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German Pages 135 Year 1998
ROLF KRAMER
Umwelt, Wirtschaft und Technik
Studien zu Umweltökonomie und Umweltpolitik Band 1
Umwelt, Wirtschaft und Technik Sozialethische Überlegungen
Von
RolfKramer
DUßcker & Humblot · Berliß
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Kramer, Rolf: Umwelt, Wirtschaft und Technik: sozialethische Überlegungen / von Rolf Kramer. - Berlin : Duncker und Humblot, 1998 (Studien zu Umweltäkonomie und Umweltpolitik ; Bd. 1) ISBN 3-428-09311-9
Alle Rechte vorbehalten
© 1998 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübemahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1435-0238 ISBN 3-428-09311-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 €9
Vorwort Im Vorwort zu seinem Buch "Glück und Wohlwollen" spricht Robert Spaemann die Erwartung aus, daß darin "hoffentlich" nichts "grundsätzlich Neues" enthalten sein werde. Wenn es nämlich um Fragen des "richtigen Lebens" gehe, können nur "Falsche wirklich neu sein"l. Aber über die Fragen des Lebens muß immer wieder neu nachgedacht werden. Zwar ist auch über die in unserem Zusammenhang behandelten Fragen bereits vieles gesagt worden. Insofern kann auch in den hier angesprochenen Themenbereichen wohl kaum im Grundsatz Neues vorgetragen werden. Aber es ist immer wieder notwendig, den aktuellen Fragen Rechnung zu tragen, Bekanntes zu unterstreichen und mit einem besonderen Akzent zu versehen. Der unterschiedlichen Entwicklung in der Sachproblematik ist Rechnung zu tragen. Umwelt ist als Problem seit nunmehr 30 Jahren zu einem für die Menschheit lebenswichtig bedeutsamen Phänomen geworden, das in einer ständigen Auseinandersetzung mit der Wirtschaft und der Technik steht. In der Mitte dieser lebenswichtigen Bereiche steht der Mensch. Mit Hilfe von Technik gestaltet er die Wirtschaft und die Umwelt. Aber auch ohne diese besteht zwischen der Wirtschaft und der Ökologie ein Bezugsverhältnis. Denn die Ökonomie übt mit ihren Entscheidungen einen direkten Einfluß auf die Umwelt aus. Andererseits wirkt auch der Schutz der Umwelt zurück auf das wirtschaftliche Handeln und die technische Entwicklung. Zwischen diesem Beziehungsgeflecht steht der Mensch, der alle drei Bereiche beeinflußt, und der wiederum selbst durch sie geprägt wird. Eine der entscheidenden Herausforderungen des Menschen in unserer Zeit liegt im Gelingen, Ökonomie, Umwelt und Technik miteinander zu versöhnen. Sollte es möglich sein, dieses Ziel zu erreichen, stellt sich freilich die Frage nach dem wie und auch nach dem Maße einer solchen Versöhnung. Vielleicht ist jedoch der Ausdruck ,Versöhnung' zu stark theologisch belastet, weil sich nach christlicher Vorstellung in ihm das göttliche Offenbarungsgeschehen ausdrückt. Vielleicht wäre es deshalb richtiger, nach einem Ausgleich der drei Bereich zu fragen. Es ist der Mensch, der als Herr über die Schöpfung den Wert oder Unwert der Natur bestimmt. Zwar griff er auch schon in früheren Zeiten in das Verhältnis menschlicher und nichtmenschlicher Natur ein. Aber erst heute gewährt ihm die ökologische Wissenschaft Hilfen bei der Wertbestimmung der Natur. In der Technik besitzt er die Mittel, durch die er das Leben vereinfachen und zugleich auch gehaltvoller gestalten kann. Die griffige Definition von Technik, die 1
Spaemann, Robert, Glück und Wohlwollen, Stuttgart 1989, S. 9.
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Vorwort
Ortega y Gasset gab, als er sie mit "Anstrengung, Anstrengungen zu vermeiden", umschrieb, unterstreicht diesen Gedanken. Eine Technikanwendung bringt dem Anwender Gewinn durch Fortschritt und verschafft ihm dadurch einen Vorsprung. Der ökonomische Anweder sucht also nach einem Vorteil gegenüber seinem Mitbewerber. Aber der Begriff des Fortschrittes wird nicht immer eindeutig verwandt. In der Vergangenheit war mit ihm die Vorstellung verbunden, die Welt würde zum Guten voranschreiten. Man suchte das Gute in der Entwicklung. Heute ist mit dem Gedanken des Fortschrittes auch einer zum Bösen, mindestens zum Gefährlichen und Nicht -Vorhersehbaren verbunden. Mit dem Abwurf der Atombomben am 6. und 9. August 1945 in Hiroshima und Nagasaki begann zwar in technischer Hinsicht eine neue Zeit. Aber dem Menschen wurde schlaglichtartig bewußt, daß die Erde auf Gedeih und Verderb in seine Hände gegeben ist. Er kann sie unbewohnbar machen und sich selbst auslöschen. Vielleicht ist dieses Vermögen auch ein Grund dafür, daß die Menschen im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert in den westlichen Ländern nicht mehr nach dem Wachstum ihrer Lebensverhältnisse, sondern eher nach der Bewahrung des Lebens und der Erhaltung der Lebensqualität streben. Diese ist freilich eine sehr komplexe Größe. Lebensqualität ist nämlich nur durch eine Summe einzelner Elemente zu beschreiben, wozu die politische, ökonomische und auch die ökologische Dimension gehören. Aber diese Elemente machen noch nicht die ganze Lebensqualität aus. Dazu muß noch ein Maß an Freiheit und Selbstbestimmung, hinreichende Bildungs- und Kulturmöglichkeiten kommen. Wichtig ist ferner, daß dem Menschen zur Erhaltung seines Lebensraums gesunde Luft, reines Wasser und eine heile Umwelt zur Verfügung stehen. Diese Bereiche zu gestalten, ist nur unter Anwendung von Technik möglich. Denn erst sie schafft die Möglichkeit zur Durchsetzung der notwendigen Elemente für die Lebensqualität. Die Ökologie ist als Umweltschutz zu einer globalen Herausforderung geworden, Begriffe wie Treibhauseffekt oder Ozonloch kennzeichnen schlaglichtartig die vorhandene Problematik. Zwischen Ökologie und Technik besteht eine Korrelation, die im günstigsten Fall zu einer Balance zwischen beiden Disziplinen führt. Aber ein Ausgleich wird höchst selten eintreten. Eher stellt sich das Problem des anzuwendenden Maßstabes, wenn ein Gleichgewicht zwischen beiden angestrebt wird. Mit dem Aufbrechen existentieller Fragen, die vor allem durch die Massenarbeitslosigkeit hervorgerufen werden, verlieren allerdings Umweltthemen an Bedeutung. Das wird wohl erst wieder anders werden, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse verbessern. Das Bezugsverhältnis aller genannten Größen unter sozialethischem Aspekt zu untersuchen, ist der Inhalt dieses Buch. Es möchte im Ergebnis hier und dort freilich auch neue Akzente setzen und die Entwicklung vorantreiben. Für das notwendige Korrekturlesen des Manuskriptes habe ich dem langjährigen Freund Günther Kastenmeyer, der sich dieser mühevollen Arbeit unterzogen hat und mir gleichzeitig wichtige Hinweise zur Verbesserung lieferte, zu danken.
Vorwort
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Ferner möchte ich meiner Freude Ausdruck verleihen, daß der Verlag Duncker & Humblot dieses Buch wie andere vorher in sein Verlagsprogramm aufgenommen hat. Ich sage speziell seinem Gesellschafter und Geschäftsführer, Herrn Professor Dr. h.c. Norbert Simon, herzlichen Dank, der dieses Manuskript für seine neue Reihe "Studien zur Umweltökonomie und Umweltpolitik" ausgewählt hat. Berlin, im September 1997
RolfKramer
Inhaltsverzeichnis
Erstes Kapitel
Ökologie und Umwelt aus christlicher Sicht
13
I. Begriffliche Klärung .......................................... . ........... . . . ...
15
11. Das Problem einer ökologischen Ethik.... . .................... . .................
16
111. Grundlegung biblischen Naturdenkens .... . .................... . .................
19
A. Die alttestamentliche Urgeschichte ...........................................
19
B. Die Neuorientierung in Neuen Testament. . .. .. . . .. .. .. . . .. . . . . .. . . .. . . .. . . . . .
22
Zweites Kapitel
Technologie und Theologie
26
I. Antiker und biblischer Technik-Begriff ..........................................
26
11. Die Entwicklung des Technik-Begriffs. . . .. . . . . . . . . . . . .. . . .. . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . .
27
111. Über die vierte und fünfte Kränkung des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
IV. Güter und Ungüter in Technik und Ökologie.....................................
31
V. Die Technik und ihre Folgen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
VI. Ziele der Technik und der Wertbegriff ...........................................
34
VII. Der Mensch als Mit-Schöpfer. . . ... . . . .. ... . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .
36
Drittes Kapitel
Anthropozentrismus in den Umweltethiken
41
I. Anthropozentrische Umweltethik ................................................
41
11. Überlebensethik .................................................................
43
111. Physiozentrische Ethik ....................................... . ..................
46
IV. Biozentrik .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
10
Inhaltsverzeichnis V. Pathozentrik .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
VI. Ausgleichversuche ..............................................................
51
VII. Kirchenamtliche Stellungnahmen zur Umweltethik ...... . ........ . ...... . .......
52
A. Die gemeinsame Erklärung von 1985 .. .. .. .. .. .. . .. . .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
53
B. Die gemeinsame Erklärung von 1989.........................................
55
C. Das Sozialwort von 1997 ..... .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. . . . . . .. .. . . . . .. .. . . .. . . . .
56
D. Erklärung der Deutschen Bischöfe (1980) ....................................
60
E. Päpstliche Stellungnahmen ...................... . .... . .......................
61
Viertes Kapitel
Zwischen Schöpfung, Natur und Technik
64
I. Technik in der katholischen Tradition. ................... . ............... . .......
64
A. Das Naturrechtsdenken bei Thomas von Aquin ...............................
64
B. Der Bereich der Technik in den päpstlichen Veröffentlichungen ..............
66
11. Schöpfungsgedanken bei Luther ....... . ............... . .........................
69
III. Karl Marx' Naturbegriff .........................................................
70
IV. Ökologische Entwürfe einzelner Theologen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
A. Jürgen Moltmanns theozentrische Umweltethik ..............................
72
B. Eugen Drewermann und die naturalistische Kritik ............................
75
Fünftes Kapitel
Ökonomie und Ökologie
80
I. Soziökonomische Ursachen von Umweltschäden................................
81
11. Eine ökologische Ökonomie ................. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
III. Umweltwerte und Umweltziele ..................................................
87
IV. Umweltschutz in der Sozialen Marktwirtschaft ..................................
88
V. Umweltschutz und Konsum.....................................................
91
VI. Umweltpolitik und Preisstabilität ................................................
92
VII. Umweltschutz und Arbeitsplatzeffekte ...........................................
93
VIII. Wirtschaftswachstum und Umweltschutz ........................................
94
Inhaltsverzeichnis
11
Sechstes Kapitel
Umweltschutzpolitik
97
I. Umweltinvestition und die Zuordnungsprinzipien .. . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
A. Das Verursacherprinzip .................................................... . .
98
B. Das Gemeinlastprinzip .......................................................
99
C. Das Vorsorgeprinzip .........................................................
99
D. Das Kooperationsprinzip ..................................................... 100 11. Externe Umweltkosten .......................................................... 100 III. Nichtfiskalische Maßnahmen.................................................... 101 IV. Fiskalische Maßnahmen ....................................... . ................. 102 A. Abgaben und Steuern in der Umweltpolitik ............................. . ..... 102
1. Abgaben ................................................ . ................. 102 2. Steuern ................................................. . ................. 103 B. Öffentliche Investitionshilfen in der Umweltpolitik ............. . . . . . . . . . . . . . . 107 C. Ausgabe von Umwe\tzertifikaten ... . . .. . . . . . . .. . . . . .. . . .. . . . . .. . . .. . . . . . ... . . 107 D. Kompensationslösungen ..................................................... 108
Siebtes Kapitel
Rückschau und Zukunftsperspektiven
109
I. Zusammenfassende Begriffsbestimmung ........................................ 109
11. Ethik der Technik zur Gestaltung der Umwelt.. . . .. . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . ... . . 111 III. Der Mensch als Ziel der Schöpfung .. " . . .. . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. . . . . . .. . . . . . . ... .. 113 IV. Umweltpolitik ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 V. Perspektiven einer Veränderung ................................................. 119
Literaturverzeichnis ............... . .......... . .......... . .................... . ....... 126 Personen- und Sachregister.......................................................... 132
Erstes Kapitel
Ökologie und Umwelt aus christlicher Sicht Die Umwelt wird vom Menschen gestaltet, solange dieser auf der Erde lebt. Selbst die Höhlenbehausung der ersten Menschen hat die Umwelt beeinflußt, sicher nicht auffällig und auch nicht einschneidend. In unvergleichlich stärkerem Maße geschah das durch die Kultivierung der Erde bei der Ackerlandgewinnung durch die Rodung von Wäldern, später durch die Industrieansiedlungen und noch intensiver durch den modemen Wohnungs-, Eisenbahn-, Wasser- und Straßenbau. Daß es mittlerweile zu einem immer größeren Verbrauch von Umweltgütern gekommen ist, vor allem von Wasser, Boden und Luft, liegt an der Zahl der lebenden Menschen und an den Möglichkeiten, die sie besitzen, die Umwelt für sich zu nutzen, an der voranschreitenden Zivilisation und an der Suche vieler Menschen nach einem größeren Komfort. Die Auswirkungen menschlichen Handelns wurden lange Zeit nicht allgemein anerkannt. 1954 unterschrieben nur 10 von 32 Staaten ein Abkommen zur Vermeidung der Ölpest 1• Allmählich wuchs dann das Umweltbewußtsein, etwa angesichts toter Seen in Schweden oder aufgrund der Notwendigkeit, wieder einen blauen Himmel über dem Ruhrgebiet zu schaffen. Bei einem umfassenden Umweltschutz kann es nicht darum gehen, daß der Mensch seine Umwelt in einem jungfräulichen Zustand beläßt. Der Mensch muß sich auf dieser Erde einrichten, er muß darum auch die Natur in Anspruch nehmen. Das fordert eine "Interaktion zwischen Natur und Mensch"z. Trotzdem bleibt die Frage Robert Spaemanns, warum denn der Mensch traurig ist, wenn er erfährt, daß irgendwo eine Vogelart ausstirbt, die er ohnehin nicht zu Gesicht bekommen hätte? Die Antwort lautet für ihn: "Es ist offenbar so, daß das Glück des Menschen gerade mit dem nicht auf ihn bezogenen Reichtum des Wirklichen zusammenhängt,,3. Deshalb geht es nicht darum, ob man ganz auf bestimmmte Ressourcen verzichten muß, sondern daß man beim Umgang mit den Gütern der Welt sparsam ist. Denn der nachfolgenden Generation müssen genügende Reserven von nicht-regenerieNennen, Heinz-Ulrich, (1991), S. 78. Von Weizsäcker, Carl Christian, Strategien der Energienutzung zwischen Ökonomie und Ökologie, in: Umweltverträgliches Wirtschaften als Problem von Wissenschaft und Politik, Schriften des Vereins für Socialpolitik, Bd. 224, Berlin 1993 (Hrsg. Heinz König), S. 134. 3 Spaemann, Robert, Technische Eingriffe in die Natur als Problem der politischen Ethik, in: Dieter Bimbacher, Ökologie und Ethik, Stuttgart 1986, S. 194. I
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1. Kapitel: Ökologie und Umwelt aus christlicher Sicht
renden Ressourcen hinterlassen werden, zumal da es nicht ausgeschlossen ist, daß die kommenden Generationen bestimmte Rohstoffe besser als heute zu nutzen in der Lage sind4 . Nach der im 1. Buch Moses bezeugten göttlichen Schöpfungsgeschichte wird der Menschen zum Herrscher über die Natur eingesetzt. Ihm wird der Auftrag gegeben: "Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan" (Gen. 1,27f.). Unter diesem Mandat Gottes hat der Mensch über Jahrhunderte hindurch seine Herrschaft über die Erde begründet. Er verstand dieses Angebot als einen Kulturauftrag, über die organische und anorganische Natur zu herrschen. Der Mensch sah sich dabei als cooperator dei, als Mitarbeiter Gottes. Daß sich Christen und auch die organisierten Kirchen mit Umweltfragen auseinandersetzen, ergibt sich bereits aus diesem Ansatz. Aber die Auseinandersetzung mit dieser Problematik kann nicht das zentrale christliche Anliegen und nicht der Kern christlicher Botschaft sein. Auch ist das Christentum nicht dafür verantwortlich zu machen, daß es zum Aufbau eines Machtpotentials zur Beherrschung der Natur und zur Unterwerfung fremder Völker gekommen ist, wie Carl Amery anklagend und zugleich zur Besinnung rufend in seinem Buch "das Ende der Vorsehung" schreibt. Für ihn ist das Ergebnis des Lernprozesses im Christentum die Überzeugung, "daß die ganze Schöpfung auf Verheißung angelegt ist; daß die Kreatürlichkeit des Menschen, sein Leiden und sein Tod, ein Skandal ist; daß wir Menschen die einzigen Geschöpfe sind, zu denen der Schöpfer ein besonder~s Verhältnis angebahnt hat; daß infolgedessen die Welt eine einzige Beute ist, die wir nach Gutdünken verteilen können, solange wir die Spielregeln gegenüber unseren Mit-Christen beachten"s. Zwar weist Amery mit Recht auf die besondere Stellung des Menschen im christlichen Glauben hin. Aber dem Menschen ist damit nicht die Ausbeutung der Erde, sondern die Erhaltung und Bewahrung anvertraut. Nicht die Zerstörung der Welt ist sein Auftrag. Der Menschen steht vielmehr zusammen mit der übrigen Welt unter einer eschatologischen Hoffnung auf Vollendung. Die Kirche hat zwar Vorwürfe wie die von Amery ernst zu nehmen. Aber die gegenwärtige Umweltkrise hat nicht mit dem Christentum, sondern mit der industriellen Revolution des vergangenen Jahrhunderts ihren Anfang genommen. Sie ist also nicht die Folge des Christentums, sondern resultiert aus der besonderen Einschätzung der den Menschen gegebenen Möglichkeiten. Die Kirche muß in ihren umweltengagierten Handlungsweisen immer daran denken, daß sie nicht als eine Umwelt- oder Ordnungskraft fungiert, sondern eben Kirche bleibt, die einen besonderen Auftrag besitzt. Sie wird sich hüten müssen, der praktischen Umweltpolitik und -organisation Vorschriften zu machen, wie sie vorzugehen und welche Maßnahmen sie zu treffen haben. Zentrale Aufgabe ist vielmehr die Verkündigung der Evangeliumsbotschaft. Spaemann, Robert, (1986), S. 196. Amery, Carl, Das Ende der Vorsehung. Die gnadenlosen Folgen des Christentums, 21974 Reinbek b. Hamburg. S. 193. 4
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I. Begriffliche Klärung
15
I. Begrimiche Klärung "Die Einsicht in die Tatsache, daß der Mensch heute wie nie zuvor Verantwortung für die Lebensgrundlage auf der ganzen Erde trägt, hat zur Diskussion um eine ,ökologische Ethik' geführt,,6. Ernst Haeckel hat das Wort von der "Ökologie" geprägt. Er verstand darunter die Haushaltslehre der Natur7 . In seiner "generellen Morphologie der Organismen" aus dem Jahr 1866 führte er aus: "Unter Oecologie verstehen wir die gesamte Wissenschaft von den Beziehungen des Organismus zur umgebenden Außenwelt ... "s. Im gegenwärtigen Sprachgebrauch wird mit dem Wort Ökologie das Wort (logos), die Wissenschaft vom Haus (oikos) oder die Erforschung des "Hauses" Erde ausgedrückt. Im besonderen bedeutet Ökologie eine auf die Erhaltung der Umwelt ausgerichtete Haushaltung durch den Menschen. Im Bestandteil des oikos schwingt das Bild der Geschlossenheit, aber auch der Eingrenzungen mit. Ökologie steht also für die Bewahrung. Darum schließen auch viele Publikationen den Aspekt der Abgrenzung ein und sprechen von ",Selbstbegrenzung' (Ivan Illich) , von ,Die Rückkehr zum menschlichen Maß' ( E. F. Schumacher) oder von ,Grenzen des Wachstums' (Club of Rome),,9. Daraus resultieren die mit einer Ökologieethik genannten Forderungen nach Begrenzung, Ehrfucht, Bescheidenheit, Verzicht oder Einhaltung des Maßes. Man verlangt Umkehr und Besinnung. Denn man erkennt den Verlust, den man bei fortgesetzter Entwicklung erfahren wird. Daraus wird das Verständnis der Ökologie abgeleitet, das eine "umfassende Kritik an der wissenschaftlichen-technischen Zivilisation" zum Inhalt hat lO • Umwelt ist im weitesten Sinn die Gesamtheit aller der Faktoren, die das Leben der Menschen in ihren physischen, psychischen, technischen, ökonomischen und sozialen Bedingungen bestimmen 11. Schon recht früh war man sich der starken Einwirkungen menschlichen Handeins auf die Umwelt bewußt. Der dänische Schriftsteller Jens Baggesen hatte bereits im Jahre 1800 in einer Ode das Wort ,Umwelt' - wohl in Anlehnung an das französische Wort für Milieu - zum ersten Mal gebraucht. Er umschreibt damit die natürliche Landschaft, allerdings eher im übertragenen Sinn als Seelenlandschaft 12 • Jakob von Uexküll soll dann im Gegensatz zum sozial geprägten Milieu den Umweltbegriff in die Biologie eingeführt haben. Er bezeichnete damit die auf den lebenden Organismus einwirkende belebte und unbelebte Natur. 6 Stahl, Arne, "Du sollst nicht leichtfertig Entropie erzeugen", in: Sigurd M. Daecke (Hrsg.), Naturwissenschaft und Religion, Mannheim 1993, S. 158. 7 Nennen, Heinz-Ulrich, Ökologie im Diskurs, Opladen 1991, S. 83 Anm. 23. 8 Nennen, Heinz-Ulrich, (1991), S. 85. 9 Großheim, Michael, Ökologie oder Technokratie, Berlin 1995, S. 21. 10 Großheim, Michael, (1995), S. 21. II Vgl. Wicke, Lutz, Umweltökonomie und Umweltpolitik, München 1991, S. 6. 12 Vgl. Nennen, Heinz-Ulrich, (1991), S. 86f.
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1. Kapitel: Ökologie und Umwelt aus christlicher Sicht
Mit dem Begriff der Umwelt konnte ferner der Bereich angesprochen werden, auf den sich die Lehre vom Haushalt der Natur (Ökologie) bezog 13 • Umwelt war danach die - speziell den Menschen - umgebende lebende und nichtlebende Natur. Allerdings existiert auch eine Umwelt für den Tier- und Pflanzenbereich. Zwar bedeutete deshalb der Begriff der Umwelt die "Gesamtheit der ein Lebewesen umgebenden anderen Lebewesen, Dinge und Vorgänge, mit denen es in Wechselwirkung steht,,14. Aber die zusammengesetzten Begriff wie umweltfreundlich, Umweltschäden, Umweltschutz werden besonders in einem Bezug zum Menschen gesehen und interpretiert. Seit etwa 1970 kommt in der deutschen Sprache der Begriff des Umweltschutzes vor l5 . Ob er als solcher aus den englischen Wörtern environmental protection übernommen wurde, ist nicht eindeutig zu belegen. Bei ihm wird vor allem an die Aufrechterhaltung von erträglichen Lebensbedingungen für den Menschen durch das Verhindern oder Beseitigen von Umweltschäden gedacht l6 . Der Begriff, der aus dem Natur-Bewußtsein des Menschen heraus entwickelt wurde, hat etwas mit der Erhaltung der Wohnstätte des Menschen zu tun. Der Mensch muß die Grenzen der Natur wahrnehmen und lernen, den Wert der Natur als einen Wert an sich zu erkennen und zu respektieren, wenn er die Umwelt schützen und sich selbst einen menschenwürdigen Rahmen sichern will. Da das Umweltbewußtsein durch die "Kenntnis und Bejahung aller der menschlichen Behausung gesetzten Grenzen,,17 geprägt wird, geht es bei Umweltschäden hauptsächlich um solche, die in der Umwelt des Menschen anfallen. Bereits Müller-Armack hatte Anfang der siebziger Jahre die Forderung nach einer Verwirklichung des Umweltschutzes in der zweiten Phase der Sozialen Marktwirtschaft erhoben 18. Zwar bedeutete Umwelt also etwas anderes als der Begriff der Ökologie. Aber heute werden in der Umgangssprache die Begriffe Ökologie und Umwelt synonym gebraucht. Diese Identität scheint aus einer sprachlichen Unachtsamkeit hervorgegangen zu sein.
11. Das Problem einer ökologischen Ethik Ethik hat nichts mit Moral oder Ermahnung zu tun. Sie will vielmehr Reflexion über menschliche Verhaltensweise und menschliches Handeln sein. Sie will daVgl. Nennen, Heinz-Ulrich, (1991), S. 85. Wahrig, Gerhard, Deutsches Wörterbuch, Gütersloh u. a. 1975, Sp. 3815. 15 Vgl. Nennen, Heinz-Ulrich, (1991), S. 80. 16 Vgl. Wahrig, Gerhard, (1975), Sp. 3815. 17 Rock, Martin, Theologie der Natur und ihre anthropologisch-ethischen Konsequenzen, in: Dieter Birnbacher, Ökologie und Ethik, Stuttgart 1986, S. 90. 18 Vgl. Müller-Armack, Alfred, Genealogie der Sozialen Marktwirtschaft, in: Ausgewählte Werke (Hrsg. Ernst Dürr u. a.) Bern und Stuttgart 2 1981, S. 310. 13
14
11. Das Problem einer ökologischen Ethik
17
rüber nachdenken und dafür Normen und Maßstäbe finden 19. Einer christlichen Umwelt-Ethik liegt deshalb die Reflexion zugrunde, welche Bedeutung die Aussage für den Menschen hat, daß die Welt ihm nur als Lehen anvertraut ist und er nicht nach eigenem Gutdünken über sie verfügen kann. AHerdings ist ihm erlaubt, in das System der Welt einzugreifen, um selbst zu überleben. Formal umfaßt eine ökologische Ethik nicht nur den Teil, der sich mit der Ökologie beschäftigt, sondern sie bezieht auch den außer-menschlichen Bereich der Natur mit seinen Auswirkungen auf den Menschen ein. Wenn die Natur dabei als neuer "Ausgangspunkt und Maßstab einer Umweltethik" eingesetzt wird und so wieder zu ihrem Recht kommmeo, könnte das gar dazu führen, daß auch ein ökologisches Naturrecht bejaht wird, das z. B. in einem "Recht auf gute, atembare, gesundheitsdienliche, lebensförderliche Luft" besteht. Ähnliches Recht gilt dann auch für ein Naturrecht auf "bekömmliches Wasser,,21. Zu fragen wäre allerdings, ob es ein Naturrecht auf eine bestimmte Zusammensetzung von Wasser und Luft geben kann. Inhaltlich ist eine ökologische Ethik geprägt durch die Forderung nach einem neuen Natur-Verständniss und einer Reflektion über eine intensive Beziehung zur Natur. Allerdings wird man fragen müssen, ob der Natur eine eigenständige, gleichsam metaphysische Rechtswürde zuzuerkennen ist. Denn die modeme Vorstellung, für den Menschen sei alles machbar, muß heute zugunsten der Unversehrtheit der nichtmenschlichen Natur eingegrenzt werden. Ethik hat auch die Rechte des nichtmenschlichen Teils der Natur zu berücksichtigen. Meistens werden darum formale und inhaltliche Bestimmung der ökologischen Ethik nicht voneinander zu trennen sein. In der Ökologie-Ethik geht es also um eine theoretische und wissenschaftliche Reflexion über das sittliche Verhalten des Menschen als personale und soziale Größe. Die Umwelt-Ethik sucht eine Orientierung für das menschliche Einwirken auf die Natur. Im Begriff des Ethos ist Gewohnheit, Sitte und Lebensart enthalten. Die Ökologie- und Umweltethik ist Personal- und Sozial-Ethik zugleich. Es muß zwar von der einzelnen Person ausgegangen werden, aber es ist auch der den Menschen umgebende Teil der Natur mit in Betracht zu ziehen. Der Mensch ist schließlich an seine Umwelt gebunden; er ist einer, der seine Umwelt bestimmt. Deshalb ist die Ökologie-Ethik wie die Umweltethik personengebunden. Aber beide beziehen sich auf das ganze biologisch-anthropologische Umfeld. Darum können sie zugleich auch als Sozialethik bezeichnet werden 22 . Vgl. Kramer, Rolf, Ethik des Geldes, Berlin 1996, S. 16 Rock, Martin, (1986), S. 95. 21 Vgl. Schmitz, Martin, Bildung und ökologische Krise, Weinheim 1990, S. 24. 22 Dieses Verständnis ist ein anderes als das des "ökologischen Bewußseins" mit seinem individuellen und sozialen Ethos, wie es Nennen, Heinz-Ulrich (1991) erarbeitet hat. Für ihn ist Ökologische Ethik zunächst Individualethik; "erst wenn diese sich verallgemeinert, kann individuelle in allgemeine, IndividuaIethik in Sozialethik umschlagen" (S. 185). 19
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2 Kramer
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1. Kapitel: Ökologie und Umwelt aus christlicher Sicht
Versteht man unter Ökologie eine wissenschaftliche Lehre, die sich mit der Erforschung der unterschiedlichen menschlichen und nicht-menschlichen Abhängigkeiten im biologischen System beschäftigt23 , könnte eine Ökologie-Ethik zwar von der gegebenen Wortdifferenzierung her - Ökologie versus Umwelt - anders verstanden werden als eine Umwelt-Ethik. Da aber mittlerweile Umwelt und Ökologie weitgehend begrifflich gleichgesetzt werden, fällt die Unterscheidung beider Ethiken oft zusammen. Aus diesen Gründen soll auch hier nicht zwischen beiden unterschieden werden. Eine Umwelt-Ethik ist auf das menschliche Handeln gegenüber allem Lebenden und Toten in der Natur ausgerichtet und beschränkt sich nicht auf die Interessen einzelner Personen24 . Darum ist zwar auch zwischen einer menschlichen und nichtmenschlichen Ethik zu differenzieren. Aber zwischen beiden Versionen kann nicht alternativ entschieden werden. Denn die Natur allein kann nicht die Grundlage für eine ethische Norm abgeben 25 . Indes kann die Basis für die Überlebensfähigkeit des Menschen liefern. Da sich aus der Natur allein keine Sollensurteile ableiten lassen, ist bei der ethischen Ausrichtung ein bestimmter anthropozentrischer Akzent vorhanden. Von einer umfassenden Anthropozentrik dagegen ist Abstand zu nehmen. Das Problem einer Umweltethik stellt sich u. a. aufgrund des zunehmenden Verbrauchs der natürlichen Ressourcen, also der Verschrnutzung der Luft, des Bodens und des Wassers. Die Gründe dafür liegen in der starken Bevölkerungsexplosion. Im Jahr 1800 gab es eine Milliarde Menschen, 1987 waren es bereits fünf Milliarden. Wachsende Industrialisierung und die bessere technische Ausstattung der Wirtschaft lieferten die Ursachen für den Bevölkerungswachstum; der gestiegene Energieverbrauch, der zunehmende Raubbau lebenswichtiger aber nicht reproduzierbarer Güter und die damit eng verbundene Verwüstung des Lebensraumes bildeten die Folgen. Diese Krise kann auch als die Herrschaft des Menschen über die Natur beschrieben werden, die vom Absterben der Wälder über die Verschrnutzung des Bodens, der Luft und des Wasser bis zu den Neurosen der Menschen und zum nihilistischen Lebensgefühl vieler Menschen führt 26 . Von einer ökologischen Ethik erwartet man zwar vielfach, daß sie den Menschen sagt, was geboten oder verboten ist, um Umweltschäden in Grenzen zu halten und die Überlebenschancen der Natur, speziell des Menschen, in ihr zu sichern. Aber es ist festzuhalten, daß der Ethiker nicht in der Lage ist, mehr und Besseres zu wissen als der Ökonom, der Naturwissenschaftler oder Politiker. Auch er verfügt im Vergleich zu anderen Menschen nicht über ein spezielles Wissen in Sachfragen. Das gilt von allen Ethiken, von der philosophischen wie auch von der theologischen. 23 Vgl. Ruh, Hans, Argument Ethik, Zürich 21992, S. 17. 24 Vgl. dazu Ruh, Hans, Argument Ethik, Zürich 21992, S. 17. 25 Vgl. dazu Ruh, Hans, 21992, S. 19. 26 Moltmann, Jürgen, Gott in der Schöpfung, München 1985, S. 37.
III. Grundlegung biblischen Naturdenkens
19
Jeder Ethiker - auch der Umweltethiker - ist weder Prophet noch Bußprediger27 . Der Ethiker ist vielmehr einer, der sich der theoretischen Argumentation und Diskussion auf der Basis von Nonnen und Werten verschrieben hat. Da mit dem Begriff Ökologie oder Umwelt Umkehr zum alten Zustand, Besinnung, Erhaltung und Einkehr verbunden ist, setzt Ökologie also Grenzen. Der Mensch will nicht nur einen gegebenen Zustand bewahren, sondern begegnet diesem auch mit Kritik. Er will oft zurück zu einer alten, nicht durch Entwicklung veränderten Ordnung.
III. Grundlegung biblischen Naturdenkens Menschliches Leben erfüllt sich nach der Bibel in einer Beziehung zu Gott, dem Schöpfer. Es steht freilich auch zur Natur, die den Lebensraum liefert, in einem unmittelbaren Bezug. Gott erweist sich als Vater der Schöpfung und als Gott des Heils. Die Natur als der geschaffene Lebensraum kann das Heil nicht vennitteln. Trotzdem heißt, im Rahmen der Naturgewalten existieren und gegenüber den Mitgeschöpfen in einem intakten Verhältnis leben, im Frieden, im Schalom, leben. A. Die alttestamentliche Urgeschichte
Die jahwistische Schöpfungsgeschichte, die älteste der beiden alttestamentlichen Schöpfungsberichte, die nach dem Gebrauch des Namens Gottes so genannt wird, ist anthropozentrisch formuliert. Das Schöpfungsgeschehen wird in ihr auf den Menschen ausgerichtet. Gott, der den Menschen Adam aus dem Ackerboden und die Frau aus der Nähe des Herzens Adams formt (Gen. 2,4bff.), hat die Tiere zu Gehilfen des Menschen geschaffen. Er wird zum Herrn eingesetzt; und er gibt den Tieren ihre Namen. Seine besondere Stellung unter den Geschöpfen erhält er dadurch, daß sich sein Schöpfer in eine dialogische Beziehung zu ihm begibt. Allein mit ihm spricht er und stellt eine Beziehung her. Außerdem schafft er ein besonderes Verhältnis zwischen den Menschen, dem Mann und der Frau und ihren Kindern. Er stattet die Natur aus mit Sommer und Winter, Saat und Ernte etc. Diese und noch andere natürliche ,Begabungen' sind Zeichen der göttlichen Güte. Auf die Schöpfungsgeschichte folgt die Erzählung vom Sündenfall und der Richterspruch Gottes. Strafen werden zwar verhängt. Aber es heißt auch: Trotz seines Ungehorsams darf der Mensch weiterleben. Er behält seine Eigenständigkeit, die Lebenswelt des Menschen wird jedoch eingeschränkt. Negative Prägungen, in die er hineingestellt wird, erschweren sein Leben. Zu nennen sind: Schmerzen beim Geburtsvorgang, Mühsal beim Ackerbau, die Über- bzw. Unterordnung der Menschen etc. Selbst positive Entwicklungen oder Errungenschaften, wie die 27
2*
Vgl. Irrgang, Bemhard, Christliche Umweltethik, München, Basel 1992, S. 9.
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1. Kapitel: Ökologie und Umwelt aus christlicher Sicht
Schaffung von Kleidung, Städtebau u. a. sind für den Erzähler "nicht positive Indizien des Fortschritts, sondern menschliche Anstrengungen", die das Überleben trotz schuldhafter Lebensminderung (Gen. 3,4) oder einer Manifestation von Schuld (Gen. 11) sichern 28 . Für den jahwistischen Erzähler werden diese ambivalenten Vorgänge (gnädige Ausstattung und negative Vorprägungen) zwar berichtet, um gleichsam die Segenshandlungen Gottes für den Menschen als besondere Gabe Gottes darzustellen. Sie werden aber nicht erzählt, "um davon Jahwes Segen wirkungsvoll abzuheben,,29. Die jüngere Überlieferung der Schöpfungsgeschichte, die Priesterschrift, geht - ebenfalls anthropozentrisch geprägt - vom Menschen als dem Ebenbild Gottes, der imago dei, aus (Gen. 1,20ff.). Danach wird in dem Schöpfungshandeln Gottes eine Dauerwirksamkeit göttlichen Segenshandeln gesehen. Die Schöpfung ist der Beginn der göttlichen Setzung, in der sich die Menschheit entfalten kann 30 . Die Priesterschrift sieht das Schöpfungswerk Gottes so angelegt, daß die Welt als Schöpfung Bestand hat und auch in der Folgezeit erhalten bleibt. Der Mensch erfährt seine Vormachtstellung gegenüber den anderen Lebewesen als einen Auftrag zum verantwortlichen Umgang mit ihnen (er soll über sie herrschen und sie sich untertan machen 31 . Es ist dieser biblische Schöpfungsbericht, der den Menschen legitimiert hat, über die andere nicht-menschliche Kreatur zu herrschen; allerdings ist von Ausbeutung nicht die Rede. Die Ebenbildlichkeit des Menschen mit dem Schöpfer macht ihn stattdessen zu einem Bewahrer und Verwalter (oikonomos) der Schöpfung. Die Erde wird ihm zum Nahrungserwerb überantwortet. Der Priesterschrift kommt es dabei auf den Fortbestand des Lebens an. Die Beziehungen zwischen den einzelnen Schöpfungswerken, also auch zwischen den Menschen und der Erde vollzieht sich über den Schöpfer selbst. Alle Querverbindungen "bedürfen ausdrücklicher Regelung und Ermächtigung durch Tun und Wort dessen, der das Ganze der Schöpfung als Ganzes zum Leben erschaffen hat,,32. Freilich bleibt eine Ambivalenz: Die Welt wird nach der Priesterschrift mit einer dauerhaften Grundlage geschaffen. Aber sie steht gleichzeitig unter einer Gefährdung. Denn die Erde ist voll von Gewalttaten - "alles Fleisch" hatte seinen Weg verderbt" (Gen. 6,12).
Steck, Odil, Hannes, Welt und Umwelt, Stuttgart u. a. 1978, S. 59. Steck, Odil, Hannes, (1978), S. 59. 30 Vgl. Steck, Odil, Hannes, (1978), S. 76 und Link, Christian, Schöpfung, Bd. 2, Gütersloh 1991, S. 354. 31 Vielfach wird versucht, den alttestamentlichen Begriff des "untertan machen" wegen seiner Anstößigkeit abzuschwächen. Darum übersetzte man das dominium terrae mit "in Besitz nehmen" (Norbert Lohfink), um dem Begriff der Unterwerfung mit Gewalt zu entgehen. Oder man will stattdessen etwa von der Oikopoiesis (Otfried Höffe) reden und meint, damit zum Ausdruck bringen zu können, daß die Natur zum Haus oder zur Heimstatt (oikos) werden soll. Hier herrscht Schutz und Geborgenheit. In beiden Fällen übersieht man, daß mit solchen Uminterpretationen der Intention des Textes, nämlich des mit Gewalt Unterwerfens, nicht entsprochen wird! 32 Steck, Odil, Hannes (1978), S. 82. 28
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III. Grundlegung biblischen Naturdenkens
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Der Mensch ist nicht der Eigentümer der Erde, sondern ihr Sachwalter (oikonomos). Der Schöpfer ist ihr Eigentümer. Der Mensch wird zum Bündnispartner Gottes gemacht, und trotz des Sündenfalls wird dem Menschen sogar die Herrschaft über das außermenschliche Leben übertragen. Auch die außermenschlichen Lebewesen gehören zum Bunde Gottes. Gottes Schöpfung und die Bundesschließung mit dem Volke Israel sind eng miteinander verknüpft. Die Priesterschrift sieht die Welt und das Volk Israel unter den "sinnstiftenden Ordnungen" Gottes, "die zwischen Schöpfung und Mose einmal für allemal gültig und fortan wirksam errichtet wurden,,33. Auf diesem Hintergrund muß auch die Beauftragung des Menschen gesehen werden. Gottes Handeln ermöglicht das Leben für den Menschen gegenüber den Mächten der Finsternis und des Chaos. Der Mensch und die anderen Geschöpfe erhalten den gemeinsamen Lebensraum, den die Menschen zu schützen und zu bewahren haben. Vom Menschen wird entsprechendes Handeln als Antwort gegenüber Gottes Tun verlangt. Das ist seine Ver-Antwortung. Er wird zum Beauftragten Gottes für dessen Schöpfung. Also nicht die Natur, sondern Gottes Handeln setzt ihn dazu ein. Darin gründet der Verantwortungsspielraum. Das bedeutet, Menschen, die sich dieser Verantwortung entziehen, verlieren ihre Wesens bestimmung zum Menschen~ein als Gottesebenbilder. Sie werden zu Sündern; denn sie zerstören den Lebensraum auf der Erde. Die Sintflut- und Noahgeschichte (der Jahwist in Gen. 6,5 ff. und die Priesterschrift in Gen. 9,1 ff.) bezeugen die Gnadenverheißung (der Jahwist in Gen. 8,20ff.) und die Bundesschließung zwischen dem Schöpfergott und seiner Schöpfung. Gott garantiert seine Ordnung (so die Priesterschrift in Gen. 9,1 ff.). Der Noahbund wird geschlossen ohne eine "bekennende Aneignung durch den irdischen Partner". Er steht als ein Zeichen des göttlichen Gnadenwillens "zwischen Himmel und Erde als Unterpfand einer rechten gratia praeveniens" (vorauseilende Gnade)34. Der postlapsarischen (nach dem Sündenfall) Wirklichkeit entsprechend wird aufgrund des Noahbundes den Menschen Nahrung und (nach Gen. 3,21) Kleidung zuerkanne 5 . In Gen. 9,2 f. wird dem Menschen die Fleischesnahrung freigegeben. Aber nichts ist mehr so ohne Furcht und Schrecken, wie es einmal nach Gen. 1 ausgesagt war. Man kann dieses neue Verhältnis zwischen Mensch und Tier als eine Not-Ordnung verstehen 36 . Der Mensch jedenfalls steht im Noahbund unter einer besonderen Schutz-Zusage seines Schöpfers. "Wer Menschenblut vergießt, desssen Blut soll auch durch Menschen vergossen werden; denn Gott hat den Menschen zu seinem Bilde gemacht" (Gen. 9,6). Aus diesen urgeschichtlichen Überlieferungen lassen sich unterschiedliche Modelle für das Verhalten des Menschen gegenüber der Welt ableiten. Als gewichtigstes gilt wohl das Modell des verantwortlichen Herrschens durch den Men33 Steck, Odil, Hannes (1978), S. 75. 34 von Rad, Gerhard, das erste Buch Mose, Göttingen 31953, S. 111. 35 Nach Gen 3,21 hat Gott selbst den Menschen Röcke aus Fellen gemacht. 36 von Rad, Gerhard, e1953), S. 109.
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1. Kapitel: Ökologie und Umwelt aus christlicher Sicht
schen 37 . Das Fürsorgemodell in Gen. 2,5 (" ... und kein Mensch war da, der das Land bebaute"), das allein im Urstand bestehen kann, hat nur hypothetisch eine wirkliche Chance38 . Das dritte Modell, das als Harmonie- oder Integrationsmodell zu kennzeichnen ist, läßt sich als eschatologische Messias Erwartung aus Jesaja 11, 1 ff. ableiten. In dieser messianischen Hoffnung werden Schöpfung und Eschatologie miteinander verbunden. Der kommende Herrscher setzt einen Neuanfang und die Hoffnung auf das Friedensreich, in dem der Wolf bei dem Lamm wohnt und der Panther bei den Böcken lagert (Jes 11,6). Es ist der wiederkommende Messias, der diesen Frieden mit der Schöpfung bringt. Auch im Psalm 104,14 ff. zeigt sich das Harmoniemodell, in dem der Mensch einen nur untergeordneten Platz einnimmt. Die ganze Schöpfung lebt in Harmonie miteinander. Allen Geschöpfen werden Lebensräume zugewiesen, in denen sie harmonisch miteinander leben können. Ähnlich wie im 104. Psalm heißt es im Prediger Salomo: "Denn es geht dem Menschen wie dem Vieh; wie dies, so stirbt auch er, und sie haben alle einen Odem, und der Mensch hat nichts voraus vordem Vieh" (Prd. 3,19). Dagegen ist Psalm 8 ganz anthropozentrisch ausgerichtet; denn dem Menschen wird Macht geben über das Werk des Schöpfers. Vom Menschen wird gesagt: "Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt. Du hast ihn zum Herrn gemacht über deiner Hände Werk, alles hast du unter seine Füße getan: Schafe und Rinder allzumal, dazu auch die wilden Tiere, die Vogel unter dem Himmel und die Fische im Meer und alles, was die Meere durchzieht" (Ps. 8,7). Insgesamt läßt sich nach dem alttestamentlichen Befund feststellen, daß die Schöpfungstheologie die Umweltethik nicht allein von einem anthropozentrischen Ansatz her versteht. Aber zweifellos besitzt die in der Genesis vertretene anthropozentrische Anschauung einen sehr gewichtigen Akzent. Diese Grundausrichtung muß gewahrt bleiben. Das zeigt sich noch deutlicher in der neutestamentlichen Überlieferung 39.
B. Die Neuorientierung im Neuen Testament Es ist die Christologie, also die Aussage, daß Christus der Erlöser der Welt ist, die das Neue Testament beherrscht. Von Christus wird gesagt, daß er das Ebenbild und der Erstgeborene der ganzen Schöpfung ist (Koi. 1, 15). Und alles, "ta panta", das geschaffen wurde, ist auf ihn hin geschaffen. Durch ihn wollte Gott alles mit sich versöhnen (katallattein), indem er durch sein Blut Frieden stiftete (eireno37 Vgl. einerseits Gen. 1,27f. in Verbindung mit Gen. 9,1 und Gen 2,7.19 in Verbindung mit Gen 8,21. 38 Vgl. Irrgang, Bemhard, (1992), S. 143. 39 Die unterschiedlichen Deutungen der Schöpfung in der alttestamentlichen Exegese hat sehr schön Link, Christian, Schöpfung, Gütersoh 1991 Bd. 2, S. 351 ff. zusammengestellt.
