Umgekehrte Diskriminierung: Quotenregelungen zur Frauenförderung im öffentlichen Dienst und in den politischen Parteien [1 ed.] 9783428466696, 9783428066698


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German Pages 256 Year 1989

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Umgekehrte Diskriminierung: Quotenregelungen zur Frauenförderung im öffentlichen Dienst und in den politischen Parteien [1 ed.]
 9783428466696, 9783428066698

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Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht

Band 2

Umgekehrte Diskriminierung Quotenregelungen zur Frauenförderung im öffentlichen Dienst und in den politischen Parteien Von

Dr. Ulrich Maidowski

Duncker & Humblot · Berlin

ULRICH MAIDOWSKI

Umgekehrte Diskriminierung

Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungs recht Herausgegeben von Wolfgang Graf Vitzthum in Gemeinschaft mit Martin Heckei, Ferdinand Kirchhof Hans von Mangoldt, Thomas Oppermann Günter Püttner sämtlich in Tübingen

Band 2

Umgekehrte Diskriminierung Quotenregelungen zur Frauenförderung im öffentlichen Dienst und in den politischen Parteien

Von

Dr. Ulrich Maidowski

Duncker & Humblot . Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Maidowski, Ulrich: Umgekehrte Diskriminierung: Quotenregelungen zur Frauenförderung im öffentlichen Dienst und in den politischen Parteien / von Ulrich Maidowski. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1989 (Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht; Bd. 2) Zug!.: Tübingen, Univ., Diss., 1988 ISBN 3-428-06669-3 NE:GT

D 21 Alle Rechte vorbehalten © 1989 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin 61 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0935-6061 ISBN 3-428-06669-3

Meiner Mutter und dem Andenken meines Vaters

Inhaltsverzeichnis EinfUhrung

13

1. Kapitel "Umgekehrte Diskriminierung"Die Dimensionen des Problems

I. Die politische Konzeption: "Umgekehrte Diskriminierung"

17 17

1. Der "Kultureinfluß der Frau": Ideal und Wirklichkeit der Frauenbewegung in Deutschland bis 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

2. Verfassungsgarantie und Gleichheitsdefizit: Die Entwicklung seit 1945 ..

28

3. Gleichberechtigung - Gleichstellung - Chancengleichheit: Zur begrifflichen Charakterisierung der gegenwärtigen Situation . . . . . . . . . . . ..

35

4. "Umgekehrte Diskriminierung" zur Frauenförderung: Konzeptionelle Grundlage und rechtliche Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

11. Die verfassungsrechtliche Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

1. Die Grundsatzfrage: Umgekehrte Diskriminierung als Gleichheitseinschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

2. Autonomie des öffentlichen Dienstes und Parteifreiheit: Umgekehrte Diskriminierung als Freiheitseinschränkung

46

In. Quotenregelungen im geltenden Rtcht

.....

47

1. Quotenregelungen zur Förderung sozialer Minderheiten im geltenden Recht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

48

2. Frauenförderung und die Förderung sozialer Minderheiten: Zur Vergleichbarkeit der rechtlichen Maßstäbe und sozialen Strukturen ..

53

3. Exkurs: Reverse Discrimination in den USA . . . . . . . . . . . . . .

57

2. Kapitel Die GleichsteUung von Mann und Frau im Internationalen Recht und im Europäischen Gemeinschaftsrecht

I. Internationales Recht

61 61

1. Verfassungsauslegung und Internationales Recht . . . . . . . . . . . . . . .

61

2. Der thematische und institutionelle Rahmen

66

8

Inhaltsverzeichnis

68

3. Das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts 4. Gleichstellung von Frauen und Männern - Die Entwicklung der völkerrechtlichen Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Frauen als schutzbedürftige Gruppe minderen Rechts

70

..........

71

b) Gleichberechtigung als Rechtsgleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

c) Gleichbehandlung und Chancengleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

d) Die Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

77

5. Die Verwirklichung der Gleichstellung - Umgekehrte Diskriminierung als Handlungsmöglichkeit des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

82

88

II. Europäisches Gemeinschaftsrecht 1. Die konzeptionelle Grundlage: Der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

90

2. Umgekehrte Diskriminierung zur Frauenförderung im Europäischen Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

94

3. Die Konsequenzen für die innerstaatliche Rechtsordnung der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

IU. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

3. Kapitel Der verfassungsrechtliche Rahmen Umgekehrte Diskriminierung als Gleichheitsproblem

101

I. Die Problemstellung: Gleichheitsdurchbrechung zur Gleichheitsverwirklichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

II. Die herrschende Auffassung: Umgekehrte Diskriminierung als Verfassungsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 1. Art. 3 Abs. 2 GG als absolutes Differenzierungsverbot . . . . . . . . . . .. 102 2. Die biologische Verschiedenheit von Mann und Frau als Anknüpfungspunkt für umgekehrte Diskriminierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 III. Die Gegenposition: Umgekehrte Diskriminierung als Verfassungsverwirklichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Art. 3 Abs. 2 GG als Maßstab für eine Politik der umgekehrten Diskriminierung zur Frauenförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Die Emanzipation des Art. 3 Abs. 2 GG vom Einfluß des allgemeinen Gleichheitssatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Art. 3 Abs. 2 GG als programmatisches Signal: "Gleichberechtigung" und "Kultureinfluß" der Frau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

Inhaltsverzeichnis

9

c) Norrndurchbrechung zur Norrnverwirklichung: Ausnahmen vom Grundsatz der Rechtsgleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Umgekehrte Diskriminierung zur Frauenförderung als Handlungsmöglichkeit der öffentlichen Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Frauenförderung als Kompensation für normzielwidrige Benachteiligung der Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 b) Kompensatorische Frauenförderung zur Verwirklichung einer gerechten Gesellschaftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 c) Rechtsgleichheit contra Grundrechtseffektivität - Art. 3 Abs. 2 GG als 134 Status-Quo-Garantie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Exkurs: Art. 3 Abs. 1 GG - Die Gefahr einer "Quotierungswelle" .. 136 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 4. Kapitel Frauenförderung im Arbeitsleben Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst

1. Bestandsaufnahme

139

139

1. Gleichstellungsdefizite im öffentlichen Dienst ...... .

139

2. Die Regelungen zur Frauenförderung im öffentlichen Dienst des Bundes und der Länder .. .. .. ... ... . ... . .. .. .. . .. .. .. . 142 147

3. Die Problemstellung

11. Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst: Leistungsprinzip und gleicher Zugang zu den öffentlichen Ämtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 1. Art. 33 Abs. 2 GG als Grundnorm des öffentlichen Dienstrechts

149

2. Frauenförderung bei gleicher Eignung: Ergänzung des Leistungsprinzips 154 a) Rechtmäßigkeit eignungsabhängiger Frauenförderung . . . . . . . . . . 154 b) Ineffektivität eignungsabhängiger Frauenförderung . . . . . . . . . . . . 157 3. Eignungsunabhängige Frauenförderung: Durchbrechung des Leistungs158 prinzips 4. Frauenförderung durch Verfahren: Konkretisierung des Lei~tungsprinzips 162 a) Inhaltliche Präzisierung des Leistungsprinzips b) "Verrechtlichung" des Aus1eseverfahrens

. . . . . . . . . . . . . . . 165

................

169

III. Die Handlungsmöglichkeiten von Gesetzgeber und Verwaltung ......

172

1. Die Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes als Schranke für Initiativen der Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Die Entscheidung für umgekehrte Diskriminierung als "wesentliche" Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

Inhaltsverzeichnis

10

b) Die Reichweite des Parlamentsvorbehalts

176

2. Die Personalgewalt der öffentlichen Dienstherrn als Schranke für Initiativen des Gesetzgebers . . . . . . . . . .. .. .. .. .. .. 178 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

182

5. Kapitel Frauenförderung im politischen Bereich Umgekehrte Diskriminierung im Parteienrecht

184

I. Umgekehrte Diskriminierung zur Frauenförderung im Prozeß der politischen Willensbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

11. Die Handlungsmöglichkeiten des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Unterrepräsentation von Frauen in den politischen Parteien als demokratisches Funktionsdefizit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 2. Die Parteifreiheit als Programmfreiheit - Grenzen gesetzgeberischer Gestaltung im politischen Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 111. Die Handlungsmöglichkeiten der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 1. "Ämterquotierung" ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 197 a) Die Ausgestaltungsmöglichkeiten

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

b) Die Problemstellung: Stimmrechtsgleichheit, Wahlentschließungsfreiheit und gleicher Zugang zu Parteiämtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 c) Das Gebot innerparteilicher Demokratie: Umgekehrte Diskriminie203 rung zur Frauenförderung als Gefahr oder Chance? ... .. .. 2. "MitgliederquotIerung"

210

a) Die "Ablehnungsfreiheit" der Parteien ..

210

b) Das Partizipationsrecht des Staatsbürgers

211

c) Mitgliederquotierung als programmatische Aussage? .

215

3. Einzelfragen zur Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . .

216

a) Zahlenwert einer Quotierung - starre und flexible Quotenregelungen 216 b) Die Sanktionierung innerparteilicher Quotenregelungen

........ 220

c) "Eignungsabhängigkeit" , Bindungsintensität und geschlechtsneutrale Formulierung von Ämterquoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

224

Fazit: Erste Ergebnisse und offene Fragen

225

Literaturverzeichnis

230

Abkürzungsverzeichnis ADGE

Entwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz, BT-Ds 10/6137

ArbplG

Gesetz über den Schutz des Arbeitsplatzes bei Einberufung zum Wehrdienst

BEG

Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung

BEvG

Bundesevakuiertengesetz

BMJFFG

Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit

BMJFG

Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit

BPolBG

Bundespolizeibeamtengesetz

BVFG

Gesetz über Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge

BVSG-NW Gesetz über einen Bergmannsversorgungsschein im Lande NordrheinWestfalen BWGöD

Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes

CHR

Commission on Human Rights

CSW

Commission on the Status ofWomen

ECOSOC

United Nations Economic and Social Council

EG

Europäische Gemeinschaften

EMRK

(Europäische) Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten

EP

Europäisches Parlament

GA

General Assembly of the United Nations

GSA

Grundsatzausschuß des Parlamentarischen Rates

HA

Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates

HChE

Herrenchiemseer Entwurf

HkG

Heimkehrergesetz

HRG

Hochschulrahmengesetz

ILO

International Labour Organization

L.N.T.S.

League ofNations Treaty Se ries

SchwbG

Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft

StenoProt

Stenographisches Protokoll der Sitzungen des Parlamentarischen Rates

12

Abkürzungsverzeichnis

SVG

Gesetz über die Versorgung der ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und ihre Hinterbliebenen

UNESCO

United Nations Educational Scientific and Cultural Organization

U.N.T.S.

United Nations Treaty Series

ZDG

Zivildienstgesetz

Einführung Mit Art. 3 Abs. 2 des Bonner Grundgesetzes hat der Grundsatz der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zum ersten Male in der deutschen Verfassungsgeschichte in einer umfassenden und für alle Staatsgewalten verbindlichen Formulierung Eingang in eine deutsche Verfassung gefunden. Damit wurde, so schien es, im Jahre 1949 eine Entwicklung wieder aufgenommen und zum Abschluß geführt, die mit den Forderungen der historischen Frauenbewegung im 19. Jahrhundert begonnen hatte, und die schon in der Verfassung des Deutschen Reiches von 1919 ein leises Echo gefunden hatte, bis sie durch den Nationalsozialismus unterbrochen und ihrer ersten Erfolge wieder beraubt worden war. Auch die fortschreitende Umgestaltung der Rechtsordnung, die sich nach 1949 im Gefolge der neuen Verfassungsbestimmung vollzog - häufig allerdings erst unter Mitwirkung des Bundesverfassungsgerichts -, schien die normative Kraft der Vorschrift nachdrücklich zu bestätigen. Doch im Laufe der Zeit wurde deutlich, daß diese Egalisierung im Recht eine Veränderung der sozialen Lage der Frauen, der realen Gegebenheiten ihrer politischen Einflußmöglichkeiten und ihrer beruflichen Existenz, nicht in gleichem Maße zur Folge hatte. Frauen befinden sich vielfach auch heute noch in der sozialen Position einer Minderheit, obwohl sie die Mehrheit der Bevölkerung, der Wahlberechtigten und der Wähler bilden, und eine deutliche Unterrepräsentation von Frauen bestimmt zumindest auf den höheren Ebenen der politischen und wirtschaftlichen Hierarchien auch weiterhin das Bild - die Ziele der historischen Frauenbewegung sind bis heute nicht erreicht. Die Suche nach einem Ausweg aus dieser Situation hat schließlich zu dem Vorschlag geführt, Frauen in der Konkurrenz mit Männern während einer Übergangszeit und im Gegensatz zu dem bloß "negativen" Verbot der Ungleichbehandlung durch eine gezielte, "positive", Förderung zu unterstützen. Dies soll auch die Abweichung vom Grundsatz der Rechtsgleichheit der Geschlechter, d. h. Maßnahmen "positiver" oder "umgekehrter Diskriminierung" zur Frauenförderung, einschließen. Das Kernstück dieses Konzepts bilden "Quotenregelungen", die die Präsenz von Frauen in denjenigen beruflichen und politischen Positionen erhöhen sollen, in denen Frauen bis heute kaum in Erscheinung treten, "unterrepräsentiert" sind. Quotenregelungen räumen ihnen in der Konkurrenz um solche Positionen eine rechtliche Vorzugsstellung ein und sollen insbesondere private und öffentliche Arbeitgeber, Parteien, Hochschulen oder Wähler dazu verpflichten, so lange konkrete Entscheidungen für Frauen und gegen Männer zu

14

Einführung

fällen, bis in den defizitären Bereichen ein vorgeschriebener Mindestanteil von Frauen erreicht ist. Die rechtliche Gleichstellung von Frauen und Männern - obschon gerade sie der bisher deutlichste Erfolg der politischen Bewegung für die Verwirklichung der Gleichheit der Geschlechter ist - vermag nach diesem Konzept die Unterrepräsentation von Frauen nicht abzubauen, solange eine allzu krasse Diskrepanz zwischen Verfassungsrecht und sozialer Wirklichkeit die egalisierende Wirkung des Rechts nicht zur Entfaltung kommen läßt. Aus diesem Grunde soll die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter zeitlich begrenzt wieder aufgegeben werden, bis eine Gleichheit der Rechte sich in einer von geschlechtsspezifischen Hemmnissen unbeeinflußten Gleichheit der Chancen widerspiegeln kann. Seit dem Beginn der achtziger Jahre wird dieses Konzept, dessen Wurzeln in der verfassungs rechtlichen Debatte in den Vereinigten Staaten und auf der Ebene des Internationalen Rechts zu finden sind, in der Bundesrepublik Deutschland mit zunehmender Intensität erörtert, ohne daß sich bisher freilich ein Konsens darüber gebildet hätte, ob eine solche Politik die Gleichstellung der Geschlechter auf lange Sicht überhaupt zu befördern vermag. Ungeachtet dieser Differenzen werden erste Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung bereits praktiziert: Neben die vor allem in privatwirtschaftlichen Unternehmen schon seit geraumer Zeit eingeführten Programme und Pläne zur Frauenförderung sind in mehreren politischen Parteien und in den meisten Bundesländern Regelungen getreten, die in unterschiedlichem Ausmaß eine Rechtsungleichheit im Verhältnis der Geschlechter etablieren. Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum hat diese Entwicklung bisher - mit wenigen Ausnahmen - kein nennenswertes Echo ausgelöst, obwohl sie die auf den Gleichheitssätzen der Verfassung beruhende rechtliche Ordnung der Konkurrenz von Frauen und Männern in radikaler Weise in Frage stellt. Gerade dieser Umstand begründet die besondere Schwierigkeit, dem Konzept der umgekehrten Diskriminierung gerecht zu werden; es ist nicht leicht, zwischen den Extremen völliger Ablehnung und vorbehaltloser Zustimmung den Weg zu einer nüchternen wissenschaftlichen Auseinandersetzung zu finden. Die vielgestaltigen konkreten Vorschläge und die bereits in geltendes Recht übernommenen Regelungen verlangen nach einer differenzierten rechtlichen Würdigung, und sie nötigen dazu, manche vertrauten Formulierungen des Verfassungstextes kritisch und unvoreingenommen "neu" zu lesen. Für diese Aufgabe eine erste Grundlage zu schaffen, ist das Ziel der vorliegenden Arbeit; ihre ThemensteIlung ist in dreifacher Hinsicht eingegrenzt: - Allein das Phänomen der umgekehrten Diskriminierung wird den Gegenstand der Untersuchung bilden, denn hier zeigen sich die charakteristischen Strukturen der "Frauenförderung" in exemplarischer Schärfe. Überdies wird der Schwerpunkt der Überlegungen auf der Diskussion von Quoten-

Einführung

15

regelungen als der praktisch wichtigsten rechts technischen Form der umgekehrten Diskriminierung liegen: hier vor allem führt die juristische Analyse in verfassungsrechtliches Neuland, und auch die politische Auseinandersetzung konzentriert sich heute auf diese umstrittene, weil besonders wirkungsvolle Strategie. Diejenigen Formen der Frauenförderung hingegen, die ohne eine Abweichung vom Grundsatz der Rechtsgleichheit der Geschlechter auskommen, bleiben damit außer Betracht.

- Es soll ausschließlich um die (verfassungs-) rechtliche Bewertung der umgekehrten Diskriminierung gehen; die Frage nach der Notwendigkeit und dem politischen Nutzen einer solchen Politik soll nur dort erörtert werden, wo sie für die juristische Argumentation von Bedeutung ist: Denn die mit wachsender Dringlichkeit erhobene Forderung nach umgekehrter Diskriminierung stellt mittlerweile auch unabhängig von der Frage ihrer politischen Zweckmäßigkeit eine Herausforderung dar, der der Gesetzgeber nicht länger ausweichen kann. Eine Bewertung der umgekehrten Diskriminierung unter rechtlichen Gesichtspunkten ist um so dringender geboten, als für den öffentlichen Dienst in Bund und Ländern Verwaltungsvorschriften zur Frauenförderung bereits bestehen und sich dem Vorwurf ausgesetzt sehen, in Verletzung materiellen Verfassungsrechts und überdies unter Mißachtung der gesetzgeberischen Entscheidungsprärogative ergangen zu sein. Aus diesem Grunde soll nicht die politische Richtigkeit dieser Strategie erörtert werden, sondern es gilt, den rechtlichen Gestaltungsspielraum zu präzisieren, der die Möglichkeiten einer solchen Politik bestimmt. Dies erlaubt auch eine Beschränkung auf die verfassungsrechtlichen Probleme, die mit dem Vorschlag der umgekehrten Diskriminierung verbunden sind; Fragen des einfachen Rechts werden nicht behandelt. - Die Überlegungen werden sich schließlich auf den öffentlichen Dienst sowie auf das Recht der politischen Parteien und damit auf zwei Sachgebiete konzentrieren, die für die Vorschläge und Regelungen umgekehrter Diskriminierung in der bisherigen Entwicklung eine besondere Rolle spielen. Andere Zielgebiete der Frauenförderung, die ebenfalls von besonderen verfassungsrechtlichen Regelungen geprägt sind und daher gesonderter Betrachtung bedürfen - die Hochschulen, der privatwirtschaftliche Sektor oder die Wahlen zu den Parlamenten -, werden hingegen ausgeklammert. Doch die Schlüsselfunktion, die dem öffentlichen Dienst auf dem Feld des Arbeitslebens und den Parteien für die politische Partizipation in Staat und Gesellschaft zukommt, rechtfertigt diese Begrenzung auf dem derzeitigen Stand der rechtspolitischen Entwicklung. Denn gerade in diesen beiden Bereichen hat sich das Konzept der umgekehrten Diskriminierung in der öffentlichen Diskussion schon so weit konkretisiert, daß erste Regelungsmodelle Eingang in die politische und rechtliche Praxis gefunden haben und damit als Diskussionsgrundlage dienen können.

16

Einführung

Die Arbeit ist in zwei Teile gegliedert: Zunächst sollen diejenigen Fragen erörtert werden, die für die verfassungsrechtliche Bewertung der umgekehrten Diskriminierung von allgemeiner Bedeutung sind, die sich also unabhängig von den konkreten Realisierungsformen umgekehrter Diskriminierung für alle Regelungsvorschläge gleichermaßen stellen (Kapitell - 3). Es sind dies, neben den historischen und begrifflichen Grundlagen des Konzepts und der Frage nach Parallelen und Vorbildern im geltenden Recht (dazu Kap. 1), zunächst die Aussagen des Internationalen und des Europäischen Gemeinschaftsrechts zu dem Thema, an die sich die Bundesrepublik Deutschland gebunden hat. Hier ist die Frage zu beantworten, ob und in welcher Weise die Auslegung der für die umgekehrte Diskriminierung einschlägigen Verfassungsvorschriften durch solche Bindungen präjudiziert wird (Kap. 2). Das zentrale Problem dieses ersten Teils wird jedoch die Frage sein, ob eine Politik der umgekehrten Diskriminierung vor dem Maßstab des Art. 3 Abs. 2 und 3 GG Bestand haben kann, oder ob das gesamte Konzept bereits im Gleichheitsrecht von Mann und Frau auf unüberschreitbare verfassungsrechtliche Grenzen stößt (Kap. 3). Im Anschluß an diesen Allgemeinen Teil der Arbeit wendet sich die Untersuchung dem öffentlichen Dienstrecht und dem Recht der politischen Parteien zu (Kapitel 4 - 5). Denn mit der bloßen Feststellung, daß eine Politik der umgekehrten Diskriminierung an Art. 3 Abs. 2 und 3 GG nicht scheitert, ist die Verfassungsmäßigkeit konkreter Maßnahmen zur Frauenförderung - so wie sie vorgeschlagen oder bereits praktiziert werden - noch nicht dargetan. Deshalb soll am Maßstab der Art. 33 Abs. 2 und 21 GG weiter untersucht werden, welche zusätzlichen verfassungsrechtlichen Hürden sich einer Politik der umgekehrten Diskriminierung hier entgegenstellen. Erst dann läßt sich der Gestaltungsspielraum bestimmen, der für eine Frauenförderung durch umgekehrte Diskriminierung im Bereich der öffentlichen Verwaltung (Kap. 4) und der politischen Parteien (Kap. 5) besteht, und erst dann kann auch die Frage beantwortet werden, ob die bisher verwirklichten Maßnahmen den Rahmen des verfassungsrechtlich Möglichen schon ausschöpfen oder sogar bereits überschreiten.

1. Kapitel

"Umgekehrte Diskriminierung"Die Dimensionen des Problems I. Die politische Konzeption: "Umgekehrte Diskriminierung" 1. Der "Kultureinßuß der Frau": Ideal und Wirklichkeit der Frauenbewegung in Deutschland bis 1945

Die Idee einer umfassenden rechtlichen, wirtschaftlichen und politischen Gleichstellung von Frauen und Männern wurde in Europa als politische Forderung zum ersten Male im Umfeld der französischen Revolution formuliert l . Die rechtliche und soziale Zweitrangigkeit, die die Situation der Frauen in allen Schichten der Bevölkerung und in allen Lebenszusammenhängen kennzeichnete2 , wurde vor dem Hintergrund des revolutionären Strebens nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit deutlicher als je zuvor. Die Forderung nach einer gerechten Ausgestaltung der sozialen Stellung der Frauen wurde als Teil der breiten Bewegung für die Verwirklichung der Gleichheit unter den Menschen verstanden 3 , doch sie war ein verspätetes und vernachlässigtes Element in dieser Bewegung4 , und dies hat sich bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein nicht geändert. Die Beteiligung von Frauen am politischen Geschehen und die Debatte um die Frauenfrage markierten im ausgehenden 18. Jahrhundert nicht etwa den Beginn einer kontinuierlichen Entwicklung, sondern setzten nur ein einmaliges SignalS, das erst mehrere Generationen später aufgegriffen wurde - in Deutschland zu Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 1 Clift, Class Struggle S. 18ff. (14ff. zu Vorläufern in England), D' Eaubonne, Histoire S. 91ff.; etwas abw. Evans, Feminists S. 16. 2 D'Eaubonne, Histoire 1. Teil, insbes. S. 69ff.; zum 19. Jahrhundert Schenk, Herausforderung S. 12 sowie Gerhard, Verhältnisse. 3 Zur Gleichheitsdebatte im 18. Jahrhundert umfassend Dann, Gleichheit S. 132ff. Zu den geistesgeschichtlichen Wurzeln und dem sozialen Hintergrund der Frauenbewegung noch Frevert, Frauen-Geschichte S. 15ff., 63ff.; Evans, Feministis S. 13ff., und Sabrosky, Rationality. 4 Dann, Gleichheit S. 237 (137, 138: während Gleichheit in anderen Bereichen radikale Kraft entfaltete). 5 Die Französische Revolution markiert damit gleichzeitig Beginn und erstes Scheitern der Frauenbewegung: D'Eaubonne, Histoire S. 91ff., 101ff., 107ff.; Motzko, Weg S. 65ff.; Clift, Class Struggle S. 133ff.

2 Maidowski

18

1. Kap.: Die Dimensionen des Problems

In diese Zeit fallen die Anfänge der deutschen Frauenbewegung6 • Sie war allerdings weniger eine homogene "Bewegung" als ein heterogenes Nebeneinander divergierender, aus verschiedenen Quellen gespeister Strömungen. Die theoretischen Konzeptionen gingen ebenso wie die Vorstellungen über ihre Verwirklichung weit auseinander, und es lassen sich ein bürgerlicher von einem sozialistischen Flügel der Frauenbewegung, diese beiden wiederum von konfessionell orientierten Richtungen unterscheiden 7 , die sich jeweils mit erheblicher Energie gegeneinander abzugrenzen suchten8 . Doch gerade diese Vielgestaltigkeit der deutschen Frauenbewegung hat dazu geführt, daß die Erscheinungsformen und Ursachen der Benachteiligung von Frauen für alle Lebenszusammenhänge deutlich wurden; als Ergebnis dieser Entwicklung läßt sich die Erkenntnis formulieren, daß der Gleichheitsanspruch der Frauen nicht auf einzelne Ausschnitte des privaten oder öffentlichen Lebens begrenzt werden kann: Das von der Frauenbewegung formulierte Ideal war es vielmehr, den "Kultureinfluß der Frau"9 umfassend zu entfalten, d. h. einen gesellschaftlichen Zustand zu schaffen, der es allen Menschen gleichermaßen ermöglicht, an der Gestaltung des gesellschaftlichen und staatlichen Lebens mitzuwirken und der damit die gleiche Würde von Frauen und Männern als Menschen und Bürger widerspiegelt. Die Forderungen der Frauenbewegung konzentrierten sich auf diejenigen Lebensbereiche, in denen sich die Benachteiligung der Frauen und damit die Notwendigkeit von Reformen besonders deutlich zeigten lO • Neben dem Verlangen nach einer Umgestaltung des überaus stark an traditionellen Vorstellungen orientierten Familien- und Privatrechts ll , das freilich lange Zeit hin6 Twellmann, Frauenbewegung S. 1 ff.; Dann, Gleichheit S. 239f.; Schenk, Herausforderung S. 2lf. (24ff. zu Ansätzen im Vormärz). Ohne das Studium zeitgenössischer Dokumente - insbesondere von Äußerungen der Gegner der Frauenbewegung - ist die historische Entwicklung nicht zu verstehen, da nur aus ihnen das Revolutionäre der erhobenen Forderungen deutlich wird. Vgl. etwa die Zusammenstellungen bei Twellmann, Frauenbewegung Bd. 2; Schräder, Frau (2 Bde.); Gerhard, Verhältnisse S. 233ff.; von Gersdorft, Frauen S. 93ff. 7 Schenk, Herausforderung S. 23f., 48ff., 53ff.; zur sozialistischen Frauenbewegung Clift, Class Struggle S. 67ff. Das Verhältnis zwischen Arbeiter- und Frauenbewegung war jedoch problematisch: Banks, Feminism S. 48ff. (53ff.); Losseft, Gleichberechtigung S. 728ff.; Menschik, Feminismus S. 42ff., 76ff. Zu den Versuchen der bürgerlichen Frauenbewegung, in ihre Bemühungen auch die Arbeiterinnen einzubeziehen, v. a. Twellmann, Frauenbewegung S. 139ff. 8 Wurms, Frauenbewegung S. 48ff.; Evans, Feminists S. 103ff. (104f.), 199ff. Ähnlich auch v. Gersdorff, Frauen S. 9f. 9 Dieser Begriff wurde etwas später in das Programm des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins aufgenommen; dazu sogleich im Text. 10 Freilich unterschieden sich die verschiedenen Flügel der Frauenbewegung in ihrer Motivationslage und Schwerpunktbildung selbst dort, wo sich ihre Forderungen inhaltlich glichen. Fels, Frauenbewegung S. 5ff.; Strecker I Lenz, Weg S. 12; Losseft, Gleichberechtigung S. 726. Zur Situation der Frauen im 19. Jahrhundert umfassend Frevert, Frauen-Geschichte S. 63 ff. und Gerhardt, Verhältnisse.

I. Die politische Konzeption: "Umgekehrte Diskriminierung"

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durch weitgehend erfolglos blieb, standen deshalb in den ersten Jahrzehnten Fragen der Bildung und Berujstätigkeit von Frauen im Vordergrund 12 • Diese Schwerpunkte ergaben sich zwangsläufig als Folge der existenzbedrohenden wirtschaftlichen Not großer Teile der Bevölkerung, die zur Notwendigkeit einer Erwerbstätigkeit der Frauen führte. Doch da Frauen keinen Zugang zu vielen Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten hatten, und da die Bildungsinhalte zudem die tradierten Rollenerwartungen der Gesellschaft unmittelbar widerspiegelten 13 , war das Qualifikationsniveau der Frauen insgesamt allzu niedrig, so daß ihnen andere als untergeordnete und schlecht bezahlte Tätigkeiten kaum offenstanden!4. Ein Anspruch auf gleichrangige Teilnahme am Arbeitsleben mußte insbesondere in der Konkurrenz um qualifizierte, mit hohem gesellschaftlichem Prestige verbundene Tätigkeiten irreal bleiben, solange den Frauen höhere Bildungsabschlüsse und wissenschaftliche Ausbildung verwehrt waren!5. Die Benachteiligung der Frauen setzte sich auch bei und nach ihrem Eintritt ins Arbeitsleben fort; sie zeigte sich ebenso beim Zugang zum Arbeitsmarkt wie in der Frage der Entlohnung und in der Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen!6 - die Stellung der berufstätigen Frauen wurde zum wichtigsten Indikator für die Verwirklichung ihres Anspruchs auf Gleichheit und ist es bis heute geblieben!7. 1\ Welcher Stufe der sozialen Rangordnung Frauen hier zugeordnet wurden, zeigt in exemplarischer Deutlichkeit die - im übrigen nebensächliche - Vorschrift des § 858 Abs. 3 ZPO (RGBI. I 1877, S. 83): "Frauen, Minderjährige, Taube, Stumme und Personen, welchen die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt sind, können (als Schiedsrichter, U. Md.) abgelehnt werden" (Hervorhebung nicht im Original). Zum Privatrecht vor allem Gerhardt, Verhältnisse S. 74ff., 154ft.; Fels, Frauenbewegung S. 18ff., 39ff.; Twellmann, Frauenbewegung S. 194ft. 12 Twellmann, Frauenbewegung S. 5ff., 67ff.; Strecker / Lenz, Weg S. 13. Ähnliche Schwerpunkte waren bereits während der Französischen Revolution gesetzt worden, allerdings bei stärkerer Betonung der politischen Rechte: Cliff, Class Struggle S. 20; D'Eaubonne, Histoire S. 102ft. 13 Twellmann, Frauenbewegung S. 73ft.; Simmel, Erziehung (zu den geistesgeschichtlichen Grundlagen); Tornieporth, Frauenbildung, insbes. 2. Teil, Kap. 1.4, 2 - 4 (Kap. 3 zur Haltung der sozialistischen Frauenbewegung in dieser Frage); Zinnecker, Sozialgeschichte S. 95ff. 14 Zu diesem Zusammenhang etwa D'Eaubonne, Histoire S. 107ft. (130ft.); Leopold, Gleichheit S. 155; Gerhard, Verhältnisse S. 16ff. Zu den Gründen für die Stärke der Frauenbewegung im 19. Jahrhundert noch Evans, Feminists S. 23ff. 15 Dann, Gleichheit S. 240f.; Schenk, Herausforderung S. 26ft.; Leopold, Gleichheit S. 155, 156f.; Motzko, Weg S. 126ff.; Menschik, Feminismus S. 21, 67ff. 16 Frauen standen seit jeher nur wenige Berufe offen, so daß von einer Berufswahlfreiheit selbst bei Vorliegen der notwendigen Qualifikation nicht gesprochen werden konnte, D'Eaubonne, Histoire S. 76f., 94f., 129 u. passim; Schenk, Herausforderung S. 13ff., 18f., 44ff. Ausnahmen bildeten Vorschriften, die Frauen als Kaufleute und Gewerbetreibende auf die gleiche Rechtsebene stellten wie Männer (Art. 6 des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, An!. C zum Gesetz vom 5.6.1869, RGB!. I S. 379; jeweils § 11 der Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund v. 21. 6.1869, RGB!. I S. 265 sowie der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich v. 1. 7.1883, RGB!. I S. 177).



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Die Forderung nach gleicher Teilhabe von Frauen an Bildung und Arbeit stand in der Programmatik der Frauenbewegung jedoch nicht isoliert, sondern fand ihre konsequente Fortführung in der Bewegung für das Wahl- und Stimmrecht der Frauen. Denn innerhalb der bestehenden politischen Struktur, die keinerlei Mitspracherechte der Frauen vorsah, sondern den - freilich untauglichen - Versuch unternahm, durch ein restriktives Vereins- und Versammlungsrecht1 8 die Frauenbewegung zu entpolitisieren, bestanden kaum Chancen für die Verwirklichung ihrer weitreichenden Ideale. Zu einem weiteren großen Thema der Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts wurde deshalb die Forderung nach der Möglichkeit umfassender politischer Partizipation von Frauen, nach einer Öffnung des politischen Systems für Frauen und für die von ihnen vertretenen Ideen l9 . Freilich stieß der Kampf für ein Stimmrecht der Frauen nicht nur bei den Männern, sondern auch in Teilen der deutschen Frauenbewegung selbst auf erhebliche Vorbehalte, und es dauerte lange, bis sich in dieser Frage Übereinstimmung bildete 20 • Bis zur Jahrhundertwende verdichteten sich die Zielvorstellungen der Frauenbewegung auf die Forderung nach einer umfassenden Gleichstellung von Frauen und Männern überall dort, wo das Rechtssystem oder die gesellschaftliche und politische Realität den Partizipationsanspruch der Frauen mißachteten - nach dem Programm des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins aus dem Jahre 1905 strebte die Frauenbewegung danach, den "Kultureinfluß der Frau zu voller innerer Entfaltung und freier sozialer Wirksamkeit zu bringen "21. Aus der historischen Entwicklung bis nach dem Zweiten Weltkrieg wird jedoch deutlich, daß die Frage nach den geeigneten Mitteln zur Verwirklichung dieser 17 Auch für das Internationale Recht hat sich der Bereich der wirtschaftlichen Rechte der Frauen als der Motor der Entwicklung der Gleichstellung erwiesen; im einzelnen unten Kap. 2 I 4c. 18 Frauen war die Mitgliedschaft in Vereinen mit politischer Zielrichtung ebenso wie die Teilnahme an politischen Versammlungen verboten: § 8 der Verordnung über die Verhütung eines die gesetzliche Freiheit und Ordnung gefährdenden Mißbrauchs des Versammlungs- und Vereinigungsrechtes, 11. März 1850, Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten Nr. 20 (1850, S. 277), abgedr. auch bei Gerhard, Verhältnisse S. 443f. Die praktische Anwendung dieser Vorschrift richtete sich freilich in erster Linie gegen die sozialistischen Frauenvereine, Tornieporth, Frauenbildung S. 223ff., während die Vereine der bürgerlichen Frauenbewegung ihren Charakter als Bildungsvereine betonten, so daß das "politische" Element scheinbar im Hintergrund stand. 19 Diese Forderung bezog sich in erster Linie auf das Wahlrecht zu den Parlamenten in Reich und Ländern, doch erste Erfolge erzielte die Stimmrechtsbewegung auf der Ebene der Kommunen. Dazu Fels, Frauenbewegung S. 130ff. 20 Insbesondere in der bürgerlichen Frauenbewegung war das Ziel der politischen Gleichberechtigung lange Zeit hindurch umstritten. Twellmann, Frauenbewegung S. 202ff.; Fels, Frauenbewegung S. 120ff.; Schenk, Herausforderung S. 37ff., 53f.; Evans, Feminists S. 106ff. 21 "Ziele und Aufgaben der Frauenbewegung - Programm des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins" , 1905, Präambel.

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Forderung, nach den Erfolgsaussichten des eingeschlagenen Weges, kaum je ausdrücklich erörtert wurde. Den Forderungen der Frauenbewegung lag vielmehr unausgesprochen stets die Annahme zugrunde, daß bereits eine Angleichung der bürgerlichen Rechtsstellung der Frauen an die rechtliche Position der Männer, das gleiche Recht auf Ausbildung und Studium, auf Zugang zu allen Berufen und auf die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts ausreichen würden, die Gleichstellung der Geschlechter auch in der sozialen Wirklichkeit durchsetzen. Während des Ersten Weltkrieges und bis in die Zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein schien es auch zunächst keinen Anlaß zu geben, an der Richtigkeit dieser Annahme zu zweifeln. Die Erfolge, die sich mit fortschreitender rechtlicher Gleichstellung der Geschlechter in jenen Jahren einstellten, schienen die gewählte Strategie vielmehr zu bestätigen. Besonders deutlich wurde dies im Bereich der politischen Partizipation von Frauen: Im Jahre 1908 wurde das restriktive preußische Vereinsrecht durch eine reichseinheitliche Neuregelung abgelöst, nach der die Mitgliedschaft von Frauen in politischen Vereinen und ihre Anwesenheit bei politischen Versammlungen fortan den gleichen rechtlichen Bedingungen wie die politische Betätigung von Männern unterlagen 22 , und im Jahre 1919 wurden mit den Art. 17,22 und 109 Abs. 2 WRV schließlich das allgemeine und gleiche Wahlrecht der Frauen und die staatsbürgerliche Rechts- und Pflichtengleichheit der Geschlechter verfassungsrechtlich festgeschrieben 23 • Die Präsenz von Frauen in der Politik konnte damit nicht länger als rechtswidrig und als exotisch-radikale Besonderheit einer neuen Zeit unterdrückt werden, und der Anteil der Frauen im Reichstag lag nach den ersten Wahlen auf Anhieb bei fast 9 % der Mandate24 • Ähnlich verlief die Entwicklung im Bildungswesen und auf dem Gebiet der Berufstätigkeit; auch hier schien die Umstrukturierung der rechtlichen Rahmenbedingungen Auslöser einer Entwicklung zum Besseren zu sein: Die beim Zugang zur Schul- und Hochschulbildung bestehenden rechtlichen Hemmnisse wurden allmählich abgebaut25 , so daß Frauen sich seit dem Jahre 1900 in 22 Vereinsgesetz v. 19.4.1908 (in Kraft am 15.5.1908), RGBl. I S. 151; zum alten Recht schon soeben in diesem Abschnitt. 23 Art. 109 Ab. 2 WRV: "Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten." Die Einführung des Wahlrechts für Frauen geschah freilich schon mit §§ 2, 5 der Verordnung über die Wahlen zur verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung (Reichswahlgesetz) des Rates der Volksbeauftragten v. 30.11.1918, RGBl. S. 1345, dazu Schwanecke, Gleichberechtigung S. 8ff. 24 Angaben für alle Zentralparlamente seit 1919 finden sich in: Deutscher Bundestag, Parlamentarierinnen S. 5f. Eine Analyse der Wahlen 1919 bis 1933 unter dem hier interessierenden Aspekt bei Hofmann-Göttig, Emanzipation S. 27ff. und vor allem bei Kohn, Women S. 135ff. 25 Zum Kampf um den Zugang von Frauen zu wissenschaftlicher Ausbildung Twellmann, Frauenbewegung S. 95ff., 111ff.; v. Soden, Geschichte S. lOff.; Zinnecker, Sozialgeschichte S. 84ff.; sowie, spezieller, Dt. luristinnenbund, luristinnen S. 1ff.

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1. Kap.: Die Dimensionen des Problems

einigen, bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges in allen deutschen Universitäten immatrikulieren oder einen Status als Hörerin beanspruchen konnten; seit 1920 kam das Habilitationsrecht hinzu 26 • Dies und Fortschritte in der Frage der Berufszulassung und der Arbeitsbedingungen führten rasch zu einer steigenden Zahl weiblicher Studentinnen und Akademikerinnen - vor allem in den Lehr- und Heilberufen27 -, und Frauen konnten, insbesondere während der Jahre 1914 bis 1918, Zugang zu zahlreichen Berufen finden, die ihnen bisher verschlossen gewesen waren 28 • Sogar die Berufe der Rechtspflege, die auch unter Frauen weithin als "männliche" Domäne galten 29 , wurden ihnen in den Jahren 1916 und 1922 schrittweise geöffnet30 • Die in den Art. 119 Abs. 1 Satz 2 und 128 Abs. 2 WRV enthaltenen Ansätze verhießen schließlich - im Gegensatz zu den Bestimmungen des im Jahre 1900 in Kraft getretenen Bürgerlichen Gesetzbuches - Fortschritte auch auf dem Gebiet des Privatrechts und im Recht des öffentlichen Dienstes3!. Dies alles stützte die Hoffnung, eine Durchsetzung der bürgerlichen Rechtsgleichheit - der Gleichberechtigung von Mann und Frau im (engeren) Wortsinn32 - werde die soziale Gleichstellung von Frauen und Männern entschei26 Eine Übersicht über die Lage an allen deutschen Hochschulen gibt die Tabelle S. 226 bis 249 in Lange / Bäumer, Handbuch Bd. 5; dazu Schenk, Herausforderung S. 29ff. und Schmidt-Harzbach, Frauen S. 188ff. (194, 196). Genaue Werte für die Zeit von 1914 bis 1933 bei v. Soden, Geschichte, Tab. 1 - 4. 27 Twellmann, Frauenbewegung S. 95ff., 111ff. Vgl. i.ü. Lange/ Bäumer, Handbuch Bd. 5; Schenk, Herausforderung S. 63. Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen wurde im wesentlichen von der aufgrund der Art. 387ff. des Vertrages von Versailles geschaffenen ILO getragen; dazu etwa Bridenthal, Women S. 433f. 28 v. Gersdorff, Frauen S. 22ff. (dies ging bis zur partiellen Eingliederung in das militärische System, ebd. S.31ff.); Winkler, Frauenarbeit S. 16f.; Frevert, FrauenGeschichte S. 146ff. 29 Twellmann, Frauenbewegung S. 112f.; Stephenson, Women S. 149. 30 Bek. über die Verwendung weiblicher Hilfskräfte im Gerichtsschreiberdienste v. 14.12.1916, RGBI. I S. 1362 (nur als vorübergehende Regelung gedacht); Gesetz über die Heranziehung der Frauen zum Schäffen- und Geschworenenamte v. 25.4.1922, RGBI. I S. 465 (es ist freilich bezeichnend, daß dieses Gesetz die Zulassung der Frauen dadurch regelt, daß es eine Männerquotierung einführt: ,,1. Der § 26 (des GVG, U. Md.) erhält folgenden Zusatz: ,Mindestens ein Schöffe muß ein Mann sein. "'); Gesetz über die Zulassung der Frauen zu den Ämtern und Berufen der Rechtspflege v. 11. 7.1922, RGBI. I S. 573. Die erste juristische Promotion (freilich durch eine russische Gasthörerin) in Deutschland war immerhin bereits im Jahre 1873 abgeschlossen worden (Twellmann, Frauenbewegung S. 112 Anm. 149). Zu der Entwicklung Dt. Juristinnenbund, Juristinnen Dok. 3 - 13. Zu weiteren Regelungen und ihrer Bedeutung Büchner, Stellung S. 3. 31 Art. 119 Ab. 1 Satz 2 WRV: (Die Ehe) "beruht auf der Gleichberechtigung der beiden Geschlechter." Art. 128 Ab. 2 WRV: "Alle Ausnahmebestimmungen gegen weibliche Beamte werden beseitigt." Dazu Schwanecke, Gleichberechtigung S. 50ff. und Büchner, Stellung S. 3ff. 32 Zum Begriff der Gleichberechtigung noch unten I 3. Bei der Interpretation des Art. 3 Ab. 2 GG (unten Kap. 3 II und III) wird zu untersuchen sein, ob und in welche Richtung der Begriff als verfassungsrechtlicher terminus seitdem eine Erweiterung seiner Bedeutung erfahren hat.

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dend befördern. Bei nüchterner Betrachtung der Gründe für das Einrücken der Frauen in viele Bereiche des beruflichen und politischen Lebens hätte diese allzu optimistische Vorstellung jedoch von vornherein korrigiert werden müssen33 : Die - scheinbaren - Erfolge der Frauenbewegung waren in Wirklichkeit nicht auf ein gewandeltes, für den Emanzipationsgedanken aufgeschlossenes Bewußtsein der Bevölkerung oder der gesellschaftlichen und politischen Eliten zurückzuführen, sondern stellten in erster Linie eine Folge ökonomischer Zwänge dar34 . Insbesondere die in den Kriegsjahren stark zunehmende Präsenz von Frauen in allen Wirtschaftszweigen war weithin eine von der Kriegswirtschaft diktierte Notwendigkeit, denn die vollständige Ausschöpfung des verfügbaren Arbeitskräftepotentials war wegen des kriegs bedingten Mangels an männlichen Arbeitnehmern zwingend erforderlich35 • Mit dem Ende des Krieges bestimmte dann wieder die Notwendigkeit das Bild, Arbeitsplätze für die in das Arbeitsleben zurückkehrenden Männer bereitzustellen36 , während den Frauen nunmehr die Funktion zufiel, als Arbeitsmarktreserve überall dort einsetzbar zu sein, wo ein Bedarf an Arbeitskräften anderweitig nicht gedeckt werden konnte 37 • Das Ziel der Frauenbewegung, 33 Tatsächlich aber wurde nur vereinzelt Skepsis gegenüber dem allein auf die Forderung nach rechtlicher Gleichstellung gestützten Konzept geäußert, etwa bei Helene Lange für den Bereich der politischen Partizipation, (Frauenbewegung S. 254; mit dem Recht zu wählen sei erst der Eingang zu dem Gebäude geöffnet, in dem der Einfluß der Frauen nun zur Entfaltung gebracht werden müsse). Dazu Schenk, Herausforderung S. 59; ebenso Leopold, Gleichheit S. 160; Stephenson, Women S. 147f.; Dt. luristinnenbund, Iuristinnen S. 14. 34 Deutlich geht dies beispielsweise aus dem - von Art. 128 Ab. 2 WRV abweichenden und daher mit verfassungsändernder Mehrheit beschlossenen! - Gesetz über die Rechtsstellung der weiblichen Beamten v. 30.5.1932, RGBI. I S. 245, hervor, das in § 1 Ab. 2 eine Entlassung verheirateter Beamtinnen auch gegen ihren Willen dann vorsah, wenn die wirtschaftliche Versorgung der Familie durch den Ehemann gesichert erschien. Dieses Gesetz wurde durch §§ 7, 8 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiete des allgemeinen Beamten-, des Besoldungs- und des Versorgungsrechts v. 30.6.1933, RGBI. I S. 433, verschärft (bestätigt durch §§ 63 - 65 des Deutschen Beamtengesetzes v. 26.1.1937, RGBI. I S. 39), jedoch aufgrund einer DVO zum Deutschen Beamtengesetz v. 29.6.1937, RGBI. I S. 669, in der Zeit der beginnenden Personalknappheit wieder gelockert. 35 D'Eaubonne, Histoire S. 149, 162ff.; Schenk, Herausforderung S. 63f.; Wiggershaus, Frauenbewegung S. 12. Es war allerdings auch in der Frauenbewegung von vornherein klar, daß dieses Einrücken der Frauen in "männliche" Berufe nur "vertretungsweise" erfolgte, so die bei v. Gersdorff, Frauen S. 17, wiedergegebenen Dokumente. 36 v. Gersdorff, Frauen S. 34ff. und Dok. 103. Damit war die Erwartung verbunden, die Frauen würden an ihren "natürlichen" Platz in der Familie zurückkehren, Losseff, Gleichberechtigung S. 731; Schenk, Herausforderung S. 64, 66. Diese Erwartung erfüllte sich freilich nicht; die Erwerbsquote der Frauen stieg vielmehr weiter an (dazu Bridenthal, Women Tab. 18 - 1 und S. 425f.); Herve, Brot und Frieden, S. 120ff., 129ff. 37 Stephenson, Women S. 150. Ähnlich v. Gersdorff, Frauen S. 75 für den Ersten wie den Zweiten Weltkrieg. Nach 1918 änderte sich aus diesem Grunde zwar die Zahl der berufstätigen Frauen kaum, wohl aber die Struktur der Frauenarbeit. Dazu Bridenthai, Women S. 427ff.

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den "Kultureinfluß der Frau" als Ausdruck ihrer Menschenwürde zu entfalten und den Anspruch der Frauen durchzusetzen, auf die Gestaltung ihres eigenen Schicksals Einfluß zu nehmen, war - trotz der äußerlich günstigen Entwicklung - verfehlt worden 38 • Die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter stellt somit - das wird aus dieser unbefriedigenden Zwischenbilanz deutlich -lediglich eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die erwünschte Umgestaltung der sozialen Verhältnisse dar. Eine Verwirklichung der weitgesteckten Ziele der Frauenbewegung war allein auf diesem Wege nicht zu erreichen; die rechtliche Gleichstellung der Frauen bot nicht einmal eine Garantie dafür, die erreichte Position zu sichern oder gar auszubauen. Zwar wäre nach dem Ersten Weltkrieg eine politische Präsenz von Frauen in den Parlamenten ohne das passive Wahlrecht ebensowenig möglich gewesen wie die Herausbildung einer - wenn auch zunächst noch schmalen - Schicht akademisch gebildeter Frauen ohne das Recht auf Zugang zu den Universitäten. Doch die Gleichstellung von Männern und Frauen im Recht führte nur dort Verbesserungen auch der sozialen Lage der Frauen herbei, wo dies allein vom Willen der betroffenen Frauen, nicht aber von einem Verhalten Dritter abhing39 • Dort hingegen, wo eine Veränderung der Situation zusätzlich eine gegenüber den Zielen der Frauenbewegung offene oder gar positive Haltung der als Dienstherrn und Inhaber der Personalgewalt oder als Konkurrenten oder Wähler betroffenen Männer voraussetzte, blieben die Fortschritte begrenzt4o •

38 Immerhin aber hatte der Fraueneinsatz während der Kriegsjahre die Leistungsfähigkeit der Frauen deutlich werden lassen und auch ihr Selbst bewußtsein entsprechend beeinflußt, v. Gersdorff, Frauen S. 36. Zur Entwicklung bis 1933 neben den Genannten noch Frevert, Frauen-Geschichte S. 163ff. 39 Diese Struktur des Problems hat sich bis heute nicht verändert: Zwar sind Frauen dazu berechtigt, ein Ausbildungsziel aufgrund ihrer autonomen Entscheidung zu wählen oder das aktive Wahlrecht auszuüben, und sie nehmen diese Entscheidungsrechte auch wahr. Die Hindernisse betreffen erst diejenigen Entscheidungen - etwa über die Einstellung in den öffentlichen Dienst oder die Zuerkennung eines Parteiamtes oder Listenplatzes für Parlamentswahlen -, die in der Hand von Dritten (Dienstherrn, Parteigremien) liegen, die von geschlechtsspezifischen Vorurteilen nicht frei sind. Ebenso auch Dt. Akademikerinnenbund, Tagungsberichte S. 75, 123f. u. passim. 40 Herve, Brot und Frieden S. 125; Dt. luristinnenbund, Juristinnen S. 14. So stieg zwar die Zahl der promovierten Frauen in Deutschland binnen weniger Jahre stark an (10 595 bis 1933), doch gelang es nur den wenigsten unter ihnen, die Einstellung in eine adäquate, mit Prestige verbundene berufliche Position zu erreichen (Beispiel Hochschule: bis 1933 gab es 54 Dozentinnen, davon 24 Professorinnen), Schmidt-Harzbach, Frauen S. 196 u. passim. Eine ähnliche Feststellung läßt sich für den Bereich der politischen Partizipation vermuten, mangels hinreichend genauer statistischer Werte jedoch nicht nachweisen: Während zwar die Wahlbeteiligung der Frauen sehr hoch war, wurden Frauen als Kandidatinnen für Parlamentsmandate nur in geringem Ausmaß aufgestellt, so daß ihre Präsenz etwa im Reichstag nach anfänglichen 9% schwach blieb. Zur letzteren Frage Hinweise bei Fels, Frauenbewegung S. 145 m. w.N.; Scheffler, Stellung S. 11.

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Die Frauenbewegung vermochte diese Situation und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für ihre Strategie jedoch nicht mehr zu analysieren 41 • Schon während des Ersten Weltkrieges hatte der tiefgehende Konflikt zwischen der in der Frauenbewegung verwurzelten pazifistischen Strömung und der von vielen Frauen geteilten nationalen Kriegsbegeisterung dazu geführt, daß die Frauenbewegung sich in Richtungskämpfen immer weiter zersplitterte und ihre ureigensten Zielsetzungen hintan setzte42 , und während der Jahre der wirtschaftlichen Depression und politischen Polarisierung setzte sich dieser Prozeß weiter fort. Damit verlor die Frauenbewegung zunehmend ihre frühere Fähigkeit, trotz ihrer heterogenen Zusammensetzung ein Mindestmaß an Einheitlichkeit in Zielsetzung und Strategie zu wahren - die Auflösung der "alten" Frauenbewegung nahm ihren Anfang. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten erreichte die Instrumentalisierung der weiblichen Bevölkerung - ihre Reduktion auf die Funktion einer Manövriermasse der Wirtschafts- und Bevölkerungspolitik - ihren Höhepunkt. Die Berufstätigkeit von Frauen wurde, je nach den ökonomischen Bedürfnissen, in der Zeit der ausklingenden Rezession zunächst unterdrückt, in der Phase der Kriegsvorbereitung und im Zweiten Weltkrieg hingegen stark ausgeweitet43 • Die einzige Konstante in dieser wechselvollen Entwicklung stellte die strikte Ausschließung der Frauen von allen politischen und wirtschaftlichen Führungsfunktionen dar - Frauen wurden gebraucht, doch stand ihnen eine Mitentscheidungsmacht über ihre Stellung im Staat nicht zu44 . Die Frauenbewegung hatte dieser Entwicklung nichts entgegenzusetzen; auch organisatorisch bereitete die Gleichschaltung der bestehenden Gruppierungen keine Schwierigkeiten, sondern wurde von Teilen der organisierten Frauenschaft sogar gefördert 45 • Die nationalsozialistische Ideologie zur Frauenfrage knüpfte an weitverbreitete und trotz aller Emanzipationsbestrebungen noch kaum in Frage gestellte Evans, Feminists S. 202. Wurm, Krieg S. 89ff., 97ff.; Cliff, Class Struggle S. 79ff.; Schenk, Herausforderung S. 57ff.; Evans, Feminists S. 109ff.; 201 f.; für die Zeit nach 1919 Herve, Brot und Frieden S. 122ff., 136ff. 43 Dem gleichen Rhythmus folgte auch die ideologische Begründung der jeweils betriebenen Frauenpolitik, Kirkpatrick, Nazi-Germany S.215f.; Koonz, Mothers S. 447f.; Kater, Frauen S. 234f. 44 Frauen durften nach einem schon in der Frühzeit der NSDAP gefaßten Beschluß keine Parteiämter einnehmen (Schenk, Herausforderung S. 68; Frevert, FrauenGeschichte S.209f.). Ein Betätigungsfeld fanden sie in den nationalsozialistischen Frauenorganisationen, die freilich wenig eigene Gestaltungsmacht hatten, sondern Ausführungsorgane der Regierungspolitik waren. Eine Übersicht über diese letzteren bietet Stephenson, Organisation. 45 Evans, Feminists S. 199ff.; Wiggershaus, Frauenbewegung S. 14ff. Zu den innerhalb der nationalsozialistischen Bewegung vorhandenen "frauenrechtlerischen" Tendenzen Schoenbaum, Revolution S. 229f.; Kirkpatrick, Nazi-Germany S. 214f.; Kater, Frauen S. 228ff. Differenzierend Koonz, Mothers S. 448ff. 41

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geschlechtsspezifische Verhaltensmuster an 46 und wies den Frauen die traditionelle Rolle der Mutter und Hausfrau ZU47 . Doch die praktische Politik der nationalsozialistischen Diktatur befand sich nur bis zur Überwindung der existenziellen Arbeitslosigkeit in annähernder Übereinstimmung mit den Vorgaben dieser Ideologie 48 ; schon bald klafften Theorie und Praxis immer weiter auseinander. Zunächst aber wurde der - allerdings weitgehend erfolglose Versuch unternommen, Frauen aus den Positionen hinauszudrängen, die sie in den Jahren der Weimarer Republik hatten einnehmen können 49 : Gesetzliche Maßnahmen sollten die Anzahl der BeamtinnenSo ebenso reduzieren wie die Zulassung von Studentinnen zum StudiumS1 ; der Zugang zum Bereich der Justiz war Frauen aufgrund einer autoritativen Äußerung Adolf Hitlers verwehrt S2 • Doch diese Maßnahmen führten nicht zu einer Verringerung der Erwerbsquote von Frauen; als wirksam erwiesen sie sich nur dort, wo sie zur Verdrän46 Die Nationalsozialisten führten also keineswegs eine Neuorientierung herbei, sondern knüpften an Vorhandenes an, das sie lediglich propagandistisch verstärkten. Stephenson, Women S. 148 u. passim; Frevert, Frauen-Geschichte S. 200ff. 47 Dazu Schoenbaum, Revolution S. 226ff.; Kirkpatrick, Nazi-Germany S. 1ooff.; Matzen-Stöckert, Frauen S. 160ff.; Fest, Gesicht S. 357ff., 361ff. 48 Es bestand freilich auch kein Interesse an einem einheitlichen ideologischen Konzept zur Frauenfrage, Fest, Gesicht S. 364; Kirkpatrick, Nazi-Germany S. 123f.; Winkler, Frauenarbeit S. 28. 49 Winkler, Frauenarbeit S. 42ff.; Kirkpatrick, Nazi-Germany S. 205ff. 50 Auch hier konnte die nationalsozialistische Politik freilich an eine schon in der Weimarer Zeit begonnene Entwicklung anknüpfen: Das Gesetz über die Rechtsstellung der weiblichen Beamten v. 30.5.1932, RGBl. I S. 245, wurde durch ein Änderungsgesetz v. 30.6.1933, RGBl. I S. 433 (§§ 7, 8), lediglich erheblich verschärft. Dazu schon oben in diesem Abschnitt und Winkler, Frauenarbeit S. 49ff. Hinzu kamen Entlassungen aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums v. 7.4.1933, RGBl. I S. 175, § 4 (politische Unzuverlässigkeit), Stephenson, Women S. 155ff., und schließlich § 1 Abs. 3 der Verordnung über die Vorbildung und die Laufbahnen der deutschen Beamten v. 28.2.1939, RGBl. I S. 371: "Weibliche Personen sind nur für solche Stellen zuzulassen, die ihrer Art nach mit weiblichen Beamten besetzt werden müssen" (Hervorhebg. nicht im Original). 51 Das Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen vom 25.4.1933, RGBl. I S. 225 ließ es zu. Schüler- und Studentenzahlen zah1enmäßig zu begrenzen, auch durch Entlassungen. War dieses Gesetz auch in erster Linie gegen die "nichtarischen" Schüler und Studenten gerichtet, so nutzte der Reichsminister des Innern die in der 1. Verordnung zur Durchführung des genannten Gesetzes (25.4.1933, RGBl. I S. 226) enthaltene Ermächtigung, "allgemeine Richtzahlen" zu setzen, dazu aus, auch für Frauen den Zugang zu höherer Bildung streng zu begrenzen. In der Bek. über die zahlenmäßige Begrenzung des Zugangs zu den Hochschulen v. 12.1.1934, RMinBl. S. 16, setzte er die Zahl der Abiturienten, denen die Hochschulreife zuerkannt werden durfte, im Reich auf 15 000 fest, darunter höchstens 10% Frauen. Weitere reichseinheitliche Festlegungen hat es nicht gegeben; es war Sache der Länder, die ihnen zugewiesene Quote im einzelnen zu fixieren. Zum Ganzen Stephenson, Women S. 116ff. und 130ff.; Kater, Frauen S. 235ff. und v. Soden, Geschichte S. 26ff. 52 Abgedruckt bei v. Gersdorff, Frauen, Dok. 108 bis 110, 126. Dazu noch Dt. Juristinnenbund, Juristinnen S. 16ff. (Dok. 24 - 44) und Meier-Scherling, Benachteiligung.

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gung der Frauen aus Positionen führen sollten, die auen für männliche Konkurrenten attraktiv waren 53 . Dies aber betraf nur eine schmale Minderheit der berufstätigen Frauen54 - im übrigen konnte der Staat, der für einen Weltkrieg rüstete, auf den Beitrag der Frauen zur wirtschaftlichen Entwicklung nicht verzichten55 . Ab 1936/37 wurden deshalb alle Anstrengungen unternommen, Frauen noch stärker als bis zu diesem Zeitpunkt in das Erwerbsleben einzugliedern56 • Frauen übernahmen in Landwirtschaft, Industrie und sogar im öffentlichen Dienst die Aufgaben der Männer57 , und sie wurden dazu ermutigt, ein Studium aufzunehmen58 • Gleichzeitig blieben sie freilich auch weiterhin in aller Regel auf untergeordnete Funktionen beschränkt und ohne Einfluß auf die Gestaltung ihres eigenen Schicksals59 • Dem von der Frauenbewegung formulierten Ziel einer umfassenden Gleichstellung der Geschlechter im beruflichen, privaten und öffentlichen Leben waren die Frauen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges damit keineswegs näher gekommen60 • Denn der Nationalsozialismus wollte nicht den "Kultureinfluß" der Frauen zur Geltung bringen, sondern strebte ausschließlich danach, Frauen als ein Instrument zur 53 Dazu vor allem Kirkpatrick, Nazi-Germany S. 206, 213ff., 230ff. (24lf.) und Winkler, Frauenarbeit S. 52 u. passim; vgl. noch Schoenbaum, Revolution S. 234; Kater, Frauen S. 234; Schenk, Herausforderung S. 72f. 54 Stephenson, Women S. 151,153; Winkter, Frauenarbeit S. 49. 55 Dies gilt um so mehr, als Frauen im Vergleich zu Männern erheblich billigere Arbeitskräfte waren, Koonz, Mothers S. 467; Kirkpatrick, Nazi-Germany S. 219f.; Matzen-Stöckert, Frauen S. 155; Winkler, Frauenarbeit S. 42. 56 Zu den seit 1936 betriebenen Vorbereitungen für den künftigen Kriegseinsatz der Frauen v. Gersdorff, Frauen S. 45ff. und Winkter, Frauenarbeit S. 55ff., 82ff. Alle Versuche, den von der nationalsozialistischen Ideologie strapazierten Begriff der "weiblichen" Arbeit zu bestimmen, scheiterten allerdings: Kirkpatrick, Nazi-Germany S. 203, 220ff. 57 Mit dem Beginn des Krieges verstärkte sich der Druck auf die Frauen erheblich, doch wurden die neugeschaffenen Möglichkeiten zwangsweiser Heranziehung von Frauen nur sehr inkonsequent genutzt: Winkler Frauenarbeit S. 102ff., 134ff., 142ff.; v. Gersdorff, Frauen S. 50ff., 75 mit ausf. Dokumentation; Matzen-Stöckert, Frauen S.158. 58 Kater, Frauen S.235; Schenk, Herausforderung S. 73f.; Stephenson, Women S. 176ff. 59 v. Gersdorff, Frauen S. 76 sowie Dok. 126; Winkler, Frauenarbeit S. 126ff.; Schenk, Herausforderung S. 65f.; D'Eaubonne, Histoire S. 158f.; Kirkpatrick, NaziGermany S. 230f.; Matzen-Stöckert, Frauen S. 158; Koonz, Mothers S. 448. Lediglich in den Frauenorganisationen waren Frauen in Führungspositionen tätig, doch war ihr politisches Gewicht gering. Ähnlich Stephenson, Women S. 180. 60 Die Bewertung der Situation als Fortschritt auf dem Wege zur Gleichstellung der Geschlechter (so Schoenbaum, Revolution S. 240f. und Haffner, Anmerkungen S. 48f.) läßt die inneren Gründe für den Verlauf der historischen Entwickung zu Unrecht völlig außer acht und ist daher abzulehnen. Ebenso Kater, Frauen S. 225, 235ff. Zweifelhaft auch die Schlußfolgerung bei v. Gersdorff, Frauen S. 77 (im Gegensatz zu den Feststellungen ebda. S. 36f.), daß die Weltkriege einige Forderungen der Frauenbewegung auf "effektvollem" Weg gefördert hätten. Allein in der Frage der Arbeitsbedingungen gab es vor dem Krieg Fortschritte, die nicht vollständig wieder beseitigt wurden, Winkter, Frauenarbeit S. 66ff. und 154ff.

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1. Kap.: Die Dimensionen des Problems

Machterringung, Machterhaltung und zur Stabilisierung des wirtschaftlichen Systems einzusetzen. Die Negation der im 19. Jahrhundert formulierten Ideale der Frauenbewegung war damit vollkommen. 2. Verfassungsgarantie und GIeichheitsderlZit: Die Entwicklung seit 1945

In der Phase der sich nach 1945 neu konstituierenden deutschen Staatlichkeit entstanden auf dem Boden der drei westlichen Besatzungszonen und Berlins innerhalb von acht Jahren fünfzehn Verfassungen 61 . Bei der Ausarbeitung dieser Texte war für jeden von ihnen angesichts der historischen Entwicklung auch die Frage zu beantworten, ob und in welcher Formulierung zu dem Problem der Gleichberechtigung von Mann und Frau ausdrücklich, d. h. über den allgemeinen Gleichheitssatz hinaus, Stellung genommen werden sollte. Die meisten der schließlich in Kraft getretenen Texte enthielten eine solche Stellungnahme; davon abweichend verzichteten vor allem diejenigen Verfassungen darauf, die zeitlich auf die Verkündung des Grundgesetzes folgten und deshalb den umfassenden Grundrechtskatalog der Zentralverfassung bereits vorfanden62 • Für die Formulierung dieser Verfassungsbestimmungen zur Frauenfrage konnte, anders als in den Jahren 1918/19, die historische Erfahrung herangezogen werden, daß die in der Weimarer Reichsverfassung zur Lage der Frauen enthaltenen Aussagen nur von begrenzter Innovationskraft gewesen waren. Sie hatten sich nur auf einzelne Aspekte der Gleichberechtigung bezogen - auf die staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten, auf die Stellung der Frau in der Ehe und auf ihre Position als Beamtin im öffentlichen Dienst63 -, und hatten damit der politischen Entwicklung sogar in den Jahren vor 1933 nur in engen Grenzen Impulse vermitteln können64 • Nach 1933 schließlich hatten sie der 61 Es waren dies im Jahre 1946 die Verfassungen von Württemberg-Baden, Hessen und Bayern; 1947 von Rheinland-Pfalz, Württemberg-Hohenzollern, Baden, Bremen und Saarland; 1949 das Grundgesetz und die Verfassung von Schleswig-Holstein; 1950 von Nordrhein-Westfalen und Berlin; 1951 von Niedersachen; 1952 von Hamburg und 1953 von Baden-Württemberg. Vgl. daneben Art. 7 Verfassungen der DDR v. 7.10.1949, GBI. I S. 5; Art. 20 Abs. 2 Verfassung der DDR v. 7.10.1974, GBI. I S.432. 62 Dies betrifft die Verfassungen von Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hamburg und Baden-Württemberg. Ausnahmen bilden die Verfassungen von Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern, die gleichfalls keine Vorschriften zur Frauenfrage enthalten, obwohl sie früheren Datums sind. Umgekehrt wird das Problem in den Verfassungen von Berlin und Nordrhein-Westfalen behandelt, obwohl diese Texte erst nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes entstanden sind. 63 In den Art. 109 Abs. 2, 119 Abs. 1 Satz 2, 128 Abs. 2. Daneben war vor allem die Zuerkennung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts (auch) an die Frauen von Bedeutung, Art. 17 und 22 WRV. Zu diesen Bestimmungen bereits oben 1. 64 Eine gewisse Ausnahme bildet allein die Gleichstellung der Geschlechter im Bereich des politischen Lebens. Art. 128 Abs. 2 WRV dagegen war schon 1932 durch

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Mißachtung der Verfassungsziele durch die nationalsozialistische Diktatur nicht einmal mehr annähernd Einhalt gebieten können. Es lag nach 1945 daher nahe - und dies um so dringlicher angesichts der alle Maße übersteigenden Leistungen von Frauen in der Kriegs- und Nachkriegszeit -, im Zeichen des demokratischen Wiederaufbaus auch in dieser Frage deutliche Signale eines Neubeginns zu setzen. Die meisten der nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffenen Verfassungen jedoch lassen eine solche Reaktion nicht erkennen, sondern lehnen sich gelegentlich in einer eigentümlichen Mischung aus fortschrittlichen Ideen und traditionellen Vorstellungen 65 - mehr oder weniger eng an das Vorbild der Weimarer Reichsverfassung an. Eine Ausnahme stellt hier lediglich die nach Inkrafttreten des Grundgesetzes entstandene Verfassung von Berlin dar, die sich dem Gleichheitsanspruch der Frauen in einer ausführlichen und - zumindest in ihrem Wortlaut - weitreichenden Bestimmung widmet 66 • Alle anderen Landesverfassungen 67 aber folgen dem Vorbild der Weimarer Reichsverfassung und entscheiden sich gegen eine umfassend formulierte Bestimmung zur das Gesetz über die Rechtsstellung weiblicher Beamter obsolet geworden (dazu oben 1.), und Art. 119 Abs. 1 Satz 2 WRV wurde von vornherein nur als Programmsatz und "Zukunftsrecht" ausgelegt (Anschütz, Anm. 2 zu Art. 119). 65 Dies wird in den Vorschriften zur Bewertung der Hausarbeit besonders deutlich, etwa: "Die häusliche Arbeit der Frau wird der Berufsarbeit des Mannes gleichgeachtet" (Art. 22 Abs. 2 Bremen); ähnlich auch Art. 5 Abs. 2 Nordrhein-Westfalen, Art. 21 Baden sowie die Entwürfe von Baden-Württemberg (Art. 4 Abs. 2 Satz 1) und Nordrhein-Westfalen (Entwurf Arndt, Art. 4 Abs. 2, Entwürfe abgedruckt bei Pfetsch, Verfassungsreden). Dieser Gedanke ist einerseits ungewöhnlich und fortschrittlich (in der nordrhein-westfälischen Verfassung wurde sogar die ursprünglich vorgesehene Formulierung, "gleichgewertet", aus Furcht vor einschneidenden Konsequenzen in "gleichgeachtet" und damit zu einem bloßen Programmsatz abgeschwächt, Geiler / Kleinrahm Anm. 5 zu Art. 5, ebenso Grimm / Papier - Grimm S. 59), doch fixiert gerade das zitierte Beispiel andererseits die geschlechtsspezifische Rollenverteilung zwischen Haus- und Berufsarb'eit in einer Ausschließlichkeit, die bereits damals der sozialen Realität in keiner Weise mehr entsprach. 66 Art. 6 Abs. 1: "Alle Männer und Frauen sind vor dem Gesetz gleich. Sie haben das Recht auf gleiche wirtschaftliche, soziale und geistige Entwicklungsmöglichkeiten" , sowie Abs. 2: "Die Frau ist auf allen Gebieten des staatlichen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens dem Manne gleichgestellt". Diese geschlechtsspezifische Fassung des allgemeinen Gleichheitssatzes (so zu Recht Pfennig / Neumann - Schwan, VvB Rz 5 zu Art. 6) erscheint freilich wenig glücklich. Die Formulierung des Abs. 2 entspricht im übrigen wörtlich dem Art. 4 Abs. 6 lit. a des Entwurfs einer Verfassung für das Land Bremen der KPD, Landesleitung Bremen, aus dem Jahre 1947 (abgedr. bei Pfetsch, Verfassungsreden S. 613ff.). Insbesondere Art. 6 Abs. 1 Satz 2 wird allerdings lediglich als Programmsatz aufgefaßt (Pfennig / Neumann - Schwan, VvB Rz 12 zu Art. 6); Abs. 2 soll mit Art. 3 Abs. 2 und 3 GG inhaltsgleich sein (ebda. Rz 13). 67 Art. 12 Satz 2 der Verfassung des Saarlandes ("Männer und Frauen sind gleichberechtigt") ist erst durch G v. 20.12.1956, ABI. S. 1657, in die Verfassung eingefügt worden; bis dahin lautete die Vorschrift "Männer und Frauen haben die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten". Sinn dieser Änderung war es, anläßlich der Eingliederung des Saarlandes das Landesrecht möglichst weitgehend an den Rechtszustand im übrigen Bundesgebiet anzugleichen, Thieme, Entwicklung S. 456ff. (458).

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1. Kap.: Die Dimensionen des Problems

Frauenfrage. Sie behandeln nur einzelne Aspekte des Problems; der Kanon von 1919 wird lediglich um wenige weitere Gesichtspunkte ergänzt. Auch für die Verfassungsentwürfe, die in den meisten Ländern der Formulierung endgültiger Texte vorausgegangen sind68 , läßt sich diese Feststellung in gleicher Weise treffen. Die Abweichungen von dem historischen Vorbild sind in den Bestimmungen zur Gewährleistung der staatsbürgerlichen Rechts- und Pflichtengleichheit am geringsten 69 , und auch die Verfassungsaussagen zur Gleichberechtigung in der Ehe entfernen sich kaum von der Weimarer Reichsverfassung7o . Auffallend ist hier lediglich, daß die in einigen Entwürfen enthaltenen Aussagen zur Umgestaltung des ehelichen Güterrechts in der Regel nicht in die endgültigen Texte übernommen worden sind7!. Demgegenüber betreffen die wenigen in den neuen Verfassungen enthaltenen Ergänzungen des aus dem Jahre 1919 bekannten normativen Kanons den seit jener Zeit deutlicher ins Bewußtsein getretenen Problemkreis der Haus- und Erwerbsarbeit von Frauen und behandeln Fragen des Zugangs zur Beschäftigung72 , der Lohngleichheit73 , der Bewertung der Arbeit im Haushalt74 sowie die für Frauen typische "Doppelbelastung" durch Familie und Berufstätigkeit75 . In all diesen Texten wird 68 Eine Zusammenstellung der wichtigsten Entwürfe auf Landesebene findet sich bei Pfetsch, Verfassungsreden. Es sind dies 1946 Entwürfe für Bayern (Hoegner), Großhessen (Jellinek), Hessen (Zinn, Amdt), Rheinland-Pfalz (Süsterhenn); 1947 für Südbaden (Fecht), Württemberg-Hohenzollern (Bock, Niethammer), Schieswig-Hoistein (MarkulI), Niedersachsen (Kopf), Bremen (KPD), Nordrhein-Westfalen (Menzel); 1948 für Hamburg (Drexelius); 1949 für Nordrhein-Westfalen (Amold); 1952 für Baden-Württemberg (Kaufmann). 69 Die Verfassungen von Baden, Bayern und Rheinland-Pfalz (Art. 2,118 Abs. 2,17 Abs. 3), des Saarlandes in alter Fassung (Art. 12 Abs. 2) sowie die Entwürfe für Bayern, Südbaden, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz (Art. 75 Abs. 2, 12 Satz 2, 6 Abs. 2, Art. 5 Abs. 2 Satz 1 Entwurf für NW 1947, 14 Satz 4) enthalten die Formulierung des Art. 109 Abs. 2 WRV ("Männer und Frauen haben grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten") meist wörtlich. Eine Ausnahme bilden lediglich die beiden Entwürfe für Hessen ("Im öffentlichen Leben steht die Frau dem Manne gleich" bzw. " ... ist ... gleichgestellt", Art. 6 Abs. 3 Entwurf für Hessen, Art. 1 Satz 2 Entwurf für Großhessen). 70 Vorschriften dazu enthalten die Verfassungen von Baden, Bayern, Bremen und Saarland (Art. 21 Satz 2,124 Abs. 2,22 Abs. 1,22 Abs. 2). 71 Ausnahme: Art. 21 Satz 2 Baden, der freilich nur eine Sollbestimmung darstellt. Im übrigen aber: Art. 100 Entwurf Württemberg-Hohenzollern, Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Entwurf Baden-Württemberg, Art. 6 Abs. 3 Satz 2 Entwurf Hessen (Zinn, Amdt). Daß die spätere baden-württembergische Verfassung eine solche Vorschrift nicht mehr enthält, ist wohl mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes zu erklären. 72 Art. 53 Abs. 2 Bremen: "Der Frau steht bei gleicher Eignung ein gleichwertiger Arbeitsplatz zu." 73 In den Verfassungen von Bremen und Nordrhein-Westfalen (Art. 53 Abs. 1 und 24 Abs. 2 Satz 2). 74 In den Verfassungen von Bremen, Nordrhein-Westfalen und Baden (Art. 22 Abs. 2, 5 Abs. 2 und 21 Satz 1) finden sich entsprechende Formulierungen. Ähnlich auch der Entwurf für Baden-Württemberg (Art. 4 Abs.2 Satz 1).

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jedoch die Frage, wie das Verhältnis von Frauen und Männern im öffentlichen, beruflichen und privaten Leben nach einem einheitlichen und übergeordneten Leitziel zu ordnen wäre, nicht beantwortet. Der Verzicht auf eine über Teilaspekte hinausgehende Formulierung beläßt das Problem der Gleichberechtigung auf einer Ebene minderer Bedeutung, da die bestehenden Detailregelungen notwendig lückenhaft bleiben und nicht in der Lage sind, neu auftretende Fragen zufriedenstellend zu beantworten. Auch im Text des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland war zunächst, in Anlehnung an Art. 109 Abs. 2 WRV, neben dem späteren Art. 3 Abs. 3 GG lediglich eine Vorschrift zur staatsbürgerlichen Gleichheit vorgesehen. Erst nach eingehenden Debatten und unter lebhafter Anteilnahme der Öffentlichkeit wurde schließlich der heutige Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 GG"Männer und Frauen sind gleichberechtigt" - in den Verfassungstext eingefügt, ohne daß freilich die Konsequenzen dieses Schrittes für die künftige Rechtsentwicklung schon im einzelnen absehbar gewesen wären 76 . Offenkundig war lediglich, daß der Entscheidung für die gewählte Formulierung - sie enthält die erste thematisch nicht beschränkte verfassungsrechtliche Gewährleistung der Gleichberechtigung - die Bedeutung eines gewichtigen Signals zukam, nicht nur wegen ihres besonderen rechtlichen Gehalts als Bundesgrundrecht, sondern auch, weil sie in der Frauenfrage sowohl über die Verfassung von 1919 als auch über alle neu geschaffenen Landesverfassungen hinaus einen deutlichen Akzent setzte. Mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes schien es deshalb, als seien die meisten der von der Frauenbewegung erhobenen Forderungen mit einem Male eingelöst worden, auch wenn Art. 117 GG die grundrechtliche Gewährleistung in ihrer Brisanz etwas entschärfte77 • Auch die wirtschaftliche Situation in der unmittelbaren Nachkriegszeit schien keinen Anlaß zu geben, an der Selbstverständlichkeit des Anspruchs der Frauen auf Gleichstellung mit den Männern zu zweifeln; ohne den Beitrag der Frauen wäre die Bewältigung der anstehenden Probleme nicht möglich gewesen78 • Vor diesem Hintergrund wäre jeder warnende Hinweis darauf, daß die Situation deutliche Parallelen 75 Die einschlägigen Bestimmungen in den Verfassungen von Bremen und Hessen (Art. 54 bzw. 30 Abs. 2) sind als Gesetzgebungsaufträge formuliert, etwa Art. 30 Abs. 2 Hessen: "Das Gesetz ... schafft die Gewähr, daß die Frau ihre Aufgaben als Bürgerin und Schaffende mit ihren Pflichten als Frau und Mutter vereinbaren kann". Die Bedeutung dieser Bestimmungen ist, schon aus kompetenzrechtlichen Gründen, freilich begrenzt; dennoch soll ihr Wert als Signal und Bekenntnis zur Gleichberechtigung nicht unterschätzt werden. 76 Zur Entstehungsgeschichte des Art. 3 Abs. 2 GG unten Kap. 3 III 1 b. 77 Art. 117 Abs. 1 GG: "Das dem Artikel 3 Absatz 2 entgegenstehende Recht bleibt bis zu seiner Anpassung an diese Bestimmung des Grundgesetzes in Kraft, jedoch nicht länger als bis zum 31. März 1953." 78 Herve / Nödlinger, Vergangenheit S. 189ff.; Schubert, Einführung S. 32ff.; Schenk, Herausforderung S. 76f.

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1. Kap.: Die Dimensionen des Problems

zu der Zeit nach 1918 aufwies, nicht gehört worden. Eine Bilanzierung und Auswertung der historischen Entwicklung fand auch weiterhin nicht statt - die Erfahrung, daß die rechtliche Gleichstellung der Frauen nicht in gleichem Maße eine Verbesserung ihrer Chancen in der sozialen Wirklichkeit zur Folge hatte, mußte im Laufe der folgenden Jahrzehnte erneut gemacht werden. Für eine Frauenbewegung war in der Nachkriegszeit zunächst kein Platz mehr, und soweit erste· Ansätze der "neuen" Frauenbewegung79 in das Jahr 1949 zurückreichen, waren sie sich der Ambivalenz ihrer Situation durchaus bewußt8o • Doch die hohen Erwartungen, die an die weitreichende Formulierung des Art. 3 Ab. 2 GG geknüpft waren, erfüllten sich nicht. Wie schon in den Jahren nach 1918 blieben die Chancen der Frauen auf dem Arbeitsmarkt auch nach dem Zweiten Weltkrieg konjunkturabhängig 81 , und wiederum gewannen Frauen selbst unter günstigen Umständen kaum maßgebenden Einfluß auf die Gestaltung des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens in der Bundes republik Deutschland. Diese Situation hat sich bis heute trotz aller bedeutenden Fortschritte, die den Forderungen der Frauen im allgemeinen Bewußtsein breitere Anerkennung verschafft haben als je zuvor, und trotz der fortschreitenden Umgestaltung des Rechtssystems durch mehrere Reformschübe im Gefolge des Art. 3 Ab. 2 GG82, noch nicht grundsätzlich verändert83 : 79 Die "neue" oder "zweite" Frauenbewegung fand sich als Bewegung von bedeutendem Gewicht allerdings erst in den Sechziger Jahren zusammen, doch erkannte sie die historische Kontinuität, in der sie stand, zunächst nicht (Wiggershaus, Frauenbewegung S. 111; vgl. auch Schenk, Herausforderung S. 7f.). Zur theoretischen Grundlage und Entwicklung der neuen Frauenbewegung Menschik, Feminismus Teil H; Sabrosky, Rationality S. 107ff.; D'Eaubonne, Histoire, He Partie. 80 So eröffnet S. de Beauvoir ihr 1949 erschienenes "Le Deuxieme Sexe" mit der Bemerkung (Einleitung): "Ich habe lange gezögert, ein Buch über Frauen zu schreiben. Das Thema ist ärgerlich, besonders für die Frauen; außerdem ist es nicht neu. Im Streit um den Feminismus ist schon viel Tinte geflossen, zur Zeit ist er fast beendet: reden wir nicht mehr davon. Man redet aber doch davon." Zu der Situation nach 1945 Vogel, Frauen S. 81ff.; Wiggershaus, Frauenbewegung S. 89 (91ff.); Herve / Nödlinger, Vergangenheit S. 191ff. sowie die Beiträge in Kuhn, Frauen Bd. 2, S. 94 - 156. 81 Schenk, Herausforderung S. 79f.; Schubert, Einführung S. 76ff., 97ff. Der Beitrag der Frauen zur wirtschaftlichen Entwicklung war vor allem dann unentbehrlich und deshalb erwünscht, wenn eine Situation des Arbeitskräftemangels bestand, D'Eaubonne, Histoire S. 169ff.; Lossef[, Gleichberechtigung S. 731; Vogel, Frauen S. 76f.; Wiggershaus, Frauenbewegung S. 12 und 21 f. sowie Strecker / Lenz, Weg S. 35 für die Jahre seit 1976. 82 Für eine Zusammenstellung der wichtigsten bisher verwirklichten Rechtsänderungen vgl. BM1FFG, Frauen S. 63 - 73; Scheffler, Stellung S. 17ff.; Dt. luristinnenbund, Juristinnen S. 29 - 82; krit. Slupik, Parität S. 45ff. Zu den Schwierigkeiten dieses Prozesses Säcker, Referat S. l1ff.; Vogel, Frauen S. 70ff.; vgl. etwa § 3 Nr. 10 des G zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen v. 17.5.1950, BGBI. 1207, der die Zölibatsklausel des Deutschen Beamtengesetzes (§ 63 Abs. 1) ausdrücklich bestätigt. 83 Mit dem zunehmenden öffentlichen Interesse an der Frauenfrage ist die Zahl der Untersuchungen zur sozialen Lage der Frauen sprunghaft angestiegen. Neben den

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Verheiratete Frauen können berufliche Aktivitäten in aller Regel und im Gegensatz zu verheirateten Männern auch in der Gegenwart nur um den Preis einer "Doppelbelastung" durch Beruf und Familie entfalten84 , und selbst eine familienfreundliche Gestaltung der Arbeitsbedingungen wird die besonderen Belastungen der Frauen während der Schwangerschaft und Mutterschaft nicht vollständig kompensieren können. Im übrigen wirkt sich die geschlechtsspezifische gesellschaftliche Rollenteilung auch auf den beruflichen Alltag und die Aufstiegschancen unverheirateter oder kinderloser Frauen aus, ohne daß dies durch "biologische" Gründe veranlaßt wäre - die erwartete Stellung jeder Frau als spätere Mutter wird in jeder Konkurrenzsituation argumentativ antezipiert85 • Vor diesem Hintergrund lassen die statistischen Daten zur Lage der Frauen in ihrer Gesamtheit eine signifikante Aussage erkennen: Sie zeichnen in allen wesentlichen Lebensbereichen gegenwärtig das Bild einer krassen "Unterrepräsentation"86 von Frauen im Vergleich der Geschlechter und stützen die Annahme, daß neben der als objektive Behinderung meßbaren Doppelbelastung vieler Frauen nach wie vor geschlechtsspezifische Vorurteile für das Gleichheitsdejizit mitverantwortlich sind, das den beruflichen und politischen Alltag der Frauen bestimmt. Zwar ist die Erwerbsquote von Frauen seit langer Zeit gleichbleibend hoch 87 , und auch im Bildungswesen hat sich eine Arbeiten zu speziellen Aspekten (zum öffentlichen Dienst etwa BMI, Forschungsbericht; Langkau-Herrmann / Sessar-Karpp, Frauen, dazu Kap. 4 I; zur politischen Partizipation Ballhausen u. a., Engagement; Hoecker, Frauen, dazu Kap. 5 I) seien hier beispielhaft hervorgehoben BT-Ds. 8/4461 (Enquete-Kommission Frau und Gesellschaft, Bericht); BT-Ds. 10/6340; Dix, Gleichberechtigung S. 14ff. und Garbe-Emden, Gleichberechtigung S. 34ff., je m. w. N. Zur Situation der Frauen seit 1945 und zur Struktur der Frauenarbeit noch Schmidtchen, Situation; Frevert, Frauen-Geschichte S. 244ff.; Vogel, Frauen S. 79ff.; Dt. Akademikerinnenbund, Tagungsberichte S. 56ff.; 94ff.; 115ff. 84 Bundesinstitut, Gutachten S. 17ff., 31ff., 87f.; Schenk, Herausforderung S. 78ff. Hausarbeit wird trotz der soeben zitierten Landesverfassungen nach wie vor nicht in gleichem Maße als Arbeit angesehen wie Lohnarbeit. Zu dem Problem Schubert, Einführung S. 25ff.; BT-Ds. 8/4461 S. 23f., 29ff. Vgl. auch BMJFFG, Frauen S. 28ff., 33. 85 Dies hat auch das BVerfG in seinem Beschluß vorn 28.1.1987 - BVerfGE 74, 163 (181) - ausdrücklich berücksichtigt. 86 Der Begriff der "Repräsentation" ist allerdings mißverständlich, denn er lenkt die Überlegungen in eine für die Frage der Gleichberechtigung irrelevante Richtung. Er bezeichnet in seiner korrekten Bedeutung eine Situation der Interessenvertretung durch Organe (Parlament, Rundfunkrat usw.), während es für die Frauenförderung darum geht, Chancengleichheit beim Zugang zu knappen Gütern herzustellen. "Unterrepräsentation" ist in diesem Zusammenhang lediglich der Hinweis auf den als zu gering empfundenen zahlenmäßigen Frauenanteil in der Teilhabe an solchen Gütern, der als Indiz für mangelnde Chancengleichheit angesehen wird. 87 35,9 % aller Frauen sind erwerbstätig (in der Altersgruppe der 15- bis 60jährigen: 51,7%, BMJFFG, Frauen S. 22); 39,4% aller Erwerbstätigen sind Frauen. Seit 1960 ist dieser letztere Wert im wesentlichen konstant geblieben (Werte für 1985, Zahlen aus dem Stat. Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1987, S. 98). Innerhalb der Gruppe der Frauen haben sich jedoch erhebliche Verschiebungen ergeben: dazu Langkau-Herrmann / Sessar-Karpp, Frauen S. 6ff.; Frevert, Frauen-Geschichte Tab. 7, 8 für die Zeit seit 1882; Garbe-Emden, Gleichberechtigung S. 39ff. 3 Maidowski

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dauerhafte Tendenz zu einer höheren Qualifikation von Frauen etabliert88 • Dennoch spiegeln diese Tatsachen zu wesentlichen Teilen lediglich ein quantitatives Phänomen wider. Die hohe Zahl berufstätiger Frauen läßt, für sich genommen, nicht den Schluß zu, daß die Chancen für Frauen, sich auf dem Arbeitsmarkt in gleichem Maße durchzusetzen wie Männer, d.h. bei gleichen Voraussetzungen entsprechende Ergebnisse zu erzielen, insgesamt gestiegen sind. Denn wenn man die qualitative Teilhabe der Frauen an verfügbaren Positionen betrachtet, so wird deutlich, daß Frauen in untergeordneten Stellungen weit stärker vertreten sind als Männer, während sich dieses Verhältnis auf den höheren Stufen der gesellschaftlichen und beruflichen Hierarchie zu ihren Ungunsten umkehrt - weder in den höheren Laufbahnen des öffentlichen Dienstes noch in den Parlamenten oder auf der Führungsebene der politischen Parteien treten sie bisher in nennenswertem Umfang in Erscheinung89 • Ihre Teilhabe an planenden, organisatorischen und leitenden Tätigkeiten, d. h. an den für Männer ebenso wie für Frauen attraktiven Positionen des beruflichen und öffentlichen Lebens ist trotz ihrer mittlerweile nicht mehr bezweifelbaren Partizipationsjähigkeit und -willigkeifXl niedriger als es aufgrund ihrer zahlenmäßigen Stärke zu erwarten wäre. Auch der Lohnabstand zwischen Frauen und Männern91 ist zwar geringer geworden, doch bestehen weiterhin zahlreiche indirekte Ansatzpunkte für Benachteiligungen92 • Der Differenzierung bedarf schließlich auch die positive Bewertung des insgesamt gestiegenen Qualifikationsniveaus von Frauen, denn die traditionelle Tendenz einer mangelnden Diversifikation weiblicher Bildungs- und Berufsziele bestimmt auch heute noch das Bild; dies gilt auch für die wissenschaftliche Ausbildung und 88 Dt. Akademikerinnenbund, Tagungsberichte S. 68ff.; Frevert, Frauen-Geschichte S. 300ff. 89 Zu dieser vertikalen Segregation der innerbetrieblichen und -behördlichen Hierarchien Dix, Gleichberechtigung S. 19f.; Garbe-Emden, Gleichberechtigung S. 41; BMJFFG, Frauen S. 24 u. passim; Langkau-Herrmann / Sessar-Karpp, Frauen S. 3, 5f.; Raaseh, Chancengleichheit S. 319ff. m.w.N. Zur Situation in den Bereichen der politischen Elite und des öffentlichen Dienstes unten, Kap. 4 I und 5 I. 90 Mangelnde Qualifikation oder Bereitschaft von Frauen zur Übernahme beruflicher oder politischer Verantwortung dürften heute nur noch eine geringe Rolle spielen. Wäre dies anders, so müßte die Tatsache erklärt werden, daß gerade die begehrten Positionen in vielen Bereichen eine Domäne der Männer geblieben sind, das Interesse der Frauen sich also auf untergeordnete Funktionen beschränkt haben müßte. Ebenso Dt. Akademikerinnenbund, Tagungsberichte S.75, 123f.; Werner / Bernardoni, Bedeutung S. 8ff. (10 u. passim). 91 Verglichen wird hier allein der Lohn für gleichwertige Arbeit; daß das Lohnniveau der Frauen insgesamt noch weit niedriger liegt als dasjenige der Männer (Kaufm. Ang. in Industrie und Handel: 4045,- DM pm gegenüber 2738,- DM; Arbeiterwochenlohn: 729,- DM gegenüber 564,- DM, Zahlen aus dem Stat. Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1987), ist kein allzu aussagekräftiger Wert, weil die entscheidende Frage offenbleibt, warum Frauen in die gutbezahlten Positionen nicht einrücken. 92 Eine Ausnahme bildet allein der öffentliche Dienst. Ausführlich Pfarr / Bertelsmann, Lohngleichheit S. 35ff., 49ff.; vgl. noch Langkau-Herrmann / Sessar / Karpp, Frauen S. 5.

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die betriebliche Weiterbildung93 . Sie führt zu einem geschlechtsspezifisch geteilten Arbeitsmarkt und einer Konzentration der Frauen auf relativ wenige Berufe von hoher Krisen- und Rationalisierungsanfälligkeit94 mit der Folge, daß die Aufstiegschancen von Frauen geringer sind, ihr Arbeitslosigkeitsrisiko dagegen erheblich höher ist als für ihre männlichen Konkurrenten95 • Aus diesen Angaben lassen sich zwei für die gegenwärtige soziale Lage der Frauen charakteristische Feststellungen ableiten: Eine Situation der Unterrepräsentation von Frauen besteht nicht durchgängig, sondern schwerpunktmäßig auf den Führungsebenen in Wirtschaft und politischer Elite, die auch für die männlichen Konkurrenten attraktiv sind; eine Politik der Frauenförderung muß sich daher auf diese Bereiche besonders konzentrieren. Im Unterschied zu der historischen Entwicklung bis zum Ende des Zweiten Weltkriege~ läßt sich diese mangelnde Teilhabe von Frauen heute nicht mehr mit fehlendem Partizipationswillen oder unzureichender durchschnittlicher Qualifikation von Frauen erklären; welche Position Frauen im beruflichen und politischen Leben tatsächlich einnehmen, wird vielmehr zu einem guten Teil nicht von ihrem eigenem Verhalten und ihren eigenen Fähigkeiten bestimmt, sondern von der Haltung dritter Personen - Arbeitgeber, Parteimitglieder usw. gegenüber der Frauenfrage und damit von Faktoren, auf die die Frauen selbst keinen unmittelbaren Einfluß haben 96 • Die historische Entwicklung hat - dies läßt sich abschließend feststellen - zwar die Rechtsgleichheit von Mann und Frau weitgehend verwirklicht, doch zu einer umfassenden Realisierung auch der sozialen Gleichstellung der Geschlechter hat sie bisher nicht geführt. 3. Gleichberechtigung - Gleichstellung - Chancengleichheit: Zur begriftlichen Charakterisierung der gegenwärtigen Situation

Die soziale Realität in der Bundesrepublik Deutschland bleibt, trotz aller im Laufe von vier Jahrzehnten erreichten Veränderungen bis heute hinter den seit dem 19. Jahrhundert formulierten Zielvorstellungen der Frauenbewegung 93 BMJFFG, Frauen S. lO, 12f., 15; die Diversifikation ist in Teilbereichen sogar gesunken, Dt. Akademikerinnenbund, Tagungsberichte S. 89ff., 97f. und BT-Ds. lO/ 6340, S. 6, lOf. Auch die gesunkene Zahl studierwilliger Abiturientinnen (von 85,8 % in 1971 auf 49,1 % in 1985 - gegenüber 88,1 % auf 66,7% bei Jungen -, Zahlen in BMJFFG, Frauen S. 9) scheint auf eine Trendwende hinzudeuten, ebenso Raasch, Chancengleichheit S. 320. Zur Weiterbildung noch Garbe-Emden, Gleichberechtigung S.43. 94 Zur horizontalen Segregation des Arbeitsmarktes Du, Gleichberechtigung S. 17f.; BT-Ds. 8/4461 S. 5ff. 95 Dix, Gleichberechtigung S. 15, 2lf.; Feindt, Gleichberechtigung S. 75; GarbeEmden, Gleichberechtigung S. 40, 44; Raasch, Chancengleichheit S. 320; Dt. Akademikerinnenbund, Tagungsberichte S. 56ft, 94ff.; BT-Ds. 8/4461 S. 6f. Ähnlich Zöllner, Gleichberechtigung S. 225. 96 Ebenso neben den Genannten noch Fels, Frauenbewegung S. 152; Feindt, Gleichberechtigung S. 75; Dt. Akademikerinnenbund, Tagungsberichte S. 75, 123f.

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1. Kap.: Die Dimensionen des Problems

zurück; die Frauenfrage ist als gesellschaftliches und rechtspolitisches Problem noch nicht gelöst. Allerdings hat sich die Struktur des Gleichheitsdefizits, das für die gegenwärtige Situation charakteristisch ist, seit dem Beginn der Entwicklung im 19. Jahrhundert geändert: Bis zum Inkrafttreten des Grundgesetzes war die Diskriminierung der Frau durch die Rechtsordnung - d. h. die willkürliche (unsachliche), weil geschlechtsbezogene Verweigerung der rechtlichen Gleichheit von Mann und Frau - der vor allen anderen Gründen maßgebende Faktor für die soziale Zweitrangigkeit von Frauen. Doch seitdem Art. 3 Abs. 2 und 3 GG den Grundsatz der Rechtsgleichheit von Mann und Frau mit der Autorität des Verfassungstextes in die Rechtsordnung eingeführt hat, ist es nicht mehr zulässig, Männern und Frauen unterschiedliche Rechte und Pflichten aufgrund ihres Geschlechts zuzuordnen96a . Damit läßt sich heute, nach der im wesentlichen abgeschlossenen Verwirklichung dieses Grundsatzes, eine rechtliche Diskriminierung der Frauen in nennenswertem Umfang nicht mehr annehmen 97 • Doch der Abbau diskriminierender Rechtsvorschriften hat das Problem der weiterbestehenden sozialen Diskriminierung von Frauen - die sich als qualitative Unterrepräsentation äußert - nicht gelöst, und es bedarf offensichtlich weiterer Anstrengungen, um hier Abhilfe zu schaffen. Freilich hat sich in der bisherigen Diskussion noch keine einheitliche Begrifflichkeit für die Ziele der rechtspolitischen Arbeit herausgebildet, so daß nebeneinander u. a. die Verwirklichung der (rechtlichen, politischen, wirtschaftlichen usw.) Gleichberechtigung und die Gleichbehandlung der Geschlechter, die (rechtliche, soziale, faktische usw.). Gleichstellung und die Chancengleichheit sowie - allen genannten Begriffen übergeordnet - die Emanzipation 98 der Frauen genannt werden. Die meisten dieser Begriffe überlagern sich allerdings oder sind gar gleichbedeutend; nicht alle sind daher für die nähere Beschreibung der Frauenförderung durch umgekehrte Diskriminierung von gleicher Wichtigkeit: 96. Zur Frage, in welchem Umfang sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung auch weiterhin zulässig bleibt, unten Kap. 3 11 2. 97 Trotz des Abbaus "rechtlicher" Diskriminierung ist es natürlich nicht ausgeschlossen, daß Frauen nach wie vor das Opfer "diskriminierender" Handlungen einzelner und damit Objekt sozialer Diskriminierung sind (zu dieser Unterscheidung etwa Dix, Gleichberechtigung S. 7ff. und Ramm, Discrimination S. 503ff., 520ff.). Doch da diese Form der geschlechtsspezifischen Benachteiligung die Rechte der Frauen verletzt, d. h. unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 GG erfolgt, ist eine Umgestaltung der Rechtsordnung insoweit nicht mehr die richtige Therapie. Auch aus diesem Grunde spielt der Begriff der Diskriminierung im deutschen Verfassungsrecht, anders als im Völkerrecht, keine bedeutende Rolle und wird auch in der vorliegenden Untersuchung nur am Rande stehen. Ein erster systematischer Ansatz, den Begriff fruchtbar zu machen, bei Slupik, Parität S. 68ff., 99ff. m.w.N. Zu Restbeständen diskriminierenden Rechts etwa Herbst, Diskriminierung. 98 Als der umfassendste aller genannten Begriffe eignet sich der Begriff der Emanzipation freilich nicht dazu, die Besonderheiten einer Politik der umgekehrten Diskriminierung im Unterschied zu anderen Strategien der Frauenförderung deutlich zu machen; er wird daher im Laufe der folgenden Überlegungen keine Rolle spielen.

