Trauma und Erinnerung: Narrative Versionen zum Bürgerkrieg in Griechenland [1 ed.] 9783412501259, 9783412501228


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Trauma und Erinnerung: Narrative Versionen zum Bürgerkrieg in Griechenland [1 ed.]
 9783412501259, 9783412501228

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GRIECHENLAND IN EUROPA Kultur — Geschichte — Literatur Herausgegeben von Chryssoula Kambas und Marilisa Mitsou Band 4

TRAUMA UND ERINNERUNG Narrative Versionen zum Bürgerkrieg in Griechenland

Athanasios Anastasiadis und Ulrich Moennig (Hg.)

BÖHLAU VERLAG WIEN  KÖLN  WEIMAR

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. © 2018, by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Lindenstraße 14, D-50674 Köln Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Einzelbild aus dem Film Die Wanderschauspieler (O Thiassos, Griechenland 1974 – 1975) von Theodoros Angelopoulos. Mit freundlicher Genehmigung der Familie Angelopoulos. Korrektorat: Katharina Rahlf, Göttingen Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Satz und Layout: büro mn, Bielefeld

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN ----

Inhalt Athanasios Anastasiadis – Ulrich Moennig Vorwort  ..........................................................................................................................  Ulrich Moennig 1. Der griechische Bürgerkrieg der Erinnerungen  .............................................  Einleitendes  ............................................................................................................  Der griechische Bürgerkrieg (194? – 1949)  ........................................................  Kernfragen I und II: Wer sind die anderen und wer hat angefangen?  .. ..........  Kernfrage III: Legitimität  ....................................................................................  Der frühe Erinnerungsbürgerkrieg: parallele Monologe mehrerer Erinnerungsgemeinschaften?  ..............................................................  Die fortgesetzte Gegenwart der Vergangenheit  ................................................  Narrative Gattungen ­zwischen Fiktion und Faktualität  . . .................................  Die Gattungsbestimmtheit der Ego-­Texte  .........................................................  Bürgerkriegsnarrative und äußere Ereignisse: 1940er Jahre bis 1974  . . ...........  Bürgerkriegsnarrative und äußere Ereignisse: 1974 bis 2008  ..........................  Regionalität  ............................................................................................................  Traumabewältigung  . . .............................................................................................  Abspann  .................................................................................................................. 

9

11 11 12 16 17 18 24 26 32 36 41 47 49 51

Lena Viemann 2. Der griechische Bürgerkrieg im Erinnerungsdiskurs  ....................................  Einleitung  ...............................................................................................................  Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskultur  . . ..............................................  Geschichtspolitik  .. .................................................................................................  Literatur als Teil von Erinnerungskultur  ............................................................ 

55 55 56 62 67

Athanasios Anastasiadis 3. Geschichten vom Krieg  .......................................................................................  Einleitung  ...............................................................................................................  Trauma in der Psychologie und in den Kulturwissenschaften  . . .......................  Trauma in der Literaturwissenschaft  . . .................................................................  Trauma-­Repräsentationen in exemplarischen Bürgerkriegsnarrativen  . . .........  Narratologische Merkmale von literarischer Trauma-­Repräsentation  ........... 

77 77 81 86 90 122

6 | Inhalt

Kerstin Jentsch-Mancor 4. Historiographic metafiction, historical culture and social memory in three novels by Matessis (1990), Davvetas (2006) and Faïs (2010)  . . ......  129 Athanasios Anastasiadis 5. Narrative Vermittlung traumatischer Erfahrungen: Alexandros Kotzias, Ιαγουάρος (1987; Jaguar)  ...............................................  151 Ulrich Moennig 6. Der traumatische Prozess des Erzählens: Το Κιβώτιο (1975; Die Kiste) von Aris Alexandrou  ...........................................................  Einführendes  ..........................................................................................................  Biographie des Autors und Entstehung des Romans  ........................................  Narratologische Beschreibung  .............................................................................  Gedächtnistheoretische Merkmale  .....................................................................  Traumatheoretische Merkmale  ............................................................................ 

163 163 163 166 177 180

Ulrich Moennig 7. Nikandros Kepessis, Θυμάμαι (1985; Ich erinnere mich): Die Leugnung des Traumas?  ..............................................................................  195 Postscriptum: Nikandros Kepessis, Ο Δεκέμβρης του 1944 (Der Dezember 1944), Athen 1979  .. ........................................................  203 Athanasios Anastasiadis – Joachim Winkler 8. Der Roman Ορθοκωστά (1994; Orthokosta) von Thanassis Valtinos  . . ......  Kollektives Trauma  . . ..............................................................................................  Der Bürgerkriegsroman Ορθοκωστά (Orthokosta) von Thanassis Valtinos als Narrativ eines kollektiven Traumas  .......................  Traumatisierte Figuren im Roman Ορθοκωστά (Orthokosta)  ........................  Der Entstehungsprozess von kollektivem Trauma und die Wahrheitsfrage  .....  Die Rezeption des Romans Ορθοκωστά (Orthokosta)  ....................................  Joachim Winkler 9. „Mαύρη (Πολιτική) Λογοτεχνία – Schwarze (Politische) Literatur“  . . .........  Die rechts perspektivierten Romane der 1950er Jahre (I: 1953 – 1954)  ........  Die Reaktionen der bürgerlichen Literaturkritik  . . ............................................  Die literaturkritische Reaktion der Linken: Raftopoulos’ „Μαύρη Λογοτεχνία (Schwarze Literatur)“-Intervention  .. ...............................  Die rechts perspektivierten Romane der 1950er Jahre (II: 1955 – 1958) und ihre Rezeption  ................................................................................................ 

205 205 208 211 216 219

227 229 234 236 241

Inhalt | 7

Roufos’ Zypernroman und die Pauschalierung der Schwarze-­Literatur-­Formel  .. ..........................................................................  Binnenredaktionelle und innerparteiliche Funktion der Schwarze-­ Literatur-­Kampagne und ihre Beendigung – Die neue Formel „schwarze politische Literatur“ von 1965  ..........................................................  Die Funktion der Schwarze-­Literatur-­Formel im allgemeinen linken Diskurs und Raftopoulos’ divergierende Interpretation des Begriffs  . Die nationalkonservativen Romane von Evangelos Averof-­Tositsas (1964 und 1966)  .. ..................................................................................................  Kotzias’ Neufassung des Romans Πολιορκία (1961; Belagerung)  ..................  Stagnation und Evolution: Der Erinnerungsdiskurs der 1960er Jahre  .. .........  Von der Wende in Paris bis zur Wende von 1989: Raftopoulos’ paradigmatischer Weg  . . .........................................................................................  Neuausgaben und Rezeption der vier Klassiker schwarzer Literatur  .. ............  Rezeptive Wende für Kotzias  . . .............................................................................  Linke Empörung I: Nicholas Gage, Eleni (1983)  .............................................  Linke Empörung II: Thanassis Valtinos, Ορθοκωστά (1994; Orthokosta)  ...............................................................................................  Dimitris Raftopoulos’ Intervention zugunsten von Ορθοκωστά (Orthokosta)  ..........................................................................................................  Zur Rezeption des Romans Ορθοκωστά (Orthokosta)  ....................................  Die Kontroverse ­zwischen Raftopoulos und Elefantis: emanzipiertes Denken gegen altlinkes Denken  . . ...............................................  Zwischen apologetischem Beharren und Selbstkritik: Raftopoulos’ retrospektives Verhältnis zum Begriff schwarze Literatur  ................................  Die omnipräsente Frage nach dem kollektiven und persönlichen Trauma  .. .. 

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Venetia Apostolidou 10. Trauma als Bindeglied ­zwischen Vergangenheit und Gegenwart  ...............  287 Nikos Davvetas: Η Εβραία vύφη (2009; Die Judenbraut)  ...............................  288 Sofia Nikolaidou, Απόψε δεν έχουμε φίλους (2010; Heute Abend kennen wir keine Freunde)  .............................................  293 Anhang: Zeittafel (1936 – 1949)  ...............................................................................  Literaturverzeichnis  .. ...................................................................................................  Primärtexte  .............................................................................................................  Sekundärliteratur  ...................................................................................................  Register  ..........................................................................................................................  Sachregister  .. ...........................................................................................................  Personen, Orte, historische Begriffe   .. ................................................................. 

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Athanasios Anastasiadis – Ulrich Moennig

Vorwort Der vorliegende Sammelband ist das Produkt eines Forschungsprojekts mit Titel Narra­tive Vermittlung kollektiver traumatischer Erfahrungen am Beispiel des griechi­ schen Bürgerkriegs. Gegenstand waren narrative Repräsentationen des kollektiven Traumas griechischer Bürgerkrieg. Wissenschaftliche Mitarbeiter am Projekt waren Athanasios Anastasiadis und Thomas Kyriakis in engem Dialog mit Lena Viemann und Joachim Winkler sowie – für wenige Monate – den beiden Praktikantinnen ­Sotiria ­Kritikopoulou und Efi Tsanoussa. Gefördert wurde das Projekt über die Dauer von drei Jahren durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG ). Bei der Gesamtkonzeption des B ­ andes ist beabsichtigt, dass die einzelnen Beiträge sich zueinander wie die Kapitel einer Monographie verhalten. Auch das gemeinsame Literaturverzeichnis soll das Bestreben unterstreichen, dem Band Züge einer Monographie zu verleihen. Zugleich sollte die Eigenständigkeit eines jeden Beitrags gewahrt bleiben, was mit sich bringt, dass ­manche Dinge an mehreren Stellen gesagt werden mussten, die man in einer Monographie nicht wiederholt hätte. In den Jahren des Projekts 2009 bis 2012 und darüber hinaus haben viele Kolleginnen und Kollegen unsere Forschung und auch das Entstehen des vorliegenden Bandes im Dialog begleitet. Stellvertretend zu nennen sind an der Universität Hamburg das Interdisciplinary Center for Narratology (ICN ), anfangs geleitet von Wolf Schmid, später von Jan Christoph Meister. Besonders erwähnt werden müssen die Kollegin Susanne Rohr und der Kollege Jörg Schönert sowie der Psychotraumatologe Andreas Krüger, die uns insbesondere in der Frühphase des Projekts großzügig mit wertvollem Rat zur Seite standen. Der internationale Widerhall, den unser Projekt gefunden hat, ist im vorliegenden Band durch die Beiträge von Kerstin Jentsch-­Mancor und Venetia Apostolidou dokumentiert. Ihnen sowie allen Beitragenden gilt unser großer Dank. Erwähnt werden müssen auch viele Studierende, die sich in verschiedenen Veranstaltungen und Kontexten an Diskussionen über einzelne Texte beteiligt haben. Besonderer Dank gilt auch den Mitarbeiterinnen des Böhlau-­Verlags und insbesondere natürlich den Herausgeberinnen der Reihe Griechenland in Europa, Chryssoula Kambas und Marilisa Mitsou. In deutschsprachigen Publikationen zur griechischen Literatur sind Erläuterungen zum Umgang mit griechischen Wörtern und Namen obligatorisch. Wir haben einen Kompromiss angestrebt ­zwischen Transkription und Transliteration (z. B. schreiben wir Davvetas mit doppeltem „v“ und einfachem „t“, entsprechend der Originalschreibung mit zwei Beta und einem Tau). Wenn sich für bestimmte Namen bestimmte Schreibweisen etabliert haben, so haben wir diesen den Vorzug gegeben. Im Text nennen wir

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die griechischen Originaltitel der besprochenen Werke und geben eine wörtliche Übersetzung mit. Ist diese zugleich der Titel einer vorliegenden publizierten Übersetzung, so haben wir dies kenntlich gemacht, indem wir den Titel kursiv gesetzt haben. Bisweilen existieren deutsche Übersetzungen, deren Titel nicht wörtlich den Titel des griechischen Originals wiedergeben. In solchen Fällen geben wir die Informationen bzgl. der vorliegenden Übersetzung bei der ersten Erwähnung in einem Kapitel in der Fußnote an. Am Ende des Bandes befindet sich ein Verzeichnis der Primärtexte mit vollständigen Angaben zu vorliegenden Übersetzungen. Im Projekt haben wir ein Analyseformat mit Hilfe eines Formulars, das wir Datenblatt nennen, entwickelt. Dieser Begriff wird im vorliegenden Band wiederholt verwandt. Die Datenblätter sind in einer Datenbank öffentlich zugänglich, die genauen Angaben finden sich im Verzeichnis der Sekundärliteratur am Ende des Bandes. Athanasios Anastasiadis und Ulrich Moennig im Herbst 2018

Ulrich Moennig

1. Der griechische Bürgerkrieg der Erinnerungen Romane, Zeitzeugenberichte, Selbstzeugnisse und Autofiktion auf der Suche „wie es wirklich war“ Das kollektive Gedächtnis und die Erinnerungskultur tendieren dazu, die Vergangenheit neu zu gestalten.1

Einleitendes Bürgerkriege sind traumatogene Ereignisse,2 mit denen sich eine Gesellschaft – oft über Generationen – in einem Erinnerungsdiskurs auseinandersetzt.3 Mündliche Narrative im vertrauten Kreis mögen ein wesentliches Mittel eines kollektiven erinnerungskulturellen Prozesses sein. Ältere Generationen erzählen den Jüngeren. Oder: Nachdem der eigentliche Streit beigelegt ist, wird sich darum gestritten, was eigentlich genau geschehen ist. Wer hat angefangen? Wer hat wem welches Unrecht angetan? Wer erinnert sich richtig? In Zeiten audiovisueller Medien kommt auch mündlichen, zugleich aber wiederholbaren Narrativen vor einem großen öffentlichen Zuhörerkreis eine wichtige Rolle zu: Zeugenbefragungen, Interviews, Talkshows – im Fernsehen oder in Videoportalen wie Youtube. Gegenstand des vorliegenden Bandes sind keine mündlichen, sondern in konventionellen Printmedien verbreitete komplexere Narrative zum griechischen Bürgerkrieg bis 1949: Romane, Zeitzeugenberichte, Selbstzeugnisse und autofiktionale Texte. Der Anspruch des Projekts war, eine repräsentative Untersuchung an einem geeigneten 1 „Η συλλογική μνήμη και οι συλλογικές μνήμες έχουν την τάση να αναπλάθουν το παρελθόν“, Iliou, Οι βιωμένες ιστορίες (Gelebte Geschichten), 2007, S. 307. 2 Maercker, Symptomatik, 2013, S. 29, führt die drei „pathogensten Traumata“ an (auf Basis bestimmter Untersuchungen); dort steht „Kriegsteilnahme (nicht nach Soldat oder Zivilist unterschieden)“ an dritter Stelle nach „Vergewaltigung (enge Definition ohne sexuelle Belästigung)“ und „Misshandlung und sexueller Missbrauch in der Kindheit“. 3 Um ein Beispiel zu nennen, welches auch für die Dauer des kollektiven Prozesses bezeichnend sein mag: Die Bürgerkriege im Frankreich des 16. Jahrhunderts „als Trauma der französischen Erinnerungskultur […], das lange verdrängt wurde“ werden heute als Religionskriege bezeichnet: Die kollektive Erinnerung vermeidet den terminus technicus Bürgerkrieg. Zur „Bürgerkriegsapokalypse“ Les Tragiques von Agrippa d’Aubigné siehe Segler-­Messner, Mord und Martyrium, 2014 (beide Zitate auf S. 157).

12 | Der griechische Bürgerkrieg der Erinnerungen

Beispiel vorzunehmen; der griechische Bürgerkrieg und seine erzählerische Aufarbeitung sind ein geeignetes Beispiel. Gleichwohl hätte man die kollektiven Prozesse, wie wir sie in den verschiedenen Textsorten beobachtet haben, auch in den Literaturen anderer Nationen beobachten können – so gibt es z. B. ausgesprochen viel Sekundärliteratur zum spanischen Bürgerkrieg.4 Literaturtheoretisch stehen hier s­ olche Fragen im Raum wie diejenige, ob die Fiktion ein geeignetes Mittel ist, historische Ereignisse zu repräsentieren, und ob man autobiographischen Texten tatsächlich ihren Anspruch auf Wiedergabe des tatsächlich Geschehenen zugestehen kann. Ein enger Zusammenhang ­zwischen Erlebtem und Fiktion, der kaum noch eine Grenze z­ wischen fiktionalem und autobiographischem Erzählen erkennen lässt, gehört sicherlich zu den wahrnehmbaren Merkmalen erinnerungskulturell relevanter Narrative.5

Der griechische Bürgerkrieg (194? – 1949) Der griechische Bürgerkrieg wurde nicht von der einen Partei der anderen „erklärt“ – er entstand im Rahmen bestehender Konflikte. Wann genau, darüber lässt sich streiten. Und selbstverständlich wird auch darüber gestritten – so z. B. in dem Historikerstreit der vergangenen Jahre.6 Bei der Definition des Ereignisses Griechischer Bürgerkrieg sind wir nicht etwa der Geschichtswissenschaft gefolgt. Für das Projekt war entscheidend, dass die Narrative über die Geschehnisse als Bürgerkriegsnarrative formuliert sind. Zu diesen Geschehnissen gehören gewalttätige Auseinandersetzungen ­zwischen rivalisierenden griechischen Gruppen während der deutschen Besatzung, weiter die auch als „Schlacht um Athen“ bezeichneten, höchst gewaltsamen Straßenkämpfe im Dezember 1944 nach der Rückkehr der von britischer Seite unterstützten Exilregierung (griechisch „Dekemvriana“, d. h. wörtlich Dezemberereignisse) und drittens der von allen Seiten als solcher bezeichnete eigentliche Bürgerkrieg 1946 bis 1949 – „eigentlich“, weil hier die klassische Konstellation Rebellen vs. Regierungstruppen vorlag. Übrigens gibt es auch eine offizielle, 1989 durch ein Gesetz erfolgte Festlegung des Bürgerkriegs auf die Jahre 1944 – 1949.7 Ob ein Ereignis in Form eines Bürgerkriegsnarrativs erzählt wird, ergibt sich aus der Story, die jeweils erzählt wird. Als ein Narrativ zum griechischen Bürgerkrieg betrachten wir erzählende Texte, in denen innergriechische, politisch motivierte Gewalt thematisiert wird, wobei für uns nicht entscheidend ist, wie diese Gewalt im Einzelnen gerechtfertigt 4 Bannasch; Holm (Hg.): Erinnern und Erzählen, 2005; Bandau; Buschmann; von Treskow (Hg.), Literaturen des Bürgerkriegs, 2008. 5 Vgl. Röhnert (Hg.), Autobiographie und Krieg, 2014. 6 Siehe Skordos, Der Bürgerkrieg, 2014. 7 Per Gesetz mit der Nummer 1863/1989: Demertzis, O Εμφύλιος Πόλεμος (Der Bürgerkrieg), 2013, S. 73.

Der griechische Bürgerkrieg | 13

wird. In einem bereits erschienenen Beitrag bin ich ausführlicher auf das Beispiel des Romans Η Φωτιά (1946; Das Feuer) von Dimitris Chatzis eingegangen. In dem Roman wird geschildert, wie die im Widerstand gegen die deutsche Besatzung engagierte Protagonistin einen anderen Griechen ermordet. Und dies auf den bloßen Verdacht hin, er sei ein Kollaborateur und Spitzel im Dienste der Deutschen. Der Roman wurde noch vor dem Ausbruch des eigentlichen Bürgerkriegs verfasst. Der Mord an dem Griechen wird motiviert als Mord an einem Kollaborateur. Dieses Beispiel soll hier stellvertretend stehen für die Schwierigkeit, den Anfang des griechischen Bürgerkriegs zu benennen. Avgerini tötet aus einem politischen Grund einen Griechen – die Konstellation des Bürgerkriegs. Der Getötete war aber Kollaborateur – seine Ermordung somit ein Akt des Widerstands.8 Ist das nun schon Bürgerkrieg oder ist das noch Widerstand? Dass es innergriechische Gewalt bereits in den Jahren der Besatzung 1941 – 1944 gab,9 ist unumstritten – die politische und, davon abhängig, die historische Wertung kann von der eigenen politischen Perspektive abhängig sein. Für die vorliegende Untersuchung ist die Konstellation relevant – Gewalt von Griechen gegen Griechen –, nicht die politische Wertung.10 Während des Projektes sind wir davon ausgegangen, dass der Bürgerkrieg keinen definierten Anfangspunkt hatte (und dass seine tieferen Ursachen möglicherweise älter sind als die eigentlichen Ereignisse).11 Während der Jahre der Okkupation Griechen­ lands im Anschluss an den deutschen Einmarsch im April 1941 (dem im Oktober 1940 ein Angriff des faschistischen Italien vorausgegangen war) gab es rivalisierende Interessenlagen auf griechischer Seite. Und diese gewannen an Relevanz, je wahrscheinlicher es wurde, dass die deutsche Besatzung nicht mehr lange Bestand haben würde. Die Rivalität eskalierte in einem Umfeld, das durch das entmenschlichte Vorgehen der deutschen Besatzer gegen die griechische Bevölkerung bereits von extremer Gewalt gekennzeichnet war.12 Die Interessengruppen bestanden im Wesentlichen aus zwei Lagern: Auf der einen Seite gab es ein (heterogenes) bürgerliches Lager, welches die 8 Moennig, Wie siamesische Zwillinge, 2015, S. 293 – 297. 9 Im April 1941 marschierten neben deutschen auch italienische und bulgarische Truppen in Griechenland ein. Die deutsche Besatzung hat sich am nachhaltigsten in die kollektive ­Erinnerung an die Jahre 1941 – 1944 eingeprägt. 10 Was Skordos, Der Bürgerkrieg, 2014, S. 22 f., über die „‚historische Meistererzählung‘ der ‚Nationalgesinnten‘, 1950 – 1974“ schreibt, macht verständlich, warum die linke Geschichtsschreibung sich schwer damit tat, bereits die Auseinandersetzungen der Okkupationsjahre und die auch als „Schlacht um Athen“ und Dezemberereignisse bezeichneteten Straßenschlachten des Dezember 1944 als Bürgerkrieg darzustellen. 11 Apostolidou, Τραύμα και μνήμη (Trauma und Erinnerung), 2010, grenzt aus Gründen wissenschaftlicher Methodik ihre Materialmenge auf Texte ein, die auf Ereignisse der Jahre 1946 – 1949 fokussieren. 12 Wichtigste Standardliteratur zur deutschen Besatzung 1941 – 1944: Fleischer, ­Kreuzschatten, 1986; Mazower, Inside Hitler’s Greece, 1993.

