem Kfz-Vertrieb Benzinpreis-Garantien geben (Beispiel: Sie garantieren einen Benzinpreis von 1,50 €. Geht der Benzinpreis nach oben, erhält der Kunde die Differenz erstattet). Maßnahme 9: Vertriebsleistung erhöhen In der Krise sollte regelmäßig der Fokus auf dem Erhalt des Absatzniveaus bzw. 715 auf der Steigerung des Absatzniveaus und nicht bei der Kosteneinsparung im Vertrieb liegen. Insbesondere sollten Sie Wert darauf legen, dass die Bearbeitungsgeschwindigkeit im Vertrieb aufrechterhalten bleibt. Sofern neue Mitarbeiter für den Vertrieb gesucht werden, bietet sich unter Umständen die Umsetzung von Mitarbeitern an. Diese kennen die Produkte und ggf. auch schon die Kunden, sodass es einfacher ist, einen Mitarbeiter aus der Produktion im Vertrieb einzusetzen, als einen externen Vertriebsmitarbeiter einzustellen. Dies gilt jedenfalls bei technologischen Produkten. Maßnahme 10: Kernvertriebszeit erhöhen Sie sollten dafür sorgen, dass die Vertriebsmitarbeiter so wenig wie möglich 716 mit Routine und Dokumentationsarbeiten belastet werden. In der Absatzkrise sind regelmäßig die Mitarbeiter nicht vollständig ausgelastet. In dieser Phase muss es Ziel der Sanierung sein, so viel wie möglich delegierbare Tätigkeiten vom Vertrieb auf die unausgelasteten Mitarbeiter zu übertragen, damit die Kernvertriebszeit erhöht werden kann. Die unausgelasteten Mitarbeiter können die Reisen und die Routen planen, sodass unproduktive Reisezeiten minimiert werden können. Gegebenenfalls können unausgelastete Mitarbeiter als Fahrer fungieren, damit die Vertriebsmitarbeiter während der Reisezeit die Dokumentationen und Besuchsprotokolle fertigstellen können. Maßnahme 11: Passen Sie die Vertriebsintensität der Bedeutung der Kunden an Vertriebsmitarbeiter neigen dazu, die Kunden gleichmäßig zu besuchen. Das be- 717 deutet, dass ein C-Kunde genauso viel Aufmerksamkeit erhält wie ein A-Kunde. In der Krise aber sollten Sie gemäß dem Pareto-Prinzip vorrangig die 20 % Kunden bearbeiten, mit denen Sie 80 % ihres Geschäftserfolgs erzielen. Maßnahme 12: Direktvertrieb Auch für den Direktvertrieb können unter Umständen Innendienstmitarbeiter 718 aus der Produktion eingesetzt werden. Insbesondere im B2B Geschäft sollten Sie alle Ihre Mitarbeiter mit den entsprechenden Verkaufsmaterialien versorgen, damit diese im Freundes- und Bekanntenkreis akquirieren können.
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J. Maßnahmen definieren
Maßnahme 13: Neue Kundensegmente erschließen 719 Die Erschließung neuer Kundensegmente kann in nicht bedienten Regionen, Zielbranchen oder Preislagen erfolgen. Allerdings ist zu bedenken, dass dies nicht selten einen erheblichen finanziellen Aufwand verursacht. Sofern aber die Kundesegmente regional oder inhaltlich den bisherigen Segmenten nahekommen, kann dies anders sein. Zu bedenken ist allerdings, dass die Wettbewerber mit Preiskämpfen reagieren können, was die gesamte Segmenterweiterung infrage stellen kann. Maßnahme 14: Incentives 720 Im Vertrieb sind Anreizsysteme üblich. Gerade in der Absatzkrise müssen Sie besonders sorgfältig gewählt sein. Vermeiden Sie dort Umsatz- bzw. Absatzincentives, da diese regelmäßig zulasten der Marge gehen. Vereinbaren Sie Incentives nur auf den Deckungsbeitrag und setzen Sie einen Sockelbeitrag fest, der zum Erzielen einer Prämie erforderlich ist. Belohnen Sie den besten Mitarbeiter (der Mitarbeiter, der die höchsten Margen erzielt) mit einer Sonderprämie. Maßnahme 15: Setzen Sie Innendienstler im Vertrieb ein 721 Gerade nicht ausgelastete Innendienstler können Vertriebstätigkeiten übernehmen. Insbesondere Telefon, Vertrieb und Direktvertrieb können von diesen Mitarbeitern gut bedient werden. Eine solche Veränderung kann bisweilen die Mitarbeiter auch motivieren und unerkannte Talente offenbaren. Maßnahmen 16: Verkäufer der Konkurrenz akquirieren 722 Nicht selten hängen Kundenbeziehungen an der persönlichen Beziehung zum Verkäufer. Aus diesem Grund können Sie durch die Anstellung eines Verkäufers vom Wettbewerber gelegentlich Kunden mit zu sich hinüberziehen. Die Möglichkeit bietet sich insbesondere dann an, wenn der Wettbewerber in einer noch schwierigeren Situation ist als ihr Unternehmen. Maßnahme 17: Verkaufskompetenz aufbauen und intern weitergeben 723 Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal von Top-Verkäufern gegenüber normalen Verkäufern ist das Kundenverständnis. Top-Verkäufer kennen die Geschäftsprozesse Ihrer Kunden wesentlich besser. Daher können Sie die wirtschaftlichen Vorteile der eigenen Dienstleistungen besser darstellen und ggf. sogar berechnen. In der Krise muss der Vertrieb angehalten werden, die Geschäftsprozesse der Kunden genau zu studieren, um damit den Vertrieb zu optimieren. Maßnahme 18: Verstärkung des Cross-Sellings 724 Das Cross-Selling kann insbesondere dadurch erweitert werden, dass für bestehende Kunden die Leistungen erweitert werden. Dies geschieht am besten durch Bündelung mehrerer Leistungen zu einem Gesamtangebot. Diese Paketbildung macht im Übrigen die Leistung gegenüber Konkurrenzleistungen schwerer vergleichbar, sodass die Preisdiskussion bestenfalls in den Hintergrund gedrängt, jedenfalls aber relativiert werden kann.
168
V. Überwindung der Produkt- und Absatzkrise
Maßnahme 19: Vertriebssortiment erweitern Wenn Sie Güter produzieren, können Sie überlegen ergänzende Produkte als 725 Handelsware mit zu vertreiben. Dadurch wird die Vertriebsmöglichkeit für Ihren Außendienst erhöht. Möglicherweise werden dadurch sogar die Kundenbeziehungen gefestigt, weil Sie weitere Problemlösungen anbieten. Maßnahme 20: Angebotsmenge bzw. Absatz reduzieren In Zeiten von Überkapazitäten wird kein Geld verdient. Daher besteht in der 726 Krise ein großer Bedarf, etwaige Überkapazitäten zu reduzieren bzw. ganz zu vermeiden. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Porsche, Herr Wiedeking, hat einmal gesagt, dass das Erfolgsgeheimnis von Porsche war, immer ein Auto weniger zu verkaufen als man hätte verkaufen können. Durch diese bewusste Verknappung konnte man sich den Rabattschlachten entziehen und hat darüber hinaus die Nachfrage nach dem Kfz hochgehalten. Ob dies in den b2bMärkten umsetzbar ist, sei dahingestellt. Jedenfalls bringt eine Verknappung der Kapazitäten durch die Reduktion von Fixkosten eine gewisse Entspannung und kann argumentativ in den Preisverhandlungen genutzt werden. Maßnahme 21: Preise intelligent senken Generell gilt die Regel, dass man lieber Mengen- als Preisrückgänge akzeptieren 727 sollte. Dies bedeutet allerdings nicht, dass man strikt auf seinen Preisen beharren sollte. Maßgeblich für die Frage, ob und in welchem Umfang die Preise gesenkt werden sollen, ist die sog. Preiselastizität. Das heißt, ab welchem Preisrückgang kann man die Nachfrage nach der Leistung steigern. Es steht nämlich keineswegs fest, dass eine Preisreduktion dazu führt, dass man die gleiche Menge wie bisher absetzen kann. Im Rahmen der Preiselastizität ist auch zu berücksichtigen, dass die Interessen- 728 lage des Anbieters bzw. der Kunden bei Preissenkungen oder bei Preiserhöhungen asymmetrisch ist. In diesem Zusammenhang ist auf die GutenbergKurve zu verweisen, nach der ein größerer Zu- bzw. Abgang von Kunden zu verzeichnen ist, je größer die Differenz des neuen Preises zur durchschnittlichen Preisbildung ist. Maßnahme 22: Natural-, statt Preisrabatte Sie kennen die klassische amerikanische Werbung: „Buy two, get one free.“
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Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass das dritte umsonst mitgegebene Stück 730 nur zu den Herstellungskosten zu kalkulieren ist und damit dem Käufer zwar ein Rabatt von 33 % signalisiert wird, dieser aber um die Gewinnmarge zu reduzieren ist. Sofern keine Vollauslastung besteht und in Deckungsbeitragskategorien kalkuliert wird, ist der Deckungsbeitrag aller drei verkauften Einheiten zum Preis von 2/3 des Listenpreises zu kalkulieren, was unter Umständen für das Unternehmen immer noch wirtschaftlich sinnvoll sein kann. In die gleiche Kategorie fallen Zusatzleistungen, die entgeltlich oder vergünstigt 731 dazugestellt werden.
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J. Maßnahmen definieren
Maßnahme 23: Nicht lineares Pricing und Price-Bundling 732 Beim nicht linearen Pricing sinkt der Preis pro Einheit bei zunehmender bestellter Zahl der gekauften Einheiten. Dies kommt letztlich dem NaturalRabatt sehr ähnlich. 733 Noch interessanter ist das Price-Bundling, in dem mehrere Produkte zu einem Gesamtpaketpreis verkauft werden. Bei derartigen Leistungen ist der Preis mit dem des Wettbewerbers nur schwer vergleichbar. Damit kann zugleich die Qualität der eigenen Leistung bzw. den Service besser in den Vordergrund der Preisverhandlungen heben. Maßnahme 24: Verteidigen Sie Ihre Listenpreise 734 Gerade in der Krise sollten Sie Preisverhandlungen optimal vorbereiten. Dies bedeutet zum einen die Kenntnis der Prozesse des Kunden und die Errechnung des von Ihnen gestifteten Nutzens und zum anderen klare Zielvorgaben für den Vertrieb sowie ein entsprechendes Controlling. Maßnahme 25: Nebenleistungen berechnen 735 Nicht selten werden die Preise der Hauptleistung mit Argusaugen beobachtet, während die Nebenleistungen nur in begrenztem Maße überprüft werden. So kann es z. B. unbemerkt bleiben, wenn das Kfz im Preis gleich bleibt, aber die nicht serienmäßig integrierte Klimaanlage im Preis erhöht wird. Dasselbe gilt für Ersatzteile bzw. Verschleißteile. Maßnahme 26: Reduktion der Rabattstufen 736 Zum einen braucht der Vertrieb klare Spielregeln wann und in welchem Umfang ihm ein Preisspielraum eingeräumt wird. Zum anderen ist zu beachten, dass Rabattverhandlungen üblicherweise in 5er oder 10er Schritten geführt werden. Sofern man es schafft, diese schrittweise zu reduzieren, fallen die gewährten Rabatte automatisch geringer aus. Maßnahme 27: Bisher kostenlos erbrachte Inklusivleistungen bzw. Serviceleistungen getrennt abrechnen 737 Man spricht hier vom sog. Unbundling. Beispielsweise könnte ein Maschinenbauer die Beratung zum Kauf einer Maschine gesondert abrechnen. Maßnahme 28: Wertschöpfungskette durch Service vertiefen 738 Genauso wie Sie bislang kostenlose Inklusivleistungen bepreisen können, können Sie die Hauptleistung um Service-Angebote anreichern, die dann selbstverständlich berechnet werden müssen. So kann z. B. ein Software-Programmierer Schulungen zu seiner Software gegen Entgelt anbieten. Maßnahme 29: Den Kundenanteil mit Serviceverträgen erhöhen 739 Serviceverträge bringen eine permanente Auslastung bzw. permanente Erträge und Cash-Flows. Sie machen das Unternehmen kalkulierbarer und können so attraktiv sein, das gesamte Bepreisungssystem umzustellen bzw. anzupassen.
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Maßnahme 30: Entwicklung vom Produkt- zum Systemanbieter Dieser Ansatz dürfte in der Regel für kurzfristige Maßnahmen nicht geeignet 740 sein. Im Wesentlichen geht es darum, dem Kunden umfassende Problemlösungen statt der Lieferung einzelner Produkte zu offerieren. Dies führt dazu, dass das Unternehmen weniger austauschbar wird und führt insgesamt zu einer Verstärkung der Kundenbindung. Maßnahme 31: Serviceflexibilität erhöhen Gerade in der Krise ist die Bereitschaft von Arbeitnehmern und Betriebsräten 741 flexible Lösungen zu suchen enorm wichtig. Es wird nämlich regelmäßig übersehen, dass in einem Vertragsangebot neben den Faktoren Leistung und Preis ein weiteres wichtiges Entscheidungskriterium einbezogen werden muss: Die Zeit bzw. Arbeitsgeschwindigkeit. Wenn Sie z. B. eine Bestellung bei Amazon tätigen, haben Sie die Möglichkeit, das Paket zum Standardpreis in 2 – 3 Werktagen zugesandt zu bekommen. Alternativ haben Sie die Möglichkeit, gegen einen Aufpreis von der Über-Nacht-Lieferung zu profitieren. Das heißt, die erhöhte Bearbeitungsgeschwindigkeit hat einen Preis, der zugleich von den Kunden akzeptiert wird. Insbesondere diese Bearbeitungsgeschwindigkeit kann ein wichtiges Differenzierungsmerkmal zum Wettbewerb sein. Maßnahme 32: Vom Erstmarkt zum Zweitmarkt In der Krise werden zunehmend gebrauchte Gegenstände gekauft. Dies erhöht 742 den Bedarf nach Wartungen von Gebrauchtgegenständen. So könnte z. B. ein Maschinenbauer nicht ausgelastete Kapazitäten darauf verwenden, alte Maschinen zu reparieren bzw. zu warten. Gegebenenfalls könnten diese Maschinen an- und später wieder verkauft werden. Maßnahme 33: Innovative Service-Angebote Nutzbar ist hier alles, was dem Kunden gefällt. So gibt es Flugzeugtriebwerk- 743 Hersteller, die danach vergütet werden, „wie viel die Triebwerke laufen“. Das heißt, der Flugzeugbauer bezahlt kein Triebwerk. Er bekommt es quasi kostenlos geliefert. Dafür wird pro Flugstunde eine Gebühr an den Triebwerk-Hersteller fällig. Ähnliche Konzepte gibt es auch für Windkrafträder. Im Bereich der Drucker-Technik wurden sog. Pay-per-Use-Tarife eingeführt. 744 Das heißt, die Unternehmen bekamen einen Drucker zur Verfügung gestellt. In dem Drucker ist ein Zähler integriert und der Kunde zahlt pro getätigter Kopie bzw. pro getätigtem Ausdruck. In allen Formen einher geht ein damit inbegriffenes Service- und Wartungs- 745 abkommen mit dem Lieferanten. Überwindung der Strategiekrise Grundlage der strategischen Neuausrichtung ist das Leitbild des rendite- und 746 wettbewerbsfähigen Unternehmens. Nickert/Kühne, InsBüro 2014, 500.
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J. Maßnahmen definieren
747 Ausgangspunkt der Strategiedefinition ist die Unternehmensanalyse. Diese hat Chancen und Schwächen aufgezeigt. Bei dieser Analyse sind die Wettbewerbskräfte und Trends mit eingeflossen. Aus diesen wesentlichen Informationen ist in kreativer Arbeit eine Neuausrichtung vorzunehmen. 748 Wir sind dabei der Auffassung, dass sich die Unternehmen die Strategie selbst geben müssen. Sind sie dazu nicht in der Lage, muss entweder das Management ausgetauscht werden oder aber das Unternehmen muss vom Markt ausscheiden. Die Rolle der Berater kann sich nur darauf reduzieren, in strukturierter Weise bei der Analyse zu helfen und die richtigen Fragen zu stellen. In der Krise kommt hinzu, dass ein enormer Zeitdruck besteht und aus diesem Grund einige Schritte von externen Beratern übernommen bzw. moderiert werden können. Zuletzt wollen die Stakeholder und insbesondere die Gläubiger eine Stellungnahme über die Plausibilität der Neuausrichtung. 749 Beurteilungskriterien für die Überwindung einer Strategiekrise sind nicht allein positive Liquiditäts- und Erfolgsaussichten als Ergebnis einer integrierten Planung. Zusätzlich sind die Kriterien über das Erlangen einer nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit und von Wettbewerbsvorteilen heranzuziehen, weil diese entscheidend dafür sind, ob das Unternehmen seine Marktanteile halten oder gar ausbauen und Umsatzwachstum generieren kann. 750 Um seine Wettbewerbsfähigkeit auszubauen oder gar Wettbewerbsvorteile zu generieren, muss das Unternehmen unter Berücksichtigung der Kundenanforderungen und der Vorgehensweisen der Konkurrenten seine Marktaktivitäten und Ressourcen optimal aufeinander abstimmen. Dies kann im Rahmen einer Unternehmensstrategie eigenständig, durch Allianzen mit Wettbewerbern oder durch Fusionen/Übernahmen erfolgen. 751 Ziel der strategischen Unternehmensplanung ist die Begründung einer nachhaltig profitablen Unternehmensentwicklung durch Entwicklung geeigneter Produkt-Markt-Strategien (Strategien über das Produkt-Markt-Konzept) und Ressourcen-Strategien (Strategien zur Nutzung und Ausgestaltung der vorhandenen bzw. zu beschaffenden Ressourcen). Dabei gilt es, möglichst über die Absicherung der Wettbewerbsfähigkeit hinaus Wettbewerbsvorteile zu erzielen. 752 Um den stetigen Herausforderungen des Wettbewerbs zu genügen, ist es erforderlich, die Leistungen im Spannungsfeld von Qualität, Kosten und Zeit zu optimieren. Im Ergebnis sind Portfoliozusammensetzung, Kerngeschäfte, Kernfähigkeiten sowie angestrebte Marktposition/Wettbewerbsvorteile strategiekonform zu definieren. Über den Markterfolg und damit die Wettbewerbsfähigkeit entscheidet letztlich immer die Sicht des Kunden; sie ist maßgebend für die Beurteilung von Wettbewerbsvorteilen. 753 Befindet sich das Unternehmen z. B. in einer Wettbewerbssituation, die durch eine hohe Zahl relativ gleich starker Wettbewerber, standardisierte Produkte und hohe Fixkosten geprägt ist, ist es wahrscheinlich, dass das Unternehmen in einen Preiskampf gerät und sich einem Verdrängungswettbewerb
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V. Überwindung der Produkt- und Absatzkrise
ausgesetzt sieht. In einer solchen Situation kommt es darauf an, ob sich das Unternehmen allein oder in Kooperation, insbesondere über Kosten- oder Differenzierungsvorteile, profitablen Absatz sichern kann. Der Schwerpunkt der strategischen Neuausrichtung liegt im Bereich der Ge- 754 schäftsfeldplanung und der Ressourcenneuordnung sowie in der Formulierung der Unternehmensstrategie. Es ist daher festzulegen, wie die im – ggf. neu formulierten – Leitbild niedergelegten Ziele mittel- und langfristig erreicht werden sollen. Als Stoßrichtung des Maßnahmenpakets kommen folgende mittel- und längerfristig wirkende Optionen der Strategieplanung in Betracht: x
x
x
x
Stärkung des Kerngeschäfts, z. B. durch –
gezielte Profilierung der Marke oder des Produkts,
–
Definition des Marktsegments oder einer Nischenbelegung,
–
Profilierung durch Identifikation und Ausbau der Stärken und Eliminierung von Schwachstellen.
Ausweitung des Kerngeschäfts durch das Angebot –
komplementärer Produkte und Dienstleistungen sowie
–
integrierter Lösungen über die bisherigen Leistungen hinaus.
Transfer bisheriger Produkte, Marken, Ressourcen, Fähigkeiten und Kompetenzen auf neue Anwendungsbereiche wie z. B.: –
neue Kunden,
–
neue Regionen,
–
neue Geschäftsfelder.
Entwicklung neuer Erfolgspotenziale: –
Produkt- und Prozessinnovationen,
–
Aufbau von Kernkompetenzen,
–
Öffnung für Partnerschaften,
–
Einführung von Netzwerkstrukturen und strategischen Allianzen.
Im Rahmen der strategischen Neuausrichtung kann es erforderlich sein, sich in 755 einem ersten Schritt auf die strategischen Optionen zu konzentrieren, bei denen die Ressourceneinsätze höchstmögliche Effektivität versprechen; dies umfasst die Beschränkung zunächst auf wenige Optionen aus der sodann mittelfristig umzusetzenden Gesamtstrategie. Ausgehend von den Festlegungen im Leitbild sind in der strategischen Aus- 756 richtung einzelne materielle Ressourcen (z. B. Grundstücke, Gebäude, Anlagen) ebenso zu bestimmen wie immaterielle (z. B. Know-how, Lizenzen, Patente), personelle (z. B. Führungskräfte, Mitarbeiter) und finanzielle Ressourcen. Die 173
J. Maßnahmen definieren
geschickte Kombination verschiedener Ressourcen sollte zu übergreifenden, besonderen Fähigkeiten führen (sog. organisatorische Fähigkeiten), die z. B. an der Beherrschung einzelner Technologien oder wichtiger Prozesse (z. B. Produktentwicklungsprozesse oder Auftragsabwicklungsprozesse), aber auch an besonderen Stärken in einzelnen Funktionen (z. B. Kundenakquisition, Produktion, Montage, Service) oder Systemen (z. B. schlagkräftige und flexible Aufbauorganisation, ausgebautes Controlling) zu erkennen sind. 757 Im Rahmen der strategischen Neuausrichtung hat das Unternehmen seine Potenziale unter Effektivitäts-, Nachhaltigkeits- und Stimmigkeitsaspekten auszurichten. Überwindung der Stakeholderkrise 758 Eine Stakeholderkrise, die sich negativ auf die Entwicklung des Unternehmens auswirkt, kann letztlich nur überwunden werden, wenn es der Unternehmensleitung oder dem Aufsichtsorgan gelingt, mit allen Interessengruppen wieder einen Konsens zur vertrauensvollen Zusammenarbeit und zu einer gemeinsam getragenen und gelebten Unternehmens- und Zielstruktur zu finden. 759 Unter Berücksichtigung der Ziele einer guten Corporate Governance ist auch zu bedenken, ob und wo Stärkungen im Hinblick auf leistungsfähige Organisationsstrukturen mit kompetenten, integren und durchsetzungsfähigen Organen (Leitungs- und Überwachungsorgane, Anteilseigner) geboten sind. Die Unternehmensorgane sind so zu besetzen, dass das Unternehmen den angestrebten Sanierungserfolg nachhaltig erreichen kann. Die Unternehmensführung muss in der Lage sein: x
Das Unternehmensleitbild entsprechend den (künftigen) Markt- und Wettbewerbsanforderungen zu präzisieren und weiterzuentwickeln.
x
Angemessene Zielvorgaben abzuleiten und der Belegschaft vorzugeben.
x
Durch Vorbild und Vorleben eine starke Unternehmenskultur zu prägen,
x
Die ständigen Wandlungsanforderungen des Unternehmens zu bewältigen und
x
das erforderliche Vertrauen seiner internen und externen Stakeholder zu gewinnen.
174
K. Integrierte Sanierungsplanung Das Sanierungskonzept enthält in zusammengefasster Form eine zahlenmäßige 760 Abbildung des Sanierungsablaufs. Durch diese Planverprobungsrechnung wird nachgewiesen, dass voraussichtlich keine Zahlungsunfähigkeit eintritt und zugleich die Finanzierbarkeit der geplanten Maßnahmen nachgewiesen. Ausgehend von der Unternehmensanalyse und den identifizierten Schwach- 761 stellen sind die Maßnahmen zu quantifizieren (siehe Rn. 204 f.) und in einem integrierten Unternehmensplan zusammenzuführen. IDW S 6 Tz. 72 ff., F&A zu IDW S 6 Ziff. 6 und 7; S 11 Tz. 32.
Die aus der Unternehmensanalyse gewonnenen Kennzahlen sind den Kennzah- 762 len laut integrierter Planung gegenüberzustellen. Dies dient der Vorbereitung der Plausibilitätsbeurteilung. I. Darstellung der Problem- und Verlustbereiche Der Scherpunkt der Arbeit und der Berichterstattung gilt den wesentlichen 763 Schwachstellen und deren Überwindung. Diese ist sinnvollerweise nach Geschäftsfeldern, Produktbereichen, Produktionsstandorten, Absatzgebieten etc. zu gliedern. Zudem sind in zusammengefasster Form die Restrukturierungserfordernisse unter finanziellen Aspekten anzugeben (z. B. Kapitalbedarf und -zuführung, Maßnahmen zur Ergebnisverbesserung). Der Schwerpunkt liegt in der Abschätzung der zukünftigen Entwicklung ohne Berücksichtigung der Sanierungsmaßnahmen („Was passiert, wenn nichts passiert?“). II. Darstellung der Maßnahmeneffekte Sodann ist darzulegen, welche Wirkungen die Maßnahmen auf die künftige 764 Ergebnis-, Finanz- und Vermögensentwicklung des Unternehmens voraussichtlich haben. Nach h. M. ist dies für das laufende und das folgende Planjahr zu quantifizieren. Hierzu sind die Maßnahmeneffekte möglichst monatlich zu beschreiben, während für die Folgejahre viertel- bzw. halbjährliche Planangaben ausreichend sind. Wichtig ist es anzugeben, welche Maßnahmen bereits eingeleitet und mit 765 welchem Grad diese bereits realisiert sind. Für die Sicherung und Kontrolle der Umsetzung sollen die hierfür jeweils Verantwortlichen genannt werden. Nach dem IDW können beabsichtigte Maßnahmen in der Planungsrechnung berücksichtigt werden: „Das Sanierungskonzept kann Maßnahmen umfassen, die von der Mitwirkung Dritter abhängen und bei denen zum Zeitpunkt der Erstellung eine rechtlich bindende Verpflichtung noch aussteht. Hierbei handelt es sich z. B. um folgende Sachverhalte: x
Die Zinszahlungen für die von der XY-Bank gewährten Darlehen werden nach einer vorläufigen Vereinbarung mit der Bank bis zum 31.12.[…] ausgesetzt. 175
K. Integrierte Sanierungsplanung
x
Die Gesellschafter beabsichtigen, eine Zuzahlung in das Eigenkapital der Gesellschaft in Höhe von […] € vorzunehmen.
x
Der Gläubiger XY hat in Aussicht gestellt, in Höhe von […] € mit seinen Forderungen gegen Besserungsabrede im Range hinter alle anderen Gläubiger zurückzutreten.
x
Die Gesellschaft beabsichtigt den Verkauf einer Teileinheit, wobei erste Gespräche mit Interessenten schon begonnen haben.
x
Mit der Arbeitnehmervertretung soll ein Sanierungsbeitrag in Form des Verzichts auf Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld etc. verhandelt werden“. IDW S 6 Tz. 137.
766 In der Regel wird mit dem Gutachten eine Finanzierungsanfrage verbunden. Soweit die positive Beantwortung dieser Finanzierungsfrage entscheidend für die Gutachtenfrage ist, ist dies in der Bescheinigung zu vermerken. Dies schätzt die BStBK für die Fortführungsannahme im Rahmen der Bilanzierung ebenso ein: „Eine Ergänzung ist vorzunehmen, wenn die getroffenen sachverhaltsgestaltenden Maßnahmen aufschiebend bedingt sind bzw. z. B. einer rechtsverbindlichen Zusage einer noch nicht erfolgten Kapitalzuführung bzw. noch der Eintragung im Handelsregister bedürfen… Dabei ist auf die Art der formalrechtlichen Voraussetzung abzustellen. Ist diese Bedingung zeitlich begrenzt, dann ist eine Bescheinigung mit Ergänzung zu erteilen.“ „Ergänzend weise ich/weisen wir darauf hin, dass die von dem Unternehmen getroffenen Maßnahmen … aufschiebend bedingt sind/noch der Durchführung bedürfen/noch der Eintragung in Handelsregister bedürfen/dass die Grundsätze der Unternehmensfortführung unter dem Vorbehalt … angewendet worden sind“. BStBK, Hinweise zur Verlautbarung der Bundessteuerberaterkammer zu den Grundsätzen für die Erstellung von Jahresabschlüssen in Bezug auf Gegebenheiten, die der Annahme der Unternehmensfortführung entgegenstehen vom 13./14. März 2018, Tz. 124 f.
767 Wir halten die Berücksichtigung von geplanten Maßnahmen für ein Sanierungskonzept für richtig. Allerdings gebietet der Gläubigerschutz, dass bei der Fortbestehensprognose innerhalb der dreiwöchigen Insolvenzantragsfrist bei bestehender Insolvenzantragsfrist entsprechende Zustimmungserklärungen eingeholt werden. Andernfalls ist der Insolvenzantrag unumgänglich, es sei denn die Maßnahmen sind für das Aufrechterhalten des Zahlungsgleichgewichts nicht erforderlich (siehe Rn. 778 ff.). III. Praktische Umsetzung 768 Der Erfolg des Sanierungskonzepts hängt maßgeblich von der konzeptgemäßen Umsetzung der Maßnahmen sowie der kontinuierlichen Überwachung und Fortschreibung des Konzepts durch die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft ab.