I. Die politische Konzeption: "Umgekehrte Diskriminierung"

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Während die soziale Lage der Frauen früher in einer rechtlichen Benachteiligung ihre unmittelbare Parallele hatte, besteht heute eine Diskrepanz zwischen den Verheißungen des Verfassungsrechts und den Gegebenheiten der sozialen Wirklichkeit: Die rechtliche Gleichstellung von Frauen und Männern, d. h. die Gleichberechtigung im engeren Sinn des Begriffs, hat nicht zu einer sozialen ("faktischen") Gleichstellung der Geschlechter geführt99 , so daß man nach wie vor, in einem weiteren Sinne, von einem GleichberechtigungsdefizitJ()(J sprechen kann. Zielsetzung der umgekehrten Diskriminierung zur Frauenförderung muß es daher sein, dieses Defizit abzubauen: Sie soll nicht lediglich die Rechts- und Pflichtengleichheit der Geschlechter (rechtliche Gleichstellung, Gleichberechtigung Le.S.) herstellen - mit dem Ablauf der in Art. 117 GG bestimmten Frist ist dieses Ziel erreicht -, sondern darüber hinaus in der sozialen Wirklichkeit eine von geschlechtsspezifischen Hemmnissen unbeeinflußte berufliche und politische Entfaltungsfreiheit von Männern und Frauen ("faktische" oder "tatsächliche" Gleichstellung bzw. Gleichbehandlung 101 ) erreichen. Zur Präzisierung dieser Zielsetzung muß freilich abschließend betont werden, daß die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter nicht im Sinne einer "Ergebnisgleichheit" verstanden werden kann, denn eine Gleichheit der Ergebnisse zielt auf eine paritätische reale Verteilung aller gesellschaftlichen Güter und Lasten - nicht nur der Möglichkeit ("Chance"), sie zu erlangen auf die Vergleichsgruppen und setzt sich damit über das individuelle Wollen der Konkurrenten in gewissem Umfang hinweg. Ziel der Frauen ist vielmehr die Verwirklichung der "Chancengleichheit"102: Es geht ausschließlich um die 99 Es sind jeweils im wesentlichen gleichbedeutend: Gleichberechtigung im engeren Sinne und rechtliche Gleichstellung auf der einen Seite; Gleichberechtigung im weiteren Sinne ("wirtschaftliche", "soziale", "politische" usw. Gleichberechtigung) und "faktisehe" bzw. "tatsächliche" Gleichstellung auf der anderen Seite. In diesem letzteren Sinne war beispielsweise die ThemensteIlung des 50. DJT zu verstehen (Gutachten Löwisch, Gitter, Mennel). Auch der Bericht der Enquete-Kommission Frau und Gesellschaft (BT-Ds. 8/4461) nennt "rechtliche und soziale Gleichberechtigung" (S. 3). 100 Der Begriff des Gleichberechtigungsdefizits (etwa bei Schmitt Glaeser, Abbau, als Thema seines Gutachtens; Gitter, Gleichberechtigung S. 1567) entspricht in einer Situation der Rechtsgleichheit stets der Gleichberechtigung im weiteren Sinne. Als politischer Kampfbegriff ist er freilich für die verfassungsrechtliche Diskussion nicht von vornherein geeignet; ob nämlich Art. 3 Abs. 2 GG über die engere Wortbedeutung des Gleichberechtigungsbegriffs hinausgeht, wird erst eine Auslegung dieser Vorschrift zeigen können. Zöllner, Gleichberechtigung S. 225f., spricht hier von Ungleichheit ohne Verfassungsverstoß . 101 Der Begriff der Gleichbehandlung entstammt der Terminologie des Europäischen Gemeinschaftsrechts; er ist mit dem Begriff der Gleichstellung gleichbedeutend. Aus der innerstaatlichen Lit. etwa Feindt, Gleichberechtigung S. 74ff. 102 Damit wird ein Begriff aufgenommen, der bisher im deutschen Verfassungsrecht nicht recht heimisch geworden ist. Zum Begriff und seiner Problematik vor allem Rothe, Chancengleichheit S. 17ff.; daneben Hufen, Gleichheitssatz S. 48ff., 125ff.; Scholler, Gleichheitssatz S. 27ff., 53ff.; Kloepfer, Gleichheit S. 4lf. m. w. N. Krit. Podlech, Gleichheitssatz S. 209ff. Im hier vorliegenden Zusammenhang entspricht der

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1. Kap.: Die Dimensionen des Problems

rechtliche und faktische Möglichkeit eines jeden, seine Stellung in der Gesellschaft ohne den Einfluß geschiechtsspezifischer lO3 Hemmnisse autonom zu bestimmen: Gleichstellung bzw. Chancengleichheit von Männern und Frauen zielt ausschließlich auf die Gleichheit der Startbedingungen 104 • 4. "Umgekehrte Diskriminierung" zur Frauenförderung: Konzeptionelle Grundlage und rechtliche Struktur

Die Suche nach einem Weg, Verfassungsrecht und die soziale Wirklichkeit der Frauenfrage miteinander in Einklang zu bringen, hat der verfassungsrechtlichen und rechtspolitischen Diskussion seit dem Beginn der achtziger Jahre neue Perspektiven eröffnet. Den Hintergrund dafür bildet die durch die historische Entwicklung verstärkte Befürchtung, daß die strikte Rechtsgleichheit von Männern und Frauen - die Neutralität der Rechtsordnung im Hinblick auf die Geschlechtszugehörigkeit der Rechtsunterworfenen - in der gegenwärtigen Situation eher als ein Instrument zur Bewahrung des status quo erscheint denn als Ansatzpunkt für eine Fortentwicklung: Wenn "neutrales" Recht lO5 auf einen Zustand sozialen Ungleichgewichts zwischen den Geschlechtern trifft, auf ein im Bereich der politischen und gesellschaftlichen Eliten etabliertes deutliches quantitatives Übergewicht einer der bei den Gruppen - der Männer -, dann vermag es seine Egalisierungsfunktion möglicherweise nicht mehr zu erfüllen und gerät in die Nähe einer einseitigen Stellungnahme zu Lasten der Frauen. Diese Befürchtung hat schließlich zu der Forderung geführt, die Rechtsordnung müsse ihre Neutralität, zumindest zeitlich begrenzt, wieder aufgeben und durch gezielte Förderungsmaßnahmen die Wettbewerbsbedingungen für Frauen verbessern. Dies ist die gemeinsame Grundlage aller Vorschläge zur "Frauenförderung", die den Inhalt der Debatte seither bestimmen. Sie beruhen auf der Überlegung, daß das gleiche Recht beider Geschlechter auf ungehinderte Entfaltung in Staat und Gesellschaft nicht verwirklicht werden kann, Begriff dem angelsächsischen terminus der "equal opportunity", dazu insgesamt Westen, Equal Opportunity und Ramm, Introduction S. 42. 103 Chancengleichheit im Zusammenhang der Frauenfrage soll also lediglich die Geschlechtszugehörigkeit als einen für die gesellschaftliche Stellung des einzelnen bestimmenden Faktor ausschalten ("relative Chancengleichheit"), nicht aber eine Angleichung der Startbedingungen in jeder Hinsicht herbeiführen ("absolute Chancengleichheit"). Damit entgeht der Begriff hier den meisten gegen ihn vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken (etwa von Podlech, Gleichheitssatz S. 201ff., 208ff.; referierend Scholler, Gleichheitssatz S. 17f., 55ff.) und kann deshalb hier unbefangen verwendet werden. 104 Hier liegt der Schlüssel der Unterscheidung von Chancengleichheit und Ergebnisgleichheit. Ebenso Westen, Equal Opportunity S. 842; anders hingegen v. MangoldtStarck, Rz 4f. zu Art. 3, der seine Ablehnung der umgekehrten Diskriminierung auf die fehlerhafte Alternative Rechtsgleichheit - Ergebnisgleichheit gründet. 105 Zur Bedeutung dieses Begriffs unten Kap. 3 11 1.

I. Die politische Konzeption: "Umgekehrte Diskriminierung"

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wenn die Rechtsordnung für den Geschlechtsunterschied "blind"l06 ist, sondern nur dann, wenn sie die zu Lasten der Frauen bestehenden vielfältigen Wettbewerbsverzerrungen in der Konkurrenz zwischen den Geschlechtern durch besondere "kompensatorische Maßnahmen" für eine Übergangszeit in ihrer Wirkung abschwächt und auf lange Sicht vollständig abbaut. Der damit skizzierte konzeptionelle Ansatz ist in zwei verschiedene Richtungen konkretisiert worden. Einen ersten Weg stellt der Versuch dar, Frauenförderung mit den Mitteln traditioneller Sozialpolitik zu betreiben. Die Zahl der hier denkbaren Handlungsmöglichkeiten ist groß, und nicht wenige davon haben bereits Eingang in die praktische Politik gefunden. Dazu zählen, um nur einige Beispiele zu nennen 107, die Forderung, Teilzeitarbeit und andere Modelle flexibler Arbeitszeitgestaltung nicht auf untergeordnete Tätigkeiten zu beschränken, sondern auch auf Aufstiegs- und Führungsfunktionen auszudehnen; daneben die Forderung, die Arbeitsbedingungen generell- d. h. nicht auf Frauen beschränkt - auf die Bedürfnisse von Arbeitnehmern mit Familienpflichten zuzuschneiden 108 • Weitere thematische Schwerpunkte sind Vorschläge mit dem Ziel, den Wiedereinstieg ins Berufsleben nach mutterschaftsbedingter Unterbrechung der Berufstätigkeit durch Fortbildungsangebote oder die Möglichkeit von Ferienvertretungen vorzubereiten oder das Sozialversicherungsrecht dt"m für Frauen typischen Versicherungsverlauf anzupassen. Von zunehmender Bedeutung ist schließlich die Frage der Arbeitsschutzbestimmungen für Frauen; gefordert werden hier geschlechtsneutrale Formulierungen, die die wirtschaftliche Attraktivität der Frauenarbeit nicht mindern und auf diese Weise Reservate männlicher Berufstätigkeit schaffen, sondern die Arbeitskraft von Männern und Frauen gleichermaßen schützen lO9 • Eine solche, als sozialpolitisches Programm verstandene Frauenförderung greift in das Konkurrenzverhältnis von Männern und Frauen nicht unmittelbar 106 Diese Formulierung ("Sex-Blindness"), die hier wegen ihres bildhaften Bezuges zum Symbol der Justitia erwähnt werden soll, ist in der parallelen Diskussion um die Verwirklichung der Rechte und Chancen von Frauen in den USA geprägt worden; dazu noch unten III 3. 107 Die Formulierung dieses sozialpolitischen Modells der Frauenförderung ging von den Erörterungen auf dem 50. Deutschen Juristentag (1974) aus. Die folgenden Beispiele sind im wesentlichen und für den öffentlichen Dienst des Bundes und der Länder geltenden Verwaltungsvorschriften zur Frauenförderung entnommen; Nachw. unten Kap. 4 I 2. Zu weiteren Vorschlägen dieser Art vor allem die Gutachten von Löwisch (S. 46ff.), Gitter (S. 149ff.) und Mennel (S. 179ff. u. passim); Säcker, Referat S. 28ff., 45ff.; sowie Garbe-Emden, Gleichberechtigung S. 92f., 114ff. 108 In dieser Frage hat die Entwicklung deutliche Impulse durch das Internationale und das Europäische Gemeinschaftsrecht erfahren; im einzelnen dazu Kap. 2 I 4 d und

Ill.

109 Hinweise zu der Problematik bei Hanau, Geschlechtsdiskriminierung S. 194; Löwisch, Gutachten S.59ff.; Säcker, Referat S.28ff.; BT-Ds. 8/4461, S.12ff.; Schwerdtner, Gleichstellung S. 476, 478; Mayer-Maly, Frauengleichbehandlung S. 261ff., 267f.; sowie unten Kap. 2 I 4 und Kap. 3 III 1 c. Zu der Diskussion in der historischen Frauenbewegung Fels, Frauenbewegung S. 107ff.

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1. Kap.: Die Dimensionen des Problems

ein. Sie stellt vielmehr den Versuch dar, die Rahmenbedingungen, unter denen Frauen in die Konkurrenzsituation eintreten, so umzugestalten, daß Chancengleichheit trotz der besonderen Belastung, die den beruflichen oder politischen llO Werdegang von Frauen typischerweise behindern, realisierbar wird. Es ist jedoch zweifelhaft, ob die angestrebte tiefgreifende Umgestaltung der gesellschaftlichen Wirklichkeit auf dem langen Weg der traditionellen Sozialpolitik innerhalb eines überschaubaren Zeitraums zu verwirklichen ist 111 , ja ob sie überhaupt auf diesem Wege erreicht werden kann. Als Alternative bzw. Ergänzung ll2 zu dem Konzept einer Politik der kleinen Schritte ist deshalb der Vorschlag zu erwägen, auf radikale Weise 113 , nämlich abweichend vom Grundsatz der Rechtsgleichheit der Geschlechter, in die Konkurrenz von Frauen und Männern um berufliche und politische Funktionen einzugreifen und die Präsenz von Frauen durch Maßnahmen "umgekehrter Diskriminierung" überall dort, wo Frauen bisher unterrepräsentiert sind, sofort und nachhaltig zu verstärken 1l4 : Frauen sollen durch gesetzliche Regelungen so lange bevorzugt werden - umgekehrt soll also die Rechtsstellung ihrer männlichen Konkurrenten so weit und so lange verschlechtert werden -, bis der Frauenanteil in allen maßgeblichen Bereichen des politischen und beruflichen Lebens deutlich gestiegen ist und die Chancen der Frauen im beruflichen und politischen Wettbewerb durch geschlechtsspezifische Hemmnisse nicht mehr geschmälert werden. Das wichtigste rechtstechnische Mittel, die Idee der umgekehrten Diskriminierung in praktische Politik umzusetzen, stellen "Quo110 Auch für das Feld der politischen Partizipation von Frauen sind Maßnahmen dieser Art denkbar, denn gerade eine nicht hauptberufliche Teilnahme am (partei-) politischen Leben muß in aller Regel zusätzlich zu familiären und beruflichen Verpflichtungen bewältigt werden. 111 Auch in der Debatte in den Vereinigten Staaten ist diese Befürchtung der Motor vieler Bemühungen um eine Politik der umgekehrten Diskriminierung, vgl. etwa Thalberg, Themes S. 149; Minas, Reverse Discrimination S. 77; Aaron, Discrimination S.98. 112 Der Vorschlag der umgekehrten Diskriminierung erübrigt die sozialpolitischen Bemühungen um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Frauen und um die Abschwächung traditioneller Rollenbilder durch eine Politik der kleinen Schritte nicht: Auch eine Entscheidung für umgekehrte Diskriminierung kann auf eine solche Politik nicht verzichten, sondern muß durch sie ergänzt und abgesichert werden. 113 Dies bedeutet freilich nicht - wie Mengel, Positive Diskriminierung S. 531 und Anm. 15 im Jahre 1981 noch feststellen zu können meinte -, daß dieser "fordernd aggressive" Vorschlag nur auf den "militanten Teil der Frauenbewegung" beschränkt sei - die Diskussion hat sich seitdem ausgeweitet und weitgehend versachlicht. 114 Der im deutschen Sprachraum überwiegend gebräuchliche Begriff der "Positiven" Diskriminierung scheint das Ergebnis der Frage nach der Zulässigkeit dieser Form der Frauenförderung sprachlich bereits zu präjudizieren, ist jedoch mit der von mir ausschließlich verwendeten Formulierung ("umgekehrte" Diskriminierung) inhaltsgleich. "Umgekehrte" Diskriminierung ist überdies insofern präziser, als diese Formulierung den historischen Bezug der Frauenförderung verdeutlicht: Die traditionelle Benachteiligung der Frau zugunsten des Mannes wird in ihrer Richtung umgekehrt: Bevorzugung der Frau zu Lasten des Mannes.

I. Die politische Konzeption: "Umgekehrte Diskriminierung"

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tenregelungen" dar: Eine "Quotierung" präzisiert eine Maßnahme umgekehrter Diskriminierung dadurch, daß sie das quantitative Maß der angeordneten Frauenförderung angibt, d. h. den Frauenanteil, der erreicht werden soll; sie fixiert eine zahlenmäßige Mindestgrenze - in der Regel als relative Größe (,,50% aller verfügbaren Positionen") -, die als Zielwert für die Präsenz von Frauen im Geltungsbereich der Regelung maßgeblich ist. Die meisten, wenn auch nicht alle 115 , Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung sind als Quotenregelungen gefaßt 116 , so daß diese - pars pro toto - auch in der juristischen Auseinandersetzung mit dem Konzept der umgekehrten Diskriminierung im Vordergrund stehen werden. Die verfassungsrechtliche Bewertung der umgekehrten Diskriminierung steht jedoch vor der Schwierigkeit, daß diese Form der Frauenförderung eine kaum übersehbare Vielfalt konkreter Ausgestaltungsmöglichkeiten erlaubt, so daß jeder Versuch, die bisher erarbeiteten Vorschläge und verwirklichten Regelungen in ihrer Gesamtheit zu diskutieren, zum Scheitern verurteilt ist. Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung sind in den vergangenen Jahren für eine Vielzahl von Lebensbereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, formuliert worden. So sind im öffentlichen Dienst des Bundes und der Länder Verwaltungsvorschriften in Kraft getreten, die eine bevorzugte Berücksichtigung von Frauen bei der Besetzung von Beamten-, Angestelltenund Arbeiterstellen anordnen - freilich unter dem Vorbehalt des verfassungsrechtlichen Leistungsprinzips -, darüber hinaus aber auch zahlreiche weitere Fragen der beruflichen Förderung von Frauen detailliert regeln 117 • Auch in einigen politischen Parteien werden Bestimmungen diskutiert oder praktiziert, die das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern abbauen und die Teilhabe der Frauen an parteiinternen Mandaten, Ämtern und Funktionen so 115 In der öffentlichen Diskussion wird dieser Begriff häufig als Synonym für das Phänomen der umgekehrten Diskriminierung mißverstanden, doch sind beide nicht identisch: So stellt beispielsweise eine Regelung, die einen Begründungszwang nur bei Ablehnung einer Bewerberin, nicht aber bei Ablehnung eines männlichen Konkurrenten vorsieht, eine Maßnahme umgekehrter Diskriminierung, nicht aber eine Quotierung dar, denn sie räumt der Bewerberin einseitig einen Rechtsvorteil ein, ohne den angestrebten Frauenanteil zahlenmäßig zu fixieren. 116 Dies liegt daran, daß eine Regelung, die eine bevorzugte Einstellung von Frauen "bei gleicher Eignung" ohne präzisierende Quotierung (" ... bis ihr Anteil 50 % der zu vergebenden Positionen beträgt") anordnet, auch dann noch zum Nachteil männlicher Bewerber praktiziert werden müßte, wenn das angestrebte Gleichgewicht in der Besetzung der Stellen bereits erreicht ist; an diesem Punkt würde die Wirkung der Regelung in ihr Gegenteil umschlagen und den Frauen eine ungerechtfertigte Überrepräsentation garantieren. 117 Wortlaut und Nachw. der im einzelnen höchst unterschiedlichen Normen unten Kap. 4 I 2. Ein Beispiel: "Bei der Besetzung von höherwertigen Stellen sind Frauen bei gleicher Qualifikation wie ihre männlichen Mitbewerber - in jeder Dienststelle so zu berücksichtigen, daß sie in allen Besoldungs-, Vergütungs- und Lohngruppen entsprechend ihrem Anteil an der jeweiligen Funktionsgruppe vertreten sind" (Nr. 8 der Richtlinie zur Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst der Freien und Hansestadt Hamburg v. 9.12.1983, Mitteilungen für die Verwaltung 1984, 2).

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1. Kap.: Die Dimensionen des Problems

weit erhöhen sollen, bis ihr Anteil daran einen jeweils näher bestimmten Mindestwert erreicht hat 118 • Die angesichts dieser Schwierigkeit naheliegenden Versuche, die große Zahl der denkbaren Formulierungen in einer "Typologie" der Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung nach ihrem äußeren Erscheinungsbild zu systematisieren und damit die Formenvielfalt auf ein praktikables Ausmaß zu re duzieren 119 , bieten allerdings auf dem derzeitigen Stand der rechtspolitischen Entwicklung nur wenig Hilfe, weil die noch andauernde Phase der Begriffsbildung bisher nicht zu einem Abschluß gekommen ist 119a • Für die verfassungsrechtliche Beurteilung der umgekehrten Diskriminierung mag daher vorläufig allein der für alle Maßnahmen dieser Art gleichermaßen charakteristische Umstand in den Mittelpunkt des Interesses gestellt werden, daß die Geschlechtszugehörigkeit im Wettbewerb um berufliche oder politische Stellungen und Ämter zum ausschlaggebenden Auswahlkriterium werden kann; der Formenreichtum in der praktischen Ausgestaltung ist demgegenüber zweitrangig. Er spielt lediglich insofern eine Rolle, als es VOn der konkreten Formulierung einer Maßnahme umgekehrter Diskriminierung abhängt, mit welcher Intensität sie in das Konkurrenzverhältnis zwischen Frauen und Männern eingreift und wie weit die Entscheidungsfreiheit weiterer Betroffener, beispielsweise der durch Quotenregelungen verpflichteten Arbeitgeber, eingeschränkt wird. Nur unter diesem Aspekt müssen die Erscheinungsformen der umgekehrten Diskriminierung voneinander unterschieden werden. Der Blick soll daher abschließend auf zwei Strukturelemente gelenkt werden, die in besonderer Weise für die mannigfachen Abstufungen der Eingriffsintensität von Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung verantwortlich sind 120: Eine erste wichtige Unterscheidung gliedert Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung nach ihrer Bindungsintensität in "imperative" und "inJluenzie118 Im Vordergrund stehen hier Satzungsvorschriften zur Erhöhung des Frauenanteils in Parteiämtern. Als Beispiel: "Alle Bundesorgane, -kommissionen und Bundesarbeitsgemeinschaften sind zu mindestens 50% mit Frauen zu besetzen .... Wahllisten sind grundsätzlich alternierend mit Männern und Frauen zu besetzen. Allerdings sind reine Frauenlisten möglich." (§ 7 Abs. 3 Satz 1, Abs 4 Satzung der Bundespartei DIE GRÜNEN). Nachweise im einzelnen unten Kap. 5 I. 119 So werden "Entscheidungsquoten" (Beispiel: "Bei gleicher Eignung sind Frauen zu bevorzugen") von "Ergebnisquoten" (Beispiel: "Es ist ein Frauenanteil von 50% anzustreben") unterschieden (Pfarr. Herausforderung S. 2lf.; Weg, Bescheidenheit S. 571); die Maßnahmen werden nach ihrer zeitlichen Wirkungsdauer in ein "Dauer-" und ,,Anstoßmodell" unterteilt (Schmitt Glaeser, Abbau S. 17; dort auch die Begriffe des "Konnex-" und "Separatmodells") oder nach ihrem thematischen Gegenstand in eine wenig systematische und an den praktischen Erscheinungsformen der umgekehrten Diskriminierung vorbeigehende "Typologie" gegliedert (Mengel, Positive Diskriminierung S. 532). 119. Einen Ansatz in Richtung auf eine sinnvolle Typologie bietet jetzt Pfarr, Gutachten S. 202ff. 120 Ähnlich Benda, Positive Aktionen S. 41ff.

I. Die politische Konzeption: "Umgekehrte Diskriminierung"

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rende" Maßnahmen 121 : Der Normadressat kann durch eine "imperative" Maßnahme - "Frauen sind zu bevorzugen" - dazu verpflichtet werden, Frauen in der angeordneten Art und Weise zu bevorzugen; der Eingriff in die Freiheit des Normadressaten und in das Konkurrenzverhältnis zwischen Frauen und Männern geht hier am weitesten. Eine "influenzierende" Maßnahme hingegen stellt ihm das gewünschte Verhalten ohne verpflichtenden Zwang lediglich frei, wobei als Anreiz die Erlangung von Sondervorteilen (Subventionen) an die Erfüllung der normativ fixierten Erwartung geknüpft sein kann. Als Mittelweg bietet sich schließlich die Möglichkeit einer Sollbestimmung an, d. h. eine Bindung, von der nur im begründeten Ausnahmefall abgewichen werden darf. Soll die Bindungswirkung einer verpflichtenden Bestimmung noch gesteigert werden, so kann ergänzend die Verhängung von Sanktionen für den Fall der Nichterfüllung vorgesehen werden 122 ; weitere Sonderformen abgestufter Bindungsintensität stellen Zielvorgaben oder Frauen[örderpläne dar: Sie stellen es dem Normadressaten - meist innerhalb eines verbindlichen zeitlichen Rahmens - in gewissem Ausmaß frei, auf welchem Wege er die angegebenen Zielwerte verwirklichen will ("Bis 1995 muß der Frauenanteil 50 % betragen"). Solche Frauenförderpläne müssen freilich nicht als unverbindliche Richtschnur formuliert sein; stets aber lassen sie dem Adressaten erhebliche Freiheit, da sie ihn nicht zu einer sofortigen Umstellung seines Verhaltens zwingen. Neben dieser Unterscheidung nach der Bindungsintensität von Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung ergibt sich ein weites Feld an Abstufungen der "normativen Härte" vor allem dann, wenn umgekehrte Diskriminierung in Form von Quotenregelungen praktiziert werden, denn die quantitative Präzisierung des Frauenanteils durch eine Quotierung erlaubt zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten für eine solche Politik. Sie werden einerseits durch die Möglichkeit bestimmt, zwischen ,,starren" und "flexiblen" Quotenregelungen zu wählen 123 , andererseits zusätzlich durch die Möglichkeit, die Werte der Regelungen unterschiedlich festzusetzen. So lassen sich natürlich schon für die 121

S.22.

Die Unterscheidung bei Schmitt Glaeser, Abbau S. 9; Pfarr, Herausforderung

122 Dies erhöht zwar die rechtliche Bindungswirkung der Maßnahme nicht, denn auch ohne Sanktionsandrohung ist der Normadressat zu normgerechtem Verhalten verpflichtet, doch verleiht es der Maßnahme zumindest faktisch besonderen Nachdruck. Zu Unrecht geht etwa Schmitt Glaeser, Gleichberechtigung S. 385, davon aus, daß imperative Quotenregelungen stets mit einer Sanktionsdrohung verbunden sein müssen. Tatsächlich finden sich kaum Vorschläge für sanktionsbewehrte Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung; zu einem Beispiel unten Kap. 5 III 3 b. 123 Garbe-Emden, Gleichberechtigung S. 146ff. Häufig wird die Differenzierung "starr - flexibel" - bezogen auf den öffentlichen Dienst - gleichgesetzt mit der Unterscheidung in leistungsabhängige bzw. -unabhängige Bestimmungen, dazu unten Kap. 4 I; es findet sich aber auch die wohl gleichbedeutende Einteilung in "absolute" und "relative" Quotenwerte (Hofmann, Gleichberechtigungsgebot S. 95; ähnlich Hohmann-Dennhardt, Antidiskrirninierungsgesetz S. 247).

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1. Kap.: Die Dimensionen des Problems

Formulierung "starrer Quotenregelungen" - d. h. für Regelungen, die den angestrebten Frauenanteil mit einem festen Zahlenwert beschreiben (,,50 % der Stellen sind an Frauen zu vergeben") - unterschiedliche Werte denken 124, doch erweitert sich der Gestaltungsspielraum bei "flexiblen Quotierungen" noch einmal erheblich: Hier ist der als Zielwert anzustrebende Frauenanteil von einer Variablen abhängig ("Die Zahl der Frauen in Parteiämtern muß ihrem Anteil an der Gesamtmitgliedschaft der Partei ansprechen"), die ihrerseits fast beliebige Formen annehmen kann 125 • 11. Die verfassungsrechtliche Problemstellung 1. Die Grundsatzfrage: Umgekehrte Diskriminierung als Gleichheitseinschränkung

Für den Verfassungsjuristen erweist sich die Auseinandersetzung mit dem Phänomen der umgekehrten Diskriminierung in erster Linie, wenn auch keineswegs ausschließlich, als ein Gleichheitsproblem. Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung durchbrechen die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter, um in der Wirklichkeit der Konkurrenz zwischen Frauen und Männern ein Gleichgewicht der Chancen zu realisieren: Gleichheitsdurchbrechung als Mittel zur Gleichheitsverwirklichung. Doch gerät nicht jede an das Geschlecht anknüpfende rechtliche Besserstellung von Frauen zu Lasten der Männer in einen unauflösbaren Widerspruch zum Gleichheitskonzept des Grundgesetzes, das doch gerade niemanden wegen seines Geschlechts bevorzugen oder benachteiligen will? Den Maßstab für die rechtliche Bewertung dieses paradox anmutenden Phänomens bilden die verfassungsrechtlichen Gleichheitssätze, in erster Linie Art. 3 Abs. 2 und 3 GG. Hier ist die zentrale Aussage der Verfassung zum Verhältnis der Geschlechter formuliert, und jede Maßnahme zur Frauenförderung hat sich, unabhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung und ihrem Anwendungsbereich, an dieser Vorschrift zu messen. Die Schwierigkeit der juristischen Untersuchung besteht allerdings darin, eine Deutung des Art. 3 124 Sie liegen in der Praxis meist zwischen 25 % und 50 %. I. ü. sind auch die als "starre" Quoten bezeichneten Prozentsätze nur relative Werte. Sie ändern sich mit jeder Änderung ihres Bezugswerts (also beispielsweise des Angebots an verfügbaren Stellen oder Ämtern). "Starr" sind diese Angaben allenfalls insofern, als Schwankungen weniger häufig sein werden als bei flexiblen Quoten. 125 Die Festlegung eines Werts "entsprechend dem Frauenanteil der Bevölkerung" bildet einen Grenzfall. Sie ist eine flexible Quote, da sie keinen festen Zahlenwert nennt, praktisch aber liegt der Frauenanteil der Bevölkerung ohne nennenswerte Schwankungen fest; insofern könnte man von einer starren Quote sprechen. Als flexible Quoten werden auch leistungsabhängige Quoten bezeichnet ("bei gleicher Eignung"), etwa bei Benda, Positive Aktionen S. 43; Hohmann-Dennhardt, Antidiskriminierungsgesetz S. 247.

11. Die verfassungsrechtliche Problemstellung

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Abs. 2 und 3 GG vorzulegen, die das neuartige Phänomen der umgekehrten Diskriminierung widerspruchsfrei bewältigen kann, ohne dabei kritiklos im Bereich "herrschender Meinungen" zu verharren oder, umgekehrt, die Substanz methodisch und inhaltlich gesicherter Erkenntnisse leichtfertig aufzugeben und in den Bereich von Spekulationen abzugleiten. Die knappe Anweisung des Art. 3 GG, daß Männer und Frauen "gleichberechtigt" sein sollen, und daß niemand wegen seines Geschlechts "benachteiligt oder bevorzugt" werden darf, bietet bei dieser Aufgabe auf den ersten Blick allerdings nur wenig Hilfe. Es ist daher kaum verwunderlich, daß über ihren Inhalt und ihre Relevanz für das Problem der Frauenförderung bisher keine Einigkeit erzielt worden ist. Die Bandbreite der möglichen Deutungen bewegt sich zwischen zwei Polen: Sieht man in Art. 3 Abs. 2 GG ein striktes Differenzierungsverbot, das es der öffentlichen Gewalt untersagt, die Geschlechtszugehörigkeit der Rechtsunterworfenen - als möglichen Anknüpfungspunkt für rechtliche Privilegierung oder Benachteiligung - überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, so stellt jede Maßnahme umgekehrter Diskriminierung eine ungerechtfertigte Grundrechtsdurchbrechung zu Lasten der Männer dar, während sich die Beibehaltung der Rechtsgleichheit zwar faktisch zuungunsten der Frauen auswirkt, ihr Grundrecht jedoch nicht verletzt. Eine Politik der Frauenförderung läßt sich auf dem Boden dieser Interpretation nicht billigen, da sie den Grundsatz der Rechtsgleichheit als geltendes Recht temporär aufhebt, obwohl gerade er als ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einer umfassenden Gleichstellung der Geschlechter zu gelten hat. In Anlehnung an die umfassenden Forderungen der historischen Frauenbewegung ist es jedoch ebenfalls denkbar, Art. 3 Abs. 2 GG als eine Vorschrift zu sehen, die nach ihrer Zielsetzung über die Rechtsgleichheit hinaus eine Gleichstellung von Frauen und Männern auch in der sozialen Wirklichkeit anstrebt. Allerdings schließt sich im Rahmen einer solchen Deutung sogleich die Frage an, ob die gegenwärtige Situation der Frauen, die von einer faktischen Gleichstellung noch weit entfernt ist, dementsprechend als Verfassungsverstoß gewertet werden müßte. Mit diesem Problem hängt auch die in der Diskussion stets betonte weitere Frage eng zusammen, ob öffentliche Gewalt zu einer Politik der umgekehrten Diskriminierung zur Frauenförderung nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet ist: Art. 3 Abs. 2 GG als Verfassungsauftrag zur Herstellung gleicher Chancen oder als schlichte Ermächtigung an die öffentliche Gewalt? Die Gleichheitsdimension wird jedoch auch in weiteren Verfassungsvorschriften angesprochen, die - in einem noch zu erörternden Sinne - neben Art. 3 Abs. 2 GG gleichfalls als Maßstäbe für die Bewertung der umgekehrten Diskriminierung in die Überlegungen einbezogen werden müssen. So ist eine Politik der umgekehrten Diskriminierung im öffentlichen Dienst unter

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1. Kap.: Die Dimensionen des Problems

dem Gesichtspunkt der Bewerbergleichheit an Art. 33 Abs. 2 GG zu messen, und in den politischen Parteien führt sie zu einer Auseinandersetzu~g mit der in Art. 21 GG gewährleisteten Gleichheit der Parteien, ihrer Mitglieder und Amtsträger . Sowohl im Recht des öffentlichen Dienstes als auch im Parteienrecht treten neben diese besonderen Ausprägungen des Gleichheitsproblems schließlich noch weitere Fragen, die für die Verfassungsmäßigkeit der umgekehrten Diskriminierung von Bedeutung sind: 2. Autonomie des öffentlichen Dienstes und Parteifreiheit: Umgekehrte Diskriminierung als Freiheitseinschränkung

Jede Anordnung zur bevorzugten Berücksichtigung von Frauen greift in ein dreiseitiges Rechtsverhältnis ein, in dem die konkurrierenden Gruppen männlicher und weiblicher Bewerber um ein politisches Amt oder eine Position im öffentlichen Dienst nur zwei der Beteiligten darstellen. Ihnen steht als dritter Beteiligter diejenige Person oder Instanz gegenüber, der die anstehende Entscheidung - die Zuweisung einer Stellung im öffentlichen Dienst oder die Wahl in ein Parteiamt - übertragen ist: es ist dies im öffentlichen Dienst der Dienstherr, und in den politischen Parteien sind es deren Mitglieder bzw. Parteiorgane, die über eine Aufnahme in die Partei oder über die Besetzung eines Parteiamtes zu entscheiden haben. Diesen Entscheidungsträgern ist für ihren Tätigkeitsbereich durch die Art. 21 und 33 GG eine verfassungsrechtlich gewährleistete Autonomie zur Ausgestaltung ihrer internen Rechtsverhältnisse zugewiesen, die durch Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung in erheblichem Umfang eingeschränkt wird. Für den Bereich des öffentlichen Dienstes muß sich die Debatte auf die Leitbegriffe des verfassungsrechtlichen Leistungsprinzips und der Personalgewalt der Dienstherrn konzentrieren: Die Autonomie der öffentlichen Verwaltung im Personalwesen ergibt sich in materieller Hinsicht - mag dies auf den ersten Blick auch paradox anmuten - aus ihrer Bindung an die Kriterien der "Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung", Art. 33 Abs. 2 GG. Denn diese Bindung beinhaltet die Freiheit vom Einfluß weiterer Faktoren auf Personalentscheidungen, und damit beschränkt sie auch den Spielraum für eine Frauenförderung im öffentlichen Dienst. Vor diesem Hintergrund ist die zentrale Frage zu beantworten, ob eine Bevorzugung von Frauen auch bei einer im Vergleich zu männlichen Konkurrenten geringeren Qualifikation vorgesehen werden kann oder ob sie stets daran gebunden - und damit in ihrer Effektivität stark beeinträchtigt - ist, daß sich eine Bewerberin im Vergleich aller Konkurrenten als ebenso "geeignet" erweist wie diese. Freiheit und Bindung des öffentlichen Dienstes sind daneben auch im Blick auf die Regelungszuständigkeit für eine Politik der Frauenförderung zu erörtern: Auf der einen Seite mag die Personalgewalt der öffentlichen Dienstherrn

III. Quotenregelungen im geltenden Recht

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die Möglichkeiten des Gesetzgebers für eine Initiative zur Frauenförderung entscheidend beschränken, denn jede gesetzliche Regelung bedeutet die Gefahr, die Autonomie der Dienstherrn zu beschneiden. Auf der anderen Seite aber legt die offenkundige grundrechtliche Relevanz einer solchen Politik die umgekehrte Frage nahe, ob nicht vielmehr die Verwaltung solange daran gehindert ist, Maßnahmen zur Frauenförderung zu ergreifen, bis der Gesetzgeber sich zu einem ersten Schritt in diese Richtung entschließen kann. Für den Bereich der politischen Parteien schließlich muß das Problem der umgekehrten- Diskriminierung unter dem Leitgesichtspunkt der verfassungsrechtlichen Parteifreiheit erörtert werden. Auf der einen Seite nämlich richtet sich die Autonomie der Parteien in erster Linie gegen eine Einflußnahme durch den Gesetzgeber. Unter diesem Aspekt muß jede derartige Initiative zur Frauenförderung deshalb von vornherein mit einem deutlichen Fragezeichen versehen werden, während umgekehrt jeder parteiinterne Versuch, den Einfluß der Frauen zu steigern, als Ausdruck der Parteiautonomie die Vermutung der Rechtmäßigkeit für sich hat. Auf der anderen Seite aber ist Parteifreiheit untrennbar verbunden mit dem Gebot, die Grundsätze der innerparteilichen Demokratie zu achten, und dieser Aspekt wiederum erweitert den Gestaltungsspielraum der Parteien nicht, sondern schränkt ihn ein. Die Bewertung der vorgeschlagenen und praktizierten Modelle zur Erhöhung des Frauenanteils in Parteiämtern und -mitgliedschaft wird daher entscheidend davon abhängen, ob es gelingen kann, die Unterrepräsentation der Frauen im Binnenraum der Parteien abzubauen, ohne doch gleichzeitig die demokratische Basis des innerparteilichen politischen Prozesses preiszugeben. UI. Quotenregelungen im geltenden Recht

In der Debatte um die Verfassungsmäßigkeit der umgekehrten Diskriminierung wird gelegentlich auf die Tatsache hingewiesen, daß kompensatorische Quotenregelungen dem geltenden Recht nicht fremd sind, sondern in der Form von Stellenvorbehalten zur Förderung unterschiedlicher Gruppen von Adressaten bereits seit langer Zeit praktiziert werden; der Hinweis bezieht auch die zahlreichen Beispiele für Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung in ausländischen Rechtsordnungen, insbesondere im Recht der Vereinigten Staaten, in die Argumentation für die Frauenförderung ein. Ein solcher Blick auf mögliche in- und ausländische Vorbilder und Modelle kann für die Bewertung der umgekehrten Diskriminierung zur Frauenförderung jedoch nur dann von Interesse sein, wenn einer Übertragung der zur Rechtfertigung der geltenden Regelungen angeführten Überlegungen in den Zusammenhang der Gleichberechtigung durchgreifende methodische Bedenken nicht entgegenstehen. Daher soll zunächst die Annahme überprüft werden, den bestehenden Regelungen komme für die Frage der Ausgestaltung

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1. Kap.: Die Dimensionen des Problems

und der Zulässigkeit der umgekehrten Diskriminierung zur Frauenförderung die Bedeutung von Präjudizien zu 126 • Aufschlußreich ist hier insbesondere die Frage, mit welcher Intensität die bestehenden Regelungen in die Entscheidungsfreiheit der öffentlichen Arbeitgeber eingreifen, welche Lasten sie den nicht privilegierten Konkurrenten auferlegen und auf welche verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte sie sich stützen. 1. Quotenregelungen zur Förderung sozialer Minderheiten im geltenden Recht

Regelungen, die in ihrer Struktur den Maßnahmen zur Frauenförderung ähnlich sind, finden sich vor allem in vier thematischen Zusammenhängen. An erster Stelle stehen die Vorschriften zur Bewältigung der Kriegsfolgen und des nationalsozialistischen Unrechts; es handelt sich im wesentlichen um das Heimkehrergesetz, das Bundesvertriebenengesetz, das Bundesevakuiertengesetz, das Bundesentschädigungsgesetz sowie das Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes 127 . Eine zweite Gruppe von Gesetzen befaßt sich mit der Situation derjenigen, die ihre berufliche Laufbahn zur Ableistung von Diensten, die im Interesse der Gemeinschaft liegen, unterbrechen oder verzögern. Angesprochen sind hier Wehrpflichtige, Soldaten, Zivildienstleistende und Polizeibeamte: soweit sie aufgrund ihres Dienstes Nachteile für eine spätere Berufstätigkeit zu gewärtigen haben, sollen diese durch die im Arbeitsplatzschutzgesetz, im Soldatenversorgungsgesetz und Bundespolizeibeamtengesetz 128 vorgesehenen Maßnahmen kompensiert werden. Einen letzten Schwer126 Den Modellcharakter dieser Regelungen betont etwa Garbe-Emden, Gleichberechtigung S. 147f., dagegen Schmitt Glaeser, Abbau S. 12ff. (15f.); ebenso wohl Mengel, Positive Diskriminierung S. 535 Anm. 42. 127 Gesetz über Hilfsrnaßnahmen für Heimkehrer (Heimkehrergesetz, HkG) vom 19.6.1950, BGBI. I S. 221, letzte Änderung 2.12.1985, BGBI. I 2138; Gesetz über Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz, BVFG) v. 19.3.1953, BGBI. I S. 201 i.d.F. d. Bk. v. 3.9.1971, BGBI. I 1565, 1807, letzte Änderung 16.2.1986, BGBI. I, 265; Bundesevakuiertengesetz BEvG) v. 14.7.1953, BGBI. 1586, i. d. F. d. Bk. v. 13.10.1961, BGBI. I 1866, letzte Änderung v. 2.3.1974, BGBI. I 469; Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (Bundesentschädigungsgesetz, BEG) v. 18.3.1953, BGBI. I 1387, i. d. F. v. 29.6.1956, BGBI. 1556, letzte Änderung v. 9.12.1986, BGBI. 12326; Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes (BWGöD) v. 11.5.1951, BGBI. I 291, i.d.F. d. Bk. v. 15.12.1965, BGBI. 12073, letzte Änderung v. 22.12.1981, BGBI. I 1523. Zu ergänzen sind noch das G 131 v. 11. 5.1951, BGBI. 1307, i. d. F. d. Bk. v. 13.10.1965, BGBI. I 1685, letzte Änderung v. 22.12.1981, BGBI. I 1523, sowie das Flüchtlingshilfegesetz v. 15.7.1965, BGBI. 1612 i.d.F. d. Bk. v. 15.5.1971, BGBI. 1681, letzte Änderung v. 24.6.1985, BGBI. I 1144 mit Verweis auf das BVFG in § 20 Abs. 1,2. 128 Gesetz über den Schutz des Arbeitsplatzes bei Einberufung zum Wehrdienst (Arbeitsplatzschutzgesetz, ArbplG) v. 30.3.1957, BGBI. I 293, i. d. F. d. Bk. v. 14.4.1980, BGBI. 1425, letzte Änderung v. 20.12.1985, BGBI. 12475; ergänzend § 78 Abs. 1 Nr. 1 Zivildienstgesetz (ZDG) v. 9.8.1973, BGBI. I 1015 i. d. F. d. Bk. v.

III. Quotenregelungen im geltenden Recht

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punkt 129 bilden schließlich das Schwerbehindertengesetz und ähnlich motivierte Gesetze 130 . Die in diesen Gesetzen verankerten Maßnahmen betreffen bis auf wenige Ausnahmen die Eingliederung der Betroffenen in das Arbeitsleben l3l . Neben Vorschriften zur Vermittlung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen durch die Bundesanstalt für Arbeit 132 liegt der Schwerpunkt auf der Begründung von Arbeitsverhältnissen 133 ; ergänzend sehen einige Gesetze Erleichterungen bei der Berufszulassung Selbständiger vor 134 • Weitere Regelungen befassen sich mit der inhaltlichen Ausgestaltung des Arbeitsrechts, insbesondere im Recht der Beförderung 135 , Kündigung136 und Versorgung 137 sowie im Schwerbehindertenrecht mit Anordnungen zur Gestaltung der Arbeitsplätze 138 • Daneben stehen verschiedene flankierende Maßnahmen 139 und Vorschriften über den 31. 7.1986, BGBl. I 1205, ber. 1370; Gesetz über die Versorgung für die ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und ihre Hinterbliebenen (Soldatenversorgungsgesetz, SVG) v. 26.7.1957, BGBl. 1785 Ld.F. d. Bk. v. 5.3.1987, BGBl. 1842; Bundespolizeibeamtengesetz (BPolBG) v. 19.7.1960, BGBl. I 569 ber. 688, L d. F. d. Bk. v. 3.6.1976, BGBl. I 1357, letzte Änderung v. 24.8.1976, BGBl. 12485. 129 Daneben ist noch § 32 Abs. 2 HRG zu nennen (Hochschulrahmengesetz v. 26.1.1976, BGBl. I 185, Ld.F. d. Bk. v. 9.4.1987, BGBl. I S. 1170, in Kraft ab 1.1.1988), der es den Ländern aufgibt, bis zu 30% der Studienplätze für Ausländer, Härtefälle usw. vorzubehalten. 130 Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (Schwerbehindertengesetz, SchwbG) v. 29.4.1974, BGBl. I 1005 i. d. F. d. Bk. v. 26.8.1986, BGBl. 1. 1421; sowie etwa Gesetz über einen Bergmannsversorgungsschein im Lande NRW (BVSG-NW) v. 20.12.1983, GVBl. 635; weitere Landesgesetze bei Wilrodt / Neumann Rz 14ff. zu § 7. Zur Neufassung des SchwbG im Vergleich zum alten Recht Jung / Cramer, SchwbG Einf. S. 28ff. 13l Kennzeichnend für die Bedeutung dieses Schlüsselbereichs ist das Schwerbehindertenrecht, das erst nach dem Ersten Weltkrieg davon abging, die Betroffenen lediglich als Kranke "unterzubringen", Wilrodt / Neumann, SchwbG Einl. Rz 3f. und Jung / Cramer, SchwbG Einf. S. 1 ff. 132 §§ 15f. BEvG; 77f. BVFG; 9 HkG. 133 U.a. §§ 9a HkG; 9, 20, 21 BWGöD; 11a ArbplG; 10 SVG; 9 BPolBG; 5 SchwbG. 134 U. a. §§ 10 Abs. 2,3 BEvG; 67 BEG; 72ff. BVFG sowie § 51 SchwbG als Sollvorschrift: die Zulassung ist zwingend, wenn keine "sehr gewichtigen" Gründe dagegen stehen, BGHZ 47,84 (87). Der Anwendungsbereich der Vorschriften ist wegen Art. 12 GG allerdings schmal, vgl. BVerfGE 17, 371 für Notare. Anwendungsfälle des § 51 SchwbG: BGHZ 47,84 (85); 55, 324 (329). 135 §§ 6 Abs. 4,9 Abs. 7 ArbplG; 8a SVG; 9 Abs. 2,4 und 15 BWGÖD. 136 §§ 2, 8, 9 Abs. 5 ArbplG; 8 HkG; 15ff. SchwbG. 137 Hier vor allem durch Anrechnung von Abwesenheitszeiten auf die Betriebszugehörigkeit oder sozialrechtliche Ansprüche: §§ 6 Abs. 2,7, 12 ArbplG; 8 SVG; 7 Abs. 3 HkG; 9 Abs. 2,4 BWGÖD. 138 § 14 Abs. 3 SchwbG. Auch dies ist eine Parallele zu der entsprechenden Forderung in der Gleichberechtigungsdiskussion ("frauengerechte" Arbeitsplätze). 139 Neben den im folgenden Text genannten Maßnahmen sind vor allem Generalklauseln wie §§ 6, 9 Abs. 7 ArbplG zu ergänzen und einzelne weitere Bestimmungen verschiedenster Thematik wie § 17 Abs. 3 BEvG, der aufgibt, Dauerarbeitsplätze für 4 Maidowski

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1. Kap.: Die Dimensionen des Problems

Einsatz öffentlicher Geld- und Sachmittel, deren Vergabe partiell von reinen Wirtschaftlichkeits erwägungen abgekoppelt werden kann, so etwa die Möglichkeit bevorzugter Auftragsvergabe oder verbindliche Subventionsaufträge 140 • Die Regelungen entsprechen in ihren Strukturen teilweise bis ins Detail den Vorschlägen zur Frauenförderung. Sie modifizieren das Konkurrenzverhältnis zwischen Privilegierten und nicht Privilegierten und schränken die Entscheidungsfreiheit insbesondere der öffentlichen Dienstherrn teilweise erheblich ein 141 • Von relativ geringer Intensität sind zunächst die an die Bundesanstalt für Arbeit gerichteten Bestimmungen über die Vermittlung von Arbeits- und Ausbildungspätzen 142 , denn obwohl sie als Verpflichtung formuliert sind 143, bleibt die Einstellungsentscheidung uneingeschränkt dem Dienstherrn überlassen l44 . Einen Schritt weiter gehen die Bestimmungen über bevorzugte Vermietung und Verpachtung von Produktionsmitteln durch die öffentliche Hand 145 , die zwar als Sol/bestimmungen gefaßt sind, aber in ihren Auswirkungen die Chancen der Geförderten spürbar erhöhen können; noch deutlicher ist dies beispielsweise bei der Vergabe öffentlicher Aufträge im Rahmen des Schwerbehindertengesetzes146 . Frauen zu schaffen (!) oder das Recht der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter, §§ 59ff. SchwbG. 140 §§ 74 BVFG, 12a BEvG; 68 BEG (mit Richtlinie v. 11.8.1975, BAnz 20.8.1975, zum Verhältnis verschiedener Gruppen von Geförderten untereinander - zu dieser Frage auch §§ 44 SchwbG, 21 BEvG; 11a Abs. 1 ArbplG; 77 BVFG; 9 Abs. 1 Satz 3 und 9a Abs. 1 Satz 3 HkG); §§ 54ff. SchwbG, die über § 37 Abs. 2 SchwbG 1961 hinausgehen. 141 Private Arbeitgeber werden lediglich durch Vorschriften zur Wiedereinstellung (§§ 7 Abs. 1 HkG; 89 BEG; 1 Abs. 1 ArbplG) und durch § 5 Abs. 1 SchwbG betroffen; diese Fälle schöpfen jeweils das mögliche Maß an Einschränkung nicht aus. Im SchwbG beispielsweise kann die Pflichtplatzquote für öffentliche Dienstherrn höher festgesetzt werden als für private Arbeitgeber, § 5 Abs. 2. 142 §§ 15, 16 Abs. 1 BEvG; 77, 78 Abs. 1 BVFG (vgl. die Bestimmungen jeweils in Abs. 2); 89a BEG; 9 Abs. 1 HkG. Nachw. der einschl. Richtlinien bei Manthei, Erläuterungen S. 28f. zu BEvG und Haberland, Erläuterungen S. 66f. zu BVFG. 143 Seidelmann, Erläuterungen S. 17; anders zu Unrecht Haberland, Erläuterungen S. 38, der die Bestimmungen des BVFG insofern als Programmsätze bezeichnet. Richtig ist allerdings, daß der Norminhalt einigermaßen unbestimmt ist. 144 §§ 77, 78 Abs. 2 BVFG. § 77 Abs. 2 ist durch Zeitablauf gegenstandslos geworden; an seine Stelle ist ein System von Sprachförderung getreten, das den Spätaussiedlern zugute kommt. Überhaupt wurden die ursprünglichen Fördermaßnahmen zunehmend durch Hilfen zur Selbsthilfe abgelöst, Haberland, Aussiedler S. 124ff. sowie die Zusammenstellung bei Reichling, Eingliederungshilfen. 145 §§ 76 BVFG (verbunden mit einer flexiblen Quotierung) und 14 BEvG, beide als Sollvorschriften ausgestaltet; §§ 5 HkG; 80 BVFG; vgl. in diesem Zusammenhang etwa § 9 BEvG zur Wohnraumbewirtschaftung. Mit ähnlicher Zielrichtung § 12 BEvG zur bevorzugten Kreditvergabe . 146 § 56 Abs. 1 SchwbG als zwingende Norm. Ebenso schon § 12a BEvG.

III. Quotenregelungen im geltenden Recht

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Die größte Bedeutung kommt jedoch wegen ihrer weitreichenden Wirkungen den Bestimmungen über die Begründung von Arbeitsverhältnissen zu, insbesondere dann, wenn sie auch den Qualifikationsvergleich zwischen den Bewerbern beeinflussen oder gar unterbinden. Pflichten zur Wiedereinstellung nach kriegsbedingter oder durch Wehrdienst veranlaßter Unterbrechung der Berufstätigkeit147 stehen dabei am unteren Ende der Skala, denn sie halten den Dienstherrn lediglich an einer Entscheidung fest, die er selbst - vor der Unterbrechung - bereits getroffen hatte. Die Vorschriften über (Neu-) Einstellung 148 dagegen gehen erheblich weiter - wie weit, ist an dem Zusammenspiel dreier Faktoren abzulesen: Alle hier genannten Beispiele sind als verbindliche Beyorzugungspflichten ausgestaltet l49 , die dem Dienstherrn kein Ermessen bei der Frage einräumen, ob ein privilegierter Bewerber berücksichtigt wird oder nicht. Das Gewicht dieser Feststellung wird allerdings dadurch relativiert, daß die Vorschriften als leistungsabhängige Privilegierungen gefaßt sind l50 . Auf diese Weise bleibt das Ziel von Personalentscheidungen - die Einstellung der besten Bewerber - dem sozialpolitischen Ziel d~r Bevorzugungsregelungen übergeordnet. Lediglich die Beschäftigungsquote des Schwerbehindertengesetzes ist qualifikatio'nsunabhängig formuliert, so daß der Wettbewerb zwischen privilegierten und anderen Bewerbern stark abgeschwächt ist l51 . Die Konsequenzen dieser Regelungen werden ihrerseits aber - de facto 152 - durch die Pflicht abgemildert, bei Nichterfüllung der Beschäftigungsquote eine Ausgleichsabgabe zu zahlen. Die Leistungsabhängigkeit der kompensatorischen Regelungen schützt also den Dienstherrn davor, betriebsfremde Ziele verfolgen bzw. von Art. 33 Abs. 2 GG abweichen zu müssen. Es besteht jedoch in einigen Fällen die Verpflichtung, bei privilegierten Bewerbern einen günstigeren Maßstab 147 Für private Arbeitgeber §§ 7 Abs. 1 HkG; 1 Abs. 1 ArbplG und ausführlich § 89 BEG; für öffentliche Dienstherrn §§ 1 Abs. 1, 2 ArbplG; 16a BEvG; 9 Abs. 1, 20 Abs. 1,21 Abs. 1,2 BWGÖD. 148 Für private Arbeitgeber §§ 9a HkG und 5 Abs. 1 SchwbG; für den öffentlichen Dienst §§ 9a HkG; 11a ArbplG; 9 BPoIBG; 5 SchwbG; 10 SVG mit VO zur Durchführung des Stellenvorbehalts nach § 10 Abs. 4 Satz 7 SVG v. 16.12.1969, BGBl. 12347, letzte Änderung v. 3.8.1982, BGBl. I 1130. 149 § 9 BPolBG enthält lediglich eine nicht eindeutig formulierte Ermächtigung; § 11 a Abs. 2 ArbplG ist als über Abs. 1 hinausgehende Ausnahmebestimmung als Kannvorschrift gefaßt. Zu § 9a HkG BVerwGE 6, 347 (348f.) einerseits (bloße Ermessensbindung), BGHZ 47,84 (85) andererseits (zwingende Vorschrift). 150 Eine Ausnahme bildet § 5 SchwbG, (dazu sogleich). §§ 10 SVG und 9 BPolBG sind dagegen wohl als eignungsbezogene Quoten anzusehen, da sie die Frage nicht ansprechen. Vgl. auch § 10 Abs. 4 Satz 3 SVG und § 13 VO zu § 10 Abs. 4 Satz 7 SVG, v. 16.12.1969, BGBl. 12347. 151 Schmidt-Aßmann, Leistungsgrundsatz S. 20. Dennoch findet sich in Stellenanzeigen der öffentlichen Hand häufig die Formulierung: "Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung bevorzugt", Beispiel in NJW 1985, Heft 43 S. XX. 152 § 11 SchwbG. De iure freilich entbindet die Zahlung nicht von der Einstellungspflicht, § 11 Abs. 1 Satz 2 SchwbG.

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zur Einstufung ihrer Qualifikation anzulegen als bei ihren Konkurrenten i53 , oder Altersgrenzen und ähnliche Einstellungsvoraussetzungen nicht in gleicher Weise anzuwenden 154 - Regelungen, die nachhaltig in das Konkurrenzverhältnis der Bewerber eingreifen. Die Reichweite der Vorschriften hängt schließlich davon ab, welche quantitative Grenze sie für die Bevorzugung vorsehen; dies wird durch Quotierungen festgelegt. Als flexible Quote ist, abgesehen vom Bundesvertriebenengesetz l55 , lediglich die Privilegierung für Wehrpflichtige und Zivildienstleistende ausgestaltet l56 : Die Zahl der Vorbehaltsstellen bestimmt sich nach dem Verhältnis der bevorrechtigten zu den anderen Bewerbern. Das Schwerbehindertengesetz dagegen sieht mit 6 % 157, das Soldatenversorgungsgesetz mit Werten zwischen 10 % und 16 % starre Quotenwerte vor. Den betroffenen Zeitsoldaten sind im einfachen und mittleren Dienst etwa 16 %, im gehobenen etwa 11 % der Stellen sowie 10% der Angestelltenpositionen bestimmter Vergütungsgruppen vorzubehalten l58 , doch trifft diese Verpflichtung nur diejenigen öffentlichen Arbeitgeber, die über eine bestimmte Mindestanzahl von Planstellen verfügen i59 . Das Soldatenversorgungsgesetz enthält mit diesen Vorschriften die differenzierteste der bestehenden Quotierungen. Es kann sich dabei auf eine ebenso gefestigte wie problematische Tradition stützen, ehemaligen Soldaten mit Hilfe von Stellenvorbehalten die Übernahme in den öffentlichen Dienst zu garantieren 16O • Die Festlegung einer Quote fehlt dagegen völlig im Heimkehrergesetz, so daß hier keine quantitative Begrenzung der Bevorzugungswirkungen vorgesehen ist 161. Als Beispiele §§ 7 Abs. 2 Satz 1 SVG; 9 Abs. 2 HkG; 10 Abs. 2 BEvG. §§ 11a Abs. 2 ArbplG; 13 VO-SVG. Auf die Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen ist noch unten, Kap. 4 II 2 b), zurückzukommen. 155 §§ 77, 78 Abs. 2 BVFG: Der Anteil der Vertriebenen an der Zahl der Auszubildenden und Arbeitnehmer soll ihrem Anteil an der Bevölkerung bzw. Arbeitnehmerschaft im Vergleichsgebiet entsprechen; für die Arbeitsvermittlung ist die Bevorzugung an die Voraussetzung gleicher persönlicher und fachlicher Eignung und gleicher sozialer Verhältnisse geknüpft. 156 § 11 a Abs. 2 Satz 3 ArbplG. 157 Die prozentuale Pflichtplatzquote des SchwbG kann durch Rechtsverordnung der Bundesregierung für öffentliche Arbeitgeber höher festgesetzt werden als für private, § 5 Abs. 2 Hs 2 SchwbG, so daß die Vorbildfunktion des öffentlichen Dienstes erhalten bleibt; zur Begründung BT-Ds. 7/656 S. 25. Früher bildete die unterschiedliche Regelung für öffentliche und private Arbeitgeber den Regelfall, Jung / eramer, SchwbG Rz 7 zu § 5. 158 Zu dem Verfahren im einzelnen Klinkhardt, Übernahme S. 300f. 159 Der Wert liegt bei 20 Planstellen für Beamte der Angestellte; Religionsgemeinschaften und kleinere Gemeinden sind ganz ausgenommen, ebenso wie einige Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes, insbesondere Schul- und Polizeivollzugsdienst; außerdem der Dienst beim DRK in Bayern und Stellen, die "herkömmlich mit weiblichen Angestellten besetzt werden" - § 10 Abs. 1 - 3 SVG. 160 Schütz, Soldaten S. 121ff.; zur Darstellung des SVG 1956 und SVG 1969 S. 123ff. sowie Klinkhardt, Übernahme S. 299ff. 153

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Die tatsächlichen Auswirkungen dieser Regelungen sind nicht unbeträchtlich. Zwar wurde die Ermächtigung des Bundespolizeibeamtengesetzes bisher nicht genutzt, doch führen die Stellenvorbehalte des Soldatenversorgungsgesetzes regelmäßig zu bevorzugten Einstellungen von Inhaber eines Eingliederungs- bzw. Zulassungsscheines 162 • Die Auswirkungen des Arbeitsplatzschutzgesetzes dagegen lassen sich nur schwer quantifizieren, da sich das Ausmaß der Bevorzugung hier jeweils nach der Zahl der privilegierten bzw. ihrem Verhältnis zu nicht privilegierten Bewerbern richtet. Auch wenn die Gesamtzahl der von den bestehenden Stellenvorbehalten profitierenden Bewerber nicht hoch ist, greifen diese Regelungen in jedem Einzelfall doch tief in die Entscheidungsfreiheit des Dienstherrn ein. 2. Frauenförderung und die Förderung sozialer Minderheiten: Zur Vergleichbarkeit der rechtlichen Maßstäbe und sozialen Strukturen

Aus der breiten Schicht sozialpolitisch motivierten Rechts kompensatorischer Zielrichtung heben sich die hier genannten Vorschriften ab, denn sie setzen das Mittel der rechtlichen Ungleichheit zwischen begünstigten und nicht begünstigten Konkurrenten ein, um in Fällen sozialer Benachteiligung Chancengleichheit herzustellen. Sie greifen in eine Situation ein, in der rechtliche Gleichheit zwar besteht, ohne sich aber in einer Gleichheit der Startbedingungen abbilden zu können. Diese Ausgangslage entspricht in ihrer Struktur derjenigen der Frauenförderung, auch wenn es sich bei den bestehenden Regelungen nicht um "umgekehrte" Diskriminierung im eigentlichen Sinn hande1t1 63 • Selbst zahlreiche einzelne Elemente des Instrumentariums, das die Vorschläge zur Verwirklichung der Gleichberechtigung enthalten, sind in den 161 Die Bevorzugungspflicht geht damit sehr weit und ist nur mit den Besonderheiten der Nachkriegszeit zu erklären. Das BVerwG hat sie als bloße Ermessensbindung verstanden (die Situation der Heimkehrer müsse berücksichtigt werden, E 6, 347, 348 f.), der BGH dagegen zu Recht als Anspruch, Z 47, 84, (85). Im BPolBG ist ebenfalls kein Anteil zahlenmäßig fixiert, doch ist dies Sache der Bundesregierung, die die Vorschrift jeweils konkretisiert. Die Ermächtigung ist hier auf den mittleren Dienst beschränkt. Dies stellt eine erhebliche Einschränkung gegenüber § 16 des BPolBG v. 19.7.1960, BGB!. I 569 ber. 688, dar. 162 Bei der unmittelbaren Bundesverwaltung und acht Bundesländern (ohne Berlin; Bremen und Hessen teilten keine Zahlen mit) waren 1985 2980 Vorbehaltsstellen ausgewiesen, von denen 1509 mit privilegierten Bewerbern besetzt wurden. Bei der Bundesverwaltung gab es bei 1116 Vorbehaltsstellen 4682 Zuweisungen, von denen bei 2456 Rücknahmen und 1652 Ablehnungen (Doppelnennungen möglich) 574 Einstellungen verblieben. Die Zahl der Inhaber eines Eingliederungs- bzw. Zulassungsscheins oder einer Bestätigung (§§ 9, 10 SVG) lag 1987 bei 3903. Alle Angaben sind einer dem Autor vorliegenden unveröffentlichten Statistik des BMI entnommen. 163 Mit Ausnahme der Regelungen zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts: Denn im BWGöD wird an eine frühere Situation der gezielten und gruppenbezogenen Diskriminierung angeknüpft, die nun im Verhältnis der damals Begünstigten und Belasteten ausgeglichen werden soll.

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bestehenden Regelungen bereits verwirklicht. Dies gilt vor allem für die Stellenvorbehalte, die durch Quotierungen präzisiert sind und gerade in den neueren Gesetzen zunehmend verwendet werden l64 . Es gilt aber auch für diejenigen Vorschriften, die die Maßstäbe für die Bewertung der Qualifikation von Bewerbern präzisieren sollen 165. Dennoch ist es zweifelhaft, ob die bestehenden Vorschriften über eine Parallelität in ihrer äußeren Struktur hinaus exemplarische Bedeutung für die Verfassungsmäßigkeit der Frauenförderung haben können. Skepsis muß schon die Feststellung wecken, daß eine verfassungsrechtliche Bewertung aller bestehenden Stellenvorbehalte durch Rechtsprechung und Schrifttum bishermit Ausnahme des Schwerbehindertengesetzes 166 - unterblieben ist, daß diese vielmehr auf einem nahezu unangefochtenen Konsens beruhen l67 . Gerade die Problematik der umgekehrten Diskriminierung ist - soweit sie in den angesprochenen Regelungen bereits aufscheint - bisher in ihrer Tragweite nicht erfaßt worden. Gegen eine Vorbildfunktion der bestehenden Regelungen sprechen auch die unterschiedlichen quantitativen Dimensionen der Regelungen: Alle bestehenden Vorschriften betreffen zahlenmäßig eng begrenzte Gruppen und sind in ihren Auswirkungen damit kalkulierbar und von relativ geringem Gewicht; allein die Gruppe der Heimkehrer und Vertriebenen bildete eine Ausnahme, die jedoch in nennenswertem Umfang nur einige Jahre lang in Erscheinung trat l68 . Die Zielgruppe der Frauenförderung dagegen umfaßt die Hälfte der gesamten Bevölkerung, und auch die zeitliche Perspektive der Regelungen zur Frauenförderung läßt sich nicht in ähnlicher Weise wie die der bisherigen Gesetze eingrenzen, da es kaum abzusehen ist, wie lange Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung aufrechtzuerhalten sein werden. Auch in qualitativer Hinsicht sind die geplanten Regelungen mit den geltenden nicht vergleichbar. Die bestehenden Quoten gehen, soweit sie als starre Werte gefaßt sind, über 16% der zu vergebenden Positionen nicht hinaus. Die Vorschläge zur Frauenförderung dagegen nennen Zahlenwerte zwischen 25 % Im ArbplG, SVG, BPolBG, SchwbG gegenüber dem HkG. Zu dieser Form der Förderung unten Kap. 4 II 2 und 4. 166 Zur Diskussion stand freilich nur die Belastung der privaten Arbeitgeber. BVerfGE 57, 139 (158ff.); Aussetzungs- und Vorlagebeschluß VG Aachen DB 1978, 1353. Die weiteren im Text nachgewiesenen Judikate zu den einzelnen Gesetzen behandeln die Frage der Verfassungsmäßigkeit nicht. 167 So auch Schmidt-Aßmann, Leistungsgrundsatz S. 19, der freilich seinerseits in einigen Fällen Zweifel an der Berechtigung einer Durchbrechung des Leistungsprinzips hat (ebd. S. 19). Zweifel auch bei Schmitt Glaeser, Abbau S. 14. 168 Heute betreffen diese Vorschriften die Spätaussiedler, Haberland, Aussiedler S. 124ff.; Seidelmann, Erläuterungen S. l1f.; Zu den Dimensionen Harmsen, Einführung S. 2ff.; Schlegel, Aussiedler S. 27ff. Zu den anderen Gesetzen Klinkhardt, Übernahme S. 299; vgJ. noch Harmsen, Arbeitgeberverpflichtungen S. 30ff. 164 165

III. Quotenregelungen im geltenden Recht

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und etwa 50 % !69, und sie sind erheblich differenzierter und erstrecken sich auf ein ungleich weiteres Anwendungsfeld als alle hier vorgestellten Gesetze. So erweitert die Forderung nach verstärkter politischer Partizipation von Frauen die Diskussion um eine Fragestellung, die auf Vorbilder im geltenden Recht überhaupt nicht zurückgreifen kann. Kann man daher die vorliegenden Regelungen noch als Korrekturen im Randbereich des bestehenden Rechtssystems bezeichnen, so erweitert die Frauenförderung dieses System um eine neue Dimension. Die Vergleichbarkeit findet schließlich auch an den Unterschieden in Zielsetzung und verfassungsrechtlicher Grundlage der existierenden Quotenregelungen gegenüber den Vorschlägen zur Frauenförderung eine Grenze: Alle bisherigen Gesetze stützen sich, mit Unterschieden im einzelnen, auf das Sozialstaatsprinzip. Die erste Gruppe - Heimkehrergesetz, Bundesentschädigungsgesetz, Bundesevakuiertengesetz, Bundesvertriebenengesetz und Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes - verfolgte das Ziel, eine einmalige Sondersituation zu bewältigen!70. Im Krieg waren große Gruppen der Bevölkerung aus ihrem bisherigen Lebenskreis herausgerissen worden; ihre soziale Lage galt es zu stabilisieren l7l . Chancengleichheit im Verhältnis zwischen Heimkehrern und den jüngeren Daheimgebliebenen herzustellen war ein unabweisbares sozialstaatliches Gebot 172 und verlangte nach sofort wirksamen Lösungen!73. Auch mit der Verlagerung der Zielsetzung auf die Eingliederung von Spätaussiedlern!74 hat sich diese verfassungsrechtliche Grundlage nicht verändert. Ebenfalls auf der Grundlage des Sozialstaatspostulats, wenn auch ergänzt durch weitere Beweggründe 175, stehen die Vorschriften des Arbeits169 In Einzelfällen werden auch 100%-Quotierungen gefordert, so etwa im Parteienrecht: Unten Kap. 5 I und III 3 a). 170 Schmitt Glaeser, Abbau S. 14. 171 Zu den Dimensionen der Rückführung und Wiedereingliederung Manthei, Erläuterungen S. 9f. 172 Im Falle des BWGöD war es wohl mehr als ein Gebot nur der Sozialstaatlichkeit, und es ist folgerichtig, daß ein Rechtsanspruch auf Wiedereinstellung bestand, Heilemann, Erläuterungen S. 31. Zu Unrecht und verharmlosend wird der Gesichtspunkt der nachwirkenden Fürsorge aus dem früheren Dienstverhältnis hier in den Vordergrund gestellt, etwa von Schmitt Glaeser, Abbau S. 14; Schmidt-Aßmann, Leistungsgrundsatz S. 19. Die Präambel des BEG ist insofern etwas deutlicher. 173 Schmidt-Aßmann, Leistungsgrundsatz S. 19; Schmitt Glaeser, Abbau S. 13. Falsch BVerwGE 6, 347 (350), wo der den Vorrang begründende Faktor in den Fähigkeiten gesehen wird, die typischerweise während der Gefangenschaft erworben werden, um nicht eine Durchbrechung des Leistungsprinzips feststellen zu müssen. 174 Zur Aktualität der Vorschrift Seidelmann, Erläuterungen S. l1f.; Haberland, Erläuterungen S. 38f., 65f. u. passim; ders., Aussiedler S. 124ff. Umfassende Angaben bei Reichling, Eingliederungshilfen S. 91ff.; Harmsen, Einführung S. Uf. und die weiteren Beiträge dieser Publikation. 175 Zur Begründung wird zusätzlich auf die Notwendigkeit verwiesen, zur Erhaltung der Verteidigungsfähigkeit die Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr zu stei-

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1. Kap.: Die Dimensionen des Problems

platzschutzgesetzes, des Soldatenversorgungsgesetzes und des Bundespolizeibeamtengesetzes, deren Motivation es ist, Ausgleich für Nachteile im Dienst an der Gemeinschaft zu gewähren. Die Verzögerung, die Wehrpflichtige und Zivildienstleistende in ihrer beruflichen Laufbahn hinnehmen müssen, wird sozialpolitisch als Defizit empfunden und soll daher kompensiert werden 176 • Auch für das Schwerbehindertengesetz ist der Sozialstaatsgedanke das verfassungsrechtliche Fundament. Denn im Unterschied zu den früheren Fassungen dieses Gesetzes, die lediglich auf Kriegsverletzungen oder Arbeitsunfällen beruhende Behinderungen erfaßten 177 , soll heute das Schicksal aller durch Behinderung faktisch in ihren Chancen Benachteiligter auf dem Wege einer Eingliederung in das Berufsleben gemildert werden. Für die Diskussion von Quotenregelungen hingegen sind andere Aspekte von zentraler Bedeutung. Zwar wird das Sozialstaatsprinzip als Argument für die Verfassungsmäßigkeit der umgekehrten Diskriminierung zur Frauenförderung ebenfalls zu erörtern sein, doch steht dieser Gedanke hier nicht im Vordergrund. Mit Art. 3 Abs. 2 GG enthält die Verfassung nämlich eine sachnähere Norm, die den betroffenen Lebensbereich speziell regelt. Diese Norm muß daher vorrangig erörtert werden, und nur in diesem Rahmen ist zu prüfen, ob der Sozialstaatsgrundsatz für die umgekehrte Diskriminierung von Bedeutung ist. Dieser Vorrang des Art. 3 Abs. 2 GG hat auch zur Folge, daß Maßnahmen zur Frauenförderung nicht lediglich - wie alle bestehenden Regelungen - auf ihre Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz zu überprüfen sind, sondern in Art. 3 Abs. 2 GG auf eine höhere Hürde stoßen 178 • Auch hier also lassen die bestehenden Stellenvorbehalte keine Argumentationshilfen erwarten. Damit bieten die im geltenden Recht verankerten kompensatorischen Maßnahmen nur wenig Anhaltspunkte für oder gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Politik der umgekehrten Diskriminierung zur Frauenförderung. Die Struktur der geregelten Sachverhalte ist weder quantitativ noch qualitativ mit dem Problembereich vergleichbar, der im Zusammenhang mit der Frauengern, etwa Schütz, Soldaten S. 124; BT-Ds. VII4113 S. 12; ebenso Klinkhardt, Übernahme S. 297,302 (als Kompensation für langjährigen Dienst in der Wehrmacht (sie!) - S. 297 - sieht er eine "Garantie der beruflichen Existenz" - S. 300). 176 Ob dies Regelungen rechtfertigt, die Art. 33 Abs. 2 GG nieht unerheblich berühren, mag hier noch offen bleiben; zweifelnd Schmidt-Aßmann, Leistungsgrundsatz S. 19; Schmitt Glaeser, Abbau S. 14; wegen der praktischen Irrelevanz der Frage der Verfassungsmäßigkeit (!) offen gelassen bei Klinkhardt, Übernahme S. 303f. 177 "Kausaler" im Gegensatz zum heute geltenden "finalen" Begriff des Schwerbehinderten. Zu der Entwicklung seit 1924 Wilrodt / Neumann Ein!. Rz 1 - 43; die Erweiterung der Zielsetzung kündigte sieh mit der Einbeziehung aller Blinden und Gehörlosen in einigen Landesgesetzen in den Jahren 1946/47 bereits an (a.a.O. Rz 11 - 14). Ausführlich Harmsen, Arbeitgeberverpflichtungen S. 30ff. (32f.). 178 Ebenso Schmitt Glaeser, Abbau S. 16.

III. Quotenregelungen im geltenden Recht

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förderung zu behandeln ist; die hier aufgeworfenen Fragen führen über eine Betrachtung am Maßstab der Sozialstaatlichkeit oder des Leistungsprinzips für den öffentlichen Dienst weit hinaus. Die Frage der umgekehrten Diskriminierung zur Frauenförderung erfordert daher eine eigenständige verfassungsrechtliche Erörterung; sie kann allenfalls auf Anregungen im geltenden Recht, nicht aber auf aussagekräftige Vorbilder zurückgreifen. 3. Exkurs: Reverse Discrimination in den USA

In der Bundesrepublik steht die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema der umgekehrten Diskriminierung erst am Anfang, und die Literatur nimmt sich der schwierig zu beherrschenden Problematik nur zögernd an. In dieser Situation liegt es nahe, das Phänomen der umgekehrten Diskriminierung mit gelentlichen Seitenblicken auf die Diskussion in den Vereinigten Staaten zu erörtern 179 , denn die Frage der umgekehrten Diskriminierung und der damit verbundenen Durchbrechung der Rechtsgleichheit bildet dort seit langer Zeit den Gegenstand einer lebhaften wissenschaftlichen Debatte. Zwar konnte auch in dieser Diskussion keine Einigkeit über die Bewertung der umgekehrten Diskriminierung erzielt werden, doch sind die entscheidenden rechtlichen und moralischen Fragestellungen in aller Klarheit formuliert worden. Gerade daran aber fehlt es in der rechtswissenschaftlichen Debatte in der Bundesrepublik Deutschland bisher fast völlig; vor allem für die grundlegende Frage der Gleichheitswidrigkeit der umgekehrten Diskriminierung im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 2 GG werden daher Anregungen aus der amerikanischen Debatte aufgenommen werden. Argumentative Anleihen an die Diskussion in den USA übertragen freilich in einem gewissen Umfang auch Überlegungen zur Überwindung der Rassentrennung auf das Verhältnis der Geschlechter - ein methodisches Vorgehen, das der Rechtfertigung bedarf180 . Der Vorschlag der umgekehrten Diskriminierung wird in den Vereinigten Staaten in bei den Zusammenhängen praktiziert und erörtert, doch kommt beiden Themen ein sehr unterschiedliches Gewicht zu, und dies nicht nur in historischer Perspektive 181 : Bis heute steht die Frauenfrage etwa in der Praxis des Supreme Court, aber auch in der literaEbenso Hirschberg, Rassendiskriminierung S. 353. Auch in den Vereinigten Staaten selbst wird für die Frage der Frauenförderung noch auf die parallele Diskussion um die Rassendiskriminierung im Anschluß an Brown v. Board 01 Education, 347 U. S. 483 (1954), zurückgegriffen. 181 Allerdings darf nicht verkannt werden, daß bereits eine umfangreiche, bis 1941 zurückreichende Praxis der Exekutive zu der Frage besteht, insbesondere im Anschluß an die Executive Order 11, 246 von 1965 - abgedr. 42 U.S.C. § 2000e (ed. 1982)-, dazu Nahs, Affirmative Action S. 225ff. und Player, Employment Discrimination S. 243ff. Auch ist die Auseinandersetzung der Gerichte der Staaten mit der Problematik allmählich in Gang gekommen, dazu Tarr / Porter, Gender Equality S. 927ff. 179

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1. Kap.: Die Dimensionen des Problems

rischen Diskussion an zweiter Stelle l82 , und erst in neuerer Zeit gewinnt sie ein eigenes Profil. Dafür ist in erster Linie die jüngste Entscheidung des U. S. Supreme Court zur Frauenförderung verantwortlich, die nach einer wechselvollen Rechtsprechung zu der Frage 183 die bisher ausführlichste Auseinandersetzung des Gerichts mit den Problemen der umgekehrten Diskriminierung zugunsten von Frauen darstellt und die Rechtmäßigkeit von Förderungsmaßnahmen auch bei annähernd gleicher Eignung weiblicher Kandidaten festhält l84 . Dennoch aber ist es nach wie vor leichter, Konsens über die moralische Verwerflichkeit und gesellschaftliche Schädlichkeit der Rassendiskriminierung als der Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts herzustellen l85 , und infolgedessen läßt sich die Bereitschaft der amerikanischen Gesellschaft, mit besonders strengen Mitteln gegen die erstere vorzugehen, nicht ohne weiteres auf die letztere übertragen. Dies wird noch durch die Feststellung betont, daß die wichtigsten Gesetzestexte - das 14. Amendment zur Verfassung und Title VII des Civil Rights Act von 1964186 - trotz ihrer umfassenden Formulierung als Mittel im Kampf gegen die Rassenunterdrückung geschaffen worden sind l87 . Das unterschiedliche Problempotential in beiden Bereichen hindert eine Übertragung der zur Rassendiskriminierung entwickelten Überlegungen auf die Frauengleichberechtigung jedoch nur für die Diskussion in den Vereinig-

\82 Beyerlin, Rassendiskriminierung S. 537; Kommers / Gallagher, Continuity S. 378f.; lohnston / Knapp, Sex Discrimination S. 676. \83 Leitentscheidungen des Supreme Court: Frontiero v. Richardson, 411 U.S. 677 (1973); Kahn v. Shevin, 416 U. S. 351 (1974); Craig v. Boren, 429 U. S. 190 (1976); Califano v. Webster, 430 U.S. 313 (1977). Dazu vor allem Freedman, Sex Equality S. 922ff.; Kay, Sex-Based Discrimination; vom entgegengesetzten Standpunkt Kanowitz, Benign Sex Discrimination S. 138lff.; Beyerlin, Rassendiskriminierung S. 498ff.; Kommers, Gleichheitssatz S. 40ff. \84 Entscheidung vom 25.3.1987; lohnson v. Transportation Agency; Santa Clara County, Califomia, et al. (480 US -,94 L Ed. 2d 615,108 S Ct. -; abgedruckt bisher in 94 L Ed. 2d, S. 615); dort auch die dissenting votes, die ungewöhnlich deutlich die Schärfe der Auseinandersetzung um die entschiedenen Fragen widerspiegeln. Zu der Entscheidung Coen, Gleichberechtigung. \85 Thomas, Sexism S. 243ff. Interessant auch Hardwig, Terms of Right S. 441ff. (443ff.). Zum nach wie vor latenten Rassismus demgegenüber Kennedy, Persuasion S. 1337ff. m.w.N. \86 Tide VII: Sec. 701 - 718 des Civil Rights Act = 42 U. S. C. (1982 Edition) §§ 2ODOe - 2000e/17. Zur Auslegung dieser Texte im Überblick Player, Employment Discrimination S. 67ff. und 95ff. sowie Herbert / Reischel, Multiple Approaches S. 458ff. Hinweise zum gescheiterten Eqaul Rights Amendment zur Bundesverfassung bei Shafer, Benachteiligung S. 238ff. \87 Für das 14. amendment Kommers, Gleichheitssatz S. 33f., 38; für Tide VII Hirschberg, Rassendiskriminierung S. 347: Der - aus den Südstaaten kommende - Vorschlag, die Bestimmung auf Geschlechtsdiskriminierungen auszudehnen, habe das Ziel verfolgt, das gesamte Projekt zu Fall zu bringen. Ebenso Kommers / Gallagher, Continuity S. 378.

III. Quotenregelungen im geltenden Recht

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ten Staaten selbst l88 . Aus deutscher Sicht hingegen spielen diese Unterschiede eine geringere Rolle: Beide Bereiche, das Verhältnis zwischen den Geschlechtern und zwischen den Rassen, stellen sich in rechtlicher Hinsicht in ähnlicher Weise als Gleichheitsproblem dar, und der Vorschlag der umgekehrten Diskriminierung wirft in beiden Fällen Rechtsfragen der gleichen logischen Struktur auf. Die Unterschiede, die zwischen der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und aufgrund der Rasse bestehen und die eine Übertragung der Gedanken zur Beseitigung der Rassendiskriminierung auf die Problematik der Frauenförderung in Frage stellen, sind in ihrer Bedeutung auf die Vereinigten Staaten beschränkt; ein Rassenproblem, wie es in den Vereinigten Staaten seit ihrer Gründung existiert und das in seinem Ausmaß das staatliche Selbstverständnis, ja die staatliche Existenz in Frage gestellt hat, besteht in der Bundesrepublik Deutschland nicht 189 • Art. 3 Abs. 2 GG hebt im Gegenteil den Gedanken der Gleichberechtigung von Mann und Frau besonders hervor und verleiht ihm konkretere Gestalt als dem in Art. 3 Abs. 3 GG enthaltenen Verbot, aufgrund der Rasse, des Geschlechts usw. zu diskriminieren l90 . Aus diesem Grunde kann zumindest der auf die Gleichheitsfrage bezogene argumentative Kernbestand der amerikanischen Diskussion in den Kontext des Grundgesetzes übertragen werden 191 , auch wenn das Ziel einer vergleichenden Betrachtung nicht die Übernahme einer bestimmten Problemlösung aus der amerikanischen in die deutsche Rechtsordnung sein kann 192 • Doch es ist sinnvoll, den Gang der besonders ertragreichen Diskussion in den Vereinigten Staaten zu verfolgen, um ihre - vor allem im Dialog mit sozialwissenschaftlichen und philosophischen Nachbardisziplinen gewonnene - Substanz in die 188 Zu den soeben Genannten noch Kanowitz, Benign Sex-Discrimination S. 1380, 1388ff. 189 Es mag hier ein Hinweis auf Wilson, Discrimination S. 162ff., sowie Pole, Equality insbes. Kap. 7,8 genügen. Zu bedenken sind in diesem Zusammenhang freilich die durch die nationalsozialistischen Verbrechen ausgelösten und bis heute nachwirkenden Folgen im Verhältnis der Deutschen und Juden - Fragen, die ihrerseits ohne historische Parallele sind. 190 Damit verlieren manche für die amerikanische Debatte essentiellen Probleme in der Übertragung auf die Gleichberechtigungsproblematik sogar an Bedeutung, etwa die Frage nach gerechten Proporzregeln im Vergleich aller in den USA konkurrierenden Gruppen. Dazu Abram, Affirmative Action S. 1315 f., 1322f.; Blackstone, Reverse Discrimination S. 73; zur verfehlten Übernahme der Argumente aus diesem Zusammenhang in die deutsche Debatte unter dem Stichwort der "Quotierungswelle" unten Kap. 3 III 2 d). 191 Auch in den USA besteht keine vollständige argumentative Trennung der bei den Bereiche; die Positionen zur umgekehrten Diskriminierung zugunsten von Frauen einerseits und zugunsten von Schwarzen andererseits scheinen sich vielmehr im Sinne einer gegenseitigen Anregung und Förderung zu entwickeln. 192 Es wird daher auch nicht aus der Zulässigkeit eines bestimmten Phänomens nach amerikanischem Recht die Schlußfolgerung abgeleitet, dies müsse auch für deutsches Verfassungsrecht gelten. Kritisch zu einer in dieser Weise eingeengten Perspektive von rechtsvergleichender Arbeit Grossfeld, Probleme S. 9f.

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1. Kap.: Die Dimensionen des Problems

sich in Deutschland erst entwickelnde Erörterung einführen zu können 193 • In diesem Sinne ist eine vorsichtige Einbeziehung dieser Diskussion in die Überlegungen zur Rechtslage nach dem Grundgesetz gerechtfertigt.

193 Daß dieses Vorgehen gerade auf dem Gebiet der Gleichheitsfrage auf eine lange Tradition zurückblicken kann, zeigen schon die Ausführungen Triepels, GoldbilanzVerordnung S. 26f., 3Df., zur Rechtslage in den Vereinigten Staaten.

2. Kapitel

Die Gleichstellung von Mann und Frau im Internationalen Recht und im Europäischen Gemeinschaftsrecht I. Internationales Recht 1. Verfassungsauslegung und Internationales Recht

Im innerstaatlichen Recht der Bundesrepublik Deutschland gibt es nur wenige Regelungen, die sich unmittelbar mit dem Problem der Gleichberechtigung von Frauen und Männern befassen. An erster Stelle ist hier - neben den neu geschaffenen Richtlinien zur Frauenförderung im öffentlichen Dienst natürlich Art. 3 Abs. 2 GG als Verfassungsnorm und Maßstab für jedes Handeln der öffentlichen Gewalt mit Bezug zum Verhältnis der Geschlechter zu nennen. Daneben stehen lediglich einige Vorschriften des einfachen Rechts, die eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts untersagen, den Frauen also in "negativer" Formulierung Schutz gegen eine Verschlechterung ihrer Position bieten sollen, ohne für die hier erörterten Fragen weitere Anhaltspunkte zu liefern; ausschlaggebend ist insofern allein Art. 3 Abs. 2 GG. Doch die schlichte Anordnung, daß Männer und Frauen "gleichberechtigt" sein sollen, kann erst durch eine präzisierende Auslegung konkrete Gestalt gewinnen, und auch Sinn und Zweck des Art. 3 Abs. 2 GG liegen nicht offen zutage, sondern bedürfen näherer Betrachtung unter Einbeziehung des gesamten normativen Umfelds der Vorschrift l . Gerade das thematisch benachbarte Internationale Recht - wie auch das Europäische Gemeinschaftsrecht - können dabei Hilfestellung leisten: Denn die Normen des Internationalen Rechts zur Frage der Gleichstellung von Frauen und Männern sind konkreter und von größerer Vielfalt als die wenigen innerstaatlichen Regelungen, und die Bundesrepublik Deutschland, die an der Entstehung der wichtigsten völkerrechtlichen Vorschriften dieses Themenkreises mitgewirkt hat, ist vertraglich an sie gebunden. Sie sollen unter zwei Aspekten näher betrachtet werden: - Alle einschlägigen Verträge formulieren - über ein abstraktes Diskriminierungsverbot hinaus - konkrete Zielvorstellungen für die künftige Ausgestaltung der rechtlichen und sozialen Stellung der Frauen. Eine Betrachtung der in dieser Hinsicht teilweise erheblich voneinander abweichenden Rege1 Die Auslegung des Art. 3 Abs. 2 GG wird das Thema des folgenden 3. Kapitels sein.

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2. Kap.: Internationales und Europäisches Gemeinschaftsrecht

lungen läßt erkennen, daß das Internationale Recht seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts in der Frauenfrage eine signifikante Entwickung durchlaufen hat; sie hat zu einer modernen Konzeption geführt, die dem Ziel der Gleichstellung konkrete Gestalt und den Charakter eines handhabbaren rechtlichen Modells verliehen hat. - Wenn auch nicht alle, so nehmen doch gerade die in jüngster Zeit entstandenen Normen des Internationalen Rechts ausdrücklich zur Zulässigkeit der umgekehrten Diskriminierung Stellung: die Ratifikation der entsprechenden Verträge bedeutet gleichzeitig die erste Äußerung des deutschen Gesetzgebers zu diesem Problem überhaupt. Die Vorschriften weisen diesem Mittel zur Verwirklichung der Gleichberechtigung seinen Platz in der völkerrechtlichen Konzeption zu, doch zeigt sich dabei auch, daß die Vorstellung einer Rechtsungleichheit zum Ausgleich bestehender Gleichberechtigungsdefizite noch nicht zum gefestigten Bestand des Internationalen Rechts gezählt werden kann. Bevor allerdings die für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen völkerrechtlichen Regelungen zur Frauenfrage näher betrachtet werden können, soll der Stellenwert definiert werden, der ihnen im Verhältnis zu den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften zukommt, denn es ist nicht selbstverständlich, daß die Auslegung der Verfassung sich an Normen des Internationalen Rechts orientieren soll. Für diese Frage sind zwei Gesichtspunkte von Bedeutung: (1) Zunächst stellt sich natürlich die Frage, welche völkerrechtlichen Verpflichtungen sich aus den einzelnen Verträgen zur Gleichberechtigung von Mann und Frau ergeben. Es ist zu überlegen, ob der deutschen öffentlichen Gewalt kraft Internationalen Rechts die Verpflichtung erwachsen ist, die Gleichstellung der Geschlechter in einer vertraglichen fixierten Weise zu fördern, und möglicherweise präjudiziert diese Verpflichtung auch die rechtliche Bewertung des Phänomens der umgekehrten Diskriminierung: Denn selbst wenn sich aus den internationalen Texten, die hier untersucht werden sollen, konkrete Handlungs- oder gar Gesetzgebungspflichten nicht ableiten lassen, so ist doch denkbar, daß sie der Bundesrepublik Deutschland die völkerrechtliche Pflicht auferlegen, bei der Auslegung des nationalen (Verfassungs-) Rechts ein bestimmtes Gleichstellungsmodell zu beachten. Auf die Auslegung des Art. 3 Abs. 2 GG hätte eine solche Verpflichtung allerdings nur mittelbaren Einfluß. Denn ihrer Rechtsnatur nach würde es sich um eine völkervertragliche Bindung handeln, die in der innerstaatlichen Normenhierarchie (nur) mit Gesetzesrang gilt2 : Kraft Völkerrechts wäre die Bundesrepublik Deutschland zwar verpflichtet, Art. 3 Abs. 2 GG in Übereinstimmung mit 2 H. M., Geiger, Grundgesetz S. 199; Bleckmann, Grundgesetz S. 277f.; Maunz / Dürig - Maunz, Rz 29 zu Art. 25.

I. Internationales Recht,

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den für sie verbindlichen Vertragspflichten auszulegen; die Mißachtung dieser Verpflichtung bedeutete jedoch "lediglich" eine Verletzung Internationalen Rechts (und des einfachen innerstaatlichen Gesetzesrechts), nicht dagegen einen Verstoß gegen die innerstaatliche Verfassung. Eine Auslegung des Art. 3 Abs. 2 GG im Widerspruch zu den einschlägigen Regelungen des Völkervertragsrechts wäre daher nicht notwendig verfassungsrechtlich unhaltbar. (2) Doch für die Bundesrepublik Deutschland besteht auch aus der Sicht des Verfassungsrechts Anlaß, die Bindungen auf internationaler Ebene bei der Auslegung der Verfassung nicht zu vernachlässigen. Denn aus den Vorschriften des Grundgesetzes läßt sich das Gebot ableiten, eine Harrnonisierung des nationalen und des Internationalen Rechts anzustreben - damit besteht auch kraft Verfassungsrechts die Verpflichtung, bei der Auslegung des Grundgesetzes die für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen Vorschriften des Internationalen Rechts (zumindest) zu berücksichtigen 3 : Basis dieser Verpflichtung sind diejenigen Regelungen des Grundgesetzes, die die "Völkerrechtsfreundlichkeit" der Verfassung begründen, neben der Präambel also die Art. 9 Abs. 2 und 24 - 26 4 • Sie spiegeln die "nach außen gewandte" Entscheidung der Verfassung für einen "offenen Staat" wider und sind Ausdruck der Bereitschaft zur internationalen Zusammenarbeit und zur Einordnung in übernationale Strukturen5 • Wie weit diese verfassungsrechtliche Pflicht zur Harmonisierung von nationalem und Internationalem Recht reicht, ist freilich umstritten. Vor allem dann, wenn sich Vorschriften bei der Rechtsebenen divergierend gegenüBerstehen und ohne die Möglichkeit eines Kompromisses gleichermaßen Geltung beanspruchen, ist zu entscheiden, ob sich das Völkerrecht auch kraft verfassungsrechtlicher Anordnung gegenüber dem nationalen Recht durchsetzt oder nicht6 • In einem solchen Falle zwingt die völkerrechtsfreundliche Tendenz des Grundgesetzes nicht dazu, der Entscheidung für die "internationale" Öffnung der Verfassung qua Verfassungs3 Dieser Satz läßt sich als Minimalkonsens und h. M. festhalten: Mit unterschiedlichen Akzenten im einzelnen Menzel / Ipsen - Magiera, Völkerrecht S. 57; Bernhardt, Verträge S. 160; Fiedler, Fortbildung S. 425; Bleckmann, Grundgesetz S. 298; vorsichtiger Ress, Wechselwirkungen S. 46f.; Wengier, Völkerrecht S. 94, allerdings mit der Beschränkung auf solche Völkerrechtssätze, mit denen der Gesetzgeber bei Erlaß des Gesetzes (hier also des Grundgesetzes) rechnen konnte. Diese Einschränkung dürfte allerdings für das Grundgesetz wegen des dynamischen Charakters der Verfassungsentscheidung für das Internationale Recht nicht zutreffen (dagegen auch Bleckmann, a.a.O.). 4 H. M., Bernhardt, Verträge S. 160; Geiger, Grundgesetz S. 21Of.; Stern, Staatsrecht I, § 14 I 2 u. passim; ausführlich Bleckmann, Grundgesetz S. 298ff. 5 Diese Terminologie geht zurück auf Vogel, Verfassungsentscheidung S. 24ff., 35ff. (42). 6 In der Regel bildet nur dieser Fall (der Verfassung widersprechender völkerrechtlicher Vertrag) im Schrifttum den Anlaß, die Frage zu erörtern: Etwa Menzel / IpsenMagiera, Völkerrecht S. 69; Ress, Wechselwirkungen S. 36ff.