III. Grundlegung biblischen Naturdenkens
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poiein)4o. Im Neuen Testament wird die Schöpfung als ein Gleichnis für das Himmelreich angesehen. Die Welt gilt auch als eschatologisches Gleichnis für die zukünftige Welt. "Die Welt ist gleichnisfähig und gleichnisbedürftig für ihre eigene Zukunft, das Reich Gottes, nicht aber für Gott selbst,,41. Steht im Alten Testament die Welt im Lichte des Exodus, des Bundes und der Landnahme als Gottes "gute Schöpfung", unterstreicht das Neue Testament diesen Gedanken und führt ihn weiter aus, indem es die Welt im Blick auf ihr Ende in Christus begreift. "Sie lebt aus der Zukunft des Reiches Gottes, das in Jesu Reden und Wirken angebrochen und in seiner Auferstehung definitiv bestätigt worden ist,,42. Nach dem Neuen Testament sind die Schöpfung und damit auch die Mitgeschöpfe auf Vollendung hin ausgerichet. In den Evangelien erweist sich Gott als Vater, der für alle Lebewesen unter dem Himmel sorgt, für die Vögel (Mt. 6,26; 10,29), die Lilien auf dem Felde (Mt. 6,28) und auch für die Menschen (Mt. 6,29 f.). In Jesu Aussagen selbst lassen sich keine generellen Worte über die Schöpfung oder die Natur finden. Er setzt sich nicht für den Aufbau einer neuen Sittlichkeit, auch nicht für eine Interims- oder eine Gesinnungsethik ein. Ihm liegt an der Botschaft von der Aufrichtung der Gottesherrschaft. Alles ist auf die heilsgeschichtliche Verkündigung des Reiches Gottes ausgerichtet. Aber die Gottesherrschaft kann nicht an der Erfüllung von sittlichen Imperativen abgelesen werden. Allerdings sind die sittlichen Forderungen in dem Kommen des Reiches Gottes begründet. Diese haben ihren Kern in dem Doppelgebot der Liebe, gegenüber dem Vater und den Menschen. Ausführlicher als bei den Synoptikern lassen sich beim Apostel Paulus Aussagen über die Schöpfung finden. Diese ist durch den Sündenfall der Vergänglichkeit unterworfen. Denn nicht nur der Mensch, sondern die ganze Schöpfung steht unter der Nichtigkeit dieser Welt und unter der Angst vor Sinnlosigkeit (R. 8,22). Zwischen den Menschen und dem Kosmos besteht eine enge Beziehung, eine Schicksalsgemeinschaft. Die Erlösung der Natur wartet auf das Offenbarwerden des Sohnes Gottes am Ende der Zeiten. Erst durch die Neuschöpfung in Christus wird die aufgetretene Vergänglichkeit erfolgreich überwunden. Die Erlösten werden mit dem Erlöser zusammengeschloßen. Die Erlösung der Natur besteht also in Abhängigkeit von der Befreiung der Menschen. Damit ist die Schöpfung an das Schicksal der Menschen gebunden. Eine Anthropozentrik ist also nicht zu verkennen. Ebenso wie eine Beziehung des Unheils zwischen Mensch und Kosmos besteht, existiert auch eine im Blick auf das in Christus erworbene Heil. Mit dem Menschen wird nicht nur die ganze Schöpfung unter das Verderben, sondern auch unter die Verheißung einer letztgültigen Rettung gestellt. Die ganze Schöpfung wird aus der Das ist die Wesensoffenbarung Gottes. Link, Christian, Schöpfung Bd. 7/2, Gütersloh 1991. S. 382 Anm. 96. Die beiden Ausdrücke der Gleichnisbedürftigkeit und Gleichnisfähigkeit stammen von Karl Barth, Christengemeinde und Bürgergemeinde, Theologische Studien, Heft 104, Zürich 1970, S. 65 ff. 42 Link, (1991), S. 380. 40 41
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1. Kapitel: Ökologie und Umwelt aus christlicher Sicht
Sklaverei der Vergänglichkeit befreit und bekommt Anteil an der Herrlichkeit der Kinder Gottes. Diese eschatologische Verwandlung geschieht durch Verherrlichung. Das Gefälle geht von Christus aus über alle Menschen bis hin zur ganzen Schöpfung. Von der Verwandlung heißt es ausdrücklich: "Es wird kommen eine neuer Mensch und eine neue Erde" (2. Ptr. 3, l3). Zentral für die Ethik des Apostels Paulus ist die Verkündigung von der befreienden Gnade Gottes. Der Indikativ ist die im Glauben erfahrene Freiheit von der Sünde, also das in Christus erfahrene Heil. Ein ethischer Anspruch entsteht bei Paulus in dem aus dem Indikativ erwachsenen Imperativ. Dieser erfolgt aus der Verkündigung der göttlichen Heilszusage. Nur so erfährt der Mensch, wie aus Glauben Handeln, Sollen und auch Können erwächst. In ihm liegt die Grundlage für Liebe und Hoffnung (1. Kor. l3, 13). Alle Lebewesen, die mit den Menschen auf die Offenbarung harren, werden frei von der Knechtschaft der Vergänglichkeit (R. 8, 21). Die Rettung der Schöpfung im allgemeinen und die der Menschen im speziellen ist Inhalt des Neuen Testamentes. Durch Christus vollzieht sich stellvertretend für den Menschen die Erlösung der Schöpfung. In Christus erfährt der Mensch seine Neuschöpfung. "Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur", also eine "kaine ktisis" (2. K. 5,17). Durch Christus werden die Menschen herausgerufen zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. In Christus sind sie Miterben der Kindschaft geworden. Diese Hoffnung auf Rettung ist eschatologischer Art. Heil wird dem Menschen, ja der Schöpfung, also dem ganzen Kosmos verheißen. Darum heißt es auf der dritten ökumenischen Vollversammlung in Neu Delhi 1961 mit Recht, daß die Lehre von der Versöhnung nur dann sinnvoll ist, "wenn sie sich im weiteren Bereich einer Lehre von der Schöpfung bewegt,,43. Die Natur kann nicht als ein "neutraler Faktor" angesehen werden 44 . Die Natur ist entweder als ein sich selbst überlassener Faktor des Bösen oder sie ist in die Erlösungstat Christi mit einbezogen 45 . Der neue Weg, der gefordert wird, geht im Neuen Testament von der Christologie aus, "die auf ihre kosmische Dimension ausgeweitet wird, die ihre Leidenschaftlichkeit gewinnt durch die Not dieser bedrohten Erde, und die ihre ethische Zuspitzung erfährt durch die Liebe und den Zorn Gottes"46. Der Mensch ist allein in Christus Herr über die Menschen und die Natur (Kol. 1,15 - 20). Alles wird zum Eigentum des Menschen erklärt. Denn "alles ist euer, ihr aber seid Christi, Christus ist Gottes" (1. K. 3,23). Abgeleitet daraus wird die Herrschaft der Christen über 43 Vgl. Sittler, Joseph A., Zur Einheit berufen, in: Willem A. Visser t'Hooft, Neu-Delhi 1961, Stuttgart 21962, S. 513. Darauf hat besonders Christi an Link, (1991), S. 342 aufmerksam gemacht. 44 Das ist wohl als Spitze gegen Karl Barth gemeint, wie von Christian Link richtig geschlossen wird. Vgl. Link, Christian, (1991), S. 342. 45 Vgl. Sittler, Joseph A., e1962), S. 514. 46 Sittler, Joseph A., e1962), S. 521.
III. Grundlegung biblischen Naturdenkens
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die Welt. Zusammen mit der außermenschlichen Kreatur sieht sich der Mensch befreit von der Sklaverei und verbunden in der Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes (R. 8,18 ff.). "Denn wir wissen, daß die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick mit uns seufzt und sich ängstet" (R. 8,22). Aber die außermenschliche Schöpfung ist ausgerichet auf die menschliche. Denn sie wartet auf die Offenbarung der Kinder Gottes. Die frühe Kirche, so der Antignostiker Irenäus im 2. Jahrhundert, betonte, daß die Verheißung der Gnade der ganzen Natur gilt. Wegen dieser Allgemeinheit konnnte auch "nichts gemein oder unrein genannt werden,,47. Aus dem biblischen Befund läßt sich im Blick auf eine Schöpfungs theologie festhalten, daß man zwar von einem anthropozentrischen Denken in der Bibel ausgehen muß. Denn der Mensch nimmt in der Bibel eine Sonderstelllung ein. Aber man darf nicht von einem engen Anthropozentrismus aus denken. Der Mensch ist Geschöpf und als solches immer auf seinen Schöpfer bezogen. Der biblische Anthropozentrismus wird nur recht verstanden, wenn man dessen theonome Struktur mit berücksichtigt. Deshalb ist auch nur von einem begrenzten oder "geläuterten" Anthropozentrismus zu sprechen.
47
Vgl. Sittier, Joseph A., eI962), S. 516.
Zweites Kapitel
Technologie und Theologie I. Antiker und biblischer Technik-Begriff Die Technik in der Antike bestand in einer handwerklichen Tätigkeit und war durch die von Menschen, und das heißt von Sklaven erzeugte Energie gekennzeichnet. Aristoteles weist in seiner "Politeia" (Politik) auf diesen doppelten Aspekt: der Sklavenarbeit und der menschlichen Energiegewinnung hin. Dort heißt es wörtlich, daß jeder Gehilfe zur Klasse der Werkzeuge gehört. "Der Sklave (doulos) ist ein lebendiges Besitzstück" (ktema empsychon). Alles, was Gehilfe oder Diener heißt, ist gleichsam ein Werkzeug (organon) vor allen anderen Werkzeugen. "Wenn jedes Werkzeug auf erhaltene Weisung, oder gar die Befehle im voraus erratend, seine Verrichtung wahrnehmen könnte, ... wenn so auch das Weberschiff von selber webte und der Zitherschlägel von selber spielte, dann brauchten allerdings die Meister keine Gesellen und die Herren keine Knechte" (douloi)l. Dem aber war nicht so. Diese "Sklavenhaltergesellschaft" (K. Marx) der Antike war bei ihrer Tätigkeit auf die menschliche ,Energietechnik' angewiesen. In der biblischen Urgeschichte kommt das Thema "Technik" nicht vor. Dort wird nur vom Bebauen und Bewahren der Erde durch den Menschen gesprochen. Auch in der Bibel war der Mensch nicht Techniker im modemen Sinn, höchstens Handwerker. Es ist dem Christentum, speziell der Theologie des Apostels Paulus zu verdanken, den ethischen Impuls für die geistliche, nicht aber für die politisch-gesellschaftliche Sklavenbefreiung gegeben zu haben. Grundlage dafür bilden die Aussagen des Apostels über die Menschen, die zu einem Leib Christi zusammengefügt werden. "Daher bist du nicht mehr Sklave (doulos), sondern Sohn" (Gal. 4,7). Nach dem 1. Korintherbrief heißt es: "Denn wir sind durch den einen Geist alle zu einem Leib getauft, wir seien Juden oder Griechen, Sklaven (douloi) oder Freie, und sind mit dem einen Geist getränkt" (1. Kor. 12,13). Damit wird der Mensch von der Knechtschaft dieser Welt befreit. Das bedeutet keine politische Freiheit, sondern eine geistliche, nämlich im Geiste Gottes befreit sein. Das neue Bild des ,Organon' ist das des einen Leibes der Christen mit ihrem Herrn. Sie gehören ihm. Sie sind sein Leib (soma), und damit Kirche (ekklesia) Jesu Christi (Epheser 1
Aristoteles, Politik, 1253b, 33, übersetzt von Eugen Rolfes, Harnburg 41981.
11. Die Entwicklung des Technik-Begriffs
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1,23)2. Nunmehr sind auch die Voraussetzungen gegeben, daß der Mensch von der Sklavenarbeit befreit wird. Der Mensch ist nicht mehr Teil eines handwerklichen Gerätes, eines Werkzeugs oder einer Maschine. Vielmehr gilt das Umgekehrte: Er gehört dem einen Leib Christi an.
11. Die Entwicklung des Technik-Begriffs Wie es nach christlicher Vorstellung zur Entwicklung der Technik kam, ist bis heute umstritten. Bis in die sechziger Jahre dieses Jahrhunderts hinein galt in Deutschland Gogartens Säkularisierungsthese. Nach ihr hat der alttestamentliche Schöpfungsglaube des Juden- und Christentums das Abendland geprägt. Durch die Trennung von göttlicher und weltlicher Schöpfung wurde die Natur entgöttlicht. Sie wurde - weil nicht mehr wie in der Antike als heilig angesehen - zur säkularen Welt. Die Welt ist dem dominium terrae des Menschen (der Herrschaft über die Welt) übergeben worden. Dadurch wurde die Säkularisierung der Welt eingeleitet; zugleich wurden Naturwisssenschaft und Technik ermöglicht und begründet. "Denn nur eine weltliche Natur, die der Mensch nicht in staunender Scheu verehrt, sondern die er objektiviert und beherrscht, erlaubt die wissenschaftliche Analyse und technische Manipulation,,3. Darum hat die Verweltlichung der Welt im Christentum die Grundlage für das Entstehen der Technik geliefert. Diesen Überlegungen steht die andere These entgegen, wonach die Säkularisation letztlich nicht die Folge des christlichen Glaubens, sondern vielmehr das Ergebnis der Emanzipation vom Glauben ist. Damit wird die Säkularisation zum Ausdruck der menschlichen Selbstbehauptung gegenüber der biblischen Überlieferung (Hans Blumenberg)4. Aufgrund seines Autonomieverständnisses und seiner Emanzipation gibt sich der modeme Mensch nicht mehr mit der göttlichen Offenbarung zufrieden, sondern versteht sich und seine Welt aus der aufkrarerischen Gegenbewegung zum christlichen Glauben. Mit Recht weist Sigurd M. Daecke darauf hin, daß die Überlegungen weder bei der einen noch bei der anderen These stehen bleiben dürfen. Es muß vielmehr eine Synthese aufgestellt werden. Zwar ist mit dem alttestamentlichen Schöpferglauben und dem Geschenk des dominium terrae dem Menschen die Beherrschung der Erde verantwortlich übergeben (These 1). Aber die Technik ist auch Ausdruck der Emanzipation von Gott dem Schöpfer (These 2). "Und so bleibt die Technik sowohl eine Frucht des Glaubens an Gott als auch des Abfalls von ihm"s. 2 Vgl. Haverbeck, Werner Georg, Die Technik im Frühchristentum, in: Ansgar Stöcklein und Mohammed Rassem, Technik und Religion, Düsseldorf, Bd. 2, S. 15l. 3 Daecke, Sigurd Martin, Zur Begründung und Bewertung der Technik im Christentum, in: Sigurd M. Daecke, Klaus Henning (Hrsg.), Verantwortung in der Technik, Mannheim 1993, S. 268. 4 Daecke, Sigurd M., (l993b), S. 270. 5 Daecke, Sigurd M., (l993b), S. 273.
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2. Kapitel: Technologie und Theologie
Der modeme Mensch ist als Techniker ein Mitschöpfer in der Welt. Denn der Mensch ist - obwohl selbst Geschöpf Gottes - an der Schöpfung als Mitgestalter beteiligt. Technik eröffnet dem Menschen neue Perspektiven und kann als Befreiung von der Knechtschaft verstanden werden. Sie hilft und dient dem Menschen, sich von der mühseligen Arbeit zu befreien. Damit wird sie für ihn zu einem gewichtigen Werkzeug, sich in diesem Leben einzurichten. Aber sie ist auch als ein Ausdruck der Dämonie. Mit dem Apostel Paulus ist sie den stoicheia tou kosmou, also den Kräften zwischen Himmel und Erde, die den Menschen beherrschen, zuzuordnen (vgl. Gal. 4,3). Die doppeIgesichtige Struktur der Technik von Mitgestaltung und Dämonie wird von dem deutsch-amerikanischen Theologen und Philosophen Paul Tillich beschrieben: "Ist sie göttlich, ist sie schaffend, ist sie befreiend, so ist sie auch dämonisch, knechtend, zerstörend. Sie ist zweideutig, wie alles, was ist, nicht zweideutiger als der reine Geist, nicht zweideutiger als die Natur, aber ebenso wie sie,,6. Demgegenüber muß jedoch erkannt werden: die Technik im eigentlichen Sinn ist nicht zweideutig! Vielmehr benutzt sie der Mensch in einer doppelten Weise, göttlich und dämonisch. Sie ist also nicht in sich gut oder böse, sondern der Mensch macht aus ihr Gutes und Böses! Sie kann dem Menschen zur besseren Gestaltung dieser Welt dienen oder auch ihm helfen, sie zu zerstören 7 . So ist z. B. die Entwicklung einer Software in der EDV an sich noch nicht böse, wohl aber könnte ihr Inhalt bzw. ihre Anwendung zu einem solchen Urteil führen. Denn erst der Mensch macht aus der Technik, was als positiv oder negativ zu bewerten ist. Schließlich kann die Technik, selbst wenn sie selbst aus einer positiven Zielsetzung heraus entwickelt wurde, negative Anwendungen zur Folge haben. Die Lasertechnik dient in der Medizin zur Heilung, kann aber auch als militärische Waffe zur Vernichtung benutzt werden. Es gibt keine Technik, die nicht auch zu negativen Zwecken angewandt werden kann. Andererseits ist ohne Technik in der Medizin, im Wohnungsbau oder in der Energieanwendung die Existenz der heutigen Weltbevölkerung und ihr weiteres Wachstum nicht zu sichern 8 . Voraussetzungen für ihre Anwendung sind: die Ausprägung von ökonomisch technischen Entwicklungen. Atomenergie, Inforrnations- und Kommunikationstechniken sind ebenso wie die modeme Gen- und Biotechniken Ausdruck des ökonomisch-technischen Wachstums 9 . Wirtschaftliche Entwicklung treibt nicht nur die Ökonomie, sondern auch die Technik voran.
6 Tillich, Paul, Logos und Mythos der Technik, in: Paul Tillich, Gesammelte Werke, Bd. IX, Stuttgart 1967, S. 306. 7 Vgl. Daecke, Sigurd M., (l993b), S. 275. 8 V gl. Skudelny, Hans-Christoph, Ethische Fragen im Berufsalltag des Ingenieurs, in: Sigurd M. Daecke, Hans Henning, Verantwortung in der Technik, Mannheim u. a. 1993, S. 237 ff. 9 V gl. Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Denkschrift, Gemeinwohl und Eigennutz, Gütersloh 1961, Nr. 16.
11. Die Entwicklung des Technik-Begriffs
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- die Aneignung der Welt durch den Menschen; er ist zum Mitschöpfer eingesetzt; aufgrund seines zielgerichteten Handeins wird die Welt säkularisiert, entheiligt. Die Folge ist die technische In-Besitz-Nahme der Umwelt. Der modeme Begriff der Technik läßt unterschiedliche Anwendungsgebiete zu 10: Material-, Organisations- und Humantechnik. Die erste beschäftigt sich mit der Herstellung von Gütern und Sachleistungen, die zweite hat die Beherrschung sozialer Organisationsstrukturen im Auge (z. B. Unternehmensverfassungen); es geht also um soziale Beziehungen. Die dritte will den ganzen humanen Bereich des geistigen und seelischen Innenlebens umfassen. Auf diesem Gebiet sind besonders die Techniken innerhalb der Psychologie, Pädagogik, Sozialwissenschaften und Meinungsforschung angesprochen. Technik gibt es, wie Max Weber festgestellt hat, für ganz unterschiedliches Handeln, von der Gebetstechnik über die Verwaltungs- oder Kriegstechniken bis hin zu den Techniken der Künstler, der Musiker oder Maler etwa oder auch der Juristen ll. Faßt man diese Aufteilung zusammen, so läßt sich sagen: Der Begriff Technik umfaßt heute Gegenstände ebenso wie Verfahren und Systeme, und damit sowohl nutzenorientierte künstliche Gegenstände als auch die Menge menschlicher Handlungen und Einrichtungen, in denen Artefakte (gegenständliche Gebilde) entstehen bzw. Verwendung finden 12 • Darüber hinaus muß auch im Begriff der Technik der soziale Zusammenhang, in dem sie steht, mit gesehen werden. Die "Richtlinie des Vereins Deutscher Ingenieure" aus dem Jahr 1991, eine Art der Selbstverantwortung auffreiwilliger Basis, hat diesen Zusammenhang herausgestellt; dort heißt es nämlich: "Technische Gebilde und Verfahren stehen in mannigfachen Systemzusammenhängen mit anderen technischen Gegebenheiten, mit der natürlichen Umwelt, mit einzelnen Menschen, sozialen Gruppen und der Gesellschaft ingesamt. Die Technik darf darum nicht Selbstzweck, sondern muß immer als Mittel zur Erreichung bestimmter Ziele betrachtet werden" 13. Der Mensch richtet sich nicht nur in der Natur ein. Er gestaltet und verändert sie zugleich. Dazu bedarf er handwerklicher und industrieller Techniken. Grundlage dafür ist das Wissen um technische Zusammenhänge, also der Besitz von Technologie. Wenn unter dem Begriff Technik Apparate, Aggregate verstanden werden, die aber auch Fertigkeiten, Wissen und Können, das erlernbar ist und planmäßig angewandt werden kann, umfassen 14, dann ist in unserem Zusammenhang unter dem Begriff der Technologie die wissenschaftliche Lehre von den anwendbaren IO Vgl. Hastedt, Heiner, (1991), S. 33. Honecker, Martin, Grundriß der Sozialethik, Berlin 1995, S. 550. II Vgl. Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 1972, S. 32. 12 Vgl. Hastedt, Heiner, (1991), S. 32. 13 VDI-Ausschuß Grundlagen der Technikbewertungen, Richtlinie VDI 3780 von 1991, abgedruckt in: Technik und Ethik, Hrsg. Hans Lenk und Günter Ropohl, Stuttgart 1987, S.337. 14 Vgl. Walther, Christi an, Ethik und Technik, Berlin, New York, 1992, S. 17.
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2. Kapitel: Technologie und Theologie
und angewendeten Produktionsverfahren und Prozessen zu verstehen. Damit wird die Technologie gleichsam dem Begriff der Technik übergeordnet. Die Technik insgesamt, speziell die Technologie als Wissenschaft, steht für Entwicklung, Wachstum und natürlich für Fortschritt. Technologie kann darum durchaus als Gegengewicht zur Ökologie verstanden werden. Während die für den Umweltschutz gebrauchten Begriffe immer das Bewahrende und Erhaltende durchsetzen wollen, schwingt im Begriff der Technik die Tendenz der Entwicklung, des Fortschritts oder Wachstums mit. Eine technologische Umweltpolitik läßt sich in vier Stufen unterscheiden: 1. die nachsorgende, 2. die präventive, 3. die ökologische modernisierende und 4. die strukturell umweltentlastende Wirtschaft. Bei der ersten handelt es sich um die Entsorgungstechnik, z. B. bei den Abgasen (End-of-the-pipe-Technologie) oder der Abfallbeseitigung. Bei den drei anderen geht es um Zielsetzungen, die sowohl die Technologiefolgeabschätzung, Recyclingverfahren und eine veränderte ökonomisch-ökologisch Strukurpolitik der Wirtschaft umfaßen. In die Technologiefolgeabschätzung sollen nicht nur die Umweltweltverträglichkeit, sondern auch andere Verträglichkeitsdimensionen mit eingehen. Dazu gehört z. B. auch die Verträglichkeit mit der gesellschaftlichen Ordnung und deren Entwicklung. Man spricht von einer Sozialverträglichkeit. Aber man könnte sehr wohl auch noch an eine Gesundheits-, Kultur- oder psychische Verträglichkeit denken 15. In allen Fällen kann es um die Vermeidung von Negativfolgen und damit um das Erreichen von positiven Zielen gehen.
111. Über die vierte und fünfte Kränkung des Menschen Sigmund Freud hat in einer psychologischen Reflexion von drei Kränkungen des Menschen gesprochen. Er nannte als erste die kosmologische Kränkung, die von Kopernikus verursacht wurde, indem er dem Menschen die Vorstellung raubte, Mittelpunkt des Kosmos zu sein. Als zweite Kränkung ist die biologische zu nennen. Diese hat Charles Darwin hervorgerufen, indem er mit Hilfe der Evolutionstheorie die Trennung von Mensch und Tier beseitigte. Als dritte Kränkung nannte Freud die psychologische. Die Psychoanalyse nämlich bedeutet eine schwere Verletzung des menschlichen Selbstbewußtseins l6 • Johannes Rohbeck fügt eine vierte Kränkung, die technologische, hinzu. Er bezeichnet damit die Erfahrung des Menschen, nicht mehr Herr seiner eigenen Schöpfungen zu sein, "sondern von den selbst geschaffenen Machwerken beherrscht (zu) werden"l7. Diese Kränkung wurde Gegenstand der Technikkritik, die von Kulturkritikern und Philosophen wie Oswald Spengler, Max Horkheimer oder Helmut Schelsky u. a. vorgetragen wurde. "Gemeinsam ist ihnen die Grundüberzeugung, daß sich in der Technik die Mittel, 15
16 l7
Vgl. Hastedt, Heiner, (1991), S. 131. Vgl. Rohbeck, Johannes, Technologische Urteilskraft, Frankfurt am Main 1993, S. 10. Rohbeck, Johannes, (1993), S. 10.
IV. Güter und Ungüter in Technik und Ökologie
31
die doch den menschlichen Zwecken zu dienen haben, verselbständigen und am Ende über die Zwecke triumphieren,,18. Dadurch wurde der Mythos des Menschen, als homo faber fungieren zu können, zerstört und dem Menschen die Illusion einer Machbarkeit aller Dingen geraubt. Gegen diese Form einer Technikkritik wendet sich heute die Technikphilosophie, die etwa von Hans Lenk, Friedrich Rapp und Günter Ropohl vorgetragen wird 19 . Sie nehmen die Gegenposition der Kritiker ein und verwerfen die Vorstellung eines Sachzwanges und einer Eigendynamik in der Technik, mit der sich die Technikkritiker nach Meinung der Technikphilosophen nur aus der "moralischen Verantwortung" stehlen wollen 20. Zu fragen ist, ob denn überhaupt zwischen diesen beiden Positionen streng unterschieden werden muß? Letztlich gilt sowohl die Aussage von der Eigendynamik der Technik als auch die Kritik gegenüber einer Technik-Autonomie. Über diese Kränkungen hinaus sollte überlegt werden, ob nicht zusätzlich von einer fünften, der ökologischen Kränkung, geredet werden muß. Der Mensch erfährt sich nämlich als einer, der nur im Umfeld von lebenden Geschöpfen und anorganischer Materie existiert. Er wird damit in einen größeren Zusammenhang der Biosphäre hineingestellt und steht nicht allein im Zentrum irdischen Daseins. Damit soll zwar nicht eine Biozentrik in den Mittelpunkt gerückt, aber der Anthropozentrismus relativiert werden. Deshalb stellt sich auch die ethische Reflexion als Frage nach einem Ausgleichs zwischen Technik und Ökologie.
IV. Güter und Ungüter in Technik und Ökologie Eine Motivation zum Guten lenkt den Techniker bei der Auswahl der anwendbaren Techniken. In vielen Fällen stehen Aggregate oder Handlungweisen unter einem Mehr oder Weniger von Gut oder Böse. In solchen Fällen gilt es abzuwägen, was besser, eher oder auch leichter anwendbar ist. Aber die Technik ist nicht nur unter dem Entweder - Oder von Gut und Böse zu beurteilen. Das bedeutet, daß die Frage beantwortet werden muß, wann Güter zu Ungütem werden, oder das nur relativ Bessere statt des relativ Schlechteren gewählt werden muß 21 . Ungüter sind Dinge, Güter oder Dienstleistungen, die dem Einzel- und dem Gemeinwohl in unterschiedlicher Stärke Schaden zu fügen 22 . Aber Güter sind nicht kraft ihrer Natur Rohbeck, Johannes, (1993), S. 10. Rohbeck, Johannes, (1993), S. 10; 202 f. 20 Rohbeck, Johannes, (1993), S. 11. 21 Gerhard Merk hat in seinem Aufsatz "Konfliktstau durch Ungüter", in: Alfred Klose u. a. Frieden und Gesellschaftsordnung, Berlin 1988, Festschrift für Rudolf Weiler, S. 197 ff. zur Frage der Güter und Ungüter unter ökonomischem Gesichtspunkt ausführlich Stellung bezogen und Beispiele dafür gegeben, S. 203 f. Vgl. Kramer, Rolf, Ethische Grenzen bei der Herstellung und Verwendung von Gütern, in: Hans Gerd Fuchs u. a. Güter und Ungüter, Festschrift für Gerhard Merk, Berlin 1991, S. 47 ff. 22 Vgl. Böggemann, Doris, Zur Definition der Ungüter, in: Hans Gerd Fuchs u. a. (Hrsg.), Güter und Ungüter, Festschrift für Gerhard Merk, Berlin 1991, S. 9. 18 19
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2. Kapitel: Technologie und Theologie
Ungüter, sondern aufgrund ihrer Verwendung 23 . Erst der Verbraucher oder Anwender macht aus dem Gut ein Ungut. Häufig hängt der Wechsel vom Gut zum Ungut mit einem übermäßigen Verbrauch (z. B. von zuvielen Süßigkeiten) oder mit unterschiedlichen Wirkungsverkettungen (z. B. mit der Benutzung von Kraftwagen und ihre Folgen) zusammen 24 . Ein Ungut schädigt den einzelnen und die Gesellschaft. Schon die Minderung des Wohlstandes beim einzelnen ist das Kennzeichen eines Unguts 25 . Wie mit solchen Ungütern umzugehen ist, ist selbstverständlich eine ethische Frage. Die Technik sagt nicht, was Güter und was Ungüter sind. Sie stellt beide Arten her. Allein der Mensch trifft diese Unterscheidung. Die Forderung nach einer Teilhabe der Menschen an den Gütern der Welt verwirklicht sich im ökonomischen Handeln, vielfach unter Benutzung der Technik. Eine Differenzierung der erstellten Produkte nach Gütern und Ungütern kann ein Ausdruck von Humanität sein. Die Auswahl der Güter und Dienstleistungen bei der Produktion und im Verbrauch muß der Menschlichkeit und dem Gemeinwohl entsprechen. Die katholische Theologie - speziell die päpstlichen Worte der jüngeren Vergangenheit, auch die Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils - und die protestantische Ethik sehen den Menschen als Zentrum solcher ethischen Entscheidung 26 . Diese Tatsache ist zunächst gleichzusetzen mit dem von Arthur Rich aufgestellten Kriterium des Menschengerechten 27 . Die hergestellten und produzierten Produkte müssen menschengerecht sein. Freilich muß das ökonomische Handeln auch sachgemäß geprägt sein. Eine solche Differenzierung hat damit zu tun, daß vor allem das technische Handeln richtig oder falsch und nicht allein gut oder böse ist. Darum steht die Technik unter dem Anspruch der Sachgemäßheit und nicht unter dem eines moralischen Anspruchs. Endlich hat das bei jedem ökonomischen Handeln geforderte Kriterium der Wirtschaftlichkeit auch bei der Auswahl von Gütern seine Anwendung zu finden. Da dieses Prinzip besonders unter Wettbewerbedingungen erfolgreich ist, und so die Ressourcen am besten geschützt werden, ist Sorge zu tragen, daß hinreichender Wettbewerb herrscht. Aus allen diesen Überlegungen ist ersichtlich, daß es keine absolute und für alle Zeiten gültige Unterscheidung von Gütern und Ungütern gibt.
23 Vgl. Steinmüller, Heinz, Die Messung von Ungüterwirkungen, in: Hans Gerd Fuchs u. a. (Hrsg.), Güter und Ungüter, Festschrift für Gerhard Merk, Berlin 1991, S. 114. 24 Vgl. Merk, Gerhard, Programmierte Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Bd. I, Wiesbaden 1973, S. 39, Aufgabe 22. 25 Vgl. Merk, Gerhard, (1988), S. 203. 26 Vgl. Johannes XXIII., Mater et Magistra Nr. 219, Johannes Paul 11., Laborem Exercens n. 9,3 und in der Patoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzil, Gaudium et Spes Z.25. 27 Rich, Arthur, Wirtschaftsethik, Bd 1, Güterloh 21985, S. 81.
v. Die Technik und ihre Folgen
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v. Die Technik und ihre Folgen Entscheidungen oder Zielsetzungen des einzelnen Menschen werden durch allgemeine Bedürfnisse, Lebenserfahrungen und Lebensvorstellungen bestimmt. Technik hilft ihm bei der Gestaltung seiner Welt. Der Mensch produziert zwar die Technik, aber er steht gleichzeitig in einem Sachzwang, der ihn zum Objekt werden läßt. Technik ist nämlich keineswegs ein Werkzeug oder eine fremde Macht, die über den Menschen herrscht. Sie besitzt ihr eigenes Wesen. Die Technik in der modemen Industriewelt ist zu einem elementaren Bestandteil der modemen Gesellschaft geworden. Ohne sie kann nichts in einer weltweit miteinander verflochtenen Wirtschaft produziert werden. Sie hat verändernde und gestaltende Kraft. Nur mit ihr ist der heutige Lebensstandard in allen Ländern zu erhalten bzw. zu erhöhen. Sie entlastet den Menschen und schenkt ihm Freiheit, indem sie die Arbeitszeiten verkürzt und eine Reduzierung der Schwer- und Schwerstarbeit erreicht. Technik ermöglicht neue Arbeitsformen, erleichtert die verbliebene Arbeit und gewährt mehr Freizeit. Durch sie ist die Verbesserung der Umwelt bzw. ihre Wiederherstellung erreichbar. Auch die Nutzung der Umwelt und ihr Schutz kann nur mit Hilfe der Technik geschehen. Technik und Ökologie werden in immer stärkerem Maße miteinander verknüpft. Ein genereller Umweltschutz ist ohne Anwendung von Technik nicht mehr durchführbar. In den siebziger Jahren wurde die Technikkritik mit der Ökologie verbunden. Es war das die Zeit, in der besonders die Frage nach der Zulässigkeit der atomaren Energie gestellt wurde. Heute herrschen eher die Fragen der Computertechnologien und das Verhältnis von Bio-Technik zur ökologischen Verantwortung vor. Der Wert solcher Grundsatzdebatten besteht darin, daß mit dem Aufkommen der speziellen Technikkritik und der Ökologiediskussionen sowohl die Technikbewertung als auch die ökologische Verträglichkeit "zu wichtigen kulturellen und politischen Themen geworden sind,,28. In Zukunft muß das Verhältnis von Ökologie und Technik als Relation gesehen werden, die einen Ausgleich zwischen beiden Bereichen sucht. Vielleicht ist es nötig, eine Balance zwischen dem Wert des Erhaltens im Umweltschutz und dem dynamischen Prozess der Veränderung durch die Technik anzustreben. Will man zu einem Gleichgewicht zwischen beiden Positionen kommen, kann es jedoch nicht um ein absolutes Gleichgewicht gehen. Dazu ist der Maßstab beider Bereiche zu unterschiedlich. Man muß vielmehr ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Bewahrung und Veränderung anpeilen. Dieses herzustellen, ist ein politischer und ethischer, aber kein naturwissenschaftlicher Prozeß.
28
Hastedt, Heiner, Aufklärung und Technik, Frankfurt am Main 1991, S. 10.
3 Kramer
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2. Kapitel: Technologie und Theologie
VI. Ziele der Technik und der Wertbegriff Für die Technik ist als inhaltliche Füllung der Begriff des Zieles wichtig. Als Ziele können ganz beliebige Erscheinungen gesetzt werden, so die "Sicherung und Verbesserung menschlicher Lebensmöglichkeiten,,29 oder "ein als möglich vorgestellter Sachverhalt, dessen Verwirklichung erstrebt wird,,3o. Von solchen und anderen Zielen wiederum gilt es, Werte und Normen zu unterscheiden. Nonnen haben im Vergleich zu den Werten einen überindividuellen Charakter. Gegen sie zu verstoßen, zieht in der Regel Sanktionen nach sich 3l . Bei einem Werte-Verstoß dagegen ist es anders; dieser bleibt folgenlos.
Dem Begriff ,Wert' liegt ein doppelter Sinn zugrunde. Er wird zum einen als Güter-Wert im Sinn von Tauschwert oder Preis verstanden. Werte dieser Art verändern sich ständig, wie man es am Preis einer Ware erkennen kann. Zum anderen ist im Wertbegriff ein ,Orientierungswert' zu sehen, wozu Forderungen wie Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Schönheit, Gesundheit etc. gehören 32 . Auf diese Art von Werten bezieht man sich, um auch die Güter-Werte richtig einzuordnen. Die ,Orientierungswerte' sind für das wertende Subjekt selbstverständlich richtungsweisend, um die Werte der Güter zu bestimmen. Werte sind Ausdruck von Wertungen, gemäß derer etwas zu realisieren, anzustreben, vorzuziehen oder zu befürworten ist. Erst Werte geben dem technischen Handeln seinen Sinn. Werte können sowohl für die ganze Gesellschaft als auch nur für einzelne Gruppen oder Individuen bestimmend sein. Wert-Bereiche können ganz unterschiedlicher Art sein, etwa: Persönlichkeitsentfaltung, Selbstverwirklichung, Wohlstand, Sicherheit, Gesundheit, Umweltqualität. Werte können darin bestehen, daß (1) eine Sache, Person, Haltung oder Orientierung einen Wert besitzt; oder daß (2) etwas einen Wert hat, weil ihm dieser von irgendjemandem oder von irgendwoher zugesprochen wurde; schließlich (3) kann auch eine Handlung oder Orientierung bestimmten Werten verpflichtet sein33 . Alle drei Werte-Weisen können bei der Mittel-Zweck-Beziehung der Technik ihre Realisierung finden. Der heute viel beklagte Wertewandel hat etwas mit der Veränderung der geistigen Strömungen unserer Zeit zu tun. Werte werden beeinflußt durch die modernen Möglichkeiten des Menschen, die Natur mit Hilfe der Technik zu beherrschen, sich von bevormundenden Strömungen zu befreien. Programme wie die einer DemoRopohl, Günther u. a. (1988), S. 61 im Anschluß der Aussagen des VDI. Ropohl, Günther - Lenk, Hans - Rapp, Friedrich, Wertgrundlagen der Technikbewertung, in: Raban Graf von Westphalen (Hrsg.), Technikfolgenabschätzung, München 1988, S.51. 31 Vgl. Ropohl, Günther u. a. (1988), S. 58. 32 V gl. Oldemeyer, Ernst, Geschichtlicher Wertwandel, in: Technik und Kultur, Bd. I, Technik und Pholosophie, hrsg. Friedrich Rapp, Düsseldorf 1990, S. 187. 33 V gl. Hubig, Christoph, Technikbewertung auf Basis einer Institutionsethik, in: Technik und Ethik, Hrsg. Hans Lenk und Günter Ropohl, Stuttgart 1987, S. 291. 29
30
VI. Ziel~ der Technik und der Wertbegriff'
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kratisierung und die nach einer Chancengleichheit haben mitgewirkt, Wertmaßstäbe zu verändern. Die allgemeine Unsicherheit gegenüber gültigen Werten und deren Verwirklichung resultiert aus der Tatsache, daß dem überkommenen und verbindlichen Wertesystem ein allgemeiner Wertepluralismus gefolgt ist. Gegensätzliche Vorstellungen wie Wettbewerb und Solidarität oder Individualisierung und soziale Kommunikation haben diesen Prozeß verschärft. Nach der Richtlinie 3780 des VDI-Ausschusses werden Werte als "Ergebnisse individueller und sozialer Entwicklungsprozesse" definiert, "die sich in der Auseinandersetzung mit natürlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen vollziehen; daher unterliegen Wertesysteme dem historischen Wandel und können in verschiedenen Kulturen und gesellschaftlichen Gruppen voneinander abweichen,,34. Zugleich stehen sie in einer Wechselwirkung zueinander. Die dadurch bedingten Umwertungen werden vor allem durch eine Änderungen der Präferenzordnungen herbeigeführt 35 . Die Bewertung der Technik geschieht mittels einzelner Werte, die Bestandteile eines ganzen Wertsystems sind. Wer auf Entscheidungen Einfluß nehmen will, muß die individuellen und die sozialen institutionellen-organisatorischen Wertvorstellungen wahrnehmen und Prioritäten setzen. Diese sind abhängig vom gesellschaftlichen Bewußtsein. Denn die handelnde Ökonomen, Politiker oder Techniker sind Spiegelbilder der jeweiligen Gesellschaft. Wo Technik bewertet wird, bedeutet das eine Abschätzung der Technik nach ihren unmittelbaren und mittelbar technischen, wirtschaftlichen, ökologischen und humanen Folgen36 . Eine Bewertung von Technik geschieht also nicht, indem ihr ein Wert an sich zugeschrieben wird, sondern indem sie als ein Mittel zur Erreichung von Zielen erkannt wird. Technik wird also zweckfinal bewertet. Eine Wertneutralität der Technik gibt es nicht. Die Technik ist ein Teil der Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur und der Kultur3 ? Die Bewertungen von Technik sind abhängig von natürlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen. Losgelöst von ihnen besitzt Technik keinen Ort und keine ethische Verbindlichkeit 38 . Da auch die Ethik zur Dimension der Kultur gehört, besteht zwischen Technik und Ethik eine enge Beziehung. Aber die Ethik gehört zu den Geisteswissenschaften, die Technik zu den Naturwissenschaften. Nun haben sich in der Wissenschafts geschichte im Laufe der letzten hundertfünfzig Jahre die Naturwissenschaften von den Geisteswissenschaften getrennt. Dadurch haben sich die Technik als Teil der Naturwissenschaft und die Ethik als Teil der Geisteswissenschaft auseinander entwickelt. Heute aber wird immer deutlicher erkannt, daß beide zusammengehören und nicht getrennt werden dürfen. Während 34 35
36 37
38
3*
VDI-Ausschuß, Richtlinie 3780, (1991), S. 339. Vgl. VDI-Ausschuß, Richtlinie 3780, (1991), S. 344. Vgl. VDI-Ausschuß, Richtlinie 3780, (1991), Vorbemerkung, S. 336. Vgl. Rendtorff, Trutz, Ethik Bd. 11, Stuttgart u. a. 1981, S. 32f. Vgl. Rendtorff, Trutz, (1981), S. 33.
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2. Kapitel: Technologie und Theologie
die Ethik ohne die Technik auskommt, hat die Technik es dagegen immer - mindestens bei ihrer Anwendung - mit ethischem Handeln und Entscheiden zu tun. Diese ethische Wertgebundenheit der Technik sieht Herbert Marcuse als durch die totalitären Züge der Gesellschaft bedingt an. Die technologische Gesellschaft ist ein Herrschaftssystem, das bereits "im Begriff und Aufbau der Techniken am Werke ist,,39. Durch die Technik wird in diesem "allgegenwärtigen System" von "Kultur, Politik und Wirtschaft,,4o die Befreiung von Unterdrückung des menschlichen Seins ermöglicht. Die Entwicklung aber ist nicht das Ergebnis des technischen Fortschritts; sie bedarf dazu vielmehr der politischen Umwälzung 41 . Darum sind Technik und ihre Anwendung nicht voneinander zu trennen. Der Gebrauch von Technik unterliegt in jedem Fall der ethischen Prüfung. Bei dieser spielt nicht das im Wesen der Technik enthaltene Spezifikum der Zweckdienlichkeit die entscheidende Rolle, sondern die Tatsache, ob und in welchem Maße die ethischen Maßstäbe wie Menschenwürde, Humanität, Lebensrecht, Umweltverträglichkeit gewahrt bleiben. Die Technik muß ständig zwischen Zielen und Werten wählen. Auch die Herstellung bestimmter lebensfeindlicher Anlagen (z. B. der Bau von Atom- oder Wasserstoffbomben oder der Giftgasfabrikation) unterliegt einer ethischen Beurteilung. Zwar ist die reine Erkennntis des Machbaren etwas anderes als ihre Anwendung. Aber die Technik als solche ist auf Anwendung ausgerichtet. Von ihr verspricht man sich etwas, was man als sinnvoll oder der "Mühe wert" erachtet42 . Wo Technik eingesetzt wird, wird nach einem Wert gesucht: Der Produzent erstrebt eine Verbesserung des Umsatzes, der Kostensituation oder des Gewinns, der Verbraucher sucht eine Qualitätssteigerung, eine Preissenkung oder eine bessere Handhabung des Produktes. Technik kann freilich auch, so z. B. im Militärbereich, der Steigerung der Macht dienen.
VII. Der Mensch als Mit-Schöpfer Gott ist nicht nur der Schöpfer der Welt, er ist nach der christlichen Lehre der creatio continua (fortgesetzte Schöpfung) auch heute noch schöpferisch tätig. "Wenn früher die creatio continua durch ein ständiges Eingreifen Gottes von außen erklärt werden mußte, so ist sie heute in Übereinstimmung mit unserem naturwissenschaftlichen Weltbild als evolutionärer schöpferischer Prozeß zu verstehen. Schöpfung und Evolution sind keine Gegensätze, sondern nur verschiedene Aspekte oder Perspektiven derselben Wirklichkeit,,43. Der Mensch ist als Eben39
40 41
42 43
Marcuse, Herben, (1968), S. 18. Marcuse, Herben, Der eindimensionale Mensch, Neuwied und Berlin 4 1968, S. 19. Marcuse, Herben, (1968), S. 245. Walther, Christian, (1992), S. 19. Daecke, Sigurd, Martin, (1993), S. 226.
VII. Der Mensch als Mit-Schöpfer
37
bild Gottes zugleich sein Mitarbeiter. Er ist also nicht nur Geschöpf Gottes, sondern auch als Mit-Schöpfer an der Schöpfung beteiligt (s. u.). Man darf bei der theologischen Position eines menschlichen Mitschöpfer-Seins von einem trinitarischen Schöpfungslauben ausgehen, wie es Sigurd Daecke in seiner Analyse tut. Die Natur wird damit zu einer durch Gottes Präsenz "in Jesus Christus und dem Heiligen Geist geheiligte Schöpfung,,44. In der ersten Person hat Gott nicht ein für alle Male geschaffen, sondern er schafft in seiner creatio continua immer noch. Er ist in seiner Welt immanent überall, also auch "in den Prozessen und Ereignissen,,45. Aber Gott darf nicht so betrachtet werden, daß er in seiner Natur aufgeht. Im Zweiten Glaubensartikel wird Gott als der bekannt, der in seine Schöpfung eingeht. Gott ist in seiner Fleischwerdung und damit in seinem "Geschöpf' Jesus selbst zum Geschöpf geworden. Zwar gilt nach S. Daecke: "Durch die Inkarnation bekommt alles Geschaffene seinen eigenen Wert, und so begründet die Menschwerdung den Wert der Natur, den der physiozentrische Ansatz als Eigenwert naturgeschichtlich erklären will,,46. Aber dem muß entgegengehalten werden: Gott ist Mensch geworden. Dadurch ist das Geschöpf ,Mensch' vor allem anderen herausgehoben. Das unterstreicht das Neue Testament dadurch, daß allein Christus das Ebenbild des unsichtbaren Gottes ist. Dieser ist der Erstgeborene der ganzen Schöpfung (Kol. 1,15). Die Christen werden zu neuen Menschen nach diesem Ebenbild (Kol. 3,10). Alles Geschaffene kommt von Christus her und existiert auf ihn [ta panta di' autou kai eis auton ektistai (Kol. 1,16; vgl. Hebr. 1,2)]. Alles hat seinen Bestand in ihm. Er bildet als Haupt mit dem Kosmos eine Einheit. Christus ist der Herr über den Kosmos, Darum trägt selbst die Gemeinde (Kol. 1,17) kosmische Züge. Sie kommt von Christus her und führt auf ihn hin. Alles, also Menschen, Tiere und Steine, hat Gott durch ihn mit sich versöhnt (Kol. 1,20). In Christus wird der Mensch zum Ebenbild Gottes (Kol. 1,15; Hebr. 1,3). Gott ist endlich nach dem Dritten Glaubensartikel in seiner ausgebeuteten und von der Zerstörung bedrohten Welt gegenwärtig. Der Geist Gottes wird im Hymnus als veni creator spiritus (Komm Schöpfer, Heiliger Geist) seit alters angerufen. Die fortgesetzte Schöpfung (creatio continua) geschieht durch ihn. Gott wirkt in ihm Leben und vollendet in ihm seine Schöpfung. Trinitarisch kann Gottes Präsenz im "schöpferischen Werdeprozeß" in der Natur und als "Einwohnung des Heiligen Geistes in den evolutionären Materiestrukturen" entfaltet werden47 . Diese Einwohnung und Vollendung gilt vor allem dem Menschen. Die Natur ist heilig, weil sie in Gott geheiligt ist. Sie hat ihren Wert nicht aufgrund einer Anthropozentrik noch 44 Daecke, Sigurd, M., Natur und Schöpfung - Überlegungen zu einer ökologischen Theologie der Natur, in: Bayeriche Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (Hrsg.), Umwelt - Mitwelt - Schöpfung, Laufener Seminarbeiträge 1/1991, S. 40. 45 Daecke, Sigurd, M., (1991), S. 41. 46 Daecke, Sigurd, M., (1991), S. 41. 47 Daecke, Sigurd, M., (1991), S. 42.