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Wiederherstellung der bürgerlichen Ordnung der Zwischenkriegsjahre anstrebte und die Legalität bzw. Legitimität der griechischen Exilregierung unter britischem Protektorat nicht anzweifelte. Im griechischen erinnerungskulturellen Diskurs sind das die „Rechten“. Als wichtigste rechte Gruppe wird der im September 1941 gegründete EDES (= Nationale Republikanische Griechische Liga) erinnert. Auf der anderen Seite stand ein ebenfalls heterogenes Lager, das Widerstandsgruppen vereinte, zu deren Formierung die Kommunistische Partei Griechenlands KKE wesentlich beigetragen hatte; nicht alle Mitglieder der linken Widerstandsgruppen waren aber im gleichen Maße linientreu. Im griechischen erinnerungskulturellen Diskurs sind das die „Linken“. Ihre wichtigste Organisation war das im September 1941 gegründete EAM (= Nationale Befreiungsfront) und seine im Februar 1942 gegründete (para-)militärisch organisierte Untergruppe ELAS (= Griechische Volksbefreiungsarmee). 1943 gewann der Teufelskreis der Gewalt deutlich an Dynamik, dies im Zusammenhang mit der Kapitulation Italiens, das somit auch als Besatzungsmacht wegfiel. Neben einer Eskalation der Gewalt gab es eine Eskalation des Unrechts. In den Versionen über die Ereignisse, die „erzählt“ werden, werden eine Vielzahl von Verhaltensweisen auf die zwei genannten Pole – rechts und links – heruntergebrochen. Und die beiden so entstandenen Lager werfen sich gegenseitig Unrecht vor. Die Linken beanspruchten für sich, den wichtigsten Beitrag zum Widerstand gegen die Besatzungsmächte geleistet zu haben, fühlten sich aber trotz (offizieller) Regierungsbeteiligung in ihren politischen Gestaltungsmöglichkeiten unmittelbar nach Abzug der deutschen Besatzungsmacht eingeschränkt. Aus ihrer Sicht waren alle Rechten Volksverräter; sie warfen den Rechten Kollaboration mit der deutschen Besatzung oder auch mit dem britischen Protektorat vor, unter dem die Exilregierung stand; die Motive für Kollaboration waren Machtund Habgier, das Mittel als Bürgerwehr ausgegebener (und aus den Waffenlagern von Deutschen und Briten ausgestatteter) Terror. Aus Sicht der Bürgerlichen nutzten die Linken die Besatzung, um das bürgerliche Establishment zu bekämpfen; sie betrieben „roten Terror“, den sie als Widerstand tarnten und den sie nach Abzug der Deutschen fortsetzten; um ihr Anliegen als nicht national zu klassifizieren, wurde die griechische Nationalität der Linken angezweifelt; das Motiv war Klassenkampf. Betrachtet man den Bürgerkrieg als ein Ereignis, das sich aus einer bestimmten historischen Konstellation entwickelt hat, dann ist die „Schlacht um Athen“ im Dezember 1944 nicht ein neuer Konflikt, sondern ein neuer Ausbruch auf einer höheren Eskalationsstufe. Die griechische Regierung kehrte aus dem ägyptischen Exil zurück und brachte die britische Schutzmacht gleich mit. Das EAM war an der neuen Regierung beteiligt, eine von Vertrauen geprägte Zusammenarbeit war aber anscheinend nicht möglich.13

13 „Die Weigerung der Führung des KKE und des EAM, sich auf eine in der Sache einseitige Niederlegung der Waffen und auf eine Entwaffnung des ELAS einzulassen, führte zu der

Der griechische Bürgerkrieg | 15

Es kam nicht nur zu sehr blutigen Straßenschlachten unter Einsatz von Schusswaffen; die Ethniki Politofylaki (= Nationale Bürgerwehr), die direkt dem KKE unterstand, ging dazu über, „Reaktionäre“, d. h. Personen, die sie der Kollaboration bezichtigte oder die als Kollaborateure denunziert worden waren, in ihren Wohnungen zu verhaften, zu vernehmen, gegebenenfalls zu internieren, einem Volksgericht vorzuführen und, je nach Ergebnis der Untersuchung, freizulassen, zu verschleppen oder in einigen Fällen auch hinzurichten.14 Aus den Narrativen gewinnt man den Eindruck, als sei das im Dezember 1944 Geschehene das tiefstgreifende Ereignis gewesen. Formal unterschieden sich die Dekemvriana von den Ereignissen während der Okkupationszeit dadurch, dass die bürgerlichen Rechten zu Regierungstreuen und die Linken zu Rebellen mutierten – die Rollenverteilung passte sich nun den Formalien eines Bürgerkriegsnarrativs an. Ob die Regierung überhaupt eine legitime Regierung war – war sie zum Zeitpunkt des deutschen Einmarsches legitim? Wenn ja, hat sie durch Umbildungen im Exil unter britischem Protektorat ihre Legitimität verloren? – ist nochmal eine andere Frage. Ein im Februar 1945 unterzeichneter Vertrag, benannt nach dem Verhandlungsort Varkiza, scheiterte in der Umsetzung – er hatte einen demokratischen Neuanfang zum erklärten Ziel, ein Mittel war die vollständige Entwaffnung des ELAS . Er führte aber nicht zur Deeskalation. Anscheinend gab es aber auch Diffe­ renzen z­ wischen dem Verhandlungspartner KKE und dem ELAS , der in Varkiza zugleich auch Verhandlungsgegenstand war. Die vereinbarte Entwaffnung des ELAS war in der Praxis alles andere als vollständig; es gab – während das KKE als legal anerkannt war – einen politischen Untergrund und Verhaltensweisen politischer Illegalität, und es gab Formen von „weißem Terror“ – willkürliche politische Verfolgung durch die offizielle, institutionalisierte Staatsgewalt. Auf alle Fälle enthielt das KKE sich der Beteiligung an den Parlamentswahlen im März 1946, während es im Verlauf desselben Jahres zu offenen Kampfhandlungen und zur Gründung einer ­Volksarmee durch das KKE kam, dem DSE (= Demokratische Armee Griechenlands), am 28. Oktober 1946.15 Auch für diesen offenen Ausbruch des Konflikts in Form eines Bürgerkriegs z­ wischen Regierungstruppen und Rebellen gib es keinen genau definierten und definierbaren Anfang: „Im Sommer 1946 begann, anfangs kaum wahrnehmbar, dann mit Nachdruck,

militärischen Auseinandersetzung im Dezember [d. i. 1944]“ („Η άρνηση της ηγεσίας του ΚΚΕ και του ΕΑΜ για μονόπλευρη ουσιαστικά κατάθεση των όπλων και των αφοπλισμό του ΕΛΑΣ οδήγησε στη στρατιωτική αναμέτρηση του Δεκεμβρίου“), Margaritis, Ιστορία (Geschichte), 2001, Bd. 1, S. 67. 14 Charalambidis, Δεκεμβριανά 1944 (Dezemberereignisse 1944), 2014, S. 279 – 291. 15 Dies ist das offizielle, vom KKE erinnerte Ereignis: Voglis, Η δεκαετία του 1940 ως παρελθόν (Die 40er Jahre als Vergangenheit), 2007, S. 437.

16 | Der griechische Bürgerkrieg der Erinnerungen

der Bürgerkrieg.“ 16 Dagegen gibt es ein Datum, an dem der Bürgerkrieg sein Ende fand: den 29. August 1949. An d­ iesem Tag wurden die Rebellen am nordwestgriechischen Grammos vernichtend geschlagen und in die Flucht in die nördlichen Nachbarländer getrieben: „Am 1. September 1949 wussten alle, dass der Krieg vorbei war.“ 17 Zu ­diesem Zeitpunkt war der Erinnerungskrieg zu den Ereignissen bereits im vollen Gange. Unbestritten sollte auf alle Fälle sein, dass es spätestens in den Auseinandersetzungen von 1946 bis 1949 um Erhalt der bürgerlichen Ordnung vs. Kommunismus ging.18

Kernfragen I und II: Wer sind die anderen und wer hat angefangen? Besonders in der frühen Phase, in der erste Narrative lanciert wurden, ist auch für das griechische Paradigma ein inhaltliches Merkmal entscheidend, das Albrecht Koschorke allgemein für Bürgerkriegsnarrative ausformuliert: Besonders in Bürgerkriegserzählungen ist die Wahl des Anfangs folgenreich, weil von dem jeweils festgelegten Beginn an gleichsam der Zähler des Unrechts mitläuft, das einer Konfliktpartei zugefügt wurde und das ihre Gegenwehr legitimiert. Denn nur, was Teil der erzählten Welt ist, lässt sich in eine Gesamtrechnung von Schuld und Rache einbeziehen, wie sie in ­solchen ­Fällen aufgestellt wird. Grundsätzlicher noch entscheidet sich mit der Wahl des Anfangs, ob ein Konflikt überhaupt als Bürgerkrieg wahrgenommen und dargestellt wird: ob man dem Streit der Parteien erzählerisch eine ethnische oder politische Einheit vorschaltet, die es glaubhaft macht, den Krieg zu einem inneren Krieg, einem Bruderkrieg zu erklären.19

Koschorke benennt eine Anzahl von Merkmalen, die für Bürgerkriegsnarrative kennzeichnend sind: Ist der Krieg tatsächlich ein innerer Krieg? War der griechische Bürgerkrieg also ein innerer Krieg? Oder machten tatsächliche oder unterstellte Zusammenarbeit mit bzw. Unterstützung durch nichtgriechische(n) Mächte(n) die einen zu „Slawen“ und die anderen zu Volksverrätern?20 Tatsächlich ist es so, dass gerade in den frühen Erzählungen sehr großer Wert gelegt wird darauf, dass 16 „Το καλοκαίρι τυ 1946 ξεκινούσε, ανεπαίσθητα στην αρχή, ορμητικά στη συνέχεια, ο Εμφύλιος Πόλεμος“, Margaritis, Ιστορία (Geschichte), 2001, Bd. 1, S. 215. 17 „Την 1η Σεπτεμβρίου 1949 όλοι γνώριζαν ότι ο πόλεμος είχε τελειώσει“, Margaritis, Ιστορία (Geschichte), 2001, Bd. 2, S. 555. 18 van Boeschoten; Vervenioti; Voutyra; Dalkaboukis; Bada; Εισαγωγή (Einleitung), 2008, S. 9. 19 Koschorke, Bürgerkriege, 2011, S. 39 f. 20 „Slawen“: zum Thema s. Skordos, Makedonische Frage, 2012.

Legitimität | 17

der andere eigentlich auch ethnisch ein anderer oder ein Verräter, nämlich ein Kollaborateur war. Wie bereits gesagt, was durch die Links-­Rechts-­Metapher auf zwei Lager heruntergebrochen wird, in Wirklichkeit einer sehr großen politischen Vielfalt entsprach. Und wer hat angefangen? Diese zweite Frage war nicht nur in den frühen Narrativen von großer Bedeutung; die Schwierigkeit, einen Beginn des griechischen Bürgerkriegs zu benennen, hängt in einem gewissen Maße damit zusammen, dass man kaum einen Beginn als solchen definieren kann, ohne damit eine Partei zu belasten. Allerdings trifft das auch für jede Schilderung von Ereignissen zu, die zu einem Zeitpunkt stattfanden, als der Bürgerkrieg bereits im vollen Gange war: Je nachdem, wie ich die Geschichte erzähle, belaste ich die eine oder die andere Partei – wenn sich im Laufe der Jahrzehnte daran etwas geändert hat, dann das, dass die Bereitschaft, eigene Fehler einzugestehen, auf beiden Seiten zunahm. „Du gehörst nicht zu uns“ und „Du hast angefangen“ sind auf alle Fälle Argumente in einem Erinnerungskrieg, die sich in erzählende Texte einfassen lassen; erzählende Texte und Textgattungen sind somit ein geeignetes Medium für einen Erinnerungsbürgerkrieg – und es wurde von ihnen Gebrauch gemacht. Und das, ohne Zeit zu verlieren: Der früheste in der Datenbank des Projekts erfasste Text ist Βροντάει ο Όλυμπος (1945; Der Olymp donnert) von Antonis Angeloulis.21

Kernfrage III: Legitimität Ein weiteres inhaltliches (mit den beiden zuvor besprochenen Charakteristika unmittel­ bar zusammenhängendes) Merkmal von Bürgerkriegsnarrativen besteht darin, wie Alex Veit und Klaus Schlichte erläutern, dass sie Legitimität herstellen, weil politische Gewalt legitimiert werden muss: Wie bei allen auf Herrschaft zielenden Organisationen hängt der Erfolg nicht-­staatlicher bewaffneter Gruppen wesentlich davon ab, ob ihre Ziele, ihre Handlungen und ihre Strukturen als legitim wahrgenommen werden. Nicht-­staatliche bewaffnete Gruppen unterscheiden sich in dieser Hinsicht von etablierten Staatsapparaten vor allem darin, dass letzterer sich immer auf die Legitimität seiner Macht berufen kann, während Rebellen den Staat narrativ delegitimieren müssen, um ihre eigene Gewalt zu rechtfertigen. Dieser schwierige Übergang von situativer Macht zu gefestigter Herrschaft steht Rebellengruppen noch bevor, und viele scheitern an dieser Aufgabe. Zentral in d­ iesem Prozess ist die Rolle der Gewalt. Die Anmaßung von Gewaltmacht hat schwerwiegende Folgen für ihr Legitimitätsstreben, denn die Gewalt selbst muss in den Augen der Gefolgschaft und von Beobachtern als gerechtfertigt erscheinen. Andernfalls schädigt sie das Ansehen der Gruppe, disqualifiziert sie als

21 Kyriakis, Datenblatt Angeloulis, 2013.

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politischen Akteur und unterminiert ihre Handlungsfähigkeit. Zugleich stellt Gewaltausübung die Legitimität bewaffneter Gruppen als zukünftiger Herrschaftsorganisation aber auch erst her, denn damit stellen sie ihre Fähigkeit zu herrschaftlichem Handeln unter Beweis. Da Gewalt und Legitimität auf diese Weise untrennbar verbunden sind, stehen bewaffnete Gruppen einem Dilemma gegenüber: Politische Gewalt muss legitimiert werden. Deshalb erzählen Gruppen von ihren eigenen Zielen und der Illegitimität des jeweiligen Gegners. Die Ausübung von Gewalt produziert jedoch delegitimierende Erzählungen. Wie überwinden bewaffnete Gruppen also die delegitimierenden Effekte ihrer zentralen Tätigkeit, der Gewaltausübung?22

Demnach geht es nicht nur um interne Gewalt – in unserem Beispiel Griechen gegen Griechen – und um die Suche nach den Identitätsmerkmalen der Akteure und ihren Motivationen, sondern auch um ihre Legitimität. Dass von Argumenten der Legitimität Gebrauch gemacht wurde (und wird), ist offenkundig: Der Widerstand gegen fremde Besatzungsmächte legitimiert Gewalt – vielleicht ein Grund dafür, warum es in narra­ tiven Texten über den Bürgerkrieg so häufig um Ereignisse während der Besatzungsjahre geht. Aber war der Kampf des ELAS überhaupt Widerstand, oder handelte es sich um Klassenkampf und „roten Terror“ (gegen den man sich wehren musste, notfalls in Kolla­boration mit den Besatzungsmächten)?23 War die Regierung überhaupt legitim? War ihr Anliegen ein griechisches, oder war es ein Anliegen verräterischer Kollaborateure? Gab es möglicherweise ganze Genealogien von Kollaborateuren? Und welches war das Motiv für diesen Verrat? Welches, wenn nicht persönliches materielles Interesse oder persönlicher Machtgewinn – ausgewiesen als Allgemeinwohl? Waren die Mittel dieser Regierung als Bürgerwehr kaschierter „weißer Terror“? Wer mit w ­ elchen Argumenten delegitimiert wird, ist geradezu ein entscheidendes Kriterium zur Feststellung, aus ­welcher politischen Perspektive ein Text verfasst wurde.

Der frühe Erinnerungsbürgerkrieg: parallele Monologe mehrerer Erinnerungsgemeinschaften? In einem Beitrag von 2007 argumentierte Polymeris Voglis, dass das kollektive Gedächtnis der Griechen „gespalten“ sei, „weil jeder der beiden Gegner sein eigenes kollektives Gedächtnis und sein eigenes Narrativ entwickelte.“ 24 Venetia Apostolidou schlägt 2 2 Veit; Schlichte, Gewalt und Erzählung, 2011, S. 153. 23 Einen konzisen Überblick bietet Skordos, Der Bürgerkrieg, 2014, S. 22 – 25. 24 „[H συλλογική μνήμη είναι διαιρεμένη,] επειδή ο καθένας από τους δυο αντιπάλους διαμόρφωσε τη δική του συλλογική μνήμη και αφήγηση“, Voglis, Η δεκαετία του 1940 ως παρελθόν (Die 40er Jahre als Vergangenheit), 2007, S. 439.

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eine weitere Zweiteilung vor: „der politischen Flüchtlinge und der Überlebenden in Griechenland.“ 25 In der Folge rät sie dazu, Erinnerungsgemeinschaften anhand ihrer literarischen Produktion zu identifizieren.26 An dieser Stelle mögen Zahlen interessieren: „1943 – 1944 zählten die Organisationen, aus denen sich das EAM zusammensetzte, gemäß verschiedener Schätzungen ­zwischen 800.000 und 1,5 Millionen Mitglieder – das waren ­zwischen 10 % und 20 % der gesamten Bevölkerung des Landes.“ 27 Sicherlich wurde nach 1949 nicht ein so g­ roßer Prozentsatz von der übrigen Gesellschaft segregiert, und somit gab es trotz Repression offenbar auch ein Zusammenleben und eine Kommunikation. Unabhängig davon dominierten die bürgerlichen Sieger natürlich ganz klar alles Geschehen, während die linken Verlierer und ihre Angehörigen, sofern sie physisch überlebt hatten und sich nicht im Exil, in Haft bzw. in der Verbannung befanden, extremer Diskriminierung ausgesetzt waren.28 Dies spiegelte sich auch in der Erinnerungs- und Geschichtspolitik wider. In seinem Artikel zur griechischen Kultur und Politik der Erinnerung an den Bürgerkrieg schreibt Adamantios Skordos: Die in der Verfassung von 1952 verankerten politischen Freiheiten wurden durch eine Reihe von Beschlüssen, Verfassungsakten, Dekreten und Notstandsgesetzen, die mehrheitlich als ‚außerordentliche Maßnahmen‘ während des Bürgerkriegs erlassen worden waren und in die Geschichte als ‚Nebenverfassung‘ (Parasyntagma) eingingen, stark eingeschränkt.29

Dennoch – unabhängig von aller Repression gab es mit der EDA (= Vereinte Demokratische Linke) bereits seit 1951 eine legale linke Partei. In den Geschichtslehr­ büchern der Sekundarstufe wurde das Thema Bürgerkrieg bis 1967 vollständig ausgeklammert; erst ab 1969, also in den Jahren der Militärdiktatur, wird der Bürgerkrieg als Folge von Absichten der Staaten „hinter dem Eisernen Vorhang“, Griechenland mit Hilfe des KKE wegen seiner geopolitischen Lage unter ihre Kontrolle zu bringen, dargestellt.30 Wann genau der Siegeszug des linken Narrativs begann, wird sich kaum ermitteln lassen; seinen Anfang wird er, kaum merklich, während der tiefsten Repression genommen haben:

25 „[Δυο παράλληλων μνημονικών κοινοτἠτων,] των πολιτικών προσφύγων και των επιζησάντων στην Ελλάδα“, Apostolidou, Τραύμα και μνήμη (Trauma und Erinnerung), 2010, S. 132. 26 Apostolidou, Τραύμα και μνήμη (Trauma und Erinnerung), 2010, S. 133. 27 Kousouris, Kollaboration und Geschichtsschreibung, 2015, S. 170, mit Verweis auf ­Baerentzen, Η λαϊκή υποστήριξη του ΕΑΜ (Die Unterstützung des EAM in der Bevölkerung), 1984. 28 Vgl. Voglis, Die Rückkehr der Vergangenheit, 2015, S. 69 f. 29 Skordos, Der Bürgerkrieg, 2014, S. 22. 30 Bondila, Η εξέλιξη της αφήγησης (Die Entwicklung des Narrativs), 2008, S. 334.

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Der Roman [gemeint ist Η Φωτιά, Das Feuer, von Dimitris Chatzis] formuliert ein Narrativ aus einem Stück […], das die moralische Überlegenheit des EAM postuliert […]. Dieses Narrativ, passend in die Zeit weißen Terrors, bildete in einem hohen Maß das Modell des Masternarrativs der Linken zu den 1940er Jahren, und das für die Dauer mehrerer Jahrzehnte.31

Bis das linke Narrativ – das Narrativ der moralischen Überlegenheit – die Oberhand gewinnt, ist es nicht mehr das, was in den „Erinnerungsseminaren“ (siehe unten, S. 33) der frühen 1950er Jahre konstruiert wurde. Im Exil, „in den Internierungslagern und in den Gefängnissen“ entwickelte sich eine eigene Erinnerungskultur.32 Bereits 1950/51 fand eine erste Produktion von Selbstzeugnissen von Frauen auf der Verbannungsinsel Trikeri statt, unter der Aufsicht von Rosa Imvrioti.33 Insbesondere auf der Verbannungsinsel Ai-­Stratis begannen die Verbannten, das Meinungsbildungsmonopol der kommunistischen Parteiführung zu hinterfragen.34 Mittlerweile liegen eine Bibliographie der Exilpublikationen 35 und eine Monographie über die Exilliteratur 36 vor – diese erfassenden und rückschauenden Publikationen sind eine Folge des Endes der Exilsituation. Eine Repatriierung der Exilierten hatte bereits unter der Regierung von Georgios Papandreou in den 1960er Jahren begonnen,37 der Militärputsch 1967 und die daran anschließende Militärdiktatur, die mit einer neuen Exilierung einhergingen, verzögerten den Prozess einer physischen Wiedervereinigung der beiden Lager. Exil, Verbannung und Inhaftierung wurden ihrerseits schnell zum Gegenstand von Narrativen und einer Erinnerungskultur, in der die Verbannungsstätten als Erinne­ rungsorte wahrgenommen werden.38

31 „Έτσι το μυθιστόρημα διαμορφώνει μια εννιαία αφήγηση […] που διεκδικεί την ηθική ανωτερότητα του ΕΑΜ […] Η αφήγηση αυτή, αναμενόμενη κατά την περίοδο λευκής τρομοκρατίας, αποτέλεσε σε μεγάλο βαθμό το πρότυπο της μεγάλης αφήγησης της Αριστεράς για τη δεκαετία του 1940 για τις επόμενες δεκαετίες“, Nikolopoulou, Ο „Τριακονταετής Πόλεμος“ (Der „Dreißigjährige Krieg“), 2008, S. 431. 32 „[Περιφερειακά στην αρχή, κυρίως] στους τόπους της εξορίας και της φυλακής“, Iliou, Το πολιτικό πλαίσιο (Die politischen Rahmenbedingungen)“, 2007, S. 321; s. auch Apostolidou, Τραύμα και μνήμη (Trauma und Erinnerung), 2010, S. 134. 33 Vervenioti, Μνήμες και αμνησίες (Erinnerungen und Gedächtnislücken), 2008, S. 88. 34 Iliou, Το πολιτικό πλαίσιο (Die politischen Rahmenbedingungen)“, 2007, S. 329. 35 Matthaiou; Polemi, Η εκδοτική περιπέτεια (Das verlegerische Abenteuer), 2003. 36 Apostolidou, Τραύμα και μνήμη (Trauma und Erinnerung), 2010. 37 Nikolopoulou, Ο „Τριακονταετής Πόλεμος“ (Der „Dreißigjährige Krieg“), 2008, S. 475, nennt die Namen Elli Alexiou, Melpo Axioti, Giorgos Sevastikoglou und Alki Zei. 38 Siehe z. B. Panagiotou; Dimakopoulos, Τόποι εξορίας. Ένα σημερινό βλέμμα (Verbannungsorte. Eine heutige Sicht), 2009.