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2. Kap.: Internationales und Europäisches Gemeinschaftsrecht

rechts stets den Vorrang vor anderen, gleichfalls im Verfassungsrang stehenden Werten zu geben 7 . Schon die Entscheidung des Art. 25 GG, (nur) die allgemeinen Regeln des Völkerrechts im Rang über die Gesetze zu stellen, verbietet es, auch jeder vertraglichen Norm die Kraft zu geben, entgegenstehendes Verfassungsrecht zu übergehen8 . Gerade bei der Kollision einer verfassungsrechtlichen Grundrechtsgarantie und einer widersprechenden völkerrechtlichen Verpflichtung muß daher nicht die erstere zurücktreten und sich auf einen niedrigeren internationalen Standard begeben9 . Der Beitrag des Grundgesetzes zur Harmonisierung der bei den Rechtsebenen besteht vielmehr darin, eine Kollision zwischen ihnen weitestmöglich zu vermeiden: Schon bei der Auslegung der Verfassung ist daher auf einschlägiges Völkerrecht Rücksicht zu nehmen, so daß sich ein Widerspruch zu internationalen Bindungen der Bundesrepublik Deutschland gar nicht erst ergibt lO • Dies kommt gerade dann zum Tragen, wenn ein Verfassungssatz offen und unbestimmt formuliert und daher konkretisierungsbedürftig ist. Er muß dann unter Zuhilfenahme aller einschlägigen Wertentscheidungen der Verfassung inhaltlich präzisiert werden ll , und zu diesen zählt auch die Hinwendung auf die Internationale Gemeinschaft, deren unmittelbarer Ausdruck die völkervertraglichen Bindungen der Bundesrepublik Deutschland sind 12 • In diesem 7 Ein favor conventionis ist daher nicht anzunehmen, Meessen, Staatsverträge S. 68; Ress, Wechselwirkungen S. 47. 8 Ebenso Meessen, Staatsverträge S. 70. 9 So aber Jayme, Staatsverträge S. 28ff.; in der Diskussion (ebd. S. 96ff.) wurde diese weitgehende Konsequenz allerdings einhellig abgelehnt. Gegen ihn vor allem Meessen, Staatsverträge S. 69ff. (72f.); Geiger, Grundgesetz S. 21Of.; Bleckmann, Grundgesetz S. 30lf.; Ress, Wechselwirkungen S. 47. 10 Zusätzlich zu den für die h. M. bereits genannten Autoren ist hier darauf zu verweisen, daß das BVerfG für die Auslegung offener Verfassungsbestimmungen, etwa der Begriffe des Art. 20 GG, sogar rechtsvergleichend auf die Verfassungen anderer Staaten zurückgreift (dazu m.w.N. Mössner, Rechtsvergleichung S. 193ff., 228ff. und Aubin, Konkretisierung). Die Berücksichtigung völkerrechtlicher Sätze als Auslegungshilfe muß dann erst recht zulässig sein, da dies sowohl durch eine völkerrechtliche Verpflichtung als auch durch die genannten verfassungsrechtlichen Anhaltspunkte gefordert wird. 11 Als Beispiele für solche Bestimmungen neben Art. 3 Abs. 2 GG noch Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG (dazu sogleich) und das Sozialstaatsgebot (Hinweis bei Geiger, Grundgesetz S. 210). 12 Als weiteres Beispiel BVerfGE 31,58 (67f.) zur Auslegung des Art. 6 Abs. 1 GG. Wenn Meessen, Staatsverträge S. 69ff., insofern einen anderen Akzent setzt (Vertragsrecht sei nicht heranzuziehen), so ist das wohl darauf zurückzuführen, daß auch er ausschließlich das Problem einer grundrechtseinschränkenden Auslegung der Verfassung aufgrund Völkerrechts im Auge hat (so ausdrücklich sein Ergebnis S. 72f.). Darum geht es jedoch im Falle des Art. 3 Abs. 2 GG nicht, da hier ein konkret konturierter Norminhalt gerade erst ermittelt werden muß. Auch Bleckmann, Grundgesetz S. 278, kritisiert zu Unrecht, daß das BVerfG häufig Vorschriften der EMRK im Zusammenhang mit den Grundrechten des Grundgesetzes zitiert: Hier geht es nicht darum, die EMRK unmittelbar zum Prüfungsmaßstab des BVerfG zu erheben, sondern um die

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Umfang ist es daher nicht nur völkerrechtlich, sondern auch verfassungsreehtlieh geboten 13 , daß Sätze des Völkervertragsrechts die Auslegung von Verfassungsvorschriften mitbestimmen, obwohl sie - aus der Sicht des Grundgesetzes - nur im Rang einfacher Gesetze stehen. Bezieht man diese Überlegungen auf die Frage der Gleichstellung der Geschlechter - d. h. auf die Auslegung des Art. 3 Abs. 2 GG -, so ergibt sich folgendes: Gerade diese Vorschrift bedarf in besonderem Maße einer interpretativen Anlehnung an die zahlreichen normativen Vorgaben des Internationalen Rechts, denn sie ist überaus knapp formuliert, und diese Hilfestellung betrifft sowohl die Deutung ihres Wortlauts als auch die teleologische Interpretation. Gleichzeitig aber muß vor allzu hohen Erwartungen an die Ergiebigkeit der internationalen (und gemeinschaftsrechtlichen) Quellen gewarnt werden; trotz der großen Zahl der einschlägigen Dokumente ist die Dichte der normativen Aussage zum speziellen Problem der umgekehrten Diskriminierung noch nicht allzu hoch. Überdies kann das Internationale Recht - wie das Beispiel des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG deutlich macht 14 - nach seiner Intention stets nur einen Mindeststandard fixieren, den nationalen Grundrechtsschutz hingegen nicht "nach oben" begrenzen. Die grundrechtliehe Gewährleistung des Art. 3 Abs. 2 GG kann daher über den Standard des Internationalen Rechts hinausgehen 15 ; allein der umgekehrte Fall ist ausgeschlossen: Will das nationale Recht hinter dem internationalen zurückbleiben, so bedarf dies einer eingehenden Rechtfertigung 16 • Dennoch: die Frage nach dem Beitrag des Internationalen Rechts zu unserer Problematik bleibt angesichts der völkerrechtlich und verfassungsrechtlich begründeten Pflicht zu völkerrechtsfreundlicher Auslegung der Verfassung verfassungsrechtlich gebotene Berücksichtigung völkerrechtlicher Verpflichtungen bei der Auslegung der innerstaatlichen Verfassung. 13 Bleckmann, Grundgesetz S. 299, hält es sogar für möglich, daß die verfassungsrechtliche Verpflichtung über die völkerrechtliche hinausgeht. 14 Es geht hier um die Frage, inwieweit bei der Auslegung des Begriffs des politisch Verfolgten die Vorschriften des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (v. 28.7.1951, BGBL 53 II, 559; 54 II, 619, i. d. F. BGBL 69 II, 1293; 70 II, 194) zu berücksichtigen sind. Das BVerwG zieht sie in st. Rspr. heran: E 49, 202 (204f.); 55, 82 (84); 67, 184 (185f.); JZ 1984, 294 (= E 68,106, jedoch ohne die entscheidende Passage), leitet freilich seit E 49, 202 (203f.) keine Einschränkung des Art. 16 GG mehr daraus ab. Abweichend BVerfG E 54, 341 (355f. - keine Identität des verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Begriffs, da der erstere weiter sei), das allerdings das Völkerrecht ebenfalls als Auslegungsgesichtspunkt berücksichtigt. Umfassend zu der Frage BK - Kimminich, Rz 179ff. zu Art. 16; Maunz I Dürig - Randelzhofer, Rz 20ff. zu Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG. 15 So etwa die h. M. zu Art. 16 Abs. 2 Satz 2: BVerfG E 54, 341 (355f.); Maunz I Dürig- Randelzhofer, Rz 100ff. zu Art. 16 Abs. 2 Satz 2 m. w.N., AK - Zuleeg, Rz 22 zu Art. 16. 16 So erhebt etwa Geiger, Grundgesetz S. 211, Einwände gegen IPR-Verträge, die "in ihrer patriarchalischen GrundeinsteIlung weitgehend die Beachtung des Gebots der Gleichberechtigung von Mann und Frau vermissen lassen" (Hervorhebung im Original). 5 Maidowski

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von Interesse l63 . Will man die Vorgaben des internationalen und des europäischen Gem.inschaftsrechts in die Auslegung des Grundgesetzes einfließen lassen, so muß zuvor die normative Substanz dieser übernationalen Rechtsebenen ermittelt werden - auch auf die Gefahr hin, daß es in der Frage der umgekehrten Diskriminierung nicht zur Feststellung eines "harten" Ge- oder Verbots kommt. 2. Der thematische und institutionelle Rahmen

Die soziale Stellung der Frauen bildet den Gegenstand zahlreicher Texte des Internationalen Rechts. Dies mag zunächst überraschen, denn der rechtliche und kulturelle Kontext, der das Verhältnis der Geschlechter prägt, ist in den politischen und gesellschaftlichen Systemen der Staaten höchst unterschiedlich und kennzeichnet die Frage der Gleichberechtigung als eine Materie, die einer internationalen Regelung möglicherweise nur unter Vorbehalten zugänglich ist l7 . Dennoch ist es in Bereichen, in denen sich ein Konsens trotz des Primats der staatlichen Souveränität herstellen ließl8, schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu bindenden internationalen Vereinbarungen gekommen. Seit sich schließlich mit der UN-Charta und der Universal Declaration of Human Rights l9 das Bewußtsein durchgesetzt hat, daß der Schutz der Menschenrechte eine Frage ist, deren Handhabung vor der internationalen Gemeinschaft zu verantworten ist 20 , stellt das Verhältnis von Männern und 163 In diesem Zusammenhang sei schon auf den Versuch des VG Bremen - 3 A 392/86, NJW 1988, 3224 - verwiesen, die internationalen Bindungen für die Frage der Frauenquoten fruchtbar zu machen (Zustimmungsgesetz zur Konvention von 1979 als gesetzliche Grundlage für Verwaltungsvorschriften zur Frauenförderung). Das Urteil leidet insoweit freilich an einern gedanklichen Fehler, der sich als Eingrift in den föderalen Staatsaufbau auswirkt. Dazu unten Kap. 4III 1 a). 17 Zur Gleichberechtigung als eine der domestic jurisdiction unterfallende Materie Hevener, Analysis S. 132; Kanger, Human Rights S. 11. Zu der Entwicklung allgemein SchindIer, Gleichberechtigung S. 104ft.; Delbrück, Menschenrechte S. 387ft. sowie Randelzhofer, Menschenrechtsschutz S. 41ft.; Verdoodt, Naissance S. 35ft. Vor allem im Fremdenrecht hat es schon früh Ansätze gegeben, die menschenrechtlicher Gewährleistung ähnlich sind. Zu dieser Entwicklung im Spannungsfeld von Mindeststandard einerseits und Gleichheitspostulat andererseits Schindler, Gleichberechtigung S. 10ft.; McKean, Equality S. 14ft., 27ft. 18 Beispielsweise Mädchenhandel, Sklaverei oder Prostitution. Die Entwickung ging über den topos der humanitären Intervention hin zu ersten Ansätzen bindender internationaler Vereinbarungen. Zu den entsprechenden Verträgen, die in die Zeit zwischen 1904 und 1926 fallen, sogleich. 19 Charter of the United Nations v. 26.6.1945, Quelle: United Nations Conference on International Organization, Doc. XV, 1945, S. 335; in Kraft 24.10.1945; für die BRD durch G v. 6.6.1973, BGBl. II, 430, 505, in Kraft seit 18.9.1973 (Bek. v. 27.11.1974, BGBl. 11, 1397); Declaration v. 10.12.1948, GA Res. 217 (III), im Auftrag des Economic and Social Council von der Commission on Human Rights entworfen und mit 48 : 0 : 8 angenommen. 20 Die Frage war allerdings noch bei den Arbeiten zur UN-Charta sehr umstritten: Die "großen" Staaten lehnten ursprünglich die Aufnahme von Menschenrechten in die

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Frauen einen thematischen Schwerpunkt des internationalen Menschenrechtsschutzes dar. Die Entwicklung des Völkerrechts zur Frauenfrage reicht von den Anfängen einer traditionellen Auffassung bis zu einer modernen, in mancher Hinsicht beispielhaften Sicht der vielschichtigen Problematik. Sie wird durch Vereinbarungen verbindlichen wie unverbindlichen, universellen wie regionalen Charakters dokumentiert, und sie wurde vom Deutschen Reich und der Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat mitgetragen. Eine besondere Rolle bei der Erarbeitung von Entwürfen und der Überwachung der Anwendung vereinbarter Texte21 spielt die Commission on the Status of Women 22 • Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand sie zunächst als Unterkommission:der O:lmmission on Human Rights, wurde jedoch schon 1946 zu einer ständigen Kommission des Wirtschafts- und Sozial rats aufgewertet23 • Sie hat diesem Vorschläge zur Weiterleitung an die Generalversammlung vorzulegen; auch ist eine umfassende Zusammenarbeit mit den anderen Fachausschüssen und Unteropganisationen sowie mit den Mitgliedstaaten angestrebt24 • Daneben arbeitet sie an Studien zu frauenspezifischen Fragen 25 und erstellt jährliche Berichte (seit 1970: im Zweijahresabstand) über die Situation der Frau auf internationaler und'nationaler Ebene, die der Wirtschafts- und Sozialrat in der Form einer Resolution zustimmend zur Kenntnis Charta ab; erst die Gewißheit über das Ausmaß der im Dritten Reich begangene Verbrechen führte zur Aufgabe dieser Position, Kanger, Human Rights S. 13f. Parallel dazu ist die Formulierung der Friedensverträge nach dem Zweiten Weltkrieg von Bedeutung; dazu Schindler, Gleichberechtigung S. 117 m.w.N.; McKean, Equality S.46ff. 21 Einen Überblick über die Initiativen der Vereinten Nationen vermitteln Flanz, Women's Rights S.291ff.; Ermacora, Diskriminierungsschutz S. 12ff.; Schwelb I Alston, Institutions S. 213ff.; Greenberg, Discrimination S. 309ff.; McKean, Equality S. 52ff., 102ff. Sie gehen von der Generalversammlung (GA), dem Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC), der Commission on Human Rights un,dder Commission on the Status of Women (CSW) aus sowie von einem Referat des'Generalsekretariats in der Abteilung für Menschenrechte, das sich mit den Fragen zum Status der Frau befaßt. 22 Mit kritischen Akzenten Guggenheim, Implementation S. 239ff.; Galey, Enforcement S. 464ff.; Schwelb IAlston, Institutions S. 254ff. 23 Gern. Art. 68 UN-Charta: ECOSOC Res. 11 (11) v. 21. 6.1946. Darin wird auch ihre Aufgabe definiert: "The functions of the Commission shall be to prepare recommendations and reports to the Economic and Social Council on promoting women's rights in political, economic and educational fields. The Commission shall also make recommendations to the Council on urgent problems requiring immediate attention in the field of women's rights with the object of implementing the principle that men and women shall have equal rights, und to develop proposals to give effect to such recommendations." Weitere, wichtige Texte, insbesondere eine Zusammenstellung der Commission on the Status of Women, die ein';,Programme of future work" enthält sowie die ECOSOC Res. 48 (IV), 19.47, "Functions ofthe Commission on the Status ofWomen", bei Tauben/eId, Discrimination Vol."2 I lit. L. 24 Zur Stärkung ihres politischen Gewichts praktiziert sie seit einiger Zeit ein neues Verfahren zur Behandlung von Beschwerden, dazu Galey, EnforcC(ment S. 470ff. 25 Beispiele bei Schwelb IAlston, Institutions S. 284f. 5*

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nimmt26 • Neben der Commission on the Status of Women haben für die Frauenfrage insbesondere die International Labour Organization (ILO) und die UNESCO Bedeutung erlangt; die Aktivitäten werden durch formelle wie informelle Zusammenarbeit verknüpft27 . Auf regionaler Ebene schließlich28 sind für die Bundesrepublik Deutschland die (Europäische) Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie die Europäische Sozia1charta und allgemein die Aktivitäten im Rahmen des Europarates von unmittelbarer Bedeutung. 3. Das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts

Die Grundlage der völkerrechtlichen Bestimmungen zur Frauenfrage bildet das Verbot der Diskriminierung au/grund des Geschlechts. Es ist in zahlreichen Texten verankert29 , von denen hier Art. 1 der Convention on the Elimination 26 Die Bemühungen der Non Governmental Organizations bleiben dagegen unberücksichtigt, ohne daß damit ihre Bedeutung gering eingeschätzt werden soll. Vgl. etwa die Charte "Les droits de la femme au travail" von 1975 der Confederation Internationale des Syndicats Libres (Hrsg.), die in aller Kürze die wichtigen thematischen Aspekte der beruflichen Chancengleichheit anspricht. 27 Zu diesen Organisationen Valticos, ILO S. 363ff. und Saba, Unesco S. 401ff. Texte bei Taubenfeld, Discrimination Vol. 2 I lit. R. 28 Ursprünglich lag der Schwerpunkt internationaler Aktivitäten zur Frauenfrage im südamerikanischen Raum: Fifth International Conference of American States von 1923 (Einsetzung der Inter-American Commission ofWomen: rev. Statuts OAS Doc, OEAJ Ser. LlII. 2. 20, CIMldoc. 92/80 rev. 2,4 Nov. 1980 sowie Agreement between the OAS and the Inter-American Commission of Woman v. 5.5.1978, OAS, General Secretariat OAS Doc, OEA Sero DN. 5/78), Montevideo Convention on the Nationality ofWomen von 1933, Lima Declaration in Favor ofWomen's Rights von 1938, OAS Convention on the Granting of Political Rights to Women von 1948. Dazu McDougal / LassweIl / Chen, World Public Order S. 526f. m. w. N.; Vierdag, Concept S. 90ff. Texte für Südamerika, Afrika, Asien und die Arabischen Staaten bei Taubenfeld, Discrimination Vol. 3 Part I, 111 - V. Leichter zugänglich ist die Auswahl bei Jürgens / Löper, Rechte der Frau, Nr. 42 - 48. 29 Präambel, Art. 1 (3),8,55 (c), 76 (c) der Charter ofthe United Nations (dazu, zur Universal DecJaration und den UN-Pakten Ermacora, Diskriminierungsschutz S. 19ff., 31ff., 52ff. In der Satzung des Völkerbundes gibt es keine Vorbilder, denn sie enthielt lediglich Bestimmungen zum gleichen Zugang der Geschlechter zu Ämtern innerhalb des Völkerbundes sowie gegen den Mädchenhandel, Art. 7 und 23; Art. 2 (1), 3, 4 (1), 24 (1), 26 des International Covenant on Civil and Political Rights v. 19.12.1966, GA Res. 2200 A (XXI) mit 106:0 (Prot. 66:2:38); in Kraft seit 23.3.1976; für die BRD durch G v. 15.11.1973, BGBl. 11, 1533, in Kraft seit 23.3.1976, Bek. v. 14.6.1976, BGBl. 11, 1068; Art. 2 (1), 3, 7 a (i) des International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights v. 19.12.1966, GA Res. 2200 A (XXI) mit 105: 0, in Kraft seit 3.1.1976; für die BRD durch G v. 23.11.1973, BGBl. 11, 1569, in Kraft seit 3.1.1976; für die BRD durch G v. 23.11.1973, BGBl. 11, 1569, in Kraft seit 3.1.1976, Bek. v. 9.3.1976, BGBl. 11, .428 (Die beiden Verträge bringen die Universal DecJaration in eine verbindliche Form und erfüllen damit einen Auftrag von 1947: Kanger, Human Rights S. 17; McKean, Equality S. 136ff.); Art. 14 der (Europäischen) Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten v. 4.11.1950, U. N. T. S. 213,

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o[ All Forms o[ Discrimination against Women von besonderem Interesse ist 30 . Seine inhaltliche Tragweite wird von zwei Begriffselementen bestimmt31 :

- Untersagt ist jede "distinction, exclusion or restriction"32 aufgrund des Geschlechts. Diese Begriffe grenzen die Fülle der möglichen Diskriminierungshandlungen praktisch nicht ein, wobei die "distinction" als Oberbegriff alle im übrigen genannten Alternativen umfaßt: Sie bezeichnet als neutrales Merkmal jede denkbare unterschiedliche Behandlung. - Die Handlung muß zur Folge oder zum Ziel haben ("effect or purpose"33), die Rechte der von der Norm geschützten Personen zu beeinträchtigen oder zu vereiteln ("impairing or nullifying" - keine Abweichung in den anderen Texten). Auch dies zielt auf eine möglichst lückenlose Erfassung aller Tatbestände, die eine unerwünschte Benachteiligung zur Folge haben können; auch ohne daß mittelbare Diskriminierungen ausdrücklich erfaßt werden, 221; für die BRD durch G v. 5.12.1952, BGBI. 11,686,953 in Kraft arn 3.9.1953, Bek. v. 15.12.1953, BGBl. 5411, 14 (Der Zusatz "Europäische" ist nicht offizieller Bestandteil des Namens, dient aber der Unterscheidung von der Amerikanischen MRK); Präambel (3. Erwägg.) und Art. 4 (3) der European Social Charter v. 18.10.1961, U. N. T. S. 529, 89; für die BRD durch G v. 19.9.1964, BGBl. 11, 1261 in Kraft am 26.2.1965, Bek. v. 9.8.1965, BGBl. 11, 1122. Hinweise zur Rechtsprechung bei Greenberg, Discrimination S. 332ff. und Schindler, Gleichberechtigung S. 142ff. zum StlGH. 30 Im folgenden Text: Konvention. Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women v. 18.12.1979, in Kraft seit 3. 9.1981; für die BRD durch G v. 25.4.1985, BGBl. 11, 647, in Kraft seit 9.8.1985 (Bek. v. 13.11.1985, BGBl. 11, 1234). Begriffsbestimmungen des Diskriminierungsverbotes finden sich in drei weiteren Verträgen, die ergänzend herangezogen werden können, auch wenn sie in ihrem Anwendungsbereich auf den thematischen Rahmen der jeweiligen Konvention beschränkt sind (jeweils Art. 1): Convention Concerning Discrimination in Respect of Employment and Occupation (ILO Convention No. 111) v. 25.6.1958, U. N. T. S. 362, 31, in Kraft seit 15.6.1960; für die BRD durch G v. 8.3.1961, BGBl. 11, 97, in Kraft seit 15.6.1962 (Bek. v. 27.4.1962, BGBl. 11,819); Convention on Discriniination in Education v. 15.12.1960, U.N.T.S. 429,93; in Kraft seit 22.5.1963; für die BRD mit G v. 9.5.1968, BGBl. 11, 385, 402, in Kraft seit 17.10.1968 (Bek. v. 18.4.1969. BGBl. 11, 956); International Convention on the Elimination of all Forms of Racial Discrimination v. 7.3.1966, in Kraft 4.1.1969, U.N.T.S. 660, 195; BGBl. 6911,962. Ein weiterer Text, die (ILO) Convention No. 156 concerning equal opportunities and equal treatment for men and women workers, 1981, verweist lediglich auf die Convention No. 111 und bleibt daher hier außer Betracht. 31 Zu den geringfügigen Formulierungsunterschieden der vier genannten Verträge (so ist im Convenant on Civil and Political Rights von "distinction", im Covenant on Economic, Social and Cultural Rights dagegen von "discrimination" die Rede, jeweils Art. 2, ohne daß damit Unterschiedliches gemeint wäre) Bossuyt, Interdiction S. 19ff. Zur Entstehung der Definition McKean, Equality S. 124ff., bezogen auf die Convention Nr. 111, und zu den anderen Texten unter Berücksichtigung der travaux preparatoires S. 128ff., 152ff. Zur Definition der UNESCO-Convention Delbrück, Konvention S. 264ff. (265). 32 Die Zitate entstammen der Konvention von 1979; in den anderen soeben genannten Texten werden zusätzlich erwähnt "preference" und "limitation". 33 Lediglich die ILO Convention No. 111 als der älteste der vier Texte beschränkt sich auf den umfassenden Begriff "effect".

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sind sie im Begriff der Diskriminierung enthalten. Eine Benachteiligungsabsicht als subjektives Element ist nicht erforderlich. Als völkerrechtlich unzulässige Diskriminierung ist daher jede Ungleich behandlung aufgrund des Geschlechts zu bezeichnen, die zu einer Benachteiligung von Frauen oder Männern führt 34 • Zulässig kann eine solche benachteiligende Ungleichbehandlung nur sein, wenn sie sich zu ihrer Rechtfertigung auf eine völkerrechtliche Ermächtigung stützen kann: Die Handlungsfreiheit der Staaten als der völkerrechtliche Regelfall wird bei jeder Norrnsetzung mit Bezug auf das Geschlecht zur Ausnahme. Doch für die entscheidende Frage, wann eine Ermächtigung zur Abweichung vom Grundsatz der Rechtsgleichheit angenommen werden kann, enthält das Diskriminierungsverbot selbst keine Maßstäbe. Sein normativer Gehalt beschränkt sich - vergleichbar der parallelen innerstaatlichen Vorschrift des Art. 3 Abs. 1 GG - auf die Gleichheit von Frauen und Männern vor dem Gesetz. Damit ist es zu abstrakt, um ohne eine Einbettung in konkretisierende Rechtstexte nähere Auskunft darüber zu geben, auf welcher konzeptionellen Basis die Regelungen des Internationalen Rechts zur Situation der Frauen ruhen und welche rechtliche und soziale Stellung Frauen im Verhältnis zu Männern einnehmen sollen. Offen bleibt auch, in welcher Weise die. "Gleichheit" von Frauen und Männern zu verstehen ist - als rechtliche Gleichstellung, die eine Intervention des Staates tendenziell ausschließt, oder als soziale Gleichstellung, die eine solche Intervention zulassen, wenn nicht gar erzwingen könnte. Doch erst wenn diese Fragen beantwortet sind, kann weiter erörtert werden, ob und unter welchen Voraussetzungen den Staaten die Möglichkeit der umgekehrten Diskriminierung als ein völkerrechtskonformes Mittel zur Verwirklichung der Gleichstellung von Mann und Frau an die Hand gegeben ist; das Diskriminierungsverbot allein führt hier nicht weiter. 4. Gleichstellung von Frauen und Männem Die Entwicklung der völkerrechtlichen Konzeption

Wie im innerstaatlichen Bereich hat sich auch auf internationaler Ebene die Auffassung von der Stellung der Frauen in Staat und Gesellschaft seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts tiefgreifend gewandelt. Der umfassende und 34 Angesichts der ausdrücklichen völkerrechtlichen Verbote geschlechtsspezifischer Benachteiligung kommt es nicht darauf an, welchem Definitionsansatz (Diskriminierung als benachteiligende Ungleichbehandlung im Widerspruch zu einem Välkerrechtssatz bzw. als unsachliche oder willkürliche Ungleichbehandlung) zur Bestimmung des Begriffs der Diskriminierung man folgen möchte (zur Definition schon Jaenicke, Diskriminierung S. 19ff., 57ff.; sowie Delbrück, Diskriminierung S. 76; Bossuyt, Interdictiön S. 99ff.; Vierdag, Concept S. 48ff., 66ff. Zur EMRK, die beide Ansätze verbindet, Frowein / Peukert, EMRK Rz 22ff. zu Art. 14). Interessant ist in diesem Zusammenhang noch Art. 1 Ziff. 1 b) der [LO Convention No. 111, der die Definition teilweise dem nationalen Recht überläßt.

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heute (in der Theorie) unangefochtene Partizipations anspruch der Frauen hat in den frühen völkerrechtlichen Texten noch keinen Ausdruck gefunden, und erst recht gilt dies von der Forderung, diesen Anspruch mit Hilfe einer rechtlichen Besserstellung der Frauen gezielt durchzusetzen. Im Unterschied zum nationalen Recht aber stehen auf der Ebene des Völkerrechts zahlreiche vertragliche Vereinbarungen nebeneinander in Geltung, die jeweils unterschiedliche Gleichberechtigungskonzeptionen widerspiegeln und doch gleichermaßen bindendes Recht sind. Sie alle müssen daher in die Überlegungen einbezogen werden, um die Frage beantworten zu können, ob es eine gültige völkerrechtliche Konzeption zur Frage der Gleichberechtigung gibt, und welchen Stellenwert das Mittel der umgekehrten Diskriminierung darin einnimmt. a) Frauen als schutz bedürftige Gruppe minderen Rechts

Den frühesten völkerrechtlichen Vereinbarungen zur Lage der Frauen liegt der Gedanke zugrunde, daß Frauen aufgrund physischer, psychischer und sozialer Besonderheiten eines erhöhten Maßes an Schutz und damit auch im Recht besonderer Behandlung bedürfen. Die seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts entstandenen "protective conventions"35 weisen als erstes Motiv der internationalen Normengebung zur Stellung der Frauen das Bemühen aus, Frauen (und Kindern) Schutz in individuellen und allgemeinen Notlagen zu gewähren. Maßnahmen gegen Prostitution, Sklaverei und Mädchenhandel sind Gegenstand dieser frühen Texte 36 , daneben die Situation von Frauen in bewaffneten Konflikten 37 sowie erste Vereinbarungen über Schutzmaßnahmen auf dem Gebiet der Berufstätigkeit von Frauen, insbesondere bei schwerer körperlicher Arbeit38 . 35 Eine Einteilung der einschlägigen Vereinbarungen in "protective", "corrective" und "non-discriminatory" conventions schlägt Hevener, Analysis S. 133f., vor. 36 Es handelt sich etwa um das International Agreement for the Suppression of the White, Slave Trafficvon 1904 (L.N.T.S. 1,83 bzw. U.N. T.S. 92, 19), die International Conventionfor the Suppression ofthe White Slave Traffic von 1910 (U.N. T.S. 98, 101), beide erweitert durch ein Protokoll von 1949 (U. N. T. S. 30,23); Neufassung als aktuelle deutsche Quelle: BGB\. 72 11, 1478 und 1482); daneben um die International Convention for the Suppression of the Traffic in Women and Children von 1921 (Neubek. BGB\. 72 11, 1490) und die International Convention for the Suppression of the Traffic in Women of Full Age von 1933 (vom DR und der BRD nicht ratifiziert), beide gelindert durch ein Protokoll von 1947; die vier genannten Verträge werden zusammeng6faßt durch die Convention for the Suppression of the Traffic in Persons and of the Exploitation of the Prostitution of Others von 1949 (Res. 317 (IV), von der BRD nicht ratifiziert). Ferner die Slavery Convention von 1926 (L.N.T.S. 60, 253 bzw. U.N.T.S. 212, 17; Bek. der Neufassung BGB\. 72 11, 1473), erweitert um ein Protokoll von 1953 (U.N.T.S. 182,51, BGB\. 72 11,1069) sowie ergänzt um die Supplementary Convtntion on the Abolition of Slavery, the Slave Trade, and Institutions and Practices stmilar to Slavery von 1956 (Deren Art. 1c für die Frauenfrage von Interesse ist; U. N. T. S. 266, 40; BGB\. 5811,203). 37 Dazu Khushalani, Dignity, der alle einschlägigen Normen (Stand 1982) untersucht, sowie die Quellen bei Taubenfeld, Discrimination Vo\. 2 I lit. N.

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2. Kap.: Internationales und Europäisches Gemeinschaftsrecht

In diesen internationalen Vereinbarungen wird - darin liegt ihr bleibender Wert - die Erkenntnis formuliert, daß Frauen nicht rechtlos und als Ware zu betrachten sind, sondern als Rechtssubjekte eigener (Menschen-)Würde geachtet werden müssen. Die Schutzbedürftigkeit der Frauen wird jedoch als Konsequenz der grundsätzlichen Ungleichheit von Männern und Frauen verstanden39 ; eine rechtliche Gleichstellung der Geschlechter ist aus dieser Perspektive weder gefordert noch überhaupt erwünscht. Doch das Internationale Recht ist bei dieser anfänglichen Konzeption nicht stehengeblieben. Zwar gelten die Bestimmungen der protective conventions bis heute fort, doch prägen sie das Gesamtbild der einschlägigen völkerrechtlichen Instrumente nicht mehr. Die den frühen Verträgen zugrunde liegende Konzeption hat im Laufe der Entwicklung allmählich an Kraft verloren und ist zunehmend von neue ren Vorstellungen überlagert worden. An ihre Stelle ist in erheblichem Umfang das Bemühen getreten, Schutzvorschriften weitestmöglich geschlechtsneutral zu formulieren, sowie die Verpflichtung der Staaten, bestehende geschlechtsspezifische Regelungen unter diesem Aspekt auf ihre Berechtigung zu überprüfen 40 . b) Gleichberechtigung als Rechtsgleichheit In zahlreichen Konventionen ist neben den Schutzgedanken oder an seine Stelle ein weiteres Ziel getreten, das eine Erweiterung der völkerrechtlichen Konzeption erkennen läßt - es ist das Ziel einer rechtlichen Gleichstellung von Frauen und Männern. Vor allem die zahlreichen völkerrechtlichen Normen zur Stellung der Frau im Privat- und Familienrecht, im Internationalen Privatrecht und im Strafrecht haben diese Entwicklung getragen41 • Auf diese Weise sind verschiedenste Einzelfragen, in denen eine rechtliche Ungleichbehandlung von Mann und Frau üblich war, international geregelt worden; den Staaten ist daraus die Verpflichtung erwachsen, solche Rechtsungleichheiten abzubauen42 • Eine erneute Ausweitung dieses Ansatzes ergab sich im Zusammen38 Beispiele: Convention Concerning Night Work o[ Women Employed in Industry, 1919 rev. 1934 rev. 1948 (U. N. T. S. 81, 147; BRD hat nicht unterzeichnet); Convention Concerning the Employment o[Women on Underground Work in Mines o[ All Kinds v. 21. 6.1935 (U. N. T. S. 40, 63, BGBI. 5411,624). 39 Hevener, Analysis S. 133, 134ff. 40 Dazu im einzelnen für das internationale Recht unten 4 d) (Konvention von 1979), für das Gemeinschaftsrecht unten 11 1. 41 Etwa die Convention on the Nationality o[ Married Women, 1957 (U. N. T.S. 309, 65, BGBI. 73 11, 1249) und die Convention on Consent to Marriage. Minimum Age o[ Marriage and Registration o[ Marriage, 1962 (U. N. T. S. 521, 231, BGBI. 69 11, 161), dazu Recommendation v. 1.11.1965, GA Res. 2018 XX). 42 Die Stellung der Frau im ehelichen Güterrecht, bei den Rechten und Pflichten der Eltern oder als Vormund sind dafür Beispiele ebenso wie die Regelungen zum

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hang mit der Gewährleistung der politischen Rechte der Frau; das Recht, in die politische Wirklichkeit selbst gestaltend einzugreifen, bezieht ein für die Rolle der Frau wichtiges Gebiet in die Garantie der Gleichberechtigung ein43 • Die Convention on the Political Rights of Women von 1953 als der wichtigste Text in diesem Zusammenhang geht auf einen Entwurf der Commission on the Status of Women in Anlehnung an eine entsprechende Konvention der Inter-American Conference zurück44; neben der Gewährleistung des aktiven und passiven Wahlrechts steht die Verpflichtung, Frauen den Zugang zu allen öffentlichen Ämtern ohne jede Zurücksetzung zu öffnen45 • Das Ziel einer rechtlichen Gleichstellung von Männern und Frauen hat so die ursprüngliche Konzeption ergänzt und modifiziert. Der Vorschlag einer positiven Förderung der Frauen unter partieller Aufhebung der Rechtsgleichheit stand in diesem Zusammenhang freilich noch nicht zur Diskussion. Allerdings hatte - noch bevor sich der Grundsatz der Rechtsgleichheit von Frauen und Männern durchgesetzt hatte - der StIGH in seiner Rechtsprechung zu Fragen des Minderheitenrechts 46 bereits mit großer Weitsicht den Begriff der Gleichheit durch die Unterscheidung rechtlicher und tatsächlicher Gleichheit differenziert und grundSätzliche Bedenken gegen das Konzept der Rechtsgleichheit in einer Situation des tatsächlichen Ungleichgewichts formuliert 47 : Wohnsitz der verheirateten Frau, zum Status der unverheirateten Mutter oder zum Recht der verheirateten Frau auf Arbeitsaufnahme. Texte bei Taubenfeld, Discrimination Vol. 2 I lit. I; zum Privatrecht i. Ü. und Strafrecht ebd. lit. J. 43 Dazu rechtsvergleichend Flanz, Women's Rights S. XIff., zur Situation in DeutschlandS. 23ff., 79ff., 167ff. 44 Convention v. 31.3.1953 (U.N.T.S. 193,135, in Kraft 7.7.1954; für die BRD durch G v. 25.9.1969, BGBI. 11, 1929, 1970 11, 46 in Kraft seit 2.2.1971, Bek. v. 11.1.1972, BGBI. 11, 17). Der Text ist im Entstehungsprozeß auf manche Schwierigkeiten gestoßen, Hevener, Status S. H2f. und Flanz, Women's Rights S. 292ff. Die Schwierigkeiten bezogen sich allerdings nicht auf die Grundaussage der gleichen politischen Rechte für Männer und Frauen, sondern im wesentlichen auf die Bedeutung von Vorbehalten in völkerrechtlichen Verträgen. Weitere Texte - des GA, der ECOSOC und der CSW - bei Taubenfeld, Discrimination Vol. 2 I lit. B. 45 Art. 3; die Bundesrepublik Deutschland hat lediglich bzgl. des Dienstes in Streitkräften einen Vorbehalt angebracht, BGBI. 1972 11,17. 46 Eeoles minoritaires en Albanie, Avis consultatif du 6 avril 1935, XXXIVme Session, Fascicule No. 64. Die Entscheidung greift zurück auf die thematisch benachbarten Avis No. 6 (Colons allemands en Pologne) und No. 7 (Aequisition de la Nationalite Polonaise). Im folgenden Text wird stets auf die erstgenannte Entscheidung Bezug genommen, die zur Frage der Gleichheit die Rechtsprechung des StIGH zusammenfaßt. 47 In dem Fall ging es um die Abschaffung privater Schulen in Albanien, die die ethnische Mehrheit rechtlich in gleicher Weise wie die Minderheitsgruppen in der Bevölkerung betraf. Doch hatten Privatschulen für die Minderheit die einzige Möglichkeit dargestellt, ihre kulturelle Eigenständigkeit zu wahren und in einem von der Mehrheit dominierten Gemeinwesen ein gewisses Maß an Selbständigkeit zu wahren, während sie nun, in den öffentlichen Schulen, auf Unterricht in ihrer Muttersprache und unter Berücksichtigung ihrer eigenen Kultur verzichten mußten.

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2. Kap.: Internationales und Europäisches Gemeinschaftsrecht

Gleichheit könne48 man über die Gewährleistung einer rein formalen Rechtsgleichheit hinaus ("egalite de droit") - die sich in einem Verbot der Diskriminierung erschöpfe - auch als tatsächliche, in der sozialen Wirklichkeit effektiv zu nutzende Gleichheit verstehen ("egalite de fait, egalite effecive, reelle"). Im Verhältnis zwischen Mehrheit und Minderheit könne, so die Überlegung des Gerichts, die strikte Durchführung formaler rechtlicher Gleichheit dazu führen, die Position der Minderheit entscheidend zu schwächen, da sie tatsächliche Disparitäten verfestige und der Minderheit die Möglichkeit nehme, ihre "gleichen" Rechte effektiv wahrzunehmen. Dies zwinge zu der Überlegung, daß zugunsten der Minderheit eine rechtliche Ungleichheit erforderlich sein könne, um ihren Partizipations anspruch zu wahren49 • Es ist dies die früheste Formulierung der gedanklichen Grundlage für die Berechtigung der umgekehrten Diskriminierung durch ein Organ der Internationalen Gemeinschaft; die Übertragung dieses Gedankens auf das Verhältnis von Männern und Frauen stand freilich noch aus. c) Gleichbehandlung und Chancengleichheit

Ein entscheidender Konzeptionswandel ist erst im Blick auf die wirtschaftlichen Rechte und Chancen der Frau, ihre Stellung in Arbeit und Beruf sowie im Bildungs- und Erziehungswesen eingetreten, im Zusammenhang mit den Bereichen also, deren Schlüsselstellung für die Verwirklichung der Gleichberechtigung schon in der historischen Frauenbewegung betont worden war 50 • Da sich die reale Position der Frauen auf dem Arbeitsmarkt und in Bildung und Wissenschaft trotz einer Tendenz zur Herstellung der Rechtsgleichheit nicht verbesserte, reifte die Erkenntnis, daß die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter allein nicht notwendig auch eine positive Veränderung der sozialen Wirklichkeit mit sich bringt. Die Differenzierung des Gleichheitsbegriffs, die in der soeben erwähnten Rechtsprechung des StlGH bereits deutlich geworden war, wurde nun auch auf das Verhältnis von Frauen und Männern bezogen und weiter ausgeführt. Einen wenn auch zögernden ersten Schritt in diese Richtung stellt die Convention No. 100 der ILO über Lohngleichheit von 1951 dar51 . Die Forderung 48 In dem dem StIGH vorliegenden Fall müsse man aufgrund der einschlägigen Rechtstexte die Gleichheitsgewährleistung in dieser umfassenden Weise als "tatsächliche" Gleichheit auffassen: S. 19 des zitierten Avis consultatif von 1935. 49 S. 17ff. des zitierten Avis consultatif, insbesondere S. 19: "L'egalite en droit exclut toute discrimination: l'egalite en fait peut, en revanche, rendre necessaires des traitements differents en vue d'arriver a un resultat qui etablisse l'equilibre entre des situations differentes ... L'egalite entre majoritaires et minoritaires doit etre une egalite effective, reelle: ... " (Hervorhebungen nicht im Original). Dieser Ansicht wird allerdings (bezogen auf die Frage der ausreichenden Ungleichheit) im abweichenden Votum ausdrücklich widersprochen. S. 26. 50 Dazu oben Kap. 1 I 1.

I. Internationales Recht

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nach gleicher Entlohnung von Männern und Frauen bei gleichwertiger Arbeit kann in mehrfacher Hinsicht als Schrittmacher im EntwicklungsprozeB des Internationalen Rechts zur Gleichberechtigung gelten52 . Sie war bereits in den Statuten der ILO von 1919 und 1948 verankert und wurde von der Commission on the Status of Women sogleich auf ihrer ersten Sitzung als ein Hauptziel ihrer Aktivitäten definiert53 . Zwar zielt sie in erster Linie auf die Abschaffung diskriminierender Rechtsvorschriften, doch sie hat in der Folge auch das Bewußtsein dafür geschärft, daß die Rechtsgleichheit nur dann ihre volle Wirksamkeit entfalten kann, wenn in den Vergleich der rechtlichen Stellung der Geschlechter auch die soziale Lage von Männern und Frauen als tatsächliche Dimension einbezogen wird. In der Convention No. 100 ist es jedoch noch nicht gelungen, den Zusammenhang zwischen der rechtlichen und der tatsächlichen Dimension der Gleichheit in deutlich formulierte Verpflichtungen der Vertragsstaaten umzusetzen 54 . Erheblich umfassender in ihrer Zielbeschreibung ist erst die spätere, ebenfalls im Rahmen der ILO erarbeitete, Convention No. 111 Concerning Discrimination in Respect of Employment and Occupation von 195855 . Sie versteht den Begriff der Gleichheit als "equality of opportunity and treatment"56 und geht damit über die Gewährleistung rechtlicher Gleichheit hinaus. Diese Formulierung - "Chancengleichheit und Gleichbehandlung"57 - hat die wei51 Convention Concerning Equal Remuneration Jor Men and Women Workers Jor Work oJ Equal Value, ILO No. 100, v. 29.6.1951, U.N.T.S. 165,303, in Kraft seit 23.5.1953, für die BRD durch G v. 6.2.1956, BGBI. 11, 23, in Kraft seit 8. 6.1957 (Bek. v. 25.7.1957, BGBI. 11, 1232). 52 Diese Feststellung gilt in gleichem Maße für das Europäische Gemeinschaftsrecht: Auch hier hat die Entwicklung einer modernen Konzeption ihren Ausgang von dem Grundsatz der Lohngleichheit in Art. 119 EWGV genommen. Dazu unten 11 vor 1. und 1. 53 Zu den Vorarbeiten und Vorbildern Budiner, Convention S. 20ff. 54 So wird zwar einerseits die Notwendigkeit objektiver Leistungsbewertung im Rahmen einer Definition "gleichwertiger" Arbeit betont, andererseits aber in Art. 3 Abs. 3 die Frage der Leichtlohngruppen als versteckte Diskriminierungsmöglichkeit nicht zufriedenstellend gelöst. Zu den Definitionsproblemen und weiteren Schwierigkeiten der praktischen Umsetzung Budiner, Convention S. 39ff., 135ff. Das Fehlen jeglicher kompensatorischer Elemente betont auch Hevener, Analysis S. 145. 55 ILO Convention No. ]]1 v. 25.6.1958, U. N. T. S. 362,31, in Kraft seit 15.6.1960; für die BRD durch G v. 8.3.1961, BGBI. 11,97, in Kraft seit 15.6.1962 (Bek. v. 27.4.1962, BGBI. 11, 819). Zu den Konventionen der ILO Nr. 100 und 111 McKean, Equality S. 166ff.; 124ff. und Nie/sen, Kvindearbejdsret S. 181ff., 261ff. Zum Vergleich der Convention No. 111 und der Europäische Sozialcharta mit der Convention No. 100 Budiner, Convention S. 65ff. und 81f. 56 Art. 1 Ziff. 1 (a); auf dieser Definition beruhen auch die späteren Kodifikationen der ILO, z. B. die Convention No. 156 vom 23.6.1981, dazu sogleich unter 5. 57 Die deutsche Übersetzung in BGBI. 196111, 97 lautet bei Art. 1 Abs. llit. b) noch "Gleichheit der Gelegenheiten" (frz. "egalite de chances"), und in der Präambel wird die Formulierung" ... development in conditions of freedom and dignity, of economic security and equal opportunity" wiedergegeben als" ... Entwicklung in Freiheit und

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2. Kap.: Internationales und Europäisches Gemeinschaftsrecht

tere Entwicklung grundlegend beeinflußt58 • Eine Entfaltung dieses um die Dimension des Faktischen erweiterten Gleichheitsbegriffs, etwa durch spezielle Vorschriften für einzelne Anwendungsfälle, enthält die Konvention allerdings noch nicht5 9 ; einen ersten Ansatz in diese Richtung stellt erst die unter den Auspizien der UNESCO ausgearbeitete Convention on Discrimination in Education von 1960 dar. Sie nimmt den erweiterten Gleichheitsbegriff auf und dehnt seinen Anwendungsbereich auf den wichtigen Bereich der Erziehung und Ausbildung von Mädchen und Frauen aus60 • In der Frage, wie der Anspruch der Frauen auf gleiche Chancen verwirklicht werden kann, bleiben die drei genannten Verträge allerdings hinter ihrem eigenen Anspruch zurück 61 ; sie gehen insbesondere nicht auf die Frage ein, ob und in welchem Ausmaß eine Politik der umgekehrten Diskriminierung bei der Realisierung der Vertragsziele eine Rolle spielen kann. Das Problem einer Rechtsungleichheit zugunsten der Frauen wird in der ILO Convention No. 111 immerhin angedeutet, und man wird diesen Hinweis als eine erste Erwähnung der umgekehrten Diskriminierung als völkerrechts konforme Handlungsform der Staaten sehen können, auch wenn er seinem Zusammenhang nach noch stark auf die traditionelle Frage des Schutzes der Frauen bezogen ist62 . Würde, in wirtschaftlicher Sicherheit und unter gleich günstigen Bedingungen". Der Begriff Chancengleichheit findet erst spät Eingang in die deutsche Gesetzessprache: Vor allem Art. 4 Abs. 1 und Art. 10 lit. c) der Konvention von 1979 (oben bei 3.) in BGBI. 85 11, 647. 58 Zum Covenant on Economic, Sodal and Cultural Rights in diesem Zusammenhang Greenberg, Discrimination S. 319. In den Berichten der Staaten an die CSW soll zwischen der rechtlichen und der faktischen Situation unterschieden werden. Diskrepanzen sind besonders hervorzuheben und zu analysieren, Guggenheim, Implementation S. 240. Auch im Europäischen Gemeinschaftsrecht ist diese Begriffswahl vorherrschend (unten 11 1.). 59 Ausnahme: Art. 3lit. c) mit der Verpflichtung, nicht nur diskriminierende gesetzliche Bestimmungen und Verwaltungsvorschriften abzuändern, sondern auch jede diskriminierende Praxis der Verwaltung ("administrative instructions or practises", "disposition ou pratique administratives"). 60 Convention v. 15.12.1960, Quelle oben bei 3. Vierte Erwägung der Präambel: " ... not only to proscribe any form of discrimination in education but also to promote equality %pportunity and treatment for all in education ... "; ebenso Art. 4 und 6. Der Vertrag hebt Erziehung und Ausbildung als Voraussetzungen für die Verbesserung der schlechten beruflichen Perspektive der Frauen sowie ihrer Unterrepräsentation in höheren Stellungen hervor. Er geht zurück auf eine Initiative der UNESCO aus dem Jahre 1958, vom Economic and Social Council mit Res. 821 VB (XXXII) zustimmend zur Kenntnis genommen. Dazu ein Protocol (Conciliation and Good Offices) v. 18.12.1962, U. N. T. S. 651, 362. Zur Entstehung, Zielsetzung und Durchsetzungsmechanismen Saba, Unesco S. 41Off.; McKean, Equality S. 128ff. Texte zum Zugang der Frauen zu schulischer und außerschulischer Bildung, zum Recht auf gleichberechtigte Ausübung der Erziehungsgewalt usw. bei Tauben/eid, Discrimination Vol. 2 I, lit. H. 61 Art. 5 Ziff. 1 und Art. 3 Convention No. 111 verweisen lediglich darauf, daß die Durchsetzung den jeweiligen innerstaatlichen Verhältnissen anzupassen sei.

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d) Die Convention on the Elimination

0/ All Forms 0/ Discrimination Against Women Den vorläufigen Schlußpunkt der internationalen legislatorischen Aktivitäten bildet die Convention on the Elimination 0/ All Forms 0/ Discrimination Against Women von 197963 • Sie geht auf einen Entwurf der Commission on the Status of Women zurück, den diese im Auftrag der Generalversammlung64 am 17.12.1976 vorgelegt hat und der von der Generalversammlung mit 130:0 Stimmen bei 10 Enthaltungen angenommen worden ist65 ; in Resolutionen war die Notwendigkeit einer umfassend angelegten Konvention seit 1967 stets betont worden 66 • Der Entwurf von 1974 war den Mitgliedstaaten zur Stellungnahme zugeleitet worden; nach erneuter Beratung in der Commission on the Status of Women wurde ein überarbeiteter Entwurf vorgelegt, der dann im wesentlichen unverändert gebilligt wurde 67 • Das Ergebnis der Schlußabstimmung täuscht allerdings darüber hinweg, daß es während der Vorarbeiten in verschiedenen Fragen tiefgehende Meinungsverschiedenheiten gegeben hat; ein Zeichen dafür ist die sogar für ein U. N. -Dokument besonders ausführliche Präambel68 • Für die Bundesrepublik Deutschland ist die Konvention, nachdem sie 1981 in Kraft getreten war, 1985 bindend geworden 69 • 62 Art. 5 Abs. 1 Conv. No. 111: "Special measures of protection or assistance" sowie Abs. 2: "Any Member may ... determine that other special measures designed to meet the particular requirements of persons who, for reasons such as sex ... are generally recognised to require special protection or assistance, shall not be deemed to be discrimination" (Hervorhebung nicht im Original). Dazu wie hier Sieghart, Human Rights S. 83; wohl auch Delbrück, Konvention S. 266 zu Art. 5 Ziff. 1, sowie McKean, Equality S. 128 und Ramm, Discrimination S. 495. 63 Convention v. 18.12.1979; in Kraft seit 3.9.1981, für die BRD durch G v. 25.4.1985, BGBI. 11, 647, in Kraft seit 9. 8.1985 (Bek. v. 13.11.1985, BGBI. 11,. 1234). 64 Res. 3521 (XXX) v. 15.12.1975, nachdem die CSW bereits seit 1974 an einem Entwurf gearbeitet hatte. 65 GA Res 34/180 v. 18.12.1979. 66 Declaration on the Elimination of Discrimination against Women, GA Res 2263 (XXII) v. 7.11.1967; dazu eine Draft Declaration der Commission on the Status of Women von 1966 bei Taubenfeld, Discrimination Vol. 2 I, lit. B S. 29. 67 Zur Entstehungsgeschichte McDougal1 Lasswelll Chen, World Public Order S.517ff.; Maier, Gleichberechtigung S.74; Schwelb IAlston, Institutions S.255f.; Delbrück, Konvention S. 252ff. Vgl. insbes. die Draft Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women mit verschiedenen Textversionen: D.N.Doc. E I CN. 6 I L. 660 I Add. 7, abgedruckt bei Maier, Dokumente, Dok. 10; dazu Guggenheim, Implementation S. 241ff. 68 McKean, Equality S. 192; Flanz, Women's Rights S. 313; vgl. etwa Erwägungen 9 - 11, dazu Maier, Gleichberechtigung S. 74; Delbrück, Konvention S. 270; Erklärung der Bundesrepublik zur Erwägung Nr. 11 bei der Ratifikation: BGBI. 1985 11, 1234, dazu BT-Ds. 10/955, S. 21 und BT-Ds. 10/2836. 69 BT-Ds. 10/955 (mit einer ausführl. Denkschrift zum Übereinkommen) und 101 2836; BT-Prot. 10/67 S. 4639 - 4685 und 10/123 (einstimmige Annahme ohne Aussprache); BR-Ds. 360/83, 107185; BR-Prot. Nr. 528 und 549.

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2. Kap.: Internationales und Europäisches Gemeinschaftsrecht

Der Vertrag beschränkt sich weder darauf, nur einzelne Detailprobleme zu behandeln wie die meisten der früheren Dokumente70 , noch erschöpft er sich in der allgemeinen Forderung nach Gleichberechtigung bzw. einem abstrakten Diskriminierungsverbot, sondern vereint diese beiden Ansätze in einem Dokument71 : Er geht von einer umfassenden Formulierung der Rechts- und Chancengleichheit von Männern und Frauen aus und präzisiert diese so dann für zahlreiche einzelne Problemfelder72 • Kennzeichnend für die Konzeption des Vertrages ist ein Nebeneinander von zwei Elementen: (1) Ausgangspunkt ist auch hier das Gebot der Rechtsgleichheit von Frauen und Männern. Die Vorstellung, daß Frauen als eine naturgemäß schwächere Gruppe grundsätzlich besonderer Regelungen bedürfen, ist damit aufgegeben, da sie eine Diskriminierung der Frauen eher fördert als abbaut. Das Geschlecht soll als Kriterium zur Verteilung von Gütern und Lasten in einer Gesellschaft nicht mehr herangezogen werden. Gerade dort, wo ältere Texte geschlechtsspezifische Formulierungen verwenden, hat die Konvention eine neutrale Begriffsbildung bevorzugt73 . (2) Die Konvention bleibt bei der Gewährleistung rechtlicher Gleichheit jedoch nicht stehen, sondern betont vielmehr die Erkenntnis, daß die Gleichstellung der Geschlechter als das Vertragsziel nicht mit einem Zustand formaler rechtlicher Gleichheit identifiziert werden kann. Mag die Rechtsgleichheit der Geschlechter auch das im Regelfall geeignete Mittel sein, eine positive Entwicklung in Gang zu setzen, so kommt es doch in erster Linie darauf an, gleiche Rechte auch tatsächlich wahrnehmen zu können. Gefordert ist damit die Herstellung gleicher Startbedingungen für Männer und Frauen, und die Vertragsparteien sind verpflichtet, dieses Ideal in die gesellschaftliche Wirklichkeit umzusetzen. Zahlreiche Bestimmungen der Konvention, etwa für den öffentlichen Dienst, das Bildungswesen, das Arbeitsleben sowie weitere Bereiche, weisen ihnen hier den Weg74 • Der Konzeptionswandel, der sich mit dem Text der Konvention vollzogen hat, wird an zahlreichen einzelnen Bestimmungen deutlich. So wird zwar die biologische Verschiedenheit von Mann und Frau keineswegs ignoriert, doch 70 Neben dem Grundgesetz der Lohngleichheit werden in diesen Texten Fragen der Teilzeitarbeit, Probleme älterer Arbeitnehmer, die Steuergesetzgebung, Rentenfragen und, zunehmend auch geschlechtsneutral formuliert, die Stellung verheirateter Arbeitnehmer mit Familienpflichten behandelt. Die Texte im einzelnen bei Tauben/eid, Discrimination Vol. 2 I lit. C. 71 Zu dieser "Mehrgliedrigkeit und Mehrstufigkeit" Delbrück, Konvention S. 249ff. 72 Die Themen sind teils aus früheren Verträgen bekannt, teils erstmals in bindender Form geregelt. Zum Vertragsinhalt etwa Hevener, Status S. 28 - 45; Delbrück, Konvention S. 256ff. 73 Hevener, Status S. 33,38 und passim. 74 Vor allem in den Teilen 11 bis IV (Art. 7 - 16).

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verringert sich die Reichweite dieses Arguments: Parallel zu der Anerkennung ungleicher rechtlicher Behandlung der Geschlechter im Zusammenhang mit der Mutterschaft wird die Rolle beider Eltern betont, die Schutzbedürftigkeit auch des Vaters hervorgehoben und seine Rechtsstellung partiell an die der Mutter angeglichen75 • Traditionelle soziale Verhaltensmuster sollen korrigiert werden, da sie der Verwirklichung der Konventionsziele im Wege stehen76 • Die gleiche Tendenz zeigen die Vorschriften zum Thema der (Arbeits-) Schutzvorschriften, die auch in der innerstaatlichen Diskussion und im Europäischen Gemeinschaftsrecht in ähnlicher Weise eine Rolle spielen77 : Die Konvention zieht die Konsequenz aus der Erkenntnis, daß normative Barrieren zum Schutz der Frauen - auch wenn ihre Errichtung angesichts der sozialen Lage der Frauen in und nach der industriellen Revolution aus der damaligen Perspektive berechtigt war - in ihrer Wirkung ambivalent sind. So ist es durchaus zweifelhaft, unter Berufung auf die Notwendigkeit von Schutzvorschriften für die Zeit der Schwangerschaft und Mutterschaft alle Frauen, unabhängig vom Vorliegen einer Schwangerschaft im konkreten Falle, den gleichen, ihre Betätigungsfreiheit einengenden, Regelungen zu unterwerfen78 • Nichts anderes gilt für die Begründung solcher Schutzvorschriften mit der physischen Schwäche von Frauen unabhängig davon, ob eine Bewerberin im konkreten Einzelfall den Anforderungen einer anstrengenden Arbeit gewachsen ist oder nicht. Durch solche Maßnahmen wird die Chancengleichheit der Frauen nicht gefördert, sondern unter Aufrechterhaltung traditioneller Rollenbilder die wirtschaftliche Attraktivität der Frauenarbeit reduziert. Dies aber verfestigt die Situation der sozialen Ungleichheit und schränkt die freie Berufswahl für Frauen ein. Die Staaten sind daher nunmehr gehalten, existierende protektive Maßnahmen im Laufe der Zeit daraufhin zu überprüfen, ob sie ihre Berechtigung verloren haben und deshalb abzuschaffen sind79 ; Sonderregelungenzugunsten eines Geschlechts sind damit als Ausnahme von der Regel der Gleichstellung stets rechtfertigungsbedürftig.

75 Vgl. dagegen noch die (ILO) Convention concerning Maternity Protection, 1. Fassung 1919 (RGBI. 2711,497, dazu BGBI. 52 II, 607, 63 11,1135), sowie eine Recommendation zum gleichen Thema, die einen höheren und präziseren Standard als der Vertragstext aufweist (112: 31: 29); die BRD hat nicht unterzeichnet. 76 Präambel Erwägg. 14, Art. 15 lit. a); dies betonen zu Recht Delbrück, Konvention S. 256, 267 und Shapiro-Libai, Concept S. 114ff. (118f.) sowie Hevener, Status S.40f. 77 Aus der innerstaatlichen Diskussion etwa Hanau, Geschlechtsdiskriminierung S. 194; Säcker, Referat S. 28ff.; Löwisch, Gleichstellung S. 59ff.; Schwerdtner, Gleichstellung S. 476, 478. Auch dort wird die Wirkung des Frauenarbeitsschutzes überwiegend kritisch gesehen, anders vor allem Gamillscheg, Frauenarbeitsschutz S. 209ff. Zum Gemeinschaftsrecht unten 11 1. 78 Hevener, Analysis S. 147f.; Shapiro-Libai, Concept S. 123f. 79 Art. 11 Abs. 3; während Abs. 2 lit. d) die grundsätzliche Notwendigkeit von Schutzvorschriften während der Schwangerschaft betont.

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2. Kap.: Internationales und Europäisches Gemeinschaftsrecht

Die Konvention weist allerdings auch einige Schwächen auf: Sanktionsmöglichkeiten fehlen ganzBO , das Kontrollsystem ist moderatBI, und an die Stelle unmittelbar geltender Individualrechte treten - zudem teilweise sehr vage formulierte - StaatenverpflichtungenB2 . Ihre besondere Bedeutung liegt angesichts dieser eher konservativen Züge B3 darin, daß sie den verschiedenen im Internationalen Recht bestehenden Konzeptionen der Gleichberechtigung nicht nur eine neue hinzufügt, sondern das Verhältnis dieser divergierenden Ideen zueinander bestimmt: Nur solche Bestimmungen früherer Verträge bleiben nach Art. 23 der Konvention unberührt, die besser als diese geeignet sind, Gleichberechtigung herbeizuführen ("more conducive to the achievement of equality"). Die praktische Tragweite dieser Bestimmung mag zwar begrenzt sein, denn abgesehen davon, daß die Konvention in manchen Fällen den Test der besseren Eignung nicht ohne weiteres wird bestehen können B4 , kann sie die Gültigkeit früherer Abkommen nur unter engen Voraussetzungen in Frage stellenBS . Sie bringt aber den Willen der Vertragsstaaten zum Ausdruck, die Widersprüchlichkeiten in den bisherigen internationalen Instrumenten und das Nebeneinander unterschiedlicher Konzeptionen in diesen TextenB6 durch einen eigenständigen und homogenen konzeptionellen Neuansatz zu überwinden B7 . Die Konvention gibt damit den in der Staatengemeinschaft bestehenden aktuellen Konsens über das Ziel einer umfassenden sozialen Gleichstellung von Männern und Frauen wieder und bringt die Entwicklung des Internationalen Rechts auf diesem Gebiet zu einem gewissen Abschluß. Einige spätere Texte BB haben den Ansatz der Konvention vor allem für die Situation der Delbrück, Konvention s. 269. Art. 17ff.; dzau vor allem Galey, Enforcement S. 475ff.; Meier, Gleichberechtigung S. 75; Delbrück, Konvention S. 263; mit einer Auswertung der Entstehungsgeschichte Guggenheim, Implementation S. 244. 82 Maier, Gleichberechtigung S. 74; Delbrück, Konvention S. 260ff., S. 269. 83 Etwa Schwelb / Alston, Institutions S. 256; Hevener, Status S. 46; Zur Kritik an der Konvention neben den bisher Genannten noch McKean, Equality S. 193. 84 Ähnlich offenbar Maier, Gleichberechtigung S. 76. 85 Rechtswirkungen sind nur zwischen Vertragsparteien denkbar, die Mitgliedstaaten sowohl früherer Verträge als auch der Konvention sind; im übrigen stellt die Konvention eine res inter alios acta dar. 86 Ein solches Nebeneinander verschiedener Konzeptionen ist häufig sogar innerhalb eines Textes zu beobachten, Hevener, Analysis S. 147ff. 87 McKean, Equality S. 186ff.; Hevener, Status S. 43, 46 u. passim; Flanz, Women's Rights S. 308. 88 ILO Convention No. 156 Concerning Equal Opportunities and Equal Treatment for Men and Women Workers und die ergänzende Recommendation No. 165 vom 23.6.1981 mit einem umfassenden Katalog von Vorschlägen und Pflichten. Die Konvention ist inhaltlich enger gefaßt als die Empfehlung; beide aber fixieren das Ziel, die Chancengleichheit und Gleichbehandlung männlicher und weiblicher Arbeitnehmer herzustellen. International Labour Conventions and Recommendations 1919 - 1981, 80 81

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"Arbeitnehmer mit Familienpflichten"89 weiter verfeinert, und die Arbeiten im Verlauf der Internationalen Dekade der Frau - die den Rahmen für den Entstehungs- und Ratifikationsprozeß der Konvention bildet - haben die Problematik in den verschiedensten thematischen Zusammenhängen entfaltet90 • Die konzeptionelle Grundlage, die der Vertragstext festhält, ist durch diese Aktivitäten jedoch nicht mehr erweitert worden. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich durch die Ratifikation des Vertrages diesem internationalen Konsens angeschlossen 91 und damit die Verpflichtung übernommen, durch "gesetzgeberische und sonstige Maßnahmen für die tatsächliche Verwirklichung" der Gleichberechtigung im Rahmen der in der Konvention niedergelegten Konzeption, d. h. für die "volle(n) Entfaltung und Förderung der Frau", zu sorgen92 • Anders als die schlichten Diskriminierungsverbote des Internationalen Rechts geht der Vertrag auch über den in der Bundesrepublik Deutschland bereits verwirklichten Standard hinaus, und die Ratifikation des Abkommens stellt daher für die deutsche öffentliche Gewalt mehr als nur ein rhetorisches Bekenntnis dar93 . Dies gilt insbesondere für diejenigen Passagen Genf 1982, S. 52 und 56 (die Bundesrepublik hat noch nicht ratifiziert), deutsch in Jürgens / Löper, Rechte der Frau Nr. 19 (Convention). 89 ILO Convention No. 156, 8. Erwägung der Präambel, Art. 3 u. passim. Alle relevanten Probleme sind angesprochen, etwa Ausbildung, Teilzeitarbeit, Elternurlaub, Kinderbetreuung, soziale Sicherheit usw. Im gleichen Zusammenhang ist jedoch auch schon die Recommendation No. 123,1965, zu erwähnen. 90 Seit dem Internationalen Jahr der Frau 1975 fanden Weltfrauenkonferenzen in Mexiko (1975), Kopenhagen (1980) und Nairobi (1985) und parallele Konferenzen der Non Governmental Organzations statt. An der 1. World Conference of the International Women's Year 1985 nahmen 133 Staaten, 23 UN-Sonderorganisationen, 10 Intergovernmental groups, 8 Befreiungsbewegungen sowie 113 NGO's teil. Neben Differenzen der Industriestaaten, Entwicklungsländer und sozialistischen Staaten zur Schwerpunktsetzung (Gleichberechtigung, Neue Weltwirtschaftsordnung oder Friedenssicherung) fand ein insgesamt verbessertes Problembewußtsein in einigen Schlüssel texten Ausdruck: Declaration of Mexico on the equality ofWomen and their Contribution to Development and Peace: gebilligt mit 89: 3 (Dänemark, Israel, USA) : 18, World Plan of Action for the Implementation of the Objectives of the International Women's Year von 1975: ohne Abstimmung angenommen; Programme of Action for the second half of the United Nations Decade for Women: Equality, Development and Peace von 1980: angenommen mit 94: 4 (USA, Canada, Australien, Israel) : 22. Dazu im Zusammenhang mit umgekehrter Diskriminierung etwa Flanz, Women's Rights S. 305ff.; Shapiro-Libai, Concept S. 120ff. (131: Auch in diesen Texten wird die umgekehrte Diskriminierung als sachlich und zeitlich begrenztes Mittel empfohlen). Texte bzw. Zusammenfassungen bei Hevener, Status S. 201 ff., deutsch bei Jürgens / Löper, Rechte der Frau Nr. 49 - 53. 91 Sie hat keinen Vorbehalt gegen die umgekehrte Diskriminierung angebracht (sondern lediglich in bezug auf gleichen Zugang der Frauen zum Dienst mit der Waffe in den Streitkräften: BGBI. 198511, 1234). 92 Art. 2 lit. a) und 3 der Konvention. Der Gegensatz einer "rechtlichen" und "tatsächlichen" Gleichstellung kommt in dieser zunächst pleonastisch anmutenden Formulierung deutlich zum Ausdruck ("to ensure ... the practical realization", "l'application effective"). 93 Dies kommt auch in der BT-Ds. 10/955 (Denkschrift S. 21) zum Ausdruck, in der es heißt, daß tatsächliche Defizite zu beseitigen seien. 6 Maidowski

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2. Kap.: Internationales und Europäisches Gemeinschaftsrecht

des Vertragstextes, die sich mit den Mitteln befassen, mit denen die im Vertragstext formulierten Ziele erreicht werden sollen und die in diesem Zusammenhang auch die umgekehrte Diskriminierung behandeln:

s. Die Verwirklichung der GleichstellungUmgekehrte Diskriminierung als Handlungsmöglichkeit des Staates Die Vorstellung rechtlicher Ungleichbehandlung zum Ausgleich eines tatsächlichen Ungleichgewichts ist - seit den ersten Hinweisen des StlGH zu dieser Frage94 - dem Internationalen Recht nicht gänzlich fremd geblieben. Ein Beispiel dafür ist die Debatte um die Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern. So hat insbesondere die Verpflichtung der Industrieländer zur Gewährung von Präferenzen im internationalen Handel Eingang in geltendes Völkerrecht gefunden95 . Gerade das Entwicklungsvölkerrecht hat im Verlaufe seiner Entwicklung einige Strukturen der Problematik deutlich gemacht, die auch für die Frauenfrage von Bedeutung sind. Es läßt vor allem erkennen, daß die Statuierung rechtlicher Gleichheit in einer Situation gravierender tatsächlicher Ungleichheit nicht eine Umgestaltung der sozialen Realität zur Folge hat, sondern eine solche Entwicklung möglicherweise sogar verhindert. Dies ist gerade im Verhältnis der Industriestaaten zur "Dritten Welt" in besonderer Klarheit hervorgetreten und ist auch für die Frage der Geschlechtergleichbehandlung von größter Bedeutung. Sie hat eine fortschreitende Differenzierung des Gleichheitsbegriffs mit sich gebracht und zwingt dazu, das Mittel der umgekehrten Diskriminierung überall dort in die Überlegungen einzubeziehen, wo die Gewährleistung rechtlicher Gleichheit in einer Situation faktischer Ungleichheit ausgesprochen wird. Aus diesem Grunde sollen einige Regeln des Entwicklungsvölkerrechts hier in aller Kürze skizziert werden. Freilich ist zu bedenken, daß sie für die zwischenstaatlichen Beziehungen formuliert sind und sich daher auf die menschenrechtliche Dimension der Gleichberechtigung nur in aller Vorsicht übertragen lassen: Der Verzicht der Industriestaaten auf rechtliche GleichbehandDazu oben 4 b). Neben den Lome-Abkommen, in denen die Verpflichtung der EG-Staaten festgehalten ist, Präferenzen einzuräumen, ist vor allem (oder, mit Lacharriere, influence S.254: "GATI - temple de la non-discrimination", ausgerechnet) Teil IV (Art. XXXVI ff.) des GATT zu nennen, 1965 dem ursprünglichen Text hinzugefügt (in Kraft am 27.6.1966, dazu G v. 11.7.1967, BGBl. 11,2005). Dazu Rivero, New Economic Order S. 15ff., 25ff., 37ff. u. passim; sowie Benchikh, sous-developement S. 72ff. Die zahlreichen UN-Resolutionen zu der Thematik sollen dagegen wegen ihrer zweifelhaften Rechtsqualität hier nicht im Vordergrund stehen. Es ist allerdings nicht zu verkennen, daß sie den Weg zur Formulierung und weiteren Differenzierung des Prinzips der "ausgleichenden Ungleichheit" geebnet haben. Gleichfalls nicht behandelt werden die zahlreichen bilateralen Abkommen, in denen das Prinzip zum Ausdruck kommt. 94

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lung und Gegenseitigkeit ist vertraglich, d. h. freiwillig 96 erfolgt, während eine Politik der umgekehrten Diskriminierung zu Lasten der Männer von der individuellen Zustimmung der Belasteten gerade unabhängig ist 97 und damit keinen Rechtsverzicht, sondern einen Eingriff in Grundrechtspositionen darstellt. Die Forderung nach ausgleichender Vorzugsbehandlung zugunsten der Entwicklungsländer ist allein im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Beziehungen der Staaten erhoben worden 98 • Es liegt ihr die Erkenntnis zugrunde, daß formale Rechtsgleichheit nur im Verhältnis zwischen Staaten annähernd gleicher Struktur und wirtschaftlicher Bedeutung Vor- und Nachteile internationaler Beziehungen gleichmäßig verteilt99 ; eine solche Situation aber ist seit der Entstehung zahlreicher "neuer" Staaten als Folge der Auflösung der großen Kolonialreiche nicht mehr gegeben lOO • Auf dem Boden eines erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewichts zwischen den Staaten hat die strikte Einhaltung des Gleichheitsprinzips zur Folge, daß sich bestehende Disparitäten zu Lasten der "Schwächeren" weiter verstärken, die Bedeutung der "Stärkeren" also weiter zunimmt, weil diese es in der Hand haben, die Regeln der wirtschaftlichen Beziehungen zu formulieren, die auf alle Beteiligten anzuwenden sind 101 • Um diese die Industriestaaten begünstigende Struktur aufzubrechen, hat sich im Internationalen Recht eine Aufspaltung des Gleichheitsbegriffs in zwei 96 "Freiwillig" heißt hier, daß der Verzicht ohne rechtlichen Zwang zustande gekommen ist. Daß wirtschaftliche und politische Notwendigkeiten bei der Ausgestaltung eines Entwicklungsvölkerrechts eine entscheidende Rolle gespielt haben, begründet noch keine Rechtspflicht, bestehende Rechtspositionen aufzugeben. 97 Eine Ausnahme bildet insoweit die Einführung von Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung durch Satzungsänderung in den politischen Parteien, die unten, Kap. 5 III, behandelt werden soll: Die Tatsache, daß auch hier die Belasteten selbst zustimmen, wird bei der rechtlichen Bewertung einer solchen Politik zu berücksichtigen sein. 98 Colliard, Institutions Rz 290ff., 297ff.; Rivero, New Economic Order S. 5ff.; die Entwicklung hat zu Beginn der sechziger Jahre ihren Anfang genommen, sich aber mit der ersten Energiekrise wesentlich beschleunigt: Colliard, specificite S. 157ff. 99 Colliard, Egalite S. 530. 100 Flory, developpement S. 37f.; Bulajic, Principles S. 15ff. \01 Dies ist der Hintergrund der Bemerkung der Delegation Indiens auf der UNCTAD 1964, Gleichheit sei nur unter Gleichen gerecht. Dazu Feuer / Cassan, developpement Rz 33; Flory, developpement S. 53; Colliard, Institutions Rz 298ff. In der Staatengemeinschaft finden sich Beispiele für diesen Prozeß der fortschreitenden Vergrößerung des Ungleichgewichts: So wurde im 19. Jahrhundert unter Berufung auf das Prinzip der wirtschaftlichen Gleichheit die Öffnung Japans und Chinas für den Welthandel erreicht, doch diese traten von vornherein als schwache Partner auf die internationale Bühne; die "Gleichheit" wirkte als Instrument der Beherrschung gegen sie. Dazu Colliard, Institutions Rz 298. Für das moderne Völkerrecht konstatiert Lacharriere, influence S. 249ff. eine Gegenbewegung: Er stellt egalitäre Regeln fest, die sich de facto nur zugunsten der Entwicklungsländer auswirken. Doch ist diese egalite avantageuse gerade ein Element der bewußten Politik der Entwicklungsförderung.

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komplementäre - oder einander widersprechende? - Elemente vollzogen: Während den politischen Beziehungen der Staaten der Grundsatz der souveränen Gleichheit - der keine Rücksicht auf die faktisch-sozialen Gegebenheiten nimmt - zugrunde liegt 102 , ist dieser auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Beziehungen durch die Vorstellung einer "ausgleichenden Ungleichheit" ("inegalite compensatrice") ergänzt worden 103 • Es hat sich eine "Dualite des Normes"l04 entwickelt, ein System von Präferenzen, das allein zugunsten der Entwicklungsländer Anwendung findetlOS, während es für die Industriestaaten bei den bestehenden Regelungen auf der Basis formaler Rechtsgleichheit bleibt. Im Verhältnis von Industrie- und Entwicklungsländern ist so das Prinzip der Gegenseitigkeit, dessen Ausdruck die formale Gleichheit ist, durch eine Finalität der wirtschaftlichen Zusammenarbeit ergänzt worden 106 . Ziel der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Staaten beider Gruppen ist es, die Durchsetzungschancen der Entwicklungsländer zu unterstützen, bis eine Rückkehr zum Prinzip der formalen Gleichheit denkbar wird - das völkerrechtliche Gleichheitsprinzip wird nicht aufgegeben, sondern durch die Berücksichtigung der konkreten sozialen Verhältnisse ergänzt, in die die Anwendung des Gleichheitssatzes eingebettet ist 107 • 102 Feuer / Cassan, developpement Rz 33; Colliard, Institutions Rz 289ff. Er drückt sich besonders deutlich im Grundsatz des "one state - one vote" aus, mit der geringen Einschränkung der Art. 23 (1) und 27 (3) UN-Charta. Auch davon gibt es freilich zahlreiche Ausnahmen in Form von Stimmengewichtungsregeln - die sich bezeichnenderweise auf die Internationalen Organisationen wirtschaftlicher Ausrichtung (oder die wirtschaftliche Basis - das Beitragsaufkommen - politischer Organisationen) konzentrieren. Dazu im einzelnen Col/iard, Egalite S. 531ff.; Ergec, Egalite S. 300ff. 103 Es finden sich hier u. a. die Begriffe "inegalite protectrice", "inegalite compensatrice" (Colliard, Institutions Rz 299), "droit compensateur de l'inegalite" (Lacharriere, influence S. 247); "discrimination positive" (Feuer / Cassan, developpement Rz 33); "participatory equality (Bulajic, Principles S. 298ff.). 104 Feuer / Cassan, developpement Rz 35; krit. Bulajic, Principles S. 55f.; ausführlich aus der Perspektive der Entwicklungsländer Benchikh, sous-developpement S. 64 - 110. 105 Dazu zählen der Verzicht auf Gegenseitigkeit in den wirtschaftlichen Bedingungen ebenso wie der Verzicht auf die Anwendung der Meistbegünstigung als einseitige Verpflichtung der Industriestaaten: Soweit sich also Entwicklungsländer untereinander besonders günstige Konditionen einräumen, haben die Industriestaaten nicht das Recht, auch ihrerseits davon zu profitieren. Im einzelnen dazu Flory, developpement S. 52ff.; Rivero, New Economic Order S. 15ff., 23ff., 34ff. 106 Colliard, principes S. 290ff. (Gleichheit als "principe but"); Flory, developpement S. 42, 52; ähnlich Lacharriere, influence S. 246f. Zur Begründung dieser Entwicklung wird - wie auch in der Diskussion um die Gleichberechtigung der Geschlechter - der Gedanke der Kompensation genannt: Die verzögerte Entwicklung der Entwicklungsländer sei von den Industriestaaten zu verantworten, jedenfalls aber profitierten sie davon. Auch unabhängig von einem "Verschulden" ergebe sich daraus die Verpflichtung zum Ausgleich (Bennouna, developpement S. 15f. und dezidiert Benchikh, sous-developpement S. 96ff. 107 Ebenso Flory, developpement S. 16ff.; Feuer / Cassan, developpement Rz 33ff.; krit. Lacharriere, influence S. 249, 258f. Diese Hinwendung zum Konkreten als Charakteristikum des Entwicklungsvölkerrechts betonen Colliard, specificite S. 179; Rivero, New Economic Order, S. 9.

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Die Hinwendung zu einer Berücksichtigung der sozialen Wirklichkeit als Bezugspunkt rechtlicher Gleichheit hat auch in den völkerrechtlichen Texten zum Verhältnis der Geschlechter eine zunehmende Offenheit gegenüber dem Konzept der umgekehrten Diskriminierung begünstigt. Schon in der ILO Convention No. 111 findet sich ein erster diesbezüglicher Hinweis 108 ; doch erst die Konvention von 1979 widmet den Mitteln zur Realisierung der Gleichstellung einige Aufmerksamkeit 109 und erkennt in unmißverständlicher Formulierung auch die umgekehrte Diskriminierung zur Frauenförderung als eine völkerrechtskonforme Handlungsform der Staaten an. Art. 4 Abs. 1 der Konvention bestimmt: "Adoption by State Parties of temporary special measures aimed at accelerating de facto equality ("l'instauration d'une egalite de fait") between men and women shall not be considered discrimination as defined in the present Convention, but shall in no way entail as a consequence the maintenance of unequal or separate standards; these measures shall be discontinued when the objectives of equality of opportunity and treatment have been achieved."

Mit dieser Bestimmung geht die Konvention - nach dem Vorbild der Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination 110 - über das Instrumentarium hinaus, das die früheren Texte zur Gleichberechtigung vorgesehen hatten. Gleichzeitig aber wird in mehrfacher Hinsicht deutlich, daß diese Aussage nicht als Selbstverständlichkeit zu betrachten ist, sondern daß umgekehrte Diskriminierung als ein systemfremdes Mittel zur Durchsetzung der Konventionsziele anzusehen ist und die Bewertung dieses Mittels daher ambivalent ausfällt: Die Zulässigkeit einer Politik der umgekehrten Diskriminierung ist zeitlich und sachlich beschränkt, denn sobald die Vertragsziele der Chancengleichheit und Gleichbehandlung erreicht sind, müssen Maßnahmen, die sich auf Art. 4 Abs. 1 der Konvention stützen, aufgehoben werden. Auch die rechtstechnische Form der Vorschrift - umgekehrte Diskriminierung "gilt" Art. 5 Abs. 1 der Convention; Nachw. und Wortlaut oben bei 4 c). Art. 2 - 5 stellen einen umfangreichen Katalog zusammen, der in den Art. 6ff. präzisiert wird. Dazu gehören gesetzgeberische Vorhaben bis hin zur Verfassungsänderung und der Einführung von Sanktionen ebenso wie die Beeinflussung kultureller und sozialer Verhaltensmuster oder die Beseitigung diskriminierender Gepflogenheiten und Praktiken (customs and practices) der Verwaltung, Art. 2 lit. f). Diese Bestimmung war ebenso wie der sogleich zu besprechende Art. 4 Abs. 1 während der Ausarbeitung des Textes umstritten - dazu McDougal / LassweIl / ehen, World Public Order S. 519 und McKean, Equality S. 190f. - obwohl schon in Art. 3c der ILO Convention No. 111 von 1958 und in Art. 3 ader Convention on Discrimination in Education entsprechende Regelungen enthalten sind. 110 Art. 1 Ziff. 4: "Special measures taken for the sole purpose of securing adequate advancement of certain racial . . . groups or individuals requiring such protection as may be necessary in order to ensure ... equal enjoyment or exercise of human rights ... shall not be deemed racial discrimination ... " Quelle: oben bei 3. Dazu Lerner, Commentary S. 45f.; Delbrück, Rassenfrage S. 63 und zur umgekehrten Diskriminierung S. I11ff., 179ft. Zu weiteren Vorläufern- Empfehlungen von ILO und UNESCO - McKean, Equality S. 187. 108 109

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nicht als Diskriminierung - macht deutlich, daß dieses Mittel sich in den Kanon der übrigen den Vertragsstaaten zur Verwirklichung der Chancengleichheit offenstehenden Möglichkeiten nicht ohne weiteres einfügt 111. Anders als in der Konvention gegen Rassendiskriminierung wird hier zudem eine denkbare Verpflichtung der Staaten, Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung zu ergreifen, nicht einmal angedeutet 112 • Im Unterschied zu der Vereinbarung von Präferenzen zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern ist die Haltung des Internationalen Rechts zur "inegalite compensatrice" als Abweichung vom menschenrechtlichen Gleichheitssatz damit von erheblicher Skepsis geprägt. Diese Einschätzung der umgekehrten Diskriminierung hat sich auch in der 1981 erarbeiteten Konvention Nr. 156 der ILO und der diese begleitenden Empfehlung Nr. 165 113 nicht geändert. Sie hat sich, im Gegenteil, eher noch verstärkt, denn die Bewertung der umgekehrten Diskriminierung als völkerrechtlich zulässig ist nicht in den Text der (verbindlichen) neuen Konvention aufgenommen worden, sondern ist lediglich - in fast wörtlicher Übernahme von Art. 4 Abs. 1 der Konvention von 1979114 - in der Empfehlung festgehalten worden. Diese Entwicklung zeigt, daß der Konsens, auf dem die Einstufung der umgekehrten Diskriminierung als völkerrechtlich zulässiges Mittel zur Durchsetzung der Gleichberechtigung beruht, noch nicht gefestigt ist. Die vorliegenden Texte geben jedoch die Richtung an, die die weitere Fortentwicklung des Internationalen Rechts nehmen wird 115 • 111 Dies wird auch daran deutlich, daß im Unterschied zu der Convention No. 111 hier die Ermächtigung zum Erlaß protektiver Mutterschutzvorschriften in Art. 4 Abs. 2 getrennt neben der umgekehrten Diskriminierung in Abs. 1 steht. Schon dies bringt zum Ausdruck, daß die beiden Alternativen einer Durchbrechung der Rechtsgleichheit zwar in ihrer Struktur ähnlich, in ihren sozialen Voraussetzungen und in ihrer rechtlichen Bewertung zu unterscheiden sind: Die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der umgekehrten Diskriminierung sind dementsprechend auf Abs. 2 der Vorschrift nicht anwendbar. 112 Die Formulierung in Art. 2 Ziff. 2 der Convention on the Elimination 01 All Forms 01 Racial Diserimination ist dagegen deutlicher ("State Parties shall take ... special and concrete measures ... "), wenn auch in keiner Weise eindeutig. Dazu MeKean, Equality S. 152ff. (158f.) und Greenberg, Discrimination S. 322f.; zum Verhältnis des Art. 2 Ziff. 2 zu Art. 1 Abs. 4 der Konvention gegen Rassendiskriminierung Lerner, Commentary S. 45f. Auch hinsichtlich der zeitlichen Begrenzung solcher Maßnahmen ist die Racial Convention Vorbild für die Konvention von 1979, Delbrüek, Rassenfrage S. 63. 113 ILO Convention No. 156 und Empfehlung Nr. 165 v. 23.6.1981, Quelle oben bei 4 d). 114 Ziff. 8 Abs. 2 der Empfehlung bestimmt, daß während einer Übergangszeit "Sondermaßnahmen mit dem Ziel, die tatsächliche Gleichheit zwischen männlichen und weiblichen Arbeitnehmern zu erreichen, nicht als diskriminierend angesehen werden (sollten)" . 115 Den Empfehlungen der ILO fehlt zwar die verbindliche Kraft einer vertraglichen Norm, doch haben sie die Funktion, verbindliche Texte vorzubereiten und Standards aufzustellen, die den Staaten als Orientierung dienen sollen, Valtieos, ILO S. 364.

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Die in den behandelten Texten zum Ausdruck kommenden Vorbehalte gegenüber einer Abweichung vom menschenrechtlichen Gleichheitssatz bestimmen auch das Ausmaß der Verpflichtungen, die den Vertragsstaaten auferlegt sind: Die Bundesrepublik Deutschland hat als Mitgliedstaat der Konvention von 1979 die Möglichkeit, eine Politik der umgekehrten Diskriminierung zur Frauenförderung zu betreiben, ohne sich dem Vorwurf völkerrechtswidrigen Verhaltens auszusetzen. Sie darf darüber hinaus nicht gegen die Einführung von Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung in einem anderen Vertragsstaat mit dem Hinweis auf das menschenrechtliche Diskriminierungsverbot vorgehen. Sie hat überdies die Pflicht, dem Gebot der Chancengleichheit, so wie es von der Konvention definiert wird, in ihrem innerstaatlichen Rechtsraum zur Geltung zu verhelfen; dies hat nach den oben angeführten Überlegungen 116 auch das verfassungsrechtliche Gebot zur Folge, bei der Auslegung des Art. 3 Abs. 2 GG die Konventionsziele zu achten. Es besteht jedoch keine - verfassungsrechtliche oder völkerrechtliche Verpflichtung, die innerstaatliche Rechtsordnung der Bundesrepublik so umzugestalten, daß auch ihr nationales Recht eine Anwendung der umgekehrten Diskriminierung zuließe. Eine in dieser Frage möglicherweise bestehende Inkongruenz des nationalen und des Internationalen Rechts muß daher nicht beseitigt werden ll7 - eine Problemstellung, die der deutsche Gesetzgeber bei der Beratung des Abkommens allerdings nicht einmal gesehen hat 118 • Die Bundesrepublik Deutschland ist daher nicht gehindert, die völkerrechtliche Konzeption in ihrem innerstaatlichen Recht zu verankern, ohne die Möglichkeit der umgekehrten Diskriminierung als Ausnahme vorzusehen. Sie kann im Gegenteil solche nationalen Vorschriften bestehen lassen oder sogar neu schaffen, die dieses Element ausdrücklich für unzulässig erklären. Die Feststellung der Völkerrechtskonformität der umgekehrten Diskriminierung in Art. 4 Abs. 1 der Konvention wirkt damit - anders als die übrigen Vertragsbestimmungen, die vertragliche Pflichten begründen - nur mit geringer Intensität in den Bereich des nationalen Rechts hinein: die Vertragsstaaten sollen nicht dazu verpflichtet sein, ihr innerstaatliches Recht einer konzeptionsfremden Ausnahmeregelung zu öffnen. Damit hat sich die eingangs dieser ÜberOben 11. Ob eine Inkongruenz zwischen der völkerrechtlichen und der innerstaatlichen Regelung überhaupt besteht, wird erst bei der Erörterung der einschlägigen Verfassungsnormen, insbesondere des Art. 3 Abs. 2 GG, festzustellen sein. 118 In der parlamentarischen Debatte anläßlich der Ratifikation der Konvention von 1979 ist die Frage der umgekehrten Diskriminierung nicht zur Sprache gekommen; lediglich die Denkschrift (BT-Ds. 10/955, S. 22) erwähnt Art. 4 der Konvention, ohne allerdings auf das Problem der umgekehrten Diskriminierung einzugehen. Die parlamentarische Debatte über den Konventionstext bewegt sich auf einem Niveau, das nicht als sachbezogen bezeichnet werden kann (BT-Prot. 10/67, S. 4639ff.). Die einzige Ausnahme bildet eine kritische Erklärung in BR-Prot. Nr. 528, S. 413, die jedoch ebenfalls nicht ins Detail geht und die entscheidende Frage nicht erwähnt. Vgl. den Nachw. der weiteren Materialien oben bei 4 d). 116 117

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legungen zum Internationalen Recht geäußerte Skepsis über die Ergiebigkeit des Völkerrechts für unser Thema nur teilweise bestätigt: Es gibt eine ausgearbeitete Konzeption der Gleichberechtigung im Internationalen Recht, die von reicher normativer Substanz ist und die der Verfassungsauslegung als Richtschnur zu dienen hat. Die Interpretation des Art. 3 Abs. 2 GG wird andererseits nicht so weit eingeengt, daß die Entscheidung über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der umgekehrten Diskriminierung schon auf der Ebene des Internationalen Rechts eindeutig präjudiziert wäre. 11. Europäisches Gemeinschaftsrecht

Auch das Europäische Gemeinschaftsrecht richtet sich, intensiver noch als das Völkerrecht, mit dem Anspruch an die Mitgliedstaaten der Gemeinschaften, sich bis in den innerstaatlichen Rechtsraum hinein durchzusetzen 119 , und auch auf europäischer Ebene hat das Verlangen nach rechtlicher und tatsächlicher Gleichstellung der Geschlechter in vielfältiger Form Ausdruck gefunden: Das Gemeinschaftsrecht verpflichtet die Mitgliedstaaten auf das Ziel der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Frauen und Männern und nimmt auch zum Problem der umgekehrten Diskriminierung Stellung. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau hat allerdings bei der Ausarbeitung der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften 120 noch keine Rolle gespielt. Selbst Art. 119 EWGV, der den Grundsatz der Lohngleichheit im Vertrag verankert, ist ursprünglich nicht als menschenrechtlicher Gleichheitssatz - gar zum Schutz der Frauen -, sondern als Schranke gegen Wettbewerbsverzerrungen infolge der Beschäftigung unterbezahlter weiblicher Arbeitskräfte geschaffen worden 121 • Die Gleichberechtigung wurde lange Zeit hindurch lediglich als eine von vielen sich im Rahmen der Sozialpolitik und im Zusammenhang mit den Bemühungen um Vollbeschäftigung stellenden Fragen behande1t1 22 ; auch das Sozialpolitische Aktions119 Die Struktur des Europäischen Gemeinschaftsrechts und damit auch die Möglichkeit, es im innerstaatlichen Raum zur Geltung zu bringen, sind freilich von der Struktur des Völkerrechts verschieden. Soweit die Eigenart des Gemeinschaftsrechts für die hier untersuchte Frage von Bedeutung ist, soll sie unten bei 3. behandelt werden. 120 Die folgende Darstellung beschränkt sich auf das Recht der EWG, da sich die Gleichberechtigungsdiskussion stets auf Art. 119 EWGV und die zu seiner Konkretisierung ergangenen Normen bezieht. 121 Es ging um Bedenken Frankreichs aufgrund des erheblichen Lohngefälles zwischen Männem und Frauen in der Bundesrepublik Deutschland. Groeben / Bockh / Thiesing - Forman, EWGV Rz 4ff. zu Art. 119; Burrows, Women's Rights S. 192; Zuleeg, Arbeitsleben S. 7. Der EuGH geht von einer doppelten Zielrichtung aus, etwa Rs. 43/75 (Defrenne 11), Slg. 1976,455, Rz 11. Zur Stellung des Art. 119 EWGV im System des Vertrages und zu seiner Interpretationsgeschichte Desolre, L'Article 119 S. 219ff. 122 So wird beispielsweise erstmals im 14. Gesamtbericht der EG für 1980 die "Gleichbehandlung" als eigenes Stichwort geführt (S. 135). Insbesondere wenn man den Ent-

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programm von 1974123, das als erstes Dokument des gemeinschaftsrechtlichen Interesses am Thema der Gleichbehandlung von Frauen und Männern gelten kann, macht insofern keine Ausnahme 124 • Von diesem Ausgangspunkt hat sich das Gemeinschaftsrecht erst relativ spät entfernt, doch hat die Entwicklung einer modernen gemeinschaftsrechtlichen Konzeption zur Gleichstellung von Männern und Frauen von 1974 an trotz - oder wegen? - dieser lang andauernden Zurückhaltung nur wenige Jahre in Anspruch genommen. Neben Art. 119 EWGV sind in Erfüllung des erwähnten Aktionsprogramms von 1974 in den Jahren 1975 bis 1986 fünf Richtlinien des Rates getreten, die das Konzept der Gemeinschaft bestimmen 125 • Sie werden von zwei weiteren mittelfristigen Aktionsprogrammen flankiert und präzisiert, die sich ausschließlich mit der Gleichstellung der Geschlechter befassen 126 • Von Interesse sind schließlich noch mehrere die wicklungsstand auf der Ebene der Vereinten Nationen dagegenhält, muß man wohl von einer erheblich verzögerten Entwicklung sprechen. 123 Entschließung des Rates v. 21.1.1974, ABI. C 13/1 v. 12.2.1974; das Programm selbst ist abgedruckt in Bull. EG, Beil. 2/74. Die die Frauen betreffenden Passagen finden sich im Kapitel "Vollbeschäftigung und bessere Beschäftigungsmöglichkeiten" , Bull. EG, Beil. 2/74, S. 17ff. (18) sowie in den Aktionen 14, 114 und IIh der Anhänge. 124 Dies ist um so erstaunlicher, als der EWGV mit dem Berufs- und Wirtschaftsleben gerade diejenigen thematischen Bereiche zum Gegenstand hat, in denen sich Diskriminierung am deutlichsten zeigt und Gegenmaßnahmen daher besonders nahe liegen. 125 Richtlinie des Rates v. 10.2.1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen, 75/117IEWG, ABI. L 45/19 v. 19.2.1975 (aufgrund der Aktionen 14 und II~ des Aktionsprogramms); Richtlinie des Rates v. 9.2.1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen, 76/2071EWG, ABI. L 39/40 v. 14.2.1976; Richtlinie des Rates v. 19.12.1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit, 79/7/EWG, ABI. L 6/24 v. 10.1.1979; Richtlinie des Rates v. 24.7.1986 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit, 86/3781EWG, ABI. L 225/40 v. 12.8.1986; Richtlinie des Rates v. 11.12.1986 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit - auch in der Landwirtschaft - ausüben, sowie über den Mutterschutz, 86/613IEWG, ABI. L 359/56 v. 19.12.1986. Neuere Richtlinienvorschläge: ABI. C 309 v. 19.11.1987 S. 10 - 13 (Ergänzung der RI. 76/207); ABI. C 176 v. 5.7.1988 S. 5 - 7 (Beweislastregelung für Fragen der Entgeltgleichheit ). 126 "Neues Aktionsprogramm der Gemeinschaft zur Förderung der Chancengleichheit der Frauen 1982 - 1985", in Bull. EG Beil. 1/82 (dazu: Entschließung des Rates v. 12.7.1982 über die Förderung der Chancengleichheit, ABI. C 186/3 v. 21. 7.1982 sowie der Abschlußbericht der Kommission: "Bericht über die Umsetzung des neuen Aktionsprogramms der Gemeinschaft zur Förderung der Chancengleichheit für Frauen", KOM 86/204 endg.) "Chancengleichheit der Frauen. Mittelfristiges Programm der Gemeinschaft 1986 - 1990", in Bull. EG, Beil. 3/86, dazu: Zweite Entschließung des Rates v. 24.7.1986 zur Förderung der Chancengleichheit der Frauen, 86/C 203/02, ABI. C 203/2 v. 12.8.1986. Vgl. zur innerstaatlichen Umsetzung BT-Ds. 10/6340 S. 40ff.

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Bundesrepublik Deutschland betreffende Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)127, Entschließungen des Europäischen Parlaments zur Stellung der Frau in der Europäischen Gemeinschaft 128 sowie eine Empfehlung des Rates zur Förderung positiver Maßnahmen für Frauen von 1984129 . 1. Die konzeptioneUe Grundlage: Der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männem und Frauen

Ein mehrfacher grundlegender Wechsel in der Konzeption des Gemeinschaftsrechts zur Gleichstellung der Geschlechter hat - anders als im Völkerrecht 130 - nicht stattgefunden, auch wenn sich eine gewisse Entwicklung der Positionen vollzogen hat. Den Kern des gemeinschaftsrechtlichen Konzepts bildet der Grundsatz der Gleichbehandlung der Geschlechterl3l . Eine umfassende ausdrückliche Gewährleistung dieses Grundsatzes fehlt im primären Gemeinschaftsrecht allerdings 132 , denn in Art. 119 EWGV kommt er nur unvollkommen zum Ausdruck: Zwar soll diese Vorschrift - die zu den Grundlagen des Gemeinschaftsrechts gehöre - nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs in bestimmtem Umfang unmittelbar anwendbar sein und darüber hinaus Drittwirkung entfalten können l33 , doch soll sie andererseits eine streng auf das Problem der Entgeltgleichheit 134 beschränkte Sondervorschrift sein 135 . 127 Vor allem die parallel liegenden Rs 14/83 und 79/83 (Slg. 84, 1891 und 1921); Rs 248/83 (Slg. 85, 1459); dazu die Besprechungen von Zuleeg (als Prozeßvertreter der Bundesregierung in den Rs 14 und 79/83), Gleicher Zugang sowie ders., Arbeitsleben, und Bleckmann, Gleichbehandlung. Zusammenstellung aller wichtigen Entscheidungen in Kommission, Frauen S. 111ff., 133ff. 128 Etwa die Entschließungen des EP v. 9.3.1981, ABI. C 50/35 und v. 20.2.1984, ABI. C 46/42. 129 Empfehlung des Rates v. 13.12.1984, ABI. L 331/34 v. 19.12.1984; dazu den Kommissionsentwurf(KOM(84) 234 endg.), ABI. C 143/3 v. 30.5.1984. Zur institutionellen Entwicklung Beschluß der Kommission 821431EWG v. 9.12.1981, ABI. L 20/35 v. 28.1.1982 über die Einsetzung eines beratenden Ausschusses für die Chancengleichheit (in streng geschlechtsneutraler Formulierung). 130 Dazu oben I 4. 131 Zu den im folgenden Genannten noch Nielsen, Kvindearbejdsret S. 272ff. 132 Dazu Pernice, Grundrechtsgehalte S. 196ff.; sowie insgesamt die Arbeit von Feige, Gleichheitssatz. 133 Vor allem Rs 43/75 (Defrenne 11), Slg. 1976, 455, dazu Pernice, Grundrechtsgehalte S. 202; zu weiteren grundlegenden Entscheidungen Groeben 1 Boeckh 1 Thiesing - Forman, EWGV Fn. 9 zu Art. 119, sowie umfassend Desolre, L'Artic1e 119. Für die Frage der umgekehrten Diskriminierung ist die Rechtsprechung des EuGH allerdings bisher unergiebig. 134 Zur Lohngleichheit Burrows, Women's Rights S. 192ff. Die Entgeltdefinition des Art. 119 Abs. 2 EWGV ist dem Art. 1 (a) der 1LO Convention No. 100 (oben I4c) entnommen. 135 Rs 149/77 (Defrenne III), Slg. 78, 1365 (1378, Rz 19/23). Kritisch dazu die Anmerkung Pernice, Gleichbehandlung S. 410ff. (412f.) sowie Burrows, Women's Rights S. 192ff. (196f.).