176
III. Praktische Umsetzung
Eine integrierte Sanierungsplanung kann nur dann optimal realisiert werden, 769 wenn das Maßnahmenbündel in seiner Gesamtheit betrachtet, ausgewählt und umgesetzt wird. Statt einer isolierten Betrachtung einzelner Maßnahmen müssen somit alle Querbeziehungen innerhalb eines Maßnahmenbündels berücksichtigt werden. Denn im Regelfall ist die unternehmerische Krise gerade auf ein Zusammenkommen und das Zusammenspiel von unterschiedlichen Faktoren zurückzuführen. Somit ist die Stimmigkeit eine notwendige Bedingung für den Erfolg der Sanierung. Gesetzt den Fall, es bestehen grundsätzlich gute Aussichten für eine erfolgrei- 770 che, außergerichtliche Sanierung des Unternehmens, dieses befindet sich jedoch nicht mehr lediglich im Krisenstadium, sondern steht unmittelbar vor dem Eintritt von Insolvenzgründen oder befindet sich gar bereits in diesem Bereich. Die Folge wäre die Insolvenzantragspflicht. Eine u. U. vielversprechende außergerichtliche Sanierung wäre abgeschnitten. Der folgende Abschnitt befasst sich mit den sich in dieser Lage bietenden Mög- 771 lichkeiten, die Insolvenzantragspflicht zu vermeiden. Es gilt danach Maßnahmen zu ergreifen, die in der Lage sind, Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung zu verhindern bzw. zu beseitigen. Die dabei naturgemäß erforderliche, schnellstmögliche Umsetzung verlangt nach kurzfristig wirksamen Sanierungsmaßnahmen. Um der sich bietenden Fülle an potentiellen Maßnahmen Herr zu werden, bietet sich eine Unterscheidung von internen und externen Maßnahmen an, wobei interne Maßnahmen vom jeweiligen Unternehmen autonom, ohne jegliche Drittbeteiligung durchgeführt werden können. Dagegen benötigen die externen Maßnahmen die Mithilfe oder das Einverständnis Dritter. Im Rahmen der internen Maßnahmen bietet sich eine weitere Unterscheidung zwischen leistungswirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Maßnahmen an. Diese Differenzierungen dienen lediglich der leichteren Erfassbarkeit des Stoffes, eine in jedem Bereich trennscharfe Abgrenzung vermögen sie nicht zu leisten. Übergreifend lässt sich feststellen, dass die Maßnahmen regelmäßig kombi- 772 niert angewendet werden müssen, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Welche Einzelmaßnahmen bzw. welche Kombination von Maßnahmen hierfür am besten geeignet erscheinen, muss für jeden Einzelfall gesondert beurteilt werden. Die nachfolgend aufgeführten Maßnahmen können danach nicht abschließend sein, sondern bieten lediglich Anhaltspunkte für einen einzelfallgerechten Maßnahmenkatalog. 773
Aufgrund der Rechtsprechung des OLG Celle, OLG Celle, Urt. v. 23.10.2003 – 16 U 199/02, ZIP 2003, 2118,
muss sich der Ersteller der Prognoserechnung an die berufsständischen Verlautbarungen halten. Andernfalls genügt seine Stellungnahme nicht den Anforderungen der Rechtsprechung. Als solche Verlautbarungen kommen u. E. in Betracht: x
Verlautbarungen des BdU (GoP 2.1) 177
K. Integrierte Sanierungsplanung
x
Verlautbarungen des IDW (S 1, 2, 5, 6, 11)
x
Verlautbarungen des ISU Instituts (MaS)
x
Anforderungen an Beratungsleistungen für öffentliche Förderprogramme (z. B. der KfW)
774 Auf jeden Fall aber hat sich der Planer an die teilweise geringeren Voraussetzungen der Rechtsprechung des BGH zu halten. Im Detail siehe Ganter, NZI 2014, 763 ff.
775 Unseres Erachtens kann eine positive Prognose nur aufgrund einer integrierten Planungsrechnung (Planerfolgs-, Planbilanz- und Planliquiditätsrechnung) angenommen werden. Die direkte bzw. isolierte Liquiditätsbetrachtung scheidet aus, da diese praktisch nicht plausibilisiert werden kann und damit einem Dritten die Einarbeitung und Überprüfung des Rechenwerks innerhalb angemessener Zeit – analog § 238 Abs. 1 Satz 2, 3 HGB – nicht möglich, mithin die Planung nicht intersubjektiv nachprüfbar ist (siehe Rn. 110 ff.). 776 Oft wird es vorkommen, dass der Planer in einer manifesten Krise seine Arbeit erst aufnimmt. Dann muss in dieser Zeit die kurzfristige Liquidität geplant werden, um das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit auszuschließen. Aus der maximal auf Wochenbasis erstellen Liquiditätsvorschau kann die kurzfristige Liquiditätsveränderung betrachtet werden. IDW S 11 Tz. 33.
777 Dies kann helfen, um in diesem Zeitfenster die Liquidität z. B. durch Überbrückungskredite aufrechtzuerhalten und die mittelfristige Planung fertigzustellen. IV. Wann dürfen Maßnahmen in der Planungsrechnung berücksichtigt werden? 778 In der Planung dürfen alle ernsthaft beabsichtigten, beschlossenen und realistischen Maßnahmen berücksichtigt werden. Geplante Maßnahmen dürfen berücksichtigt werden, wenn diese ohne Zustimmung Dritter durchführbar sind. 779 Wenn aber die Zustimmung Dritter erforderlich ist, stellt sich die Frage nach dem planerisches Ermessen bzw. einem nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum. x
IDW S 6 Tz. 76: Das Sanierungskonzept kann Maßnahmen umfassen, die von der Mitwirkung Dritter abhängen und bei denen zum Zeitpunkt der Erstellung eine rechtlich bindende Verpflichtung noch aussteht.
x
BGH, Urt. v. 6.6.1994, ZIP 1994, 1103: Hierbei ist dem Geschäftsführer ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzubilligen; vor allem kommt es nicht auf nachträgliche Erkenntnisse, sondern auf die damalige Sicht eines ordentlichen Geschäftsleiters an.
178
IV. Wann dürfen Maßnahmen in der Planungsrechnung berücksichtigt werden?
Probleme wirft hier die noch junge Entscheidung des BGH vom 22.11.2012 auf: 780 BGH, Urt. v. 22.11.2012 – IX ZR 62/10, ZIP 2013, 79: „Zahlungsunfähigkeit droht, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 Abs. 2 InsO). Von der Nichtzahlung einer nach § 271 Abs. 1 BGB fälligen Forderung darf nicht schematisch auf die Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden. Eine Forderung ist vielmehr nur dann zu berücksichtigen, wenn eine Gläubigerhandlung feststeht, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt. Hierfür genügen sämtliche fälligkeitsbegründenden Handlungen des Gläubigers, gleich ob die Fälligkeit aus der ursprünglichen Vertragsabrede oder aus einer nach Erbringung der Leistung übersandten Rechnung herrührt. Eine zusätzliche Rechtshandlung im Sinne eines Einforderns ist daneben entbehrlich. Dieses Merkmal dient allein dem Zweck, solche fälligen Forderungen bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit auszuschließen, die rein tatsächlich – also auch ohne rechtlichen Bindungswillen oder erkennbare Erklärung – gestundet sind … Die vom Berufungsgericht angenommene Stundung der Darlehensrückzahlung über rund 2.710.000 € hatte ihren Grund in den Verhandlungen der Schuldnerin mit einer anderen Bank über eine Ablösung des Darlehens. Diese Verhandlungen begrenzten aber auch die Stundung. Für eine Fortdauer der Stundungsvereinbarung über den Zeitpunkt eines Scheiterns der Ablöseverhandlungen hinaus gibt es keine Anhaltspunkte. Damit war absehbar, dass die Schuldnerin zahlungsunfähig sein würde, sobald die Ablöseverhandlungen scheiterten.“
Aufgrund des Urteils, welches zur Frage der drohenden Zahlungsunfähigkeit 781 i. S. d. § 18 InsO ergangen ist, stellt sich die Frage, ob zur Vermeidung der negativen Fortbestehensprognose schon bei Planungserstellung eine Zustimmung Dritter vorliegen muss. Nach Auffassung des BGH müssen Restrukturierungsverhandlungen eine „sichere Erfolgsaussicht“ bieten. Thole, ZIP 2015, 2145, 2146.
Unserer Meinung nach gilt auch hier der Grundsatz „pacta sunt servanda“: Das 782 heißt, bei einem Eingriff in einen bestehenden Vertrag muss die Zustimmung Dritter vorliegen. Dies gilt insbesondere bei einem echten Sanierungsbeitrag, z. B. einem Forderungsverzicht, sog. „Haircut“. Eine Ausnahme kann nur dort angenommen werden, wo eine Pflicht zur Zustimmung besteht, z. B. bei einem Sanierungserlass nach der AO, wenn die Voraussetzungen evident gegeben sind. Wenn die Fortbestehensprognose erstellt werden soll, um Gläubiger z. B. zu einem Verzicht zu bringen, also die Zustimmungen Dritter noch nicht vorliegen, muss die Bescheinigung lauten, dass grundsätzlich keine positive Prognose besteht. Eine positive Prognose ist aber dann anzunehmen, wenn die im Gutachten vermerkten Zustimmungen innerhalb einer Frist bis zum […] eingehen. Alternativ kann, wenn der Sanierungsbeitrag z. B. durch einen Letter od Intent signalisiert wurde entsprechend der Rn. 701 verfahren werden. Dann aber obliegt es dem Organ, innerhalb der dreiwöchigen Antragspflicht unter Vorlage der Fortbestehensprognose für die Zustimmung des Gläubigers zu werben. Beim Abschluss künftiger Verträge im ordentlichen Geschäftsgang ist die 783 Annahme zu plausibilisieren, ob zum entsprechenden Zeitpunkt die Zustimmung bzw. der Vertragsschluss anzunehmen ist. Das heißt, wenn im gewöhn179
K. Integrierte Sanierungsplanung
lichen Lauf der Dinge mit dem Geschäft (Umsatzerlös, Darlehensprolongation) zu rechnen ist, darf dies planerisch berücksichtigt werden. Bei atypischen Geschäftsvorfällen (Eingriff in bestehende Verträge) muss aus Gründen des Gläubigerschutzes eine ganz konkrete Annahme für den Gläubigerbeitrag begründet sein. Abgesichert werden kann dies durch eine Absichtserklärung. 784 Letztlich ist es aber auch wieder eine Frage des Planungsanlasses. Will z. B. der Insolvenzverwalter überprüfen, ob er einen Betrieb fortführen soll oder nicht, muss für diese betriebswirtschaftliche Entscheidung anders vorgegangen werden: Es ist allein der gewöhnliche Lauf der Dinge zu berücksichtigen. Wenn aber die Annahme eines Insolvenzgrunds bei einer haftungsbeschränkten Gesellschaft an die Planung geknüpft ist, muss aus Gründen des Gläubigerschutzes ein höheres Maß an einer Konkretisierung gefordert werden. Dies ist letztlich eine Ausprägung der Beweislastverteilung. V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung „Je weniger befähigt ein Unternehmensbewerter ist, umso ausgeprägter wird sein Ehrgeiz sein, einwertige Ertragsprognosen abzugeben: Er wird sich nicht damit begnügen, Bandbreiten möglicher künftiger Ertragsprognosen zu benennen; er wird vielmehr Wissen über die Zukunft fingieren und so, Wahrsagern nicht unähnlich, zu einwertigen Ertragsprognosen kommen.“
785
Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensbewertung, S. 116.
786 Was aber sind nun die Anforderungen an das „überwiegend wahrscheinlich“ der Planung? Welche konkreten Anforderungen sind zu stellen? Ausgangsüberlegungen: Die Schuldnerperspektive 787 Maßgebend für die insolvenzrechtlichen Entscheidungen soll die Unternehmensplanung sein. So folgt aus der Unternehmensplanung die künftige (drohende) Zahlungsunfähigkeit. Auch die Fortbestehensprognose leitet sich aus der Unternehmensplanung ab. Dies gilt gleichermaßen für die Massekostendeckung im Insolvenzplan und die Schlechterstellung im Insolvenzplanverfahren. 788 Gläubiger und Schuldner befinden sich in der Krise in einer Entscheidungssituation unter Ungewissheit. In dieser Situation soll die Unternehmensplanung die Entscheidung vorbereiten, ob eine außergerichtliche Sanierung noch durchführbar ist oder nicht. 789 Die Planung aber hat eine handlungsorientierte Gestaltungsfunktion, während der Prognose eine erkenntnisorientierte Informationsfunktion innewohnt. Pieroth, Systematische Prognosefehler in der Unternehmensplanung, S. 31.
790 Dass der Gesetzgeber die (betriebswirtschaftliche) Prognose verlangt, folgt nicht nur aus dieser Funktion, sondern auch aus der Formulierung des Gesetzes. Vgl. § 18 Abs. 2 InsO „voraussichtlich“; § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO: „überwiegend wahrscheinlich“; vgl. auch Nickert in: Nickert/ Lamberti, Rn. 165.
180
V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung
Gesucht ist also eine Prognose und keine Planung i. e. S. Dabei ist maßgebend 791 die (subjektive) Sicht der Geschäftsleitung. BVerfG, Beschl. v. 24.5.2012 – 1 BvR 3221/10, ZIP 2012, 1656 („Daimler/Chrysler“); BGH, Urt. v. 21.4.1997, DB 1997, 1068 „ARAG/Garmenbeck“ und in der Grundsatzentscheidung der BGH, Urt. v. 6.6.1994, ZIP 1994, 1103; Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2300 f.; FK-InsO/Schmerbach, § 18 Rn. 25; Spindler, AG 2006, 677, 678 ff.
Eine objektive Planung gibt es nicht, lediglich eine objektivierbare Planung. 792 Für diese besteht ein Gestaltungs- und damit ein Beurteilungsspielraum. Insoweit ist der Beurteilungsmaßstab auf „Vertretbarkeit ex ante“ reduziert. Insbesondere ist es keine Aufgabe der Gerichte, eine vertretbare Unternehmensplanung durch eine ebenfalls nur vertretbare Planung zu ersetzen. BVerfG, Beschl. v. 24.5.2012 – 1 BvR 3221/10, ZIP 2012, 1656 („Daimler/Chrysler“); Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2300 f.
Erforderlich ist nach herrschender betriebswirtschaftlicher Auffassung eine 793 erwartungswertgetreue Planung (Erwartungswert), Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2302 ff.; Gleißner, KSI 2013, 172; Drukarczyk/Schüler, Wpg 2003, 57; dies., in: KS-InsO, S. 95 ff.,
denn nur eine solche ist eine „Prognose“ im Rechtssinne, Nickert/Nickert/Kühne, KTS 2019, 29, 47 ff.,
und nicht nur ein Modus oder Modalwert („Management Case“), so aber Groß. Groß, KSI 2012, 241; Groß/Amen, Wpg 2002, 225; 2002, 433; 2003, 67.
Die Gegner des Erwartungswertkonzepts berufen sich darauf, dass den Szena- 794 rien keine nachprüfbaren Wahrscheinlichkeiten zuzuordnen sind. Dem ist entgegenzuhalten, dass sie bei einer „einwertigen Planung“ ebenfalls Wahrscheinlichkeiten zuordnen. Nämlich ihrem Planungsfall 100 % und allen anderen Möglichkeiten 0 %. Dass dies keine sachgerechte Annahme ist, liegt auf der Hand. Im Übrigen würden bei einer einwertigen Planung Sachverhalte kalkulatorisch unberücksichtigt, die jeder Unternehmenskäufer in seine Bewertung einfließen lassen würde: Ein KMU wird auf 10 Mio. € Schadensersatz verklagt. Der Rechtsanwalt begutachtet die Erfolgsaussichten mit 60 %. Bei der einwertigen ordinalen Planung würde dieser Sachverhalt in der Planungsrechnung gänzlich unberücksichtigt bleiben. Das Erwartungswertkonzept darf aber nicht dem Trugschluss folgen, es würde 795 einen Sicherheitspuffer beinhalten. Auch der Erwartungswert ist unsicher. Er verdichtet unter der Annahme der Risikoneutralität alle Chancen und Risiken zu einem Erwartungswert. Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 23, 406 ff.; Nickert/Nickert/Kühne, KTS 2019, 29, 54 f.
181
K. Integrierte Sanierungsplanung
796 Dabei werden alle Chancen und Risiken gleich (nach ihren Wahrscheinlichkeiten) berücksichtigt. 1 € Chance und 1 € Risiko heben sich auf. Der Erwartungswert geht also von Risikoneutralität aus. Um das Risiko im Entscheidungswert zu berücksichtigen, werden z. B. gewichtete Szenarien und/oder Monte-Carlo-Simulationen angeboten, um daraus Korrekturen abzuleiten. Alle diese Techniken enthalten im Falle des Erwartungswerts aber keinen Sicherheitspuffer für das inhärente Risiko. 797 Planungen in der Krise verlangen aber einen eindeutigen Wert. Dies gilt insbesondere dann, wenn Insolvenzgründe ausgeschlossen werden sollen oder seitens der finanzierenden Banken eine drittgläubigergefährdende Kreditierung ausgeschlossen werden soll. In diesen Fällen kann die Planung nicht mit einem „Korridor“ enden, in dessen unterem Bereich die Insolvenzantragspflicht gezeigt wird, im oberen Bereich aber eine Fortsetzung außerhalb eines Insolvenzverfahrens als möglich angesehen wird. Eindeutige Ergebnisse aber haben einen hohen Informationsgehalt. Sie vermitteln den Eindruck, dass dieses Szenario rechtlich relevant ist und schließen zumindest für die Beurteilung der aufgeworfenen rechtlichen Frage die anderen Szenarien aus. Es ist aber Allgemeingut, dass der Unsicherheitsgrad einer Prognose mit zunehmendem Informationsgehalt (mit zunehmender Präzisierung der Aussage) steigt. Wild, Grundlagen der Unternehmensplanung, S. 88.
798 Insoweit kann man verkürzt sagen, dass der Informationsgehalt der Aussage negativ zu der Eintrittswahrscheinlichkeit korreliert. Zusammenhang Information und Sicherheit 120,00 % 100,00 % 80,00 % 60,00 % 40,00 % 20,00 %
% 00 0,
10
0
%
% 0
,0 90
% 0 ,0
,0 80
70
,0
0
%
%
Informationsgehalt
60
,00 50
0
%
% 0
,0 40
,0 30
% 0 ,0
,0 0 20
% 10
00 0,
%
0,00 %
Sicherheit
799 „Je eindeutiger die Planungsaussage, desto unwahrscheinlicher wird die Aussage“. Das heißt, in der Krise besteht das Dilemma, dass eindeutige Entscheidungswerte gesucht sind, die aber auf Kosten der Wahrscheinlichkeit gehen. Dennoch bleibt es dabei: Schon aus juristischer Sicht benötigt das Unterneh-
182
V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung
men und zum Schluss das Gericht einen eindeutigen Wert, „einen Fall“, als eine zur Entscheidung gestellte Variante. IDW WPH Edition, Sanierung und Insolvenz, Kap. B Tz. 376, 383.
Die Gläubigerperspektive Die Gläubiger wünschen eine rechtzeitige Insolvenzantragsstellung. Sobald 800 eine Insolvenzantragspflicht besteht, wechselt die Dispositionsbefugnis des Schuldners hin zu den Gläubigern. Die tragenden Entscheidungen treffen die Gläubiger bzw. der Gläubigerausschuss. Insbesondere gilt dies für die Entscheidung über die Unternehmensfortführung. Um dieses „Wahlrecht“ nicht leerlaufen zu lassen, existiert bei haftungsbegrenzten Gesellschaften die Insolvenzantragspflicht. Zur Beurteilung der Wertungsfrage ist aber nicht nur auf die bestehenden Altgläubiger, sondern auch auf die Sicht des Marktschutzes, also der Neugläubiger zu schauen. Denn in der Krise gilt: Dem Schuldner ist es verboten, zulasten der Gläubiger zu spekulieren, §§ 266, 283 ff. StGB. Gesucht wird also der Zeitpunkt, zu dem die Dispositionsbefugnis über das schuldnerische Vermögen vom Schuldner und dessen Organen auf die Gläubiger übergeht. Die Gläubigerperspektive verlangt gerade wegen der Subjektivität der Pla- 801 nung nach Schutz. Ein solcher Schutz ist nur durch einen „Sicherheitspuffer“ zu erreichen. Karollus/Huermer, Die Fortbestehensprognose im Rahmen der Überschuldungsprüfung, S. 103 f.; Nickert/Nickert/Kühne, KTS 2019, 29, 56 ff.
Aufgabe des Sicherheitspuffers ist es, unter der allgemein in der Betriebs- 802 wirtschaft anerkannten und üblichen Annahme der Risikoaversion, den unsicheren Wert in einen quasi-sicheren Wert zu überführen. Die Sicht der Rechtsprechung und Literatur Bei der Beurteilung der drohenden Zahlungsunfähigkeit und der Fortbestehens- 803 prognose i. S. d. § 19 InsO ist sich die h. M. einig, dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit entscheidend sein soll (sog. 50 + x %-Regel). Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, S. 93; IDW S 6 Tz. 17; Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 228 f.; FK-InsO/ Schmerbach, § 18 Rn. 28; § 19 Rn. 35 f.; § 19 Rn. 32; Schröder, in: HambKomm-InsO, § 19 Rn. 21 ff., § 18 Rn. 8; K. Schmidt in: K. Schmidt, § 19 Rn. 48; HK-InsO/Rüntz/Laroche, § 19 Rn. 11; K/P/B-Pape, InsO, § 19 Rn. 37; Steffan, in: IDW WP HB Band II 2014, L Tz. 75 ff. sowie S Tz. 243 f.; BGH, Urt. v. 13.7.1992 – II-ZR-269/91; BGHZ 119, 201 = ZIP 1992, 1382. „Ergibt die Prognose, dass der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlicher ist als deren Vermeidung, droht Zahlungsunfähigkeit“. BGH, Urt. v. 5.12.2013 – IX ZR 93/11, ZIP 2014, 183 = ZfIR 2014, 162 (LS) = ZInsO 2014, 77, dazu EWiR 2014, 391 (Luttmann).
183
K. Integrierte Sanierungsplanung
804 Allerdings hat der BGH entschieden, dass dem Schuldner die Zahlungsunfähigkeit trotz gewährter Prolongation des Darlehens drohen kann, wenn die in dieser Zeit geführten Umschuldungsverhandlungen keine sichere Erfolgsaussicht bieten. BGH, Urt. v. 22.11.2012 – IX-ZR-62/10, ZIP 2013, 79.
805 Das heißt, die h. M. und die Rechtsprechung gehen davon aus, dass Chancen und Risiken gleich zu gewichten sind und dass die Chancen die Risiken wenn auch nur in einem geringen Umfang überwiegen müssen. Diese Auffassung geht also von sog. Risikoneutralität aus und sortiert die Szenarien in ein Ordinalsystem. Die Abstände der Szenarien zueinander, wie in einem Kardinalsystem, werden nicht berücksichtigt. 806 Dies soll folgendes plakatives Beispiel verdeutlichen: Szenario
Worst
Best
Betrag
./. 1.000
+1
Wahrscheinlichkeit
49 %
51 %
807 In diesem Fall wäre die Fortbestehensprognose positiv. Oder noch deutlicher das Beispiel nach Bitter. Bitter, in: Scholz, GmbHG, Vor § 64 Rn. 39:
808 Das Unternehmen U sieht sich Verbindlichkeiten von 500 ausgesetzt und verfügt über eine Liquidität von 300. Würde der Geschäftsführer – Risikoneutralität und ein ordinales System vorausgesetzt, beschließen, die 300 im Casino beim Roulette auf „rot und die Null“ zu setzen. Bei korrekter Anwendung der Prognose wäre in diesem Fall die Fortbestehensprognose positiv. 809 Dieses Ergebnis wäre unbefriedigend, würde es doch den Schuldnern erlauben in diesem Rahmen auf Kosten und Risiko der Gläubiger zu spekulieren. Bitter, in: Scholz, GmbHG, Vor § 64 Rn. 39; Haas/Kolmann/Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 92 Rn. 27.
810 Aus diesem Grund verlangen einige Stimmen, entweder Korrekturen in Form von nicht näher bestimmten Sicherheitspuffern vorzunehmen, Karollus/Huemer, Die Fortbestehensprognose im Rahmen der Überschuldungsprüfung, S. 103 f.,
oder die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen (indem der Prognosezeitraum verlängert wird). FK-InsO/Schmerbach, § 18 Rn. 30.
811 Wir haben an anderer Stelle gefordert, eine Mindestausfallwahrscheinlichkeit aus Sicht der Gläubiger, also ein Zielrating, zum Maßstab zu machen. Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297 ff.
184
V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung
Alternativ kann man mit den Methoden der Diskontierung und/oder des Ri- 812 sikomanagements entsprechende Sicherheitspuffer ermitteln. Dies führt gegenüber dem Erwartungswert im Ergebnis zu niedrigeren Planungswerten. Die Rechtsprechung hat in Organhaftungsfällen die Zügel deutlich angezogen. 813 Der Geschäftsführer muss in allen Angelegenheiten der GmbH mit der Sorgfalt eines Kaufmanns handeln, § 43 Abs. 1 GmbHG. Ein Organ, das Geschäfte betreibt, die vom Unternehmenszweck nicht gedeckt sind, handelt pflichtwidrig. BGH, Urt. v. 15.1.2013 – II ZR 90/11, ZIP 2013, 455.
Der Geschäftsführer kann sich nicht auf fachliche Unkenntnis oder Unwissen- 814 heit berufen. Er muss sich bei Übernahme des Geschäftsführeramts in eigener Person die notwendigen Kenntnisse verschaffen, OLG Schleswig, Urt. v. 11.2.2010 – 5 U 60/09, ZIP 2010, 516 (zur Insolvenzreifeprüfung),
oder einen Fachmann zu Rate ziehen, dessen Empfehlung und Beurteilung er auf Plausibilität zu überprüfen hat. Der Geschäftsführer muss für eine Organisation sorgen, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht. BGH, Urt. v. 19.6.2012 – II ZR 243/11, ZIP 2012, 1557 = Bestätigung von BGH, Urt. v. 20.2.1995 – II ZR 9/94, ZIP 1995, 560.
Weiter hat das OLG Thüringen zum Umgang mit Risiken bereits im Jahr 2000 815 zu einem Fall vor Inkrafttreten des KonTraG entschieden: „Hinsichtlich etwaiger Risikogeschäfte hat der Geschäftsführer zu beachten, dass er unangemessene Risiken für seine Firma zu vermeiden hat (Hachenburg/ Mertens, aaO § 43 RdNr. 27; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, 16. Aufl. 1996, § 43 RdNr. 15; Roth/Altmeppen, GmbHG, 3. Aufl. 1997, § 43 RdNr. 6; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, 3. Aufl. 1997, § 43 RdNr. 17). Ein erlaubtes Risiko geht er aber nicht schon dann ein, wenn zur Zeit der Vornahme des Geschäfts die bloße Wahrscheinlichkeit bestand, dass sich das Geschäft gewinnbringend auswirken würde (Hachenburg/Mertens, aaO). Vielmehr ist zu berücksichtigen, ob der unwahrscheinliche, aber nicht auszuschließende negative Ausgang des beabsichtigten Geschäfts zu unangemessen hohen Risiken für den Bestand und die Entwicklung der Firma führen kann (Hachenburg/ Mertens, aaO, unter Hinweis auf BGHZ 69, 207 ff. [213]). Eine Sorgfaltspflichtverletzung ist zu bejahen, wenn die naheliegende Möglichkeit einer Schädigung bestand (Kust, WM 1980, 758 ff. [761] unter Hinweis auf BGH, VersR 1975, 812). Gewagte Geschäfte sind aber nicht stets als unangemessen anzusehen (Hachenburg/Mertens, aaO; Kust, WM 1980 758 ff. (760]). Zu beachten ist hierbei der Geschäftszweck der Firma und der Wille der Gesellschafter (Hachenburg/Mertens, aaO). Stellt sich hierbei heraus, dass bei rechtzeitiger Information der Gesellschafter das Geschäft unterblieben wäre, so kann der Geschäftsführer in der Haftung stehen (Fleck, GmbH-Rundschau 1974, 224 f. [225]). Die Regeln sorgfältiger Unternehmensleitung gebieten ihm grundsätzlich, die im Rechts- und Geschäftsverkehr angemessenen und branchenüblichen Vorsichtsregeln einzuhalten. Dem widerspricht beispielsweise die leichtfertige Gewährung von Warenkrediten oder die Kreditgewährung ohne übliche Sicherheiten (Hachenburg/Mertens, a. a. O).“Rowedder/Koppensteiner,
185
K. Integrierte Sanierungsplanung GmbHG, § 43 RdNr. 17 fassen zutreffend wie folgt zusammen: „Es muss im Regelfall wahrscheinlich sein, dass sich das in Frage stehende Verhalten als für die Gesellschaft vorteilhaft erweist (RGZ 129, 272, 275). Ausnahmen kommen nur in Betracht, wenn einem vergleichsweise geringfügigen Risiko eine besonders hohe Gewinnchance gegenübersteht. Aber auch bei Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts muss das Geschäft unterbleiben, wenn es im Falle seines Misslingens zu einer erheblichen Gefährdung des Unternehmens führen würde (…).“ „Zieht man bisherige Entscheidungen aus der Rechtsprechung heran, um die Pflichten eines Geschäftsführers einzugrenzen, so ist zu beachten, dass diese Entscheidungen jeweils vor dem Hintergrund des konkreten Einzelfalles ergangen sind und nicht verallgemeinert werden dürfen. (so ausdrücklich Scholz/ Schneider, GmbHG, 8. Aufl. 1993, § 43 RdNr. 79).“ OLG Thüringen, Urt. v. 8.8.2000 – 8-U-1387/98, NZG 2001, 86 = DStR 2001, 863 (rechtskräftig durch BGH, Beschl. v. 28.1.2002 – II ZR 318/00).
816 Das heißt, der Geschäftsführer muss sich im Vorfeld einer Entscheidung durch Informationsverschaffung ein zutreffendes Bild von der tatsächlichen Lage machen. Er muss die künftigen Chancen und Risiken abschätzen und eine Würdigung vornehmen. Selbst wenn die Risiken in ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit gering, in ihrer Auswirkung aber groß sind, muss das Geschäft unterbleiben, es sei denn der Geschäftsführer kann sich auf eine Weisung der Gesellschafter (z. B. Gesellschafterbeschluss) berufen. 817 Anders als bei der Insolvenzreifeprüfung verlangt die Rechtsprechung hier, dass nicht nur die Eintrittswahrscheinlichkeiten abgeschätzt, sondern die Auswirkungen in die Abwägung mit einbezogen werden. Die Rechtsprechung verlangt hier explizit nicht nur die Entscheidung im Ordinalsystem, sondern gerade im Kardinalsystem. In Bezug auf den Gläubigerschutz ist der Schutz der Gesellschaft und der Gesellschafter also deutlich stärker ausgeprägt. Im Fall der Krise soll der Geschäftsführer nämlich riskante Geschäfte, insbesondere die Fortführung der Gesellschaft außerhalb eines Insolvenzverfahrens, schon dann sanktionslos tätigen dürfen, wenn die Chancen die Risiken überwiegen. Unseres Erachtens liegt hier ein Wertungsbruch zu Lasten der Gläubiger vor. Siehe auch Bitter, in: Scholz, GmbHG, Vor § 64 Rn. 39.