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Bereits seit 1954 gab es mit der Epitheorisi Technis ein legales Organ für linke ­Kritik;39 ebenfalls 1954 gegründet wurde der von Anfang an „progressive“ Literaturverlag Kedros; dies und die bloße Tatsache, dass in den 1950er Jahren eine ganze Gruppe von literarischen Texten desavouiert werden konnte (durch den Kritiker Dimitris bzw. Mimis R ­ aftopoulos)40 und ­dieses in erster Linie politische Verdikt auch heute noch die Rezeption von Werken prägt, an deren literarischer Qualität es nicht viel zu zweifeln gibt, legen den Schluss nahe, dass es Ansätze zu einem kollektiven Erinnerungsdiskurs gab und dass das linke Wort Möglichkeiten hatte, darin Eingang zu finden. Persönlich würde ich sagen, dass auch die Umsemantisierungen der Werke, die der Kritiker Dimitris R ­ aftopoulos als in verwerflicher Weise rechts verurteilt hatte,41 einen sich entwickelnden kollektiven Erinnerungsdiskurs widerspiegeln, in den nicht nur das politisch begünstigte Wort, sondern auch das benachteiligte Eingang fanden. Demertzis beschreibt bezogen auf die frühen 1960er Jahre eine Situation (und die strukturellen Veränderungen, die sie ermöglichten), in die ein solcher sich entwickelnder Erinnerungsdiskurs sich einfügt.42 Ob man die (nicht bereits in den 1950er, sondern erst in den 1960er Jahren) als „schwarze politische Literatur“ etikettierten Werke als einfach missverstanden betrachtet, ob man die späteren Umsemantisierungen dieser Romane als mangelnde Aufrichtigkeit (Personen stehen später nicht mehr zu ihren früher geäußerten, nicht länger opportunen Meinungen) oder als legitimes Recht eines Urhebers, sein Werk zu revidieren, wertet 43 oder ob man die durch die Revisionen bedingten Schwierigkeiten, den Verlauf 39 Iliou, Το πολιτικό πλαίσιο (Die politischen Rahmenbedingungen), 2007, und Ιστορίες της Επιθεώρησης Τέχνης (Geschichten der Revue der Kunst), 2007; Nikolopoulou, Ο „Τριακονταετής Πόλεμος“ (Der „Dreißigjährige Krieg“), 2008, S. 442, spricht von einem „Versuch der Distanzierung vom Klima des Bürgerkriegs“ („προσπάθειες αποστασιοποίησης από το κλίμα του Εμφυλίου“). 40 Raftopoulos, Rezension Kasdaglis 1955; Raftopoulos, Rezension Kotzias 1955; ­R aftopoulos, Rezension Provelengios/Roufos Ρίζα (Wurzel) und Frangopoulos, 1955. Siehe dazu Kapitel 9 von Joachim Winkler im vorliegenden Band. 41 Zuerst thematisiert wurden Umarbeitungen dieser Art von Angela Kastrinaki in ihrer Rezension zu Rodis Roufos, Χρονικό μιας σταυροφορίας, 2004 (die Information verdanke ich Joachim Winkler); in Moennig, Wie siamesische Zwillinge, 2015, S. 301 – 306, spreche ich von „Umsemantisierung“ und schließe Giorgos Theotokas (die Einarbeitung von Ιερά Οδός, Heilige Straße, in die Trilogie Ασθενείς και Οδοιπόροι, Kranke und Wanderer) und die Ausgabe von 1976 des Romans Πολιορκία (Belagerung) von Alexandros Kotzias in meine Betrachtung mit ein; die ausführlichste Studie zum Thema zu den späteren Umarbeitungen von Romanen der 1950er Jahre ist Kastrinaki, Ρούφος, Κοτζιάς, Κάσδαγλης (Roufis, Kotzias, Kasdaglis), 2015; Winkler 2018 stellt eine grundlegende Neubewertung der Diskussion um die schwarze (politische) Literatur dar. 42 Demertzis, O Εμφύλιος Πόλεμος (Der Bürgerkrieg), 2013, S. 55 – 56. 43 Raftopoulos wird übrigens seine Rezensionen der Werke, die er als „schwarze (politische) Literatur“ bezeichnete, in Neuveröffentlichungen ebenfalls redigieren; siehe dazu Kapitel 9

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des Erinnerungsdiskurses nachzuvollziehen, als philologisch-­literaturwissenschaftliches Ärgernis beklagt – eines wird man festhalten können: Eine Siegerliteratur in der Form literarischer Narrative, durch ­welche die Position des bürgerlichen Lagers Rechtfertigung erfahren sollte, hat sich, auch wenn manche Werke als ­solche wahrgenommen wurden und auch wenn die Repression der 1950er ein solches Narrativ begünstigte, nicht etablieren können.44 Bemerkenswert ist m. E. übrigens, dass Giorgos Theotokas weder in den Diskussionen um die (zynische) Siegerliteratur Mitte der 1950er Jahre noch um die späteren Revisionen bzw. Umsemantisierungen entsprechender Werke so in den Fokus geriet, wie dies bei den Werken der Fall war, die von Raftopoulos als „schwarze (politische) Literatur“ klassifiziert worden waren. Angela Kastrinaki unterstreicht, dass Theotokas’ Darstellung der Deutschen i. J. 1964 im Vergleich zu 1950 modifiziert wurde: In ­diesem Roman [d. i. Kranke und Wanderer, 1964] versucht Theotokas im Grunde, sein ­liberales Selbst z­ wischen rechtem und linkem Lager wiederzufinden, das ihm in den Konflikten des Bürgerkriegs abhandengekommen war.45

Die Ιερά Οδός (1950; Heilige Straße) wurde durch Einarbeitung in die Trilogie Ασθενείς και Οδοιπόροι (1964; Kranke und Wanderer)46 politisch deutlich umsemantisiert. ­Theotokas mag zugleich auch ein geeignetes Beispiel darstellen für die Änderung persönlicher Überzeugungen wegen jüngerer politischer Entwicklungen und die damit einhergehende Umbewertung der Ereignisse der 1940er Jahre. Der Roman Ιερά Οδός (Heilige Straße) und insbesondere sein Ende lesen sich wie eine Anschuldigung an die Linken, sie hätten die Ankunft der Barbaren als eine Lösung im griechischen Klassen­ kampf ausdrücklich willkommen geheißen.47 In der 1964 erschienenen Trilogie Ασθενείς και Οδοιπόροι (Kranke und Wanderer) geht es um die Phänomenologie der Kollaboration

4 4 45 4 6 47

von Joachim Winkler im vorliegenden Band. Siehe dazu Kapitel 9 von Joachim Winkler im vorliegenden Band. Kastrinaki, Das Bild des Deutschen, 2015, S. 262. Deutsche Übersetzung von Inez Diller: Und ewig lebt Antigone, München: König 1973. In dem Roman Ιερά Οδός (Heilige Straße) werden die beiden ersten und der letzte Vers des bekannten Gedichts von Konstantinos Kavafis, „Warten auf die Barbaren“, zitiert: ­„Worauf warten wir versammelt auf dem Markt? / Es sollen heute die Barbaren kommen. / […] / Eine Art Lösung waren diese Menschen“ (Wolfgang Josing; Doris Gundert [Übers.]­, ­Konstantinos Kavafis, Brichst du auf gen Ithaka … Sämtliche Gedichte Griechisch-­Deutsch, Köln 11983, S. 189 – 191). Die Kavafis-­Zitate im Original auf S. 183, in der deutschen Übersetzung von Inez Diller auf S. 128. Worin diese Lösung bestand, verdeutlichen die Worte eines (kommunistischen) Kellners auf dem Athener Syntagma-­Platz am Abend des 26. April 1941: „Euer Staat hat abgewirtschaftet! Nun kommen andere an die Reihe“ (S. 185, in der dt. Übers. S. 129). Dazu Moennig, Wie siamesische Zwillinge, 2015, S. 301 – 303.

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und das Spektrum möglicher Motive z­ wischen Opportunismus und Selbstlosigkeit: Die Schauspielerin Theano Galati lässt sich mit einem Hauptmann der SS ein, um Vorteile für politische griechische Gefangene erwirken zu können, und wird im Dezember 1944 von der Ethniki Politofylaki volksgerichtlich zum Tode verurteilt und hingerichtet.48 Dass man hinter der fiktiven Figur Theano Galati die Schauspielerin Eleni Papadaki sah – der tatsächlich Kollaboration nachgesagt wurde und die tatsächlich am 21. Dezember 1944 ermordet wurde – trug zusätzlich zur Verlagerung des Schwerpunkts des Romans von 1950 bei. Verschiedene Faktoren werden hier prozesshaft wirksam: Ereignisse der 1950er Jahre lassen für den Autor die Ereignisse der 1940er Jahre in einem neuen Licht erscheinen, und das führt zur Umarbeitung eines Romans. Eine Erfahrung, die Theotokas offenbar beeinflusst und die diese Verlagerung des Fokus möglicherweise bewirkt hat, war diejenige der Integration ehemaliger Kollaborateure in das griechische Nachkriegsestablishment.49 Emblematisch ist seine Stellungnahme im Fall Max Merten – Max Merten, ein Kriegsverbrecher, der insbesondere für die Deportation von Juden verantwortlich war, war 1957 nach Griechenland eingereist und wurde dort festgenommen und verurteilt; 1959 erwirkte die deutsche Bundesregierung über den damaligen griechischen Ministerpräsidenten Konstantinos Karamanlis seine Auslieferung nach Deutschland.50 Auch in dem Roman von Tatiana Gritsi-­Milliex, Και ιδού ίππος χλωρός (1963; Und siehe, ein fahles Pferd)51 geht es – in deutlich subtilerer Weise – um Kollaboration, insbesondere um das Misstrauen, das die Kollaboration in der Gesellschaft bis hin zu den Familien schürte.52 48 Kastrinaki, Κατοχικοί έρωτες (Liebesverhältnisse), 2012, stellt einen Zusammenhang her ­zwischen dem französischen Widerstandsroman Das Schweigen des Meeres von Vercors, der während der Besatzungsjahre von Tatiana Gritsi-­Milliex ins Griechische übersetzt worden war und illegal zirkulierte; die Übersetzung wurde später, 1945, offiziell veröffentlicht. 49 Zur schleppenden Verfolgung und zur politischen Integration von Kollaborateuren siehe ­Dordanas, Η Γερμανική Στολή στη Ναφταλίνη (Die deutsche Uniform in Naphthalin), 2012; zu den Prozessen gegen Kollaborateure und allgemeiner den juristischen/jurisdiktiven Umgang mit dem Thema Kollaboration Kousouris, Δίκες των δοσιλόγων (Die Prozesse der Kollaborateure), 2014, insbesondere auch das Fazit S. 611 – 631; bezeichnend ist das Notstandsgesetz Nr. 1623 aus dem Jahre 1951 und seine Bekräftigung durch das Gesetz Nr. 2057 im Jahr 1952. 50 Zu Theotokas’ Stellungnahme Fleischer, Πόλεμοι της μνήμης (Erinnerungskriege), 2008, S. 532 f. und Abb. 52, 58. Zum Fall Merten Králová, Das Vermächtnis der deutschen Besatzung, 2016, S. 149 – 172. Den Zusammenhang ­zwischen der Figur Ernst Hillebrand in Ασθενείς και Οδοιπόροι und dem Fall Max Merten hat Chatzipanagioti-­Sangmeister, Entstehungsprozess, 2001, gesehen. 51 Deutsche Übersetzung von Günter Dietz: Schatten haben keine Schmerzen, Hamburg: C ­ laassen, 1968. 52 Dazu Anastasiadis, Datenblatt Gritsi-­Milliex, 2013.

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Die fortgesetzte Gegenwart der Vergangenheit Im weiteren Verlauf eines Erinnerungsdiskurses werden zunehmend diejenigen Faktoren relevant, die dazu führen, dass die Vergangenheit in der Gegenwart präsent bleibt. Solche Faktoren waren in Griechenland die zum Teil bereits angesprochenen – nämlich (fortgesetzte) (politische) Verfolgung, Exil, Inhaftierung, Verbannung und gesellschaftliche Diskriminierung –, aber auch Faktoren, die damit zusammenhängen, dass die postu­ lierte physische Trennung eben doch nicht absolut war: Trotz der Flucht vom Land in die Anonymität der Großstadt Athen gab es weiterhin kleine Dorfgemeinschaften, in denen jeder wusste, ­welche die Einstellung des Nachbarn im Krieg und Bürgerkrieg zu welchem bewaffneten Lager war und wer mit wem sympathisierte. „Der Bürgerkrieg fand außerhalb der Städte statt.“ Das Leben mit der kollektiven Erinnerung an einen Bürgerkrieg in den „Bergdörfern und Kleinstädten“ 53 ist etwas ganz anderes als in einer Millionenstadt. Solche Faktoren können auch psychisch und psychotraumatologisch relevant sein, wobei die Wahrscheinlichkeit sich gegenseitig bedingender physischer und psychischer Wirkungen sowohl auf individueller als auch auf kollektiver Ebene hoch ist.54 Grundlegend für die Darstellung des griechischen Bürgerkriegs als kulturelles Trauma (also ein Trauma auf kollektiver Ebene) ist ein Artikel von Nikos Demertzis.55 Posttraumatische Belastungsstörungen können auch nach Jahren der Symptomfreiheit auftreten.56 Ob ein Faktor „physisch“ ist, äußert sich im Was? eines Narrativs; ob er psychisch ist – d. h., ob er die subjektive oder intersubjektive Wahrnehmung betrifft – äußert sich vornehmlich im narrativen Wie?.57 Es sind insbesondere psychologische Faktoren, die dazu führen, dass Ereignisse in der Vergangenheit Motive für späteres Handeln liefern und somit zu einer Verstetigung des Konflikts beitragen, der zunehmend von einem Krieg mit Waffengewalt zu einem Erinnerungskrieg wird. Gesellschaften, die einmal aus dem politischen Gleichgewicht geraten sind („post-­ violence-­societies“), können im langwierigen Prozess der Rehabilitation Rückschläge, auch signifikante Rückschläge erleiden. Es kann z. B. sein, dass die gesamte Gesellschaft in eine neue Situation der politischen Gewalt zurückfällt, was dann einen zweiten Prozess der narra­tiven Aufarbeitung zur Folge hat. Am griechischen Beispiel stellt die Militärdiktatur

53 „Ο Εμφύλιος ήταν ένας πόλεμος της υπαίθρου [… επηρέασε με διαφορετικό τρόπο] τα ορεινά χωριά και τις επαρχιακές πόλεις [απ΄ό,τι τα αστικά κέντρα]“, Voglis, Η δεκαετία του 1940 ως παρελθόν (Die 40er Jahre als Vergangenheit), 2007, S. 445. 54 Maercker, Symptomatik, 2013, S. 31, zitiert eine Studie mit 15- bis 65-jährigen Probanden, nach der die Lebenszeitprävalenz nach Trauma im Zusammenhang mit Krieg 38,8 % beträgt. 55 Demertzis, O Εμφύλιος Πόλεμος (Der Bürgerkrieg), 2013. 56 Maercker, Symptomatik, 2013, S. 32. 57 Siehe dazu Kapitel 3 von Athanasios Anastasiadis, Kapitel 6 von Ulrich Moennig und Kapitel 8 von Athanasios Anastasiadis und Joachim Winkler im vorliegenden Band.

Die fortgesetzte Gegenwart der Vergangenheit | 25

der Jahre 1967 bis 1974 einen solchen Rückfall dar. In ihrem Roman Απόψε δεν έχουμε φίλους (2010; Heute Abend kennen wir keine Freunde) propagiert Sofia Nikolaidou ein Narrativ, das die Unruhen in Athen und Thessaloniki des Jahres 2008 in den Kontext eines sechzig­ jährigen, noch nicht beendeten Krieges setzt – eines Bürgerkriegs der Erinnerung. Der mittlerweile abgeschlossene Prozess einer Revision der sogenannten Metapolitefsi scheint mir die Gefahr eines erneuten Rückfalls in sich getragen zu haben, der offenbar aber abgewendet wurde. Als Metapolitefsi werden der Systemwechsel und die (Wieder-)Herstellung der Demokratie – nach 1974 mit einer linkenfreundlichen Politik, die ab 1981 mit Antritt der PASOK-Regierung unter Andreas Papandreou noch verstärkt wurde – bezeichnet. Auslöser für die Revision dieser bis dato allgemein als positiv bewerteten Phase war die Staatsschuldenkrise seit 2010. Die demokratische Begeisterung der Jahre nach 1974 hätte es insbesondere der Regierung unter Andreas Papandreou möglich gemacht, die Mechanismen der Vetternwirtschaft und Selbstbereicherung der Politiker abzustellen. Das Gegenteil ist aber geschehen, und die Folge ist die aktuelle kollektive Erniedrigung eines stolzen Volkes. Zeitnah zur Revision der Metapolitefsi kam es zum Erstarken einer rechtsradikalen Partei, der sogenannten Chrysi Avgi, was soviel heißt wie „Goldene Morgenröte“.58 In den Jahren 2012 – 2015 gab es vielleicht sogar die Gefahr des Umkippens der angespannten Situation in einen bürgerkriegsähnlichen Zustand, als öffentlich sichtbare Graffiti in griechischen Städten eine neue Gewalt ­zwischen links und rechts heraufbeschworen und offenbar Meligalas wieder zum Wallfahrtsort des Opferkults für die einen und zum Symbol der Kollaboration für die anderen wurde (Meligalas war zudem in den 1950er Jahren und während der Militärdiktatur 1967 – 1974 ein Erinnerungsort).59 Die fortgesetzte Gegenwart der Vergangenheit auf Ebene des Kollektivs äußert sich bis in die jüngere Literatur durch Bilder einer weiterhin politisch gespaltenen Gesellschaft. In anderen Texten wiederum geht es nicht um das Kollektiv, sondern um das Individuum. Auf individueller Ebene äußert sich die Gegenwart der Vergangenheit in der ungebrochenen empfundenen Notwendigkeit zu erzählen, wobei die Gegenwartsbezogenheit bei der Konstruktion von Vergangenheitsversionen analog zum größer 58 Das Erstarken einer ultranationalistischen Partei, die mit Symbolen der NSDAP operiert (was die symbolische Erneuerung der Nation repräsentieren soll), erklärt ­Panagiotopoulos, Πολιτικές χρήσεις της ιστορίας (Politische Verwendung der Geschichte), 2013, S. 255 f., als einen der möglichen Versuche einer Neuverortung der Identität, die zuvor durch die Krise und die mit ihr einhergehende Dekonstruktion des Systems (und der Einbindung des Individuums in ­dieses System) ausgehöhlt worden war. 59 „Während der Besatzungszeit war in der Kleinstadt […] einer der größten Stützpunkte der von der Wehrmacht ausgerüsteten Sicherheitsbataillone untergebracht […]. Nach dem deutschen Rückzug aus Griechenland belagerten ELAS-Einheiten Meligalas. Nach Einnahme der Stadt am 15. September 1944 wurden viele ‚Sicherheitsbataillonisten‘ hingerichtet“, Skordos, Der Bürgerkrieg, 2014, S. 24. Zu Meligalas als Symbol der rechten Erinnerungskultur s. ­Antoniou, Οι γιορτές μίσους (Die Feiern des Hasses), 2013, S. 229.

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werdenden Abstand zu den erzählten Ereignissen zunimmt. Allgemein kann man sagen, dass die zeitliche Nähe der Ereignisse dazu führt, dass die Ereignisse selbst sowie ihre Ursachen erzählt werden, während mit zunehmendem zeitlichen Abstand vermehrt Erzählungen über die Folgen dieser Ereignisse zu Gehör gebracht werden.

Narrative Gattungen z­ wischen Fiktion und Faktualität Die Einzelnarrative sind in ihrer Menge unüberschaubar. Die Schwierigkeit besteht eher darin, den Prozess eines sich entwickelnden Masternarrativs – eines nicht Text gewordenen kollektiven Narrativs, das die Entwicklung des kollektiven Erinnerungsdiskurses widerspiegelt – in seinem Verlauf darzustellen. Die eingangs bereits angesprochene Beschränkung auf Romane, Zeitzeugenberichte, Selbstzeugnisse und autofiktionale Texte ist schon aus Gründen der schieren Menge notwendig.60 Dabei besteht ein substantieller Zusammenhang ­zwischen Aussage und den gewählten Mitteln. Dies mag folgende Beobachtung verdeutlichen: −− In den 1950er Jahren, den Jahren eines repressiven, linkenfeindlichen Establishments, nehmen die Erzähler in Zeitzeugenberichten bevorzugt homodiegetische Erzählpositionen ein. So haben die natürlichen Personen die Möglichkeit, Zeugnis abzulegen, ohne sich dem Verdacht der Täterschaft auszusetzen.61 −− In den 1980er Jahren, den Jahren nach der Anerkennung der Tätigkeit des EAM als Nationaler Widerstand, bricht die Anzahl der neu erscheinenden Bürgerkriegs­ romane signifikant ein, während die Produktion von (autobiographischen) Selbstzeugnissen sprunghaft ansteigt.62 Die neuen politischen Rahmenbedingungen erlaubten nunmehr, persönliche, individuelle Akteurschaft zu dokumentieren. Darüber hinaus konnte die Erinnerungsgemeinschaft die Rolle eines kollektiven empathischen Zuhörers einnehmen. Auslöser war ein regulatorischer Eingriff, nämlich eine Gesetzesänderung (das Gesetz 1285/1982, dazu unten, S. 43 – 4 4).

6 0 Diese Beschränkung ist die Ursache dafür, dass die Erzählung von Dimitris Chatzis, Ανυπεράσπιστοι (Die Ausgelieferten, erschienen 1964) im vorliegenden Band nicht besprochen wird; siehe zu dieser Erzählung Apostolidou, Τραύμα και μνήμη (Trauma und Erinnerung), 2010, S. 73 – 75. 61 Nach Papathanasiou, Βίωμα, ιστορία και πολιτική (Erleben, Geschichte und Politik), 1996, S. 258 und 263, ist das Phänomen, bezogen auf die Produktion der Linken, kennzeichnend für die Produktion der 70er (nach 1974) und 80er Jahre; nach ihrer Begrifflichkeit handelt es sich um ein Fehlen der eigentlichen Autobiographie bzw. um die Koinzidenz des persönlichen Zeugnisses mit der kollektiven Identität; sie erklärt es mit dem Ganzheitsanspruch des Kommunismus, der deutlich umfassender ist als die Grenzen des individuellen Handelns. 62 Voglis, Η δεκαετία του 1940 ως παρελθόν (Die 40er Jahre als Vergangenheit), 2007, S. 448; Antoniou; Marantzidis, The Greek Civil War Historiography, 2003.