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2. Kapitel: Technologie und Theologie
einer Physiozentrik, sondern um Gottes willen 48 . Zwar sind Mensch und Natur nicht voneinander zu trennen, aber die Natur darf nicht nur unter dem Blickwinkel menschlichen Daseins gesehen werden. Der Mensch gestaltet die Welt aus seiner Perspektive. Er nimmt aufgrund des technologischen Prozesses an der Entwicklung dieser Erde teil. Sein Handeln ist durch die Wahrnehmung der Chancen und auch durch die Übernahme der Risiken geprägt. Der Mensch darf nach christlichem Urteil schöpferischer Mitgestalter der Welt sein 49 . Er übernimmt als solcher die Mithelfer- oder Mit-Schöpferfunktion. Sein Umgang mit der Welt und seine Gestaltung der Natur geschieht durch die Technik. Ihre Herrschaft ist ein Kennzeichen für die modeme Zivilisation. Technischer Fortschritt ist dabei Ausdruck eines Vertrauens in die Machbarkeit der Dinge. Die Menschen werden nur leben und überleben, wenn sie sich der Technik bedienen. Erst durch die Technik wird der Fortschritt und die Verbesserung der Bedingungen ermöglicht. Technik ist das entscheidende Mittel, durch das ein menschenwürdiges Leben in der Zukunft gewährleistet werden kann. Die Technik wird zum Mittel der Weltgestaltung und zur Selbst- und Naturerkenntnis. Gleichzeitig befällt den Menschen die Angst, er könne von der Technik und ihren Produkten zu stark in Mitleidenschaft gezogen werden, so daß es zu einer Zerstörung der Natur und zur Vernichtung des Menschen kommt. Andererseits jedoch erfährt er auch jenen ",culturallag' zwischen dem, was technisch möglich, und dem, was sittlich erlaubt ist,,5o. Denn gerade auf dem Gebiet der Technik ist nicht alles Machbare auch erlaubt. Zwischen der Verwirklichung des technisch-möglichen Fortschrittes und der sittlichen Ordnung klafft eine immer größer werdende Lücke. Es besteht nämlich die Gefahr, daß sich der Spalt zwischen Ethik und dem technisch-naturwissenschaftlichen Handeln einerseits und den ökonomischen Möglichkeiten andererseits vertieft. "Die heutige Gesellschaft leidet an einem Überschuß an technischer Potenz und an einem Defizit sittlicher Verantwortungskapazität,,51. Dieser Verlust wird als ein Teil des Sinn- und Wertverlustes gesehen 52 . Die Menschen geraten in Abhängigkeit von den Produkten ihres eigenen Handeins. Sie leiden unter den Ergebnissen ihres Tuns. Dabei wird mehr denn je deutlich, daß sie in einer Einheit der Welt mit allen Dingen dieser Welt existieren. Sie leben nicht allein, sondern immer nur in Gemeinschaft mit anderen Lebewesen. Sie können sich selbst nur verwirklichen und realisieren, wenn sie sich als Teil der einheitlichen und ganzheitlichen Welt sehen. Da die Naturwissenschaft und Technik zur Schöpfung Gottes gehören, kann die Natur nicht gegen die Wissenschaft und auch nicht gegen die Technik bewahrt werden, sondern nur mit ihnen und durch sie53 . 48 Vgl. Daecke, Sigurd, M., (1991), S. 40, der die Natur als heilig "um ihrer selbst willen" definiert. 49 Vgl. Hubig, Christoph, Technik- und Wissenschaftsethik, Berlin u. a. 1993, S. 19. 50 Rock, Martin, (1986) S. 80. 51 Rock, Martin, (1986), S. 85. 52 Vgl. Rock, Martin, (1986), S. 85.
VII. Der Mensch als Mit-Schöpfer
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Der Mensch will und kann den Schöpfergott nicht ablösen. Er ist nicht autonom. Eine Selbsteinschätzung, sich als "alter deus" (zweiten Gott) zu verstehen, würde seinen Beitrag innerhalb des Evolutionsprozesses mißverstehen. Zwar steht der Mensch als Mitschöpfer an der Seite Gottes. Aber dieses geschieht nur in Form einer Verantwortung gegenüber dem Schöpfergott. Der Mensch kann durch die Anwendung der modernenen Medizin mehr denn je die Unversehrtheit des Lebens gewähren. Auch kann er die Überlebenschance durch lebenerhaltende Maßnahmen vergrößern. Da Leben vielfach nur noch in Anwendung von Technik zu erhalten ist, gehören Technik und Leben eng zu sammen 54 . Im Rahmen der Gen-, der In-vitro-fertilisations-Technik oder in Gestalt der Organtransplantion .übernimmt der Mensch gleichsam Schöpfungsfunktionen. Aber er tritt darin nicht in Konkurrenz zur göttlichen Schöpfungstätigkeit. Das Recht auf Leben ist ein natürliches, unveräußerliches und geheiligtes Menschenrecht. Es steht dem Individuum zu. Die Technik liefert die Voraussetzung für die Durchsetzung und Erhaltung dieses Rechtes. Ökonomische Techniken in der Produktion von landwirtschaftlichen und industriellen Gütern sichern die Voraussetzungen für die Erhaltung und Gestaltung des menschlichen Lebens. Aber nicht nur das Recht auf Leben, auch das Recht auf individuelle und nationale Freiheit läßt sich so erhalten. Die Nicht-Verwirklichung der Menschenrechte freilich darf nicht damit entschuldigt werden, daß die notwendige Technik noch nicht hinreichend entwickelt ist. Die Technik hilft, daß Menschen sich für die Probleme der Welt sensibilisieren und lernen, daß nur in der Gemeinschaft mit den anderen Geschöpfen und der Materie eine Überlebenschance und ein Weiterbestehen gegeben ist. Ein rigoroser Verbrauch von nicht-nachwachsenden Rohstoffen wird ebenso zu einem Ende führen wie das rücksichtslose Ausbeuten und Vernichten der Flora und Fauna. Es kommt auf ein Bewahren der Natur und damit der vorhandenen Ressourcen an. Dieses Bewahren geschieht aber nicht als ein Tun um seiner selbst willen. Zur Gestaltung der Gegenwart und für die Erhaltung der Zukunft kann die Technik durch die Entwicklung neuer Techniken oder durch die bessere Ausnutzung vorhandener Ressourcen behilflich sein. So kommt der Kommunikationstechnik eine hohe Bedeutung zu. Erst durch sie haben die Völker die Möglichkeit zu einer weltweiten Verständigung. Sie setzen die Menschen in die Lage, ihre Ansprüche zu artikulieren und ihre Rechte bewußt zu erkennen bzw. durchzusetzen. Eine Anfeindung der Technik durch die Umweltbewegung wie in der früheren Zeit ist heute einer positiven Einstellung gewichen. Denn in dem Maße "wie Umweltgesetze den Handlungsrahmen der Wirtschaft mitbestimmten, wurde die Tech53 Daecke, Sigurd, Martin, Naturwissenschaft als sicherer Weg zu Gott?, in: Sigurd M. Daecke (Hrsg.) Naturwissenschaft und Religion, Mannheim 1993, S. 226. 54 Vgl. Huning, Alois, Technik und Menschenrechte, in: Technik und Ethik, Hrsg. Hans Lenk und Günter Ropohl, Stuttgart 1987, S. 247.
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2. Kapitel: Technologie und Theologie
nik auch in den Dienst des Umweltschutzes gestellt,,55. Heute läßt sich sogar mit Umwelttechniken Gewinn machen. Umweltschutz kann sich auszahlen. Auch im Blick auf den Arbeitsmarkt weist der Umweltschutz bereits eine beachtliche Leistung vor. In Deutschland sind bereits knapp 700 000 Menschen im Umweltschutz beschäftigt56 . Ob es freilich zu einer höheren Beschäftigungszahl durch die Einführung einer Umweltsteuer kommt, ist recht umstritten.
55 Weizsäcker, Ernst Ulrich von, Erdpolitik, Darmstadt 51997, S. 219. 56 Weizsäcker, Ernst Ulrich von, (1997), S. 258.
Drittes Kapitel
Anthropozentrismus in den Umweltethiken I. Anthropozentrische Umweltethik Die biblische Analyse hatte bereits den Hinweis auf die Unverzichtsbarkeit und im besonderen auch die gleichzeitige Begrenztheit einer Anthropozentrik ergeben. Eine generelle anthropozentrische Interpretation würde der biblischen Überlieferung nicht gerecht werden. Sie bedarf einer Ergänzung durch den theonomen Aspekt. Die jüdisch-christliche Kultur stellt zwar den Menschen in den Mittelpunkt, und alles Nichtmenschliche oder Natürliche hat den Zweck, dem Menschen zu dienen. Allein der Mensch erfährt seinen Zweck in sich selbst. Aber sein Sein hat seinen letzten Sinn und Zweck im Gegenüber zum Schöpfer. Zwar wird dem Menschen die Schöpfung anvertraut; aber er selbst ist und bleibt Geschöpf. Er weiß sich an seinen Schöpfer gebunden. In diese Beziehung zum Schöpfer wird nicht nur das eigene Gottesverhältnis, sondern auch das zu den Mitgeschöpfen gestellt. Der Mensch ist als imago dei (Ebenbild Gottes) der Mitgestalter dieser Welt. Darin drückt sich nicht eine Zentrierung und Ausrichtung des Geschaffenen auf den Menschen aus, sondern seine Heraushebung als Ebenbild Gottes. Daraus aber darf man keine generelle Anthropozentrik ableiten I. Tut man es doch, wie es vielfach geschieht, wird eine ungerechtfertigte Zentrierung auf den Menschen vorgenommen. Der Mensch muß stattdessen als einer gesehen werden, der in den naturgeschichtlichen Prozeß eingebunden ist. Nach Meyer-Abich ist die Menschheit sogar aus der natürlichen Entwicklung hervorgegangen; denn sie ist nach ihm gegenüber der "natürlichen Mitwelt naturgeschichtlich verwandt,,2. Darum darf aus Gerechtigkeitsgründen kein Anthropozentrismus vertreten werden. Vielmehr existieren zwischen den Menchen und den anderen Säugetieren in ihrem Lebenswillen und in ihrer Schmerzempfindlichkeit Ähnlichkeiten. Die von Bernhard Irrgang vertretene "geläuterte" Anthropozentrik bestreitet eine solche behauptete Gleichheit zwischen Mensch und Tier. "Denn menschliches Leben ist 1 Vgl. Meyer-Abich, Klaus Michael (1984), S. \03. Er meint in einer zu eng verstandenen Anthropozentrik: ,,solange wir Christen sind, dürfen wir nicht anthropozentisch denken" (5. \03). 2 Vgl. Meyer-Abich, Klaus Michael, Wege zum Frieden mit der Natur, München, Wien 1984, S. \06 der sich gegen eine Anthropozentrik wendet.
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3. Kapitel: Anthropozentrismus in den Umweltethiken
nicht Leben im Sinne des physischen Existierens, sondern ein bewußter Entwurf, ein von Freiheit durchgriffenes Lebenwollen. Der Begriff des Lebens bei Tier und Mensch ist eine bloße Äquivokation, in der die vorliegenden Unterschiede ignoriert werden,,3. In der uneingeschränkten Anthropozentrik haben die nichtmenschlichen Lebewesen eine Dienstfunktion und sind um des Menschen willen da! Sie geht davon aus, daß der Mensch im Zentrum der Natur steht. Für sie ist alles auf den Menschen ausgerichtet. Der christliche Glaube vertritt aber keine solche einseitige generelle Anthropozentrik. In ihr käme die Natur selbst zu kurz. Zu einer solchen Form anthropozentrischer Ethik zählte naturgemäß auch die Egozentrik oder die Generationsethik4 . In ihr hätte der Mensch nur sich selbst und anderen Menschen gegenüber Pflichten; gegenüber anderen Lebewesen wären diese nur begrenzt vorhanden. Allerdings wäre auch in ihr aufgrund seiner Humanität dem Menschen untersagt, Grausamkeit an anderen Geschöpfen zu verüben. Nach Kant besitzt der Mensch sittliche Verpflichtungen nur sich selbst und anderen Menschen gegenüber. Auch wenn der Mensch sich pflichtgemäß für seine Mitgeschöpfe (z. B. als Dank für geleistete Dienst eines Hundes oder Pferdes) einsetzt, ist dieses Tun nur eine indirekte Pflicht gegenüber den Tieren, eine direkte indessen sich selbst und den anderen sittlichen Subjekten gegenübers. Darin liegt keine Abwertung der Tiere; diese stellen nach Kant vielmehr Analoga für die Menschheit dar. Pflichten gegenüber den Tieren sind Pflichten gegenüber der Menschheit. Aber eine solche "klassische" zu nennende Position wird heute kaum noch vertreten. Nach Christian Link bildet nur A. Auer die "singuläre" Ausnahme mit seiner Vorstellung der Anthropozentrik der Welt. Gott teilt sich der Natur nur mit, ",sofern sie der geschichtliche Daseinsraum des Menschen' ist,,6. Heute wird die Anthropozentrik stattdessen mit Pflichten gegenüber der ganzen Natur verbunden. Der Mensch muß erkennen, daß es ihm obliegt, die Lebensgrundlage für die zukünftigen Generationen zu bewahren. Auch für diese soll die Überlebensfähigkeit gewahrt bleiben. Aus solcher Zielsetzung hat auch Hans Jonas seine Zukunftsethik konzipiert, über die ausführlicher im nächsten Abschnitt noch zu handeln sein wird. Eine geläuterte anthropozentrische Ethik will bei der Erhaltung menschlicher Existenz nicht stehen bleiben, sondern auch die anderen Lebewesen, ja die ganze Natur bewahren wollen. Anthropozentrik darf darum nicht mit einer Überschätzung oder Maßlosigkeit des Menschlichen gleichgesetzt werden, sondern nur eine Orientierung am Menschlichen bedeuten. Auch der biblische Aspekt einer Ausrichtung der Erde am menschlichen Sein heißt nicht ein Ausgeliefert-Werden der nichtmenschlichen Tier- und Pflanzenwelt an den Menschen. Der Mensch ist nicht das Maß aller Dinge. Deshalb kann es im Umweltschutz auch nicht allein um die 3 4
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Irrgang, Bemhard (1992), S. 86. Vgl. die etwas anders strukturierte Aufstellung bei Irrgang, Bemhard, (1992), S. 54. Irrgang, Bemhard (1992), S. 55. Zitat aus A. Auer, Umweltethik, Düsseldorf 1984, in: Link, Christian, (1991) S. 485.
11. Überlebensethik
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Sicherung der menschlichen Belange gehen. Hier ist vielmehr der Schutz der ganzen Natur gefordert. In Zukunft muß die natürliche Lebensgrundlage der kommenden Generation erhalten werden, so hatten es letztlich bereits die Grundrechte von Virginia vom 12. Juni 1776 fomuliert, als sie feststellten, daß die Menschen unabhängig seien und "angeborene Rechte" besäßen, "deren sie, wenn sie den Status einer Gesellschaft annehmen, durch keine Abmachung ihre Nachkommen berauben oder entkleiden können"? Dabei gilt es zu beachten, daß zwar den Menschen von Natur aus eigene Rechte zukommen, aber diese können nicht isoliert ohne die Verantwortung des Menschen gesehen werden. Der Mensch ist Mitarbeiter Gottes (cooperator dei); darum steht er vor einer ständingen Verantwortung für die Natur. Diese ist abhängig von ihm. Gegenüber dem "Prinzip der Verantwortung" von Hans Jonas mit seiner Position von eigenen Rechten der Natur ist ein geläuterter Anthropozentrismus festzuhalten.
11. Überlebensethik Die Überlebensethik ist eine besondere Form der anthropozentrischen Ethik. Als einer ihrer führenden Vertreter gilt Hans Jonas. Sein "Prinzip Verantwortung"S geht davon aus, daß für die Menschheit eine "unbedingte Pflicht" zum Dasein vorhanden sein muß 9 . Jonas' Verantwortungsbegriff ist innerweltlich geprägt; denn Verantwortung existiert primär vom Menschen für den Menschen lO . Das zeigt sich in der von ihm vorgenommenen Erweiterung des Kant'schen kategorischen Imperativs: "Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden"ll. Es geht ihm um den ,Fortbestand' menschlichen Lebens auf der Erde. Seine Ethik ist durch die Verantwortung für die Zukunft der Generationen bestimmt 12 • Der Archetyp einer solchen Verantwortung ist die gegenüber der nachwachsenden Generation; diese müßte ohne Vorund Fürsorge zugrundegehen I3. Das "Prinzip Verantwortung" kann als Antipode zum Bloch'schen Prinzip der Hofffnung gelten. Zwar ist für Jonas die Hoffnung auch ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Handelns 14, aber sie ist nicht wie bei Bloch die Materie oder 7 Zitat aus Bill of Rights von Virginia 1776, in: Heidelmeyer, Wolfgang, Die Menschenrechte, Paderbom 2 1977, S. 54 Art. 1. 8 Jonas, Hans, Das Prinzip Verantwortung, Frankfurt 21979. S. 36. 9 Jonas, Hans, (1979), S. 80. 10 Jonas, Hans, (1979), S. 184. 11 Jonas, Hans, (1979), S. 36. 12 Jonas, Hans, (1979), S. 61 ff. 13 Jonas, Hans, (1979), S. 85. 14 Jonas, Hans, (1979), S. 391.
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3. Kapitel: Anthropozentrismus in den Umweltethiken
das ganze Sein l5 . Hoffnung wächst aus der Verantwortung für die Welt. Sie geht davon aus, daß sie etwas ausrichten kann. Zum "Prinzip Verantwortung" gehört außer der Hoffnung auch die Furcht. Der Mensch wird mehr durch die Vorstellung eines möglichen Übels als durch das, was er an Gutem bereits besitzt, geleitet. Die Furcht drückt für ihn deutlicher als die positive Wunschvorstellung aus, was die Menschen wünschen. Denn "was wir nicht wollen, wissen wir viel eher als was wir wollen,,16. Jonas plädiert für eine "Heuristik der Furcht". Der schlechten Prognose ist mehr Aufmerksamkeit zu schenken als der guten. "Der Unheilsprophezeiung ist mehr Gehör zu geben als der Heilsprophezeiung"17. Das ist der Grund für eine Zukunftsorientierung, deren Mitte in einer Entfaltung des Gegeben liegt, die aber nicht auf die Erfüllung von Verheißenen ausgerichtet ist. Es geht schließlich nicht nur um ein physischen Überleben, sondern um die Unversehrtheit menschlicher Existenz überhaupt l8 . Bei der Begründung dieser Ethik ist für ihn nicht ein biblischer Gott hilfreich, sondern vielmehr eine spekulative Theologie, deren ethischer Ansatz als humane Aufgabe verstanden wird. Die daraus entwickelte Verantwortung für die Zukunft der Menschheit wird ohne religiösen Hintergrund zu einer Zukunftsethik entwikkelt. Die Ethik des Überlebens ist anthropozentrisch, also weder physiozentrisch noch theozentrisch l9 . Die Begründung dafür ergibt sich für ihn allein aus der Methaphysik. Denn nur aus ihr läßt sich ableiten, warum es notwendig ist, die Existenz der Menschen auch in Zukunft zu sichern 2o . Es geht ihm nicht um eine utopische Gestaltung oder um eine Veränderung der Gesellschaft bzw. der Welt. Denn Utopie ist nach ihm ein anthropologischer Irrtum 21 ; ihre Zielsetzung geht ökologisch wie anthropologisch fehl 22 . Darum ergibt sich die "Notwendigkeit des Abschieds vom utopischen Ideal'm. Der Mensch von heute muß sich vielmehr der Verantwortung für die Zukunft widmen. Sie ist nicht auf eine eschatologische Erfüllung von Verheißenem und damit auf eine bessere Welt ausgerichtet, sondern strebt allein danach, irreversible Schäden zu vermeiden. Für Jonas war es wichtig, "das menschlich Gute mit der Sache des Lebens im ganzen, anstatt jenes diesem feindlich gegenüberzustellen,,24. Er gewährt dem Jonas, Hans, (1979), S. 376. Jonas, Hans, (1979), S. 64. 17 Jonas, Hans, (1979), S. 70. 18 Jonas, Hans, (1979), S. 8. 19 Anders denkt Nennen, Heinz-Ulrich, (1991), S. 191, der glaubt, Jonas' Ethik sei theozentrisch. Aber der von Nennen eruierte Gottesbegriff ist "verdiesseitigt", so daß man von einer Ethik ohne Transzendenz wird sprechen müssen. 20 Jonas, Hans, (1979), S. 8. 21 Jonas, Hans, (1979), S. 383 f. 22 Jonas, Hans, (1979), S. 9. 23 Jonas, Hans, (1979), S. 287. 24 Jonas, Hans, Warum die Technik ein Gegenstand für die Ethik ist, in: Technik und Ethik, hrsg. von Hans Lenk und Günter Ropohl, Stuttgart 2 1993, S. 86. 15
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11. Überlebensethik
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außennenschlichen Leben sein eigenes Recht. "Seine Anerkennung bedeutet, daß jede willkürliche und unnötige Auslöschung von Arten an sich schon zum Verbrechen wird,,25. Aber er ist der Meinung, daß der Mensch ein "Verwalter und Wächter der Schöpfung" ist26 . Diese Anthropozentrik kann für ihn durchbrochen werden, indem der Natur eigene Rechte zuerkannt werden. Indessen, es darf nicht dazukommen, eigene Rechte als gleichsam "metaphysische" Rechte der Natur zuzuerkennen. Um die natürlichen Lebensgrundlagen für die gegenwärtigen und die zukünftigen Generationen zu erhalten, bedarf es nicht der Konstruktion eines metaphysischen Rechtes der Natur27 . Zu einem Vermeiden von eigenständigen Rechten der Natur kommt auch Wolfgang Huber; schließlich kann die Natur nicht ihrereits Träger oder Subjekt von Rechten sein 28 . Würde nämlich der Begriff der Rechte auch auf höhere Tiere, die Schmerzen spüren, angewandt, wie Singer und mit ihm die Pathozentrik es wollen, verliert der Rechtsbegriff seine Konturen. Er mag dann mit Recht nicht einsehen, warum nur "ein Teil der nichtmenschlichen Natur in den Begriff des Rechts einbezogen werden soll,,29. Für Huber haben stattdessen "alle Geschöpfe an der Würde teil, die der Schöpfer seiner Schöpfung zuerkennt". Darum ist ihre Würde nicht aus der Würde des Menschen ableitbar, die aus der Sprachfähigkeit und der Potentialität, den anderen Wesen Namen zu geben, hergeleitet wird. Die begrenzte Denkweise einer Anwendung der Würde allein auf den Menschen ist zu überwinden und der Natur eine eigene Würde zuzuerkennen 3o . Huber meint, das Würdekonzept der nichtmenschlichen Natur aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Schöpfung begründen zu können. Aber ein Schutz der Natur ist keineswegs, wie Huber es will, aus ihrer eigenen Würde abzuleiten. Sie erhält diese in der Schöpfung durch den Menschen, für den sie vornehmlich da ist, und der für sie Verantwortung trägt. Es wird darum im Bundesnaturschutzgesetz richtig gesehen, daß die Natur und die Landschaft die Lebensgrundlage für den Menschen bilden und darum auch geschützt werden müssen. Die darin geäußerte "Anthropozentrik der Selbsterhaltung" muß keineswegs "durchbrochen werden", wie Huber fordert, wenn das Naturschutzrecht mit der "Ethik der Se1bstbegrenzung" des Menschen kompatibel werden S01l31. Da nur ein begrenzter Anthropozentrismus gelten kann, wird man zwar auch der Natur und speziell den nichtmenschlichen Mitlebewesen Schutz- und Lebensrechte zuerkennen, ohne dadurch aber einen gleichsam metaphysichen Rechtsrahmen festzuschreiben. Insofern wird ihr also schöpfungstheologisch eine anthropologische Würde zuerkannt. "Unsere Verpflichtung in Ansehung der Natur ist also abgeleiteter Art, 25
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Jonas, Hans, (1993), S. 86. Jonas, Hans, (1993), S. 86. Vgl. Hastedt, Heiner, (1991), S. 175. Huber, Wolfgang, Gerechtigkeit und Recht, Gütersloh 1996, S. 312 f. Huber, Wolfgang, (1996), S. 313 Huber, Wolfgang, (1996), S. 315. Huber, Wolfgang, (1996), S. 317.
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3. Kapitel: Anthropozentrismus in den Umweltethiken
weil eine Vernachlässigung dessen für uns selbst eine Barbarisierung bedeuten würde,,32. Statt Jonas' Anthropozentrismus mit einer gleichzeitiger Postulierung von Eigenrechte der Natur anzuerkennen, ist vielmehr an einem geläuterten Anthropozentrismus festzuhalten. Ein genereller Anthropozentrimus ist zu abzulehnen 33. Es ist aber nicht allein Jonas, der mit seinem "ontologischen Naturalismus" Kritik am überlieferten Anthropomorphismus übt, andere tun das auch; unter ihnen befindet sich Eugen Drewermann. Er stellt mit seiner naturalistische Kritik eine Alternative zum Anthropomorphismus vor34 , die weiter unten abgehandelt werden soll.
III. Physiozentrische Ethik In der physiozentrischen Ethik wird das Naturverhältnis des Menschen universalisiert. Die Menschheit wird von ihrem natürlichen Sein her bestimmt. Der Mensch ist physis oder (lateinisch) natura. Die Menschen sollen sich zu den Dingen der Welt und den anderen Lebewesen wegen der allen gemeinsamen Natürlichkeit auch ,natürlich' verhalten 35 . Im Gegensatz zur anthropozentrischen Um-Welt wird die Natur in dieser Ethik zur Mit-Welt. Der Mensch ist schließlich nicht das Maß aller Dinge. Im physiozentrischen Weltbild erweist sich "die Freiheit des Menschen nicht mehr als die des Menschen, sondern als die der Natur,,36. Darum heißt es bei Meyer-Abich: "Die Natur zu Wort und so zu sich kommen zu lassen, ist meines Erachtens die besondere Aufgabe des Menschen unter Millionen von Tierund Pflanzenarten auf der Erde,,37. Die dem Menschen übertragene Verantwortung hat nicht nur die Überlebensfahigkeit dieser und vor allem der künftigen Generation zu sichern; er soll das auch für die ganze Natur tun. In der Auseinandersetzung mit dem menschlichen und dem nichtmenschlichen Leben ist der Überlebenschance der Menschen die Priorität einzuräumen. Zwar besteht zwischen der Physiozentrik und der noch zu behandelnden Biozentrik eine sehr enge Verwandtschaft, aber gegenüber der Biozentrik fordert die Physiozentrik den Schutz der ganzen Natur38 . Denn organischen und anorganischen Natur bilden eine Einheit. Mit seiner "praktischen Philosophie der Natur" ist Klaus Hastedt, Heiner, (1991), S. 175. Vgl. Hastedt, Heiner, (1991), S. 152. 177. 34 Vgl. Drewermann, Eugen, Der tödliche Fortschritt, Regensburg 1981, S. 62 ff. 35 Vgl. Meyer-Abich, Klaus Michael, Frieden mit der Natur, Freiburg 1979, S. 27 und S.253. 36 Zitat von Meyer-Abich bei Baumgartner, Hans Michael, (1993), S. 24. 37 Meyer-Abich, Klaus Michael, (1984) S. 98. 38 Vgl. dazu Daecke, Sigurd, Martin, Anthropozentrik oder Eigenwert der Natur?, in: Günter Altner (Hrsg.), Ökologische Theologie, Stuttgart 1989, S. 278. 32 33
111. Physiozentrische Ethik
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Michael Meyer-Abich 39 wohl der stärkste Vertreter eines physiozentrischen Menschenbildes. Nach ihm soll die Natur wieder im Menschen zu ihrem Recht kommen. Alles Gewordene wird entsprechend der Philosophie Platons als Ganzes gesehen. Meyer-Abich versucht, die Spannung zwischen Sein und Sollen zu überwinden und die Stimme der Natur wieder zu Gehör zu bringen. Wenn der Mensch aus der Einheit mit der Natur zu einem erweiterten Verständnis der Naturzusammenhänge käme, würde er sich zu den Dingen der Welt und zu den anderen Lebewesen nicht anders verhalten als zu seinen Mitmenschen und zur eigenen Person 40 . Meyer-Abichs Verständnis von Natur bettet den Menschen in das Ganze der Natur ein; denn er lehrt einen Holismus aus naturphilosophischer Erkenntnis. Der Mensch ist nur ein Teil der Natur. Die Natur wird über die Subjektivität gestellt41 • Umweltprobleme deuten darauf hin, daß das Naturverständnis des Menschen nicht dem Naturzusammenhang angemessen ist. Meyer-Abich will darum das menschliche Verhalten überprüfen und die Natur in uns zu Wort kommen lassen42 . Denn für ihn sind Menschen, Tiere und Pflanzen Glieder der einen Natur. Sie bilden eine Rechtsgemeinschaft, in der die lebenden und nichtlebenden Elemente einen Eigenwert besitzen. Der Mensch hat um ihrer und nicht um seinetwillen darauf Rücksicht zu nehmen und eine besondere Verantwortung gegenüber der Mitwelt zu üben. Da allein der Mensch in der Lage ist, die Natur zu verändern, fällt ihm naturgemäß auch eine besondere Verantwortung ZU43 . Der Mensch kann diese freilich erst dann recht übernehmen, wenn er die einseitige anthropozentrische Vorstellung überwindet, daß es im Umweltschutz um eine "Sicherung der menschlichen Lebensgrundlage" geht44 . Physiozentrische Ansätze in reiner Form sind nach der biblischen Überlieferung verfehlt. Die anderen Geschöpfe oder die ganze Natur dürfen nicht den Menschen in Gleichheit gegenübergestellt werden. Vielmehr sind die Menschen gegenüber den anderen Lebewesen etwas anderes, Besonderes. Allein der Mensch kennt seine Verantwortung und weiß um die Folgen seines Tuns oder Unterlassens. Der physiozentrische Ansatz muß darum, wenn er denn vertreten wird, mit einer "geläuterten" Anthropozentrik verknüpft werden; nur so wird man auch der biblischen Überlieferung gerecht. Für den Christen gilt nämlich: Gott ist Mensch geworden, er ist in die Schöpfung eingegangen. Der Mensch darf sich im Umgang mit der 39 Meyer-Abich, Klaus Michael, Zum Begriff einer Praktischen Philosophie der Natur, in: Klaus Michael Meyer-Abich (Hrsg.), Frieden mit der Natur, Freiburg 1979, S. 237 ff. Aber auch Sigurd M. Daecke läßt sich mit seinen Überlegungen unter dem Gesichtpunkt einer Physiozentrik einordnen. Vgl. Daecke, Sigurd, Martin, Säkulare Welt - sakrale Schöpfung - geistige Materie, in: Evangelische Theologie 45. Jahrg 1985, S. 261 ff. 40 Meyer-Abich, Klaus Michael (1979), S. 253. 41 Vgl. Meyer-Abich, Klaus Michael (1979), S. 260. 42 Vgl. Meyer-Abich, Klaus Michael (1979), S. 238. 43 Vgl. dazu das Zitat von Meyer-Abich aus: Altner, Günter, Die Überlebenskrise in der Gegenwart, Darmstadt 1987S. 189. 44 Schmitz, Martin, Bildung und ökologische Krise, Weinheim 1990, S. 36.
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3. Kapitel: Anthropozentrismus in den Umweltethiken
Natur als Person verstehen, als ein angeredetes und nicht nur als naturhaftes Wesen. Mit Recht wird darum gesagt: "Christliche Anthropozentrik impliziert zunächst eine Aussage über den Menschen und nicht über die Natur,,45.
IV. Biozentrik Eine biozentrische Ethik fühlt sich dem Leben insgesamt verpflichtet. Danach gibt es kein Recht, das den anderen Lebewesen übergeordnet ist. Der Mensch hat auch kein Recht, in den Naturhaushalt zerstörerisch einzugreifen. Nach der biozentrischen Ethik hat jedes Lebewesen das Recht, seine Bedürfnisse zu decken. Die Natur muß für alle Lebewesen und nicht nur für die Menschen erhalten werden. Als bekanntester Vertreter einer biozentrischen Ethik gilt Albert Schweitzer. In seiner These von der "Ehrfurcht vor dem Leben" 46 zeigt sich die nahe Verwandtschaft mit der physiozentrischen Ethik, die es mit der ganzen Natur zu tun hat. Gut bedeutet für ihn, Leben erhalten und fördern, Böse dagegen, Leben vernichten. Für den Menschen ist entscheidend, Leben zu erhalten. Von ihm wird der Unterschied zwischen dem Leben der Tiere und dem der Mensch eingeebnet. Aber trotzdem wird auch bei A. Schweitzer zwischen Leben und Leben differenziert. Denn auch das Leben von Tod bringenden Insekten bzw. Viren wird von ihm nicht geschützt. Albert Schweitzer hat diese Problematik selbst gesehen, als er sich als der ,Mörder von Bakterien' bezeichnete. So wird man ,unegoistisch schuldig'. Zweifellos ist gegen das Lebensrecht der Tieren durch die Menschen im Laufe der Jahrhunderte verstoßen worden. Dennoch besteht ein Unterschied zwischen dem Lebensrecht des Menschen und dem der Tiere. Selbst A. Schweitzer wurde nicht Vegetarier. Er lehnte auch Tierversuche nicht zugunsten der Lebenserhaltung von Menschen ab. Zwar schärfte er das Gewissen, aber er stellte keine "Rangordnung der Werte lebendiger Wesen" auf 7 . Er konnte selbstverständlich die ökologische Problematik noch nicht in ihren Konsequenzen voll durchschauen. Aber seine Ethik stellt die erste biozentrische, ökologische Grundlegung der Moral dar. Er trägt zum ersten Mal einer Verantwortung für die Natur ausdrücklich Rechnung 48 . Günter Altner, ein moderner Vertreter der biozentrischen Ethik, weist darauf hin, daß es heute bei einer aktuelle Interpretation der Schweitzerischen Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben um mehr gehen müßte, als um eine Wiederholung seiner Gedanken 49 . Altner entwickelt - im Rückgriff auf Schweitzer - einige umfassende Irrgang, Bemhard, (1992), S. 318. Vgl. dazu neuerdings Gansterer, Gerhard, Die Ehrfurcht vor dem Leben, Frankfurt / M. u.a.1997. 47 Lenk, Hans, Verantwortungsdifferenzierung und Systemkomplexität, in: Technik und Kultur, Bd. 1, Technik und Pholosophie, hrsg. Friedrich Rapp, Düsseldorf 1990, S. 205. 48 Vgl. Lenk, Hans, (1990), S. 205. 49 Altner, Günter, Naturvergessenheit, Darmstadt 1991, S. 45. 45
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IV. Biozentrik
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Grundsätze einer biozentrischen Ethikso . Es geht dabei im Gegensatz zum utilitaristischen Konzept einer Pathozentrik, über die noch zu sprechen sein wird, um eine weitgehende "Minimierung von Schmerz, Zerstörung und Tod". Das bedrohte Leben in der Natur muß "im Kontext der allgemeinen Überlebenskrise" bewahrt werden. Dabei ist in der Bioethik alles Leben gleich achtens- und bewahrenswert. Denn der in ihr implizierte Begriff des Bios umschließt alle Formen des Lebens, den Mikrokosmos, die Pflanzen und das menschliche Leben. Darum ist Bioethik keine Handlungsanweisung für den einzelnen Menchen im Umgang mit den Mitmenschen, sondern sie umfaßt die Prozesse der "Naturumwandlung und Naturverwertung". Das menschliche Leben ist dadurch zu kennzeichnen, daß der Mensch um den Ursprung des Lebens wissen kann und darum zu einer Achtung des Lebens befahigt ist. Der Lebenswille des Menschen ist Antwort auf das Gegebensein des Lebens. Bioethik ist zugleich auch ein Ausdruck sozialer Verantwortung, die sowohl die menschliche wie die nichtmenschlichen Natur, also die ganze Biosphäre umfaßt. Altner unterscheidet zwischen dem ",kleinen' Ich" des einzelnen Menchen und dem ",großen' Ich" der menschheitlichen Gesellschaft. Bioethik muß auf allen Ebenen praktiziert werden. Alles Leben ist vom Schöpfer geschaffenes und anvertrautes Leben. Es gibt kein lebensunwertes Leben. Der Mensch ist ein Geschöpf unter anderensI. Er zeigt seine Würde in seinem Personsein und in seinem sozialen Bezug. Aufgrund eines neuen Evolutionsverständisses wird durch Altner unter Aufnahme von Teilhard von Chardins Gedanken der Begriff der Schöpfung als "Dynamik des Weltprozesses" verstanden. Gottes Heilswillen gilt der ganzen werdenden Welt. Das aber relativiert die biblische Lehre von der Exklusivität des Menschen und der Besonderheit des in Christus geoffenbarten Heils S2 . "Natur- und Menschengeschichte sind Teil eines umfassenden Prozeßgeschehens"s3. Sie gehören zusammen. "Alles Leben ist Geschehen in der Zeit, vorläufig, endlich und einmalig"s4. Die nichtmenschliche Geschöpfwelt besitzt in ihrer Artenvielfalt einen eigenen Wert. Zwischen dem Menschen und den höheren Tieren besteht eine spezielle Gleichheit, der Abstammung, der Leidensfähigkeit und besonderer Interessen. Darum ist für Altner auch das Schlachten von Tieren und das Experimentieren mit ihnen eine fragwürdige Handlungweisess .
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Altner, Günter, (1991), S. 68 ff. Altner, Günter, (1991), S. 89. Vgl. Irrgang, Bemhard, (1992), S. 34 und 278. Altner, Günter, (1991), S. 108. Altner, Günter, (1991), S. 108. Vgl. Altner, Günter, (1991), S. 233.
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3. Kapitel: Anthropozentrismus in den Umweltethiken
v. Pathozentrik Als Gegengewicht zu einer Biozentrik gilt die Pathozentrik. In ihr geht es um das leidensfähige Leben. Mensch und Tier leben und leiden auf eine gleiche Weise56 . Die Sonderstellung des Menschen gegenüber dem Tier wird durch die Betonung der Leidensfähigkeit des Tieres aufgehoben. Diese entscheidet über das Recht auf Leben, darum kommt ihr eine besondere Stellung zu. Der Mensch muß lernen zu erkennen, daß nicht er allein, sondern auch das Tier leidet. Es gibt kein Recht, Leiden von Tieren zu rechtfertigen. Diese Einsicht gilt auch dann, wenn man beweisen könnte, daß das Bewußtsein für Leiden bei den Menschen stärker ausgeprägt sein sollte als bei den anderen Lebewesen. Als führender Vertreter einer pathozentrischen Ethik gilt heute der australische Biologe Peter Singer, nachdem bereits die klassischen Utilitaristen J. Bentharn und J. St. Mill die Grundlage einer solchen Denkweise gelegt haben. Singer lehnt eine anthropozentrische oder, wie er formuliert, "speziesistische" Ethik ab, die von einer hierarchischen Ordnung der Lebewesen, an deren oberster Stufe der Mensch steht, geprägt ist57 . Die heutige Werteskala mit dem Menschen an der Spitze der Lebewesen geht nach ihm auf das Christentum zurück. Obersten Wert besitzt der mit Vernunft begabte homo sapiens58 . Da christliche Wertvorstellungen aber nicht mehr allgemein gelten, muß für Singer diese speziesistische Auffassung überdacht werden 59 . Er folgert, daß das Leben eines menschlichen Fötus nicht mehr wert ist als das Leben eines nichtmenschlichen Lebewesens "auf einem ähnlichen Stand der Rationalität, des Selbstbewußtseins, des Bewußseins, der Fähigkeit zu fühlen etc., und daß, weil kein Fötus eine Person ist, kein Fötus denselben Anspruch auf Leben hat wie eine Person,,60. Abtreibung und Euthanasie können von ihm unter bestimmmten Bedingungen freigegeben werden 61 . Andererseits werden von ihm auch nichtmenschliche Lebewesen, etwa Schimpansen, Wale, Delphine, Hunde und Katzen etc. zu Personen erklärt. Da sie vernunftbegabt und selbstbewußt sind, haben sie denselben Wert. "Einem Leben bloß deshalb den Vorzug geben, weil das Lebewesen unserer Gattung angehört, würde uns in dieselbe Position bringen wie Rassisten, die denen den Vorzug geben, die zu ihrer Rasse gehören,,62. Das Ergebnis dieser Überlegungen führt ihn zu einer Neubesinnung über das Töten nichtmenschlicher Personen: "Daher sollten wir die 56 V gl. Baumgartner, Hans Michael, Probleme einer ökologischen Ethik, in: K.H. Erdmann ( Hrsg.), Perspektiven menschlichen HandeIns: Umwelt und Ethik, Berlin u. a. 21993, S.23. 57 Singer, Peter, Praktische Ethik, Stuttgart 1984, S. 122. 58 Singer, Peter, (1984), S. 108. 59 Singer, Peter, (1984), S. 108. 60 Singer, Peter, (1984), S. 168. 61 Singer, Peter, (1984), S. 174 ff. 62 Singer, Peter, (1984), S. 107.
VI. Ausgleichversuche
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Lehre, die das Leben von Angehörigen unserer Gattung über das Leben der Angehörigen anderer Gattungen erhebt, ablehnen. Manche Angehörige anderer Gattungen sind Personen; manche Angehörigen unserer eigenen Gattungen sind es nicht,,63. Zu den letzteren gehören z. B. mißgebildete Säuglinge. Wichtig für die Entscheidung, ob es zur Euthansie kommt, sind Eigenschaften der Rationalität, der Autonomie und des Selbstwußtseins. Wo diese bei einer Entität fehlen, ist das Töten erlaubt, wo diese vorhanden sind - etwa auch bei nichtmenschlichen Lebewesen - ist das Töten verwerflich. Mit Recht wird heute erklärt, daß vom Menschen keineswegs gedankenlos mit dem nichtmenschlichen Leben umgegangen werden darf; dementsprechend wird auf die Mitgeschöpflichkeit von Pflanzen und Tieren hingewiesen. Aber die nichtmenschlichen Lebewesen sind eben nicht MitMenschen 64 . Eine Ethik, die sich neben einer Anthropozentrik auch dem Kriterium der Leidensflihigkeit verpflichtet weiß, hat auch Dieter Birnbacher vorgelegt. "Dort, wo Leidensfähigkeit in der Natur (und d. h. bei höheren Tieren) vorausgesetzt werden kann, steht der Mensch vor der Pflicht, diese Leiden zu vermeiden oder möglichst weitgehend zu minimieren,,65. Allerdings muß nicht nur auf die schmerzfähige, sondern auch auf die nicht-schmerzfähige Natur Rücksicht genommen werden. Um des Menschen willen wäre eine Entwicklung, die zur Schädigung oder gar zur Zerstörung der Natur führt, zu bedauern. Birnbacher will aber nicht das Verhältnis des Menschen zur Natur romantisch verklärt sehen. Für ihn ist eher eine rationale Planung im Umgang mit der Natur notwendig 66 . Die Natur allein ist nicht in ihrer "biosphärischen Einheit und Vielfalt an sich selbst schützens- und bewunderswert"67. Auch bei der Pathozentrik gilt also, daß nur ihre Verknüpfung mit einem geläuterten Anthropozentrismus für die Gestaltung des Verhältnisses von Mensch und Natur bestimmend sein kann.
VI. Ausgleichversuche Zwischen einem generellen Anthropozentrismus und einem physiozentrischen oder biozentrischen Ansatz gibt es keinen Ausgleich. Denn der radikale Anthropozentrimus schließt eine gleichwertige Anerkennung zwischen menschlichen und Singer, Peter, (1984), S. 134. Vgl. Honecker, Martin, Herrschaft über die Natur und Bewahrung der Schöpfung, in: K. H. Erdman (Hrsg.), Perspektiven menschlichen Handeins: Umwelt und Ethik, Berlin u. a. 2 1993, S. 86. 65 Altner, Günter, (1991), S. 36. 66 Vgl. Bimbacher, Dieter, Sind wir für die Natur verantwortlich? In: Ökologie und Ethik, Dieter Bimbacher (Hrsg.) Stuttgart 1980, S. 134. 67 Altner, Günter, (1991), S. 37. 63
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3. Kapitel: Anthropozentrismus in den Umweltethiken
und nichtmenschlichen Lebewesen aus. Umgekehrt leugnen die physiozentrische und auch die biozentrische Ethik die Grundverschiedenheit der menschlichen und nichtmenschlichen Lebewesen. Insofern kann höchstens ein geläuterter oder "gemäßigter" Anthropozentrismus maßgeblich sein. Zwar besitzt der Mensch im Kosmos eine besonderer Stellung, aber diese darf die Mitgeschöpflichkeit der anderen Lebewesen nicht ausschließen. Andererseits wird eine physiozentrische oder biozentrische Ethik auch den anthropozentrischen Ansatz des Lebens mit anerkennen. Ähnliches hat auch von den anderen Versionen zu gelten. Schließlich muß der Mensch in die Natur mit eingebunden werden 68 . Wo aber Ausschließlichkeit herrscht, geht man in der Deutung des Lebens fehl. Um nicht den Einseitigkeiten der verschiedenen Versionen zu verfaUlen, hat Bernhard Irrgang versucht, einen neuen Ansatz für eine Umweltethik zu entwikkeIn. In der Umweltethik sollen die Folgen eines Eingriffs in die Umwelt und die sittliche Bewertung der Ziele berücksichtigt werden 69 . Darum ist zu fragen, ob "die vorhersehbaren Folgen eines Eingriffs lebensgerecht und sozialverträglich" sind, ob sie "bestimmte Menschen, Bevölkerungsgruppen oder auch Lebewesen" bevorzugen bezw. benachteiligen. Das könnte dann den Inhalt eines geläuterten Anthropozentrismus ausmachen. Darin drückt sich zugleich ein Naturalismus aus, in dem der Mensch für die Gesellschaft und die Kultur steht.
VII. Kirchenamtliche Stellungnahmen zur Umweltethik Die im Ökologie-Begriff steckende Forderung an den Menschen zum Schutz der Umwelt kann mit dem Begriff der Haushalterschaft gekennzeichnet werden. Ökologie ist bekanntlich recht verstanden eine Ökonomie des Hauses und will der Verantwortung des Menschen Rechnung tragen. Greift man auf die Schöpfungsaussagen der Bibel zurück, hat sich der Mensch nicht als Ausbeuter, sondern als Mandatar für die Schöpfung anzusehen. Ihm ist das dominium terrae übertragen 7o . Luther kann gar in diesem Zusammenhang von einer Mitarbeit des Menschen an der Schöpfung Gottes, also von der cooperatio hominis cum deo (Zusammenarbeit des Menschen mit Gott), sprechen7l . Diese Mitarbeit muß in der Bewahrung der Schöpfung bestehen. Allerdings kann dieser Auftrag nicht zu einer allgemeinen Forderung erhoben werden. Denn von der ,Schöpfung' spricht nur ein Mensch, der den ,Schöpfer der Erde' und dessen Honecker, Martin, 21993, S. 88. Irrgang, Bemhard (1992), S. 73. 70 "Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und alles Getier, das auf Erden kriecht" (Gen 1,27 f.). 71 Diese cooperatio hominis cum deo ist eine andere als die der Rechtfertigung des Menschen nach der katholischen Tradition. 68
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VII. Kirchenamtliche Stellungnahmen zur Umweltethik
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Schöpfung anerkennt. Aber auch nach dem christlichen Glauben gilt, daß es keinen Auftrag für den Menschen gibt, die Schöpfung als Ganzes zu erhalten. Diese wird vom Schöpfer allein bewahrt. Es ist eine Sache der providentia, also der Vorsorge Gottes und seiner conservatio (Bewahrung). Wenn der Mensch meint, er könne die Schöpfung als solche bewahren, "dann übernimmt er sich in Hybris"n. Die verfaßte evangelische und die römisch-katholische Kirche haben ebenso wie einzelne Theologen unterschiedliche Konzepte von Umweltethiken entwickelt. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und die Deutsche Bischofskonferenz haben zusammen in den Jahren 1985, 1989 und 1997 zur Verantwortung gegenüber dem Leben und der Schöpfung aufgerufen 73.