818 Aus der insolvenzrechtlichen Verteilungsreihenfolge ist nämlich auch auf eine unterschiedlich gestaffelte Schutzbedürftigkeit zu schließen. Insoweit müssten die Positionen der Außengläubiger schützenswerter sein als die Interessen der Eigenkapitalgeber. Dies gilt umso mehr, als die Gläubiger keine Möglichkeit haben, Einblick in die aktuelle VFE-Lage des Unternehmens zu nehmen. 819 Dafür spricht auch, dass sich die Geschäftspartner selbst wiederum haftbar machten, würden Sie bei einer nur geringfügig übersteigenden Sanierungswahrscheinlichkeit auf Ziel bzw. auf Risiko die Geschäftsbeziehung mit dem Schuldner fortsetzten, OLG Koblenz, Urt. v. 23.12.2014 – 3-U-1544/13, ZIP 2015, 22 (Geschäft mit einer im Gründungsstadium befindlichen GmbH ohne Absicherung),
186
V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung
oder sogar Kredite ausreichen: „Dieser Spielraum ist nach der Rechtsprechung des Senats jedoch dann überschritten, wenn aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters das hohe Risiko eines Schadens unabweisbar ist und keine vernünftigen wirtschaftlichen Gründe dafür sprechen, es dennoch einzugehen (Sen. Urt. v. 3. Dezember 2001 – II ZR 308/99ZIP 2002, 213 =, dazu EWiR 2002, 341 (Schäfer), ZIP 2002, 213, 214). Für Vorstandsmitglieder einer Genossenschaftsbank bedeutet dies, dass Kredite grundsätzlich nicht ohne übliche Sicherheiten und nur unter Beachtung der Beleihungsobergrenzen gewährt werden dürfen.“ BGH, Urt. v. 21.3.2005 – II-ZR-54/03, ZIP 2005, 981. „Der Handlungsspielraum ist dort überschritten, wenn aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Bank das hohe Risiko eines Schadens unabweisbar ist und keine vernünftigen geschäftlichen Gründe dafür sprechen, es dennoch einzugehen. Eine Pflichtverletzung ist gegeben, wenn ein Organmitglied gegen die in dieser Branche anerkannten Erkenntnisse und Erfahrungssätze verstößt. Dies bedeutet für die Bankentätigkeit, dass Kredite grundsätzlich nicht ohne übliche Sicherheiten und nur unter Beachtung der Beleihungsobergrenzen gewährt werden dürfen (vgl. BGH, DStR 2005, 933, 935).“ OLG Koblenz Urt. v. 24.9.2007 – 12-U-1437/04, DStR 2008, 687.
Dies entspricht auch den meisten berufsständischen Standards, vgl. im Übrigen 820 Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2303: „Aufgrund der Fülle von Einflussfaktoren kann es sich empfehlen, mehrwertige Planungen, Szenarien oder Ergebnisbandbreiten zu erstellen, um das Ausmaß der Unsicherheit der künftigen finanziellen Überschüsse zu verdeutlichen und erste Anhaltspunkte für die Berücksichtigung der Unsicherheit im Rahmen des Bewertungskalküls zu gewinnen.“ (IDW S 1 Tz. 80) „Zur Berücksichtigung der Planungsunsicherheiten kann es zudem sachgerecht sein, Sensitivitäts- oder Alternativrechnungen durchzuführen oder mit einer quantitativen Risikoeinschätzung, etwa über den Einsatz der „MonteCarlo-Simulation“, die Einhaltung von Liquidität, die Aufrechterhaltung einer vorgegebenen Eigenmittelquote oder weiterer sog. Covenants (z. B. die Einhaltung von Kennzahlen, Auflagen und Bedingungen während der Kreditlaufzeit) abzuschätzen.“ (IDW S 6 Tz.142) „Der Ungewissheit künftiger Datenentwicklung kann auch durch die rollierende Planung, die Alternativplanung oder die flexible Planung begegnet werden in den Ausprägungen „worst case“, „normal case“, „best case“. Bei allen Bemühungen, nur begrenzt Vorausschaubares in den Griff zu bekommen, müssen die den Planungsvorgaben zugrunde liegenden Wertgrößen realisierbar und damit realistisch bleiben. … Chancen und Gefahren sowie mögliche Ursachen der Planabweichungen sind zu benennen und möglichst zu quantifizieren, um den Gesamtumfang möglicher Planabweichungen einschätzen zu können. Unvollkommene Informationen geben Anlass, durch Anwendung geeigneter Prognosemethoden und Simulationsverfahren die Unsicherheit möglichst zu begrenzen.“ (GoP 2.1 des BDU)
Kasten Schmidt hat in einer vielzitierten Aussage behauptet, dass es keinen 821 Grund dafür gibt, ein Unternehmen vom Markt zu nehmen, welches jederzeit seine Gläubigerforderungen bedienen kann. Karsten Schmidt, AG 1978, 334 ff.
187
K. Integrierte Sanierungsplanung
822 Im Rahmen der Unternehmensplanung geht es gerade darum, zu dokumentieren, dass das Unternehmen künftig Gläubigerforderungen fristgerecht nachkommen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Unternehmenssanierung scheitern kann und in der Folge die Frage nach der Haftung bzw. Anfechtung aufgeworfen wird. Die unternehmerische Entscheidung wird also nicht in einem rechtsfreien Raum getroffen, sondern kann gerade rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Dabei ist zu prüfen, ob ex ante die Einschätzung der Organe zutreffend war. 823 Die Situation ist vergleichbar mit der Abfindung von Minderheiten bei gesellschaftsrechtlichen Strukturmaßnahmen oder bei der Organhaftung beim Kauf und/oder Verkauf von Unternehmen(-sbeteiligungen). Dabei ist aktuell noch eine unterschiedliche Behandlung in Bewertungsfällen gegenüber Sanierungsfällen festzustellen. Unternehmenssanierung Groß, KSI 2012, 241; Groß/Amen, Wpg 2002, 225; 2002, 433; 2003, 67; a. A.: Gleißner, KSI 2013, 172; Drukarczyk/ Schüler, Wpg 2003, 57; dies., in: KS-InsO, S. 95 ff.; Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297 ff.
Unternehmensbewertung IDW S 1 Tz. 89; Hachmeister/Rudhardt, DStR 2014, 158, 163; BVerfG, Beschl. v. 24.5.2012 – 1 BvR 3221/10 („Daimler/ Chrysler“), ZIP 2012, 1656, dazu EWiR 2012, 571 (Luttermann)
Erforderlich ist eine objektive Betrachtung.
Erforderlich ist die subjektive Betrachtung der Geschäftsleitung, die vertretbar sein muss.
Es genügt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit i. S. e. komparativen nicht quantifizierbaren Hypothesenwahrscheinlichkeit.
Es gilt eine quantitative (mathematische) Wahrscheinlichkeit, die auf Erwartungswerten aufbaut.
Die Szenarien werden nur „komparativ“ Die Risiken im Bewertungsobjekt ausgewählt („Sekt oder Selters“). Die Risiken werden abgeschätzt und entweder als Sicherheitsäquivalent oder als Risikobleiben dann unberücksichtigt. zuschlag beim Zins berücksichtigt
824 Das OLG Celle hat in seinem Urteil vom 23.10.2003, OLG Celle, Urt. v. 23.10.2003 – 16 U 199/02, ZIP 2003, 2118,
die rechtlichen Anforderungen an betriebswirtschaftliche Beratungsleistungen umrissen und gefordert, dass ein Gutachten bzw. eine Beratungsleistung nach den „allgemein anerkannten Regeln der Betriebswirtschaft gefertigt“ werden muss. Damit wird die Frage durch die „allgemein anerkannten Regeln der Betriebswirtschaft“ entschieden. Da für die Beurteilung von Planungen also ein nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entsprechendes Konzept aus der subjektiven Sicht ex ante verlangt wird, FK-InsO/Schmerbach, § 19 Rn. 34,
ist zunächst zu untersuchen, welche Anforderungen die Betriebswirtschaftslehre an die Interpretation derartiger Planungen stellt.
188
V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung
Normative (präskriptive) Entscheidungstheorie Im Kontexte der Unternehmensplanung wird diese Fragestellung nach unseren 825 Recherchen direkt nicht beantwortet. Hinweise finden sich in den Teilbereichen Rating, Risikomanagement und Entscheidungslehre. Mit dem Rating werden in der Regel Entscheidungen der Gläubiger vorberei- 826 tet, insbesondere die Vergabe von Krediten oder Avalrahmen. Beim Risikomanagement werden Entscheidungen des Unternehmens vorbereitet, z. B. welche Risiken müssen wir vermeiden, welche müssen wir auf andere überwälzen, welche müssen wir abmildern und welche Risiken nehmen wir hin und preisen sie in der Kalkulation ein. Da sowohl die Teilbereiche Rating und Risikomanagement Entscheidungen vorbereiten, ist es nahliegend, zunächst einmal in der „Spezialdisziplin“, also der betriebswirtschaftlichen Entscheidungslehre, zu suchen. Göbel bringt dies auf den Punkt: „Wirtschaften ist nichts anderes als die 827 fortgesetzte Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten. Wirtschaften heißt also entscheiden und BWL ist die Lehre vom Entscheiden. Solche Entscheidungen folgen nach rationalen Gründen. BWL ist daher die Lehre nach dem Rationalprinzip“. Göbel, Entscheidungen in Unternehmen, S. 20.
Daraus folgen dann die Ableitungen des Maximumprinzips: „handle so, dass 828 Du mit gegebenem Aufwand maximalen Ertrag generierst“, und das Minimumprinzip: „handle so, dass Du den Erfolg mit geringstem Aufwand erreichst“. Göbel, Entscheidungen im Unternehmen, S. 83 f.
Ausgehend von diesen Grundüberlegungen hat sich in der betriebswirtschaft- 829 lichen Literatur die normative oder präskriptive Entscheidungslehre entwickelt. Diese bestimmt, wie die Akteure eine Entscheidung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätze treffen sollen. Dabei geht die BWL vom rational handelnden homo oeconomicus aus. Vanini, Risikomanagement, S. 64.
Die Entscheidung hierüber ist zunächst abhängig von den Zielen des Unter- 830 nehmens, die dann wiederum Auswirkung auf die Präferenzen haben. Göbel, Entscheidungen im Unternehmen, S. 53 ff.
Im Rahmen des Rationalitätsprinzips sind Entscheidungen nach monetären 831 Größen zu treffen. BWL ist die Lehre, aus Geld mehr Geld zu machen, bzw. den Gewinn in privaten Unternehmen zu maximieren. Göbel Entscheidungen im Unternehmen, S. 19.
Entscheidungen werden regelmäßig unter Unsicherheit (Risiko und Ungewiss- 832 heit) getroffen. Die Unsicherheit (im Folgenden Risiko) hat aber einen Preis,
189
K. Integrierte Sanierungsplanung
was man z. B. an der Existenz von Versicherungen oder von Optionen erkennen kann. Mittels des Preises für die Bewältigung der Unsicherheit kann diese in die Entscheidung einbezogen werden. So finden sich z. B. in den üblichen Kalkulationsschemata Kosten für einen möglichen Forderungsausfall. Theoretisch wird dies mit dem Bernoulli-Prinzip (Erwartungsnutzentheorie) und der Risikonutzenfunktion begründet. Göbel, Entscheidungen im Unternehmen, S. 95 ff.; Vanini, Risikomanagement, S. 64 ff.; Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, S. 25.
833 Diese kann durch Befragung ermittelt werden. Göbel, Entscheidungen im Unternehmen, S. 97 ff.
834 Alternativ können „allgemeine“ Risikopräferenzen aus Kapitalmarktdaten abgelesen werden, z. B. die Sharpe Ratio des Marktes. Diese können dann mithilfe der Planungsunsicherheit des Unternehmens in ein „allgemeingültiges Sicherheitsäquivalent überführt werden. Spremann, Valuation, S. 267; Spremann Finanzanalyse und Unternehmensbewertung, S. 330; Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements, S. 356, 368 ff.
835 Problematisch an der präskriptiven Entscheidungstheorie ist, dass die Menschen eben nicht nur als homo oeconomicus handeln und dass ihre Risikonutzenfunktionen nur schwer messbar sind und sich vor allem ständig ändern. Castedello, in IDW WP HB Band II 2014, A Tz. 323 m. w. N.
Wie sollen nun Unternehmen mit Risiken umgehen? 836 Um diese Frage besser zu beurteilen, ist ein Ausflug ins Risikomanagement erforderlich. Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, S. 2 f.
837 Vor der Krise bzw. Insolvenz sieht die Situation wie folgt aus: Ein Unternehmen wird bei bestehenden Handlungsoptionen versuchen, diejenige zu wählen, die den höchsten Ertrag (ROI) verspricht. Vorliegend liegt es nahe, das Projekt D zu wählen, da es den größten Ertrag verspricht.
190
V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung
Erwartete Rendite 20 %
15 %
10 %
5%
Projekt C
Projekt A
Projekt B
Projekt D
Allerdings sind alle Handlungsoptionen risikobehaftet, denn die Zukunft ist 838 ungewiss. Der Kaufmann wird entsprechend der üblichen Modelle im Risikomanagement überlegen, welche Risiken er bewusst eingeht, welche er in seine Preisbildung einkalkuliert, welcher er vermeidet und/oder welche er reduziert. Dabei wird er sich von den Kriterien Eintrittswahrscheinlichkeit und Aus- 839 wirkung des Risikos im Schadensfall leiten lassen. Grafisch kann die Situation wie folgt skizziert werden:
Eintretenswahrscheinlichkeit
direkte Berücksichtigung im Angebot Risikoreduzierung/ Risikoverlagerung
Selbstübernahme/ Rückstellungen Risikoverlagerung
Auswirkung
191
K. Integrierte Sanierungsplanung
840 Ein ordentlicher Kaufmann wird vor dieser Analyse Handlungsoption ausschließen, die die Existenz des Unternehmens gefährdet, soweit sich ein Risiko verwirklicht. Beispiel nach Gleißner: (Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, S. 5)
Ein Rechtsanwalt wird einen haftungsträchtigen Auftrag, der ihm ein mageres Honorar verspricht, im Risikofall aber seine Existenz kostet, ablehnen. 841 Insoweit existiert eine Maximalrisikolinie, die nicht überschritten wird oder zumindest, die nicht bewusst überschritten werden sollte. Maximalrisikolinie
Erwartete Rendite
Projekt D 20 % Projekt B 15 %
10 % Projekt A Projekt C 5%
5%
10 %
15 %
20 %
Risiko
842 Aus diesem Grund fallen Handlungsoptionen aus der Perspektive, die diesen „Rubikon“ überschreiten. ThürOLG Jena, Urt. v. 8.8.2000 – 8 U 1387/98, NZG 2001, 86 = DStR 2001, 863.
192
V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung Maximalrisikolinie
Erwartete Rendite
Projekt D 20 % Projekt B 15 %
10 % Projekt A Projekt C 5%
5%
10 %
15 %
20 %
Risiko
Nach dem Ausschluss dieser Maximalrisiken (Projekt B und D) könnte man 843 meinen, das Projekt A sei vorzugswürdig, zeigt es doch eine höhere zu erwartende Rendite als das Projekt C. Allerdings ist noch zu beurteilen, wie „risikofreudig“ der Unternehmer ist. Grundsätzlich wird bei Investoren bzw. Unternehmern zwischen „risikoavers“ (risikoscheu), „risikoneutral“ und „risikofreudig“ (Risikoappetit) unterschieden. Aus dem Risikomanagement und der Unternehmensbewertung ist bekannt, 844 dass es eine subjektive Risikopräferenz gibt. Diese subjektive Risikopräferenz wird auch „Risikotoleranz“ genannt. Man kennt diese z. B. aus den Beratungsgesprächen der Banken bei Kapitalanlagen. Die Risikotoleranz kann als Funktion ausgedrückt werden. Unter Beachtung 845 dieser Risikotoleranz ist eine Rendite x erforderlich, um ein Risiko y einzugehen. Diese Risikotoleranzfunktion geben die Eigenkapitalgeber durch Satzungszweck und/oder Gesellschafterbeschluss vor.
193
K. Integrierte Sanierungsplanung
Maximalrisikolinie
Erwartete Rendite
Risikotoleranz
Projekt D
20 %
Projekt B 15 %
10 %
Projekt C
Projekt A
5%
5%
10 %
15 %
20 %
Risiko
846 Der Bereich unter der Risikotoleranzlinie ist grundsätzlich unattraktiv und daher abzulehnen. Maximalrisikolinie
Erwartete Rendite
Risikotoleranz
Projekt D
20 % Projekt B 15 %
10 % Projekt A Projekt C 5%
5%
10 %
15 %
20 %
Risiko
847 Unter Beachtung dieser Grundsätze ist das Projekt C das einzig verbleibende Projekt, welches aus Sicht des Unternehmens sinnvoll erscheint.
194
V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung Erwartete Rendite
Maximalrisikolinie
Risikotoleranz Projekt D
20 % Projekt B 15 %
10 % Projekt C
Projekt A
5%
5%
10 %
15 %
20 %
Risiko
Man kann dieses Zusammenspiel zwischen Chance (ROI) und Risiko sehr gut 848 an Private-Equity-Gesellschaften oder Venture Capital beobachten. Diese Investoren gehen größere Risiken ein, verlangen aber höhere Risiken. Ihre Maximalrisikolinien liegen i. d. R. deutlich über den Linien der anderen Investoren. Diese Grundsätze werden auch in der oben skizzierten Rechtsprechung zur 849 Organhaftung vertreten. BGH, Urt. v. 21.3.2005 – II-ZR-54/03, ZIP 2005, 981; OLG Thüringen, Urt. v. 8.8.2000 – 8-U-1387/98, NZG 2001, 86 = DStR 2001, 863, rkr. d. BGH, Beschl. v. 28.1.2002 – II ZR 318/00; OLG Koblenz, Urt. v. 23.12.2014 – U-1544/13, ZIP 2015, 224.
Danach wird sowohl die Maximalrisikolinie als auch die Risikopräferenz von 850 den Anteilseignern vorgegeben. In der Krise ändert sich aber die Situation. Die Organe haben die Interessen 851 der Gläubiger zu wahren. Die Risikopräferenz der Anteilseigner ist zu ersetzen durch die Risikopräferenz der Gläubiger. Diese ist den Organen nicht bekannt und kann auch nicht erfragt werden, weil damit die Krise offenkundig würde. Aus diesem Grund sind die betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre und die Literatur zum Risikomanagement nicht mehr uneingeschränkt übertragbar. Daher muss eine hypothetische Risikopräferenz der Gläubiger ermittelt werden oder ein Substitut als „Krücke“ herhalten. Deskriptive Entscheidungstheorie Demgegenüber beschreiben die Vertreter der verhaltenswissenschaftlichen 852 Theorien, wie Menschen tatsächlich entscheiden. Diese Ansätze stammen im Wesentlichen aus der Psychologie und Soziologie. Die Forschung hat ermittelt, dass die Menschen begrenzte kognitive Fähigkeiten und Kapazitäten haben. 195
K. Integrierte Sanierungsplanung
Ferner ändern sich die Präferenzen. Die Menschen reagieren hierauf mit Heuristiken (Daumenregeln), die teilweise auch unbewusst ablaufen (Intuition, Bauchgefühl). Gigerenzer, Risiko, S. 143; Göbel, Entscheidungen in Unternehmen, S. 161.
853 Ferner zeigen die Verhaltenswissenschaftler, dass die Menschen nicht nur handeln, um den finanziellen Erfolg zu maximieren. Auch andere Motive treiben ihr Handeln an. Göbel, Entscheidungen in Unternehmen, S. 197 ff.
854 Weiter haben die Verfechter der deskriptiven Entscheidungstheorie herausgearbeitet, dass sich die Zielgewichtung verändert. So sind Entscheider bei bestehenden Gewinnchancen und bei existierendem hohem Vermögen risikoavers, während sie bei Verlustgefahren und bei geringem Vermögen risikofreudiger sind. Vanini, Risikomanagement 2012 S. 80.
855 Allerdings sind auch Verzerrungen (Bias) zu beobachteten, die zu Fehlentscheidungen führen. Göbel, Entscheidungen in Unternehmen, S. 199 ff.; Vanini, Risikomanagement 2012, S. 76 ff.; Dobelli, Die Kunst des klaren Denkens.
856 Insbesondere werden folgende typische Fehler genannt, die für die Unternehmensplanung von Interesse sind. Eine weiterreichende tabellarische Darstellung findet sich in Göbel, Entscheidungen in Unternehmen, S. 227 ff.; Beshears/Gino, HBM 2015, 22, 28:
x
Entscheidungen werden auf Basis von Informationen getroffen. Dabei werden Informationen stärker gewichtet, wenn sie leichter verfügbar sind (Verfügbarkeitsheuristik).
x
Prognosen werden ausgehend von einem Startwert getroffen. Dieser Startwert verzerrt die Prognose hin zu seinem Wert (Ankerheuristik).
x
Die Erfahrung, die in der Vergangenheit mit ähnlichen Sachverhalten gemacht wurde, wird auf den aktuellen Sachverhalt übertragen (Repräsentativitätsheuristik). Dabei entsteht die Gefahr, dass wesentliche Unterschiede im Sachverhalt außer Acht gelassen werden.
x
Menschen überschätzen ihre eigenen Fähigkeiten (Overconfidence-Bias) und gehen davon aus, dass sie die Kontrolle über zufällige Ereignisse haben (Illusion of Control).
x
Menschen wollen sich nicht eingestehen, Verluste erlitten zu haben oder sie wollen die erlittenen Verluste nicht hinnehmen („Jetzt erst recht“), Gleißner, ControllerMagazin 2014, S. 34, 40,
und gehen daher den eingeschlagenen Weg weiter (Verlustaversion, Sunk Cost Bias). Dabei verkennen sie, dass Nichtstun auch eine Entscheidung ist, die ebenso wie ein Handeln mit Risiken behaftet ist (Omission Bias).
196
V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung
Kahnemann und Tversky haben herausgefunden, dass die Theorie des homo 857 oeconomicus, auf dem die normative Lehre basiert, bei den tatsächlichen Entscheidungen von Menschen nicht bestätigt wird. So verändert die Historie oder die Ausgangsbasis eines Menschen dessen Erwartungsnnutzen. „Heute besitzen Jack und Jill 5 Millionen. Gestern hatte Jack 1 Million und Jill hatte 9 Millionen. Sind sie gleich zufrieden? Haben sie den gleichen Nutzen? Kahnemann, Schnelles Denken, langsames Denken, S. 338.
In der Folge ihrer Forschungen fanden Sie eine Vierteilung der Risikopräferenz 858 heraus. Kahnemann, Schnelles Denken, langsames Denken, S. 389: Gewinne
Verluste
Hohe Wahrscheinlichkeit – Sicherheitseffekt
95 % Gewinnchance auf 10 T€; Angst vor Enttäuschung – risikoscheu
95 % Verlustchance von 10 T€; Hoffnung Verlust zu vermeiden – risikofreudig
Geringe Wahrscheinlichkeit – Möglichkeitseffekt
95 % Gewinnchance auf 10 T€; Hoffnung auf hohen Gewinn – risikofreudig
95 % Verlustchance von 10 T€; Furcht vor Verlust – risikoscheu
In der fortgeschrittenen Krise trifft am ehesten die Situation links unten zu: 859 Die Sanierungswahrscheinlichkeiten sind meistens gering; gleichzeitig sind die Chancen auf Zugewinn bezogen auf den Unternehmenswert enorm. Das heißt, Manager sind in dieser Situation risikofreudig. Generell gilt in diesen Situationen, dass Menschen übertrieben optimistisch sind. Sie überschätzen die Wahrscheinlichkeiten positiver Ereignisse und unterschätzen negative Entwicklungen. Beshears/Gino, HBM 2015, 22, 28; Göbel, Entscheidungen in Unternehmen S. 266 f.; Kahnemann, Schnelles Denken, langsames Denken, S. 308 ff.
Die Situation der Krise bzw. Insolvenz Mit zunehmender Krise verschiebt sich das Chancen-Risiko-Gleichgewicht. Im 860 Falle des „gesunden Unternehmens“ werden die Gesellschafter bzw. wird die Geschäftsleitung sehr vorsichtig mit Risiken umgehen – sie haben viel zu verlieren. Demgegenüber haben die Gläubiger nichts zu gewinnen, sie erhalten maximal das, was ihnen nach der Rechtsordnung zusteht. Für ihr Risiko, mit der Forderung auszufallen, erhalten sie keine Risikoprämie, es sei denn diese wurde vorher als Bestandteil des Preises einkalkuliert. Ihr „Ertrag“ ist hierdurch nach oben begrenzt. Allerdings sind ihre Forderungen rechtlich quasi sicher. In der Krise kippt dieses Verhältnis: Der Nominalwert der Forderungen wird 861 nicht mehr erreicht. In der Bewertungslehre spricht man von „Debt-Beta“. Die Gläubiger sind mit ihren Forderungen „nicht mehr im Geld“. Sie haben aber ein weiteres Risiko: Ihre Quote könnte sich noch weiter verschlechtern. In dieser Situation haben die Schuldner aber regelmäßig nichts mehr zu verlie- 862 ren. Ihr Eigenkapital ist faktisch nichts mehr wert. Dies folgt, lässt man sog. 197
K. Integrierte Sanierungsplanung
Mitmachprämien und den Realoptionsansatz außer Betracht, aus der insolvenzrechtlichen Verteilungsreihenfolge. Die Gesellschafter haben aber eine nach oben unbegrenzten Chance auf Wertsteigerung. 863 Die Planungen in der Krise zeigen des Öfteren den berühmten „HockeyStick“. Das heißt, nach einer kurzen Verlustperiode werden hohe Gewinne und hohe Wachstumsraten ausgewiesen. Gewinne kommen von übernommenen Risiken. Selbst wenn diese Planungen nicht vom Prinzip Hoffnung getragen sind und handwerklich zutreffend erstellt wurden ist zu berücksichtigen, dass hohe Gewinnerwartungen also von hohen eingegangenen Risiken stammen. Dies gilt nicht nur für die Börse, sondern auch für das außerbörsliche Wirtschaftsleben. Soweit nämlich ein Marktteilnehmer eine Gewinnchance aufgrund seines Ideenreichtums oder aufgrund einer Innovation erschlossen hat, versuchen die Wettbewerber, diese Position streitig zu machen. Aus diesem Grund tendieren langfristig alle Gewinnerwartungen zur Gesamtmarktrendite. Wer aber langfristig eine höhere Rendite erwirtschaften will muss auch langfristig höhere Risiken eingehen. 864 Nun ist es in der Krise so, dass die wesentlichen Gewinnchancen bei den Gesellschaftern und nicht bei den Gläubiger liegen. Die Verlustrisiken aber liegen bei den Gläubigern. Ist nämlich in der Krise der Wert des Eigenkapitals praktisch auf null abgesunken, haben die Anteilseigner nichts mehr zu verlieren. Aus diesem Chancen-Risiko-Ungleichgewicht erwächst zumindest bei haftungsbeschränkten Gesellschaften Verantwortung. Diese Verantwortung ist der Preis, den die Gesellschafter für die Haftungsbeschränkung zu bezahlen haben. 865 In der Konsequenz muss dies dazu führen, dass nicht mehr die subjektiven Erwartungen der Anteilseigner bzw. Organe, sondern diejenigen der Gläubiger maßgebend sind. Auf deren Risiko geht die Fortführung in der Krise. Bei den Gläubigern ist aber zu beachten, dass diese unterschiedliche Ausgangssituationen haben. So sind manche Gläubiger dinglich gesichert. Die Frage der Fortführung hat Auswirkung auf die Bewertung der Sicherheiten. Zudem weisen die Gläubiger unterschiedliche Risikopräferenzen (Risikotoleranzen) auf, was z. B. bei Mezzaninekapitalgeber sichtbar wird. Endlich haben die Gläubiger keine Zukunftserwartungen i. S. e. Unternehmensplanung ihrer Schuldner. Ihnen fehlt schlicht das Sach- und Detailwissen. 866 In der Betriebswirtschaftslehre wird dies als Prinzipal-Agent-Problem behandelt. Vgl. Vanini, Risikomanagement, S. 72; Spindler, AG 2006, 677, 678.
867 Diese geht davon aus, dass es einen Prinzipal (Auftraggeber) und einen Agenten (Auftragnehmer, Beauftragten) gibt, die über unterschiedliche Informationen verfügen. Dabei soll der Agent die Interessen des Prinzipals wahrnehmen. Grundsätzlich aber vertreten beide unterschiedliche Interessen. Um dieses Dilemma für den Prinzipal zu lösen, wird eine Überwachung des Agenten durch den Pinzipal vorgeschlagen. Vanini, Risikomanagement, S. 75.
198
V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung
In der Krise der Unternehmung besteht eine vergleichbare Situation. Der 868 Schuldner verwaltet sein Vermögen als Agent für den Prinzipal (Gläubiger). Der Schuldner hat einen besseren Informationsstand als die Gläubiger und er hat andere Interessen. Soweit der Schuldner keinen Insolvenzantrag stellt, trifft er auch eine (vielleicht unbewusste) Entscheidung, denn keine Entscheidung zu einem aktiven Tun zu treffen ist auch eine Entscheidung. Gleißner, ControllerMagazin 2014, S. 34:
„Auch die Beibehaltung eines Status quo bedarf einer Entscheidung“. Aufgrund 869 des praktisch auf null abgesunkenen Unternehmenswerts hat der Schuldner nichts mehr zu verlieren; sein Einsatz ist quasi Null. Seine Gewinnchance ist aber hoch. Für die Gläubiger ist es umgekehrt. Ihre Erkenntnis ist gering und sie haben etwas zu verlieren. Die allgemeinen Lösungsansätze der BWL verfangen in der Krise nicht. Es 870 gibt keinen allgemeinen Überwachungsanspruch gegenüber seinen Schuldnern. Noch nicht einmal das Insolvenzantragsrecht genügt diesen Anforderungen, zumal die Gläubiger regelmäßig keinen vertieften Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners haben, um einen Insolvenzgrund glaubhaft zu machen. Ganz im Gegenteil: Nach der InsO kontrolliert sich der Agent, jedenfalls bei insolvenzantragspflichtigen Gesellschaften, selbst. Die Rechtsprechung kennt ähnliche Konstellationen aus dem Bereich der 871 Experten- oder Sachwalterhaftung. BGH, Urt. v. 16.7.2009 – III-ZR-21/09, WM 20093, 1753 für Versicherungsmakler; vgl. auch Gehrlein/Sutschet in: Bamberger/ Roth, BGB, § 311 Rn. 115 ff.
Diese Sachwalterhaftung, die vor der BGB-Reform durch Rechtsprechungs- 872 regeln galt, ist seit 2002 in § 311 Abs. 3 BGB im Gesetz verankert. Danach können Dritte in einen Vertrag mit entsprechenden Haftungspflichten eingebunden sein, ohne selbst Vertragspartei zu sein. Dabei gelten nach wie vor zwei Grundtypen: Das eigene persönliche Interesse am Vertragsschluss und die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens. Beim unternehmerischen Organ wird das eigene wirtschaftliche Interesse nur ausnahmsweise anzunehmen sein. Gehrlein/Sutschet, in: Bamberger/Roth, BGB, § 311 Rn. 120.
Allerdings nimmt die Rechtsprechung dann eine persönliche Haftung an, 873 wenn in der beruflichen Stellung des Verhandelnden, d. h. in seiner Funktion und Stellung, ein Vertrauenstatbestand gesetzt wird. Dies kann z. B. beim Unternehmenssanierer der Fall sein. So hat der BGH entschieden: „1. Ein Unternehmensberater, der die Geschäftsführung eines sanierungsbedürftigen Unternehmens übernimmt und bei Vertragsverhandlungen, die er als Vertreter des Unternehmens mit Dritten führt, auf seine früheren Sanierungserfolge hinweist, kann damit besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch nehmen und deswegen bei Pflichtverletzungen selbst aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen haften.