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Ein solcher Zusammenhang, der mit den Textsorten und den darin enthaltenen Botschaften sowie mit den narrativen Möglichkeiten und ihrem Signifikat spielt, verlangt eine eingehendere Behandlung. Das kollektive Bürgerkriegsnarrativ suchte nicht etwa nach neuen Ausdrucksmitteln, sondern bediente sich der bereits bestehenden – auch in dieser Hinsicht kein Beginn.63 Das Narrativ etablierte sich, indem es sich in den ausgebildeten Formen sowohl fiktionalen als auch faktualen (autobiographischen eingeschlossen) Schreibens zunehmend Raum verschaffte. Aus literaturwissenschaftlicher Sicht fällt auf, dass der bereits in der literarischen Verarbeitung der Balkankriege und des fatalen Ausgangs des Kleinasienfeldzugs in den Zwischenkriegsjahren zu beobachtende Prozess des Changierens und Modulierens (der Autor entscheidet sich für eine Gattung, führt den Text aber mit Mitteln einer anderen Gattung aus) z­ wischen fiktionalen und faktualen Textsorten 64 schon unmittelbar nach dem Krieg ohne Unterbrechung fortgeführt wird,65 und zwar zunehmend systematisch. Das kann so weit gehen, dass die Grenze ­zwischen Fiktion und faktualen Gattungen in Frage gestellt wird. Einige (frühe) Beispiele, die diese abstrakten Beobachtungen hoffentlich etwas konkreter werden lassen: −− Die Autodiegese ist geradezu gattungsdefinierend für autobiographische Texte. Φλόγες (1945; Flammen) von Dimitris Dimitriadis ist ein autobiographischer Bericht, der Erzähler berichtet aber nicht aus der Perspektive des autodiegetischen Protagonisten, sondern aus der des Zeugen, nämlich in Homodiegese oder Hetero­ diegese.66 Solche Texte, die autobiographisch sind und zugleich die Autodiegese vermeiden, bezeichnen wir im vorliegenden Band als Zeitzeugenberichte – im Unterschied zu den Selbstzeugnissen, die alle Merkmale des „autobiographischen Pakts“ aufweisen.67 −− Bezeichnend ist eine (etwas zufällig herausgegriffene, aber deshalb umso bezeichnendere) Buchbesprechung, die Petros Roussos 1951 zu dem Roman Γεια χαρά (1950; Lebt wohl) von Vassos Georgiou verfasste. Bei dem Text handele sich, so habe es den Anschein, um einen Roman oder eine literarische Erzählung mit Zügen der Autobiographie. Der Autor habe eigene Erinnerungen und Erlebnisse

63 Vgl. Moennig, Wie siamesische Zwillinge, 2015. 64 Als Beispiele von Hybriden ­zwischen Fiktion und Ego-­Text aus der griechischen Literatur der Zwischenkriegszeit kommen Η Ζωή εν τάφω (Das Leben im Grabe) von Stratis Myrivilis (Erausgabe in Buchform 1930) und Το νούμερο 31328 (Die Nummer 31328) von Ilias Venezis (Erstausgabe in Buchform 1931) in Frage. 65 Zwei Beispiele aus dem Jahr 1946 sind Beratis, Οδοιπορικό του ΄43 (Reisebericht 1943) und Beratis, Το πλατύ ποτάμι (Der breite Fluss). 66 Kyriakis, Datenblatt Dimitriadis, 2013. 67 Der Begriff von Lejeune, Der autobiographische Pakt, 1994.

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niedergeschrieben, und hinter den Pseudonymen, die er verwende, ­seien tatsächliche Akteure versteckt.68 Eine ausdrückliche, vom Autor selbst erläuterte Form fand die gegenseitige Modulation von Fiktion und autobiographischem Text in Πυραμίδα 67 (1950; Pyramide 67) von Renos Apostolidis. Der Text basiert auf persönlichen Aufzeichnungen des Autors, seinen Angaben nach 5000 Seiten, die er in den Jahren 1946 bis 1949 als Soldat der Regierungsarmee anfertigte. Seine Aufzeichnungen der Ereignisse habe er im unmittelbaren Anschluss an die Ereignisse überarbeitet und daraus eine k­ onzise Erzählung gestaltet, die nach literarischen Aspekten geordnet sei (und sich deshalb wie ein Roman liest, darf man wohl hinzufügen). Die Erzählposition changiert z­ wischen Homodiegese (seltener) und Autodiegese. Der Autor beteuert, dass er als Soldat der Regierungstruppen nicht eine einzige Kugel abgefeuert habe. Nimmt man die Angaben von Renos Apostolidis für bare Münze – er tritt als autobiographischer Protagonist auf, welcher in Personalunion die Funktion eines mitschreibenden Chronisten der Ereignisse, derer er Zeuge ist, ausübt –, dann könnte man seinen Text als ein fiktional moduliertes Hybrid beschreiben, das Merkmale eines Selbstzeugnisses mit denen eines Zeitzeugenberichts verbindet.69 Geradezu frappierend ist eine Aussage von Sassa Tsakiri, die Riki van Boeschoten, Tassoula Vervenioti, Eftychia Voutira, Vassilis Dalkavoukis und Konstantina Bada anführen: „Sassa Tsakiri bestand darauf, dass wir auch ihr Buch Enge Kurve. Roman, Athen: Kastaniotis 1985, mit zu den Selbstzeugnissen zählen sollten; sie bestätigte uns, dass die Handlung wirklich ist und dass sie dem Text damals einfach nur die Form eines Romans gegeben habe.“ 70

Modulation ­zwischen Fiktion und faktualen Textsorten wird ein Merkmal der griechischen Literatur zum Bürgerkrieg bleiben: Thanassis Valtinos veröffentlicht im Jahr 1963 die Novelle Η κάθοδος των εννιά (Der Abstieg der neun),71 die sich wie das Selbstzeugnis eines linken Rebellen liest. Der zweite Teil von Giorgos Theotokas’ Trilogie Ασθενείς και Οδοιπόροι (Kranke und Wanderer) ist angelegt wie ein Briefroman. Der Roman Το Κιβώτιο (1975, Die Kiste 72) von Aris Alexandrou stellt sich als die schriftliche Aussage eines Häftlings gegenüber einem Untersuchungsrichter dar. Τρία ελληνικά μονόπρακτα 68 Matthaiou; Polemi, Η εκδοτική περιπέτεια (Das verlegerische Abenteuer), 2003, S. 533 – 535; der Roman von Vassos Georgiou Nr. 307 auf S. 202 f. der Bibliographie. 69 Zu Πυραμίδα 67 (Pyramide 67) siehe v. a. Nikolopoulou, Pyramid 67, 2004. 70 Van Boeschoten; Vervenioti; Vutira; Dalkavukis; Bada, Εισαγωγή (Einleitung), S. 20. 71 Erste deutsche Übersetzung von Johannes Weissert, Der Marsch der Neun, Berlin: Literarisches Colloquium, 1976. 72 Das bisweilen genannte Jahr 1974 ist das Datum des Copyrights, 1975 das Erscheinungsjahr der Erstausgabe: Raftopoulos, Άρης Αλεξάνδρου (Aris Alexandrou), 1996, S. 379.

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(1978, Drei griechische Einakter) von Thanassis Valtinos ist konstruiert als ein Konvolut bestehend aus einem Gerichtsprotokoll, Briefen an einen politischen Gefangenen und der Gebrauchsanweisung für eine Küchenmaschine der Marke Kenwood.73 … καλά, εσύ σκοτώθηκες νωρίς (1985; … gut, du bist rechtzeitig ums Leben gekommen)74 von Chronis Missios lässt offenbar absichtlich offen, ob es sich um einen Roman handelt oder um ein Selbstzeugnis, in dem eine (für die Zugehörigkeit zur Gattung Roman sprechende) Erzählsituation konstruiert wird, als sei die Erzählung an einen Toten adressiert;75 Ilias Papadimitriou geht in seinem Buch Απάντηση (2004; Antwort) auf Punkte ein, die Missios in seinem Text anspricht (und Kostas Kappos fügt in seinem Vorwort weitere hinzu), als handle es sich eindeutig um ein Selbstzeugnis;76 nach Voglis hat das Buch sogar das Signal zum Umschwung von einer Rhetorik des Schemas „wir vs. die anderen“ zu einer parteiinternen Selbstkritik in den linken Zeitzeugenberichten und Selbstzeugnissen gegeben.77 Θυμάμαι (1985; Ich erinnere mich) von Nikandros Kepessis ist ein Beispiel für ein Selbstzeugnis – als solches ist der Text ausgegeben –, in dem mit literarischen Mitteln eine narrative Ordnung geschaffen wird, und zudem ein seltenes Beispiel für ein Selbstzeugnis, das eine Gegendarstellung zu einem Roman, nämlich Το Κιβώτιο (Die Kiste) von Aris Alexandrou, darstellt.78 Das Selbstzeugnis von ­Dimitra Petroula, Πού ’ναι η μάνα σου, μωρή; (1986; He, du, wo ist deine ­Mutter?), arbeitet bei der narrativen Umsetzung (individueller) Erinnerungsfragmente des erzählenden Ichs an vierzig Jahre zurückliegende Erfahrungen des erlebenden Ichs mit Mitteln der Fiktionalisierung. Das Ergebnis ist ein autobiographischer Text, der sich liest wie Fiktion. Der autofiktionale Roman Η αρραβωνιαστικιά του Αχιλλέα (1987; Die Verlobte des Achilles) der Kinderbuchautorin Alki Zei arbeitet ebenfalls mit Mitteln der Fiktionalisierung des eigenen Erlebens; in d­ iesem Fall aber erhält ein Roman Merkmale eines Selbstzeugnisses; bezeichnend ist eine Bezugnahme derselben Autorin auf ihren Roman in einem autobiographischen Text, Με μολύβι φάμπερ νούμερο δύο (2013; Mit Bleistift der Sorte Faber Nr. 2), den sie auslauten lässt mit folgender Erklärung: 73 Siehe zu ­diesem Text Païvanas, Βία και αφήγηση (Gewalt und Erzählung), 2012, S. 73 – 99; Païvanas, A Post-­modern Lesson in History, 2005; zum „Stil“ (den sie als den „Stil der Unmittelbarkeit“ bezeichnet) siehe Chrysomalli-­Henrich, Το ύφος της αμεσότητας (Der Stil der Unmittelbarkeit), 2002. Siehe außerdem Moennig, Dokumentarischer Modus und Traumarepräsentation, 2017. 74 Deutsche Übersetzung von Dimitris Depountis, … gut, bist Du früh umgekommen, Zürich: Rotpunktverlag, 1993. 75 Vgl. Anastasiadis, Trauma – Memory – Narration, 2011, S. 96 – 99. 76 Zu Papadimitriou und Kappos siehe http://www.kostaskappos.gr/frame1.html, letzter Zugriff: 30. 05. 2016. 77 Voglis, Η δεκαετία του 1940 ως παρελθόν (Die 40er Jahre als Vergangenheit), 2007, S. 449. 78 Siehe dazu Kapitel 7 von Ulrich Moennig im vorliegenden Band und Moennig, Θυμάμαι (Ich erinnere mich), 2015.

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Ich beende meine Erzählung hier, am 3. November 1945 […]. Auch wenn sich so viele wichtige Dinge in den folgenden Jahren in unserem Leben zugetragen haben. Darüber habe ich aber schon in einem Roman geschrieben, in Die Verlobte des Achilles. Es handelt sich dabei nicht um eine Autobiographie, auch wenn der Roman zahlreiche autobiographische Elemente enthält.79

Der Roman (im Titel ausdrücklich als solcher kenntlich gemacht) Στοιχεία για τη δεκαετία του ’60 (1989; Material für die 1960er Jahre) von Thanassis Valtinos ist als ein Konvolut kurzer faktualer Textsorten angelegt. Die einzelnen Texte werden in strikter chronologischer Ordnung präsentiert, eine textimmanente Logik ist somit wahrnehmbar – nicht aber die Stimme eines Erzählers.80 Der Roman Η μητέρα του σκύλου (1990; Die M ­ utter des Hundes)81 von Pavlos Matessis imitiert die Erzählung einer Patientin auf der Couch ihres Psychiaters, der im Verlauf der Untersuchung ein ärztliches Gutachten erstellt.82 Ορθοκωστά (1994; Orthokosta) von Thanassis Valtinos ist als ein Konvolut von Niederschriften mündlicher autobiographischer Erzählungen aufgebaut, die wiedergegeben werden, ohne dass eine moderierende Instanz wie z. B. ein Erzähler in Erscheinung träte; allerdings werden in einigen dieser Erzählungen eine Interviewsituation (Erinnerungsinterviews) und die Anwesenheit eines fragenden Zuhörers spürbar.83 Im frühen 21. Jahrhundert häufen sich die Beispiele von postmemorialen Narrativen, die von ihrer Konzeption her mit der Imitation der faktualen (dialogischen) Textsorte Interview (bevorzugt Erinnerungsinterviews) arbeiten.84 Narrative Texte, in

79 „Τελειώνω όμως την αφήγησή μου […] στις 3 του Νοεμβρίου του ’45 […] Παρόλο που τόσα σημαντικά συνέβησαν στη ζωή μας τα επόμενα χρόνια. Τα έχω όμως ήδη γράψει σε μυθιστόρημα, στην Αρραβωνιαστικιά του Αχιλλέα. Δεν είναι αυτοβιογραφία, αν και έχει αρκετά αυτοβιογραφικά στοιχεία“, Zei, Με μολύβι φάμπερ νούμερο δύο (Mit Bleistift der Sorte Faber Nr. 2), 2013, S. 385. 80 Siehe zu d­ iesem Text Païvanas, Βία και αφήγηση (Gewalt und Erzählung), 2012, S. 157 – 178. Außerdem: Chrysomalli-­Henrich, Το ύφος της αμεσότητας (Der Stil der Unmittelbarkeit), 2002, und Moennig, Dokumentarischer Modus und Traumarepräsentation, 2017. 81 Deutsche Übersetzung von Birgit Hildebrand: Die Tochter der Hündin, München; Wien: Carl Hanser, 2001. 82 Siehe zu ­diesem Text auch Kapitel 4 von Kerstin Jentsch-­Mancor im vorliegenden Band und Anastasiadis, Trauma – Memory – Narration, 2011, S. 102 – 105. 83 Siehe zu dem Text auch die Kapitel 4 von Kerstin Jentsch-­Mancor, 8 von Athanasios ­Anastasiadis und Joachim Winkler und 9 von Joachim Winkler im vorliegenden Band sowie Papailias, Genres of Recollection, 2005, S. 139 – 178; Païvanas, Βία και αφήγηση (Gewalt und Erzählung), 2012, S. 179 – 211 (alle mit wissenschaftlicher Diskussion der reichen Sekundärliteratur); außerdem: Anastasiadis; Winkler: Datenblatt Valtinos, Ορθοκωστά, 2013; Winkler, Orthokosta-­Kompendium, 2013. 84 Zu Postmemory siehe Anastasiadis, Transgenerational Communication, 2012, S. 41 – 6 4 (mit weiteren Angaben zur Sekundärliteratur).

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denen sich der Protagonist in einer postmemorialen Situation befindet und nach einer verlorenen Erinnerung sucht, die nicht obligatorisch seine eigene (sondern die von nahestehenden, möglicherweise verstorbenen Personen) ist, gehören mehrheitlich der Gattung Roman an, wie z. B. Ελληνικό Σταυρόλεξο (2000; Griechisches Kreuzworträtsel) von Thomas Skassis, Bella Ciao (2005) von Thanasis Skroumbelos, Λευκή πετσέτα στο Ρινγκ (2006; Das weiße Handtuch in den Ring)85 und Η Εβραία νύφη (2009; Die Judenbraut),86 beide von Nikos Davvetas. Υιός συμμορίτου (2003; Banditensohn) von Kyriakos A ­ thanasiou ist ein Beispiel eines autobiographischen Textes eines Autors, der sich in einer postmemo­rialen Situation befindet. Wegen seiner „späten Geburt“ kann er sich nicht an die Ereignisse erinnern, wegen derer er als junger Mensch politisch verfolgt und diskriminiert wurde. Deshalb konstruiert er sein autobiographisches Selbstzeugnis wie einen Postmemory-­Roman.87 Das Changieren ­zwischen den Textsorten ist funktional bedingt: Fiktion und Selbstzeugnisse sind gegenseitig aufeinander angewiesen, um ihr über die Einzeltexte hinausgehendes Masternarrativ zu formulieren. Dieses Mittel steht für etwas, was für Bürgerkriegsnarrative und möglicherweise für Narrative persönlicher Involviertheit überhaupt bezeichnend ist: Es mag sein, dass inhaltliche Faktoren zur Einordnung eines Narrativs in die Textsorte Bürgerkriegsroman bzw. Selbstzeugnis mit dem Thema Bürgerkrieg führen – aber nicht das erzählte Ereignis, das Was?, enthält seine wichtigste Aussage, sondern das persönliche Involviertsein, das sich im narrativen Wie? widerspiegelt. Die Fiktion arbeitet mit Erfahrungen, wie Menschen in der außerfiktionalen Welt sie gemacht haben, um Stellvertreternarrative zu generieren: Texte, in denen eine Vielzahl von natürlichen Personen ihre Erlebnisse erzählt findet, während die Personen, auf die diese Erfahrungen projiziert werden, fiktiv sind. Die Nähe z­ wischen fiktiver und realer Welt, die zunächst durch Verwendung des Begriffes Roman negiert wird, wird durch den Import einer Vielzahl von Merkmalen der empirischen Welt in die Fiktion wiederhergestellt: Die Fiktion wird dem Tatsachenbericht angeglichen – wie z. B. die Erzählung über den Transport einer Kiste (Fiktion) in die Form einer schriftlichen Aussage (Tatsachenbericht) gebracht wird. Umgekehrt bestätigen autobiographische Texte das Repräsentative der Fiktion – hier wird zunächst eine Distanz zur Fiktion durch Berufung auf den autobiographischen Pakt (Autor, Erzähler und Protagonist sind identisch) aufgebaut, die dann aber durch die erkennbare Verwendung fiktionaler Mittel (z. B. durch erfundene Erinnerung, um fehlende Erinnerung „aufzufüllen“) wieder abgebaut wird. 85 Siehe zu dem Text Kapitel 4 von Kerstin Jentsch-­Mancor im vorliegenden Band und ­Anastasiadis, Datenblatt Davvetas, Λευκή πετσέτα στο ρινγκ, 2013. 86 Anastasiadis, Transgenerational Communication, 2012, S. 51 – 60. 87 Zu dieser Gruppe von Romanen s. Aretaki, Ανάμεσα στην οικογένεια και την Ιστορία ­(Zwischen Familie und Geschichte), 2011.

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In gewisser Hinsicht bestätigt der sprunghafte Anstieg von Selbstzeugnissen in den 1980er Jahren das Bestehen eines funktionalen Zusammenhangs ­zwischen Faktualität und Fiktion: Durch die Anerkennung der Tätigkeit des EAM als Teil des gemeinsamen nationalen Widerstands verloren Stellvertreternarrative zwischenzeitlich an Bedeutung – die Anerkennung bedeutete eine Rehabilitation nach Jahrzehnten der Diskriminierung; sie geschieht auf individueller Ebene und mit namentlicher Nennung.88 Zugleich wird ein Problem der autobiographischen Textsorten deutlich: In solchen Texten wird viel Banales erzählt, und wenn mehrere Personen ähnliche Dinge erlebt haben, dann gleichen sich ihre Stories; hinzu kommen möglicherweise Inkohärenz – die Alltagserfahrung ist ungeordnet – sowie eine epistemologisch begründete Fragmentarität der individuellen Erfahrung und Wahrnehmungshorizonte. Die Fiktion bietet hierfür Lösungen, ­welche das autobiographische Schreiben zu adaptieren vermag – wie z. B. die Einnahme einer von Allwissenheit geprägten, auktorialen Erzählposition. Es ist bezeichnend für d­ ieses Spiel reziproker Modulation z­ wischen Roman, Zeitzeugenbericht und Selbstzeugnis, dass erinnerungskulturelle Faktoren und Gegenwartsbezogenheit bald den Roman, bald den Zeitzeugenbericht und bald das Selbstzeugnis begünstigen. Deshalb wird auf diese Faktoren – in dem Maße, wie sie sich auf die Produktion von Texten auswirkten – weiter unten wiederholt eingegangen werden.

Die Gattungsbestimmtheit der Ego-­Texte Der Gedanke, dass der Roman im Vergleich zu Zeitzeugenberichten und Selbstzeugnissen stärker von den Konventionen seiner Gattung bestimmt wird, liegt nahe; tatsächlich ist es aber so, dass auch die verschiedenen autobiographischen Textsorten von Konventionen bestimmt sind, die man von der Sache her als Gattungskonventionen bezeichnen könnte – andernfalls wären gegenseitige Modulationen, wie sie oben dargestellt wurden, auch nur schwer möglich. Es gibt im Korpus der griechischen Bürgerkriegsromane alle wesentlichen literarischen Strategien, die den Roman des 20. und des frühen 21. Jahrhunderts kennzeichnen. Εbenso gibt es alle Untergattungen. Mit Βασικός μέτοχος (2006; Der Großaktionär), Τίτλοι τέλους (2014; Abspann)89 von Petros Markaris und Η μνήμη της πολαρόιντ (2009; Das Gedächtnis der Polaroid) von M ­ arlena Politopoulou s­ eien hier drei Beispiele von Kriminalromanen angeführt, wobei der 88 Voglis, Η δεκαετία του 1940 ως παρελθόν (Die 40er Jahre als Vergangenheit), 2007, S. 448, beschreibt das wie folgt: „Das Subjekt, das bereits ‚geschrieben‘ worden war im offiziellen, antikommunistischen Diskurs dreier Jahrzehnte […] ergreift das Wort, um sich selbst neu zu schreiben“ („ένα υποκείμενο το οποίο είχε ήδη „γραφτεί“ από τον επίσημο, αντικομμουνιστικό λόγο για τρεις δεκαετίες […] παίρνει το λόγο για να ξαναγράψει τον εαυτό του“). 89 Deutsche Übersetzung von Michaela Prinzinger: Zurück auf Start, Zürich: Diogenes, 2015.