A. Die gemeinsame Erklärung von 1985
Bereits seit Mitte der sechziger Jahre hat sich die evangelische Kirche und seit Anfang der siebziger Jahre die römisch-katholische immer mehr der Umweltproblematik angenommen 74 . Die ersten Versuche, die Verantwortung für die Umwelt klar auszusprechen und die Zerstörung anzuprangern, zeigen ein wachsendes Problembewußtsein. Die Ursachen für die Umweltzerstörung liegen für die Kirchen im privaten, wirtschaftlichen und staatlichen Konsum 75. Viele auftretende Probleme beim Konsum von Luft, Wasser und Boden sind bis heute ungelöst. Ferner werden Nahrungsmittel aus tierischem und pflanzlichem Leben durch das ökonomische und nicht-umweltschonende Handeln des Menschen erheblich beeinträchtigt. Geräusch- und Lärmeinflüsse engen die menschliche Lebensqualität ein. Selbst Dritte-Welt-Länder sind wie die Industrieländer durch die Ausbreitung der Wüste, die Abholzung der tropischen Regenwälder etc. betroffen76 • Als Ursachen dafür werden angegeben: Unzureichendes weltanschauliches Verständnis für die Natur, eine falsche Anwendung von Technik, bedenkenlose Fortschrittsgläubigkeit und eine ethische Wertung, die keine Ehrfurcht vor dem Leben kennt. Dazu gehören auch strukturelle Unzulänglichkeiten bei eng begrenzten Handlungsmöglichkeiten. Bewußte Einschränkungen der Verantwortung weisen auf sozialpsychologische Honecker, Martin, 2 1993, S. 87. Gemeinsame Erklärung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz, Verantwortung wahrnehmen für die Schöpfung, Gütersloh 1985. Gemeinsame Erklärung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz, Gott ist ein Freund des Lebens, Gütersloh 1989. Zitiert: G.E. und Jahreszahl. 74 Vgl. G.E. (1985), Z. 23. Hier werden auch die ersten speziellen Schriften der beiden Kirchen zum Umweltschutz genannt. 75 G.E. (1985), Z. 2. 76 Vgl. G.E. (1985), Z. 2 72 73
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3. Kapitel: Anthropozentrismus in den Umweltethiken
und moralische Ursachen für die Umweltkrise hin 77 . Es war den Kirchen darum klar, daß es bei einfachen Korrekturmaßnahmen gegenüber dem Naturverbrauch nicht bleiben kann. Vielmehr muß intensiv über die eigene ethische Verantwortung und die Tatsache nachgedacht werden, daß die Natur eine Schöpfung Gottes und der Mensch nichts anderes als sein Haushalter sei. Darum kann auch dem Christentum nicht pauschal vorgehalten werden, daß die ökologische Krise die Folge eines verfehlten biblischen Schöpfungsglaubens ist78 . In der Zeit, in der die Texte von der Schöpfung aus der Genesis (l. Buch Moses) entstanden sind, herrscht die Meinung vor, der Mensch sei Herr der Natur und solle sich diese untertan machen. Daß der Mensch die Natur einmal völlig "verbrauchen" könnte, stand als Möglichkeit nicht zur Diskussion. Heute dagegen muß die Natur vor der Zerstörung durch den Menschen geschützt werden 79 • Nach dem Alten Testament muß eine Unterwerfung des Bodens vom Herrschen über die Tiere unterschieden werden. Das erstere ist eine In-Besitznahme der Erde, das andere bedeutet ein Hüten und Bewahren 8o . Immer hat der Glaube an den Schöpfer-Gott auch etwas mit Gott als dem Erhalter und Lenker dieser Welt zu tun. Das zeigt sich nicht nur im Alten Testament, sondern auch in der ChristusBotschaft des Neuen Testamentes. "Durch Jesus Christus ist die Heilung der Schöpfung und ihre Rückführung zu Gott unwiderruflich in Gang gekommen"SI. Es ist zwar verständlich, daß sich aus solchen theologischen Erwägungen heraus keine unmittelbaren ökologische Folgerungen ableiten lassen. Aber Christen sollen und können einen speziellen Beitrag zu einem neuen Denken leisten 82 . Als Konsequenzen dieser Überlegungen werden in der "Erklärung" vier Forderungen an das menschliche Handeln erhoben: l. Die Forderung nach einem neuen Lebensstil. Es gilt zu erkennen, daß die Verantwortung für die Umwelt nicht nur beim Staat liegen darf, sondern auch Sache des einzelnen ist. Daraus sind neue Konsumgewohnheiten und verantwortliches Wahrnehmen der Schöpfung abzuleiten 83 .
2. Die Forderung nach einem ökologisch verträglichen Wirtschaften. Dabei steht die von vielen Gremien vertretene Forderung im Mittelpunkt, die Soziale Marktwirtschaft um eine ökologische Ausrichtung zu erweitern. Es geht um die Berücksichtigung von ökologischen Aspekten in der Wirtschaft. Sowohl die Anpassungsfähigkeit des Wirtschaftssystem als auch die Einsicht der Unternehmer und Verbraucher ist mit einzubeziehen. Dabei soll dem Verursacherprinzip Rech77
78 79
80 81 82 83
Vgl. G.E. (1985), Z. 6ff. Vgl. G.E. (1985), Z. 42. Vgl. G.E. (1985), Z. 49ff. Vgl. G.E. (1985), Z. 50f. G.E. (1985), Z. 61. G.E.(1985), Z. 63. Vgl. G.E. (1985), Z. 72ff.
VII. Kirchenamtliche Stellungnahmen zur Umweltethik
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nung getragen werden 84 . Die Erhaltung der Umwelt muß als eigenes wirtschaftspolitisches Ziel außer der Vollbeschäftigung, der Währungsstabilität, dem angemessenen Wachstum und der gerechten Einkommensverteilung gelten 85 . 3. Die Forderung nach einer Ökologiepolitik. Auch die Politik hat in allen ihren Bereichen dem Umweltschutz Rechnung zu tragen. Sie muß Rahmendaten setzen, gezielte Investitionen zur Förderung der Umschweltschutz-Technik beschließen, die politischen und administrativen Zuständigkeiten neu regeln (Kompetenzen festlegen) und in Form einer sparsamen Haushalterschaft die Versorgung der Bevölkerung mit Naturgütern sicherstellen 86 . 4. Die Forderung nach einer umweltorientierten Verantwortung der einzelnen Christen und Kirchen. Die Kirchen dürfen die Menschen in ihrer Sorge um die Umwelt nicht allein lassen, sondern müssen zur Übernahme von Verantwortung beitragen und den Menschen Hoffnung schenken 8? Unabhängig vom christlichen Glauben lassen sich nach der Gemeinsamen Erklärung drei ethische Konsequenzen festhalten: - "Es ist sittlich verwerflich, die Umwelt so zu verändern, daß dadurch heute oder zukünftig lebende Menschen klar voraussehbare Schäden erleiden. Wenn freilich nur die Wahl zwischen zwei Übeln besteht, muß das geringere Übel dem größeren vorgezogen werden". - "Die Umwelt darf zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse herangezogen werden, solange Nachteile und Schäden für Mensch und Natur nicht größer sind als der Nutzen aus dem Gebrauch der Naturgüter und solange dabei der Fortbestand der Menschheit garantiert bleibt". - Schließlich ist die Umwelt "mit aktiven und notfalls einschneidenden Maßnahmen zu erhalten,,88. Das Papier warnt davor, die Verantwortung durch apokalyptische Ängste vor dem Ende der Welt zu lähmen.
B. Die gemeinsame Erklärung von 1989 Im Zusammenhang mit anderen Bedrohungen des Lebens (z. B. des Schwangerschaftsabbruchs) setzen sich beide Kirchen in ihrer Veröffentlichung "Gott ist ein Freund des Lebens" aus dem Jahre 1989 für die Erhaltung des Lebens ein. Denn das Leben ist eine Gabe Gottes, die er den Mächten der Gewalt und Zerstörung 84
85 86 87
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Vgl. G.E. (1985), Z. Vgl. G.E. (1985), Z. Vgl. G.E. (1985),Z. Vgl. G.E. (1985), Z. G.E. (1985), Z. 39.
83. 82. 88ff. 94 ff.
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3. Kapitel: Anthropozentrismus in den Umweltethiken
nicht überläßt 89 . Aber Leben ist als menschliches Leben immer gefährdet. An die Stelle der in früheren Jahrhunderten lebensbedrohenden Seuchen sind heute andere Gefährdungen getreten, von denen einige unter dem Stichwort der Umweltzerstörung aufgeführt werden. Sie bestehen in den vielfach erwähnten Beeinträchtungen oder Zerstörungen der Grundlagen des Lebens, in den Risiken der Gentechnologie, im Vernichtungspotential der Waffentechnik oder in den Auswirkungen des Verkehrs mit seinen Verkehrstoten. Schließlich dürfen auch die generellen Bedrohungen des Lebens ingesamt (Zerstörung des menschlichen und des tierischen Lebens) nicht verschwiegen werden 9o . Gefordert wird ein von allen Menschen getragener Schutz des Lebens, vom ungeborenen menschlichen Leben bis zum Ende menschlicher Existenz.
c. Das Sozialwort von 1997 Der Rat der Evangelichen Kirche und die Deutsche Bischofskonferenz haben 1997 ein Wort zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschlands vorgelegt, um auf dem Boden der biblischen Botschaft und der christlichen Sozialethik ihren Beitrag zur Neuordnung der Gesellschaft im allgemeinen und der Sozialen Marktwirtschaft im besonderen zu leisten 91 • "Ihr Anliegen ist es, zu einer Verständigung über die Grundlagen und Perspektiven einer menschenwürdigen, freien, gerechten und solidarischen Ordnung von Staat und Gesellschaft beizutragen und dadurch eine gemeinsame Anstrengung für eine Solidarität und Gerechtigkeit möglich zu machen,m. Die Grundlage für die Stellungnahme, die einen Wandel der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland hin zu einer ökologischen Ökonomie erreichen will, liegt in einem im Jahr 1994 eingeleiteten Konsultationsprozeß, der in den Kirchen und anderen Gruppen, Verbänden und Parteien zu einer regen Diskussion über die gesellschaftlichen und ökonomischen Fragen in Deutschland führte. Massenarbeitslosigkeit, soziale Sicherung, gerechte Teilhabe an den gesellschaftlichen Gütern, Verbesserung der Lage bei den schwächeren Gliedern der Bevölkerung, Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland wurden als vorrangige Handlungsziele genannt93 . Die Kirchen sehen, wie angedeutet, die Soziale Marktwirtschaft als den "geeigneten Rahmen für eine zukunftfähige Wirtschaftsund Sozialpolitik"; aber sie muß - wie bisher auch schon geschehen - auf diesem Gebiet ständig verbessert werden 94 . Heute ist darum die Soziale Marktwirtschaft sozial, ökologisch und global auszugestalten 95 . Man will zwar die soziale und wirtVgl. G.E. (1989), I. S. 16. Vgl. G.E. (1989) Z. 2. 91 Der Rat der Evangelischen Kirche und die Deutsche Bischofskonferenz, Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit, Gemeinsame Texte 9, Hannover und Bonn 1997, S. 5 92 G. T. (1997), S. 5. 93 G. T. (1997), S. 21, Z. 41. 94 G. T. (1997), S. 9, Z.9. 95 G. T. (1997), S. 10, Z. 11. 89
90
VII. Kirchenamtliche Stellungnahmen zur Umweltethik
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schaftliche Situation nicht ,schlechtreden " aber man ist sich einig, daß es mit einer "ökologischen Nachbesserung des Modells der Sozialen Marktwirtschaft" keineswegs getan ist96 • Vielmehr verlangt man eine Strukturreform, die zu einer insgesamt ökologisch geprägten sozialen Marktwirtschaft führt. Und das bedeutet letztlich eine ökologische Umgestaltung der Sozialen Marktwirtschaft. Dazu ist es notwendig, daß die berechtigten Interessen der "kommenden Generationen und der Menschen auf den anderen Kontinenten nicht verletzt werden,m. Die soziale Gestalt der Marktwirtchaft kann aber nicht durch den ökologischen Gesichtspunkt ergänzt werden, sondern die Ökologie muß als ein eigenständiger Faktor in die ökonomischen Zielprojektionen eingebaut werden 98 . Um die drei Ziele einer sozialen, ökologischen und globalen Marktwirtschaft zu erreichen, bedarf es einer Einbettung dieser Strukturen in "eine sie tragende und schützende Kultur", die durch Erbarmen und Gerechtigkeit gekennzeichnet ist 99 . Die Ursachen für die Arbeitslosigkeit in Deutschland sind umstritten: Verlangsamung des wirtschaftlichen Wachstums, struktureller Wandel, schwierige Anpassung der internationalen Arbeitsteilung durch die Globalisierung der Wirtschaft und des Wettbwerbs sind einige ihrer Merkrnale lOo • Ohne dauerhafte Anstrengung kommt es nicht zur Überwindung der anhaltenden Massenarbeitslosigkeit in Deutschland und in anderen EU-Staaten. Durch diese und aufgrund einer Veränderung der demographischen Entwicklung in Deutchland ist es auch zu einer Veränderung der Sozialstruktur gekommen. Dennoch unterscheidet sich die Armut in Deutschlands von der in der Dritten Welt. Aber sie bleibt ein Stachel! Ihre Kennzeichen sind Einkommensarmut, Wohnungsverlust, hohe Verschuldung, chronische Krankheit, soziale Ausgrenzung, Benachteiligung der Familien etc. 101 . Da ein sozialer Ausgleich nicht erfolgt, muß dieser durch Korrektur der Einkommensverteilung, durch Senkung der Steuer- und Abgabenlast, durch eine breitere Vermögensstreuung und durch Bekämpfung der Steuerhinterziehung etc. erreicht werden 102. Helfen kann dabei die Weiterentwicklung der Eigenverantwortung und die Stärkung der kleineren Einheit. Und das bedeutet Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips, das gut mit "Vorfahrt der Eigenverantwortung" übersetzt worden ist lO3 • Die Industrialisierung hat eine ökologische Krise heraufbeschworen. Die Übernutzung der nicht erneuerbaren Ressourcen, die Belastung von Luft, Wasser und G. T. (1997), S. 9, Z. 9 u. S. 61, Z. 148. G. T. (1997), S. 60, Z. 148. 98 G. T. (1997), S. 60f., Z. 148. 99 G. T. (1997), S. 10, Z. 12 f. 100 G. T. (1997), S. 28ff., Z. 60ff. 101 G. T. (1997), S. 30 ff., Z. 67 ff. 102 G. T. (1997), S. 12f., Z. 19ff. 103 G. T. (1997), S. 14, Z. 27. 96 97
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3. Kapitel: Anthropozentrismus in den Umweltethiken
Boden, aber auch die Ausrottung von Pflanzen- und Tierarten sind Kennzeichen dafür lO4 . Grundbedingung einer zukunfts fähigen Entwicklung ist die Erhaltung der natürlichen Grundlagen des Lebens. Die Ressourcennutzung muß ökologisch und global unter Berücksichtigung der jetzt lebenden und der folgenden Generationen gesehen werden 105. Das aber setzt auch eine Veränderung des Lebensstiles voraus, der nicht nur national, sondern weltweit durch die Begriffe von Solidarität und Gerechtigkeit geprägt sein muß 106. Die Gesellschaft im Umbruch wird durch den europäischen Einigungsprozeß und durch Globalisierungstendenzen geprägt. Zur ökologischen Krise tritt die globale Herausforderung der Wirtschaft hinzu 107. Sie ist nicht nur durch die Überschreitung der Nationalstaatsgrenzen bei den Güter-, Finanz- und Arbeitsmärkten gekennzeichnet, sondern auch durch die Internationalisierung der Produktionsund Investitionsentscheidungen. Dadurch kommt es zur Verschärfung bei den Wettbewerbsbedingungen 108. Ökologie und Globalität sind keine Naturgewalten, sondern müssen im Rahmen von Wirtschafts- und Finanzpolitik gestaltet werden. Zu den Ordnungsprinzipien der Marktwirtschaft gehören als "unverzichtbares Element" die bürgerliche Freiheit und die Bedingung innovativen unternehmerischen Handelns,,109. In der Gegenwart ist kein anderes Wirtschafts system als die Soziale Marktwirtschaft mit einem funktionierenden Wettbewerb in der Lage, die Ressourcen zu lenken und die Konsumentenwünsche zu erfüllen. Aber die Verwirklichung der optimalen Versorgung und der sozialen Absicherung, wie es in der Sozialen Marktwirtschaft in Westdeutschland während der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg geschehen ist, beruht nach Meinung des Sozialwortes auf vier Voraussetzungen, nämlich auf dem Kreislauf von "wachsenden Unternehmenserträgen, produktivitäts steigernden Investitionen, steigenden Löhnen und wachsender Massenkaufkraft"; dieser Kreislauf hat die Vollbeschäftigung gewährleistet. - der Familienstruktur mit nur einem erwerbstägigen Partner. - einer nationalstaatlichen Wirtschaft ohne Globalisierung. - einem extensiven Wachstum mit erhöhten Energieverbauch und einer starken Umweltbelastung llO . Alle vier Voraussetzungen sind heute nicht mehr in dieser Form gegeben. Weder die Marktwirtschaft in ihrer reinen Gestalt noch die soziale Komponente in der bis104 105
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G. T. G. T. G. T. G. T. G. T. G. T. G. T.
(1997), S. 34 ff., Z. 78 ff. (1997), S. 16, Z. 32. (1997), S. 16, Z. 33. (1997), S. 36 ff., Z. 84 ff. (1997), S. 37f., Z. 85 f. (1997), S. 57, Z. 142. (1997), S. 58 f., Z. 145.
VII. Kirchenamtliche Stellungnahmen zur Umweltethik
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herigen Fonn sind in der Lage, die notwendige Antworten zu geben. Schließlich ist auch eine ökologische Umgestaltung der Sozialen Marktwirtschaft erforderlich lll . Denn eine "ökologische Nachbesserung" allein hilft nicht weiter ll2 . Andererseits werden bestimmte Elemente als unverzichtbar erklärt: persönliche Verantwortung, Erhaltung des Marktes, sozialer Rahmen unter den Prinzipien der Solidarität und Subsidiarität, ein Steuersystem, das den Aufgaben der Finanzierung der Infrastruktur, der Staatsaufgaben, des Wachstums, der Beschäftigung und der "sozial gerechten und ausgewogenen Verteilung dient", - Stabilität der Währung u. a. 113 Man sucht nach einer sozialen Absicherung und einer damit verbundenen neuen Sozialkultur, in der das Menschenrecht auf Arbeit verwirklicht, Haus-, Erziehungsund Pflegearbeit aufgewertet und soziale Benachteiligung abgebaut wird. Der Sozialstaat muß also reformiert, die Solidarität in der Gesellschaft gestärkt, eine gerechtere Vermögensverteilung geschaffen, ein ökologischer Strukturwandel vorangebracht, der europäische Einigungspropzeß gefördert und eine weltweite Verantwortung wahrgenommen werden l14 . Zwar sieht das Sozialwort die Soziale Marktwirtschaft auf dem christlichen Menschenbild gegründet, das sich der Freiheit des Menschen, seiner persönlichen Verantwortung und Solidarität mit anderen und der sozialen Verhaftung verpflichtet weiß 115 . Aber gleichsam widersprüchlich dazu wird das ganze System der Sozialen Marktwirtschaft infragegestellt. Man fordert eine Stärkung des Wettbewerbs und gleichzeitig einen Ausbau des Sozialstaates. Darum verlangt man eine Strukturrefonn, durch die der Soziaistaaat jedem Menschen ein menschenwürdiges Leben in Deutschland ermöglicht. Die Kirchen zweifeln an der Kraft des gegenwärtigen Wirtschaftssystems, die Zukunft der Gesellschaft gestalten zu können. Sie glauben deshalb, eine Ausgestaltung der sozialen und ökologischen Komponenten fordern und der Globalisierung der ökonomischen Entscheidungen und Märkte stärker Rechnung tragen zu müssen. Sie wollen die Soziale Marktwirtschaft ökologisch umgestalten. Aber mit einem zusätzlichen ökologischen Attribut zur Sozialen Marktwirtschaft ist es nach Meinung der Kirchen nicht getan. Eine Nachbesserung allein wird nicht helfen. Man legt weiter großen Wert auf die soziale Umverteilung der Einkommens- und Vennögensteile und fordert eine Stär-
111 112 113 114 115
G. T. (1997), S. 60, Z. 146 ff. G. T. (1997), S. 61, Z. 148. G. T. (1997), S. 61, Z. 149. G. T. (1997), S. 68 ff., Z. 167 ff. G. T. (1997), S. 39, Z. 91.
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3. Kapitel: Anthropozentrismus in den Umweltethiken
kung der Wettbewerbsfähigkeit. Dem aber ist entgegenzuhalten, daß dann, wenn der soziale und / oder der ökologische Gedanke über Gebühr betont wird, sich die selbstheilenden Kräfte der Marktwirtschaft nicht mehr entfalten können. Ihre Gestaltungskraft wird verhindert. Der Abbau der Massenarbeitslosigkeit ist darum auch nicht durch eine staatliche Umverteilung der Arbeit, sondern durch eine Entbürokratisierung und Verschlankung des Staates zu erreichen. Die Kirchen behaupten: "Nicht der Sozialstaat ist zu teuer, sondern die hohe Arbeitslosigkeit". Sie meinen ferner: "Der Sozialstaat und die sozial staatliche Leistungen sind nicht die Ursache für die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit,,1l6. Aber andererseits muß eingewandt werden, daß ein gut ausgebautes soziales Netz durchaus den Anreiz für die (Wieder-)Aufnahme von Erwerbsarbeit verringern kann, wie überhaupt eine Verstärkung des Sozialstaates das Ende des auf Freiheit der Entscheidung und des Wettbewerbs unter Berücksichtigung des Privateigentums beruhenden Wirtschaftssystems bedeutet. Außerdem ist gegenüber dem Kirchenpapier zu sagen: Nicht "zuviel" Marktwirtschaft, sondern "zuwenig" hat die heutige Form der Massenarbeitslosigkeit erzeugt.
D. Erklärung der Deutschen Bischöfe (1980) Unter dem Titel "Zukunft der Schöpfung - Zukunft der Menschheit" hat die Deutsche Bischofskonferenz 1980 eine Erklärung zu Fragen der Umwelt- und Energiekrise herausgegeben und zu einer neuen Besinnung aufgerufen, in der der Mensch daran erinnert werden muß, daß er "nicht alles darf, was er kann,,1l7. Der Mensch besitzt nur dann eine Zukunft, wenn auch die ganze Schöpfung eine Zukunft hat 1l8 . Der Christ erkennt durch die Schöpfung das "persönliche DU,,1l9 des Bundesgottes Israels. Dieser ist der Schöpfer des Himmels und der Erde. Die Erde ist dem Menschen in Verantwortung für die gegenwärtige und nachfolgende Generationen übergeben. Die Schöpfung darf darum nicht von der jetzigen Generation zu Lasten der kommenden Geschlechter "wegkonsumiert" werden 120. Das Verständnis der Christen von der Schöpfung und das Verhältnis zu ihr haben "ihre Mitte in Jesus Christus", wie die Erklärung wörtlich sagt. "Er ist das Wort, in dem alles erschaffen wurde, das göttliche Urbild der SChöpfung,,121. Christus ist nicht einfach eine geschichtliche Idee, sondern er begab sich in die Schöpfung, indem er Mensch wurde. 116
ll7
I, I, I. 118 119 120 121
G. T. (1997), S. 77, Z. 190. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz "Die Deutschen Bischöfe" H. 28, Z. Vgl. Deutsche Bischöfe, Z. 1,4. Deutsche Bischöfe, Z. 11, 1,3. Deutsche Bischöfe, Z. 11,5. Deutsche Bischöfe, Z. 11,7.
VII. Kirchenamtliche Stellungnahmen zur Umweltethik
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Direkte Antworten können aus der göttlichen Offenbarung nicht herausgelesen werden. Stattdessen aber wird - weil noch dringlicher gefordert - eine Spiritualität des menschlichen Verhaltens zur Welt gesucht 122 . Eine solche Spriritualität mit dem Anspruch der vier Kardinaltugenden: Maßhalten, Klugheit, Mut und Gerechtigkeit, lebt aus der Tatsache, daß der Schöpfer den Menchen Anteil gibt an der schöpferischen Freiheit, die unter anderem darin besteht, daß man frei sein darf und loslassen kann l23 . Auch die sogenannten "evangelischen Räte": Armut, Gehorsam und Jungfräulichkeit spielen eine Rolle 124. Freilich läßt sich aus ihrem " Weltverhalten " kein umwelt- oder energiepolitisches Konzept entwickeln. Die Bischöfe meinen, daß eine solche Entwicklung auch nicht ihre unmittelbare Aufgabe sei. Indessen gilt ihre Sorge dem Schutz der Arten, der Schonung der Tiere, der Zukunft der Schöpfung insgesamt und damit auch der rechten Energiegewinnung und ihrem Verbrauch 125 •
E. Päpstliche Stellungnahmen Die Päpste haben keine spezielle Stellungnahme zur Umweltproblematik abgegeben. Auch die von Paul VI. im Jahr 1967 verfaßte Enzykika Populorum Progressio hat sich nur mit der Vorstellung einer Entwicklung für die Dritte-WeIt-Länder beschäftigt und dabei den Entwicklungsbegriff mit dem des Friedens gleichgesetzt 126 . Statt vom Fortschritt zu sprechen, wird der Begriff Entwicklung als Namen für Frieden und Gerechtigkeit benutzt 127 . Über eine Entwicklung in Richtung auf die Umweltproblematik wird selbst in der Enzyklika Populorum Progressio geschwiegen. Es geht vielmehr um Freisein von Elend, um die Sicherung des Lebensunterhalts, Gesundheitsfürsorge, Arbeitsangebote, Erwerb von Bildung, Schutz der Menschenwürde etc. 128 Der Begriff ,Entwicklung' selbst wurde von Johannes Paul 11. aus den Sozialwissenschaften übernommen, wie er in seiner Enzyklika Sollicitudo Rei Socialis von 1987 ausführte 129 . Er gilt als ein "moderner Ausdruck einer wesentlichen Dimension der Berufung des Menschen,,13o. Die Entwicklung muß den Menschen als ein ens individuale und als ens sociale umfassen. Sie darf sich darum nicht einfach Deutsche Bischöfe, z. m,l. Vgl. Deutsche Bischöfe, z. m,l, S. 14ff. 124 Deutsche Bischöfe, z. III,1 S. 16. 125 Vgl. Deutsche Bischöfe, Z. III,1 S. 18. 126 Paul VI., Populorum Progressio, n. 76; 87, in: Texte zur katholischen Soziallehre, Herausgegeben vom Bundesverband der Arbeitnehmerbewegung Deutschlands, Kevelaer 4 1977. 127 Vgl. Kramer, Rolf, Umgang mit der Armut, Berlin 1990, S. 77 ff.81. 128 Vgl. P.P. n.6. 129 Johannes Paul II., Sollicitudo Rei Socialis 30. Dez. 1987, Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 82, n. 8. 130 S.R.S. n. 30, I. 122 123
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3. Kapitel: Anthropozentrismus in den Umweltethiken
auf ein ökonomisches Wachstum beschränken 131. In seiner ersten Enzyklika Redemptor Hominis vom 4. März 1979 hat der Papst gegenüber dem Fortschritt der Technik und der damit verbundenen Ängste der Menschen Stellung bezogen. Er verweist darauf, daß einzelne Menschen durch die von ihnen erschaffenen Produkte von einer unvorstellbaren Selbstzerstörung bedroht werden 132. Aber der Mensch ist nicht als Herr über die Natur, nicht als Ausbeuter oder Zerstörer, sondern als ihr Hüter eingesetzt worden 133 . Der "Fortschritt der Technik und die Entwicklung der heutigen Zivilisation, die von der Vorherrschaft der Technik geprägt ist"; machen eine "entsprechende Entwicklung im sittlichen Leben und in der Ethik" erforderlich 134. Allerdings erhebt sich die Frage, ob der Mensch wirklich verantwortungsbewußter wird? Zwar bleibt die von Jesu Christi abgeleitete Königswürde des Menschen erhalten; und aus dieser heraus darf er über die sichtbare Welt herrschen 135. Aber er darf nicht Sklave der Dinge und Systeme werden 136 und "auf sich selber verzichten". In der Enzyklika Sollicitudo Rei Socialis von 1987 wird auf die Unterentwicklung mit ihren schädlichen Auswirkungen hingewiesen und eine Überentwicklung mit ihren Folgen angeprangert. Herrscht hier Überfluß, so dort Ungerechtigkeit. Der Konsumismus als Zeichen des Habens ist ein Zeichen der Verschwendung. In der Konsumgesellschaft zeigt sich reiner Materialismus mit Verschwendung und Abfall 137 • Bereits Paul VI. hatte in Populorum Progressio auf den Unterschied zwischen dem Haben und dem Sein hingewiesen 138 und betont, der Mensch dürfe nicht zum Sklaven des Besitzes werden! Aber die Verführung durch Reklame und das ständig erneuerte Angebot von Gütern verleiten ihn zu einem immer höheren Verbrauch mit entsprechenden Folgen! Der Wert des Menschen liegt, wie die Päpste und auch das Zweite Vatikanum betonen l39 , mehr in ihm selbst, also in seinem Sein, als in seinem Haben bzw. in seinem Besitz. Zwar vervollkommnet das ,Haben' die menschliche Person, wenn es auch zur "Reifung und Bereicherung ihres ,Seins'" beiträgt l4o . Der technische Fortschritt liefert dabei die "Basis für den menschlichen Aufstieg" und damit für sein Haben 141. Aber der Unterschied zwischen Sein und Haben darf auch nicht zu P.P. n. 14. R.H. n. 15,2. 133 R.H. n. 15,3. 134 R.H. n. 15,4. 135 R.H. n. 16, I. 136 R.H. n. 16,2 137 S.R.S. n. 28,2. 138 P.P. n. 19. 139 Gaudium et Spes, n. 35, in: Texte; Vgl. Johannes Paul 11., Sollicitudo Rei Socialis, n.28,4. 140 Johannes Paul 11., Sollicitudo Rei Socialis, n. 28,4. 141 Texte, Gaudium et Spes, n. 35. 131
132
VII. Kirchenamtliche Stellungnahmen zur Umweltethik
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einer Antinomie führen. Das Übel liegt vielmehr in der Qualität des Habens und damit in der Verteilung und Rangordnung der Güter, also in ihrer Unterordnung und Verfügbarkeit für das Sein. Der Mensch darf nie seine Berufung aus dem Auge verlieren und seine Natur als Abbild und Gleichnis Gottes vergessen l42 .
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S.R.S. n. 29,2.
Viertes Kapitel
Zwischen Schöpfung, Natur und Technik An einigen wenigen historischen, sachlichen und personellen Schnittstellen soll das Verhältnis von Natur und Technik aufgezeigt werden. Dabei kann es nicht um Vollzähligkeit gehen, sondern nur um die Darstellung von exzeptionellen Positionen.
I. Technik in der katholischen Tradition A. Das Naturrechtsdenken bei Thomas von Aquin Entscheidende Aussagen über das Naturrechtsdenken bei Thomas von Aquin finden sich in seiner "Summe der Theologie" I. In ihr zeigt sich eine theozentrische Ordnung mit anthropozentrischem Charakter. Ausdruck dieser doppelten Struktur ist die Umschreibung "Von der Bewegung der vernünftigen Kreatur zu Gott hin,,2. Seine Ethik baut darauf auf, daß alles Tätige zweckhaft tätig ist. Dieser Satz stellt die Grundlage des Sittlichen dar. Ethik ist geprägt von einer Teleologie, die ihren Kern in einer Zweckursache der Dinge in dieser Welt sieht. Der Zweck bestimmt das Wesen der Dinge. "Das vernunftlose Wesen hat ein endgerichtetes Wirken nur im Sinne des ,auf etwas zu' (agere ad finern), dem Vernünftigen allein ist es eigen, mit Bewußtsein des Zweckes, ,wegen etwas', zu handeln (agere propter finem),,3. Das Handeln des vernünftigen Wesens ist also von einem Zweck bestimmt. Diese Bestimmung des Menschen ist ihm inwendig zu eigenen, tritt aber auch als objektiv Gegebenes auf, das nicht Idee, wohl jedoch Gebot, Weisung ist. Wie jedes Ding, ist auch der Mensch angetreten zur Vollendung. Diese ist ausgerichtet auf die jeweilige Natur. Natur und Ziel fallen in der Vollendung zusammen 4 . Der höchste Endzweck im Zuge seiner Vollendung weist den Menschen über sich selbst hinaus auf Gott als auf das höchste Gut. Die ,Verähnlichung' mit Gott kann dann nur der Zweck des Menschen sein. Dieses darzulegen und inhaltlich zu füllen, ist Aufgabe der Ethik. Die Ordnung aller Zwecke ist Ausdruck des göttlichen Willens. Ihre Verkündigung geschieht durch gesetzliche Normen. Im 1. Teil des 2. Buches; vor allem in den Artikeln 90 bis 108. Thomas von Aquin, Summe der Theologie Bd. 2, zusammengefaßt, eingeleitet und erläutert von Joseph Bemhart, Stuttgart 31985, S. XXXIX. 3 Thomas (1985), S. XLVII. 4 Vgl. Thomas, (1985), S. L. 1
2
I. Technik in der katholischen Tradition
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Es gibt ein göttliches Gesetz, das nichts anderes ist als die "Vernunft der göttlichen Weisheit" (93,1). Das natürliche Gesetz als Teil der Vernunft (90,1) ist Teil dieses ewigen Gesetzes (91,2). Der Mensch erhält das Gesetz nach der göttlichen Ordnung. Es besaß im göttlichen Urstand einen solchen Einfluß, daß nichts außerhalb der Vernunft oder an ihr vorbei sich ereignen konnte. Im Gesetz liegt eine Art Regel und Maß für das menschliche Handeln oder sein Unterlassen (90,1). Aus ihm lassen sich Normen oder Werte ableiten. Es ist so etwas wie eine "Befehlsvorschrift der Vernunft" (92,1). Alles gehört zum Naturgesetz, wozu der Mensch seiner Natur nach neigt (94,3). "Da die Vernunftseele die eigenbehörige (scil. eigentümliche) Wesens form des Menschen ist, so ist deswegen jedwedem Menschen die naturhafte Neigung dazu inne, daß er vernunftmäßig handelt. Und das heißt, tugendgemäß handeln. Dementsprechend kommen alle Tugendhandlungen vom Naturgesetz her: jedem gibt nämlich naturhaft die eigene Vernunft zu Befehl, daß er tugendhaft handle" (94,3). Thomas unterscheidet zwar zwischen dem absoluten und dem relativen Gut. Das absolute Gut ist das vollkommene Sein. Die Welt des Bedingten ist nur deshalb gut, also relativ gut, weil es in einem objektiven Sinn gut in der vom Schöpfer gestifteten Seinsordnung steht5 . Das Gute ist das Erste, was in die Wahrnehmung der praktischen Vernunft fällt (94,2). In diesem Zusammenhang muß berücksichtigt werden, daß die Definition des Guten vielschichtig ist. Zum einen wird damit bezeichnet: "Gut ist, wonach alles begehrt" (94,2; bonum est quod omnia appetunt). Danach gilt als erstes Gebot: "Gut ist zu tun und ihm nachzutrachten und Übles zu meiden" (94,2). Andererseits werden damit inc1inationes naturales, also die natürlichen Neigungen, erlaßt. Diese gehören zum naturhaften Gesetz und sind mindestens durch folgende drei Aspekte geprägt: "Einmal wohnt nämlich dem Menschen der Hang zu[m] Gut[en] inne gemäß der Natur, in der er mit allen Wesen in einer Gemeinschaft steht; angesichts dessen nämlich, daß jedes Wesen die Erhaltung seines naturgemäßen Seins begehrt ... Sodann wohnt dem Menschen die. Neigung zu etwas mehr Besonderem inne ... Diesem gemäß rechnet zum natürlichen Gesetz, ,was die Natur alle Seelwesen lehrt', wie es die Verbindung von Männlich und Weiblich, die Aufzucht von Nachkommen und ähnliches ist. - Drittens wohnt dem Menschen die Neigung zu[m] Gut[en] gemäß der Natur der Vernunft inne, die ihm eigengehörig [eigentümlich] ist" (94,2r Es geht Thomas bei den genannten natürlichen Neigungen um die Selbsterhaltung, die Natürlichkeit der Triebe bei allen Lebewesen und schließlich auch um die dem Menschen geschenkte Vernunftnatur, die den Menschen das Gute erstreben läßt. In dieser Einteilung sind sittliche und naturhaft-triebliche Elemente miteinander vermischt 7 . Das Sittliche liegt mit seinem Wesen im Willen des Menschen. Gott aber ist der Urgedanke des Geschöpflichen, er ist das Gesetz selbst. 5
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Vgl. Thomas, (1985), S. LVI. In eckigen Klammern sind Interpretationshilfen aufgeführt. Vgl. Irrgang, Bernhard, (1992), S. 206.
5 Kramer
4. Kapitel: Zwischen Schöpfung, Natur und Technik
66
Der Mensch ist nicht nur durch solche naturhafte Ordnungen geprägt, er ist vielmehr und zuerst durch die Ebenbildlichkeit Gottes ausgezeichnet (Vorwort zu 1,11). Durch sie hat er Verstand, Willensfreiheit und Selbstmächtigkeit erhalten, und sie vermitteln ihm Macht zu eigenen Taten (Vorwort). Wenn Thomas von der menschlichen Natur spricht, meint er die personale Natur8 . Das Naturrecht impliziert so das Personsein des Menschen 9 . Während das nicht vernunftbegabte Geschöpf allein aufgrund seiner natürlichen Neigung handelt, führt das vernunftbegabte Wesen Mensch sein Handeln freiwillig und zielbewußt aus. Mit Recht wird darauf verwiesen, daß Thomas nicht nur einen naturrechtlichen (normologischen) Ansatz kennt, sondern auch einen tugendhaft-ethischen 10. Aber für Thomas gehören die tugendhaften Handlungen in den Bereich des Gesetzes der Natur (94,3). Auf diesem doppelten Grund (Norm- und Tugendethik) baut die christliche Anthropozentrik des Aquinaten auf, dessen Zentrum die Rede von der Tugend ist, dessen Prinzipien wiederum die Vernunft oder der Intellekt sind (58,3)1l. Seine Ethik ist eine von der Theozentrik her geprägte Form moralischen Denkens. B. Der Bereich der Technik in den päpstlichen Veröffentlichungen
Die römisch-katholische Kirche und ihre Theologie zeigt sich heute bereit, in einen offenen Dialog mit der Technik und den Naturwissenschaften einzutreten. Bereits in den Veröffentlichungen des Zweiten Vatikanischen Konzil war zu lesen, daß "die neuen Forschungen und Ergebnisse der Naturwissenschaften, aber auch der Geschichtswissenschaften und Philosophie" Fragen stellen und für das Leben im allgemeinen und die Theologen im besonderen "neue Untersuchungen verlangen" 12. Erst in den nachkonziliaren Texten zeigt sich die Veränderung, die die Technik angemessener wahrnimmt 13 . Die negative Bewertung der Technik durch die katholische Theologie in den früheren Jahrhunderten ist damit überwunden. Die Kirche steht der Technik nunmehr aufgeschlossener gegenüber. "Die Zivilisationsskepsis und Technikfeindlichkeit der Gegenwart finden in der katholischen Soziallehre keine Stütze" mehr 14 . Die letzten Päpste haben durchweg die Technik positiv bewertet. Das zeigt sich auch darin, daß bei Johannes Paul 11. die Züchtung von neuen Pflanzenarten zum Nutzen der bedürftigen Bevölkerung ihre Billigung Vgl. Irrgang, Bemhard, (1992), S. 205. Vgl. Irrgang, Bemhard, (1992), S. 100. 10 Vgl. Irrgang, Bemhard, (1992), S. 100 u. 194. II Vgl. anders Irrgang, Bemhard, (1992), S. 194f. 12 Gaudium et Spes n. 62, in: Texte zur katholischen Soziallehre, Hrsg. Bundesverband der katholischen Arbeitnehmer Bewegung, Kevelaer, 41977, S. 382. 13 V gl. Inhoffen, Peter, Katholische Kirche und Technik heute, in: Ansgar Stöcklein und Mohammed Rassem, Technik und Religion, Düsseldorf, Bd. 2, S. 259. 271. 14 Spieker, Manfred, Flucht aus dem Alltag, Köln 1989, S. 41. 8 9
I. Technik in der katholischen Tradition
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findet l5 . Die Technik wird als eine "Frucht der Verstandesarbeit des Menschen und als eine geschichtliche Bestätigung seiner (scil. des Menschen) Herrschaft über die Natur" bezeichnet l6 . In seiner Arbeitsenzyklika "Laborem Exercens" aus dem Jahre 1981 stellte Johannes Paul 11. die Beziehung der Forderung aus dem dominium terrae ("Machet Euch die Erde untertan") zur modemen Industriewelt her. Denn Technik liefert die Grundlage zu Entwicklung. Dazu bedarf es aber zusätzlich noch des Planes und des Willens Gottes 17. Die Technik selbst ist und bleibt der Grundfaktor wirtschaftlichen Fortschritts 18. Johannes XXIII. hatte bereits hervorgehoben: "Wo immer Wissenschaft und Technik blühen und zugleich wirtschaftlicher Wohlstand herrscht, bedeutet das einen großen zivilisatorischen und kulturellen Fortschritt,d9. Schließlich stellt der durch die Technik erzielte Wohlstand ein "Anzeichen fortschreitender menschlicher Kultur" dar2o . Deshalb wandte sich auch Johannes Paul 11. an läßlich seines ersten Deutschlandsbesuchs, als er im Kölner Dom über die technisch-funktionale Wissenschaft sprach, ausdrücklich dagegen, die technisch-wissenschaftliche Kultur als gegensätzlich zur Schöpfungs welt Gottes zu sehen. Da die Technik nicht nur zum Guten, sondern auch zum Bösen angewandt werden kann, gilt: "Technische, auf Weltveränderung gerichtete Wissenschaft rechtfertigt sich durch ihren Dienst am Menschen und an der Menschheit. Man kann nicht sagen, daß der Fortschritt zu weit gegangen ist, solange noch viele Menschen, ja ganze Völker in bedrückenden und sogar menschenunwürdigen Verhältnissen leben, die mit Hilfe technisch-wissenschaftlicher Erkenntnis verbessert werden können. Gewaltige Aufgaben liegen noch vor uns, denen wir uns nicht entziehen können,,21. Diesen Dienst sieht der Papst als einen gegenüber den Mitmenschen an. Im Abschnitt über die wissenschaftliche Forschung und die Achtung des menschlichen Lebens hat der Katholische Katechismus formuliert: "Wissenschaft und Technik erfordern ihrem inneren Sinn gemäß die unbedingte Achtung der sittlichen Grundwerte. Sie müssen im Dienst der menschlichen Person, ihrer unveräußerlichen Rechte, ihres wahren, ganzheitlichen Wohls stehen, wie das dem Plan und dem Willen Gottes entspricht,,22. Das gilt natürlich in besonderer Weise für die Technik-Anwendung in hoch entwickelten Industrienationen, die sich subsidär und solidarisch der technisch weniger entwickelten Völker anzunehmen haben. Vgl. Inhoffen, Peter,( 1990), S. 268. Johannes Paul 11, Laborem Exercens, in: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 1981, Nr. 31, n. 5. 17 Gaudium et Spes n. 35. 18 Laborem Exercens n. 5. 19 Johannes XXIII., Mater et Magistra, n. 175, in: Bundesverband der katholischen Arbeitnehmer Bewegung, Kevelaer, 4 1977. S. 247. 20 Johannes XXIII., Mater et Magistra, n. 246. 21 Johannes Paul 11., Ansprache an Wissenschaftler und Studenten im Kölner Dom am 15. Nov. 1980, in: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 25 A, S. 31. 22 Katholischer Katechismus, München u. a. 1993, Nr. 2294. 15
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4. Kapitel: Zwischen Schöpfung, Natur und Technik
Von der katholischen Soziallehre wird immer wieder die Schonung der Ressourcen als Forderung erhoben. Sie "dürfen zur Befriedigung menschlicher Bedürfnissse nur so lange genutzt werden, solange Nachteile und Schäden für den Menschen und die Natur nicht größer sind als der Nutzen, und solange der Bestand der Menschheit gewährleistet bleibt,,23. Die Technik wird als eine Entwicklung angesehen, die die Lebensbedingungen der Menschheit fördert 24 . Bei seiner Untersuchung über die Behandlung der Themen "Arbeit, Wirtschaft und Technik in Schulbüchern des katholischen und evangelischen Religionsunterrichts" kommt Manfred Spieker zu dem Ergebnis, daß im Bereich der Technik viele Religionsbücher eher "zu einer einseitigen Betonung der Probleme oder zur Schwarzweißmalerei neigen, die den Schüler zur Flucht aus dem Alltag verführt", als zur christlichen Bewältigung des Alltags 25 . Die Folge ist, daß etwa "der chemischen Industrie alle Verantwortung für die Vergiftung der Gewässer, die Verschmutzung der Luft, die Verseuchung der Böden und das Sterben der Wälder aufgeladen und den Grünen verantwortliches Denken und Handeln attestiert wird,,26. Darum legt der Autor eine Positiv-Bücher-Liste mit solchen Bewertungen vor, in denen - "die Technik eine Frucht der Wissenschaft, mithin des menschlichen Geistes ist, durch die der Mensch sein Leben zunächst einmal leichter macht, Not und Gefahren vermindert und dem Auftrag des Schöpfers, sich die Welt untertan zu machen, nachkommt"; ... - "die Gefahrdung der Umwelt das Werk nicht einer an Profit oder Privilegien der Macht interesssierten Minderheit in Wirtschaft oder Politik, sondern aller Menschen ist"; ... - "die Bewältigung der Umweltprobleme die Pflicht nicht nur der chemischen Industrie oder des Gesetzgebers, sondern ebenfalls aller Menschen ist,m. Der Christ muß lernen, sich mehr als bisher der Bereiche Ökologie, Wirtschaft und Technik anzunehmen. Die theologische Begründung dafür findet er in der Menschwerung des Gottessohnes. Nur in ihr werden auch die in unserem Zusammenhang behandelten Themenkreise ,geheiligt'. Es darf darum nicht dabei bleiben, daß Wirtschaft, Ökologie und Technik in den Religionsbüchern beider Groß-Kirchen allzu kurz abgehandelt werden.
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Spieker, Manfred, (1989), S. 43. Vgl. dazu Gaudium et Spes n. 57. und Spieker, (1989), S. 43. Spieker, Manfred, (1989), S. 383. Spieker, Manfred, (1989), S. 380. Spieker, Manfred, (1989), S. 383.