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Der Grundsatz der Gleichbehandlung ist jedoch - zunächst als ungeschriebener Rechtsgrundsatz, der sich lediglich an die Gemeinschaftsorgane wandte 136 - im Laufe der legislatorischen Tätigkeit der Gemeinschaft und der sie begleitenden Äußerungen des Gerichtshofes über diesen begrenzten Ausgangspunkt hinaus entfaltet worden; er findet heute auf alle wesentlichen Bereiche des beruflichen Lebens Anwendung. Einen ersten Schritt in diese Richtung stellt die Erweiterung des Art. 119 EWGV durch die Richtlinie 75/117137 dar, die die Vorschrift auf die Gewährleistung gleichen Lohns für "gleichwertige" Arbeit ausgedehnt und die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet hat, bei Verstößen den Rechtsweg zu eröffnen. Doch auch diese thematisch noch beschränkte Erweiterung vermochte dem im Anwendungsbereich der Verträge zutage tretenden Gleichheitsdefizit nicht umfassend zu begegnen. Erst die Richtlinie 76/207 hat den Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen umfassend und für die Mitgliedstaaten verbindlich formuliert; sie ist die wichtigste normative Grundlage für alle Fragen der Gleichstellung und hat durch spätere Texte der Gemeinschaft Bestätigung und nochmalige Ausweitung erfahren. Nach ihrem Art. 1 hat sie zum Ziel, die Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Berufszugang, im Bereich der Ausbildung und des beruflichen Aufstiegs sowie für das gesamte Feld der Arbeitsbedingungen und der sozialen Sicherheit zu verwirklichen. Die Konkretisierung dieses Vorhabens für den normativ besonders schwierigen Bereich der sozialen Sicherheit und die Ausdehnung des Grundsatzes auf selbständige Erwerbstätige waren die Themen der drei späteren Richtlinien zur Gleichstellung 138 • Daneben enthält sie die üblichen Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot 139 , doch wird gerade hiet; deutlich, daß sich das Gemeinschaftsrecht nicht auf den Boden der überkommenen, auch im Völkerrecht ursprünglich vorherrschenden Einstufung der Frauen als schutzbedürftige Gruppe stellt, deren wesentliches Charakteristikum eine protektiv verstandene Ungleichheit ist l40 . Die Richtlinie bringt im Gegenteil ein modernes Gleichheitskonzept zum Ausdruck, das vielfach bis ins Detail dem Modell entspricht, das gleichzeitig auch in der UN Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women Ausdruck gefunden hat 141 ; so Dazu Pernice, Gleichbehandlung S. 411f. Kritisch zum Ertrag der Richtinie Groeben / Boeckh / Thiesing - Forman, EWGV Rz 8ff., aber auch Rz 11 zu Art. 119. Ergänzende Maßnahmen werden auch vom Europäischen Parlament gefordert, Entschließung von 1981, Ziff. 2a - c, 3, 4. 138 Nachweise oben 11. vor 1. Auch die obengenannten Entschließungen des Europäischen Parlaments gruppieren sich um diesen zentralen Text. 139 So wird anerkannt, daß gewisse Tätigkeiten zwingend an das Geschlecht des Bewerbers gebunden sein können und daß Vorschriften zum Schutz der Frauen, insbesondere während Schwangerschaft und Mutterschaft, keine Diskriminierung darstellen, Art. 2 Abs. 2, Abs. 3. Diese Ausnahmen sind allerdings teilweise recht unbestimmt formuliert. 140 Zu dieser Konzeption oben 14a. 136 137

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verpflichtet sie die Mitgliedstaaten beispielsweise dazu, die Berechtigung geschlechtsspezifischer Ausnahmebestimmungen regelmäßig zu überprüfen l42 ; Schutzmaßnahmen sind nach Möglichkeit neutral zu formulieren und auf die wirklich schutzbedürftigen Gruppen von Frauen zu beschränken 143 • Die Richtlinie definiert den Grundsatz der Gleichbehandlung als das Verbot unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung au/grund des Geschlechts l44 , ohne jedoch den etwas undeutlichen terminus der mittelbaren Diskriminierung näher zu bestimmen l45 . Durch die Auslegung der Richtlinie im Lichte der nachfolgenden Gemeinschaftspraxis läßt sich diese Unklarheit freilich ausräumen - der Begriff der mittelbaren Diskriminierung ist als Umgehungsverbot aufzufassen l46 , das die Realisierung der Gleichbehandlung in jede Richtung absichern soll - und die pleonastisch anmutende Bestimmung des Gleichbehandlungsgebots durch die Richtlinie mit Inhalt füllen: Schon die Entschließung des Europäischen Parlaments von 1981 hebt in Anlehnung an die Terminologie der UN Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women hervor, daß "jede Form VOn Diskri141 Der Vorbildcharakter der UN Convention wird daran deutlich, daß der Entstehungsprozeß dieser Convention wesentlich weiter zurückreicht als die Vorgeschichte der EG-Richtlinien: Die seit 1966 vorliegenden Texte bei Taubenfeld, Discrimination Vol. 2 I lit. A; die Draft Convention von 1974 noch bei Maier, Dokumente Dok. 10. 142 Art. 9 Abs. 2 zu Art. 2 Abs. 2; Art. 3 Abs. 2c, 5 Abs. 2c, 9 Abs. 1 Satz 2 zu Art. 2 Abs. 3. Kritisch dazu Gamillscheg, Frauenarbeitsschutz S. 215. Zu der Frage oben I 4 d). 143 In aller Deutlichkeit kommt das erst in den späteren, die Richtlinie ergänzenden Texten zum Ausdruck: Aktionsprogramm 1982 - 1985 Ziff. 3 (BulI. EG Beil. 1/82); Aktionsprogramm 1986 - 1990 Ziff. 23 lit. g (BulI. EG Beil. 3/86); Stellungnahme des EP von 1981, ABI. C 50/35, Ziff. 40ff.; Entschließung des EP von 1984, ABI. C 46/42, Ziff. 12f.; abweichend die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses, ABI. C 178/22 (S. 26). Zu der parallelen Problematik im Völkerrecht oben 14 d). Die Kommission hat die Realisierung dieser Konzeption zu überwachen; die diesbezüglichen Aktivitäten werden im jährlichen Gesamtbericht der EG festgehalten. Vgl. i. Ü. Groeben / Boeckh / Thiesing - Forman, EWGV Rz 7ff. zu Art. 119. 144 Art. 2 Abs. 1 Rl 76/207, AB!. L 39/40 v. 14.2.1976. Die Umsetzung ins deutsche Recht soll das erst unter dem Druck eines eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens erlassene Arbeitsrechtliche EG-Anpassungsgesetz v. 13.8.1980, BGB!. I S. 1308Ieisten. Daß dies nicht vollständig gelungen ist, hat schließlich der EuGH in Rs 248/83, Slg. 1985, 1459 festgestellt. 145 Im begleitenden Schrifttum wird dazu auf die Definition des britischen Sex Discrimination Act 1975 verwiesen, nach der eine mittelbare Diskriminierung dann vorliegt, wenn scheinbar neutrale Anforderungen oder Bedingungen so formuliert werden, daß sie zwar auf männliche und weibliche Arbeitnehmer angewendet werden können, typischerweise jedoch nur für Bewerber eines Geschlechts problematisch werden (Körpergewicht, Größe usw.). Dazu Dix, Gleichberechtigung S. 147ff. Zur Rspr. des EuGH Kommission, Frauen S. 111ff.; krit. Grabitz-Jansen, EWGV Rz 19f. zu Art. 119. Etwas deutlicher jetzt EuGH NZA 1986, S. 599 (Rs 170/84, Entscheidung v. 13.5.1986), dazu Pfarr, Mittelbare Diskriminierung. 146 Ebenso Jansen, Grundrechtsschutz S. 247; krit., dabei freilich ohne eigene Interpretation, Pfarr, Europäische Gemeinschaft S. 21.

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minierung" unzulässig sei, und daß deshalb "nicht nur die rechtlichen Ungleichheiten. . ., sondern auch die strukturellen Hindernisse" zu beseitigen seien 147 . In gleicher Argumentationsrichtung betont auch die Entschließung des Europäischen Parlaments zur Situation der Frau in Europa von 1984 - die sich im übrigen besorgt über die allzu langsam voranschreitende Entwicklung zeigt -, daß vorrangiges Ziel der Gemeinschaft die "Verwirklichung einer echten Chancengleichheit" sein müsse 148 . Auch das Aktionsprogramm 1982 - 1985 sowie die dazu abgegebene Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozial ausschusses 149 halten wiederholt fest, daß Diskriminierungen nicht allein auf Rechtsvorschriften beruhen und daß es daher erforderlich ist, neben die Rechtsgleichheit die reale Möglichkeit ihrer Wahrnehmung zu stellen 150 - nicht nur die Rechtsvorschriften, sondern auch ihre Anwendung in der Praxis müssen mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz übereinstimmen i51 . Auch der EuGH schließlich geht davon aus, daß die Richtlinie das Ziel verfolgt, "in den Mitgliedstaaten den Grundsatz der Gleichbehandlung . . . insbesondere dadurch zu verwirklichen, daß den Arbeitnehmern ... tatsächliche Chancengleichheit beim Zugang zur Beschäftigung gewährleistet wird"152. Diese Praxis der Gemeinschaftsorgane bestätigt, daß der Grundsastz der Gleichbehandlung von Frauen und Männern die tragende Grundlage des gemeinschaftsrechtlichen Gleichstellungskonzepts darstellt. Er ist als Ziel der Richtlinie 76/ 207 formuliert 153, doch verfolgt er seinerseits das übergeordnete Ziel, über den Abbau rechtlicher Diskriminierung die "Angleichung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitskräfte"154 und damit - ohne diesen heimlichen Schlüsselbegriff aller gemeinschaftsrechtlichen Aussagen zum Verhältnis von Ziff. 1 und 13 der Entschließung des EP v. 9.3.1981, ABI. C 50/35. Entschließung v. 20.2.1984, ABI C 46/42 (Hervorhebung nicht im Original), Nr. 2b, 4, 6a. 149 Aktionsprogramm BuH. EG Beil. 1182; die Stellungnahme vom 28.129.1.1982 in ABI. C 178/22 v. 15.7.1982. 150 Deutlich wird dies schon am formalen Aufbau des Aktionsprogramms in einen Teil, der sich mit der Stärkung der Rechte der Beteiligten befaßt, und einen zweiten Teil, der die "Verwirklichung der Chancengleichheit in der Praxis ... " beabsichtigt (Anhang Aktionen 1ff. und 9ff.). Vgl. i. ü. beispielsweise Ziff. 14 und 19 des Programms sowie Ziff. 1 (S. 23) u. passim der Stellungnahme (Quellen siehe vorige Anm.). 151 So ausdrücklich die Kommission in Kommission, Frauen S. 34. 152 Rs 14/83, Slg. 74, S. 1891, Rz 17 (Hervorhebung nicht im Original); ebenso die ParaHelsache 79/83. Daß hier nur der Zugang zur Beschäftigung erwähnt ist, liegt an dem zu entscheidenden Sachverhalt; die Richtlinie geht natürlich darüber hinaus. 153 Als Ziel der Richtlinie muß er schon wegen Art. 189 Abs. 3 EWGV formuliert werden; denn nur an das Ziel einer Richtlinie sind die Mitgliedstaaten umfassend gebunden. Dies ändert jedoch nichts daran, daß die Wahl der Begriffe Ziel und Mittel in Art. 189 Abs. 3 EWGV wenig glücklich ist, da jedes Ziel seinerseits nur Mittel zur Realisierung eines höherstufigen Zieles ist, so daß sich diese termini schon begriffslogisch kaum voneinander trennen lassen. Zu dem Problem nur Oldekop, Richtlinien S. 106ff., 122ff.; Bleckmann, Europarecht S. 69f. 154 3. Erwägg. der Präambel sowie Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie. 147

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Frauen und Männern im Richtlinientext an zentraler Stelle zu nennen - die Chancengleichheit von Frauen und Männern zu verwirklichen i55 . Nicht entschieden ist damit freilich die Frage, mit weIchen Mitteln dieses Ziel erreicht werden soll. 2. Umgekehrte Diskriminierung zur Frauenförderung im Europäischen Gemeinschaftsrecht

Auch in der Frage, ob die Gleichstellung von Frauen und Männern mit Hilfe einer Politik der umgekehrten Diskriminierung angestrebt werden darf, lehnt sich das Gemeinschaftsrecht eng an die Entwicklung im Völkerrecht an. Die Richtlinie 76/207 steht nach ihrem Art. 2 Abs. 4 "nicht den Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit für Männer und Frauen, insbesondere durch Beseitigung der tatsächlich bestehenden Ungleichheiten, die die Chancen der Frauen in den in Artikel 1 Absatz 1 genannten Bereichen beeinträchtigen, entgegen."

In ähnlicher Formulierung bestätigt auch die spätere Richtlinie 79/7, daß die Mitgliedstaaten "zugunsten der Frauen besondere Bestimmungen erlassen (können), um die tatsächlich bestehenden Ungleichheiten zu beseitigen"156. Die bei den im Jahre 1986 entstandenen Richtlinien allerdings nehmen das Thema der umgekehrten Diskriminierung nicht erneut auf, und auch in den die Richtlinien begleitenden Gemeinschaftsakten - insbesondere in den Aktionsprogrammen zur Förderung der Chancengleichheit und in der Ratsempfehlung "zur Förderung positiver Maßnahmen für Frauen" von 1984 - findet sich keine eindeutige Empfehlung zugunsten einer Politik der umgekehrten Diskriminierung. Die Stellungnahme des Gemeinschaftsrechts zu diesem Thema ist daher von zwei gegenläufigen Tendenzen gekennzeichnet: Auf der einen Seite stellen die Richtlinien 76/207 und 79/7 klar, daß die Mitgliedstaaten die Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Wege einer rechtlichen Vorzugsbehandlung der Frauen anstreben dürfen, ohne sich dem Vorwurf gleichheitswidrigen Verhaltens auszusetzen - umgekehrte Diskrimi155 So ausdrücklich die Empfehlung des Rates v. 13.12.1984 zur Förderung positiver Maßnahmen für Frauen, ABI. L 331/34, 1. Erwägg. d. Präambel. Der Begriff der Chancengleichheit wird lediglich zu Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie 76/207 genannt; seine besondere Bedeutung für das Gemeinschaftsrecht ergibt sich aus der Tatsache, daß er in allen begleitenden Rechtsakten eine Schlüsselrolle spielt: Neben den schon mehrfach genannten Aktionsprogrammen und Ratsentschließungen sowie der Ratsempfehlung zur Förderung positiver Maßnahmen von 1984 (Nachw. oben II vor 1) ist noch die Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Minister für das Bildungswesen v. 3.6.1985 (zur Förderung der Chancengleichheit für Mädchen und Jungen im Bildungswesen), 85/C 106/01, zu nennen (die sich u. a. ausdrücklich auf Art. 2 Abs. 4 der RI 76/ 207 stützt). 156 Rl des Rates v. 19.12.1978, 79/7/EWG, ABI. L 6/24, letzte Erwägg. d. Präambel (Hervorhebung nicht im Original).

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nierung wird als gemeinschaftsrechtskonformes Mittel zur Verwirklichung der Gleichstellung gebilligt. Der Wortlaut des Art. 2 Abs. 4 RI 76/207 ist zwar in dieser Hinsicht nicht eindeutig, denn Maßnahmen zur "Beseitigung der tatsächlich bestehenden Ungleichheiten" sind auch in einer die Rechtsgleichheit wahrenden Struktur denkbar. Doch aus dem Zusammenhang der Norm ergibt sich, daß sie dennoch als Rechtfertigung (rechts- )gleichheitsdurchbrechender Maßnahmen gewertet werden kann l57 : Gleichheitswahrende Fördermaßnahmen nämlich bedürften in der Richtlinie überhaupt keiner Erwähnung, da sie mit dem Diskriminierungsverbot nicht kollidieren - Art. 2 Abs. 4 wäre daher ohne jede Funktion, wenn er nicht gerade Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung erfassen wollte l58 . Auf der anderen Seite aber spricht aus den Formulierungen des Gemeinschaftsrechts ein deutliches Unbehagen an dem Vorschlag, die Gleichstellung der Geschlechter durch Ungleichheit im Recht zu erreichen: So betonen zwar alle einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Texte in steter Wiederholung die grundsätzliche Notwendigkeit "positiver Maßnahmen" zur Herstellung der Chancengleichheit und erläutern diesen Begriff in zahlreichen Beispielen i59 . Doch an keiner Stelle findet sich eine ausdrückliche Empfehlung gleichheitsdurchbrechender positiver Maßnahmen - die einzige im Hinblick auf umgekehrte Diskriminierung aussagekräftige Formulierung, die die Kommission im Entwurf der Ratsempfehlung vorgesehen hatte ("Vorgabe von Richtzielen für die Einstellung"), wurde im endgültigen Text der Empfehlung wieder abgeschwächt ("Förderung der Bewerbung, der Einstellung ... von Frauen")I60. Auch das Aktionsprogramm 1982 - 1985 verweist in seiner Empfehlung der "verschiedene(n) Formen der positiven Aktion"161 zwar ausdrücklich auf nordamerikanische und skandinavische Vorbilder und damit auf die Rechtfertigung "gleichheitswidriger" Maßnahmen; auch hier aber überwiegt im übri157 Die Stellungnahme der beteiligten Organe zu dieser Frage (Stellungnahmen des EP, ABI. C 111/14 v. 20.5.1975, und des Wirtschafts- und Sozialausschusses, ABI. C 286/8 v. 15.12.1975) sind freilich unergiebig. 15S Zum gleichen Ergebnis kommen Grabitz - Jansen, EWGV Rz 17 zu Art. 119; Nielsen, Kvindearbejdsret S. 283; Gamillscheg, Diskussionsbeitrag in: Linck, LeibholzSymposion, S. 81; ders., Frauenarbeitsschutz S. 218; Hanau, Quotierung S. 43 (anders noch ders., umgekehrte Diskriminierung S. 196f.: Inhalt und Bedeutung seien unklar); Pfarr, Europäische Gemeinschaft, S.21, 22; Garbe-Emden, Gleichberechtigung S.163. 159 Vor allem Empfehlung des Rates v. 13.12.1984 zur Förderung positiver Maßnahmen für Frauen, ABI. L 331/34 v. 19.12.1984; Entwurfder Kommission in ABI. C 143/3 v. 30.5.1984. Daneben noch Ziff. 5 und 19 sowie Aktion 9 des Aktionsprogramms 1982 - 1985 (BulI. EG, Beil. 1/82); S. 27 der Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses dazu (ABI. 1982 C 178/22); schließlich auch im Aktionsprogramm 1986 1990, z. B. Ziff. 23 (BulI. EG, Beil. 3/86), sowie Entschl. EP 1984, Ziff. 22 - 26 (ABI. C 46/42). 160 Ziff. 4e des Entwurfs gegenüber Ziff. 4 Abs. 6 der Empfehlung. Hervorhebung nicht im Original. 161 Ziff. 5 des Aktionsprogramms 1982 - 1985 (BulI. EG Beil. 1/82).

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gen die Scheu vor konkreten Vorschlägen und Begriffsbestimmungen im Zusammemhang mit "positiven Maßnahmen". Das Mittelfristige Programm 1986 - 1990 zieht sich schließlich, mit wenigen Ausnahmen, wieder auf das Instrumentarium der traditionellen Sozialpolitik zurück, ohne die Möglichkeit gleichheitsdurchbrechender Maßnahmen zur Herstellung der Chancengleichheit an zentraler Stelle zu erwägen 162 • Alle Texte lassen damit übereinstimmend erkennen, daß eine rechtliche Ungleichbehandlung von Frauen und Männern zur Realisierung der Gleichstellung in der sozialen Wirklichkeit stets einen systemfremden Ausnahmezustand bedeutet. Eine Politik der umgekehrten Diskriminierung stößt daher zwar nicht auf durchgreifende rechtliche Bedenken, doch ist ihr Einsatz aus der Sicht des gemeinschaftsrechtlichen Konzepts weitestmöglich zu begrenzen 163 • Deshalb ist es folgerichtig, daß die genannten Richtlinien den Mitgliedstaaten lediglich die Befugnis einräumen, eine Politik der umgekehrten Diskriminierung zu betreiben - weder erheben sie diesen Weg zur Realisierung der Gleichstellung zu einem verbindlichen Ziel der Gemeinschaft noch verpflichten sie gar die Mitgliedstaaten, ihn auf nationaler Ebene zu gehen. 3. Die Konsequenzen für die innerstaatliche Rechtsordnung der Mitgliedstaaten

Die wichtigsten Aussagen des Gemeinschaftsrechts zur Frauenfrage finden sich in den genannten Richtlinien, denn Art. 119 EWGV spielt in der gemeinschaftsrechtlichen Konzeption thematisch nur eine Nebenrolle, und die zahlreichen Entschließungen, Empfehlungen und Programme der Gemeinschaftsorgane zu der Frage ergänzen und präzisieren die Richtlinien zwar, fügen ihnen jedoch keine neuen - und vor allem: keine für die Mitgliedstaaten verbindlichen - Elemente hinzu. Diese Feststellung ist für die Antwort auf die abschließende Frage nach den Konsequenzen der gemeinschaftsrechtlichen Konzeption für das innerstaatliche Recht der Bundesrepublik Deutschland von Bedeutung 163a , denn die besondere rechtliche Struktur der gern. Art. 189 Abs. 3 EWGV erlassenen Richtlinien hat eine abgestufte Bindung der Mitgliedstaaten zur Folge: Die Bundesrepublik Deutschland ist danach zwar dazu verpflichtet, den Grundsatz der Gleichbehandlung von Frauen und Männern zur Verwirklichung der Chancengleichheit in ihrem nationalen Rechtsraum durchzusetzen, und sie ist auch gehalten, dieses Ziel durch effektive Maßnahmen zu för162 "Positive Aktionen" werden nur an wenigen Stellen erwähnt, etwa Nr. 22b, 23c, d. 163 Ebenso Burrows, Women's Rights S. 204 bei Anm. 27,208. 163. Zur Effektivität der europäischen Vorschriften im Rahmen der nationalen Rechtspraxis - zwischen Resignation und Hoffnung schwanken - Kerstein, Beitrag, passim, und Pfarr, Europäische Gemeinschaft S. 20ff.

II. Europäisches Gemeinschaftsrecht

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dern l64 ; ihre gemeinschaftsrechtliche Pflicht kann sich sogar auf die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des deutschen Verfassungsrechts erstrekken, falls dieses dem Ziel der Richtlinie" im Wege steht 165 • Im einzelnen aber ist der Weg zu diesem Ziel nicht vollständig festgelegt l66 - Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie 76/207 stellt ein Angebot an die Mitgliedstaaten dar, erlegt ihnen jedoch keine Pflicht auf, es zu nutzen 167 • Die Bundesrepublik Deutschland hat dieses Angebot nicht genutzt; freilich hat der Gesetzgeber es, wie schon im Falle der UN Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, bei der Umsetzung der Richtlinie offenbar nicht einmal gesehen 168 • Dieses Ergebnis läßt - angesichts des im Vergleich zu völkerrechtlichen Verpflichtungen besonders intensiven Geltungsanspruchs des Gemeinschaftsrechts - eine letzte Frage unbeantwortet: Nach den bisherigen Überlegungen steht es den Mitgliedstaaten frei, umgekehrte Diskriminierung - die gemeinschaftsrechtlich zwar nicht als geboten, aber doch als zulässig eingestuft wird durch Vorschriften ihres innerstaatlichen Rechts für schlechthin rechtswidrig zu erklären und damit die Konzeption der Gemeinschaft immerhin partiell zu unterlaufen. Demgegenüber ist zu erwägen, ob sich aus dem Gemeinschaftsrecht nicht zumindest eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten ableiten läßt, umgekehrte Diskriminierung als Handlungsmöglichkeit im innerstaatlichen Recht vorzusehen 169 , d. h. ihre Zulässigkeit auch für den innerstaatlichen Zuleeg, Zugang S. 328; EuGH Rs 8/81, Slg. 1982, 53 (70f.). Ein ähnlicher Hinweis bei Bleckmann, Gleichbehandlung S. 1577. Eine unüberschreitbare Schranke stellt sich dieser Pflicht erst dann in den Weg, wenn die europarechtskonforme Auslegung zur Aufgabe des identitätswahrenden, durch Art. 79 Abs. 3 GG umschriebenen, Kerns des GG führen würde. Diese absolute Grenze für das Einfließen von Gemeinschaftsrecht in das Verfassungsrecht betont nach BVerfGE 58, 1 (40ff.); 68, 1 (96) auch E 73,339 (375f. u. passim), d.h. die Entscheidung, die unter Aufgabe von BVerfGE 37, 271 die bisher europa"freundlichste" Äußerung des BVerfG darstellt. Aus der Lit. nur BK-Tomuschat, Zweitbearb. Art. 24, Rz 49ff.; Stern, Staatsrecht I, S. 535 ff. 166 Die für Art. 189 Abs. 3 EWGV charakteristische Schwierigkeit, Ziel und Mittel einer Richtlinie als relative Begriffe voneinander zu unterscheiden (dazu Oldekop, Richtlinie S. 106ft.; Weber, Richtlinien S. 60; für den gegenteiligen Standpunkt vor allem Schäfer, Richtlinie S. 3ft.) ist für dieses Ergebnis nicht von Bedeutung, denn es unterliegt keinem Zweifel, daß umgekehrte Diskriminierung jedenfalls nicht als das Ziel der Richtlinie bezeichnet werden kann. 167 In dieser Weise legt der EuGH Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie aus (Rs 248/83, Rz 36). Diese Sicht läßt sich auf den parallel liegenden Abs. 4 der Vorschrift übertragen. 168 Weder die Begründung in BT-Ds. 8/3317 noch die dort ebenfalls abgedruckte Stellungnahme des BR oder die Gegenäußerung der BReg erwähnen sie; ebenso in BTProt 8/225, S. 18238 - 18256 oder BR-Ds. 149175. Es ging stets um die Abwägung von Vertragsfreiheit (im Sinne des Arbeitgebers) und Gleichberechtigungsgebot in § 611a BGB (vgl. S. 6, 12 der BT-Ds. 8/3317). 169 Die Brisanz einer solchen Verpflichtung zeigt sich erst dann, wenn nicht der Gesetzgeber, sondern etwa private Arbeitgeber eine gleichheitsdurchbrechende 164

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2. Kap.: Internationales und Europäisches Gemeinschaftsrecht

Raum verbindlich zu akzeptieren, um so eine gemeinschaftsweite Angleichung der nationalen Rechtsordnungen in dieser wichtigen Frage zu erreichen. Eine solche Verpflichtung läßt sich auf die genannten Richtlinien allerdings nicht stützen, und auch die Vorschriften über die Rechtsangleichung führen hier nicht zu einer Lösung. Daher kommt zur Begründung einer derartigen Gemeinschaftspflicht allenfalls die aus Art. 5 EWGV abgeleitete - und über Art. 189 Abs. 3 EWGV hinausgehende 170 - Pflicht zur effektiven und einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts in Frage l7l , d. h. die Pflicht, alles zu unterlassen, was die angestrebte Rechtsgemeinschaft hindern kann. Dies würde die Bundesrepublik Deutschland vor die Notwendigkeit stellen, in der Frage der umgekehrten Diskriminierung Kongruenz zwischen dem nationalen und dem europäischen Recht herzustellen; das aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts wünschenswerte Ergebnis wäre eine homogene Rechtslage in der Gemeinschaft und allen Mitgliedstaaten, denn in keiner der beteiligten Rechtsordnungen dürfte die umgekehrte Diskriminierung als unzulässig gelten. Die Annahme einer solchen Homogenitätspflicht überdehnt jedoch die Reichweite des Art. 5 EWGV und verkehrt seine Funktion in ihr Gegenteil. Die Vorschrift geht zwar über die allgemeinen völkerrechtlichen Vertragspflichten hinaus und begründet selbständige Pflichten, die neben die vertraglich formulierten treten 172 ; sie kann sogar so weit gehen, unverbindlichen Gemeinschaftsakten in bestimmten Fällen verbindliche Wirkung beizulegen 173 . Sie will jedoch andererseits das differenzierte Gefüge der Verträge nicht vollständig aus den Angeln heben; sie ergänzt die Verträge, ersetzt sie aber nicht. Insbesondere Art. 189 Abs. 3 EWGV, der den Mitgliedstaaten bewußt einen weiten Spielraum in der Wahl der rechtlichen Mittel zur Durchsetzung der Gemeinschafsziele zugesteht 174 , darf durch Art. 5 EWGV nicht umgangen werden. Die Vorschrift hat als Generalklausel die Funktion, den Behandlung zur Realisierung faktischer Gleichheit praktizieren wollen: Art. 3 Abs. 2 dürfte ihnen - immer angenommen, daß er ohne Berücksichtigung gemeinschaftsrechtlicher Einflüsse ein solches Vorgehen untersagte - dann nämlich nicht entgegengehalten werden. 170 Grabitz, EWGV Rz 9 zu Art. 5; Groeben / Boeckh / Thiesing - Bleckmann, EWGV Rz 4 Art. 5 geht damit auch über die bloße Fixierung der Regel "pacta sunt servanda" hinaus; damit geht die Verpflichtung für die Bundesrepublik auch weiter als etwa im Falle der UN-Konvention zur Diskriminierung der Frau. Zu ungenau GarbeEmden, Gleichberechtigung ("zu berücksichtigen") S. 163. 171 Groeben / Boeckh / Thiesing - Bleckmann, EWGV Rz 5, 9 zu Art. 5; Söllner, Art. 5 EWGV S. 49ff. (76ff., 84f.); Beutler u. a., Gemeinschaft Kap. 3.2.2. (S. 80). 172 Söllner, Art. 5 EWGV S.6f.; Groeben / Boeckh / Thiesing - Bleckmann, EWGV Rz 3, 20 zu Art. 5. 173 Groeben / Boeckh / Thiesing - Bleckmann, EWGV Rz 16 zu Art. 5 rn. w. N. 174 Beutleru. a., Gemeinschaft Kap. 2.3.3. (S. 182); sowie die Nachw. soeben 11 2 a).

III. Ergebnis

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Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten nur dort einzuschränken, wo die Grenze zu einer Gefährdung der Gemeinschaftsziele überschritten wird 175 • Sie hindert aber Unterschiede der nationalen Rechtsordnungen nicht 176 , denn die Verträge selbst bezeichnen die Bereiche, in denen solche Unterschiede nicht mehr toleriert werden sollen. Die Gemeinschaftsorgane haben die Möglichkeit, durch die Wahl einer entsprechenden Rechtsform die Vereinheitlichung voranzutreiben. Soweit dies nicht geschehen ist 177 , darf diese Entscheidung nicht unter Berufung auf Art. 5 EWGV umgestürzt werden. Auch Art. 5 EWGV begründet daher keine Pflicht der Mitgliedstaaten, ihre Rechtsordnung so umzugestalten, daß Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung ohne Rechtsverstoß praktiziert werden können. III. Ergebnis

Umgekehrte Diskriminierung stellt aus der Sicht des Völker- ·und Europarechts eine zulässige Handlungsform der Staaten dar. Insbesondere in einer Situation gravierender tatsächlicher Ungleichheit vermag sich die egalisierende Funktion des Rechts nicht zu entfalten - als eine denkbare Lösung für dieses Dilemma findet die Konzeption der umgekehrten Diskriminierung ihre Berechtigung. Dennoch begegnen sowohl die völkerrechtlichen als auch die gemeinschaftsrechtlichen Texte dieser Konzeption mit deutlicher Zurückhaltung: Sie sehen sie als ein - im Kontext der Menschenrechte - systemfremdes Instrument der Rechtsdurchsetzung an und formulieren deshalb in diesem Zusammenhang keine weitgehenden Forderungen an die Staaten. Die Bundesrepublik Deutschland, die sich durch die Ratifikation der Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women und aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu den Europäischen Gemeinschaften an die wichtigsten internationalen Texte zur Frauenfrage gebunden hat, ist daher befugt, eine Politik der umgekehrten Diskriminierung zu verfolgen, ohne den Vorwurf völkerrechtswidrigen Handeins auf sich zu ziehen oder gegen europäisches Gemeinschaftsrecht zu verstoßen; sie ist zu einer solchen Politik jedoch weder verpflichtet noch ist ihr die Berufung auf verfassungsrechtliche Einwände gegen die umgekehrte Diskriminierung grundsätzlich verwehrt: Aus den internationalen und europäischen Normen ergibt sich für sie insbesondere nicht die Pflicht, ihre innerstaatliche Rechtsordnung so umzugestal175 Groeben / Boeckh / Thiesing - Bleckmann, EWGV Rz 10 zu Art. 5; Grabitz, EWGV Rz 6 zu Art. 5. 176 So auch Groeben / Boeckh / Thiesing - Bleckmann, EWGV Rz 13 zu Art. 5. 177 Das Europäische Parlament hat in seiner Stellungnahme von 1981, Ziff. 11 (ABI. C 50/35) betont, daß die Mitgliedstaaten nicht auf ein Modell zur Verwirklichung der Gleichberechtigung festgelegt werden sollen. Die Richtlinie ist i. Ü. ein differenziertes Instrument, das eine genaue Abstufung des Maßes an Freiheit erlaubt, die den Mitgliedstaaten bei der Realisierung verbleiben soll.

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2. Kap.: Internationales und Europäisches Gemeinschaftsrecht

ten, daß umgekehrte Diskriminierung auch in diesem Rahmen ohne Rechtsverstoß praktiziert werden kann. Auf der anderen Seite aber ist die Bundesrepublik Deutschland in der Ausgestaltung der Rechtsstellung von Frauen und Männern und in der Auslegung ihres insofern einschlägigen innerstaatlichen Rechts nicht gänzlich frei. Sie hat die völkerrechtliche Entwicklung ebenso wie den parallelen Prozeß auf europäischer Ebene von den Anfängen bis zur Formulierung des modernen Gleichstellungskonzepts mitgetragen und ist gehalten, die in diesem Konzept festgeschriebenen Zielvorstellungen auch in ihren nationalen Rechtsraum einzuführen. Daraus ergibt sich die - ihrer Rechtsnatur nach ebenso im Völkerbzw. Europarecht wie auch im Verfassungsrecht wurzelnde - Verpflichtung, die Chancengleichheit von Frauen und Männern als umfassende Zielsetzung ernst zu nehmen und zu verwirklichen. Die Auslegung der verfassungsrechtlichen Gleichheitssätze und ihre Konkretisierung auf der Ebene des einfachen Rechts sind an diese völker- und europarechtlichen Vorgaben gebunden.

3. Kapitel

Der vedassungsrechtliche Rahmen Umgekehrte Diskriminierung als Gleichheitsproblem I. Die Problemstellung: Gleichheitsdurchbrechung zur Gleichheitsverwirklichung

Im Zentrum der Auseinandersetzung um die rechtliche Bewertung der umgekehrten Diskriminierung steht die verfassungsrechtlich gewährleistete Gleichberechtigung von Frauen und Männern - Art. 3 Abs. 2 GG soll Grundlage und Ermächtigung für eine Politik der umgekehrten Diskriminierung sein und wird gleichzeitig als undurchdringliches rechtliches Bollwerk gegen eine solche Politik verstanden. Die Positionen stehen sich diametral gegenüber, ohne daß Ansatzpunkte für eine Annäherung zu erkennen wären: Die Auslegung des Art. 3 Abs. 2 GG, die sich als herrschende Lehrmeinung etabliert hat - ohne daß allerdings die besondere Problematik des faktischen Gleichstellungsdefizits trotz der weitgehend erreichten rechtlichen Gleichstellung von Mann und Frau bereits erkennbar gewesen wäre -, sieht in Art. 3 Abs. 2 GG ein Differenzierungsverbot, das es grundsätzlich ausschließt, an die Geschlechtszugehörigkeit eines Menschen besondere Rechtsfolgen anzuknüpfen. Die Vorschrift wird als die grundrechtliehe Gewährleistung der Rechtsgleichheit von Mann und Frau verstanden, und der Vorschlag, gerade die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter - wenn auch nur zeitlich begrenzt - aufzugeben, um auf diese Weise eine Gleichstellung in der sozialen Wirklichkeit zu erreichen, muß nach dieser Ansicht als ein Widerspruch in sich selbst und als Eingriff in die Substanz des Gleichheitsrechts verworfen werden (dazu unten 11.). Betrachtet man jedoch Methode und Ergebnisse der herrschenden Auffassung näher, so stellen sich Zweifel an ihrer Richtigkeit ein, denn sie führt zu einer Reduktion der Vorschrift auf eine bloße Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes, ohne ihr die Stellung einer eigenständigen Verfassungsaussage zuzubilligen. Der herrschenden Ansicht werden deshalb verschiedene abweichende Deutungen entgegengehalten, die Art. 3 Abs. 2 GG als verfassungsrechtliche Ermächtigung oder gar als Auftrag zur tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern ansehen. Auf dem Boden dieser abweichenden Meinungen - die freilich ihrerseits kritischer Überprüfung bedürfen - stößt der Vorschlag der umgekehrten Diskriminierung in Art. 3 Abs. 2 GG nicht

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3. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung als Gleichheitsproblem

auf unüberwindliche Hindernisse, auch wenn er als Durchbrechung der grundrechtlichen Rechtsgleichheit stets der Rechtfertigung bedarf (unten IH.). 11. Die herrschende Auffassung: Umgekehrte Diskriminierung als Verfassungsverletzung 1. Art. 3 Abs. 2 GG als absolutes Differenzierungsverbot

Das Konzept der umgekehrten Diskriminierung läßt sich nach herrschender Auffassung - eine Stellungnahme der Rechtsprechung liegt freilich erst in Ansätzen vor! - mit Art. 3 Abs. 2 GG nicht in Einklang bringen, und zur Begründung dieses Ergebnisses ist auf dem Boden der zu dieser Vorschrift entwickelten Lehrsätze ein intensiver juristischer Argumentationsaufwand nicht einmal erforderlich. Die Vorschrift gewährleistet nach h. M. die rechtliche Gleichheit von Männern und Frauen und verbietet deshalb jede an das Merkmal des Geschlechts anknüpfende rechtliche Unterscheidung2 • Diese Regel soll - was für die kategorische Ablehnung der umgekehrten Diskriminierung durch die h. M. entscheidend ist - bis auf wenige eng begrenzte Fälle keine Ausnahme dulden; Art. 3 Abs. 2 wird, in Anlehnung an die Dogmatik des allgemeinen Gleichheitssatzes3 , als absolutes Differenzierungsverbot und "umgekehrtes Willkürverbot"4 verstanden: An das Merkmal der Geschlechts1 Drei Entscheidungen bedürfen näherer Erwähnung: In BVerfGE 74, 163 finden sich erste Hinweise zu der Problematik (dazu sogleich bei 2.), während im ersten thematisch unmittelbar einschlägigen Verfahren (Ablehnung eines männlichen Stellenbewerbers wegen seines Geschlechts bei der Ausschreibung einer Stelle im Justiziariat einer politischen Partei, die mit Hilfe einer Quotierung den Frauenanteil auf allen Funktionsebenen auf 50 % erhöhen will) - ArbG Bonn 4 Ca 1398/87, Urteil vom 16.9. 1987, rechtskräftig - die verfassungsrechtliche Problematik nicht einmal angesprochen wurde (krit. deshalb zu Recht Laubach, Quotierung S. 316f.). Eine intensive Auseinandersetzung mit allen einschlägigen Fragen findet sich jedoch in VG Bremen, Urt. v. 26.1.1987 - 3A392/86 -, NJW 1988, 3224 (zuerst abgedr. in Streit 1988, 54). Auch wenn man nicht alle dort vertretenen Ansichten teilen will (die Kritik bezieht sich vor allem auf die Frage des Gesetzesvorbehalts für Frauenförderungsrichtlinien im öffentlichen Dienst, dazu unten Kap. 4 III 1 a), a.E.), so stellt die Entscheidung doch eine profunde Stellungnahme dar, die in ihren wesentlichen Aussagen uneingeschränkt zu begrüßen ist. 2 BVerfG in st. Rspr. vgl. nur E 3, 225 (239f.); 52, 369 (374); v. Münch - Gubelt, Rz 79 zu Art. 3; Säcker, Referat S. L 23; v. Mangoldt - Starck Rz 206 zu Art. 3; Hesse, Gleichheitssatz 1984 S. 184; AK - Stein, Rz 48 zu Art. 3; Podlech, Gleichheitssatz S. 94 m. w. N.; Sachs, Diskriminierungsverbot S. 390ff., 428ff. Ebenso auch Befürworter der umgekehrten Diskriminierung, etwa Hohmann-Dennhardt, Antidiskriminierungsgesetz S. 241; Hofmann, Entwicklung S. 10,19 u. passim; Garbe-Emden, Gleichberechtigung S. 73, 158f. 3 Art. 3 Abs. 2 GG wird als "Konkretisierung" des Abs. 1 verstanden: Mit kleineren Unterschieden im einzelnen Ipsen, Gleichheit S. 161; Knöpfei, Gleichberechtigung S. 555; v. Münch - Gubelt Rz 79 zu Art. 3; Dürig, Art. 3 II GG S. 2 (Abs. 2 "verstärkt" Abs. 1). Zur Bedeutungsbandbreite des Begriffs "Konkretisierung" in diesem Zusammenhang Seißer, Gleichheitssatz S. 65f.

II. Die herrschende Auffassung: Verfassungsverletzung

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zugehörigkeit anknüpfende unterschiedliche Rechtsfolgen sollen danach erst dann zulässig sein, wenn die Nichtberücksichtigung dieses Merkmals ihrerseits willkürlich wäre 5 . Während also der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers im Rahmen des als Willkürverbot eingestuften allgemeinen Gleichheitssatzes nahezu unbeschränkt ist, soll Art. 3 Abs. 2 GG einen solchen Spielraum für den Regelfall gerade ausschließen6 . Die Erwähnung des Geschlechts in Art. 3 Abs. 3 GG hat nach überwiegender Ansicht daneben keine eigenständige Bedeutung mehr7 . Da Art. 3 Abs. 2 GG im übrigen, trotz seiner Verwurzelung in den Forderungen der historischen Frauenbewegung, nicht nur Frauen, sondern gleichermaßen auch Männer schützt8 , muß der Vorschlag der umgekehrten Diskriminierung auf dem Boden der h. M. als ein verfassungsrechtliches Paradoxon erscheinen: Wenn die Geschlechtszugehörigkeit konkurrierender Männer und Frauen als Differenzierungskriterium über die Zuerkennung einer Privilegierung oder Benachteiligung entscheidet, so rückt damit gerade dasjenige Merkmal in den Mittelpunkt, dessen Einfluß durch Art. 3 Abs. 2 GG grundsätzlich ausgeschlossen sein so1l9. Dieser Argumentation gegen die umgekehrte Diskriminierung kann - wenn man ihr theoretisches Fundament für zutreffend halten will lO - ein hohes Maß 4 Maunz / Dürig - Dürig Rz 2 zu Art. 3 Abs. 2 ("kategorisches Differenzierungsverbot"). 5 Dürig, Art. 3 II GG S. 2; ihm folgend Binder-Wehberg, Ungleichbehandlung S.25f. 6 Dürig, Art. 3 II GG S. 2; Knöpfei, Gleichberechtigung S. 557. Art. 3 Abs. 2 reproduziert danach als Spiegelbild des allgemeinen Gleichheitssatzes dessen logische Struktur unter umgekehrten Vorzeichen. 7 BK - Wernicke, Anm. II 3 b) 1 zu Art. 3; v. Münch - Gubelt, Rz 88 zu Art. 3; AK - Stein, Rz 74, 86 zu Art. 3; Maunz / Dürig - Dürig Rz 4 zu Art. 3 Abs. 3 (dort Fn. 6 mit Nachw. der übereinstimmenden höchstrichterlichen Rspr.); Hamann / Lenz, Anm. B 6 zu Art. 3; Knöpfei, Gleichberechtigung S. 556f.; v. Mangoldt - Starck, Rz 207 zu Art. 3; Binder-Wehberg, Ungleichbehandlung S. 23f. Nachw. der älteren Stimmen bei Seißer, Gleichheitssatz S. 71. 8 So zu Recht BVerfGE 31,1 (4); v. Mangoldt - Starck, Rz 208 zu Art. 3 m. w.N.; Löwisch, tatsächliche Gleichstellung S. D 43; v. Münch - Gubelt, Rz 76 zu Art. 3. Früher war diese Frage umstritten: Dürig, Art. 3 II GG S. 3 und Ramm, Gleichberechtigung S. 42, wollten nur die rechtliche SchlechtersteIlung der Frauen durch die Vorschrift ausgeschlossen sehen; dazu Binder-Wehberg, Ungleichbehandlung S. 24f. 9 Dies gilt auch für geschlechtsneutral formulierte Maßnahmen, deren Wirkung geschlechtsspezifisch ist, ohne die Gesch1echtszugehörigkeit als Tatbestandsmerkmal zu nennen. 10 Für den Versuch, die h. M. zu Art. 3 Abs. 2 GG auf das ihr zugrunde liegende rechtsphilosophische Gleichheitsmodell zurückzuführen, finden sich im deutschsprachigen Schrifttum nur Ansätze (kaum brauchbar etwa Leisner, Gleichheitsstaat; zu allgemein die i. ü. gute Darstellung bei Dann, Gleichheit; i. Ü. noch Rothe, Chancengleichheit S. 50ff.), so daß ein Rückgriff auf die Literatur zu der parallelen Fragestellung im Rahmen der U. S.-Verfassung erforderlich ist (insbesondere Fallon / Weiler, Models; Goldman, Reverse Discrimination; sowie O'Neil, Discrimination; weitere Nachw. unten III 2). Ob dieses Fundament allerdings eine zutreffende Auslegung der Vorschrift ermöglicht, soll unten III 1 a), b) geprüft werden.

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3. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung als Gleichheitsproblem

an Plausibilität und Folgerichtigkeit nicht abgesprochen werden. Sie interpretiert Art. 3 Abs. 2 GG als einen klaren und einleuchtenden Maßstab, der die Geschlechtszugehörigkeit als Differenzierungsmerkmal der Disposition der öffentlichen Gewalt entzieht und den Grundsatz der Neutralität der Rechtsordnung zum alleinigen Ordnungsprinzip im rechtlichen Verhältnis der Geschlechter erhebt. Nach diesem Verständnis entwirft die Vorschrift das Bild einer meritokratischen Gesellschaftsordnung, in der sich die Position jedes einzelnen allein aus seinen individuellen Fähigkeiten, Interessen und seinem Durchsetzungsvermögen ergibt, und in der die Verteilung von Chancen und Lasten von unsachlichen Unterscheidungen nicht verfälscht wird ll . Es besteht kein Anrecht auf Protektion und Privilegierung durch das Gesetz, aber auch die Freiheit von der Last unsachlicher Benachteiligung, kurz, es besteht das Recht, alle Konkurrenten in demselben rechtlichen Status vorzufinden. Die Rechtsordnung hebt niemanden hervor und setzt niemanden zurück, sie ist "blind"12 gegenüber allen Unterscheidungen nach Merkmalen, die zu beeinflussen der einzelne nicht in der Hand und der Staat nicht das Recht hat. Zu diesen Merkmalen, die das Recht schlechthin nicht zur Kenntnis nimmt, gehört auch das Geschlecht - die "Geschlechtsblindheit" der Rechtsordnung soll den einzigen gangbaren Weg zur sozialen Gleichstellung von Frauen und Männern weisen. Vor diesem Ideal, das den theoretischen Hintergrund der h. M. bildet, kann das Konzept der umgekehrten Diskriminierung nicht bestehen. Zwar entspricht die Zielvorstellung der Frauenförderung - ein Zustand der realen Gleichheit zwischen den Geschlechtern, in dem sich der Wettbewerb von Männern und Frauen unbeeinflußt von ihrer biologischen Verschiedenheit entfalten kann - durchaus der Leitidee von der Neutralität der Rechtsordnung, doch dies gilt nicht für die umgekehrte Diskriminierung als ein Mittel, dieses Ziel zu erreichen. Denn die Abkehr von der "Geschlechtsblindheit" des Rechts bedeutet die Preisgabe der zentralen Errungenschaft auf dem Weg zu einer Gesellschaft Gleicher13 • Sie gibt dem ungewissen Ziel - Gleichstellung der Geschlechter - Priorität vor der näherliegenden Alternative, unter Beibehaltung der Rechtsgleichheit einen anderen Lösungsweg zu beschreiten. Sie ändert den Charakter des Gesellschaftssystem, nur um ein erwünschtes Resultat schneller zu erreichen 14 ; überdies birgt sie die Gefahr, die Qualität der in 11 Zu diesem Konzept Fallon / Weiler, Models S. 12ff. und Goldman, Reverse Discrimination S. 22ff. 12 Diese Metapher ist aus der Diskussion um die umgekehrte Diskriminierung in den Vereinigten Staaten übernommen ("color blindness" bzw. "sex blindness"); da sie den intendierten Bezug zum Symbol der Iustitia überhaus plastisch zum Ausdruck bringt, sei sie auch hier eingeführt. 13 Sie negiert damit gerade den Wert, den es zu erreichen gilt: Bickel, Morality S. 132f.; Abram, Affirmative Action S. 1312ff. (1318). Kritisch auch O'Neil, Discrimination S. 129f. 14 Abram, Affirmative Action S. 1318.

11. Die herrschende Auffassung: Verfassungsverletzung

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der Gesellschaft geleisteten Arbeit in dem Maße zu senken, in dem durch Quotenregelungen die Auswahl der "Besten" in Frage gestellt ist 15 . Auf dem Boden der h. M. muß das Konzept der umgekehrten Diskriminierung an diesen Widersprüchen scheitern. 2. Die biologische Verschiedenheit von Mann und Frau als Anknüpfungspunkt rur umgekehrte Diskriminierung?

Im Rahmen der h. M. bleibt nur noch der Versuch, Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung als Ausnahme vom Grundsatz der Rechtsgleichheit zu rechtfertigen. Denn auch der als absolutes Differenzierungsverbot verstandene Art. 3 Abs. 2 GG nimmt seinen Geltungsanspruch in bestimmten, wenn auch sehr wenigen, Fällen zurück und läßt Ausnahmeregelungen zu: Insbesondere darf die biologisch-geschlechtliche Verschiedenheit von Mann und Frau nicht dadurch negiert werden, daß Männer und Frauen auch dann in schematischer Weise gleichen Regelungen unterworfen werden, wenn ein Sachverhalt von biologischen Grundgegebenheiten entscheidend und unveränderlich geprägt ist; Regelungen, die die besonderen Belastungen der Frauen durch Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit berücksichtigen, und die den Frauen aus diesem Grunde unter Abweichung von Art. 3 Abs. 2 GG Rechtsvorteile einräumen, finden in diesem Gedanken ihre Rechtfertigung 16 . In diesem Rahmen darf auf die objektive Eigenheit jedes Geschlechts Rücksicht genommen werden, die zu verändern oder zu beeinflussen nicht im subjektiven Belieben des einzelnen steht; eine Differenzierung nach dem Geschlecht mit der Folge unterschiedlicher Rechtspositionen ist dann zulässig. Über diesen Gesichtspunkt hinaus sind freilich nur wenige weitere Ausnahmen vom Grundsatz der Rechtsgleichheit der Geschlechter anerkannt; hierzu wurde, neben einigen verfassungsunmittelbaren Durchbrechungen in den Art. 6 Abs. 4 sowie Art. 12a Abs. 1 und Abs. 4 Satz 2 GG17, lange Zeit hindurch auch der Gesichtspunkt der "funktionalen (arbeitsteiligen)" Unterschiede zwischen Männern und Frauen gezählt 18 • Doch ein Konsens über 15 Bickel, Morality S. 133f.; Blackstone, Reverse Discrimination S. 70f., 74. Dagegen Thalberg, Themes S. 139ff.; O'Neil, Discrimination S. 142f. Auch hier weit überzogen Leisner, Gleichheitsstaat S. 284ff. 16 Zu diesem Gesichtspunkt v. Mangoldt - Starck Rz 215ff.; Hofmann, Gleichberechtigungsgebot S. 35ff.; Binder-Wehberg, Ungleichbehandlung S. 34ff.; eine Zusammenstellung der Sachverhalte bei Maunz / Dürig - Dürig Rz 13 zu Art. 3 Abs. 2 GG. 17 Dazu v. Mangoldt - Starck Rz 220ff. zu Art. 3; Seißer, Gleichheitssatz S. 81 ff. Soweit Art. 6 GG betroffen ist, handelt es sich um eine Ermächtigung zu Ausnahmeregelungen, während Art. 12a GG selbst eine Durchbrechung darstellt. Art. 6 Abs. 1 GG dagegen ermächtigt nicht zu einer Abweichung von Art. 3 Abs. 2 GG, da er zu ungenau gefaßt ist, v. Mangoldt - Starck Rz 221 zu Art. 3; v. Münch - Gubelt Rz 81 zu Art. 3. 18 Zum Begriff der funktionalen Unterschiede BVerfGE 3, 225 (242); 52, 369 (374), st. Rspr. Dazu differenziert, aber nicht ablehnend Binder-Wehberg, Ungleichbehand-

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3. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung als Gleichheitsproblem

diesen topos als Anknüpfungspunkt für weitere Ausnahmen von der Regel des Art. 3 Abs. 2 GG besteht nicht mehr: Denn soweit "funktionale" Verschiedenheiten von Männern und Frauen auf einer traditionellen geschlechtsspezifischen Rollenverteilung beruhen, sind sie Ausdruck sozialer Verhaltensmuster, deren Gewicht Art. 3 Abs. 2 GG gerade reduzieren Will 19 . Soweit sie sich aber ihrerseits auf die biologische Verschiedenheit der Geschlechter als einen objektiven Umstand zurückführen lassen2o , wird die Figur der funktionalen Unterschiede auf einen besonderen Fall der biologischen Verschiedenheit reduziert und damit überflüssig. Für eine Rechtfertigung der umgekehrten Diskriminierung kommt daher aus dem Kreis der anerkannten Ausnahmen vom Grundsatz der Rechtsgleichheit allein der topos der "biologisch-geschlechtlichen Verschiedenheit" von Mann und Frau in Frage21 • Tatsächlich hat das BVerfG in einer neueren Entscheidung diesen Ansatzpunkt gewählt, als es sich mit der Frage zu befassen hatte, ob die Zuerkennung rechtlicher Privilegien an Frauen zum Ausgleich geschlechtsspezifischer Nachteile zulässig sein kann22 • Das Gericht hat bei dieser Gelegenheit seine bisherige Rechtsprechung zu Art. 3 Abs. 2 GG dahingehend ergänzt, "daß der Gesetzgeber zu einer Ungleichbehandlung auch dann befugt ist, wenn er einen sozialstaatlich motivierten typisierenden Ausgleich von Nachteilen anordnet, die ihrerseits auch auf biologische Unterschiede zurückgehen. Darin liegt keine Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts ... "23. Damit hat das BVerfG einen Weg angedeutet, auch innerhalb des dogmatischen Gebäudes der herrschenden Lehrmeinung zu Art. 3 Abs. 2 GG Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung zuzulassen. lung S. 41ff.; krit. Reich-Hi/weg, Gleichberechtigungsgrundsatz S. 49ff. u. passim sowie Eckertz-Höfer, Frauen S. 460ff. 19 Zur Begründung einer Durchbrechung der Rechtsgleichheit reicht dies nicht aus: so schon das BVerfGE 15, 337 (345) - Höfeordnung; Binder-Wehberg, Ungleichbehandlung S. 33f. 20 Für eine Reduktion auf diesen Aspekt Maunz I Dürig - Dürig, Rz 18 zu Art. 3 Abs. 2 GG und Löwisch, tatsächliche Gleichstellung S. D 40; ebenso v. MangoldtStarck Rz 218f. m. w. N.; Hofmann, Gleichberechtigungsgebot S. 44ff.; Säcker, Referat S. L 28f.; Schwerdtner, Gleichstellung S. 478. Teilw. abweichend Binder-Wehberg, Ungleichbehandlung S. 41 ff. 21 Von den verfassungsunmittelbaren Durchbrechungen des Art. 3 Abs. 2 GG enthält insbesondere die Schutzpflicht des Art. 6 GG gegenüber der Familie nur eine Ermächtigung zu Sonderregelungen im Hinblick auf die Sonderrolle der Mutter (bzw. Eltern), während es bei der Frauenförderung um die Gleichstellung der Frau unabhängig von einer Sonderrolle geht. 22 Beschluß vom 28.1.1987, BVerfGE 74,163. Es ging um die in §§ 25 Abs. 3 AnVG bzw. 1248 Abs. 3 RVO vorgesehene Berechtigung von Frauen, das Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung bereits ab Vollendung des 60. Lebensjahres (Männer: Vollendung des 65. Lebensjahres) zu beziehen. Dem BVerfG zustimmend Eckertz-Höfer, Frauen S. 455ff., 467ff.; krit. etwa Slupik, Parität S. 93ff. Zu der Entscheidung noch Pfarr, Gutachten S. 60ff. 23 A.a.O. S. 180 (Hervorhebungen nicht im Original).

11. Die herrschende Auffassung: Verfassungsverletzung

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Wenn man nämlich die großzügige Betrachtungsweise des Gerichts verallgemeinert, so läßt sich jegliche geschlechtsspezifische Benachteiligung von Frauen - insbesondere ihre Unterrepräsentation in Politik und Beruf - in letzter Konsequenz auf die biologische Verschiedenheit der Geschlechter zurückführen, und zwar insbesondere dann, wenn sie auf der für Frauen typischen Doppelbelastung durch Berufsarbeit und Familienorientierung beruht. Doch der Versuch des BVerfG, die soziale Benachteiligung der Frauen im Berufsleben pauschal auf die biologischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern zurückzuführen - und aus diesem Grunde rechtliche Sonderregelungen zu ihren Gunsten zuzulassen -, wird der komplexen Problematik, die mit dem Konzept der umgekehrten Diskriminierung verbunden ist, nicht gerecht. Er verkürzt sie auf einen einzigen, für einen anderen und engeren Zusammenhang geschaffenen Gesichtspunkt und weitet den topos der biologischen Verschiedenheit bis zur Konturenlosigkeit aus24 . Die damit eröffnete Möglichkeit, Durchbrechungen des Art. 3 Abs. 2 GG fast beliebig rechtfertigen zu können, bietet keine Grundlage für eine differenzierte Lösung des Problems; den Intentionen einer Politik der umgekehrten Diskriminierung widerspricht sie geradezu: Denn eine solche Politik will nicht der biologischen Verschiedenheit von Männern und Frauen Rechnung tragen, sondern zielt auf den Abbau geschlechtsspezifischer Wettbewerbsnachteile, die mit biologischen Notwendigkeiten gerade nicht erklärt oder gerechtfertigt werden können. Überdies dürfte sich die vom BVerfG vorgenommene Modifikation seiner eigenen Rechtsprechung - entgegen der Erwartung, die das Gericht selbst vorsichtig zum Ausdruck bringt25 - ohnehin nicht in den Rahmen der herrschenden Lehrsätze zu Art. 3 Abs. 2 GG einfügen lassen, denn der Auslegung dieser Vorschrift als umgekehrtes Willkürverbot entsprechend muß jede inhaltliche Ausweitung der anerkannten Ausnahmen vom Gebot der Rechtsgleichheit mit äußerster Skepsis beurteilt werden 26 : Maßnahmen zur Frauenförderung durch umgekehrte Diskriminierung müßten in einer Prüfung am 24 Eckertz-Höfer, Frauen S. 469, 472, spricht trotz ihrer grundsätzlichen Billigung der Entscheidung in diesem Punkt bezeichnenderweise von einer Fiktion. Ablehnend deshalb auch Pfarr I Fuchsloch, Frauenquoten S. 2202, sowie Slupik, Parität S. 93 und Sachs, Gleichberechtigung S. 555. 25 Das BVerfG will seine bisherige Rechtsprechung "ergänzen" (BVerfGE 74, 163, 180), doch geht es vor allem mit seinen Überlegungen zur Rechtfertigung kompensatorischen Rechts weit über eine Ergänzung hinaus. Dies verkennt Eckertz-Höfer, Frauen S. 467,470, die von einer (bloßen) Fortentwicklung spricht. Dazu noch unten bei III 2. 26 Ebenso Benda, positive Aktionen S. 117. Auch eine Ausweitung der anerkannten Durchbrechungen des Art. 3 Abs. 2 GG um weitere Gesichtspunkte verspricht hier keine Lösung: So v. Mangoldt- Starck Rz 206, 214ff., 224f. zu Art. 3; AK - Preuß Rz 74 zu Art. 3; v. Münch - Gubelt Rz 81 zu Art. 3, der nur verfassungsunmittelbare Durchbrechungen zuläßt; offenbar auch Seißer, Gleichheitssatz S. 85. Anders Schmitt Glaeser, Abbau S. 34f. (Ausnahmen denkbar bei gewichtiger Wirklichkeitsverzerrung); Gusy, Gleichheitsschutz S. 33.

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3. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung als Gleichheitsproblem

Maßstab des "umgekehrten Willkürverbots" scheitern, da sich ihre Notwendigkeit nicht mit derselben Deutlichkeit aufdrängt wie dies in den anerkannten biologisch begründeten Ausnahmen der Fall ist27 • Das offensichtliche Bemühen des BVerfG, das Problem einer rechtlichen Bevorzugung zur Herstellung sozialer Gleichheit auf dem Boden der herrschenden Auffassung zu Art. 3 Abs. 2 GG zu lösen, verspricht aus diesen Gründen wenig Erfolg; es kann eine Suche nach neuen dogmatischen Wegen zur Bewältigung der anstehenden Fragen nicht ersetzen.

111. Die Gegenposition: Umgekeh.rte Diskriminierung als Verfassungsverwirklichung Ausschlaggebend für die Verurteilung der umgekehrten Diskriminierung als systemwidrige Verfassungsdurchbrechung ist die Annahme, daß Art. 3 Abs. 2 GG als absolutes Differenzierungsverbot die Rechtsgleichheit von Mann und Frau ausnahmslos gebiete und damit dem Prinzip der "Geschlechtsblindheit" der Rechtsordnung den Rang eines Verfassungsgrundsatzes verleihe. Dieser festgefügten Ansicht soll nun die These gegenübergestellt werden, daß Frauenförderung durch umgekehrte Diskriminierung nicht an Art. 3 Abs. 2 GG scheitert, sondern grundsätzlich als ein verfassungsrechtlich zulässiger Weg zur Gleichstellung der Geschlechter in der sozialen Wirklichkeit angesehen werden kann. Zur Begründung dieser These müssen zwei Voraussetzungen nachgewiesen werden: Zunächst kommt es darauf an zu zeigen, daß die h. M. zu Unrecht einen numerus clausus zulässiger Ausnahmen von der Rechtsgleichheit des Art. 3 Abs. 2 GG annimmt und damit die Vorschrift nicht zutreffend würdigen kann (sogleich 1); zum anderen muß dargelegt werden können, daß gerade das Ziel der Frauenförderung zu einer weiteren, über die bisher anerkannten Fälle hinausgehenden Durchbrechung des Grundsatzes berechtigt (unten 2).

27 Dazu zählen vor allem die Regelungen zum Schutz der Frauen bei Schwangerschaft und Mutterschaft: Eine Entscheidung des Gesetzgebers, Frauen etwa im Arbeitsrecht in dieser Situation nicht anders als Männer zu behandeln, wäre, in der herrschenden Diktion ausgedrückt, willkürlich und verstieße damit gegen Art. 3 Abs. 2, abgesehen davon, daß auch Art. 6 Abs. 1 und 4 GG Schutzmaßnahmen erzwingen.

III. Die Gegenposition: Verfassungsverwirklichung

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1. Art. 3 Abs. 2 GG als Maßstab für eine Politik der umgekehrten Diskriminierung zur Frauenförderung

a) Die Emanzipation des Art. 3 Abs. 2 GG vom Einfluß des allgemeinen Gleichheitssatzes Die Annahme der h. M., Art. 3 Abs. 2 GG lasse, abgesehen vom topos der biologischen Verschiedenheit der Geschlechter, weitere Durchbrechungen der Rechtsgleichheit von Frauen und Männern nicht zu, ergibt sich zwangslos aus der Charakterisierung der Vorschrift als "umgekehrtes Willkürverbot" bzw. "absolutes Differenzierungsverbot"28. Doch gerade diese für die Frage der umgekehrten Diskriminierung entscheidende Annahme reduziert Art. 3 Abs. 2 GG auf ein normatives Minimum und wird damit dieser Vorschrift in keiner Weise gerecht. Sie beruht auf zwei Argumentationsschritten: Ihre Grundlage bildet die Interpretation des Art. 3 Abs. 1 GG - "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich" - als verfassungsrechtlichesWillkürverbot29 , dessen inhaltliche und logische Struktur in einem zweiten Schritt auf Abs. 2 der Vorschrift ("umgekehrtes Willkürverbot") übertragen wird. Keiner dieser beiden Argumentationsschritte vermag jedoch zu überzeugen. Schon die Reduktion des allgemeinen Gleichheitssatzes auf ein Willkürverbot geht an der Bedeutung dieser Vorschrift im Verfassungssystem vorbei. Art. 3 Abs. 1 GG läßt sich auf eine Ausprägung des Rechtsstaatsgebots und der Gewaltenteilung nicht beschränken, sondern ist vielmehr, ebenso wie Art. 1 und 2 GG, von grundsätzlicher Bedeutung für die Identität des Grundgesetzes30 • Menschenwürde, Freiheit und Gleichheit stellen eine Regelungs-

Zu Darstellung der h. M. und diesen Begriffen oben 11. Die Deutung des Gleichheitssatzes als Willkürverbot geht zurück auf Triepel, Goldbilanzverordnung (S. 26ff., 30f., wo der Begriff jedoch als subjektive Willkür aufgefaßt wird) und Leibholz, Gleichheit S. 72ff., 216ff. sowie 239ff. (245ff.). Diese Auslegung ist bis heute h.M. und st. Rspr.: Vgl. nur v. Mangoldt - Starck Rz lOf. zu Art. 3; v. Münch - Gubelt Rz 11 zu Art. 3; Maunz I Dürig - Dürig Rz 275 ff. (282) zu Art. 3 Abs. 1 BVerfGE 4, 144 (155); 51, 295 (300); 60, 16 (42). Nach BVerfGE 10,234 (246) ist die Willkürgrenze erst dann überschritten, wenn sich für die gleiche Behandlung verschiedener bzw. die Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte "keine vernünftigen Erwägungen finden lassen, die sich aus der Natur der Sache ergeben oder sonstwie einleuchtend sind". 30 Noch im Entwurf des Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee (HChE) fand sich der Gleichheitssatz inmitten der speziellen Freiheitsrechte in Art. 14. Der Entscheidung des Parlamentarischen Rates, ihn neben Art. 1 und 2 GG an die Spitze der Verfassung zu stellen, kommt demgegenüber programmatischer Charakter zu. Zum Charakter des allgemeinen Gleichheitssatzes als Grundsatznorm Hesse, Gleichheitssatz 1951, S. 167f.; Leibholz, Gleichheit S. 16ff. (der freilich selbst für die Betonung des Willkürbegriffs mitverantwortlich ist, ebda. S. 72ff. und zu Art. 3 Abs. 1 GG S. 245ff., 247); Arndt, Gleichheitssatz, insbes. S. 180, 182f. sowie Kloepfer, Gleichheit S. 20ff.; Ipsen, Gleichheit S. 126f. 28

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3. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung als Gleichheitsproblem

einheit dar31 ; sie bilden die Grundlage, auf der die anderen Grundrechte ruhen. Während Art. 1 und 2 GG die Menschenwürde als Maßstab und die Freiheit als Ziel staatlichen Handeins betonen, formuliert Art. 3 Abs. 1 GG den leitenden Gesichtspunkt für die Verwirklichung dieser Werte - Gleichheit als Ausdruck der Gerechtigkeitsidee32 , die das Verhältnis der Gewaltunterworfenen zueinander in ihrer Behandlung durch die Staatsgewalt bestimmen soll. Von diesem Norminhalt streng zu unterscheiden ist die Frage, in welchem Ausmaß das Handeln der öffentlichen Gewalt auf dem Feld des Gleichheitsgebots gerichtlich überprüft werden kann. Erst hier hat der Begriff des Willkürverbots seinen systematisch richtigen Platz33 : Der Gleichheitssatz formuliert ein Ideal, das weder eindeutig zu konkretisieren noch überhaupt vollständig in die Wirklichkeit umzusetzen ist3 4 • Daraus ergibt sich für die Praxis staatlichen Handeins die Notwendigkeit einer möglichst weitgehenden Annäherung an dieses Ideal, eine Aufgabe, die - als die Wahl zwischen Handlungsalternativen meist ähnlichen "Gerechtigkeitsgehalts"35 :- in erster Linie dem Gesetzgeber übertragen ist. Die den Gerichten übertragene Kontrolle staatlichen Handeins hat diese Aufgabenzuweisung zu respektieren; durch zu detaillierte verfassungsgerichtliche Kontrollbefugnisse nämlich kann die soziale Gestaltungsmacht in die Hände der Gerichtsbarkeit hinübergleiten, während aber umgekehrt bei allzu restriktiver Kontrollpraxis die Gefahr besteht, daß der Gesetzgeber sich zu weit vom Kerngehalt der Gerechtigkeitsidee entfernt. Die Aufgabe des Willkürverbots ist es, diese schmale Grenze zwischen Rechtsstaat und Richterstaat zu markieren: es räumt dem Gesetzgeber erhebliche Freiheit ein, 31 Sie wird ergänzt durch die Staatsstrukturbestimmungen des Art. 20 GG: Die durch ihre grundrechtlichen Bindungen charakterisierte Staatsgewalt wird in ein Gemeinwesen eingebunden, das als demokratisch, färderal und republikanisch verfaßt und als Rechts- und Sozialstaat auszugestalten ist. 32 Eine Ideengeschichte der Gleichheit unter diesem Aspekt vor allem bei Dann, Gleichheit und Pole, Equality. In krassem Kontrast dazu die Polemik Leisners, Gleichheitsstaat insbes. S. 114ff., gegen den "vernichtenden Vormarsch des Gleichheitsstaates" (S. 291), gegen den "Teufel" oder die "Messiaserwartung" der Gleichheit (S. 297 und 5). 33 Diese Erkenntnis ist nicht neu (so schon Kaufmann, Gleichheit S. lOf. zu Art. 109 Abs. 1 WRV und ihm folgend Triepel, Diskussionsbeitrag in VVDStRL 3, 50, 53), doch sie ist im neueren Schrifttum zu Unrecht in den Hintergrund gerückt worden. 34 Die mit der inhaltlichen Bestimmung des Begriffs "Gerechtigkeit" verbundenen Schwierigkeiten brauchen hier nicht eigens betont zu werden. Es ist jedoch festzuhalten, daß seine Verwendung im Text einer Verfassung trotzdem nicht ausgeschlossen ist, wenn er auch auf die Funktion einer allgemeinen (aber gleichwohl verbindlichen!) Orientierung beschränkt ist und der Ausfüllung durch die Gesamtheit der weiteren Verfassungsnormen bedarf. Die Verbindung von Gleichheit und Gerechtigkeit hat auch das BVerfG stets betont, besonders deutlich BVerfGE 54, 277 (296): Gleichheit als die "Seele der Gerechtigkeit". 35 Geiger in: Link, Symposion S. 100f. Die Befugnis zu typisierender Regelung ergibt sich aus der Notwendigkeit, einen Ausgleich zu finden zwischen Allgemeinheit bzw. Abstraktheit und individueller Gerechtigkeit. Zu dieser Frage Kloepfer, GleichheitS. 11ff. (Bf.).

III. Die Gegenposition: Verfassungsverwirklichung

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ohne ihn von der Verpflichtung freizustellen, den vagen Gehalt des Gerechtigkeitsgebots als Leitschnur zur Orientierung zu nehmen 36 • Es bringt die doppelte Schwierigkeit einer inhaltlichen Konkretisierung des Gerechtigkeitsideals und seiner praktischen Umsetzung im System der Gewaltenteilung auf eine kurze Formel und muß in diesem Kontext verstanden werden37 : Auch wenn das Willkürverbot also vor allem bei der Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes zutage tritt, ist es doch mit diesem inhaltlich nicht identisch38 • Für eine Inhaltsbestimmung des Art. 3 Abs. 2 GG läßt sich aus diesem Verständnis des allgemeinen Gleichheitssatzes ableiten, daß die Gleichberechtigung von Mann und Frau sich entgegen der h. M. ebensowenig auf eine Ausprägung des rechtsstaatlichen Willkürverbots reduzieren läßt wie Art. 3 Abs. 1 GG. Fehlerhaft ist auch der zweite Argumentationsschritt der h. M., der die inhaltliche und logische Struktur des allgemeinen Gleichheitssatzes ohne weiteres auf Art. 3 Abs. 2 GG überträgt. Denn die strukturelle Besonderheit des allgemeinen Gleichheitssatzes - seine normative Offenheit, die seine praktische Handhabung als Willkürverbot immerhin plausibel oder gar erforderlich erscheinen läßt - wiederholt sich in Art. 3 Abs. 2 GG nicht39 : Während Art. 3 Abs. 1 GG eine allgemeine Regel von hohem Abstraktionsgrad für die rechtliche Bewertung aller denkbaren gleichheitsrelevanten Bestimmungen enthält40 , setzt Art. 3 Abs. 2 GG an die Stelle der formalen Garantie der "Gleichheit" den konkreten Begriff der "Gleichberechtigung von Mann und Frau". Damit präzisiert er die vage Gerechtigkeitsorientierung des Art. 3 36 Dabei hat er die Wertentscheidungen der Verfassung zu berücksichtigen, so daß der Gerechtigkeitsbegriff an Unbestimmtheit und richtungsloser Weite verliert. In diese Richtung gehen neue re Versuche im Schrifttum, z. B. Kloepfer, Gleichheit S. 54ff. (61ff.). Auch das BVerfG scheint vom Dogma eines verengten Willkürverbots in neuerer Zeit vorsichtig abzurücken und eine umfassendere Interpretation des allgemeinen Gleichheitssatzes anzustreben. Dazu v. a. Hesse, Gleichheitssatz 1984, S. 188ff. m. w. N. und Maaß, Gleichheitssatz S. 14ff., 18f. 37 Nur so läßt sich der Gefahr einer Verselbständigung des Willkürverbots im Sinne einer immer weiteren Ausdehnung seines Anwendungsbereichs begegnen. Kritisch zu dieser Verselbständigung etwa AK - Stein Rz 30ff. zu Art. 3; Hesse, Gleichheitssatz 1984 S. 192; abw. Meinung Geiger in BVerfGE 42,64 (79ff.). 38 In diesem Sinne noch Scholler, Gleichheitssatz S. 33ff. m. w. N.; Zacher, Gleichheit S. 344ff. (insbes. S. 357ff., 361 gegen die "juristische Verflachung des Gleichheitssatzes in der Hand des BVerfG") sowie Hufen, Gleichheitssatz S. 31ff. Das Willkürverbot als Ausprägung der Rechtsstaatlichkeit (Maunz / Dürig - Dürig Rz 331ff. zu Art. 3; Hesse, Gleichheitssatz 1951, S. 215 Fn. 6; Hamann / Lenz, Anm. B 4 c), cc) zu Art. 3; ähnlich Leibholz in Link, Symposion S. 88f. und Geiger, ebda. S. 100f. sowie Zacher, Gleichheit S. 344f.) hat seinen verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkt daher eher in Art. 20 Abs. 2 und 3 GG als in Art. 3 Abs. 1 GG. 39 So auch Hesse, Gleichheitssatz 1984, S. 185 und ähnlich S. 190f. mit Fn. 62f.; Scholler, Gleichheitssatz S. 36. 40 Art. 3 Abs. 1 GG erlaubt es daher grundsätzlich, unterschiedliche Rechtspositionen für Frauen und Männer als sachgerechte Regelung unterschiedlicher Sachverhalte vorzusehen, Knöpfei, Gleichberechtigung S. 585.

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3. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung als Gleichheitsproblem

Abs. 1 GG41 und gibt in seinem Anwendungsbereich dem Handeln der öffentlichen Gewalt ein verbindliches Ziel. Eine Auslegung des Art. 3 Abs. 2 GG als umgekehrtes Willkürverbot nimmt diese strukturelle Verschiedenheit nicht zur Kenntnis und reduziert auch diese Vorschrift auf eine formale logische Regel (Differenzierungsverbot), ohne daß dies jedoch notwendig wäre. Die Auslegung des Art. 3 Abs. 2 GG kann aus diesen Gründen nur in einer vom Einfluß des allgemeinen Gleichheitssatzes emanzipierten Betrachtungsweise gelingen 42 . Die Deutung des Art. 3 Abs. 2 GG durch die h. M. ist ausschließlich auch deshalb unbefriedigend, weil sie weder den Wortlaut der Vorschrift noch ihre von lebhaften Kontroversen bestimm~e Entstehungsgeschichte ausschöpft und auch ihre Stellung neben Art. 3 Abs. 3 GG nicht einleuchtend zu erklären vermag. Doch für eine inhaltliche Eigenständigkeit des Art. 3 Abs. 2 GG spricht schon die Tatsache, daß gerade um diese Norm im Parlamentarischen Rat in lebhafter Auseinandersetzung gerungen worden ist43 , und daß sie schließlich neben Art. 3 Abs. 3 GG Eingang in die Verfassung gefunden hat. Denn selbst wenn man mit guten Gründen annehmen möchte, daß Abs. 3 der Vorschrift über Abs. 2 nicht hinausgeht44 , so stützt dies doch keinesfalls die weitergehende Behauptung, die beiden Absätze seien gleichbedeutend. Es liegt im Gegenteil die umgekehrte Vermutung nahe, daß Art. 3 Abs. 2 GG über das schlichte Differenzierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG hinausreichen soll45, denn es hätte kein Grund dafür bestanden, die ursprüngliche, auf die staatsbürgerliche Gleichheit beschränkte Formulierung des Abs. 2 durch den heutigen Text zu ersetzen, wenn damit nicht eine über Abs. 1 und 3 hinausgehende Aussage hätte getroffen werden sollen46 .

b) Art. 3 Abs. 2 GG als programmatisches Signal: "Gleichberechtigung" und "Kultureinfluß" der Frau Die Interpretation des Art. 3 Abs. 2 GG ist in Bewegung geraten 47 . Deutlichstes Zeichen des neu erwachten Interesses an dieser Vorschrift ist die Ebenso BGHZ 11, Anh. S. 64. So auch dezidiert Ridder, Plädoyer S. 225ff.; ähnlich v. Münch - Gubelt, Rz 79 zu Art. 3; Dix, Gleichberechtigung S. 372. 43 Zur Entstehungsgeschichte sogleich bei 111 2. 44 So die h.M., Nachw. soeben bei 11 1. 45 Ebenso Binder-Wehberg, Ungleichbehandlung S. 24f. 46 Die Formulierung des Art. 3 Abs. 3 GG wurde bereits in der 6. Sitzung des Grundsatzausschusses am 5.10.1948 gebilligt (StenoProt S. 56), während der heutige Abs. 2 nach mehrmaliger Ablehnung erst in der 2. Lesung im Hauptausschuß am 18.1.1949 eine Mehrheit fand (StenoProt S. 538ff., 544). Auch dazu sogleich bei III 2. 47 Neben den im folgenden Text genannten Autoren ist hier insbesondere die Entscheidung des BVerfGE 74,163 zu erwähnen, die zwar dem äußeren Anschein nach im Rahmen der traditionellen Dogmatik verharrt (dazu oben 11 2), die aber gleichzeitig der 41

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Annahme, daß Art. 3 Abs. 2 GG als Verfassungsauftrag die öffentliche Gewalt dazu verpflichte, sich nicht mit der bloßen Rechtsgleichheit von Frauen und Männern zu begnügen, sondern die Gleichstellung von Männern und Frauen darüber hinaus auch in allen Bereichen der sozialen Wirklichkeit zu erreichen48 • Doch auch diese neuere, im Blick auf die Rechtfertigung der umgekehrten Diskriminierung vorgetragene Deutung geht an Art. 3 Abs. 2 GG vorbei, wenngleich in einer der h. M. entgegengesetzten Richtung: Während die h. M. die Vorschrift in ihrer inhaltlichen Bedeutung unterschätzt, stellt umgekehrt die Annahme eines Verfassungsauftrags eine ungerechtfertigte Überbewertung dar. Eine unbefangene und alle gegebenen Anhaltspunkte ausschöpfende Auslegung führt vielmehr zu einem Ergebnis, das in der Mitte zwischen diesen beiden Ansätzen liegt: Zwar gewährleistet Art. 3 Abs. 2 GG als Grundrecht (nur) die Rechtsgleichheit von Frauen und Männern; zu Recht lehnt hier die h. M. eine Auslegung der Vorschrift als Verfassungsauftrag ab. Mit dieser Aussage aber ist der normative Gehalt der Vorschrift, entgegen der h. M., nicht erschöpfend wiedergegeben: Art. 3 Abs. 2 GG ist nicht auf ein mechanistisches Differenzierungsverbot oder den Grundsatz der "Geschlechtsblindheit" der Rechtsordnung beschränkt, sondern stellt als Element objektiven Rechts eine verfassungskräftig abgesicherte positive Bewertung der seit dem 19. Jahrhundert formulierten Ziele der historischen Frauenbewegung dar. Die Rechtsgleichheit von Frauen und Männern verfolgt das Ziel, Frauen von der Hypothek geschlechtsspezifischer Hemmnisse im Wettbewerb mit männlichen Konkurrenten zu befreien und so die Bedingungen für eine Gleichstellung der Geschlechter in der sozialen Wirklichkeit des privaten, politischen und wirtschaftlichen Lebens zu schaffen. Die Unterschiede dieser hier vertretenen Interpretation im Vergleich zur herrschenden Lehre scheinen zwar auf den ersten Blick unbedeutend zu sein, denn auch hier soll davon ausgegangen werden, daß Art. 3 Abs. 2 GG weder ein soziales Grundrecht 49 noch einen Verfassungsauftrag darstellt - Ansprüche auf eine Umgestaltung der sozialen Wirklichkeit begründet er nicht. Für die Diskussion um umgekehrte Diskriminierung mit ihrer aufgeschlossenen Würdigung des Kompensationsgedankens deutliche Impulse verleihen dürfte. Schon hier soll i. Ü. die Arbeit von Slupik, Parität, insbes. S. 35 ff., 67ff., hervorgehoben werden, die für die Interpretation der Vorschrift einen Neuansatz vorlegt, der die eingefahrenen Geleise der herrschenden Auffassung mit guten Gründen verläßt. 48 Den Ausgangspunkt dieser Entwicklung bildet das Gutachten von Friauf, Gleichberechtigung (vgl. die Fragestellung, ebda. S. 7). Mit der Einstufung des Art. 3 Abs. 2 GG als Verfassungsauftrag soll die Zulässigkeit der umgekehrten Diskriminierung begründet werden, u.a. bei Garbe-Emden, Gleichberechtigung S. 81ff.; HohmanDennhardt, Ungleichheit S. 44; Slupik, Verrechtlichung S. 349; Hofmann, Gleichberechtigungsgebot S. 98; zur Gegenansicht noch unten im Text. 49 Dies im Gegensatz zu Bieback, Sozialstaatsprinzip S. 667. Im einzelnen zu diesen Fragen sogleich im Text. 8 Maidowski

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3. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung als Gleichheitsproblem

hinsichtlich der umgekehrten Diskriminierung entscheidende - Frage aber, ob und in welchem Ausmaß sich Ausnahmen vom Grundsatz der Rechtsgleichheit rechtfertigen lassen, können die folgenden Überlegungen zum normativen Gehalt der Vorschrift eine sichere Grundlage bieten. Sie begründen die rechtliche Möglichkeit, zur Umgestaltung der gegenwärtigen Situation von der rechtlichen Gleichstellung der Geschlechter abzuweichen. In seinem objektiven Normgehalt wird Art. 3 Abs. 2 GG darüber hinaus bei der Auslegung der Art. 21 und 33 Abs. 2 GG - d. h. bei der konkreten Anwendung der abstrakt, im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 2, gewonnenen Erkenntnisse auf das Parteienrecht und das Recht des öffentlichen Dienstes - eine besondere Rolle spielen. Schon der Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 GG trägt programmmatischen Charakter, denn mit dem Begriff der Gleichberechtigung nimmt die Verfassung Bezug auf die Forderungen der historischen Frauenbewegung. Freilich wird dieser Umstand häufig mit der Behauptung übergangen, bei dem Begriff handle es sich lediglich um ein politisches Schiagwort50 ohne rechtlich relevanten Gehalt. Doch mit seiner Aufnahme in die Formulierung eines Grundrechts ist er, schon wegen Art. 1 Abs. 3 GG, als Rechtsbegriff ernst zu nehmen. Seine Herkunft aus dem historisch-politischen Streit um die Rechte der Frauen51 ist für die Auslegung freilich von Interesse52 • "Gleichberechtigung" bezeichnet "im Rahmen rechtlicher und politischer Ordnungen ein gleiches Maß von Rechten oder Ansprüchen und die daraus abzuleitende Gleichstellung"53. Damit beinhaltet der Begriff zwei einander ergänzende Elemente: Er umfaßt die Gleichheit im Recht als den Status, der den Menschen als Rechtssubjekten gleicher Würde zukommt, und ihre Gleichwertigkeit54 als den inne50 Beispielsweise Knöpfei, Gleichberechtigung S. 554 und v. Münch - Gubelt, Rz 77 zu Art. 3; dagegen v. Mangoldt - Starck Rz 209 zu Art. 3; Säcker, Referat S. L 15ff. und Pfarr, Gutachten S. 27f. 51 Der Begriff ist seit dem Ende des 18. Jahrhunderts nachzuweisen (Grimm, Deutsches Wörterbuch Sp. 8028 für das Adjektiv; etwas später das Substantiv, Sp. 8029) und während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von der Frauenbewegung übernommen worden (als Beispiel: Hedwig Dohm, "Die wissenschaftliche Emanzipation der Frau", 1874, S. 186: "Völlige Gleichberechtigung der Geschlechter auf dem Gebiete der Wissenschaft, in bezug auf Bildungsmittel und Verwertung der erworbenen Kenntnisse"). 52 Ebenso Maunz / Dürig - Dürig Rz 11 zu Art. 3 Abs. 2; Mikat, Problematik S. 305; Ramm, Gleichberechtigung S. 42; Friauf, Gleichberechtigung S. 10. Die Tragfähigkeit der aus dem Wortlaut abgeleiteten Erkenntnisse ergibt sich nicht zuletzt aus der Tatsache, daß der Gleichheitsbegriff der Frauenbewegung, im Gegensatz zu der wechselhaften Entwicklung in anderen thematischen Zusammenhängen, sehr homogen, d. h. nur wenigen Schwankungen seines begrifflichen Gehalts unterworfen war, Dann, Gleichheit S. 246, 255. 53 Die Definition entstammt dem Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm, Sp. 8029 (Hervorhebungen nicht im Original). Der Ursprung des Begriffs liegt im Völkerrecht (dort bezogen auf Staaten oder Städte als Rechtssubjekte) und in der Philosophie der Aufklärung (Grimm, ebd.).

III. Die Gegenposition: Verfassungsverwirklichung

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ren Grund für die Zuerkennung der Rechtsgleichheit. In Art. 3 Abs. 2 GG findet sich diese doppelte Bedeutungsrichtung des Begriffs wieder - die Gleichwertigkeit als raison d'etre der Rechtsgleichheit muß im Gebot der Rechtsgleichheit von Mann und Frau stets mitgedacht werden 54a . Auch die Entstehungsgeschichte des Art. 3 Abs. 2 GG55 macht deutlich, daß die Vorschrift zwar in ihrem grundrechtlichen Gehalt auf eine Garantie der Rechtsgleichheit beschränkt ist, darüber hinaus jedoch ein programmatisches Zeichen setzt, das dem Verfassungsinterpreten die Richtung weist. Ursprünglich bestand allerdings nicht einmal die Absicht, den Begriff der Gleichberechtigung überhaupt in den Text der Verfassung zu übernehmen. Es war zwar schon nach wenigen Sitzungstagen im Parlamentarischen Rat nicht zweifelhaft, daß die neue Verfassung eine Stellungnahme zum Verhältnis der Geschlechter enthalten solle56 . Doch war die ursprünglich vorgesehene Bestimmung von sehr traditionellem Zuschnitt, knüpfte sie doch wörtlich an Art. 109 Abs. 2 WRV an 57 , indem sie den Frauen (nur) die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie den Männern gewährleistete; lediglich die 1919 noch für nötig befundene58 Relativierung durch den Zusatz "grundsätzlich" sollte nun54 Grimm, Deutsches Wörterbuch, Sp. 8029 (2. zu "Gleichberechtigung"). Der Begriff der Gleichwertigkeit soll nicht etwa eine Relativierung des normativen Gehalts des Art. 3 Abs. 2 GG andeuten, sondern stellt einen Hinweis auf die Ebene der philosophischen Begründung dieser Vorschrift dar. Ebenso mit Nachw. der Gegenansicht Sachs, Diskriminierungsverbot S. 302ff., 320f. 54. Umfassend gegen die Beschränkung der Vorschrift auf die Frage der Rechtsgleichheit Pfarr, Gutachten S. 27ff. (bes. 46ff.). 55 Benda, positive Aktionen S. 115f. hält die historische Auslegung insgesamt für nicht erfolgversprechend (ebenso Friauf, Gleichberechtigung S. 12), doch verkürzt er sie auf die Fragestellung, ob Art. 3 Abs. 2 GG auch den Schutz der Männer beabsichtige. Der entgegengesetzte Ansatz bei Reich-Hilweg, Gleichberechtigungsgrundsatz S. 40ff. u. passim sowie bei Slupik, Parität S. 35ff. und Pfarr, Gutachten S. 36ff. Ohne einer aus methodischen Gründen fragwürdigen generellen Überbetonung der historischen Auslegung das Wort reden zu wollen, ist mit Slupik (a.a.O.) festzuhalten, daß gerade Art. 3 Abs. 2 GG aufgrund seiner überaus wechselvollen Entstehungsgeschichte ohne sorgfältige historische Analyse schlicht unverständlich bleibt. Die Frage spielte in den folgenden Sitzungen des Parlamentarischen Rates eine Rolle: Grundsatzausschuß 6., 26., 27., 32. Sitzung; Al/g. Redaktionsausschuß Sitzungen am 16.11.1948, 13.12.1948; Hauptausschuß 17., 42., 47., 57. Sitzung. 56 Bestimmungen zum Verhältnis von Männern und Frauen wurden im Parlamentarischen Rat seit der 3. Sitzung des Grundsatzausschusses am 21. 9.1948 diskutiert. Der HChE hingegen hatte noch keine entsprechende Bestimmung vorgesehen, sondern lediglich in Art. 14 Abs. 3 formuliert: "Jeder hat Anspruch auf gleiche wirtschaftliche und kulturelle Entwicklungsmöglichkeiten. " 57 Fassung v. 18.10.1948, GSA, Ds 203, Art. 19 Abs. 2: "Alle Männer und Frauen haben dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten". Zu Art. 109 Abs. 2, 119 Abs. 1 Satz 2 und 128 Abs. 2 WRV als kurzen Überblick Schwanecke, Gleichberechtigung S. 20ff., 33ff., 50ff. sowie oben Kap. 1 I 1. 58 Zu den Gründen dafür Schwanecke, Gleichberechtigung S. 20ff. und 80ff. und Sachs, Diskriminierungsverbot S. 100ff. .

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3. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung als Gleichheitsproblem

mehr wegfallen 59 • Dagegen wurde die Formulierung des heutigen Abs. 2 mehrfach mit dem Argument abgelehnt60 , eine solche Bestimmung müsse ein unübersehbares Rechtschaos zur Folge haben, da große Teile des Privatrechts vor diesem Maßstab nicht würden bestehen können61 . Statt dessen wurde das Merkmal des Geschlechts in den heutigen Art. 3 Abs. 3 eingefügt62 - damit schien alles Wesentliche gesagt zu sein. Dieses Zugeständnis an die Befürworter einer umfassenden Verfassungsvorschrift zur Gleichberechtigung reichte jedoch nicht aus. Nach Reaktionen der Enttäuschung in der Öffentlichkeit63 wurde eine erneute Behandlung der Frage im Parlamentarischen Rat erforderlich, und nach ausführlicher Debatte fand der Begriff der Gleichberechtigung schließlich Eingang in den Verfassungstext64 • Zwar wurde mehrfach betont, daß damit die im bisherigen Abs. 2 und in Abs. 3 der Vorschrift bereits vorliegende Aussage nicht erweitert werde65 , aber der Verlauf der Debatte läßt das Gegenteil erkennen66 : Die Ent59 Darin lag ein gewisser - und ungefährlicher - Fortschritt; gleichzeitig aber blieb der Entwurf hinter der WRV zurück, da er keine ausdrückliche Bestimmung über die Gleichberechtigung im Eherecht enthielt. 60 Dazu vor allem die 1. Lesung im HA am 10.12.1948 (17. Sitzung, StenoProt S. 206ff.) zu Art. 4 Abs. 2 und 3: Ablehnung mit 11 : 9 Stimmen. 61 So vor allem Abg. v. Mangoldt, HA 17. Sitzung, 3.12.1948, StenoProt S. 206 (ähnlich Abg. Becker ebd. S. 207). Das Argument war mit dem Vorschlag einer Übergangsbestimmung (heutiger Art. 117 GG) entkräftet, etwa Abg. Laforet, HA 17. Sitzung, 3.12.1948, StenoProt S. 206f. und Abg. Seibert, HA 20. Sitzung v. 7.12.1948, StenoProt S. 223; ebenso die Diskussion in der 39. Sitzung, 14.1.1949, StenoProt S.483. 62 Erstmalig in der Stellungnahme des Allg. Redaktionsausschusses v. 16.11.1948 zur Fassung des GSA v. 18.10.1948 (Art. 1 b Abs. 3; Ds 282: "Jedoch darf niemand wegen seines Geschlechtes, ... bevorrechtigt oder benachteiligt werden."); diese Ergänzung des Abs. 3 wurde dann bis zum Schluß der Verhandlungen beibehalten. 63 Zu dieser frühen Form des außerparlamentarischen Protests Reich-Hilweg, Gleichberechtigungsgrundsatz S. 21 ff. und im Parlamentarischen Rat die Abg. Seibert, HA 42. Sitzung, StenoProt S. 539f. 64 2. Lesung am HA im 20.1.1949 (42. Sitzung, StenoProt S. 538ff.); keine Änderungen mehr in der 3. und 4. Lesung (HA 10.2.1949 bzw. 5.5.1949). Die wesentlichen Argumente für und gegen den Begriff der Gleichberechtigung finden sich in dieser sowie in der 17. Sitzung des HA (StenoProt S. 206ff.) und in der 26. Sitzung des GSA (KurzProt Ziffer 9,12; StenoProt S. 42ff.). 65 Etwa Abg. Weber, Heuss und Fecht, HA 42. Sitzung, 18.1.1949, StenoProt S. 539 und 542f.; ebenso bereits in der ersten Lesung Abg. v. Mangoldt und Kaufmann, HA 17. Sitzung, 3.12.1948, StenoProt S. 206, 208. Der Abg. Strauß (42. Sitzung, StenoProt S. 538f.) betonte sogar, daß den Männern der Grundsatz der Gleichberechtigung seit 1918 vollständig in Fleisch und Blut übergegangen sei. Demgegenüber ist das ursprünglich intensive Engagement gegen die Aufnahme des heutigen Art. 3 Abs. 2 GG in den Verfassungstext immerhin überraschend. 66 Reich-Hilweg, Gleichberechtigungsgrundsatz S. 23, 24. Dies wird auch daran deutlich, daß der Allgemeine Redaktionsausschuß die Streichung des ursprünglich vorgesehenen Abs. 2 empfohlen hatte, weil sich die staatsbürgerliche Gleichheit der Geschlechter bereits aus Abs. 3 ergebe, während er eine solche Empfehlung für die Neufassung nicht aussprach (Stellungnahme des Allg. Redaktionsausschusses zur Fassung der 1. Lesung HA vom 13./18.12.1948, Ds 370 und 394).

III. Die Gegenposition: Verfassungsverwirklichung

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scheidung fiel zugunsten der "Gleichberechtigung", weil die "negative" Formulierung des Abs. 3 zu unklar und zu eng war67 , und weil allein der Begriff der Gleichberechtigung in "positiver" Formulierung68 unmißverständlich zum Ausdruck brachte, daß - über den in der Weimarer Reichsverfassung erreichten Zustand hinaus - mit vergangenen Anschauungen gebrochen werden sollte69 . Auch die Reaktionen der Öffentlichkeit hatten sich auf diesen Begriff festgelegt und damit seine Bedeutung als programmatischen Schlüsselbegriff und Fortschrittssymbol unterstrichen 70. Die Genese des Art. 3 Abs. 2 GG liefert damit den Gesichtspunkt, der die verengte Perspektive der h. M. ausweiten kann. Als eine auf ein Differenzierungsverbot beschränkte Norm wäre Art. 3 Abs. 2 GG überflüssig gewesen, wenn er nicht, über Art. 3 Abs. 1,3 GG und übrigens auch über die insoweit vorwiegend konservativ geprägten Bestimmungen der bereits bestehenden Landesverfassungen 71 hinausgehend, in seiner Zielsetzung ein programmatisches Signal72 hätte zum Ausdruck bringen wollen; dies ist der Schlüssel zum Verständnis der Vorschrift: Als Grundrecht gewährleistet Art. 3 Abs. 2 GG den Anspruch von Männern und Frauen auf rechtliche Gleichstellung, um auf diesem Wege, als Element objektiven Rechts73 , die Forderung der Frauenbewegung nach ungehinderter Entfaltung des "Kultureinflusses" der Frauen in Staat und Gesellschaft zu erfüllen 74 und die tatsächliche Gleichstellung der 67 Abg. Seibert und Schmid (HA 17. Sitzung, 3.12.1948, StenoProt S. 206, 208) sowie Weber (HA 42. Sitzung, 18.1.1949, StenoProt S. 539). Der Grund für dieses Argument war die Befürchtung, daß jede Rechtsungleichheit zu Lasten der Frauen so ausgelegt werden könnte, daß damit keine Benachteiligung wegen des Geschlechts verbunden sei. Abweichend nur Abg. Kaufmann (HA 17. Sitzung, 3.12.1948, StenoProt S. 207f.), der Abs. 3 für umfassender hielt als den Änderungsvorschlag für Abs. 2. 68 Die Gt::genüberstellung der vorgesehenen "negativen" mit der "positiven" Formulierung des Anderungsvorschlages bei Abg. Seibert, HA 17. Sitzung, 3. 12. 1948, S. 207. 69 Die soeben Genannten sowie Abg. Seibert und Fecht (HA 42. Sitzung, StenoProt S. 539ff., 542f.). 70 Daß dies für die Entscheidung des Parlamentarischen Rates eine Rolle spielte, geht aus den Äußerungen der Abg. Seibert und Fecht (ebd., vorige Anm.) hervor. 71 Zum Landesverfassungsrecht nach 1945 oben Kap. 1 I 2. Zu Unrecht nimmt Sachs, Merkmale S. 572f., hier an, das Grundgesetz habe eine von der WRV bis zu den Landesverfassungen führende Entwicklung "nur nachzuvollziehen" brauchen - das Grundgesetz stellt eher einen Bruch mit der zögerlichen Haltung dieser Texte dar. 72 So auch Ebsen, Quotenregelungen S. 33ff.; und Dix, Gleichberechtigung S. 373ff. 73 Benda, positive Aktionen S. 118ff., 123ff.; Ebsen, Quotenregelungen S. 34f.; Dix, Gleichberechtigung S. 374; Eckertz-Häfer, Frauen S. 473; Pfarr, Gutachten S. 81ff. u. passim. Auch das BVerfG betont diese Dimension des Art. 3 Abs. 2 GG in st. Rspr.: E 15,337 (345); 17, 1 (27); 57, 335 (345f.). Dagegen vor allem Sachs, Gleichberechtigung S. 556f., jedoch nur ansatzweise unter ernsthafter Berücksichtigung des von den Befürwortern umgekehrter Diskriminierung vorgetragenen Argumente (vgl. S. 558: "Verfassungswidriger Stumpfsinn der Quote"). 74 Ausdrücklich Ebsen, Quotenregelungen S. 35 (Art. 3 Abs. 2 GG als positive Bewertung der Frauenemanzipation; Rechtsgleichheit als Zwischenschritt auf dem Weg zu diesem Ziel). Zur Herkunft und Bedeutung dieser Forderung Kap. 1 I 1.