199
K. Integrierte Sanierungsplanung 2. Ein Unternehmenssanierer, der bei Kreditverhandlungen besonderes persönliches Vertrauen für sich in Anspruch nimmt, darf dem Verhandlungspartner Umstände, die seine Eignung für die Sanierungsaufgabe in Frage stellen (Vorstrafe wegen Betrugs, eidesstattliche Versicherung nach ZPO § 807, Fälschung von Dienstzeugnissen), nicht verschweigen.“ BGH, Urt. v. 3.4.1990 – XI ZR 206/88, ZIP 1990, 659.
874 Wenn nun diese fremdnützige Sachwalter- oder Expertenstellung zur persönlichen Haftung gegenüber Dritten führt, zeigt dies eine Wertungsentscheidung der Rechtsordnung. An die Expertenstellung und an überlegenes Wissen ist Verantwortung geknüpft. Diese Wertungsentscheidung würde konterkariert, wenn man dem Geschäftsführer erlaubte, die Interessen und die Risikopräferenz der Gläubiger unberücksichtigt zu lassen. 875 Ferner ist zu berücksichtigen, dass das Vermögen in der Krise zur Bedienung der Gläubigerforderungen einer Bindung und einem „Spekulationsverbot“ unterliegt, § 283 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Bitter, in: Scholz, GmbHG, Vor § 64 Rn. 39; Haas/Kolmann/ Pauw, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 92 Rn. 27.
876 Folglich ist auf die Sicht der Gläubiger abzustellen, wenn der Schuldner das Unternehmen führt und damit Risiken eingeht. So haben sich die Maximalrisikolinie und die Risikotoleranz an den Gläubigerinteressen auszurichten. In der Praxis aber haben die Gläubiger keine einheitliche Risikopräferenz. Zudem kann diese vom Schuldner in der Praxis gar nicht in Erfahrung gebracht werden. Anderseits darf dies nicht dazu führen, dass überhaupt keine Risikopräferenz oder sogar Risikoneutralität angenommen wird. Die Lösung bietet der Rückgriff auf anerkannte Ratingsysteme der Banken und/oder der Versicherungswirtschaft. Sie zeigen eine Risikopräferenz aus der Perspektive der Fremdkapitalgeber. Diese sind auch von der BAFin geprüft und drücken allgemeine nach betriebwirtschaftlichen Kriterien gültige Wertungen aus. Jedenfalls sind sie als praktikable Näherungslösung besser geeignet, als die Risikopräferenz willkürlich zu schätzen oder sogar Risikoneutralität zu unterstellen. 877 Die Unternehmensplanung muss also einen Erwartungswert zeigen, der nach gültigen Kriterien zumindest gerade noch außerhalb des Forderungsausfalls eingestuft wird. Nur dies wird der betriebswirtschaftlichen Forderung eines Sicherheitspuffers gerecht. Nickert/Nickert/Kühne KTS 2019, 29, 56 ff.
878 Wir haben an anderer Stelle dargelegt, dass dies mindestens ein Zielrating nach S&P von B – oder eine Einjahresausfallwahrscheinlichkeit unter 8 % sein muss. Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2306; Nickert/Nickert/Kühne, KTS 2019, 29, 64.
879 Soweit dieser Korridor erreicht werden kann, kann unseres Erachtens von der Überlebensfähigkeit ausgegangen werden.
200
V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung
Eine andere Alternative wäre – wie bislang – auf die Liquidität abzustellen. 880 Dann aber kann unseres Erachtens nicht auf den Erwartungswert der Planung allein abgestellt werden. Dies soll an folgendem Beispiel aus Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2305
verdeutlicht werden: Beispiel:
Verlust
Gewinn
Erwartungswert
Bei der Planung wäre also zu untersuchen, welche Risiken für den künftigen 881 Cashflow bestehen oder wieviel Cashflow im Risiko steht, sog. Cashflow at Risk (CFaR). Soweit in einem Planungsfall folgende Werte ausgewiesen werden: Szenario
Worst
Real
Planung 1
–100
100
Best 300
Planung 2
50
100
150
und jedes Szenario mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 33 % bewertet wird, zeigen beide Planungen einen Erwartungswert von 100. Dennoch ist das Risiko der Gläubiger im Fall 1 größer. Hier kann der Wert negativ werden. Die Chancen beurteilen die Gläubiger nicht (siehe Rn. 860 ff.). Sie partizipieren nicht an den Gewinnchancen des Unternehmens. Die Gläubiger tragen also das „Downside-Risk“ ohne am „Upside“ zu profitieren. Sofern eine Entscheidung im Interesse der Gläubiger getroffen werden muss – und nur dazu dienen die Insolvenzantragspflichten –, muss auch deren Kalkül in die Entscheidung einbezogen werden.
201
K. Integrierte Sanierungsplanung
Unternehmenswert zu Risikoneigung 200
100 50 0 –50 –100 –150
Unternehmenswert Risikoneigung
Gläubiger
Unternehmenswert
Gesellschafter
150
Zeitablauf Nickert/Nickert/Kühne, KTS 2019, 29, 46.
882 Nun darf dies aber nicht dazu führen, die Frage allein unter Zuhilfenahme des Worst-Case-Szenarios zu beurteilen. Vielmehr muss sich der Planer vergegenwärtigen, dass auch seine Planungen unsicher sind, was sich eben in den Szenarien ausdrückt. So führen die GoP 2.1 des BDU aus: „Die Zukunft und damit alle Prognosen, auf denen eine Planung basiert, sind unsicher. Ordnungsgemäße Planung erfordert daher Transparenz über die bei der Planung zugrunde liegenden unsicheren Annahmen bezüglich der Zukunftsentwicklung und derjenigen Risiken, die Planungsabweichungen auslösen können.“
883 Aus diesen Szenarien und der Wahrscheinlichkeitsbeurteilung kann auf mittlere Fehler geschlossen werden. Fehler meint in diesem Zusammenhang nicht, dass die Planung handwerklich fehlerhaft ist, sondern in welcher Bandbreite sich das Ergebnis vom Erwartungswert unterscheidet bzw. in welchem Korridor es sich wahrscheinlich bewegen wird. „Der Ungewissheit künftiger Datenentwicklung kann auch durch die rollierende Planung, die Alternativplanung oder die flexible Planung begegnet werden in den Ausprägungen Worst Case, Normal Case, Best Case“. Bei allen Bemühungen, nur begrenzt Vorausschaubares in den Griff zu bekommen, müssen die den Planungsvorgaben zugrunde liegenden Wertgrößen realisierbar und damit realistisch bleiben. Da jede Planung zukunftsbezogen ist, sind Planungsabweichungen zu erwarten. Chancen und Gefahren sowie mögliche Ursachen der Planabweichungen sind zu benennen und möglichst zu quantifizieren, um den Gesamtumfang möglicher Planabweichungen einschätzen zu können. Unvollkommene Informationen geben Anlass, durch Anwendung geeigneter Prognosemethoden und Simulationsverfahren die Unsicherheit möglichst zu begrenzen“, BDU GoP 2.1. Ein Schwankungsund damit Risikomaß aus der Mathematik ist die Standardabweichung. Die Standardabweichung gibt an wie weit sich eine Zufallsvariable vom Mitteloder Erwartungswert unterscheidet. Es gibt einen Korridor, in welchem sich die 202
V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung
Planungsabweichungen „im Mittel“ bewegen. Dieser Korridor wird in der Mathematik als Standardabweichung (Standard Deviation, SD, Sigma, ı) bezeichnet. Er lässt sich für praktisch alle Verteilungsfunktionen, zumindest näherungsweise, errechnen. Vgl. Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen, S. 117 ff.
Im Falle einer Monte-Carlo-Simulation liefert die Software die Standardab- 884 weichung für komplexe Verteilungsformen. Eine große Ergebnisbandbreite bedingt damit automatisch eine hohe Standard- 885 abweichung und umgekehrt. Das heißt, das Risiko für die Gläubiger auszufallen, ist bei einer größeren Standardabweichung auch größer. Daher kann man die Standardabweichung zur Kalibrierung eines „Sicherheitspuffers“ heranziehen. Nickert/Nickert/Kühne, KTS 2019, 29, 56; Karollus/Huemer, Die Fortbestehensprognose im Rahmen der Überschuldungsprüfung, S. 103 f.
Folgendes plakatives Beispiel soll diesen Gedanken untermauern:
886
Beispiel: Sie durchwandern eine Wüste. Der Ranger teilt ihnen mit, im Mittel benötigen die Wanderer drei Tage bei einer Standardabweichung von einem halben Tag. Dies bedeute nicht, dass manche Wanderer auch schneller als zweieinhalb Tage oder langsamer als dreieinhalb Tage sind. Nur die Schwankungen „im Mittel“ belaufen sich zwischen zweieinhalb und dreieinhalb Tagen. Für wie viel Tage würden Sie Wasser im Rucksack mittnehmen? In der Krise bzw. Insolvenz besteht nun die Besonderheit, dass der Ranger (Geschäftsführer) seinen Wanderern (Gläubiger) den Rucksack packt und diese weder die durchschnittliche Wanderdauer, noch die Standardabweichung kennen. Für wie viel Tage soll der Ranger Wasser einpacken? Insoweit kann man von der Überlebensfähigkeit dann ausgehen, wenn vom Er- 887 wartungswert die Standardabweichung der relevanten Größe, in der Insolvenzbeurteilung der Liquidität, in Abzug gebracht wird. Dabei sollte man sich vergegenwärtigen, dass dies kein besonders großer Sicherheitspuffer ist. Die Finanzwirtschaft verwendet den VaR mit einer 99 %igen Wahrscheinlichkeit. „Bislang wurde der VaR überwiegend von Banken zur Berechnung ihrer Handels- und Kreditrisiken sowie von Versicherungen und institutionellen AssetManagern eingesetzt. Auch die Derivateverordnung für institutionelle Anleger fordert den VaR – abgeleitet aus Grundsatz I des KWG – mit eben dem genannten Konfidenzniveau von 99 % und einer Haltedauer von zehn Tagen“. Handelsblatt v. 31.7.2015, http://www.handelsblatt.com/finanzen/anlagestrategie/zertifikate/ nachrichten/messgroesse-drueckt-risiken-in-zahlen-aus-der-valueat-risk-ansatz/2532860.html (Abruf am 1.8.2015).
203
K. Integrierte Sanierungsplanung
888 Dies entspricht in etwa der 3-fachen Standardabweichung. Der Industriestandard in Bezug auf Qualitätsanforderungen wird mit Six-Sigma, also mit der 6-fachen Standardabweichung bemessen. Bezogen auf die Gauß’sche Normalverteilung beträgt die Wahrscheinlichkeit damit 99,99966 % oder die Fehlerhäufigkeit 0,00034 %. Industriestandard
Six Sigma (6-fach)
99,99966 %
Banksteuerung VaR I
doppelt
95 %
Banksteuerung VaR II
dreifach
99 %
889 Der Ansatz mit der einfachen Standardabweichung ist also gerade kein gläubigerfreundlicher Ansatz. Er entspricht z. B. bei der Standardnormalverteilung (Gauß’sche Glockenkurve) einer ca. 84 %igen Wahrscheinlichkeitsanforderung und damit in etwa dem Pareto-Prinzip. Bei einer derartigen Insolvenzwahrscheinlichkeit würde ein Kreditinstitut keinen Kredit mehr vergeben. Gleichwohl geht dieser Ansatz aber weit über die bisher gebräuchliche 50 + x % Regel hinaus nach der man einfach auch die Münze werfen könnte (Kopf + Rand > Zahl). 890 Eine andere Möglichkeit wäre die Durchführung eines „Stresstests“, indem man z. B. die größte Umsatzschwankung oder die größte EBIT-Schwankung der letzten zehn Jahre des zu planenden Unternehmens, alternativ die branchenüblichen Schwankungen als Stresstest simuliert. Gleißner/Grundmann, ZfCM 2008, 314 ff.
891 Wenn die Liquiditätsplanung des Unternehmens diesen Sicherheitspuffer verkraftet ist sie „robust“ genug, damit man von einer Überlebensfähigkeit ausgehen und gleichzeitig ein Spekulieren auf Kosten der Gläubiger ausschließen kann. Dies bedeutet, dass bei großen Bandbreiten der Planungsszenarien auch große Abzüge vorzunehmen sind und umgekehrt. Soweit zwar die erwartungswertgetreue Planung die Liquiditätsdeckung aufzeigt, den Abzug der Standardabweichung aber nicht mehr verkraftet, ist der Zeitpunkt gekommen, um die Gläubiger zu fragen, ob sie auf dieser Basis die Unternehmensfortführung auf ihr Risiko wünschen. Das aber ist der Zeitpunkt, an dem eine Insolvenzantragspflicht angenommen werden muss, will man die Gläubigerpositionen ernst nehmen. Die Standardabweichung ist also ein Sicherheitspuffer und trägt den Gläubigerpräferenzen in pauschalierter Weise Rechnung.
204
L. Erstellen der Planungsrechnung Entscheidend für den Schuldner und die finanzierenden Banken ist der Blick 892 nach vorn. Sofern eine Auftragsplanung und volle Auftragsbücher oder regelmäßige Auftragseingänge vorhanden sind, können die künftigen Werte recht verlässlich abgebildet werden. Andernfalls muss die Zukunft prognostiziert werden. Dabei gibt es verschiedene Methoden.
893
Vgl. Ehrmann, Unternehmensplanung, S. 91 ff.
Diese sind sowohl auf die Planung im Ganzen wie auf die zugrunde liegenden 894 Teilplanungen oder einzelnen Informationen anzuwenden. Vorweg sind die mathematisch-statistischen Prognosemethoden (quantitative 895 Planungstechniken), wie die Trendextrapolation, gleitende Durchschnitte und exponentielle Glättung, zu nennen. Diese gehen allerdings davon aus, dass sich die Zukunft „in etwa“ wie die Vergangenheit entwickeln wird. Dies würde bei Krisenunternehmen fast immer die Prognose in die Insolvenz bedeuten. Eine Berechtigung haben diese Prognosemethoden aber für die Basisplanung (Was passiert, wenn nichts passiert?), siehe Rn. 183, 763. Wenn also die sog. Zeitstabilitätshypothese durchbrochen wird oder durchbrochen werden soll, versagen diese Methoden regelmäßig. Daneben existieren die qualitativen Planungsmethoden, wie z. B. die Szenario- 896 Technik und die Delphi-Methode. Bei der Szenariotechnik werden für wesentliche Parameter Annahmen/Szenarien entwickelt und deren Auswirkung auf die Unternehmensplanung abgebildet. Letztlich werden die verschiedenen Szenarien mit Wahrscheinlichkeiten versehen, deren Gesamtsumme immer 1,0 sein muss. In der Regel werden hier drei Szenarien („Worst“, Real und Best Case“) abgebildet. Problematisch daran ist die Szenarienbildung. Vgl. Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2298 f.; vgl. Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements, S. 172 ff.
897
Demgegenüber wird bei der Delphi-Methode, Ehrmann, Unternehmensplanung, S. 95,
einem Expertengremium ein Prognosegegenstand unterbreitet. Die Experten treffen diesbezüglich Einschätzungen (ggf. auch in Form von Szenarien) und diese werden in Schleifen zur Diskussion und ggf. Überarbeitung gestellt. Allerdings besteht hier die Gefahr, dass bei vielen einbezogenen Personen und/oder vielen Diskussionsschleifen die Themen zu Tode diskutiert werden und eine Lösung immer nur ein Kompromiss ist. Eine Heuristik wäre, die in der Sache erfahrenste Person allein zu befragen („take the best“). Nate Silver verweist auf eine Studie, nach der statistische Prognosemodelle (nor- 898 mative Lehre), die einer bewertenden Justierung (Heuristik) unterzogen wurden, zu einer 15 % höheren Genauigkeit führen. Ziel einer Prognoserechnung sollte es also sein, die rationalen Entscheidungen mit Bauentscheidungen zu kombinieren. Silver, Die Berechnung der Zukunft, S. 245.
205
L. Erstellen der Planungsrechnung
899 Sowohl bei der Informationsbeschaffung wie auch bei der Prognose gilt, dass alle erreichbaren Tatsachengrundlagen erhoben werden müssen. Spindler, in: MünchKomm-AktG, § 93 Rn. 55 ff.
900 Die Verpflichtung, Informationen einzuholen wird mit der Bedeutung der Angelegenheit steigen. Letztlich ist diese bei der Planung eines Krisenunternehmens immer hoch. Diesbezüglich wird danach zu fragen sein, ob die Auswirkung der Information auf die Unternehmensplanung im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse wesentlich ist. Dann wir ein gesteigertes Maß an die Informationsbeschaffung zu fordern sein. Allerdings gilt keine Verpflichtung zur Erhebung sämtlicher irgendwie verfügbaren Informationen. Dann würde eine Planung nie zum Ende kommen. Außerdem kommt der Planer zu einem Punkt, zu dem die Kosten der weiteren Informationsbeschaffung in keinem Verhältnis zum Mehrwert dieser Informationen mehr stehen. Dafür spricht insbesondere auch der Gedanke der Business Judgement Rule (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG), die für die Annahme des sicheren Hafens darauf abstellt, dass „angemessene „Informationen vorlagen. 901 Wenn auf einer solchen Basis eine sachgerechte Abschätzung der Zukunft erfolgt, ist diese als „subjektive Methode“ nicht nur beanstandungsfrei, sondern meist sogar geboten. 902 In der Praxis finden sich Ausführungen über die Art der Informationserhebung (Top down, Bottom up, Gegenstromverfahren). Im Hinblick auf die (insolvenz-)rechtliche Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung vertreten wir die Auffassung, dass die Planung „Top Down“ zu erfolgen hat. Die Gespräche mit den Mitarbeitern dienen dazu, die angemessenen Informationen zu erheben und die Gesamtaussagen der Geschäftsleitung zu plausibilisieren. Ausgangspunkt: Basisplanung oder „Was passiert, wenn nichts passiert Planung“ 903 Die Unternehmensplanung ist kein „Freifahrtschein“, der mit der Zukunftsbezogenheit, BDU GoP 2.1, zu rechtfertigen ist. Es gibt in der Zwischenzeit berufsständische Anforderungen an Planungsrechnungen, die schon aus Haftungsgründen einzuhalten sind. Aus diesem Grund sollte, aufbauend auf der bisherigen Entwicklung ein Fortführungsszenario entwickelt werden. Es ist dringend empfehlenswert mit einer sog. Basisplanung zu beginnen. Zabel, in: Kübler, HRI, § 3 Rn. 154.
904 Das heißt, es wird geplant, was passiert, wenn das Unternehmen den eingeschlagenen Kurs beibehält („Was wäre wenn“). Dieses Szenario erleichtert es, die Gläubiger von dem Erfordernis von Sanierungsbeiträgen zu überzeugen. Zabel, in: Kübler, HRI, § 3 Rn. 155.
905 Sofern das Unternehmen in der Vergangenheit Planungsrechnungen erstellt hat, ist diesbezüglich ein Soll-Ist-Vergleich anzustellen und etwaige Abweichungen sind zu analysieren. Gegebenenfalls sind die Konsequenzen und Schlussfolge-
206
V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung
rungen aus dieser Erkenntnis in der Basisplanung zu berücksichtigen. Bereits für die Basisplanung gilt: Diese sollte eher vorsichtig (konservativ) erfolgen. Zabel, in: Kübler, HRI, § 27 Rn. 102; Rendels/Zabel, Insolvenzplan, Rn. 396 f.
Dennoch gilt, dass die Planung in Krise, Sanierung und Insolvenz eine Prog- 906 nose, also eine sachgerechte Abschätzung der Zukunft, ist. Nickert/Nickert/Kühne, KTS 2019, 29, 46 ff. und 56 ff.
Es ist dringend angezeigt, sich dabei auf sog. Expertenschätzungen zu berufen, 907 sog Delphi-Methode (siehe Rn. 896 f.). Diese Experten sind regelmäßig im Betrieb zu finden, da für die Prognosen die subjektive Sicht des Unternehmens bzw. der Geschäftsleitung entscheidend ist. BVerfG, Beschl. v. 24.5.2012 – 1 BvR 3221/10 („Daimler/ Chrysler“), ZIP 2012, 1656.
Hierzu sollten Sie sich als Planersteller ein Organigramm vorlegen lassen, aus 908 dem die Verantwortlichen abgeleitet werden können. Beispiel: Verkaufsleiter
Absatz und Preis
Einkaufsleiter
Warenbezugskosten und sonstige Investitionskosten
Produktionsleiter
Wirkung der Maßnahmen auf Effektivität und Effizienz der Produktivität
Geschäftsleitung
Restliche Themen
Bei diesen zu erhebenden Informationen handelt es sich um die „Teilpläne“ 909 (Absatzplan, Investitionsplan, Personalplanung etc.), die in die integrierte Unternehmensplanung überführt werden. Die relevanten Einschätzungen der entsprechenden Personen werden in Inter- 910 views erhoben. Es ist wichtig, dass in den Interviews darauf geachtet und hingewiesen wird, dass diese eine sachgerechte Information abgeben und nicht versuchen, durch eine einseitige tendenzielle Äußerung das Ergebnis zu beeinflussen. Dementsprechend sind offene Fragen („W-Fragen“, als was, warum wie …) bei der Gesprächsführung vorzuziehen. Zur Haftungsvermeidung ist es ratsam, die Interviews schriftlich zu protokollieren. Soweit der Gesprächspartner das Protokoll gegenzeichnet, zeigt dies die Wichtigkeit und gleichzeitig Verantwortlichkeit für die Aussage. In der Praxis hat dies schon öfters zur Revidierung oder Einschränkung von Aussagen geführt. Probleme bereiten den Personen die Einschätzungen, wenn eine solche erst- 911 malig getroffen wird. Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht, die betroffenen Personen Bandbreiten schätzen zu lassen. Gerade wenn die Personen noch nicht planungserfahren sind, haben sie Angst, eine falsche Angabe zu machen und versuchen sich daher einer konkreten Äußerung zu entziehen. Dies kann mit einer Bandbreitenschätzung umgangen werden. Wenn man danach fragt, welcher Wert sicher nicht unterschritten und überschritten wird, fällt es 207
L. Erstellen der Planungsrechnung
den Personen deutlich leichter, dann einen für sie realistischen Zwischenwert zu setzen. 912 Im Zweifelsfall ist bei dieser Methode eine größere Bandbreite als Ausgangsbasis zu wählen. Sodann ist es die Aufgabe des Planerstellers durch geeignete Fragestellungen und Recherchetätigkeit den Korridor soweit wie vertretbar einzugrenzen. Eine unschätzbare Hilfe dabei ist die Veröffentlichung von Tetlock/Gardner, Superforecasting, 2016.
913 Die Autoren arbeiten heraus, dass die wesentlichen Erfolgskriterien einer Prognose sind: x
Stellen Sie geeignete Fragen.
x
Brechen Sie größere Prognoseschritte in handhabbare Einzelschritte auseinander.
x
Wechseln Sie die Sichtweisen.
x
Finden Sie die richtige Balance bzgl. der Über- bzw. Unterbewertung von Beweisen/Tatsacheninformationen.
x
Suchen Sie nach widerstreitenden Kräften.
x
Stufen Sie die Wahrscheinlichkeiten ab so gut es geht, aber nicht weiter.
x
Finden Sie das Gleichgewicht zwischen Vorsicht und Entschlossenheit.
x
Suchen Sie nach Ursachen von fehlerhaften Prognosen, aber gehen Sie dabei nicht dem Rückschaufehler auf den Leim.
x
Arbeiten Sie im Team und holen damit das Beste aus sich und den anderen heraus.
x
Beachten Sie auch hier: Übung macht den Meister.
914 Wir gehen dabei noch ein bisschen weiter und erheben damit zugleich die potentielle Verteilungsfunktion für eine Monte-Carlo-Simulation. Aber selbst wenn dieses Tool nicht eingesetzt wird, bringt die Frage nach der Bandbreite und der Verteilungsfunktion (Dichtefunktion der künftigen Ereignisse) ein gewisses Gefühl für einen anzusetzenden Erwartungswert. 915 An der Methode wird gelegentlich Kritik geäußert: „Woher kennen Sie die Wahrscheinlichkeiten? Woher kommen die Verteilungsformen und woher die Daten?“ sodann wird das Konzept der Risikosimulation verworfen, weil keine „wahren“ Annahmen über die Zukunft festzustellen sind. 916 Dem ist entgegenzuhalten, dass die alternative, die deterministische Planung bzw. Prognose ihrerseits selbst sowohl eine Verteilungsform als auch Wahrscheinlichkeitsaussagen beinhaltet: „Die Verteilung ist dann binominal verteilt, die Eintrittswahrscheinlichkeit für die Planung/Prognose 100 % und die Möglichkeit einer Planabweichung exakt 0 %.“ Dass dies offensichtlich un208
V. Hinreichende Gewissheit der Prognoseentscheidung
sinnig ist, liegt auf der Hand. Richtig ist aber, dass, sowohl bei der deterministischen, als auch bei der stochastischen Planung/Prognose, Annahmen über die Zukunft ungewiss sind und folglich diese Annahmen zumindest teilweise geschätzt werden müssen. Dies ist nicht nur zulässig, sondern sogar geboten. Insoweit ist jede Schätzung, welche die Ungewissheit berücksichtigt „besser“, als eine Schätzung die selbige negiert. Entscheidend ist letztlich, dass die der Schätzung zugrunde liegenden Annahmen aufgezeigt werden und der Schluss auf die Planungs- und/oder Prognosewerte „plausibel“ ist. Checkliste zur Verteilungsannahme bei Monte-Carlo-Simulationen bzw. 917 Bandbreitenplanung Diese Checkliste soll eine Hilfestellung bei der Verteilungsannahme bei Monte-CarloSimulationen geben. Fragestellung/Risikoverteilung:
…
Kann der Erwartungsbereich konkret eingeschränkt werden? Kann der Erwartungsbereich in keine Richtung eingeschränkt werden? Ist die Schwankungswahrscheinlichkeit in beide Richtungen gleichverteilt oder „schief“? Ist eine Abweichung vom wahrscheinlichsten Wert (Mode) in eine bestimmte Richtung wahrscheinlicher? Ist die Schwankungswahrscheinlichkeit in einem gewissen Bereich gleich und fällt außerhalb dieses Bereiches ab? Fällt die Wahrscheinlichkeit mit steigendem Abstand zum Mode langsamer? Fällt die Wahrscheinlichkeit mit steigendem Abstand zum Mode schneller? Fällt die Wahrscheinlichkeit mit steigendem Abstand zum Mode gleichmäßig in der jeweiligen Richtung? Mit welchem niedrigen Wert können Sie gerade nicht mehr rechnen? Max: Mit welchem höchsten Wert können Sie gerade nicht mehr rechnen? Mode: Was ist für Sie der wahrscheinlichste Wert? Mode1 – Mode2: In welchem Bereich sind die Werte gleich wahrscheinlich? Erwartungswert μ: Was ist für Sie der durchschnittliche Wert? Standardabw. ı Skalenparameter b: Welche Abweichung vom obigen Wert erwarten Sie im Mittel?
209
L. Erstellen der Planungsrechnung
918 Für alle geplanten Positionen ist eine sachgerechte Annahme über die Auswirkung in der x
Gewinn- und Verlustrechnung (BWA),
x
in der Bilanz und
x
in der Liquidität getrennt
x
nach den verschiedenen Zeiträumen zu treffen (integrierte Planung). Praxistipp: Die Unternehmensplanung ist als Prognoserechnung ausgestaltet (Zabel, in: Kübler, HRI, § 27 Rn. 102 „…. zu erwarten sind“). Die Planung ist ein reduziertes Modell der Zukunft. Insoweit ist das Modell nach dem Grundsatz der Wesentlichkeit aufzubauen. Das heißt, es sind die wesentlichen Werttreiber der künftigen (!) Entwicklung und damit der Werttreiber für die Planungsrechnung detailliert zu greifen, während die nicht wesentlichen mit deutlichen Vereinfachungen prognostiziert werden. Was nun die wesentlichen Parameter sind folgt aus der Unternehmensanalyse, insbesondere aus der Analyse der Chancen und Risikosituation. Die Planung ist insoweit ein Maßanzug. Durch die Unternehmensanalyse können insbesondere durch Sensitivitätsanalysen die wesentlichen Werttreiber ermittelt werden. Jedenfalls für KMU hat sich herausgestellt, dass als Faustformel die 5 – 15 wichtigsten Treiber ermittelt und sachgerecht prognostiziert werden müssen. Eine Planung auf FiBu-Kontenebene lehnen wir hingegen ab, weil sich regelmäßig zeigt, dass sich die Schwankungen auch wechselseitig ausgleichen (Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, Rn. 430).
I. Basisbilanz 919 Eine Planungsrechnung erfolgt in aller Regel zu einem Planungsstichtag. Das heißt, auf diesen Stichtag ist die Basisbilanz der Planung aufzustellen. Damit einher geht regelmäßig die Frage, ob Maßnahmen, die nach dem Stichtag, aber vor Fertigstellung der Planung beschlossen wurden, in der Planungsrechnung berücksichtigt werden dürfen bzw. sogar müssen. 920 Unternehmensplanungen sind zeitpunktbezogen zu ermitteln. Mit dem Planungsstichtag wird festgelegt, welche Geschäftsvorfälle (nicht mehr) zu berücksichtigen sind. Der maßgebliche Stichtag bestimmt sich aus dem Auftrag (Vereinbarung Stichtag) oder aus dem Bewertungsanlass. 921 Zur Abgrenzung der zum Stichtag zu berücksichtigenden Ereignisse hat die Rechtsprechung zur Unternehmensbewertung die sog. Wurzeltheorie entwickelt. BGH, Urt. v. 17.1.1973 – IV ZR 142/70, DB 1973, 563.
922 Im Rahmen von Unternehmensbewertungen sind deshalb nur Ereignisse/Sachverhalte berücksichtigungsfähig, die zum Bewertungsstichtag bereits „in der Wurzel“ angelegt waren, d. h. für Sachverständige/Bewerter erkennbar waren. Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 163 ff.
923 Bei der „Verwurzelung“ von Verhältnissen und Ereignissen am Bewertungsstichtag kann nicht auf jede Entwicklung abgestellt werden, die sich rück-
210
I. Basisbilanz
blickend durch eine irgendwie geartete Kausalkette bis vor den Bewertungsstichtag zurückverfolgen lässt. LG Dortmund, Beschl. v. 14.2.1996 – 20 Akte 3/94, AG 1996, 279.
Eine Entsprechung findet die Wurzeltheorie in der bilanzrechtlichen Abgren- 924 zung zwischen am Bilanzstichtag aufzunehmenden wertaufhellenden Tatsachen und nicht aufzunehmenden wertbeeinflussenden Tatsachen. Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 164, insbesondere mit der weiteren Differenzierung nach der Kenntnis der wertbegründenden Tatsachen.