11. Schöpfungs gedanken bei Luther
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11. Schöpfungsgedanken bei Luther Martin Luther ging von einem anthropozentrischen Denken aus. Im Kleinen Katechismus Luthers heißt es bei der Erklärung des Ersten Artikels des Glaubensbekenntnisses: "Ich glaube, daß mich Gott geschafffen hat samt allen Kreaturen, mir Leib und Seel, Augen, Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält. .. ,,28. Im Großen Katechismus wird die Schöpfung des Menschen noch stärker anthropozentrisch gesehen: "Das meine und gläube ich, daß ich Gottes Geschepfe bin, das ist, daß er mir gegeben hat und ohn Unterlaß erhält ... dazu alle Kreatur zu Nutz und Notdurft des Lebens dienen lässet, Sonne, Mond und Sternen am Himmel, Tag und Nacht, Luft, Feuer, Wasser, Erden und was sie trägt und vermag, Vogel, Fisch, Tier, Getreide und allerlei Gewächs, item, was mehr leibliche und zeitliche Güter sind, gut Regiment, Friede, Sicherheit,,29. Dieses alles dient dem menschlichen Leben. Luther konzentriert die Schöpfung auf den Menschen. Schöpfung bedeutet für ihn das Hinstellen des Menschen in einen für ihn geeigneten Lebensbezug. Aber er vertrat zugleich die These von der creatio continua, der fortgesetzten Schöpfung. "Er hebt die traditionelle Scheidung von Schöpfung und Erhaltung, Schöpfung und Vorsehung auf,30. Schöpfung und Erhaltung sind ein und derselbe Sachverhalt. Gott hat dem Menschen Leib und Seele gegeben und erhält sie ihm auch fernerhin. Schöpfung als die Erschaffung der Welt aus dem Nichts (creatio ex nihilo) ist freilich auch für Luther etwas anderes als ihre tägliche Erhaltung; sie ist nicht geschuldet, also umsonst gegeben. Sie besagt Gottes freies Tun. Die Erstschöpfung kann nur erkannt werden aus der göttlichen Erhaltung der Welt als creatio continua; denn "erschaffen heißt ständig Neues hervorbringen,m. Erhalten heißt auch verändern, erneuern, Neues schaffen. Gott ist für Luther weder der aristotelische unbewegte Beweger noch der in der Urzeit einmal tätig gewesene Schöpfer. Die Schöpfung ist für Luther ein Werk aller drei Personen der Trinität, des Vaters, der Sohnes und des Heiligen Geistes. Luther kennt somit nicht die Gegenüberstellung von Gott, den Schöpfer, Gott, den Erlöser, Gott, den Erneuerer 32 . Die nach außen hin gerichteten Werke der Trinität sind in der Definition Augustins unteilbar (opera trinitatis ad extra sunt indivisa). Damit gehört die Schöpfung zum Handeln der ganzen Trinität. Der Sohn ist als die besondere Gestalt der neuen Schöpfung das Urbild der Schöpfung (exemplar). "In Christus ,sind Schöpfer und Geschöpf ein und derselbe'. In ihm hat sich die Schöpfung auf exemplarische Weise verwirk28 Luther, Martin, Kleiner Katechismus, in: Lutherische Bekenntnisschriften, Göttingen 21952, S. 510, 33 ff. 29 Luther, Martin, Goßer Katechismus, in: Lutherische Bekenntnisschriften, Göttingen 21952, S. 648,12ff. 30 Link, Christian, Schöpfung Bd. 7/1, Gütersloh 1991, S. 41. 31 Link, Christian, (1991), S. 35 ff. 32 Vgl. Link, Christi an , (1991), S. 45.
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4. Kapitel: Zwischen Schöpfung, Natur und Technik
licht,,33. Christus führt uns in und durch seine Inkarnation zum Schöpfer selbst zurück. Und auch vom Heiligen Geist gilt: Er "treibt sein Werk ohne Unterlaß bis auf den jüngsten Tag,,34. Gott ist also auch als Geist im Werk der Schöpfung anwesend. Für Luther gehören Schöpfung und Eschatologie eng zusammen. Die Vollendung der Welt ist auf die Schöpfung selbst bezogen. Anfang und Ende stehen in Relation zueinander. Die Schöpfung aus dem Nichts weist nicht nur auf die Freiheit Gottes am Anfang der Schöpfung hin, sondern auch auf die Tatsache, daß eben dieser Gott an seiner Schöpfung festhält, also sie "noch erhält". Die Schöpfung ist auf das Ende und das heißt auf ihre Vollendung ausgerichet. Sie hat ein Ziel! Dieses liegt in der Auferstehung der Toten. Der Mensch wird "wissentlich oder unwissentlich" durch Gottes Handeln zur Mitarbeit, also zur cooperatio, aber nicht zur eigenen Rechtfertigung und damit zur Gewinnung seines Heiles herangezogen; so nämlich hat es die scholastische Theologie getan. Dem Menschen wird jedoch Weltgestaltung zuge billigeS . Gott hat uns ",dazu geschaffen und erhalten, daß er in uns wirke, und wir mit ihm zusammen wirken, sei es außerhalb seines Reiches (also in der ,civitas diaboli' Augustins) durch die allgemeine Allmacht, sei es innerhalb seines Reiches (in der ,civitas Dei') durch die besondere Kraft seines Geistes ",36. Der Mensch regiert zwar mit Gott die Welt. Er ist in die Erhaltung der Welt (creatio continua) mit eingespannt37 ; Aber das bedeutet keine schöpferische Eigenständigkeit.
III. Karl Marx' Naturbegriff Der Naturbegriff bei Marx ist in einem dreifachen Sinn zu interpretieren. Natur ist alles, was nicht vom Menschen geschaffen wurde, also alles, was sich außerhalb des Menschen und seiner Produkte befindet. Zum anderen ist der Mensch ein Teil der Natur. Und schließlich besagt der Begriff Natur in einem sehr begrenzten Sinn, daß das Wesen oder die Essenz des Menschen Natur ise s . Marx verknüpft vor allem den ersten Naturgedanken mit der Entfremdungstheorie. Das Wesen des Menschen strebt nach Selbstverwirklichung. Die Entfremdung von seiner Natur stellt mit dieser zusammen gleichsam einen Schnittpunkt anthropologischer und ökonomischer Entwicklung dar. In der Arbeit wird jeder Mensch zu einem Teil der von Menschen Hand gemachten Maschine. Er wird so zum Objekt. Marx sieht den Menschen der IndustriegeseIlschaft von seiner Natur und damit von seinem wahren Wesen entfremdet. 33 34 35
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Link, Christian, (1991), S. 57. Luther, Großer Katechismus, S. 659 f., 47 ff. Link, Christi an, (1991), S. 72. Link, Christian, (1991), S. 73. Vgl. Link, Christi an, (1991), S. 74 f. V gl. Israel, Joachim, Der Begriff Entfremdung, Reinbek 1972, S. 103.
III. Karl Marx' Naturbegriff
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Das Verhältnis des Menschen zur Natur ist bei ihm nicht aus einem theoretischen, sondern aus einem praktischen Bezug heraus zu verstehen. Der Mensch wirkt auf die Natur ein; er nutzt sie, um seine Bedürfnisse zu stillen, und gestaltet sie nach seinen Wünschen, um sich aus ihren Zwängen zu befreien. Er kämpft mit ihr, obwohl er selbst ein Produkt der Natur ist. In diesem Prozeß zeigt sich das Wesen der Arbeit. Im Arbeitsprozeß liegt eine Auseinandersetzung zwischen Mensch und Natur vor, in der der Mensch sich selbst gegenüber der Natur als eine ,Naturrnacht' oder als ,Naturkraft' erweist. Er entwickelt neue gesellschaftliche Kräfte. Indem der Mensch durch seine Arbeit sich die Natur aneignet, wird nicht nur die Natur selbst zu einem Produkt seines HandeIns, sondern auch der Mensch zugleich ein Produkt der von ihm gestalteten Natur39 . Die Technik hilft ihm, die Arbeitsproduktivität zu erhöhen. Technik geschieht durch die Herstelllung und Benutzung der Arbeitsmittel. "Dadurch erweitern sich die Produktivkräfte, zu denen Marx. neben der menschlichen Arbeitskraft die nutzbaren Bodenschätze, Naturkräfte und Produktionsmittel zählt,,4o. Dazu gehören freilich auch Arbeits- und Produktionsorganisationen. Technik ist außerdem der revolutionäre Faktor, der zur sozialen Revolution führt. Der Mensch wird durch die Maschine, die für ihn eine fremde Macht darstellt, vom Arbeitsprodukt und den Arbeitsbedingungen entfremdet. Das kann man beispielsweise an der Entwicklung von der Manufaktur zur industriellen Produktion erkennen. Die durch die Arbeiter akkumulierte Arbeit tritt in Gestalt von Maschinen und Technik, die als Privateigentum der Produktionsmittel nicht den Arbeitern, sondern den Kapitalisten zugeeignet wird, der direkten menschlichen Arbeit gegenüber. Das Privateigentum an den Produktionsmitteln hindert den Arbeiter, sich das Produkt seiner Arbeit anzueignen. Aus dem Privateigentum an den Produktionsmittel entstand für Marx. Klassenspaltung und Klassenkampf. Mit der Entäußerung der Arbeit durch das Privateigentum tritt die Entfremdung des Arbeiters von seiner Arbeit ein. Je komplizierter der Arbeitsprozeß wird, um so stärker wird die Arbeitsteilung. Der damit gegebene technische Fortschritt beflügelt die Trennung von Arbeit und Kapital und verstärkt die Entfremdung des Arbeiters von seiner Arbeit. Da Arbeit im kapitalistischen Prozeß zur Ware geworden ist, wird auch der Arbeiter selbst zur einer Ware, indem er seine Arbeitskraft gegen Lohn verkauft. Damit findet eine Entfremdung des Arbeiters nicht nur von seiner Tätigkeit, sondern auch von den Produkten statt41 . Der Gebrauch der Technik verstärkt im Kapitalismus die Entfremdung noch. Sie sollte aufgehoben werden, so daß der Arbeiter sich in seiner Selbstverwirklichung selbst erleben kann. Mit Recht wird von der katholischen Soziallehre eingewandt, daß der Mensch vom Marxismus einseitig allein durch die Wirtschaft und durch die Klasse be39 Huning, Alois, Deutungen vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart, in: Technik und Kultur, Bd. 1, Technik und Philosophie, hrsg. Friedrich Rapp, Düsseldorf 1990, S. 66. 40 Vgl. Huning, Alois, (1990), S. 66. 41 Vgl. Israel, Joachim, (1972), S. 61.
4. Kapitel: Zwischen Schöpfung, Natur und Technik
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stimmt wird. Jedes System, das derartig den Menschen definiert, verstößt gegen die Natur des Menschen. Johannes Paul II. hat recht, wenn er feststellt: "Der Mensch wird am umfassendsten dann erfaßt, wenn er im Kontext seiner Kultur gesehen wird,,42.
IV. Ökologische Entwürfe einzelner Theologen Viele theologische Entwürfe mit schöpfungstheolgischer Ausrichtung sind mehr oder weniger unterschiedlich anthropozentrisch geprägt.
A. Jürgen Moltmanns theozentrische Umweltethik Im Mittelpunkt der ökologischer Schöpfungslehre Moltmanns steht ein neues Denken über Gott. Zwar hat sich Gott selbst zum Schöpfer gemacht. Er "entscheidet sich, eine Welt zu schaffen,,43. Aber nicht mehr "die Unterscheidung von Gott und Welt" hat zentrale Bedeutung, "sondern die Erkenntnis der Präsenz Gottes in der Welt und der Präsenz der Welt in Gott,,44. Schöpfung ist nach christlichem Verständnis ein trinitarischer Vorgang, der durch die Christusoffenbarung bestimmt wird: "Der Vater schafft durch den Sohn im Heiligen Geist,,45. Die Trinität ist nicht statisch, sondern durch ein soziales Verhältnis gekennzeichnet. Es besteht eine ewige Gemeinschaft zwischen den drei Personen, die theologisch durch den Begriff der Perichorese, also der wechselseitigen Einwohnung und einer Durchdringung des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, gekennzeichnet wird. In Gott ist keine einseitige Über- oder Unterordnung gegeben. Alle analogen Verhältnisse im Gegenüber von Gott und der Welt, wie Moltmann es mit Barth ausdrückt46 , spiegeln diese Einwohnung und Durchdringung wieder. Darum ist für Moltmann die Perichorese für seine ökologische Schöpfungslehre bestimmend47 . Die Schöpfung wird nicht als ein geschlossenes, sondern als ein offenes System verstanden. Sie muß den Prozeß der Wirklichkeit und damit die Schöpfung am Anfang, in der Geschichte und der Endzeit bedenken 48 . Die Schöpfung wird als ein offenes, partizipatorisches und antizipatorisches System bezeichnet. Das Partizipatorische dieses Systems weist auf die "reichere und vielfältigere Kommunikation Johannes Paul Ir, Centesiumus Annus, n. 24. Moltmann, Jürgen, Gott in der Schöpfung, München 1985, S. 92. 44 Moltmann, Jürgen (1985), S. 27. 45 Moltmann, Jürgen (1985), S. 23. 46 Moltmann, Jürgen (1985), S. 30; M. nimmt einen Gedanken aus Barths K.D. IV,I, Zürich 1953, S. 219 auf. 47 Moltmann, Jürgen (1985), S. 30 f. 48 Vgl. Moltmann, Jürgen, Zukunft der Schöpfung, München 1977, S. 127. 42
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IV. Ökologische Entwürfe einzelner Theologen
73
zwischen den verschiedenen offenen Teilsystemen" hin 49 . Zugleich ist dieses System als ein "sich selbst transzendierendes" zu verstehen, das mit einer allseitigen Kommunikation Anzipationsräume "in den Bereichen des Möglichen besitzt,,5o. Die Welt wird als ein "gottoffenes" System gesehen, während Gott ein "weltoffenes Wesen" ist51 . Darum kann die Welttranszendenz Gottes nicht ohne seine Weltimmanenz, "wie umgekehrt keine evolutive Weltimmanenz Gottes ohne seine Welttranszendenz" gedacht werden kann 52 . Gott ist durch seinen kosmischen Geist in jedem seiner Geschöpfe und in seiner Schöpfungsgemeinschaft präsent. In dieser ökologischen Schöpfungslehre zeigt Moltmann die Weltimmanenz Gottes durch seinen Geist auf. Der Geist wird als die "Organisationsformen und Kommunikationsweisen offener Systeme" bezeichnet53 . Schöpfung im Geist liefert die Möglichkeit, die Schöpfung selbst und auch die Evolution nicht als Gegensatz, sondern als komplementäre Begriffe miteinander zu verbinden 54 . Die Evolutionstheorien entsprechen der "fortgesetzten Schöpfung", also der creatio continua, die auf die Anfangsschöpfung folgt 55 . Das Zeugnis des Neuen Testaments von der Schöpfung liegt im Kerygma von der Auferstehung und in der "Erfahrung des Heiligen Geistes,,56. Während die Schöpfung am Anfang mit der Natur beginnt und mit dem Menschen endet, beginnt die eschatologische Schöpfungslehre mit der Befreiung des Menschen. Die Schöpfung endet mit der Erlösung der Natu~7. Für Moltmann gilt nicht die anthropozentrische Weltanschauung, nach der der Mensch der Grund der Schöpfung des Himmels und der Erde ist. Zwar ist der Mensch das am höchsten entwickelte Geschöpf, aber eben nicht die "Krone der Schöpfung". Eine solche Lehre ist für ihn unbiblisch. Für ihn ist der Mensch aber auch nicht ein "Irrläufer der Natur"58. Gottes Schöpfung vollzog sich vielmehr "aus Liebe um seiner Herrlichkeit willen,,59. "Gott segnet alle seine Schöpfungswerke durch seine ruhende Gegenwart in ihnen,,60. Die "Krone der Schöpfung" ist für Moltmann der Sabbat61 . Das ganze Moltmann, Jürgen (1985), S. 212. Moltmann, Jürgen (1985), S. 213. 51 Moltmann, Jürgen (1985), S. 213. 52 Moltmann, Jürgen (1985), S. 213 f. 53 Moltmann, Jürgen (1977), S. 31. 54 Moltmann, Jürgen (1977), S. 32. 55 Moltmann, Jürgen (1977), S. 215. 56 Moltmann, Jürgen (1985), S. 79. 57 Moltmann, Jürgen (1985), S. 82. 58 Zitat aus: Daecke, Sigurd, M., Natur und Schöpfung - Überlegungen zu einer ökologischen Theologie der Natur, in: Bayeriche Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege Hrsg.), Umwelt - Mitwelt - Schöpfung, Laufener Seminarbeiträge 1/91, S. 40. 59 Moltmann, Jürgen (1985), S. 45. 60 Moltmann, Jürgen, Das Kommen Gottes, Gütersloh 1995, S. 292. 61 Moltmann, Jürgen, Menschenbild zwischen Evolution und Schöpfung, in: Günter Altner (Hrsg.), Ökologische Theologie, Stuttgart 1989, S. 198. 49
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4. Kapitel: Zwischen Schöpfung, Natur und Technik
Schöpfungs werk ist um des Sabbats willen da. "Ohne die Stille des Sabbats wird Geschichte zur Selbstzerstörung der Menschheit. Durch die Ruhe des Sabbats wird Geschichte mit dem göttlichen Maß geheiligt und mit dem menschlichen Maß gesegnet,,62. Die eschatologische Schöpfungslehre bezieht sich nicht auf den Menschen, sondern auf den Sabbat Gottes 63 . Erst am Sabbat wird die Schöpfung vollendet. Der Sabbat ist die "Präfiguration der kommenden Welt,,64. Darum steht die Schöpfung auch noch im Lichte der Zukunft. Moltmann erkennt in seiner Umweltethik den Sonntag, der im Christentum den Sabbat ablöste, als den Tag "der neuen Schöpfung". Dieser Tag der neuen Schöpfung ist für ihn der "ökologische ,Ruhetag' der ursprünglichen Schöpfung"; dieser soll ein Tag "ohne Umweltverschmutzung, ohne Autofahren sein, damit auch die Natur ihren Sabbat feiern kann,,65. Spätestens hier ist zu fragen, wie Moltmann zu dieser exegetisch schwer zu begründenden Aussage kommt. Er geht bei seiner theozentrischen Umweltethik von der These aus: "So lange Gott als das absolute Subjekt gedacht wurde, mußte die Welt als das Objekt seines Schaffens, Erhaltens und Erlösens angesehen werden. Je transzendenter Gott gedacht wurde, desto immanenter wurde seine Welt verstanden. Durch den Monotheismus des absoluten Subjektes wurde Gott immer mehr entweltlicht, und die Welt wurde zunehmend säkularisiert,,66. Die christliche Schöpfungslehre versteht zwar die Welt als Gottes Schöpfung. Aber sie wird zugleich unter dem Kommen Jesu Christi, des Messias, gesehen. Diese messianische Zeit ist nach ihm auf die Befreiung des Menschen und die Befriedung der Natur ausgerichtet 67 . Nach reformatorischer Lehre ist es wichtig zu erkennen, was der Gottesbegriff zur Naturerkenntnis beiträgt und umgekehrt, was die Natur zur Gotteserkenntnis hinzufügt68 . Die Natur ist nicht die Offenbarung Gottes, aber sie zeigt immerhin die Spuren Gottes 69 . Die Weltgeschichte läuft nicht immer so weiter wie bisher. Ein derartiger Glaube "gehört zu den Märchen der ,modemen Welt', den Märchen von ihrer Endlosigkeit und Alternativlosigkeit,,7o. Für die lutherische Orthodoxie wird dagegen nach Moltmann die Erde vernichtet werden. "Mit ,Vernichtung' ist nicht nur die Zerstörung einer gottlosen Form der Welt, sondern wörtlich ihre reductio in nihilum [Zurückführung ins Nichts] als Umkehrung ihrer creatio ex nihilo [Schöpfung aus dem Nichts], also die Rückgängigmachung ihrer Schöpfung gemeint'm. Aber 62 63 64 65 66 67 68 69 70
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Moltmann, Jürgen (1985), S. 150. Moltmann, Jürgen (1985), S. 20; vgl. S. 280. Moltmann, Jürgen (1985), S. 20. Moltmann, Jürgen (1985), S. 298. Moltmann, Jürgen, Gott in der Schöpfung, München 1985, S. 16. Moltmann, Jürgen (1985), S. 19. Moltmann, Jürgen (1985), S. 66. Moltmann, Jürgen (1985), S. 77. Moltmann, Jürgen (1995), S. 155. Moltmann, Jürgen (1995), S. 296.
IV. Ökologische Entwürfe einzelner Theologen
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nach Moltmann muß auch erkannt werden, daß es in der Eschatologie weder um eine Vernichtung, wie das orthodoxe Luthertum meint, oder um eine Transformation, wie die altkirchliche und reformierte Theologie dachte, noch um eine Vergöttlichung der Welt geht, wie die orthodoxe Theologie glaubte, sondern um eine Vollendung der Schöpfung und damit um die Schaffung eines neuen Himmels und einer neuen Erde durch den Tod und die Auferweckung Christi. In ihr wohnt der Schöpfer. Träger dieser Zukunft ist die Erde, auf der der Erlöser selbst präsent war. Moltmann will in seiner der anthropozentrisch entgegengesetzten theozentrischen Schöpfungsethik eine Integration von naturwissenschaftlichen und theologischen Überlegungen versuchen. Als Appell kann die eine oder andere Aussage von Bedeutung sein. Für eine allgemeine ökologiche Orientierung reichen diese Überlegungen nicht aus. Das sieht ähnlich so auch Bernhard Irrgang 72 . B. Eugen Drewermann und die naturalistische Kritik
Eugen Drewermann wendet sich gegen den überlieferten christlichen Anthropozentrismus der Schöpfung73 , weil dieser den Menschen als "Mittelpunkt und Maß" siehe 4 . Er propagiert stattdessen eine allgemein-religiös geprägte ökologische Ethik. Für ihn besaß die Religion des Volkes Israels und in ihrem Gefolge dann auch das Christentum ein "außerordentlich heikles Verhältnis zur Natur"75. Der Glaube erwuchs zunächst aus dem Glauben an den Gott der Vater. Die daraus entsprungene Religiosität des Alten Testamentes gründete auf der Religion des Stammesverbandes 76 . Darum wurde der Mensch nicht als Individuum, sondern als Glied des Volkes gesehen. Dem Glauben an den Gott der Vater wurde der Gott der Schöpfung vor- und zugeordnet. Gott hat dem Menschen die Nutzung der Erde übertragen, "zu Füßen gelegt", wie Drewermann formuliert. Damit wird gemäß dem israelitischen Sprachgebrauch die Erde und speziell die Natur zur Feindin des Menschen erklärt. Sie darf niedergetreten (rdh im Hebräischen) werden und hat sich dem Willen des Menschen zu unterwerfen. Zusammen mit der israelitischen Naturbeherrschung und der griechischen Vorstellung der Natur als eines "Ensemble(s) rationaler Gesetzmäßigkeiten" kam es im Christentum zu der christlich-jüdischen Anthropozentrik 77 . Sie wurde durch die Verkündigung der Menschwerdung Gottes verstärkt. Ihren Kern sieht Drewermann in der marxistischen Anthropologie wiedergespiegelt. Diese sagt aus, "daß der 72
73 74 75 76 77
Irrgang, Bemhard (1992), S. 45. Drewerrnann, Eugen, Der tödliche Fortschritt, Regensburg 61990, besonders S. 62 ff. Drewerrnann, Eugen, (1990), S. 64. Drewerrnann, Eugen, (1990), S. 71. Vgl. Drewerrnann, Eugen, (1990), S. 71. Drewerrnann, Eugen, (1990), S. 74 f.
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4. Kapitel: Zwischen Schöpfung, Natur und Technik
Mensch als Mittelpunkt und Maß der Welt gesehen werden müsse,,78. Im Christentum ging es nicht mehr um das Geschick eines Volkes, sondern um das eines einzelnen Menchen. "Die gesamte Natur hatte jetzt dem Wohl und Wehe allein des Menschen zu dienen, und zwar sogar jedes einzelnen Menschen'.?9. Zwei individuelle Erscheinungen haben nach Drewermann den Menschen ins Zentrum gerückt. Er wird zum einen im kosmologischen Sinn zum Mittelpunkt der Welt erklärt, weil auch Christus als Herr des Kosmos verstanden wurde. Zum anderen werden durch die Sünde Adams alle Menschen bestraft. Es wird sogar die ganze Natur in Mitleidenschaft gezogen. Nunmehr muß sie durch einen Menschen erlöst werden. In diesen theologischen Darlegungen haben die christlichen Theologen zu erkennen gegeben, daß sie die Natur nicht kennen und auch nicht zur Kenntnis nehmen wollenso . Der einzige biblische Text, der den zerstörerischen Anthropozentrismus nicht kennt, ist nach Drewermann der Verfasser der ersten Urgeschichte, der Jahwist. Er kennt statt der mit der Anthropozentrik verbundenen Angst und des Machtwillens des Menschen nur den Auftrag, den Baum in der Mitte des Gartens zu respektieren. Er weiß um die Einheit von Mensch und Tier, die sich für den Menschen in der Suche nach einem Partner ausdrücktSI. In Harmonie mit diesem kann der Mensch im Garten Eden leben. Das Christentum hat in Verbindung mit der jahwistischen Lehre von der Erbsünde seine Erlösungslehre konstruiert. "Statt die Kluft zwischen Mensch und Natur als ein Krankheitssysmptom der Menschheit zu werten, hat es selber alles getan, um diese Kluft so groß wie nur möglich zu machen"s2. Aber es besteht wenig Grund, die anthropozentrische Einseitigkeit der Bibel auch in der Gegenwart beizubehalten. Der Schaden ist bereits groß genug. Drewermann fordert deshalb, im Gegensatz zum Anthropozentrismus eine "Haltungsänderung" der Menschen herbeizuführen und von den Naturvölkern (z. B. von den Indianern) zu lernens3 . Dazu gehört, die Harmonie mit der Natur und vor allem auch mit den anderen Lebewesen zu suchen. In einem Ausgleich mit der Natur muß der Mensch sein Leben einrichten. Nur so kann er in einer Bewahrung der natürlichen Kreisläufe des Daseins existieren. Bei den Naturvölkern ergeben sich aus solchen Gedanken der Harmonie und des Ausgleichs "Verhaltensweisen von einer staunenswerten Ehrfurcht vor der Ökonomie der Natur"s4. Bei ihnen herrscht noch Gleichgewicht in der Natur, wie das etwa bei dem Wechsel der Gezeiten zu sehen ist S5 . Der Kreislauf der Natur findet hier seine Berücksichtigung. Daß das Recht zur 78 79
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Drewermann, Eugen, Drewermann, Eugen, Drewermann, Eugen, Drewermann, Eugen, Drewermann, Eugen, Drewermann, Eugen, Drewermann, Eugen, Drewermann, Eugen,
(1990), (1990), (1990), (1990), (1990), (1990), (1990), (1990),
S. 64. Kursive Schreibweise durch E. Drewermann. S. 75. S. 76. S. 103 f. S. 106. S. 81. S. 117. S. 117ff.
IV. Ökologische Entwürfe einzelner Theologen
77
Ausbeutung aller Lebewesen nur einer einzigen Spezies vorbehalten sein soll, ist nach Drewerrnann allein die Meinung der christlich-jüdischen Religion. Da Leben und Tod erst als Einheit die existierende Welt begründen, dienen Drewerrnann die Kopfjagden und Menschenopfer dem Erhalt der Weltordnung. Es war nämlich ein Gleichgewicht von Tod und Leben von nöten. In der Kopfjagd der Azteken und auch in den rituellen Tier- und Menschenopfern der heidnischen V6lker findet Drewermann ein "hohes Maß an Gespür für eine Welteinheit, die man als eine umfassende Harmonie aus einander bedingenden Gegensätzen" erkennt86 . In der Bibel gibt es für ihn nur eine "kümmerliche Stelle, an der die Rechte des Viehs und damit der "Schutz vor Rohheit und Gier des Menschen" zu Worte kommen 87 . Es gilt heute jedoch, die Ordnung der Welt in der Harmonie mit der Natur wiederherzustellen. Das Christentum freilich bringt nur die Zerstörung der Natur hervor. "Nicht die Erlösung des Menschen von der Natur, sondern die Erlösung des Menschen von der Angst des Daseins, die ihn hindert, in ein natürliches Verhältnis zu sich selbst und der ihn umgebenden Natur zu gelangen, wäre die Aufgabe des Christentums,,88. Dieses muß heute aus den jahrtausendealten Erfahrungen vor allem der Naturreligionen wieder gelernt werden. Rettung erwartet er auch von der Tiefenpsychologie. Bei seinen Überlegungen läßt sich Drewerrnann von einer natürlichen, antihumanistischen Religion leiten. Man darf nach ihm den christlichen Glauben nicht so verstehen, als ob alle kulturellen Fragen und Probleme aus der Botschaft des Neuen Testaments herauszulesen seien. Diese lassen sich, wie man weiß, ohnehin nicht direkt aus dem Text der Bibel ableiten. Da das Neue Testament nicht anthropozentrisch, sondern christozentrisch denkt 89 , ist es nun einmal die Aufgabe christlicher Theologie, die Lehre von der Inkarnation des Gottessohnes, von seinem Tod und seiner Auferstehung zu berichten, und die Verherrlichung des Christus als des Hauptes der Schöpfung zu verkünden. Wo das aber nicht geschieht und anderes versucht wird, wie es Drewerrnann tut, geht man an dem zentralen Christusereignis des Alten und Neuen Testamentes vorbei. Die im Kolosserbrief entworfene kosmische Christologie, nach der Gott "durch ihn (Christus) alles mit sich versöhnt hat, es sei auf Erden oder im Himmel, indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz" (Kol. 1,20), interpretiert Drewerrnann darum auch so um, daß in dieser biblischen Überlieferung die Natur nur "die Bühne oder das mit in die menschliche Geschichte verwobene Instrument des göttlichen Heilswillens" war90 . Danach fand dann auch für ihn das Christentum gegenüber dem Alten Testament kein neues Verhältnis zur Natur. Dagegen ist einzuwenden, daß die Kolosser-Stelle gerade die ganze Welt unter Gottes Heilswillen stellt. Christus ist Herr über die kosmischen 86 87
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Drewennann, Eugen, Drewennann, Eugen, Drewermann, Eugen, Drewennann, Eugen, Drewennann, Eugen,
(1990), (1990), (1990), (1990), (1990),
S. S. S. S. S.
113 f. 100. 132. 200. 201.
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4. Kapitel: Zwischen Schöpfung, Natur und Technik
Gewalten. "Christus starb danach nicht nur den stellvertretenden Tod der leidenden Menschen und den ,Tod des Sünders', um Frieden in die menschliche Welt zu bringen, er starb auch den ,Tod alles Lebendingen', um alles im Himmel und auf Erden, d. h. auch die Engel und die Tiere, zu versöhnen und Frieden in die ganze Schöpfung zu bringen,,91, so interpretiert mit Recht Jürgen Moltmann diese Stelle. Alle Geschöpfe kommen in die neue Schöpfungsgemeinschaft, deren Haupt Christus ist. Nach Drewermann könnte die Evolution des Menschen sich erst am Anfang befinden. Über ihre Bedeutung und ihren Sinn wissen auch die Christen nichts Endgültiges. Denn es gibt auch im christlichen Glauben kein eschatologisches Mehr-Wissen 92 . Aber immerhin gibt es für den Christen ein generelles Wissen um den Sinn und das Wesen des Eschatons. Das jedoch ist nicht vergleichbar mit einer "Rückerinnerung an den Paradiesesmorgen". Diese führt keine neue Religion herbei, in der "Natur und Geschichte, Ökologie und Ökonomie, Welt und Mensch, Unbewußtes und Bewußtes, Gefühl und Verstand, Frau und Mann, Leib und Seele eine Einheit bilden könnten,m. Gegenüber einem derartigen aufklärerischen Natur- und Lebensansatz Drewermanns ist eher - weil dem Neuen Testament entsprechend - darauf zu hören, was etwa Karl Barth zum Verhältnis der biblischen Überlieferung im Bezug auf die Tiere sagt: Für ihn gilt nach dem Psalm 36: ",Den Menschen und den Tieren hilfst du, Herr (Ps 36,7)' - das ist ein Faden, der sich durch die ganze Bibel hindurchzieht,,94. Für Barths christozentrischen und damit für seine auf den Menschen ausgerichtete Deutung ist es wichtig, daß der Mensch nicht der Schöpfer, also auch nicht der Herr der Tiere ist; denn er ist schließlich kein zweiter Gott. Er ist "in seiner Würde und Machtstellung doch nur Gottes geschöpflicher Zeuge und Stellvertreter ihnen gegenüber,,95. Damit wird er zu einem "primus inter pares". Er ist mit den Tieren seinem Schöpfer gegenüber der Unterlegene. Zusammen mit allen Kreaturen besitzt er "dasselbe konkrete göttliche Gegenüber,,96. Dies gilt gar für die ganze Schöpfung. "Indem sich der Schöpfer als menschliches Geschöpf zum realen, absoluten Gegenüber aller anderen menschlichen Geschöpfe macht, ist er das reale, absolute Gegenüber auch aller anderen Geschöpfe. Indem der Mensch mit Jesus und so mit Gott zusammen ist, gilt dasselbe auch von allen anderen Kreaturen,m. Barth kann von dem einen Seinsgrund aller, der menschlichen und nichtmenschlichen Kreaturen, sprechen, der in Jesus und dadurch in Gott dem Schöpfer aller liegt. Diesen Seinsgrund hat also auch der Mensch. "Wir wissen aber nicht, was es für die außermenschliche Kreatur bedeutet, von diesem Seinsgrund herzu91 Moltmann, Jürgen, Der Weg Jesu Christi, München 1989, S. 278. 92 Vgl. Drewennann, Eugen, (1990), S. 395. 93 Drewermann, Eugen, (1990), S. 406. 94 Barth, Kar\, Die Kirchliche Dogmatik III, I, Zürich, 21947, S. 202. 95 Barth, KarI, (1947) K.D. III, I, S. 210 96 Barth, Karl, Die Kirchliche Dogmatik,m, 2, Zürich 1948, S. 164. 97 Barth, Karl, (1948) K.D. 111, 2, S. 164.
IV. Ökologische Entwürfe einzelner Theologen
79
kommen. Wir sprechen ihr für uns undurchdringliches Geheimnis aus, wenn wir - in diese Richtung blickend, in die wir hinsichtlich unserer selbst blicken dürfen und müssen - auch von ihr sagen, daß sie mit Gott zusammen ist. Wir wissen nur, daß - wir wissen aber nicht, wie sie es ist,,98. Gott wurde nicht Tier, Pflanze, Gestein oder Gestirn, also Natur im allgemeinen, sondern Mensch! Gott brauchte das nicht, weil damit, daß er Mensch wurde, auch das Nötigste für die Kreatur, Pflanzen und Stein getan wurde. Barth fragt weiter: "Wie und inwiefern?" Und er bekennt, daß er darauf keine Antwort geben könne 99 . Aber auf den Menschen bezogen darf es dann tröstlich und alles andere unterscheidend heißen: "Was verborgen das Sein aller Kreatur ausmacht, das ist als menschliches Sein, darum, weil Jesus Mensch ist, offenbar"IOO. Diese Überlegungen schaffen zwar von sich aus nicht sauberes Wasser und bessere Luft. Sie müssen erst in eine entsprechende Politik umgesetzt werden. Aber ob Drewermanns naturalistische Vorstellung mit ihren Naturmythen und Träumen eine bessere Welt hervorgehen läßt, ist ebenso wenig bewiesen. Mit Recht läßt Barth darum das Verhältnis, also auch die Über- und Unterordnung zwischen Mensch und Tier offen. Trotz seines durch den Christozentrismus gegebenen Anthropozentrismus findet er - im Gegensatz etwa zu Drewermanns religöser Verallgemeinerung - ein relatives Gleichgewicht zwischen den Geschöpfen. "Was wissen wir, ob es sich wirklich so verhält, daß der äußere Kreis der anderen Gechöpfe nur um des inneren, nur um des Menschen willen da ist. Was wissen wir, ob es sich nicht gerade umgekehrt verhält? Was wissen wir, ob nicht beide Kreise, der äußere und der innere, je ihre eigene Selbständigkeit und Würde, je ihre besondere Art des Seins mit Gott haben"lOl?
Barth, Karl, (1948) KD. III, 2, S. 164. Barth, Karl, (1948) KD. III, 2, S. 165. 100 Barth, Karl, (1948) KD. III, 2, S. 165. Vgl. dazu Reinke, Otfried, Tiere - Begleiter des Menschen, Neukirchen-Vluyn 1995. 101 Barth, Karl, (1948) KD. III, 2, S. 165. 98
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Fünftes Kapitel
Ökonomie und Ökologie Die Forderung nach einer Ökonomie, die sich der Aufgabe widmet, die Erhaltung der Umwelt im Wirtschaftsprozeß zu berücksichtigen, leidet darunter, daß es sich bei ihr oft nur um Forderungen an die Wirtschaft oder die Gesellschaft handelt. Vielfach ergehen deshalb Appelle an die Verantwortlichen, sich umweltgerecht oder umweltschonend zu verhalten. Wie bei anderen moralischen Aufrufen oder Seelenmassagen verhallen auch diese oft reaktionslos. Erst wenn Menschen sich durch die ökonomische Notwendigkeit gedrängt fühlen, "etwas" zu tun, oder wenn es sich zu "lohnen" scheint, eine Sache in Angriff zu nehmen, sind sie bereit, sich schützend für die Umwelt einzusetzen. Dann erst übernehmen sie Verantwortung. Hungerkatastrophen wie die etwa in der Sahelzone oder Brandrodungen im Urwaldgebiet haben darauf aufmerksam gemacht, daß Ressourcen- und Umweltprobleme auch in der Dritten Welt existieren. Verbunden damit ist die Einsicht gewachsen, daß Umweltpolitik nicht ein Luxus der Industrieländern ist, sondern auch für die Dritte Welt nötig ist. Die Schadstoffbelastung in den Entwicklungsländern ist heute zum Teil bereits höher als in den Industrieländern. Überall nimmt die Besorgnis über die Ressourcenzerstörung zu. War noch zu Beginn der siebziger Jahre unter dem Stichwort der Grenzen des Wachstums die Erschöpfung der Rohstoffe und der fossilen Energie verstanden worden, so stehen heute auch die erneuerbaren Rohstoffträger wie Wald, Boden und der Wasserhaushalt zur Diskussion. Stichworte für die grundlegende Umweltzerstörung sind etwa: - die Zunahme von Kohlendioxyd in der Atmosphäre und damit eine Erwärmung der Atmosphäre; - die verstärkte Emission von saurem Schwefeldixoyd und Stickoxyden aus der Verbrennung von fossiler Energie; das Abregnen dieser sauren Verbindungen führt zur Zerstörung von Boden und Vegetation, von Wasser und seinen Lebewesen, läßt Stein und -denkmäler verwittern etc. Vernichtung der Ozonschicht und damit die Vergrößerung des Ozonlochs, das die schädliche ultraviolette Strahlung vermehrt zur Erde gelangen läßt.
1. Soziökonomische Ursachen von Umweltschäden
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I. Soziökonomische Ursachen von Umweltschäden Ein öffentliches Gut (Kollektivgut) ist im Gegensatz zum privaten Gut eines, von dessen Konsum niemand ausgeschlossen werden kann, und "das alle Individuen in gleicher Menge konsumieren (können), ohne daß der Konsum einer Person denjenigen anderer Individuen beeinträchtigt"l. Beim Konsum eines privaten Gutes ist ein Verbraucher in der Lage, den Konsum eines anderen zu beeinflussen. Bei diesem Gut kann allerdings auch ein Ausschluß erfolgen. Umweltgüter sind als öffentliche Güter durch drei Besonderheiten charakterisiert: Sie sind weder aufzuteilen noch zu verkaufen, auch sind kaum Menschen freiwillig bereit, zu ihrer Erstellung beizutragen. Und endlich: Man kann keinen Menschen von der Nutzung eines öffentlichen Gutes ausschließen 2 . Dennoch werden auch heute noch Menschen von der Nutzung öffentlicher Güter (Boden, Wasser) ausgeschlossen. Der Boden stellt für die Menschen, die nichtmenschlichen Mitgeschöpfe und die Pflanzenwelt die Grundlage für die Lebensentfaltung dar. Die Inanspruchnahme von Land und Räumen durch Siedlungen, Verkehrswege, Straßen, Schienen oder Wasserwege ist eine Beeinträchtigung der Ressource Boden. Im Verlauf der Entwicklung des eigenen Lebensprozesses beeinflußt der Mensch nicht nur das menschliche, sondern auch das nichtmenschliche Leben. Die Voraussetzung für seine Erhaltung ist der schonende Umgang mit dem Leben überhaupt, den Ressourcen im allgemeinen und mit dem Boden im speziellen. Zukünftige Generationen haben wie die gegenwärtigen denselben Anspruch auf den Boden und seine Nutzung. Im Recht auf Boden gründet letztlich auch das Recht auf die NaturNutzung 3 . Die Zunahme der Bevölkerung führt zur Erosion, Versalzung oder Überdüngung des Bodens und zur Erhöhung des Siedlungsraumes. Gleichzeitig tritt eine Verstädterung der Bevölkerung ein, und damit ergibt sich eine steigende Inanspruchnahme der Luft und des Wassers unter Ausstoß von verstärkten Emissionen und Immissionen. Saubere Luft, gutes (trinkbares) Wasser sind ebenso lebenswichtig wie die Erhaltung des Bodens. In Fällen des Umweltschadens läßt sich nach den Forschungen des Umweltbundeamtes in Berlin eine Schadensbilanz aufstellen. Zwar erweist sich eine Monetarisierung der Umweltschäden als schwierig, sie zeigt aber das Ausmaß für entstandene Schäden auf. Die Schadenspositionen sind für die Bundesrepublik Deutschland Ende der achtziger Jahre bei der Luftverschmutzung Frey, Bruno, (1992), S. 50. Vgl. Wicke, Lutz, Umweltökonomie und Umwelpolitik, München 1991, S. 19f. 3 Das bedeutet freilich nicht, daß der Mensch sein Recht auf Nutzung der Natur abgibt. Vgl. dazu aber mit viel weitergehendem Anspruch: Ruh, Hans, Argument Ethik, Zürich 2 1992, S. 45 ff., speziell S. 63 ff. 4 Vgl. Wicke, Lutz, Lothar de Maiziere und Thomas de Maizere, Öko-Soziale Marktwirtschaft für Ost und West, München 1989, S. 63 ff. I
2
6 Kramer
5. Kapitel: Ökonomie und Ökologie
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(Waldsterben) mit 30 Mrd. DM, bei der Gewässerverschmutzung mit über 20 Mrd. DM, bei der Bodenbelastung mit 10 Mrd. DM und bei der Lärmbelastung mit über 35 Mrd. DM angegeben worden. Andere psychosoziale Kosten (Umweltärger, Streß, Landschaftszerstörung etc.) wurden mit 25 Mrd. DM notiert. Insgesamt wurde eine Summe von Umweltschäden in Höhe von 120 Mrd. DM errechnet5 . Umweltbelastungen können vor allem drei Ursachen haben: entwicklungsbedingte, sozioökonomische und wirtschaftssystembezogene 6 . 1. Zu den entwicklungsbedingten Ursachen lassen sich vor allem das Bevölkerungs- und das Wirtschaftswachstum zählen. Die exponentielle Bevölkerungszunahme fordert eine steigende Nahrungsmittelproduktion und damit eine Intensivierung der Anbauflächen. Wirtschaftswachstum bedeutet eine Erhöhung von Wirtschaftsgütern, Nahrungsmitteln und Dienstleistungen. Auch müssen immer größere Mengen von Abfallstoffen unter wachsenden Schwierigkeiten entsorgt werden. Der technisch-ökonomische Wandel (Einwegverpackungen) hat zu verstärkter Umweltbelastung geführt. Die Verwendung chemisch hergestellter Materialien hat im Vergleich zu der von natürlichen Stoffen immer größere Eingriffe in die Umwelt zur Folge. Das alles führt zu einer Steigerung des Energieverbauchs und auch zu einer intensiveren Nutzung des Bodens. Eine Volkswirtschaft aber bedarf des ökonomischen Wachstums, um in der Lage zu sein, Umweltschäden zu beseitigen. Aber nicht jedes Wirtschaftswachstums hat eine Umweltbe1astung zur Folge. Es gibt auch eine umweltschonende und umweltfreundliche Produktion. 2. Im Bereich der sozio-ökonomischen Ursachen geht es um die Umwelt als öffentliches Gut. Jeder einzelne Bürger hat das Recht, davon zu konsumieren, ohne daß der Konsum anderer eingeschränkt werden muß. Ein totaler Ausschluß von öffentlichen und ehedem preisfreien Gütern ist aus technischen und ethischen Gründen nicht erlaubt7 . Jahrhundertelang wurden, wie bereits dargestellt, diese Güter als freie Güter betrachtet, ihre Gewinnung und ihr Verbrauch war weitgehend uneingeschränkt möglich, da der Vorrat unerschöpflich und ihre Produktion unbegrenzt schien. Als Beispiel dafür mag der Verbrauch von sauberem Wasser bei der Produktion von Papier zu Lasten der Erzeugung eines anderen Gutes (Lachszucht) dienen. Heute aber gibt es wie bereits seit Jahrhunderten am Boden Eigentumsrechte. Auch die Wasserentnahme kann national und international durch private und staatliche Rechte eingeschränkt werden. 3. WirtschaJtssystembezogene Ursachen für Umweltschäden kommen in der Markt- und in der Planwirtschaft vor. Allerdings braucht man bei der Planwirtschaft keine Rücksicht auf die Umwelt zu nehmen. In der Marktwirtschaft dagegeWicke, Lutz, u. a. (1989), S. 67 f. Vgl. Brohl, Silke, Problemaufriß und Ursachenerklärung der Umweltbelastung, in: Werner Lachmann (Hrsg.), Umwelt-Wirtschaft-Ethik, Moers 1993, S. 26. 7 Brohl, Silke, (1993), S. 31. 5
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I. Soziökonomische Ursachen von Umweltschäden
83
gen kann sich ein Umweltbewußsein der Menschen stärker bemerkbar machen, da entstehende Kosten nicht von der Allgemeinheit getragen werden, sondern im besten Fall vom Verursacher. Mag im marktwirtschaftlichen System bei Umweltproblemen oft ein Marktversagen vorliegen, so kann andererseits die Bevölkerung mit ihrem konsumtiven Verhalten für den Schutz der Umwelt sorgen. Eingriffe in die Umwelt vollziehen sich auf verschiedene Weise: - Abbau von Ressourcen. Sind diese organischen Ursprungs, bedarf es vielfach vorher zusätzlicher Reinigungsfunktionen, um einen biologischen Abbau der Abfallstoffe zu erreichen. Sind sie erschöpfbare Rohstoffe und nichtorganischen Ursprungs, bedarf es einer Wiederverwertungsanlage zusätzlich zum Abbau (Recycling) der verbrauchten Ressourcen und einer "Heilung" des Eingriffes in die Natur. - Immissionen. Bei ihnen geht es um die Aufnahme verunreinigender Stoffe oder Geräusche, Strahlen, Licht und Wärme in irgendein Umweltmedium. Solche Faktoren wirken auf die Menschen, auch auf nichtmenschliche Lebewesen und auf Pflanzen. Immissionen (saurer Regen) können Schäden zur Folge haben, die zu Wachstumsschäden von Pflanzen und Tieren führen oder auch Schäden an Kulturgütern hervorrufen. Man spricht in diesem Zusammenhang von sozialen Kosten. Diese sind von den Verursachern und zum größeren Teil von Dritten zu tragen. - Emissionen. Das sind die von einer Anlage ausgehenden stofflichen Abfälle, Geräusche, Strahlungen. Es handelt sich dabei um Abgase (z. B. FCKW), Abwässer, feste Abfälle wie Müll oder resistente Stoffe wie Blei, Cadmium, Chrom, Kupfer, Nickel, Quecksilber, Zink etc. Emissionen können schädlich und unschädlich, belästigend und gefährlich sein. In angemessenen Mengen können sie auch positive Wirkungen erzielen, so z. B. das Phosphat oder der Stickstoff als Düngemittel beim Pflanzenwachstum. An sich wäre es das Naheliegende, die Kosten durch eine Sozialkosten- oder Emissionsabgabe (Pigou-Steuer, s.u.) den verursachenden Produzenten oder Konsumenten anzulasten. "Der Steuersatz würde dabei so bemessen, daß er gerade den wirtschaftlichen Grenzkosten der letzten an die Umwelt abgegebenen Schadstoffeinheit entspricht"s. Aber die eigentlichen Verursacherkosten (z. B. im Energiebereich) lassen sich bis heute nicht genau bestimmen und gerecht zurechnen. Eine Internalisierung der sozialen Kosten erfolgt also noch nicht. Darum bleibt die gewünschte Verhaltensänderung aus 9 .
8 Frey, Rene, L., Umweltschutz mit Marktwirtschaft, in: Martin Lendi (Hrsg.), Umweltpolitik, Zürich 1991, S. 51. 9 Vgl. Frey, Rene, L., (1991), S. 51 f.