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letztgenannte Text die generischen Grenzen ­zwischen Krimi und Postmemory auslotet. Die Gattungsbestimmtheit der Fiktion entspricht den Erwartungen, weshalb es keine Notwendigkeit gibt, darauf näher einzugehen. Anders verhält es sich bei den Gattungen von Ego-­Texten. Die Ego-­Texte zum griechischen Bürgerkrieg sind tendenziell narrativ konventioneller (Gegenbeispiele wurden oben bereits angeführt), was sich z. B. in der zeitlichen Anordnung der Ereignisse äußert, die sich häufig an der chronologischen Abfolge der erzählten Geschehnisse orientiert. Da es sich um faktuale Textsorten handelt, lohnt es sich zu fragen, ob außertextuelle Faktoren gattungsbestimmend gewirkt haben könnten; die relevanten Punkte hat Voglis bereits in seinem wiederholt zitierten Artikel von 2007 herausgearbeitet: Voglis spricht von einem spezifischen Gewebe der Intertex­ tualität und von einem Substrat einer (partei-)politischen Kultur („im Maße, wie das persönliche Zeugnis die kollektive Erfahrung widerzuspiegeln und stellvertretend für diese zu stehen scheint“);90 dies führt dazu, dass die Texte Merkmale aufweisen, die sich wiederholen: Bezugnahme auf Aufzeichnungen, Tagebücher, Korrespondenzen und Fotografien im eigenen Besitz; parteispezifischer Soziolekt; ­Themen und Motive, die denjenigen entsprechen, die sich auch in den Parteipublikation und anderen Formen des öffentlichen und bereits veröffentlichten Worts finden. Insbesondere Vervenioti weist in ihren Publikationen zu Selbstzeugnissen von Frauen immer wieder auf Erinne­ rungsseminare hin;91 im Übrigen hingen, schreibt sie, Erinnern und Vergessen bzw. Gedächtnisverlust in den Selbstzeugnissen von Männern wie von Frauen unmittelbar mit der politischen Konstellation zusammen: „Sie bestimmte nicht nur das Erscheinungsjahr, sondern auch ihren Inhalt.“ 92 Es liegt auf der Hand, dass die früheren Jahrzehnte nach 1949 mehr Ego-­Texte hervorgebracht haben, die von Mitgliedern der Regierungstruppen verfasst wurden – „mit Ausnahme des Zeitraums von den frühen 1960ern bis 1967, in dem eine Vielzahl von Zeitzeugenberichten und Selbstzeugnissen auch von Linken veröffentlicht wird.“ 93 Für die Datenbank des Projekts hat Thomas Kyriakis das Beispiel von Georgios Samouil, Η εποποιΐα του Μακρυγιάννη (1950; Das Epos im Makrygianni-­Viertel) analysiert.94 In den Jahren 1967 bis 1974 waren überhaupt nur Ego-­Texte aus rechter Perspektive

90 „[Σ]το βαθμό που αυτή [η μαρτυρία] θεωρείται ότι αντανακλά και είναι αντιπροσωπευτική της συλλογικής εμπειρίας“, Voglis, Η δεκαετία του 1940 ως παρελθόν (Die 40er Jahre als Vergangen­ heit), 2007, S. 447. 91 Vervenioti, Προφορική Ιστορία (Oral history), 2002. 92 „Αυτή [η πολιτική συγκυρία] καθόρισε όχι μόνο το χρόνο έκδοσης αλλά και το περιεχόμενό τους“, Vervenioti, Μνήμες και αμνησίες (Erinnerungen und Gedächtnislücken), 2008, S. 85. 93 „[M]ε εξαίρεση το διάστημα από τις αρχές της δεκαετίας του 1960 μέχρι το 1967“, Voglis, Η δεκαετία του 1940 ως παρελθόν (Die 40er Jahre als Vergangenheit), 2007, S. 448. 94 Kyriakis, Datenblatt Samouil, 2013.

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denkbar, zumindest im legalen griechischen Buchdruck. Ein Beispiel: Chrysostomos ­ ipiliangas, Η Ελλάς κατά την από του 1942 – 1967 περίοδον (1970; Griechenland in den P Jahren 1942 – 1967).95 Vor 1949 konnten sich auch linke Autoren zu Wort melden. Beispiele: Antonis Angeloulis, Βροντάει ο Όλυμπος (Der Olymp donnert)96 und Kostas Bossis, Άη Στράτης. Η μάχη της πείνας των πολιτικών εξορίστων στα 1941 (1947; Ai-­Stratis. Der Kampf der politischen Verbannten gegen den Hunger im Jahr 1941).97 Das Ende der Obristendiktatur im Jahr 1974 begünstigte Berichte aus linker Perspektive. Beispiele für Selbstzeugnisse aus rechter Perspektive gibt es auch in den 1980er J­ ahren. Das in der Datenbank besprochene Beispiel von Alexandros Kantzas, Στα χρόνια της θύελλας. Ένας έφεδρος ανθυπολοχαγός του εθνικού στρατού στον Εμφύλιο 1946 – 1950 (1987; Jahre des Sturms. Ein Reserveoffizier der Nationalarmee im Bürgerkrieg 1946 – 1950) zirkulierte in mehreren Neuauflagen – was den Unterschied ­zwischen der Repression der Jahre 1949 – 1974 und der Metapolitefsi nach 1974, aller Revision der jüngeren Jahre zum Trotz, vor Augen führt. Für frühe Zeitzeugenberichte aus Perspektive der regierungstreuen Truppen bietet eine unerwartete Quelle (?) Material (?) dafür, dass es auch hier Tabus gab, die nicht gebrochen werden durften: Der erste Teil des oben bereits besprochenen Romans Τρία ελληνικά μονόπρακτα (1978; Drei griechische Einakter) von Thanassis Valtinos ist das Protokoll einer Gerichtsverhandlung, in der ein ehemaliger Offizier der Regierungsarmee gegen Dimitrios Zafeiropoulos, ebenfalls ehemaliger Offizier der Regierungsarmee und Autor des Zeitzeugenberichts Ο αντισυμμοριακός αγών 1945 – 1949 (1956; Der Kampf gegen die Rebellen 1945 – 1949), klagt, weil er sich in dem Zeitzeugenbericht als feige dargestellt sieht. Ein solches Buch gibt es nicht nur in Valtinos’ ­Fiktion; mittlerweile ist es in einer Übersetzung aus der Kunstsprache Katharevoussa ins Standardneugriechische des 21. Jahrhunderts wieder erhältlich. In welchem Maße nun diese von Valtinos beschriebene Gerichtsverhandlung fiktiv ist, sei dahingestellt, immerhin wird in einem aus faktualen Textsorten „montierten“ Roman thematisiert, dass es auf Seiten der ehemaligen Regierungstruppen ­Themen gab, die nicht angesprochen werden durften. Zu den bereits angesprochenen Konventionen in den Selbstzeugnissen der Linken gehört das (Ver-)Schweigen. In der geschichtswissenschaftlichen Sekundärliteratur wird ­dieses Schweigen manchmal als „omertà“ bezeichnet. Im Laufe der Jahrzehnte werden die Tabus allmählich aufgehoben: −− Autoren, die von Symptomen einer Traumatisierung berichten, sind so rar, dass man dies für einen Tabubruch zu halten geneigt ist – ein Beispiel dafür ist das

95 Kyriakis, Datenblatt Pipiliangas, 2013. 96 Kyriakis, Datenblatt Angeloulis, 2013. 97 Kyriakis, Datenblatt Bossis, 2013.

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Selbstzeugnis von Kostas Kapopoulos, Αναμέναμε το θάνατο. Αίγινα 1947 – 1949 (Wir warteten auf unsere Hinrichtung. Ägina 1947 – 1949), erschienen 198998 Frauen sind nicht nur als Autorinnen von Selbstzeugnissen, sondern auch als handelnde Personen in den von Männern geschriebenen Texten deutlich unterrepräsen­ tiert, was den nachweisbaren Fakten nicht entspricht: „Ihre Stellung in der Erinnerungskultur verhält sich genau umgekehrt zur tatsächlichen Anzahl von Frauen, die im Bürgerkrieg involviert waren.“ 99 im Maße, wie Frauen Autorinnen von Selbstzeugnissen sind, ist ihre Rolle stark geschlechtsspezifisch, wie man an den Beispielen von Dimitra Douka, Ο πόνος και το αίμα των αδελφών μου (1981; Der Schmerz und das Blut meiner Brüder)100 und von Marigoula Mastroleon-­Zerva, Εξόριστες. Χίος, Τρικέρι, Μακρονήσι. H Μαρούκλα αφηγείται (1985; Verbannte. Chios, Trikeri, Makronissos. Maroukla erzählt)101 sieht Sexualität, befriedigte oder nicht befriedigte Bedürfnisse, ist ein Thema, das fast komplett verschwiegen wird – anders als sexuelle Gewalt, deren Opfer vorwiegend Frauen sind homosexuelle Handlungen oder Beziehungen, wie sie im Film Χάππυ Νταίη (1976; Happy Day) von Pantelis Voulgaris für die Verbannungsinseln mehr angedeutet als thematisiert werden, ist überhaupt kein Thema, heterosexuelle Liebe ist ziemlich ausschließlich nur ­zwischen Verheirateten erzählbar Vervenioti spricht von einer Art Damnatio memoriae a) von Frauen, die prophylaktisch interniert worden ­seien – Personen aus linken Familien und Dörfern mit linker Dominanz –, b) von Freischärlerinnen und c) von solchen Frauen, die eine Reueerklärung unterzeichnet hätten 102

Tendenziell äußern sich die Gattungskonventionen bei den Ego-­Texten – abgesehen von dem fundamentalen Unterschied ­zwischen Zeitzeugenberichten und Selbstzeugnissen – eher auf inhaltlicher Seite. Während es zu den Gattungskonventionen der Literatur gehört, dass sich jüngere Texte von älteren sowohl inhaltlich als auch in ihrer literarischen Umsetzung unterscheiden, kommen Ego-­Texte ohne das Merkmal der Originalität aus: Die Einmaligkeit der menschlichen Erfahrung und eines jeden Zeugnisses tritt an die Stelle des literarischen Anspruchs auf Originalität. Anders als in der Literatur führt hier die Intertextualität zur Einförmigkeit, weshalb die Ego-­Texte zum 98 Kyriakis, Datenblatt Kapopoulos, 2013. 99 „[Η] συμμετοχή τους στην ιστορική μνήμη είναι αντιστρόφως ανάλογη με τον πραγματικό αριθμό των γυναικών που ενεπλάκησαν στον εμφύλιο“, Vervenioti, Μνήμες και αμνησίες ­(Erinnerungen und Gedächtnislücken), 2008, S. 87. 100 Kyriakis, Datenblatt Douka, 2013. 101 Kyriakis, Datenblatt Mastroleon-­Zerva, 2013. 102 Vervenioti, Μνήμες και αμνησίες (Erinnerungen und Gedächtnislücken), 2008, S. 86 – 97.

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griechischen Bürgerkrieg ihren Erforscher vor das Problem stellen, dass er eine große Textmenge zu sichten hat, in der es zwar um unterschiedliche Ereignisse, trotzdem immer wieder um ähnliche Dinge geht. In faktualen Textsorten mag auch die s­ oziale und regionale Herkunft sowie der Bildungshintergrund ein Gattungsmerkmal darstellen. Laut Tassoula Vervenioti waren ganze Gruppen von Frauen sowohl als Autorinnen und Erzählerinnen als auch als erzählte Figuren aus den Selbstzeugnissen ausgeschlossen: „[I]hre Existenz wurde vergessen und/oder von den Autorinnen von Selbstzeugnissen verschmäht“ – im Wesentlichen handelt es sich dabei um herkunftsbedingte Diskriminierung.103 Und darüber hinaus: „Die gebildeten Frauen und die Hauptstädterinnen bildeten auch die Parteiführung. Aus ihren Selbstzeugnissen formte sich das aktuelle kollektive Gedächtsnis.“ 104

Bürgerkriegsnarrative und äußere Ereignisse: 1940er Jahre bis 1974 Der folgende Abschnitt ist der Versuch einer Antwort auf die Frage, ob es eine Gegenwartsbezogenheit gibt ­zwischen der Produktion von Bürgerkriegsnarrativen und erinne­ rungskulturell relevanten öffentlichen Ereignissen. In den Texten der 1940er Jahre ist der zeitliche Zusammenhang z­ wischen den (fortdauernden) Ereignissen und den Texten so eng, dass man kaum urteilen kann, ob jüngere Ereignisse den Anlass für das Erinnern an weiter zurückliegende gaben. Der Beispieltext ist der in d­ iesem Kapitel bereits angesprochene Roman Η Φωτιά (Das Feuer) von Dimitris Chatzis: Boten bereits das Abkommen von Varkiza am 12. Februar 1945 und/oder die Parlamentswahlen am 31. März 1946 einen Anlass, das kollektive Gedächtnis an den Widerstand und die Ereignisse im Dezember 1944 wachzuhalten? Oder geht es hier bei der Rückschau auf nur wenig zurückliegende Ereignisse primär um die Motivation, den Kampf fortzusetzen – z. B., weil die Identifikation und Bestrafung von Kollaborateuren auf der linken Agenda ganz oben stand? Das Dilemma der Protagonistin Avgerini, mit dem der Roman endet, ist bezeichnend: „zu den Waffen oder an den Pflug?“ Besonders erwähnenswert ist auf alle Fälle, dass der erste in dem Roman angesprochene Konflikt auch in der Realität des besetzten Landes zu einer der ersten politischen Polarisierungen führte, nämlich zur 103 „[H] ύπαρξή τους λησμονήθηκε ή/και απαξιώθηκε από τις συγγραφείς μαρτυριών“, Vervenioti, Μνήμες και αμνησίες (Erinnerungen und Gedächtnislücken), 2008, S. 86. Vervenioti führt an: „Einfache Frauen aus Roumeli, Thessalien und dem Gebiet am Evros sowie Pontierinnen und Makedonierinnen“ („Οι ,απλές‛ ρουμελιώτισσες, θεσσαλές, εβρίτισσες, πόντιες, μακεδόνισσες“). 104 „Οι μορφωμένες και οι ,πρωτευουσιάνες‛ αποτελούσαν και την κομματική ηγεσία. Με τις δικές τους μαρτυρίες σχηματίστηκε η υπάρχουσα συλλογική μνήμη“, Vervenioti, Μνήμες και αμνησίες (Erinnerungen und Gedächtnislücken), 2008, S. 97.

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„Mobilisierung der Bevölkerung […] auf dem Land, um die Ernte vor den Eroberern und dem kollaborierenden Staat von Athen zu schützen.“ 105 Die Schwierigkeiten, einen Anfang oder ein „Erstes“ (wie z. B. ein erstes Bürgerkriegsnarrativ) zu benennen, habe ich wiederholt betont. Ebenso schwierig ist es, ein erstes offizielles Ereignis zu benennen, das eindeutig Anlass bot, zurückzuschauen – sieht man ab von der „Rede zur Befreiung“ Georgios Papandreous als Premierminister der bis dahin exilierten Regierung nach Abzug der deutschen Besatzungsmacht im Oktober 1944; in dieser Rede spricht er an, dass es „nur wenige Fälle von verräterischer Kollaboration mit dem Feind“ gegeben habe. Bereits in den frühesten Narrativen, in denen es um die angesprochenen Fragen der Schuld und der Legitimität geht, wird ausgehandelt, welches die wichtigsten Th ­ emen der Bürgerkriegsnarrative sein werden. Folgende ­Themen werden in den früheren Texten (bis 1950) narrativiert: −− der Verlauf der deutschen Invasion: Giorgos Theotokas, Ιερά Οδός (Heilige Straße) −− die revolutionären Absichten der Kommunistischen Partei (Klassenkampf ): ­Giorgos Theotokas, Ιερά Οδός (Heilige Straße) −− die Glorifizierung des Widerstands gegen die Besatzungsmächte und Beanspruchung des Widerstands für die eigene Seite, vornehmlich gegen die Deutschen – dies geschieht z. B. in Antonis Angeloulis, Βροντάει ο Όλυμπος (Der Olymp donnert); Dimitris Dimitriadis, Φλόγες (Flammen); Melpo Axioti, Εικοστός αιώνας (1946; Zwanzigstes Jahrhundert);106 Dimitris Chatzis, Η Φωτιά (Das Feuer) –, weniger des Widerstands gegen die Italiener – wiederum Chatzis, Η Φωτιά (Das Feuer) – und so gut wie gar nicht gegen die Bulgaren; bezogen auf die Exilliteratur schreibt Venetia Apostolidou zusammenfassend von „Nationalisierung der eigenen Tätigkeit und Rechtfertigung der Gewalt als Notwehr gegen den Feind“ 107 −− Kollaboration: Dimitris Chatzis, Η Φωτιά (Das Feuer) −− Illegalität einschließlich dem Schreiben von Parolen an Hauswände und Druck von Flugblättern etc. sowie einschließlich dem Verstecken von politisch V ­ erfolgten: Melpo Axioti, Εικοστός αιώνας (Zwanzigstes Jahrhundert); Dimitris Chatzis, Η Φωτιά (Das Feuer) −− Verfolgung durch die Deutschen: Melpo Axioti, Εικοστός αιώνας (Zwanzigstes ­Jahrhundert) −− Inhaftierung und Internierung sowie politische Hinrichtungen: Melpo Axioti, Εικοστός αιώνας (Zwanzigstes Jahrhundert); Kostas Bossis, Άη Στράτης. Η μάχη της

105 Kousouris, Kollaboration und Geschichtsschreibung, 2015, S. 170. 106 Deutsche Übersetzung von Kurt Stern mit einem Vorwort von Anna Seghers: Tränen und Marmor, Berlin: Volk und Welt, 1949. 107 „[H] εθνικοποίηση της δράσης τους και η δικαιολόγηση της βίας ως άμυνας στη βία του εχθρού“, Apostolidou, Τραύμα και μνήμη (Trauma und Erinnerung), 2010, S. 135.

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πείνας των πολιτικών εξορίστων στα 1941 (Ai-­Stratis. Der Kampf gegen den Hunger der politisch Internierten im Jahr 1941) die „Schlacht um Athen“ im Dezember 1944: Dimitris Chatzis, Η Φωτιά (Das Feuer); Georgios Samouil, Η εποποιΐα του Μακρυγιάννη (Das Epos im Makrygianni-­Viertel) die Gewaltsamkeit der Kriegshandlung in den nordgriechischen Bergen (z. B. G ­ rammos): Renos Apostolidis, Πυραμίδα 67 (Pyramide 67)

Ein spürbarer Gegenwartsbezug ­zwischen öffentlichem Diskurs der 1950er Jahre über die Ereignisse der 1940er Jahre und der – vornehmlich literarischen – Produktion der Zeit bezieht sich auf das Thema Kollaboration: Es fällt geradezu auf, wie häufig die Kollaboration von Griechen mit der deutschen Besatzungsmacht in Werken von Autoren thematisiert wird, die sich im Übrigen vom Klassenkampf der Linken abgrenzten: Alexandros Kotzias, Πολιορκία (1953; Belagerung); Theofilos Frangopoulos, Τειχομαχία (1954; Kampf an den Mauern); Rodis Roufos, Η ρίζα του μύθου (1954; Die Wurzel des Mythos); Nikos K ­ asdaglis, Τα δόντια της μυλόπετρας (1955; Die Zähne des Mühlsteins); Rodis Roufos, Πορεία στο σκοτάδι (1955; Marsch durch die Dunkelheit); Rodis Roufos, Η άλλη όχθη (1958; Das andere Ufer) – Venetia Apostolidou konstatiert, die Autoren dieser Texte schrieben sich weder in das Narrativ der linken noch in das der rechten Erinnerungsgemeinschaft ein.108 Kollaboration war bereits unmittelbar nach dem Abzug der Deutschen ein Gegenstand des öffentlichen Diskurses. Das Sonderthema der öffentlichen Erniedrigung betraf in erster Linie Frauen, die sich mit Besatzungssoldaten eingelassen hatten. Zu den Faktoren, die dem Kollaborationsdiskurs weiteren Brennstoff zuführten, gehörte, „dass ehemalige Kollaborateure allmählich in den Staatsapparat integriert wurden“;109 es wurde „eine Politik der ‚Amnestierung, Rehabilitierung, Wiedereingliederung‘ verfolgt […]. Die anschließende juristische Verfolgung der Kollaboration folgte auch in Griechenland dieser Logik, um die Kontinuität des Staates zu sichern.“ 110 Der bereits angesprochene Fall Max Merten kann als symptomatisch gelten für die fehlende Aufarbeitung der Kollaboration in der griechischen Nachkriegsgesellschaft. Das Thema der Kollaboration ist im griechischen Diskurs über die 1940er Jahre zwar nicht omnipräsent oder dominant, aber es kehrt immer wieder zurück, „schubweise ‚wie die Malaria’“, und zwar bis hin zur aktuellen Debatte, die zeitnah zur griechischen Staatsschuldenkrise seit 2010 ausgebrochen ist.111 108 Apostolidou, Τραύμα και μνήμη (Trauma und Erinnerung), 2010, S. 137. 109 Voglis, Die Rückkehr der Vergangenheit, 2015, S. 70. 110 Kousouris, Kollaboration und Geschichtsschreibung, 2015, S. 171 f. Kousouris bespricht prozess­haft den Umgang der griechischen Gesellschaft mit der Kollaboration (und betrachtet das Phänomen komparatistisch und im Vergleich mit anderen Ländern im Nachkriegseuropa); dort auch eine sehr ausführliche Bibliographie zum Thema griechische Kollaboration (S.  182 – 186). 111 Das Zitat aus Kousouris, Kollaboration und Geschichtsschreibung, 2015, S. 172; Kousouris seinerseits zitiert Huyse, Justice after Transition, 1995.

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In den 1950er Jahren fällt eine zum repressiven Kontext gegenläufige Tendenz auf, die oben bereits angesprochen worden ist. Noch einmal zu erwähnen ist hier der Roman von Alexandros Kotzias, Πολιορκία (Belagerung). Der Autor schlug als Alternative zur erinnerungskulturellen Polarisierung z­ wischen links und rechts einen Mittelweg vor: die Delegitimierung sowohl des linken Lagers, in dem Maße wie es aus dem gemeinsamen griechischen Widerstand gegen die deutsche Besatzungsmacht austrat, um einen Kampf auf eigene Rechnung (und gegebenenfalls mit eigenen Zielen) zu führen, als auch des bürgerlichen Lagers, in dem Maße, wie es mit der deutschen Besatzungsmacht kollaborierte.112 Der Tod Stalins am 5. März 1953 ist eher für die Linke ein erinnerungskulturell wichtiges Ereignis; durch das anschließende politische „Tauwetter“ wird es allerdings für die gesamte griechische Erinnerungskultur in den früheren 1960er Jahren relevant – einem Jahrzehnt, in dem die Suche nach einer Balance ­zwischen links und rechts in einer Diktatur endet. Während das Narrativ der Kollaboration der Exilregierung mit den Briten, die für den Bürgerkrieg in Griechenland verantwortlich gemacht werden, das vor allem Stratis Tsirkas in seiner Trilogie vorträgt und das vornehmlich in Αριάγνη (1962; Ariagni) und Η Νυχτερίδα (1965; Die Fledermaus) greifbar wird, Georgios Papandreou trifft, steht gerade dieser Politiker in den Entstehungsjahren der Trilogie für Tendenzen der Demokratisierung – er ermöglichte z. B. die Rückkehr von exilierten Linken aus der Sowjetunion und starb 1968 unter Hausarrest, den die Militärdiktatur ihm auferlegt hatte.113 Tsirkas selbst machte ­dieses innenpolitische „Tauwetter“ später zum Gegenstand eines Romans mit Titel Η χαμένη άνοιξη (1976; Der verlorene Frühling). In den 1960er Jahren gab es eine Reihe von Ereignissen, die symptomatisch sind für den Kampf ­zwischen Demokratie und Repression: die Ermordung des progressiven Abgeordneten Grigoris Lambrakis durch Rechte auf offener Straße am 27. Mai 1963; den Wahlsieg der Partei Enosis Kentrou (= Zentrumsunion) unter Georgios P ­ apandreou am 3. November 1963; den Tod des Studenten Sotiris Petroulas am 21. Juli 1965 durch Polizeigewalt; den Militärputsch am 21. April 1967. Diese Ereignisse trugen auch zu einer erinnerungskulturellen Umverteilung bei. So gut wie alle Autoren, die sich in den 1950er Jahren als bürgerlich positioniert hatten (und von Dimitris Raftopoulos mit dem Verdikt der „schwarzen (politischen) Literatur“ abgestraft worden waren),114 äußerten sich nun gegen die Militärdiktatur. Dieselben Autoren griffen zu dem oben bereits angesprochenen Mittel der Umsemantisierung von Romanen, die in den 1950er Jahren zum ersten Mal erschienen waren und die parallel zu den sich ändernden Bewertungen 1 12 Moennig, Wie siamesische Zwillinge, 2015, S. 290. 113 Papandreou war Ministerpräsident vom 8. November bis zum 30. Dezember 1963 und w ­ ieder vom 18. Februar 1964 bis zum 15. Juli 1965 und zugleich der letzte Ministerpräsident der Exilregierung vom 26. April bis zum 18. Oktober 1944. 114 Siehe dazu Kapitel 9 von Joachim Winkler im vorliegenden Band.