Daher sind noch nicht verwurzelte Annahmen nicht in der Basisbilanz, sondern 925 in der Planung i. e. S. zu berücksichtigen. Dies hat im Hinblick auf die Unsicherheit der Planungsannahmen u. U. Auswirkungen auf den Planungsansatz. In der Basisbilanz sind alle Aktiva und Passiva stichtagsgetreu mit ihren „Buch- 926 werten“ aufzunehmen. Insbesondere ist darauf zu achten, dass alle Verbindlichkeitenposten (nicht nur die fälligen Verbindlichkeiten) und vor allem auch in angemessenem Umfang Rückstellungen in der Basisbilanz aufgenommen werden. Selbstverständlich sind die Forderungen realistisch zu bewerten, weil andernfalls die Liquidität insbesondere im Kurzfristbereich fehlerhaft zu positiv dargestellt wird. Im Bereich der Forderungen und Verbindlichkeiten können im Einzelfall Saldenbestätigungen einzuholen sein. Wir verwenden hierzu die Fälligkeitsliste aus DATEV/OPOS. Die auf den 927 Sachkonten gebuchten Verbindlichkeiten versuchen wir über die Finanzbuchführung zu erschließen. Für ältere Forderungen, die noch nicht beizutreiben waren, müssen angemessene Bewertungsabschläge bereits in der Basisbilanz vorgenommen werden. Kanzlei-Rechnungswesen V.5.75 – RW – 29098/271/2009/Musterholz GmbH – [Fälligkeitsliste Übersicht] Fällig
Summe
Deb.
Summe
Kred.
Deb.
kumuliert
Kred.
kumuliert
5.4.2008 – 11.4.2008
–41.055,00
–41.055,00
–41.055,00
–41.055,00
31.1.2009 – 6.2.2009
–1.615,60
–42.670,60
–1.615,60
–42.670,60
7.2.2009 – 13.2.2009
–520,80
–43.191,40
–520,80
–43.191,40
14.2.2009 – 20.2.2009
33.148,14
–10.043,26
6.922,91
6.922,91
26.225,23
–16.966,17
21.2.2009 – 27.2.2009
9.545,41
–497,85
8.719,52
15.642,43
825,89
–16.140,28
28.2.2009 – 6.3.2009
82.856,34
82.358,49
15.642,43
82.856,34
66.716,06
7.3.2009 – 13.3.2009
38.077,64
120.436,13
15.642,43
38.077,64
104.793,70
14.3.2009 – 20.3.2009
14.535,53
134.971,66
294,00
15.936,43
14.241,53
119.035,23
21.3.2009 – 27.3.2009
6.844,17
141.815,83
39.509,77
55.446,20
–32.665,60
86.369,63
28.3.2009 – 3.4.2009
8.341,40
150.157,23
4.669,77
60.115,97
3.671,63
90.041,26
150.157,23
20.304,23
80.420,20
–20.304,23
69.737,03
78.276,99
158.697,19
–51.713,90
18.023,13
158.697,19
40.194,80
58.217,93
4.4.2009 – 10.4.2009 11.4.2009 – 17.4.2009
26.563,09
176.720,32
18.4.2009 – 24.4.2009
40.194,80
216.915,12
Differenz
Differenz kumuliert
211
L. Erstellen der Planungsrechnung
928 Im Übrigen kann auf IDW PS 205 (Eröffnungsbilanzwerte) verwiesen werden. Bei besonders vielen Absonderungsgläubigern empfiehlt sich, eine lieferantenbezogene Inventur zu veranlassen. In der Insolvenz nämlich haben diese bei wirksam vereinbartem Eigentumsvorbehalt einen Anspruch auf Abgeltung, welcher berücksichtigt werden muss. Insoweit sind die Verbindlichkeiten, die kraft Aus- oder Absonderung zu befriedigen sind, von den ungesicherten Gläubigern zu trennen. Entsprechendes kann auch bei Nachranggläubigern, insbesondere bei vorinsolvenzlicher Durchsetzungssperre, angezeigt sein. Eine Inventur und eine Unterscheidung ist ohnehin im Falle der Sanierung im Insolvenzverfahren unumgänglich. 929 Ein weiteres Praxisproblem ist die Erstellung einer „künftigen Basisbilanz“. Beispiel: Es soll im November die Planung für das Folgejahr erstellt werden. 930 Zwei „Techniken“ bieten sich zur Erstellung an: (1) Entweder der Planer nimmt den letzten Jahresabschluss und erstellt für das laufende und das folgende Geschäftsjahr eine Unternehmensplanung. Nach dem Überschreiben der gebuchten Planwerte erhält der Planer damit eine Bilanz zum Stichtag des Planungsbeginns. (2) Alternativ kann die künftige Basisbilanz sachgerecht abgeschätzt werden, indem aus der aktuellen BWA (diese muss dann aber belastbar sein und unter betriebswirtschaftlichen Grundsätzen erstellt sein) und der kurzfristigen Zukunftsprognose die Werte abgeleitet werden. Wir halten dieses Vorgehen für vertretbar, zumal jede Planung und z. B. auch jede Unternehmensbewertung eine sachgerechte Abschätzung der Zukunft darstellt. Außerdem enthält jede Basisbilanz auch Annahmen bzw. sachgerechte Schätzungen, z. B. die Höhe der Rückstellungen oder die Bewertung des Umlaufvermögens. Daher kann dieses Vorgehen auch für die Unternehmensplanung angewandt werden. 931 Nach dem Erstellen der Basisbilanz müssen Annahmen darüber getroffen werden, wie diese Basisbilanz aufzulösen ist. Fehlerhaft wäre es, die Basisbilanz unverändert zu lassen und dauerhaft zu perpetuieren. Insbesondere bei negativem Working Capital würde dies implizit beinhalten, dass die Lieferantenverbindlichkeiten nicht bezahlt werden müssten. Zur Auflösung müssen Annahmen über den Liquiditätsab- bzw. -zufluss aus den Rückstellungen und Debitoren- und Kreditorenlaufzeiten (und ggf. der Rückstellungen) getroffen werden. Die Forderungen sind mit ihren wahren Werten anzusetzen. Die Vergangenheitsanalyse (ggf. i. V. m. der Maßnahmenplanung) ist dafür wesentliche Entscheidungsgrundlage. Besonders kritisch ist dies, wenn z. B. für einen Passivprozess eine Rückstellung gebildet wird. Hier ist – mit allen Schwierigkeiten – nach Rücksprache mit dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt darüber sachgerecht zu entscheiden, wann welches Ergebnis mit welcher zu erwartenden Entscheidung ergehen wird.
212
II. Ertragsplanung
II. Ertragsplanung In der Ertragsplanung sind die künftigen Erträge und Aufwendungen zu er- 932 fassen. Zabel, in: Kübler HRI § 27 Rn. 102.
Zur Evaluierung der Absätze existieren viele Methoden. Unseres Erachtens 933 ist ein gesunder Menschenverstand und die erforderliche Kenntnis von den (künftigen) Marktgegebenheiten und der Leistung des Unternehmens viel wichtiger als eine „Methode“. Die sicherlich herausragende Teil-Planung ist die Absatzplanung. Gerade in 934 der Krise ist es besonders schwierig, die voraussichtlichen Absatzzahlen zu prognostizieren. Nach Ehrmann, Unternehmensplanung, S. 319 f.
muss der Absatzplan folgende Fragen beantworten: x
Welche Produkte sollen verkauft werden?
x
In welchem Umfang sollen die Produkte verkauft werden?
x
An wen sollen die Produkte verkauft werden?
x
Wann sollen die Produkte verkauft werden?
x
Wo sollen die Produkte verkauft werden?
x
Zu welchem Preis sollen die Produkte verkauft werden?
x
Mit welchem Ergebnis sollen die Produkte verkauft werden?
Die Beantwortung der Fragen fußt auf der strategischen Umweltanalyse, der 935 voraussichtlichen Entwicklung des Marktes und der Feststellung der strategischen Stellung des Unternehmens zum Gesamtmarkt (SWOT-Analyse und Porters Five Forces), siehe Rn. 445 ff., 475. Bei Unternehmen mit kleinen Produktsortimenten (z. B. Autohaus) kann die 936 Planung in ein Mengen und ein Wertegerüst unterteilt werden (Absatzmenge * Absatzpreis). Bei größeren Sortimenten kann dies auf Produktgruppenebenen erfolgen. Wir halten eine solche Unterteilung aber nicht für zwingend. Soweit allerdings an der Bepreisungspolitik etwas geändert werden soll, ist die Unterteilung regelmäßig geboten. Zum einen hätte dies Auswirkung auf die Umsatzerlöse und zum andern werden üblicherweise die Wareneinsatzkosten und die Nebenkosten prozentual zum Umsatz geplant. Dies versagt natürlich, wenn eine Umsatzsteigerung alleine aus einer Preiserhöhung resultiert. Insbesondere bei ambitionierten Plänen müssen die Absatzplanungen mit den 937 Kapazitätsplanungen verprobt werden. Ferner spielt die Analyse der PricingPower eine herausragende Rolle in der Unternehmensplanung. Soweit die Unternehmen in der Vergangenheit keine ausreichenden Preise am Markt durch-
213
L. Erstellen der Planungsrechnung
setzen konnten, ist zu hinterfragen, wie dies in der Zukunft geändert werden soll bzw. weshalb dies in der Zukunft anders sein soll. 938 Bei den Marketing- und Vertriebsmaßnahmen wird zur Darstellung üblicherweise auf die 4 Ps zurückgegriffen. Bei diesen handelt es sich um x
Product/Produkt,
x
Place/Distribution oder Verkaufsplatz,
x
Promotion/Werbung und Vertrieb und
x
Price/Preis.
939 Das heißt, die Maßnahmenplanung richtet sich danach aus, ob und in welchem Umfang in das Produkt eingegriffen bzw. das Produkt verändert wird, der Absatzmarkt bzw. die Bezugsquellenstandorte oder die Distributionskette verändert wird, wie die Werbung und Verkaufsförderung angepasst wird und zum Schluss welche Auswirkungen die geplanten Maßnahmen auf den angebotenen Produktpreis haben. 940 Gerade hier wird besonders auffällig, dass eine derartige Maßnahmenplanung und die Auswirkung der Maßnahme auf die Planungsrechnung erheblichen subjektiven Wertungen und Würdigungen unterworfen ist. Als bekanntes wie plakatives Beispiel kann die Einführung des iPhones durch Steve Jobs genannt werden. Steve Ballmer, damals Microsoft-Chef, machte sich öffentlich über das Smartphone lustig. Nur fünf Jahre später erzielte Apple mit dem iPhone mehr Umsatz als der gesamte Microsoft-Konzern. 941 Weiter ist zu berücksichtigen, dass Maßnahmen auch wechselbezüglich sind. Als einfaches Beispiel kann die Preissenkung genannt werden. Mit der Preissenkung geht üblicherweise die Annahme einher, eine größere Absatzmenge zu erreichen. Diese Maßnahme hat wiederum zum einen Einfluss auf die Produktionskosten und die erforderlichen Produktionskapazitäten und zum anderen aber auch auf die eigenen Warenbezugspreise (Skaleneffekte). Aber Unternehmen sind nicht nur nach innen kybernetische Systeme. Dies gilt uneingeschränkt auch für die Marktgegebenheiten, insbesondere für den Wettbewerb. Sehr gut zu betrachten ist dies bei den Preisschlachten der Discounter. Wer durch Preissenkungen Marktanteile gewinnen will, muss einkalkulieren, dass die Wettbewerber „nachziehen“ könnten. Ein geringerer Preis muss auch über die Werbung kommuniziert werden. Dabei ist abzuschätzen, mit welchem Werbebudget wie viel potenzielle Kunden mit welchem Erfolg erreicht werden können. 942 Besonders wichtig ist es daher, mit den Mitarbeitern im Vertrieb „unter vier Augen“ zu sprechen. Sollte der Vertrieb allein in den Händen des Unternehmers liegen, können strategische Kunden, z. B. auch online befragt werden. Die geplanten Absätze sind mit der Maximalauslastung (Kapazitätsplanung) zu verproben.
214
II. Ertragsplanung
Die Abbildung der Ertrags- und die Liquiditätsplanung muss für das laufende 943 und für das kommende Jahr sogar auf Monatsebene erfolgen, um die drohende Zahlungsunfähigkeit auszuschließen. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass es aufgrund unterjähriger Schwankungen (Saisonverlauf) zu Liquiditätsspitzen und/oder -engpässen kommen kann. Die Gründe hierfür sind vielfältig, u. a.: x
Saisonale Absatzschwankungen,
x
Projektgeschäft,
x
Wareneinkauf auf Vorrat, wenn die Waren nur saisonal verfügbar sind (z. B. Brauereien) etc.
Durch die monatliche Abbildung wird deutlich, wann es im Prognosezeitraum 944 wahrscheinlich zu Liquiditätsengpässen kommen wird. Im Gutachten muss ersichtlich sein, wie diese Spitzen abgedeckt sind bzw. dass diese Spitzen sich innerhalb bestehender Kreditlinien (Betriebsmittelkreditlinie) bewegen. Die in der Unternehmensplanung abgebildeten Zahlen müssen im Abgleich mit 945 der Vergangenheit, den getroffenen Maßnahmen zur Situationsverbesserung und im Vergleich zur Branche schlüssig sein. Deshalb sind Kennzahlenvergleiche sinnvoll; sie liefern wichtige Anhaltspunkte für Fragestellungen und Plausibilitätserwägungen. Szenarien Die Zukunft ist ungewiss. Daher schlagen einige Standards und Experten 946 vor, die Abbildung der Zahlen in Szenarien vorzunehmen, um den Grad der Unsicherheit zu greifen. IDW, IDW S 6 Tz. 142 (2012, alte Version); Zabel, in: Kübler HRI § 3 Rn. 151.
In der Praxis werden oft drei Szenerien gebildet: Ein Real-Case-Szenario, ein 947 Best-Case-Szenario und ein Worst-Case-Szenario. Eine Planung ist immer mit Unsicherheiten behaftet. Durch die Abbildung mehrerer Szenarien kann eine bessere Einschätzung über die Schwankungsbreiten erreicht werden. Allerdings führt diese Unterteilung bei Anwendung der komparativen Hypo- 948 thesenwahrscheinlichkeit zu Scheinargumenten, da definitionsgemäß der Real Case dasjenige Szenario ist, welches die höchste Eintrittswahrscheinlichkeit hat und damit die Szenarien zu einer deterministischen Planung degenerieren. Nickert/Nickert/Kühne, KTS 2019, 29, 49 f.
Richtigerweise müsste man aus den drei Szenarien einen Erwartungswert und 949 hieraus einen Sicherheitspuffer, z. B. die Standardabweichung bilden (siehe unten). Allerdings ist es in besonderem Maße schwierig, Kriterien für die Szenario- 950 bildung zu entwickeln. Die Grenze zur Willkür ist fließend. Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2298 f.; zur Methodik siehe Gleißner, Grundlagen des Risikomanagements, S. 172 ff.
215
L. Erstellen der Planungsrechnung
951 Dennoch ist es besser, mit einer Szenarioplanung zu arbeiten, als eine einwertige Planung zugrunde zu legen. Die Dreiecksplanung ist auch eingängig, weil die Extremwerte (Worst, Best Case) den Rahmen umreißen und der erwartete Wert (Modus, Modalwert, Most Likely Case) die Sicht des Managements zum Ausdruck bringt. 952 Allerdings ist dringend davor zu warnen, die Szenarioanalyse mit der Bewertung der Planung bzw. Prognose zu verknüpfen. Wenn nämlich die Szenarioplanung dazu verwendet wird, den Grad der Unsicherheit aufzuzeigen, darf hieraus nicht im Sinne einer komparativen Hypothesenwahrscheinlichkeit auf die Gesamtbeurteilung geschlussfolgert werden. Dies wäre ein schwerwiegender Fehler. Denn letztlich wäre der Ansatz des „Most likely Case“ programmiert, denn dieser ist definitionsgemäß das wahrscheinlichste Szenario. Wenn aus diesem sklavisch auf die Gesamtbewertung geschlossen wird, wird die Szenarioplanung zur einwertigen (deterministischen) Planung degradiert und verfehlt gerade die Zweckerreichung, namentlich das Greifen der Ungewissheit. Vielmehr kann aus der Dreiecksplanung der Erwartungswert und die Standardabweichung, also die mittlere Streuung der künftigen Ergebnisse um den Erwartungswert abgeleitet werden. Erwartungswert
abc 3
Standardabweichung
a² b² c ² ab ac bc 18
953 Sinnvoller ist nach unserer Auffassung aber der Einsatz der Monte-CarloSimulation, weil zum einen bei allen Versuchen der Objektivierung die Szenariobildung regelmäßig nicht überprüfbar ist und zum anderen vor allem einer Vorprüfung bedarf, ob die Szenariobildung, insbesondere die Dreiecksverteilung, angemessen ist. Diese Angemessenheitsprüfung kann aber erst nach einer fundierten Risiko- und Verteilungsanalyse vorgenommen werden. Ist eine solche präzisere Analyse erfolgt, gibt es keinen sachlichen Grund auf die detailliertere Monte-Carlo-Simulation zu verzichten. 954 Außerdem ist es schwer und höchst wahrscheinlich sogar unmöglich, aus den vielen einzelnen unsicheren Bestandteilen der Planung auf den Worst, Most likely und Best Case zu schließen, Kühne/Nickert, ZInsO 2014, 2297, 2298 f.
sodass heute praktisch kein Ausweg zur Monte-Carlo-Simulation besteht.
216
II. Ertragsplanung
Dies soll an folgendem einfachen Beispiel aufgezeigt werden: Es bestehen 955 folgende Planannahmen: Umsatzerlöse Wareneinsatz Personal sonstige Kosten indirekte Insolvenzkosten Ergebnis
Wert 1.000,00 400,00 200,00 300,00 25,00 75,00
von 800 350 180 150 –100
bis 1150 550 220 500 500
Das Ergebnis des Managements zeigt einen Planwert von 75. Wenn man un- 956 ter der einfachen Annahme der Gleichverteilung zwischen dem Mindest- und dem Maximalwert eine Simulation (MS-Excel® und Palisade @Risk) mit 5.000 Schritten durchführt, kommt man zu folgenden Werten:
Das heißt, der zu erwartende Mittelwert liegt bei –200 und streut mit rd. 234 957 um diesen Wert. Sensitivitätsanalyse Im Rahmen der Plausibilisierung ermitteln wir die „erfolgskritischen Faktoren“ 958 (Bsp.: Umsatz, Wareneinsatz bei volatilen Rohstoffbezugspreisen etc.) und überprüfen, wie sich die Veränderung der Faktoren auf die Planung auswirkt. Hierbei ist vor allen Dingen Augenmerk auf die sog. KPIs (Key Predictive Indicators) zu legen. Das sind die Indikatoren aufgrund derer auf eine Entwicklung in der Zukunft geschlossen werden kann. Dabei zeigt sich regelmäßig, dass die Preisbildung die größte Auswirkung auf 959 die künftige Ertrags- und Liquiditätslage hat. Simon, Preisheiten, S. 37 f.
Der Materialaufwand stellt neben dem Personalaufwand die in der Regel be- 960 deutendste Aufwandsposition dar und ist daher mit großer Sorgfalt zu planen. In der Regel wird der Materialaufwand relativ zum Absatz geplant. Es handelt sich um variable Kosten. Sinnvollerweise wird der Aufwand in Relation zur 217
L. Erstellen der Planungsrechnung
Absatzmenge und nicht zum Umsatz gesetzt, es sei denn die an die Kunden fakturierten Preise und die Einkaufspreise bleiben konstant. Sofern in der Unternehmensplanung Verbesserungen der Materialaufwandsquote enthalten sind, müssen die Gründe für diese hinterfragt und plausibilisiert werden. 961 Die Personalkosten sind aufgrund der erwarteten Lohnkostensteigerung in der Branche zu schätzen. Sollte eine Reduktion bzw. eine geringere Steigerung als die der Branche zugrunde gelegt werden, sind die begründenden Maßnahmen zu hinterfragen und zu plausibilisieren. Nicht unüblich ist es, die Personalkosten in Fixkosten für die Gehälter und in Produktivlöhne zu unterteilen und die Fixkosten über eine Steigerung zu planen, die Entwicklung der Produktivlöhne aber in % der Gesamtleistung bzw. der Umsatzerlöse abzuschätzen. Als Plausibilisierung dient die „Personalkapazität“: Können die Absatzmengen mit diesem geplanten Personalbestand realisiert werden? 962 Sodann sind die Fixkosten mit ihren anzunehmenden Steigerungsraten bzw. geplanten Reduktionen zu planen. 963 Wir halten es für erforderlich, die Ergebnisse auch in ihrer steuerlichen Auswirkung zu planen, um die voraussichtliche Steuerbelastung abbilden zu können. Dazu gehören insbesondere auch Steuern auf Einmaleffekte, wie z. B. auf Buchgewinne aus Anlagenabgängen. Dasselbe gilt für die Nutzung etwaiger steuerlicher Verlustvorträge. Diese sind mit den Maßnahmen in Einklang zu bringen. Verlangen z. B. die Banken die Aufnahme eines Investors als Eigenkapitalgeber ist zu überprüfen und planerisch zu erfassen, welche Auswirkung dies auf einen bestehenden Verlustvortrag hat, §§ 8c KStG, 10a GewStG. 964 Die Planung der Positionen kann zeitlich verschiedene Auswirkungen in der Gewinn- und Verlustrechnung, der Bilanz und der Liquidität haben. Aus diesem Grund bietet es sich an, alle geplanten Veränderungen, insbesondere die beschlossenen Sanierungsmaßnahmen tabellarisch in ihrer Wirkungsweise abzubilden: Maßnahme KK-Erhöhung Sale and Lease Back Reduktion Lagerbestand usw.
Zeitpunkt GuV-Wirkung – Sofort Erlös Künftig Mietaufwand Erst mit Verkaufsvorgang
Zeitpunkt Bilanzwirkung Sofort Sofort Anlagenabgang Schrittweise
Zeitpunkt Liquiditätswirkung sofort Sofort Cash Künftig Mietzahlung Erst mit Zahlungseingang
965 Ferner ist aufbauend auf der Unternehmensanalyse nochmals zu überprüfen, ob die Informationen aus dem Risikomanagement in die Unternehmensplanung sachgerecht eingearbeitet wurden. 966 Soweit dies im Rahmen einer Monte-Carlo-Simulation erfolgt, sollte zwischen den ordentlichen Planungsschwankungen und den zu erwartenden Ereignissen aus der Risikoanalyse unterschieden werden.
218
II. Ertragsplanung
Der wesentliche Unterschied bei der Planung eines Krisenunternehmens bzw. 967 insolventen Unternehmens ist aber die Abbildung etwaiger direkter und indirekter Insolvenzkosten. 1. Direkte Insolvenzkosten Sieht die Planung die Sanierung im Insolvenzverfahren vor, so sind die direkten 968 Insolvenzkosten in ihren betragsmäßigen Auswirkungen und in ihrem zeitlichen Anfall zu erfassen. Hierzu zählen: x
Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren
x
Kosten des Insolvenzverwalter/Sachwalters
x
Kosten des Gläubigerausschusses
x
Gutachterkosten
x
Kosten für die Insolvenzeröffnungsbilanz
x
Beratungskosten
Diese Kosten lassen sich, weil größtenteils normiert, relativ gut abschätzen. Aus 969 Transparenzgründen sind diese, weil aperiodisch, in dem außerordentlichen Aufwand zu planen, damit das nachhaltige wirtschaftliche Ergebnis des Unternehmens sichtbar bleibt. Zabel, in: Kübler, HRI, § 27 Rn. 117.
2. Indirekte Insolvenzkosten Schwieriger zu greifen, vor allem aber bedeutsamer sind die indirekten Insol- 970 venzkosten. Dazu zählt man die Veränderungen aufgrund des Verlusts von x
Kunden,
x
Lieferanten und vor allem
x
von Schlüssel-Mitarbeitern.
Aus der Unternehmensbewertung von KMU kennt man einen Teil dieser Be- 971 sonderheiten und beschreibt diese unter dem Stichwort der „übertragbaren Ertragskraft“. Vgl. BStBK, Hinweise der Bundessteuerberaterkammer zu den Besonderheiten bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts kleiner und mittelgroßer Unternehmen (beschlossen vom Präsidium der Bundessteuerberaterkammer am 13.3.2014); vorbereitet von der Arbeitsgruppe „Bewertung von KMU“ in Zusammenarbeit mit einer gleichnamigen Arbeitsgruppe aus dem IDW.
Die Hinweise sind gleichlautend mit dem IDW-Praxishinweis 1/2014.
972
IDW Fachnachrichten, Heft 4/2014, 282 ff.; Nickert/Kühne, NWB 2014, 2021.
Wir können keinen allgemeingültigen Algorithmus zur Abschätzung dieser 973 Kosten geben. Ausgangsbasis für die Schätzung geben die Mitarbeiter- und Kundenfluktuationsquoten in der Vergangenheit (sog. Churn-Rate). Sofern das Un219
L. Erstellen der Planungsrechnung
ternehmen für größere Unternehmen als Lieferant tätig ist, ist zu beachten, dass in Krisenunternehmen ein Risikomanagement-Prozess abläuft, der die Aufrechterhaltung der Supply Chain sicherstellen soll. Schließlich ist die Unterbrechung der Betriebs- oder Lieferkette seit Jahren das Top Risiko weltweit. Allianz Risk Barometer 2018, https://www.agcs.allianz.com/assets/PDFs/Reports/ Allianz_Risk_Barometer_2018_DE.pdf (Abruf am 19.2.2019).
974 Das heißt, hier werden regelmäßig Ersatzlieferanten aufgebaut, was zu Umsatzeinbrüchen führt. 975 Bezüglich der Kunden- und Mitarbeiterfluktuation können keine allgemeinen Werte ermittelt werden. Insoweit ist diese Fluktuation zu schätzen. Davor sollte der Planer keine Angst haben, denn die Alternative, keinerlei Fluktuation zu unterstellen, dürfte viel weniger einer sachgerechten Prognose entsprechen. Auch hier gilt der Grundsatz: Das Bessere ist des Guten Feind. 976 Bei der Abschätzung der indirekten Insolvenzkosten ist also Erfahrung und Intuition gefragt. Allgemein geht man davon aus, dass die indirekten Kosten die direkten Insolvenzkosten deutlich übersteigen. Aus den USA sind einige Studien zu den Insolvenzkosten bekannt. 977 LoPucki/Doherty haben in einer Studie im Jahr 2004 48 private Großunternehmen im Chapter-11-Verfahren untersucht. Die direkten Insolvenzkosten entsprachen 1,4 % der Aktiva. Maßgeblich war aber die Anzahl der Beteiligten, die Anzahl der Tage und die Unternehmensgröße. LoPucki/Doherty, Journal of Empirical Legal Studies, 2004, 111 ff.
978 Insbesondere haben die Autoren eine positive Korrelation zwischen Länge/ Kosten ermittelt. Bei der doppelten Länge des Verfahrens haben sich die Kosten um 57 % erhöht. 979 Weiss hat in einer Studie folgende direkten Kosten ermittelt: Im Mittelwert: 20,6 % des Marktwertes des Eigenkapitals. Weiss, Journal of Financial Economics, 1990, 285.
980 Ang/Chua/McConnell fanden in einer Studie aus dem Jahr 1982 heraus, dass Unternehmen die liquidiert wurden, 7,5 % des Liquiditationswertes als direkte Kosten verursachten. Ang/Chua/McConnell, JoF 1982, 219.
981 Bris/Welch/Zhu haben in einer Studie den Unterscheidet zwischen Chapter 7 and Chapter 11 ermittelt, was in etwa der Eigenverwaltung gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren entspricht. Bris/Welch/Zhu, JoF 2006, 1253,
982 Sie ermittelten direkte Kosten (Mittelwert): Absolut (Relativ) x
Chapter 7: 21.417 $ (8,15 %);
x
Chapter 11: 166.627 $ (16,95 %).
220
II. Ertragsplanung
Problematischer ist die Abschätzung von indirekten Insolvenzkosten. Diese 983 hängen vom Geschäftsmodell, der Komplexität und der Größe des Unternehmens ab. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die indirekten Insolvenzkosten, anders als die direkten Insolvenzkosten, auch negativ sein können. Letzteres kann der Fall sein, wenn z. B. Liebhabergüter produziert werden, wie z. B. bei der Firma Märklin. Auch ist zu beachten, dass die indirekten kosten auch schon vor einem insolvenzverfahren anfallen, weil sich bei abzeichnender Krise Kunden, Lieferanten und/oder Mitarbeiter vom Unternehmen abwenden. Dies kann sogar so weit gehen, dass durch Gerüchte indirekte Insolvenzkosten entstehen, die sogar zur Insolvenz führen, z. B. das Verfahren „manroland“. Auch ist zu beachten, dass die indirekten Insolvenzkosten im Verfahren steigen, je länger sich die Reorganisation hinzieht. Das heißt, die Abschätzung der Verfahrensdauer ist eine notwendige Voraussetzung zur sachgerechten Abschätzung der indirekten Insolvenzkosten. White, Bankruptcy Costs and the New Bankruptcy Code, JoF 1983, 1270 ff.
Indikatoren für indirekte Insolvenzkosten werden in der Regel strukturiert 984 ermittelt. Kostenverursacher
Indikatoren
Kunden
Langlebige Güter mit Servicebedarf Langfristige Kunden-Lieferanten-Beziehung Hohe Wechselkosten Hohe Garantie- bzw. Gewährleistungswahrscheinlichkeit
Mitarbeiter
Hohe Fluktuationskosten (z. B. Einarbeitungszeit und -kosten) Hohes Qualifizierungsniveau Branchen mit Rekrutierungsproblemen
Lieferanten
Hohe Wechselkosten beim Unternehmen (z. B. Werkzeuge) Fehlende Versicherbarkeit des Unternehmens Zulieferer erbringen immaterielle Leistungen
Uns sind deutsche Studien zu den indirekten Insolvenzkosten nicht bekannt. 985 Aus den USA und Europa kommen Studien, die belegen, dass die indirekten Kosten die direkten Kosten deutlich übersteigen. Teilweise werden aber nur die Gesamtkosten angegeben. Insbesondere die Studie von Bris/Welch/Zhu (siehe Rn. 973) zeigt auf, dass die Gläubigerbefriedigung beim amerikanischen Chapter-11-Verfahren die Befriedigung im Vergleich zur Liquidation deutlich übersteigt. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Forschung in Deutschland diesem Thema widmen wird. Zu beachten ist in diesem Sinne, dass die Studien sich regelmäßig auf den 986 „Unternehmenswert“ beziehen. Das ist aber nicht der Wert des Eigenkapitals, sondern der Marktwert des Gesamtkapitals (quasi der Bilanzsumme).