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5. Kapitel: Ökonomie und Ökologie
11. Eine ökologische Ökonomie Der in der Ökonomie übliche Kreislaufbegriff signalisiert eine zyklische Wiederholung der wirtschaftlichen Prozesse und damit so etwas wie eine "ewige" Wiederholung von Abläufen. Die Wirtschaft zeigt sich als ein Vorgang, in dem die Transformation von Gütern unendlich erscheint. Die Begrenzung der Ressourcen wird also in den Kreislaufbegriffen nicht berücksichtigt. Hans Christoph Binswanger hat zwei Ansätze für eine ökologisch-ausgerichtete Ökonomie beschrieben, die dieses Defizit beseitigen möchten. Nach ihm können entweder die Grundgedanken einer solchen Wirtschaft festgelegt werden, um daraus anschließend eine Theorie abzuleiten. Oder die bestehenden Wirtschaftstheorien werden einer ökologischen Kritik unterzogen, um auf dieser Basis dann die Theorien ökologisch auszuweiten 10. 1. In seinem ersten Ansatz geht er von den beiden thermodynamischen Grundgesetzen aus, die auch sonst in der Umweltökonomie eine Rolle spielenlI. Diese Gesetze haben zur Grundvoraussetzung, daß ,etwas' nicht aus nichts entsteht, und ,etwas' nicht zu nichts werden kann. Nach dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik, der von den Energiequantitäten handelt, geht in einem geschlossenen System keine Energie verloren. Danach ist die Produktion und Konsumtion von Gütern nichts anderes als die "Transformation von Rohstoffen in konsumierbare Güter" und die "Transformation von konsumierbaren Gütern in Abfälle,,12. Nach dem zweiten thermodynamischen Gesetz wird die Energie von einem freien und verfügbaren Zustand in einen gebundenen und unverfügbaren Zustand "umgewandelt". Das von Rudolf Clausius 1850 formulierte Entropiegesetz besagt, daß alle Kraft in Wärme transformiert wird, also immer mehr Entropie 13 erzeugt wird. Diese Umwandlung der Energieform bedeutet innerhalb eines geschlossenen System langfristig eine Zunahme der Entropie, also von nicht mehr nutzbarer (niederer) Energie. Letztlich geht im Laufe des Prozesses die ganze Energie in eine nicht weiter zur Verfügung stehende Energie über. "Den Zustand weltweit größtmöglicher Entropie, der als ein trostloses Wärmeeinerlei vorgestellt wurde, nennt man den ,Wärmetod ,,"4. Da die Umwelt in dem Ausmaß entwertet wird, in dem "immer neue Rohstoffe ausgegraben und über Produktion und Konsum in Abfälle transformiert werden,,15, zeigt sich die Umweltproblematik als ein angewandtes Binswanger, Hans Christoph, Geld und Natur, Stuttgart und Wien 1991 S. 65 ff. und 71 ff. Vgl. etwa auch: Cansier, Dieter, Umweltökonomie, Stuttgart u. a. 1993, S. 6ff. oder Weimann, Joachim, Umweltökonomik, Berlin u. a. 1990, S. 4f. Nicholas Georgescu-Roegen soll schon 1971 auf das Entropiegesetz für die Wirtschaft hingewiesen haben. Vgl. Zahrnt, Angelika, Zeitvergessenheit und Zeitbesessenheit der Ökonomie, in: Martin Held, Karlheinz A. Geißler (Hrsg.), Ökologie der Zeit, Stuttgart 1993, S. 113. 12 Vgl. Binswanger (1991), S. 66. 13 Sie zeigt als Zustandsgröße den Grad der Unordnung eines Systems an. 14 Weizsäcker, Ernst Ulrich von, Erdpolitik, Darmstadt 51997, S. 67. 15 Binswanger (1991), S. 66. Vgl. dazu auch Weimann, Joachim (1990), S. 4f. IO
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11. Eine ökologische Ökonomie
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Entropiephänomen 16 . Parallel zum Wirtschaftswachstum verliert die Umwelt in dem Ausmaß, "wie immer neue Rohstoffe ausgegraben und über Produktion und Konsum in Abfälle transformiert werden", an Wert 17. In einem geschlossenen System (und die Erde ist ein geschlossenes System) kann die Entropie niemals abnehmen, sondern höchstens zunehmen. Bei erneuerbaren Ressourcen spielt die Entropie keine Rolle. In einem sich selbst überlassenen System entsteht durch den Verbrauch von nicht regenerierbaren Rohstoffen (Metalle, fossile Brennstoffe, etc.) "eine Tendenz zur Zerstreuung" (Dissipation)18. Erst der gestiegene Verbrauch dieser nicht reproduzierbaren Ressourcen hat die Abfälle und so die Entropie erhöht. Aufgrund der steigenden Kosten der Rohstoffgewinnung wird die Umweltzerstörung erhöht, wachsen die Recyclingkosten und nehmen die Gesamtkosten zu. Besonders im Blick auf das zweite thermodynamische Gesetz ist festzustellen, daß nur mit Hypothesen und nicht mit einer exakten mathematischen Genauigkeit gearbeitet wird. Darum sind auch bei umweltpolitischen Maßnahmen nur Annäherungswerte zu erzielen. Ferner ist zu erkennen, daß mit diesem unspezifischen Gesetz keine gesellschaftlichen Veränderungen erfaßt oder eingeplant werden können 19. Schließlich gilt: Energie wird nicht ohne Nebenwirkungen umgewandelt. Aufgabe der Umweltpolitik aber muß es sein, negative Nebenwirkungen zu minimieren und etwaige Synergieeffekte, also positive Nebenwirkungen, zu maximieren. 2. Der zweite Ansatz Binswangers für eine ökologische Ökonomie geht in Verknüpfung von Neoklassik und Post-Keynesianismus von der Unterscheidung zwischen freien (öffentlichen) und ökonomischen (privaten) Gütern aus 20 . Ein Teil der heutigen Umweltgüter waren in früheren Zeiten freie Güter, die nach Eintreten der Knappheitssituation erst zu Wirtschaftsgütern geworden sind. Sie besitzen einen effektiven oder auch Schattenpreis, der durch eine entsprechende Gesetzgebung oder durch das Verursacherprinzip hervorgerufen wird21 . Binswanger geht bei seinen Überlegungen für eine ökonomische Umweltethik von einer Produktionsfunktion aus, die das Sozialprodukt (P) in Abhängigkeit von Arbeit (A), Kapital (K) und technischem Fortschritt (F) sieht: also P =f(A,K,F)22. 16 Das Verdienst, den Entropiegedanken für die Nationalökonomie fruchtbar gemacht zu haben, gehört K.E. Boulding, Economics as a Science, New York, u. a.1970, S. 26ff. Vgl. Jöhr, Wa1ter Ado1f, Bedrohte Umwelt, in: M. P. v. Wa1terskirchen, Umweltschutz und Wirtschaftswachstums, München u. a. 1972, S. 47. 17 Binswanger (1991), S. 66. 18 Stahl, Ame, (1993), S. 162. 19 Vgl. Hastedt, Heiner, Aufklärung und Technik, Frankfurt/Main 1991, S. 185 f. 20 Binswanger (1991), S. 37. 21 Binswanger (1991), S. 72. 22 Binswanger, Hans Christoph, Natur und Wirtschaft, in: Frieden mit der Natur (Hrsg. Meyer-Abich), Freiburg u. a. 1979, S. 150ff.
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5. Kapitel: Ökonomie und Ökologie
"Der Boden und die übrigen natürlichen Ressourcen wurden dabei in das Kapital einbezogen und den Gesetzen des Kapitals unterstellt'.23. Der Boden erscheint im Kapitalwert. Ein Überschuß des Ertrages über den Aufwand wird also nicht dem Boden, sondern dem Kapital, "das im Boden ,angelegt' ist", zugeschlagen 24 . Dadurch wird der Boden in den Vorgang der Vermehrung einbezogen, die eigentlich nur dem Geld und nicht dem Boden zukommt. Es findet ein "Transmutationsprozeß" von Natur in Geld statt. Der Mensch glaubt dadurch, "der Endlichkeit der Natur ausweichen und die ökonomie ,ins Unendliche' ausweiten" zu können 25 . Binswanger jedoch will als Ziel die orthodoxe Produktionsfunktion und die darauf aufbauende Wirtschaftspolitik neu gestalten, indem er die Transrnutation von Natur in Geld überwindet. Er meint, durch die Entnaturalisierung der Produktionsfaktoren entsteht eine scheinbare unendliche Möglichkeit, die Ressourcen ebenso neu zu "schöpfen", wie man das mit dem Geld tut (Notengeld, Buchgeld). Darum will er vor allem dieser scheinbaren unendlichen Transrnutation von Natur in Geld Einhalt gebieten. Denn die Natur ist nicht beliebig vermehrbar. Gefordert wird, das ,Realkapital' wieder in die beiden Bestandteile des "anlagesuchende" Geldkapitals und der Realien zu zerlegen 26 . Das ganze Kapital gliedert sich also zum einen in das Geld-Kapital, das zum kleineren Teil durch Sparen und zum größten Teil durch eine Neuschöpfung (Gold- und Silberproduktion und vor allem Geldschöpfung) entsteht. Zum anderen gehören die Investitionsgüter und die Natur dazu. Dagegen werden die Realien bestimmt durch die Werkzeuge, Maschinen und Gebäude, "die wir als Investitionsgüter bezeichnen", und auch durch den Boden und die übrigen Ressourcen, die die Natur bereitstellt 27 • Da im Realkapital aber noch nicht die Knappheit der natürlichen Güter berücksicht ist, und da erst das Rechnen in Geldeinheiten jedem Marktteilnehmer die Erkenntnis der Knappheit von natürlichen Ressourcen vermittelt, ist das Einfügen des Produktionsfaktors Natur (N) in die Produktionsfunktion wohl der Weg, der Entnaturalisierung der Natur entgegenzusteuern. Schließlich ist ja die Erkenntnis der Begrenztheit unserer Erde intellektuell den Mitgliedern der Industrienationen einsichtig 28 . Aber das ist nur ein psychoBinswanger, Hans, (1979), S. 156f. Binswanger, Hans, (1979), S. 164. 25 Binswanger, Hans, (1979), S. 165. 26 Binswanger, Hans, (1979), S. 172; Binswanger (1991), S. 82. 27 Binswanger, Hans, (1979), S. 172 28 Binswanger, Hans, (1979), S. 172 ist der Meinung, daß alle Produkte in der Produktionsfunktion sowohl Output als auch Input, Produkt und Produktionsfaktor sind. Dasselbe gilt auch für das Geld (G) und die Natur (N). Die Kurzformellautet nach ihm dann 23
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P(C,I,A,F,G,N)
= O.
Dabei steht C für Nahrungsmittel und Konsumgüter, I für Investitionsgüter, A für Arbeit und F für technischen Fortschritt. In der Binswanger-Formel hat sich allerdings ein Schreibfehler eingeschlichen. Denn die Formel ist eine Wiedergabe der Produktionsfunktion (P) und nicht des technischen Fortschritts (F), wie dort angegeben ist.
111. Umweltwerte und Umweltziele
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logisches Argument. Ob mit dieser Forderung nach Differenzierung für den Umweltschutz letztlich viel gewonnen wird, bleibt offen. Ökonomisch ist damit dem Umweltschutz nicht geholfen.
IH. Umweltwerte und Umweltziele Im Gegensatz zu den anderen Gütern wurde über Jahrhunderte hinweg die Umwelt selbst als sogenanntes freies Gut gesehen, "das ohne Entrichtung eines Preises (Entgeltes) verwendet werden kann,,29. Heute wird dagegen an allen Orten ökonomisch die Umwelt als ein knappes Gut, das geschützt werden muß, erkannt. Nach den beiden Ölpreissschocks von 1973 und 1979 und den dadurch erfolgten Verteuerungen des Barrelpreises für Öl ist zu erkennen, daß eS keine nicht-abbaufähige Rohstoffreserven gibt. Die damals einsetzende Entwicklung wies nämlich nach, daß bei entsprechenden Preisen große Reservelager vorhanden sind, die bei einer Verteuerung der Rohstoffe wirtschaftlich abgebaut werden können (Nordseeöl). Rohstoffanbieter werden heute in die Entdeckung bzw. in den Abbau neuer Quellen investieren, wenn eS sich als gewinnbringend erweist. Der Preis von nicht nachwachsenden Rohstoffen könnte sich dann weiter erhöhen. Selbst solche Planungen sind nicht abwegig, die einen Abbau erst für die Zukunft ins Auge fassen. Das allerdings hat nur dann einen Sinn, wenn man die Kosten für die Ausbeutung und den Verkaufspreis des jeweiligen Rohstoffes kennt 3o . Seit dem Bewußtwerden einer Umweltkrise weiß die Bevölkerung in den Industrie-Nationen um die Belastungen, die sie der Umwelt zumutet. Auch die DritteWelt-Länder sehen immer mehr die Notwendigkeit ein, die Umwelt zu schonen. Darauf wird jedoch in vielen Ländern wenig Rücksicht genommen, wie etwa die Industriepolitik Rußlands, Chinas und vieler Dritte-Welt-Länder erkennen läßt. Hier hat das nackte Überleben der Bevölkerung Vorrang vor einer Zerstörung von Landschaft oder sonstigen Umweltschäden. Der Markt fordert ökonomische Ziele und Werte. Aber er liefert keine Kriterien für überindividuelle Umweltziele. Güter wie Gesundheit, Lebensqualität, menschliche Reproduktion werden nicht auf dem Markt gehandelt. "Kurz, eS handelt sich um gesellschaftliche Werte und Ziele, die außerhalb des Marktes erarbeitet, artikuliert und bewertet werden müsssen,,31. Man kann von einer phasenhaften Entwicklung im Umweltgedanken sprechen 32 . Die Phase J ist durch eine fast vollständige Abstinenz des UmweltschutzFrey, Bruno S. (1992), S. 145 f. Vgl. Frey, Bruno S. (1992), S. 153. 31 Kapp, K. William, Umweltkrise und Nationalökonomie, in: Horst Siebert (Hrsg.), Umwelt und wirtschaftliche Entwicklung, Darmstadt 1979, S. 153. 32 Frey, Bruno S. (1992), S. 133 ff. 29
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5. Kapitel: Ökonomie und Ökologie
gedankens gekennzeichnet. In dieser Zeit brauchen weder Regierung noch Produzenten tätig zu werden. . Die Tatsache, daß die Umwelt politisch fast ganz vernachlässigt wird, dringt erst in der Phase 2 in das Bewußtsein der Bevölkerung. In ihr wird man sich der Umweltschäden bewußt. Man reagiert auf Lärm-, Luft- oder andere Umweltbelästigungen. Aber weder Regierung noch die Produzenten müssen Aktivitäten entfalten. Die eigentliche Diskussion der Umweltpolitik findet dann in der 3. Phase statt. Die Öffentlichkeit ist sensibilisert für den Umweltschutzgedanken, sie erwartet politische Handlungsweisen. Staatliche Beseitigung der Umweltschäden, Gebote und Verbote, eventuell auch Subventionen werden gefordert und wohl auch begrenzt erlassen. Die staatliche Bürokratisierung gewinnt an Bedeutung, z. B. durch den Erlaß von Vorschriften für die Gewährung von Subventionen. Auch die Produzenten entfalten besondere Aktivitäten; denn die Verbraucher sind positiv einem Umweltschutz gegenüber eingestellt. Die eigentliche Realisierung von Umweltschutzmaßnahmen findet in der 4. Phase statt. Nun fallen Kosten für den Umweltschutz an, die durch Gesetze, direkte Maßnahmen wie die Erhebung von Steuern oder durch die Überwälzung von Kosten auf die Preise hervorgerufen werden. Die Produzenten, die durch den Umweltschutz in ihrer Existenzweise gefährdet sind, setzen sich zur Wehr. Aber Umweltschutzabgaben üben ihren Einfluß auf Produktion, Investition, Arbeitsmarkt und auch auf den Konsum aus.
IV. Umweltschutz in der Sozialen Marktwirtschaft Es ist, wie Adam Smith betonte, gerade der Eigennnutz und nicht das Wohlwollen des Bäckers oder Metzgers, das dem Menschen sein Bedürfnis befriedigen hilft. Die Forderung nach ,mehr' Markt im Umweltschutz glaubt, auch den Eigeninteressen der Beteiligten gerecht zu werden. Die Förderung des Eigeninteresse kann also durchaus zu mehr Umweltschutz führen. Mehr Markt im Bereich von Umweltschutz wird ihn kostengünstiger und damit leichter durchsetzbar machen. Die Verstärkung des Marktes in der Umweltpolitik wird diese zusätzlich entbürokratisieren; sie wird so leichter akzeptiert werden. Umweltschutzpolitik muß also marktorientiert geschehen. Sie darf nicht gegen den Markt vorgenommen werden. Allzuviel Eigeninteresse macht den gesetzlichen Umweltschutz notwendig. So wird der umweltschonende öffentliche Verkehr von den Kraftfahrern nur angenommmen, wenn er preislich günstig und zeitsparend ausgestaltet ist. "Von selbst" werden die umweltfreundlichen Filter in die Entschwefelungsanlagen nicht eingebaut. Es ist also die Aufgabe des Staates, für die Marktausrichtung des Umweltschutzes Sorge zu tragen. Eine Marktwirtschaft, die allein mit Hilfe des Marktes den Umweltschutz durchzusetzen versucht, darf nicht durch staatliche Vorschriften behindert, sondern muß von marktkonformen Instrumenten gelenkt werden. Der Verbrauch der
IV. Umweltschutz in der Sozialen Marktwirtschaft
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Umweltressourcen muß durch Marktpreise geregelt werden. Umweltschutz darf nämlich nicht in einem bürokratischen Verwalten von Ressourcen ersticken. Eine Marktwirtschaft, die sich nicht nur dem Markt, sondern auch der sozialen Absicherung und dem Umweltschutz verpflichtet weiß, muß davon ausgehen, daß sie auf Dauer nur funktioniert, wenn sie nicht einen ungehemmten Verbrauch der Natur voraussetzt. Deshalb bedarf sie sowohl einer rechtlichen Rahmenordnung als auch einer auf die Erhaltung der Umwelt gerichteten Gesetzgebung. Diese muß verhindern, daß ein allzu starkes Eigeninteresse den Schutzrahmen der Natur zerstört. Die Marktwirtschaft funktioniert nur, wenn dem Regelwerk des Marktes entsprochen wird. Und das bedeutet, es muß das Privateigentum, die Vertragsfreiheit und die Wettbewerbsfreiheit verwirklicht werden. Adam Smith hat in der Marktwirtschaft das Wirken der "unsichtbaren Hand" gesehen, wonach bei einem entsprechenden Wettbewerb jeder Unternehmer oder Konsument, der seine eigenen Interessen verfolgt, für eine Steigerung des Sozialprodukts sorgt, obwohl das von keinem bewußt angesteuert wird. Wettbewerb und das Gewinnstreben sind die Garanten für die Steigerung von Güter und Dienstleistungen. Auch im Blick auf den Umweltschutz gilt: "Der marktwirtschaftliche Ansatz baut darauf, daß die Menschen über Preissignale zu einem umweltschonenden Verhalten veranlaßt werden,,33. Wie stark allerdings die Reaktionen auf die Preise bei Investitionen, Produktion, Konsum sind, läßt sich nicht voraussagen.
In der Sozialen Marktwirtschaft muß berücksichtigt werden, daß der Staat über die zweite Einkommensverteilung dem Schwachen in der Gesellschaft hilft. Außerdem muß er die Ökonomie über die sozialen, wettbewerbs- und unternehmensrechtlichen Rahmenbedingungen hinaus von größeren Verwerfungen verschonen. Weiter sind finanz- und konjunkturpolitische Daten zu setzen, die unerwünschte Ausschläge und Entwicklungen verhindern oder mindestens beschneiden. Endlich sollen von ihm in eine umweltrechtliche Rahmengesetzgebung Instrumente eingebaut werden, die es ermöglichen, dem Umweltschutz Rechnung zu tragen, ohne dabei der Wirtschaft empfindlich zu schaden. Den ökonomischen Kräften gilt es, Auftrieb zu verleihen, und gleichzeitig, die Umwelt auch für die nachfolgenden Generationen zu erhalten. Deshalb hat die Politik dafür zu sorgen, daß monetäre oder sonstige ökonomische Anreize für Unternehmer und Konsumenten geschaffen werden, um umweltpolitische Maßnahmen zu ergreifen bzw. durchzuführen. Gerade auf den Eigennutz der Beteiligten könnte in diesem Zusammenhang abgestellt werden. Die marktwirtschaftliche Ordnung wird selbstverständlich durch den staatlich gesetzten politisch-sozialen und -ökologischen Rahmen eingeschränkt. Müller-Armack hatte bereits in den siebziger Jahren, also in der zweiten Phase der Sozialen Marktwirtschaft, umweltpolitische Forderungen erhoben 34 . Die Kon33 34
Sachverständigenrat, (1989/90), Z. 290. S. oben S. 16.
5. Kapitel: Ökonomie und Ökologie
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kurrenzsituation macht heute den Umweltschutz kostengünstiger und führt über eine Entbürokratisierung der staatlichen Umweltpolitik zu einer verbesserten Situation des Umweltschutzes. Marktwirtschaftlich ausgerichtete Anreize machen es für die Produzenten sinnvoll, sich für den Umweltschutz einzusetzen. Durch ihn soll sich bei einem Kosten-Nutzen-Vergleich ein Nutzenüberschuß zeigen. Um-weltschutz macht sich dann bezahlt, wenn Kosten eingespart, Erlöse vergrößert oder Risken verkleinert werden. Ökonomisch ist es aber für den Unternehmer auch möglich, durch die Ersparnis von Umweltabgaben oder durch Emissionsminderungen Gewinne zu erzielen. Werden die Preise reduziert, Kosten und andere Nachteile verkleinert, ist der Umweltschutz auch für den Konsumenten erstrebenswert. Im Laufe der letzten Jahre setzte eine immer stärkere Reglementierung der Marktwirtschaft ein. Das lag daran, daß sich keine Marktpreise für einzelne Umwelt-Ressourcen finden ließen. Die Politik sah sich deshalb gezwungen, ordnungspolitische Rahmenbedingungen zu setzen, die zu sachgerechten Lösungen führten. Die Ordnungspolitik hat dabei sowohl den ökonomischen als auch den ökologischen Aspekt zu berücksichtigen. Aber die Freiheit des Handelnden muß erhalten bleiben, wenn der marktwirtschaftliche Ansatz nicht verlorengehen soll. Jede Rahmenordnung indessen bedeutet für die freie Entfaltung des Marktes und damit des Wettbewerbs eine Einschränkung. Auch bisher hat immerhin schon die soziale Komponente eine Einschränkung der Freiheit auf dem Markt bedeutet. Wird die Marktwirtschaft durch eine soziale und zusätzliche ökologische Ausrichtung begrenzt, stellt sich die Frage, ob diese doppelte Gestaltung der Marktwirtschaft mi.teinander harmoniert. Aber es wird heute ja nicht ein Entweder-Oder, also eine soziale oder ökologische Marktwirtschaft, sondern nur eine Soziale Marktwirtschaft gefordert, die auch zugleich ökologisch geprägt ist35 . In diesem Zusammenhang ergeben sich naturgemäß viele Fragen: Wieweit läßt sich die individuelle Verteuerung des öffentlichen oder privaten Verkehrs mit dem sozialen Gesichtspunkt einer größeren Mobilität vereinbaren? Ist die Verteuerung der Abfallbeseitigung (Müllgebühren) ohne gleichzeitige Unterstützung der sozial Schwächeren denkbar? Auch könnte sich zwischen der Produktion von bedarfsgerechten und Gewinn bringenden Gütern und dadurch bedingter Einkommensunterschieden ein politischer Zielkonflikt ergeben. Die gleichzeitige Berücksichtigung ökonomischer und sozialer Komponente in der Marktwirtschaft durch den Staat ist immer nur aufgrund von Kompromissen möglich. Ähnliches gilt für die gleichzeitige Verwirklichung von Freiheit und sozialer Gerechtigkeit.
Für bestimmte gesetzliche und zugleich auch marktspezifische Instrumente wie Abgaben oder Lizenzen können als Lösungen Kompensationen angeboten werden. Umweltabgaben und Umweltzertifikate liefern einen marktwirtschaftlichen Beitrag zu einem effizienten Umweltschutz. Beide entsprechen einander spiegelbildlich 36 . Da man auf dem Markt nicht Preise und Mengen zugleich freigeben kann, 35
Vgl. Lendi, Martin, (1991), S. 33.
V. Umweltschutz und Konsum
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wenn man nicht Umweltschäden durch Übernutzung in Kauf nehmen will, kann nur einer der beiden Parameter fixiert werden. Der andere pendelt sich dann auf dem Markt ein. "Preislösungen (etwa Umweltabgaben und Ökosteuern) arbeiten mit Festpreisen und überlassen es dem ökonomischen Kalkül der Nutzer, in welchem Ausmaß sie die Umwelt gebrauchen. Demgegenüber kontingentieren Mengenlösungen (etwa Zertifikate und flexible Auflagenlösungen) die insgesamt zulässige mengenmäßige Belastung der Umwelt und überlassen dem Markt die Preisbildung für Umweltnutzungsrechte,m. Die ökonomische Belastung ist bei Abgaben kalkulierbar, die ökologische Wirkung bleibt allerdings ungewiß. Bei Zertifikaten kann man von einer ökologischen Wirkung ausgehen; die ökonomische Belastung kann errechnet werden. Für die Anwendung von Zertifikaten lassen sich gute Gründe ausmachen. Eigentlich dürfte es für die Bürger kein Recht, die Umwelt zu belasten, geben. Wird ein solches Recht doch gehandelt, ist es also käuflich, verstößt eine solche Regelung gegen die allgemeine Rechtsvorstellung 38 . Umweltabgaben aber nimmt man hin, weil sie so etwas wie eine Bestrafung suggerieren. Schließlich weiß man, daß Umweltschutz nicht zum Nulltarif zu haben ist.
v. Umweltschutz und Konsum Immer stärker setzt sich in der Bevölkerung der Industrieländer die Meinung durch, es sei nötig, zum Schutze der Umwelt, auch im Nahrungsmittelbereich immer mehr Bioprodukte zu kaufen. Nur so würde der Umweltgedanke auch im Konsumbereich verwirklicht. Denn auch der Konsum verlangt nach ökologischen Konsequenzen, ohne daß es freilich zu einem generellen Rechtsverbot von Gütern kommen darf. Es geht vielmehr um ein "Zusammenwirken sozialpädagogischer, sozialethischer und gesellschaftlicher Bemühungen,,39. Dieser Gedanke bezieht sich nicht nur auf die Güter des täglichen Bedarfs, sondern auch auf die eines langfristigen Ge- und Verbrauchs. Damit verbundene höhere Preise werden von den Unternehmen auf die Preise überwälzt und auch - zum mindestens teilweise - von den Konsumenten akzeptiert, auch wenn gerade im Nahrungsmittelbereich keineswegs eindeutig die Bioprodukte aus solchen einwandfreien Anbaugebieten kommen. Ein berechtigter Argwohn in dieser Hinsicht ist sicher am Platze. Die Marketing-Strategien der Unternehmen nutzen das Umweltbewußtein der Konsumenten bewußt als ein Verkaufsargument. Man verkauft eben nicht mehr die Stärke des Motors oder die Ausstattung eines Pkws, sondern die besondere Umweltverträg36 Vgl. Bonus, Holger, Marktwirtschaft im Umweltbereich: Eine ordnungspolitische Aufgabe, in: Wicke, Lutz u. a., Umwelt Europa - der Ausbau zur ökologischen Marktwirtschaft, Gütersloh 1991, S. 233. 37 Bonus, Holger, (1991), S. 233. 38 V gl. Bonus, Holger, (1991), S. 236 39 Klose, Alfred, Das rechtliche Verbot der Ungüter, in: Hans Gerd Fuchs u. a., Güter und Ungüter, Festschrift für Gerhard Merk, Berlin 1991, S. 68.
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5. Kapitel: Ökonomie und Ökologie
lichkeit des Autos, die guten Möglichkeiten zum Recycling bei den Werkstoffen, die bei der Produktion eines Wagens benutzt werden etc. 40 Auch der Energieverbrauch der Autos und damit eine Verringerung des Schadstoffausstoßes werden auf Druck der Konsumenten gesteuert und direkt oder auch indirekt durch den Staat beeinflußt. Man schaue sich nur die Diskussion über die Höhe der Mineralöl- und Kfz-Steuern an. Die lange Zeit hindurch von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen propagierte Wegwerfgesellschaft ist einer mehr oder weniger überlegenden Konsumhaltung gewichen, die beim Kauf eines Gutes auch danach fragt, ob und wie es nach dem Gebrauch zu recyclen oder umweltschonend zu entsorgen ist (z. B. Autos, Ökokühlschrank). Der Konsumalltag fordert vom Menschen ein hohes Maß an Solidarität mit der nachfolgenden Generation. Das Sozialwort beider Kirchen von 1997 hat mit besonderem Nachdruck darauf hingewiesen 41 .
VI. Umweltpolitik und Preisstabilität Umweltschutzmaßnahmen haben auch Auswirkungen auf das Preisniveau. "Die zusätzlichen Kosten aufgrund umweltschutzbedingter Auflagen, Abgaben und anderer umweltpolitischer Instrumente werden in der Regel nach mehr oder weniger langer Zeit auf die Produktpreise überwälzt,,42. Ein solcher Preisüberwälzungseffekt steht allerdings oft neben einer Preissenkung aufgrund von Energie- und Rohstoffeinsparungen. Ob der eine oder der andere Effekt ausschlaggebend ist, läßt sich schwer von vornherein fixieren. Eng mit der Preisentwicklung hängen die Auswirkungen des Umweltschutzes auf das außenwirtschaftliche Gleichgewicht, also auf die Ausgeglichenheit der Zahlungsströme vom Inland ins Ausland und umgekehrt, zusammen. "Wenn und soweit umweltschutzbedingt das Preisniveau allgemein, insbesondere aber die Kosten der stark exportierenden Branchen ansteigen, wird die internationale Wettbewerbsfähigkeit tendenziell vermindert. Die Einschränkung ,tendenziell' ist deshalb notwendig, weil es von vielen Faktoren abhängig ist, ob tatsächlich eine relevante Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit eintritt,,43. 40 Wie sehr bereits heute das umweltschonende Produzieren propagiert wird, erfährt z. B. der Besucher der Produktionsstätten der Daimler Benz Autos. Hier wird den Käufern bei einer Werks führung nahegebracht, wie der Konzern die einzelnen Werksteile im Blick auf die verbrauchten Rohstoffe, unter Berücksichtigung des Energieverbrauchs und im Blick auf die spätere Entsorgung der verwendeten Materialien umweltschonend bzw. umwelterhaltend herstellt und verarbeitet. 41 G. T., Z. 122 ff. 42 Wicke, Lutz, (1991), S. 220f. 43 Wicke, Lutz, (1991), S. 222.
VII. Umweltschutz und Arbeitsplatzeffekte
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Gelten in einem Land schärfere Umweltschutzbedingungen als in einem anderen, kann es zur Verzerrung des Wettbewerbs kommen. Strengere Umweltschutzbestirnungen können schließlich höhere Kosten bedeuten, mildere dagegen auch eine Exportbremse, wenn das Ausland strengere Vorschriften hat. Ob dieser oder jener Fall eintritt, hängt von vielen Faktoren ab, so z. B. von der Situation der Preis-Kostensituation des Inlandes gegenüber dem Ausland. Allzu hohe Umweltkosten tragen die Gefahr einer Betriebs- bzw. Unternehmensverlagerungen ins Ausland in sich.
VII. Umweltschutz und Arbeitsplatzeffekte Infolge erhöhter umweltbedingter Auflagen werden viele Betriebe von einer bedrohlichen Kostensteigerungswelle erfaßt. Können diese Kosten nicht im Markt aufgefangen werden, kann ein Absatzverlust eintreten, der auch auf den Arbeitsmarkt durchschlägt. Umweltbelastungen führen oft sogar wegen der auf die Preise überwälzten Kosten zur Gefährdung des Unternehmens. Dies ist, wie bereits gesagt, insbesondere bei Auslandsmärkten der Fall, wenn der (internationale) Wettbewerb die Überwälzungen nicht erträgt. Ein solcher Prozeß hat seine' Auswirkungen auch auf die Beschäftigungssituation. Denn er gefährdet nicht nur die Arbeitsplätze, sondern vernichtet sie gar. Aber die Beschäftigungszahlen im Umweltschutz weisen darauf hin, daß dieser auch neue Arbeitsplätze schafft. Durch Umrüstungen von Altanlagen werden Schließungen vermieden. Umweltschutzmaßnahmen für gesunden Boden, saubere Luft und reines Wasser haben in den beiden letzten Jahrzehnten in Deutschland Hunderttausende von Arbeitsplätze erhalten bzw. neu geschaffen. Japanische Erfahrungen lehren, daß das Argument, der Wettbewerb werde durch die Einführung von Umweltschutzmaßnahmen verringert und zerstöre Arbeits-plätze, nicht stimmt. Gerade wegen der Ende der sechzig er und der siebziger Jahre in Japan vorgenommenen Anstrengungen auf dem Gebiet der Luftreinhaltung kam es zu einer Arbeits- und Energiekostenbelastung, ohne daß die Konkurrenzfähigkeit abgenommen hat. Sie ist sogar gestiegen44 . Marktorientierte Instrumente zum Schutze der Umwelt gewähren dem Unternehmen die Möglichkeit, sich den Forderungen des Marktes anzupassen und umweltorientierte Produktionen aufzubauen. Außerdem sind Techniken zum Umweltschutz geeignet, weltweit neue Absatzmärkte zu schaffen. In Deutschland waren 1994 insgesamt 956.000 Personen im Umweltschutz beschäftigt. Allerdings sind davon rund 350.000 Arbeitsplätze dem Staatssektor zuzurechnen. Die Arbeitsplatzeffekte in Westdeutschland sind in der Zeit von 1990 bis 1994 aufgrund der Nachfrage nach umwelttechnischen Produkten lediglich mit 30.000 neuen Stellen zu beziffern45 . 44
45
Wicke, Lutz, (1989), S. 143. Informationsdienst der deutschen Wirtschaft vom 14. 11. 1996, S. 2.
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5. Kapitel: Ökonomie und Ökologie
Umweltschutzinvestitionen können also nicht nur zur Stärkung der abschwächenden Konjunktur beitragen, sondern auch durch zusätzliche Nachfrage nach Gütern eine beschäftigungs wirksame Entwicklungen fördern. "Die Sorge, daß der Umweltschutz Arbeitsplätze kostet, hat in Zeiten schwachen Wirtschaftswachstums immer wieder zu Kompromissen genötigt, die einem teil weisen Verzicht auf Umweltschutz gleichkamen,,46. In Zeiten einer wachsenden Wirtschaft ist das Durchsetzen von Umweltpolitischen Zielen auch beschäftigungspolitisch leichter möglich.
VIII. Wirtschaftswachstum und Umweltschutz Das gesamtwirtschaftliche Wachstum hängt von verschiedenen Einflußfaktoren ab, die zum Teil einander bedingen. Für die ökonomische Entwicklung sind die Kapitalbildung, der technische Fortschritt, die Produktionskosten, die Entwicklung der Weltwirtschaft, die der Erwerbsbevölkerung und auch die der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage maßgeblich. Es darf freilich nicht nur nach einem quantitativen Wachstum, sondern es muß nach einem qualitativen gefragt werden, selbst wenn dieses nur schwer zahlenmäßig erfaßbar ist. Wirtschaftliches Wachstum ist unterschiedlich definierbar. 1. Es kann in einem Ansteigen des realen Sozialproduktes bestehen oder in der Zunahme des Konsums. In beiden Fällen kann, bei gleicher Produktionsweise und Güterzusammensetzung, eine Schädigung der Umwelt auftreten. Wenn es nicht zu einer Wiederverwertung der Rohstoffe kommt, ist eine Schädigung der Umwelt zwangsläufig 47. 2. Wachstum kann auch in einer Steigerung des realen Sozialproduktes oder des Konsums pro Kopf der Bevölkerung bestehen. Steigt das Sozialprodukt stärker als das Bevölkerungswachstum, braucht es keine zusätzliche Umweltschädigung zu geben. Kommt aber der Faktor des Bevölkerungswachstums hinzu, kann auch eine Beeinträchtigung des Umwelt eintreten, 3. Wird Wachstum als Steigerung der Arbeitsproduktivität definiert, ist eine Beeinträchtung der Umweltbelastung l1ur schwer bestimmbar. Sie kann, muß aber nicht eintreten. 4. Wachstum, das aus der Zunahme des Konsum-Nutzens erfolgt, muß nicht wachsende Umweltschäden nach sich ziehen. Ökonomisch geht es nicht um Wachstum schlechthin, sondern um ein angemessenes Wirtschaftswachstum48 . Eine Angemessenheit ist "nicht allein aus Wachs46 Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 1989/90, Z. 281. 47 Vgl. Frey, Bruno S. Umweltökonomie, Göttingen 3 1992, S. 69. 48 Darauf hat mit Nachdruck und vollem Recht der Sachverständigenrät zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 1996/97, Bonn 1996, Ziffer 244, hingewiesen.
VIII. Wirtschaftswachstum und Umweltschutz
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turnsraten von Produktion und Produktionspotential" herzuleiten. Es ist vielmehr zu berücksichtigen, daß die wachstumspolitische Aufgabe zugleich eine umweltpolitische ist. Denn es gilt, dafür zu sorgen, "daß das wirtschaftliche Wachstum in Bahnen verläuft, die mit der Schonung der natürlichen Lebens- und Produktionsgrundlage vereinbar sind,,49. Daraus ergibt sich die Definition, daß ein angemessenes Wachstum nur dann gegeben ist, "wenn die damit verbundene Nutzung nicht in Zukunft zu Knappheiten führt, die der Fortsetzung des Wachstum entgegenstehen und die Lebensbedingungen verschlechtern"so. Darum muß ein angemessenes Wachstum den natürlichen und geschaffenen Kapitalstocks erhalten. Langfristig ist heute Wirtschaftswachstum ohne Umweltschutz nicht mehr denkbar. Umgekehrt ist der Umweltschutz gar die Voraussetzung für eine langfristige wirtschaftliche Entwicklung. Gerade qualitatives Wachstum muß mit dem Umweltschutz verknüpft werden. Umweltschutz stimuliert das Wirtschaftswachstum und fördert damit auch die Arbeitsplatzbeschaffung. Die Darlegungen des Club of Rome hat für viele Schichten der Bevölkerung die Wachstumseuphorie erlöschen lassen. Immer mehr Menschen haben die Befürchtung, daß ein ständiges ökonomisches Wachstum die natürlichen Lebensgrundlagen zerstört. Für sie ist Wirtschaftswachsturn und Umweltschutz miteinander unvereinbar. "Tatsächlich haben in vielen Ländern die Schadstoffeinleitungen in Luft, Wasser und Boden ein Ausmaß erreicht, das die Regenerationsfähigkeit des Naturhaushalts zum Teil schon überfordert und irreversible ökologische Schäden verursacht hat"SI. Der Wunsch, immer größeres Wirtschaftswachstum anzustreben, ist zum Teil ins Gegenteil umgeschlagen. Wegen der Umweltproblematik melden viele Menschen gegenüber der wirtschaftlichen Entwicklung Skepsis an. Man sieht das Ende bestimmter nicht nachwachsender Ressourcen und hegt immer mehr Zweifel an den durch einen verstärkten Konsum geprägten gesellschaftlichen Zielen. Wirtschaftliches Wachstum wird aber nicht nur im Blick auf die nichtorganischen Rohstoffe diskreditiert. Man erkennt die Belastung durch die Entstehung von Abfallen und sucht nach einer möglichst unschädlichen Entsorgung, weil man weiß, daß die Aufnahmekapazität des Planeten begrenzt ist. . Es hat sich aber gezeigt, daß kein unmittelbarer enger Zusammenhang zwischen Produktionsniveau und Umweltschäden besteht. Nicht nur die Industrie-, sondern auch die Entwicklungsländer haben mit Umweltschäden zu kämpfen 52 . Selbst ein niedriges Produktionsniveau schützt nicht vor Umweltschäden. Durch ein stetiges Wirtschaftswachtsturn ist eine Mehrung des Lebensstandards möglich. Die Bedürfnisbefriedigung mit materiellen Gütern und Diensten ist leichter bei einem entsprechenden Wachstum möglich als ohne dieses. Ebenso lassen Sachverständigenrat, (1996/97), Z. 244. Vgl. Sachverständigenrat, (1989/90), Z. 280. Sachverständigenrat, (1996/97), Z. 244. 51 Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 1989/90, Bonn 1989, Ziffer 278. 52 V gl. Sachverständigenrat, (1989/90), Z. 278. 49
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5. Kapitel: Ökonomie und Ökologie
sich bei einer wachsenden Wirtschaft die Menschen mit immateriellen Gütern (z. B. Kommunikation) besser versorgen. Ferner ist bei wachsender Wirtschaft eine soziale Umverteilung leichter möglich als bei einer stagnierenden. Schließlich wird bei einem realem Wirtschaftswachstum und den dadurch erreichten Steuerrnehreinnahmen eine Umsetzung von Umweltschutzmaßnahmen einfacher. Das Wirtschaftswachstum erzeugt also eine ökonomische und zugleich eine gesellschaftliche Erhöhung des Lebensstandards. Aber Wachstum kann auch auf verschiedene Gebiete des Lebens einen negativen Einfluß ausüben. Umweltschäden werden sichtbar im Bereich natürlicher Ressourcen von Flora und Fauna, des Klimas, der materiellen und immateriellen Lebensräume (Schäden an Häusern, Kunstwerken, Zerstörung von zwischenmenschlichen Beziehungen). Wachstum bedeutet also einen Verbrauch der Umwelt. Umweltschutz ist eine knappheitsgerechte Nutzung (Lenkung) der Umweltgüter (ein Allokationsproblem). Es gibt in einer Marktwirtschaft nur ein erfolgversprechendes Mittel, um Umweltschutz zu minimieren: "Die Umwelt muß als das begriffen werden, was sie in Wirklichkeit ist, nämlich ein knappes Gut"S3. Darum kann nur nach einem umweltgerechtem Wachstum gestrebt werden. Die Nutzung der Umwelt muß mit einem Preis belegt werden, der einen ökonomisch ineffizienten oder verschwenderischen Umgang verhindert. Ökonomie darf deshalb zwar auch erschöpfbare Ressourcen nutzen, "allerdings unter Ansatz knappheitsgerechter Preise, die zu sparsamen Umgang damit anhalten, bis man auf der Grundlage neuer Technologien ohne sie auskommt"s4. Die Umweltpolitik muß sich stärker als bisher der Steuerung durch den Markt bedienen. Aber ein verringertes Wirtschaftswachstum ist nicht mit einer Erhöhung des Umweltschutzes gleichzusetzen. Denn das begrenzte Wachstum wird nicht die Vergeudung der Umwelt ausser Kraft setzen. Wachstums- und Umweltpolitik müssen in Bahnen verlaufen, die beiden gerecht werden. Der Staat hat dafür die Rahmenbedingungen zu setzen. Der Markt allein wird den Umweltschutz nicht leisten, wenn er keine wirtschaftspolitische Schützenhilfe erhält. Denn "zwischen Wirtschaftswachstum und wirksamen Umweltschutz besteht nicht nur kein unlösbarer Konflikt, sondern im Gegenteil: in einer dynamischen Wirtschaft, die viel investiert und deshalb schnell voranschreitet, kommt auch der Umweltschutz schnell voran, wenn der Staat durch seine Politik die Weichen richtig stellt. Die entscheidende Vorbedingung ist, daß ökonomische Anreizmechanismen geschaffen und ausgebaut werden, damit die Menschen das knappe Gut sparsam nutzen. Das umweltschonende Wirtschaftswachstum ist anders strukturiert als das umweltbelastende, es allein fördert die Wohlfahrt aller Bürger"ss.
53 54 55
Sachverständigenrat, (1989/90), Z. 279. Sachverständigenrat, (1996/97), Z. 244. Sachverständigenrat, (1989/90), Z. 291.
Sechstes Kapitel
Umweltschutzpolitik Die Wirtschaftspolitik muß die Knappheit des Gutes Umwelt gerecht verwalten. Dazu ist es nötig, umweltschonende Produktionsweisen zu begünstigen und die natürliche Umwelt zu erhalten. Eine veränderte Strukturpolitik hat vor allem nicht nur die einzelne Produktion, sondern alle Bereiche der staatlichen Wirtschaftspolitik zu umfassen'. Wenn der Staat in die Umweltvorsorge und in die Beseitigung von Umweltschäden investiert, hat er zu bedenken, daß er bei Umwelt-Subventionen auf dieselben Schwierigkeiten stößt wie bei etwaigen Subventionen von Dienstleistungen und Produkten. Aber "er weiß viel weniger als die am Markt operierenden Unternehmen, welche Innovationseinrichtungen zukunftsweisend und und damit förderungswürdig sind"z.
I. Umweltinvestition und die Zuordnungsprinzipien Umweltschutzmaßnahmen kosten Geld. "Das umweltfreundliche Produkt, das umweltschonende Produktionsverfahren, die Beseitigung der Altschäden an Boden und Gewässern und die Vorsorge gegenüber neuen Schädigungen: Sie alle binden Arbeit und Kapital und verursachen Kosten,,3. Alle Bürger werden dafür aufkommen müssen, sei es durch Preise, Gebühren, Beiträge oder Steuern. Zwar stehen den Umweltkosten auch Entlastungen gegenüber, aber insgesamt entsteht doch eine Zusatzbelastung der Bürger. Diese ist bei steigendem Realeinkommen leichter zu tragen als bei sinkendem. Denn in "einer wachsenden Wirtschaft fällt es leichter, die sich mit dem Umweltschutz ergebenden Belastungen zu tragen,,4. Die Umwelt kann sowohl als ein öffentliches als auch ein privates Konsumgut verstanden werden. Sie ist die ,Empfangsstelle' für Schadstoffe aus Konsum und Produktion des privaten bzw. staatlichen Bereichs. Da dem Wettbewerb nicht allein der Schutz der Umwelt zugemutet werden kann, muß die Wirtschafts- bzw. UmI Vgl. Strübel, Michael, Technologietransfer und grenzüberschreitende Umweltpolitik in Europa, in: Ulrich Albrecht, Technikkontrolle und Internationale Politik, Opladen 1989, S. 171 ff. 2 Sachverständigenrat, (1989/90), Z. 289. 3 Sachverständigenrat, (1989/90), Z. 280. 4 Sachverständigenrat, (1989/90), Z. 280.