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3. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung als Gleichheitsproblem

Geschlechter zu verwirklichen. Diese "zweite Dimension" der Vorschrift ist es auch, die Art. 3 Abs. 2 GG von dem ausschließlich als individualrechtliches Differenzierungsverbot zu verstehenden Art. 3 Abs. 3 GG abhebt und diesen in der Diskussion um die Frauenförderung folgerichtig in den Hintergrund treten läßt. 74. Die Wahl eines Leitbegriffs der historischen Frauenbewegung unterstreicht, daß das Grundgesetz nicht lediglich einen Teilaspekt der komplexen gesellschaftlichen Problematik behandeln, sondern eine erschöpfende Antwort auf die historische Herausforderung darstellen soll - das Ende der "fürsorglichen Vormundschaft" des Mannes über die Frau soll der Erkenntnis Ausdruck verleihen, daß die Frau als "Wesen gleicher Mündigkeit"75 die Gestaltung des öffentlichen und beruflichen Lebens ohne Einschränkungen verantwortlich mitzugestalten berufen ist. Art. 3 Abs. 2 GG kann deshalb nicht als Entscheidung für eine "Geschlechtsblindheit" des Rechts und eine meritokratische Gesellschaftsordnung76 verstanden werden; er betont im Gegenteil, daß sich das Verhältnis von Frauen und Männern in Staat und Gesellschaft "neutral" nicht beschreiben läßt77. Sein Charakter als wert bestimmte Grundsatznorm 74. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man - wie hier - in Art. 3 Abs. 2 GG sowohl eine individualrechtliche Garantie als auch eine Wertaussage objektiven Rechts sieht; Abs. 3 ist damit in Abs. 2 bereits enthalten (im Ergebnis ebenso Pfarr, Gutachten S. 29ff., 35). Anders dagegen Slupik, Parität S. 79ff., 87ff. u. passim, die Abs. 2 als kollektives Förderungsgebot ausschließlich zugunsten der Frauen, Abs. 3 hingegen als (individuelles) Grundrecht für Männer und Frauen sieht. Diese Auslegung ist von bestechender Rationalität, erklärt sie doch die Notwendigkeit beider Vorschriften als sich ergänzender Aussagen, doch wird damit der Entscheidungsprozeß im Parlamentarischen Rat überschätzt - daß die Erwähnung des "Geschlechts" in Art. 3 Abs. 3 GG nach der Einfügung des Abs. 2 nicht gestrichen wurde, dürfte nach dem zur historischem Auslegung bereits Gesagten gerade nicht auf eine bewußte Entscheidung zurückzuführen sein. Überdies läßt die Reduktion (bzw.: Erweiterung) des Art. 3 Abs. 2 GG auf eine ausschließlich kollektivrechtliche Garantie diese Vorschrift zu Unrecht als einen Fremdkörper im Grundrechtsteil des Grundgesetzes erscheinen. Daß sie neben ihrem Grundrechtscharakter freilich auch eine "gruppenbezogene" Orientierung zum Ausdruck bringt, wird noch zu zeigen sein; insofern ist der Ansatz von Slupik zutreffend (dazu unten III 2 a). 75 So die Abg. Schmid (HA 17. Sitzung, StenoProt S. 206) und Weber (HA 42. Sitzung, StenoProt S. 539). In diesen Äußerungen wird, ebenso wie in wiederholten Hinweisen der Abg. Seibert (ebd. S. 540) deutlich, daß die dem Gleichberechtigungsbegriff eigene doppelte Bedeutungsrichtung - Rechtsgleichheit als Ausdruck der Gleichwertigkeit - durchaus Grundlage der Beratungen war. 76 Zu diesem Konzept oben 11 1. 77 Schon das Postulat der Auswahl nach individueller Kapazität ist - selbst den Fall unterstellt, es ließe sich in die Wirklichkeit umsetzen - zweifelhaft. Denn das Kriterium der persönlichen, für die Auswahlentscheidung allein relevanten Fähigkeiten ist eine Größe, die selbst zu einem guten Teil dem steten Wechsel von Angebot und Nachfrage unterworfen ist. Als marktbestimmtes Kriterium aber kann es nicht als Rechtfertigung für eben diese Marktmechanismen dienen. Zudem übersieht ein meritokratisches Konzept, daß sich die Eignung der Konkurrenten erst unter der Voraussetzung gleicher Teilhabe und im Laufe der Zeit herausbilden kann. Zur Kritik noch unten 2 a), b); hier

III. Die Gegenposition: Verfassungsverwirklichung

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läßt im übrigen auch den - zurBegründung der Zulässigkeit umgekehrter Diskriminierung stets betonten78 - Rückgriff auf das Sozialstaatsprinzip in den Hintergrund treten: Als Auslegungshilfe vermag der Gedanke der Sozialstaatlichkeit zwar die Auslegung des Art. 3 Abs. 2 GG als "positive Kompetenznorm für Grundrechtspolitik"79 zu unterstützen, doch ist er für dieses Auslegungsergebnis nicht konstitutiv. Die Aufgeschlossenheit, die die Verfassung in Art. 3 Abs. 2 GG der Forderung nach sozialer Gleichstellung der Geschlechter entgegenbringt, ist nach der hier vertretenen Deutung vielmehr bereits Teil der in dieser Vorschrift unmittelbar verankerten Normaussage. Wenn der Verfassungstext gleichwohl nur die Garantie der Rechtsgleichheit mit dem vollen Gewicht der grundrechtlichen Gewährleistung ausgestattet, das Norrnziel selbst hingegen nicht ausdrücklich formuliert hat, so deshalb, weil sich die soziale Zweitrangigkeit der Frauen lange Zeit besonders deutlich - und dies auch und gerade in den Jahren nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur - in ihrer Stellung als eine Personengruppe minderen Rechts widerspiegelte. Der Kampf der Frauen um gleiche Achtung ihrer Fähigkeiten und um gleiche Möglichkeiten, sie zu entfalten, war deshalb zunächst stets ein Kampf um gleiche Rechtspositionen, und auch im Parlamentarischen Rat, der in der Sache der Frauen mit der Formulierung eines Grundrechts ein Signal setzen wollte, stand diese Frage im Vordergrund. Die optimistische Vorstellung, daß eine Verbesserung des rechtlichen Status der Frauen sich - unter Umständen mit zeitlicher Verzögerung, aber ohne die Notwendigkeit zusätzlicher gesetzgeberischer Aktivitäten - ohne weiteres in einer Änderung auch der gesellschaftlichen Realität abbilden würde, mußte es als ausreichend erscheinen lassen, nicht das Normziel selbst, sondern nur den Weg zu diesem Ziel ausdrücklich zu formulieren; mit diesem Vertrauen in die Innovationskraft des Rechts wurde jedoch der Fehler, den schon die historische Frauenbewegung nach dem Ersten Weltkrieg begangen hatte, wiederholtso. Dabei dürfte es auch eine Rolle gespielt haben, daß im Parlamentarischen Rat jeder im Verfassungstext festgeschriebenen Umgestaltung sozialer Verhältnisse eine tiefe Skepsis entgegengebracht wurde, die weitergehende Formulierungen und sogar eine eingehendere Diskussion über die Reichweite des Art. 3 Abs. 2 GG verhindert haben mag81 . Gleichwohl war in den Beratungen deutlich geworden, daß man sich mit dieser Vorschrift auf den unsicheren Boden schon Kennedy, Persuasion S. 1332f.; Thalberg, Themes S. 138, 140; Fallon / Weiler, Models S. 39ff.; Pfarr, Gleichstellungspolitik S. 68; O'Neil, Discrimination S. 13lf. 78 Besonders deutlich Benda, positive Aktionen S. 137ff. (151); Garbe-Emden, Gleichberechtigung S. 85ff.; Eckertz-Höfer, Frauen S. 475ff.; wie hier dagegen Ebsen, Quotierungsregelungen S. 35 und, vor allem, Slupik, Parität S. 92 u. passim. 79 Häberle, Grundrechte S. 103ff. (105); ebenso Bieback, Sozialstaatsprinzip S. 663ff., 669 (These 5). 80 Zur Situation nach 1919 oben Kap. 1 I l. 81 Nachw. bei Reich-Hilweg, Gleichberechtigungsgrundsatz S. 24ff.

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solcher sozialen Gewährleistungen bereits begeben hatte, denn die historischpolitische Forderung nach Gleichberechtigung, die mit dieser Vorschrift erfüllt wurde, zielte gerade auf eine solche Umgestaltung der "sozialwirtschaftlichen Ordnung", die man eigentlich hatte vermeiden wollen82 . Daß im Begriff der Gleichberechtigung stets auch die Dimension des mit der Rechtsgleichheit verfolgten Zieles mitgedacht werden muß, hat in den Jahrzehnten nach Inkrafttreten des Grundgesetzes auch Ausdruck in der Tatsache gefunden, daß die Bundesrepublik Deutschland sich auf internationaler Ebene in vielfachen Formulierungen der Verpflichtung unterworfen hat, die Stellung der Frauen in Staat und Gesellschaft über die Statuierung gleichen Rechts hinauszuführen und durch eine effektive Chancengleichheit zu ergänzen83 • Auch diese Verpflichtungen müssen - nicht zuletzt aus Gründen des Verfassungsrechts84 - in die teleologische Auslegung des Art. 3 Abs. 2 GG einbezogen werden. Die Vernachlässigung dieser Aspekte durch die h. M. bedeutet daher nicht nur eine sinnentstellende Reduktion des normativen Gehalts der Vorschrift, sondern darüber hinaus auch eine Verletzung völkerund europarechtlicher Bindungen. Umgekehrt aber ergibt sich aus der Zielsetzung des Art. 3 Abs. 2 GG nicht, daß die Vorschrift als Verfassungsauftrag zur Herstellung der faktischen Gleichstellung von Frauen und Männern verstanden werden muß85. Auch für diese Frage ist ein Blick auf ihre Entstehungsgeschichte und ihren Wortlaut aufschlußreich: Der heutige Art. 3 Abs. 2 GG war nämlich ursprünglich als Verfassungsauftrag formuliert worden, weil die Gleichberechtigung nicht nur 82 Reich-Hilweg, Gleichberechtigungsgrundsatz S. 29. In der Diskussion ging es um die Frage, ob der Grundsatz der Lohngleichheit - der besonders deutlich über den Bereich rechtlicher Gewährleistungen hinaus auch die Umgestaltung sozialer Verhältnisse bezweckt - in der Formulierung des Art. 3 Abs. 2 GG enthalten sei. Die Frage wurde einstimmig bejaht (HA 42. Sitzung S. 541ff.). 83 Im einzelnen oben Kap. 2 I 4, 5 sowie 11. Im Schrifttum wird der Einfluß der internationalen Bindungen auf die Auslegung des Art. 3 Abs. 2 GG allerdings kaum beachtet (Hinweise bei Raasch, Chancengleichheit S. 322f.; Dix, Gleichberechtigung S. 379; Hofmann, Entwicklung S. 23ff.). 84 Zu der Frage, in welchem Umfang neben die völkerrechtliche Verpflichtung zu Vertragserfüllung eine staatsrechtliche Pflicht hinzutritt, die internationalen Bindungen in die Auslegung des Verfassungsrechts einfließen zu lassen, oben Kap. 2 I l. 85 Zwar enthält Art. 3 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 117 GG einen Gesetzgebungsauftrag, doch ergibt sich daraus für die hier gestellte Frage nichts (Benda, positive Aktionen S. 105f.). Als Verfassungsauftrag sehen Art. 3 Abs. 2 Friauf, Gleichberechtigung; Säkker, Referat S. 25f.; Slupik, Verrechtlichung S. 349; Garbe-Emden, Gleichberechtigung S. 81 ff.; Hohmann-Dennhardt, Ungleichheit S. 44; Raasch, Quotierungsforderung S. 578f.; Hofmann, Entwicklung S. 37. Dagegen Löwisch, Gleichstellung S. 42; v. Mangoldt - Starck, Rz 209 zu Art. 3; Mengel, Positive Diskriminierung S. 533f.; Benda, positive Aktionen S. 151; Schwerdtner, Gleichstellung S. 478. Differenzierend - wohl im Anschluß an Häberle, Grundrechte S. 103ff. (Aufgabe, nicht Auftrag) -: Schmitt Glaeser, Abbau S. 23ff.; ders., Gleichberechtigung S. 387; ähnlich Dix, Gleichberechtigung S. 373ff.

III. Die Gegenposition: Verfassungsverwirklichung

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die Korrektur bestehenden Rechts fordere, sondern in weitem Umfang auch die Schaffung neuer Gesetze notwendig mache, weil also die Notwendigkeit seiner gezielten gesetzgeberischen Umsetzung in die Wirklichkeit gesehen wurde 86 . Dieser Zusatz wurde jedoch aufgrund einer Stellungnahme des Allgemeinen Redaktionsausschusses vor der 3. Lesung im Hauptausschuß gestrichen und bis zur Verabschiedung der Endfassung nicht wieder aufgegriffen, ohne daß eine Begründung dafür dokumentiert wäre 87 • Dennoch verdient diese Tatsache Erwähnung: Der ursprüngliche Wille des Parlamentarischen Rates, einen als" Verpflichtung" formulierten ,,Auftrag an den Gesetzgeber" zu richten, "mit möglichster Beschleunigung ... den Gedanken des ersten Satzes zu verwirklichen", ist letztendlich nicht Wirklichkeit geworden88 • Bestätigt wird diese Interpretation durch einen Blick auf Art. 6 Abs. 5 GG, obwohl gerade diese Vorschrift für eine Auslegung des Art. 3 Abs. 2 GG als Verfassungs auftrag ins Feld geführt wird 89 . Doch die Tatsache, daß der Verfassungsgeber mit Art. 6 Abs. 5 GG dem Gesetzgeber in eindeutiger Formulierung einen Auftrag erteilt hat90 , für das Verhältnis von Frauen und Männern hingegen keine auch nur annähernd vergleichbare Textfassung gewählt hat, muß zu der Annahme führen, daß in Art. 3 Abs. 2 GG ein solcher Auftrag gerade nicht enthalten ist. Art. 6 Abs. 5 GG stützt daher nicht die Auslegung des Art. 3 Abs. 2 GG im Sinne eines Verfassungsauftrages, sondern berechtigt im Gegenteil zu einem Umkehrschluß. Die gewichtigen Indizien gegen die Interpretation des Art. 3 Abs. 2 GG als Verfassungsauftrag lassen sich auch durch die Berufung auf den Grundsatz der Sozialstaatlichkeit nicht entkräften91 . Richtig ist lediglich, daß die öffentliche 86 Abs. 2 lautete: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Die Gesetzgebung hat dies auf allen Rechtsgebieten zu verwirklichen." Diese Fassung wurde in der 2. Lesung des HA (42. Sitzung, 20.1.1949, Ds 548) ohne Gegenstimmen verabschiedet. 87 In der Stellungnahme v. 25.1.1949, Ds 543, heißt es zum damaligen Art. 4 Abs. 2 in einer Anmerkung lediglich, der 2. Satz könne fortfallen. 88 So die Begründung des Abg. Fecht für die Ergänzung des Abs. 2 Satz 1 durch einen Satz 2 (Hervorhebungen nicht im Original), HA 42. Sitzung, StenoProt S. 543. Ausgerechnet diese Sätze zitiert Hofmann, Entwicklung S. 14, zur Begründung seiner Annahme, Art. 3 Abs. 2 GG sei ein Verfassungsauftrag. Zu Unrecht betont Friauj, Gleichberechtigung S. 13f., die Frage eines Verfassungsauftrages sei im Parlamentarischen Rat nicht angesprochen worden (vgl. aber ebda. S. 29). Richtig ist allerdings, daß im Jahre 1949 noch erhebliche Unklarheit über diese dogmatische Kategorie bestanden hat; die damals noch umstrittene Frage, ob die Gleichheitssätze auch den Gesetzgeber binden, hat dabei viel zur Verunsicherung beigetragen. 89 So etwa Raasch, Quotierungsforderung S. 579; Garbe-Emden, Gleichberechtigung S. 82; Denninger in: BMJFG, Sachverständigenanhörung S. 109; Pfarr, Gutachten S. 55 ff.; a. A. hingegen Kempen, Gleichberechtigung S. 291. 90 BVerfGE 25, 182. Die Vorschrift lautet: "Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern" (Hervorhebung nicht im Original).

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3. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung als Gleichheitsproblem

Gewalt überall dort zur Wachsamkeit aufgerufen ist, wo Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit dauerhaft auseinanderfallen - dies ergibt sich aus dem Charakter des Sozialstaatsprinzips als Staatszielbestimmung. Allein dieser Gedanke reicht jedoch nicht aus, eine Auslegung zu stützen, die den Charakter des Art. 3 Abs. 2 GG als Abwehrrecht zugunsten einer positiven Verpflichtung der öffentlichen Gewalt zur aktiven Umgestaltung der sozialen Verhältnisse vollständig in den Hintergrund drängen müßte 92 . Denn die mit der Annahme eines Verfassungsauftrages verbundene weitgehende Einschränkung der gesetzgerischen Auswahl- und Gestaltungsfreiheit - ein verpflichtender Auftrag zur Realisierung der Gleichstellung von Mann und Frau müßte dazu führen, andere Verfassungsziele zu vernachlässigen - stellt im System des Grundgesetzes die Ausnahme dar, die der Auslegung eines Grundrechts nicht ohne weiteres zugrunde gelegt werden darf. Soweit also nicht deutliche Indizien für einen Verfassungs auftrag vorliegen, ist die Entscheidung des Verfassungsgebers zu respektieren, die gesetzgeberische Verantwortung für die tatsächlichen Voraussetzungen der Grundrechtsausübung in der - im Vergleich zu einem Verfassungs auftrag schwächeren93 - Staatszielbestimmung des Art. 20 GG anzusiedeln 94 • Die Frage bedarf jedoch keiner weiteren Vertiefung, denn für die verfassungsrechtliche Bewertung der umgekehrten Diskriminierung ist ihr Stellenwert nur gering, und ihre Bedeutung wird in der aktuellen Debatte überschätzt. Selbst wenn man nämlich in Art. 3 Abs. 2 GG i. V. m. dem Sozialstaatsgedanken einen Auftrag an die öffentliche Gewalt sehen wollte, die rechtliche Gleichstellung von Frauen und Männern in die soziale Wirklichkeit zu übertragen, so wäre damit noch nichts über die Verfassungsmäßigkeit der verschiedenen Wege zur Erfüllung dieses Auftrags gesagt: Die Frage, ob die grundrechtliche Rechtsgleichheit einer Durchbrechung mit dem Ziel der Frauenförderung zugänglich wäre, müßte auch dann noch beantwortet werden. Dieser Frage soll die Untersuchung sich deshalb nun zuwenden.

91 Gleichwohl spielt dieser Grundsatz für die Befürworter der umgekehrten Diskriminierung die beherrschende Rolle: u. a. Benda, positive Aktionen S. 137ff. (151); Hohmann-Dennhardt, Antidiskriminierungsgesetz S. 243,247; Garbe-Emden, Gleichberechtigung S. 85ff.; Raasch, Chancengleichheit S. 321. Eine Ausnahme stellt auch hier die Arbeit von Slupik dar (Parität S. 92), die die von ihr angenommene Qualität des Art. 3 Abs. 2 GG als Verfassungsauftrag unmittelbar aus dieser Vorschrift herleitet. 92 Skeptisch zur Wirkungskraft des Sozialstaatsprinzips Benda, Sozialstaatsklausel S. 3f., 6f.; Kloepfer, Gleichheit S. 43f. u. passim; Podlech, Gleichheitssatz S. 203f.; Stern, Staatsrecht I S. 915f.; Bieback, Sozialstaatsprinzip S. 657ff. (664); Zacher, Gleichheit S. 367ff.; Hermes, Grundrecht S. 129ff. 93 Zu dieser Abstufung Benda, positive Aktionen S. 106ff. 94 Zurückhaltend gegenüber der Einengung gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit auch Graf Vitzthum, Rechtspolitik S. 61, 65, 77 u. passim.

III. Die Gegenposition: Verfassungsverwirklichung

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c) Normdurchbrechung zur Normverwirklichung:

Ausnahmen vom Grundsatz der Rechtsgleichheit

Der programmatische Charakter des Art. 3 Abs. 2 GG, der nach der hier vorgetragenen Interpretation die Auslegung der Vorschrift bestimmend beeinflußt, erweist sich auch für die Zulässigkeit von Quotenregelungen als der entscheidende Gesichtspunkt. Zu beantworten ist freilich zunächst die Frage, ob neben den anerkannten Ausnahmen von der Regel des Art. 3 Abs. 2 GG überhaupt weitere Durchbrechungen gerechtfertigt werden können - dies wäre die erste Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit der umgekehrten Diskriminierung zur Frauenförderung, die ja ebenfalls eine solche Durchbrechung darstellt. Auch in dieser Frage bietet die h. M. allerdings nur wenig Hilfe, denn sie diskutiert die bisher für zulässig gehaltenen Ausnahmen von Art. 3 Abs. 2 GG als einzelne Fallgruppen, ohne dabei übergeordnete Gesichtspunkte erkennen zu lassen95 ; offen bleibt insbesondere, warum gerade diese bzw. warum ausschließlich diese Durchbrechungen der Rechtsgleichheit gerechtfertigt sein sollen96 • Eine an dem in Art. 3 Abs. 2 GG festgeschriebenen Normziel orientierte Bewertung der bisherigen Diskussion vermag dieses Defizit jedoch zu beseitigen; sie liefert die Begründung dafür, warum die h. M. den topos der biologischen Verschiedenheit von Mann und Frau zur Begründung von Druchbrechungen der Rechtsgleichheit zuläßt, den Gesichtspunkt der funktionalen Unterschiede hingegen zu Recht mit zunehmender Skepsis betrachtet97 : Abweichungen vom Grundsatz der Rechtsgleichheit sind dann nie in Frage gestellt worden, wenn sie der biologischen Verschiedenheit von Mann und Frau Rechnung tragen sollten, und dies zu Recht: Nimmt man die Gesetze zum Schutz der Frau als Mutter zum Beispiel98 , so wird deutlich, daß hier die Beibehaltung der Rechts- und Pflichtengleichheit, d. h. der Verzicht auf Mutterschutzvorschriften, berufstätige Frauen faktisch zu einer Aufgabe ihrer 95 Neben dem topos der biologischen Eigenart der Geschlechter nennt v. MangoldtStarck, Rz 220 zu Art. 3, noch den Aspekt der traditionellen Pflichtenzuweisung an Männer und Frauen, der die Durchbrechung des Art. 3 Abs. 2 GG durch Art. 12a Abs. 1 und Abs. 4 Satz 2 GG rechtfertigen soll. 96 Auch die umfangreiche Untersuchung von Binder-Wehberg, Ungleichbehandlung S. 33 - 67 führt nicht zu einer allgemeinen Regel für die Bewertung dieser Problematik. 97 Zur h. M. oben bei II 2. 98 Podlech, Gehalt S. 92f., ist freilich der Ansicht, solche Vorschriften seien überhaupt nicht an Art. 3 Abs. 2 GG zu messen. Bestimmt man hingegen auch den Anwendungsbereich der Vorschrift von ihrem Normziel her, dann ist sie Prüfungsmaßstab für alle "gleichstellungsrelevanten" Akte der öffentlichen Gewalt und damit auch für Mutterschutzgesetze. Richtig ist allerdings, daß sie - soweit sie (werdende) Mütter und andere Frauen unterschiedlich behandeln, zusätzlich an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen sind (Schleicher, Mutterschutz S. 34lf.; weitere Beispiele eines doppelten Prüfungsmaßstabs in BVerfGE 11,277, 279f., 281; und 19, 76; dazu Seißer, Gleichheitssatz S.92).

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3. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung als Gleichheitsproblem

Berufstätigkeit und zur Übernahme einer Rolle ausschließlich als Mutter und Hausfrau zwingen würde99 • Gleiches Recht würde die traditionelle gesellschaftliChe Funktionsteilung faktisch zum Regelfall machen, denn ohne einen unter Erhalt des Arbeitsplatzes gewährten Schutz vor und nach der Niederkunft hätten Frauen als Mütter kaum je die Chance einer kontinuierlichen beruflichen Entwicklung. Den Anlaß für den Gesetzgeber, Vorschriften zum Schutz der Frau als Mutter zu schaffen, gibt damit zweifellos die biologische Eigenart der Geschlechter, doch den inneren Grund für die Notwendigkeit solcher Regelungen liefert die teleologische Auslegung des Art. 3 Abs. 2 GG: Die Verweigerung ungleicher Rechtspositionen würde nämlich eine gesellschaftliche Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen fixieren, die dem Normziel des Art. 3 Abs. 2 GG zuwiderliefe - sie würde die Möglichkeit, Berufstätigkeit und Mutterschaft zu verbinden, rechtlich zwar bestehen lassen, faktisch aber entwerten und damit eines der zentralen Anliegen der Frauenbewegung verfehlen 1oo . Eine Gleichstellung von Männern und Frauen, d. h. eine auch für Frauen effektive Startchancengleichheit setzt hier vielmehr Sonderrecht voraus, das jedoch nur unter Durchbrechung der Rechtsgleichheit statuiert werden kann, denn anders ist ein Ausgleich des normwidrigen Einflusses der biologischen Momente kaum zu erreichen. Betrachtet man nun den topos der "funktionalen (arbeitsteiligen)" Unterschiede aus teleologischer Perspektive, so wird der Auffassungswandel der h. M. verständlich, der sich hier vollzogen hat: "Funktionale" Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind in aller Regel Ausdruck der traditionellen geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, deren Abbau Art. 3 Abs. 2 GG gerade bezweckt, um Frauen von den daraus erwachsenden Behinderungen ihrer beruflichen oder privaten Entfaltungsmöglichkeiten freizustellen. Zu Recht wird es deshalb zunehmend abgelehnt, unter Berufung auf diesen Gesichtspunkt die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter zu durchbrechen. Auch diese Entwicklung aber hat ihren inneren Grund darin, daß die Berufung auf funktionale Unterschiede in aller Regel eine Verletzung des in Art. 3 Abs. 2 GG verankerten Normzwecks darstellt, oder umgekehrt: daß eine Durchbrechung der Rechtsgleichheit aus Gründen geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung grundsätzlich nicht erforderlich ist, um das Ziel des Art. 3 Abs. 2 GG zu befördern. In diesem Zusammenhang läßt sich schließlich die Frage nach der Berechtigung des Arbeitsschutzrechts für Frauen - das sich rechtstechnisch ebenfalls als 99 Dies gilt (für das heutige Recht) unabhängig von der darin liegenden Verletzung des Art. 6 Abs. 4 GG mit seinem von Art. 3 Abs. 2 GG verschiedenen Schutzgedanken. 100 In diese Richtung BVerfGE 37, 121 (125f.); erheblich zu eng dagegen die Auslegung dieser Entscheidung durch Hofmann, Gleichberechtigungsgebot S. 38.

III. Die Gegenposition: Verfassungsverwirklichung

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Durchbrechung der Rechtsgleichheit von Mann und Frau darstellt - beantworten: Die Wirkung von Schutznormen zugunsten von Frauen ist, bezogen auf das Normziel des Art. 3 Abs. 2 GG, ambivalent, denn sie können die soziale Gleichstellung der Geschlechter behindern, indem sie sich als Hypothek für die dem Arbeitsmarkt weniger leicht verfügbaren Betroffenen, d. h. die Frauen, bemerkbar machen. Durchbrechungen der rechtlichen Gleichstellung im Beruf mit dem Ziel, Frauen bestimmte Tätigkeiten zu ihrem Schutz zu untersagen, sind daher zumindest problematisch, auch wenn sie sich in vielen Fällen unter dem Gesichtspunkt der gesetzgeberischen Befugnis zu typisierenden Regelungen rechtfertigen lassen mögen. Dem Normziel des Art. 3 Abs. 2 GG entspricht es eher, solche Normen nicht auf den Gesichtspunkt der schwächeren Physis der Frauen zu stützen, sondern auf den Grundsatz der Sozialstaatlichkeit, sie dann jedoch allen Arbeitnehmern in entsprechender Situation ohne Unterschied des Geschlechts zugute kommen zu lassen 101 • Die Betrachtung dieser von der h. M. als isolierte Sonderfälle diskutierten Fallgruppen macht deutlich, daß Ausnahmen von Art. 3 Abs. 2 GG nur als normzielverwirklichende Durchbrechungen der Rechtsgleichheit gerechtfertigt werden können. Während dies für Regelungen, die sich auf den Gesichtspunkt der biologischen Verschiedenheit stützen, häufig und für Arbeitsschutzvorschriften gelegentlich angenommen werden kann, scheidet der topos der funktionalen Unterschiede zur Rechtfertigung von Ausnahmeregelungen aus. Entgegen der h. M. ist außerdem davon auszugehen, daß ein numerus clausus der Ausnahmen vom Grundsatz des Art. 3 Abs. 2 GG nicht angenommen werden kann, denn Gefährdungen seines Normziels lassen sich auf die (bisher) anerkannten Fallgruppen nicht begrenzen, sondern können durch Entwicklungen der Verfassungswirklichkeit in unterschiedlicher Akzentuierung jederzeit neu entstehen. Auf der anderen Seite aber wird die Zulässigkeit von Ausnahmeregelungen durch die Entscheidung der Verfassung begrenzt, die Gleichstellung der Geschlechter in der sozialen Wirklichkeit im Regelfall durch die Gewährleistung der Rechtsgleichheit von Mann und Frau zu erreichen. Eine Normdurchbrechung zur Normverwirklichung ist als Abweichung vom verfassungsrechtlichen Normalfall nur in engen Grenzen zulässig; es besteht für die öffentliche Gewalt kein Wahlrecht zwischen diesen beiden Alternativen, und jede Ausnahmeregelung muß sich auf das zeitlich sowie sachlich notwendige Maß beschränken. Es läßt sich daher die allgemeine Regel 101 Die Ambivalenz der Schutzgesetze betonen (eine Andeutung findet sich in BVerfGE 37, 121, 126) Schwerdtner, Gleichstellung S. 478, 480f.; lohnston / Knapp, Sex, Discrimination S. 697ff.; Coester-Waltjen, Antidiskriminierungsgesetz S. 219ff. (221); Binder-Wehberg S. 114ff.; Hanau, Geschlechtsdiskriminierung S. 194; Gitter, Frauenarbeitsschutz S. 167f.; gegen ihn Gamillscheg, Frauenarbeitsschutz S. 212f. Hofmann, Gleichberechtigungsgebot S. 44 sieht hingegen die Männer als Benachteiligte. Zur historischen Entwicklung Schmidt, Discrimination S. 125ff., 176f. und oben Kap. 1 I 4. Zur parallelen Tendenz im Internationalen Recht oben Kap. 2 I 4 d) und II 1.

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3. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung als Gleichheitsproblem

formulieren, daß Durchbrechungen der grundrechtlichen Rechtsgleichheit von Mann und Frau nur zulässig sind, soweit und solange sie der Verwirklichung des Normziels dienen, während gleichzeitig die Beibehaltung der strikten Rechtsgleichheit eine weitere Annäherung der Verfassungswirklichkeit an das Verfassungsrecht behindern würde. Diese Formulierung führt nun zu der Frage, ob sich auch eine Politik der Frauenförderung durch umgekehrte Diskriminierung als Ausnahme von der Regel des Art. 3 Abs. 2 GG rechtfertigen läßt. 2. Umgekehrte Diskriminierung zur Frauenförderung als Handlungsmöglichkeit der öffentlichen Gewalt

Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung zur Frauenförderung durchbrechen die grundrechtliche Rechtsgleichheit von Mann und Frau. Nach der hier zugrunde liegenden Strukturierung der Problemstellung hängt ihre Verfassungsmäßigkeit daher von zwei Voraussetzungen ab - einerseits davon, daß grundsätzlich, über die anerkannten Fallgruppen hinaus, weitere Ausnahmen vom Grundsatz des Art. 3 Abs. 2 GG denkbar sind - dies wurde (soeben 1.) bereits bejaht -, und andererseits davon, daß sich eine Politik der Frauenförderung durch umgekehrte Diskriminierung als normzielverwirklichende Ausnahme vom Grundsatz der Rechtsgleichheit zwischen Frauen und Männern darstellt. Die zweite dieser Voraussetzungen soll nun erörtert werden. Dabei gibt freilich die Frage, ob ein Abbau der Unterrepräsentation von Frauen im beruflichen und politischen Leben das Ziel des Art. 3 Abs. 2 GG zu verwirklichen geeignet ist, d. h. die soziale Gleichstellung von Frauen und Männern fördert, wenig Anlaß zu (verfassungs-)rechtlich begründeter Skepsis; angesichts der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers über Notwendigkeit und Erfolgsaussichten einer solchen Politik 102 liegt die "juristische Substanz" des Problems in einem anderen Aspekt: Eine zulässige Durchbrechung des Art. 3 Abs. 2 GG kann nur dann angenommen werden, wenn gleichzeitig die Beibehaltung der Rechtsgleichheit von Mann und Frau - als die Alternative zu einer Politik der umgekehrten Diskriminierung - der Verwirklichung des Normziels nicht mehr dient oder sie gar behindert; nur dann kommt eine Abweichung von dem verfassungsrechtlichen Regelfall des Art. 3 Abs. 2 GG in Betracht103 . 102 So in aller Deutlichkeit für Art. 3 Abs. 2 GG jetzt BVerfGE 74, 163 (180f.);· außerdem E 25, 1 (12, 17); 30, 292 (317); 38, 61 (87); 50, 290 (331ff.); 57, 139 (155f., 159ff.); 62, 1 (50). Aus dem Schrifttum Ossenbühl, Kontrolle S. 496ff.; Seetzen, Prognosespielraum S. 431 ff.; Zacher, Gleichheit S. 380ff. Es ist freilich anzunehmen, daß die gerichtliche Kontrolle eines "Quotierungsgesetzes" schon bei der Frage vorentschieden werden wird, ob ein Prognosespielraum besteht oder nicht, ohne daß die Handhabung der vom BVerfG selbst aufgestellten Maßstäbe dabei vorhersehbar wäre (Schlaich, BVerfG S. 230ff.; Ossenbühl, ebd. S. 499). 103 Zu dieser einschränkenden Rechtsmäßigkeitsvoraussetzung für eine Durchbrechung des Art. 3 Abs. 2 GG soeben 1 c).

III. Die Gegenposition: Verfassungsverwirklichung

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Nur solche Überlegungen können daher die Verfassungsmäßigkeit einer Politik der umgekehrten Diskriminierung begründen, die für die Abwägung zwischen diesen Alternativen - Beibehaltung des verfassungsrechtlichen Regelfalls oder Abweichung davon mit dem Ziel der Frauenförderung - eine Entscheidungshilfe bieten 104 • a) Frauenförderung als Kompensation für normzielwidrige Benachteiligung der Frauen An erster Stelle soll nun der - dem geltenden Recht in anderen Zusammenhängen bekannte 105 - Gedanke der Kompensation erörtert werden, des Ausgleichs für normzielwidrige, dem programmatischen Element des Art. 3 Abs. 2 GG widersprechende Benachteiligung von Frauen. Im Kontext der Frauenfrage kann dieser Gedanke zunächst auf die Erforderlichkeit eines Ausgleichs für historische Ungleichbehandlung, d. h. für die Benachteiligung früherer Frauengenerationen, bezogen werden 106 : Es ist zu überlegen, ob die rechtliche und soziale Zweitrangigkeit, die für die Stellung der Frau lange Zeit hindurch charakteristisch war 107 , eine ausgleichende Vorzugsbehandlung in der Gegenwart rechtfertigen kann 108 • 104 Auch hier muß für eine substantielle Diskussion der Problematik auf die angloamerikanische Debatte zurückgegriffen werden; dies gilt insbesondere für die theoretische Fundierung des Kompensationsgedankens und der Frage des Allgemeininteresses an einer stärkeren Repräsentation von Frauen im beruflichen und politischen Leben. Wichtig insbesondere (mit unterschiedlichen Standpunkten) O'Neil, Discrimination; die Beiträge bei Blackstone / Heslep, Social lustice; Goldman, Reverse Discrimination; Kennedy, Persuasion; Abram, Fair Shakers; Kanowitz, Benign Discrimination. 105 Zu Beispielen für die mit dem Vollzug kompensatorischer Regelungen verbundene Durchbrechung der Rechtsgleichheit zwischen Privilegierten und Konkurrenten Kap. 1 III 1 und 2. Zur Struktur der Problematik Goldman, Reverse Discrimination S. 67ff.; Pfarr, Chancengleichheit S. 255, 257ff.; Hoffmann-Riem, Chancengleichheit insbes. S. 73ff. 106 Für diesen Aspekt ist auf die parallele Diskussion im Entwicklungsvölkerrecht zu verweisen: Denn auch dort wird die Forderung nach kompensatorischem Recht zum einen mit den gegenwärtigen Disparitäten in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen begründet, zum anderen aber mit der historischen Ungleichbehandlung von seiten der Kolonialmächte, an deren Folgen die Staaten der Dritten Welt als ehemalige Kolonien bis heute zu leiden haben. Nachweise oben Kap. 2 I 5. 107 Im einzelnen oben Kap. 1 I 1. 108 Von diesem Gesichtspunkt zu trennen ist die Frage, ob die historische Benachteiligung bis in die gegenwärtige gesellschaftliche Situation nachwirkt, so daß Männer bis heute als Nutznießer der zu ihrem Vorteil geschaffenen Tradition zu bezeichnen wären, ebenso wie die Frauen bis heute an der Last des zu ihrem Nachteil entstandenen Ungleichgewichtes zu tragen haben (in diese Richtung Simitis in: BMJFG, Sachverständigenanhörung S. 54, der Kompensation als rechtmäßig ansieht, da die bloße Beibehaltung des status quo eine Perpetuierung der historischen Diskriminierung bedeuten würde; ähnlich auch Pfarr, ebd. S. 196). Doch der Gedanke einer Kompensation für solche Diskriminierungsfolgen verläßt bereits den Rahmen des hier zunächst behandelten Arguments und soll daher erst anschließend erörtert werden.

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3. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung als Gleichheitsproblem

Doch der Gedanke eines Ausgleichs für "historische Diskriminierung" wirft eine Reihe schwieriger und noch ungelöster Fragen auf: Weil der kompensationsbedürftige Tatbestand in der (fernen) Vergangenheit 109 liegt, sind die benachteiligte und die zum Ausgleich begünstigte Generation nicht identisch, so daß der Verantwortungszusammenhang zwischen Diskriminierung und Kompensation weitgehend relativiert ist. Unklar ist auch, wie der Tatbestand einer kompensationsbedürftigen historischen Situation zu bestimmen wäre: Muß sie auf Diskriminierung im Sinne einer Rechtsverletzung zurückzuführen sein oder reicht eine feststellbare Unterrepräsentation von Frauen aus? Und wenn man das Vorliegen einer Diskriminierung fordern will: Warum sollen heutige Gleichheitsstandards und heutiges Rechtsempfinden den Maßstab dafür abgeben, ob eine solche Diskriminierung in der Vergangenheit vorgelegen hat 110 ? Eine abschließende Antwort auf diese Fragen setzt eine Diskussion voraus, die in der Bundesrepublik Deutschland erst eröffnet werden müßte. Doch es ist mehr als zweifelhaft, ob der Nachweis geführt werden kann, daß Art. 3 Abs. 2 GG die Dimension einer generationenübergreifenden Gerechtigkeit ins geltende Verfassungrecht einführen soll. In den Normen des Grundgesetzes wie in der Rechtspraxis geht es vielmehr um den Ausgleich heute widerstreitender Interessen. Mit dem Gedanken des Ausgleichs für historische Diskriminierung einen Eingriff in die Grundrechtspositionen der Männer zu rechtfertigen, stößt deshalb auf unüberwindliche Bedenken; die Beziehung zwischen den damals Begünstigten bzw. Belasteten und dem heutigen Ausgleich ist zu diffus, um die weitreichenden Konsequenzen einer Politik der umgekehrten Diskriminierung rechtfertigen zu können. In der verfassungsrechtlichen Diskussion liegt es daher näher, sich zur Rechtfertigung der umgekehrten Diskriminierung auf die gegenwärtige Situation zu beziehen. Denn es sind vor allem die heute noch bestehenden geschlechtsspezifischen Nachteile und Belastungen der Frauen, die zu der kor109 Dieser Bezug ist sehr unbestimmt; sicher ist lediglich, daß die Diskriminierungen, die ausgeglichen werden sollen, nicht etwa auf die Zeit seit 1949 beschränkt sind. Man wird an den gesamten Zeitraum zu denken haben, in dem das Problem der Frauendiskriminierung bewußt wahrgenommen und diskutiert wird. 110 Die Schwierigkeiten wachsen noch, wenn man sich die Frage stellt, wie weit man in der Betrachtung der Geschichte zurückgehen soll, um kompensationsfähige historische Diskriminierung zu fixieren, bis zu welchem Punkt also die Gegenwartsgesellschaft und der heutige Gesetzgeber die Verantwortung für Ungleichbehandlung auf sich nehmen sollten. Zumindest wird man annehmen müssen, daß die Tragfähigkeit des Arguments desto schwächer wird, je weiter der Tatbestand zurückliegt, an den die Kompensation anknüpft, so etwa Sher, Reverse Discrimination S. 3ff. Krit. auch Beauchamp, lustification S. 84. Der Einwand Gahringers, Race and Class S. 106, Geschichte könne nicht mit Hilfe der Kompensation umgekehrt werden, ist dagegen nicht ohne weiteres zwingend. Verantwortung für historische Entwicklung kann bis zu einem, wenn auch schwer bestimmbaren Maß übernommen werden; diese Erkenntnis ist gerade durch die jüngere deutsche Geschichte überdeutlich geworden.

III. Die Gegenposition: Verfassungsverwirklichung

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rekturbedürftigen Unterrepräsentation geführt haben und die deshalb nach einem Ausgleich verlangen. Die traditionelle Zuweisung bestimmter beruflicher Tätigkeiten an Frauen, die Konzentration der Frauenarbeit auf hierarchisch untergeordnete Positionen oder die geringe Präsenz von Frauen im politischen Leben widersprechen heute geltenden Maßstäben und müssen deshalb beseitigt werden, da sie trotz weitgehend erreichter Rechtsgleichheit frühere Ungleichheit perpetuieren 111 • Freilich spielt auch die historische Entwicklung in diesem Zusammenhang eine Rolle, denn die Nachwirkungen historischer Diskriminierung l12 , die sich über Generationen hinweg erhalten und verstärkt haben, sind für das gegenwärtige "stabile Ungleichgewicht" zwischen Männern und Frauen mitverantwortlich. Sie haben insbesondere zu einem erheblichen "Nachholbedarf"1l3 der Frauen an Chancen und gesellschaftlichem Gewicht geführt, der ohne ausgleichende Maßnahmen innerhalb einer absehbaren Zeitspanne kaum zu befriedigen ist. Der Kompensationsgedanke entgeht in diesem Zusammenhang den meisten Einwänden, die gegen den Vorschlag eines Ausgleichs für historische Diskriminierung vorgebrachtweren können; so ist weder ein "generationen übergreifender" Zusammenhang zwischen Benachteiligung und ausgleichender Privilegierung zu rechtfertigen, noch stellt sich die Frage, ob ein historischer Zustand an heutigen Maßstäben gemessen werden darf. Zu berücksichtigen ist freilich auch, daß das Argument der nachwirkenden Diskriminierungsfolgen im Laufe der Zeit in dem Maße an Überzeugungskraft verlieren dürfte 1l4 , in dem die Nachwirkungen der historischen Situation schwächer werden - es liegt daher nahe, die Berechtigung für eine Politik der umgekehrten Diskriminierung nur für eine zeitlich begrenzte Übergangsperiode anzunehmen 1l5 . Auch andere Aspekte der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation von Frauen lassen den Gedanken einer kompensatorischen Privilegierung als Simitis in: BMJFG, Sachverständigenanhörung S. 54. Es geht also nicht - wie oben - um den Ausgleich historischer Diskriminierung, sondern um gegenwärtige diskriminatorische Wirkungen historischer Tatbestände. Diesen Unterschied betont auch Beauchamp, lustification S. 84f. 113 Daß der Gedanke des "Nachholbedarfs" als rechtliche Kategorie der Verfassung grundsätzlich nicht unbekannt ist, geht aus Art. 6 Abs. 5 GG hervor - so auch Schmitt Glaeser in: BMJFG, Sachverständigenanhörung S. 255; ähnlich Denninger, ebd. S. 109-; auf diese Feststellung ist die Bedeutung dieser Vorschrift für die Frage der Frauenförderung freilich beschränkt (oben I b) a. E.). 114 Dieses Argument findet sich in BVerfGE 74,163 (18lf.), wenn auch nicht auf den speziellen Aspekt der historischen Diskriminierungsfolgen bezogen. 115 Die Frage bedarf näherer Untersuchung, doch drängt sich die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer ausdrücklich fixierten Befristung jedenfalls nicht auf: Denn in dem Augenblick, in dem die Disparität zwischen Frauen und Männern nicht mehr besteht und eine Quotenregelung daher als rechtswidriger Grundrechtseingriff zu qualifizieren wäre, entfaltet sie ja auch keine Wirkung mehr. Ohne Einschränkung gilt dies freilich nur für flexible Quotierungen: Eine starre Quote, die (als politisches Signal) einen Wert von 60 % festsetzt, dürfte sich tatsächlich nicht unbeschränkt rechtfertigen lassen; in diesem Falle bedarf es daher einer zeitlichen Begrenzung. 111

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3. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung als Gleichheitsproblem

gerechtfertigt erscheinen, und zwar insbesondere die für berufstätige Frauen typische Doppelbelastung durch Familie und Beruf, die, ohne das Ergebnis gleichheitsverletzender Benachteiligung zu sein, die Chancen von Frauen im beruflichen und politischen Leben dennoch schmälert. Da ein Abbau solcher Behinderungen in absehbarer Zeit nicht zu erwarten und in umfassender Weise auch kaum möglich ist - man denke an alle unmittelbar mit Schwangerschaft und Geburt verbundenen Belastungen -, muß hier ein Ausgleich geschaffen werden, auch wenn man daran zweifeln mag, ob dieses Argument auch Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung zugunsten derjenigen Frauen zu rechtfertigen vermag, die nicht von solcher Doppelbelastung betroffen sind 116 • Doch selbst diese Frauen haben in ihrer beruflichen oder politischen Karriere häufig mit der belastenden Erwartung zu kämpfen, daß sie eines Tages in eine solche Situation der Doppelbelastung kommen könnten und damit nicht mehr in gleicher Weise wie bisher belastbar d. h. geeignet wären. Ein Ausgleich für Nachteile dieser Art läßt sich mit Hilfe traditioneller Vorschriften zum Mutterschutz im engeren Sinne nicht bewerkstelligen; es ist daher plausibel anzunehmen, daß gerade die mittelbaren Folgen der Doppelbelastung - geminderte Aufstiegschancen, schlechtere Aussichten auf prominente politische Positionen usw. - unter Wahrung der Rechtsgleichheit von Frauen und Männern nur schwer neutralisiert werden können. Zu berücksichtigen ist schließlich der gegen die umgekehrte Diskriminierung gerichtete Einwand, jede Kompensation sprenge die individualrechtliche Orientierung des Art. 3 Abs. 2 GG dadurch, daß sie Vor- und Nachteile allein an die Geschlechtszugehörigkeit von Männern und Frauen knüpfe, ohne bei Frauen das Vorliegen individuell nachweisbarer Benachteiligung bzw. bei Männern individuelle Verantwortlichkeit zu fordern 1l7 • Dieser Einwand ist nicht ohne Gewicht, denn tatsächlich ist mit der Rechtfertigung der umgekehrten Diskriminierung, wenn auch auf Art. 3 Abs. 2 GG beschränkt, eine Orientierung der Verfassungsauslegung in Richtung auf ein gruppenbetontes Gerechtigkeitsmodell verbunden. Es sprechen allerdings - abgesehen vom Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 GG, der Männer und Frauen als Gruppen erwähnt und damit auf einen über die Dimension des Individuellen hinausführenden objektiven Normgehalt hindeutet - einige gewichtige Argumente dafür, diesen ungewöhnlichen Schritt dennoch zu tun. So hat sich die theoretische Rechtfertigung für gleichheitswidriges Verhalten gegenüber Frauen stets auf die Frauen als Gruppe bezogen - auf physische oder psychische Merkmale, die allen Frauen unterschiedslos und unabhängig von ihrer konkreten Situation zugesprochen wurden -, auch wenn jede einzelne Entscheidung als Zweifelnd das BVerfGE 74, 163 (180). Dieses Argument etwa bei v. Mangoldt - Starck, Rz 210, 215ff., zu Art. 3; Mengel, Positive Diskriminierung S. 534; Schmitt Glaeser in: BMJFG, Sachverständigenanhörung S. 181; Friauf, ebd. S. 8,105; Benda, positive Aktionen S. 118ff. Zum theoretischen Fundament Goldman, Reverse Discrimination S. 76ff., 188ff. 116

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III. Die Gegenposition: Verfassungsverwirklichung

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Ausdruck einer solchen Haltung unmittelbar gegen eine individuelle Adressatin gerichtet ist. Traditionelle Verhaltensweisen dieser Art haben über lange Zeit hinweg durch ihre gruppenorientierte Struktur die gesellschaftliche Wirklichkeit geprägt; "Opfer" und "Nutznießer" der Diskriminierung waren historisch durch die Gruppenzugehörigkeit definiert und sind es bis heute 118 • Dies macht es plausibel, in der Phase der Kompensation ebenso zu verfahren 119 • Auch die Aufhebung der als das Ergebnis der' historischen Entwicklung entstandenen "negativen Gruppenidentität" der Frauen, die ein weiteres Ziel der umgekehrten Diskriminierung darstellt, muß ihrerseits notwendig gruppenbezogen sein 120 • Das Element persönlicher Benachteiligung in jedem Einzelfall auf der einen bzw. Verantwortlichkeit auf der anderen Seite kann damit zurücktreten 121 , zumal die Notwendigkeit eines Nachweises individueller Nachteile oder Verantwortung die praktische Undurchführbarkeit jeglicher Kompensation zur Frauenförderung bedeuten würde122 • b) Kompensatorische Prauen!örderung ,~ur Verwirklichung einer gerechten Gesellschaftsordnung

Eine Rechtfertigung der umgekehrten Diskriminierung mit dem Gedanken der Kompensation darf allerdings nicht an der Tatsache vorbeigehen, daß eine solche Politik allein den Männern, deren Chancen im Wettbewerb gemindert werden (sollen), eine erhebliche Last auferlegt. Diese Feststellung kann man auch nicht mit dem Hinweis beiseite schieben, ein Abbau ungerechtfertigter Privilegien bedeute nie einen Nachteil 123 ; eine solche Position einzunehmen ist 118 Da sich ein männlicher Bewerber gegen die zu seinen Gunsten bestehenden Strukturen nicht wehren kann, kann er als "Nutznießer" bezeichnet werden, auch wenn er kein zusätzliches persönliches Verhalten gezeigt hat, das ihn als "Täter" einer Diskriminierung auswiese: O'Neil, Discrimination S. 106ff. (107). 119 Fallon I Weiler, Models S. 26f.; ähnlich Boxill, Morality S. 255 und offenbar Hirschberg, Rassendiskriminierung S. 352. 120 Dazu Thalberg, Themes S. 146ff. und Minas, Reverse Discrimination S. 77: O'Neil, Discrimination S. 96. Ähnlich Jansen, Quotierung S. 17; Stärkung des individuellen und kollektiven Selbstbewußtseins. 121 Dix, Gleichberechtigung S. 376ff.; Thalberg, Themes S. 146 und 147f.; kritisch dazu Gahringer, Race and Class S. 105. 122 Ebenso Simitis in: BMJFG, Sachverständigenanhörung S. 54; Garbe-Emden, Gleichberechtigung S. 77. Insoweit von gleicher Struktur sind die Regelungen zugunsten der Spätheimkehrer (dazu oben Kap. 1 m,l.), die ebenfalls weder auf seiten der Begünstigten noch der Belasteten individuelle Nachweise von Betroffenheit verlangen. In der deutschsprachigen Literatur findet sich der erste theoretisch fundierte Versuch, ein gruppenorientiertes Gerechtigkeitsmodell in die Auslegung des Art. 3 GG einzubeziehen, bei Slupik, Parität S. 79ff., 87ff.: Die Rolle der Individualgarantie übernimmt danach Art. 3 Abs. 3, während Abs. 2 ausschließlich als kollektives Förderungsgebot verstanden wird. 123 Beispielsweise Jansen, Quotierung S. 25; Raaseh, Chancengleichheit S. 330. In eine ähnliche Richtung geht der Hinweis von Garbe-Emden, Gleichberechtigung

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3. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung als Gleichheitsproblem

angesichts der eindeutigen Formulierung der Verfassung nicht möglich 124 , auch wenn eine gruppenbezogene Privilegierung bzw. Belastung von Frauen und Männern grundsätzlich hinnehmbar ist. Dem Einwand der ungerechten einseitigen Kostentragungslast steht jedoch die Überlegung entgegen, daß eine Politik der Frauenförderung nicht ausschließlich - wenn auch in erster Linie - zugunsten von Frauen wirkt, sondern daneben auch ein gesamtgesellschaftliches Interesse darstellt: Den "Kultureinfluß der Frau zu voller innerer Entfaltung und freier sozialer Wirksamkeit zu bringen" 125 , liegt auch im gemeinsamen Interesse von Frauen und Männern; es ist dies das Interesse daran, alle Gruppen einer Gesellschaft in gleicher Weise an Chancen und Lasten zu beteiligen 126 , d. h. ein soziales Gleichgewicht als Ebenbild einer gerechten Gesellschaftsordnung zu schaffen 127 . Art. 3 Abs. 2 GG kann, in seiner programmatischen, an die Forderungen der historischen Frauenbewegung anknüpfenden Zielsetzung als Ausdruck dieses Gedankens verstanden werden - nicht die "blinde" Neutralität des Rechts, sondern eine wertbestimmte Ordnung soll das Verhältnis der Geschlechter prägen. Denn es ist - auch abgesehen vom individuellen Recht des einzelnen auf Teilhabe an allen Gütern der Gesellschaft - kein Grund dafür ersichtlich, die Hälfte des einer Gesellschaft zur Verfügung stehenden Potentials an Anregung, Begabung und Aktivität nicht auszuschöpfen 128 • Pluralistische Vielfalt 129 S. 160f., die Schaffung eines gespaltenen Stellenmarktes verhindere jede Konkurrenz, so daß umgekehrte Diskriminierung keine Gleichheitsverletzung darstelle (dagegen auch Ebsen, Quotierungsregelungen S. 31 f.; dazu noch unten Kap. 411 3). Abwegig ist schließlich auch die Rechtfertigung der umgekehrten Diskriminierung als "Vergeltung" für bisherige Ungleichbehandlung. Zu diesem Argument, das in der deutschen Diskussion bisher nicht vorgetragen wird, Thalberg, Themes S. 149f. m. w. N. 124 Da Art. 3 Abs. 2 GG Männern ebenso wie Frauen zur Seite steht, stellt jede Abweichung einen rechtfertigungs bedürftigen Eingriff dar, Pfarr, Gleichstellungspolitik S. 70f., Benda, positive Aktionen S. 117. 125 "Ziele und Aufgaben der Frauenbewegung - Programm des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins", 1905, Präambel. Dazu oben Kap. 1 I l. 126 Das Argument der social utility wird in der deutschen Literatur kaum erörtert, vgl. immerhin Dix, Gleichberechtigung S. 356f.; Dt. Akademikerinnenbund, Tagungsberichte S. 12lf. Dazu noch Keith, Color blindness S. 2ff.; Kennedy, Persuasion S. 1329, deren sehr pragmatische Argumentation jedoch auf die Frage der Frauendiskriminierung nicht zu übertragen ist; McDougal / LassweIl / ehen, Human Rights S. 562f. Kritisch Wertheimer, Jobs S. 102ff. Im übrigen dazu Beauchamp, Justification S. 85; Greenawalt, Problems S. 97; offenbar auch Gahringer, Race and Class S. 110. 127 Zu einem Teil der nun folgenden Aspekte Fallon / Weiler, Models S. 18ff., doch deckt sich die hier vorgetragene Terminologie und Schwerpunktbildung nicht mit der von ihnen vorgenommenen Einstellung. Kritisch zum topos des sozialen Gleichgewichts noch Dixon, Analysis S. 75ff. Anders dagegen Boxill, Morality S. 249. 128 Vor allem lohnston / Knapp, Sex Discrimination S. 738ff. (740); Thalberg, Themens S. 140; zu dem Problem noch Blackstone, Reverse Discrimination S. 58ff., 71 ff. 129 In der amerikanischen Diskussion wird dieses Argument unter dem auf die Rassendiskriminierung bezogenen Stichwort der (ethnic) diversity diskutiert, besonders im Anschluß an das Sondervotum von J. Powell in Bakke. Dazu O'Neil, Bakke S. 150ff. (158ff.); ablehnend Greenawalt, Problems S. 120ff.

III. Die Gegenposition: Verfassungsverwirklichung

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erhöht die Fähigkeit einer Gesellschaft, Problemlösungen zu entwickeln, und es mag sich gerade ein besonderes Bedürfnis nach der spezifischen Leistung von Frauen entwickelt haben 130 • Doch eine vom Einfluß unsachlicher Momente nicht getrübte Nutzung der persönlichen Kapazität aller Mitglieder der Gesellschaft setzt ein Gleichgewicht zwischen den sozialen Gruppen - das schon der Entstehung von Vorurteilen entgegenwirkt - voraus; die normative Anordnung, daß unsachliche Momente keine Rolle spielen sollen, kann erst Leben gewinnen, wenn eine solche Situation bereits vorliegt. Ein Zustand des gesellschaftlichen Gleichgewichts erhöht, über die genannten Aspekte hinaus, für die betroffenen Frauen die Chance, auch andere etwa politische, aber auch kulturelle - Grundrechte mit fortschreitendem Abbau geschlechtsspezifischer Dominanzen im beruflichen oder politischen Leben effektiver nutzen zu können als dies aus der Position einer sozialen Minderheit heraus möglich ist 131 • Auch dies, die umfassende, alle sozialen Gruppen einbeziehende Ausübung dieser Rechte liegt im gesamtgesellschaftlichen Interesse, eine Feststellung, die gerade am Beispiel der politischen und kulturellen Rechte besonders deutlich wird 132 . Das Plädoyer für einen Zustand gleichmäßiger Partizipation aller sozialer Gruppen wird schließlich zum einen durch die Annahme ergänzt, daß der soziale Friede in einer gesellschaftlichen Gleichgewichtssituation in aller Regel stabiler sein wird als dann, wenn Tendenzen des Ungleichgewichts die Überhand gewinnen 133 . Zum anderen ist zu bedenken, daß die Herstellung einer gegenwärtig gleichmäßigen Verteilung sich gleichzeitig als die Grundlage eines zukünftig gerechten Gesellschaftssytems darstel1t1 34 • Gründe der social utility und Überlegungen der Gerechtigkeit liegen in der Argumentation für umgekehrte Diskriminierung nahe beieinander 135 - umgekehrte Diskriminierung ist nicht einseitig gegen die Interessen der Männer gerichtet; sie tragen zwar allein die Kosten, nehmen aber am Nutzen teil. 130 Vorausgesetzt, man erkennt den Gesichtspunkt der spezifischen Fähigkeiten der Frauen, die sie in Männerdomänen einbringen könnten, als zutreffend an. Einleuchtend für die parallele Problematik in der Rassenfrage (und aus der Position des Betroffenen) insoweit Keith, Color Blindness S. 7. m Ähnlich Garbe-Emden S. 90f. Zur Begriffsbestimmung: Als "soziale Minderheit" wird eine Gruppe nicht wegen ihrer zahlenmäßigen Stärke bezeichnet, sondern weil ihre Mitglieder den allgemein geltenden Normen, Erwartungen und Werten nicht oder nur teilweise entsprechen. Dieser bei DEAE, Umsiedler S. Uf. formulierte Gedanke läßt sich auf die Gruppe der Frautn übertragen. 132 Fallon / Weiler, Models S. 17f. zu den amerikanischen Bürgerrechten. Ausführlich dazu, bezogen auf die politische Partizipation, unten Kap. 5 U 1 und IU 2 b). 133 Jansen, Grundrechtsschutz S. 235. Das Argument ist allerdings unsicher, denn der Weg hin zu dem Gleichgewichtszustand kann seinerseits durch erhebliche Spannung und sozialen Unfrieden gekennzeichnet sein. Kriktisch auch Blackstone, Reverse Discrimination S. 72f. und O'Neil, Discrimination S. 135f. 134 Goldman, Reverse Discrimination S. 141ff. 135 Zum Nebeneinander und möglichen Konflikt der beiden Aspekte Beauchamp, lustification S. 88ff. und Blackstone, Reverse Discrimination S. 59f.

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3. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung als Gleichheitsproblem

c) Rechtsgleichheit contra Grundrechtseffektivität Art. 3 Abs. 2 GG als Status-Quo-Garantie?

Die Abwägung zwischen der Forderung nach einer Beibehaltung der Rechtsgleichheit der Geschlechter und dem Konzept der Frauenförderung führt schließlich zu der Frage, ob eine strikte rechtliche Gleichstellung von Frauen und Männern in der gegenwärtigen Situation überhaupt in der Lage wäre, dem teleologischen Programm des Art. 3 Abs. 2 GG zu effektiver Durchsetzung zu verhelfen. Damit gerät erneut die Auslegung des Art. 3 Abs. 2 GG als Ausdruck der "Geschlechtsblindheit" des Rechts auf den Prüfstand, und die Zweifel an diesem Konzept bestätigen sich: Es beruht auf dem Gedanken eines grundrechtlich gesicherten Wettbewerbs unter Gleichen, doch es berücksichtigt die reale Situation von Frauen und Männern nicht und kann deshalb die gegenwärtigen Problemstrukturen nicht zutreffend erfassen. Wettbewerbsgleichheit im Verhältnis von Frauen und Männern hat bisher nicht existiert; es stellt sich daher nicht lediglich die Frage ihrer - durch umgekehrte Diskriminierung vielleicht beschleunigten - Wiederherstellung, sondern sie ist überhaupt erstmalig zu etablieren. Das Bild einer meritokratischen und auf neutrales Recht gestützten Gesellschaftsordnung erweist sich als ahistorisch und ohne realen Hintergrund. Die Rolle der Rechtsgleichheit von Mann und Frau ist daher, zumindest in der gegenwärtigen, durch soziale Disparitäten zwischen den Geschlechtern gekennzeichneten Situation ambivalent. Zwar besteht wenig Zweifel daran, daß sie das Normziel des Art. 3 Abs. 2 GG - gleiche und effektive Möglichkeiten für Frauen und Männer, sich nach eigenen Zielvorstellungen und frei von geschlechtsspezifischen Hindernissen zu entfalten - dann unterstützen kann, wenn sich ein Gleichgewicht zwischen Männern und Frauen bereits eingestellt hat 136 . Das Gebot ist jedoch in einer Zeit ins positive Verfassungsrecht übernommen worden, als die "Machtverteilung" zwischen den Geschlechtern noch höchst einseitig zugunsten einer Seite im Ungleichgewicht war; dies hat sich bis heute nicht wesentlich geändert. In diesem Zustand verliert geschlechtsneutrale Rechtsgleichheit ihre innovatorische Kraft und birgt die Gefahr einer Perpetuierung des Ungleichgewichts eher als die Aussicht, diese in eine Situation realer Gleichheit zu überführen l37 • Sie entfaltet "versteinernde" WirIsung, d. h. sie fixiert gleichheitswidrige Rollenzuweisungen statt sie aufzulösen und führt dazu, daß den Frauen die effektive und gleiche Teilhabe an Chancen und Lasten der Gesellschaft dauerhaft verschlossen bleibt. 136 Diese strukturelle Schwäche betonen als allgemeines Phänomen Kloepfer, Gleichheit S. 37; Hoffmann-Riem, Chancengleichheit S. 83; Zacher, Gleichheit S. 357ff.; Grimm, Grundrechte S. 51ff. (53f.); Wege, Positives Recht S. 132ff.; Podlech, Gleichheitssatz S. 182. Zu den gleichlautenden Überlegungen des StlGH oben Kap. 2 I 4 b). 137 Hohmann-Dennhardt, Antidiskriminierungsgesetz S. 247; Raasch, Chancengleichheit S. 328; Dix, Gleichberechtigung S. 374f.; Keith, Color Blindness S. 5; Nash, Affirmative Action S. 230; Gamillscheg, Frauenarbeitsschutz S. 217.

III. Die Gegenposition: Verfassungsverwirklichung

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Das Dilemma der gegenwärtigen, auf eine Entscheidung drängenden Situation ist es, daß eine Entscheidung für neutrales Recht gegenwärtig keine neutrale Entscheidung ist. Die Beibehaltung der Rechtsgleichheit nimmt Stellung für die Männer als Nutznießer des status quo und gegen die Frauen als die gegenwärtig Belasteten, während auch die umgekehrte Diskriminierung eine der beiden Gruppen zu Lasten der anderen hervorhebt und damit nicht neutral ist. Jede Entscheidung - eine aktive Politik der umgekehrten Diskriminierung ebenso wie ein passives Bewahren des status quo - bedeutet hier eine einseitig sich auswirkende Stellungnahme; Neutralität ist nicht erreichbar. Die öffentliche Gewalt kann entweder in das Recht der Männer eingreifen, um das Ziel des Art. 3 Abs. 2 GG zu erreichen, oder die Individualrechte der Männer wahren, das Normziel damit aber verfehlen. Die demgegenüber erhobene Forderung einer Angleichung der Position der Frauen "nach oben" ohne gleichzeitige Korrektur der Stellung der Männer "nach unten" entbehrt angesichts der Knappheit der zu verteilenden Güter einer realistischen Grundlage 138 ; sie läuft darauf hinaus, eine Verwirklichung der Gleichstellung auf einen ebenso ungewissen wie fernen Termin zu verschieben. Die Beschränkung des Art. 3 Abs. 2 GG auf eine individualrechtliche Gewährleistung der Rechtsgleichheit reduziert die Vorschrift auf eine "Besitzstandsklausel"139 für die Erhaltung männlicher Privilegien. Es wäre sinnwidrig, gerade diejenige Norm, die als Mittel gegen die Benachteiligung der Frauen geschaffen wurde, so auszulegen, daß sie eben dieses Ziel auf absehbare Zeit verhindert l40 . 138 Denn daß der Abbau eines krassen Ungleichgewichts ohne Verluste der bevorzugten Seite möglich ist, kann nicht angenommen werden - im Gegenteil spricht viel dafür, daß die Last der Umverteilung desto größer ist, je größer das korrekturbedürftige Ungleichgewicht ist. Ebenso für die Rassendiskriminierung Hirschberg, Rassendiskriminierung S. 352f. 139 Hohmann-Dennhardt, Ungleichheit S. 45; zustimmend Benda, positive Aktionen S. 116f.; ebenso Pfarr, Herausforderung S.21; Garbe-Emden, Gleichberechtigung S. 161ff.; Raaseh, Chancengleichheit S. 330; Simitis, in: BMJFG, Sachverständigen anhörung S. 54, und Eckertz-Höfer, Frauen S. 467. Das Argument wird unter allgemeinen Gesichtspunkten erörtert bei Lempert, Irony S. 24; gegen ihn Westen, Irony S. 27f. Das BVerfG schließlich betont, daß stets derjenigen Auslegung eines Grundrechts der Vorzug zu geben sei, die dessen Wirkungskraft am stärksten zur Geltung bringe, etwa E 6, 55 (72); 39, 1 (38). 140 Die Rationalität der hier vorgeschlagenen Auslegung bestätigt sich in der folgenden Überlegung (die in dieser Form von Rawls, Theory of Justice, eh. 11. 24, in die politische Philosophie eingeführte Denkfigur verfolgt das Ziel, die Rationalität und moralische Berechtigung eines Arguments zu überprüfen, ohne dabei von individuellem- oder Gruppen-Egoismus abgelenkt zu sein. Ihr Argumentationswert soll nicht überschätzt werden, doch sie bietet eine Möglichkeit einer interessanten Reflexion über die Richtigkeit der hier angestellten Überlegungen): Wenn die Entscheidung für oder gegen umgekehrte Diskriminierung in einer Gesellschaft getroffen werden müßte, in der niemand seine eigene Position, d. h. für den hier behandelten Zusammenhang sein Geschlecht, kenne, so wäre unter dem "Schleier des Nichtwissens" ("veil of ignorance") eine Entscheidung auch der Männer für die Frauenförderung denkbar: Bei einer solchen Entscheidung entstünde jedem Individuum ein gewisser Nutzen, nämlich der individuelle Vorteil für Frauen und der gesellschaftliche Nutzen für Männer und

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3. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung als Gleichheitsproblem

d) Exkurs: Art. 3 Abs. 1 GG - Die Gefahr einer "Quotierungswelle" Zweifel an der Berechtigung der umgekehrten Diskriminierung zur Frauenförderung mit Rückwirkungen auf Art. 3 Abs. 2 GG können sich schließlich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergeben: Ein an diesem Maßstab zu beurteilender Gleichheitsverstoß mag in der Entscheidung liegen, gerade die Gruppe der Frauen, nicht aber andere "unterrepräsentierte" Gruppen in den Genuß einer gezielten Förderung kommen zu lassen, obwohl sie sich in einer der Lage der Frauen vergleichbaren sozialen Stellung befinden und damit Ansprüche mit gleicher Berechtigung vortragen wie diese 141 • Die Position solcher Gruppen wird im Gefolge einer Politik der Frauenförderung im übrigen möglicherweise nicht nur gleichheitswidrig vernachlässigt, sondern könnte sich darüber hinausgehend sogar noch verschlechtern: Denn durch Quotenregelungen zugunsten der Frauen mag die Zahl der insgesamt "frei" verfügbaren Positionen erheblich sinken, so daß sich nicht nur die Chancen der Männer als der unmittelbar Betroffenen verschlechtern würden, sondern auch die der anderen nicht geförderten Gruppen. Die einzige Möglichkeit, diese Situation zu vermeiden, besteht auf dem Boden dieser Kritik darin, eine gezielte Förderung überhaupt einzustellen - oder alle in ihren Chancen eingeschränkten sozialen Gruppen in die Förderung einzubeziehen. Da dies jedoch eine Flut entsprechender Forderungen auslösen müßte, eine "Quotierungswelle", würde sich aus der praktischen Unmöglichkeit, alle gleichermaßen berechtigten Gruppen zu fördern, die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit jeder derartigen Förderung schlechthin ergeben. Zwar ist es richtig, daß sich auch in der Bundesrepublik Deutschland soziale Gruppen ("Minderheiten") identifizieren lassen, deren Partizipationschancen im Wettbewerb um berufliche oder politische Positionen aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit erheblich gemindert sind, und die daher ebenfalls nur mit Hilfe gezielter Förderung einen Ausweg aus dieser Situation finden können. Wenn der Gesetzgeber nun gerade die Gruppe der Frauen durch FörderungsFrauen; die Entscheidung hätte also in jedem Falle zumindest auch positive Wirkung. Eine Entscheidung gegen umgekehrte Diskriminierung aber bedeutete die Beibehaltung von Privilegien bzw. Benachteilungen und würde sich damit entweder nur positiv oder nur negativ auswirken. Wenn man nun seine eigene Position nicht kennt, so wäre es vernünftig, diejenige Entscheidung zu treffen, die dem Entscheidenden jedenfalls auch Nutzen bringt. Zur Anwendung der Denkfigur auf die Frage der umgekehrten Diskriminierung vor allem Goldman, Reverse Discrimination S. 10ff. (12) und 14ff.; gegen ihn Thalberg, Themes S. 148f. mit einem dem hier vertretenen ähnlichen Standpunkt. 141 Hier entstünden so schwierige Fragen wie die nach der Behandlung von "Doppelmitgliedschaften": Wie wären Bewerber einzustufen, die eine "Mitgliedschaft" in zwei geförderten Gruppen aufzuweisen hätten? Die Wahl der Beispiele im Schrifttum (vgl. insbesondere Schmitt Glaeser, Gleichberechtigung S. 388, ihm folgend v. Mangoldt Starck Rz 210 zu Art. 3) zeigt allerdings, daß der Bereich ernsthafter Argumentation hier schnell verlassen ist.

IV. Ergebnis

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maßnahmen besonders hervorhebt, so muß er diese Entscheidung am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes rechtfertigen. Doch im Rahmen des Grundgesetzes 142 bereitet dies keine durchgreifenden Schwierigkeiten - zumindest aus verfassungsrechtlicher Sicht droht eine "Quotierungswelle" nicht: Denn zum einen privilegiert die Frauenförderung gerade diejenige Zielgruppe, die sich in der sozialen Situation einer Minderheit befindet, gleichzeitig aber die Mehrheit der Bevölkerung bildet; schon dieser Gesichtspunkt bewahrt die Frauenförderung vor dem Vorwurf einer gleichheitswidrigen (weil willkürlichen) Benachteiligung anderer Zielgruppen 143 • Zum anderen und vor allem aber hebt Art. 3 Abs. 2 GG in seiner positiven Formulierung die Gruppe der Frauen aus allen weiteren, im übrigen vergleichbaren Gruppen heraus. Während diese sich zur Rechtfertigung ihrer Förderungswürdigkeit lediglich auf den Gedanken der Sozialstaatlichkeit stützen können, stellt die programmatische Zielsetzung des Art. 3 Abs. 2 GG einen besonderen verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkt dar, der eine Entscheidung der öffentlichen Gewalt für die Förderung gerade dieser Gruppe rechtfertigt 144. IV. Ergebnis

Eine Politik der umgekehrten Diskriminierung zur Frauenförderung stellt für die öffentliche Gewalt - gemessen an Art. 3 Abs. 2 GG - einen verfassungsrechtlich zulässigen Weg dar, auf dem Feld der Gleichberechtigung von 142 Das Argument der "Quotierungswelle" ist der Debatte in den Vereinigten Staaten entlehnt, ohne daß insofern eine Vergleichbarkeit der Situation gegeben wäre. Selbst in den Vereinigten Staaten aber, wo eine Hervorhebung der Frauen vor anderen förderungswürdigen Zielgruppen außerordentlich problematisch ist, gibt es Stimmen, die eine Hervorhebung der Frauen rechtfertigen, etwa Thalberg, Themes S. 146f.; Fallon I Weiler, Conflicting Models S. 47ff. sowie O'Neil, Discrimination S. 151ff. Daneben zum Problem noch Greenawalt, Problems S. 117ff. 143 Differenziert zu diesem Problem Dix, Gleichberechtigung S. 346ff. In den Vereinigten Staaten hingegen stehen der Gruppe der Frauen zahlreiche andere Gruppen von vergleichbarem Gewicht gegenüber - neben den verschiedenen Gruppen von Nichtweißen auch die großen Einwanderergruppen -, die mit ähnlichem oder höherem moralischen Anspruch als diese die Forderung nach umgekehrter Diskriminierung stellen können. Eine Entscheidung für nur eine der konkurrierenden Gruppen bringt hier die Gefahr mit sich, die Gesellschaft nicht in ein soziales Gleichgewicht zu bringen, sondern in einen Zustand permanenter Verteilungskämpfe zu stürzen, Abram, Fair Shakers S. 132lf.; Blackstone, Reverse Discrimination S. 73; Sindler, Equal üpporotunity S.266ff. 144 Ebenso Denninger in: BMJFG, Sachverständigenanhörung S. 109. Im übrigen aber soll eine strukturelle "Unebenheit" nicht unerwähnt bleiben, die in der Diskussion meist übersehen wird: Der Gesetzgeber mag schon deshalb zu Recht gerade das Verhältnis von Mann und Frau zum Ansatzpunkt für umgekehrte Diskriminierung wählen, weil dies die einzige Gruppenbildung ist, die alle anderen Einteilungen überlagert. Streng genommen kann sich schon aus diesem Grunde das Problem der "Quotierungswelle" nicht stellen, da Frauenförderung gegenüber der Förderung anderer Gruppen von anderer logischer Qualität ist. Ähnlich Jansen, Quotierung S. 26.

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3. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung als Gleichheitsproblem

Mann und Frau Verfassungsrecht und soziale Wirklichkeit miteinander in Einklang zu bringen. Die Grundlage für dieses Ergebnis bildet eine Interpretation der Vorschrift, die ihren normativen Gehalt nicht voreilig auf ein absolutes Differenzierungsverbot reduziert; die herrschende Auffassung zu Art. 3 Abs. 2 GG muß in wesentlichen Teilen ergänzt und korrigiert werden: Art. 3 Abs. 2 GG ist insbesondere nicht auf eine Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes beschränkt, die die Vorstellung einer meritokratisehen Gesellschaft auf der Grundlage neutralen, "geschlechtsblinden" Rechts mit der Autorität des Verfassungstextes versieht und aus diesem Grunde jede Relativierung der Rechtsgleichheit von Frauen und Männern weitestgehend ausschließt. Die Vorschrift muß vielmehr als programmatisches Signal verstanden werden, das das Ideal der umfassenden sozialen Gleichstellung der Geschlechter - einer Gleichheit der Startbedingungen und Entfaltungschancen in dem von der historischen Frauenbewegung geprägten Sinne - in die verfassungsrechtliche Wertordnung einreiht. Diese Zielsetzung tritt als objektiver Normgehalt neben die grundrechtliehe Gewährleistung der Rechtsgleichheit von Mann und Frau, und in der Auslegung der Vorschrift müssen beide Elemente gleichermaßen zur Wirkung kommen. Die mit Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung verbundene Einbuße an rechtlicher Gleichheit kann aus der Grundlage dieser Interpretation grundsätzlich gerechtfertigt werden. Als Kompensation für die Nachteile, die die gegenwärtige Situation von Frauen noch in charakteristischer Weise prägen, und als der Versuch, einen Zustand des gesellschaftlichen Gleichgewichts zwischen Frauen und Männern herzustellen, ist eine zeitweilige tiefgreifende Deprivilegierung der Männer hinnehmbar, zum al der - alternativ zu erwägende - Weg einer Beibehaltung gleicher Rechtspositionen keine weitere Annäherung der sozialen Wirklichkeit an das Ziel des Art. 3 Abs. 2 GG verspricht, ihr möglicherweise sogar im Wege steht. Auf der anderen Seite aber gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, Art. 3 Abs. 2 GG als einen aus dem Gedanken der Sozialstaatlichkeit inspirierten Verfassungsauftrag zur Gleichstellung der Geschlechter zu verstehen. Eine solche Annahme würde die normative Kraft der Vorschrift überschätzen; eine Politik der umgekehrten Diskriminierung zur Frauenförderung ist danach zwar zulässig, verfassungsrechtlich geboten ist sie jedoch nicht.

4. Kapitel

Frauenförderung im Arbeitsleben Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst I. Bestandsaufnahme 1. GleichsteUungsdeflZite im öffentlichen Dienst

Für die Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern ist die Möglichkeit freier beruflicher Entfaltung - neben dem gleichen Zugang zu Bildung und Ausbildung sowie der Möglichkeit ungehinderter Teilnahme am öffentlichen Leben - eine entscheidende Voraussetzung; schon die Forderungen der historischen Frauenbewegung trugen dieser Erkenntnis Rechnung l . Ging es allerdings zunächst darum, Frauen den Zugang zum Arbeitsmarkt rechtlich und faktisch überhaupt erst zu öffnen, so ist diese Zielsetzung heute in den Hintergrund getreten, wenn auch noch nicht obsolet geworden2 • Sie ist abgelöst worden durch die Forderung, den berufstätigen Frauen die reale Möglichkeit zu verschaffen, auf allen, d. h. insbesondere auf den höheren Ebenen beruflicher Hierarchien Fuß zu fassen. Denn obwohl sich die Anzahl berufstätiger Frauen auf einem gleichbleibend hohen Niveau eingependelt hat, ist ihre Situation in qualitativer Hinsicht durch gravierende geschlechtsspezifische Disparitäten gekennzeichnet3 ; hier Abhilfe zu schaffen, ist das Ziel der berufsbezogenen Frauenförderungspolitik. Dem öffentlichen Dienst wird in diesem Zusammenhang nicht nur angesichts seiner quantitativen Bedeutung für den Beschäftigungsmarkt eine Vorreiterrolle zugesprochen, sondern auch wegen der besonderen Verantwortung der öffentlichen Gewalt für die Verwirklichung der verfassungsrechtlichen lOben Kap. 1 I 1. Hierher gehört das Problem der arbeitsrechtlichen Schutzgesetze, die Frauen unabhängig von ihren individuellen Fähigkeiten - bestimmte Tätigkeiten untersagen (Hanau, Geschlechtsdiskriminierung S. 194; Säcker, Referat S. 28ff.; Löwisch, Gutachten S. 59ff.; Fels, Frauenbewegung S. 107ff.; Mayer-Maly, Frauengleichbehandlung S. 261ff., 267f.), aber auch die Frage einer Benachteiligung aufgrund leitbildorientierten Rechts trotz rechtlicher Gleichheit (dazu mit unterschiedlichen Schwerpunkten Herbst, Diskriminierung; Thiele, Stellung; Schütz, Teilzeitbeschäftigung.). 3 Zur gegenwärtigen Situation im Überblick oben Kap. 1 I 2; zum öffentlichen Dienst im besonderen sogleich. 2

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4. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst

Wertentscheidungen4, zu denen auch die Gleichstellung von Frauen und Männern zählt. Dieser Einschätzung entsprechend hat sich im öffentlichen Dienst des Bundes und der Länder in den Jahren 1984 bis 1988 eine Entwicklung vollzogen, die in fast allen Ländern zur Formulierung von Richtlinien, "Leitlinien" und "Programmen" zur Frauenförderung geführt hat und die damit den Anlaß für eine erste Zwischenbilanz bietet5 . Die gegenwärtige Situation der Frauen im öffentlichen Dienst, die den Hintergrund der Förderung nach umgekehrter Diskriminierung bildet, zeichnet sich nach den Ergebnissen empirischer Untersuchungen 6 durch zwei gegenläufige Tendenzen aus:

In quantitativer Hinsicht läßt sich eine Verbesserung der Situation der Frauen feststellen. Ihr zahlenmäßiger Anteil im öffentlichen Dienst ist seit 1960 erheblich gestiegen7 . Diese Tendenz hat sogar in Zeiten der Rezession angehalten, obwohl die Einstellungspraxis der öffentlichen Hand grundsätzlich betont prozyklisch ist8 • Freilich ist zu berücksichtigen, daß der Ausbau des Gesundheitswesens und die erhebliche Ausweitung anderer sozialer Dienste einen Schub von NeueinsteIlungen ausgelöst haben 9 , der die traditionelle Rollenverteilung der Geschlechter eher verfestigt als aufgelöst hat und daher nicht uneingeschränkt positiv zu bewerten ist. Überdies wurde die Entwicklung nicht von allen Zweigen der Verwaltung in gleicher Weise getragen, so daß der Abbau quantitativer Defizite in höchst unterschiedlichem Ausmaß vorangeht lO • 4 Benda, positive Aktionen S. 1Of.; ähnlich Isensee, Zugang S. 348; Weg S. 570; ebenso auch Äußerungen der Verwaltung selbst, etwa die Leitlinien zur Förderung der weiblichen Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Landes Berlin, sub I. (Nachw. sogleich bei 2.); BMI, Forschungsbericht 17.1.3 (S. 85); anders Kempen, Gleichberechtigung S. 289. Zum quantitativen Gewicht des öffentlichen Dienstes Langkau-Herrmann, Frauen S. 20ff.; ebenso Däubler-Gmelin / Pfarr / Weg, Lohn S. 30f. 5 Zu diesen Richtlinien im einzelnen sogleich bei 2. Die Überlegungen werden sich allerdings auf den unmittelbaren öffentlichen Dienst (dazu Isensee, öff. Dienst S. 1149 m. w. N. und Stern, Staatsrecht I S. 339f.) beschränken, doch lassen sich die Ergebnisse auf die übrigen Bereiche des öffentlichen Dienstrechts übertragen, da Art. 33 Abs. 2 GG als zentrale Vorschrift Geltung für das gesamte öffentliche Dienstrecht beansprucht. 6 Neben den auf sekundärstatistischem Material und (teilweise) auf Befragungen beruhenden Untersuchungen (vor allem Langkau-Herrmann, Frauen; Langkau-Herrmann / Sessar-Karpp, Frauen; BMI, Forschungsbericht; BI für Bevölkerungsforschung, Gutachten sowie entsprechenden Texten auf europäischer und internationaler Ebene) sind parlamentarische Initiativen (vor allem BT-Ds 7/5866 und 8/4461, Zwischenbericht und Bericht der Enquete-Kommission Frau und Gesellschaft; 10/270; 10/2461; 10/3055; 10/6340; BT-Prot 10/121; 10/181; 10/198; 10/255) sowie die ersten Berichte zu nennen, die in Erfüllung der in den neuen Richtlinien verankerten Berichtspflichten vorgelegt werden. 7 Bundesinstitut, Gutachten Tab. 1 - 4; Däubler-Gmelin 1 Pfarr 1 Weg, Lohn S. 36f.; von 8,3 % in 1960 bis 39 % in 1983. 8 Langkau-Herrmann, Frauen S. 22, 27f., Tab. 2,3. 9 Langkau-Herrmann, Frauen S. 28. Zu den NeueinsteIlungen detailliert BT-Ds 101 2461 S. 4ff.

I. Bestandsaufnahme

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Eine Bewertung der Entwicklung nach qualitativen Gesichtspunkten zwingt jedoch dazu, diesen ersten positiven Eindruck zu revidieren - nur in Teilbereichen des öffentlichen Dienstes sind Verbesserungen eingetreten, ohne daß sich das Gesamtbild nennenswert verändert hätte. Im Gegenteil scheint sich die These zu bestätigen, daß Frauen ihre Funktion als Arbeitsmarktreserve behalten haben, ja daß sie mit dieser Rolle heute noch fester verbunden sind als in Zeiten hoher Konjunktur: So ist der Anstieg der Beschäftigungsquote von Frauen im öffentlichen Dienst vor allem auf die Besetzung minder qualifizierter und damit schlechter dotierter Stellen mit Frauen zurückzuführen; sie sind im unteren Drittel aller Laufbahn- und Lohngruppen so stark vertreten, daß man sogar von versteckten Leichtlohngruppen sprechen kann, während die Zahl der Beamtinnen ebenso wie ihr Anteil an Führungspositionen gering geblieben ist ll . Weit überdurchschnittlich hingegen ist der Anteil der Frauen im Bereich der Teilzeitarbeit 12 . Dies allein wäre zwar kein Indiz für eine Benachteiligung - Teilzeitarbeit wird sogar als ein möglicher Weg zur beruflichen Gleichstellung der Frauen in den neuen Richtlinien zur Frauenförderung nachdrücklich hervorgehoben -, wenn nicht Teilzeitarbeit in aller Regel mit einem geringeren Verantwortungsbereich und schlechteren Aufstiegschancen verbunden wäre als dies bei Vollzeitpositionen entsprechender Qualifikation der Fall ist13. Schließlich spielt auch im öffentlichen Dienst die relativ geringe Diversifikation weiblicher Beschäftiger eine Rolle 14 , so daß auch hier mehr Frauen als Männer in stark rationalisierungsgefährdeten Positionen beschäftigt sind 15 , 10 Bundespost und Bundesverwaltung etwa haben zu der Entwicklung nur wenig beigetragen, Langkau-Herrmann, Frauen S. 30, 60f., Tab. 15 - 17; im höheren Dienst des Bundes waren 196099,7% Männer, 1977 noch 95%; BMI, Forschungsbericht S. 16f. 11 Bundesinstitut, Gutachten Tab. 3,6; Langkau-Herrmann, Frauen S. 32ff., Tab. 6, 7 (20 % der Beamten/Richter sind Frauen, hingegen 55 % der Angestellten; leichte Verbesserung im gehobenen und höheren Dienst), S. 94ff. mit Anm. 63; Däubler-Gmelin / Pfarr / Weg (Rrsg.), Lohn S. 36f., 50f. 12 Dazu Bundesinstitut, Gutachten Tab. 4, 5a und 5; Langkau-Herrmann / SessarKarpp, Frauen S. 15 (Anteil der Frauen an Vollzeitbeschäftigten 16,7%, an Teilzeitarbeit 95% bzw. 92,8% - über bzw. unter 20 Stunden); BT-Ds 10/2461 S. 9ff. (S. 13: 95,3% bis 98,9% bei DB, DBP, BA für Arbeit). 13 Gerade die nicht sozialversicherungspflichtigen Teilzeitarbeitsplätze sind überwiegend mit Frauen besetzt, qualifizierte Arbeitsplätze hingegen werden kaum geteilt: Langkau-Herrmann, Frauen S.44ff. und Tab. 14, S. 62; Däubler-Gmelin / Pfarr / Weg, Lohn S. 36f.; BT-Ds 10/2461 S. 13. Zur Diskussion um die Zulässigkeit der Teilzeitarbeit von Beamtinnen ablehnend Schütz, Teilzeitbeschäftigung S. 44f.; gegen ihn Stahl, Teilzeitbeschäftigung S. 109f. 14 Langkau-Herrmann, Frauen S. 36ff., Tab. 8. Insofern unterscheidet sich die Situation im öffentlichen Dienst nicht von der Lage auf dem Arbeitsmarkt insgesamt, s. o. Kap. 1 I 2. Als Beispiel für Bemühungen, dieser Tatsache entgegenzuwirken: Schreibkräfteprogramm des nordrhein-westfälischen Konzepts: Anl. zu 4.3. des Frauenförderkonzepts, MBl. 1985, 858f. 15 Langkau-Herrmann, Frauen S. 44.

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4. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst

während ihr Anteil an der beruflichen Weiterbildung und bei Beförderungen geringer ist; der stetig gestiegene Bildungsstand von Frauen setzt sich nur zögernd in eine stärkere Teilhabe an qualifikationsgerechten Positionen um 16 • In dieser Situation steht für eine Politik der Frauenförderung im öffentlichen Dienst nicht eine Erhöhung der Zahl der insgesamt in diesem Bereich beschäftigten Frauen im Vordergrund als vielmehr deT Versuch, die zu Lasten der Frauen in den oberen Vergütungs- und Funktionsgruppen bestehenden Disparitäten abzubauen: Erst eine gleichmäßige Partizipation der Frauen auf allen Ebenen beruflicher Hierarchien wird als Indiz für eine Gleichstellung der Geschlechter im Bereich des öffentlichen Dienstes zu werten sein. 2. Die Regelungen zur Frauenfördemng im öffentlichen Dienst des Bundes und der Länder

Bemühungen zur Realisierung der Chancengleichheit von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst hat es für den Bereich der Bundesverwaltung ebenso wie in allen Bundesländern gegeben; bis auf wenige Ausnahmen 17 sind als Ergebnis dieser Bemühungen in den Jahren seit 1984 Richtlinien oder "Leitlinien" zur Frauenförderung erlassen worden 18 • Diese Texte bilden die 16 Langkau-Herrmann 1 Sessar-Karpp S. 17. Die geringere zeitliche Verfügbarkeit von Frauen entspricht den Erwartungen an "Aufstiegskandidaten" nicht ausführlich Langkau-Herrmann, Frauen S. 14ff., 87f., 97ff. und 101ff. (Beförderung von Beamten bzw. Angestellten), 116ff. (Fortbildung). 17 Bayern: Es liegen eine Publikation der Staatsregierung ("Konzeption, Leistungen und Vorhaben der Staatsregierung zur Verwirklichung der Gleichstellung von Männern und Frauen", 88 S., o. J. u. Ort) sowie Beschlüsse des Landtages vor, in denen die Staatsregierung aufgefordert wird, ein Frauenförderprogramm zu entwickeln und weitere Schritte in dieser Richtung zu unternehmen (v. 22.7.1986, Ds 10/11 246 und 101 11 250); Schleswig-Holstein: "Programm zur Förderung von Frauen in der schleswig-holsteinisehen Landesverwaltung" vom Januar 1985, das jedoch unverbindlichen Charakter hat. 18 Bundesverwaltung: Richtlinie zur beruflichen Förderung von Frauen in der Bundesverwaltung, Bek. d. BMI v. 24.2.1986, GMBI. 1986, 148 (dies ist eine abgeschwächte Fassung der ursprünglich vom Bundestag geforderten Richtlinie, BT-Ds 101 3055); Baden-Württemberg: Leitlinie der Landesregierung zur Förderung von Frauen im Dienst des Landes Baden-Württemberg v. 12.1.1987, StAnz BW 1987, 4; Berlin: Leitlinien zur Förderung der weiblichen Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Landes Berlin v. 3.7.1984, nicht veröffentlicht (zugänglich als Senatsvorlage 20/94/84 v. 7.2.1984); hier wird eine Neufassung vorbereitet: Ds 10/270, 10/1549, 1012268 und Prot. 10154; Bremen: Richtlinie zur Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst der Freien Hansestadt Bremen v. 9.10.1984, ABI. S. 351; sowie Richtlinie zur Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst der Stadt Bremerhaven, Magistratsbeschluß v. 14.1.1987; Hamburg: Richtlinie zur Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst der Freien und Hansestadt Hamburg v. 9.12.1983, als Vereinbarung der Landesverwaltung und der Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften veröffentlicht in: Mitteilungen für die Verwaltung 1984, 2; Hessen: Beschluß der Landesregierung v. 4.9.1984 zu Fragen der Fortbildung (Bek. v. 31.10.1984, StAnz S. 2246); aufgehoben und ersetzt durch Grundsätze zur beruflichen Förderung von Frauen im hessischen

I. Bestandsaufnahme

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Grundlage der folgenden Untersuchung; soweit sie Vorschriften zur umgekehrten Diskriminierung enthalten oder sich diesem Konzept nähern, sollen sie zunächst in Auszügen wiedergegeben werden: Exkurs: Regelungen zur Frauenförderung bei Stellenbesetzungen im öffentlichen Dienst des Bundes und der Länder Auszüge im Wortlaut: Bundesverwaltung, Nr. 2: "Bei der Besetzung von Beamten-, Angestellten- und ArbeitersteIlen sind Frauen unter Beachtung des Leistungsprinzips ... angemessen zu berücksichtigen. Auf die Erhöhung des Anteils von Frauen ist dabei in Bereichen, in denen sie gering vertreten sind, hinzuwirken. " Baden-Württemberg, Nr. 2. 1: "Bei der Besetzung von Stellen ... sollen Frauen unter Beachtung des Eignungs- und Leistungsprinzips - vor allem in denjenigen Bereichen deutlich stärker berücksichtigt werden, in denen sie bisher unterdurchschnittlich vertreten sind." Berlin, Nr. 1. 1: "Bei der Auswahl von Bewerbern für Beförderungsstellen und Leitungspositionen ist darauf hinzuwirken, daß Bewerber und Bewerberinnen ohne Rücksicht auf ihr Geschlecht gleiche Chancen erhalten." Bremen, Nr. 9: "Bei Einstellungen und der Besetzung höherwertiger Stellen sollen Frauen - bei gleicher Qualifikation wie ihre männlichen Mitbewerber - bevorzugt werden, wenn in vergleichbaren Funktionen des jeweiligen Ressorts weniger Frauen als Männer beschäftigt sind. Mit Zustimmung des jeweiligen Senators kann in begründeten Einzelfällen hiervon abgewichen werden." Hamburg, Nr. 8, 9: "Bei der Besetzung von höherwertigen Stellen sind Frauen - bei gleicher Qualifikation wie ihre männlichen Mitbewerber - in der Dienststelle so zu berücksichtigen, daß sie in allen Besoldungs-, Vergütungs- und Lohngruppen entsprechend ihrem Anteil an der jeweiligen Funktionsgruppe vertreten sind .... Bei NeuEinstellungen sind weibliche Bewerber bei gleicher Qualifikation wie ihre männlichen Mitbewerber in jeder Dienststelle in allen Besoldungs-, Vergütungs- und Lohngruppen so zu berücksichtigen, daß die Überrepräsentation von Männern abgebaut wird." Hessen, Nr. III 1., 4.: "Um den Frauenanteil ... zu erhöhen, sollen die Ressorts ... zeitlich befristete Regelungen treffen, die bei NeueinsteIlungen, Beförderung und Einreihung in eine höhere Lohn- und Vergütungsgruppe zu beachten sind. Zu diesem Zweck sollen die zuständigen Dienststellen . . . eine Zielvorgabe setzen und

Landesdienst (Frauenförderplan) v. 18.3.1987, StAnz 1987,692; Niedersachsen: Richtlinien über die berufliche Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst, Gern. RdErl. d. Staatskanzlei u. d. übrigen Ministerien vom 7.5.1987, MBI. 1987, 385; NordrheinWestfalen: Frauenförderungskonzept der Landesregierung v. 30.4.1985, RdErl. d. Min. f. Arbeit, Gesundheit und Soziales v. 8.5.1985, MBI. S. 858; Rheinland-Pfalz: "Berufliche Förderung von Frauen im Landesdienst" , Gern. Rundschreiben der Staatskanzlei u.d. Ministerien v. 20.4.1983, MBI. 1984,54 sowie "Weiterführende Empfehlungen des Ministerrats zur Umsetzung der Leitlinien - Beschluß vom 9.12.1985; Saarland: Leitlinien der Landesregierung zur beruflichen Förderung von Frauen im Landesdienst v. 30.8.1984, GMBI. S. 314, ergänzt durch Richtlinien v. 4. 11. 1986, GMBI. S.502.

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4. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst

einen Zeitplan aufstellen, ... Frauen bei gleichwertiger Eignung ... grundsätzlich bevorzugt berücksichtigen .... In Ausbildungsberufen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, sind sie bei gleichwertiger Eignung mit mindestens 50 % bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen zu berücksichtigen." Niedersachsen, Nr. 2. 1: "Frauen sind bei Einstellungen, Beförderungen und Höhergruppierungen, ... , vor allem in Bereichen, in denen sie gegenwärtig nur gering vertreten sind, unter Beachtung des Leistungsprinzips stärker als bisher zu berücksichtigen. Bei Umsetzungen, die dem Erreichen beruflicher Qualifikationen dienen, und bei Beförderungen und Höhergruppierungen ist anzustreben, daß Frauen in allen Besoldungs-, Vergütungs- und Lohngruppen gemäß ihrem Anteil an der jeweiligen Laufbahngruppe bzw. der entsprechenden Funktionsgruppe vertreten sind." Nordrhein-Westfalen, Nr. 1. 1 und 2: "Ist es wegen der Vielzahl der Bewerbungen nicht möglich, alle Bewerber/innen in das Auswahlverfahren einzubeziehen, so ist darauf zu achten, daß Frauen bei entsprechender Qualifikation mindestens im Verhältnis ihres Anteils an den Bewerbungen in die Auswahl einbezogen werden. . .. Bei der Besetzung von höherwertigen Stellen sollten Frauen - bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung wie männliche Bewerber - so berücksichtigt werden, daß sie in angemessenem Zeitraum in allen Ämtern der Besoldungs- bzw. vergleichbaren Vergütungsgruppen entsprechend ihrem Anteil in der jeweiligen Laufbahngruppe (bei Angestellten vergleichbare Vergütungsgruppen ) vertreten sind. " Rheinland-Pfalz, Nr. 1. 1: "Bei der Besetzung von Beamten- und AngestelltensteIlen ... sollen Frauen unter Beachtung des Leistungsprinzips vor allem in Bereichen, in denen sie gegenwärtig nur gering vertreten sind, stärker als bisher berücksichtigt werden." Saarland, Nr. 2: "Bei der Besetzung von Stellen, bei Beförderungen und der Übertragung von Leitungsfunktionen sollen Frauen unter Beachtung des Leistungsprinzips und im Interesse der Wahrung des Gleichberechtigungssatzes bewußter als bisher berücksichtigt werden."