221
L. Erstellen der Planungsrechnung Autor
Indirekte Kosten
Bezugsgröße
Titel
Jahr
Land
Johansson/ Larsson
58 – 79 %
Unternehmenswert
Indirect Bankruptcy Costs
2014
Schweden
Glover
45 % Gesamtkosten (mit Branchenwerten)
Unternehmenswert
The expected Cost of Default
2014
USA
Reindl/ Stoughton/ Zechner
Unter 10 % bis über 60 % Gesamtkosten), meist aber zwischen 20 und 30 % (stark branchenabhängig)
Marktwert Eigenkapital
Marked Implied Costs of Bankruptcy
2013
Norwegen, Österreich
Unternehmenswert
A Market-based Study of the Cost of Default
2011
USA
The Costs of Bankruptcy: Chapter 7 Liquidation versus Chapter 11 Reorganisation
2006
USA
Davydenko/ 14,7 – 30,5 % (alle Strebulaev/ Kosten, aber indirekte Zhao deutlich höher) Bris/Welch/ Zhu
Hohe Kosten, aber je nach Fall große Unterschiede
Branch
ca. 16 %
Unternehmenswert
The costs of bankruptcy
2002
USA
Andrade/ Kaplan
10 – 20 %
Unternehmenswert
How costly is financial (not economic) distress?; JoF 1998, 1443
1998
USA
White
1,3 – 1,6 % (Gesamtkosten)
Verbindlichkeiten
Bankruptcy Costs and the New Bankruptcy Code, JoF 1983, 1270
1983
USA
Altmann
8,1 – 10,5 %
Unternehmenswert
1984
USA
987 Insbesondere für die planerische Abbildung der verschiedenen gerichtlichen Sanierungsvarianten und die Abbildung eines etwaigen „Nachteils der Eigenverwaltung für die Gläubiger“ dürfte dies zumindest als Schätzer heranzuziehen sein. Insoweit kann diese Studie als „Schätzer“ für die anzustellende Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen sein. Es ist nämlich anerkannt, dass die Nutzung der Kenntnisse, Erfahrungen und des Vertrauens des Schuldners bei der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen sind. Neußner in: Kübler, HRI, § 10 Rn. 48; § 6 Rn. 65 ff.
988 Mit der Eigenverwaltung geht aber gerade ein stark positives Signal an den Markt und an die Mitarbeiter, dass das Vertrauen in das Unternehmen und in das Management auch in der schwierigen Phase des Insolvenzverfahrens fortbesteht, es können also „negative“ indirekte Insolvenzkosten entstehen, welche gegenläufig die direkten Insolvenzkosten mindern oder sogar überkompensieren. Und eben dies ist auch in der Planung ggf. über Schätzungen abzubilden. 989 Wichtig ist es darüber hinaus, mit den Mitarbeitern vertraulich ins Gespräch zu kommen und ein Gefühl für die Situation zu erlangen. Es ist aber auch darauf hinzuweisen, dass es „negative“ Kosten gibt, die wir schon zahlreich er222
II. Ertragsplanung
lebt haben. Die Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter stehen zum Unternehmen und begleiten es in der Sanierung („Jetzt erst recht!“). Um diese Auswirkungen zu greifen, ist es für den Planer enorm wichtig, Kontakt zu diesen Gruppen zu suchen und sich ein persönliches Bild zu verschaffen. Diese Kosten würden wir nicht durch eine „Expertenbefragung“ im Unternehmen erheben, da die Mitarbeiter dort i. d. R. keine Erfahrung mit solchen Situationen haben. Checkliste im Planungsfall
990
Nachfolgend bieten wir eine Grunddokumentation an, die wir als Checkliste im Planungsfall verstehen wollen. Da die Planung ein Maßanzug ist, muss diese Checkliste nach erfolgter Unternehmensanalyse auf den einzelnen Fall angepasst werden. Bei der nachfolgenden Checkliste handelt es sich um unsere interne Checkliste zum Erstellen der Planung mit dem Programm der DATEV eG „Unternehmensplanung“. Infos zur Unternehmensplanung 1. KN Ertrags- und Aufwandsplanung erstellen Prozessverantwortung:
Information (Info)
Prozess angelegt:
15.11.2007, 80 – Nickert
Letzte Änderung:
5.12.2018, 80 – Nickert
Ziel/Nutzen
Die Ertrags- und Aufwandsplanung wird für die Erstellung der Plan-GuV benötigt.
1 Umsatzplanung durchführen Detailinformation
Mit die entscheidende Größe des Zukunftserfolgswerts ist der Umsatz. Ohne Umsatz kein Gewinn. Der Umsatz kann anhand verschiedener Verfahren prognostiziert werden: 1. Delphi Methode 2. Szenario Technik 3. Netzplantechnik 4. Nutzwertanalyse 5. Zeitreihenanalyse 6. Freihand (Schätzung) 7. gleitender Durchschnitt 8. Trendextrapolation 9. exponentielle Glättung 10. Regressionsanalyse 11. Operations Research Details finden sich in Ehrmann, Unternehmensplanung, S. 91 ff.
223
L. Erstellen der Planungsrechnung Ziel/Nutzen
2 Bestandsveränderungen ermitteln Detailinformation
Ziel/Nutzen
Die Umsatzplanung dient der Ermittlung der Erträge sowie in Kombination mit den Annahmen über das Zahlungsverhalten der Kunden der Berechnung des zeitlichen Anfalls der Einzahlungen. Vor allem die Bestandsveränderungen des Working Capital beeinflussen die Liquidität maßgeblich. Im Gesamtkostenverfahren sind die Bestandsveränderungen zu erfassen, um zu der Größe „Gesamtleistung“ zu kommen.
3 Sonstige betriebliche Erträge planen sonstige betriebliche Erträge Auch die sonstigen betrieblichen 3.1 berücksichtigen Erträge sind, soweit absehbar, in der Planung zu berücksichtigen. 4 Materialaufwandsplanung durchführen Ziel/Nutzen Der Materialaufwand stellt neben dem Personalaufwand die in der Regel bedeutendste Aufwandsposition dar und ist daher mit großer Sorgfalt zu planen. Wir planen den Materialaufwand in % zur Absatzmenge (nicht Umsatz). Sofern in der Unternehmensplanung Verbesserungen der Materialaufwandsquote enthalten sind, müssen die Gründe für diese hinterfragt werden (Veränderungen, Absatz und Einkaufspreise). 5 Personalaufwandsplanung durchführen Ziel/Nutzen Die Personalaufwendungen stellen insbesondere im Dienstleistungsbereich die mit Abstand größte Aufwandsposition dar. 5.1
Personalbestand und Lohnkosten berücksichtigen
Die Planung sollte trennen zwischen Gehältern (fix) und Produktivlöhnen (mittelfristig variabel). Neben der Entwicklung des Personalbestands ist die Veränderung der Lohnkosten zu berücksichtigen. 6 Sonstige betriebliche Aufwendungen prognostizieren Ziel/Nutzen Bei den sonstigen betrieblichen Aufwendungen handelt es sich um eine Sammelposition verschiedener Kostenarten. 6.1
Aufwendungen im Detail planen
224
Die sonstigen betrieblichen Aufwendungen sollten bei größeren Unternehmen im Detail und nicht als Sammelposition geplant werden.
II. Ertragsplanung 6.2
Versicherungen etc.
Vorgehen, wenn jährliche Vorauszahlungen geleistet werden. Es wird über ein 2. Detailobjekt erarbeitet, mit Hilfe dessen die Liquditätslage dargestellt wird. ERSTES OBJEKT: „Zahlungswirkung“ erreichen: Erfolgswirkung z. B. im Januar 3.000,– € Zahlungswirkung z. B. 100 % sofort ZWEITES OBJEKT: „Erfolgswirkung“ erreichen: Erfolgswirkung z. B. im Januar 2.750,– € (negativ erfassen!), Februar – Dezember 250,– € (positiv erfassen); Zahlungswirkung: Besonderer Zahlungsverlauf, Sofortzahlung 0,00 % erfassen (also KEINE Zahlungswirkung).
7 Ertrag/Aufwand aus Auflösung/Zuführung SoPo prognostizieren Ziel/Nutzen
Bei einigen Unternehmen wurden bzw. werden Sonderposten mit Rücklageanteil gebildet/aufgelöst.
7.1
Der Ertrag/Aufwand aus der Auflösung/Zuführung eines Sonderpostens mit Rücklageanteil ist bei der Erstellung der PlanGuV und PlanBilanz zu berücksichtigen. Die steuerlichen Konsequenzen sind zu berücksichtigen.
Ertrag/Aufwand aus SoPo berücksichtigen
2. KN sonstige Planung Prozessverantwortung:
Information (Info)
Prozess angelegt:
15.11.2007, 80 – Nickert
Letzte Änderung:
7.5.2013, 80 – Nickert
Ziel/Nutzen
Die Entwicklung des Working Capital hat maßgeblichen Einfluss auf die Liquiditätsplanung.
1 Entwicklung der Vorräte ermitteln Ziel/Nutzen
Die Entwicklung der Vorräte ist zu planen, da diese den Umfang der Finanzierung beeinflussen. Insbesondere bei Wachstum muss überprüft werden, ob die Vorräte anzupassen sind.
225
L. Erstellen der Planungsrechnung 1.1
Entwicklung der Vorräte planen
Die Entwicklung der Vorräte ist im Einklang mit der Umsatz- und Materialaufwandsentwicklung sowie der durchschnittlichen Lagerdauer zu planen.
2 Entwicklung der Forderungen ermitteln Ziel/Nutzen
Der Bestand der Forderungen in der PlanBilanz hängt maßgeblich vom Zahlungsverhalten der Kunden ab. Aufschluss ergibt die Analyse der Debitorenumschlagsdauer und der betriebsinternen Prozesse des Mahnwesens.
2.1
Die Entwicklung der Forderungen ist im Einklang mit der Umsatzplanung zu planen.
Entwicklung der Forderungen planen
3 Entwicklung der Lieferantenverbindlichkeiten ermitteln Ziel/Nutzen
Der Bestand der Lieferantenverbindlichkeiten in der Plan-Bilanz hängt maßgeblich von den Zahlungs- und Verkaufsbedingungen der Lieferanten ab.
3.1
Die Entwicklung der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen ist im Einklang mit der Materialaufwandsplanung zu planen.
Entwicklung Verbindlichkeiten planen
4 Entwicklung der geleisteten/erhaltenen Anzahlung ermitteln Ziel/Nutzen
Insbesondere im Projektgeschäft bzw. der Auftragsfertigung hat die Entwicklung der geleisteten und erhaltenen Anzahlungen maßgeblichen Einfluss auf den Liquiditätsbedarf.
4.1
Die Entwicklung der geleisteten/ erhaltenen Anzahlungen ist aus der Vergangenheit, den betrieblichen Übungen oder den jeweiligen allgemeinen Geschäftsbedingungen abzuleiten. Dabei ist von besonderer Bedeutung, ob erhaltene Anzahlungen durch Bürgschaften abzusichern sind.
Entwicklung ableiten
5 Mindestkassenbestand erfassen Ziel/Nutzen
226
Die Erfassung des Mindestkassenbestands ist für die Ermittlung des Liquiditätsbedarfs und somit des Zinsaufwands erforderlich. Hier ist zu klären, ob mit oder ohne Sicherheitspuffer gerechnet werden muss.
II. Ertragsplanung 6 Investitionsplanung 6.1
Investitionsbedarf ermitteln
Die Ermittlung des Investitionsbedarfs garantiert, dass nur die erforderlichen Investitionen getätigt werden und gleichzeitig alle erforderlichen Investitionen im Investitionsplan enthalten sind. Der Investitionsbedarf ist mit der Umsatzplanung abzustimmen – Sind die Umsätze mit den geplanten Investitionen realistischerweise zu erzielen?
6.2
anstehende Investitionen nach Priorität ordnen
Die Priorisierung dient dazu, bei begrenzter Liquidität zu gewährleisten, dass die Investitionen mit der höchsten Dringlichkeit getätigt werden.
6.3
Zeitplan für Investitionen entwickeln
Der Zeitplan der Investitionen bestimmt maßgeblich die zu erwartenden Auszahlungen, die wiederum den Finanzierungsbedarf bestimmen.
6.3.1
Unterschiede berücksichtigen Es ist zu berücksichtigen, dass zwischen dem Zeitpunkt der Investitionsentscheidung, Auftragsvergabe, Auftragsfertigstellung, Abnahme sowie Fälligkeit der Rechnungen zu unterscheiden ist.
6.4
Investitionshöhe ermitteln
6.4.1
Gesamtinvestitionen ermitteln
Aus dem nach Einzelmaßnahmen gegliederten Zeitplan können die in jeder Periode fälligen Gesamtinvestitionen ermittelt werden.
7 Abschreibungsbasis ermitteln Ziel/Nutzen
Bevor die Abschreibungen ermittelt werden können, muss die Abschreibungsbasis berechnet werden.
8 Abschreibungsmethode ermitteln Ziel/Nutzen
Zur Berechnung der Abschreibungen ist neben der Abschreibungsbasis die Abschreibungsmethode zu bestimmen.
8.1
Abschreibungsmethode ermitteln
Es ist zu klären, ob nach Verbrauch, degressiv oder linear abgeschrieben wird.
8.2
ggf. Festwert bilden
Gegebenenfalls kann sich die Bildung eines Festwerts empfehlen.
227
L. Erstellen der Planungsrechnung 9 Abschreibungsdauer ermitteln 9.1
Abschreibungsdauer ermitteln
Als drittes Kriterium ist eine Annahme über die Nutzungsdauer zu treffen. Dabei können die amtlichen AfA-Tabellen zugrunde gelegt werden.
10 Veränderung Rückstellungen 10.1
Zuführung/Auflösung Pensionsrückstellung ermitteln
Die Pensionsrückstellungen erreichen gerade bei deutschen Unternehmen häufig einen sehr hohen Stand. Dabei ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der Veränderung der Sterblichkeit die Rückstellungen eher unterdotiert sind.
10.1.1
Entwicklung Pensionsrückstellungen planen
Die Entwicklung der Pensionsrückstellungen ist im Einklang mit der Personalstruktur und -entwicklung zu planen.
10.2
Zuführung/Auflösung Steuerrückstellungen ermitteln
10.2.1
Zuführung und Auflösung planen
10.3
Zuführung/Auflösung sonstige Rückstellungen ermitteln
10.3.1
sonstige Rückstellungen
Die Zuführung und Auflösung der Steuerrückstellungen ist unter Berücksichtigung der geplanten Steuervorauszahlungen zu planen.
Die sonstigen Rückstellungen beinhalten v. a. Garantierückstellungen, Rückstellungen für Instandhaltung sowie für die Jahresabschlusserstellung und evtl. Rechtsstreitigkeiten.
11 Steuerplanung 11.1
Vorauszahlungen planen
11.2
Vorjahreszahlungen heranziehen
11.3
Nachzahlungen/Erstattungen planen
228
Im Rahmen der Planung wird üblicherweise vereinfachend angenommen, dass die Vorauszahlungen in Höhe der Steuerschuld des Vorjahres geleistet werden, auch wenn diese häufig noch nicht bekannt ist.
II. Ertragsplanung 11.4
Nachzahlungen/Erstattungen Aus der Steuerschuld des laufenden berechnen Jahres und den Vorauszahlungen sind die Steuerrückstellungen/ -forderungen für die Plan-Bilanz des laufenden Jahres sowie die Nachzahlungen/Erstattungen für die Liquiditätsplanung des folgenden Jahres zu berechnen.
11.5
Sonderfälle berücksichtigen
Steuerliche Sonderfälle, wie • die Bildung von § 7 g Rücklagen (IAB), • Auflösung von Rücklagen (IAB), • § 6b EStG, sind mit ihren Wirkungen einzuplanen.
12 Finanzergebnis und Kapitalveränderungen planen 12.1
Beteiligungserträge und -aufwand prognostizieren
Beteiligungserträge mindern den Finanzierungsbedarf, Beteiligungsaufwendungen erhöhen ihn.
12.1.1
Erträge/Aufwendungen prognostizieren
Beim Beteiligungsergebnis sind sämtliche Erträge aus Beteiligungen zu erfassen, unabhängig von der Höhe der Beteiligung. Im Rahmen von Verlustübernahmeverpflichtungen können sich hohe Beteiligungsaufwendungen ergeben.
12.2
Zinserträge und -aufwand prognostizieren
12.2.1
Zinszahlungen berücksichtigen Es sind nur die Zinszahlungen aus bestehenden Forderungen/Verbindlichkeiten zu berücksichtigen. Da die Deckung des verbleibenden Finanzierungsbedarfs zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststeht, können die leistenden Zahlungen zwangsläufig noch nicht erfassen werden. Die Zinserträge und der Zinsaufwand ergeben sich nach Abschluss der Planung mittelbar aus dem Finanzbedarf sowie den Finanzierungskonditionen. Das Ergebnis wird wesentlich durch die Veränderung des Working Capital geprägt.
229
L. Erstellen der Planungsrechnung 12.3
EK-erhöhungen bzw. Einlagen erfassen
12.3.1
Kapitalerhöhungen bzw. Einlagen planen
Bei Kapitalgesellschaften sind die geplanten Kapitalerhöhungen und bei Personengesellschaften die Einlagen zu planen, da diese den verbleibenden Kapitalbedarf bestimmen.
12.4
geplante Emission von Anleihen erfassen
Anleihenemissionen können ein günstiges Finanzierungsinstrument darstellen und bedingen eine Minderung des laufenden Finanzierungsbedarfs.
12.4.1
geplante Emissionen erfassen
Bei größeren Unternehmen (i. d. R. ab 10 Millionen € Umsatz) ist zu prüfen, ob Anleihenemissionen (Genussrechte etc.) geplant sind. In die Planung sind die diesem Fall nicht nur die Einzahlungen, sondern auch die Zins- und Tilgungszahlungen zu integrieren.
12.5
geplante Ausschüttungen/ Entnahmen erfassen
Bei Kapitalgesellschaften sind die geplanten Ausschüttungen und bei Personengesellschaften die geplanten Entnahmen zu berücksichtigen, da sich um diese der Kapitalbedarf erhöht. Ausschüttungsprämissen bzw. Thesaurierungsprämissen können sich auch aus dem Gesellschaftsrecht bzw. aus der Satzung ergeben.
12.6
Tilgungsverpflichtungen erfassen
Die Tilgungsverpflichtungen aus Altverbindlichkeiten und aus dem im Rahmen der Planung neu aufgenommenen Fremdkapital sind in die Liquiditätsplanung zu integrieren, um den neuen Gesamtfinanzbedarf zu ermitteln.
12.7
Sonderfälle berücksichtigen
Zu berücksichtigen sind auch Liquiditätszu- oder -abflüsse aus Ergebnisabführungsvereinbarungen, Bürgschaften oder Patronatserklärungen.
3. KN Besonderheiten Krise und Insolvenz Prozessverantwortung:
Betriebswirt (BWL)
Prozess angelegt:
1.7.2014, 80 – Nickert
Letzte Änderung:
B1.8.2015, 80 – Nickert
230
II. Ertragsplanung 1 Besonderheiten bei der Planung von Krisenunternehmen (Info) Detailinformation
Die Krise löst (aperiodische) Sonderkosten aus: • Beratungskosten • direkte Insolvenzkosten und • indirekte Insolvenzkosten (schon vor eigentlichem Insolvenzverfahren)
2 direkte Insolvenzkosten 2.1
berechnen oder schätzen
Berechnen: • Gerichtskosten (nach Masse) • Kosten (vorläufiger) Insolvenzverwalter/(vorläufiger) Sachwalter • Gläubigerausschuss beides mit Software. Vergütungsrelevante Masse wird von BT oder von NN geschätzt. Hinzu kommen • Beratungskosten inkl. Steuerberater (Sonderkosten) • Gutachter für Bewertung • ggf. sonstige Berater
3 indirekte Insolvenzkosten Detailinformation
Falls keine Informationen vorhanden sind, müssen die indirekten Kosten geschätzt werden. Faustformel: 5 – 10 % der Gesamtleistung.
3.1
Kundenfluktuation
• Wie wirkt sich die Krise/ Insolvenz auf die Kunden aus? • Drohen die Kunden, Ersatzlieferanten aufzubauen? • Verlieren Kunden Sicherheit in Gewährleistungsansprüchen, was zu Absatzproblemen führen kann? • Welche Signale konnten bislang ermittelt werden?
3.2
Lieferantenfluktuation
• Wie wirkt sich die Krise/Insolvenz auf die Lieferanten aus? • Sind sie bereit weiter zu beliefern? • Verlangen sie Vorauskasse? • Wie ist das Rating bei den Warenkreditversicherern? • Welche Signale konnten bislang ermittelt werden?
231
L. Erstellen der Planungsrechnung 3.3
Mitarbeiterfluktuation
• Wie wirkt sich die Krise/Insolvenz auf die Mitarbeiter aus? • Gibt es Schlüsselmitarbeiter? Haben diese alternative Beschäftigungsmöglichkeiten? • Wie ist allgemein die Mitarbeitermotivation und die Loyalität zum Unternehmen/Management? • Welche Signale konnten bislang ermittelt werden? Was sind die Bestandteile der Kosten? • Kosten des scheidenden Mitarbeiters • Kosten der Neubesetzung • Einschulungs-/Einarbeitungskosten • Doppelbelastungskosten Es existieren Studien, die die Kosten zwischen 3 und 36 Monatsgehältern pro Mitarbeiter ermittelten.
III. Bilanzplanung 991 Die Bilanzplanung ist erforderlich, um nicht ertragswirksame Veränderungen abzubilden, sog pagatorische Korrekturen. Erst und nur dadurch lässt sich die Entwicklung der Liquidität darstellen. So sind z. B. Tilgungsleistungen, Darlehensaufnahmen, Entnahmen und Veränderungen im Working Capital nicht ertragswirksam, belasten aber die Liquidität. Gerade bei längerfristigen Fertigungszeiten ist die Working-Capital-Planung und die „Produktionsdauer“ von entscheidender Bedeutung für die Liquidität. Auch muss z. B. bei einem Lieferantenwechsel kalkuliert werden, ob sich an der Bezugsdauer oder an den Losgrößen etwas ändert und in der Folge die Ware früher oder später bezahlt werden muss. 992 Bezüglich des Forderungseinzugs und der Forderungsverluste ist auf die tatsächlichen Gegebenheiten abzustellen. D. h. die Analyse der Vergangenheit ist die Ausgangsbasis für die Planungsannahmen, die nur dann verändert werden, wenn entsprechende Maßnahmen geplant sind und diese hinreichend wahrscheinlich sind. 993 Bezüglich der Verbindlichkeiten ist entgegen Zabel, Zabel, in: Kübler, HRI, § 27 Rn. 134.
nicht auf die tatsächlichen, sondern auf die rechtlich geschuldeten Zahlungsziele abzustellen, IDW S 11 Tz. 26 f.,
232
IV. Liquiditätsplanung
weil sich das Unternehmen ansonsten „liquide“ rechnen würde. Im Zweifelsfall sind die Verbindlichkeiten sofort fällig, § 271 Abs. 1 BGB.
994
BGH, Beschl. v. 23.7.2015 – 3 StR 518/14, ZInsO 2015, 2021; IDW S 11 Tz. 27.
Ein in der Vergangenheit eigenmächtig eingeräumter „Lieferantenkredit“ darf 995 der Planung nicht unterstellt werden, würde er doch die rechtlich entstehende Zahlungsunfähigkeit ggf. verdecken. Insbesondere wenn eine Planung für ein anstehendes Eigenverwaltungsver- 996 fahren erstellt wird, ist zu beachten, dass die Lieferanten in der Krise, spätestens aber mit Insolvenzantrag regelmäßig auf Vorauskasse umstellen. Dies ist bei der Ableitung der Liquiditätsplanung ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass auch nach Verfahrensaufhebung damit noch eine gewisse Zeit zu rechnen ist. So bewerten die Wirtschaftsauskunfteien die Unternehmen selbst bei bestätigtem und rechtskräftigem Insolvenzplan jedenfalls dann noch „auf Ausfall“, wenn die Gläubiger aus künftigen Erlösen befriedigt werden sollen und dies noch nicht vollständig erfolgt ist. Daneben ist die Finanzplanung zu beachten, also die Aufnahme und Tilgung 997 von Krediten und bei Einzelunternehmen bzw. Personengesellschaften auch die Entnahmeplanung der Unternehmer. Außerdem ist eine Bilanzplanung erforderlich, um künftige Kennzahlen ermit- 998 teln zu können, an denen das Unternehmen gesteuert oder die Sanierung gesteuert werden kann. IV. Liquiditätsplanung Sofern eine professionelle Software verwendet wird, ergibt sich die Liquidität als 999 logische Konsequenz der Fortentwicklung der Basisbilanz bzw. der aktuellen Finanzbuchführung durch die Ertrags- und Bilanzplanung. Wichtig sind aber noch Korrekturen, z. B. aus der Umsatzsteuer und aus dem 1000 Zahlungsverhalten der Kunden und den Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Lieferanten. Die retrograde Ableitung der Liquidität aus der Bilanz- und Ertragsplanung 1001 soll nachfolgende Abbildung veranschaulichen. Soweit die Steuern nicht im Aufwand erfasst werden und folglich bereits über 1002 die GuV-Planung bearbeitet sind, müssen diese aus der Steuerplanung als Teilplanung in die Liquiditätsplanung einbezogen werden. Dies ist insbesondere für die Einkommensteuer bei Personengesellschaften von Bedeutung, wenn aufgrund von Sonderbetriebseinnahmen (§ 15 Abs. 1 Satz 2 EStG) trotz negativer Ergebnisse in der Gewinnermittlung der Gesamthand Steuerbelastungen auf die Gesellschafter zukommen, die aus der Gesellschaft entnommen werden müssen.
233
L. Erstellen der Planungsrechnung Vornahme der pagatorischen Korrekturen Erträge, die nicht zahlungswirksam sind 1. Minderung von Rückstellungen 2. Auflösung von Rückstellungen 3. Zuschreibungen auf Gegenstände des Anlagevermögens 4. Zunahme an Vorräten 5. Zunahme an Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 6. Abnahme an Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen Aufwände, die nicht zahlungswirksam sind 1. Erhöhung von Rückstellungen 2. Einstellung von Rückstellungen 3. Abschreibungen auf Gegenstände des Anlagevermögens 4. Außerplanm. Abschreibungen auf Gegenstände des AV 5. Abschreibungen auf Gegenstände des Umlaufvermögens 6. Verluste aus dem Abgang von Anlagevermögen 7. Abnahme an Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 8. Zunahme an Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen Zahlungseingänge, die nicht ertragswirksam sind 1. Darlehensaufnahmen 2. Kapitalerhöhungen 3. Gewinne aus dem Abgang von Anlagevermögen Zahlungsausgänge, die nicht ertragswirksam sind 1. Tilgungen von Darlehen 2. Kapitalherabsetzungen 3. Kauf von Anlagevermögen 4. Verluste aus dem Abgang von Anlagevermögen
V. Aufbau der Unternehmensplanung und Planungszyklus 1003 Unseres Erachtens sollte im Jahr des Planungsbeginns und im folgenden Jahr die Planung auf Monatsbasis erfolgen. Eine Planung in kürzeren Intervallen halten wir für verzichtbar, weil sich die kurzfristige Planung (2 – 6 Wochen) unmittelbar aus der Finanzbuchführung ergibt (IDW S 11 Tz. 33), und längerfristig Scheingenauigkeiten erzeugt werden. Es ist schon schwierig genug, die integrierte Planung auf Monatsebene für die nächsten Jahre zu erstellen. Auf Wochenbasis wird dies schlechterdings unmöglich sein. 1004 Soweit die Planung mittels einer Monte-Carlo-Simulation erfolgt, halten wir es für vertretbar und auch für sinnvoll, dass die Planung auf Jahresbasis erfolgt. In diesem Fall müssen die unterjährigen Liquiditätsschwankungen in der
234
VI. Erfordernis eines Sicherheitspuffers
Vergangenheit analysiert und quantifiziert werden. Anschließend ist zu prognostizieren, wie sich diese Schwankung in der Zukunft verändern wird. Die Schwankungen in der Spitze zuzüglich eines angemessenen Sicherheitspuffers müssen dann in der Planung abgebildet werden. Nickert/Nickert/Kühne, KTS 2019, 29, 56.
Entscheidender ist aber die Frage nach dem Planungshorizont. Der BGH hat 1005 in seinem Urteil vom 5.12.2013 den Planungszeitraum bis zum Fälligwerden der letzten bereits begründeten Verbindlichkeit definiert. BGH, Urt. v. 5.12.2013 – IX ZR 93/11, ZIP 2014, 183 = ZfIR 2014, 162 (LS), dazu EWiR 2014, 391 (Luttmann).
Damit wäre im Falle von Pensionszusagen der Planungshorizont bis zum sta- 1006 tistischen Ableben des letzten Bezugsberechtigten auszudehnen. Allerdings hat der BGH mit Urteil vom 22.5.2014, BGH, Urt. v. 22.5.2014 – IX ZR 95/13, ZIP 2014, 1289,
die Frage nach dem Planungshorizont ausdrücklich als noch offen bezeichnet. Die Kommentarliteratur hat i. d. R. auf einen Planungshorizont von 1 – 2 Jahren abgestellt. Schmidt/Uhlenbruck-K. Schmidt, Rn. 5.141; Drukarczyk/Schüler, in MünchKomm-InsO, § 19 Rn. 150; Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 225.
Wir haben an anderer Stelle unter Bezugnahme auf die Grundsätze zur Un- 1007 ternehmensbewertung ausgeführt, dass wir entgegen der h. M., IDW S 11 Tz. 60; Schröder, in: HambKomm-InsO, § 18 Rn. 9; Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 217 ff. jeweils m. w. N.,
analog den Grundsätzen zur Unternehmensbewertung, IDW S 1 Tz. 77 f.; Popp, in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, S. 193; Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, Rn. 432; Franken/Schulte, in: Fleischer/ Hüttemann, § 5 Rn. 20, alle m. w. N.,
einen Zeitraum von 3 – 5 Jahren im Einzelfall auch länger für ausreichend aber auch erforderlich und umsetzbar halten, Nickert, in: Nickert/Lamberti, Rn. 215; Nickert/Nickert/Kühne, KTS 2019, 29, 63 f.,
um jedenfalls bei haftungsbeschränkten Gesellschaften dem Gläubigerschutzgedanken Rechnung zu tragen. VI. Erfordernis eines Sicherheitspuffers In den vorangegangenen Kapiteln wurde bereits an mehreren Stellen auf die 1008 Unsicherheit hingewiesen. Eben diese ist der Grund für die Planung bzw. Prognose. Würde man direkt abschätzen können, ob ein Planziel erreicht 235
L. Erstellen der Planungsrechnung
würde oder ob das Überleben gesichert ist, gäbe es keinen Anlass zur Planung oder Prognose. Beide wollen eine Entscheidung oder Einschätzung unter Unsicherheit ermöglichen oder erleichtern. 1009 Die Planung oder Prognose zeigt ein Bild über die Zukunft auf. Unabhängig davon, wieviel Fleiß und Expertise der Ersteller eingebracht hat, bleibt die Planung bzw. Prognose unsicher. Daher ist zu klären, wie mit dieser RestUnsicherheit umzugehen ist. 1010 An anderer Stelle Nickert/Nickert/Kühne, KTS 2019, 29, 56,
haben wir dargelegt, dass ein unsicherer Wert durch Berücksichtigung eines Sicherheitspuffers in einen quasi sicheren Wert umgeformt werden kann. Einen solchen Sicherheitspuffer fordern zu Recht auch Zabel, in: Kübler HRI § 27 Rn. 102 („konservative Planung“) und Karollus/Huemer, Die Fortbestehensprognose im Rahmen der Überschuldungsprüfung, S. 103.