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der Ereignisse der 1940er Jahre umgearbeitet wurden: Alexandros Kotzias, Πολιορκία (Belagerung, Überarbeitung 1961); Nikos Kasdaglis, Τα δόντια της μυλόπετρας (Die Zähne des Mühlsteins, Überarbeitung 1970) sowie Rodis Roufos, Η ρίζα του μύθου (Die Wurzel des Mythos), Πορεία στο σκοτάδι (Marsch durch die Dunkelheit) und Η άλλη όχθη (Das andere Ufer, Überarbeitung als Trilogie Χρονικό μιας Σταυροφορίας, Chronik eines Kreuzzugs, 1972). „Die Vergangenheit ändert sich nicht, die Art, wie wir sie bewerten, kann sich durchaus ändern“, schreibt Rodis Roufos im Vorwort mit Datum 1971 – Giorgos Theotokas mag das 1964 ähnlich gesehen und gedacht haben.115 Die faktische Anerkennung der als kollaborierend wahrgenommenen Sicherheitsbataillone als Widerstandskämpfer durch die Verordnung 179/1969 (also des Jahres 1969) führte zu Narrativen wie dem Zeitzeugenbericht von Chrysostomos Pipiliangas, Η Ελλάς κατά την από του 1942 – 1967 περίοδον (Griechenland in der Phase 1942 bis 1967), in dem ein mutmaßlicher Kollaborateur (er war zur Zeit der deutschen Besatzung Präfekt in Trikala und im Bezirk Larissa/Volos) und ehemaliger Angehöriger der Sicherheitsbataillone all das glorifiziert, was im linken Diskurs als Verrat an der Nation gebrandmarkt wurde.116 Im Übrigen ist bemerkenswert, dass Interna des KKE in den 1960er und 1970er Jahren zwar Gegenstand einer Vielzahl von Narrativen sind, die Spaltung des KKE in eine dogmatische und eine Reformpartei im Jahr 1968 aber nicht zur zeitnahen Produktion von Narrativen geführt hat.117 Bezogen auf den Zeitraum 1967 bis 1974 muss man natürlich berücksichtigen, dass in Griechenland Zensurbedingungen herrschten. Beispiele für Romane, die Interna des KKE ansprechen, sind Stratis Tsirkas’ Trilogie Ακυβέρνητες Πολιτείες (Steuerlose Städte); im ersten Band mit Titel Η Λέσχη (1960; Der Club) wird eine Führungspersönlichkeit der Kommunistischen Partei als Verbalist portraitiert; der Autor wurde deshalb aus dem KKE ausgeschlossen und arbeitete anschließend seinen Roman zum ersten Teil einer Trilogie mit einem ganz anderen inhaltlichen Fokus um.118 Aris Alexandrous Το Κιβώτιο (Die Kiste) und Sotiris Patatzis’ Πένθιμο εμβατήριο (1978; Trauermarsch) wurden erst nach dem Ende der Obristendiktatur publiziert. In Alki Zeis Η αρραβωνιαστικιά του Αχιλλέα (Die Verlobte des Achilles) fällt auf, dass die Spaltung des KKE spürbar im Raum steht, aber nicht explizit angesprochen wird.119

115 „Το παρελθόν δεν αλλάζει, μπορεί ν’ αλλάξει όμως ο τρόπος που το βλέπουμε“, Roufos, Χρονικό μιας Σταυροφορίας (Chronik eines Kreuzzugs), 1972, zitiert nach Roufos 2004, S. 13. 116 Kyriakis, Datenblatt Pipiliangas, 2013. 117 Vgl. hierzu auch Apostolidou, Τραύμα και μνήμη (Trauma und Erinnerung), 2010, S. 149. 118 Zum Parteiumfeld von Stratis Tsirkas in Ägypten siehe Chaziiosif, Αναζητώντας τη χαμένη εθνική αστική τάξη (Auf der Suche nach dem verlorenen griechischen Bürgertum), 2013, S. 54 f. Zum Entstehungsprozess der Trilogie siehe Pechlivanos, Από τη Λέσχη (Vom Roman Der Klub), 2008. 119 Moennig, Erzählstrukturen – Parteistrukturen, 2009.

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„Sowohl vor als auch nach der Militärdiktatur war die Erinnerung an den Bürgerkrieg in der politischen Kultur der Linken mit der Erinnerung an politische Verfolgung verknüpft“, konstatiert Voglis.120 Einen Impuls, den Themenkomplex Inhaftierung, Exil und langjährige Internierung narrativ präsent zu halten, liefert zudem der unablässige äußere Druck auf griechische Regierungen, einschließlich der Obristenjunta, politische Internierte freizulassen. Zu den relevanten Texten zählen Η Καγκελόπορτα (1962; Das Gittertor) von Andreas Frangias und vor allem der Roman Λοιμός (1972; Die ­Seuche). Noch während der Junta wird mit dem Selbstzeugnis von Argyroulla Koutifari-­Frantzeskou, Μια αληθινή ιστορία (1973; Eine wahre Geschichte), das erste einer ganzen Folge von Selbstzeugnissen von Frauen veröffentlicht, in denen es vornehmlich um Ereignisse während des Widerstands geht: „Belege oder auch nur Hinweise auf ‚staatsfeindliche Aktivität‘ während des Bürgerkriegs hätten sie ins Gefängnis gebracht.“ 121

Bürgerkriegsnarrative und äußere Ereignisse: 1974 bis 2008 Ab 1974 stellt sich die Frage nach der Gegenwartsbezogenheit von Bürgerkriegsnarrativen unter neuen Vorzeichen. Nach dem Sturz der Obristendiktatur wurden innerhalb weniger Jahre nach der Vereidigung von Konstantinos Karamanlis zum Ministerpräsidenten am 24. Juli 1974 Ereignisse zum Gegenstand von erinnerungskulturellen fiktionalen Narrativen, w ­ elche sich auf die Junta und ihr Scheitern bezogen: Ereignisse, die zum Militärputsch i. J. 1967 führten; die erneute Verfolgung und Exilierung der Linken; der Anschlag auf den Diktator Georgios Papadopoulos durch Alexandros Panagoulis am 13. August 1968; der Studierendenaufstand am Athener Polytechnikum am 17. November 1973. Einen nachhaltig wirkmächtigen narrativen Zusammenhang z­ wischen dem Bürgerkrieg der 1940er Jahre und der Militärdiktatur der Jahre 1967 bis 1974 stellte Alexandros Kotzias 1976 in der dritten Ausgabe seines Romans Πολιορκία (Belagerung) her, beginnend mit dem Untertitel auf S. 5 „Ο Πόλεμος που άρχισε το 1943“ („Der Krieg, der 1943 begann“) und weiter in einem Kommentar auf S. 7: 1943 begann in unserer Heimat ein Krieg […]. Dieser war unser Krieg. Er fand hier statt, in unseren Herden und mit unserem Blut wurde er teuer bezahlt […]. Er ereignete sich zur Gänze in unseren Häusern, auf unseren Straßen, in den Zimmern und in unseren Betten […]. Hier. Wir kennen uns alle, und haben uns gegenseitig abgeschlachtet.122 120 Voglis, Die Rückkehr der Vergangenheit, 2015, S. 74. 121 „Αποδείξεις ή έστω ενδείξεις για ‚αντεθνική δράση’ στη διάρκεια του εμφύλιου θα τις οδηγούσαν στη φυλακή“, Vervenioti, Μνήμες και αμνησίες (Erinnerungen und Gedächtnislücken), 2008, S. 85. 122 „Στα 1943 άρχισε στην πατρίδα μας ένας πόλεμος […] Οπωσδήποτε, αυτός είτανε ο δικός μας ο πόλεμος. Γίνηκε εδώ, μέσα στις δικές μας εστίες και με το δικό μας το αίμα καταβλήθηκε το βαρύ

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Im Kontext dieser dritten Auflage erfuhr Alexandros Kotzias nach dem Verdikt, Autor schwarzer (politischer) Literatur zu sein, seine ideologische Rehabilitation: Man habe dem Überbringer der schlechten Nachricht deren schrecklichen Inhalt angelastet. Diese Rehabilitation erfolgte durch Titos Patrikios in einer Besprechung der dritten Auflage von Πολιορκία (Belagerung) von 1976.123 Den Zusammenhang ­zwischen den 1940er und den 1970er Jahren narrativierte Kotzias in seinem Roman Αντιποίησις αρχής (1979; Amtsanmaßung): Karderinis, ein typischer (stereotyper?) Spitzel der Junta, hatte in den 40er Jahren mit den Deutschen kollaboriert. Möglicherweise lässt eine Beobachtung von Kousouris die Rehabilitation Kotzias’ in einem breiteren Kontext gesehen besser verständlich werden; im Zusammenhang mit dem Ende der Obristendiktatur sei das Thema Kollaboration wieder virulent geworden: Die Besonderheiten der griechischen Lage [d. i. verglichen mit anderen Ländern, die von den Deutschen okkupiert worden waren] wurden ebenfalls relativ früh als ‚unser eigener dreißigjähriger Krieg‘ in dem Roman Αντιποίησις αρχής (Amtsanmaßung) von Alexandros Kotzias beschrieben und dann von Konstantinos Tsoukalas, einem Soziologen, in der Aussage resümiert, ‚hinsichtlich seiner ideologischen und kulturellen Folgen ging der griechische Bürgerkrieg erst 1974 zu Ende‘.124

Die Erfahrung mit der Junta und ihrer lobbyistischen Sympathie für die ehemaligen Mitglieder der Sicherheitsbataillone (mit Bezug beispielsweise auf die Verordnung 179 von 1969) führten zu einer ganz anderen Wahrnehmung der Position des Autors A ­ lexandros Kotzias gegenüber seinem (kollaborierenden) fiktionalen Protagonisten des Jahres 1953.125 Die gleichsam genealogische, aus ihrer gemeinsamen Eigenschaft als Kollaborateure resultierende Kontinuität, die Kotzias durch die paratextuelle K ­ onstruktion eines griechischen dreißigjährigen Kriegs ­zwischen den Protagonisten seiner Romane von 1953 und 1979 herstellt, verleiht dem Roman von 1953 – selbstverständlich vor dem Hintergrund der Erfahrung der Diktatur von 1967 bis 1974 und mit dem genannten Paratext zum „dreißigjährigen Krieg“ des Jahres 1976 – eine neue Bedeutung.

του αντίτιμο […] Η φάση που μας απασχολεί ξετυλίχτηκε όλη μέσα στα σπίτια μας, μέσα στους δρόμους, στα δωμάτια, στα κρεβάτια μας […] εδώ, γνωριζόμαστε και σφαχτήκαμε“, Kotzias, Πολιορκία (Belagerung), 1976, S. 7. 123 Patrikios, Το μήνυμα της φρίκης (Die Horrorbotschaft), 1977. 1 24 Kousouris, Kollaboration und Geschichtsschreibung, 2015, S. 174. 125 Kousouris’ „philologischer“ Fehler – Kotzias’ dreißigjähriger Krieg stammt aus der dritten Auflage des Romans Πολιορκία (Belagerung, erscheinen 1976) – ist hier irrelevant und auch deshalb verzeihlich, weil das Schema des „dreißigjährigen Kriegs“ tatsächlich erst Ende der 1970er Jahre im Zusammenhang mit Αντιποίησις αρχής (Amtsanmaßung) Eingang in den ­Diskurs fand.

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Im Zusammenhang mit der Obristendiktatur gibt es ein Phänomen, das hier zum ersten Mal zu beobachten ist: Ein Werk, das nicht der griechischen Literatur angehörte, aber ein griechisches Thema aufgriff, nämlich Un uomo (1979; griechische Übersetzung: Ένας άντρας, 1981) von Oriana Fallaci, fand Eingang in den griechischen Erinnerungsdiskurs; der autofiktionale Bericht handelt von der ­kurzen Beziehung ­zwischen der Persona der Autorin und dem 1976 ums Leben gekommenen Alexandros Panagoulis. Die Metapolitefsi ging einher mit der Perspektive eines weiterhin nationalen, nun aber für alle Griechen lebenswerten Landes; das Thema, dass zahlreiche Griechen als Fremdarbeiter fern der Bürgerkriegsschauplätze in der Diaspora lebten, fand seinen Eingang in die griechische Literatur. Dimitris Chatzis, der dem DSE angehört und ­zwischen 1949 und 1974 in Ländern jenseits des Eisernen Vorhangs gelebt hatte, greift in Το διπλό βιβλίο (1976; Das doppelte Buch)126 das Thema einer auf physische Grundbedürfnisse reduzierten Gastarbeiterexistenz in einem fremden, indifferenten Land als Folge des Bürgerkriegs auf. Das Buch Eleni von Nicholas Gage – das im amerikanischen Original 1983 und im selben Jahr unter dem Namen Nikos Gatzogiannis in griechischer Übersetzung (durch Alexandros Kotzias) erschien – greift d­ ieses Thema (auto-)biographisch auf und ist ein weiteres Beispiel eines nichtgriechischen Werks, das in der griechischen Erinnerungskultur wie ein ihr eigenes Produkt rezipiert wurde.127 Das Thema der politischen Auswanderung wird auch in dem vielschichtigen Roman Στοιχεία για τη δεκαετία του ΄60 (1989; Material zu den 60er Jahren) von Thanassis V ­ altinos prominent aufgegriffen. Mit den Worten von Voglis: Jahrzehntelang war die politische Kultur der Linken auf dem Gedenken an den Widerstand durch das EAM gegründet, wobei im Rückgriff auf den Nationalen Widerstand dieser mit jenem deckungsgleich wurde.128

Nach 1974 gelang es dem PASOK unter Andreas Papandreou, die erinnerungskul­ turell als positiv gewerteten Aspekte des Widerstands für die eigene Partei nutzbar zu machen.129 Vor allem die Anerkennung eines gemeinsamen Widerstands, also auch linker Gruppen wie dem EAM und dem ELAS , mit dem Gesetz mit der Nummer 1285/1982 (also des Jahres 1982) ist dasjenige politische Ereignis, das die bis dahin am 126 Es existieren zwei deutsche Übersetzungen; von Luise Steller, Köln: Romiosini, 1983, und von Carola Nicolaou, Berlin (Ost): Volk und Welt, 1985. 127 Nicholas Gage ist Amerikaner griechischer Herkunft; sein Buch Eleni wirkte im Original für eine bestimmte Gruppe von amerikanischen Griechen identitätsstiftend: Danforth; van Boeschoten, Children of the Greek Civil War, 2012. 128 Voglis, Die Rückkehr der Vergangenheit, 2015, S. 67 – 83. 129 Rori, Από το „δωσίλογο“ Μητσοτάκη (Vom „Kollaborateur“ Mitsotakis), 2008, S. 293 – 309.

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deutlichsten spürbaren Auswirkungen auf den Diskurs über die 1940er Jahre zeitigte: Während die Produktion von Romanen deutlich zurückging, stieg die Produktion von Selbstzeugnissen sprunghaft an. Dieses Ereignis macht den wesentlichen Unterschied in der Funktion von Fiktion, wie nah sie sich auch an der historischen Realität aufhält, und Ego-­Texten, aber auch z­ wischen Zeitzeugenberichten und Selbstzeugnissen sichtbar: Es geht nicht mehr um stellvertretende, sondern um persönliche Anerkennung. Widerstand, Kollaboration und Bürgerkrieg werden in den 1980er Jahren zu dominanten ­Themen im politischen Diskurs, mit wechselnden politischen Kalkülen; ausgelöst wurde dies durch die Vereinnahmung des Widerstands durch das PASOK, und es endete in der Verbrennung der Verfolgungsakten am 29. August 1989, dem 40. Jahrestag der endgültigen Niederlage des DSE.130 Das politische Klima der Jahre 1981 bis 1989 scheint in seiner Gesamtheit das Selbstzeugnis (im Vergleich zu fiktionalen Textsorten) begünstigt zu haben. Vervenioti konstatiert zu den Selbstzeugnissen von Frauen nach 1982: Hatten sich bislang Verbannte zu Wort gemeldet, so äußerten sich nun auch ehemalige politische Inhaftierte.131 Die Verbrennung von Millionen von Akten, die zum Zwecke der Verfolgung von Linken angelegt worden waren,132 führte, wiederum laut Vervenioti, zu einer Änderung in den Inhalten der Selbstzeugnisse (von Frauen): Einerseits werden innerparteiliche Auseinandersetzung zum Gegenstand des Narrativs, andererseits werden auch Soldatinnen des DSE , die bewaffnet am Bürgerkrieg teilgenommen hatten, zu Autorinnen von Selbstzeugnissen.133 Wenn bislang deutlich wurde, dass bei den Ego-­Texten das narrative Was? höher gewichtet ist als das narrative Wie?, so finden sich nach 1982 Beispiele dafür, dass in Selbstzeugnissen Techniken des Romans aufgegriffen werden (faktuale Textsorten somit der Fiktion angeglichen werden), wofür hier Πού ’ναι η μάνα σου, μωρή; (He, du, wo ist deine ­Mutter?) von Dimitra Petroula stellvertretend genannt werden soll. Möglicherweise ist auch die explizit offen gebliebene Gattungszugehörigkeit von Chronis Missios … καλά, εσύ σκοτώθηκες νωρίς (… gut, du bist rechtzeitig ums Leben gekommen) im Kontext ­dieses Wechsels von fiktionalen zu faktualen Gattungen zu sehen: Es gibt Texte, in ­welchen die Grenzen ­zwischen fiktional und faktual ausgelotet werden bis hin zur Aufhebung. Geht es im Roman um stellvertretende Anerkennung und 130 Siehe Paschaloudi, Eleni: Η δεκαετία του 1940 στον πολιτικό λόγο (Die 1940er Jahre im politischen Diskurs), 2013. 131 Vervenioti, Μνήμες και αμνησίες (Erinnerungen und Gedächtnislücken), 2008, S. 86. 132 Dazu Skordos, Der Bürgerkrieg, 2014, S. 29. Es gab eine Bewegung gegen die Verbrennung der Verfolgungsakten, siehe z. B. Iliou, Οι Φάκελοι (Die Akten), 2007; als Reaktion (?) auf die Verbrennung der Belege politischer Verfolgung wurden 1992 die ASKI (Αρχεία Σύγχρονης Κοινωνικής Ιστορίας, Archive für zeitgenössische Sozialgeschichte) gegründet. 133 Vervenioti, Μνήμες και αμνησίες (Erinnerungen und Gedächtnislücken), 2008, S. 86.

1974 bis 2008 | 45

geht es in den Selbstzeugnissen um individuelle Anerkennung, so stehen diese Texte, in ihrer Aufhebung der Unterschiede ­zwischen den Gattungen, für eine Eponymisierung des Anonymen – gewissermaßen die literarische Seite des Prozesses, den Voglis als ­„becoming a subject“ bezeichnet.134 Dass das linke Narrativ ungefähr in diesen Jahren seinen Höhepunkt erreicht hat, wird aus Folgendem offensichtlich: Der Publizist Angelos Elefantis bestritt in seiner Besprechung des (als rechts wahrgenommenen) Buches Eleni von Nikos Gatzogiannis das Recht der Rechten, mit einer eigenen Meinung über die innergriechische Gewalt der 1940er Jahre zu schreiben.135 Auf den ersten Blick schwer verständlich ist, dass die durch ELAS und EDES gemeinsam durchgeführte Sprengung der Eisenbahnbrücke am Gorgopotamos i. J. 1942 kaum Gegenstand von Narrativen ist. Im Zusammenhang mit dem Gesetz 1285 von 1982 „wurde der Jahrestag der Brückensprengung am Gorgopotamos-­Fluss“ als nationaler Gedenktag eingeführt.136 Dieses Ereignis bot sich für diesen Zweck an, nachdem der Gorgopotamos im Zusammenhang mit der Einigungspolitik der Metapolitefsi als Erinnerungsort für einen Vereinten Nationalen Widerstand entdeckt worden war.137 Seit 1982 wird der Jahrestag der Brückensprengung, der 25. November, als Gedenktag begangen – dies „ohne großen Enthusiasmus“.138 Die fehlende Würdigung des Ereignisses in fiktionalen und Ego-­Texten könnte aussagen, dass es sich bei der Semantisierung des Ereignisses um etwas wie eine politisch opportune Erinnerung handelt. In einem parallelen Prozess zu dem genannten Umschwung von der Fiktion zum Selbstzeugnis gab es einen Themenwechsel, der in einem gewissen Maße mit dem biologischen Alter der Erlebnisgeneration zusammenhängt. Es entstanden sowohl fiktionale Texte als auch Selbstzeugnisse, in denen die – vornehmlich traumatischen – Auswirkungen der Ereignisse der 1940er Jahre auf das spätere Leben erzählt werden. Neben den bereits wiederholt genannten Texten von Dimitra Petroula und Chronis Missios können hier so unterschiedliche Texte wie die Novelle Ιαγουάρος (1987; Jaguar) von Alexandros Kotzias – im Mittelpunkt stehen zwei Personen, Dimitra und Filio, aus dem Roman Πολιορκία (Belagerung) und ihr Wiedersehen

134 Voglis, Becoming a Subject, 2002. 135 Elefantis, Ελένη (Eleni), 2003 (Erstveröffentlichung 1984). Dazu Demertzis, O Εμφύλιος Πόλεμος (Der Bürgerkrieg), 2013, S. 69. 136 Voglis, Die Rückkehr der Vergangenheit, 2015, S. 75. 137 Voglis, Die Rückkehr der Vergangenheit, 2015, S. 71, mit Verweis auf Voulgaris, Η Ελλάδα (Griechenland), 2001, S. 29; das Anliegen des Gesetzes von 1982 als das der Anerkennung des Vereinten Widerstands treffsicher bei Kousouris, Kollaboration und Geschichtsschreibung, 2015, S. 173. 138 Demertzis, O Εμφύλιος Πόλεμος (Der Bürgerkrieg), 2013, S. 72.