Im Vergleich der Vorschriften von Bund und Ländern lassen sich - über alle politischen Gegenstände zwischen den für die Normsetzung verantwortlichen Regierungen hinweg - einige charakteristische Gemeinsamkeiten erkennen: Eine erste übereinstimmende Beobachtung betrifft die Zurückhaltung des Gesetzgebers in diesem Bereich. Obwohl sich die Parlamente in Bund und Ländern häufig und eingehend mit der Situation der Frauen im öffentlichen Dienst befassen, sind alle bestehenden Regelungen als Normativakte der Exekutive erfolgt; Parlamentsgesetze zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der öffentlichen Verwaltung gibt es bislang kaum 19 • Dieser Abstinenz des Gesetzgebers entspricht die Wahl von Rechts19 Ausnahme: Gesetz über die Errichtung der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau v. 16.12.1980, GBI. S. 399; daneben noch das Arbeitsrechtliche EG-Anpassungsgesetz v. 13.3.1980, BGBI. S. 1308. Im übrigen ist in einigen Landtagen die Entstehung der Verwaltungsvorschriften durch parlamentarische Auseinandersetzungen begleitet und gefördert worden (Bremen, Niedersachsen); inzwischen zeichnet sich freilich eine Tendenz zu stärkerer Teilhabe der

I. Bestandsaufnahme

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formen, die nicht mehr als ein Mindestmaß an Publizität in der Phase der Ausarbeitung gewährleisten: Abgesehen von den zwei Ländern, die bisher nicht einmal die Ebene der Rechtsnormen betreten haben2o , haben Maßnahmen zur Frauenförderung die Form von Verwaltungsvorschriften, die als Richtlinien, "Grundsätze", "Leitlinien" oder "Konzept" bezeichnet21 und meist in den einschlägigen Publikationsorganen veröffentlicht worden sind22 • Schon dies spiegelt die Unsicherheit der öffentlichen Verwaltung hinsichtlich der Frage wider, ob das Risiko einer parlamentarischen Auseinandersetzung mit der Folge einer gesetzlichen Verpflichtung zur Frauenförderung eingegangen werden sollte oder nicht. Die Flucht in die exekutivische Normsetzung wird so zu einem Instrument, innerhalb einer relativ kurzen Zeit Regelungen zur Frauenförderung zu formulieren und dabei ein politisch erreichbares Mindestmaß an Bindungswirkung zu schaffen, ohne gleichzeitig die besondere Flexibilität aufzugeben, die der Exekutive im Bereich der Personalentscheidungen zu eigen ist. Gemeinsam ist allen Vorschriften auch, bis auf Abweichungen in Einzelheiten, ihr thematischer Umfang. Neben Regelungen zu Fragen der Stellenausschreibung, der Fortbildungsmöglichkeiten und Teilzeitarbeit stehen Vorschriften über die Wiederaufnahme der Berufstätigkeit nach familienbedingten Abwesenheitszeiten und Berichtspflichten der Normadressaten, die die Umsetzung der Vorschriften erleichtern sollen; hervorgehoben zu werden verdient schließt die verschiedentlich getroffene Anordnung, den Frauenanteil in allen Gremien zu erhöhen, die bei Personalentscheidungen mitwirken23 • Doch Parlamente an der Diskussion des Problems ab, dazu noch unten III 1 a). Die wichtigste Gesetzesinitiative auf Bundesebene: Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes BTDs 10/6137; dazu unten 11 3. 20 Bayern und Schleswig-Holstein mit der formlosen Veröffentlichung von "Konzeption" bzw. "Programm". 21 Richtlinien: Bundesverwaltung, Bremen, Hamburg, Niedersachsen; Leitlinien: Baden-Württemberg, Berlin, Rheinland-Pfalz, Saarland; Konzept: Nordrhein-Westfalen; Grundsätze: Hessen. Die Beobachtung von Weg, Bescheidenheit S. 570, daß die Begriffswahl in Zusammenhang mit der politischen Richtung der jeweiligen Regierungsmehrheit stehe, trifft jedoch nicht zu: So gelten in Niedersachsen und auf Bundesebene "Richtlinien", während Nordrhein-Westfalen nur von einem "Frauenförderungskonzept" spricht. 22 Eine Ausnahme gilt für Berlin; als Quelle dient die Senatsvorlage vor Beschlußfassung Nr. 20/94/84 v. 7.2.1984; eine Publikation nach Beschlußfassung fehlt. Es fragt sich deshalb, ob die Vorschriften überhaupt Bindungswirkung entfalten. Dazu Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften S. 462ff. m. w.N. Teilweise sind die Vorschriften als Beschluß oder Rundschreiben der Landesregierung bzw. des federführenden Ministeriums abgefaßt, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz. 23 Diese Regelung findet sich - als Sollvorschrift - in Baden-Württemberg (Nr. 2.3); Niedersachsen (Nr. 6) sowie in Nordrhein-Westfalen (Nr. 1.1). Hervorzuheben sind außerdem die Anordnungen, die Möglichkeit der Teilzeitarbeit auch auf Leitungsfunktionen zu erstrecken: Baden-Württemberg (Nr. 3.1); Berlin (Nr. 2); Hamburg (Nr. 11); Nordrhein-Westfalen (3.2); Saarland (Nr. 3); ähnlich Niedersachsen (Nr. 2.5), sowie die baden-württembergische Vorschrift (Nr. 4.3), bei Fortbildungsveranstaltungen nicht 10 Maidowski

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4. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst

während diese sozialpolitisch motivierte Strategie24 einer Veränderung der Arbeitsbedingungen von Frauen und der Motivationslage der für die Personalführung Verantwortlichen in beredten Formulierungen in den Richtlinien ihren Niederschlag gefunden hat, lassen die Texte andererseits bei der Normierung von Quotenregelungen für Einstellung und Beförderung fast ausnahmslos äußerste Zurückhaltung erkennen - das Instrument der umgekehrten Diskriminierung ist im geltenden Recht die seltene Ausnahme geblieben: Fast alle Normtexte beschreiben ihren Anwendungsbereich umfassend, ja extensiv25 . Sie beziehen sich ebenso auf NeueinsteIlungen wie auf die Besetzung von Ausbildungsplätzen oder auf Beförderungen und erfassen Beamte, Angestellte und Arbeiter gleichermaßen. Gelegentlich richten sie sogar an die mit dem Recht der Selbstverwaltung ausgestatteten Körperschaften des öffentlichen Rechts in den Ländern die Empfehlung, die Richtlinien gleichfalls zu beachten26 . Auf der anderen Seite aber ist die normative "Härte" der meisten vorliegenden Regelungen gering. Die öffentlichen Dienstherrn werden in ihrer Autonomie nur unwesentlich eingeschränkt, denn die Wirkung der Richtlinien wird entweder durch allzu unpräzise Formulierungen oder durch einen geringen Grad an Verbindlichkeit abgeschwächt. Sie beschränken sich meist auf die Anweisung, Frauen bei der Besetzung von Stellen "angemessen" oder "deutlich stärker" bzw. "bewußter als bisher" zu "berücksichtigen", "auf gleiche Chancen hinzuwirken"27 usw.; diese höchst vagen Formulierungen vermögen selbst dann konkrete Verhaltenspflichten der Normadressaten nicht zu begründen, wenn sie im übrigen als zwingende Rechtspflichten ausgestaltet sind28 . Doch selbst dort, wo die Vorschriften einen gen au umrissenen normativen Gehalt aufweisen, fehlt es ihnen häufig an durchsetzungskräftiger Rechtsverbindlichkeit. So sind zwar die Richtlinien für Bremen, Hamburg und Niedersachsen als Quotierung gefaßt: Die Bevorzugungsregelungen greifen ein, wenn Frauen weniger als die Hälfte der vergleichbaren Positionen innehaben (Bremen) bzw. ihr Anteil an höherwertigen Stellen nicht ihrem Anteil an einer Funktionsgruppe insgesamt entspricht (Hamburg, Niedersachsen - diese Regelungen gelten freilich nur bei Beförderungen); in Hessen schließlich ist nur Frauen als Teilnehmer zu gewinnen, sondern auch als Referentinnen oder Leiterinnen einzusetzen. Im übrigen sollen jedoch die Einzelvorschriften hier nicht nachgewiesen werden. 24 Zu diesem hier so bezeichneten Ansatz oben Kap. 1 14. 25 Ausnahme: Berlin, gern. Nr. 1 auf Beförderungen beschränkt. 26 Baden-Württemberg (Nr. 6.3); Niedersachsen (Nr. 8); Nordrhein-Westfalen (Präambel); Rheinland-Pfalz (Schlußbestimmungen); Saarland (Nr. 7). 27 Bund (Nr. 2, 3); Baden-Württemberg (Nr. 2.1); Berlin (Nr. 1.1); Niedersachsen (Nr. 2.1 Satz 1); Rheinland-Pfalz (Nr. 1.1); Saarland (Nr. 2). 28 Die eben genannten Regelungen auf Bundesebene, in Berlin und Niedersachsen. Krit. zu den Bestimmungen auf Bundesebene etwa Pfarr, Gutachten S. 238 ff.

I. Bestandsaufnahme

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eine paritätische Quotierung der Ausbildungsplätze in defizitären Bereichen angeordnet29 • Doch auch hier sind nur die sachlich beschränkten Regelungen Hamburgs, Hessens und Niedersachsens zwingend, die thematisch weiterreichende Vorschrift Bremens dagegen ist als Sollvorschrift gefaßt. Es entspricht dieser Tendenz, daß keine der Richtlinien die Bevorzugung von Bewerberinnen eignungsunabhängig ausgestaltet; Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung werden, als eine Folge des verfassungsrechtlichen Leistungsprinzips, ausnahmslos an die yoraussetzung gleicher Eignung geknüpft und können daher erst mich einem Qualifikationsvergleich der männlichen und weiblichen Kandidaten zur Wirkung kommen. Auch fehlt in allen bestehenden Normen die Statuierung von Sanktionen für den Fall, daß die mit Personalfragen betrauten Stellen gegen Anordnungen zur Frauenförderung verstoßen 30 • Damit steht der normative Gehalt der geltenden Verwaltungsvorschriften zur Realisierung de'Gleichstellung von Frauen und Männern in einem deutlichen Gegensatz zu dem offensichtlichen Bemühen, den gesamten Bereich des öffentlichen Dienstes möglichst lückenlos in die Anwendung. der Richtlinien einzubeziehen. Zwar ist immerhin festzuhalten, daß die Gleichstellung der Geschlechter im öffentlichen Dienst als Zielsetzung für das Handeln der Exekutive nunmehr verbindlich geworden ist. Gleichzeitig aber sind alle der öffentlichen Gewalt auferlegten Pflichten - soweit überhaupt Normen verpflichtenden Charakters bestehen - in ihren konkreten Formulierungen teilweise bis zur Konturenlosigkeit abgemildert; der Entscheidungsspielraum der öffentlichen Dienstherrn ist durch Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung nicht substantiell beschnitten. Allein die Regelungen in Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Bremen bilden hier eine Ausnahme. 3. Die Problemstellung

Die Beschäftigung mit den geltenden Richtlinien zur Frauenförderung im öffentlichen Dienst führt angesichts ihrer maßvollen Formulierungen und möglicherweise deshalb begrenzten Effektivität zu einer doppelten Fragestellung: Zum einen soll eine verfassungsrechtliche Bewertung der vorliegenden Texte vorgenommen werden, denn trotz ihrer nur beschränkten Reichweite führen sie neue Elemente in das öffentliche Dienstrecht ein. Darüber hinaus 29 Bremen (Nr. 9, Sollbestimmung); Hamburg (Nr. 8, zwingend); Niedersachsen (Nr. 2.1 Satz 2, zwingend); Hessen Nr. III 4 (zwingend, alle übrigen Regelungen der Richtlinie dagegen als Sollvorschrift) sowie Nordrhein-Westfalen (Nr. l.1 Satz 2) ähnlich bei Bewerbungen. 30 Eine gewisse Sonderstellung nimmt hier allein Hamburg ein, da der Text (auf der Grundlage von § 94 HmbgPersVG, GVBI. 1979, 17) als Vereinbarung zwischen dem Senat und den zuständigen Gewerkschaften zustande gekommen ist und eine Geltungsdauer von zunächst drei Jahren vereinbart wurde.

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4. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst

aber ist die Frage zu beantworten, ob diese Richtlinien den Spielraum des rechtlich Zulässigen bereits ausschöpfen, oder ob auch weitergehende Regelungen zur Frauenförderung durch umgekehrte Diskriminierung möglich wären; zu denken ist hier in erster Linie an verbindliche Quotenregelungen, die eine Bevorzugung von Frauen bei Personalentscheidungen zwingend für den Fall vorsehen, daß ein bestimmter Frauenanteil noch nicht erreicht ist. Regelungen dieser Art dürften von größerer Reichweite und Wirksamkeit sein als die meisten der bisher praktizierten Richtlinien; die öffentliche Diskussion hat sich daher inzwischen auf sie konzentriert. Die verfassungsrechtliche Auseinandersetzung mit der umgekehrten Diskriminierung im öffentlichen Dienst hat zwei Hauptprobleme zum Gegenstand: Zunächst ist die materielle Rechtmäßigkeit einer solchen Politik zu untersuchen. Als Maßstab steht hier das verfassungsrechtliche Leistungsprinzip, Art. 33 Abs. 2 GG, im Vordergrund, das durch Art. 3 Abs. 2 und 3 GG ergänzt wird: Denn auch wenn Art. 33 Abs. 2 GG eine spezielle Regelung des Sachbereichs "öffentliche Verwaltung" darstellt, vermag er die nach Inhalt und Ziel richtung eigenständige Vorschrift des Art. 3 Abs. 2 GG nicht vollständig zu verdrängen. Nur soweit beide Vorschriften gleichermaßen eine grundrechtliche Garantie der Rechtsgleichheit von Frauen und Männern als Bewerber um ein öffentliches Amt enthalten, ist Art. 33 Abs. 2 GG für den hier erörterten Problembereich speziell. Der objektivrechtliche Gehalt des Art. 3 Abs. 2 GG aber - die Erhebung der Forderung nach effektiver Gleichstellung der Geschlechter zu einem Bestandteil der verfassungsrechtlichen Wertordnung 3o• - steht selbständig neben dieser Aussage und ist daher von den öffentlichen Dienstherrn ebenso zu beachten wie die von Art. 33 Abs. 2 GG aufgestellten Maßstäbe 31 • Die Spannungen, die im Verhältnis beider Normen auftreten können 31 ., bilden den Kern der um die Frauenförderung im öffentlichen Dienst geführten Auseinandersetzung. Denn möglicherweise schließt die Anweisung der Verfassung, nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu entscheiden, grundsätzlich jede Form der umgekehrten Diskriminierung im öffentlichen Dienst aus. Das Problem konzentriert sich vor allem auf die Frage, ob das Leistungsprinzip eine Förderung zumindest "bei gleicher Eignung"32 gestattet, oder ob es sogar - darüber hinausgehend Dazu oben Kap. 3 III 1 b). Wie hier offenbar Mengel, Positive Diskriminierung S. 534f.; unklar Benda, positive Aktionen S. 159 einerseits (Vorrang Art. 33), S. 188ff. andererseits (Berücksichtigung des Art. 3) sowie Schmitt Glaeser, Abbau S. 43 m. w. N. Zu pauschal VG Bremen, NJW 1988, 3224 (3226: Art. 33 Abs. 2 habe Vorrang vor Art. 3). Zur Bedeutung des Art. 3 Abs. 2 GG für die hier gestellten Fragen noch unten II 2 a). 31. Das entsprechende Problem für das Recht der politischen Parteien - Verhältnis des Art. 21 zu Art. 3 Abs. 2 und 3 GG - fordert, bei ähnlichem Ergebnis, andere Überlegungen. Dazu unten Kap. 5 I a. E. 32 Trotz der bei Raasch, Chancengleichheit S. 329, geäußerten Bedenken gegen die Formulierung "gleiche Eignung" statt "gleichwertige Eignung" soll die hier gewählte 30.

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II. Leistungsprinzip und gleicher Zugang zu öffentlichen Ämtern

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eignungsunabhängige Formen umgekehrter Diskriminierung erlaubt (dazu unten II).

Die zweite Frage betrifft die Regelungszuständigkeit für die Entscheidung, das öffentliche Dienstrecht durch das Instrument der umgekehrten Diskriminierung fortzuentwickeln. Alle bisher verwirklichten Vorschläge sind als Verwaltungsvorschriften entstanden. Angesichts der Konsequenzen einer solchen Fortentwicklung für den grundrechtlichen Status der Beteiligten und die politisch-soziale Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland ist es aber zweifelhaft, ob auf eine maßgebliche Beteiligung der Legislative im Entscheidungsprozeß verzichtet'werden darf. Umgekehrt freilich ist zu überlegen, wie weit gesetzliche Vorgaben für eine Politik der umgekehrten Diskriminierung reichen dürfen - die Autonomie der öffentlichen Dienstherrn im Personalwesen mag allzu detaillierte Einwirkungen des Gesetzgebers ausschließen (unten III). 11. Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst: Leistungsprinzip und gleicher Zugang zu den öffentlichen Ämtern 1. Art. 33 Abs. 2 GG als Grundnorm des öffentlichen Dienstrechts

Das verfassungsrechtliche Leistungsprinzip gewährleistet jedem Deutschen "nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte", Art. 33 Abs. 2 GG33. Die Vorschrift ist von zentraler Bedeutung für das gesamte öffentliche Dienstrecht und beherrscht auch die Debatte um die Frauenförderung im öffentlichen Dienst, in der sie als Argument gegen die Zulässigkeit der umgekehrten Diskriminierung stets an erster Stelle genannt wird 34 . Umso erstaunlicher ist es, daß Tatbestand und Zielsetzung der Norm in der Diskussion bisher überaus diffus geblieben sind, so daß es an einer sicheren Argumentationsgrundlage noch fehlt 35 . Formulierung als die in der Praxis übliche (vgl. hingegen jetzt Ziff. III 4 der hessischen Grundsätze - "gleichwertig") beibehalten werden. 33 Es ist auch als "hergebrachter Grundsatz" im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG anzusehen (GGK - Matthey, Rz 41 zu Art. 33), doch reicht Abs. 2 inhaltlich weiter: Er erfaßt nicht nur den öffentlichen Dienst i. e. S. (Beamte und Richter), sondern auch Arbeiter und Angestellte (öff. Dienst i. w. S.), Stern, Staatsrecht I S. 346, 351; Isensee, öff. Dienst S. 1160; Tietgen, Zugang S. 325; zudem verlangt Abs. 5 nur die "Berücksichtigung" der hergebrachten Grundsätze, Schmidt-Aßmann, Leistungsgrundsatz S. 17. Zum einfachen Recht Achterberg, Leistungsprinzip S. 543, zum Landesverfassungsrecht v. Rippel, Zugang S. 14f. 34 Statt aller v. Mangoldt - Starck Rz 211 a zu Art. 3; Mengel, Positive Diskriminierung S. 535; Auch die Sachverständigenanhörung des BMJFG hat die besondere Bedeutung des Leistungsprinzips für die Zulässigkeit der Frauenförderung unterstrichen, vgl. etwa S. 110,117, 146ff., 172. 35 Zu dieser paradoxen Situation Achterberg, Leistungsprinzip S. 541 Anm. 2; Tietgen, Zugang S. 325; Jung, Zugang S. 1ff.; Reimann, Auslese S. 241; Kruis, Leistungs-

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4. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst

Dies gilt für den letzten der drei Begriffe, die ,fachliche Leistung", am wenigsten. Allgemein bezieht man ihn, am Wortlaut orientiert, auf eine bereits erbrachte Leistung. Wer auf eigene "fachliche Leistung" verweisen kann, hat also in dem Arbeitsbereich, für den er als Bewerber auftritt, bereits praktische Erfahrung, ist "bewährt"36. Man könnte daher dieses Merkmal für den Kern des Art. 33 Abs. 2 GG halten37 , da es einer unbefangenen Vorstellung des Leistungsprinzips unmittelbar entspricht und diese Nähe durch seinen Wortlaut deutlich ausweist; auch ist eine bereits erbrachte Leistung leichter meßbar als die unklarere Qualität der "Eignung". In der Praxis spielt dieses Merkmal dennoch nur bei Beförderungsentscheidungen eine nennenswerte Rolle38 , denn die meisten und insbesondere die problematischen Personalentscheidungen betreffen die Einstellung, bei der die Bewerber über einschlägige Erfahrungen gerade nicht verfügen. Der Dienstherr kennt sie daher nicht und kann sie auch nicht aus früherer Berufstätigkeit beurteilen39 . Für diese Fälle muß es andere Kriterien geben. Im Gegensatz zur praktischen Bewährung geht es bei der "Befähigung" um das theoretische Rüstzeug der Bewerber. Nicht erbrachte, sondern zu erwartende Leistung bildet hier den Entscheidungsmaßstab; zu belegen ist sie durch die Ausbildung, die die Kandidaten durchlaufen und die Prüfungen, die sie abgelegt haben 40 • Diese "Merkmale" bieten zwar keine Garantie dafür, daß die Bewerber die an sie gestellten Anforderungen bewältigen werden, stützen aber doch die Prognose über ihr allgemeines fachliches Können. Auch hier könnte man wieder annehmen, den Kern des Leistungsprinzips erfaßt zu haben, denn die Befähigung setzt frühere Berufstätigkeit nicht voraus und ist ebenfalls meist relativ leicht nachweis- und vergleichbar. Auch hier aber wird betont, daß dieses Merkmal gegenüber der Eignung in den Hintergrund trete oder nur bei Beförderungen und den übrigen sekundären Personalentscheidungen eine Rolle spiele41 • Für ein öffentliches Amt sei weniger das (nachprüfbare) theoretische Wissen wichtig als vielmehr Charakter und Persönlichkeit des Bewerbers. Ein weiterer - und vielleicht der eigentliche prinzip S. 561 bezweifelt sogar, daß eine befriedigende Definition überhaupt gelingen kann. 36 Jung, Zugang S. 73ff.; GGK -Matthey Rz 15 zu Art. 33; Maunz / Dürig-Maunz Rz 19 zu Art. 33. Zu allen drei Begriffen des Art. 33 Abs. 2 GG Willke, Eignungstests S.73ff. 37 So zu Recht GGK - Matthey Rz 15 zu Art. 33; Tietgen, Zugang S. 333. 38 GKÖD - Fürst Rz 14 zu § 8; Reimann, Auslese S. 241; AK - Ridder Rz 61 zu Art. 33 Abs. 1 - 3. 39 Selbst bei schon bekannten Mitarbeitern ist die Beurteilung noch schwierig; Schneider, Leistungsanreize S. 14ff. (19ff.) zu entsprechenden Reformbemühungen. 40 Jung, Zugang S. 68ff.; GGK - Matthey Rz 14 zu Art. 33; Maunz / Dürig / Maunz Rz 19 zu Art. 33. 41 Reimann, Auslese S. 241. Die Überbetonung fachlicher Qualifikation wird sogar für gefährlich gehalten: Nachw. bei Jung, Zugang S. 69 Anm. 6.

H. Leistungsprinzip und gleicher Zugang zu öffentlichen Ämtern

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Grund für diese Ansicht mag auch darin liegen, daß es häufig kaum möglich sein dürfte, allein aufgrund der Befähigung eine eindeutige Auslese unter vielen Bewerbern vorzunehmen. Die erforderliche Leistungsfähigkeit werden meist mehr Bewerber nachweisen können als Stellen zu vergeben sind, und selbst hohe Hürden wie Mindestnoten o. ä. mögen nicht immer ausreichen, einen bzw. eine Beste(n) zu ermitteln. Aus diesen Gründen stellt das erste Tatbestandselement des Art. 33 Abs. 2 GG, die "Eignung", den Schlüsselbegriff der Personalauslese im öffentlichen Dienst dar. Nach übereinstimmender Ansicht beinhaltet er die beiden anderen Voraussetzungen ohnehin 42 - was diese, streng genommen, überflüssig macht - und enthält darüber hinaus eine Vielzahl weiterer Momente: Die physische Eignung eines Kanditaten gehöre dazu, dann und vor allem aber weitere Faktoren wie Begabung, Intelligenz, Auffassungsgabe; schließlich wird dazu die charakterliche Eignung gezählt, also beispielsweise Höflichkeit, Geduld usw. 43 . Die Eignung umfaßt damit alle Merkmale und Eigenschaften, die die Persönlichkeit eines Menschen prägen, seien sie anlage- oder entwicklungsbedingt, einschließlich seiner emotionalen Disposition. Obwohl- oder weil- sie das abstrakteste der drei in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Tatbestandsmerkmale ist, läßt sie sich in der praktischen Anwendung beliebig fein ausdifferenzieren und bietet der Personalauslese für den öffentlichen Dienst damit einen Maßstab von fast unbegrenzter Flexibilität dies ist ihr Vorzug und gleichzeitig eine nicht zu unterschätzende Gefahr«. Die inhaltliche Reichweite des Art. 33 Abs. 2 GG läßt sich mit einer auf die Erläuterung der drei Begriffe "Eignung, Befähigung, fachliche Leistung" beschränkten Auslegung allerdings nicht erfassen, denn die Vorschrift ist nicht auf die verfassungskräftige Festschreibung des Leistungsprinzips beschränkt, sondern gewährleistet daneben auch das gleiche Recht auf Zugang zu allen öffentlichen Ämtern. Sie dient damit nicht nur der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung45 , sondern verfolgt darüber hinaus das Ziel, die individuelle Rechtsstellung der Bewerber und Konkurrenten abzusichern - die Konzentration auf die drei genannten Auswahlkriterien soll der Verwaltung die besten Kräfte zuführen, und sie soll die Bewerber vor weiteren, unsachlichen Kriterien schützen. Die Vorschrift ist damit einerseits dem Staatsorganisationsrecht zuzuordnen, andererseits hat sie als spezielle, in ihrer Formulie42 Abg. Schmid im Parlamentarischen Rat (HA 44. Sitzung StenoProt S. 588); Maunz / Dürig - Maunz Rz 19 zu Art. 33; Plog / Wiedow / Beck, Rz 8 zu § 8; GKÖD - Niedermaier Rz 18 zu § 8 (als Eignung im weiteren Sinne, die gleiche Differenzierung bei Schütz, Beamtenrecht Rz 2 zu § 7); kritisch zu Recht Willke, Eignungstests S. 73f. 43 AK - Ridder Rz 57 zu Art. 33 Abs. 1 - 3; GGK - Matthey Rz 13 zu Art. 33; i. e. Jung, Zugang S. 42ff. 44 Zu der besonderen Problematik einer rechtsstaatlich unbedenklichen praktischen Umsetzung des Leistungsprinzips unten 11 4. 45 Leisner, Grundlagen S. 62 - 65.

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4. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst

rung dreifach pointierte Fassung des Gleichheitssatzes - "jeder Deutsche . gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte" - Grundrechtscharakter46 • Mit dieser doppelten Zielrichtung, über deren Bewertung in der Wissenschaft freilich einige Unklarheit herrscht 47 , unternimmt die Norm den Versuch, dem öffentlichen Dienst im Rahmen der Verfassungsprinzipien von Republik, Rechtsstaat und Demokratie eine zeitgemäße Stellung zuzuschreiben48 • Sie spiegelt die Erkenntnis wider, daß die Stellung der öffentlichen Verwaltung im Staat von erheblicher Bedeutung für das theoretische Staatsverständnis ebenso wie für die praktische Verwirklichung einer Verfassung ist49 , und sie macht nicht ohne Grund gerade das besonders sensible50 Problem des Zugangs zum öffentlichen Dienst zum Prüfstein für die Frage, ob dieser Versuch gelungen ist oder nicht5!. In der Auslegung des Art. 33 Abs. 2 GG darf deshalb die Erkenntnis nicht verloren gehen, daß die Vorschrift keine statische Garantie traditioneller Privilegien der Staatsdiener darstellt, sondern daß die grundrechtliche Zugangsgleichheit ein Gedanke von reformerischem Elan ist, der als "traditionsfeindlicher Fortschrittsmotor"52 eine demokratische Öffnung der Verwaltung herbeiführen soll: Während der "öffentliche Dienst" ursprünglich einem Herrscher lediglich einen Stab loyaler, ihm durch persönliche Treue verbundener Personen zur Seite stellen sollte und dementsprechend eine Auswahl nach Leistung nur von sekundärer Bedeutung war53, rückte später die Verpflichtung der Beamten46 Bis hierher herrscht Einigkeit: GGK - Matthey Rz 16 zu Art. 33; GKÖD - Fürst Rz 3 zu § 8; Isensee, öff. Dienst S. 1161. 47 So findet man ebenso die Ansicht, die praktische Bedeutung der Vorschrift sei gering (Leisner, Grundlagen S. 61; Ule, S. 584; BK-Jess 11 3 zu Art. 33) wie die entgegengesetzte Behauptung (Maunz / Dürig - Maunz Rz 11 zu Art. 33; Jung, Zugang S. 30). Im Parlamentarischen Rat ist sie nur mit einer Stimme Mehrheit (11: 10) und einer recht oberflächlichen Begründung einem Streichungsantrag entgangen, HA 44. Sitzung, 19.1.1949, StenoProt S. 587. 48 BVerfGE 15, 167 (195); AK - Schuppert Rz 3 zu Art. 33 Abs. 4 - 5; Kutscha, Beurteilungsspielraum S. 162f.; Lindgen, Grundsätze S. 148; Achterberg, Leistungsprinzip S. 544; Leisner, Grundlagen S. 8f.; Isensee, öff. Dienst S. 1152. Die Alliierten hatten in einigen Bundesländern noch auf eine Abschaffung des öffentlichen Dienstes hingewirkt, Stern, Staatsrecht I S. 343, 368. 49 Stern, Staatsrecht I S. 335 ff. m. w. N., 352; Jung, Zugang S. Hf., 28ff. 50 Zippelius, Bürokratie S. 224; Isensee, öff. Dienst S. 1164f. m. w. N.; Maunz / Dürig - Maunz Rz 3 zu Art. 33; Plog / Wiedow / Beck, Rz 9 zu § 8; Jung, Zugang S. 29f.; Thieme, Grenzen S. 406; Hubler, Rekrutierung S. 143. 51 Ermacora, Organisationsgewalt S. 11ff.; Gusy, Gleichheitsschutz S. 32; Reimann, Auslese S. 241; Tietgen, Zugang S. 325. 52 Leisner, Grundlagen S. 61; v. Rippel, Zugang S. 15f.; daß Abs. 2 alle Ämter und alle Personalentscheidungen erfaßt (anders als die engeren Abs. 4,5), ist nicht zufällig. Zur geschichtlichen Entwicklung noch Studienkommission, Bericht S. 16ff. 53 Der Begriff des öffentlichen Dienstes ist freilich eine jüngere Entwicklung, umfassend Stern, Staatsrecht I S. 364ff. (365 zu den Anfängen einer Auswahl nach Leistung:

11. Leistungsprinzip und gleicher Zugang zu öffentlichen Ämtern

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schaft auf die Verfassung in den Vordergrund. Die Einführung des Leistungsprinzips als Auslesemechanismus ist als eine Konsequenz dieser Entwicklung zu verstehen 54; es soll jede Auswahl der Staatsdiener ausgeschlossen werden, die ihre Bindung an die Verfassung unterlaufen könnte und in keinem Bezug zur gestellten Aufgabe stünde, d. h. unsachlich wäre 55 • Weder soll die soziale Stellung des Bewerbers eine Auswahl nach Qualifikation ersetzen - Besitz, Herkunft oder Standeszugehörigkeit standen hier historisch an erster Stelle56 - , noch sollen andere, ins Belieben des Entscheidungsträgers gestellten Gesichtspunkte eine Rolle spielen57 • Ungeachtet praktischer Durchsetzungsmängel errichtet die Verfassung eine normative Sperre gegen unsachliche Auslesemechanismen und entscheidet sich damit für das Leitbild der unparteiischen Verwaltung, die allein dem Gebot der Sachlichkeit folgt 58 . Zu diesem Ziel der Vorschrift - Versachlichung der Personalauslese durch das Leistungsprinzip - ist das Element der Zugangsgleichheit hinzugetreten59 , das eine demokratische Öffnung des öffentlichen Dienstes auf die Gesellschaft hin vollziehen soll. Weg von der geschlossenen "Kaste" der Staatsdiener sollen sich Offenheit und Pluralität der Gesellschaft auch in der Zusammensetzung der Verwaltung widerspiegeln können60 • Die Auswahl der Inhaber öffentlichen Ämter entscheidet darüber, ob die staatliche Gewalt zum Instrument einer herrschenden Klasse oder traditionell verfestigten Mehrheit wird 61 ; ein künstlich herbeigeführtes Übergewicht einer Partei ist hier ebenso schädlich wie die Dominanf eng umgrenzter gesellschaftlicher Gruppen. Der Auswahlmodus darf solche traditionellen Strukturen nicht übernehmen und innerhalb der öffentlichen Ämter reproduzieren, sondern muß dafür sorgen, daß Prüfungen sind seit ca. 1805 erwähnt; auch die Tatsache, daß Beamte römisches Recht anzuwenden hatten, zeigt das Erfordernis einer gewissen Qualifikation, Kimminich, Beamtentum S. 66). 54 Kimminich, Beamtentum S. 69; AK - Ridder Rz 16 zu Art. 33 Abs. 1 - 3; Jung, Zugang S. 28f.; zu den Vorläufern Achterberg, Leistungsprinzip S. 543. 55 Plog / Wiedow / Beck, Rz 9 zu § 8. 56 Tietgen, Zugang S. 33lf.; v. Hippel, Zugang S. 13f.; Jung, Zugang S. 28f.; AKRidder Rz 15 zu Art. 33 Abs. 1 - 3; zu historischen Gegenpositionen Krüger, Leistungsprinzip S. 7 ff. 57 Leisner, Grundlagen S. 61. Die Probleme der "Ämterpatronage", "Vetternwirtschaft" oder "Parteibuchregie" sind daher an dieser Stelle zu lösen. 58 Jung, Zugang S. 34; das gleiche Ziel verfolgt auch die entgegengesetzte Lösung des Wahlbeamtentums; vgl. Art. 130 Abs. 1 WRV, den Anschütz Anm. 1 als ebenso wichtig wie selbstverständlich bezeichnete; zur Neutralität noch Stern, Staatsrecht I S. 366f.; lsensee, öff. Dienst S. 1154f. 59 Jung, Zugang S. 29 m. w. N.; Tietgen, Zugang S. 331; prALR als letztes einschlägiges Gesetz ohne Zugangsgleichheit. 60 Dieser Aspekt wird zu wenig beachtet, Kutscha, Beurteilungsspielraum S. 163; v. Hippel, Zugang S. 15f. 61 Zippelius, Bürokratie S. 219f.; Verwaltung als neutrales Element im Gegensatz zur von den Parteien dominierten und Sonderinteressen vertretenden Regierung und Legislative; lsensee, Zugang S. 340.

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4. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst

der öffentliche Dienst von ihnen unabhängig ist, und daß sich die Loyalität seiner Mitglieder nicht auf überkommene Strukturen, sondern allein auf die verfassungsmäßige Ordnung bezieht. Erst dies befreit die Inhaber öffentlicher Ämter von dem Verdacht, "Hausmacht" von Sonderinteressen zu sein62 • Die demokratische Funktion des öffentlichen Dienstes erweitert den Gedanken des Leistungsprinzips damit um eine neue Dimension. 2. Frauenförderung bei gleicher Eignung: Ergänzung des Leistungsprinzips

a) Rechtmäßigkeit eignungsabhängiger Frauenförderung Eine Bevorzugung von Frauen bei Personalentscheidungen ist nach allen geltenden Richtlinien zur Frauenförderung im öffentlichen Dienst stets an die Voraussetzung "gleicher Eignung" der privilegierten Frauen im Vergleich mit ihren männlichen Konkurrenten geknüpft. Regelungen dieser Art stellen keine Durchbrechung, sondern eine Ergänzung des Leistungsprinzips dar, denn der Anwendungsbereich der in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Auswahlkriterien wird in keiner Weise verkürzt: Alle Kandidaten und Kandidatinnen werden zunächst einem Vergleich anhand der verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Merkmale unterzogen; stellt sich bereits hier heraus, daß ein Bewerber oder eine Bewerberin "besser geeignet" ist als alle anderen, so ist das Auswahlverfahren beendet. Nur und erst dann, wenn auf dieser ersten Stufe der Auswahl keine eindeutige Entscheidung gefällt, d. h. kein "bester" Bewerber bezeichnet werden kann, wird als zusätzliches Auswahlkriterium die Geschlechtszugehörigkeit der (jeweils besten "gleich geeigneten") Bewerber berücksichtigt.· Erst jetzt also werden Frauen bevorzugt - die Anwendung der Förderungsregelung setzt gewissermaßen das "Versagen" des Leistungsprinzips voraus. Dennoch wird auch diese Form der Frauenförderung mit dem Hinweis abgelehnt, der Normzweck des Art. 33 Abs. 2 GG gebiete gerade eine Exklusivität der gesetzlichen Merkmale Eignung, Befähigung und fachliche Leistung63 • Der Verfassungsverstoß der umgekehrten Diskriminierung läge in diesem Falle darin, das Leistungsprinzip nicht weit genug auszuschöpfen; der Anspruch des Art. 33 Abs. 2 GG, Personalentscheidungen vollständig und abschließend zu determinieren, ließe die Berücksichtigung weiterer AuswahlIsensee, Zugang S. 319,342; Stern, Staatsrecht I S. 366; Tietgen, Zugang S. 329. Mengel, Positive Diskriminierung S. 535; Schmidt-Aßmann, Leistungsgrundsatz S. 17; Hamann / Lenz Anm. B 2 zu Art. 33; Maunz / Dürig-Maunz Rz 21 zu Art. 33; Kempen, Gleichberechtigung S. 289f. Die Gegenansicht; Benda, Positive Aktionen S. 179ff. (183); Feindt, Gleichberechtigung S. 79 (der allerdings an Art. 3 Abs. 2 Anstoß nimmt); vgl. auch BMJFG, SVA, in der sich Denninger (S. 110), Similis (S. 172), Pfarr (S. 198), Wiegmann (S. 221) für die Zulässigkeit aussprachen. 62 63

11. Leistungsprinzip und gleicher Zugang zu öffentlichen Ämtern

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kriterien auch dann nicht zu, wenn ein Versuch gescheitert ist, eine Entscheidung allein auf die vorgegebenen Merkmale zu stützen . . Bei einem "Patt" zwischen mehreren "gleich geeigneten" Bewerbern ergäbe sich damit die Notwendigkeit, das Leistungsprinzip so weit zu verfeinern, bis es auch in solchen Grenzfällen ohne Zuhilfenahme weiterer Kriterien zu einer Lösung führen könnte. Doch die Annahme einer so verstandenen strengen Exklusivität der in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Auslesekriterien ist nicht zwingend. Zwar verbietet es die Vorschrift den öffentlichen Dienstherrn keineswegs, eine weitere Verfeinerung der Personalauswahl anzustreben. Doch die Gesichtspunkte der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und der Fairneß in der Auswahl unter gleichgestellten Bewerbern gebieten dies nicht; geboten ist lediglich ein Verfahren, das die Auswahl nicht vorab durch andere als die genannten Kriterien verfälscht. Wenn ein allein nach den Merkmalen des Art. 33 Abs. 2 GG sorgfältig durchgeführter Vergleich aller Bewerber/ innen vorgenommen wird, ist der Normzweck der Vorschrift erfüllt64 ; eine Fortsetzung des Auswahlverfahrens bis zur zweifelsfreien Ermittlung jeweils einer/s bestgeeigneten Kandidatin/en ist dann nicht mehr erforderlich65 . Sie wäre im übrigen auch praktisch kaum immer möglich oder auch nur wünschenswert, denn die Festlegung eines normativen Rahmens für die Personalauswahl kann nur dann ihre Aufgabe erfüllen, wenn Verfahren und Maßstäbe der Auslese praktikabel sind, d. h. in einem nicht übermäßig komplexen Verfahren eine rasche Entscheidung ermöglichen. Aus diesem Blickwinkel mag nicht nur eine zu grobe Struktur der Auswahlrnaßstäbe, sondern auch ihre allzu weit geführte Verfeinerung bedenklich sein, zumal selbst dann eine Pattsituation, in der Qualifikationsunterschiede unter mehreren Bewerbern nicht mehr festzustellen sind, nicht mit Bestimmtheit ausgeschlossen werden kann 66 . Für diesen Fall müssen zusätzliche sachgerechte67 Maßstäbe bestehen 68 • Unter der genannten Voraussetzung einer vorrangigen ausschließlichen Eignungsprüfung kann auch die Geschlechtszugehörigkeit der Kandidaten als zusätzliches Auswahlkriterium in die Auswahlentscheidung unter mehreren Bewerbern gleicher Eignung einbezogen werden. Zwar sind als sachgerecht in erster Linie nur solche Gesichtspunkte zu bezeichnen, die sich an den konkreten Erfordernissen der zu besetzenden Stelle orientieren; dazu aber zählt das Zu der doppelten Zielsetzung der Vorschrift soeben l. Ebenso auch Benda, Positive Aktionen S. 172f. 66 Zur verfassungsrechtlichen Relevanz der Praktikabilität des Eignungsbegriffs sogleich und unten 4. 67 VGH Kassel NJW 1985, 1103 (1103); GGK - Matthey Rz 25, 41 zu Art. 33; Jung, Zugang S. 5lf. 68 Dies bezeichnet Knöpfel, Gleichberechtigung S. 557, als eine Situation notwendiger Ungleichbehandlung. Ihm folgend Benda, Positive Aktionen S. 180. 64 65

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4. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst

Geschlecht in aller Regel nicht. Doch der Maßstab der Sachgerechtigkeit kann hier weitere Hilfe nicht gewähren, weil die Erfordernisse des konkret betroffenen Dienstpostens im Rahmen der Eignungsprüfung in die Entscheidungsfindung bereits eingeflossen sind. In dieser Situation darf der Kreis der Auswahlkriterien um weitere, ihrerseits rechtmäßige Gesichtspunkte ergänzt werden. Zu diesen Gesichtspunk.ten zählt auch das durch Art. 3 Abs. 2 GG legitimierte69 und durch die völkerrechtlichen Bindungen der Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich bekräftigte70 Ziel, die Gleichstellung von Frauen und Männern in die soziale Wirklichkeit umzusetzen 71 • Es entspricht dem natürlichen Interesse und der Funktion der öffentlichen Verwaltung als eine den demokratischen Staat stützende Kraft, aus einem möglichst breiten Bewerberpotential auszuwählen72 ; auch mag es dem Ideal der Unparteilichkeit entgegenkommen, wenn bereits die personelle Zusammensetzung des Verwaltungskörpers der Gefahr einseitiger Interessenbindung entgegenwirkt. Art. 33 Abs. 2 GG hat die Berechtigung dieser Erwägungen verfassungsrechtlich abgesichert und hat in Reaktion auf die historische Entwicklung Besitz, Standeszugehörigkeit und ähnliche leistungsfremde Auswahlkriterien ausgeschlossen73 • Die Vorschrift ist jedoch nicht nur gegen die Vergangenheit gerichtet, sondern will auch die Zukunft sichern. Sie muß daher auch jeden Funktionsverlust der öffentlichen Verwaltung verhindern, der ihr aus anderen als den historisch erfahrenen Richtungen droht - die Reform des öffentlichen Dienstes muß als ein kontinuierlicher Prozeß verstanden werden74 • Diese Überlegung rechtfertigt es, in der gegenwärtigen politischen Lage eine verstärkte Präsenz von Frauen auf den Führungsebenen der öffentlichen Verwaltung gezielt zu fördern, um der in der Unterrepräsentation der Frauen liegende Gefahr geschlechtsspezifischer Einseitigkeit zu entgehen75 • Das Bemühen, das in einer pluralistischen Gesellschaft ruhende vielfältige Potential an Fähigkeiten vollständig auszuschöpfen, ist auch und gerade für den öffentlichen Dienst ein legitimes Ziel. Der objektivrechtliche Gehalt des Art. 3 Abs. 2 GG vermag damit Zielrichtung und Wirkungsweise des verfassungsrechtlichen Leistungsprinzips widerspruchsfrei zu ergänzen, ja sogar in Dazu oben Kap. 3 III. Art. 7 lit. b) der Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women von 1979; dazu oben Kap. 2 I 4 d). 71 Dies vor allem übersieht Kempen, Gleichberechtigung S. 289f. Benda, Positive Aktionen S. 183 u. Ö., zieht auch hier zur Rechtfertigung der Frauenförderung das Sozialstaatsprinzip heran, doch ist dies - wegen der spezielleren Verfassungsnorm in Art. 3 Abs. 2 GG - nicht erforderlich. 72 Leisner, Grundlagen S. 61; v. Hippet, Zugang S. 43 Anm. 131. 73 Zu der historischen Entwicklung Jung, Zugang S. 34; AK - Ridder Rz 15ff. zu Art. 33 Abs. 1 - 3 und soeben 1. 74 Achterberg, Leistungsprinzip S. 542; vor zu starker Betonung von Traditionen warnt auch v. Hippet, Zugang S. 18. 75 Dazu oben Kap. 3 III 2 b). 69

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II. Leistungsprinzip und gleicher Zugang zu öffentlichen Ämtern

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besonderer Weise zu fördern. Maßnahmen, die eine Frauenförderung unter der Voraussetzung "gleicher Eignung" vorsehen, stellen aus dieser Sicht einen Beitrag zur Herstellung größtmöglicher Verfassungseffektivität dar; sie weisen überdies den Weg zur Einlösung der Forderung nach praktischer Konkordanz im Spannungsverhältnis zwischen dem Leistungsprinzip und dem Postulat des Art. 3 Abs. 2 GG. b) Ineffektivität eignungsabhängiger Frauenförderung

Die praktische Wirksamkeit einer eignungsabhängigen Frauenförderung im öffentlichen Dienst hängt allein davon ab, wie häufig sich im Verfahren der Personalauslese eine Situation einstellen wird, in der sich mehrere Bewerber gleicher Eignung gegenüberstehen, denn nur dann können Entscheidungen auf der Basis "umgekehrter Diskriminierung" zugunsten von Frauen fallen. Doch die vorherrschende Auslegung des Eignungsbegriffs, die in beliebigem Ausmaß auch feinste Differenzierungen im Vergleich von Bewerbern zuläßt16 , führt zu dem Ergebnis, daß im konkreten Vergleich von männlichen und weiblichen Kandidaten stets mit einer gewissen Plausibilität beide Ergebnisse denkbar sind: "gleiche Eignung" beider Bewerber oder "bessere" Eignung des Mannes bzw. der Frau. Dieser Umstand reduziert eine an die Voraussetzung der "gleichen Eignung" gebundene Frauenförderung auf ein politisches Zugeständnis ohne praktische Bedeutung: Wenn nur bei gleicher Eignung eine Privilegierung ausgesprochen werden darf, diese Situation aber im Alltag der Personalführung die seltene Ausnahme bleibt, dann ist der Anwendungsbereich aller geltenden Richtlinien zur Frauenförderung im Hinblick auf die Stellenbesetzung denkbar schmal- zu einer konkreten Entscheidung für eine Frau statt eines Mannes dürfte es dementsprechend selten kommen. Diese Einschätzung wird durch den Hinweis bestätigt, daß der Eignungsmaßstab in seiner Komplexität zwar theoretisch beliebige Genauigkeit gewährleistet, seine praktische Handhabung sich aber gleichzeitig in weitem Umfang einer - insbesondere gerichtlichen - Nachprüfung entzieht17 . Damit besteht die Gefahr, daß eine Umsetzung angeordneter Quotenregelungen nur dort stattfinden wird, wo der gute Wille zu einer dem Ziel solcher Maßnahmen entsprechenden Praxis ohnehin vorhanden ist. Ein nicht unwichtiges Element in der intendierten Wirkung jeder Frauenförderungspolitik, der Abbau geschlechtsspezifischer Vorurteile bei Entscheidungsträgern wie Konkurrenten, wird sogar zur Gänze illusionär. Oben II 1. Zu dieser Frage sogleich 4. Das Problem wird in der Literatur meist nur am Rande gesehen; anders etwa Feindt, Frauenförderung S. 145, der hier den Grund für die Ineffektivität eignungsabhängiger Frauenförderung sieht, und Raaseh, Frauenförderung S.139. 76

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4. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst

Als Ausweg bieten sich zwei Möglichkeiten an, nämlich eine zeitlich begrenzte Durchbrechung des Leistungsprinzips zugunsten der Frauen durch Quotenregelungen, die auf die Voraussetzung der "gleichen Eignung" verzichten, oder eine gegen Unsachlichkeiten der Anwendung weniger anfällige Konkretisierung des Art. 33 Abs. 2 GG. Diese beiden Alternativen sollen nun erörtert werden. 3. Eignungsunabhängige Frauenförderung: Durchbrechung des Leistungsprinzips

Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung, die Frauen "unabhängig von gleicher Eignung", d. h. unabhängig davon bevorzugen, ob sie im Eignungsvergleich mit männlichen Konkurrenten eine gleichwertige Qualifikation wie diese aufweisen können, sind in den geltenden Verwaltungsvorschriften nicht enthalten. Ein Vorschlag für eine Bestimmung dieser Art findet sich jedoch im Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes (ADGE) der GRÜNEN78. Da eine solche Regelung die vielleicht wirkungsvollste Form der Frauenförderung im öffentlichen Dienst wäre, soll sie am Beispiel des ADGE in die Überlegungen zur Zulässigkeit der umgekehrten Diskriminierung einbezogen werden. Die einschlägigen Bestimmungen des ADGE (Art. 2, Quotierungsgesetz, §§ 1 - 3) lauten: ,,§ 1: Alle Arbeitgeber/innen ... des öffentlichen Dienstes sind verpflichtet, Frauen bei der Besetzung von Ausbildungsstellen, bei Einstellung, Beförderung, Umschulung, Fortbildung oder sonstigen Maßnahmen so lange zu bevorzugen, bis sie auf allen Ebenen/in allen Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind, mindestens zu 50 vom Hundert vertreten sind. § 2 Abs. 2: Im öffentlichen Dienst müssen in allen Behörden, Ämtern und Verwaltungen bei der Besetzung von Stellen und Laufbahnen, bei der Beförderung und Übertragung von Leitungsfunktionen Frauen so lange bevorzugt werden, bis auf allen Funktionsebenen in jeder Besoldungs-, Lohn- und Gehaltsgruppe des jeweiligen Amtes (Dienststelle) Frauen gemäß § 1 dieses Gesetzes vertreten sind. § 3: Bewerberinnen sind gemäß §§ 1 und 2 dieses Gesetzes zu bevorzugen ( ... ) wenn sie die formal notwendige Qualifikation, d. h. den betrieblichen, schulischen oder akademischen Bildungsabschluß nachweisen, der für den Ausbildungs- oder Arbeitsplatz, für die Laufbahn oder Funktion gefordert ist: ... ".

Dieser Formulierungsvorschlag spaltet den Stellenmarkt in zwei Bereiche auf, indem er die öffentlichen Dienstherrn dazu verpflichtet, die Gesamtzahl der zur Verfügung stehenden Stellen zumindest zur Hälfte (nur) mit Frauen zu besetzen. Auch die Gruppe der Bewerber und Bewerberinnen wird nach der Geschlechtszugehörigkeit in zwei Teilgruppen aufgeteilt: In jeder von ihnen werden die "besten" Kandidaten zwar nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG ermittelt79 , so daß die Entscheidung, welche der Bewerber/innen die 78

BT-Ds 10/6137, BT-Prot. 10/255.

II. Leistungsprinzip und gleicher Zugang zu öffentlichen Ämtern

159

vorbehaltenen Plätze einnehmen sollen, innerhalb der Teilgruppe nach dem Leistungsprinzip fällt. Ein Vergleich von Mitgliedern der einen mit Mitgliedern der anderen Teilgruppe findet jedoch nicht statt - das Leistungsprinzip wird nicht unterschiedslos auf alle Kandidaten angewendet. In krassen Fällen mag es deshalb denkbar sein, daß die besten Kandidaten der privilegierten Gruppe eine geringere Qualifikation aufweisen als diejenigen nicht privilegierten Bewerber, die aufgrund der Quotierung ausscheiden; stets wird das Einstellungsergebnis aufgrund einer solchen Regelung ein anderes sein als bei unbeschränkter Anwendung des Leistungsgrundsatzes. Damit stellt § 1 ADGE eine Durchbrechung des Leistungsprinzips dar - er verkürzt den Anwendungsbereich der in Art. 33 Abs. 2 GG fixierten Auswahlkriterien dadurch, daß nicht alle Bewerber in gleicher Weise nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ausgewählt werden8o . Als Durchbrechung des Leistungsprinzips ist nach diesem Maßstab auch eine Frauenförderung (schon) bei "ungefähr gleicher Eignung" oder die in Art. 2 § 3 ADGE vorgesehene Beschränkung der Anforderungen auf eine "Basisqualifikation" anzusehen. Zwar verzichten diese partiell eignungsunabhängigen Modelle nicht gänzlich auf die Berücksichtigung der Eignung, doch verkürzen auch sie die Reichweite des Art. 33 Abs. 2 GG, indem sie die konsequente Handhabung des Leistungsprinzips ins Belieben der öffentlichen Dienstherrn stellen und ihm damit seine normative Kraft nehmen81 . Es wird zur Leerformel, weil es einen Mittelweg zwischen der Anwendung des Leistungsprinzips und seiner Aufgabe nicht gibt. Modelle dieser Art dürfen freilich nicht allein mit dem schlichten Hinweis auf die Durchbrechung des Leistungsprinzips als verfassungswidrig verworfen werden, denn nicht immer setzt sich Art. 33 Abs. 2 GG gegenüber anderen Wertungen des Gesetzgebers durch82 : So schränken beispielsweise83 das HkG, 79 Daran dürfte auch die Formulierung des Art. 2 § 3 ADGE nichts ändern: Daß hier nur eine Mindestqualifikation verlangt wird, kommt den Bewerberinnen lediglich im Vergleich mit männlichen Konkurrenten zugute; für die Frage, welche der verschiedenen Kandidatinnen einzustellen ist, muß wieder auf den herkömmlichen Leistungsvergleich - wenn auch möglicherweise auf einem wegen Art. 2 § 3 ADGE niedrigeren Qualifikationsniveau - zurückgegriffen werden. 80 Garbe-Emden, Gleichberechtigung S. 161, bestreitet dies mit dem Argument, ein gespaltener Arbeits- bzw. Ausbildungsmarkt lasse eine Konkurrenzsituation, in der Rechte der Männer verletzt werden könnten, gar nicht erst entstehen; ebenso Stupik, Parität S. 130. Doch gerade in dem Umstand, daß Männer zum Qualifikationsvergleich mit Frauen nicht zugelassen werden, liegt die Durchbrechung der (Zugangs-) Gleichheit der Bewerber. Ebenso auch Menget, Positive Diskriminierung S. 534f. 81 Ähnlich OVG NW DöD 1980, 231 (232). Eine vollkommen eignungsunabhängige Frauenförderung - die also auch auf die Voraussetzung der Mindestqualifikation verzichtet - wird bisher nirgends vorgeschlagen; diese eher theoretische Möglichkeit soll daher hier außer Betracht bleiben. 82 Die Rechtfertigung von Durchbrechungen muß sich freilich auf Wertentscheidungen im Verfassungsrang stützen können, denn Art. 33 Abs. 2 GG enthält keinen

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4. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst

das SchwbG84 sowie die parallel stehenden Regelungen des SVG, BPolBG und ArbplG85 das Leistungsprinzip in unterschiedlichem Ausmaß ein86 . Das HkG etwa ordnet eine Bevorzugung schon bei Vorliegen "entsprechender fachlicher Voraussetzungen", d. h. bei einem Mindeststandard fachlicher Eignung an87 . Auch das ArbplG stellt an die Eignung der bevorzugten Kandidaten mindere Anforderungen als an die seiner Konkurrenten, obwohl es seinem Wortlaut nach eine Förderung lediglich bei gleicher Eignung vorsieht. Im SVG und BPolBG schließlich wird der Wettbewerb zwischen privilegierten und nicht privilegierten Bewerbern sogar völlig ausgeschlossen; auch diese Gesetze enthalten damit Durchbrechungen des Art. 33 Abs. 2 GG88 - wenn man nicht annehmen will, eine Zeit als Soldat oder Polizeibeamter lasse einen Kandidaten für den öffentlichen Dienst von vorherein geeigneter erscheinen als andere Bewerber89 . Eine Frauenförderung, die nun ihrerseits eine Durchbrechung des Leistungsprinzips vorsieht, dürfte deshalb nur dann verworfen werden, wenn sich zu ihrer Rechtfertigung nicht vergleichbare Argumente finden lassen wie sie auch zugunsten der genannten Regelungen vorgetragen werden. Für das Gesetzesvorbehalt, Maunz / Dürig - Maunz Rz 22 zu Art. 33, ähnlich zu Abs. 5 Rz 59; Schmidt-Aßmann, Leistungsgrundsatz S. 17, 20. 83 Die verfassungsunmittelbaren Durchbrechungen des Leistungsprinzips durch Art. 131 und 139 GG (dazuAK -Ridder Rz 56 zu Art. 33 Abs. 1 - 3;.Maunz / DürigMaunz Rz 22 zu Art. 33; BK -Jess Erl. 11 3 zu Art. 33, der Art. 139 für die einzig zulässige Durchbrechung hält) sowie Art. 36 GG (Plog / Wiedow / Beck Rz 19 zu § 8; GKÖD - Niedermaier Rz 29 zu § 8 nehmen zu Unrecht keine Durchbrechung an, weil der föderale Aspekt erst nach einer Auswahl gemäß Art. 33 GG zum Zuge komme; unklar BK - Jess 11 3 zu Art. 33; Krüger, Leistungsprinzip S. 6 Anm. 4; Isensee, Zugang S. 340) können außer Betracht bleiben, da Art. 3 Abs. 2 GG insofern nicht vergleichbar ist. 84 Schütz, Beamtenrecht Rz 3 zu § 7; GG K - Matthey Rz 24 zu Art. 33; AK - Ridder Rz 56 zu Art. 33 Abs. 1 - 3; nach Plog / Wiedow / Beck, Rz 13 zu § 8 und SchmidtAßmann, Leistungsgrundsatz S. 19 liegt keine Durchbrechung vor (Modifikation, durch das Sozialstaatsprinzip gerechtfertigt); Durchbrechung nehmen noch an Jung, Zugang S. 130f.; GKOD - Niedermaier Rz 24 zu § 8; unklar Maunz / Dürig - Maunz Rz 22 zu Art. 33 (Leistungsprinzip spiele eine mindere Rolle). 85 Zu diesen Gesetzen die Nachw. im einzelnen bereits oben Kap. 1 111 1 und 2. 86 Freilich besteht häufig im Schrifttum nicht einmal Einigkeit darüber, ob es sich um eine Durchbrechung des Leistungsprinzips handelt oder, im Gegenteil, gerade um eine Bestätigung seiner Aussage. Kritisch auch Schmidt-Aßmann, Leistungsgrundsatz S. 19. Keine Durchbrechung des Art. 33 stellt hingegen das BWGöD dar. Es betrifft nur ehemalige öffentliche Bedienstete, die sich einer Leistungsauswahl zu einem früheren Zeitpunkt bereits unterzogen hatten, so daß das Leistungsprinzip gewahrt bleibt. Anders Plog / Wiedow / Beck, Rz 14 zu § 8; GKÖD - Niedermaier Rz 25 zu § 8; ähnlich Schmidt-Aßmann, Leistungsgrundsatz S. 19; Tietgen, Zugang S. 338f. 87 Das BVerwG, E 6, 347 (349), hat darin zwar keine Einschränkung des Leistungsprinzips sehen wollen, da bei Heimkehrern die Leistung aufgrund des erlittenen Schicksals typischerweise höher zu bewerten sei als bei anderen Bewerbern, doch wird damit jede praktikable Eingrenzung des Leistungsprinzips aufgegeben. 88 GKÖD - Fürst Rz 26 zu § 8; a. A. Plog / Wiedow / Beck, Rz 18 zu § 8. 89 So offenbar Schütz, Beamtenrecht Rz 3 zu § 7.

H. Leistungsprinzip und gleicher Zugang zu öffentlichen Ämtern

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SchwbG, das HkG und das BWGöD steht insofern der Grundsatz der Sozialstaatlichkeit im Vordergrund, der dem Leistungsprinzip als Gebot sozialer Solidarität gleichrangig gegenübertritt und Abweichungen deshalb nach allgemeiner Ansicht zuläßt90 • Hingegen ist die Berechtigung des SVG, BPolBG und ArbplG in dieser Hinsicht zumindest zweifelhaft. Denn daß Versorgungsund Ausgleichsgedanken91 oder der Grundsatz der Wehrgerechtigkeit eine Entschädigung der Betroffenen durch bevorzugte Einstellung in den öffentlichen Dienst mit der gleichen Unabweisbarkeit gebieten sollen wie die sozialstaatlieh motivierten Privilegien des SchwbG oder des HkG ist jedenfalls auf der Ebene der Verfassung nicht zum Ausdruck gekommen 92 • Doch für das Problem der Frauenförderung ergibt sich auch aus den Überlegungen zu den zuerst genannten Gesetzen nichts; eine Politik der umgekehrten Diskriminierung wäre in ihrer Struktur und ihrem Anwendungsbereich weder quantitativ noch qualitativ mit ihnen zu vergleichen93 • Zwar läßt sich das Sozialstaatsprinzip, bezogen auf die Personalauslese für die öffentliche Verwaltung, durchaus als Aufforderung zur Humanisierung des Leistungsprinzips verstehen; es mag daher den Versuch unterstützen, die geltenden Auswahlstandards so zu formulieren, daß keine soziale Gruppe im Rahmen der Personalauslese Startvorteile genießt bzw. in ihren Durchsetzungschancen gemindert ist 94 • Es mag auch die Rechtfertigung dafür bieten, Durchbrechungen des Leistungsprinzips zugunsten von Frauen in Einzelfällen, als "Härtefälle", vorzusehen95 . Doch darüber hinaus trägt es eine grundsätzliche Abwei90 GGK - Matthey Rz 24 zu Art. 33; Schütz, Beamtenrecht Rz 3 zu § 7; SchmidtAßmann, Leistungsgrundsatz S. 19; AK - Ridder Rz 56 zu Art. 33 Abs. 1 - 3. Ohne die Vorschriften zur Kenntnis zu nehmen, hält allein Leisner, Grundlagen S. 7lf., das "Sozialprinzip" für "eindeutig" subsidiär - es dürfe nur bei gleicher Eignung zum Zuge kommen. 91 Schütz, Beamtenrecht Rz 3 zu § 7; Schmitt Glaeser, Abbau S. 14 (nachwirkende Fürsorgepflicht); zu Unrecht verweisen Schmidt-Aßmann, Leistungsgrundsatz S. 19 und GGK - Matthey Rz 24 zu Art. 33 auf das Sozialstaatsprinzip; zu pauschal auch AK - Ridder Rz 56 zu Art. 33 Abs. 1 - 3. 92 Zweifelnd auch Schmidt-Aßmann, Leistungsgrundsatz S. 19, und für das SVG Schmitt Glaeser, Abbau S. 14. Fragwürdig ist die Regelung schon deshalb, weil die im Wehr- oder Zivildienst bzw. Polizeidienst erworbenen Kenntnisse häufig in "zivilen" Berufen genutzt werden können und dort willkommen sind, so daß die Unterbringung im öffentlichen Dienst als Kompensation kaum erforderlich zu sein scheint. Vor allem müßte zwischen den betroffenen Gruppen differenziert werden, weil Polizeibeamte und Zeitsoldaten ihre Aufgaben, anders als Wehrpflichtige, freiwillig und im Bewußtsein um die Konsequenz einer zeitweiligen "Ausblendung" aus dem zivilen Beruf übernehmen. 93 Zur Begründung oben Kap. 1 III 2. 94 Dazu unten 4. Doch spricht gerade diese Überlegung eher dafür, den an "männlichen" Maßstäben orientierten Leistungsbegriff überhaupt neu zu formulieren; wenig einleuchtend wäre es dagegen, den als ungerecht erkannten Maßstab beizubehalten und nur seine Anwendung auf Frauen partiell und temporär auszusetzen. 95 Zu Durchbrechung in Härtefällen Schmidt-Aßmann, Leistungsgrundsatz S. 20; GKÖD-Fürst Rz 2, 20 zu § 8, anders offenbar Rz 28; differenzierend Feindt, Gleichbe-

11 Maidowski

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4. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst

chung von Art. 33 Abs. 2 GG nicht, und dies gilt auch für die - an sich berechtigte - Berufung auf die Zielsetzung des Art. 3 Abs. 2 GG als verfassungsrechtlich legitimen Gesichtspunkt: Denn jede Durchbrechung des Leistungsprinzips muß, will sie die Frunktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes nicht in Frage stellen, die Ausnahme bleiben96 • Maßnahmen zur Frauenförderung aber müßten einen bedeutenden Anteil aller Personalentscheidung in bestimmten Bereichen der öffentlichen Verwaltung beeinflussen, zumal der erhebliche Nachholbedarf von Frauen hier zunächst ein überproportionales Anwachsen der Entscheidungen zu ihren Gunsten zur Folge hätte. Dies würde dem Leistungsprinzip seine Stellung als Grundnorm des öffentlichen Dienstrechts nehmen und ihn im praktischen Ergebnis auf eine Ausnahmebestimmung reduzieren, auch wenn innerhalb jeder Gruppe weiterhin allein nach Leistung zu entscheiden wäre 91 . Die Funktion des Art. 33 Abs. 2 GG, die Personalauslese zu versachlichen und die Gleichheit des Zugangs zu den öffentlichen Ämtern zu gewährleisten, wäre damit gefährdet, wenn nicht vereitelt. 4. Frauenförderung durch Verfahren: Konkretisierung des Leistungsprinzips

Die Bilanz der bisherigen Überlegungen ist nur mit Einschränkungen zufriedenstellend: Eine Durchbrechung des Leistungsprinzips zur Frauenförderung ist unzulässig, eine Förderung, die das Leistungsprinzip ergänzt, mithin an die Voraussetzung "gleicher Eignung" geknüpft ist, ist zwar zulässig, doch möglicherweise ineffektiv. In dieser Situation liegt es nahe, nach Möglichkeiten zu suchen, einer (eignungsabhängigen) Quotierung durch zusätzliche Regelungen zu größerer Wirksamkeit zu verhelfen. Diese Strategie, die ergänzend neben die bestehenden Vorschriften zur Frauenförderung treten könnte, läßt sich als verfahrens- und materiellrechtliche Konkretisierung des Leistungsprinzips bezeichnen; zwei unterschiedliche Ansatzpunkte sind hervorzuheben: Eine erste aussichtsreiche Möglichkeit, die Wirkungskraft einer Frauenförderungsregelung zu steigern, besteht in einer normativen Präzisierung der allzu vagen Tatbestandsmerkmale des Art. 33 Abs. 2 GG. Denn die unbegrenzte Bedeutungsweite insbesondere des Eignungsbegriffs birgt die Gefahr, daß bei seiner Anwendung auf den Einzelfall geschlechtsspezifische Vorurteile bewußt oder unbewußt zur Folge haben, allzu häufig einen "besten" rechtigung S. 80,82; ablehnend Schütz, Beamtenrecht Rz 2 zu § 7; in OVG NW DöD 1980, 231 wird dies offengelassen (S. 233); der Fall scheiterte an der fehlerhaften Verallgemeinerung der Härtefallklausel. Noch zurückhaltender OVG Münster, DöD 1973, 167 (168): Berücksichtigung sozialer Gründe erst nach vorgängiger Eignungsprüfung. % Isensee, öffentlicher Dienst S. 1152f.; OVG NW; DöD 231 (233). 97 Gegen die Anwendung des Sozialstaatsprinzips im Regelfall auch Isensee, Zugang S.345.

11. Leistungsprinzip und gleicher Zugang zu öffentlichen Ämtern

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(männlichen) Kandidaten zu benennen, obwohl die Anwendung streng leistungsbezogener Kriterien zur Feststellung der "gleichen Eignung" mehrerer männlicher und weiblicher Bewerber um ein öffentiches Amt hätte führen müssen (dazu sogleich a). Einen weiteren Ansatzpunkt für Maßnahmen zur Unterstützung bestehender Quotenregelungen bildet das Verfahren der Personalauslese, weil gerade die verfahrenstechnische Ausgestaltung des Entscheidungsprozesses in erheblichem Maße dazu beitragen kann, Sachlichkeit und Rechtsstaatlichkeit der Personal auslese im öffentlichen Dienst stärker als bisher sicherzustellen und überprüfbar zu machen (dazu unten b). Auf den ersten Blick scheint es jedoch für eine solche "normative Verdichtung" im Bereich der Personalauslese nur wenig Spielraum zu geben, denn nach einer geläufigen Ansicht sind Personalentscheidungen "unvertretbar" bzw., als im Ermessen des Dienstherrn liegend, gerichtlich nicht oder nur begrenzt nachprüfbar98 . Bei näherer Betrachtung aber zeigt sich, daß die pauschale Einstufung "der Personalentscheidung" als Ermessensakt dogmatisch zumindest ungenau ist. Denn die Personalauslese für den öffentlichen Dienst ist kein einheitlicher Akt behördlichen Ermessens, der näherer Aufgliederung nicht fähig wäre, sondern ein vielfältig gegliederter Prozeß, dessen einzelne Elemente in unterschiedlichem Ausmaß einer Normierung zugänglich sind: Schon die Tatbestandsmerkmale des Art. 33 GG, die die Grundlage der Personalführung im öffentlichen Dienst bilden, lassen wegen ihrer großen inhaltlichen Weite den Entscheidungsträgern einen erheblichen Spielraum in Form des "kognitiven Ermessens"99. Dennoch sind sie als unbestimmte Rechtsbegriffe einzustufen und daher grundsätzlich gerichtlich überprüfbar; vor allem aber könnten sie durch ergänzende Normen in ihrer Aussage differenziert und präzisiert werden. Solange freilich eine derartige normative Präzisierung nicht existiert, kann eine gerichtliche Überprüfung nur wenig mehr als eine Mißbrauchs kontrolle sein. Einen Ermessensspielraum stricto sensu hat der Dienstherr allein dann, wenn mehrere Bewerber/innen aufgrund eines Eignungsvergleichs als gleich qualifiziert eingestuft werden können 1OO : Der Trias des Art. 33 Abs. 2 GG ist 98 So die wohl h.M., etwa GGK - Manthey Rz 15 zu Art. 33; v. Mangoldt (2. Aufl.) Anm. IV 2c zu Art. 33; Dix, Gleichberechtigung S. 300 m. w. N. Anm. 4; Hamann / Lenz Anm. B 2 zu Art. 33; Stern, Staatsrecht I S. 346; Isensee, öff. Dienst S. 1168 Anm. 49 hält die Unterscheidung in Beurteilungsspielraum und Ermessen für belanglos; krit. Maunz / Dürig - Maunz Rz 16 zu Art. 33; differenziert allein Willke, Eignungstests S. 71 ff. und VG Bremen, NJW 1988, S. 3224 (3226). 99 Maunz / Dürig - Maunz Rz 19 zu Art. 33. Um Ermessen im Sinne des § 114 VwGO handelt es sich dabei freilich gerade nicht. 100 Schütz, Beamtenrecht Rz 2 zu § 7; Feindt, Gleichberechtigung S. 81; VGH Kassel NJW 1985, 1103; anders Willke, Rechtsschutz S. 441; Kutscha, Beurteilungsspielraum S. 163; Maunz / Dürig - Maunz Rz 16 zu Art. 33.

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4. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst

in einer solchen Situation bereits Genüge getan, und weitere Auswahlgesichtspunkte sind - sieht man von den oben erwähnten sozialstaatlieh begründeten Ausnahmefällen ab - weder bundes- noch landesgesetzlich festgelegt. Die gerichtliche Überprüfung der jeweils getroffenen Entscheidung ist in ihrer Intensität abgeschwächt, wenn auch nicht wirkungslos. Es besteht jedoch grundsätzlich die Möglichkeit, weitere Entscheidungskriterien für eine solche Situation normativ zu fixieren, die den Spielraum des Dienstherrn einschränken oder sein Ermessen so weit reduzieren, daß eine fehlerfreie Entscheidung nur noch zugunsten einer Bewerberin fallen kann. Noch stärker ausgeprägt ist die Ungebundenheit des Dienstherrn dort, wo es um die Feststellung geht, ob ein Kandidat den gestellten Anforderungen entspricht, ob er also "geeignet" ist oder nicht. Dies ist der Kern der eigentlichen Personalentscheidung, und dem Dienstherrn ist hier ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, der seine Erwägungen in noch stärkerem Maße der richterlichen Kontrolle entzieht als dies bei Ermessensentscheidungen der Fall ist 101 . Als zusätzliche Unwägbarkeit kommt hinzu, daß die Entscheidung in der Regel eine Prognose beinhaltet, denn nicht erbrachte, sondern zu erwartende Leistung soll zur Entscheidungsgrundlage gemacht werden 102 • Doch selbst hier sind normative Präzisierungen möglich und werden für Beförderungsentscheidungen in Form von Beurteilungsrichtlinien auch weithin praktiziertl°3 . Eingriffe in das differenzierte Gefüge der Personalentscheidungen im öffentlichen Dienst sind mithin an verschiedenen Stellen und in unterschiedlicher Intensität möglich, so daß die Chance besteht, existierende Quotenregelungen von dieser Seite aus zu unterstützen. Doch die Anforderungen an die Formulierung solcher präzisierender Vorschriften sind hoch: Einerseits sollen sie gerade diejenigen Momente des Auswahlverfahrens "entschärfen", die als Einbruchstellen für Unsachlichkeit die Wirksamkeit von Regelungen zur Frauenförderung behindern, gleichzeitig aber müssen sie die Praktikabilität der Personalauslese wahren - allzu komlizierte Regelungen dürften daher wenig Aussicht haben, Eingang in die Praxis zu finden.

101 GKÖD - Fürst Rz 181 zu § 8; Schütz, Beamtenrecht Rz 4 - 6 zu § 7; Kutscha, Beurteilungsspielraum S. 161; Willke, Rechtsschutz S. 441 m. w. N. Anm. 20; ders., Eignungstests S. 72; Klinkhardt, Beurteilungen S. 64ff. Allein Maunz I Dürig-Maunz Rz 16 zu Art. 33 sieht hier den einzigen Freiraum des Dienstherrn. 102 Isensee, Zugang S. 346f. m. w.N.; BAG NJW 1981,71. 103 Klinkhardt, Beurteilungen S. 13f. Als Beispiel die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen zur Beurteilung der Beamten und Richter v. 9.11.1982, Beil. AMBI. 1983, A 127.

11. Leistungsprinzip und gleicher Zugang zu öffentlichen Ämtern

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a) Inhaltliche Präzisierung des Leistungsprinzips Der Schlüsselbegriff des Personalwesens im öffentlichen Dienst ist das in Art. 33 Abs. 2 GG mit der Qualität einer Verfassungsgarantie versehene Merkmal der "Eignung". In der Auslegung, die es durch die h. M. erfahren hat, gestattet es ein nahezu beliebiges Maß an Genauigkeit in der Beurteilung der Bewerber für den öffentlichen Dienst sowie in der Präzisierung der mit jedem Dienstposten verbundenen Anforderungen 104 - und damit die Grundlage für ideale weil differenzierte und richtige Entscheidungen. Gleichzeitig aber birgt diese Auslegung erhebliche Gefahren, weil sie den Eignungsbegriff in der Fülle der ihm zuerkannten Bedeutungselemente auf eine Leerformel reduziert, die die Chance "richtiger" Entscheidung nicht erhöht, sondern umgekehrt ein Einfallstor für absichtliche (willkürliche) oder versehentliche (schlicht fehlerhafte) Unsachlichkeit darstellt 105 : Gerade die zu seiner Präzisierung stets genannten Merkmale "Charakter", "Begabung" oder gar "Leistung(sfähigkeit)"l06 sind ihrerseits Inbegriffe von Eigenschaften, die sich einer rationalen Erfassung weitgehend entziehen. Sie bieten allenfalls bei Beförderungen eine gewisse Hilfe 107 ; für eine Einstellungsentscheidung, die auf einer Prognose auf der Grundlage weniger schriftlicher oder mündlicher Äußerungen beruht, können sie Maßstäbe nicht aufstellen. Die Unzulänglichkeit dieser Auslegung wird durch die Feststellung unterstrichen, daß alle Versuche, den Merkmalen des Leistungsprinzips schärfere Konturen zu verleihen, bisher kaum weitergeführt haben 108 . So könnte etwa die Aufstellung von Anforderungsprofilen eine Hilfe für die rationale Handhabung des unklaren Begriffs bedeuten 109, doch entsprechende Versuche haben sich bezeichnenderweise meist auf einfache Tätigkeiten beschränkt 110; Dazu oben 11 1. In diese Richtung auch Tietgen, Zugang S. 334; Jung, Zugang S. 45; Reimann, Auslese S. 242; GKÖD - Fürst Rz 15 zu § 8; Klinkhardt, Beurteilungen S. 34ff.; Zippelius, Bürokratie S. 223; Fricke, Ämterpatronage S. 96ff. 106 Insbesondere dieser letzte Begriff ist definitorisch kaum zu erfassen, Leisner, Grundlagen S. 65; Bier/eider - Hack Sp. 953; Klinkhardt, Beurteilungen S. 30ff.; ausführlich Bamberg, Leistungsprinzip S. 26f. und Touppen, Leistungsprinzip S. 41. Als Beispiel für einen untauglichen Versuch die Systematisierung bei Achterberg, Leistungsprinzip S. 541. \07 Leisner, Grundlagen S. 68; Tietgen, Zugang S. 334; das Argument von Riedmaier, Auslese S. 265f., Charakteranalysen bei Beschäftigten seien unzulässig weil unmöglich, gilt für die Einstellung a fortiori. \08 Ausgelöst durch die Diskussion um die Reform des öffentlichen Dienstrechts hat sich insbesondere die Verwaltungswissenschaft um eine Präzisierung bemüht, dazu Siepmann, Arbeits- und Stellenbewertung S. 65ff., 75ff.; Riedmaier, Transparenz S. 268ff.; Reimann, Auslese S. 242ff.; Meixner, Verfahren S. 148ff. sowie die Beiträge bei Siedentopf, Bewertungssysteme. 109 GGK - Matthey Rz 17 zu Art. 33; Jung, Zugang S. 45ff.; Plog / Wiedow / Beck, Rz 8 zu § 8. 104

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4. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst

dasselbe gilt für Dienstpostenbewertungen, die einen kaum vertretbaren Aufwand erfordern und daher meist unterblieben sind 111 • Hingegen scheinen sich solche Bewertungs- und Beurteilungssysteme durchzusetzen, die unwägbare Merkmale wie Persönlichkeit oder Charakter stark in den Hintergrund drängen bzw. in meßbare Elemente auflösen ll2 - für die Auslegung der verfassungsrechtlichen Grundbegriffe muß daraus die Konsequenz gezogen werden, solche Merkmale wegen mangelnder Praktikabilität aus ihrer zentralen Stellung in der herrschenden Auslegung zu entlassen. Bemerkenswert ist schließlich auch die Tatsache, daß nicht nur der Inhalt der in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien höchst vage ist, sondern daß darüber hinaus auch die Methoden der Leistungsermittlung und -bewertung fragwürdig sind113 • Sie gestatten es nicht, die Qualifikation eines Kandidaten mit der Präzision zu erfassen, die erforderlich wäre, um den stark differenzierten Eignungsmaßstab auszuschöpfen; das Eignungskriterium bietet hier nicht einmal seinem theoretischen Anspruch nach eine Hilfe 114 • Die bestehenden Regelungen zur Frauenförderung sollten deshalb zunächst das Merkmal der Eignung durch eine nähere normative Aufschlüsselung seines Begriffsinhalts einer transparenten Handhabung zugänglich machen, etwa durch die Schaffung von Beurteilungsrichtlinien 115 , die in ihrer Formulie110 Hoefert, Leistungsverhalten S. 73f.; vgl. noch Leisner, Grundlagen S. 75f. und These 16; Achterberg, Leistungsprinzip S. 548 m. w. N.; zu der Forderung und ihrer bisher gescheiterten Verwirklichung noch Ebenrett, Anforderungsprofile S. 79ff.; Reimann, AusleseS. 241f.; Jung, Zugang S. 45f.; Hubler, S. 146. 111 Kruis, Leistungsprinzip S. 561 m.w.N.; zweifelnd auch Achterberg, Leistungsprinzip S. 548; zu Alternativen Schneider, Leistungsanreize S. 21ff. Der Optimismus von Triebe I Fischer I Ulich, Problemstudie S. 91 scheint mir in diesem Punkt kaum berechtigt. Umfassend Studienkommission, Arbeitskreis Dienstpostenbewertung S. 388ff. 112 Ein gutes Beispiel bietet die Untersuchung von Gaugier I Ripke, Beurteilungsverfahren, die einen "Probelauf" im Rahmen der vom BMI betriebenen Reform begleitet. Vgl. etwa dort die Musterunterlagen S. 153 - 199 im Vergleich mit Adrian I Albert I Riedl, Mitarbeiterbeurteilung, deren Beispiele für Anforderungsprofile - vor Durchführung der Arbeiten zur Dienstrechtsreform - etwas zu einfach anmuten, S. 73ff. Zum Dienstpostenbewertungsmodell der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung Müller, Stellenbewertung. 113 Bierfelder - Hack Sp. 956f. und - Lepiorz Sp. 945 - 952; Maunz I Dürig - Maunz Rz 19 zu Art. 33; Touppen, Leistungsprinzip S. 42ff. Eine Übersicht über die Schwierigkeiten, die jeder Beurteilung immanent sind, aus sozialwissenschaftlicher Sicht bei Schmidt, Beurteilung etwa S. 222ff. (232); 236ff.; zur Kritik bisheriger Ansätze S. 45 ff. (69ff.). 114 Zu den einzelnenen Methoden Triebe I Fischer I Ulich, Problemstudie S. 30ff.; Kubin, Arbeitsbewertung S. 47ff., 67ff. und 154ff.; Siepmann, Arbeits- und Stellenbewertung S. 19ff.; Schmidt, Beurteilung S. 45ff.; Neubauer I Höfner I Waldschütz, Eignungsfeststellungsverfahren S. 47ff.; Studienkommission, Arbeitskreis zur Bewertung von Eignung und Leistung S. 243ff. (273ff.); Olbrich, Bewertung S. 179ff. 115 Riedmaier, Transparenz S. 268, 274. Ob dies im einzelnen auch auf gesetzlicher Ebene geschehen kann, wird unten IH. zu erörtern sein. Rechtsgrundlagen für die

11. Leistungsprinzip und gleicher Zugang zu öffentlichen Ämtern

167

rung auf das Problem geschlechtsspezifischer Differenzierung von Eignung und Leistung bezogen sind. Das weitgehend ins Belieben des jeweiligen Dienstherrn gestellte breite Bedeutungsspektrum dieser Begriffe könnte auf diese Weise verengt und präzisiert werden; unterstützend wäre die - auch völkerrechtlich gebotene 116 - Formulierung klarer Maßstäbe für eine objektive Dienstpostenbewertung denkbar. Die Rationalität und damit die Rechtsstaatlichkeit des Entscheidungsprozesses würde damit ebenso gefördert wie die Möglichkeit, Personalentscheidungen nachvol~iehbar und - soweit dies angeordnet wird und zulässig ist - gerichtlich nachprüfbar zu begründen. Der zentrale Ansatzpunkt für Reformen aber sollte eine Schwerpunktverla. gerung in den Beurteilungskriterien von den Merkmalen "Eignung", "Persön-

lichkeit" und "Charakter" hin zu einer stärkeren Betonung der "Befähigung" und "fachlichen Leistung" der Kandidaten sein l17 . Zwar spielen Merkmale wie Höflichkeit oder Geduld zweifellos eine wichtige Rolle im Rahmen der Personalauslese und dies zu Recht 118 , doch ist hier zumindest Zurückhaltung geboten: Im parlamentarischen Rat wurde das Merkmal "Charakter" trotz seiner grundsätzlichen Notwendigkeit wegen seines "schlechten Beigeschmacks" und der damit verbundenen Mißbrauchsgefahr aus der ursprünglich vorgesehenen Fassung der Vorschrift gestrichen 119 , und in Art. 128 Abs. 1 WRV war sogar nur von Befähigung und fachlicher Leistung, nicht dagegen von Eignung die Rede. Für eine weniger starke Gewichtung charakterlicher Merkmale im Ausleseverfahren spricht im übrigen nicht nur die Schwierigkeit, "Charakter" zu erkennen, zu messen und zu vergleichen 120 , sondern auch die Tatsache, daß sich die charakterliche Eignung von - häufig noch sehr jungen - Berufsanfängern ohnehin erst im Laufe der Zeit an den Erfordernissen des Dienstes entwickeln kann 121 • Unter diesem Aspekt wäre es daher sinnvoll, auf eine

dienstliche Beurteilung finden sich durchweg in den Beamtengesetzen, daneben in §§ 40f. BLV, §§ 13 Abs. 2 bzw. Ba Abs. 2 BAT bzw. MTV. 116 Art. 3 Abs. 3 der ILO Convention No. 100; dazu Budiner, Convention S. 46f. u. passim und oben Kap. 2 I 4 c). 117 Diese Tendenz läßt sich in der Praxis des Beurteilungswesens bereits beobachten, vgl. GaugIer / Ripke, Beurteilungsverfahren, die charakterbezogene Merkposten in ihre Kataloge nicht aufgenommen haben. 118 Achterberg, Leistungsprinzip S. 548 m. w. N.; Tietgen, Zugang S. 334f. und die gesamte Literatur und Praxis. 119 HA 44. Sitzung, 19.1.1949, StenoProt S. 588 (14:3 Stimmen). 120 Riedmaier, Transparenz S. 265f. mit zahlreichen Nachw.; Leisner, Grundlagen S. 68, spricht von der angeblich analysierbaren Persönlichkeit - im Kern zu Recht, auch wenn man seine Skepsis nicht insgesamt teilen möchte; i. ü. noch Zippelius, Bürokratie S. 223; Reimann, Auslese S. 242. Zurückhaltend auch VG Koblenz ZBR 1977,77 (78). 121 So ausdrücklich Riedmaier, Transparenz S. 243. Selbst dann sind die Schwierigkeiten einer Beurteilung noch erheblich; die Untersuchung von Schmidt, Beurteilung, etwa, die wenig Optimismus äußert, betrifft ausschließlich diese "laufende" Beurteilung, S. 43f.

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4. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst

Berücksichtigung charakterlicher Merkmale wenigstens bei der Einstellung als dem erstmaligen Kontakt des Dienstherrn mit dem Bewerber in weitem Umfang zu verzichten. Statt dessen mag die Persönlichkeit des Bewerbers nach Ablauf der beamtenrechtlichen Probezeit und für Beförderungen in den Mittelpunkt der Entscheidung gestellt werden 122 , denn zu diesem Zeitpunkt ist die Entscheidungsgrundlage breiter und die Schwierigkeiten der Beurteilung damit etwas geringer. Reformbestrebungen zur stärkeren Einbeziehung von Frauen in den öffentlichen Dienst stoßen allerdings auch auf Grenzen. Da nur eine differenzierte Beurteilung in aller Regel auch die Gewähr für zutreffende Bewertung bietet, darf die Personalauslese in ihrer Struktur nicht so weit vereinfacht werden, daß sie zutreffende Ergebnisse nicht mehr erbringen kann. Das Leistungsprinzip wäre als leitender Grundsatz aufgegeben, wenn die Personalauswahl Leistungsunterschiede nicht mehr hinreichend deutlich werden ließe 123 ; ein Absinken des Leistungsniveaus im öffentlichen Dienst darf nicht die Folge normativ präzisierter Auswahlrnaßstäbe sein. So muß insbesondere der Vorschlag verworfen werden, die Wertung des Art. 3 Abs. 2 GG unmittelbar in die Eignungsüberlegungen im Rahmen der Personalauslese einfließen zu lassen: Eine bevorzugte Einstellung von Frauen läßt sich nicht mit dem Argument begründen, Frauen seien allein aufgrund ihres Geschlechts "geeigneter" als Männer, den verfassungsmäßig erwünschten Zustand der Gleichstellung herzustellen124 , denn die "Eignung" zur Herstellung eines Gleichgewichts zwischen Frauen und Männern im öffentlichen Dienst steht in keiner Beziehung zur - stets auf einen konkreten Dienstposten bezogenen - Qualifikation im Sinne des Leistungsprinzips. Schließlich sollte nicht unterschätzt werden, daß mit einer schwächeren Gewichtung der charakterbezogenen Aspekte im Rahmen der Eignungsprüfung die Bedeutung, die diese Merkmale für das Personal der öffentlichen Verwaltung ohne jeden Zweifel haben, nicht mehr in vollem Umfang gewürdigt werden kann. Doch muß nach allen bisherigen Erkenntnissen die Möglichkeit bestritten werden, sie in einem rechtsförmigen Verfahren festzustellen 125 , so daß die Wahl zwischen den beiden Alternativen besteht, entweder die Personalauslese auf charakterliche Merkmale zu erstrecken, bei ihrer Erfassung aber ein rechtsstaatlieh unbedenkliches Verfahren und Ergebnis 122 Zur Differenzierung zwischen Einstellung und Beförderung in diesem Sinne auch Feindt, Gleichberechtigung S. 80; a. A. wohl Zippelius, Bürokratie S. 222f. 123 Feindt, Gleichberechtigung S. 81. 124 Z. B. bei Rausch, Quotierungsforderung S. 581 m. w. N.; dies., Chancengleichheit S. 333. Dagegen Hanau, Quotierung S.44. Zu der Frage noch Wertheimer, Jobs S. 102ff. 125 Dazu noch sogleich bei b); der gleiche Ansatz bei Ebenrett, Anforderungsprofile S. 101.

11. Leistungsprinzip und gleicher Zugang zu öffentlichen Ämtern

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nicht gewährleisten zu können oder diesen Aspekt im Ausleseverfahren zunächst weitgehend zurückzustellen. Aus diesem Grunde sollten die Maßstäbe der Personal auslese so weit entdifferenziert126 werden, daß die bestehenden Möglichkeiten versteckter Unsachlichkeit reduziert werden. b) "Verrechtlichung" des Ausleseverfahrens Eine normative Präzisierung des Auswahlmaßstabs allein ist jedoch noch keine Garantie für eine geänderte Praxis der Personal verwaltung. Erst wenn auch ein transparentes, rechtsstaatlichen Anforderungen genügendes Auswahlverfahren gewährleistet ist, besteht die Chance, die Gleichstellung der Geschlechter im öffentlichen Dienst weiter zu fördern. Doch obwohl die Ausgestaltung des Auswahlverfahren eine wichtige, ja vorentscheidende Weichenstellung für die spätere Personalentscheidung bedeuten kann, ist das Verfahren weder bundes- noch landeseinheitlich detailliert ger~gelt127. Die insgesamt in dieser Frage wenig durchsichtige Rechtslage bildete bereits ein Thema der Reformkommission, doch sind bisher entscheidende Änderungen nicht zu verzeichnen 128 . Die geringe Normdichte verfahrenslenkender Regelungen im Personalwesen ist jedoch nicht darauf zurückzuführen, daß die Materie einer Normierung nicht zugänglich wäre; im Gegenteil dürfte jede sachgerechte Ausgestaltung des Verfahrens, d. h. jede Regelung, die ein faires, die Chancengleichheit wahrendes Vorgehen und ein am Leistungsprinzip orientiertes Ergebnis erwarten läßt 129 , zulässig sein. Damit sind gerade für die Ziele der Frauenförderung zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet 130 , und einige davon sind im geltenden Recht auch bereits verwirklicht:

126 Die Vorstellung, daß die Auswahl jeweils eines Besten möglich sei, hat sich als Fiktion erwiesen, so daß der Nutzen eines allzu hoch differenzierten Maßstabs ohnehin zweifelhaft ist; Feindt, Gleichberechtigung, S. 81; ders., Frauenförderung s. 144f.; Schütz, Beamtenrecht Rz 2 (S. 3) zu § 7; R.eimann, Auslese S. 244. 127 Schneider, Leistungsanreize S. 21. Es bestehen lediglich einige spezielle Regelungen, etwa über Ausschreibungspflichten (dazu Willke, Eignungstests S. 18 bei Anm. 9ff.; Schütz, Beamtenrecht Rz 1 zu § 7). Gemessen an den hohen Erwartungen, die Art. 33 Abs. 2 GG weckt, ist dies mangelhaft: Isensee, Zugang S. 35lf. 128 Klinkhardt, Beurteilung Vorwort, S. 68 Anm. 67 u. passim; Willke, Eignungstests S. 17ff. Dies ist um so erstaunlicher, als es bisher vor allem um das Verfahren bei Beförderungen ging, um einen Bereich also, in dem sich der Dienstherr in seiner Beurteilung immerhin auf die Grundlage stützen kann, die die Arbeit des Beamten bisher erbracht hat. 129 Stern, Staatsrecht I S. 346; Maunz / Dürig - Maunz Rz 20 zu Art. 33; Plag / Wiedaw / Beck, Rz 11 zu § 8; Willke, Rechtsschutz S. 441 m. w. N. Anm. 19; Degen, Landesbericht S. 158; das BAG spricht ohne Differenzierung von einem "fehlerfreien" Verfahren, NJW 1981, 71 und 73. 130 Ebenso Dt. Akademikerinnenbund, Tagungsberichte S. 70f.

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4. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst

Dazu zählt zunächst die Verpflichtung zu einer streng geschlechtsneutralen Ausschreibungspraxis 131 • Die damit angestrebte Ausweitung des Bewerberkreises liegt nicht nur im Interesse der Gruppe der Frauen, sondern dient unmittelbar dem Leistungsprinzip, weil sie es der öffentlichen Verwaltung ermöglicht, über eine große Anzahl qualifizierter Bewerber/innen verfügen zu können. Es ist daher folgerichtig, daß alle bisher in Kraft getretenen Verwaltungsvorschriften zur Frauenförderung hier konkretisierend ansetzen - freilich ohne Sanktionen für den Fall der Nichtbefolgung vorzusehen. Auch im weiteren Verlauf des Entscheidungsprozesses bieten sich Ansatzpunkte für Regelungen zur Frauenförderung. So können psychologische Testverfahren - soweit sie überhaupt zulässig sind 132 - so modifiziert werden, daß sie nicht lediglich "männlich" geprägte Werte und Leistungsvorstellungen reflektieren 133 ; eine tiefergehende Änderung der bisherigen Praxis würde die Einführung eines nach französischem Vorbild gestalteten "Concours"-Verfahrens zumindest für die Vergabe höherer Dienstposten mit sich bringen. Ein solches, fÜr einige Fälle beispielsweise im bayerischen Landesrecht verankertes 134 Verfahren bietet die Chance, ein höheres Maß an Objektivität und Leistungsorientierung durch Unterdrückung subjektiv geprägter geschlechtsspezifischer Auswahlkriterien zu erreichen. Daß die damit verbundene Zentralisierung und Anonymisierung der Entscheidungsvorgänge allerdirigs auch Gefahren mit sich bringt, soll freilich nicht verkannt werden 135 • Aussicht auf Erfolg haben auch Modifikationen des institutionellen Gefüges im Bereich der Personalführung. So bestimmen einige der geltenden Richtlinien zur Frauenförderung 136 , daß dort, wo Kollegialorgane über Personalfragen (mit-)entscheiden, sie nicht ausschließlich mit Männern besetzt sein sol131 § 611 b BGB. Vorarbeiten zur Bedeutung: Ermacora, Organisationsgewalt S. 12ff.; umfassend die Arbeit v. Hippel, Zugang. Konkretisierung in allen bisher verwirklichten Verwaltungsvorschriften zur Frauenförderung (Nachw. oben bei I 2). 132 Dazu Willke, Eignungstests S. 28ff. und 36ff., in einer Zusammenstellung der Anforderungen an Testverfahren und einiger Fehlerquellen. Vgl. noch Althoff / Brandtstätter, bes. S. 217ff., 233f. 133 Ein Beispiel bietet die Richtlinie von Bremen, Nr. 2: "Es ist sicherzustellen, daß Einstellungstests sowie Organisation und Ablauf der Einstellungslehrgänge keine Elemente enthalten, die auf anerzogene "typisch männliche" Verhaltensmuster ausgerichtet sind ... " 134 Kruis, Leistungsprinzip S. 560: im 19. Jahrhundert nach französischem Vorbild eingeführt; heute Art. 94 Abs. 2 bayer. LV; zum bayerischen Beispiel noch Zippelius, Bürokratie S. 223. 135 Zum Vergleich des Concours mit anderen Systemen Spiliotopoulos, Techniques S. 67ff. (69ff.) und die übrigen Beiträge des Colloquiums; zu den Vor- und Nachteilen auch Degen, Landesbericht S. 160ff. (167ff.); Zippelius, Bürokratie S. 223; Ermacora, Organisationsgewalt mit dem weiteren Hinweis auf die Civil Service Commission der USA S. 12ff. 136 Baden-Württemberg: Nr. 2.3; Niedersachsen: Nr. 2.3 und Nordrhein-Westfalen: Nr. 1.1. Klinkhardt, Beurteilungen S. 18 zu weiteren Beispielen für Kollegialentscheidungen im Personalbereich.

H. Leistungsprinzip und gleicher Zugang zu öffentlichen Ämtern

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len. Gleichfalls denkbar und in der Bremer Regelung ansatzweise verankert 137 ist die obligatorische Beteiligung von Frauenbeauftragten bei Personalentscheidungen - beschränkt auf Zweifelsfälle - sowie die weitergehende Möglichkeit, die Entscheidungen nicht nur Kollegialorganen, sondern grundsätzlich neutralen Kommissionen 138 zu übertragen. In diesem Zusammenhang gehört auch die Möglichkeit, eine Begründungspflicht bei ablehnender Entscheidung vorzusehen. Eine Verbesserung der verfahrensrechtlichen Stellung der Frauen ließe sich schließlich auch über die Erweiterung von - auch im Vorfeld einer Entscheidung in der Art der Konkurrentenklage wirkenden Rechtsschutzmöglichkeiten schaffen.

Die Aussicht, durch eine stärker als bisher ins Detail gehende Normierung der Personalauslese Wirkungen zugunsten einer Gleichstellung der Geschlechter erzielen zu können, gründet sich auf die Vermutung, daß eine einfache und transparente l39 Ausgestaltung der Vorschriften über die Entscheidungsfindung die Bewerbung von Frauen - insbesondere um Beförderungsämter - erleichtern könnte. Die Begrenzung der Entscheidungsgrundlage auf einige bestimmte, rechtlich fixierte Kriterien und die Notwendigkeit, ihre Anwendung zu begründen und das Ergebnis zu rechtfertigen, entspricht darüber hinaus einem vom Gedanken der Rechtsstaatlichkeit geprägten Verständnis der Personalauslese besser als die bisherige Praxis. Zu Recht trägt zwar die Verfassung der sachlichen Notwendigkeit Rechnung, bei Personalentscheidungen einen Spielraum zu adäquater Entscheidungsfindung zu öffnen. Doch darf der Bereich nicht oder nur eingeschränkt justiziabler Verwaltungsentscheidungen nicht beliebig ausgedehnt werden. Der Rechtsstaatsgedanke fordert vielmehr die Voraussehbarkeit von Verwaltungsentscheidungen und gebietet ein Verfahren, das einen Rahmen für rationale, gerechte Ergebnisse bietet 14O • Weder das Leistungsprinzip noch sachimmanente Besonderheiten des Personal wesens rechtfertigen eine Abweichung von diesem Gedanken. Denn gerade eine im Interesse der Leistungsfähigkeit der Verwaltung vorgenommene Personalauslese muß unsachliche Maßstäbe streng vermeiden und strebt eine gewisse Verrechtlichung des Verfahrens an 141 , und dies gilt erst recht im sensiblen grundrechtsrelevanten Bereich142 • Bremen: Nr. 9. Ermacora, Organisationsgewalt S. 12ff., der dies neben Stellenausschreibungen als die einzige Möglichkeit ansieht, den öffentlichen Dienst nach rein sachlichen Gesichtspunkten zu besetzen; dazu noch Achterberg, Leistungsprinzip S. 548; Lindgen, Grundsätze S. 171ff. zur BLaufbahnV; differenziert Riedmaier, Transparenz S. 270ff. zu Erfahrungen mit Gremienbesprechungen bei dienstlichen Beurteilungen. 139 Zum rechtlichen Grund für diese Forderung Isensee, Zugang S. 35l. 140 Reimann, Auslese S. 244; Kutscha, Beurteilungsspielraum S. 163f.; CCK Matthey Rz 16 zu Art. 33. 141 CCK - Matthey Rz 25a zu Art. 33; Jung, Zugang S. 38f., Tietgen, Zugang S. 326; Willke, Rechtsschutz S. 441f.; Reimann, Auslese S. 244. Eine "Verrechtlichung" des Verfahrens durch zusätzliche normative Vorgaben ist im übrigen nicht 137

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4. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst

111. Die Handlungsmöglichkeiten von Gesetzgeber und Verwaltung

Art. 33 Abs. 2 GG bildet den Maßstab für die Frage, ob eine Maßnahme zur Frauenförderung im öffentlichen Dienst ihrem Norminhalt nach verfassungsmäßig ist; für eine umgekehrte Diskriminierung unter der Voraussetzung "gleicher Eignung" kann dies nach den bisherigen Überlegungen angenommen werden. Offen ist hingegen noch die Frage der Regelungszuständigkeit, d. h. die Bemessung des Handlungsspielraums, der dem Gesetzgeber auf der einen, den Exekutivorganen auf der anderen Seite bei der Realisierung von Maßnahmen zur Frauenförderung zur Verfügung steht 142a • Alle bisherigen Maßnahmen zur Verbesserung der beruflichen Stellung von Frauen im öffentlichen Dienst sind in der Form von Richtlinien geschaffen worden; eine Ausnahme bildet allein - soweit man diese Vorschrift als Regelung zur gezielten Förderung von Frauen bezeichnen will- § 611 b BGB, der geschlechtsspezifische Stellenausschreibungen für den Regelfall untersagt. Im übrigen aber hat sich der Gesetzgeber in Bund und Ländern bisher, trotz zahlreicher Diskussionen in den Parlamenten zur Gleichberechtigung, in Form eines Gesetzes zu dieser Frage nicht geäußert, sondern das Feld vollständig der Exekutive überlassen 142b • Diese Zurückhaltung des Gesetzgebers ist jedoch angesichts der erheblichen rechtlichen und gesellschaftspolitischen Konsequenzen, die eine Politik der umgekehrten Diskriminierung mit sich bringt, nicht selbstverständlich. gleichbedeutend mit der Intensivierung der richterlichen Kontrolltätigkeit über die Entscheidungen der Exekutive, doch werden diese beiden Aspekte häufig nicht getrennt. Die Gestaltungsfreiheit der Verwaltung wird in aller Regel ohnehin nur als Problem der Gewaltenteilung im Verhältnis zur dritten Gewalt diskutiert: Vgl. Stüer, Gestaltungsraum S. 314ff.; Bullinger, Verwaltungsermessen s. 136ff.; Bachof, Beurteilungsspielraum S. 97. 142 Gerade dort, wo es um die Wahrung der Legalität von Prüfungsbeurteilungen und um die Gleichheit der Bewerber bei der Auswahl geht, sind die Anforderungen besonders streng: Lecheier, Personalgewalt S. 140. 142. Zur Frage der Regelungszuständigkeit zählt auch die in dieser Arbeit nicht behandelte Verteilung der Legislativkompetenzen im Bund-Länder-Gefüge; zu klären ist, ob die Landesgesetzgeber angesichts des § 7 BRRG noch zu eigenständiger Regelung befugt sind. Die Frage ist zu bejahen, da auch das BRRG in Übereinstimmung mit den Wertungen des Art. 3 Abs. 2 GG zu sehen ist und daher die dort niedergelegte Zielsetzung nicht ausschließen darf. Zu dem Problem mit unterschiedlichen Standpunkten Benda, Positive Aktionen S. 208ff.; Kempen, Gleichberechtigung S. 288f. 142b Diese gesetzgeberische Abstinenz scheint freilich mittlerweile einem zunehmenden Tätigkeitsdrang der Länderparlamente zu weichen. In Nordrhein-Westfalen hat die Landesregierung einen Gesetzentwurf für ein Frauenförderungsgesetz vorgelegt und zunächst Verbänden und Gewerkschaften zur Beratung zugleitet (abgedruckt bei Kempen, Gleichberechtigung S. 287f.); Gesetzentwürfe werden beraten in Hamburg (Ds 1311856, 13/2492, 13/2759, Prot. 13/28), Niedersachsen (freilich nur über die Bestellung kommunaler Gleichberechtigungsbeauftragten, Ds 11/1919, 11/3157, Prot. 11/42); in Bremen erörtert das Parlament eine Neufassung der bisherigen Rechtsgrundlage für die Frauenförderung (Ds 12/241, 12/286, Prot. 12/26).