1011 Wie aber ist ein solcher Sicherheitspuffer zu kalibrieren? Wir konnten aktuell noch keine Veröffentlichung ermitteln, welche auf diese Frage eine Antwort gegeben hat. Daher würden wir als Heuristik mindestens auf die einfache Standardabweichung abstellen. Das ist diejenige Größe, welche die mittlere Abweichung zum Erwartungswert aufzeigt, also die Schwankung im Mittel. Das heißt, von der gesuchten Größe ist die einfache Standardabweichung in Abzug zu bringen. Diese kann entweder aus der Planung (Dreiecksverteilung, vgl. Rn. 952 [Formel]) oder sogar aus der Monte-Carlo-Simulation abgelesen werden. Soweit weder eine Szenarioplanung, noch eine Simulation angestellt wird, empfiehlt es sich die historische Standardabweichung, z. B. der Cashflows der Vergangenheit, zu ermitteln und mit diesen Werten zu rechnen. MS-Excel® bietet diese Analyse standardmäßig an. Alternativ könnte die Vergangenheit auf Einbrüche der betrieblichen Leistung untersucht werden, z. B. auf einen Umsatz- bzw. Leistungseinbruch etc. Auf Basis dieser Untersuchungen könnte der größte Einbruch der letzten 5 – 10 Jahre als Stresstest herangezogen werden, um zu prüfen, ob das Unternehmen einen solchen Einbruch abermals überstehen würde. 1012 Aus einer solchen Analyse kann auch eine enorm wichtige, in der Praxis hingegen fast vollständig unbeachtete Kennzahl abgeleitet werden, der Variationskoeffizient. Dieser ist die Division der Standardabweichung einer Größe durch die geplante Größe selbst, hier z. B. der Cashflow. Var
(VCF) CF
1013 Ein Variationskoeffizient von über 1,0 drückt aus, dass im Mittel auch mit negativen Ergebnissen zu rechnen ist. Eine solche Analyse ist natürlich nur möglich, wenn man sich mit der künftigen Unsicherheit beschäftigt hat.
236
M. Plausibilisierung der Planung Eine dem Gutachter vorgelegte Planung des Unternehmens bzw. eine selbst 1014 mit den Unternehmern erarbeitete Planung muss in der Regel plausibilisiert werden. Dies verlangen nicht nur die Banken, sondern auch praktisch durchgängig alle Standards. Dabei muss zunächst definiert werden, was unter einer Plausibilisierung zu verstehen ist. „Die Plausibilitätskontrolle, auch Plausibilitätsprüfung oder Plausibilisierung, ist eine Methode, in deren Rahmen ein Wert oder allgemein ein Ergebnis überschlagsmäßig daraufhin überprüft wird, ob es überhaupt plausibel, also annehmbar, einleuchtend und nachvollziehbar sein kann oder nicht“. Wikipedia „Plausibilitätskontrolle“, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Plausibilit%C3 %A4tskontrolle (Abruf am 1.8.2015).
Für die Erstellung von Jahresabschlüssen definiert das IDW S 7 zusammen 1015 mit der Bundessteuerberaterkammer wie folgt: „Ein Auftrag zur Erstellung eines Jahresabschlusses mit Plausibilitätsbeurteilungen ist dadurch gekennzeichnet, dass der Wirtschaftsprüfer neben der eigentlichen Erstellungstätigkeit die ihm vorgelegten Belege, Bücher und Bestandsnachweise durch Befragungen und analytische Beurteilungen auf ihre Plausibilität hin beurteilt, um mit einer gewissen Sicherheit auszuschließen, dass diese nicht ordnungsgemäß sind.“ BStBK, Verlautbarung der Bundessteuerberaterkammer zu den Grundsätzen für die Erstellung von Jahresabschlüssen (3.1.1), Berufsrechtliches Handbuch – Berufsfachlicher Teil, Plausibilisierung.
Schmidt/Almeling führen aus:
1016
„In den Teilgebieten des Lageberichts, die prognostische Angaben enthalten (§ 289 Abs. 1 S 4), hat der Abschlussprüfer zu prüfen, ob diese vor dem Hintergrund der Jahresabschluss-Angaben vollständig und plausibel erscheinen sowie ob die der Prognose zugrunde liegenden Annahmen und Wirkungszusammenhänge, die Art der Schätzung sowie deren Zeithorizont angegeben wurden (IDW PS 350 Tz. 10).“ Schmidt/Almeling, in: Beck'scher Bilanz-Kommentar, § 317 Rn. 55.
Unter Plausibilisierung versteht man also die Überprüfung einer Annahme, 1017 Wirkungszusammenhänge und/oder Tatsachen durch Befragungen und/oder analytische Prüfungshandlungen mit dem Ziel einer gewissen Sicherheit. Da es keine vollständige Gewissheit über die künftige Entwicklung gibt, kann eine Planung nie richtig sein. Es kann nur verlangt werden, dass die Planung auf einer Tatsachenermittlung und auf fundierten Annahmen aufbaut und ein „vertretbares“ Ergebnis aufweist. BVerfG, Beschl. v. 24.5.2012 – 1 BvR 3221/10 („Daimler/ Chrysler“), ZIP 2012, 1656.
237
M. Plausibilisierung der Planung
1018 Die Plausibilisierung gliedert sich dabei in zwei Schritte. Ihlau/Duscha, BB 2013, 2346 ff.
I. Formelle Plausibilisierung 1019 Unter der formellen Plausibilisierung versteht man die Überprüfung der Planungssystematik und die Überprüfung auf rechnerische Richtigkeit (insbesondere bei Excel). Unter der Planungssystematik versteht man die Ableitung der operativen Planung aus der strategischen Planung (Leitbild des sanierten Unternehmens), ferner die richtige Aggregation der Teilpläne zur Gesamtplanung und zuletzt die Analyse des Planungsprozesses, also auch die Einhaltung der berufsüblichen Formalien und Standards. Aschauer/Purtscher, BewertungsPraktiker 2013, 2.
II. Materielle Plausibilisierung 1020 Demgegenüber versteht man unter der materiellen Plausibilisierung die inhaltliche Beurteilung der Planungsprämissen, also die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, die Markt- und Wettbewerbsanalyse, die interne Analyse, die SWOT-Analyse, die Trends etc. und die Auswirkung auf die Zukunft, also auf die operative Planung. 1021 Die Plausibilisierung erfolgt diesbezüglich durch x
Befragungen (intern und extern) sowie
x
analytische Prüfungshandlungen z. B. –
Branchenvergleiche,
–
Vorjahresvergleiche,
–
Abgleiche mit Marktstudien und/oder
–
Trendanalysen etc.
1022 Sofern hier Abweichungen aufgedeckt werden, sind diese durch kritisches Hinterfragen entweder zu schließen oder die Prognose ist anzupassen. Bei diesen Befragungen hat sich die 5-W-Methode bewährt. Wikipedia 5-why-Methode, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/ 5-Why-Methode (Abruf am 6.8.2015).
1023 Kann ein Organ zu einer kritischen Fragestellungen auf fünf Warum-Fragen nachvollziehbare Antworten geben, kann die Aussage als belastbar angesehen werden. 1024 Selbstverständlich sind die Schwerpunkte der Plausibilisierung auf die Unterschiede der Planung im Vergleich zur Vergangenheit zu legen. Hierzu gehört
238
II. Materielle Plausibilisierung
auch, ob und in welchem Umfang die Erkenntnisse aus dem Risikomanagement in der Planung abgebildet wurden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Sonderplanungen, also solche Planungen, 1025 die nur für den Zweck der Krisenberatung (erstmals) erstellt wurden, von der Rechtsprechung besonders kritisch gesehen werden. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.12.2017 – I 26 W 8/15, ZIP 2018, 972; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 18.5.2016 – 12a W 2/15, AG 2016; 672; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.7.2003 – I-19 W 6/00 (AktE) Rn. 60, AG 2003, 688 ff.; ähnlich OLG Stuttgart, Urt. v. 7.02.2001 – 20 U 52/97 Rn. 350 ff., DB 2001, 854 ff.; OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.3.2012 – 21 W 11/11 Rn. 25, NZG 2012, 549 ff; Ruiz de Vargas, in: Körber, AktG, Anh. zu § 305 Rn. 27.
In diesen Fällen ist der Plausibilisierungsaufwand bzw. die Plausibilisierungs- 1026 tiefe angemessen zu erhöhen. Dies gilt insbesondere für Planungen, die erstmals angestellt werden. Gegebenenfalls ist die höhere Unsicherheit in der Planung aufzuzeigen, was konsequent zu einer größeren Kalibrierung des Sicherheitspuffers führt.
239
N. Planungsfehler Die meisten und zugleich typischen Fehler, die wir im Bereich der Unterneh- 1027 mensplanung vorgefunden haben, waren: x
Die Planung beginnt bei „Null“, d. h. ohne Basisbilanz und ohne etwaigen Verbindlichkeitenüberhang.
x
Die Basisbilanz, soweit sie erstellt wurde, wird ohne erforderliche Korrekturen aus dem Rechnungswesen übernommen und wird nicht aufgelöst.
x
Die Planung wird ohne USt erstellt.
x
Planung beachtet vertragliche, aber nicht die tatsächlichen Zahlungsgepflogenheiten der Kunden (BWA + Afa = Cashflow des Monats).
x
Die Planung geht von den Zahlungsgepflogenheiten des Unternehmens gegenüber seinen Lieferanten aus und betrachtet nicht die vertraglich geschuldeten Ziele.
x
Es erfolgt keine Bilanzplanung (Veränderung des Working Capitals).
x
Es erfolgt lediglich eine Planung des operativen Bereichs. Die Entnahmen bei Einzelunternehmen oder Personalgesellschaften, die Tilgungen, die Investitionen werden nicht berücksichtigt.
x
Die Planung setzt sich nicht mit der innewohnenden Unsicherheit auseinander.
x
Der Planer hält keine kritische Distanz zum Unternehmen ein, d. h., der Berater traut sich nicht, sich notfalls zum „Königsmörder“ aufzuschwingen.
x
Die eigenen und die fremden Feststellungen und Annahmen werden nicht gründlich dokumentiert und erläutert.
Nach Augustin,
1028
Praxiserprobte Konzepte zur Unternehmensplanung, S. 43,
liegen die zehn häufigsten Fehler in folgenden Bereichen: x
Beratungshonorar zu niedrig – daher keine Qualität
x
Kein Beratungsauftrag
x
Kein Planungssystem (z. B. Planung auf Excel-Basis)
x
Informationsbasis schwach
x
Keine Plausibilitätsprüfung (z. B. Branchenvergleich, Kennzahlenvergleich etc.)
x
Primat der operativen Planung (es wird nur soweit geplant, wie die Aufträge reichen, i. d. R. ein Jahr)
x
Planungsansatz starr (keine Alternativen/Szenarien)
x
Keine Kontrolle (Planungsannahmen werden nicht dokumentiert/erläutert)
x
Keine Dokumentation
x
Fokus auf Kreditinstitute
241
O. Sanierungscontrolling Eine Unternehmenssanierung ist kein statischer Zustand, sondern ein dyna- 1029 mischer Prozess. Wenn das Sanierungskonzept erarbeitet ist, müssen die dort definierten Maßnahmen strukturiert und innerhalb der festgelegten Zeiträume umgesetzt werden. Gegenstand des Sanierungscontrollings ist deshalb zum einen, die Einhaltung 1030 der Umsetzungsplanung zu steuern und zu kontrollieren. Maßgebend für das Sanierungscontrolling sind die Grundtatbestände der Unternehmensplanung im Planungshandbuch. Hierfür ist es erforderlich, dass klare Verantwortlichkeiten für die einzelnen 1031 Projekte, eindeutige Aufgabenstellungen und Terminvorgaben ausgegeben werden. Die Informationen laufen dann bei einem oder mehreren Verantwortlichen (z. B. einem Lenkungsausschuss) zusammen. In der ersten Phase werden die Vorlagerhythmen für das Reporting kurzfristig 1032 sein. Später können die zeitlichen Abstände weiter ausgedehnt werden. Das Reporting sollte in einer standardisierten Form erfolgen. Zum anderen ist es Aufgabe des Sanierungscontrollings, den Erfolg der definier- 1033 ten Maßnahmen zu prüfen. Veränderungen der Rahmenbedingungen können es mit sich bringen, dass die Sanierungsplanung diesen neuen Gegebenheiten angepasst werden muss. Dann ist es erforderlich, nicht nur die Vergangenheitsdaten einer Analyse zu unterziehen, sondern auch die Zukunftsdaten entsprechend fortzuschreiben. Bei negativer Entwicklung muss ggf. anhand des Planungshandbuchs überprüft werden, ob erneut geplant werden und ob die Frage der Sanierungsfähigkeit erneut gestellt werden muss. Häufig verlangen Gläubiger und gerade Banken ein Sanierungscontrolling mit 1034 entsprechendem Reporting. Dieses Berichtswesen umfasst dann neben Soll-/ Ist-Analysen Angaben zur dynamischen Fortschreibung des Sanierungsprozesses. Oft werden diese Aufgaben auf unabhängige Dritte, z. B. Wirtschaftsprüfer, übertragen, um auf diese Weise ein objektiviertes Urteil zu erlangen. In dieser Phase gilt es für das Unternehmen, ggf. verlorenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Die Umsetzung des Sanierungscontrollings ist in vielen Fällen ausschlaggebend für den Erfolg der Sanierung insgesamt. Für den Erfolg aller Maßnahmen ist die Einhaltung der zeitlichen und finanziellen Vorgaben von entscheidender Bedeutung. Es sind daher im Sanierungskonzept für die einzelnen Maßnahmen die zeitlichen und finanziellen Erfordernisse sowie die verantwortlichen Personen zu nennen (siehe Rn. 540 ff.). Die umzusetzenden Maßnahmen sollten daher in einer „Milestones-Über- 1035 sicht“ aufgelistet werden. Wichtig ist dabei, dass die Maßnahmen präzise aufgeführt sind, wie z. B. Preiserhöhung mit dem Kunden A in Höhe von 10 % auf den laufenden Rahmenvertrag ab dem 1.10.2015 oder Erhöhung der Kreditlinie durch die finanzierende Hausbank ab dem 1.10.2015 um 200 T€ 243
O. Sanierungscontrolling
(Ziele müssen dem SMART Akronym entsprechen: spezifisch, messbar, ambitioniert, realistisch und terminiert). Durch die präzisen Angaben soll sichergestellt sein, dass die Überwachung der Umsetzung greifbar ist und eine Aussage dazu getroffen werden kann, ob die Fortbestehensprognose negativ oder positiv eingestuft werden muss. 1036 Hängt die Einstufung „positive Fortbestehensprognose“ von mehreren Faktoren ab und kann sie unter Umständen auch erreicht werden wenn nur drei von fünf Maßnahmen greifen, sollte dies transparent abgebildet werden. Nur dadurch ist gewährleistet, dass nach Ablauf der Fristen auch eine Beurteilung erfolgt, ob eine positive Fortbestehensprognose weiterhin gegeben ist. 1037 Eine weitere, bislang in der Literatur noch wenig behandelte Frage ist, wann eine bestehende Unternehmensplanung verworfen und neu geplant werden muss. Dabei ist zu beachten, dass Planabweichungen häufig lediglich zeitliche Verschiebungen sind, die sich kurz- bis mittelfristig wieder ausgleichen. Bislang gibt es keine höchstrichterliche Rechtsprechung dazu, ab wann man als Gläubiger nicht mehr von einem ernsthaften Sanierungsversuch ausgehen darf. Allerdings gibt es in der betriebswirtschaftlichen Literatur den Grundsatz, dass eine Planung dann überplant werden muss, wenn es viermal hintereinander zu einer wesentlichen Abweichung derselben Planungsposition (i. d. R. Posten der Gewinn- und Verlustregelung) in gleicher Richtung kommt Morlidge/Player, Future Ready 2012, S. 136 ff.
244
P. Berichterstattung und zusammenfassende Schlussbemerkung Der Ersteller der Planung hat über die Durchführung des Auftrags zur Erstel- 1038 lung einer Planungsrechnung schriftlich zu berichten. Abhängig vom Auftragsumfang folgen Gliederung und Inhalt dieser Berichterstattung den Planungsgrundsätzen. Der Bericht über die Erstellung einer Planungsrechnung kann mit einer zu- 1039 sammenfassenden Schlussbemerkung abschließen, x
die eine Beurteilung darüber enthält, ob das Unternehmen voraussichtlich zahlungsfähig ist und
x
die auch auf die kritischen Faktoren und Annahmen eingeht, die für die Erhaltung des Zahlungsgleichgewichts von besonderer Bedeutung sind.
Beim Sanierungsgutachten sollte zudem auf die Wiedererlangung einer üblichen 1040 Branchenrendite eingegangen werden bzw. wenn dies nicht der Fall ist, weshalb gleichwohl vom Fortbestehen ausgegangen werden darf. Sind nur einzelne Teilbereiche eines umfassenden Sanierungskonzepts Gegen- 1041 stand des Auftrags, folgt daraus eine entsprechende Beschränkung der Berichterstattung und einer zusammenfassenden Schlussbemerkung. Wird eine zusammenfassende Schlussbemerkung erstellt, darf diese nur zusam- 1042 men mit dem Erstellungsbericht an Dritte weitergegeben werden, um Missverständnisse über Art und Umfang der Tätigkeit des Erstellers und die Tragweite seiner Erklärung zu vermeiden. Für die zusammenfassenden Schlussbemerkungen (Bescheinigung) der Erstel- 1043 lungsberichte werden folgende im Einzelfall anzupassende Formulierungen (siehe Beispiele) empfohlen: Bezüglich der Einreichung der Planung bei Gericht oder bei den Stakeholdern 1044 empfiehlt sich, die Planung so spät wie möglich einzureichen. Begründet wird dies mit in der Folge möglichen Planabweichungen, die zu mannigfaltigen Diskussionen über die Belastbarkeit der Planung führen können. Rendels/Zabel, Insolvenzplan, Rn. 396.
Beispiel: Bescheinigung für Finanzierungsanfrage Die vorliegende Unternehmensplanrechnung für die Jahre 2015 bis 2019 wurde von uns auf der Grundlage der uns vorgelegten Unterlagen sowie der vom Auftraggeber erteilten Auskünfte unter Einbeziehung unserer allgemeinen Auftragsbedingungen laut Anlage erstellt. Die Planungsannahmen erscheinen uns dabei als plausibel. Nach der Beurteilung des Zahlenmaterials und der übergebenen Unterlagen sowie der gegebenen Auskünfte lässt sich feststellen, dass für den angefragten öffentlichen Förderkredit […] überwiegend wahrscheinlich Kapitaldienstfähigkeit besteht. 245
P. Berichterstattung und zusammenfassende Schlussbemerkung
Wegen der Einzelheiten verweise ich auf meinen Bericht, den Anhang und die Anlagen. Wie bei jeder Zukunftsplanung ist auch die vorliegende Planung mit inhärenten Risiken (insbesondere Entwicklungen der Auftragseingänge und Auftragsbearbeitung, Preisschwankungen) behaftet. Unser Auftraggeber hat uns für die Vollständigkeit seiner Angaben eine berufsüblichen Grundsätzen entsprechende Erklärung abgegeben, die wir zu unseren Arbeitspapieren genommen haben. Wir geben diese Bescheinigung nach bestem Wissen und Gewissen. Offenburg, […] Matthias Kühne Rechtsanwalt Betriebswirt (IWW) Beispiel für eine Planungswiederholung Die vorliegende Unternehmensplanrechnung für die Jahre 2015 bis 2019 wurde von mir auf der Grundlage der mir vorgelegten Unterlagen sowie der vom Auftraggeber erteilten Auskünfte unter Einbeziehung der allgemeinen Auftragsbedingungen erstellt. Ergänzend wurden die Grundlagen der Planungsrechnung durch eigene Recherchen mit Branchenwerten verprobt. Die Planungsannahmen erscheinen uns dabei als plausibel. Die Entwicklung der Finanz- und Ertragslage in den Planjahren steht im Einklang mit den getroffenen Planungsannahmen. Nach der Beurteilung des Zahlenmaterials und der übergebenen Unterlagen sowie der gegebenen Auskünfte lässt sich feststellen, dass das Unternehmen die im Sanierungsgutachten v. 4.11.2013 definierten Maßnahmen bereits zu einem Großteil umgesetzt hat und die restlichen Maßnahmen bereits in Umsetzung sind wodurch das Unternehmen überwiegend wahrscheinlich zukünftig wieder positive Ergebnisse erzielen wird. Die Zurückgewinnung der nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit ist durch die Umsetzung der definierten Maßnahmen erreicht worden. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf meinen Bericht und die Anlagen. Wie bei jeder Zukunftsplanung ist auch die vorliegende Planung mit inhärenten Risiken (insbesondere Entwicklungen der Auftragseingänge und Auftragsbearbeitung, Preisschwankungen) behaftet. Unser Auftraggeber hat uns für die Vollständigkeit seiner Angaben eine berufsüblichen Grundsätzen entsprechende Erklärung abgegeben. Ich gebe diese Bescheinigung nach bestem Wissen und Gewissen. Offenburg, […]. Matthias Kühne Rechtsanwalt Betriebswirt (IWW) 246
P. Berichterstattung und zusammenfassende Schlussbemerkung Praxistipp: Besonderes Augenmerk gilt dem Berichtswesen. Jeder Eindruck einer Garantie sollte unterlassen werden. Außerdem sollten die Planungsannahmen kommuniziert und erläutert werden. Hierzu zählt auch der Hinweis, ob es sich um eine vorsichtige oder um eine ambitionierte Planung handelt. Kuss, Wpg 2009, 326, 336 f. Wichtig: Nach der Planung muss unbedingt ein Soll/Ist-Vergleich stattfinden und ggf. die Planung angepasst werden. Kuss (Wpg 2009, 326) spricht insoweit von der „Planungstrias“.
Ferner kann im Wesentlichen auf den IDW PS 450 analog und die Ausfüh- 1045 rungen im IDW WP (HB Band II 2014, L Tz. 684 ff.) verwiesen werden. Danach gehören zu den Prinzipien einer sinnvollen Informationsvermittlung: x
Objektivität i. S. e. intersubjektiven Nachprüfbarkeit der Argumentation
x
Kritische Berichterstattung
x
Klarheit
x
Beschränkung auf das Wesentliche (Materiality) in der Darstellung. Pfitzer/Groß, in: IDW WP HB Band II 2014, L Tz. 686.; IDW WPH Edition, Sanierung und Insolvenz, Kap. B Tz. 396 ff.
Hervorzuheben ist lediglich, dass der Gutachtenersteller deutlich machen 1046 muss, was x
eigene Feststellung,
x
fremde Feststellung und
x
eigene oder fremde Annahme ist.
Die Quellen der Erkenntnisse und die Begründung für die Annahmen sind 1047 nachvollziehbar zu erläutern. Außerdem sollte der Gutachtenersteller darauf hinweisen, ob die Planung x
realistisch,
x
eher zurückhaltend oder
x
ambitioniert
1048
ist. Letztlich ist dies die Beantwortung der Frage nach der Umsetzungswahrscheinlichkeit. Hier sind auch ergänzende Informationen wie z. B. die Mengenoder Preisspanne von Interesse, um abzuschätzen, wie „robust“ die Planung ist. Gegebenenfalls sind verschiedene Szenarien abzubilden und diese zu erläutern oder alternativ die Planungsauswertung in einer Monte-Carlo-Simulation und/ oder Sicherheitspuffer zu zeigen. 247
P. Berichterstattung und zusammenfassende Schlussbemerkung
I. Auswahl des Gutachters 1049 Im Hinblick auf die Regelung in § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO sollte im Gutachten etwas zur Person des Planungserstellers vermerkt sein, es sei denn die Person ist bei allen Adressaten des Planungsberichts hinlänglich bekannt. Es muss sich um einen branchenkundigen, externen Wirtschaftsfachmann handeln, KG, Urt. v. 4.11.2015 – 24 U 112/14, WM 2016, 1073,
bzw. um einen fachlich qualifizierten Berufsträger. BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, DStR 2007, 1174.
1050 Gegebenenfalls ist die Qualifikation des Planers darzustellen. Der Ersteller des Gutachtens und der Sanierungsberater sollen personenidentisch sein. Der langjährige Steuerberater ist in der Regel aufgrund des bestehenden Näheverhältnisses ungeeignet. Ausnahmsweise aber soll der beratende Steuerberater oder Unternehmensberater die Fortbestehensprognose erstellen können, wenn er anlässlich der Krise als ausgewiesener Experte konsultiert wurde und erst dann das Gespräch mit der Bank sucht. Theeven, MA-Risk-Handbuch Sanierung S. 75.
1051 Wegen der Besonderheiten bei der Bescheinigung gemäß § 270b InsO ist auf die sich immer noch im Fluss befindliche Rechtsprechung und Praxis zu verweisen. Fiebig, in: HambKomm-InsO, § 270b Rn. 18 ff.; Zipperer, in: Uhlenbruck, InsO, § 270b Rn. 20.
1052 Es muss Gewähr bestehen, dass eine erste Indikation innerhalb von zwei Wochen, das Gutachten spätestens nach zwei Monaten vorliegt. Wir halten dies gerade in größeren Fällen für utopisch. Größere Sanierungsgutachten benötigen regelmäßig eine Zeit von bis zu sechs Monaten. Als Zwischenschritt ist eine Fortbestehensprognose vorzulegen. II. Auftrag 1053 Ferner muss der Inhalt des Auftrags kenntlich gemacht werden. Hierzu gehört insbesondere, ob ein Standard oder Anforderungen der Rechtsprechung zugrunde gelegt wurden und insbesondere, ob es sich um einen vollumfänglichen Auftrag handelt oder ob nur Teilbereiche bearbeitet wurden. III. Adressaten des Gutachtens 1054 Der Planer muss sich im Vorfeld Gedanken darüber machen, wer der Leser der Planung ist. Zunächst einmal ist die Planung als Entscheidungsgrundlage bestimmt. Dies gilt nicht nur für die Unternehmensleitung, sondern auch für die Stakeholder. Es soll dokumentiert werden, welche Maßnahmen weshalb zu treffend sind. Darüber hinaus kommen folgende Leser in Betracht, die alle andersartige Interessen und Erwartungen an den Planungsbericht haben. So
248
V. Maßnahmen und Annahmen
verlangen die finanzierenden Banken Kredit- und Sicherheitenspiegel, während die Arbeitnehmervertreter eine detaillierte Personalplanung verlangen. x
Gesellschafter
x
(Finanz-) Investoren
x
Kreditinstitute
x
Anleihegläubiger
x
ggf. Bürgschaftsbanken
x
sonstige Gläubiger
x
Arbeitnehmer
IV. Bestandsaufnahme Im Rahmen der Bestandsaufnahme ist die Analyse der Unternehmensplanung 1055 darzustellen. Hierbei sind die wesentlichen Teile darzulegen, also dasjenige was in Bezug auf die künftigen Erträge von Belang ist. Hierzu zählt insbesondere die Analyse des Krisenstadiums. Im Gutachten sollte eine Bestandsaufnahme des Status quo erfolgen, insbe- 1056 sondere: x
Interne und externe Unternehmensanalyse mit der Untersuchung von Vertrieb, Produktion, Fertigung und Beschaffung
x
Analyse sämtlicher Krisenursachen
x
Hinweise auf fehlerhaftes Management und Eignung der Geschäftsleitung
x
Mängel und Verbesserungspotentiale
x
Art und Laufzeit der Finanzierungen, Erstellung eines sog. Bankenspiegels
x
Prüfung alternativer Finanzierungsmöglichkeiten
V. Maßnahmen und Annahmen Ferner sind die geplanten Maßnahmen und die Planungsannahmen bzw. Prä- 1057 missen aufzuzeigen. Auch hier ist der Grundsatz der Wesentlichkeit zu beachten. Im Hinblick auf das Geheimhaltungsinteresse des Unternehmens, kann es 1058 empfehlenswert sein, bei Planungen, die für ein insolventes Unternehmen erstellt werden, Betriebsgeheimnisse und Kalkulationen nur an einen internen Kreis zu verteilen und nur die verdichtete Fassung zur Insolvenzakte zu reichen. Dieses Vorgehen kennt man von den sog. Fairness Opinions, die die Entscheidung der Gremien über Unternehmenskäufe u. Ä. absichern sollen. Bei diesen wird der sog. Opinion Letter in der Regel publik gemacht, wäh-
249
P. Berichterstattung und zusammenfassende Schlussbemerkung
rend das Valuation Memorandum dem internen Kreis vorbehalten bleibt. Maßgebend für die Bestandteile der Berichterstattung ist im Einzelfall, wer Empfänger der Fairness Opinion ist und ob durch die Offenlegung von unternehmensinternen Daten dem Unternehmen ein möglicher Schaden entstehen kann. Aus diesen Gründen kann sich die Aufteilung der Berichterstattung in Opinion Letter sowie Valuation Memorandum in vielen Fällen anbieten und dieses sollte, zur Wahrung der Betriebsgeheimnisse, nicht in einen Datenraum eingestellt, sondern nur zur Einsicht bei Gericht hinterlegt werden. Becker/Salcher/Kupke/Witzleben, in: IDW WP HB Band II 2014, E Tz. 75; Geiwitz/Schneider, in: HRI § 25 Rn. 108.
VI. Management 1059 Die Banken erwarten gerade bei KMU auch einen Hinweis über die Qualität des Managements. Dies bringt den Planer gelegentlich dazu, sich zum „Königsmörder“ aufzuschwingen, weil man dem Management die Überwindung der Krise nicht zutraut. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. 1060 Ferner interessiert die Leser inwieweit die Geschäftsleitung notwendige Veränderungen vermitteln und durchsetzen kann oder ob ggf. Interimsmanagement hinzugezogen werden muss (Maßnahme). 1061 Allerdings ist an dieser Stelle auch Erfolgspotential durch das Management zu erläutern. Dies gilt insbesondere für die Frage der (nicht) übertragbaren Ertragskraft.
250
Q. Zusammenfassende Checkliste Die nachfolgende Checkliste kann sowohl für die interne Qualitätskontrolle 1062 als auch für die externe Kontrolle einer Unternehmensplanung herangezogen werden. Die Unternehmensplanung ist ein Maßanzug. Daher ist die Checkliste auf die Gegebenheit des Einzelfalls anzupassen. Checkliste Erstellung eines Gutachtens Int. Nr. […] Mandant Nr.