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am 21. Mai 1958139 – sowie das Selbstzeugnis von Kostas Kapopoulos, Αναμέναμε το θάνατο. Αίγινα 1947 – 1949 (Wir erwarteten den Tod. Ägina 1947 – 1949) genannt werden; in diesen Werken wird der zeitliche Abstand ­zwischen Erleben und Erzählen deutlich, und der autobiographische Erzähler berichtet von intrusiven Erinnerungen und Träumen, also Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung zum Zeitpunkt des Erzählens. Der Roman Η μητέρα του σκύλου (Die M ­ utter des Hundes) von Pavlos ­Matessis thema­tisiert die traumatischen Folgen im Jetzt, allerdings nicht für die im Krieg erwachsene Generation, sondern für deren Kinder. Die bereits angeführten Romane der 2000er Jahre, in denen es aus einer nachgeborenen, postmemorialen Position heraus um die Suche nach den Erinnerungen der Elterngeneration geht, verdeutlichen, dass die ­wieder ansteigende Anzahl fiktionaler Texte weniger eine Rückkehr ist, sondern vielmehr ein neuerlicher Anfang – einer nachkommenden Generation mit einer anderen Perspektive. Dass mit dem bereits angeführten Text Υιός συμμορίτου (Banditensohn) von Kyriakos Athanasiou ein Beispiel eines Selbstzeugnisses aus postmemorialer Perspektive vorliegt, erscheint wie eine Bestätigung der Aussage, dass die Gattung Roman sich zum Selbstzeugnis verhält wie ein repräsentatives, anonymes Narrativ zum individuellen und eponymen. Den Zusammenhang ­zwischen der tagesaktuellen politischen Lage in Griechenland und fortgesetztem Unrecht im dialektischen Spiel ­zwischen rechter und ­linker politischer Dominanz thematisierte Sofia Nikolaidou in ihrem Roman Απόψε δεν έχουμε φίλους (Heute Abend kennen wir keine Freunde). Sie stellt darin die Unruhen im Dezember 2008 als Reaktion auf dreißig Jahre linke Repression dar und spricht sich dafür aus, „keine Freunde“, d. h. weder Linke noch Rechte zu kennen. Die Präsenz der 1940er Jahre als Ausgangspunkt einer Dialektik des fortwährenden Unrechts auch im aktuellen Diskurs ist frappierend: Sei es, dass unzufriedene griechische Bürger die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in Naziuniform und so die politische Lage in Griechenland als Neuauflage der deutschen Besatzung 1941 – 1944 mit wirtschaftspolitischen Vorzeichen darstellen, sei es, dass die Neorechten Meligalas, den Ort der vernichtenden Niederlage der Sicherheitsbataillone durch den ELAS , zu einem Ort politischer Wallfahrt auserkoren haben, oder sei es, dass die linksintellektuelle Elite, zu welcher der auch in Deutschland stark rezipierte Autor Petros Markaris gehört, ­zwischen menschlichen Werten und der endgültigen Abkehr Griechenlands von totalitären Regimes nach 1974 differenzieren.140

139 Siehe dazu Kapitel 5 von Athanasios Anastasiadis im vorliegenden Band. 140 In den Romanen Ο Τσε αυτοκτόνησε (Che begann Selbstmord) und Ψωμί, παιδεία, ελευθερία (Brot, Bildung, Freiheit).

Regionalität | 47

Regionalität Ein weiterer Trend ist der zu regionalen Narrativen. Vervenioti schreibt zur linken Erinnerungskultur: Die Erinnerungskultur Athens und der Parteiführung gewann die Oberhand im Vergleich zur Provinz und bestimmte den Rahmen des kollektiven Gedächtnisses, während in Wirklichkeit der Beitrag der Athener zum Bürgerkrieg deutlich geringer war als der auf dem Land.141

Laut Antoniou gab es dagegen regionale bzw. lokale Erinnerungsfeiern, die den Hass ­zwischen den ehemaligen Bürgerkriegsparteien lebendig halten sollten.142 Im wissenschaftlichen Diskurs erfolgte die Entdeckung der Regionalität mit der Studie von Riki van Boeschoten über das kollektive Gedächtnis im Dorf Ziakas bei Grevena;143 darauf „folgte eine Reihe von Arbeiten über die inneren Gegensätze der regionalen dörflichen Gesellschaften sowie s­ olche, die sich auf die Massendimension und longue durée konzentrierten.“ 144 Insbesondere in den Selbstzeugnissen, aber natürlich auch in der Fiktion sind Handlungen und Akteure ortsbezogen, und diese Ortsbezogenheit kann ein wesentliches konstituierendes Merkmal eines Textes sein. In den Romanen zum Bürgerkrieg fällt die – von Vervenioti auch für Selbstzeugnisse von Frauen festgestellte – starke Hauptstadtbezogenheit auf. Dennoch stehen in der Fiktion bestimmte Orte für bestimmte Konflikte (was mit der Eigenschaft der Texte als Stellvertreternarrative zusammenhängt), und das bereits in den frühen Bürgerkriegsromanen. Beispiele sind: −− der frühe Roman von Dimitris Chatzis, Η Φωτιά (Das Feuer), in dem der Widerstand in Thessalien im Mittelpunkt steht und Athen erst dann zum Schauplatz wird, als es um die auf die Hauptstadt begrenzten Dezemberereignissen geht. Die „Geographie“ ­dieses Textes ist bezeichnend: Während im ersten Teil die Polarisierung der Interessen (verdeutlicht durch den kollaborierenden Ziogas) auf der Ebene von Dorf- und Familiengemeinschaften im Mittelpunkt steht, verlagert sich das Interesse im zweiten Teil auf die Orte des Widerstands (hier markiert durch die Bahnlinie, über w ­ elche die deutsche Besatzungsmacht ihre Kriegsbeute aus Athen in nördliche

141 „Η μνήμη της Αθήνας και κατ’ επέκταση της Ηγεσίας υπερίσχυσε της επαρχίας και καθόρισε το πλαίσιο της μνήμης, ενώ στην πραγματικότητα ο ρόλος των Αθηναίων στον εμφύλιο ήταν σαφώς μικρότερος από αυτόν της ελληνικής υπαίθρου“, Vervenioti, Μνήμες και αμνησίες (Erinnerungen und Gedächtnislücken), 2008, S. 97. 142 Antoniou, Οι γιορτές μίσους (Die Feiern des Hasses), 2013. 143 van Boeschoten, Ανάποδα χρόνια (Unglückliche Jahre), 1997. 144 Kousouris, Kollaboration und Geschichtsschreibung, 2015, S. 178.

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Richtung speditierte) und im dritten Teil auf Athen, weil die Dezemberereignisse sich im Wesentlichen auf die Hauptstadt beschränkten die Trilogie Ακυβέρνητες Πολιτείες (Steuerlose Städte) von Stratis Tsirkas, in der der Beitrag der griechischen Kolonie in Ägypten und der griechischen Soldaten unter britischem Befehl am Widerstand und am anschließenden Bürgerkrieg erzählt wird In H Κάθοδος των εννιά (Der Abstieg der Neun) von Thanassis Valtinos, Πένθιμο εμβατήριo (Trauermarsch) von Sotiris Patatzis und vor allem Ορθοκωστά (Orthokosta) von Thanassis Valtinos wird die Peloponnes als der zweite wichtige Schauplatz von Bürgerkriegsereignissen im Anschluss an die und während der deutschen Besatzung etabliert vergleichsweise stark repräsentiert ist auch Epiros, vor allem in Οι αδερφοφάδες (1963; Die Brudermörder) von Nikos Kazantzakis,145 Ακροκεραύνια (1976; A ­ krokeraunia) von Christophoros Milionis und Ελένη (1983; Eleni) von Nicholas Gage alias Nikos Gatzogiannis.

Dieser Form des Realismus stehen auffällig zwei Romane gegenüber, Το Κιβώτιο (Die Kiste) von Aris Alexandrou und Η μητέρα του σκύλου (Die ­Mutter des Hundes) von Pavlos Matessis: Dem konkreten Schauplatz Athen (in einem Fall der Jahre des Widerstands gegen die Deutschen, im anderen Fall als Ort der Flucht aus den Dörfern als Schauplatz innergriechischer Gewalt) steht ein fiktiver griechischer Raum irgendwo auf dem Land gegenüber, in dem einem Text als Bürgerkriegsschauplatz des Jahres 1949, im anderen als Schauplatz der deutschen Besatzung 1941 – 4 4. Das Gemeinsame ist offenbar die Stellvertreterfunktion des fiktiven Raumes, der zwar Spielraum für historische Identifikationen eröffnet (Epiros im einen Fall, Peloponnes im anderen), am Ende aber fiktional bleibt und so als Platzhalter für verschiedene historisch mögliche Räume steht. Die Technik zahlloser Erzähler auf zweiter Ebene, ohne erzählende Instanz auf erster Ebene, die Thanassis Valtinos in Στοιχεία για τη δεκαετία του ΄60 (1989; Material zu den 60er Jahren) anwendet, erlaubt einen gesamtgriechischen Anspruch auf Betroffenheit: Die verschiedenen Dokumente stammen aus dem gesamten griechischen Raum. Die Anzahl der Texte mit Regionalbezug seit den 1940er Jahren ist zu hoch, um argumentieren zu können, zeitnah zur Entdeckung der Regionalität in der kulturwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem griechischen Bürgerkrieg habe diese auch Einzug in die Bürgerkriegsnarrative gefunden. Dennoch fällt die zeitliche Nähe zur Studie von Riki van Boeschoten (1997) und dem Roman Ορθοκωστά (Orthokosta) von Thanassis Valtinos auf. In Ορθοκωστά (Orthokosta) ist eine Ansammlung von Dörfern in Kynouria auf der Peloponnes der Ort einer kollektiv traumatisierten

145 Deutsche Übersetzung: Brudermörder. Aus dem Neugriechischen übertragen von Chlodwig Plehn. Herbig: München u. a., 1969.

Traumabewältigung | 49

Gesellschaft – es geht um die inneren Gegensätze, die Massendimension und die lon­ gue durée: sowohl in der Fiktion als auch in den (mündlichen) Selbstzeugnissen (die in dem Roman imitiert werden) ein absolutes Novum und, wie die Rezeption belegt, ein Meilenstein im Entwicklungsprozess eines kollektiven Masternarrativs zum griechischen Bürgerkrieg.146 Auffällig ist, dass Kreta nur spät und zögernd als Ort in einem Bürgerkriegsromanen inszeniert wurde, nämlich in dem Roman Το δίκιο είναι ζόρικο πολύ (2012; Gerechtigkeit ist harte Arbeit) von Maro Douka. Bezüglich Thessaloniki fällt auf, dass das Einspielen des Schauplatzes in Η Εβραία νύφη (Die Judenbraut) von Nikos Davvetas mit der postmemorialen Situation, in der die Kinder der Akteure heute leben, verknüpft ist. Davvetas stellt auf diese Weise einen Zusammenhang ­zwischen den ­Themen Bürger­ krieg, Kollaboration und Holocaust her – insbesondere Letzteres ist ein Thema, das trotz des schriftstellerischen Werks von Giorgos Ioannou nur schwer in den Fokus des Diskurses rückte.147 Ähnlich verbindet Sofia Nikolaidou, wenn auch nicht über die postmemoriale Situation, in ihrem Roman Απόψε δεν έχουμε φίλους (Heute Abend kennen wir keine Freunde) die Th ­ emen Kollaboration und Völkermord, wobei der Bürgerkrieg in ihrem Text ein fortgesetzter, nicht auf eine bestimmte historische Situa­ tion beschränkter Zustand ist, der nicht nur mit scharfen Waffen, sondern z. B. auch in universitären Hörsälen und mit den akademischen Mitteln der Note, mit der eine Dissertation bewertet wird, ausgetragen wird. Diese beiden Romane verdeutlichen zugleich auch die Gründe, warum Narrative mit Schauplatz Thessaloniki so schwierig zu erzählen sind: Der Holocaust geschah mit griechischer Mittäterschaft.148

Traumabewältigung Während der Roman Το Κιβώτιο (Die Kiste) von Aris Alexandrou das wichtigste und durch die Wahl seiner narrativen Mittel auch das konsequenteste Traumanarrativ (die Repräsentation eines individuellen Traumas) in der griechischen Literatur zum Bürger­ krieg darstellt,149 wird vor allem in und seit den 80er Jahren deutlich, dass die Bürgerkriegsnarrative insgesamt eine Funktion im Bewältigungsprozess eines kollektiven Traumas ausüben. Dass die hohe Anzahl der seit den 1980er Jahren neu produzierten Selbstzeugnisse mit d­ iesem Bewältigungsprozess in einem Zusammenhang stehen, wird man nach Abschluss des Hamburger Forschungsprojekts von der Sache her bestätigen, 146 Zu dem Roman siehe Kapitel 8 von Athanasios Anastasiadis und Joachim Winkler im vorliegenden Band. 147 Vgl. Abatzopoulou, Griechische Juden, 2015. 148 Vgl. Anastasiadis, Nicht die Deutschen, unsere eigenen Leute, 2015. 149 Siehe dazu Kapitel 6 von Ulrich Moennig im vorliegenden Band.

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nicht aber in irgendeiner Weise quantifizieren können. Dem „spezifischen Gewebe der Intertextualität“ der Selbstzeugnisse zum Trotz, welches Voglis konstatiert, wird in einigen Selbstzeugnissen das Trauma thematisiert. Während es von Nikandros Kepessis in Θυμάμαι (Ich erinnere mich) geleugnet wird,150 sprechen Dimitra Petroula, Πού ’ναι η ­ utter?) und Kostas Kapopoulos, Αναμέναμε το μάνα σου, μωρή; (He, du, wo ist deine M θάνατο. Αίγινα 1947 – 1949 (Wir warteten auf unsere Hinrichtung. Ägina 1947 – 1949) eine andere Sprache. Mit Στοιχεία για τη δεκαετία του ΄60 (Material zu den 60er Jahren) von ­Thanassis Valtinos erschien zwar keinesfalls der erste Roman, der den Rückblick auf die 1940er Jahre selbst und somit das traumatische Fortwirken der Vergangenheit auf die Gegenwart thematisiert (das war im Grunde bereits bei allen Vorgängern der Fall, bei denen es um den Bürgerkrieg geht, die Handlung aber in einer Zeit nach 1949 spielt); von nun an wird dieser Aspekt jedoch zu einem dominanten Thema, wie in Η μητέρα του σκύλου von Pavlos Matessis (Die ­Mutter der Hundes), in Ορθοκωστά (Orthokosta) von Thanassis Valtinos und in der gesamten Postmemory-­Literatur des frühen 21. Jahrhunderts. Ορθοκωστά (Orthokosta) bestätigt zugleich die enorme erinnerungskulturelle Wirkung des Gesetzes mit der Nummer 1285 von 1982: Die von vielen Mitgliedern kleiner Dorfgemeinschaften als „rote Terroristen“ wahrgenommenen Nachbarn trugen durch ­dieses Gesetz einen Sieg davon, während diejenigen, die ihre Rolle in den Sicherheitsbataillonen als die einer defensiven Bürgerwehr sahen, eine Niederlage in einem andauernden, von Haus zu Haus ausgetragenen Erinnerungskrieg hinnehmen mussten. Die Fortgesetztheit des Prozesses impliziert, dass dieser kein richtiges Ende finden wird; vielmehr weitet er sich kontinuierlich in alle Bereiche des privaten und öffent­ lichen Lebens aus. Gleichzeitig ist deutlich, dass der Diskurs sich gegenwärtig an einem kritischen Punkt befindet: Ist er an biologische Generationen gebunden, so wird er mit dem Aussterben der Erlebnisgeneration verebben, ist er an Konstellationen von Schuld und Täterschaft gebunden und setzt sich das Narrativ des fortgesetzten Unrechts fort, so wird er andauern, bis sämtliche ­Themen offenliegen – womöglich mit Fokus auf die Täterschaft. Vielleicht ist es gerade die verdrängte Täterschaft – in einem Bürgerkrieg kann die Erinnerungsgemeinschaft nicht nur aus Opfern bestehen –, die den Diskurs fortwährend befeuert, und möglicherweise ist es das Verdrängen, das die 40er Jahre im griechischen Diskurs immer wieder aufleben lässt: Jeder neue Zustand ist ein Produkt des fortgesetzten Unrechts, dessen Ausgangspunkt genauso offen ist, wie der Diskurs über den griechischen Bürgerkrieg keinen richtigen Anfang hat.151

1 50 Siehe dazu Kapitel 7 von Ulrich Moennig im vorliegenden Band. 151 Vgl. Demertzis, O Εμφύλιος Πόλεμος (Der Bürgerkrieg), 2013, S. 79 – 88.

Abspann | 51

Abspann Kousouris beendet den wiederholt zitierten Beitrag mit der Aufforderung, die Vergan­ genheit zu erforschen, um die Gegenwart, insbesondere das Wiederaufleben des Faschismus, zu verstehen: Außerdem kann die Überwindung des mechanischen Wiederholens ideologischer Denkmuster vergangener Epochen und die Konzentration der Forschung auf Fragen wie die von uns beschriebenen nicht nur zur vollständigeren Kenntnis und Neubildung der historischen Vergangenheit beitragen, sondern auch zum kritischen Verständnis für das Wiederaufleben des Faschismus als gesellschaftlicher Massenströmung in der fortschreitenden Legitimationskrise des Parlamentarismus.152

Um ­diesem von der Sache her offenen Kapitel einen zumindest auf den Status quo bezogenen Abschluss zu geben, bietet sich ein Kriminalroman von Petros Markaris, Τίτλοι τέλους (Abspann), an. Im Hintergrund des Romans steht die trügerische Vision einer besseren Zukunft auf dem Fundament der Korruption – eine Vision, die durch ihr Scheitern ein Land an den Abgrund führte. In einem Abspann werden die Rollen und ihre Darsteller und alle sonst an der Produktion Beteiligten genannt. Der Titel der deutschen Übersetzung von Michaela Prinzinger, Zurück auf Start, greift eine stereotype Formel in den Bekennerschreiben der Mörder, der „Griechen der 1950er Jahre“, auf: „Kehrt um und geht zurück auf Start! Aber diesmal richtig!“ 153 – „richtig“ heißt, auf dem Fundament von menschlichen Werten, von Werten, um die es in den Narrativen beider beteiligten Parteien eigentlich ging. Die Mörder sind eine Gruppe von gräzisierten Albanern – sie sind Bestandteil der griechischen Gesellschaft, gehören aber nicht der Kette des Unrechts an, aus der die Gesellschaft sich nicht befreien kann. Sie beobachten, ohne sich mit einem der beiden Lager zu identifizieren. Übrigens ist auch der Autor, Petros Markaris, bezogen auf die Genealogie der Bürgerkriegsparteien ein Außenstehender: Er stammt aus Istanbul und zog erst nach seinem Studium in Österreich und Deutschland nach Griechenland. Gottfried Fischer und Peter Riedesser schreiben in ihrem Lehrbuch der Psychotrau­ matologie: „[I]n totalitären Regimen repräsentieren die oppositionellen Kräfte oft die menschlichen Werte innerhalb eines unmenschlichen Systems. Dennoch oder meistens gerade deshalb wurden sie verfolgt und traumatisiert.“ 154 Weiter unten heißt es: „Eine komplementäre Einsicht besteht darin, dass nicht das Opfer ‚geschändet‘, gedemütigt

1 52 Kousouris, Kollaboration und Geschichtsschreibung, 2015, S. 182. 153 Die Zitate auf in der deutschen Übersetzung (Zurück auf Start, 2015) auf S. 240. 154 Fischer; Riedesser, Psychotraumatologie, 42009, S. 78.

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und oft psychophysisch zerstört wurde, sondern der Täter als ‚menschliches Wesen‘.“ 155 Markaris führt in Τίτλοι τέλους (Abspann) einen Gedankengang zu Ende, den er in Ο Τσε αυτοκτόνησε (2003; Che begann Selbstmord)156 begonnen und in Ψωμί, παιδία, ελευθερία (2012; Brot, Bildung, Freiheit)157 fortgeführt hatte; in allen drei Romanen geht es um den Verrat an den menschlichen Werten, welcher die ehemaligen Opfer zu Tätern macht (in Ο Τσε αυτοκτόνησε, Che begann Selbstmord, gibt es auch den Täter des totalitären Obristenregimes 1967 bis 1974 und seine Zerstörung als „menschliches Wesen“). Der Unterschied in der Variation von 2012 gegenüber jener von 2003 lag in der ursächlichen Verknüpfung von Missbrauch der durch die Metapolitefsi obsiegenden Werte als Ursache für die aktuelle Staatsschuldenkrise. Der Unterschied in der dritten Variation des Themas im Vergleich zu den beiden vorherigen liegt in der Vordatierung des Ursprungs der Kette des Unrechts von den Jahren der Obristendiktatur (der rechten Sieger) und dem moralischen Siegeszug der Linken, der am 17. November 1973 mit der bereits angesprochenen Studierendenrevolte am Athener Polytechnikum begann, in die Jahre des Wiederaufbaus nach dem Bürgerkrieg. Markaris lässt seine Mörderinnen und Mörder typische Akteure des korrupten Systems liquidieren; sie haben die Hochkonjunktur der humanen Werte ausgenutzt, um diese Werte zum Zweck der persönlichen Bereicherung zu verraten. Um Fischer & Riedesser noch einmal aufzugreifen: Markaris konstruiert „repräsentative Situationen“ – der Einzelne wird als Repräsentant ermordet. Um die „repräsentative Situation“ von Τίτλοι τέλους (Abspann) auf den vorliegenden Kontext zu übertragen: Das PASOK machte sich unter Andreas Papandreou das Narrativ der Unterlegenen zu Nutzen, so wie es in drei Jahrzehnten ausgehandelt worden war: als Narrativ moralischer Überlegenheit. Insbesondere auf die Wirkung der humanen Werte zu bauen, war nach der Junta 1967 – 1974 nicht schwierig.158 Heute sieht es nun so aus, als habe genau die Euphorie des Sieges den Anfang des Untergangs des Narrativs der Unterlegenen bewirkt – ist dieser Untergang vollzogen, so ist eine spezifische Phase der Bürgerkriegsbewältigung, der moralische Sieg der anfangs Ausgegrenzten, narrativiert und damit „durch“. Mit der Staatsschuldenkrise seit 2010 erweisen sich sowohl die nach 1949 als auch die nach 1974 und insbesondere 1981 siegreichen ideologischen Modelle als gescheitert, die Bürgerkriegsparteien wären somit quitt – und ­dieses einleitende Kapitel zum vorliegenden Band hätte doch einen Abschluss gefunden, sogar mit Abspann.