III. Die Handlungsmöglichkeiten von Gesetzgeber und Verwaltung

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Eine Abgrenzung des Handlungsspielraums von Legislative und Exekutive ist unter zwei gegensätzlichen Aspekten erforderlich: Zu fragen ist einerseits, ob der Gesetzgeber die Einführung von Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung im öffentlichen Dienst überhaupt der Verwaltung überlassen durfte bzw. ob diese ohne eine gesetzgeberische Aufforderung tätig werden durfte: Die Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes führt hier möglicherweise zu dem Ergebnis, daß die Exekutive nicht dazu befugt war, die geltenden Regelungen zu erlassen (dazu sogleich 1.). Doch auf der anderen Seite mag die Tatsache, daß jede Frauenförderung im öffentlichen Dienst ihren Schwerpunkt im Bereich des Personalwesens hat, den Spielraum für ein Tätigwerden des Gesetzgebers gerade einschränken: Die Personalgewalt 143 der Exekutive beschreibt einen Kernbereich an Befugnissen der Verwaltung, auf den einzuwirken dem Gesetzgeber nicht unbegrenzt erlaubt ist und der möglicherweise auch die nähere Ausgestaltung eines Frauenförderungskonzepts durch gesetzgeberische Initiativen nicht zuläßt (dazu unten 2.). 1. Die Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes als Schranke ror Initiativen der Exekutive

a) Die Entscheidung für umgekehrte Diskriminierung als "wesentliche" Entscheidung Die Frage, ob die Einführung von Frauenförderungsmaßnahmen im öffentlichen Dienst durch die Exekutive ohne eine vorausgehende gesetzliche Ermächtigung überhaupt zulässig ist, hat bei der Ausarbeitung der geltenden Verwaltungsvorschriften offenbar keine Rolle gespielt, ihre Entstehung jedenfalls nicht gehindert. Auch in den wenigen begleitenden Äußerungen der Literatur ist sie zunächst nicht beachtet worden l44 . Wendet man sich nun dieser Frage zu, so bestehen kaum Zweifel daran, daß die Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes - wie sie in den neueren Entscheidungen des BVerfG Gestalt gewonnen hat 145 - das Ergebnis der Überlegungen zur Frauenförderung im öffentlichen Dienst modifizieren muß. Denn alle Gesichtspunkte, die zur Begründung dieser Lehre herangezogen werden können, sprechen auch im konkreten Fall der Frauenförderung dafür, die Entscheidung über die Einführung einer solchen Politik jedenfalls dann dem Gesetzgeber vorzubehalten, wenn sie zugleich eine Entscheidung für Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung bedeutet: 143 In der terminologischen Frage, ob Personalhoheit oder Personalgewalt als umfassender und zutreffender Begriff anzusehen ist, folge ich Lecheler, Personalgewalt S. 37ff., der sich mit guten Gründen für den letzteren Begriff ausspricht. 144 Erst Benda hat ihr breiten Raum gewidmet, Positive Aktionen S. 194ff. 145 Vor allem BVerfGE 40, 237 (248ff.), die allerdings bereits eine Entwicklung zusammenfaßt. Weitergeführt wird sie etwa in E 47, 46 (78ff.); 49, 89 (126ff.); 57, 295 (320f.); 58, 257 (268f.).

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4. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst

Umgekehrte Diskriminierung greift in die Rechtsstellung von Männern und Frauen ein und verändert sie zuungunsten der Männer. Sie bringt eine Umstellung des grundrechtlichen Gleichgewichts von Bewerbern um öffentliche Ämter mit sich und wirkt sich damit auf die Chancen zur Verwirklichung der Grundrechte von Frauen ebenso wie von Männern aus l46 . Sie ist selbst dann "grundrechtsrelevant" , wenn sie aufgrund einer eignungsabhängigen Förderungsvorschrift erfolgt, denn auch soweit Art. 33 Abs. 2 GG in diesem Falle nicht berührt wird, greift doch Art. 3 Abs. 2 GG ein und stellt den Grundrechtsbezug der Regelung her 147 . Abgesehen von der Grundrechtsrelevanz der umgekehrten Diskriminierung begründen auch die erheblichen gesellschaftspolitischen Konsequenzen, die eine solche Politik für das Verhältnis von Frauen und Männern mit sich bringt, die Notwendigkeit einer unmittelbar demokratisch legitimierten Grundlage 148 . Die Entscheidung für die Einführung der umgekehrten Diskriminierung im öffentlichen Dienst ist "wesentlich"149, weil sie in einem politisch höchst umstrittenen Problemfeld eine Weichenstellung vornimmt, die für das Verhältnis der Geschlechter in Staat und Gesellschaft prägend sein wird. Ihre Auswirkungen auf die politisch-soziale Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland könnten sich als irreversibel herausstellen, da sie über den engeren Bereich des öffentlichen Dienstes hinaus Signalwirkung auch für andere Bereiche des öffentlichen Lebens haben wird. Sie lenkt die praktische Entwicklung in eine Richtung, die in der öffentlichen Diskussion umstritten ist und kann deshalb nur in öffentlicher Diskussion - d. h. im Forum des Parlaments - getroffen werden 150 . Diesen Anforderungen genügt das Normsetzungsverfahren im Rahmen der Verwaltung nicht. Ohne die mittelbare demokratische Legitimation der Exekutive und die Tatsache, daß fast alle Richtlinien in den einschlägigen Amtsblättern veröffentlicht worden sind, zu unterschätzen, muß man doch berücksichtigen, daß das stärker formalisierte parlamentarische Verfahren ein weitaus höheres Maß an Publizität zur Folge hat, als dies die Rechtsetzung in der Verwaltung leisten kann. Die Publikation allein des in die Form einer 146 Die Grundrechtsrelevanz als ein Begründungselement für den Vorbehalt des Gesetzes geht auf den engen (klassischen) rechtsstaatlichen Eingriffsvorbehalt zurück und findet sich in der Rechtsprechung des BVerfG seit E 8,71 (76) durchgehend, dazu Rottmann, Vorbehalt S. 281 ff., 293ff. Krit. zur Erstreckung dieser Rechtsprechung auf Gleichheitsrechte Papier, Vorbehalt S. 43f. 147 Dazu oben I 3. 148 Zum demokratischen Begründungselement des Vorbehalts des Gesetzes (als Parlamentsvorbehalt) statt aller Stern, Staatsrecht I, S. 811 ff. 149 Dieser topos in der Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes ist umstritten (krit. etwa Ossenbühl. Vorbehalt S. 24ff. und Papier, Vorbehalt S. 41ff.), aber - faute de mieuxwohl noch unentbehrlich. 150 Die Notwendigkeit einer öffentlichen Diskussion betont auch Benda, Positive Aktionen S. 198.

III. Die Handlungsmöglichkeiten von Gesetzgeber und Verwaltung

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Richtlinie gegossenen Ergebnisses am Ende eines internen Entscheidungsprozesses reicht in der politisch umstrittenen und rechtlich problematischen Frage der Frauenförderung nicht aus; hier ist auch der Entscheidungsprozeß selbst von öffentlichem Interesse. Öffentlichkeit und Transparenz in diesem Sinne lassen sich jedoch nur im Rahmen einer kontroversen parlamentarischen Erörterung erreichen, die von einer kritischen Presse und der Meinungsbildung der Betroffenen begleitet werden kann. Die Entscheidung für eine Politik der umgekehrten Diskriminierung ist daher als "wesentliche" Grundentscheidung dem Vorbehaltsbereich der Legislative zuzuordnen. Eine solche Grundentscheidung aber hat der Gesetzgeber in Bund und Ländern bisher nicht getroffen. Auch die Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland zur Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women (Gesetz v. 25.4. 1985, BGBI. 11, 647) reicht, entgegen einer in der Rechtsprechung vorgetragenen Ansicht 150a , als Stellungnahme des Gesetzgebers im Sinne der Lehre vom Gesetzesvorbehalt aus zwei Gründen nicht aus: Zum einen beschränkt sich die Konvention darauf, die Vereinbarkeit von Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung mit dem Diskriminierungsverbot festzustellen, während sie gerade die Entscheidung darüber, ob solche Maßnahmen praktiziert werden sollen oder nicht, den Staaten selbst überläßt. Der deutsche Gesetzgeber hat mit seiner Zustimmung also lediglich zum Ausdruck gebracht, daß er eine Politik der umgekehrten Diskriminierung in den Mitgliedstaaten der Konvention nicht als völkerrechtswidrig rügen werde, nicht aber, daß er selbst sich dazu entschließen werde, von dieser Befugnis Gebrauch zu machen 150b • Der entscheidende Schritt zu einer solchen Politik im eigenen Land ist dies also nicht; das Zustimmungsgesetz stellt keine Wahrnehmung des der Legislative zukommenden Rechts der Initialzündung dar. Es wäre überdies, zum zweiten, höchst fraglich, ob der völkerrechtliche Zustimmungsakt des Bundesgesetzgebers eine ausreichende Grundlage für ein Tätigwerden der Länderexekutive im Bereich des öffentlichen Dienstes der Länder abgeben könnte: Zwar ist es den Ländern natürlich verwehrt, von den völkerrechtlichen Vorgaben abzuweichen, doch da die Konvention keine Pflicht zu umgekehrter Diskriminierung auferlegt, sondern nur die Befugnis dazu einräumt, können sich die Landesparlamente im Verhältnis zur Exekutive nicht auf die Bundeskompetenz für Auswärtiges zurückziehen - sie sind eben nicht aufgerufen, eine völkerrechtliche Verpflichtung umzusetzen, sondern dürfen (bzw., aus der Sicht der hier behandelten Fragestellung, müssen!) über die Ausnutzung einer ihnen übertragen Möglichkeit (selbst) entscheiden. Die gegenteilige Ansicht stellt eine Überdehnung der normativen Aussage der Art. 32 und 59 GG dar, die den Geboten der föderalen Gliederung der Bun150. 150b

VG Bremen, NJW 1988 S. 3224 (3227f.). Zur Auslegung der Konvention oben Kap. 2 I 5.

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4. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst

desrepublik Deutschland zuwiderläuft. Die konkrete Entscheidung darüber, ob in einem Bundesland eine Politik der umgekehrten Diskriminierung betrieben werden soll oder nicht, beibt auch aus diesem Grunde die Sache des jeweiligen Landesgesetzgebers. b) Die Reichweite des Parlamentsvorbehalts Aus den bisherigen Überlegungen ergibt sich jedoch nicht notwendig die Rechtswidrigkeit aller bestehenden Richtlinien zur Frauenförderung wegen fehlender Regelungszuständigkeit der Exekutive. Dies wäre nur dann anzunehmen, wenn nicht nur die Grundsatzentscheidung für umgekehrte Diskriminierung dem Gesetzgeber vorbehalten wäre, sondern auch die Detailregelungen zur Verwirklichung einer solchen Politik 151. Der Parlamentsvorbehalt führt jedoch nicht notwendig dazu, alle mit einer als wesentlich eingestuften Entscheidung zusammenhängenden Fragen bis ins Detail dem Regelungszugriff der Exekutive zu entziehen i52 ; seine Reichweite hängt vielmehr davon ab, wie intensiv die Grundrechtsberührung der in Frage stehenden Entscheidung ist und wie "wesentlich" sie für die Verwirklichung der Grundrechte und die Gestaltung der politisch-sozialen Wirklichkeit ist l53 . "Wesentlich" in diesem Sinne ist nicht jede Entscheidung für Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter, sondern allein die Entscheidung für die umgekehrte Diskriminierung als den Weg zu diesem Ziel, d. h. die Entscheidung, zur Verwirklichung der Gleichstellung die Rechtsgleichheit von Frauen und Männern zu modifizieren. Allein wegen dieser Entscheidung kann das politische Konzept der umgekehrten Diskriminierung nicht auf der Basis von Verwaltungsvorschriften initiiert werden. Auf dieser Grundlage kann hinsichtlich der bestehenden Richtlinien zur Frauenförderung differenziert werden. Sie sind nicht in vollem Umfang als Einbruch in die Prärogative des Gesetzgebers zu verwerfen, doch diesem ist mindestens - und stets - die Entscheidung vorbehalten, das Mittel der Rechtsungleichheit zur Verwirklichung einzusetzen: Soweit also die Richtlinien diese Entscheidung für eine Politik der umgekehrten Diskriminierung treffen oder die Praxis der Personalführung in diese Richtung lenken, ist der Zuständigkeitsbereich der Verwaltung überschritten, so daß die Richtlinien insoweit rechtswidrig sind. Doch dies ist nicht bei allen bestehenden Regelungen der 151 Unter dem Aspekt des Vorbehalts des Gesetzes sind alle diejenigen Vorschriften von vornherein unbedenklich, die die neutrale Ausgestaltung von Stellenausschreibungen anordnen, denn insoweit liegt mit § 611 b BGB eine Äußerung des (Bundes-) gesetzgebers vor. 152 Vorsichtig zur Reichweite des Parlamentsvorbehalts auch Stern, Staatsrecht I, S.812. 153 Hesse, Verfassungsrecht Rz 509.

III. Die Handlungsmöglichkeiten von Gesetzgeber und Verwaltung

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Fall; allerdings läßt sich wegen der häufig unklaren Formulierungen nicht immer ohne weiteres feststellen, ob eine Entscheidung für umgekehrte Diskriminierung getroffen worden ist oder nicht: - Allein die Vorschriften von Bremen, Hessen und Hamburg sind in dieser Hinsicht eindeutig. Sie ordnen, als Muß- bzw. Sollvorschrift, eine Bevorzugung von Frauen für den Fall an, daß der Frauenanteil in den definierten Vergleichsgruppen zu gering ist und verschaffen ihnen damit eine günstigere Rechtsposition als Männern i54 . - Soweit es um Vorschriften über Beförderungen geht, läßt sich dies auch für die Regelungen Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens sagen, denn auch hier wird dem Dienstherrn ein bestimmter Frauenanteil als Ziel vorgegeben, der zu erreichen bzw. anzustreben ist 155 . - Zweifelhaft sind hingegen diejenigen Vorschriften, die eine "deutlich stärkere" oder "bewußtere" bzw. "angemessene" Berücksichtigung von Frauen verlangen i56 : Diese Formulierungen sind allzu vage, so daß aus ihnen eine Hinwendung zu einer Politik der umgekehrten Diskriminierung nicht mehr deutlich wird. Sie stellen allenfalls einen aufgrund ihrer Unklarheit wenig konkreten Hinweis auf die Zielsetzung des Art. 3 Abs. 2 GG dar und machen diese zur Richtschnur für Personalentscheidungen ; einen Eingriff in die Grundrechtsposition von Männern oder Frauen enthalten sie hingegen nicht. Gleiches gilt auch für die Anweisung, bei Unterrepräsentation auf eine Erhöhung des Frauenanteils "hinzuwirken"157, denn auch hier bleibt offen, mit welchen Mitteln dies geschehen soll. Als Anordnung der umgekehrten Diskriminierung lassen sich die Regelungen der Richtlinien nur dann ansehen, wenn sie als das Mittel zur Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter die rechtliche Besserstellung von Frauen ("bevorzugen", "so berücksichtigen, daß ein Mindestanteil erreicht wird") deutlich machen. Soweit sich eine solche Auslegung nicht zweifelsfrei begründen läßt, wird man unklare Formulierungen rechtsnormerhaltend restriktiv auslegen müssen, so daß im Zweifel eine Entscheidung für umgekehrte Diskriminierung nicht angenommen werden kann. Nur die Verwaltungsvorschriften Bremens, Hamburgs, Hessens, Niedersachsens und des Landes Rheinland-Pfalz enthalten eine eindeutige Hinwendung zu einer Politik der umgekehrten Diskriminierung; insofern sind sie als 154 Bremen Nr. 9; Hamburg Nr. 8, 9; Hessen Nr. III 4. Die Formulierungen sind in Auszügen oben I 2. wiedergegeben. 155 Niedersachsen Nr. 2.1 Satz 2; Nordrhein- Westfalen Nr. 1.1 Satz 2 (bezogen auf die engere Auswahl der Bewerber) und 1.2 (Beförderung). 156 Baden-Württemberg Nr. 2.1, 2.2; Niedersachsen Nr. 2.1 Satz 1 (Einstellung), Rheinland-Pfalz Nr. 1.1: Bund Nr. 2 ("angemesen"); Saarland Nr. 2 ("bewußter"). 157 Bund Nr. 2 Satz 2.

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4. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst

rechtswidrig zu verwerfen. Es sind jedoch keine Gründe dafür ersichtlich, daß sich die Rechtswidrigkeit der genannten Regelungen jeweils auf die Richtlinien im ganzen, d. h. auch auf solche Vorschriften erstrecken sollte, die die Gleichstellung der Geschlechter gerade nicht mit Hilfe der umgekehrten Diskriminierung zu erreichen suchen: Auch wenn die Anordnung der umgekehrten Diskriminierung in diesen Texten als eine im Sinne des Parlamentsvorbehalts "wesentliche" Entscheidung anzusehen ist, so liegt doch der Schwerpunkt der Richtlinien nicht auf diesen Anordnungen, sondern auf den zahlreichen sozialpolitischen Vorschriften, die die Wirksamkeit der umgekehrten Diskriminierung unterstützen sollen, die selbst aber keine unterschiedliche Rechtspositionen für Frauen und Männer statuieren. Sie stehen sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht im Vordergrund i58 , denn sie sind erheblich präziser gefaßt und meist von höherem Verbindlichkeitsgrad als die wenigen Regelungen, die unmittelbar die Einstellungs- bzw. Beförderungsentscheidung betreffen. Sie dienen zur organisatorischen und verfahrensmäßigen 159 Ausgestaltung der Entscheidung für eine Politik der umgekehrten Diskriminierung, sind jedoch ihrerseits nicht ebenfalls als "wesentlich" einzustufen. Die Reichweite des Parlamentsvorbehalts ist demnach beschränkt: (Nur) die Entscheidung für eine Frauenförderung durch umgekehrte Diskriminierung muß einer "Initialzündung"l60 des Gesetzgebers überlassen bleiben. Die Normierung unterstützender und ergänzender Maßnahmen, die ihrerseits keine umgekehrte Diskriminierung darstellen, steht der Verwaltung dagegen frei. Soweit die Richtlinien solche Vorschriften enthalten, sind sie nicht zu beanstanden. In welchem Umfang andererseits auch der Gesetzgeber eine gesetzliche Normierung bis in diesen Bereich hinein vornehmen darf, soll nun untersucht werden. 2. Die Personalgewalt der öffentlichen Dienstherm als Schranke für Initiativen des Gesetzgebers

Der Entschluß, eine Politik der umgekehrten Diskriminierung zu betreiben, ist nach den bisherigen Überlegungen als Grundsatzentscheidung dem Gesetzgeber vorbehalten, ohne daß dies hieße, daß es der Exekutive nunmehr vollständig verwehrt wäre, Maßnahmen zur Frauenförderung zu ergreifen. Denn die Verantwortung für die Ausgestaltung des öffentlichen Dienstrechts liegt 158 Vorschriften über Ausschreibung, Teilzeitarbeit, Fortbildung, die Wiederaufnahme der Arbeit nach familienbedingter Abwesenheit sowie Berichtspflichten nehmen in allen bestehenden Texten einen breiten Raum ein. 159 Bei Vorschriften, die das Verwaltungsverfahren betreffen, neigt das BVerfG allgemein dazu, von einer Anwendung des Parlamentsvorbehalts abzusehen: BVerfGE 40,237 (250f.). 160 Maunz / Dürig - Herzog, Rz VI/55 zu Art. 20.

III. Die Handlungsmöglichkeiten von Gesetzgeber und Verwaltung

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nicht allein beim Gesetzgeber, sondern ist zwischen ihm und der Exekutive aufgeteilt. Der Gesetzgeber hat aufgrund seiner Regelungskompetenz einen gesetzlichen Rahmen für die Auslese und Führung des öffentlichen Personals zu schaffen, der dem öffentlichen Dienst die Erfüllung seiner Aufgaben ermöglichen soll; die Verwaltung konkretisiert diesen Rahmen und setzt ihn in die Praxis um. Damit kommt es für die Frage, ob es dem Gesetzgeber freisteht, in einem "Frauenförderungsgesetz" nicht nur die Grundsatzentscheidung für umgekehrte Diskriminierung zu treffen, sondern auch Mittel und Verfahren ihrer praktischen Umsetzung im Detail zu regeln, auf eine Abgrenzung der Kompetenzbereiche von Gesetzgeber und Verwaltung an. Eine Lösung des Problems ist aus dem Begriff der Personalgewalt abzuleiten: Die inhaltliche Tragweite des Begriffs ist bisher allerdings nicht befriedigend geklärt 161 • Im Grundgesetz wird er lediglich vorausgesetzt, nicht aber ausdrücklich erwähnt 162 , und dort wie auch in den Landesverfassungen 163 und im einfachen Gesetzesre~ht sind stets nur einzelne Elemente der Personalgewalt genannt l64 . Danach ist unter Personalgewalt die umfassende Befugnis zur Personalführung im öffentlichen Dienst zu verstehen, die jede Personalpolitik und -verwaltung umfaßt, soweit sie sich gezielt und konkret auf die Inhaber öffentlicher Ämter bezieht: Von der Personalplanung über die Besetzung der 161 Die Literatur hat sich meist auf das Kommunalrecht (etwa Brückner, Organisationsgewalt; Dressler, Organisations- und Personalhoheit; zur Kritik Lecheler, Personalgewalt S. 42ff., 62ff., 94f.) oder auf das Beamtenrecht konzentriert (Lecheler, Personalgewalt S. 40f.) und den Begriff dort entweder aus der Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung abgeleitet (vgl. BVerwGE 2, 329 (333) und Ipsen, Personalhoheit S. 225f.) oder auf beamtenrechtliche Rechtsbegriffe zurückgeführt (Dienstherrnfähigkeit und Beamtenernennungsrecht. Dazu Lecheler, Personalgewalt S. 53 ff.). Die Ansätze zu abstrakten Begriffsbestimmungen, die verfassungsrechtliche Wurzel des Begriffs betonen (vor allem Böckenföriie, Organisationsgewalt, und Lecheler, Personalgewalt), haben demgegenüber ]ceine umfassende Auseinandersetzung in Gang setzen können. Spanner, Organisationsgewalt S. 642, geht sogar davon aus, daß eine abstrakte Begriffsbestimmung nicht zu erreichen sei. 162 Art. 60 und 65 GG stellen lediglich eine Kompetenzzuweisung für einen Teilbereich der Personalgewalt dar, Thieme, Grenzen S. 429. Auch die Art. 30, 83 und 28 Abs. 2, ebenso wie die Art. 73 Nr. 8 und 74a sowie Art. 84 - 86 GG betreffen nur die föderaIe Kompetenzordnung bzw. die Verteilung von Zuständigkeiten auf Legislative und Exekutive. Lecheler, Personalgewalt S. 86ff. 163 Art. 51 LV BW; Art. 94 Abs. 1, 55 Nr. 4 Bayer, LV; Art. 61 VvB; Art. 118 Abs. 2 LV Bremen (mit Regelung zur Dienstgewalt); Art. 45 LV Rmbg; Art. 108 LV Res; Art. 29 Abs. 2, 3 LV Nds.; Art. 58 LV NW; Art. 102 LV RP; Art. 92 LV Sal; Art. 26 LV SR. Auch hier fehlen freilich abstrakte Festlegungen, auch wenn die Regelungen z. T. detaillierter sind; die aus der Eigenstaatlichkeit der Länder abgeleitete (BVerfGE 34, 9, 19f.) Personalgewalt wird in ähnlicher Weise wie im Grundgesetz im wesentlichen der Exekutivspitze zugeordnet und teilweise mit einem deutlichen Gesetzesvorbehalt versehen. 164 Es handelt sich im wesentlichen um das Beamten- und Personalvertretungsrecht, Nachweise bei Lecheler, Personalgewalt S. 46ff.; 92ff. Ein einheitlicher und verfassungsrechtlich geprägter Begriff der Personalgewalt ergibt sich auch hier freilich nicht, Lecheler, Personalgewalt S. 84f., 92ff.

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4. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst

Stellen bis hin zur begleitenden Verwaltung der Personalangelegenheiten beinhaltet sie alle Maßnahmen, die die Stellung der Amtsinhaber als Personen betreffen 165 ; ihren Kernbereich stellen die Auswahl der Bewerber, ihre Einstellung sowie Beförderung und Weiterbildung dar 166 , gerade diejenigen Maßnahmen der Personalführung also, die den inhaltlichen Schwerpunkt der bestehenden Richtlinien zur Frauenförderung bilden. Hingegen zählen solche Normativakte, die keine konkrete Personalentscheidung beinhalten oder vorbereiten, sondern unabhängig von einer auf einen Einzelfall bezogenen Entscheidungssituation sind, nicht mehr zum Bereich der Personalgewalt. Träger der Personalgewalt ist nicht die Legislative, sondern die Exekutive, und zwar ausschließlich diese 167 • Ihr ist die Personalgewalt als das "Hausgut" ihrer Befugnisse und wesentlicher Teil der Regierungsgewalt zugeordnet 168 • Diese recht abstrakten Überlegungen erlauben nicht viel mehr als die Feststellung, daß der Gesetzgeber die Personal gewalt der Exekutive durch normative Vorgaben nicht beliebig einengen darf1 69 . Damit nämlich würde der Verwaltung ein Bereich genommen, der für die Eigenverantwortlichkeit ihres Handeins wesentlich ist; ihre Qualität als eigenständige Staatsgewalt geriete in Zweifel l7o • Personalverwaltung ist stets auch Personalpolitik l7l und darf es sein, damit sich die Verwaltung die personelle Grundlage für eigenverantwortliches Handeln selbst schaffen kann; sie ist deshalb im Personalwesen auf einen substantiellen Spielraum für eigenständige Gestaltung angewiesen 172 • 165 Zur Abgrenzung: Maßnahmen, die die Inhaber öffentlicher Ämter lediglich allgemein "betreffen", zählen nicht zur Personalgewalt, Lecheier, Personalgewalt S. 109f. 166 Nicht str., z. B. Stern, Staatsrecht I S. 346; Maunz I Dürig - Herzog Rz V/107 zu Art. 20; BVerfGE 9, 268 (282); weitere Nachw. bei Lecheier, Personalgewalt S. 50,61, 110 - 115. 167 Maunz I Dürig - Herzog Rz V/107 zu Art. 20; Lecheier, Personalgewalt S. 169 u. passim. 168 Isensee, öffentlicher Dienst S. 1166; Jung, Zugang S. 146; Leisner, Mitbestimmung S. 85; Lecheier, Personalgewalt S. 142ff. m. w. N. 169 Für eine präzise Bestimmung des der Verwaltung vorbehaltenen Kernbereichs, d. h. die Suche nach den "wesentlichen" Elementen der Personalgewalt, fehlen jedoch einleuchtende Maßstäbe. Die Ergebnisse der im Kommunalrecht angesiedelten Uberlegungen sind auf die vorliegende Frage nicht übertragbar, weil ihr Ausgangspunkt stets der Wesensgehalt der Selbstverwaltungsgarantie ist, der auch die Grenze für die Einschränkung der Personalgewalt markieren soll (als Beispiel Dressler, Organisationsund Personalhoheit S. 67ff.; vgl.noch BVerfGE 7, 358 (364f.); 8, 333 (359); 17, 172 (182ff.), krit. dazu Lecheier, Personalgewalt S. 214f. m. w. N., 217ff.). Auf dieser Basis kommt man jedoch lediglich zu dem Schluß, daß Einschränkungen fast beliebig zu rechtfertigen sind. Selbst die Untersuchung von Lecheier führt in dieser Frage nicht weiter, sondern beschränkt sich auf einzelne, nicht systematisch ausgewählte Aspekte, etwa S. 224ff. 170 Das Argument der Gewaltenhemmung etwa bei Jung, Zugang S. 146f.; Lecheier, Personalgewalt S. 169; für die Länder: Schick, Grenzen S. 285. 171 Isensee, öffentlicher Dienst S. 1166: Schick, Grenzen S. 268; ähnlich BVerfGE 9, 268 (282). 172 Kutscha, Beurteilungsspielraum S. 163.

III. Die Handlungsmöglichkeiten von Gesetzgeber und Verwaltung

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Eine detailgenaue und überschneidungsfreie abstrakte Abgrenzung der Kompetenzbereiche von Legislative und Exekutive läßt sich hingegen im Bereich des Personal wesens nicht erreichen - zu eng greifen die Regelungs- und Ausführungsbefugnisse der Staatsgewalten hier ineinander. Als Grundsatz für die Abgrenzung der Zuständigkeiten in der Praxis ist von einer Vermutung gegen eine Eingriffs- und Regelungsbefugnis des Gesetzgebers und zugunsten der Exekutive auszugehen, die um so stärker wirkt, je näher eine geplante normative Maßnahme an den Bereich konkreter Einzelfallentscheidungen heranrückt. Ein Gesetz über Frauenförderung im öffentlichen Dienst muß diese - freilich nicht allzu intensive - Einschränkung berücksichtigen. Danach muß die Grundsatzentscheidung für eine Politik der umgekehrten Diskriminierung einer gesetzlichen Regelung vorbehalten bleiben, während der Gesetzgeber umgekehrt den öffentlichen Arbeitgebern die konkrete, einzelfallbezogene Personalentscheidung - Einstellung, Beförderung, dienstliche Beurteilung, Entscheidung über Weiterbildung usw. - nicht aus der Hand nehmen darf Im übrigen aber sind Legislative und Exekutive nebeneinander regelungs befugt: Solange und soweit der Gesetzgeber von seiner Zuständigkeit keinen Gebrauch macht, bleibt das Feld der Exekutive überlassen. Dies gilt insbesondere für eine normative Präzisierung des Leistungsprinzips durch die Festlegung abstrakter Maßstäbe für Personalentscheidungen. Gerade in diesem für eine Politik der Frauenförderung wesentlichen Bereich sind damit gesetzliche Regelungen ebenso möglich 173 wie eine Präzisierung in Form von Richtlinien. Ähnliches gilt auch für Maßnahmen, die den Bereich der Organisationsgewalt berühren - beispielsweise eine Dienstpostenbewertung 174 mit dem Ziel, die Anforderungen nicht allein im Blick auf "männlich" orientierte Maßstäbe zu formulieren, oder die Einsetzung einerls Frauenbeauftragten. Auch hier stehen Befugnisse von Gesetzgeber und Verwaltung nebeneinander175 , ohne daß 173 Die Ausübung der Personalgewalt kann an inhaltliche Kriterien gebunden werden: Jung, Zugang S. 148; zu den objektivrechtlichen Bindungen noch Isensee, Zugang S. 339ff. Einschränkend für das Verfahren der dienstlichen Beurteilung BVerfGE 9, 268 (283). Zur Abgrenzung von erlaubter Mitwirkung und unzulässiger Mitentscheidung im Personalwesen noch LecheIer, Personalgewalt S. 227 ff.; 235 ff. 174 Dienstpostenbewertung als zur Organisationsgewalt gehörend: Stern, Staatsrecht I S. 347; LecheIer, Personalgewalt S. 59, 139f. 175 Maunz / Dürig - Herzog Rz V/106 zu Art. 20; Isensee, Zugang S. 338; Brückner, Organisationsgewalt S. 24ff., 42ff. (55); Spanner, Organisationsgewalt S. 642; Hamann, Bindung S. 2ff.; Ermacora, Organisationsgewalt S. 219ff.; 225ff. Unrichtig oder mißverständlich Jung, Zugang S. 145; Willke, Rechtsschutz S. 441. Als Protagonist der Gegenansicht (Zuordnung an die Exekutive) gilt Böckenförde, Organisationsgewalt, doch ergibt sich aus dem Zusammenhang seiner Arbeit, daß seine Position nicht sehr weit von der hier vertretenen Ansicht entfernt ist. Er ordnet die Organisationsgewalt nur grundsätzlich der Exekutive zu (S. 78ff., 85ff.), betont aber auch, daß Zuordnungen dieser Art nicht starr seien (S. 85) und würdigt die Zugriffsrechte der Legislative ausführlich (S. 103ff., 107ff.). Von Bedeutung ist seine Ansicht, wenn es um die

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4. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im öffentlichen Dienst

freilich eine Vermutung zugunsten der Exekutive in gleicher Weise wie auf dem Feld der Personalgewalt bestünde 176 .

IV. Ergebnis Für eine Politik der umgekehrten Diskriminierung zur Frauenförderung im öffentlichen Dienst des Bundes und der Länder besteht ein weiter Spielraum, der von den bisher in Kraft getretenen Verwaltungsvorschriften nicht ausgeschöpft wird. Seine Grenzen ergeben sich in erster Linie aus dem verfassungsrechtlichen Leistungsprinzip; bedeutsam ist darüber hinaus eine Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche von Legislative auf der einen und Exekutive auf der anderen Seite. Als Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG unzulässig sind alle qualifikationsunabhängigen Fördermaßnahmen. Dazu zählen nicht nur solche Bestimmungen, die auf einen Eignungsvergleich der privilegierten mit nicht privilegierten Bewerbern vollständig verzichten, sondern auch Regelungen, die das Vorliegen einer "Mindestqualifikation" ("Basisqualifikation") genügen Jassen oder bereits bei "ungefähr gleicher Eignung" Frauen bevorzugen. Eine Frauenföroerung "bei gleicher Eignung" als eine besondere Form umgekehrter Diskriminierung ist dagegen zulässig, da sie den Anwendungsbereich des Leistungsprinzips nicht verkürzt, sondern erst in einer zweiten Stufe des Ausleseverfahrens zum Zuge kommt und damit einen Qualifikationsvergleich aller Bewerber voraussetzt. Will man solche Maßnahmen allerdings lediglich in den Rahmen stellen, den das Recht des öffentlichen Dienstes derzeit bietet, so werden sie nur wenig Wirkung zeigen, da sich eine "gleiche Eignung" mehrerer Bewerber nachprüfbar nur selten feststellen lassen wird. Zulässig sind auch solche Regelungen, die den mühsamen Weg über eine Konkretisierung und Modijizierung des Rechts der Personalauslese gehen, ohne dabei Frauen eine bessere Rechtsposition als Männern einzuräumen. In Frage kommt hier in erster Linie eine "Verrechtlichung" der Personalauslese mit dem Ziel größerer Transparenz - einerseits hinsichtlich des Ausleseverfahrens, andererseit durch eine Präzisierung der materiellen Entscheidungskriterien. Insbesondere die Schlüsselbegriffe "Leistung" und "Eignung" müssen erst definitorisch erschlossen werden, bevor sie den Anspruch einlösen könMöglichkeit eines Analogieschlusses oder um die Begründung von Zuständigkeitsvermutungen geht (S. 57ff.). 176 Maunz / Dürig - Herzog Rz V/I06 zu Art. 20; wohl auch Spanner, Organisationsgewalt S. 640ff.; an Art. 28 Abs. 2 GG ("im Rahmen der Gesetze") angelehnt z.B. BVerwGE 2, 329 (LS 3); Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften S. 26lf.; zu den Schranken gegen ein Einrücken des Gesetzgebers in organisationsrechtliche Kompetenzen der Exekutive Böckenförde, Organisationsgewalt S. 103ff., 107ff. und Ermacora, Organisationsgewalt S. 227f.

IV. Ergebnis

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nen, das Personalwesen im Sinne der verfassungsrechtlichen Zugangsgleichheit zu öffentlichen Ämtern zu steuern. Eine solche Konkretisierung des Leistungsprinzips ist im übrigen nicht nur zulässig, sondern sogar verfassungsrechtlich erwünscht, denn die Auslegung des Art. 33 Abs. 2 GG hat bisher weder die demokratische Funktion der Vorschrift ausreichend berücksichtigt noch zu Ergebnissen geführt, die ein rechtsstaatlich unbedenkliches Verfahren ermöglichen und gleichzeitig praktikabel sind. Eine Politik der Frauenförderung im öffentlichen Dienst muß jedoch nicht nur materiellrechtlichen Maßstäben genügen, sondern darüber hinaus auch die Zuständigkeitsverteilung zwischen Gesetzgeber und Verwaltung wahren. Die bisher geschaffenen Regelungen für die Verwaltung des Bundes und der Länder sind unter diesem Gesichtspunkt teilweise zu beanstanden und insoweit rechtswidrig: Denn allein dem Gesetzgeber ist die Entscheidung für eine Frauenförderung durch umgekehrte Diskriminierung vorbehalten - eine rechtliche Privilegierung der Frauen bedarf einer gesetzlichen Grundlage. Im übrigen aber sind Gesetzgeber und Verwaltung nebeneinander dazu befugt, das öffentliche Dienstrecht mit diesem Ziel umzugestalten: der Exekutive steht es insbesondere frei, im Rahmen der Personalführung und Arbeitsorganisation solche frauenfördernden Maßnahmen zu treffen, die nicht mit einer Durchbrechung der Rechtsgleichheit von Frauen und Männern verbunden sind.

5. Kapitel

Frauenförderung im politischen Bereich Umgekehrte Diskriminierung im Parteienrecht I. Umgekehrte Diskriminierung zur Frauenförderung im Prozeß der politischen Willensbildung

Obwohl die Forderung nach einer gleichgewichtigen Teilhabe von Frauen an der politischen Willensbildung in der historischen Frauenbewegung in Deutschand erst spät eine breite Anhängerschaft gefunden hat, waren mit der Einführung des aktiven und passiven Wahlrechts für Frauen gerade auf diesem Gebiet deutliche und schnelle Erfolge zu verzeichnen!. Doch trotz der veränderten Rechtslage ist die Präsenz von Frauen in der Politik eine Ausnahmeerscheinung geblieben, so daß die Frage bis heute an Aktualität nicht verloren hat. Nimmt man den zahlenmäßigen Anteil von Frauen in Parteien und Parlamenten als Indikator für ihre Chancen, in den politischen Prozeß gestaltend einzugreifen, so hat sich die Situation seit 1919 nur wenig verbessert; diese Feststellung gilt erst recht für das Verhältnis von Männern und Frauen bei der Besetzung von Regierungsämtern2 • Erst in neuester Zeit deuten sich zumindest für die parlamentarische Präsenz von Frauen - wohl nicht zuletzt unter dem Einfluß der mit zunehmender Intensität und gewachsenem Selbstbewußtsein geführten Debatte - Änderungen an: Während die Zahl weiblicher Abgeordneter in den deutschen Zentralparlamenten bis 1983 niemals nennenswert über 10% gelegen hat3 , obwohl sich die Wahlbeteiligung von Frauen seit langer Zeit nicht signifikant von der der Männer unterscheidet4 , stieg der Frauenanteil bei den Wahlen zum 11. Deutschen Bundestag im Jahre 1987 deutlich an und liegt nun bei 15,4%5. Zur historischen Entwicklung oben Kap. 1 I 1. Materialien zur Regierungsbeteiligung der Frauen in Bund, Ländern und Gemeinden in Deutscher Bundestag, Parlamentarierinnen S. 194ff., 209ff.; 220ff. 3 Nach 9,6% in der Nationalversammlung von 1919 (Ende der Legislaturperiode) fiel der Wert bis 1933 auf 0; im Parlamentarischen Rat betrug er 5,7 %, im Deutschen Bundestag zwischen 5,8 (1972) und 10,2 % (1953); Angaben in Deutscher Bundestag, Parlamentarierinnen S. 5f.; zu den Länderparlamenten ebda. S. 203ff. Im Europäischen Parlament dagegen lag der Anteil der Frauen in der Gruppe der Abgeordneten, aus der Bundesrepublik schon 1983 bei 14,8 %. 4 Die ausführlichste Analyse der Entwicklung seit 1919 findet sich bei Kohn, Women S. 135 - 185; daneben Strecker / Lenz, Weg S. 37; Hofmann-Göttig, Emanzipation S. 36ff., 80 u. passim. 1

2

I. Quotenregelungen im Prozeß der politischen Willensbildung

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Die folgenden Überlegungen werden sich jedoch nicht mit der Frage befassen, in welcher Weise eine Gleichstellung der Geschlechter in Parlamenten und Parlamentswahlen errreicht werden kann, sondern werden sich auf die politischen Parteien als einen der wichtigsten Faktoren im politischen Leben der Massendemokratie und Spiegel ihrer politischen Kultur konzentrieren6 • Auch hier zeigt die zahlenmäßige Beteiligung von Frauen ein deutliches Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern: Zwar ist der Mitgliederanteil der Frauen in den politischen Parteien der Bundesrepublik in unterschiedlichem Ausmaß angestiegen und liegt heute etwa zwischen 15 % und 35 %7 , doch hat sich die Partizipation der Frauen an den parteiinternen Führungsfunktionen nicht in gleicher Weise entwickelt und liegt meist noch erheblich unter ihrem Mitgliederanteil8 . Diesem Bild entspricht es, daß die "Frauenfrage" als Feld für programmatische Aussagen von den Parteien erst relativ spät entdeckt und lange Zeit hindurch ausschließlich als Problem der Familien- und Sozialpolitik behandelt worden ist9 . Moderne Strategien zur Verwirklichung der Gleichberechtigung bilden erst seit wenigen Jahren ein Thema, das von den politischen Parteien bewußt und in Erweiterung der traditionellen Zielgruppen ihrer Mitgliederwerbung behandelt wird. Die besondere Bedeutung einer stärkeren Beteiligung der Frauen am Prozeß der politischen Willensbildung hängt eng mit der Breitenwirkung zusammen, die eine erhöhte personelle Präsenz von Frauen in den politischen Parteien entfalten kann: die politischen Konsequenzen werden sich nicht auf das Vorfeld staatlicher Institutionalität beschränken, sondern im Laufe der Zeit . auch in die Entscheidungsfindung im staatlichen Bereich selbst, in Parlamenten und Regierungen, hineinwirken. Für eine auf dieses Ziel gerichtete Politik der umgekehrten Diskriminierung lO bieten sich zwei unterschiedliche Wege an. Möglich ist es zunächst, eine 5 t.\ufgeschlüsselt nach Fraktionen (z. Vgl. der Wert der 10. Legislaturperiode): Die GRUNEN 58,1 % (37%); SPD 16,1 % (10,4%); FDP 12,5% (8,6%); CDU/CSU 7,7% (6,6%). 6 Diesen Ansatzpunkt für Reformen betont auch Nohten, Wahlsystemreform S. 279, 281. In diesem Zusammenhang die Frauenanteile der Kandidaturen zu Bundestagswahlen (seit 1949, zwischen 8,9% und 25,4% für 1987) bei Hoecker, Frauen Tab. 22ff., S. 75ff. 7 Die GRÜNEN: 33%, FDP 23,6%, SPD: 25,3%, CDU: 22,3%, CSU: 13,9% (Werte schwankend, Stand 1985/87; der Frauenanteil bei Neuaufnahmen liegt meist höher). Ausführlich Hoecker, Frauen S. 40ff. 8 Mit Ausnahme der GRÜNEN gilt diese Feststellung für alle Parteien, Strecker 1 Lenz, Weg S. 37f.; BMJFFG, Frauen S. 47; Hoecker, Frauen S. 56ff. (ebd. S. 103ff. zu den Ergebnissen der empirischen Eliteforschung über die Gründe dieser Situation; dazu noch Ballhausen u. a., Engagement S. 59ff., 198ff.). 9 Dazu ein Überblick von 1848 bis heute bei Strecker 1 Lenz, Weg S. 43ff., 53ff.; Textauszüge seit 1949 in: Dt. Bundestag, Rolle der Frauen (Mat. 74,75). 10 Auch hier beschränke ich mich auf die Erörterung der umgekehrten Diskriminierung; den Versuch, durch umfangreiche Maßnahmenkataloge veränderte Lebensbedin-

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5. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im Parteienrecht

Erhöhung des Frauenanteils unter den Parteimitgliedern anzustreben. Es gibt jedoch bislang nur ein aktuelles ll Beispiel für eine solche Politik der umgekehrten Diskriminierung: Die Partei "Frauen ins Parlament" schließt in ihrer Satzung männliche Parteimitglieder vollständig aus, räumt also Frauen einen Mitglieder"anteil" von 100% ein l2 . Alle anderen Parteien beschränken sich darauf, Frauen in verstärktem Maße als neue Mitglieder anzusprechen, ohne dabei das Mittel der umgekehrten Diskriminierung einzusetzen 13 , ohne also auf die Werbung auch männlicher Neumitglieder zu verzichten. Um den Handlungsspielraum der Parteien auszuloten, soll die Frage einer "Mitgliederquote" dennoch kurz behandelt werden, denn es erscheint nicht ausgeschlos'sen, daß einzelne organisatorische Untergliederungen der "großen" Parteien im Falle anhaltender Disparitäten erwägen könnten, auch in ihrer Mitgliedschaft ein ausgewogenes Verhältnis von Männern und Frauen mit Hilfe von Quotenregelungen herzustellen. Praktisch bedeutsamer ist jedoch die Forderung, die Teilhabe der Frauen an der Führung und Verwaltung der politischen Parteien durch umgekehrte Diskriminierung (,,Ämterquoten") normativ zu steuern. In ihrer plakativen Deutlichkeit sollen Quotenregelungen hier Signalwirkung entfalten und der politischen Diskussion Impulse vermitteln; sie bieten darüber hinaus den Vorteil, klare Maßstäbe zu setzen, die eindeutige Erfolgskontrollen zulassen. Aus diesen Gründen bilden sie den Schwerpunkt der politischen Auseinandersetzung 14 und sollen daher auch im Mittelpunkt der folgenden Überlegungen stehen. Die Bemühungen der im Bundestag vertretenen Parteien 15 um die Gleichstellung von Männern und Frauen in der politischen Arbeit sind seit dem Jahre gungen als Voraussetzung für eine umfassende Beteiligung von Frauen an der politischen Macht zu schaffen (oben Kap. 1 I 4 als sozialpolitischer Ansatz bezeichnet), untersuche ich hingegen nicht. 11 Ähnliche Ansätze gab es bereits in der Weimarer Republik (Plan einer Frauenpartei und der Vorschlag reiner Frauenwahllisten, dazu Schenk, Herausforderung S. 60 m. w. N.) sowie erneut nach 1945 (Kuhn, Frauen Bd. 2 S. 34f., Dok. 23ff.) 12 Satzung v. 1.8.1981, § 2: "Mitglied kann jede Frau werden, die mit dem Programm der Partei einverstanden ist . . ." 13 Die auf Frauen zielende Mitgliederwerbung hat freilich teilweise bizarre Formen angenommen (vgl. SZ v. 31. 3.1987 zum Vorschlag eines "Frauenpreises" der bayerisehen SPD für erfolgreiche Werbung weiblicher Parteimitglieder). 14 Bei denjenigen Parteien, die eine Quotierung als rechtliches Instrument zur Frauenförderung ablehnen, steht natürlich der Versuch im Vordergrund, das Problem der Unterrepräsentation auf "sanftem" Wege (v.a. Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Parteimitglieder mit Familienpflichten) zu lösen. Als Bsp. Ziff. 11 4. des am 7.4.1987 vom Bundesvorstand beschlossenen "Frauen[örderplans" der F.D.P.: Die F.D.P. wird "Terminplanung und Ablauf von Parteiveranstaltungen (insbesondere von Parteitagen) familiengerecht gestalten". 15 Die folgende Untersuchung beschränkt sich im wesentlichen auf diese Parteien, doch soll ein Hinweis auf die beiden Parteien nicht fehlen, die sich aufgrund ihrer Satzung speziell mit der Situation der Frauen beschäftigen: "Frauen ins Parlament", "Frauenpartei (Frauen)".

I. Quotenregelungen im Prozeß der politischen Willensbildung

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1985 in eine Phase konkreter Vorschläge und intensiver Diskussion getreten. Eine Ausnahme bildet insofern allein die Christlich-Soziale Union, in deren Satzung sich bereits seit mehrerenjahren eine - freilich sehr vorsichtig gefaßte - Bestimmung befindet, die wenigstens ein Minimum an weiblicher Präsenz in Parteiorganen sichern SOll16. Die Freie Demokratische Partei und die Christlich Demokratische Union streben dagegen an, den Anteil der Frauen in allen innerparteilichen Ämtern so weit zu steigern, bis er etwa dem Mitgliederanteil der Frauen entspricht, d. h. bei 22 % (CDU) bzw. 25 % (F.D.P.) liegt. In keiner der beiden Parteien ist jedoch vorgesehen, dieses Ziel auch satzungsmäßig festzuschreiben; es bestehen lediglich als Selbstverpflichtung unterschiedlicher Intensität formulierte Zielvorgaben 17 . Konkreter und von größerer normativer "Härte" sind die Vorhaben und Regelungen in den beiden anderen "großen" Parteien. In der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands hat die Diskussion um die Einführung einer Ämterquotierung als verbindliche Satzungsänderung im Jahre 1988 einen ersten Abschluß gefunden: auf einen entsprechenden Auftrag des Parteitages von 1986 hin hat das Präsidium der Partei einen Vorschlag zur Satzungsänderung unterbreitet, der vom Parteitag 1988 im wesentlichen 17a angenommen worden ist. Beschlossen wurde eine Quotierung, die Männern und Frauen jeweils einen Mindestanteil von 40% aller Parteiämter sichert; dieser Wert muß in zwei Etappen bis 1994 erreicht werden (ab 1988: 33%, ab 1994: 40%)18; die 16 §§ 43 Abs. 2 der Satzung von 1984: "In alle Vorstände und in das Präsidium ist jeweils mindestens eine Frau zu wählen. Bei der Wahl von Vertretern in übergeordnete Organe und von Delegierten sollen Frauen gewählt werden, und zwar von je vier Vertretern bzw. Delegierten mindestens eine" (Hervorhebungen nicht im Original). Vgl. auch 23 Abs. 1 lit. b) der Satzung sowie die Forderung im Grundsatzprogramm der CSU von 1976, daß Frauen "entsprechend ihrer Leistung" am öffentlichen Leben einen stärkeren Anteil haben sollen; zu dieser Formulierung noch unten III 3 c). 17 Für die CDU Beschluß Nr. C 3 des 34. Bundesparteitags 7./8.10.1986 Mainz, Nr. 1: " ... Der Anteil der Frauen an Mandaten, Ämtern und Funktionen wird so gesteigert, daß er bis zum Beginn der 90er Jahre dem Anteil an der CDU-Mitgliedschaft in etwa entspricht." Nr. 2 "Die CDU verpflichtet sich, innerparteilich auf allen Organisationsstufen und in allen Gliederungen den Grundsatz der Gleichberechtigung durchzusetzen ... ". Für die F.D.P. Ziff. 1 des auf dem "F.D.P.-Frauenkongreß" am 6.9.1986 formulierten und am 7.4.1987 vom Parteivorstand beschlossenen "Frauenförderplanes"; "Es ist das Ziel der FDP, innerhalb der nächsten fünf Jahre in einem ersten Schritt den Anteil der Frauen in Entscheidungsfunktionen entsprechend ihrer Mitgliederzahl in der Partei (z. Z. 25 %) zu erhöhen". 17. Abweichend vom Vorschlag des Parteivorstandes wurde in der nunmehr geltenden Fassung des § 8 der Wahlordnung die Eigenständigkeit der Parteiuntergliederungen stärker betont. Sie können in der Frage des Wahlverfahrens von den Regelungen der Bundesebene abweichen. 18 Organisationsstatut der SPD, v. a. §§ 11 Abs. 1 Satz 2; 41 Abs. 9 S. 2, 4: "In den Funktionen und Mandaten der Partei müssen nach Maßgabe dieses Statuts und der Wahlordnung Frauen und Männer mindestens zu je 40% vertreten sein ... § 11 Abs. 1 Satz 2 - soweit Funktionen der Partei betroffen sind - und die 40% Mindestquote aus § 23 Abs. 1 und 2 (betr. Vorstand und Präsidium, U. Md.) gelten ab 1994; bis

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5. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im Parteienrecht

Quotierung erstreckt sich auch auf das Verfahren der Kandidatenaufstellung bei der Wahl zu den parlamentarischen Körperschaften 18a . Noch weiter gehen die bereits geltenden Bestimmungen zur Frauenförderung in der Satzung der Partei DIE GRÜNEN. Hier ist seit 1986 eine Beteiligung der Frauen an allen Funktionen zu mindestens 50 % zwingend angeordnet, und auch reine Frauenlisten bei Wahlen sind, darüber hinausgehend, nicht ausgeschlossen 19 . Die Realisierung der Gleichstellung auch "über die numerische Repräsentanz" hinaus soll schließlich durch Maßnahmen gefördert werden, die in einem neben der Satzung stehenden "Frauenstatut" verankert sind2o • Während alle im Bundestag vertretenen Parteien der Partizipation von Frauen am (partei-)politischen Leben wachsende Aufmerksamkeit schenken, hat der Gesetzgeber bisher nicht erkennen lassen, daß auch von seiner Seite Aktivitäten auf diesem Feld zu erwarten wären. Mag diese Zurückhaltung auch nicht überraschend sein, ist sie doch nicht selbstverständlich, denn Gesetzgeber und Parteien sind nebeneinander dazu berufen, die rechtliche Ordnung des Parteiwesens auszuformen. Es wäre also eine Initiative in Richtung auf eine Politik der umgekehrten Diskriminierung auch VOn der Seite des Gesetzgebers, als Änderung des PartG, denkbar. Die Handlungsmöglichkeiten, die sich der Legislative hier bieten, sollen daher in die Erörterungen einbezogen werden. Den rechtlichen Ausgangspunkt der Untersuchung bilden Art. 21 und Art. 3 Abs. 2 und 3 GG20a. Zu beantworten ist die Frage, ob sich die verfasdahin gelten sie mit der Maßgabe, daß Frauen und Männer mindestens zu je einem Drittel vertreten sein müssen . . . Die Mindestabsicherung von Männern und Frauen in Funktionen von Mandaten der Partei über den jeweiligen Mitgliederanteil hinaus endet am 31. Dezember 2013." Zur Änderung der Wahlordnung unten III 1 a). 18. Die Übergangsregelungen sind hier freilich großzüger: ab 1990: 25%; ab 1994: 33%; ab 1998: 40% (§ 41 Abs. 9 Satz 3 Organisationsstatut). 19 Vor allem § 7 Abs. 3 - 5 Satzung der GRÜNEN: "Alle Bundesorgane, -kommissionen und Bundesarbeitsgemeinschaften sind zu mindestens 50 % mit Frauen zu besetzen ... Wahllisten sind grundsätzlich alternierend mit Männern und Frauen zu besetzen. Allerdings sind reine Frauenlisten möglich. Weitere Maßnahmen zur Erreichung einer über die numerische Repräsentanz hinausreichenden Parität soll ein Frauenstatut regeln." Daneben noch §§ 8a Abs. 3; 9 Abs. 3. 20 Das Frauenstatut wurde auf der Bundesversammlung in Nürnberg, 26. bis 28.9.1986 verabschiedet. Es enthält u. a. Verfahrensvorschriften zum Ablauf innerparteilicher Diskussionen (Vetorecht der Frauen bei Fragen, die das Selbstbestimmungsrecht berühren) und Wahlen, um eine Quotierung bei der Einstellungspraxis der Partei als Arbeitgeberin oder um die Förderung der innerparteilichen Organisationsstrukturen der Frauen (Bundesfrauenkonferenzen). 20. Das Verhältnis von Art. 31 und 3 GG ist anders zu bestimmen als im Falle der Art. 33 Abs. 2 und 3 (dazu oben Kap. 4 I 3): Soweit die Stellung der Parteien zur Staatsgewalt betroffen ist, sind beide Vorschriften in vollem Umfang nebeneinander zu prüfen, denn ihr Regelungsgehalt überschneidet sich nicht und steht auch nicht in einer Beziehung der Spezialität zueinander (zur Erinnerung: Art. 3 Abs. 2 geht über Art. 33 Abs. 2 nur in seinem objektivrechtlichen Gehalt hinaus und steht daher nur insofern

II. Die Handlungsmöglichkeiten des Gesetzgebers

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sungsrechtliche Bewertung der umgekehrten Diskriminierung ändert, wenn eine solche Politik - die als Eingriff in das Konkurrenzverhältnis zwischen Frauen und Männern grundsätzlich gerechtfertigt werden kann -, durch eine gezielte Umgestaltung der sozialen Realität den Prozeß der politischen Willensbildung in der Parteiendemokratie im Sinne der Frauenförderung beeinflussen soll. Für diese Frage spielt die Unterscheidung, ob eine Regelung das Ergebnis innerparteilicher Satzungsgebung oder staatlicher Rechtssetzung ist, eine entscheidende Rolle: Der Gesetzgeber ist zwar lediglich an die Vorgaben der Verfassung gebunden und hat die Befugnis und den Auftrag, diese zu konkretisieren, doch setzt ihm die verfassungsrechtliche Parteifreiheit hier einen den Parteien vorbehaltenen Kernbestand autonomer Gestaltungsfreiheit entgegen, in den einzugreifen ihm verwehrt ist (dazu unten II.). Umgekehrt aber genießen auch die Parteien keine unbegrenzte Autonomie, sondern sind in der Ausgestaltung ihres innerparteilichen politischen Lebens den Regelungen der Verfassung unterworfen, die ihre praktischen Gestaltungsmöglichkeiten für eine Politik der Frauenförderung begrenzen (dazu unten III.). 11. Die Handlungsmöglichkeiten des Gesetzgebers

Den folgenden Überlegungen sei die These vorangestellt, daß die Unterrepräsentation von Frauen in den politischen Parteien ein Funktionsdefizit im Prozeß der politischen Willensbildung offenlegt: Solange partizipationswillige Frauen nicht in gleicher Weise wie Männer mit realen Erfolgsaussichten in den politischen Prozeß gestaltend eingreifen können, richtet sich damit gegen die Parteien der Vorwurf, sie erfüllten die ihnen von der Verfassung zugewiesenen Aufgaben nur unzureichend. Hier Abhilfe zu schaffen, mag in erster Linie Aufgabe der Parteien selbst sein, doch ist daneben auch an Eingriffs- und Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers zu denken. Denn Art. 21 GG, der die Entscheidung der Verfassung für eine Parteiendemokratie verkörpert21 , beschränkt sich darauf, einen weiten normativen Rahmen zu schaffen und überträgt im übrigen dem Gesetzgeber die Befugnis, "das Nähere" zu regeln; dies umfaßt auch die Möglichkeit, die innere Ordnung der Parteien zu konkretisieren 22 • Es soll daher die Frage neben ihm). Soweit jedoch Fragen parteiinterner Organisation betroffen sind, ist Art. 3 nicht unmittelbar anwendbar, sondern nur durch Vermittlung des Art. 21 Abs. 1 Satz 3 (dazu noch unten III 1 c». 21 Dieser Begriff ist aussagekräftiger als der (negativ besetzte) Ausdruck Parteienstaat", weil er hervorhebt, daß Art. 21 GG als Konkretisierung des Demokratieprinzips zu verstehen ist, GGK - v. Münch Rz 31 zu Art. 21; Knöpfte, Zugang S. 327; Köppler, Mitwirkung S. 139. 22 Harms, Gesetzgebungszuständigkeit S. 109 (113); Mühlen, Parteienunabhängigkeit S. 10f. GGK - v. Münch Rz 80 zu Art. 21 (Art. 21 Abs. 3 GG als Auftrag); zu Inhalt und Grenzen noch Kay, Ordnung S. 74ff.; Luthmann, Ordnung S. 44ff.

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5. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im Parteienrecht

untersucht werden, ob der Gesetzgeber de constitutione lata23 so weit gehen darf, die Parteien zu einer Politik der Frauenförderung durch umgekehrte Diskriminierung zu verpflichten, um so die politischen Parteien näher an ihren Auftrag heranzuführen. 1. Unterrepräsentation von Frauen in den politischen ParteieB

als demokratisches FunktionsderlZit

Mit Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG weicht das Grundgesetz - deutlicher als die geltenden Landesverfassungen24 - davon ab, den politischen Prozeß lediglich im Dualismus von Staatsvolk (als der Quelle der Staatsgewalt) und Staatsorganen (als dem Ort ihrer Ausübung) darzustellen25 und weist den politischen Parteien eine zentrale Stellung im demokratischen Prozeß zu. Der gegen die Parteien gerichtete Vorwurf, die Einheit des Gemeinwesens zu spalten und zu zerstören, ist damit der Erwartung gewichen, daß gerade sie die Voraussetzungen für die Integration divergierender Strömungen in den Prozeß der Willensbildung schaffen können26 • Der verpflichtende 27 Auftrag an die Parteien, "bei der politischen Willensbildung des Volkes" mitzuwirken28 , dient in erster Linie - wenn auch keineswegs ausschließlich 29 - der Vorbereitung der staat23 Die Möglichkeit einer Umgestaltung des Parteiwesens de constitutione ferenda soll nicht behandelt werden, da ein praktisches Interesse an dieser Frage nicht besteht. 24 Soweit die Landesverfassungen das Thema überhaupt behandeln, werden die Parteien meist nur negativ erwähnt (Verfassungen von Bayern, Art. 15, Nordrhein-Westfalen, Art. 32; Rheinland-Pfalz, Art. 133 Abs. 2; Saarland, Art. 8); neutraler Art. 27 Berlin sowie ausführlich Art. 118 bis 121 der Verfassung des Landes Baden von 1947. 25 Die besondere Bedeutung der Vorschrift betonen deshalb Leibholz, Volk und Partei S. 195; GGK - v. Münch Rz 1 zu Art. 21; BVerfGE 2, 1 (10); kritisch Hennis, Parteienstaat S. 34. 26 Wolfrum, Ordnung S. 51ff.; Tsatsos I Morlok, Parteienrecht S. 9f. Im Blick auf Art. 130 WRV ("Die Beamten sind Diener der Gesamtheit, nicht einer Partei") wird dieser Auffassungswandel besonders deutlich. Die weiten Pendelschläge der literarischen Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Parteiendemokratie lassen jedoch nach wie vor erhebliche Unsicherheit in der Bewertung der Entwicklung erkennen. Für die Zeit nach 1945 Maunz I Dürig - Maunz Rz Iff. zu Art. 21; VVDStRL 17 (1958, Referate Hesse, Kafka); 38. DJT Abt. C (1958, Referate Leibholz, Reif); sowie VVDStRL 44 (1985, Referate Stolleis, Schäfter, Rhinow); 56. DJT (1986, Podiumsdiskussion). 27 In diesem Sinne § 1 Abs. 1 PartG; Maly-Motta, Sicherung S. 1; Köppler, Mitwirkung S. 104; von der Heydte, Freiheit S. 469, 472f. 28 Zur Entfaltung dieses Auftrags Mühlen, Parteienunabhängigkeit S. 22ff.; Eiseie, Grundrechtsstellung S. 63ff.; Tsatsos I Morlok, Parteienrecht S. 18ff., 184ff.; Hesse, Verfassungsrecht Rz 169f., 151 sowie BVerfGE 1, 208 (225, 227); 2, 1 (73); 20, 56 (113); 24, 260 (264); 44,125 (145); 52, 63 (82f.); zu den Schwerpunkten der politologischen Diskussion Greven, Parteien S. 106ff. (120ff.). 29 Friesenhahn, Stellung S. 6ff.; Wolfrum, Ordnung § 3 IVff.; zu § 1 Abs. 2 PartG Mühlen, Parteienunabhängigkeit S. 17ff.; kritisch Groß, Parteienrecht S. 80f.; Hennis, Parteienstaat S. 36f.

11. Die Handlungsmöglichkeiten des Gesetzgebers

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lichen Wahlen. Auch über den Wahltag hinaus besteht die Funktion der Parteien darin, die im politischen Prozeß zur Entscheidung stehenden sachlichen und personellen Alternativen zu erarbeiten und ihre öffentliche Diskussion zu fördern, die politische Meinungsbildung "von unten nach oben"30 zu sichern und umgekehrt die Rückkopplung staatllcher Entscheidungen an die demokratische "Basis" zu ermöglichen31 . Die Parteien vermindern so die in der repräsentativen "Massendemokratie" notwendig große Distanz zwischen Regierungen und Regierten und erweitern die Handlungs- und Artikulationsmöglichkeiten des einzelnen; damit spielen sie eine wichtige Rolle für die Legitimation staatlicher Herrschaft, denn sie können als ein plebiszitäres Element im politischen Prozeß die (vorläufige) Absage der Verfassung an Formen unmittelbarer Demokratie in gewissem Umfang ausgleichen 32 . Die schwache Präsenz von Frauen in den politischen Parteien gibt vor diesem Hintergrund Anlaß zur Kritik. Denn demokratische Grundlage staatlicher Herrschaft kann der Prozeß der auf Parteien gestützten politischen Willensbildung nur sein, wenn er die Willensbildung des ganzen Volkes ermöglicht: Jeder Bürger muß die Gelegenheit haben, sich in diesen Prozeß einzuschalten und Einfluß auf die Inhalte der politischen Debatte zu gewinnen, und dabei müssen ihm alle Positionen in gleicher Weise wie den anderen Beteiligten offenstehen. Die Parteien verfehlen ihre Aufgabe, die Volkswillensbildung anzuregen und in einem Prozeß der Kompromißbildung in mehrheitsfähige Formulierungen umzubilden, wenn sie durch ihr Verhalten die Gefahr schaffen, daß Teile der Wählerschaft von vornherein aus diesem Prozeß ausgeschlossen bleiben. Sie müssen sich daher an die Gesamtheit der Staatsbürger wenden33 und Offenheit für alle Einflüsse bewahren, die an sie herangetragen werden 34 . Ebenso setzt auch umgekehrt die effektive Wahrnehmung eines umfassenden, thematisch nicht eingegrenzten Partizipationsinteresses die Mitarbeit gerade in den politischen Parteien voraus. Insbesondere im Wettbewerb um Parlamentsmandate haben Frauen als "isolierte" Kandidatinnen keine BVerfGE 20,56 (LS 2, S. 99) und Part. Komm. , Bericht S. 157. Greven, Parteien S. 127ff.; dazu BVerfG E 44, 125 (145); Maunz / Dürig-Maunz Rz 14 zu Art. 2l. 32 Auf diese Weise mag diese umstrittene Entscheidung gegen eine Verstärkung der Elemente unmittelbarer Demokratie leichter konsensfähig werden; Knöpfte, Zugang S. 331 m. w. N.; Tsatsos / Morlok, Parteienrecht S. 38ff.; Mühlen, Parteienunabhängigkeit S. 26; Trautmann, Demokratie S. 247 und Anm. 67. 33 In diese Richtung Hesse, Verfassungsrecht Rz 171 und Schuppert, Grundrechte S. 53lf. Die Notwendigkeit, die politische Partizipation von Frauen zu fördern, wurde bereits im Parlamentarischen Rat mehrfach betont, vor allem in der Wahlrechtsdebatte: Plenum, StenoProt der 8. Sitzung v. 24.2.1949 S. 125, 132ff. 34 Tsatsos, Opposition S. 1010: "Entwicklungsoffenheit"; Mühlen, Parteienunabhängigkeit S. 25; Kopp, Parteien S. 16lf., 165; Leibholz, Parteiengesetz S. 184; Friesenhahn, verfassungsrechtliche Stellung S. 268;. Hahn, Demokratie S. 29f. und durchgehend; Henke, Parteien S. 51,88 u. passim. 30

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5. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im Parteienrecht

nennenswerte Durchsetzungschance; die Vergabe der politischen Ämter liegt faktisch partiell in der Hand der Parteien35 . Diese haben ihren Charakter als enge Klassen-, Milieu- oder Weltanschauungsparteien verloren 36 , und sie haben sich im Zuge dieser Entwicklung - freigestellt von der Konkurrenz mit anderen in ähnlicher Weise privilegierten Beteiligten am politischen Prozeßeine oligopolistische Stellung aufgebaut, die nur noch schwer zu erschüttern ist37 • Damit sind sie über eine "Mitwirkung" an der politischen Willensbildung hinausgewachsen 38 und haben den Charakter von Herrschaftsverbänden angenommen - statt einer Vielzahl kleiner Weltanschauungsparteien beherrschen wenige Monopolträger das Bild. Gerade aufgrund der beherrschenden Stellung, die die Parteien einnehmen, begründet der niedrige Anteil der Frauen an Parteimitgliedschaft und -ämtern den Verdacht, daß es den Parteien bisher nicht gelungen ist, die Zielgruppe der Frauen - mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten und Wähler 39 - zu erreichen, und daß Frauen überdies in den Parteien reale Möglichkeiten zur Mitgestaltung des innerparteilichen Lebens nicht in gleichem Maße vorfinden wie Männer. Damit bleibt der verfassungsrechtliche Auftrag unerfüllt, die Vielfalt politischer Meinungen und Entwicklungen in den politischen Prozeß einzuführen, und dieses Defizit wächst in dem Maße, in dem Wählerinnen und weibliche Parteimitglieder mit zunehmendem Nachdruck den Anspruch erheben, ihre inhaltlichen und methodischen Vorstellungen in den Parteien an verantwortlicher Stelle zur Geltung zu bringen. Eine umfassende Teilhabe von Frauen an der politischen Willensbildung auf der Ebene der Parteien würde deshalb die demokratische Basis staatlicher Machtausübung stärken und es den Parteien erleichtern - oder überhaupt erst ermöglichen -, ihre Funktion im politischen Prozeß vollständig zu erfüllen.

35 Magiera, Rechtsanspruch S. 765f.; Lenz / Sasse, Parteiausschluß S. 233; Trautmann, Demokratie S. 197f. 36 Sie müssen daher auch widerstreitende Interessen "unter einem Dach" vereinigen können, AK - Preuß Rz 18 zu Art. 21; Tsatsos, Opposition S. 1026ff. (1029); Dux, Meinungsfreiheit S. 558; zum Typus der Volkspartei vor allem Trautmann, Demokratie S. 107ff. m. w. N.; Stolleis, Parteienstaatlichkeit S. 9f. m. w. N.; zur Entwicklung Rudzio, Demokratie S. 86ff. und 158; Hennis, Parteienstaat S. 39ff. 37 Tsatsos / Morlok, Parteienrecht S. 59; Trautmann, Demokratie S. 196; Knöpfte, Zugang S. 329; zur Unterstützung des Oligopols durch das geltende Wahlrecht MalyMotta, Sicherung S. 23ff. 38 Daß den Parteien kein (rechtliches) Monopol zusteht, ist oft genug betont worden, ändert aber an ihrer faktisch und rechtlich herausgehobenen Stellung nichts. Statt aller nur Magiera, Rechtsanspruch S. 766; Leibholz, Stellung S. C 16. 39 Im Jahre 1983: 52,8 % der Bevölkerung, 54 % der Wahlberechtigten, 53,1 % der Wähler (Zahlen bei Hofmann-Göttig, Emanzipation~. 11 und Stat. Jahrbuch 1987).

11. Die Handlungsmöglichkeiten des Gesetzgebers

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2. Die Parteifreiheit als Programmfreiheit Grenzen gesetzgeberischer Gestaltung im politischen Raum

Die verfassungsrechtliche Anerkennung des weiblichen Partizipationsanspruchs stellt jedoch noch keine Antwort auf die weitere Frage dar, ob es Sache des Gesetzgebers sein kann, das Parteiensystem durch eine Politik der umgekehrten Diskriminierung umzugestalten. Denn jeder Eingriff der Legislative stößt hier auf einen nicht einschränkbaren Kernbereich der Parteiautonomie als Ausdruck der durch Art. 21 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Parteifreiheit, und nicht jedes Mittel, das geeignet ist, die Gleichstellung der Geschlechter im politischen Leben herzustellen, kann vor diesem Maßstab bestehen 40 • Der Normtext spricht in Art. 21 Abs. 1 Satz 2 GG zwar nur von der Gründungsfreiheit der Parteien, doch besteht kein Zweifel daran, daß hier der strengen sprachlichen Ökonomie des Art. 21 GG gemäß pars pro toto eine umfassendere Gewährleistung ausgesprochen wird 41 • Sie findet in verschiedenen, aufeinander bezogenen Freiheitsgewährleistungen Ausdruck, deren Kern die Freiheit der inhaltlichen Zielsetzung (Programmfreiheit) der Parteien ist42 : Die Parteien sollen die Inhalte der politischen Diskussion und ihren eigenen Standort in dieser Diskussion unbeeinflußt von jeder staatlichen Einflußnahme bestimmen können; so gebietet es das Modell demokratischer Willensbildung als Meinungsbildung "von unten nach oben". Die Programmfreiheit endet allein an der Schranke des Art. 21 Abs. 2 GG; sie wird durch die institutionelle Garantie der Parteien abgestützt, die in Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift - "Die Parteien" - auf das Mehrparteiensystem ausgedehnt ist. Daneben stehen als individuelle Grundrechte das Recht auf Parteigründung, die Beitrittsfreiheit sowie die Satzungsautonomie und schließlich die (allgemeine) Betätigungsfreiheit für die Partei und ihre Mitglieder. Diese Rechte gewährleisten jedem Staatsbürger ebenso wie den Parteien selbst die Ausübung aller parteitypischen Betätigungen frei von staatlicher Intervention - die Staatsgewalt hat im Rahmen ihrer Gesetzgebungsbefugnis strikte Neutralität gegenüber der programmatischen Identität der Parteien zu wahren43 ; dies zwingt zu einer restriktiven Bestimmung des gesetzgeberischen Handlungsspielraums 44 • 40 Hamann / Lenz, Anm. B 10 zu 21; Rahus, Rechtsstellung S. 233f.; i. ü. noch Friesenhahn, Stellung S. 15; Forsthoff, Stellung S. 17. 41 Friesenhahn, verfassungsrechtliche Stellung S. 248; dazu und zum Folgenden AKPreuß, Rz 35 zu Art. 21 Abs. 1,3; GGK - v. Münch, Rz 37, 40f. zu Art. 21; Grimm, Grundrechte S. 335ff. 42 Grimm, Grundrechte S. 336; GGK - v. Münch Rz 40 zu Art. 21. 43 Dazu vor allem Seifert, Parteien § 57 (S. 413ff.) m. w. N. Die im Streit um die Parteienfinanzierung entwickelten Grundsätze können daher auf die vorliegend untersuchte Fragestellung übertragen werden. 44 Hesse, Verfassungsrecht Rz 166; Luthmann, Ordnung S. 48; differenzierend Dux, Meinungsfreiheit S. 553 u. passim.

13 Maidowski

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5. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im Parteienrecht

Andererseits schließt die Gewährleistung der Parteifreiheit regulierende Eingriffe des Gesetzgebers in das Parteiensystem nicht schlechthin aus45 . Aus dem Zusammenhang des Art. 21 Abs. 1 Satz 2 GG mit der Funktionszuweisung in Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift und mit Art. 20 Abs. 1 und Satz 1 GG46 wird vielmehr deutlich - die historische Auslegung unterstützt diese Annahme47 -, daß mit der verfassungsrechtlich verankerten Privilegierung der Parteien ein erhöhtes Maß an Verantwortung für die Ausgestaltung der demokratischen Willensbildung verbunden ist: Parteifreiheit ist gebundene, zielgerichtete Freiheit, die gewährleistet ist, damit die Parteien die ihnen in Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG aufgegebene Funktion erfüllen können 48 • Gleichzeitig aber markiert diese Funktionszuweisung auch die Grenze für jedes gesetzgeberische Tätigwerden in diesem Bereich; der Charakter der Parteifreiheit als "Pflichtrecht" läßt korrigierende staatliche Eingriffe zwar grundsätzlich ZU49 , 45 Die "klassische" Frage, ob die Parteien als gesellschaftliche Gebilde, Beliehene, Staatsorgane oder verfassungsrechtliche Institutionen in die staatliche Sphäre oder in den Bereich der Gesellschaft einzuordnen seien (EiseIe, Grundrechtsstellung S. 49 122), bietet bei der Bestimmung der Eingriffsmöglichkeiten allerdings keine Hilfe. Denn jede derartige Klassifizierung ist mit dem Zweifel daran belastet, ob und mit welchen theoretischen Konsequenzen eine Trennung von Staat und Gesellschaft überhaupt aufrecht zu erhalten ist (dazu auf die Parteien bezogen Lipphardt, Gleichheit S. 523 ff.; allgemein Böcken!örde, Gleichheitssatz und Hesse, Gleichheitssatz 1951), und gerade die Existenz der politischen Parteien ist ein Zeichen dafür, daß diese Dichotomie relativiert werden muß (so auch Tsatsos / Morlok, Parteienrecht S. 9, 24ff. (30); Stolleis, Parteienstaatlichkeit S. 11; Kopp, Parteien S. 157ff.). 46 Zur Bedeutung der systematischen Auslegung GGK - v. Münch Rz 1 zu Art. 21; AK - Preuß, Rz 13 zu Art. 21 Abs. 1,3; Magiera, Rechtsanspruch S. 765; Hesse, Verfassungsrecht Rz 169; Eisele, Grundrechtsstellung S. 64f.; Köppler, Mitwirkung S. 65. 47 Im ersten GG-Entwurf (Formulierung der Fachausschüsse, PR, Ds 203, Stand 18.10.1948) stand die Vorschrift zu den Parteien noch im Abschnitt über den Bundestag; in der Stellungnahme des Allgemeinen Redaktionsausschusses (Ds 279, 16.11. 1948) wurde sie in den Zusammenhang der Staatsstrukturnormen eingefügt, und erst für die 2. Lesung des HA (Ds 548, 20.1. 1949) wurde sie um das Gebiet innerparteilicher Demokratie ergänzt. 48 Es ist also nicht die Funktion der Parteien aus der Tatsache abzuleiten, daß sie als freie Vereinigungen geschützt werden, sondern umgekehrt ist die Reichweite des Freiheitsrechts vor dem Hintergrund der Funktionszuweisung zu bestimmen; Hesse, Verfassungsrecht Rz 166; EiseIe, Grundrechtsstellung S. 17; Part. Komm., Bericht S. 11lf. Zu weitgehend Luthmann, Ordnung S. 39, der die Inanspruchnahme der Freiheitsgewährleistung von der Funktionserfüllung abhängig macht - dies ist eine in Abs. 2 anders beantwortete Frage. Wie hier Grimm, Grundrechte S. 335. Auch Dux, Meinungsfreiheit S. 554 und Köppler, Mitwirkung S. 104ff. betonen die besondere Pflichtbindung der Parteien. 49 Das Eingriffsrecht des Gesetzgebers mag sich in besonderen Fällen sogar zu einer Eingriffspflicht verdichten, Luthmann, Ordnung S. 44ff.; Tsatsos / Morlok, Parteienrecht S. 55, die eine Pflicht annehmen, für effektive Partizipationsmöglichkeit zu sorgen; zurückhaltender Reif, Stellung S. C 42f.; gegen ihn aber v. Nathusius und Grzimek (Diskussionsbeiträge) 38. DJT 1950, S. C 52, 59; zu unpräzise etwa Köppler, Mitwirkung S. 129, der jede "Einflußnahme" durch den Staat rundweg ablehnt. Zur Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers bei der Frage, ob ein erhebliches Funktionsdefizit vorliegt oder nicht, Part. Komm., Bericht S. I11ff.

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doch sind die Parteien vor jeder Intervention geschützt, die die Erfüllung ihrer Aufgaben im demokratischen Prozeß behindern könnte 50 • Der Spielraum des Gesetzgebers, durch eine Änderung des Parteienrechts die Gleichstellung von Frauen und Männern in den politischen Parteien sicherzustellen, ist angesichts dieser Überlegungen beschränkt; eine Anweisung an die Parteien, dieses Ziel durch eine Politik der umgekehrten Diskriminierung zu verwirklichen, scheidet aus: Schon die Auswirkungen einer staatlich angeordneten Frauenförderung auf die Organisationsstruktur der Parteien geben hier Anlaß zu Bedenken, auch wenn gesetzgeberische Vorgaben für den organisatorischen Aufbau der Parteien grundsätzlich zulässig und im PartG auch vorgesehen sind. Denn die Parteifreiheit beinhaltet auch das Recht einer Partei, sich eine ihr angemessene parteitypische Organisationsstruktur zu geben, die der Abgrenzung gegenüber Konkurrenten dienen kann5!. Gesetzliche Vorgaben, die notwendigerweise alle Parteien gleichermaßen treffen, tragen hier die Gefahr in sich, den formalen Rahmen der innerparteilichen Demokratie auf ein einziges Modell festzulegen und den Parteien damit die Möglichkeit zu nehmen, sich auch in diesem Bereich voneinander zu unterscheiden. Allzu homogene Organisationsstrukturen aber entsprechen der Rolle der Parteien nicht, da sie keinen Raum für eine selbstverantwortete Satzungsgebung mehr lassen, die durch die Mehrheit der Parteimitglieder legitimiert und damit Ergebnis eines demokratischen Verfahrens ist. Jede gesetzgeberische Festlegung, die in die Richtung einer "Mustersatzung" führt, ist damit ausgeschlossen, weil sie den Parteien diesen Gestaltungsspielraum nicht beläßt52 • Diese Bedenken gelten in besonderer Weise für eine gesetzliche Verpflichtung zur Steigerung des Frauenanteils. Denn auch wenn eine solche Verpflichtung nicht zu einer vollständigen Vereinheitlichung der Organisationsstruktur führen muß, so betrifft sie doch besonders sensible Teilbereiche der inneren Parteiorganisation; gerade die Wahl von Parteifunktionären betrifft Fragen, die für die Ausgestaltung des politischen Lebens in jeder Partei in besonderer Weise prägend sind. Eine vom Gesetzgeber angeordnete innerparteiliche Frauenförderung wäre überdies in ihrer Wirkung nicht auf den Bereich der Parteiorganisation 50 Luthmann, Ordnung S. 48; Hesse, Stellung S. 28f.; Mühlen, Parteienunabhängigkeit S. 44; Aus diesem Grund wird der gesetzgeberische Spielraum häufig als sehr gering eingeschätzt, etwa von Groß, Parteienrecht S. 80; Hamann / Lenz Anm. B 10 zu Art. 21; Scheuner, Entwurf S. 88, 91 u. passim; Hesse, Verfassungsrecht Rz 166; Dux, Meinungsfreiheit S. 553. 51 Es bedarf daher einer besonderen Legitimation dafür, die Satzungsstruktur aller Parteien in einer Frage zu vereinheitlichen: Mühlen, Parteienunabhängigkeit S. 53 f.; Müller, Ordnung S. 100; Scheuner, Entwurf S. 9lf.; Hamann / Lenz Anm. BI, 2, 7, 8, 10 zu Art. 21; Friesenhahn, Stellung S. 15. 52 Zu den bereits Genannten noch Maunz / Dürig - Maunz Rz 56 zu Art. 21; Part. Komm., Bericht S. 165; ausführlich Woltrum, Ordnung § 5. Zu weitgehende Freiheit billigt Trautmann, Ordnung S. 170ff. (l71f.) dem Gesetzgeber zu. 13*

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5. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im Parteienrecht

beschränkt. Sie würde die Parteien vielmehr im Gewande einer Ordnungsvorschrift zu einer Organisationsstruktur zwingen, die auch das inhaltlichprogrammatische Profil der Parteien beeinflussen müßte. Jede gezielte Verstärkung des Frauenanteils in Parteien wird in der gegenwärtigen politischen Auseinandersetzung als inhaltliche Stellungnahme und damit gleichzeitig als programmatische Positionsbeschreibung verstanden. Organisatorische und programmatische Aspekte sind hier untrennbar verknüpft; damit aber wäre die Programmfreiheit der Parteien und die der Legislative aufgegebene Neutralität verletzt - dieser Verdacht liegt schon deshalb nahe, weil sich jede gesetzgeberische Modifikation des Parteienrechts als eine Entscheidung der Mehrheitsparteien über die Minderheitsparteien darstellt. Außerdem dürfte sich im Gefolge einer "frauenfreundlichen" Umgestaltung der Parteiorganisation schließlich auch eine Änderung der Parteiprogramme ergeben, denn die Anordnung von Frauenförderungsmaßnahmen in Parteien würde alle Parteien auf diesem höchst umstrittenen Feld dazu zwingen, ihre politisch-inhaltliche Aussage tendenziell zu vereinheitlichen. Die legitime Möglichkeit der Parteien, Sonderinteressen zu vertreten und einseitige Standpunkte vorzutragen was auch eine Politik einschließen kann, die sich gegen jede Frauenförderung wendet - wäre am Ende einer solchen Entwicklung eingeschränkt, wenn nicht verloren 53 • Auch wenn daher die Zielsetzung einer vom Gesetzgeber angeordneten Frauenförderung in Parteien zu billigen wäre und zu Recht die Pflichtbindung der Parteifreiheit betonen würde, so läßt sich der Gefahr einer weitgehenden programmatischen Einflußnahme durch einen solchen Eingriff in das Parteiensystem nicht wirksam begegnen. Der Gesetzgeber würde mit einer solchen Anordnung die ihm durch die Programmfreiheit der Parteien gebotene Zurückhaltung aufgeben und den ihm offenstehenden Spielraum überschreiten. Er hat daher keine Möglichkeit, die Unterrepräsentation der Frauen in den politischen Parteien durch eine Politik der umgekehrten Diskriminierung zu beseitigen. Er kann allenfalls im Rahmen der vagen Formulierungen des § 2 PartG die Pflichtbindung der Parteifreiheit ausdrücklich auf das Partizipationsrecht der Frauen hin konkretisieren; jede weitergehende Einwirkung auf die Parteien aber stellt in der derzeitigen politischen Lage eine unzulässige inhaltliche Einflußnahme dar. UI. Die Handlungsmöglichkeiten der Parteien

Modelle zur innerparteilichen Gleichstellung von Frauen und Männern werden in den politischen Parteien mit zunehmender Intensität und kontrovers diskutiert. Während die überwiegende Zahl der Partei ämter mit Männern 53 Aus diesem Grunde wendet sich Oebbecke, Quotierung S. 178, gegen eine gesetzgeberische Quotierung bei Wahlen.

III. Die Handlungsmöglichkeiten der Parteien

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besetzt ist, sehen sich die Frauen in der Position einer Minderheit, die in ihren Chancen bei innerparteilichen Wahlen überproportional eingeschränkt ist. Aus diesem Grunde steht die Forderung nach einer ausgeglicheneren Verteilung der parteiinternen Ämter und Funktionen auf Männer und Frauen im Mittelpunkt der aktuellen innerparteilichen Auseinandersetzungen (sogleich 1). Denkbar wäre es daneben auch, den Anteil der Frauen an der Parteimitgliedschaft gezielt zu steigern, um auf diesem Wege ihren innerparteilichen Einfluß mittelbar und langfristig zu erhöhen. Eine solche Politik müßte bei den Satzungsbestimmungen über den Parteizugang ansetzen und hier geschlechtsspezifische Regelungen einführen (unten 2). Im Anschluß an die Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit der umgekehrten Diskriminierung in politischen Parteien sollen einige besonders bedeutsame Einzelfragen zur Ausgestaltung von Frauenquoten angesprochen werden (unten 3). 1. "Ämterquotierung"

a) Die Ausgestaltungsmöglichkeiten

Die Forderung nach einer gleichmäßigen Berücksichtigung von Männern und Frauen bei der Besetzung der Parteiämter richtet sich umfassend auf alle Ämter und Mandate, die in einer Partei auf den unterschiedlichen Organisationsebenen54 sowie in allen Organen zu vergeben sind; als "Parteiamt" ist dabei jede von der einfachen Mitgliedschaft unterschiedene "Funktion" in einer Partei zu verstehen55 , während der engere Begriff des "Mandats" solche Positionen in den Repräsentationsorganen aller Gliederungsebenen bezeichnet, die von Delegierten eingenommen werden56 • Den wirkungsvollsten Ansatzpunkt für eine Politik der umgekehrten Diskriminierung in einer Partei, die umfassende Wirkung in allen Bereichen der Parteien zeigen soll, bietet das Wahlverfahren zu den Parteiämtern. Maßnahmen zur Frauenförderung können hier, bei aller Unterschiedlichkeit im einzelnen, als "Wahlvorschlagsquote" und als "Wahlentscheidungsquote" formuliert werden57 : 54 Die einschlägigen Regelungen: Abschnitt II Bundessatzung der F.D.P., Stand 8.1.1986; Abschnitt II Satzung der Bundespartei Die GRÜNEN Stand 8.3.1985; 3. Abschnitt der Satzung der CSU, Stand 22. 1. 1986; Abschnitt C des Statuts der CDU, Stand 1. 9.1987; §§ 8 - 10 Organisationsstatut der SPD, Stand 2.9.1988. 55 Als Beispiel § 11 Abs. 1 Satz 1 Organisationsstatut der SPD (unter der Überschrift "Parteiämter"): "Funktionär der Partei ist, wer von der zuständigen Parteikörperschaft für eine bestimmte Funktion gewählt worden ist." 56 Insbesondere also in den Parteitagen. Da Zahl und Bezeichnungen der Gliederungsebenen und Organisationsformen in den Parteien höchst verschieden sind, soll hier zur sprachlichen Vereinfachung stets, für Ämter und Mandate, die Bezeichnung des Partei amtes bzw. der Funktion verwendet werden. 57 Eine interessante Alternative findet sich noch in § 14 Abs. 3 Satz 2 Satzung der Bundespartei Die GRÜNEN: "Zur besseren Vertretung von Minderheiten kann dabei

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5. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im Parteienrecht

(1) Eine "Wahlvorschlagsquote" stellt den Versuch dar, schon im Vorfeld der Wahl auf ein im Sinne der Frauenförderung ausgeglichenes Ergebnis hinzuwirken, den Wahlakt selbst hingegen normativ nicht einzuengen. Die stärkere Präsenz von Frauen soll hier durch die Anordnung erreicht werden, daß schon bei der Formulierung der Wahlvorschläge eine bestimmte Mindestanzahl von Kandidatinnen aufgestellt werden muß58. Den wählenden Parteimitgliedern wird damit die Möglichkeit geboten, Frauen in Parteiämter zu wählen, ohne daß sie jedoch dazu verpflichtet wären, so daß sie nach ihrer freien Entscheidung alle in einem Wahlvorschlag genannten Frauen ignorieren können59 . Der praktische Nutzen einer solchen Regelung besteht darin, daß die Nominierungschancen von Frauen an die der Männer angeglichen werden können - eine Kandidatur von Frauen kann damit nicht ohne weiteres bereits im normativ wenig regulierten Vorfeld einer Wahl scheitern, sondern erst mit dem Wahlakt selbst. Auch die praktische Handhabung einer Wahlvorschlagsquote bereitet keine Schwierigkeiten. Sowohl bei der Wahl einzelner Funktionsträger (Einzelwahl) als auch bei Listenwahlen60 , d. h. bei der Besetzung mehrerer Parteiämter in einem Wahlgang, müssen Wahlvorschläge jeweils mehrere Kandidaten nennen; der Anteil weiblicher Kandidaten müßte mindestens den durch die Quotenregelung angeordneten Wert erreichen. (2) Eine "Wahlentscheidungsquote" setzt, über die Regulierung des Wahlvorschlagsrechts hinausgehend, ein deutlicheres Signal, stellt jedoch auch einen stärkeren Eingriff in' den Wahlvorgang dar, denn sie schreibt, als ergebnisorientierte Regelung, einen bestimmten Frauenanteil unter den Gewählten vor 61 • Die Quotierung nimmt hier auf den Wahlakt selbst Einfluß; die Wähler das Stimmrecht so geregelt werden, daß die Stimmzahl auf zwei Drittel der in einem Wahlgang zu wählenden Bewerber beschränkt wird; bei einem derartigen Wahlverfahren ist gewählt, wer die meisten Stimmen erhält." Damit reicht eine geringere Stimmenzahl zur Wahl aus, die auch von innerparteilichen Oppositions- oder Minderheitsgruppen aufgebracht werden kann. 58 § 7 Abs. 4 Satzung der GRÜNEN: "Wahllisten sind grundsätzlich alternierend mit Männern und Frauen zu besetzen." Ergänzend dazu bestimmt Ziff. 1 des Frauenstatuts, daß getrennt nach Männern und Frauen gewählt wird; daß Frauen als Mindestparität die ungeraden Listenplätze zur Verfügung stehen; daß der hintere Teil der Listen überproportional mit Frauen besetzt werden "soll". Bei der CDU, CSU und F.D.P. bestehen keine derartigen Regelungen. Für die SPD: "Der Personalvorschläge der Vorstände müssen Frauen und Männer mindestens zu je 40% berücksichtigen" (§ 3 Abs. 5 der Wahlordnung in der seit 1988 geltenden Neufassung). 59 Diese begrenzte Einflußnahme auf die Wähler kann freilich dadurch verstärkt werden, daß eine zusätzliche Anordnung die Erreichung eines Mindestanteils an weiblichen Funktionsträgern auch im Wahlergebnis vorschreibt, z.B. § 7 Abs. 3 Satzung der GRÜNEN. Dazu sogleich. 60 Zum Unterschied der beiden Wahlmodi vgl. z.B. §§ 5,7,8 Wahlordnung der SDP; § 43 Abs. 2,3 Statut der CDU. 61 Organisationsstatut der SPD, § 11 Abs. 1 Satz 2: "In den Funktionen und Mandaten der Partei müssen nach Maßgabe dieses Statuts und der Wahlordnung Frauen und Männer mindestens zu je 40% vertreten sein." Satzung der GRÜNEN, vor allem § 7

III. Die Handlungsmöglichkeiten der Parteien

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sind gehalten, in der Entscheidung die Geschlechtszugehörigkeit der Kandidaten zu berücksichtigen. Solche Wahlentscheidungsquoten fördern die stärkere Beteiligung von Frauen an den innerparteilichen Machtpositionen unmittelbar, da sie sich nicht mit der vagen Aussicht zufriedengeben, eine höhere Anzahl von zur Wahl stehenden Kandidatinnen werde sich auch im Wahlergebnis niederschlagen. Regelungen dieser Art sind allerdings nur im Rahmen von Listenwahlen sinnvoll, während es erhebliche praktische Schwierigkeiten bereiten dürfte, sie auch im Rahmen von Einzelwahlen verfahrensmäßig umzusetzen62 • Für die konkrete Ausgestaltung von "Ämterquotierungen" sind alle im Rahmen der umgekehrten Diskriminierung grundsätzlich denkbaren Formulierungsvarianten gegeben63 ; zusätzlich müssen jedoch drei Gesichtspunkte in die Überlegungen einbezogen werden: Zunächst mag es für die verfassungsrechtliche Bewertung von Bedeutung sein, ob eine Quotierung als vorübergehende Maßnahme formuliert ist, d. h. mit einer zeitlichen Begrenzung versehen in die Satzung aufgenommen wird, oder ob sie als Dauerregelung vorgesehen wird64 . Zum zweiten ist bei der Formulierung von Quotenregelungen in politischen Parteien auch der - für eine gewisse Übergangszeit durchaus wahrscheinliche - Fall zu bedenken, daß . bei einer Wahl zu einem Partei amt der angeordnete Frauenanteil nicht erreicht wird, weil sich für eine Kandidatur nicht genügend Frauen zur Verfügung stellen. Allein das Frauenstatut der GRÜNEN berücksichtigt diese MögAbs. 3: "Alle Parteiorgane, -kommissionen und -arbeitsgemeinschaften sind zu mindestens 50% mit Frauen zu besetzen". (Daneben finden sich zahlreiche Quotierungen, die als Aufforderung an untere [selbständige] Parteigliederungen formuliert sind, etwa § 8 Abs. 1 Satz 3: "Die Kreisverbände werden aufgefordert, bei den Delegierten die Parität [mindestens 50 % Frauen] zu wahren. ") Die früheste Regelung dieser Art findet sich in der Satzung der esu v. 23.11.1985, § 43 Abs. 2: "In alle Vorstände und in das Präsidium ist jeweils mindestens eine Frau zu wählen. Bei der Wahl von Vertretern in übergeordnete Organe und von Delegierten sollen Frauen gewählt werden, und zwar von je vier Vertretern bzw. Delegierten mindestens eine." 62 Bei herausgehobenen Parteifunktionen ist jedoch häufig die Vergabe aller einzelnen Positionen eines Kollegialgremiums durch eine Folge von Einzelwahlen vorgeschrieben, etwa § 43 Abs. la Satzung der esu; § 6 Wahlordnung der SPD; § 7 Geschäftsordnung zur Bundessatzung der F.D.P. Hier läßt sich eine Quotenregelung nur in die Praxis umsetzen, wenn schon im Vorfeld der Wahl der Bewerber/innen so aufgestellt werden, daß die Wahl einer ausreichenden Zahl weiblicher Funktionäre gesichert ist. Die Regelung in § 43 Abs. 1 a und Abs. 2 Satzung der es u bereitet nur deshalb keine Schwierigkeiten, weil der angeordnete Frauenanteil (Abs. 2) im Anwendungsbereich der Einzelwahlen (Abs. 1 a) niedrig ist; er schreibt die Wahl mindestens einer Frau vor. 63 Dies betrifft sowohl die Bindungsintensität (Wahl zwischen verbindlichen und unverbindlichen Regelungen) als auch die Bestimmung des zahlenmäßigen Wertes einer Quote; allgemein dazu oben Kap. 1 I 4; bezogen auf die Parteien oben I sowie unten III 3. 64 Auf diese Frage ist vor allem unten III 3 a) zurückzukommen.