Jahr
Name
Stand Bearbeiter Name
Zeichen
Verantwortlich: überlassen
geprüft
am
am
A. Vorbereitungsphase
durch ja
nein
Vermerk des Auftragseingangs und Verdeutlichung des Auftrags (Funktion des Planungserstellers) Überprüfung von Art und Umfang der Planung sowie zeitlichen Vorgaben des Auftrags (Planungshandbuch) Ggf. Prüfung der erforderlichen Neutralität und evtl. Ablehnung Ggf. Abstimmung mit Stakeholdern, ob die Person des Gutachters akzeptiert wird Prüfung der zeitlichen und personellen Ressourcen Detaillierte Planung (Projektplanung)der Auftragsbearbeitung und konkretes Zeitmanagement Ggf. Abstimmung der Zeitplanung mit anderen (leistungswirtschaftlichen) Beratern und Stakeholdern Anforderung der erforderlichen Unterlagen beim Mandanten Sicherstellung der Vollständigkeit der zu erlangenden Informationen Terminierung und Organisation einer Inventur Soweit erforderlich: zeitnahe Beauftragung von Sachverständigen (z. B. zur Inventarisierung und Bewertung der Gegenstände von Anlage- und Umlaufvermögen) B. Hauptphase Festlegen der wesentlichen Inhalte Organisation und Überwachung von delegierbaren Arbeiten Durchführung der Unternehmensanalyse mit Risikoanalyse Sachverhaltsermittlung durch analytische Prüfungshandlungen, sachdienliche Befragungen und Dokumentation Verarbeitung der Sachverhaltsermittlung Maßnahmenplanung und Planungsprämissen Auswertung der laufenden Buchführung und Jahresabschlüsse der letzten 3 – 5 Jahre (Prüfen, ob nicht die letzten 10 Jahre erforderlich sind)
251
Q. Zusammenfassende Checkliste Betriebswirtschaftliche Analyse und anschauliche Darstellung der wirtschaftlichen und finanziellen Situation des Schuldners Herausarbeiten der Ursachen für die Krise des Unternehmens und Ermittlung des Krisenstadiums Ggf. Darstellung der Insolvenzgründe Erstellung der Planungsrechnung und/oder Fortbestehensprognose nach IDW S 6, S 11 Gegebenenfalls Begründung und Darstellung der Szenarien oder einer Monte-CarloSimulation Ermittlung oder Abschätzung des Risikos der künftigen Planerreichung Kontrolle: Vier-Augen-Prinzip; Sicherstellung der Vermeidung von Verzerrungen Möglicherweise: Darlegung eines Sanierungskonzepts Abfassen des Gutachtens in einer objektiven, verständlichen Sprache unter Verwertung der wesentlichen Informationen Sofern erforderlich: Hinweis auf evtl. Bestehende Insolvenzantragspflichten C. Nachbereitungen Entscheidung über die beizufügenden Anlagen Aufmerksame Prüfung des Schriftsatzes auf inhaltliche Fehler (z. B. bei der Verwendung von Textbausteinen) Rechtschreibprüfung Versenden Berichtsentwurf und Einholen der Vollständigkeitserklärung des Schuldners Persönliche Unterzeichnung des Gutachtens Fertigstellen des Gutachtens Übergabe an Mandanten mit einer ausreichenden Anzahl an Ausfertigungen D. Gutachten-Check (Bewertungsmaßstäbe) Verwendet der Gutachter eine verständliche Sprache? Ist das Gutachten unparteiisch und unvoreingenommen formuliert oder scheint der Gutachter befangen? Geht aus dem Gutachten der Auftrag klar hervor? Sind Stichtag und Zeitraum und erforderlichenfalls besondere Umstände der Auftragsbearbeitung im Gutachten aufgeführt? Ist das Gutachten übersichtlich aufgebaut? Ist das Gutachten in sich stichhaltig und schlüssig? Wurde ein Standard zugrunde gelegt und eingehalten?
252
Q. Zusammenfassende Checkliste Wurde auf spezielle rechtliche Problembereiche hingewiesen? Lässt sich eindeutig erkennen, ob und in welchem Umfang sich der Gutachter zulässigerweise eines Sachverständigen bedient hat? Gibt das Gutachten Aufschluss über die angewandten Methoden zur Sachverhaltsermittlung? Macht das Gutachten die Situation des zu beurteilenden Unternehmens deutlich? Ist die Analyse des Unternehmens im Markt nachvollziehbar? Lässt die Analyse nachhaltige Zukunftspotentiale erkennen? Ist die Bewertung der Vermögenspositionen nachvollziehbar? Sind die Maßnahmen ausreichend beschrieben (Darstellung, Wirkung, Wirkungszeitpunkt, Wahrscheinlichkeit, Kosten, Zeitpunkt Kosten, Wechselwirkung zu anderen Maßnahmen)? Sind die gewählten Maßnahmen, die Planungsprämissen und die daraus abgeleiteten Planungen plausibel und begründet? Wie wurde plausibilisiert? Trennt das Gutachten eigene und fremde Ermittlungen? Stellt das Gutachten sichere oder mögliche Entwicklungen nach dem Erstellungsdatum ein und werden diese in die Beurteilung mit einbezogen? Stellt das Gutachten die Ungewissheit dar und wie geht der Gutachter damit um? Sind aus dem Gutachten die Gründe für die Entscheidungsfindung unschwer nachvollziehbar? Welche Software wurde für die Planung verwendet? Bei Excel: Ist die Planung rechnerisch richtig? Beantwortet das Gutachten die Gutachtenfrage? Wie hoch ist der Anteil an „Überflüssigem“, was das Gutachten unnötig aufbläht? Lässt das Gutachten Fragen unbeantwortet? Bedarf das Gutachten einer Nachbesserung?
253
R. Glossar Budget
Ein Budget ist ein Plan, der die Verteilung von Ressourcen i. d. R. Geldbeträge für eine Periode innerhalb der operativen Planung bzw. Budgetierung bestimmt. Die Ressourcen werden einzelnen Abteilungen/Verantwortlichen zugewiesen und dienen zur Erreichung der jeweiligen Ziele. Somit ist das Budget für die Maßnahmenumsetzung bestimmt.
Cashflow at Risk
Es ist ein Risikomaß für die zukünftigen Cashflows. Der Cashflow at Risk beruht auf den Annahmen des Value at Risk, jedoch werden hierbei anstatt eines Marktwertes die zukünftigen Cashflows als Maßstab herangezogen. Demnach ist es der finanzielle Überschuss, welcher innerhalb einer Periode/eines Betrachtungszeitpunkts und mit zugrunde liegender Wahrscheinlichkeit nicht unterschritten wird. Also der niedrigste Cashflow, der innerhalb einer Periode und bei vorgegebener Wahrscheinlichkeit mindestens erreicht wird.
Erwartungswert
Werden die Zufallsversuche mehrfach (i. d. R. unendlich oft) wiederholt ausgeführt und aus deren jeweiligen Ergebnissen der Mittelwert gebildet, erhält man den Erwartungswert (ist näherungsweise das arithmetische Mittel). Somit zeigt es auf, welchen Wert die Zufallsvariable im Mittel annehmen kann. Ferner beschreibt dieser Wert die Lage in einer Verteilungsfunktion. In der Planung wird er als aufsummiertes, gewichtetes Mittel aus den Chancen und Risiken verstanden. In der Praxis werden drei Szenarien mit ihren Einzeleintrittswahrscheinlichkeiten multipliziert und zum Erwartungswert zusammenaddiert.
Estimation
Siehe Prognose
Diskrete/stetige Verteilung
Eine Wahrscheinlichkeitsverteilung (Abkürzung: Verteilung) gibt an, wie sich die Wahrscheinlichkeiten auf die potenziellen Zukunftsereignisse, vor allem auf die möglichen Werte einer Zufallsvariablen, verteilen, eine Zufallsvariable ordnet jedem Ergebnis eines Zufallsexperimentes eine Zahl zu. Hierbei können die Variablen diskret (diskrete Verteilung) sein, d. h., die Ergebnisse/der Wertebereiche der Variablen sind abzählbar, z. B. beim Würfeln können/kann jedes Mal die Augen/das Ergebnis abgezählt werden. Eine be-
255
R. Glossar
kannte Verteilung stellt die Binomialverteilung dar. Demgegenüber ist eine stetige (kontinuierliche) Verteilung dadurch gekennzeichnet, dass innerhalb eines bestimmten Intervalls die Werte der Zufallsvariable beliebig sein können, was z. B. bei Gewichtsangaben der Fall ist. Die Normalverteilung ist eine typische stetige Verteilung. Forecast
Mit dem Forecast wird versucht durch Experteneinschätzungen (i. d. R. Management) eine Vorhersage der unternehmerischen Einflussfaktoren zu ermöglichen, um somit eine (i. d. R.) Gewinnhochrechnung für die Zeit bis zum Ende des laufenden Geschäftsjahrs oder für die kommenden zwölf Monate zu bilden. Grundlage sind die relevanten Kennzahlen des Unternehmens. Diese gewonnenen Informationen dienen dann dem Management zur proaktiven Steuerung des Unternehmens. Es ist ein dynamisches Instrument, welches unterjährig die kurzfristigen Veränderungen auf das geplante Ergebnis in aktualisierter Form aufzeigt. In der Praxis wird hierbei das gebuchte Ergebnis mit der ggf. angepassten Planung bis zum Jahresende fortgeschrieben.
Fremdkapital-Beta (Debt Beta)
Die Schuldner haben ihre Verbindlichkeiten zu begleichen. Die Bewertung erfolge nominal. Folglich wird für das Fremdkapital im CAPM ein Beta-Wert (Risikomaß) von null angesetzt, unter der Annahme, dass das Fremdkapital nicht risikobehaftet ist. Wird jedoch von den Eigenkapitalgebern Risiko auf die Fremdkapitalgeber transferiert (z. B. bei ungesicherten Gläubigern), sind die Eigenkapitalkosten (nach unten) anzupassen. Mit dem Debt Beta kann eine Bewertung und Berücksichtigung der Risikoübernahme ermöglicht werden. Es berechnet sich über die Eigenkapitalwertveränderung und der damit einhergehenden Auswahlwahrscheinlichkeit des Fremdkapitals.
Integrierte Unternehmensplanung
Die Unternehmensplanung besteht aus einzelnen Detail-/Teilplänen, die miteinander zu verknüpfen sind, sodass ihre Interdependenzen und Zusammenhänge ersichtlich sind. Innerhalb einer Unternehmensplanung sind unterschiedlichste Teilpläne (Subplanungen) zu erstellen. Zu Beginn werden auf Grundlage einer Absatzplanung nachfolgende (aufbauende) Teilpläne, wie z. B. Produktions-, Personalplanungen ermittelt (reine Mengenplanungen). Daraufhin folgen ggf. bereichs-/
256
R. Glossar
abteilungsspezifische Planungen, bei denen wesentliche Teilaspekte z. B. Forschungs- und Entwicklungsplanungen abgebildet werden. All diese einzelnen Planungen sind aufeinander abzustimmen und zu verknüpfen. In einem Folgeschritt sind die Teilpläne auf eine monetäre Ebene zu transferieren und in einer Gesamtplanung zu aggregieren, was sich in der Ertrags-, Liquiditäts- und Bilanzplanung niederschlägt. Diese drei Planungen sind ebenfalls integriert zu planen. Durch die Verzahnung der einzelnen Planungen können deren Wechselwirkungen und Zusammenhänge einfließen. Des Weiteren dient sie als eine Kontrolle der Planung, denn durch die Integration sollte sich die gesamte Planung ausgleichen. Kardinale Ordnung
Es ist eine Einteilung von Merkmalen in der Statistik. Die Kardinale Ordnung besitzt eine quantitative Merkmalsausprägung mit einer Dimension. Ferner ermöglicht sie neben der Häufigkeit und Reihenfolge noch den Abstand zwischen zwei Merkmalsausprägungen sowie ggf. einen Nullpunkt zu bestimmen; Beispiel sind Alter (0 – 99 Jahren), Einkommen (0 – […] €).
Kybernetik
Unter Kybernetik wird eine Theorie verstanden, welche die zentralen Funktionen von dynamischen Systemen erforscht. Dadurch soll ermöglicht werden, dass die Informationsverarbeitung der Systeme gewährleistet ist und sich die Systeme lenken und regeln lassen bzw. sich selbst lenken und regeln.
Monte-CarloSimulation
Ist eine (computergestützte) Simulationsmethode, bei der über zufällig gewählte Parameter und deren (zufälliger) Kombination unterschiedlichste Szenarien generiert und somit zufällig Ergebnisse berechnet und gespeichert werden. Die Methode beruht auf dem Gesetz der großen Zahlen und führt bis zu mehreren Tausend Simulationen durch. Über die Fülle der errechneten Ergebnisse kann näherungsweise eine Wahrscheinlichkeitsverteilung der künftigen Ergebnisse abgeleitet werden.
Nominale Ordnung
Es ist eine Einteilung von Merkmalen in der Statistik. Es handelt sich hierbei um reine qualitative Merkmalsausprägungen, die keiner natürlichen Ordnung (Reihenfolge) unterliegen. Es lassen sich nur Häufigkeiten messen; Beispiel Geschlecht (Mann/Frau), Antworten (ja/nein).
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R. Glossar
Ordinale Ordnung
Es ist eine Einteilung von Merkmalen in der Statistik. Unter dieser Ordnung lassen sich qualitative Merkmalsausprägungen zusammenfassen, welche zugleich einer natürlichen Ordnung unterliegen. Zu der messbaren Häufigkeit kann eine Reihenfolge bzw. Rangordnung bestimmt werden, Abstände zwischen den Klassen zu bestimmen, ist nicht möglich; Beispiele sind Schulnoten („sehr gut“ bis „ungenügend“) oder Platzierungen (Weltmeister, Zweiter …).
Prinzipal-AgentTheorie
Diese Theorie untersucht die Leistungsbeziehung zwischen dem Prinzipal (Auftraggeber) und Agent (Auftragnehmer). Es ist anzunehmen, dass zum einen zwischen beiden Akteure eine Informationsasymmetrie vorherrscht, d. h., beide verfügen über einen unterschiedlichen Informationsstand. Zum anderen wird von den Akteuren verschiedenen Zielen nachgegangen bzw. jeder möchte seinen eigenen Nutzen maximieren. Infolgedessen bildet sich ein Interessenskonflikt zwischen dem Auftraggeber und -nehmer.
Prognose (Estimation) Eine Prognose ist eine (versuchte) Vorhersage der Zukunft. Mit ihr soll eine gewisse Aussage über eine zukünftige Entwicklung von einzelnen Variablen/ Planwerten und deren Eintrittswahrscheinlichkeit bestimmt werden. Dennoch ist die Prognose weiterhin unsicher. Die Werte lassen sich z. B. mit einer Fortschreibung der Vergangenheitswerte, subjektiven Schätzungen oder Kausalmodellen ermittelt. Sie ist ein wesentliches Hilfsmittel der Planung; Plan- und Prognosewerte müssen nicht übereinstimmen. Prospect-Theorie
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Diese Theorie erklärt die Verhaltensweisen unter Unsicherheit und geht auf Kahneman/Tversky (1979) zurück. Das Verhalten der Entscheider wird nach ihren Erkenntnissen nicht als endgültige Nutzensteigerung gemessen. Hingegen wird zuerst eingeteilt, ob ein positiver oder negativer Nutzen gegenüber einem Referenzpunkt (z. B. Status quo, oder Branchenrendite) generiert wurde und daraufhin wird erst bewertet. Hierbei werden die Verluste (Nutzenverschlechterung) gegenüber dem Referenzpunkt deutlich intensiver empfunden als Gewinne mit gleichhohem Wert; der Entscheider neigt dazu, sich bei Verlusten risikoaffin und bei Gewinnen risikoavers zu verhalten. Des Weiteren werden die potenziellen zukünftigen Umweltszenarien nicht mit objektiven Eintrittswahr-
R. Glossar
scheinlichkeiten bewertet, sondern mit gewichtetet. Folglich wird den unsicheren Ereignissen im Vergleich zu sicheren Ereignissen eine höhere Eintrittswahrscheinlichkeit eingeräumt. Risikoaffinität
Beschreibt die Risikoneigung des Entscheiders in Form eines risikofreudigen Verhaltens. Demnach ist für den Entscheider die Risikozunahme schon durch eine unterproportionale Nutzensteigerung (z. B. Gewinn) gerechtfertigt. Das heißt, die Person bevorzugt die Alternative mit dem größeren Risiko, welche dafür einen größeren Nutzen stiftet, auch wenn dieser Nutzen unsicherer ist.
Risikoaversion
Beschreibt die Risikoneigung des Entscheiders in Form eines risikovermeidenden Verhaltens. Demnach ist für den Entscheider die Risikozunahme nur durch eine überproportionale Nutzensteigerung (z. B. Gewinn) gerechtfertigt. Das heißt, die Person bevorzugt die Alternative mit dem geringeren Risiko, welcher dafür mit einem sicheren Nutzen hinterlegt ist, auch wenn dieser Nutzen kleiner ausfallen kann.
Risikomanagement
Unter Risikomanagement werden alle organisatorischen Normen, Maßnahmen, Aktivitäten, Methoden und Instrumente verstanden, die im Unternehmen für die Identifikation, Bewertung, Steuerung und Überwachung von Risiken beitragen und die Risikosituation im Unternehmen gestalten, sodass u. a. die Unternehmensexistenz gesichert wird, die Unternehmensziele erreicht und die Kapital- und Risikokosten verringert werden.
Risikoneutralität
Beschreibt die Risikoneigung des Entscheiders in Form eines risikoneutralen Verhaltens. Demnach ist für den Entscheider die Risikozunahme durch eine proportionale Nutzensteigerung (z. B. Gewinn) gerechtfertigt. Das heißt, die Person bevorzugt weder die sichere noch die unsichere Alternative, sondern entscheidet sich für die Alternative, die unter mathematischen Verfahren ermittelt wird.
Risikoreduktion
Ist eine aktive Variante der Risikosteuerung. Es wird eine Risikobewältigung bzw. -verminderung verfolgt. Es ist die Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder die Schadensauswirkung zu minimieren. Für diese Steuerungsvariante können unterschiedlichste Ansätze verfolgt werden, z. B. können zusätzliche Qualitätssi259
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cherungen oder -kontrollen initiiert, weitere Kapazitäten aufgebaut oder fixe in variable Kostenblöcke überführt werden. Risikotragung
Ist eine passive Variante der Risikosteuerung. Das Unternehmen akzeptiert das vorhandene Risiko, nimmt es in Kauf und trägt somit das Risiko selbst. Es stellt das Restrisiko/Nettorisiko dar und ist i. d. R durch die Risikotragfähigkeit des Unternehmens gesichert; es sollte einer (permanenten) Risikoüberwachung unterstellt sein.
Risikoüberwälzung
Ist eine passive Variante der Risikosteuerung. Mit dieser Variante werden die identifizierten Risiken an Dritte weitergeben und von diesen getragen; in diesem Kontext sind in erster Linie Versicherungsunternehmen oder der Kapitalmarkt (optional Vertragspartner wie der Auftraggeber, Lieferant oder Kunde) als Dritte zu nennen. Für die Risikoübernahme sind Gegenleistungen, z. B. Versicherungsprämien, zu erbringen.
Risikovermeidung
Ist eine aktive Variante der Risikosteuerung. Bei der Risikovermeidung entscheidet sich das Unternehmen bewusst gegen die identifizierten Risiken und geht diese Tätigkeiten, aus welchen sich die Risiken ergeben, nicht ein. Dementsprechend wird auch auf die entfallenden Chancen verzichtet. Grundsätzlich sind solche Risiken zu vermeiden, die bestandsgefährdend sind, also die Unternehmensexistenz bedrohen oder die kaum beeinflussbar sind.
Schlüsselkennzahlen (KPI, Key Predictive Indicator)
Der englische Begriff bezeichnet zu Deutsch die (wesentlichen) Kennzahlen eines Unternehmens, die den künftigen Erfolg indizieren. Die KPI sind an die zentralen Ziele oder Erfolgsfaktoren des Unternehmens gekoppelt und messen deren Erfüllungsgrad.
Sensitivitätsanalyse
Es ist ein Verfahren, mit dem systematisch durch Variation einzelner Parameter/Parametergruppen deren Einfluss auf das Ergebnis überprüft wird.
Sicherheitspuffer/ Sicherheitsäquivalent
Ein Sicherheitspuffer kann als ein Auf-/Abschlag auf die Zielgröße angesehen werden. Der Puffer dient als ein Schutzmechanismus und kann auch als derjenige Betrag verstanden werden, den ein Versicherer für die Übernahme des (negativen) Planabweichungsszenarios als Prämie verlangen würde.
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Standardabweichung
Die Standardabweichung ist wie die Varianz ein Streuungsmaß einer Zufallsvariablen/Merkmalsausprägung um ihren Mittel-/Erwartungswert und wird aus der positiven Quadratwurzel der Varianz ermittelt (siehe Varianz). Es besitzt die gleiche Dimension wie die Merkmalsausprägung (z. B. Euro) und wird abgekürzt als Sigma bzw. ı; es wird als Risikomaß verwendet. Für die Planung kann die Standardabweichung aus der Vergangenheit oder aus der Planung abgeleitet werden. Die Übernahme aus der Vergangenheit ist nur dann sinnvoll, wenn die Risikostruktur der Vergangenheit auch für die Zukunft repräsentativ ist.
Szenarioplanung
Ein Szenario drückt eine potenzielle Zukunftskonstellation aus, die durch Kombination von den inund externen Einflussfaktoren entsteht. Bei der Szenarioplanung werden die Planwerte nicht nur einwertig, sondern mehrwertig geplant. Somit wird ein Planwert mit verschiedenen Zielausprägungen (Szenarien) versehen, es entsteht eine Bandbreite von möglichen Entwicklungen. Praxisüblich ist die Einteilung in Best(„beste“ Entwicklung), Real- (wahrscheinlichste Entwicklung), Worse-Case-Szenario („schlechteste“ Entwicklung).
Unternehmensplanung
In den Bereich der Unternehmensplanung fallen alle Planungen, die im und von dem Unternehmen erstellt werden. Sie umfassen insbesondere die strategische (langfristige) und die operative (kurzfristige) Planung. Unternehmensplanung mit Krisenbezug erfordert aber auch eine Aussage über die Umsetzungswahrscheinlichkeit der Planung und ist damit zugleich Prognose. In der Krise verschmelzen damit Planung und Prognose.
Value at Risk (VaR)
Der VaR ist eine Kennzahl die das Risikomaß einer Risikoposition bewertet und somit deren Verlustpotenzial misst. Mit der Kennzahl wird ausgedrückt, dass innerhalb einer Periode ein Verlust mit vorgegebener Wahrscheinlichkeit (Konfidenzintervall) nicht überschritten wird. Demnach ist der VaR der Betrag, der mit einer festgelegten Wahrscheinlichkeit verloren werden kann.
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R. Glossar
Varianz
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Die Varianz ist als ein Streuungsmaß einer empirischen Häufigkeitsverteilung bestimmt, d. h., sie beschreibt, in welchem Umfang sich eine Zufallsvariable/Merkmalsausprägung um den Mittel-/Erwartungswert streut bzw. um wie viel sie von dem Mittel-/Erwartungswert abweicht, und zeigt somit die Breite der Verteilung an. Sie lässt sich ermitteln als mittlere quadratische Abweichung der Zufallsvariablen von dem Mittel-/Erwartungswert (Summe der quadrierten Abweichungen aller Messwerte vom Mittel-/Erwartungswert dividiert durch Anzahl der Messwerte). Die positive Quadratwurzel der Varianz ist die Standardabweichung.
Stichwortverzeichnis
Analyse – Beurteilung des Geschäftsmodells 446 ff. – externe 471 ff. – interne 492 ff. – Krisenstadium 523 ff. – Leitbild des sanierten Unternehmens 453 ff. – wesentliche Geschäftsfelder 457 ff. Auftrag – Berichterstattung 1053 – Inhalt 267 ff.
Basisbilanz
919 ff. Berichterstattung – Adressaten des Gutachtens 1054 – Auftrag 1053 – Auswahl des Gutachters 1049 – Bestandsaufnahme 1055 – Management 1059 – Maßnahmen 1057 ff. Beurteilungsspielraum 46, 143, 199, 779 ff. Beweislast 34, 784 Bilanzplanung 991 Branchenanalyse 474
Checklisten – Erstellung eines Gutachtens 1062 – interne und externe (Qualitäts-) Kontrolle (zusammenfassende Checkliste) 1062 – Leitbild eines sanierten Unternehmens 469 – Planungsfall 990 – Planungshandbuch 165 – Verteilungsannahme bei Monte-Carlo-Simulationen 917
Delphi-Methode 896 f., 906 Direkte Insolvenzkosten 968 ff., 990 Entscheidungsvorbereitung
6, 8, 24, 118, 165 Erfolgskrise – Krisenstadium 535 ff. – Überwindung 677 ff. Erfolgstreiber 159 Ertragskraft – übertragbare 132, 509 ff. Ertragsplanung 207, 212 – direkte Insolvenzkosten 968 f. – indirekte Insolvenzkosten 970 ff. – reine 83 ff. Erwartungswert 108 f., 793 ff., 877 ff., siehe auch Glossar
Factoring 586 Fortbestehensprognose 47 ff. – Anforderungen der Rechtsprechung 47 ff. Gesellschafterdarlehen 576 ff. Gewissheit – hinreichende 786 ff. Gigo-Effekt 188 GoP (Grundsätze ordnungsgemäßer Planung) 401 ff. Gutachten – Checkliste 1062, siehe auch Sanierungsgutachten Haftung – – – – –
aus Delikt 364 ff. des Beraters 292 ff. des Planerstellers 304 ff. Pflichtverletzung 309 ff. Verschulden 332, 335 ff.
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Stichwortverzeichnis
Haftungsvereinbarung – Bestätigungsvermerk in den Berichten 385 ff. – Beweisanzeichen für Krise 389 ff. Honorarvereinbarung 418 ff. – Aufgabendefinition 273 ff. – Auftragsinhalt 267 ff. – Bestätigungsvermerk 385 ff. – Beweisanzeichen für Krise 389 ff. – Haftung 292 ff.
Indirekte Insolvenzkosten
970 ff., 990 Informationsgewinnung – Gigo-Effekt 188 – Qualität der Informationen 187 ff. INQA-Unternehmenscheck 489 Insolvenz – Überwindung 547 – Vermeidung 548 Insolvenzreife – Krisenstadium 539 ff. Integrierte Sanierungsplanung – Maßnahmeneffekte 764 ff. – praktische Umsetzung 768 ff. – Problem- und Verlustbereiche 763 – Prognoseentscheidung 786 ff. ISU Grundsätze 427 ff.
Kapitalerhöhung 556 ff. Kernkompetenzen 465, 754 Konzernplanung 98 ff. Krisenstadium – Erfolgskrise 535 f. – Insolvenzreife 539 – Liquiditätskrise 537 f. – Produkt- und Absatzkrise 532 ff. – Stakeholderkrise 526 ff. 264
– Strategiekrise 529 ff.
Liquiditätskrise – Krisenstadium 537 ff. – Überwindung 552 ff. Liquiditätsplanung 999 ff. Liquiditätsrechnung – reine 88 ff.
Maßnahmen – externe 600 ff. – interne 554 ff. – Überwindung der Erfolgskrise 677 ff. – Überwindung der Liquiditätskrise 552 ff. – Überwindung der Produkt- und Absatzkrise 679 ff. – Überwindung/Vermeidung der Insolvenz 547 ff. – Ziele 540 ff. Mezzanine-Kapital 668 ff. Monte-Carlo-Simulation 207 ff., 487, 966, 1004, siehe auch Glossar – Checkliste 917
Ordnung – kardinale siehe Glossar – nominale siehe Glossar – ordinale siehe Glossar
Patronatserklärungen 580 ff. PESTL Analyse 472 f. Planung – formelle Plausibilisierung 1019 – materielle Plausibilisierung 1020 ff. Planungsanlässe 1 ff. – Insolvenzverfahren 27 ff. – Krise/Sanierung 23 ff.
Stichwortverzeichnis
– Unternehmensplanung 13 ff. Planungsarten siehe Planungsmethoden Planungsersteller – Funktion 144 ff., 1062 – Person 220, 251 ff., 261 Planungsfehler 1027 ff. Planungsgrundsätze 395 ff. – Anforderungen der Banken 430 ff. – GoP 401 ff. – IDW S 6 418 ff. – ISU Grundsätze 427 ff. Planungshandbuch 110 ff. – Checkliste 165 Planungsmethoden 70 ff., 896 ff. – integrierte Planung 91 ff. – Konzernplanung/Gruppenplanung 98 ff. – reine Ertragsplanung 83 ff. – reine Liquiditätsrechnung 88 ff. – Szenarioplanung/Simulation 101 ff. Planungsrechnung – Adressat 32 ff. – Basisbilanz 919 ff. – Bilanzplanung 991 ff. – Berücksichtigung von Maßnahmen 778 ff. – Erstellen 892 ff. – Liquiditätsplanung 999 ff. Plausibilisierung der Planung – formelle 1019 – materielle 1020 Porters Five Forces 471 ff. Pricing-Power 464, 469, 701, 937 Prinzipal-Agent-Theorie 866 ff., siehe Glossar Produkt- und Absatzkrise – Krisenstadium 532 ff. – Überwindung 679 ff. Prognoseentscheidung – hinreichende Gewissheit 786 ff.
Prognoserechnung 71, 80, 214, 898, 918 Prognosezeitraum 149 Projektmanagement 166 – Ablauf einer Planung 176 ff. – Informationsgewinnung 187 ff. – Planungsersteller 251 ff. – Sanierungsprozess 183 ff. Prospect-Theorie (neue Erwartungsnutzentheorie) siehe Glossar
Rentabilitätsvorschau siehe Ertragsplanung, reine Risiko – Risikofeldermatrix 480 ff. Risikomanagement 477 ff., 826, siehe auch Glossar
Sale and Lease Back 585 Sanierende Eingriffe 587 ff. Sanierungscontrolling 1029 ff. Sanierungserlass 591, 620 ff. Sanierungsgutachten – Anforderungen der Banken 433 ff. – Anforderungen der Rechtsprechung 47 ff., siehe auch Gutachten Sanierungsmaßnahmen 703 ff., 964 Sanierungsplanung – integrierte siehe integrierte Sanierungsplanung – Maßnahmeneffekte 764 ff. – Planungsrechnung 778 ff. – praktische Umsetzung 768 ff. – Problem- und Verlustbereiche 763 ff. Sicherheitspuffer 411, 519, 795 ff., 810, 885, 1048, siehe auch Glossar 265
Stichwortverzeichnis
Stakeholderkrise – Krisenstadium 526 ff. Stand-alone-Ansatz 98 ff. Standardabweichung 212, 213, 883 ff., siehe auch Glossar Standards 39, 91, 104, 146, 160, 443 Strategiekrise – Krisenstadium 529 ff. SWOT-Analyse 475 Szenarien 231, 896, 946 ff. Szenariotechnik 896
Unternehmensanalyse 747 Unternehmensplanung – allgemeine Pflicht 13 ff. – als Tatsache 222 ff.
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– Fortbestehensprognosen und Sanierungsgutachten 47 ff. – in der Rechtsprechung 34 ff., 63 – Planungszyklus 1003 ff.
Vermögen – Verkauf 584 Vertretbarkeit 54, 66, 443, 792
Wahrscheinlichkeit 202 ff. Werttreiber 700 ff. Wettbewerbsvorteile 466 ff. Zahlungsmodalitäten
280 ff., siehe auch Honorarvereinbarung