7 Kramer
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6. Kapitel: Umweltschutzpolitik
weltpolitik eingreifen. Die Kosten der Umweltpolitik werden generell der Allgemeinheit, also den Steuerzahlern, aufgebürdet. Der Staat ist der Initiator der Umweltpolitik. Er setzt den Handlungsrahmen, in dem Umweltpolitik realisiert werden kann. Die staatliche Gesetzgebung dient der Abwehr von Schäden und Gefahren. Im Zuge hoheitlicher Aufgaben hat das Ordnungsrecht auch präventiv den Schutz der Umwelt wahrzunehmen 5 . Wer nationale Umweltpolitik betreibt, hat es mit den Ausgaben von Rechten zu tun, um die zum einen die einzelnen Markpartner streiten, die zum anderen durch Rechtsprechung und Rechtsetzung richterlich und staatlich fixiert werden 6 . Die Wirtschaftspolitik versucht, die Kosten der Umweltverschmutzung nach dem Verursacherprinzip den jeweiligen Unternehmen aufzubürden, die zur Umweltverschmutzung beitragen. Eine solche ,Übernahme' der Kosten führt freilich zu einer Verteuerung der Produkte. A. Das Verursacherprinzip Mit dem Verursacher-Prinzip werden "die Kosten zur Vermeidung, zur Beseitigung oder zum Ausgleich von Umweltbelastungen dem Verursacher" zugerechnet? Dieses Prinzip will möglichst viele ,soziale' Kosten in die Rechnung der Unternehmen oder Konsumenten, die die Umwelt beeinträchtigen, eingehen lassen. Sein Ziel besteht darin, daß möglichst alle Umweltkosten vom Verursacher getragen werden. Die Kosten für den Umweltschutz sollen weder fremden Unbeteiligten noch der ganzen Gesellschaft, sondern allein dem Verursacher bzw. dem Veranlasser (z. B. Verbraucher) aufgebürdet werden. In der Marktwirtschaft verteuert sich dadurch die Leistung. Das gilt gerade von den sogenannten ,preisfreien ' Gütern. Niemand wird "aus seiner moralischen oder wirtschaftlichen Verpflichtung zum Schutz der Umwelt entlassen"s. Die Einführung dieses Prinzips geschieht aus mehreren Gründen: Die Produktion und auch der Verbrauch von umweltbelastenden Gütern ist im Vergleich zu umweltfreundlichen Gütern zu billig9 . - Enstandene Umweltschäden müssen repariert werden. Sollten die Kosten nicht übertragen werden, fehlen die Mittel, dies zu tun. Dennoch kann das Verursa5 Vgl. Lendi, Martin, Grundentscheidungen der Umweltpolitik, in: Umweltpolitik, hrsg. von Martin Lendi, Zürich 1991, S. 21. 6 Etwas anders vgl. Farmer, Karl, (1993), S. 96. 7 Zitat aus Wicke, Lutz, (1991), S. 43 8 Töpfer, Klaus, Perspektiven einer mittelfristigen Umweltpolitik, in: H Donner u. a., Umweltschutz zwischen Staat und Markt, Baden-Baden 1989, S. 42. 9 Vgl. dazu die Ausführungen von Merk, Gerhard, Konfliktstau durch Umweltgüter, in: Alfred Klose u. a., Frieden und Gesellschaftsordnung, Festschrift für Rudolf Weiler, Berlin 1988, besonders S. 210.
1. Umweltinvestition und die Zuordnungsprinzipien
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cherprinzip nicht verhindern, daß es trotz der Kostenüberwälzung zu irreparablen Schäden kommt. - das Verursacherprinzip vermittelt eine volkswirtschaftliche Effizienz. Nur eine konsequente Durchsetzung dieses Prinzips kann zur Vermeidung oder zu einer Verringerung von Umweltproblemen bzw. -schäden führen. Aber das Verursacherprinzip hat auch Grenzen. Denn oft ist der Zusammenhang zwischen dem Verursacher und dem eintretenden Schaden nicht umittelbar nachzuweisen. Eine Zurechenbarkeit von individuellen Schadensersatzansprüchen ist deshalb nicht immer möglich. Es ist niemand vorhanden, gegenüber dem man solche Schäden geltend machen könnte, so daß ein monetärer Ausgleich nur schwer errechenbar ist. Auch ist einzuwenden, daß oft der eigentliche Verursacher nicht genau zu erkennen ist, ferner sind der Schaden oder die Umweltkosten nicht exakt zu beziffern. Auch ist es schwer oder gar unmöglich, das Verursacherprinzip anzuwenden, "wenn die Quelle der Umweltbeeinträchtigung im Ausland liegt, und der ausländische Verursacher nicht bereit ist, die Kosten zu übernehmen" 10. Schließlich können die Kosten, die bei der Durchsetzung des Verursacherprinzips (z. B. der Straßenverkehr) anfallen, allzu groß sein, so daß die Zurechnung sich verbietet.
B. Das Gemeinlastprinzip In den Fällen, in denen eine Unmöglichkeit besteht, das Verursacherprinzip anzuwenden, tritt das Gemeinlastprinzip an seine Stelle. Wenn der Verursacher nicht zu ermitteln ist, oder wenn akute Mißstände beseitigt werden müssen, kann statt dieses Prinzips das Gemeinlastprinzip Anwendung finden. Denn in diesen Fällen hat die öffentliche Hand die Lasten der Umweltsanierung aus Steuermitteln zu tragen. Aber sie sollte nur subsidär herangezogen werden 11. Das Gemeinlastprinzip ist nicht als ein Gegensatz zum Verursacherprinzip zu betrachten, sondern kann als dessen Ergänzung gesehen werden.
C. Das Vorsorgeprinzip Die Durchsetzung von umweltpolitischen Zielen erfolgt vielfach zukunftsorientiert über das Vorsorgeprinzip. Es geht um eine Berücksichtigung des Umweltschutzes in allen Phasen des Produktkreislaufes und um eine Berücksichtigung der umweltpolitischen Nebeneffekte auf den Gebieten der Produktion. Freilich kann Vorsorge auch bedeuten, daß einer wachsenden Zerstörung der Natur präventiv Einhalt geboten wird. IO Lehnhofer, Heribert, Umlegung und Vermeidung von Ungütem, in: Hans Gerd Fuchs u. a., Güter und Ungüter, Berlin 1991, S. 107. II Vgl. Lehnhofer, Heribert, (1991), S. 110.
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6. Kapitel: Umweltschutzpolitik
Nach diesem Prinzip sollten möglichst alle Umwe1tgefahren gemieden werden, um damit den künftigen Generationen das Leben in einer intakten Umwelt zu ermöglichen. Es soll also vorgesorgt werden, daß Umweltschädigungen gar nicht erst entstehen. D. Das Kooperationsprinzip
Mit dem Kooperationsprinzip wird auf die Mitwirkung und Mitverantwortlichkeit der Betroffenen abgestellt. Damit soll die Akzeptanz von umweltpolitischen Maßnahmen bei der Bevölkerung durch Aufklärung und Förderung des Umweltbewußtseins erreicht werden l2 . Dem Staat obliegt es, in diesen Fällen durch verschiedene Möglichkeiten den Schutz der Umwelt durchzusetzen und die Verantwortung einzufordern. Darum kommmen nicht-fiskalische Maßnahmen wie Gesetze, Verbote und moralische Appelle und fiskalische Maßnahmen wie die Besteuerung und Erhebung von Abgaben infrage 13 . Umweltpolitik hat auch mit Haftung zu tun. Das Haftungsrecht kann zur Schadensbegrenzung beitragen. Danach hat der Verursacher aufgrund seines Verschuldens die entstandenen Schäden zu übernehmen. Er kann freilich auch verschuldensunabhängig nach der Kausalhaftung gezwungen sein, die Kosten zu übernehmen. Wenn unterschiedliche Rechte an Gütern bereits vorher verteilt worden sind, ist die Regelung nach dem Verursacherprinzip nicht immer die gerechteste Lösung.
11. Externe Umweltkosten Um die Umweltschäden als Kosten zu erfassen, hat man die Lehre von den externen Effekten eingeführt. Sie geht auf A. Marshall zurück, der in seinen Principles of Economics zwischen External und Internal economies unterschieden hat. Diese Unterscheidung wird sowohl auf Individual- als auch auf Kollektivgüter angewandt. Freilich ist zwischen Individualgüter mit und ohne Externalities zu unterscheiden. Invididualgüter ohne externe Effekte sind Brot oder Mineralwasser, mit Externalities sind etwa landwirtschaftlich genutzte Grundstücke, die auch die Landschaft verschönen. Ein Kollektivgut ohne Externalities ist etwa ein von der öffentlich Hand angelegter Waldspazierweg, der seine Wirkung entfaltet, wenn er benutzt wird. Ein Kollektivgut mit Externalities könnte etwa ein Staubecken zur Trinkwasserversorgung sein, das zwar auch Landschaftserholungsgebiet ist, aber in jedem Fall seinen Nutzen hat l4 . Generell lassen sich als externe Effekte gegenVgl. Wicke, Lutz, (1991), S. 43 ff. Vgl. Wicke, Lutz, (1991), S. 70ff. und 125ff. Eine andere Einteilung vgl. Woll, Artur, Wirtschaftspolitik, München 1984, S. 324 ff. 14 Vgl. Jöhr, Walter Adolf, (1972), S. 56. 12
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III. Nichtfiskalische Maßnahmen
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seitige Einwirkungen von Wirtschaftssubjekten bezeichnen, die nicht durch den Markt bewertet werden 15. Externe Effekte bringen externe Kosten hervor, die der Gesellschaft entstehen, ohne daß sie im betrieblichen Rechnungswesen erfaßt werden. Als monetäre Effekte sind sie zwangsläufige Folgen wirtschaftlicher Abhängigkeit. Sie sind in Geld bewertete Kosten, "die der Gesellschaft entstehen, ohne daß sie im betrieblichen Rechnungswesen bzw. in der Wirtschaftsrechnung der privaten und öffentlichen Haushalte als Kosten auftauchen,,16. Technische externe Effekte sind negative oder positive Außenwirkungen, die bei der Produktion und beim Konsum eines Wirtschaftssubjektes entstehen, und "die für die Entscheidungen anderer Wirtschaftssubjekte beachtlich und exogen vorgegeben sind 17 ". Die Entnahme von sauberer Luft oder reinen Wassers und die Abgabe verschmutzter Luft oder unsauberen Wassers bilden die Grundlage externer Effekte. Ihre negativen Auswirkungen verletzen auch den 4. Artikel der französischen Menschenrechtsdeklaration, der den Begriff der Freiheit als das Recht bezeichnet, "alles tun zu können, was einem anderen nicht schadet" 18. Der Markt, der sonst die Produktion von Gütern koordiniert, versagt im Bereich externer Effekte und ruft dadurch den Staat als Akteur auf den Plan, der gleichsam heilend eingreifen soll. Seit A. Marshall weiß man, daß negative externe Effekte Kosten darstellen; es sind das soziale Kosten. Das Auftreten von solchen externen Kosten offenbart die ganze Umweltproblematik. Denn weder Produktion noch Konsum sind ohne externe Effekte denkbar. Sie sind nicht an etwaige Eigentumsrechte gebunden und treten darum in der Markt- und in der Zentralverwaltungswirtschaft auf. Die Internalisierung von externen Effekten hat ihre besondere Geschichte, die bei Arthur Cecil Pigou zu einem - noch zu besprechenden - besonderen fiskalischen Konzept geführt hat.
III. Nichtfiskalische Maßnahmen Nichtfiskalische Maßnahmen sind individuelle und generelle Vorschriften, Gebote, Verbote und Auflagen. Sie sind schnell wirksam und leicht zu kontrollieren, Ihre Effizienz allerdings ist nicht immer sehr wirkungsvoll, und ihre Anwendung entspricht kaum dem Gerechtigkeitsprinzip 19. Durch Gesetze, moralische Appelle und durch eine psychologische Beeinflussung versucht der Staat, an das Gewissen bzw. an die Verantwortung der Bürger 15 16 17
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Wicke, Lutz, (1991), S. 21. Wicke, Lutz, (1991), S. 21. Woll, Artur, Wirtschaftspolitik, München 1984, S. 69. Heidelmeyer, Wolfgang, (1972), S. 58. Vgl. Frey, Bruno S. (1992), S. 114ff.
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6. Kapitel: Umweltschutzpolitik
heranzukommen und diese zu einem umweltbewußten Verhalten zu erziehen: von der Beseitigung des Haushaltsmülls, über das Sammeln von Rohstoffen in Verpakkungen und Konsumartikeln zum Recyceln bis hin zur Müllvermeidung. Im wesentlichen geht es bei diesen Instrumenten nicht nur um moralische Appelle, sondern um solche Maßnahmen, die das umweltfreundliche Handeln der Produzenten und Konsumenten steigern helfen sollen. Es kann sowohl um eine bessere Verbraucherinformation als auch um eine Stärkung des umweltfreundlichen Handeins der Gesellschaft gehen.
IV. Fiskalische Maßnahmen Zu den fiskalischen Maßnahmen gehören unterschiedliche Instrumente staatlichen Handeins. Eine Monetarisierung der externen Effekte erfolgt durch staatliche Abgaben, Steuern, Subventionen und Zertifikate (Lizenzen)2o. Oft sieht der Staat zunächst bei der Entstehung von Umweltschäden nur zu und greift erst später ein, um sie dann unter hohen Kosten zu beseitigen. Zwar kann auch der Schädiger von sich aus handeln, ohne daß der Staat etwas unternimmt; aber in den meisten Fällen ist sein Handeln letztlich doch gefordert. Die Menschen belasten die Umwelt auf vielerlei Weisen. Als Beispiel sei die Energieerzeugung erwähnt. Bei der Verbrennung fossiler Energieträger werden Schadstoffe wie Kohlen- und Schwefeldioxyd freigesetzt. Durch solche unentgeltlichen Abgaben von Schadstoffen an die Umwelt verbilligt sich zwar die Energie; aber dieser privaten Ersparnis stehen volkswirtschaftliche Kosten gegenüber. A. Abgaben und Steuern in der Umweltpolitik Die direkten staatlichen Maßnahmen zum Schutze der Umwelt erweisen sich als die schwersten Eingriffe der Wirtschaftspolitik. 1. Abgaben
Die Umweltabgaben haben zum Ziel, Umweltinvestitionen zweckgebunden zu finanzieren. Sie sollen Umweltschäden vermeiden bzw. minimieren. Zu den UmweItabgaben zählen Sonderabgaben, Beiträge, Gebühren und vor allem Umweltsteuern. Alle sind für die Erhaltung der Umwelt bestimmt und werden für diesen Verwendungszweck und unter speziellen Modalitäten eingefordert. "Während Umweltgebühren proportional zur Inanspruchnahme der Leistungen der Umweltschutzeinrichtung erhoben werden, werden Umweltbeiträge unabhängig von der 20
Vgl. Woll, Artur, Wirtschaftspolitik, München 1984, S. 327.
IV. Fiskalische Maßnahmen
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Nutzung der Umwelteinrichtung der Beitragspflichtigen erhoben,,21. Als Beispiele für Gebühren lassen sich die Entwässerungs- oder Abfallgebühren, und für Beiträge die monetäre Inanspruchnahme bei einem Neubau einer Kläranlage anführen. Gebühren werden oft vielfach unter dem Gesichtspunkt einer verursachergerechten Lösung eingefordert, während Beiträge mehr unter dem Aspekt des GemeinIastprinzips gesehen werden. Die Emissionsabgabe dient nicht (wie die PigouSteuer, s. u.) "der Internalisierung externer Effekte, sondern der Zurückdrängung der Emissionen auf ein vorgegebenes Maß. Ein rationaler Emittent wird auf den Einsatz dieses Instruments reagieren, indem er seine Emissionen des betreffenden Schadstoffs so weit zurückführt, bis seine Grenzvermeidungskosten auf den Steuersatz angestiegen sind,m. 2. Steuern
Der wirkungsvollste Eingriff in das ökonomische Geschehen zu Gunsten der Umwelt kann durch die Steuergesetzgebung erfolgen. Immer häufiger wird, wenn es um Umweltfragen geht, der Ruf nach staatlichem Handeln laut. Der Ruf nach der Einführung von Umwelt- oder Ökosteuern ist nicht mehr zu überhören. Steuern sind nicht zweckgebunden, ökologische Steuern auch nicht. Sie haben eine fiskalische und eine lenkende Wirkung. Primär geht es um die ökonomische Lenkungsfunktion: z. B. um die Verteuerung der Energiekosten. Ihre eigentliche Funktion gilt also der Produktions- und der Güterumlenkung. Eine Standortverschlechterung durch die Ökosteuern führt zu einer Abwanderung von Unternehmen, weil mit ihrer Einführung auch eine Gewinnschmälerung eintrit. Umweltsteuern können sich wettbewerbsverzerrend auswirken. Denn durch die Einführung von Steuern wird eine frühere unentgeltliche Nutzung der Umwelt zu einem erheblichem Kostenfaktor in den Unternehmen. Generell gilt als Aufgabe von Umweltsteuern, die Ressourcen zu schützen und zu lenken. Außer der Lenkungsfunktion gibt es auch noch die fiskalische Wirkung. Umweltsteuern sollen helfen, das Steueraufkommen zu garantieren, wenn sie als Ersatz für andere Steuern eingeführt werden. Zusätzliche Erträge jedoch sollen nicht anfallen. Trotzdem kann bei der Besteuerung der Umweltbelastung ein Aufkommen anfallen, das beträchtlich ist. Natürlich ist es möglich, den Umweltschutz auch durch das allgemeine steuerliche Aufkommen zu finanzieren. Es kann freilich das fiskalische Aufkommen aus Umweltsteuern auch durch eine Senkung anderer Steuern oder Abgaben kompensiert werden, wenn eine Steuerneutralität geboten ist, und die ist wohl immer vorauszusetzen. Bevor man sich jedoch für eine Ökosteuer stark macht, müßten erst die für die Verbilligung von Energie, Wasser oder Nahrungsmittel geleisteten Subventionen abgebaut werden. Gerade im Agrarbereich werden bis heute von vielen Staaten Wicke, Lutz, (1991), S. 131. Endres, Alfred, Wirtschaftspolitische Instrumente im Umweltschutz, in: H Donner u. a., Umweltschutz zwischen Staat und Markt, Baden-Baden 1989, S. 277. 21
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6. Kapitel: Umweltschutzpolitik
sehr hohe umweltgefährdende Subventionen gezahlt. Bei der Produktion von Wasser und Energie wird international nicht der echte Marktwert in Rechnung gestellt. In Zukunft aber müssen die gesamten Kosten einschließlich der Umweltkosten in den Unternehmensbilanzen internailisiert werden. Ob man sich für eine direkte Ökosteuer entscheidet, hat freilich dann unter Abwägung der beiden wirtschaftspolitischen Zielsetzungen zu geschehen: - Erhaltung der Ressourcen - Konfonnität mit der ganzen Wirtschaftspolitik. Da beide Zielsetzungen sich vielfach au schließen, bedeutet eine Entscheidung, zwischen diesen Zielen wählen zu müssen, in den meisten Fällen eine ethische Aporie für die wirtschaftspolitisch Handelnden. Es muß letztlich dem Markt überlassen werden, auf der Basis der anfallen Kosten zu Gunsten der RessourcenErhaltung eine klare Entscheidung herbeizuführen. Eine Ökosteuer kann nur pragmatisch gestaltet werden. Denn sie muß in den konjunkturellen Ablauf passen. Der Benutzer oder der Schädiger der Umwelt soll dafür eine Abgabe (Steuer) bezahlen, die ihn zum schonenden Umgang mit der Umwelt nötigen soll. In diesen Zusammenhang gehören auch Überlegungen, die die Besteuerung von Autos nach der ausgestoßenen Abgasmenge vorsehen. Die mit organischem Treibstoff betriebenen Autos sind verantwortlich für große Bereiche der Umweltzerstörung (Waldsterben). Die Zerstörung von Landschaften durch den starken Ausbau der Verkehrswege (Straßenbau) ist allgemein im Gespräch. Nur dann, wenn die Besteuerung der Kraftfahrzeuge etwa dem Ausmaß des der Umwelt zugefügten Schadens entspricht, erhällt der Produzent von Autos und ihr Konsument einen Anreiz, mit der Umwelt schonend umzugehen. Einerseits lohnt es sich dann, Fahrzeuge anzubieten, die weniger umweltschädlich sind, andererseits ist der Verbaucher interessiert, ein Fahrzeug zu besitzen, für das er geringere Steuern zahlen muß. Eine Energiesteuer kann höchstens global infrage kommen; national ist sie nur für einzelne Produkte realistisch einführbar. Eines der wichtigsten Ziele politischen Handeins ist zwar der Schutz und damit die Erhaltung der Lebensgrundlage. Mit der Ökosteuer versucht man gleichzeitig, eine "doppelte Dividende" zu erzielen, nämlich sowohl die Umweltbelastung zu reduzieren als auch die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, also die Beschäftigungszahl zu vergrößern. Indessen ist eine solche Entwicklung, die weg von der Besteuerung der Arbeit hin zu einer Besteuerung des Ressourcenverbrauchs führen soll, in der Forschung nicht unumstritten. Ob eine höhere Beschäftigung tatsächlich eintritt, ist abhängig von der nationalen Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit durch die Ökosteuern. Denn im Falle eines nationalen Alleinganges wird der nationale Produktionsstandort getroffen. Umweltsteuern sind seit mehr als fünfundsechzig Jahren unter Ökonomen im Gespräch. Bereits Arthur Cecil Pigou (1877 - 1959) hat im Jahr 1920 einen derartigen Vorschlag unterbreitet. Seine Forderung lautete, daß die Preise den volkswirt-
IV. Fiskalische Maßnahmen
105
schaftlichen Kosten der Ressourcen-Nutzung entsprechen. Er ging von der Tatsache aus, daß der Markt bei den Allokationsaufgaben (Lenkungsaufgaben) auch versagen könne. Dies tritt dann ein, wenn die Produktion durch externe Effekte so gekennzeichnet ist, daß die sozialen Kosten nicht mit den privaten identisch sind23 . Pigou unterschied zwischen dem privaten und sozialen Nettoprodukt eines Landes. Zum privaten Nettoprodukt gehört nur, was in der Kalkulation bei den Unternehmen und in den Ausgaben der Konsumenten erfaßt wird. Zum sozialen Nettoprodukt zählt, was bei der Produktion und im Konsum positiv wie negativ weder in die Kosten noch in die Preise eingeht. Für die Umweltpolitik bedeutet das, daß - "die notwendige Inanspruchnahme von Rohstoffen, Luft und Wasser zu externen Effekten führt; unter bestimmten Umständen, also nicht in jedem Fall, ein Eingreifen der Wirtschaftspolitik angezeigt ist,,24. Nach Pigou sollten die negativen externen Effekte mit einer Steuer belegt werden, die die Differenz zwischen den privaten und sozialen Kosten ausgleicht. Mit Hilfe einer pareto-optimalen 25 Internalisierung kann über eine Steuer die Differenz zwischen den privaten und sozialen Kosten kompensiert werden. Pigou meinte, allein Staat könne eine pareto-optimale Internalisierung erreichen. Der Umkehrschluß jedoch, daß die Verursacher von positiven externen Effekten quasi als Belohnung Subventionen erhalten, wurde von ihm nicht gezogen 26 . Eine paretooptimale Internalisierung ist indessen bei privaten Kosten generell nicht möglich. Pigou hatte angenommen, daß auf vertraglicher Basis die Differenz zwischen den privaten und sozialen Kosten - durch Entschädigungsleistungen etwa - zwischen den privaten Wirtschaftssubjekten nicht ausgeglichen werden können. Das ökonomische Problem besteht in der Feststellung der Gesamthöhe der externen Effekte. Zugleich ergibt sich als eine besondere Schwierigkeit, das Ausmaß der staatlichen Intervention zu erfassen. Denn der genaue Umfang müßte erkannt und anschließend neutralisiert werden. Da sich die sozialen und auch die privaten Kosten ständig ändern, müßte sich letztlich auch die Steuer ständig neu anpassen. Ronald Harry Coase (geb. 1910) hat an der Pigou-Theorie, den externen Kosten und den damit gegeben Staatsinterventionen Kritik geübt (1960)27. Nach ihm sind die Umweltgüter öffentliche Güter. Ihre Lenkung (Allokation) hängt zwar von der Zuteilung von Nutzungsrechten ab. Aber die Allokation ist unabhängig davon, ob die Rechte dem Schadensverursacher oder dem Geschädigten zugeteilt worden Vgl. Weimann, Joachim (1990), S. llO. Woll, Artur, Wirtschaftspolitik, München 1984, S. 320. 25 Es geht um die Maximierung des Sozialproduktes und speziell dabei um das Pareto-Optimum. Pareto-optimal ist ein Zustand, bei dem es keine Veränderung gibt, durch die auch nur ein Wirtschaftssubjekt besser gestellt wird. 26 Vgl. Woll, Artur, Wirtschaftspolitik, München 1984, S. 321. 27 Vgl. Farmer, Karl, Zur theoretischen Fundierung ökologischer Ordnungspolitik, in: Werner Lachmann, Umwelt-Wirtschaft-Ethik, Moers 1993, S. 93 f. 23
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6. Kapitel: Umweltschutzpolitik
sind; sie werden nämlich individuell zugewiesen. Die externen Zusatzkosten werden durch Verhandlungen ohne staatliche Intervention von beiden Partnern, vom Verursacher und Geschädigten, internalisiert. Die Verursacher müssen von den Geschädigten die Rechte auf Herbeiführung von externen Effekten kaufen. Dadurch werden zwar wie bei einer Pigou-Steuer Maßnahmen zur Vermeidung angeregt. Aber die Pigou-Steuer ist überflüssig; sie wird sogar als ineffizient angesehen 28 . Während Pareto und Pigou sich für eine soziale Lösung einsetzen, bemüht sich Coase um eine individuelle Regelung. Trotzdem hat bisher die Coase-Theorie nur eine geringe Auswirkung auf die praktische Umweltpolitik gehabt 29 . Die durch erhöhte Umweltsteuern belastete Produktion wird die Produktgüterzusammensetzung verändern. Das kann zu Marktverzerrungen führen. In der jüngeren Vergangenheit dachte man, daß man Umweltschutz bei geringen Kosten erzielen könne. Aber ein immer größerer Schutz führt zu erheblichen Belastungen der Unternehmer und der privaten Haushalte. Steuern auf Immissionen und Emissionen müssen nach ihrer Umweltschädigung gestaltet werden. Auf die Einführung von solchen Abgaben wird von den Betroffenen mit unterschiedlichen Umgehungsmaßnahmen - bis hin zu kriminellen Handlungen - geantwortet. Es ist aber andererseits auch kein seltener Fall, daß Produzenten auf die Produktion von umweltschonenden Gütern ausweichen, wenn durch die Anwendung von umweltschädlichen Gütern die Gewinne geschmälert werden. Als Beispiel dafür kann das Verbot des Fluor-Kohlen-Wasserstoffs (FCKW) und seine Ersetzung durch andere umweltfreundlichere Gase genannt werden. Da die Umweltbelastungen vielfach mit der Verbrennung fossiler Energie verbunden sind, versucht man, nicht nur den Energieverbauch einzuschränken, sondern auch die Schadstoffemissionen [S02 (Schwefeldioxyd), NO x (Stickoxyde), CO 2 (Kohlendioxyd), CH 4 (Methan), 0 3 (Ozon) und Nitrate] zu reduzieren. Statt der Energiesteuer wird darum als Alternative eine COz-Steuer vorgeschlagen, um den Treibhauseffekt zu verringern. Daß die Kfz-Steuer zu einer solchen Energieoder Emissionssteuer umgestaltet wird, ist in Deutschland ein allgemein erörtertes Problem3o . In der gegenwärtigen Diskussion über eine ökologische Steuerreform strebt man an, daß - die Aufkommensneutralität gesichert wird; - die Schadstoffmenge als Bemessungsgrundlage zugrundegelegt wird, so daß es gelingt, die Schadstoffbelastung zurückzuschrauben; - Verteilungseffekte nach Möglichkeit kompensiert werden; Vgl. Farmer, Karl, (1993), S. 95. Vgl. Endres, Alfred, (1989), S. 272. 30 Vgl. dazu Schneider, Peter, (1993), S. 48ff. Zu den deutschen Parteien vgl. speziell S.53f. 28
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kein nationaler Alleingang vorgenommen, sondern der internationale Bezug hergestellt wird; denn eine allein im Inland erhobene COrSteuer kann möglicherweise eine regionale Verbesserung des Schadstoffausstoßes bringen, aber durch die Verlagerung energie-intensiver Betriebe in Niedrigsteuer-Länder ändert sich der Klimaschutz global nicht 3l . - auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit trotz Energiesteuer erhalten bleibt32 . Freilich kann auch bei Berücksichtigung dieser Bedingungen eine ökologische Steuer nur in Grenzen verwirklicht werden. Sie kann immer nur neben den anderen Steuern als eine Säule im Steuersystems zur Geltung kommen. Aber als Frage bleibt, ob man nicht das Ziel, das man mit einer Ökologiesteuer verwirklichen will, besser mit Sonderumweltabgaben oder Gebühren erreichen kann. Denn mit den Steuern sollen gleichzeitig andere wichtige(re?) wirtschaftspolitische Ziele, wie Geldwertstabilität, Vollbeschäftigung oder Wirtschaftswachstum angestrebt werden. Während die anderen Steuern variierbar sind, würden Umweltsteuern dagegen nur dem Umweltschutz oder der Umweltverträglichkeit dienen. Das alles spricht nicht für die Einführung einer Öko-Steuer!
B. Öffentliche Investitionshilfen in der Umweltpolitik Als Investitionshilfen in der Umweltpolitik sind fiskalische Maßnahmen in Form von Abschreibungen oder Subventionen in eine umweltgerechte Produktion und Konsumtion von Gütern möglich. Beide Formen von Vergünstigungen, die aus umweltpolitischen Gründen gewährt werden, bringen aber durchweg nicht den gewünschten Effekt. Denn sie lassen zwar den umweltschädlichen Einfluß geringer werden, geben aber keinen Anlaß, das eine Gut durch ein umweltfreundliches zu substituieren. Die Kosten dieser fiskalischen Maßnahmen trägt nicht der Konsument bzw. der Nachfrager nach dem Produkt, sondern der Dritte, der Steuerzahler.
C. Ausgabe von Umweltzertifikaten Das Zertifikat-System 33 ist dadurch gekennzeichnet daß der Staat im Zusammenhang mit den Emissionen Höchstmengen festlegt und ein Recht zur Emission an die Unternehmen verkauft. "Der Preis für dieses Recht, das Zertifikat, wird durch die marginalen Schadstoffbeseitigungskosten bestimmt. Unternehmen, deren Beseitigungskosten unter dem Preis liegen, werden die Emission einstellen und dabei die Differenz zwischen den marginalen Kosten und dem Preis sparen. Unter31 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 1995/96, Z. 336f. 32 V gl. dazu Schneider, Peter, (1993), S. 50 f. 33 Man spricht auch von Lizenzen, vgl. z. B. Wicke und auch Huckestein.
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6. Kapitel: Umweltschutzpolitik
nehmen, deren Kosten höher als der Preis sind, müssen diese Rechte erwerben und gewinnen ebenfalls diese Differenz, weil die Zertifikate billiger sind als die Schadstoffbeseitigung. Das Ergebnis ist, daß die Einhaltung der Emissionsnormen zu minimalen Kosten geschieht und ein Interesse entsteht, die Kosten der Umweltbeanspruchung weiter zu senken,,34. Umweltzertifikate als Verschmutzungspreise gehören ökonomisch zu den Instrumenten einer Marktwirtschaft und lassen sich ordnungspolitisch mit ihr gut in Einklang bringen. D. Kompensationslösungen
Eine Variante des Zertifikatsmodells ist der "Kontrollierte Emissionshandel" mit seinen beiden hauptsächlichen Elementen der "Bubble-(Glocken- oder Blasen-) und der Offsetpolitik (Ausgleichspolitik). Die Ausgleichspolitik und die Glockenoder Blasen-Politik sind zwei übliche Kompensationslösungen. Bei der Bubblepolitik müssen die Emissionsgrenzwerte nicht von allen einzelnen Alt-Anlagen erfüllt werden, sondern nur von einer in einer Gruppen (Glocke) zusammenliegenden Anlagen. Bei der Offsetpolitik dürfen die Belastungen in einer Region nicht steigen, auch wenn neue Firmen mit zusätzlichen Emissionen auftreten. Diese Instrumente werden angewandt, wenn in einem Gebiet bereits die Umweltbealstungen so hoch sind, daß keine weiteren mehr möglich sind, ohne daß es zu einem Überschreiten der Gesamtbelastung kommt. Die Ausgleichspolitik sieht in solchen Fällen vor, daß Betriebe, die expandieren oder sich ansiedeln wollen, von den bestehenden Anlagen Genehmigungen erwerben können. Der Bubble-Politik geht es nicht um eine einzelne Anlage, die zur Genehmigung ansteht, sondern um eine begrenzte Region mit mehreren Emissionsquellen. Wo und wann in einer Glocke Vermeidungsmaßnahmen durchgeführt werden, hängt davon ab, ob die Gesamtemission überehritten wird. "Bei beiden Varianten der Politik des kontrollierten Emissionshandelns werden also wie bei der Zertifikationspolitik Emissionsrechte von einzelnen Anlagen abgelöst und auf andere Anlagen übertragen. Sofern die Emissionsrechte die Grenzen einer Firma überschreiten, werden hierfür Ausgleichszahlungen geleistet,,35. Dieses Instrument des kontrollierten Emissionshandels ist ein Austausch von "einmal gewährten Emissions- bzw. Umweltbelastungsrechten. Die mit der Betriebserlaubnis für eine Anlage oder eine sonstige Belastungsquelle implizit erteilten Emissionsrechte können unter bestimmten Voraussetzungen zwischen verschiedenen Emissionsquellen austauschbar gemacht werden,,36. 34 Woll, Artur, Wirtschaftspolitik, München 1984, S. 326. Vgl.Weimann, Joachim (1990), S. 157 ff. 35 Endres, Alfred, (1989), S. 281. 36 Wicke, Lutz, Huckestein, Burkhard, Der Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente in der Umweltpolitik der Europäischen Gemeinschaft, in: Wicke, Lutz u. a., Umwelt Europader Ausbau zur ökologischen Marktwirtschaft, Gütersloh 1991, S. 53.
Siebtes Kapitel
Rückschau und Zukunftsperspektiven I. Zusammenfassende Begriffsbestimmung Das Wort Umwelt richtete sich zunächst auf die Natur im Gegensatz zum Ausdruck des sozial geprägten Milieus. Der Begriff Ökologie stammt aus dem 19. Jahrhundert. Heute bringt man mit ihm vor allem die Lehre vom Schutze der Umwelt zum Ausdruck, während der Begriff ,Umwelt' die Natur des Menschen, der Tier- und Pflanzenwelt oder der anorgansichen Materie zum Inhalt hat. In der Umgangssprache jedoch werden Ökologie und Umwelt häufig synonym gebraucht. Beide haben im Kern die Erhaltung und Bewahrung der Natur zum Inhalt. Umweltschutz hat die zur Aufrechterhaltung von Lebensbedingungen für den Menschen notwendigen Maßnahmen im Auge. Wenn man Ethik als die Reflexion menschlichen Handeins definiert, bedeutet eine umweltbezogene oder ökologische Ethik das Nachdenken über die Erhaltung des menschlichen Lebensraumes. Sie will die theoretische und praktische Gestaltung der Umwelt bedenken. Eine Umweltethik hat es immer schlechthin mit dem Leben zu tun. Das zu bewahren, ist ihr Inhalt. Umweltgestaltungen kommen vor, solange es Menschen auf der Erde gibt. Entscheidende Veränderungen der Erde traten erst mit dem Aufbau moderner Infrastrukturmaßnahmen besonders des Wasser-, Schienen-, Auto- und Luftverkehrs auf. Bei einer wachsenden Zahl von Menschen, einer dadurch bedingten stärkeren Ressourcennutzung und einem wachsenden Wohlstand wurde es nötig, der Umwelt einen immer größeren Schutz zu gewähren. Da der Mensch sich auf dieser Erde einrichten muß, ist die Erhaltung eines jungfräuliche Zustandes der Erde nicht möglich.
Der Mensch hat durch die Jahrhunderte hindurch unter jüdisch-christlichem Glauben das dominium terrae und in ihm das übertragende Mandat Gottes für diese Welt als Freibrief für alles Handeln verstanden. Er glaubte, er könnte über die ganze, die organische und die anorganische Natur herrschen. Darum hat man das Christentum auch dafür verantwortlich gemacht, daß es zu einer Ausplünderung der Ressourcen gekommen ist. Aber die Erde ist nach dem Willen Gottes dem Menschen zur Erhaltung und Bewahrung anvertraut worden. Er soll sie schützen und nicht zerstören. Der Auftrag lautet, dieses Mandat zu Gunsten der Erde wahrzunehmen. Aber solches Handeln darf nicht als Ersatz für das der Theologie und der Kirche eigene Handeln (proprium), das Evangelium zu verkünden, verstanden
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7. Kapitel: Rückschau und Zukunftsperspektiven
werden. Als wichtige Frage stellt sich, wie mit der Erhaltung der Ressourcen die Zukunft der Generationen zu verknüpfen ist. Schließlich müssen auch den kommenden Generationen noch genügende Reserven nicht-regenerierbarer Ressourcen hinterlassen werden. Die biblische Ansicht von der Schöpfung kennt keine generelle anthropozentrische Deutung. Anthropozentrismus ist nur in Grenzen möglich. Die alttestamentlichen Urgeschichten des Jahwisten und der Priesterschrift sind zwar verbal anthro-pozentrisch formuliert. Aber dieser Ansatz läßt sich im Alten Testament nicht durchhalten. Vom Menschen ist zu sagen, er wird durch die mit ihm vorgenommene Bundesschließung in die Ver-Antwortung gerufen. Er ist Gottes Beauftragter für die Schöpfung. Der Mensch ist also zum Herrscher über die Natur, aber gleichzeitig auch zu einem für sie Verantwortung Tragenden eingesetzt worden. Theologisch erfolgt im Alten Testament eine Verknüpfung von Schöpfung und endzeitlicher Theologie. Indem sich Schöpfung und Vollendung miteinander verbinden, wird im kommenden Friedensreich ein neuer Anfang gesetzt. Das Neue Testament ist durch die Christologie gekennzeichnet. Denn durch Christus hat Gott die Welt mit sich versöhnt. Die Schöpfung Gottes ist auf ihre Vollendung hin angelegt. Jesu Botschaft will das Reich Gottes errichten. Der Apostel Paulus bindet in seiner Theologie die Schöpfung in einen anderen theologischen Zusammenhang ein. Für ihn besteht zwischen dem Menschen und dem Kosmos eine Schicksalsgemeinschaft der Vergänglichkeit. Diese wird durch die Neuschöpfung in Jesus Christus überwunden. Erlösung heißt in diesem Zusammenhang Befreiung. Die Welt wartet auf das zweite Kommen des Sohnes Gottes am Ende der Zeit. Diese Aussagen sind zwar stark anthropozentrisch geprägt. Aber durch Christus wird nicht nur der Mensch, sondern mit ihm die ganze Schöpfung gerettet. Zwar sind auch die anderen Lebewesen von der Knechtschaft der Vergänglichkeit befreit. Aber allein die Menschen sind herausgerufen zur Kindschaft Gottes. Da die außermenschliche Schöpfung auf den Menschen ausgerichtet ist, darf man eine Sonderstellung des Menschen in dem Schöpfungs- und Erlösungsgeschehen des Neuen Testamentes konstatieren. Insgesamt läßt sich indessen nur von einem begrenzten Anthropozentrismus sprechen. In der Antike wurde die Technik als eine handwerkliche Tätigkeit begriffen, die von Sklaven und nicht von Freien ausgeübt wurde. In der biblischen Urgeschichte wird die Technik im Sinne vom Bebauen und Bewahren der Erde gebraucht. Dem Menschen des Alten und Neuen Testamentes waren viele handwerkliche Tätigkeiten bekannt. Der gemäß dem antiken aristotelischen Denken ausgeübten Sklavenarbeit steht im Neuen Testament die den Sklaven verkündigte Befreiung gegenüber. Der Mensch wird als frei angesehen - im geistlichen - nicht im politischengesellschaftlichen Sinn. Er gehört nicht mehr sich selbst, sondern Christus! Er ist Glied an seinem Leibe geworden! Im Zentrum des Begriffes Technik liegt der Wunsch nach Entwicklung, Fortschritt, Dynamik und damit nach Ausgestaltung des menschlichen Lebensraumes.
11. Ethik der Technik zur Gestaltung der Umwelt
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Der Mensch wird als Mit-Schöpfer in der Welt angesehen. Die Technik hilft; sie befreit ihn von der mühseligen Arbeit. Heute umfaßt der Technikbegriff auch noch andere Bereiche, so die Herstellung von Ge- und Verbrauchsgütern und auch soziale Zusammenhänge und Organisationsstrukturen.
11. Ethik der Technik zur Gestaltung der Umwelt Technik hat immer schon einen Wert in sich selbst, sie besitzt keine Neutralität. Ihre Anwendung ist stärker ethisch zu beurteilen als ihr Ansieh-Sein. Die Bewertung von Technik ist abhängig von unterschiedlichen individuellen, gesellschaftlichen und kulturellen Zielen. Die Entwicklung dieser Welt ist Ausdruck der schöpferischen Kraft des Menehen. Der Mensch ist Mitgestalter der Welt. Der technische Fortschritt ist Ausdruck dieser Gestaltung. Nur wenn sich die Menschen der Technik bedienen, werden sie morgen überleben können. Andererseits ist dem Menschen mit der Technik das Mittel in die Hand gegeben, in dieser Welt zerstörisch zu wirken. Darum gilt, daß nicht alles technisch Machbare auch erlaubt sein darf. In der heutigen Gesellschaft klafft ein Zwiespalt zwischen dem technisch Möglichen und dem, was sittlich-moralisch geboten ist. Kritiker der Technik sehen die Gefahr heraufziehen, daß sie, die bestimmten Zwecken zu dienen hat, sich verselbständigt. Gegen sie wenden sich die Technik-Philosophen, die einen Sachzwang und eine Eigendynamik der Technik bestreiten. Technik hat also keinen Selbstzweck. Vielmehr gestaltet der Mensch durch das Mittel der Technik die Welt. Technik besitzt ein Dienstfunktion. Ohne sie ist weder eine modeme Gesellschaft noch eine wachsende Wirtschaft denkbar. Die Technik steht unter dem Sowohl-als-auch von Gut oder Böse. Sie selbst ist weder das eine noch das andere, sondern sie dient dazu, die Welt zu gestalten; aber durch die Technik kann sie auch zerstört werden. Da die Technik oft nur für einen begrenzten ,Markt' der Rüstungs- bzw. Militärforschung eingesetzt wird, ist sie dann allein vom Staat abhängig, zumal da dieser außer für das Militär auch für viele Aufträge im zivilen Dienst des Post-, Fernmelde-, Bau und Verkehrswesens zuständig ist. Er steuert aber nicht nur diese Industriebereiche, sondern ordnet durch Verordnungen und Gesetzgebung auch das Marktgeschehen der ganzen Wirtschaft. Ist allein der Markt wirksam, kann die Technik-Entwicklung frei voranschreiten. Heute dagegen wird immer stärker Technik u. a. auch mit Ökologie und Umweltschutz verbunden. Hier wird bedarfsbezogen entwickelt und geforscht. Die Umwelttechnik wird jedoch in Zukunft mehr noch als gegenwärtig durch die Bedarfserwartung und damit marktortientiert geprägt sein 1. Aus der Verbindung von Ökologie und Technik resultiert nach der vierten eine fünfte, die ökologische Kränkung, die den modemen Menschen bestimmt. Umweltschutz ist nämlich ohne Anwendung von Technik 1
V gl. Weizsäcker, Ernst Ulrich von, (1997), S. 228.
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7. Kapitel: Rückschau und Zukunftsperspektiven
nicht durchführbar, zumal da in den letzten zwanzig Jahren die Technikkritik mit der ökologischen Frage verknüpft wurde. Die Technik fungierte danach als der Hauptgegner für Umweltfragen. Von der Atomkraft, über den Straßen- oder Luftverkehr, über die Chemie bis hin zur Gentechnik wurde die Technik angefeindet, da man in ihr das zentrale Mittel erkannte, die Umwelt auszubeuten, nur um den Menschen mit immer mehr Komfort - und dies zu Lasten der Umwelt - auszustatten. Der Sektor der atomaren Energie galt als Symbol für die zukünftige Zerstörung des lebensnotwendigen Schutzraumes. Zukünftig muß die Beziehung von Umweltschutz und Technologie in ein gutes Verhältnis gebracht werden. Manches ist auf diesem Gebiet in den Industrieländern bereits geschehen. Der Prozeß des Erhaltens und Konservierens aber ist weiterhin mit dem der Veränderung und der dynamischen Entwicklung durch die Technik auszubalanzieren. Der Wert von Gütern wird allgemein durch den Preis festgestellt. Aber die Preise, die das ökonomische Optimum anzeigen, wenn sie die volle ökonomische Wahrhheit sagen, sind heute weit von dieser Wahrheit entfernt. Denn es gelingt vielen Verursachern noch nicht, die Umweltschäden zuzurechnen 2 . Dennoch wird in Zukunft zu fordern sein, daß in den Preisen nicht nur das ökonomische, sondern auch das ökologische Optimum zu finden ist. Andererseits aber werden viele gesellschaftlichen und politischen Probleme durch eine Wertvorstellung beherrscht, die aus einer Mischung von individuellen und gesellschaftlichen Vorstellungen herrührt. Der Wert-Begriff stellt also eine Richtungsgröße dar, die den Menschen oder der ganzen Gesellschaft Orientierung verleiht. Zwischen einzelnen und sozialen Wertvorstellungen besteht eine mehr oder weniger enge Beziehung. Das gilt für die Bewertung der Technik und ihre Anwendung. Auch im modemen Umgang mit der Natur stellt sich die Frage nach den ethischen Grenzen. Die Natur hat ihr eigenes Recht. Mit dem Aufkommen der Gentechnologie haben Fragen aus diesem Gebiet für das menschliche Erkennen an Bedeutung gewonnen. Antworten werden nicht nur durch die Rechtsordnung oder die Verfassung gegeben, sondern vor allem durch die Ethik. Die Gefahr, daß der Mensch selbst zum Objekt des Forschens und Experimentierens wird, ist groß. Schließlich sind der Wissenschaft viele Möglichkeiten gegeben, die Natur des Menschen zu verändern, indem er etwa Defizite gentechnisch behebt oder über diese Schiene in die Entwicklung des einzelnen Menschen bzw. ganzer Generationen eingreift. Durch eine Genom-Analyse können z. B. Erbkrankenheiten frühzeitig erkannt und ausgemerzt werden. Die neuesten Erfolge mit dem geklonten britischen Schaf Dolly haben die Gefahr heraufbeschworen, daß nunmehr auch das Zeitalter geklonter Menschen anbrechen könnte. Seitdem der Mensch durch Kopernikus aus der Mitte des Universums und durch Darwin aus der der Natur vertrieben wurde, schickt er sich jetzt auch an, sein Ich aus der Mitte seines Selbst 2
Vgl. Weizsäcker, Ernst Ulrich von, (1997), S. l44f.
III. Der Mensch als Ziel der Schöpfung
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zu verstoßen. Auch wenn von seiten der meisten Politiker und Wissenschaftler noch ein ethisches Nein gegen das Klonen erhoben wird, besteht weiterhin die Gefahr, daß es doch geschieht. Ein kopierter Mensch als "Ersatzteillager" müßte nicht nur von einer christlichen Ethik her, sondern auch für die technisch-medizinische Wissenschaft als verwerflich gelten. Die mit dem erfolgreichen wissenschaftlichen Experiment des geklonten britischen Schafs aufgeworfene ethische Frage nach der Kopierung (Klonung) des Lebens haben schlaglichtartig gezeigt, daß der Mensch vor einer neuen Wertfindung steht. Die technische Wissenschaft darf in einem schöpferischen Wahn nicht die Unantastbarkeit der menschlichen Würde infrage stellen. Jeder Mensch muß einzig in seiner personalen Einmaligkeit bleiben. Auch wenn die Neugierde der Forscher noch so sehr nach letzten Erkenntnissen und Möglichkeiten strebt, muß ihnen bei dem Klonen von Menschen wegen der Erhaltung menschlicher Würde und des menschlichen Selbst' ein eindeutiges Halt geboten werden. Er ist nicht Schöpfer seiner selbst. Gentechnische Veränderungen werden heute vielfach auch an anderer Stelle vorgenommen. Der Mensch verändert z. B. gentechnisch das Aussehen, die Haltbarkeit oder den Geschmack von Pflanzen. So wird etwa einer der wirtschaftlich bedeutendsten Pflanze, der Sojabohne, das Gen eines Proteins eingebaut, das die Pflanzen gegen das Unkrautbekämpfungsmittel Round up - das weltweit am häufigsten eingesetzte Breitband Herbizit - widerstandsfähig macht. Dieses bekämpft nicht bestimmte Unkräuter, sondern hemmt das Wachstum aller Pflanzen. Das neue Enzym schützt aber die Bohne gegen das Herbizit und macht sie erheblich resistent. Ähnliches wird bei Raps und Mais praktiziert. Andererseits stellt sich freilich auch die ethische Frage, ob man es verantworten kann, Millionen von Rindern zu töten, nur weil sie einem Bestand an Tieren zugehören, der eventuell Menschen gefährlich werden kann. Bis heute besteht aber nur ein Verdacht, daß die Rinderkrankheit BSE auf den Menschen übertragen werden könnte. Darf der Mensch eigennützig gegen die Natur und speziell gegen das ihm anvertraute Leben vorgehen, zumal er sich selbst täglich viel größeren Gefahren, z. B. bei der Benutzung des Autos, aussetzt? Die Rinder, zwar zur Ernährung gezüchtet, dürften nicht in derartig hohen Zahlen zu einem Massensterben in den verschiedenen Ländern bestimmt werden, wenn Leben als wirklich anvertrautes Leben verstanden wird. Der Mensch wird lernen müssen, die Grenzen seines Hande1ns gegenüber der ihm überantworteten Schöpfung zu erkennen. Ein rigoroser Anthropozentrismus, der die ganze Natur menschlichem Handeln unterordnet, mißachtet die ihm aufgetragene Verantwortung für die Schöpfung.