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5. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im Parteienrecht

lichkeit und überträgt für diesen Fall die Entscheidung über das weitere Verfahren der Wahlversammlung65 • Vor allem aber muß, drittens, die Tatsache berücksichtigt werden, daß eine Wahlentscheidungsquote das Ergebnis einer im Regelfall geheimen Wahl beeinflussen soll. Ihre Ausgestaltung muß daher, soll sie praktische Wirksamkeit entfalten, sicherstellen, daß das gewünschte Ergebnis auch tatsächlich erzielt wird66 • Eine Regelung, die im Rahmen eines schlichten Mehrheitswahlrechts ohne verfahrenstechnische Absicherung lediglich einen bestimmten Frauenanteil für das Wahlergebnis (verbindlich) vorschreibt, hätte jedoch in der Praxis kaum mehr als den Charakter eines Appells; ihre Einhaltung hinge von der Einsicht der Beteiligten ab: Denn wenn die nominierten Frauen keine bzw. zu wenige Stimmen erhalten, wird die Quote verfehlt, ohne daß sich an diesem Ergebnis anders als durch eine Sanktionierung (Ungültigkeit der Wahl o. ä.) etwas ändern ließe. Eine solche Sanktionierung aber stellt einen besonders schweren Eingriff in das innerparteiliche Verfahrensrecht dar, der bei Vorliegen schonenderer Regelungsmöglichkeiten nicht zu rechtfertigen ist67 • Als "schonender" Ausweg aus diesem Dilemma bieten sich im wesentlichen zwei Regelungsmodelle an68 . Das erste sieht bei der Besetzung von Parteiämtern grundsätzlich zwei Wahlgänge vor: In einem ersten Wahlgang wird mit getretmten Listen an jedes Geschlecht diejenige Zahl an Funktionen vergeben, die als Mindestquote vorgeschrieben ist. Erst in einem zweiten Wahlgang werden die noch offenen Plätze besetzt69 , nun nicht mehr geschlechtsspezifisch beschränkt, sondern aus der Gesamtheit der noch zur Wahl stehenden Bewerber7o • Dieses Modell der partiell getrennten Wahl läßt sich, leicht variiert, auf jede Formulierung einer Quotenregelung anwenden71 • 65 In der Praxis werden die geltenden Frauenquoten (beispielsweise für Bundesdelegiertenkonferenzen) freilich noch nicht erreicht, so daß die Möglichkeit besteht, auf Antrag darüber abzustimmen, ob die Versammlung trotz Nichterfüllung der Quote beschlußfähig ist; nach Auskunft der Bundespartei hat sich bisher noch keine Versammlung für beschlußunfähig erklärt. 66 Ebenso Oebbecke, Quotierung S. 177. 67 Dazu unten III 3 b). 68 Mit dieser Differenzierung folge ich Ebsen, Quotenregelungen S. 41 ff., der auch weitere Varianten anspricht. 69 Etwas anderes gilt lediglich für eine paritätische Quotierung, die für Männer und Frauen einen starren Wert von je 50% der Plätze festsetzt: Hier genügt ein Wahlgang mit getrennten Listen. 70 Als Beispiel § 8 Abs. 1a Wahlordnung der SPD: "Bei Listenwahlen werden zunächst Frauen und Männer für je 40 % der zu besetzenden Parteiämter mit getrennten Listen gewählt; für die restlichen 20% der zu besetzenden Parteiämter werden Frauen und Männer mit einer gemeinsamen Liste gewählt." 71 Bei einer nicht geschlechtsneutralen Quotierung etwa ("mindestens 50 % der Plätze für Frauen", Regelungen in der Satzung der GRÜNEN), bei der mithin auch ein Wahlergebnis von 80% für Frauen nicht ausgeschlossen werden soll, wären im ersten Wahlgang nur 50% der Plätze aus einer reinen Frauenliste zu wählen; für den zweiten Wahl-

BI. Die Handlungsmöglichkeiten der Parteien

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Das zweite Modell hingegen sieht stets nur einen Wahlgang vor; erst in der Auswertung der ausgezählten Stimmen erfolgt dann die Anpassung an die Vorgabe der Quote (Modell der Vorabberücksichtigung): Gewählt ist vorab diejenige Anzahl an Kandidaten des unterrepräsentierten Geschlechts, die die vorgesehene Quote ausfüllen; erst für den darüber hinausreichenden Teil der zu vergebenden Plätze entscheidet - wie üblich - allein die Zahl der erreichten Stimmen. Im praktischen Ergebnis bringt dieses Modell daher möglicherweise eine "Korrektur" des Wahlergebnisses, wie es sich im Verfahren einer reinen Mehrheitswahl dargestellt hätte, mit sich72 . b) Die Problemstellung: Stimmrechtsgleichheit, Wahlentschließungsfreiheit und gleicher Zugang zu Parteiämtern

Maßnahmen, die auf die Besetzung von Parteiämtern Einfluß nehmen, gestalten Rechtsverhältnisse im Innern der Parteien und betreffen den Rechtsstatuts der Parteimitglieder als Wähler der Parteifunktionäre, aber auch ihre Chancen als Bewerber um innerparteiliche Ämter. Jede Quotenregelung berührt zunächst das aktive Wahlrecht der Parteimitglieder , denn sie modifiziert die Stimmrechtsgleichheit und die Wahlentschließungsfreiheit73 : Als Wahlvorschlagsregelung vermindert sie durch die geschlechtsspezifische Aufteilung der Wahllisten die Nominierungschancen der Männer und damit indirekt auch die DurchsetzungskraJt, d. h. das Stimmgewicht, derjenigen Parteimitglieder , die männliche Kandidaten vorschlagen und unterstützen. Umgekehrt steigt die Chance, mit einem Vorschlag durchzudringen, für jene Parteimitglieder, die die Kandidatur von Frauen unterstützen; ihre Vorschläge können erfolgreich sein, auch ohne eine "echte", nicht durch eine Quotierung beeinflußte Mehrheit zu haben. Auch eine Wahlergebnisquote beeinflußt das aktive Wahlrecht der Parteimitglieder: Die Wähler sind in ihrer Wahlentschließungsfreiheit, d. h. in dem Recht, unter allen zur Wahl stehenden Kandidaten frei von Zwang auswählen zu können74 , beeingang blieben dann die restlichen 50 % aus einer nicht geschlechtsspezifisch getrennten Liste zu besetzen. 72 Wenn etwa bei der Wahl von zehn Delegierten aufgrund der Quotierung vier Frauen gewählt werden müssen, sich jedoch unter den zehn Kandidaten mit der höchsten Stimmenzahl nur drei Frauen befinden, so muß derjenige männliche Bewerber mit dem (in der Gruppe der zehn) relativ schlechtesten Erge]:mis der ersten weiblichen Bewerberin weichen, die sich nicht mehr unter den ersten zehn Kandidaten befindet (die also eine geringere Anzahl an Stimmen auf sich vereinigt hat als er). Ergibt jedoch die Stimmenauszählung, daß sich unter den ersten zehn Kandidaten vier (oder mehr) Frauen befinden, so ist eine solche "Korrektur" nicht erforderlich, da die Quote erfüllt ist. 73 Dabei ist das Stimmrecht als übergeordneter Begriff zu verstehen, der Abstimmungen über inhaltliche Fragen ebenso umfaßt wie Wahlen als personelle Entscheidungen, dazu Hahn, Demokratie S. 61 ff. 74 Hahn, Demokratie S. 56: Entscheidung ohne rechtswidrigen Einfluß.

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5. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im Parteienrecht

trächtigt, denn sie sind gezwungen, bei ihrer Wahl die Geschlechtszugehörigkeit der Kandidaten zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist stets auch die Stimmrechtsgleichheit betroffen, denn der Erfolgswert der Wählerstimmen unterscheidet sich danach, ob sie für männliche oder weibliche Kandidaten abgegeben sind75 . Dies gilt sowohl für eine Wahl nach dem Modell der Vorabberücksichtigung als auch für eine Wahl in zwei Wahlgängen mit zunächst getrennten Listen; in diesem letzteren Falle vermag der zweite Wahlgang die Unterschiede im Erfolgswert der Stimmen lediglich partiell, nicht aber vollständig auszugleichen 76 • Die Parteimitglieder sind allerdings nicht nur in ihrer Rolle als Wähler der innerparteilichen Funktionsträger durch Frauenförderungsquoten betroffen, sondern auch dann, wenn sie als Bewerber um Parteiämter auftreten und sich dabei aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit durch Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung behindert bzw. gefördert sehen. In dieses Konkurrenzverhältnis zwischen männlichen und weiblichen Bewerbern - und danmit in das gleiche passive Wahlrecht aller Bewerber/innen - greifen Quotenregelungen nachhaltig ein: Schon die Chancen, für ein Parteiamt nominiert zu werden, bleiben nicht unberührt, denn die Chancen der männlichen Konkurrenten, aufgestellt zu werden, verschlechtern sich durch Wahlvorschlagsquoten im gleichen Ausmaß, in dem die Präsenz von Frauen gesteigert werden soll; auch von Wahlergebnisquoten dürfte zumindest indirekt ein erheblicher Druck zugunsten der verstärkten Nominierung weiblicher Kandidaten ausgehen. Wesentlich spürbarer ist der Eingriff in das passive Wahlrecht natürlich dort, wo eine Wahlergebnisquote den Wahlausgang unmittelbar beeinflußt, denn die Wählbarkeit männlicher Bewerber, d. h. das Recht auf gleichen Zugang zu den Parteiämtern, ist hier insoweit beschränkt, als der für Frauen vorgesehene Mindestanteil an Parteifunktionen noch nicht erreicht ist76a . 75 Der topos des Erfolgswertes hat als AusprägUng der allgemeinen Wahlgleichheit Bedeutung auch im System der Mehrheitswahl; anders etwa Hahn, Demokratie S. 55, 60; wie hier Ebsen, Quotenregelungen S. 27f.; Lipphardt, Gleichheit S. 105f. 76 Zu den beiden Modellen soeben a). Zu Unrecht geht Ebsen, Quotenregelungen S. 43f., davon aus, daß die beiden Modelle unter dem Aspekt der Erfolgswertgleichheit in ihrer rechtlichen Bewertung voneinander zu unterscheiden seien. Denn der erste (nach getrennten Listen durchgeführte) Wahlgang kann bei der Besetzung von 80 % der zu vergebenden Positionen bereits so starke Disparitäten erzeugt haben (etwa dann, wenn die Frau mit der innerhalb der Frauenliste höchsten Stimmenzahl noch unter dem Wert des relativ schlechtesten gewählten männlichen Kandidaten liegt - dann werden zahlreiche Wähler weiterer männlicher Kandidaten nicht mehr berücksichtigt, die ohne Quotierung mit ihrer Entscheidung zum Zuge gekommen wären), daß dies mit einem zweiten Wahlgang für nur noch 20% der Plätze nicht mehr vollständig ausgeglichen werden kann (Ebsen selbst schränkt aus diesem Grunde seine Aussage erheblich ein, a.a.O.). 76. Die Ansicht Langes, Frauenquoten S. 1178f., es handle sich hier um reines Organisationsrecht, das an Wahlrechtsgrundsätzen nicht zu messen sei, ist falsch: Gerade wenn mit Mitteln des Organisationsrechts Wahlergebnisse beeinflußt werden sollen was nicht schlechthin unzulässig ist -, bedarf es einer Prüfung unter den Gesichtspunk-

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c) Das Gebot innerparteilicher Demokratie: Umgekehrte Diskriminierung zur Frauenfärderung als Gefahr oder Chance?

Den verfassungsrechtlichen Maßstab für die rechtliche Bewertung von Quotenregelungen zur Förderung der Teilhabe von Frauen an innerparteilichen Funktionen bildet das Gebot innerparteilicher Demokratie in Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG. Die Anordnung, "demokratische Grundsätze" auch im inneren Aufbau der Parteien zu verwirklichen, beruht auf der Erkenntnis, daß die Funktionsfähigkeit der parteibetonten Demokratie nur dann gesichert ist, wenn eine freiheitliche Meinungsbildung auch innerhalb der Parteien selbst möglich ist; ein im Innern undemokratisches Parteiensystem ist als Grundstein für einen demokratischen politischen Prozeß auf staatlicher Ebene nicht denkbar77 • Auch und gerade das Vorfeld der staatlichen Willensbildung prägt den demokratischen Standard des Gemeinwesens, und eine freiheitliche Willensbildung ist nicht nur durch staatliche Einflußnahme bedroht, sondern ebenso durch oligarchische Tendenzen innerhalb der Parteien selbst. Art 21 Abs. 1 Satz 3 GG will dieser Gefahr begegnen78 • Dagegen ist das Gleichberechtigungsgebot des Art. 3 Abs. 2 GG nicht unmittelbar einschlägig: Nach ganz h. M. ist es als Grundrecht nicht auf das Verhältnis der Parteien zu ihren Mitgliedern anwendbar, da die Parteien nicht zu dem in Art. 1 Abs. 3 GG genannten Adressatenkreis zu zählen sind und zudem auch ihrerseits - ebenso wie ihre Mitglieder - durch die grundrechtliehe Gewährleistung der Parteifreiheit geschützt sind79 • Zu überlegen wäre daher allenfalls eine mittelbare Drittwirkung des Art. 3 Abs. 2 GG, doch für das Verhältnis der Parteien zu ihren Mitgliedern bedarf es einer näheren Untersuchung dieser Frage nicht 8o : Denn die Funktionszuweisung des Art. 21 Abs. 1 ten der Wahlgleichheit und -freiheit. Denn hier wird schon im Vorfeld der eigentlichen Wahl eine entscheidende Weichenstellung vorgenommen (schon der Hinweis Langes, die Quotierung habe aus den von ihm genannten Gründen ihren Platz im Organisationsstatut, geht an der Sache vorbei: Die SPD hat konsequenterweise sowohl Organisationsstatut als auch Wahlordnung geändert). 77 So schon Triepel, Staatsverfassung S. 25 f., der sich auf die Diskussion um die amerikanischen primaries stützt; Rabus, Rechtstellung S. 195 ff. (20H.) m. w. N. zurfrüheren Literatur; Hamann I Lenz Anm. B 6 zu Art. 21; Friesenhahn, Stellung S. 14; GGK - v. Münch Rz 43 zu Art. 21. Die Haltung von Küster, Diskussionsbeitrag 38. DJT, C 48ff. (kein Einwand gegen eine "noch so autoritäre Organisation", man sollte "einer Führerpartei nicht entgegenwirken") ist ein Einzelfall geblieben; insgesamt ist die Zurückhaltung der Norm gegenüber inzwischen aufgegeben, dazu Maly-Motta, Sicherung S. 2f. 78 Neben den Genannten zur Zielsetzung des Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG noch Kay, Ordnung S. 58ff.; Luthmann, Ordnung S. 39ff. 79 Statt aller Wal/rum, Ordnung S. 134ff.; Luthmann, Ordnung S. 97ff.; Hahn, Demokratie S. 44ff.; Henke, Parteien S. 85ff. 80 Tsatsos, Opposition S. 1017; Maly-Motta, Sicherung S. 58ff.; AK - Preuß Rz 40, 67 zu Art. 21 m. w.N.; ähnlich Hamann I Lenz Anm. B 6 zu Art. 21. Zu der Diskus-

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5. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im Parteienrecht

Satz 1 und, vor allem, das Gebot innerparteilicher Demokratie verpflichten die Parteien dazu, einen Mindestbestand an demokratischen Strukturen und Rechten zu achten, der jedenfalls auch den Grundsatz der Gleichheit aller Parteimitglieder beinhaltet81 . Damit bedarf es eines Rückgriffs auf Art. 3 Abs. 2 GG insoweit nicht, als aus dieser Vorschrift die Rechtsgleichheit von Frauen und Männern abgeleitet wird. Ob und in welchem Maße der über die Gewährleistung der rechtlichen Gleichstellung von Frauen und Männern hinausgehende objektive Gehalt des Art. 3 Abs. 2 GG für die Bewertung innerparteilicher Quotenregelungen eine Rolle spielt, wird allerdings zu überlegen sein. Eine Antwort auf die Frage, ob der mit einer innerparteilichen Frauenquotierung verbundene Eingriff in die Gleichheit des aktiven und passiven Wahlrechts und in die Wahlentschließungsfreiheit am Maßstab "demokratischer Grundsätze" (Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG) zu rechtfertigen ist, bereitet freilich einige Schwierigkeiten, denn der topos der innerparteilichen Demokratie bietet hier nur wenig konkrete Anhaltspunkte - sein Inhalt und seine Reichweite sind weitgehend unklar82 . Man wird immerhin davon ausgehen können, daß Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG nicht eine strikte Übertragung der für den Demokratiebegriff auf staatlicher Ebene entwickelten Grundsätze auf die innerparteilichen Strukturen gebietet, sondern nur einen Kernbestand an demokratischen Elementen für das innerparteiliche Leben verbindlich macht, soweit dies - und dies ist das entscheidende Kriterium - für die Funktion der Parteien im politischen Prozeß erforderlich ist (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG)83. Im übrigen haben die Parteien die Freiheit, die demokratische Ordnung ihren programmatischen, auch durch Tradition beeinflußten und für jede Partei unterschiedlichen Gegebenheiten anzupassen. Zu diesem Kernbestand an demokratischer Struktur zählt jedenfalls auch dies läßt sich als allgemeiner Konsens festhalten - der Grundsatz der Gleichsion noch Hahn, Demokratie S. 43ff. und Luthmann, Ordnung S. 97ff. Unrichtig allerdings Schmitt Glaeser, Abbau S. 41, der Art. 21 als lex specialis zu Art. 3 Abs. 2 GG ansieht. 81 Dazu sogleich. Ebenso auch Ebsen, Quotenregelungen S. 23. 82 Dazu etwa BVerfGE 2, 1 (40); Maunz I Dürig - Maunz Rz 58 zu Art. 21; GGKv. Münch Rz 45 zu Art. 21; Blank, Willensbildung S. 565; zu Recht lehnen Hamann I Lenz Anm. B 6 zu Art. 21 eine allzu restriktive Auslegung ab. Krit. Trautmann, Demokratie S. 170ff. 83 Vor allem Wolfrum, Ordnung §§ 3, 4 (ausdrücklich S. 64); und Trautmann, Demokratie S. 170ff. (S. 181 gegen die bloße Reduzierung des umfangreichen Katalogs "staatlicher" demokratischer Strukturelemente auf wenige besonders wichtige; ein Beispiel dafür: Seifert, Parteien S. 19lf.); Tsatsos, Opposition S. 1012; Kopp, Parteien S. 162f.; Knöpfte, Zugang S. 332. Zumindest ungenau Blank, Willensbildung S. 565 (Demokratiegebot des Art. 21 sei "sinn- und substanzgleich" mit den Formprinzipien des Staates"). Allzu pauschal auch Heinz, Organisation S. 188; auf ihrer undifferenzierten Übernahme aller Wahlrechtsgrundsätze in den innerparteilichen Raum beruht ihr Ergebnis, das schon aus diesem Grunde zweifelhaft ist.

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heit aller Parteimitglieder im aktiven wie im passiven Wahlrecht84 • Das Recht zu wählen und gewählt zu werden ist das für die innerparteiliche Willensbildung schlechthin konstitutive demokratische Basisrecht, und die Gleichheit aller Parteimitglieder muß gerade hier deutlich werden, wenn innerparteiliche Demokratie nicht nur leblose Theorie bleiben soll: Das aktive Wahlrecht als der Kern des Parteimitgliedschaftsrechts ermöglicht es jedem Mitglied, zumindest auf der Stufe von Delegiertenwahlen an den Entscheidungen über die personelle Repräsentation und die inhaltliche Richtung der Parteien mitzuwirken 85 . Nicht weniger wichtig ist auch das passive Wahlrecht, d. h. das Recht auf freien und für alle Parteimitglieder gleichen Zugang zu Parteiämtern. Es bildet nicht nur die Grundlage für das individuelle Partizipationsrecht des einzelnen Mitglieds, sondern ist für eine lebendige demokratische Struktur in einer Partei auch von allgemeiner Bedeutung86 . Dies ergibt sich nicht zuletzt aus dem besonderen Einfluß, den die Verwaltungs- und Führungskräfte sowie die Parteitagsdelegierten auf alle innerparteilichen Entscheidungen haben. Diese Schlüsselstellungen müssen daher jedem Parteimitglied gleichermaßen offenstehen; nur dann, wenn sie nicht lediglich innerhalb einer geschlossenen Führungsgruppe aufgeteilt werden, haben neue Ansichten und ihre Repräsentanten die Möglichkeit, an Einfluß zu gewinnen. Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG ist daher als Absage an jede Form der elitär strukturierten Kaderpartei zu verstehen, in der die "Meinungsbildung" nur "von oben nach unten" verläuft sobald sich die institutionelle Struktur einer Partei oligarchisch verfestigt, ist jenes Mindestmaß an innerer Offenheit nicht mehr gewährleistet, das für eine demokratische Entwicklung unverzichtbar ist87 •

Die besondere Problematik der Frauenförderung in politischen Parteien besteht nun darin, daß Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung innerparteiliche Demokratie verwirklichen sollen und sie zugleich gefährden88 : Einer84 Hahn, Demokratie S. 5lf. u. passim; Henke, Parteien S. 87f.; Blank, Willensbildung S. 566; Harms, Gesetzgebungszuständigkeit S. 116; BVerfGE 2, 1 (40); Kay, Ordnung S. 173ff. 85 Die Leitungsgremien der Parteien und Parteiprogramme werden in Abstimmungen und Wahlen bestimmt, vgl. § 21 Abs. 2 Satzung der CSU; §§ 14,29 Bundessatzung der F.D.P.; § 17 Satz 2 Satzung der GRÜNEN als Ausnahme (unmittelbares Entscheidungsrecht der Parteimitglieder); § 29 Statut der CDU; nur mittelbar ergibt sich das für die SPD aus § 15 Abs. 1 Satz 1 des Statuts. 86 Luthmann, Ordnung S. 105f.; Mühlen, Parteienunabhängigkeit S. 6Of.; Blank, Willensbildung S. 567. 87 Den Gesichtspunkt der Legitimität durch Offenheit betonen Hahn, Demokratie S. 31 ff.; Schröder, Kandidatenaufstellung S. 65; Leibholz, Parteiengesetz S. 184; Dux, Meinungsfreiheit S. 555; Trautmann, Demokratie S. 196f.; Kopp, Parteien S. 159f., 164; Knöpfte, Zugang S. 334f. 88 Es ist dies die Problemstruktur , wie sie auch im Rahmen der Überlegungen zu Art. 3 Abs. 2 GG behandelt worden ist; vgl. oben Kap. 311 2 und III 4. Die Gefährung des Demokratieprinzips ist für Heinz, Organisation S. 179ff. (187ff.), das entscheidende Argument für ihre Ablehnung innerparteilicher Quotierungen.

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5. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im Parteienrecht

seits ist eine ungeschmälerte und effektive Teilhabe jedes Parteimitglieds am innerparteilichen Leben für die Partei und ihre Mitglieder von gleichermaßen großer Bedeutung, und wenn sich Frauen an dieser Teilhabe gehindert sehen, so ist dies ein korrekturbedürftiges Defizit89 • Auf der anderen Seite aber gibt jeder Eingriff in die aktive und passive Wahlgleichheit als eine Durchbrechung der Rechtsgleichheit von Wählern und Kandidaten ebenfalls Anlaß zu Bedenken, denn es spricht viel dafür, die WahlgleiChheit auch in den Parteien als eine streng formal ausgestaltete Rechtsgleichheit aller Parteimitglieder zur Sicherung der innerparteilichen Willensbildung zu verstehen 90 • Gerade der demokratische Wahlakt kann nicht ohne weiteres zum Ansatzpunkt für die Verwirklichung "wahrer" (materieller) Gleichheit gemacht werden 91 , da Abweichungen vom Konzept formaler Gleichheit stets die Gefahr auch inhaltlicher Beeinflussung der demokratischen Meinungsbildung mit sich bringen. Eingriffe in die Wahlgleichheit, wie sie im Gefolge von Quotenregelungen zur Frauenförderung unvermeidlich sind, bedürfen aus diesen Gründen einer besonderen Rechtfertigung. Erste Anhaltspunkte für die Zulässigkeit einer innerparteilichen Fn~uenför­ derung ergeben sich aus der Auseinandersetzung mit dem Dogma der streng formalen Wahlgleichheit. Es fixiert die Überlegungen allzu einseitig auf die Rechtsstellung des einzelnen Parteimitglieds, ohne zu berücksichtigen, daß sich die Verwirklichung individueller Interessen auch innerhalb der Parteien im Rahmen innerparteilicher Gruppenbildungen vollzieht92 • Zur Realisierung einer partizipatorischen Demokratie reicht es daher nicht aus, die Betätigungsmöglichkeiten des einzelnen Parteimitglieds mit Hilfe des Grundsatzes der formalen Rechtsgleichheit zu sichern93 • Ebenso wichtig ist es, seine Einbindung in innerparteiliche "Fraktionen" zu berücksichtigen und deren Möglichkeit zu fördern, in der Partei mit eigenständigem Gewicht aufzutreten; nur so läßt sich der Gefahr einer vollständigen Majorisierung des einzelnen entgegenwirken, die jede pluralistische Lebendigkeit innerhalb der Partei zerstören würde. Alle Gruppen und Mitglieder der Partei müssen die gleiche Chance haben, zu Wort zu kommen und schließlich auch zur Mehrheit zu werden 94 • Zur Begründung schon oben 11 1. Hahn, Demokratie S. 5lf. u. passim; Blank, Willensbildung S. 566; zum Grundsatz der Wahlgleichheit im staatlichen Bereich, der hier im Hintergrund steht, vor allem Meyer, Wahlsystem S. 83ff., 126ff. 91 Ebenso auch Ebsen, Quotenregelungen S. 26ff. m. w. N. Zu oberflächlich dagegen Lange, Frauenquoten S. 1179. Sein Vergleich mit Sozialversicherungsträgem oder Universitätsgremien (als Beispiele für die Möglichkeit, den Gleichheitssatz im Wahlrecht aus sachlichen Gründen zu modifizieren) wird der besonderen verfassungsrechtlichen Stellung und Verantwortung der politischen Parteien nicht gerecht. 92 Dies gilt in besonderem Maße für Parteien, die nach ihrem Selbstverständnis für alle gesellschaftlichen Gruppen wählbar sind. Zur Bedeutung innerparteilicher Gruppenbildung in Volksparteien Trautmann, Demokratie S. 127ff. (13lf.). 93 Tsatsos, Opposition S. 1027f. 89

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III. Die Handlungsmöglichkeiten der Parteien

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In engem Zusammenhang mit diesem Argument relativiert der - gleichfalls zum Bestand "demokratischer Grundsätze" zählende - Gedanke des Minderheitenschutzes95 die Bedeutung der formalen Wahlgleichheit zusätzlich96 ; eine strikte Gleichheitsgarantie birgt hier sogar die Gefahr, daß die Mehrheitsgruppierung (der Männer) einen berechtigten Repräsentationsanspruch der Minderheit (der Frauen) auf Dauer blockiert und auf diese Weise undemokratisehe Strukturen erhält anstatt die Möglichkeit ihrer Revision zu bieten97 • Für das Verhältnis von Frauen und Männern in den "großen" Parteien kann die Sicherung des innerparteilichen Gleichgewichts durch die Gewährleistung formaler Gleichheit aus diesem Grunde erst dann sinnvoll werden, wenn eine Gleichgewichtssituation zwischen Frauen und Männern - d. h. die reale Möglichkeit auch der Frauen, im Verhältnis ihrer zahlenmäßigen Stärke an der Parteiführung mitzuwirken - hergestellt sein wird; dies zu erreichen ist das Ziel der umgekehrten Diskriminierung98 • Die Gewährleistung formaler Wahlgleichheit darf demgegenüber nicht als schlechthin unantastbar einer kritischen Prüfung entzogen werden. Sie ist dem Ziel der Wahlgerechtigkeit untergeordnet und dient dem verfassungsrechtlichen Gebot der Effektivierung der innerparteilichen Demokratie99 . Doch wenn rechtliche Gleichstellung der Wähler und Bewerber in der Wirklichkeit des politischen Lebens in den Parteien keine Entsprechung findet, erstarrt sie zu einer Status-quo-Garantie der innerparteilichen Machtverhältnisse 1oo . Für die Rechtfertigung innerparteilicher Quotierungen ist weiter der Gesichtspunkt von Bedeutung, daß eine Politik der Frauenförderung auf Satzungsebene von der Mehrheit der Parteimitglieder getragen sein muß. Sie setzt 94 Raschke, Demokratisierung S. 11; innerparteiliche Demokratie als Partizipationsausweitung; Tsatsos, Opposition S. 1027, 1031;AK - Preuß Rz 66 zu Art. 21 Abs. 1,3: Minderheiten müssen ihrer Stärke entsprechend vertreten sein. 95 Der Grundsatz des Minderheitenschutzes hängt eng mit der Bedeutung der innerparteilichen Fraktionsbildung als wichtigstes Partizipationsforum des einzelnen Parteimitglieds zusammen; dazu Trautmann, Demokratie S. 131ff. 96 Mühlen, Parteienunabhängigkeit S. 57; AK - Preuß Rz 65f. zu Art. 21 Abs. 1,3: Er geht sogar so weit, eine Vertretung von Minderheiten ihrer Stärke entsprechend zu fordern; Friesenhahn, verfassungsrechtliche Stellung S. 269; Seifert, Parteien S. 195. Zurückhaltender Henke, Parteien S. 69f. und 78 (kein Minderheitenschutz nötig wegen der Möglichkeit, eine eigene Partei zu gründen), sowie Maunz I Dürig - Maunz Rz 58 zu Art. 21. Dies nimmt die Diskussion um innerparteiliche Opposition auf, dazu insgesamt Tsatsos, Opposition. 97 Das Parteiengesetz selbst vereint die beiden hier angesprochenen Aspekte, wenn es in §§ 10 Abs. 2 Satz 1 und 15 Abs. 3 Satz 1 die Stimmrechtsgleichheit hervorhebt, gleichzeitig aber die Interessenwahrung von Minderheiten betont. 98 Zu dieser Problematik schon oben Kap. 3 III 2c). Freilich vermag der Gedanke des Minderheitenschutzes nur solche Quotenwerte zu rechtfertigen, die nicht höher sind als der Frauenanteil in einer Partei. Dazu unten III 3 a). 99 Trautmann, Demokratie S. 125. 100 Eine Differenzierung des Gleichheitsgrundsatzes unter diesem Aspekt hält auch Hahn, Demokratie S. 55, für zulässig.

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5. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im Parteienrecht

einen demokratischen Prozeß innerparteilicher Mehrheitsbildung voraus, an dem gerade diejenigen Parteimitglieder mit ausschlaggebender Mehrheit mitgewirkt haben müssen, die durch Quotenregelungen belastet werden 101 . Quotenregelungen sind damit als das demokratisch legitimierte Ergebnis der Eigenrechtssetzung durch die Parteien Ausdruck der verfassungsrechtlich gewährleisteten Satzungsautonomie; sie entstehen in Ausübung grundrechtlicher Freiheit, nicht unter Verstoß gegen sie 102 . Auch dies begründet die Vermutung, daß die Parteien in der Ausgestaltung ihrer inneren Strukturen nicht auf ein einziges Demokratiemodell beschränkt sind - dagegen spricht i. ü. auch die Diskussion um die Zulässigkeit der Blockwahl und der Besetzung von Parteiämtern ex officio 103 - , sondern einen Spielraum zur Konkretisierung parteiindividueller Demokratievorstellungen haben. In diesem Zusammenhang muß auch berücksichtigt werden, daß auf dem Stand der gegenwärtigen politischen Auseinandersetzung um die Frage der umgekehrten Diskriminierung in der Bundesrepublik Deutschland die Einführung einer innerparteilichen Frauenquote stets auch ein politisch-programmatisches Signal darstellt und damit Ausdruck der für die Funktion der Parteien essentiellen Programmfreiheit ist. Im gleichen Maße, in dem dieser Gesichtspunkt für die Unzulässigkeit einer staatlich angeordneten Frauenförderung in den Parteien verantwortlich ist 104 , streitet er umgekehrt für die Zulässigkeit einer solchen Politik, wenn sie auf dem Entschluß einer parteiinternen Mehrheit beruhtlOS. Die Programmfreiheit konkretisiert die Parteifreiheit inhaltlich, so wie die Satzungsautonomie sie als formale Gestaltungsfreiheit ausfüllt; sie muß den Parteien auch Raum für Experimente lassen - auch und gerade dort, wo die zur Wahl stehenden Problemlösungen politisch umstritten sind. \01 Dieses Argument entspricht in seiner Struktur der oben, Kap. 2 I 5., referierten Rechtfertigung der umgekehrten Diskriminierung im Entwicklungsvölkerrecht: Die rechtlichen Präferenzen für im Entwicklungsprozeß stehende Staaten stoßen auch dort u. a. deshalb nicht auf Bedenken, weil sie nur im Konsens mit den Industriestaaten als den durch die entstehende Rechtsungleichheit Belasteten Rechtswirklichkeit werden können. 102 Dies betont zu Recht Ebsen, Quotenregelungen S. 38. Zur Begründung des Arguments schon oben 11 2. 103 Die Zulässigkeit wird angenommen, obwohl die Blockwahl zu einer Durchsetzungsschwäche parteiinterner Minderheitsgruppierungen führt (ablehnend deshalb Hahn, Demokratie S. 58ff. und Trautmann, Demokratie S. 271; für die Zulässigkeit Wahlprüfungsgericht bei dem Abgeordnetenhaus von Berlin - WPG 4. und 5.71 -, DVBI. 1972, 862 und 867; dazu gegensätzlich Linck, Blockwahlsystem und Seifert, Wahlprüfung; diff. BGH DÖV 1974, 274). Auch die Sitzvergabe ex officio wird überwiegend bejaht, obwohl sie eine Einschränkung des Stimmgewichts "einfacher" Parteimitglieder mit sich bringt (dazu §§ 9 Abs. 2, 11 Abs. 2, 12 Abs. 2 PartG und Luthmann, Ordnung S. 79ff.). 104 Dazu oben 11 2. \05 Ebsen, Quotenregelungen S. 39, hebt das Recht der Parteien hervor, eine "für richtig gehaltene Aufteilung von Einflußpositionen (auf Frauen und Männer, U. Md.) exemplarisch ,vorzuleben"'. Ebenso Oebbecke, Quotierung S. 180.

III. Die Handlungsmöglichkeiten der Parteien

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Schließlich darf ein letzter Aspekt nicht übergangen werden: Mit einer Politik der Frauenförderung verfolgen die Parteien das Ziel, im innerparteilichen Raum eine effektive Startchancengleichheit von Frauen und Männern zu etablieren, um die fii:r den demokratischen politischen Prozeß zweifelhafte Realität geschlechtsspezifischer Auslese zu beseitigen. Dieses Ziel ist nun nicht lediglich eine von vielen möglichen und rechtlich gleichwertigen politischen Richtungsentscheidungen, sondern hat in der Verfassung selbst Ausdruck gefunden: Auch wenn Art. 3 Abs. 2 GG nicht so weit geht, sie als Verfassungsauftrag festzuschreiben, vermag die Vorschrift doch den mit Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung verbundenen Eingriff in das Konkurrenzverhältnis der Geschlechter zu rechtfertigen 106 • Darauf können sich auch die politischen Parteien zur Begründung interner Quotierungsregelungen stützen. Zwar ist Art. 3 Abs. 2 GG in seiner grundrechtlichen Dimension nicht auf das Verhältnis von Frauen und Männern innerhalb der politischen Parteien anwendbar, doch ist der objektive Gehalt der Vorschrift für die hier gestellte Frage nicht ohne Belang. Denn den durch umgekehrte Diskriminierung betroffenen Mitgliedschaftsrechten der Männer - als Ausdruck der Verfassungsentscheidung für die Wahlgleichheit - steht damit die - gleichfalls im Rang einer Verfassungsentscheidung stehende - positive Bewertung der sozialen Gleichstellung von Frauen und Männern gegenüber. Dies verleiht einem Modell innerparteilicher Demokratie zusätzliche Legitimation, das gerade diesen letzteren Aspekt hervorhebt, auch wenn es zu einer Abweichung von der streng formalen Wahlgleichheit führt. Das Konzept formaler Rechtsgleichheit im innerparteilichen Raum stellt angesichts dieser Überlegungen nicht die einzige Form demokratischer Ausgestaltung der Meinungsbildung in den Parteien dar; das Ziel, die effektive Teilhabe aller Partizipationswilligen zu verwirklichen, rechtfertigt es, daneben auch andere Modelle innerparteilicher Demokratie zu praktizieren. Es kommt allerdings auf die nähere Ausgestaltung der konkreten Maßnahmen an, ob und in welchem Maße hier noch verfassungsrechtliche Grenzen beachtet werden müssen; insbesondere wird die Frage zu beantworten sein, ob eine Politik der Frauenförderung in den Parteien nur dann als zulässig geduldet werden kann, wenn sie von vornherein mit einer zeitlichen Beschränkung versehen ist 106a •

Im einzelnen oben Kap. 3III. Die SPD hat, aufgrund der Empfehlung des Ebsen-Gutachtens, eine solche zeitliche Begrenzung in ihrem Organisationsstatut verankert, wenn auch beschränkt: "Die Mindestabsicherung von Männern und Frauen in Funktionen und Mandaten der Partei über den jeweiligen Mitgliederanteil hinaus endet am 31. Dezember 2013" (Hervorhebung nicht im Original, § 41 Abs. 9 Satz 3 des Organisationsstatuts). Die auf den Mitgliederanteil der Frauen bezogene Quotierung stellt demnach Dauerrecht dar. 106

106.

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5. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im Parteienrecht

2. "Mitgliederquotierung"

Eine verstärkte Repräsentation von Frauen in Parteien läßt sich auch durch die Festsetzung eines (Mindest-)Frauenanteils an der Parteimitgliedschaft erreichen. "Mitgliederquoten", die den Parteizugang für Männer erschweren 107, unterscheiden sich von den bisher behandelten Vorschriften über die Besetzung von Parteiämtern dadurch, daß sie sich nicht auf den innerparteilichen Raum beschränken. Sie definieren mit ihrer Unterscheidung zweier Gruppen von beitrittswilligen Bürgern vielmehr die rechtliche Beziehung der Partei nach außen, denn sie knüpfen Vor- bzw. Nachteile an die Geschlechtszugehörigkeit von Personen, die noch nicht im Binnenbereich der Parteien stehen, sondern erst den Zugang zu ihnen begehren. Ob die Parteien mit einer solchen, "Außenwirkung" entfaltenden, Beitrittsregelung ihren verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraum überschreiten, soll nun erörtert werden.

a) Die ,,Ablehnungsfreiheit" der Parteien Nach dem PartG können die Parteien über die Aufnahme neuer Mitglieder frei entscheiden, und im Falle einer Ablehnung sind weder verfahrensrechtliche Sicherungen vorgeschrieben noch besteht die Notwendigkeit, die getroffene Entscheidung zu begründen, § 10 Abs. 1 Satz 1, 2 PartG108. Auch die verfassungsrechtliche Parteifreiheit stützt nach der überwiegenden Meinung eine solche "Ablehnungsfreiheit" der Parteien; jede Aufnahmeentscheidung soll vollständig und unreglementiert in ihrer Hand liegen lO9 • Wenn das richtig ist, dann bestehen gegen die freie Ablehnung männlicher Beitrittswilliger zur Erhöhung des Frauenanteils keine Bedenken. Doch angesichts der besonderen Verantwortung, die den Parteien für die Ausgestaltung der politischen Willensbildung übertragen ist, bedarf dieses Ergebnis der Überprüfung, denn es unterwirft partizipationswillige Bürger in einem Bereich der ungebundenen Entscheidung der Parteigremien, der für die Ausübung ihrer Grundrechte und 107 In geschlechtsneutraler Formulierung ("Die Parteimitgliedschaft besteht zu mindestens 40% aus Mitgliedern jedes Geschlechts") erschweren sie den Beitritt für Mitglieder des jeweils unterrepräsentierten Geschlechts. 108 Einige Parteisatzungen gleichen dieses Defizit teilweise aus (§ 3 Abs. 2 Satzung der GRÜNEN, § 4 Abs. 2 Satzung der CSU, § 3 Abs. 2 Statut der SPD, § 5 Abs. 3 Statut der CDU) und zeigen damit bereits selbst, daß die Regelung des PartG, gemessen an rechtsstaatlichen Standards, immerhin überraschend ist. 109 Henke, Parteien S. 90; Blank, Willensbildung S. 567, wenn auch widersprüchlich, vgl. S. 566; Seifert, Parteien S. 209 u. passim; Luthmann, Ordnung S. 169; Hahn, Demokratie S. 33f., wenn auch mit starken Zweifeln - nur wenn § 10 PartG verfassungskonform eingeschränkt wird; Küster, Diskussionsbeitrag 38. DJT S. C 50 dagegen ohne jede Schranke (im Zusammenhang mit seiner Befürwortung der autoritären Führerpartei, S. C 49); wohl auch GGK - v. Münch, Rz 46 zu Art. 21, allerdings ebenfalls nicht ohne Zweifel; ebenso Friesenhahn, verfassungsrechtliche Stellung S. 270.

III. Die Handlungsmöglichkeiten der Parteien

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für den demokratischen politischen Prozeß insgesamt von gleichermaßen großer Bedeutung ist. Die Ausnahme einer ungebundenen Freiheit zur Ablehnung von Beitrittswilligen aufgrund des Geschlechts wird schon auf der Ebene des PartG zweifelhaft, denn § 10 Abs. 1 Satz 3 PartG untersagt allgemeine Aufnahmesperren llO • Der Inhalt dieser Bestimmung ist allerdings unklar. Wenn sie nur solche Regelungen betrifft, die jeden Parteizugang schlechthin verschließen ll1 , die Partei also zu einer "geschlossenen Gesellschaft" machen, so ist sie hier nicht einschlägig: Ein Parteibeitritt bleibt ja, wenn auch nur oder vor allem für Frauen, weiter möglich. Diese restriktive Auslegung betont jedoch die Autonomie der Parteien allzu einseitig zu Lasten des einzelnen ll2 . Die "Ablehnungsfreiheit" soll zwar die Geschlossenheit der Partei sichern und ihr keine Mitglieder gegen ihren Willen aufdrängen, doch darin erschöpft sich ihre Zielsetzung. Sie entbindet die Parteien insbesondere nicht von der Notwendigkeit, über jedes individuelle Beitrittsgesuch gesondert zu entscheiden - im Blick auf die Funktion der Parteien im politischen Prozeß wäre eine so weitgehende Freistellung auch nicht gerechtfertigt. Im Gegenteil drängt die Parteifreiheit als "dienende Freiheit"ll3 darauf, jedem partizipationswilligen Bürger möglichst umfassende Beteiligungsmöglichkeiten einzuräumen. Auf dem Boden der "Ablehnungsfreiheit" läßt sich daher allenfalls ein Recht der Parteien annehmen, in jedem Einzelfall eine ungebundene Entscheidung gegen beitrittswillige Männer treffen zu können. Sie erlaubt es nicht, eine solche individuelle Entscheidung durch eine in der Satzung verankerte generelle Regelung überhaupt überflüssig zu machen. Die Zulässigkeit von Mitgliederquoten zur Frauenförderung stößt damit bereits auf der Ebene des einfachen Rechts auf eine Grenze. b) Das Partizipationsrecht des Staatsbürgers

Auch wenn man schon aus § 10 Abs. 1 Satz 3 PartG die Unzulässigkeit einer satzungsmäßigen Mitgliederquote ableiten kann, bleibt eine "verdeckte", als Kette von Einzelablehnungen männlicher Beitrittswilliger prakti110 Die §§ 2 Abs. 1 Satz 2 und 10 Abs. 1 Satz 4 PartG als weitere Einschränkungen des Grundsatzes in § 10 Abs. 1 Satz 1 PartG sind hier nicht einschlägig. III So Henke, Parteien S. 90. 112 Anders Seifert, Parteien S. 210, der sogar die Verfassungsmäßigkeit des § 10 Abs. 1 Satz 3 PartG bestreitet, da er die Parteifreiheit zu weit einschränke. 113 So offenbar, wenn auch unklar, Seifert, Parteien S. 210. Eine Partei, die überhaupt keine Mitglieder aufnimmt, ist i. Ü. schon begrifflich auf Dauer kaum als solche zu bezeichnen. Auch das PartG geht von der selbstverständlichen Möglichkeit des Beitritts aus, vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 PartG, so daß § 10 Abs. 1 Satz 3 PartG in der ersten hier vorgestellten Deutung überflüssig wäre. Zum Bezug der Parteifreiheit auf die Aufgabe der Parteien oben 11 2.

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5. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im Parteienrecht

zierte Frauenförderung möglich 114 • Aus diesem Grunde ist die Untersuchung auf der Ebene der Verfassung weiterzuführen: Die noch herrschende Meinung lehnt einen Anspruch auf Parteizugang fast durchweg ab 115 , wenn sie das Problem nicht überhaupt als irrelevant bewertet 116 • Sie betont lediglich die "Beitrittsfreiheit" als (staatsgerichtetes ) Grundrecht und befürwortet allenfalls die Geltung des Willkürverbots oder gewisser, über den Wortlaut des PartG hinausgehender Verfahrensrechte 117 • Dabei stützt sie sich auf drei Argumente: Sie verweist auf das zivilrechtliche Prinzip der freien Kooptation, das aus der Vereinsautonomie abgeleitet wird, auf das verfassungsrechtliche Prinzip der Parteifreiheit sowie auf das politische Strukturprinzip der Geschlossenheit und Homogenität jeder politischen Gruppierung. Die gemeinsame Wurzel dieser drei Argumente ist die (traditionelle) Klassifizierung der Parteien als gesellschaftliche Interessenverbände. Ein Bewerber, dessen Aufnahme in eine Partei aufgrund einer Quotierung scheitert, hat danach keine Möglichkeit, sich mit seinem Antrag durchzusetzen. Doch die Argumente der h. M. halten einer kritischen Überprüfung nicht stand. Schon der Rückgriff auf zivilrechtliche Argumentationsmuster geht fehl: Zwar sind Parteien als privatrechtliche Vereine konstituiert, doch sind die Bestimmungen des Zivilrechts nur anwendbar, soweit dies von der Verfassung zugelassen ist, d. h. soweit die Funktion der Parteien dadurch nicht behindert wird 118 • Gerade für die Aufnahme von Parteimitgliedern wäre aber erst darzulegen, daß die Vereinsautonomie dem Auftrag des Grundgesetzes an die Parteien entspricht119 • Ebenso Wolfrum, Ordnung S. 158. Etwa Henke, Parteien S. 90; Seifert, Parteien s. 209 u. passim; Luthmann, Ordnung S. 169; wohl auch GGK - v. Münch, Rz 46 zu Art. 21; wohl auch Scheuner, Parteiengesetz S. 92. Zum Nachweis der h. M. Magiera, Rechtsanspruch S. 761ff.; Knöpfte, Zugang S. 332ff. 116 Der Deutsche Juristentag 1950 setzte die Frage von der Tagesordnung ab Tagungsbericht S. C 85f. -; auf der Staatsrechtslehrertagung 1958 wurde das Thema nicht behandelt. Das Problem war allerdings bisher tatsächlich nur selten praktisch, so daß eine intensive Diskussion ausgeblieben ist; die Parteien haben jeden Beitrittswilligen als Wähler, Wahlkampfhelfer und Beitragszahler begrüßt, Trautmann, Demokratie S.195. 117 Zum Willkürverbot in diesem Zusammenhang, Leibholz, Stellung S. C 24, 85; BVerfGE2, 1 (40, 42, 69); sowie BT-Ds 111/1509, S. 25; Luthmann, Ordnung S. 109; GGK - v. Münch Rz 46 zu Art. 21; Rabus, Rechtsstellung S. 235,237. 118 So auch Lenz / Sasse, Parteiausschluß S. 235,237,239; Magiera, Rechtsanspruch S. 763; Tsatsos / Morlok, Parteienrecht S. 59; Wolfrum, Ordnung S. 159; Schröder, Kandidatenaufstellung S. 66. 119 Es ist nicht einmal unumstritten, in welchem Umfang das bürgerliche Recht überhaupt die Ablehnungsfreiheit der Parteien stützt: Magiera, Rechtsanspruch S. 763f.; Wolfrum, Ordnung S. 159f.; Schröder, Kandidatenaufstellung S. 66; nicht tragfähig ist die Zuspitzung dieses Arguments bei Knöpfte, Zugang S. 338; dagegen auch Henke, Parteien S. 89. Die Argumentation der h. M. beruht also auf einer petitio principii: Das zivilrechtliche Prinzip wird zitiert, um den Inhalt der Verfassungsnorm zu definieren. 114

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Eine Ablehnungsfreiheit der Parteien läßt sich auch nicht mit der Möglichkeit eines abgewiesenen (männlichen) Bewerbers rechtfertigen, eine eiiene Partei zu gründen 12o • Zum einen sind die Chancen, sich politisch durchzusetzen, für Anhänger neu gegründeter Parteien so gering l2l , daß eine Neugründung dem abgewiesenen Bewerber keinen gleichwertigen Ersatz für die Mitarbeit in einer "etablierten" Partei bietet - ihn gleichwohl darauf zu verweisen, heißt daher, ihn in die politische Bedeutungslosigkeit abzuschieben. Überdies entspricht gerade bei einer Ablehnung aufgrund einer Frauenförderungsquote die Gründung einer neuen Partei in aller Regel nicht dem Wunsch des Bewerbers: Er müßte eine Partei gründen, die, abgesehen von der Frage des Mitgliederkreises, in ihren inhaltlichen Vorstellungen derjenigen entspräche, die ihn nicht aufgenommen hat. Eine solche Übereinstimmung der politischen Inhalte aber würde die Durchsetzungschancen seiner Neugründung weiter schmälern. Das Bestreben der Parteien nach weltanschaulicher Geschlossenheit122 schließlich mag eine Ablehnungsfreiheit der Parteien rechtfertigen, auch wenn die zugrundeliegende Vorstellung von Parteien als "Kampfverbänden" heute fragwürdig geworden 123 und vom Grundgesetz nicht übernommen worden ist 124 • Auf die freie Ablehnung aufgrund des Geschlechts läßt sich der Gedanke jedoch nicht ausdehnen, da es hier um die politisch-weltanschauliche Haltung des Bewerbers gerade nicht geht 125 • In der Auseinandersetzung mit der h. M. treten andererseits Gesichtspunkte hervor, die ein Recht des einzelnen auf Teilnahme am Prozeß der politischen Willensbildung begründen, das sich in der parteienorientierten Demokratie des Grundgesetzes zu einem Anspruch auf Teilnahme am politischen Prozeß als Parteimitglied, d. h. zu einem Anspruch auf Parteizugang 126 verdichtet. Ein 120 So aber beispielsweise Luthmann, Rechtsstellung S. 109; Henke, Parteien S. 89f.; Mühlen, Parteienunabhängigkeit S. 49. 121 Magiera, Rechtsanspruch S. 764; Wolfrum, Ordnung S. 158f.; Lenz / Sasse, Parteiausschluß S. 234; Schröder, Kandidatenaufstellung S. 64f.; Trautmann, Demokratie S. 195f.; Maly-Motta, Sicherung S. 92; Dux, Meinungsfreiheit S. 558. Zwar sind, wie das Beispiel der Partei DIE GRÜNEN gezeigt hat, Neugründungen von Parteien nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt. Das Beispiel illustriert aber auch, wie stark das Interesse an einer neuen Partei erst werden muß, bis ihre erfolgreiche Gründung sich mit Aussicht auf Erfolg durchführen läßt; die Gründung neuer Parteien stellt nicht den Normalfall dar. 122 Etwa Luthmann, Rechtsstellung S. 109; Part. Komm. , Bericht S. 164; besonders kraß Seifert, Parteien S. 210. 123 Zu dieser Vorstellung von der Heydte, Freiheit S. 463f. m. w. N. ; dagegen etwa Bull, Demokratie S. 198; Zeuner, Demokratie 22ff. (3lf.); Dux, Meinungsfreiheit S. 558; Maly-Motta, Sicherung S. 95ff.; Trautmann, Demokratie S. 20lf. 124 Maly-Motta, Sicherung S. 92f. 125 Selbst dieser Gedanke führt im übrigen allenfalls zur freien Entscheidung der Partei über jeden individuellen Antrag, nicht aber zur Möglichkeit der pauschalen Ablehnung einer nach abstrakten Merkmalen bestimmten Gruppe von Bewerbern. 126 Für einen solchen Anspruch Knöpfte, Zugang S. 334ff.; Magiera, Rechtsanspruch S. 761; Bull, Demokratie S. 198; Schröder, Kandidatenaufstellung S. 64ff.; ztlrückhal-

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5. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im Parteienrecht

solches Recht läßt eine Unterscheidung der partizipationswilligen Bürger nach dem Geschlecht nicht zu und schließt eine Politik der umgekehrten Diskriminierung in diesem Bereich damit aus. Es ergibt sich aus den auf das öffentliche Leben bezogenen Grundrechten - insbesondere Art. 5, 8 und 9 sowie 21 Abs. 1 Satz 2 und 38 GG -, die eine umfassende Freiheit zu politischer Tätigkeit gewährleisten 127 , und wird durch die Garantie der staatsbürgerlichen Gleichheit abgesichert und auf die Gesamtheit des Staatsvolkes erstreckt 128 • Das demokratische Partizipationsrecht ist im übrigen nicht nur zur Verwirklichung persönlicher Freiheit, sondern auch im Interesse der Lebendigkeit und Legitimationskraft der demokratischen Willensbildung gewährleistet; schon deshalb richtet es sich auf die Einbeziehung aller Bürger ohne jede Eingrenzung129 ; die Geschlechtszugehörigkeit rechtfertigt hier keine Differenzierung. Dieses Recht auf Teilhabe am politischen Prozeß läßt sich jedoch nur verwirklichen, wenn der einzelne ein Recht auf Zutritt zu denjenigen Institutionen hat, die sich zum wichtigsten Träger des politischen Prozesses herausgebildet haben und ihn an seiner nicht organisierten ("gesellschaftlichen") Wurzel ebenso prägen wie auf der Ebene der institutionell verfestigten ("staatlichen") Willensbildung. In dem Maße, in dem die Parteien die Rolle von Monopolträgern eingenommen haben, hat sich ihre Pflichtenbindung gegenüber allen Staatsbürgern erhöht, die eine Einbeziehung in den politischen Prozeß erstreben 130; dieser Entwicklung entspricht die Tatsache, daß die Parteien auch nach ihrem eigenen Selbstverständnis eine breite Beteiligung des Volkes ohne Unterschiede anstreben. Das Bemühen um eine lediglich proportional höhere Beteiligung von Frauen wäre hier systemwidrig l3l • tender Grimm, Parteien S. 342; Maly-Motta, Sicherung S. 87 (a.a.O .. S. 39ff.; "Parteibürgerrecht"); Woltrum, Ordnung S. 156ff. (160); AK - Preuß, Rz 42 zu Art. 21 Abs. 1, 3; Tsatsos I Morlok Parteienrecht § 5 III 3 (S. 60 u. passim); diese letzteren betonen die Schranken eines solchen Anspruchs; sowie Trautmann, Demokratie S. 198ff., der für eine Aufnahmepflicht, aber gegen einen korrespondierenden Anspruch eintritt. Krit. auch Groß, Parteienrecht S. 80 (81 f.). Deutlich ist das Problem bereits bei Rabus, Rechtsstellung S. 235, 237f., dessen Anregungen im PartG aber nicht umgesetzt wurden. 127 Knöpfte, Zugang S. 336ff.; die Aufzählung noch erweitert bei Magiera, Rechtsanspruch S. 765; über politische Grundrechte noch hinausgreifend Schuppert, Grundrechte S. 531f.; ähnlich schon BVerfGE 20,56 (97f.). 128 Diese Gleichheit, die in Art. 33 Abs. 1 GG im Blick auf die Bundesstaatlichkeit Ausdruck gefunden hat, muß für jede Form der Teilnahme am politischen Prozeß gelten, Trautmann, Demokratie S. 197; Knöpfte, Zugang S. 335; Dux S. 555. 129 Ausnahmen bilden die Festlegung des Wahlalters, das freilich mit dem Mindestalter für einen Eintritt in politische Parteien nicht identisch ist, und etwa §§ 45ff. StGB. 130 Zu diesem Aspekt bereits oben 11 1. 13l Sie würde den Zugang für Männer lange Zeit blockieren, denn auch nach Erreichen der Partität wären sie in einem Parteizutritt an das gleichzeitige Vorliegen eines entsprechenden Antrags von Frauen gebunden. Allein die Erhöhung der absoluten Zahl der Frauen in Parteien ist daher legitim, da keine Notwendigkeit besteht, ein knappes Gut auf eine Überzahl von Bewerbern aufzuteilen.

III. Die Handlungsmöglichkeiten der Parteien

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Für die unterschiedliche verfassungsrechtliche Bewertung von Ämter- und Mitgliederquoten, die sich aus den bisherigen Überlegungen ergibt, ist schließlich noch der weitere Umstand von Bedeutung, daß bei der Einführung parteiinterner Ämterquotierungen diejenigen, deren Position sich aufgrund solcher Regelungen verschlechtert, an der Entscheidung über diese Verschlechterung teilnehmen können, während die durch Mitgliederquoten Belasteten auf deren Einführung keinen Einfluß haben 132 • Dies verschafft Regelungen über die Besetzung von Parteiämtern ihre demokratische Legitimität und spricht gleichzeitig gegen die Zulässigkeit der Mitgliederquoten. c) Mitgliederquotierung als programmatische Aussage?

Die Rechtsstellung des einzelnen, die Funktion und das Selbstverständnis der Parteien führen zur Annahme eines Rechts auf Parteizugang 133 • Es darf nur eingeschränkt werden, soweit dies der Funktion der Parteien im politischen Prozeß dient: Es ist daher insbesondere zulässig, die Aufnahme eines Bewerbers - neben anderen Beitrittsvoraussetzungen134 - davon abhängig zu machen, daß er die politische "Linie" der aufnehmenden Partei in einem, wenn auch nur schwer bestimmbaren, Mindestmaß teilt 135 • Nur hier kommt das berechtigte Interesse der Partei an innerer Geschlossenheit zum Ausdruck. Mitgliederquoten zur Frauenförderung lassen sich unter diesem Gesichtspunkt jedoch nicht rechtfertigen, denn die Ablehnung aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit bezieht sich gerade nicht auf die politischen Ansichten des Bewerbers. Es bleibt den Parteien daher nur eine letzte, auf ihre Programmfreiheit gestützte Möglichkeit, den Frauenanteil in ihren Reihen zu erhöhen: Sie können durch die Formulierung eines ,Jrauenfreundlichen" Parteiprogramms das Der Satz "Consenti non fit iniuria" gilt daher in diesem Falle nicht. Bestätigung erfährt dieses Ergebnis durch einen Blick auf die Frage des Parteiausschlusses. Das PartG gibt hier die beim Zugang zu Parteien beobachtete Zurückhaltung auf und normiert strenge Zulässigkeitsvoraussetzungen. Beide Fälle - Aufnahme und Ausschluß -liegen jedoch parallel, denn für die Partei geht es hier wie dort um ihr Verhältnis zum Staatsbürger, für diesen hier wie dort um die politische Existenz. Ebenso Magiera, Rechtsanspruch S. 764f.; Tsatsos / Morlok, Parteienrecht S. 60f.; Schröder, Kandidatenaufstellung S. 67f.; Trautmann, Demokratie S.207; Knöpfte, Zugang S.323f. 134 Beispiele dafür sind das Erfordernis eines Mindestalters oder die (m. E. zweifelhafte) Möglichkeit, Ausländer in bestimmtem Maße von der Mitarbeit in Parteien auszuschließen. Zu den einzelnen Möglichkeiten und ihrer Reichweite Wolfrum, Ordnung S. 161ff.; Trautmann, Demokratie S. 198, 203ff.; Knöpfte, Zugang S. 340ff.; MalyMotta, Sicherung S. 97ff. 135 Wie weit diese Einschränkung geht, wie weit also der Beitrittskandidat von der "offiziellen" Parteimeinung entfernt sein darf, ist höchst umstritten, für die hier behandelte Frage jedoch in der breiten Ausdifferenzierung, die das Problem inzwischen erfahren hat, nicht ausschlagebend. Angesprochen ist damit die Frage einer innerparteilichen Opposition. 132 133

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5. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im Parteienrecht

Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern in den Vordergrund ihrer Aktivitäten rücken und werden damit in besonderem Maße Frauen als potentielle Mitglieder ansprechen. Denn in der Festlegung ihrer programmatischen Ziele sind die Parteien frei; die einzige Schranke ergibt sich aus Art. 21 Abs. 2 GG. Alles, was sich unterhalb dieser Hürde bewegt, ist rechtlich nicht angreifbar, und auch extreme Aussagen zur Frauenförderung können nicht beanstandet werden. Allein diese Möglichkeit stellt einen gangbaren Weg dar, Frauen gezielt zur aktiven Teilhabe in den politischen Parteien zu bewegen. Sobald eine Partei jedoch das Beitrittsgesuch eines Mannes - wenn er ihre politischen Ziele unterstützt! - allein aufgrund seines Geschlechts zurückweist, überschreitet sie ihre Programmfreiheit und verletzt den Beitrittswilligen in seinem Grundrecht auf Parteizugang. Sie darf (nur) Bewerber ablehnen, die das Parteiprogramm nicht unterstützen, und es ist ihr verwehrt, eine Zurückweisung aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit als programmatische Äußerung auszusprechen. Das Konzept der umgekehrten Diskriminierung ist daher nicht der richtige Weg, den Frauenanteil unter Parteimitgliedern zu erhöhen; es spielt keine Rolle, ob sie satzungsmäßig verankert oder als Kette von Einzelablehnungen praktiziert wird. Sie scheitert am Verbot allgemeiner Aufnahmesperren in § 10 Abs. 1 Satz 3 PartG ebenso wie am verfassungsrechtlich gewährleisteten Partizipationsrecht des Bürgers. Umgekehrt bestehen gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 10 Abs. 1 Satz 1, 2 PartG, der eine "Ablehnungsfreiheit" der Parteien statuiert, erhebliche Bedenken. Es bleibt damit bei der einzigen Möglichkeit der Parteien, über die Formulierung des Parteiprogramms gezielt Frauen als künftige Mitglieder anzusprechen. 3. Einzelfragen zur Ausgestaltung

a) Zahlenwert einer Quotierung - starre und flexible Quotenregelungen

Der zahlenmäßige Wert, den eine Quotenregelung als "Frauenanteil" vorsieht, ist das vor allen anderen charakteristische Merkmal einer solchen Bestimmung. Um die hier bestehenden Ausgestaltungsmöglichkeiten wird in den Parteien gestritten, und an diesem Wert läßt sich besonders deutlich ablesen, in welchem Ausmaß es den Frauen gelingt, mit ihrem Anliegen durchzudringen. In den "großen" Parteien werden sowohl starre als auch flexible Quotenregelungen diskutiert 136 • Im Vordergrund stehen als starre Werte 40 bzw. 50 % 137, als flexible Regelung die Forderung, eine "Partizipationsgarantie" für 136 Obwohl diese Terminologie in die Irre führt (dazu oben Kap. 1 I 4.), soll sie wegen ihrer Einprägsamkeit beibehalten werden. 137 40% legt das SPD-Statut fest, eine 50%-Quote enthält die Satzung der GRÜNEN; zu den Formulierungen im einzelnen oben 1.

III. Die Handlungsmöglichkeiten der Parteien

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Frauen an ihrem Anteil an der GesamtmitgLiedschaft einer Partei zu orientieren!38. Im ersteren Falle ist das zahlenmäßige Verhältnis von Frauen und Männern keiner Veränderung unterworfen, sondern als gleichbleibend fixiert!39, während es sich bei einer Orientierung am Mitgliederanteil der Frauen naturgemäß erheblich ändern kann 140 • Die rechtliche Bewertung der unterschiedlichen Vorschläge und Regelungen wird einerseits von der Programmfreiheit der politischen Parteien bestimmt, andererseits vom Gebot der innerparteiLichen Demokratie: Während der Gedanke der Parteifreiheit grundsätzlich jeden beliebigen Quotenwert als eine inhaltlich-politische Aussage zulassen müßte, führt der Gedanke der innerparteilichen Demokratie zu einer Beschränkung der den Parteien zustehenden Autonomie: Zwar begründet er zunächst eine Vermutung für die Zulässigkeit aller Regelungen, die von der Mehrheit in der Partei beschlossen werden, doch bildet er gleichzeitig eine Schranke für solche Regelungen, die den demokratischen "Mindeststandard" unterschreiten könnten. Vor diesem Hintergrund ist zu differenzieren: Eine Quotierung, die sich am Anteil der Frauen an der Mitgliederzahl einer Partei orientiert, stellt über die bereits behandelten Fragen hinaus keine weiteren Probleme, denn sie harmoniert mit beiden erwähnten Gesichtspunkten gleichermaßen: Sie ist, wie jede Frauenförderungsmaßnahme, eine inhaltliche Aussage und als solche von der Programmfreiheit gedeckt, und sie konkretisiert in einleuchtender Weise das Gebot innerparteilicher Demokratie - ihr Ziel ist es, der Gruppe der Frauen in der Partei in dem Ausmaß effektive Partizipationschancen einzuräumen, in dem sie als Mitgliedergruppe Anteil am politischen Gewicht ihrer Partei haben. Natürlich ist die Repräsentation der weiblichen Parteimitglieder durch weibliche Funktionsträger nicht die einzige Möglichkeit, die von Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG geforderten Mitspracherechte dieser Gruppe zu sichern, doch sie stellt eine zulässige Möglichkeit dar, dies zu tun. Einen anderen Akzent setzt die Festlegung des Frauenanteils an der Gesamtbevölkerung als Bezugsgröße für die innerparteiliche Partizipation der Frauen. Der Gedanke der Repräsentation läßt sich in diesem Zusammenhang, anders als bei den eben behandelten Bestimmungen, nicht heranziehen und führt daher nicht dazu, eine solche Quotierung als Realisierung innerparteilieher Demokratie zu verstehen - die Frauen in einer Partei sind nicht RepräDies gilt für die F.D.P. und die CDU, Formulierungen ebenfalls oben 1. Freilich ist auch bei Regelungen dieser Art die absolute Zahl der für Frauen vorgesehenen Funktionsstellen nicht eindeutig festgelegt, denn sie hängt davon ab, wieviele Ämter die jeweilige Parteisatzung vorsieht - ein Wert, der Schwankungen unterworfen sein kann. 140 Neben der Orientierung am Mitgliederanteil der Frauen ist noch ihr Bevölkerungsanteil als Bezugsgröße einer Quotierung zu erwägen (dazu sogleich). 138 139

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5. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im Parteienrecht

sentanten der gesamten außerhalb der Parteien stehenden weiblichen Bevölkerung 141 . Art. 21 Abs. 1 GG geht nicht so weit, die Gesamtheit der Bevölkerung in der Vielfalt ihrer Gruppierungen und Interessen im Binnenraum jeder einzelnen Partei wiederfinden zu wollen 142 ; trotz der Tendenz zur Volkspartei sollen die Parteien einen beliebigen und frei gebildeten "Ausschnitt" der Gesamtbevölkerung darstellen können, wobei auch einseitige Interessenwahrnehmung möglich bleiben muß143. Eine Bestimmung, die die Besetzung der Parteiämter an dem Verhältnis der Geschlechter in der Gesamtbevölkerung mißt, läßt sich daher mit dem Repräsentationsgedanken nicht rechtfertigen. Sie stellt freilich einen programmatischen Appell, eine inhaltliche Aussage dar, die auf ein geändertes Selbstverständnis der Partei hinweist: Auch wenn der einzelnen Partei von Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG nicht die Aufgabe der Repräsentation übertragen wird, kann sie sich selbst diese Aufgabe durch Mehrheitsentscheidung - bezogen auf die Bevölkerungsgruppe der Frauen - durchaus stellen. Doch führt eine solche Regelung zu einer Überrepräsentation der Frauen in der Partei und damit - spiegelbildlich - zu eben der Situation, die, auf Frauen bezogen, als demokratisches Funktionsdefizit eingestuft werden mußl44. Die Berufung allein auf die Programmfreiheit der Parteien vermag eine Regelung, die die Unterrepräsentation von Frauen durch eine Unterrepräsentation der Männer ersetzt, nicht zu rechtfertigen. Auf der anderen Seite ist jedoch zu bedenken, daß eine verstärkte Einbeziehung von Frauen in den politischen Prozeß dadurch besonders gefördert werden dürfte, daß die Attraktivität einer Partei für Frauen steigt: Eine Quote, die Frauen einen Status der Überrepräsentation in einer Partei einräumt, ist möglicherweise besonders geeignet, Frauen zum Parteibeitritt zu bewegen und könnte damit langfristig einen Frauenanteil zur Folge haben, der ihrem Bevölkerungsanteil entspricht. Unter diesem Gesichtspunkt stellt eine Quote, deren Wert über dem aktuellen Frauenanteil einer Partei liegt, die Vorwegnahme einer politisch und rechtlich erwünschten Entwicklung dar. Eine Partei, die eine solche Quote in ihrer Satzung verankert, setzt damit ein programmatisches Signal, das nur dann zulässig ist, wenn sich seine Berechtigung nachträglich herausstellt, wenn also die antezipierte Entwicklung tatsächlich eintritt. Eine Quote, deren Wert erheblich - denn für den tagespolitischen Meinungskampf griffig formulierte "runde" Quotenwerte (25 %, 30 % usw.) sind in jedem Falle zulässig, solange sie sich überhaupt am Mitgliederanteil der Frauen orientieren -, über dem Anteil der Frauen an der Parteimitgliedschaft liegt, darf aus diesen Gründen nur als zeitlich begrenztes "Signal" formuliert werden 145 . 141 142 143 144

Diesen Gesichtspunkt betont Ebsen, Quotenregelungen S. 50. So auch Wolfrum, Ordnung S. 164 und Ebsen, Quotenregelungen S. 50. Dazu oben II 2 a. E. Oben 11 1.

III. Die Handlungsmöglichkeiten der Parteien

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Die Rechtfertigung starrer statt flexibler Quotenwerte bereitet demgegenüber insofern Schwierigkeiten, als diese Werte den Verdacht auf sich ziehen, von weniger differenzierten Überlegungen getragen zu sein als flexible Regelungen. Plausibel erscheinen starre Werte lediglich dann, wenn sie sich indirekt ebenfalls entweder am Mitglieder- oder am Bevölkerungsanteil der Frauen orientieren, d. h. zwischen ca. 15 % und 50% liegen l46 • Für die Berechtigung starrer Werte ist allerdings anzuführen, daß sie sich als politische Signale in ihrer Einprägsamkeit leichter propagieren lassen als flexible Quoten - ein Gesichtspunkt, der für die Parteien nicht illegitim ist. Die Grenze zwischen einer zulässigen Betonung des überfälligen Repräsentationsanspruchs der Frauen und einer unzulässigen Verletzung der demokratischen Rechte der männlichen Parteimitglieder dürfte dort verlaufen, wo diese nicht einmal mehr das Gewicht einer "Sperrminorität" haben, d. h. wo die Männer als Gruppe beispielsweise Satzungsänderungen nicht mehr verhindern können oder sich parteiintern und öffentlich durch Vertreter nicht mehr adäquat Gehör verschaffen können. Die Bestimmung in der Satzung der GRÜNEN, auch reine Frauenlisten seien bei Wahlen zu Parteiorganen zulässig147 , gibt unter diesem Aspekt Anlaß zu Bedenken. Sie läßt sich allenfalls mit der Einschränkung rechtfertigen, daß eine einmalige reine Frauenliste, die zur Besetzung eines Schlüsselorgans ausschließlich mit Frauen führt, als politisches Signal von besonderem Gewicht akzeptiert werden kann. Als ständig praktizierte Regelung jedoch würde sie das Ziel innerparteilicher Demokratie nicht nur vernachlässigen, sondern zur Gänze preisgeben. In dieser Auslegung würde sie sich in Richtung auf eine verdeckte generelle Aufnahmesperre für Männer bewegen, die zwar rechtlich nicht verbindlich, aber faktisch wirksam wäre. Männer wären in einer solchen Partei ohne jede Möglichkeit, ihre Vorstellungen in den Organen selbst zur Geltung zu bringen l48 •

145 Auf diese zusätzliche Zulässigkeitsvoraussetzung weist zu Recht Ebsen, Quotenregelungen S. 45ff. (50f.) hin; ebenso Oebbecke, Quotierung S. 181. 146 Dies trifft für die meisten geltenden bzw. diskutierten Regelungen zu. Die paritätische Ämterbesetzung bei den GRÜNEN etwa orientiert sich offenkundig am Anteil der Frauen an der Gesamtbevölkerung; der im Statut der SDP enthaltene Wert von 40 % dürfte als Kompromiß zwischen den Eckwerten des Mitglieder- und des Bevölkerungsanteils anzusehen sein. Kritisch zur 50%-Marke Zuck, Frau S. 460f. 147 § 7 Abs. 4 Satz 1 der Satzung. 148 Dieser Verlust an demokratischer Substanz läßt sich auch nicht mit dem Argument rechtfertigen, daß die männlichen Parteimitglieder ihrer eigenen Deprivilegierung als Mehrheit zugestimmt haben, denn mit einer als Dauerregelung formulierten Quotierung von 100% wird ein nicht verfügbarer Mindestbestand an "Minderheitsrechten" preisgegeben. Es bleibt daher nur eine teleologische Reduktion der fraglichen Satzungsbestimmung.

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5. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im Parteienrecht

b) Die Sanktionierung innerparteilicher Quotenregelungen

Die Verwirklichung der mit Quotierungsmaßnahmen angestrebten Ziele kann entscheidend durch zwei Faktoren behindert werden: Möglich ist es zum einen, daß sich nicht genügend Frauen finden, die als Kandidatinnen für innerparteiliche Wahlen zur Verfügung stehen; denkbar ist es aber auch, daß trotz einer ausreichenden Anzahl von Bewerbungen eine Quote nicht erfüllt wird, weil sich ein großer Teil der Wähler - insbesondere bei geheimen Wahlen - nicht zu einer Änderung des bisherigen "traditionellen" Wahlverhaltens entschließen kann l49 • Es stellt sich daher die Frage, ob es zulässig wäre, eine Quotenregelung mit Hilfe von Sanktionen oder sanktions ähnlichen Mechanismen in die Wirklichkeit umzusetzen. Als Sanktionen kommen sowohl bei einer Wahlvorschlagsquotierung als auch bei einer Ergebnisquote insbesondere die Ungültigkeit des Wahlvorschlags bzw. -ergebnisses bei Nichterreichen des durch die Quote vorgegebenen Frauenanteils in Frage. Damit verbunden wäre die Notwendigkeit erneuter Versuche, eine ausreichende Anzahl von Kandidatinnen zu finden bzw. zu wählen; eine Wahl auf der Basis eines aus diesem Grunde ungültigen Wahlvorschlags wäre anfechtbar oder nichtig. Denkbar wäre es auch, als Folge der Verletzung einer Wahlergebnisquote den Teil der Positionen, der den Frauen vorbehalten, jedoch nicht besetzt worden ist, bis zur nächsten Wahl unbesetzt zu lassen; auch diese Rechtsfolge stellt sich in ihrer Wirkung als Sanktionsmechanismus dar l50 • Für die rechtliche Bewertung solcher Maßnahmen ist von der Annahme auszugehen, daß aus der Zu lässigkeit von Quotenregelungen zur Frauenförderung nicht ohne weiteres auch die rechtliche Möglichkeit abzuleiten ist, solche Anordnungen sanktionsbewehrt zu treffen i51 . Gerade im Recht der Parteien muß im Gegenteil als Regel formuliert werden, daß der politische Prozeß zwar normativ in gewissen Grenzen gesteuert werden darf, daß sich die Einführung von Sanktionen hingegen grundsätzlich verbietet, wenn nicht besondere Gründe dafür sprechen l52 . Solange schonendere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, das gewünschte Ziel zu erreichen - insbesondere eine entsprechende 149 Dieses Problem stellt sich freilich nur dann, wenn nicht schon durch die Formulierung des Wahlverfahrens die Einhaltung der Quote sichergestellt werden kann. Dazu oben III 1 a). 150 Als Beispiel: Wenn zehn Parteitagsdelegierte, darunter 50% Frauen, zu wählen sind, tatsächlich aber nur drei Frauen gewählt werden, so könnte die betreffende Parteigliederung statt über die ihr zustehenden zehn Delegiertenstimmen nur über sechs verfügen. 151 So aber beispielsweise Luthmann, Ordnung S. 140, 142f.: Was der Gesetzgeber regeln darf, darf er auch durchsetzen. Bedenken etwa bei Hahn, Demokratie S. 93ff. 152 Part. Komm. , Bericht S. 172f. Zurückhaltend auch Scheuner, Parteiengesetz S. 9lf. und Köppler, Mitwirkung S. 109, obwohl er grundsätzlich eine Pflichtbindung der Parteien zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung annimmt (ebda. S. l04ff.).

III. Die Handlungsmöglichkeiten der Parteien

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Ausgestaltung des Wahlverfahrens 153 -, dürften Sanktionen damit ausscheiden. Denn nur so läßt sich vermeiden, daß die Freiheitlichkeit des politischen Prozesses als seine Legitimationsgrundlage einer weitgehenden Kontrolle unterworfen und damit zerstört wird. Für die verfassungsrechtliche Untersuchung stellen sich daher sowohl eine Quotierung selbst als auch jede Sanktion zu ihrer Durchsetzung als jeweils eigenständiger Eingriff in die Freiheit von Partei und Wähler dar 154 , wobei die Vermutung besteht, daß eine Sanktion als der gegenüber der zugrundeliegenden Förderungsregelung schwerere Eingriff in die Parteifreiheit weniger leicht zu rechtfertigen ist als diese. Der Gesetzgeber hat sich daher zu Recht in diesem Bereich stets sehr zurückhaltend gezeigt 155 • Es entspricht dieser Einschätzung, daß auch in der aktuellen Diskussion um Quotenregelungen die Frage der Sanktionen keine Rolle spielt; alle bereits beschlossenen und auf Satzungsebene verankerten Regelungen sind als "schlichte" Verpflichtungen formuliert 156 • Verfassungsrechtlich unbedenklich erscheint ohnehin nur eine Form der Sanktionierung, die in ihren praktischen Auswirkungen auf die Neuformulierung einer Wahlliste oder Wiederholung einer Wahl hinausliefe. Denn damit werden die Wähler aufgerufen, unter Beachtung der selbstgesetzten satzungsmäßigen Vorgaben ihre Stimme erneut abzugeben; ihr ursprünglicher Wille wird damit zwar insofern für unbeachtlich erklärt, als er zu einem zu geringen Frauenanteil geführt hat, doch beruht auch das in der Neuwahl erzielte Wahlergebnis auf einem demokratischen Wahlakt I57 . Näher an den Vorgaben der Verfassung hingegen ist es, schon vom Appellcharakter einer nicht sanktionierten Quotierung eine wirksame Kontrolle durch die Öffentlichkeit zu erwarten, und im Raum der politischen Auseinandersetzung spricht einiges für die Wirksamkeit dieser Alternative 158 • Eine solche Durchsetzung auf dem Wege öffentlicher Diskussion entspricht überdies dem Charakter des freiheitlichen politischen Prozesses ohnehin weit besser als die Anwendung von Zwangsmitteln, denn sie kann dazu führen, Vorbehalte abzubauen, die für die bewußte Nichterfüllung von Quotenregelungen verantwortlich sind, und kann so auf breiter Basis eine freiwillige Bereitschaft bilden, den Maßnahmen zur Frauenförderung zur Wirksamkeit zu verhelfen. Dazu oben I und Ebsen, Quotenregelungen S. 41 ff. Dux, Meinungsfreiheit S. 553. 155 Zu einzelnen Beispielen für Sanktionen Mühlen, Parteienunabhängigkeit S. 62ff.; Köppler, Mitwirkung S. 107f.; Wol/rum, Ordnung S. 201ff. 156 Gelegentliche Vorschläge, die Wahlkampfkostenerstattung von der Einhaltung einer Quotierung abhängig zu machen, (BMJFG, Sachverständigenanhörung S. 217, 222) sind kaum aufgegriffen worden. 157 Ablehnend zu weiteren Sanktionsmöglichkeiten im Parteienrecht auch Wol/rum, Ordnung S. 207ff. 158 Part. Komm. , Bericht S. 173; Friesenhahn, verfassungsrechtliche Stellung S. 27lf.; Kay, Ordnung S. 226; Wol/rum, Ordnung S. 217f.; zweifelnd Luthmann, Ordnung S. 138f.; Mühlen, Parteienunabhängigkeit S. 65. 153

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5. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im Parteienrecht

c) "Eignungsabhängigkeit", Bindungsintensität und geschlechtsneutrale Formulierung von Ämterquoten

Im Grundsatzprogramm der CSU von 1976 findet sich die Forderung, Frauen am öffentlichen Leben "entsprechend ihrer Leistung" stärker zu beteiligen i59 , ohne daß allerdings näher erläutert wird, wie die "Leistung" der aktiv am politischen Geschehen Beteiligten zu beschreiben oder gar zu messen wäre. Es ist kein Zufall, daß dies der einzige Versuch geblieben ist, das aus dem öffentlichen Dienst bekannte Merkmal der "Eignung"l60 als Kriterium der Personalauslese auch in den politischen Bereich einzuführen, denn Personalentscheidungen in Parteien und bei Wahlen zu parlamentarischen Körperschaften folgen anderen Gesetzmäßigkeiten als die Auswahl der Bewerber für den öffentlichen Dienst. Die "Eignung", die Parteibasis als Delegierter oder einen Wahlkreis als Abgeordneter zu vertreten, ergibt sich nicht notwendig und jedenfalls nicht ausschließlich aus erlernbaren, objektiv meßbaren Fähigkeiten, die als Ergebnis einer Ausbildung für jeden Kandidaten festgestellt werden könnten. Während der Dienstherr gehalten ist, den Kandidaten auf die einem bestimmten Sachgebiet zuzuordnende Aufgabe hin auszuwählen und auf seine Fachkenntnis zur Bewältigung dieser Aufgabe zu prüfen, beruht die Wahl als Repräsentant im politischen Prozeß allein auf einem Vertrauensverhältnis zwischen Wähler und Gewählten, das sich unabhängig von solchen fachlichen Fähigkeiten entwickelt und auf die Wahrnehmung der Interessen der Repräsentierten in jeder Hinsicht erstreckt. Die "Eignung", diese Aufgabe (bis zu der nächsten Wahlentscheidung mit der Möglichkeit, auf die Wiederwahl des Kandidaten zu verzichten) bewältigen zu können, ist mit der Wahl dargetan; sie bedarf keiner vorgängigen Prüfung, und das Prinzip demokratischer Wahl schließt es aus, die Aufstellung von Kandidaten von solcher Prüfung abhängig zu machen l61 . Die "Eignungs abhängigkeit" von Quotenregelungen spielt aus diesen Gründen im Bereich der Parteien keine Rolle. Von geringer Bedeutung ist auch die Möglichkeit, Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung ihrer Bindungsintensität abzustufen - beispielsweise neben zwingende Normen auch Sollvorschriften oder unverbindliche Bestim159 Grundsatzprogramm der CSU, S. 54f.: " ... Der gleichwertige Beitrag der Frau wird nicht nur in Familie und Beruf, sondern auch im öffentlichen Leben zu wenig berücksichtigt. In gesellschaftlichen Gremien, in Verbänden, Parteien und Parlamenten sind die Frauen entsprechend ihrer Leistung stärker zu beteiligen." 160 Zum Leistungsprinzip des Art. 33 Abs. 2 GG und den damit zusammenhängenden Fragen für die Frauenförderung ausführlich oben Kap. 411. 161 Natürlich gelten diese Feststellungen in der Praxis cum grano salis; das Amt des Schatzmeisters einer Partei etwa kann nur ausfüllen, wer mit den hier zu bewältigenden Aufgaben vertraut ist. Eine allgemeine Regel, daß sich für jedes (partei-)politische Amt bestimmte, meßbare Qualifikationsanforderungen aufstellen ließen, ist daraus jedoch nicht abzuleiten. Ein Beispiel für Qualifikationsanforderungen: CSU-Satzung § 43 Abs. 2 Satz 2, bezeichnenderweise als Sollvorschrift formuliert.

III. Die Handlungsmöglichkeiten der Parteien

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mungen zu stellen -, denn auf die verfassungsrechtliche Bewertung ihrer Zulässigkeit hat diese Differenzierung keinen Einfluß. Eine als unzulässig eingestufte verbindliche Maßnahme wird nicht dadurch zulässig, daß sie als unverbindliche Aufforderung formuliert wird: Eine Satzungsbestimmung, die die Empfehlung ausspricht, Frauen beim Parteizugang zu bevorzugen, ist daher ebensowenig zu billigen wie die zwingende Anordnung einer Mitgliederquotierung, denn sie fordert zu einem Verhalten auf, das sich als unzulässige Grundrechtseinschränkung darstellt und dem Funktionsauftrag des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG widerspricht. Ob die zuständigen Parteigremien in dieser Weise aufgrund bindenden Satzungsrechts oder aufgrund freier Entscheidung auf eine Empfehlung hin tätig werden, ändert an der in diesem Verhalten liegenden Grundrechtsverletzung nichts. Der im Organisationsstatut der SPD verankerten Regelung l61 • für jedes Geschlecht eine 40prozentige Mindestbeteiligung vorzuschreiben, wirft schließlich die Frage auf, ob eine solche geschlechtsneutrale Formulierung anders zu bewerten ist als die geschlechtsspezifisch gefaßte Alternative, 40 % der Ämter und Mandate den Frauen vorzubehalten. Auf den ersten Blick allerdings sind erhebliche Unterschiede nicht zu erkennen, denn jede geschlechtsneutral formulierte Quotierung enthält implicite auch die Festlegung eines Zahlenwertes für das (jeweils) andere Geschlecht l62 • Zumindest an ihren praktischen Auswirkungen können sich aus diesen Alternativen jedoch durchaus unterschiedliche Konsequenzen ergeben: Bei der geschlechtsneutralen Formulierung der SPD etwa steht fest, daß den männlichen wie den weiblichen Bewerbern mindestens 40 %, höchstens aber 60 % der verfügbaren Positionen eingeräumt sind. Bei einer geschlechtsspezifischen Quotierung zur Frauenförderung hingegen ("mindestens 40 % für Frauen") liegt zwar fest, daß es für männliche Konkurrenten eine Höchstgrenze (60 %) gibt, doch gilt diese Höchstgrenze nicht auch für Frauen - umgekehrt enthält eine solche Regelung keinen Mindestwert für die konkurrierenden Männer. Es kann sich also die Konsequenz ergeben, daß die bisher überpräsentierte Gruppe über die Parität hinaus zur unterrepräsentierten Minderheit wird. Eine solche Bestimmung läßt sich nach den bisherigen Überlegungen jedoch nur als vorübergehende Maßnahme rechtfertigen; als Dauerrecht wäre sie unzulässig. Aus diesem Grunde sprechen die besseren Argumente für eine geschlechtsneutral gefaßte Quotierung, auch wenn prinzipielle rechtliche Unterschiede zwischen den beiden Alternativen nicht bestehen.

161. § 11 Abs. 1 Satz 2 Organisationsstatut. Anders (nämlich geschlechtsspezifisch) die Regelung bei den GRÜNEN. Die Formulierungen oben I. 162 "Mindestens 40% für Bewerber des jeweils unterrepräsentierten Geschlechts" heißt eben auch, daß höchstens 60 % für Bewerber des jeweils überrepräsentierten Geschlechts zur Verfügung stehen.

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5. Kap.: Umgekehrte Diskriminierung im Parteienrecht

IV. Ergebnis

Frauenförderung in politischen Parteien verfolgt das Ziel, die schwache Präsenz von Frauen in den politischen Parteien zu· verstärken; als Defizit im demokratischen Willensbildungsprozeß muß insbesondere die Tatsache gelten, daß es den Parteien bisher nicht gelungen ist, Frauen in spürbarem Umfang in diesen Prozeß einzubeziehen und ihnen auf allen Ebenen der innerparteilichen Hierarchie zumindest ein ihrem Mitgliederanteil entsprechendes Maß an Einfluß einzuräumen. Der Gesetzgeber hat allerdings keine effektive Möglichkeit, eine Entwicklung in Gang zu setzen, die in dieser unbefriedigenden Situation Abhilfe schaffen könnte. Er kann durch eine Änderung des gesetzlichen Rahmens die Parteien weder dazu anhalten, Frauen in verstärktem Umfang als Parteimitglieder zuzulassen noch darauf hinwirken, daß ihre innerparteilichen Partizipationsmöglichkeiten gezielt, d. h. geschlechtsspezifisch, verbessert werden. Jede gesetzgeberische Maßnahme mit dieser Zielrichtung müßte notwendig alle Parteien gleichermaßen betreffen, und dies liefe auf eine inhaltlich-politische Einflußnahme hinaus, die aufgrund der Parteiautonomie ausgeschlossen ist. Die Parteien selbst hingegen können eine Politik der Frauenförderung betreiben und in diesem Rahmen auch Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung praktizieren. Sie sind insbesondere nicht daran gehindert, Frauen einen bestimmten Mindestanteil an Parteiämtern vorzubehalten, auch wenn dies für sie nicht der einzige Wege ist, dem Gebot innerparteilicher Demokratie Genüge zu tun. Wie ein Konzept der umgekehrten Diskriminierung im einzelnen auszugestalten wäre, ist den Parteien weitgehend freigestellt. Allerdings stößt ihre Gestaltungsfreiheit dort an Grenzen, wo die zugunsten der Frauen ausgesprochene Partizipationsgarantie deutlich über das Maß hinausgeht, das dem Anteil der Frauen an der Parteimitgliedschaft entspricht: Höhere Werte sind allenfalls zeitlich begrenzt, als programmatisches Signal, zulässig; sie sind überhaupt ausgeschlossen, wenn sie die Männer einer Partei trotz ihres zahlenmäßigen Gewichts in den Stand einer unbedeutenden Minderheit ohne die Möglichkeit adäquater Interessenwahrnehmung verweisen. Nicht zulässig ist es auch, den Zugang zu Parteien geschlechtsspezifischer Regulierung zu unterwerfen. Hier bleibt den Parteien lediglich die Möglichkeit, durch die entsprechende Ausgestaltung ihres Parteiprogramms Frauen gezielt zum Beitritt zu bewegen.

Fazit: Erste Ergebnisse und offene Fragen Der Vorschlag, durch eine Politik der umgekehrten Diskriminierung die Verheißungen des Bonner Grundgesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern in die soziale Wirklichkeit zu übersetzen, hat in den zurückliegenden Jahren Eingang in die politische und wissenschaftliche Diskussion gefunden. Im Gefolge dieser Entwicklung ist auch die rechtliche Problematik, die mit einem solchen Konzept der Frauenförderung verbunden ist, allmählich - wenn auch mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung - ins Bewußtsein einer breiteren wissenschaftlichen Öffentlichkeit gedrungen und hat zunehmend an Transparenz gewonnen. Nachdem das Thema lange Zeit hindurch gerade im rechtswissenschaftlichen Schrifttum kaum zur Kenntnis genommen worden war, ist die (verfassungs-) rechtliche Auseinandersetzung - die zu befördern sich die vorliegende Arbeit zum Ziel gesetzt hat - inzwischen ins Stadium konkreter Überlegungen getreten, und auch die Rechtsprechung betritt mit ersten vorsichtigen Schritten dieses noch ungewohnte Terrain. Die Debatte hat sich bisher auf einige verfassungsrechtliche Zentralnormen konzentriert, die für die rechtliche Bewertung der Vorschläge zur praktischen Umsetzung der umgekehrten Diskriminierung eine beherrschende Rolle spielen. Hier lassen sich erste Ergebnisse festhalten: Art. 3 Abs. 2 GG - "Magna Charta" für das Verhältnis der Geschlechter in der Rechtsordnung - steht einer Politik der umgekehrten Diskriminierung nicht entgegen. Die Vorschrift kann nicht. auf ein "geschlechtsblindes" Gebot der Rechtsgleichheit von Mann und Frau beschränkt werden, auch wenn diese Dimensio~ ihren grundrechtlichen Gehalt als Gleichheitssatz in erster Linie bestimmt. Daneben aber muß Art. 3 Abs. 2 GG als Element objektiven Rechts ernstgenommen werden, als programmatisches Signal, das die Bedeutung einer nicht nur rechtlichen, sondern auch effektiven Gleichstellung der Geschlechter in der sozialen Wirklichkeit - Startchancengleichheit - an hervorragender Stelle in die Wertordnung des Grundgesetzes einfügt. Es ist also - aus der Sicht dieses Gleichheitssatzes - zulässig, Männern eine schlechtere Rechtsposition als Frauen zuzuweisen, wenn dies dazu führen kann und soll, die bis heute fortbestehende tiefgreifende Disparität zwischen ihnen aufzuheben. Verfassungsrechtlich geboten freilich ist eine'solche Politik nicht; als Verfassungsauftrag läßt sich Art. 3 Abs. 2 GG nicht interpretieren. Doch in einer Situation, in der rechtliche Gleichheit soziale Ungleichheit nicht mehr auflösen kann, sondern im Gegenteil weiter verfestigt, sprechen gewichtige Gründe 15 Maidowski

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Fazit: Erste Ergebnisse und offene Fragen

für ein Experimentieren mit neuen rechtstechnischen und dogmatischen Modellen zur Umsetzung des Verfassungsrechts in die Verfassungswirklichkeit. Vor diesem Hintergrund ist auch die Debatte um Frauenförderungsmaßnahmen im öffentlichen Dienst und in den politischen Parteien zu führen. Art. 21 und 33 Abs. 2 GG - denen für die genannten Lebensbereiche ebenfalls die Bedeutung verfassungsrechtlicher Grundnormen zukommt - stehen der umgekehrten Diskriminierung gleichfalls nicht entgegen, wenngleich der Befund hier differenzierter ist als im Falle des Art. 3 Abs. 2 GG: Zwar ist festzuhalten, daß eine Politik der "Gleichheitsdurchbrechung zur Gleichheitsverwirklichung" sowohl im öffentlichen Dienst als auch in den politischen Parteien in weitem Umfang - der von den bisher verwirklichten Maßnahmen noch nicht ausgeschöpft wird - zulässig sein kann. Doch gibt es in beiden Bereichen Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen. 1m Recht des öffentlichen Dienstes betrifft dies die Forderung nach eignungsunabhängigen - oder -teilabhängigen, d. h. auf eine "Mindestqualifikation" beschränkten- - Quotenregelungen: Hier würde ein Grundbaustein des dem demokratischen Staate dienenden und der leistungsorientierten Personalauslese verpflichteten öffentlichen Dienstes preisgegeben und damit in die Substanz seiner verfassungsrechtlichen Grundlage eingegriffen. Darüber hinaus ist die Feststellung von Bedeutung, daß es der Exekutive zwar zusteht, eine Politik der umgekehrten Diskriminierung in den Details ihrer praktischen Umsetzung selbstverantwortlich zu gestalten, daß es aber gleichzeitig der Legislative vorbehalten bleiben muß, die "Initialzündung" zu einer derart gewichtigen und "grundrechtsrelevanten" Politik zu geben. Erst ein Wort des Gesetzgebers kann daher für den öffentlichen Dienst den Stein ins Rollen bringen - bis dahin muß es bei unverbindlichen, "weichen" Regelungen bleiben. Die Möglichkeit einer Frauenförderung unter Verzicht auf das Instrument der umgekehrten Diskriminierung bleibt der Verwaltung freilich eröffnet und mag sogar die wirkungsvollste Form einer solchen Politik darstellen: Denn ohne eine intensive Überarbeitung der derzeit praktizierten Maßstäbe und Verfahren der Eignungsermittlung und des Eignungsvergleichs wird auch eine schlichte Arbeitsplatzquotierung stets vom guten Willen der zu ihrer Anwendung Berufenen abhängen. Stößt mithin die Realisierung einer Politik der umgekehrten Diskriminierung im öffentlichen Dienst auf nicht unerhebliche verfassungsrechtliche wie praktische Probleme, so ist das Feld der Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich der politischen Parteien weniger genau eingegrenzt. Einer der wenigen Fixpunkte ist hier die Feststellung, daß der Gesetzgeber mit dem Instrument der umgekehrten Diskriminierung in den Prozeß der (partei-)politischen Willensbildung nicht eingreifen darf - eine Änderung des Parteiengesetzes in diese Richtung scheidet aus. Die Parteien selbst hingegen finden ein breites Spektrum zulässiger Regelungsalternativen vor; solange sie nicht den Parteizugang

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einer geschlechtsspezifischen Beschränkung unterwerfen, sind sie frei, ihr individuelles politisch-programmatisches Profil auch in der praktischen Frage der Beteiligung von Frauen am politischen Leben zum Ausdruck zu bringen. Diese Ergebnisse werden bestätigt und unterstützt durch eine Betrachtung der internationalen und gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen, die die Bundesrepublik Deutschland im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte eingegangen ist. Auch wenn auf dieser Rechtsebene an keiner Stelle eine Verpflichtung zur Einführung einer Politik der umgekehrten Diskriminierung verankert ist, so hat sich die Bundesrepublik in ihren rechtsverbindlichen Aussagen hier doch erheblich weiter vorgewagt als im innerstaatlichen Bereich. Sie hat die umgekehrte Diskriminierung als Handlungsmöglichkeit des Staates nicht nur ausdrücklich gebilligt, sondern ist darüber hinaus sogar dazu verpflichtet, die moderne und in ihren Forderungen an die Umgestaltung der Rechtsordnung besonders weitgehende internationale Konzeption in ihrem nation~len Rechtsraum zu verwirklichen. Dies schließt - auch aus verfassungsnichtlicher Sicht - die Verpflichtung ein, bei der Interpretation auslegungsfähiger Vorschriften des innerstaatlichen Rechts bis hin zum Verfassungsrecht die Vorgaben des Internationalen und des Europäischen Gemeinschaftsrechts als Auslegungsleitlinie zu beachten. Das Beharren auf einem strikten Gebot der Rechtsgleichheit von Mann und Frau tritt - wenn es in seiner Wirkung dazu führt, die soziale Ungleichheit zwischen den Geschlechtern zu verfestigen - in einen unauflösbaren Widerspruch zu den Geboten dieser überstaatlichen Rechtsebene: auch dies ist ein Aspekt, der der Argumentation zugunsten der umgekehrten Diskriminierung Nachdruck verleiht. Zugleich mit diesen ersten Antworten auf die grundsätzlichen Fragen zur umgekehrten Diskriminierung sind freilich zahlreiche neue, stärker ins Detail gehende Probleme aufgeworfen worden, von deren befriedigender Lösung die Bewährung des Konzepts in der Rechtspraxis abhängen wird. Diese Fragen zu beantworten wird - obwohl auch über die bisher vorwiegend behandelten Grundprobleme ein Konsens erst noch erzielt werden muß - die drängendste Aufgabe der künftigen wissenschaftlichen Arbeit an dem Thema sein; einige von ihnen seien abschließend zumindest genannt: So wird die Rechtmäßigkeit von Fördermaßnahmen insbesondere im öffentlichen Dienst auch an Vorschriften des bestehenden einfachen Rechts zu messen sein, was die Notwendigkeit mit sich bringen kann, diese gegebenenfalls zu ändern; zu denken ist in erster Linie an das Beamtenrecht des Bundes und der Länder, aber auch an das hier bestehende Rahmenrecht, insoweit es schon die Gesetzgebungskompetenz der Länder für die Einführung zusätzlicher Rechtsvorschriften zur Frauenförderung in Frage stellen mag. Als Prüfungsmaßstab müssen im übrigen auch weitere Verfassungsvorschriften - vor allem die Grundrechte der Art. 2, 12 und 14 GG - herangezogen werden, die bisher eher im Hintergrund der Diskussion standen, obwohl sie ihrer Thematik nach 15*

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durchaus von Bedeutung sind. Hierher gehört auch die Erkenntnis, daß für praktisch wichtige Sonderbereiche des öffentlichen Lebens Maßnahmen zur Frauenförderung auf zusätzliche verfassungsrechtliche Hürden stoßen mögen, die bisher erst in Ansätzen gesichtet, jedoch noch kaum diskutiert worden sind - dies gilt vor allem für die Hochschulen oder den Rundfunk, aber auch für Sondergruppen des öffentlichen Dienstes wie die Richterschaft; schließlich natürlich ist hier die Forderung nach Quotierungen bei der Wahl zu den Parlamenten zu nennen. Daneben bedarf die in der Debatte häufig vorgetragene Annahme einer Überprüfung, Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung seien nur dann rechtmäßig, wenn sie durch Härtefallregellungen relativiert, d. h. explicite mit der Möglichkeit verbunden seien, im Einzelfall und aus in der Person der (männlichen) Mitbewerber liegenden Gründen Entscheidungen im Widerspruch zu den Vorgaben einer Quotenregelung zu treffen. Damit ist die Frage angesprochen, wie der Widerstreit zwischen dem Verlangen nach Effektivität der Frauenförderung und dem Gebot der Einzelfallgerechtigkeit zur Wahrung anderer, etwa sozialstaatlich legitimierter, Interessen entschieden werden kann; manches spricht dafür - und beispielsweise der nordrhein-westfälische Gesetzentwurf zur Frauenförderung geht in diese Richtung -, eine vollständige normative Einengung der Entscheidungsspielräume hier nicht vorzunehmen. Weitere offene Fragen werden schließlich bei der Ausgestaltung von Maßnahmen zur Frauenfärderung an Bedeutung gewinnen, wenn das Konzept der umgekehrten Diskriminierung in größerem Umfang in praktische Politik umgesetzt werden soll als dies bisher der Fall ist. Es wird daher zu überlegen sein, ob - aus der Sicht des Verfassungsjuristen - Maßstäbe entwickelt werden können, die eine rational begründete Auswahl etwa zwischen starren und flexiblen, zwischen geschlechtsneutralen und allein auf Frauen bezogenen Quotierungsformen erleichtern und Hilfestellung bei der Entscheidung für den anzustrebenden Frau'enanteil bieten können - Fragestellungen dieser Art werden durch die Feststellung, daß alle diese Quotierungsformen verfassungsgemäß ausgestaltet werden können, in ihrer Bedeutung zwar relativiert, jedoch keineswegs verdrängt. Näherer Betrachtung bedarf in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob Maßnahmen umgekehrter Diskriminierung nur dann als verfassungsrechtlich zulässig akzeptiert werden können, wenn sie mit einer zeitlichen Begrenzung ihrer Geltungsdauer verknüpft sind, wenn sie also eine Perspektive für die Wiederherstellung der strikten Rechtsgleichheit bieten. Doch gerade die rechtliche Relevanz dieser letzteren Frage erscheint vorläufig noch nicht gesichert, so plausibel die Forderung nach zeitlicher Befristung der den Männern durch die umgekehrte Diskriminierung auferlegten Lasten zunächst auch klingen mag. Denn da die Rechtmäßigkeit der Frauenförderung gerade auf der Exi~tenz der sozialen Disparität zwischen den Geschlechtern beruht, trägt jede Quotenregelung eine "Befristung" ihrer normativen Kraft bereits in sich selbst: Sie wird so lange nicht angreifbar sein wie der Zustand der

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Ungleichheit zwischen den Geschlechtern anhält; wenn aber der vorgeschriebene Frauenanteil einmal erreicht ist, entfaltet sie ohnehin keine Rechtswirkungen mehr. Schon diese wenigen Anmerkungen lassen deutlich werden, daß die Entscheidung für eine auf breiter Grundlage praktizierte Frauenförderung weitere Schritte in noch unerschlossene Gebiete des Rechts mit sich bringen wird. Als erstes und wichtiges Ergebnis läßt sich jedoch schon heute festhalten: Der Versuch, die Gleichstellung von Frauen und Männern auch unter Abweichung vom Gebot der Rechtsgleichheit der Geschlechter zur lebendigen Realität werden zu lassen, kann in die verbindlichen Strukturen des geltenden Verfassungsrechts eingefügt werden. Ein abschließendes Urteil über die rechtliche Bewertung der umgekehrten Diskriminierung darf gleichwohl noch nicht gefällt werden: Die Diskussion ist eröffnet - abgeschlossen ist sie nicht.

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