111. Der Mensch als Ziel der Schöpfung In der christlichen Schöpfungslehre wird das Dasein der Welt auf Gottes Schöpfungshandeln zurückgeführt. Die Welt existiert aufgrund einer Entscheidung Gottes. Schöpfung ist also nicht der Ausdruck einer bloßen Laune Gottes. Sie ist das
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7. Kapitel: Rückschau und Zukunftsperspektiven
Ergebnis seines freien Wollens und Handeins. Sie ist das Gegenüber zum VaterGott. Diese Welt als die von Gott geschaffene ist eine von ihm verschiedene Wirklichkeit3 . Die Schöpfung ist nach christlichem Sinn trinitarisch zu verstehen. Der Schöpfer-Gott, die erste Person der Trinität, hat sie geschaffen. Und er schafft sie immer von Neuem. Der Sohn Gottes geht als die zweite Person aufgrund seiner Menschwerdung in seine Schöpfung ein. Gott heiligt die Schöpfung durch die Inkarnation seines Sohnes. Der Vater stellt sich auf die Seite der Menschen. An diese Gemeinschaft des Sohnes mit dem Vater dürfen nach der Sicht der christlichen Theologie die menschlichen Geschöpfe teilhaben. Das besagt die Inkarnation des Sohnes. Wenn die ganze Schöpfung durch die Menschwerdung des Sohnes die Versöhnung erfährt (Kol. 1,20), so geschieht die Realisierung dieses Zieles allein in dem Offenbarwerden der Menschen als die Kinder Gottes (Rm. 8,19 ff.)4. Gott ist als der Heilige Geist die dritte Person. In ihm ist er das schöpferische Prinzip, das der Bewegung. Der Geist ist in der von Zerstörung bedrohten Welt als das Prinzip des Lebens gegenwärtig. Er hält sie durch alle Nöte und Schwierigkeiten hindurch, indem er sich ihrer täglich neu erbarmt. Erst am Ende der Zeit wird die Schöpfung in ihm vollendet sein. Die Menschen lernen erst langsam wieder, daß sie in Einheit mit der ganzen, der lebenden und toten Natur leben. Der Mensch existiert in der Schöpfung Gottes und zugleich mit ihr. Er darf in sie eingreifen und hat dort selbst Teil an Gottes creatio continua. Als Ebenbild Gottes ist er zugleich sein Mitarbeiter in der Natur und ihr Mitgestalter. In den modernen Bio-, Gen- und Medizin-Techniken zeigt sich die Mitschöpfungsfunktion. Zwar kann der Mensch Gott nicht ablösen, er besitzt schließlich keine Autonomie. Aber er steht als Mitschöpfer an seiner Seite. Die Technik hilft ihm, die Probleme dieser Welt zu erkennen und oft auch, sie zu lösen. In der Technik besitzt der Mensch das intensivste Instrument für die ökonomische Gestaltung der Zukunft. Die christlich-jüdische Religion stellt zwar den Menschen in den Mittelpunkt. Sie weist bei ihrer Deutung der Welt einen deutlichen anthropozentrischen Aspekt auf. Schließlich kann der Mensch ja auch das Objekt gar nicht anders denken als ein auf sich bezogenes Subjekts. Alles Nichtmenschliche hat ihm zu dienen. Aber darin drückt sich kein genereller Anthropozentrismus aus. Der Mensch steht in einer dreifachen Beziehung, zu seinem Schöpfer, zu den anderen nichtmenPannenberg, Wolfhart, Systematische Theologie Band 2, Göttingen 1991, S. 15. 177. Pannenberg, Wolfhart, (1991), S. 93. 5 Pannenberg, Wolfhart, Kontingenz und Naturgesetz, in: Adolf M. Klaus Müller, Erwägungen zur einer Theologie der Natur, Gütersloh 1970, S. 51. 3
4
III. Der Mensch als Ziel der Schöpfung
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schlichen Geschöpfen und dem Rest der Natur. Die Welt erhält ihren Wert nicht über die Sonderstellung des Menschen in ihr. Es geht nämlich nicht nur um die Bewahrung der Menschen, sondern um die der ganzen Natur. Der Mensch als Mitarbeiter Gottes wird jedoch in die Verantwortung für alle nichtmenschlichen Lebewesen und die tote Materie gerufen. In der gegenwärtigen Theologien zeigen sich ganz unterschiedliche Formen ökologisch-ethischer Entwürfe und technisch-ethischer Überlegungen. Alle Typen kommen vor. So liefert Jürgen Moltmann eine theozentrische Umweltethik. Seine Schöpfungslehre ist von einem neuen Denken über Gott beherrscht. Seine Schöpfungsethik unternimmt den Versuch einer Integration von Naturwissenschaft und Theologie. Der Mensch wird von ihm zwar als das am höchsten entwickelte Geschöpf, aber nicht als die Krone der Schöpfung angesehen. Diese ist vielmehr der Sabbat, der im ·Christentum durch den Sonntag ersetzt wurde. Dieser wird zum ökologischen Ruhetag, zum Tag der neuen Schöpfung. Für Moltmann soll er zukünftig ohne Umweltverschmutzung sein. Eugen Drewermanns ökologische Ethik bekämpft den Anthropozentrismus. Er wendet seine naturalistische Kritik gegen diesen. Im Christentum wird die Natur nämlich nicht richtig erkannt. Darum fordert er aus allgemein-religiöser Sicht, daß der modeme Mensch, speziell der Christ, in Harmonie mit der Erde und vor allem mit den Tieren leben soll. Das muß zu einer Haltungsänderung der Menschen gegenüber der Natur führen. Der Christ muß von den Naturvölkern lernen. Nur so wird die Ausbeutung der Erde durch die Menschen eingeschränkt. Aufgabe des Christentums ist es, ein neues Verhältnis zu Natur zu finden. Hans Jonas macht gegen den Anthropozentrismus die Eigenrechte der Natur geltend. Er vertritt eine Verantwortungsethik, die zwar das Gegebene erhalten will, aber vor allem auf die Zukunft der Menschheit ausgerichtet ist. Diese Ethik ist nicht auf der Basis eines biblischen Gottesbegriff, sondern ohne einen religiösen Hintergrund geschaffen. Auch andere Entwürfe richten sich gegen einen Anthropozentrismus. Der Mensch ist für sie nicht das Maß aller Dinge. Er ist nur ein Teil der Natur. Die Physiozentrik hat zwar mit der biozentrische Ethik viel gemein. Aber ihre Ethik ist auf den Erhalt der ganzen Natur ausgerichtet. Die Bio-Ethik speziell gibt jedem Lebewesen das Recht, seine Bedürfnisse zu decken. Alles Leben ist vom Schöpfer geschaffen und dem Menschen anvertraut. In der Pathozentrik anerkennt man, daß Mensch und Tier in gleicher Weise leiden. Darum darf es keine Sonderstellung des Menschen gegenüber dem Tier geben. Umweltethik ist danach also auch ohne einen Anthropozentrismus denkbar. Die christlichen Kirchen in Deutschland haben sich ausdrücklich für eine Verantwortung des Menschen gegenüber dem Leben und der Schöpfung eingesetzt. Dieses taten sie im Blick auf die Industrie- und die Dritte-Welt-Länder, zumal da umwe1tschonende Maßnahmen keineswegs überall durchgesetzt worden sind. Von 8*
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7. Kapitel: Rückschau und Zukunftsperspektiven
den Kirchen und den Christen wird erwartet, daß sie den ökologischen Überlegungen Rechnung tragen. Denn ihnen ist nicht das Herrschen über die Erde, sondern das Bewahren aufgetragen. Dazu gehört die Forderung nach einem neuen Lebensstil, nach einer wirksamen Ökologiepolitik und nach einem umweltschonenden Wirtschaften. Schließlich muß die Welt nicht nur für die gegenwärtige, sondern auch für die zukünftige Generation erhalten bleiben. Das Leben ist eine Gabe Gottes, die nicht den Mächten der Gewalt und der Zerstörung überlassen werden darf. Gegründet sind diese Aussagen auf die Inkarnation des Gottessohnes. In ihm ist die Welt erschaffen worden; er wurde zum Urbild der göttlichen Schöpfung. Beide Kirchen haben sich wiederholt zu den Grundfragen des Lebens, der Eigentumsproblematik und zu allgemeinen ökonomischen Fragen geäußert. Sie setzen sich aufgrund von Solidarität und Gerechtigkeit für eine Verteilungsgerechtigkeit, die Überwindung der Massenarbeitslosigkeit und die Bekämpfung der Armut ein. Dabei denken sie an die Zukunft der gegenwärtigen und der kommenden Generationen. Denn alle müssen von den vorhandenen Ressourcen leben.
IV. Umweltpolitik Die Wirtschaft stellt die für den Menschen notwendigen Güter zur Stillung seiner Bedürfnisse bereit. Diese Güter können positiv oder negativ bewertet werden. Sie werden erst durch ihren jeweiligen Ge- und Verbrauch zu Gütern und Ungüterno Ungüter sind solche, die dem einzelnen und der Gesellschaft schaden. Oft ist es die Menge, die Dauer der Anwendung oder auch die Verkettung unterschiedlicher Wirkungen, die diese Differenzierung ermöglichen. Es ist also der Mensch, der eine solche Unterscheidung vornimmt. Umweltschutzpolitik muß marktorientiert erfolgen. Der Markt realisiert mehr Umweltinvestitionen als eine Politik, die auf Grenzwerte für Schadstoffe in der Luft, dem Boden und dem Wasser setzt, oder die mit staatlichen Genehmigungsverfahren arbeitet6 . Marktkonforme Mittel müssen die Grundpfeiler einer Umweltpolitik bilden. Zu einer funktionierenden Marktwirtschaft gehört das Vorhandensein von Vertrags- und Wettbewerbsfreiheit. Der Staat hat dafür zu sorgen, daß sie realisiert werden. Marktorientierung bedeutet nicht einen ungehemmten Verbrauch der Natur. Der Schutz der Umwelt - bereits vom Schöpfer der Sozialen Marktwirtschaft gefordert - ist am leichtesten durch marktwirtschaftliche Anreize und durch Förderung der Eigeninteressen durchzusetzen. Denn letztere halten die Ökonomie in Gang. Sind keine Marktpreise für Umweltressourcen zu finden, muß die Politik wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen dafür schaffen. 6 Holger Bonus hält solche marktkonformen Umweltverfahren doppelt so effizient wie die Grenzwerte-Politik oder Genehmigungsinstrumente, vgl. Weizsäcker, Ernst Ulrich von, (1997), S. 148.
IV. Umweltpolitik
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Die Ökonomische Belastung ist meistens kalkulierbar, die ökologische Wirkung dagegen nicht. Boden, Luft und Wasser sind sowohl in den Industrie- als auch in den Dritte-Welt-Ländern öffentliche Güter, ohne deren Inanspruchnahme weder eine menschliche Existenz möglich noch eine Industrialisierung denkbar ist. Saubere Luft, trinkbares Wasser und intakter Boden bilden die Grundlagen für die Entwicklung des Landes. Umweltbelastungen werden hervorgerufen durch das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum. Sie haben freilich auch sozioökonornische Ursachen. In der Marktwirtschaft sollte Produktion und Absatz allein vom Markt abhängig sein. Höhere Umweltkosten werden letztlich auf die Preise überwälzt. Können diese nicht aufgefangen werden, kommt es zu einem Absatzverlust. Dann können die Kosten auch auf den Arbeitsmarkt durchschlagen. Die Sorge, daß der Umweltschutz Arbeitsplätze kostet, hat in der Zeit schwacher Konjunktur zu einem Verzicht auf Umweltschutzmaßnahmen geführt. Bei einer wachsenden Wirtschaft sind Umweltschutzmaßnahmen viel leichter durchsetzbar. Andererseits schaffen Umweltschutzmaßnahmen auch Arbeitsplätze. Ökonomisch geht es heute mehr darum, ein angemessenes denn ein maximales Wirtschaftswachstum zu erzielen. Angemessen ist dieses nur, wenn die Nutzung nicht zu Knappheiten führt, die die Entwicklung behindern und die Lebensbedingungen verschlechtern. Langfristig ist Wirtschaftswachstum ohne Umweltschutz kaum denkbar. Wirtschaftliches Wachstum kann bei einem Ansteigen des realen Sozialprodukts zur Schädigung der Umwelt führen. Aber Umweltschäden sind keineswegs nur aus Wirtschaftswachstum heraus denkbar, sonst müßten die Entwicklungsländer davon frei sein; das Gegenteil ist der Fall. Eine aktive Umweltpolitik muß unter Effizienzgesichtspunkten erfolgen. Umweltpolitik ohne ökonomische Effizient ist langfristig nicht denkbar. Wenn der Staat tätig werden soll, obliegt es ihm, den Handlungsrahmen abzustecken, in dem die umweltpolitischen Maßnahmen zu erfolgen haben. Freilich kann es auch sein, daß er unter Förderungsgesichtspunkten durch Steuern und Subventionszahlungen in das Umweltgeschehen eingreifen muß. Aktive Maßnahmen sind nur in Abstimmmung, und das heißt in Kooperation mit der Wirtschaft sinnvoll. Insofern ist das Kooperations prinzip eine der wichtigsten Handlungsmaximen in umweltpolitischen Dingen. Umweltpolitik darf langfristig nicht nationalstaatlich praktiziert, sondern muß mit den anderen Staaten international harmonisch abgestimmt werden 7 .
Im einzelnen wird die Umweltpolitik durch verschiedene Zurechnungsprinzipien geprägt. Nach dem Verursacherprinzip hat der Verursacher für die Kosten aufzukommen. Es ist das am stärksten marktwirtschaftlich arbeitende Prinzip. Die am Verursacherprinzip orientierten Preise spiegeln am deutlichsten die sogenannte ökologische Wahrheit wider8 . Aber die externen Kosten sind insgesamt nur schwer 7
8
Vgl. Weizsäcker, Ernst Ulrich von, (1997), S. 179. Vgl. Weizsäcker, Ernst Ulrich von, (1997), S. 152.
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7. Kapitel: Rückschau und Zukunftsperspektiven
zurechenbar. Der Markt, der sonst die Koordinierung von Gütern organisiert, versagt bei einer solchen Zurechnung vielfach. Andere Instrumente der umweltpolitischen Tätigkeiten des Staates stellen im nicht-fiskalischen Bereich Gesetze, Verbote und moralische Appelle dar. Als direkte staatliche Maßnahmen gelten Abgaben und Steuern. Die fiskalischen Handlungsweisen sind die stärksten Instrumente der Wirtschaftspolitik. Im allgemeinen dienen Steuern dazu, Einnahmen zu erzielen. Ökosteuern haben aber über die fiskalische Funktion hinaus auch noch eine Lenkungsfunktion. Durch sie sollen umweltschädliche Produktionen verhindert oder eingeschränkt und Anreize geschaffen werden, umweltfreundiche Produktionen zu fördern. Wenn heute immer stärker nach dem Handeln des Staates gerufen wird, sieht man darin eine besonders umweltschonende Entscheidung. Das bezieht sich z. B. auf die Einführung einer Ökosteuer. Freilich wird statt einer allgemeinen Energie-Steuer auch eine COz-Steuer vorgeschlagen, um den Treibhauseffekt zu verringern. Umweltsteuern aber müssen - der Ordnungspolitik des Staates entsprechend - mit der allgemeinen Wirtschaftspolitik konform gehen, wenn sie nicht Schaden anrichten sollen. Langfristig wird man international nicht umhinkommen, umweltschädliche Subventionen auf öffentliche Güter, Energie und Nahrungsmittel immer stärker abzubauen und alle diese Produkte und Güter zu Marktpreisen unter vollem Wert zu verkaufen. Der Gedanken einer Ökosteuer ist nicht neu. Bereits Pigou hat 1920 einen derartigen Vorschlag gemacht. R.H. Coase hat auf der Pigou-Theorie aufbauend die externen Zusatzkosten durch Verhandlungen zwischen beiden Partnern ohne staatliche Intervention internalisiert. Für ihn ist eine Pigou-Steuer überflüssig. Andere Maßnahmen der Umweltpolitik sind öffentliche Investitionshilfen in Gestalt von Abschreibungsmöglichkeiten und Subventionszahlungen, Ausgabe von Zertifikaten oder die Glocken- und Ausgleichspolitik. Aber alle diese Maßnahmen schlagen nicht in der Weise durch wie die marktwirtschaftlichen Instrumente. Dennoch wird man bei einer stabiliserten Finanz- und Wirtschaftspolitik langfristig auch an die Einführung von Ökosteuern zu denken haben. Freilich müssen mit einer solchen Absicht Überlegungen einhergehen, die auf einem breiten Konsens aufbauen. Dazu gehören dann etwa: - Umweltsteuern dürfen nur solche Güter und Produktionsweisen belasten, die gemäß einem allgemeinen Konsens umweltschädlich sind. Aber gerade eine solche Feststellung wird schwierig zu treffen sein. Umweltsteuern dürfen nicht einze1staatlich erhoben werden, sondern müssen international abgestimmt werden. - Umweltsteuern dürfen die Steuergerechtigkeit nicht verändern; sie dürfen nicht mit einem hohen Verwaltungaufwand erhoben werden. Umweltsteuern sind nur mit einer entsprechend Anpassungsfrist einzuführen9 . 9
Vgl. Weizsäcker, Ernst Ulrich von, (1997), S. 164.
V. Perspektiven einer Veränderung
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Alle Einzelrnaßnahmen lösen die gesamte Umweltproblematik nicht. Darum hat man geglaubt, die beiden thermodynamischen Gesetze für die Fragen der Umweltökonomie heranziehen zu können. Mit dem ersten Hauptsatz wird die Transformation von Rohstoffe in Güter der Produktion und des Verbauchs in Abfälle angesprochen. Aufgrund des zweiten thermodynamischen Gesetzes, des Entropiegesetzes, geschieht eine Entwertung der Umwelt durch die weitere Zunahme der Transformation von Gütern in Abfälle. Allerdings kann auf allen Gebieten dieses zweiten Gesetzes nur mit Hypothesen und nicht mit exakter mathematischer Genauigkeit gearbeitet werden. Gesellschaftliche Veränderungen können ebenfalls nicht erfaßt werden.
V. Perspektiven einer Veränderung Von vielen Menschen - auch in Deutschland - wird dem Schutz der Umwelt Verfassungrang zuerkannt. Dem wurde im Jahre 1994 durch die Hinzufügung des Artikels 20a zum Grundgesetz Rechnung getragen und als Staatsziel der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen formuliert: "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtssprechung". Es ist deutlich, daß aufgrund der vielen Vorbehalte nicht der Staat selbst, sondern die Gerichte über die Erhaltung der Umweltqualität zu entscheiden haben. Ökonomisch richtig hat sich so die "Wirtschaftsvertäglichkeit" gegenüber der Bewahrung der Natur erhalten. Wäre es dagegen zu einer Staatszielbestimmung gekommen, in der die Naturverträglichkeit des Wirtschaftens gefordert wäre, würde das zu einer erheblichen Beeinträchtigung des ökonomischen Standortes Deutschlands führen 10. Es bleibt die Grundfrage: Was kann der Mensch zur Versöhnung von Ökonomie und Ökologie tun? Nachdem er viele überkommene Werte aufgegeben hat, steht er vor der Situation, daß er nicht weiß, wie er sich gegenüber den Tendenzen dieser Welt zu verhalten hat. Er hat erkannt, daß es mit dem Verbrauch und der Ausbeutung der Erde so wie bisher nicht weitergehen kann. Er weiß auch, daß nur er selbst die Lösung herbeiführen kann. Seine Aufgabe ist eine haushälterische Verwaltung über die ihm anvertraute Erde. Er muß dafür sorgen, daß sie ihm als bewohnbares Haus erhalten bleibt. Er ist als Person und Glied der Gesellschaft dazu aufgerufen. Im Rückbezug auf seinen Schöpfer hat er diese Art von Verantwortung, die ihm verloren ging, oder die er aufgegeben hat, zurückzugewinnen. Der Mensch ist der Mandatar Gottes für die Erde; ihm gegenüber hat er Rechenschaft abzulegen. Der Schöpfer hat sich in der Inkarnation zu den Menschen und ihrer Herrschaft bekannt. Vom göttlichen Sohn hat der Mensch die Königswürde seiner göttlichen 10
Anders: Huber, Wolfgang, (1996), S. 320.
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7. Kapitel: Rückschau und Zukunftsperspektiven
Ebenbildlichkeit zurückerhalten. Darum müßte er sich zur Antwort für das ihm übertragene Gut herausgerufen wissen. Als Christ ist er zwar kein anderer Mensch als jeder andere auch. Aber er ist sich dieses Auftrages bewußt. Und das hat zur Konsequenz: "Christliche und nicht-christliche Ethik begegnen sich auf dem Boden der Anthropologie" 11. Der anders Denkende geht von einer anderen Anthropologie aus. Er kann nicht vom christlichen Menschen als Ebenbild Gottes, vom Sünder und zugleich Gerechten, her denken. Er wird auch nicht von einer Verantwortung vor dem dreieinigen Gott reden. Denn er sieht den Menschen in einem anderen Verhälnis zur Schöpfung. Aber auch er wird lernen müssen, daß die Erde ein ihm anvertrautes Gut ist, das er für sich und die nachfolgenden Generationen zu erhalten hat. Denn auch er kann sich nicht als Eigentümer dieser Erde fühlen. Die Umwelt ist auch ihm nur lei weise zur Verfügung gestellt. Ökologie als Lehre von der Umwelt muß mit einer globalen Ökonomie verknüpft werden. Nur dann kann es mit einer Wirtschaftspolitik, die sich dem Umweltgedanken verpflichtet weiß, zu einem wirtschaftlichen Wachstum kommen, das die Arbeitslosenzahl reduziert, den Lebensstandards erhöht und der Erhaltung der Umwelt Rechnung trägt. Im Laufe der internationalen Verflechtungen sind immer mehr umweltpolitische Maßnahmen der Souveränität des einzelnen Landes entzogen und überregionalen Gremien, der EU und anderen Gremien Europas bzw. der Vereinten Nationen, übertragen worden. Die Maßnahme gegen die Luftverschmutzung wurde mit Hilfe des Genfer Abkommens aus dem Jahre 1982 schließlich im Protokoll von Helsinki insoweit realisiert, als eine erhebliche Reduktion von S02 bis 1993 erreicht werden sollte (sogen. 30 % Klub). Weiter wurden der Treibhauseffekt bekämpft, eine Artenschutzabkommen abgeschlossen etc. Seit der Konferenz über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro vom Juni 1992 und der dort unterzeichneten Konvention haben die Bestrebungen ernsthaft zugenommen, die biologische Vielfalt dieser Erde zu schützen, ohne daß diese bereits heute zu greifbaren Ergebnissen geführt haben 12. Auch die Weltklimakonferenz in Berlin 1995 hat keinen Durchbruchbruch gebracht. Fünf Jahre nach dem Erdgipfe1 von Rio fand 1997 in New York eine Folgekonferenz statt. Auf dieser zweiten Umweltkonferenz wurde nichts Neues beschlossen, sondern die Themen Waldsterben, Wasserwirtschaft, Klimaschutz, Bekämpfung der Armut und das Problem der Energiewirtschaft mit seinem Treibhausgas-Emissionen erneut aufgegriffen. Das entscheidende Ziel einer Reduzierung von COz-Ausstoß blieb letztlich im Unverbindlichen stecken. Lange Zeit galt in den Ländern der Dritten Welt, die unter größter Armut leben, die Forderung: Erst Entwicklung, dann Umweltschutz. Eine andere Reihefolge ist auch heute noch nicht gefunden. Armut ist also der größte Feind der Umwelt; denn mit ihr wird fast jeder Eingriff in die Umwelt gerechtfertigt. Das Abholzen der Tropenwälder hat
11 12
Honecker, Martin, Einführung in die Theologische Ethik, Berlin 1990, S. 22. V gl. Weizsäcker, Ernst Ulrich von, (1997), S. 208 f.
V. Perspektiven einer Veränderung
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gezeigt, wie sehr das Ausbeuten der Ressourcen zur Bekämpfung der Armut zu keiner endgültigen Lösung führt 13 .
In Zukunft wird mehr als in den vergangenen Jahrzehnten der Umweltschutz beim Konsum Berücksichtigung finden. Mindestens bei einem großen Teil der Bevölkerung in den Industrieländern wird immer mehr das Bewußtsein zunehmen, daß sie nicht unbedenklich die Ressourcen ge- und verbrauchen kann, wenn sie nicht zusehr auf Kosten der nachfolgenden Generationen leben will. Umweltgesichtspunkte werden im Konsum immer stärker wegen der etwaigen ökologischen Konsequenzen Berücksichtigung finden. Allerdings ist heute noch die Diskrepanz zu berücksichtigen, daß viele Menschen trotz ihrer umweltbewußten Haltung und Gesinnung zum Konsum bei den Produkten bleiben, die ihnen einen Kosten- bzw.Preisvorteil verschaffen. Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung ist bereit, mehr für die Öko-Produkte bei den Gebrauchs- und Verbrauchsgütern zu zahlen. Allerdings ist bei vielen Nahrungsmitteln auch trotz eines höheren Preises keineswegs eine biologische Komponente eindeutig sichtbar. Die gespaltene Haltung der Menschen wird besonders an dem Faktum deutlich, daß sie sich oft zwar leidenschaftlich für die Umwelt einsetzen, aber keinesfalls auf die eigenen Bequemlichkeiten verzichten wollen (Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln statt des eigenen Autos, Urlaubsreisen mit Flugzeugen etc). Je stärker eine gemeinsame Handlungs-Plattform zwischen Produzenten und den Verbauchern als Nachfragern nach entsprechenden Öko-Gütern entsteht, um den ökologischen Notwendigkeiten Rechnung zu tragen, umso mehr wird auch dem Gesichtspunkt des Umweltschutzes entsprochen. In diesem Zusammenhang muß die Solidarität zwischen der gegenwärtigen und der zukünftigen Generation noch deutlich zunehmen. Mit Recht wird auf die biologische Schönheit der Natur und auf die Gefahr, die durch ihre Vernichtung entsteht, hingewiesen. Der Wert einer Artenvie1falt zeigt sich in folgenden Sätzen: "Es geht also nicht darum, ob wir das Birkhuhn oder den Schwarzspecht wirklich so dringend brauchen, den Feuersalamander oder die Zauneidechse, den Segelfalter, den Bärlapp oder das Knabenkraut. Natürlich sind all diese Arten jeweils ein unwiederbringlicher Wert für sich, ein Wert an Schönheit, ein Wert an lebendiger Schöpfung, den der Mench nie wiederherstellen kann, und den zu zerstören er sich deshalb auch nicht anmaßen soll. Gewiß ist diese Artenfülle auch der Mutterboden, aus dem auch unsere Art entsprang. Welch Frevel also, diese Zeugnisse einer grandiosen biologischen Geschichte zu vernichten! Wie können wir zur Ehrfurcht vor dem menschlichen Leben erziehen, wenn wir ganz ohne Ehrfurcht vor dem Lebensgrund handeln, aus dem es herstammt? ... Doch jenseits aller philosophischen Erwägung gilt unter rein lebenspraktischem Aspekt vor allem, daß in einer Umwelt, in der weder Birkhuhn noch Schwarzspecht überleben können, noch Feldhase, Feuersalamander, Zauneidechse, Segelfalter, Bärlapp oder Knabenkraut, daß dort das Dasein auch für uns Menschen nicht nur unendlich an Schönheit verliert, sondern angesichts der Lebensfeindlichkeit auch unser eigenes Leben gefährdet wird,,14. 13 Vgl. Weizsäcker, Ernst Ulrich von, (1997), S. 206f. 14 Zitat von Ernst Ulrich von Weiszäcker (1997), S. 132.
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7. Kapitel: Rückschau und Zukunftsperspektiven
Der Mensch hat also mit seiner Umweltpolitik die Erde zu bewahren. Es fragt sich aber, ob es je zu einer Versöhnung der Ökonomie und Umwelt kommen kann? Auch die Anwendung der Technik wird einen solchen Ausgleich nicht in jedem Fall erleichtern, oft sogar eher noch erschweren. Wenn eine Aussöhnung versucht wird, ist die Marktwirtschaft das Instrument, durch das die Tendenz dazu eingeleitet werden kann. Durch sie kann die Umweltbelastung am ehesten vennindert, die Energie gespart, die Rohstoffwiederverwertung vorangetrieben und umweltfreundliche Technik gefördert werden. Dazu ist es nötig, daß die knappen Güter Boden, Wasser und Luft eben als solche gesehen und kostenwirksam geschont werden. Immissionen müssen ebenso wie Emissionen umweltfreundlich gesteuert werden, daß der Schutz der Umwelt nicht nur als Forderung auf dem Papier steht. Aufgabe des Staates und der Gesellschaft ist es, das Verhalten der Menschen so zu gestalten, daß viele dieser Wünsche und Forderungen durch Begünstigung der Eigeninteressen erfüllt werden können. Der Grund für eine mangelnde Versöhnung liegt freilich nicht in der wachsenden Wirtschaft als solcher, sondern in der Tatsache, daß der Mensch nur existieren kann, indem er seine Umwelt ge- und verbraucht. Die Gefahr heute besteht darin, daß er die Umwelt stärker in Anspruch nimmt als es in früheren Zeiten geschehen ist. Heute ist es eher möglich, das ökonomische Handeln so zu entwickeln, daß die Umwelt für den Menschen optimal genutzt werden kann. Umweltverträglichkeit kann heute auch als Produktmerkmal vennarktet werden. Das bedeutet, daß in vielen Fällen diese umweltethische Komponente als Teil des Markenzeichens eingeführt wird und als Verkaufsargument für den Qualitätsstandard dienen kann. Umweltfreundlichkeit, Umweltschonung sind danach ebenso wichtig wie technische Bedienung oder ein positiver Kosten-Nutzenvergleich. Das alles freilich hängt davon ab, ob der Mensch weltweit einen solchen Einsatz will. Mittlerweile ist deutlich geworden, daß jeder Staat nicht nur entsprechend seinen Interessen und seinen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fähigkeiten einen Beitrag zum Erhalt der Umwelt, des Bodens, des Wassers, der Luft, der Artenvielfalt etc. zu leisten hat. Er hat dabei auch die Interessen und die Belange anderer Staaten zu berücksichtigen. Alle Staaten stehen in einer Solidargemeinschaft zum globalen Erhalten der biologischen Vielfalt. Gerade die Vielfalt der Arten und der gegebenen genetischen Ressourcen ist ein Erbe aller Menschen und nicht das einer Region oder eines Geschlechtes. Mit Recht werden darum immer wieder Stimmen laut, daß die Staaten aufgrund einer solchen Gemeinschaft und nicht aus Eigeninteressen heraus handeln müssen. Solche Überlegungen bildeten auch den Inhalt der Brundtland-Kommission. Diesen Überlegungen wird nicht überall zugestimmt. Das liegt eher an der Angst der schwächeren Völker, speziell der Entwicklungsländer, die glauben, daß die stärkeren Industrieländern solche globalen Schutzüberlegungen nur benutzen werden, um die Verfügungsgewalt über die Ressourcen der Entwicklungsländer zu gewinnen. Aber es muß eingesehen und gelernt werden, daß eine rein nationale Umweltpolitik zu kurz angelegt wird. Hier hilft
V. Perspektiven einer Veränderung
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nur Globalisierung. Schließlich ist der Schutz der Biosphäre und die Erhaltung der Artenvielfalt nicht mehr eine nationale, sondern eine internationale Gemeinschaftsaufgabe. Aber es geht nicht nur um eine Bewahrung, sondern auch um Neugestaltung und um Veränderung der Politik. Es wird in Westeuropa und auch in anderen Teilen der Welt die Kirche und die Theologie den Menschen sagen müssen, was sie tun sollen und dürfen. Das ist die zentrale Frage jeder Ethik. Im Christentum ist diese abhängig von zwei anderen Fragen: Was dürfen wir glauben und worauf können wir hoffen. Alle drei Fragen bedingen einander. Ethik ist im christlichen Glauben abhängig vom Inhalt des Glaubens. Hoffnung ist eine Grundintention des Glaubens. Denn ohne Hoffnung ist der Glaube nichts. Der christliche Glaube darf sich nicht auf Teilgebiete der Welt beschränken, sondern er muß weltweit die Menschen zu erreichen versuchen. Vor allem ist eine Globalisierung der Wirtschaft vonnöten. Auf allen Gebieten der Wirt-schaft, des Kapitals, der Technik und des Umweltschutzes ist sie für das Überleben notwendig. Denn alle diese Bereiche können nicht mehr nur in einem nationalen Rahmen praktiziert werden. Der internationale Wettbewerb setzt also globale Strategien voraus. Geld und Finanztransfers machen nicht vor nationalen Grenzen Halt. Sowohl Ökologie als auch Ökonomie haben sich interdisziplinär und auch global zu organisieren, selbst wenn nationale Aspekte weiterhin Gültigkeit behalten. Die Globalisierung darf allerdings nicht zur Folge haben, daß die nationale Wirtschafts- und Finanzpolitik keine Berechtigung mehr hat. Wer aber meint, allein mit Hilfe einer weltweiten Politik auch den Wohlstand mehren und die Ausbeutung verhindern zu können, irrt. Von den einzelnen Nationen werden keine Machtpositionen geräumt. In diesem Sinn gibt es darum auch keine "Erdpolitik", die die Umweltpolitik international regelt und ordnet 15 . Eine solche Politik kann nämlich zunächst nur auf dem Boden individueller oder nationaler Abstimmung erfolgen. Eine andere Vorgehensweise wäre irreal! Mit Recht haben darum die beiden Großkirchen auf die Sozialprinzipien der Solidarität und Subsidiarität hingewiesen, auf denen eine modeme Gesellschaft aufbaut. In der Soldarität gehen Menschen gemeinsamen Interessen nach und verzichten auf eigene Vorteile und setzen sich für das Wohl aller (Gemeinwohl) ein 16 . Das freilich wird auch in einem globalen Rahmen verlangt. Denn schließlich sitzen "alle in einem Boot". Diesem Denken muß das Subsidaritätsprinzip zur Seite treten. Der Staat hat dabei die Verantwortlichkeit sowohl des einzelnen als auch der kleineren Einheit zu berücksichtigen. Dazu kommt, daß auch einzelne Bereiche durch Schutzmaßnahmen vor Übergriffen durch den Staat zu bewahren sind. Darum wird der Staat und 15 Darum bleibt auch der Ausdruck "Erdpolitik", den Ernst Ulrich von Weiszäcker (1997), S. 9 als Titel für sein Buch verwendet, illusionär. 16 G.T. Z. 115 ff.
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7. Kapitel: Rückschau und Zukunftsperspektiven
insbesondere die Gesellschaft dafür Sorge tragen, daß ein Verantwortungs-Spielraum für die jeweils kleinste Einheit zur Verfügung gestellt wird. Und das bedeutet zweierlei: zum einen, daß dieser Raum nicht durch die übergeordneten Größen weggenommen wird und zum anderen, daß ihm die notwendigen Hilfen gewährt werden 17 • Immer stärker müssen Eigenverantwortung und Eigeninitiative gefördert werden. Es geht freilich nicht nur um eine individuelle ethische Orientierung, sondern auch um eine gesellschaftliche Ordnung. Dazu gehört auch die Verwirklichung von sozialer Gerechtigkeit. Mindestens die beiden aristotelisch überlieferten Begriff der iustitia communicativa (ausgleichende Gerechtigkeit) und der iustitia distributativa (austeilende Gerechtigkeit)18 weisen auf die unterschiedliche Beziehung der Menschen im Gemeinwesen hin, die Rechte und Pflichten gerecht zu verteilen suchen. Diskriminierungen und Ungleichgewichte in allen Bereichen der Gesellschaft gilt es abzubauen 19. Allen Gliedern der Gesellschaft soll die Teilhabe und Teilnahme an den "gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Prozessen" ermöglicht werden 2o . Das bedeutet zwar Zuwendung zu den Armen der Gesellschaft und Parteinahme für die Schwachen; aber vor allem Veränderung der Strukturen, so daß dem einzelnen eine entsprechende Teilnahme an der sozialen Gerechtigkeit mit Zugang zu den Wohlfahrts- und Arbeitsmöglichkeiten gewährt wird. Die Zeit nationaler wirtschaftlicher oder kirchlicher Tradition ist zu Ende gegangen. Beide Großkirchen müssen sich ihrer weltweiten Einflußnahme bewußt sein. Die römisch-katholische Kirche steht bereits seit Jahrhunderten in dieser globalen Verantwortung. Die evangelische steht auch in weltweiter ökumenischer Verantwortung. Aber sie wird es noch stärker lernen müssen, daß sie nicht mehr nur für kleine eng begrenzte Gemeinden spricht! Der Mensch ist Teil eines umfassenden Ökosystems. Er wird dabei den Tieren, Pflanzen und der anorganischen Umwelt eine nicht von ihm und durch ihn zu definierende Existenzberechtigung zubilligen. Zwischen der Umwelterhaltung und der Wohlstands- und Arbeitsverteilung muß ein enger Zusammenhang bestehen. Ökonomie und Ökologie werden darum mit anderen Wissenschaften, vor allen den Naturwissenschaften und der Technik, eng zusammenarbeiten. Sie werden lernen müssen, ihre Zielsetzungen miteinander zu versöhnen. Hierbei geht es freilich nicht um den theologischen Begriff des Versöhnens als einer göttliche Handlung 21 , sondern um einen Ausgleich zwischen beiden Disziplinen. Es wird nötig sein, eine umfassende gesellschaftliche Veränderung anzusteuern, in der nicht nur der ökologischen Krise, sondern auch der Krise in der gerechteren Arbeitsverteilung entsprochen wird. Einen Ausgleich zwischen Ökologie und Ökonomie kann es nicht in dem Wiederherstellen eines jungfräulichen Zustandes geben. Ökonomie wird 17
18 19
20 21
Kramer, Rolf, Soziale Gerechtigkeit, Berlin 1992, S. 48 ff. Kramer, Rolf (1992), S. 41 ff. G.T. Z. 111 ff. Rat der EKD, Gemeinwohl und Eigennutz, Gütersloh 1991, Z. 155. Vgl. 1. Kap. Abschn. I1I, B.
V. Perspektiven einer Veränderung
125
immer Umwelt "verbrauchen". Das gehört zum Wesen ihrer selbst. Nur in einem Maße, das nicht in einem ständigen Mehrverbrauch von Umwelt gipfelt, wird langfristig Ökonomie zu etablieren sein. Beide Disziplinen werden dabei freilich in größeren Zeiträumen zu denken haben und nicht nur auf die nächsten zehn oder zwanzig Jahre Rücksicht nehmen können. Umweltethik muß auf größere Zeiträume ausgerichtet sein. Denn die Zukunft ist ihr Tätigkeitsbereich. Sie wird nicht mehr dem Satz beipflichten können, der der Marquise de Pompadour nach der Schlacht bei Roßbach (1757) zugeschrieben wird: "Apres nous le deluge" (Nach uns die Sündflut)! Der Mensch von heute kann nicht einfach darauf losleben, ohne zu bedenken, was nach ihm kommt.
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Personen- und Sachregister Abgaben 102 f.; 118 Altner, Günter 48 f. Amery, Carl 14 Anthropozentrik 19; 23; 25; 31; 37; 41 ff.; 44 f.; 46 ff.; 51; 64 ff.; 69 ff.; 73; 75 ff.; 79; 110; 113 ff. Aquin, Thomas von 64 ff. Arbeit 33; 40; 59; 70 f.; 93 ff.; 97; 104 Arbeitslosigkeit 6; 57 f.; 60; 116; 120 Aristoteles 26 Auer, A1fons 42 Augustin 69 f. Ausgleich 6; 108; 112; 118 Ausbeutung 14; 20; 39; 52 Baggesen, Jens 15 Barth, Karl 72; 78 f. Bildung 6 Binswanger, Hans,Christoph 84 ff. Biozentrik 46; 48 ff.; 50 f.; 115 Birnbacher, Peter 51 Bloch, Ernst 43 Blumenberg, Hans 27 Boden 13; 18; 53; 68f.; 80f.; 82ff.; 85; 93; 97; 116 f.; 122 Bund Gottes 23; 60 Chardin, Teilhard von 49 Christologie 22; 24; 54; 74 ff.; 78 f.; 110; 114; 119 Clausius, Rudolf 84 Coase, Ronald Harry 105 f.; 118 Daecke, Sigurd, M. 27; 37 Darwin, Charles 30; 112 Dominium terrae 14; 27; 52; 67; 109 Drewermann, Eugen 75 ff.; 115 Dritte Welt 53; 57; 61; 115; 117 Effekte, externe 100 ff.; 103; 105; 117 Emission 80ff.; 83; 103; 106ff.; 122
Entfremdung 70 ff. Entropie 84ff.; 119 Eschatologie 14; 22 ff.; 44; 70; 73 f.; 75; 78 Ethik 15ff.; 17ff.; 24; 31; 35ff.; 38; 4lff.; 44; 48; 52 ff.; 55 ff.; 64 ff.; 74 ff.; 15 ff.; 120; 123; 125 Evangelium 14 Evolution 30; 36; 39; 49 Fortschritt 36; 38; 61; 67; 110ff. Freiheit 34; 42 Freud, Sigmund 30 Gemeinlastprinzip 99 Gemeinwohl 32 Gesetz 64 ff.; 84 ff.; 89 f.; 100 f.; 111; 118 f. Globalisierung 56 ff.; 123 Gut/Güter 29; 31 ff.; 34ff.; 64; 81 ff.; 87; 95ff.; 98; 106f.; 112; 116; 118f.; 122 Haeckel, Ernst 15 Haushaltung 15 f. Hiroshima 6 Horkheimer, Max 30 Huber, Wolfgang 45 Immission 81 ff.; 83; 106 Industrieansiedlung 13 Irrgang, Bernhard 41; 52; 75 Israel 21; 60; 75 Johannes XXIII. 67 Johannes Paul 11. 61; 65 f.; 67; 72 Jonas, Hans 42 f.; 44; 46; 115 Kant, Immanuel 42 Kapital 86 Kirche 14; 26; 52ff.; 55ff.; 65ff.; 68; 109; 115 f.; 124 Klose, Alfred 31 ff.; 91; 98 f. Konsum 91; 98; 107
Personen- und Sachregister Konzil, Zweites Vatikanisches 66 Kooperationsprinzip 100 Kopernikus, Nikolaus 112 Kosten, soziale 10 I Kränkung 30 f. Laborem Exercens 67 Lebensqualität 6; 33 Lenk, Hans 31 Link, Christian 42 ff. Luft 13; 17f.; 53; 68f.; 79f.; 81 ff.; 93; 101; 105; 109; ll6 f.; 122 Luther, Martin 52; 69 ff. Marcuse, Herbert 36 Markt 59ff.; 87 f.; 90; 96; 104; Ill; ll6ff. Marktwirtschaft, Soziale 16; 54; 56 ff.; 58 ff.; 88 ff.; ll6 MarshalI, Alfred 100 f. Marx, Kar126; 70ff.; 75 Maßstab 6; 17; 42; 103 Mensch als Mitschöpfer 36ff.; 39; 43 Merk, Gerhard 31 ff.; 98 f. Messias 22; 54; 74; 114; ll9 Meyer-Abich, Klaus M. 46f. Milieu 15; 109 Müller-Armack, Alfred 16; 89 Moltmann, Jürgen 72 ff.; 78; ll5 Nagasaki 6 Natur 5; 13ff.; 16ff.; 23; 28f.; 31; 35; 38; 43; 45ff.; 51; 53f.; 55; 58; 64ff.; 70ff.; 75 ff.; 79; 89; 109; ll2 Naturrecht 64 ff. Normen 17; 34 ff.; 64 Notordnung 21 Ökologie 6; 13 ff.; 17 ff.; 31; 33.; 48; 52 ff.; 55ff.; 60; 68; 72ff.; 74ff.; 80ff.; 83; 109; lll; ll8 ff.; 123 f. Ölpest 13 Ortaga y Gasset 6 Ozonloch 6; 80 Pareto, Vilfredo 105 Pathozentrik 45; 48; 50 ff.; 115 Paul VI. 62 Physiozentrik 37f.; 44; 46f.; 51; ll5
133
Pigou, Arthur Cecil 83; 10 I; 103 ff.; 105 f.; ll8; Platon 47 Populorum progressio 61 f. Rapp, Friedrich 31 Redemptor Hominis 62 Reich Gottes 23 Rendtorff, Trutz 35 Revolution 14; 71 Rich, Arthur 32 Rohbeck, Johannes 30 Ropohl, Günter 31 Sachgerechtigkeit 32 Säkularisation 27; 29 Schadensbilanz 81 Schelsky, Helmut 30 Schöpfung 5; 22ff.; 36ff.; 38; 45; 52; 54; 69 f.; 72 ff.; 74 ff.; 78; llO; ll3 ff.; ll5 Schöpfungsgeschichte 14; 19ff.; 110 Schweitzer, Albert 48 Singer, Peter 48; 50 f. Smith, Adam 88 f. Solicitudo Rei Socialis 61 Spaemann, Robert 5; 13 Spengler, Oswald 30 Spieker, Manfred 68 ff. Staat 96; 98; 102; 116; 119 Steuer 83; 102 ff.; 104 ff.; 106; ll7 ff. Sündenfall 19; 24 Technik 5f.; 26ff.; 31 ff.; 33ff.; 38f.; 53; 55; 62; 64ff.; 67ff.; 70; 1l0ff.; 114; 122 Technologie 26ff.; 30ff.; 38; 112 Theozentrik 44; 64; 74 Thermodynamik 84 ff.; 119 Tier 13; 19; 21 ff.; 30; 37; 41 f.; 47 f.; 49 ff.; 54; 56f.; 61; 68; 77 ff.; 109 Tillich, Paul 28 Trinität 37; 69; 72 ff.; ll4 Uexküll, Jakob von 15 Umwelt 5; 13ff.; 16ff.; 29f.; 33; 39f.; 41 ff.; 52f.; 54ff.; 74ff.; 81 ff.; 84ff.; 87ff.; 90ff.; 92ff.; 94ff.; 97ff.; 104ff.; 107ff.; lllf.; 117; 121ff.; 124f. Unterordnung 20; 72
134
Personen- und Sachregister
Verantwortung 15; 20 ff.; 29; 33; 38 f.; 44 f.; 47; 53f.; 55; 60; 67; 80; 104; 113; 123f. Verein deutscher Ingenieure 29; 35 Versöhnung 5; 119; 124 Verursacherprinzip 54; 85; 100; 117 Vorsorgeprinzip 99 ff.
Wettbewerb 32; 57; 59 f.; 82f. Wirtschaft 5; 6; 30; 33; 36; 39; 54; 56ff.; 67f.; 70ff.; 80ff.; 84ff.; 86; 94ff.; 102ff.; 111; 116f.; 119; 122ff.; 124 Wissenschaft 35 Zertifikate 102; 107 f.
Wasser 13; 17f.; 53; 68f.; 79f.; 81 ff.; 93ff.; 97; 101; 103; 105; 109; 116 f.; 120; 122 Weber, Max 29 Werte 34 ff.; 37; 50; 52; 65; 87; 112
Ziele 28f.; 34ff.; 52; 87; 90; 104ff.; 107; 111; 113 ff. Zukunft 43 f. Zweck 64