1 55 156 157 158

Ebd., S. 78. Deutsche Übersetzung von Michaela Prinzinger: Live!, Zürich: Diogenes, 2004. Deutsche Übersetzung von Michaela Prinzinger: Zahltag, Zürich: Diogenes, 2013. Rori, Από το „δωσίλογο“ Μητσοτάκη (Vom „Kollaborateur“ Mitsotakis), 2008.

Abspann | 53

Tatsache ist, dass die griechische Staatsschuldenkrise seit 2010 die kollektive Erinnerung an die 40er Jahre wieder hat lebendig werden lassen – doch während in früheren Phasen der Diskurs über den Bürgerkrieg das Thema der deutschen Besatzung verdrängte, stellt ein politisches Narrativ die deutsche Besatzung in den Vordergrund: Die Auflagen der Kreditgeber sind ein Eingriff in die staatliche Autonomie und somit eine Form der Besatzung und Ausbeutung. Gefordert ist ein neuer nationaler Widerstand – und keine neue Polarisierung.159 Der Erfolg d­ ieses Narrativs in der breiten Bevölkerung wurde am 5. Juli 2015 durch ein Referendum bestätigt.

159 Panagiotopoulos, Πολιτικές χρήσεις της ιστορίας 2010 – 2012 (Politische Verwendung der Geschichte in den Jahren 2010 – 2012), 2013, S. 266 – 272.

Lena Viemann

2. Der griechische Bürgerkrieg im Erinnerungsdiskurs Einleitung Der griechische Bürgerkrieg hat nicht nur im individuellen Gedächtnis der Zeitzeugen Spuren hinterlassen. Er wird vielmehr als so bedeutsam für die Geschichte Griechenlands empfunden, dass er Eingang ins kollektive Gedächtnis der Griechen gefunden hat. Die Rede vom kollektiven Gedächtnis unterstellt, dass es in Großgruppen wie Nationen dem individuellen Gedächtnis ähnliche Prozesse gibt, die dafür sorgen, dass die Gruppe als Ganzes ein Bild ihrer Vergangenheit entwirft, auf das sie ihre Identität aufbaut. Gerade im Fall von Bürgerkriegen und anderen konfliktreichen, umstrittenen und traumatischen Ereignissen der Geschichte von Großgruppen existiert aber nicht nur eine von der gesamten Gruppe geteilte Version der gemeinsamen Geschichte. Vielmehr existieren einander widersprechende Geschichtsbilder, die jeweils von bestimmten (Interessen-)Gruppen vertreten werden und über die in Erinnerungskulturen debattiert und gestritten wird. So auch im Fall des griechischen Bürgerkriegs: Das Bild, das die „Linken“ vom Bürgerkrieg zeichnen, unterscheidet sich diametral vom Geschichtsbild der „Rechten“.1 Welche Gruppe Täter, w ­ elche Opfer ist, verändert sich, je nachdem, aus welcher ideologischen Perspektive über den Bürgerkrieg gesprochen wird. Und je nachdem, in welchem Stadium sich der Erinnerungsdiskurs gerade befindet, ­welche Gruppe in der mächtigeren Position ist und über die Diskursregeln bestimmt, ist eine Vergangenheitsversion leichter sagbar als die andere. Der Erinnerungsdiskurs findet auf ganz unterschiedlichen Feldern statt, eines davon ist die Literatur.2 Auch und gerade literarische Texte tragen dazu bei, Erzählungen und Bilder über die Vergangenheit in Umlauf zu bringen und sind somit Teilnehmer am Erinnerungsdiskurs. Im Folgenden werde ich kurz darstellen, was in den Kulturwissenschaften unter kollektivem Gedächtnis und Erinnerungskultur verstanden wird,3 und dann darauf

1 Vgl. hierzu Voglis, Η δεκαετία του 1940 ως παρελθόν (Die 1940er Jahre als Vergangenheit), 2007, der ­zwischen einer linken und einer rechten Erinnerungskultur unterscheidet. 2 Zur Darstellung des Bürgerkriegs in der griechischen Literatur vgl. Argyriou, Αποδόσεις (Darstellungen), 1997, und Nikolopoulou, Ο „Tριακονταετής πόλεμος“ πόλεμος (Der „Dreißig­jährige Krieg“), 2008. 3 Die interdisziplinäre Forschung zu kollektivem Gedächtnis und Erinnerungskulturen ist inzwischen unüberschaubar geworden. Astrid Erll, Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen, 2005, ist ein unverzichtbarer Begleiter bei dem Versuch, die Diskussionsstränge und Forschungsgebiete rund um Erinnerung und Gedächtnis zu überblicken.

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eingehen, wie Erinnerungskulturen in geschichtspolitischen Diskursen geformt und verändert werden. Anschließend werde ich zeigen, wie literarische Texte als Medien des kollektiven Gedächtnisses an ­diesem Prozess teilhaben. Aspekte der griechischen Erinnerungskultur in Bezug auf den Bürgerkrieg werden an geeigneten Stellen als Illustration der beschriebenen theoretischen Phänomene dienen.

Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskultur Mit der Rede vom kollektiven Gedächtnis ist zunächst nichts anderes gemeint, als dass nicht nur Individuen, sondern auch Gesellschaften ein Bild von ihrer Vergangenheit haben, dass also in sozialen Zusammenhängen (z. B. Familie, Schule, Kultur, Wissenschaft) Erzählungen über die gemeinsame Vergangenheit der Gruppe kursieren. Die Verwendung des Begriffs kollektives Gedächtnis basiert zwar auf der Übertragung von Konzepten der Individualpsychologie auf die kollektive Ebene der Kultur, darf aber nicht als wörtlich zu nehmende Übertragung von individualpsychologischen Erkenntnissen auf kollektive Phänomene missverstanden werden. Es geht hier nicht um eine einfache Parallelisierung von individualpsychologischen und kollektiven Phänomenen, sondern eher um einen metaphorischen Wortgebrauch, der dazu dient, ein unstrittiges gesellschaftliches Phänomen zu beschreiben: eine Kultur der kollektiven Erinnerung an eine gemeinsame Geschichte, die offenbar auf so etwas wie einem kollektiv geteilten Erinnerungsspeicher beruht. Dem Vorwurf, ein individualpsychologisches Phänomen unzulässigerweise zu kollek­tivieren, war schon der französische Soziologe Maurice Halbwachs (1877 – 1945) ausgesetzt,4 bei dem die Geschichte des Begriffs vom kollektiven Gedächtnis ihren Ausgangspunkt hat. Halbwachs hatte in seiner 1925 veröffentlichten Studie Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen die These entwickelt, dass jede unserer individuellen Erinnerungen sozial bedingt sei, weil sie immer von sozialen Bezugsrahmen, d. h. von den Menschen, aber auch von Medien, etwa Büchern, Bildern oder Gebäuden, abhängig sei. Die Kommunikation untereinander bzw. die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Medien lässt die Menschen an einer kollektiven symbolischen Ordnung teilhaben, die es erlaubt, vergangene Ereignisse zu verorten, zu deuten und zu erinnern. Die Erinnerungen, die Menschen an ihre Erlebnisse und Erfahrungen haben, sind also niemals ganz und gar individuell, sondern immer geprägt durch die s­ oziale und mediale Umgebung.5 Jeder Mensch ist in eine Vielzahl von sozialen Bezügen eingebunden, die seine

4 Kritiker waren unter anderem Charles Blondel und Marc Bloch; vgl. Erll, Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen, 2008, S. 14. 5 Vgl. Halbwachs, Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen, 1985, S. 21.

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Wahrnehmung prägen, s­ eien es Großverbände wie Nationen, Religionsgemeinschaften und politisch-­ideologische Gruppierungen, oder kleine und weniger dauerhafte Zusammenschlüsse, z. B. eine Gruppe von Gefangenen oder Flüchtlingen. Von dieser Form des Vergangenheitsbezugs, dem von Halbwachs so genannten Generationengedächtnis, das von Interaktion und Kommunikation in sozialen Gruppen geprägt ist, in die jedes Individuum eingebunden ist, unterscheidet Halbwachs eine zweite, seiner Meinung nach grundsätzlich andere Form des Vergangenheitsbezugs: die Zeitgeschichte.6 Während Geschichte universal sei und vergangene Ereignisse objektiv und unparteiisch anordne, funktioniere das kollektive Gedächtnis partikular, wertend und hierarchisierend. Es beziehe sich, im Unterschied zur Geschichte, deren Anliegen die Vergangenheit sei, auf die identitätsbildenden Bedürfnisse einer Gruppe in der Gegenwart. Das kollektive Gedächtnis liefert also Halbwachs zufolge kein objektives Abbild der Vergangenheit, sondern eine selektive und rekonstruktive Version von Vergangenheit: „Die Erinnerung ist in sehr weitem Maße eine Rekonstruktion der Vergangenheit mit Hilfe von der Gegenwart entliehenen Gegebenheiten und wird im Übrigen durch andere, zu früheren Zeiten unternommene Rekonstruktionen vorbereitet.“ 7 Die Annahme, dass nur das Gedächtnis interpretiere und rekonstruiere, während die Geschichte die Vergangenheit objektiv darstelle, findet heute wohl kaum noch Unterstützer,8 aber in seinem Verständnis des Gedächtnisbegriffs formuliert Halbwachs schon damals einen Gedanken, der bis heute die Grundlage kulturwissenschaftlicher Gedächtnisforschung bildet, nämlich, wie der Kulturwissenschaftler Jan Assmann zusammenfasst, dass „Vergangenheit […] eine ­soziale Konstruktion [ist], deren Beschaffenheit sich aus den Sinnbedürfnissen und Bezugsrahmen der jeweiligen Gegenwarten ergibt. Vergangenheit steht nicht naturwüchsig an, sie ist eine kulturelle Schöpfung.“ 9 Jan und Aleida Assmann knüpfen an diese Gedanken der Konstruiertheit und Gegenwartsbezogenheit des kollektiven Gedächtnisses an und entwickeln den Halbwachs’schen Begriff des kollektiven Gedächtnisses weiter, indem sie Ende der 1980er Jahre zwei unterschiedliche „Register“ bzw. „Spielarten“ des kollektiven Gedächtnisses

6 Halbwachs, Das kollektive Gedächtnis, 1991, S. 66. 7 Ebd., S. 55. 8 Dass auch Historiker immer an ihren historischen Standort und ihre persönliche Perspektive gebunden sind, aus der heraus sie auswählen, gewichten, deuten, ist heute relativ ­unumstritten (vgl. z. B. die Arbeiten des Historikers Hayden White). Allerdings schließt sich der franzö­ sische Historiker Pierre Nora, der mit seinem siebenbändigen Werk Les lieux de mémoire einen wichtigen Beitrag zur geschichtswissenschaftlichen Gedächtnisforschung geleistet hat, Maurice Halbwachs in der radikalen Trennung von Geschichte und Gedächtnis an, wenn er schreibt: „Gedächtnis, Geschichte: keineswegs sind dies Synonyme, sondern […] in jeder Hinsicht Gegensätze“, vgl. Nora, Zwischen Geschichte und Gedächtnis, 1990, S. 13. 9 J. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, 1992, S. 48.

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in die kulturwissenschaftliche Diskussion einführen: das kommunikative und das kultu­ relle Gedächtnis.10 Das kommunikative Gedächtnis, das auf Alltagskommunikation beruht und Gegenstandsbereich der Oral History ist,11 dient den Assmanns dabei vor allem als Abgrenzung für den kollektiven Gedächtnisaspekt, der in ihren Forschungen im Mittelpunkt steht und ausführlich definiert wird: das kulturelle Gedächtnis. Jan Assmann begreift das kulturelle Gedächtnis als den jeder Gesellschaft und jeder Epoche eigentümlichen Bestand an Wiedergebrauchs-­Texten, -Bildern und -Riten […], in deren „Pflege“ sie ihr Selbstbild stabilisiert und vermittelt, ein kollektiv geteiltes Wissen vorzugsweise (aber nicht ausschließlich) über die Vergangenheit, auf das eine Gruppe ihr Bewusstsein von Einheit und Eigenart stützt.12

Die in diese Definition eingegangenen Merkmale des kulturellen Gedächtnisses werden detailliert erläutert: Das kulturelle Gedächtnis zeichnet sich durch „Identitätskonkretheit“ bzw. „Gruppenbezogenheit“ aus, insofern es die Inhalte bereitstellt, aus denen eine s­ oziale Gruppe ihre Identität ableitet. Der Aspekt der „Rekonstruktivität“ ist von Maurice Halbwachs übernommen und bedeutet, dass das kulturelle Gedächtnis Vergangenheit nicht als ­solche bewahrt, sondern die Erinnerung immer auf die gegenwärtige Situation bezieht. In dem Merkmal Geformtheit liegt der Unterschied zum kommunikativen Gedächtnis: Das kulturelle Gedächtnis entsteht nicht durch Alltagsinteraktionen wie das kommunikative Gedächtnis, sondern wird in festen kulturellen Objektivationen wie Schrift, Bilder, Riten haltbar gemacht. Mit Organisiertheit bezeichnet Assmann die Institutionalisierung der Kommunikation über die Inhalte des kulturellen Gedächtnisses und die Spezialisierung seiner Träger. Die Verbindlichkeit des kollektiven Gedächtnisses sorgt für eine „klare Wertperspektive und ein Relevanzgefälle, das den kulturellen Wissensvorrat und Symbolhaushalt strukturiert.“ 13 Dass das kulturelle Gedächtnis die Lebenswelt seiner Trägerschaft, ihr Selbstbild und sich selbst reflektiert, wird schließlich unter dem Merkmal Reflexivität gefasst. In seinem erstmals 1992 erschienenen, einflussreichen Buch Das kulturelle Gedächt­ nis stellt Jan Assmann die Unterschiede ­zwischen kommunikativem und kulturellem

10 Jan Assmann erläutert die Unterscheidung ­zwischen kommunikativem und kulturellem Gedächtnis erstmals in J. Assmann, Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, 1988. Weiterhin grundlegend sind: J. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, 1992; A. Assmann, Erinnerungsräume, 1999; J. Assmann, Religion und kulturelles Gedächtnis, 2000; eine knappe Zusammenfassung der Assmann’schen ­Theorie des kulturellen Gedächtnisses bietet Assmann, A.; Assmann, J., Das Gestern im Heute, 1994. 11 Vgl. J. Assmann, Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, 1988, S. 10. 12 Ebd., S. 15. 13 Ebd., S.  13 – 15.

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Gedächtnis in den Bereichen Inhalte, Formen, Medien, Zeitstruktur und Träger dar.14 Das kommunikative Gedächtnis hat die Geschichtserfahrung der jeweiligen Zeitgenossen zum Inhalt und bezieht sich daher in seiner Zeitstruktur auf einen begrenzten „mitwandernden“ Zeitraum von achtzig bis hundert Jahren bzw. drei bis vier Generationen. Träger des kommunikativen Gedächtnisses sind alle Zeitzeugen gleichermaßen. Das kommunikative Gedächtnis entsteht naturwüchsig, durch Alltagskommunikation, und wird in den organischen (individuellen) Gedächtnissen und lebendigen (individuellen) Erinnerungen seiner Träger bewahrt. Demgegenüber bewahrt das kulturelle Gedächtnis Ereignisse aus einer absoluten Vergangenheit, die als grundlegend für das Selbstverständnis der Gemeinschaft interpretiert werden. Sie werden durch feste Objektivationen und symbolische Kodierungen z. B. in Worten oder Bildern erinnert. Die Form ­dieses Gedächtnisrahmens ist nicht naturwüchsig, sondern in hohem Maße gestiftet, geformt und zeremoniell festgelegt. Daher braucht es auch eine spezialisierte Trägerschaft, die über die Kompetenz verfügt, Inhalte ­dieses Gedächtnisrahmens angemessen zu deuten und zu bewahren. Während das kommunikative Gedächtnis also ein soziales Gedächtnis ist, ein Gedächtnis quasi von unten, das sich durch Vielstimmigkeit auszeichnet und von Generation zu Generation erneuert wird, kann das kulturelle Gedächtnis auch als politisches oder nationales Gedächtnis bezeichnet werden, da es eher auf Einheitlichkeit angelegt ist und „von oben auf die Gesellschaft einwirkt.“ 15 Das kulturelle bzw. politische oder nationale Gedächtnis ist es daher auch, auf das geschichtspolitische Debatten in besonderem Maße ausgerichtet sind, mit dem Ziel, die eine, richtige Version der Vergangenheit in das überzeitliche historische Gedächtnis des Kollektivs einzuschreiben und mithilfe externer Erinnerungsanlässe (etwa Denkmäler oder Museen) lebendig und für die Identitätsbildung des Kollektivs verfügbar zu halten.16 Von besonderer Relevanz ist in ­diesem Zusammenhang, gerade auch für die Tradierung von Geschichtsbildern an nachfolgende Generationen, der Bereich der Bildungspolitik. Der Staat hat Einfluss auf die Lehrplangestaltung, stellt möglicherweise sogar Geschichtslehrbücher zur Verfügung und kann auf diese Weise Einfluss darauf nehmen, welches Bild von Vergangenheit den Schülern vermittelt wird. Nicht grundlos hat Charles Ingrao Geschichtslehrbücher als „weapons of mass instruction“ 17 bezeichnet; viele Studien haben inzwischen gezeigt, wie stark Geschichtsunterricht z. B. in Gesellschaften wie der israelischen oder der zyprischen daran beteiligt ist, Feindbilder aufrechtzuerhalten, die ein Ende der Konflikte, in denen sich diese Gesellschaften befinden, erheblich

14 Vgl. J. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, 1992, S. 56. 15 A. Assmann, Der lange Schatten der Vergangenheit, 2007, S. 37. 16 Ebd., S. 40. 17 Vgl. Ingrao, Weapons of Mass Instruction, 2009.

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erschweren.18 Auch in Griechenland hat der Staat in der Primär- und Sekundarstufe eine Art Monopol auf die Verbreitung eines Geschichtsbildes, da die Geschichtslehrbücher vom Erziehungsministerium zentral bereitgestellt werden.19 Dieses Monopol bricht erst dann auf, wenn die Schüler alt genug sind, um Konkurrenzangebote in Anspruch zu nehmen, etwa von politischen Parteien oder der Universität. Lange Zeit hat der griechische Staat sein Monopol auf die Vermittlung eines Geschichtsbildes dahingehend genutzt, den Bürgerkrieg gar nicht zu thematisieren.20 Die idealtypische Trennung ­zwischen kommunikativem und kulturellem Gedächtnis bedeutet nicht, dass es nicht auch Ereignisse gibt, die einerseits Inhalt des kommu­ nikativen Gedächtnisses sind, weil sie noch nicht lange vergangen sind und von den Mitgliedern einer Erinnerungsgemeinschaft noch persönlich erlebt wurden und die andernorts für so wichtig und zentral auch für die zukünftigen Generationen des Kollektivs gehalten werden, dass sie auch ins kulturelle Gedächtnis überführt werden, damit die Erinnerung an sie nicht verloren geht. Den Grenzwert des kommunika­tiven Gedächtnisses setzt Jan Assmann bei achtzig Jahren an, geht aber davon aus, dass bereits die Vierzig-­Jahres-­Marke eine „kritische Schwelle“ bildet: „Nach 40 Jahren ­treten die Zeitzeugen, die ein bedeutsames Ereignis als Erwachsene erlebt haben, aus dem eher zukunftsbezogenen Berufsleben heraus und in das Alter ein, in dem die Erinne­ rung wächst und mit ihr der Wunsch nach Fixierung und Weitergabe.“ 21 Eine ­solche Gedächtnisschwelle, auf der bedeutsame Inhalte des kommunikativen Gedächtnisses verschriftlicht werden, hat die Erinnerung an den griechischen Bürgerkrieg in den 1980er Jahren – also tatsächlich etwa vierzig Jahre nach den Ereignissen – erreicht. In dieser Zeit setzt ein Boom an schriftlicher Erinnerungsarbeit ein: Eine große Menge an Selbstzeugnissen wird geschrieben und veröffentlicht. Es ist aber nicht nur der Prozess des Erinnerns, der das (kollektive) Gedächtnis konsti­ tuiert; ebenso wichtig und mindestens ebenso interessant ist der Prozess des Vergessens. Das Vergessen ist im individuellen Gedächtnissystem die Voraussetzung für Erinnerung, und ebenso ist soziales Vergessen die Voraussetzung für kulturelle Erinnerung.22 Das Vergessen erfüllt – gemäß der von Friedrich Nietzsche so genannten Ökonomie des Gedächtnisses – für psychische und s­ oziale Systeme eine mindestens ebenso wichtige Funktion wie das Erinnern. Vergessen ist allerdings nicht beobachtbar und daher 18 Vgl. z. B. Papadakis, Narrative, Memory, and History, 2008; Al-­Haj, National Ethos, Multicultural Education, 2005. 19 Vgl. Repoussi, New History Textbooks in Greece, S. 1. 20 Zur Darstellung der 1940er Jahre in griechischen Schulbüchern vgl. Bondila, Η εξέλιξη της αφήγησης (Die Entwicklung des Narrativs), 2008. 21 J. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, 1992, S. 51. 22 Vgl. Erll, Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen, 2008, S. 7; ferner: Connerton, Seven Types of Forgetting, 2008.

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empirisch schwer zu fassen. Prozesse des Vergessens können nur über den Umweg der Beobachtung von Erinnerung untersucht werden. Im Rahmen solcher Untersuchungen kann man beispielsweise auf Fehler und Veränderungen in der Erinnerungsleistung oder auf Verdrängungsmechanismen fokussieren, um mehr über die Prozesse des Vergessens zu erfahren. Die Fokussierung auf Vergessensprozesse – ob nun bewusste wie Verdrängung oder Tabuisierung oder unbewusste – weist darauf hin, dass es neben den bewussten Formen von Gedächtnis und Erinnerung auch implizite, nicht-­intentionale Formen kollektiver Erinnerung gibt. In diesen Bereich fallen z. B. traumatische Erinnerungen, die häufig nicht bewusst abgerufen werden können, aber implizit vorhanden sind und den Erinnernden willkürlich heimsuchen.23 Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass sich das kollektive Gedächtnis dadurch auszeichnet, dass es nur in sozialen Zusammenhängen entstehen kann, auf eine Trägerschaft und mediale Vermittlung angewiesen ist, und in einer Doppelbewegung durch die gegenwärtigen Bedürfnisse einer Gesellschaft einerseits bedingt wird und andererseits in Form von Geschichtsbildern und Vergangenheitspolitik auf diese zurückwirkt. Kollektive Gedächtnisse haben damit also eine s­ oziale, eine materiale und eine mentale Dimension. Die aktuelle kulturwissenschaftliche Forschung zum kollektiven Gedächtnis 24 geht von ­diesem Gedächtnisbegriff aus, beschäftigt sich aber nicht nur mit ­Theorie- und Begriffsbildung, sondern analysiert auch ganz konkrete Erinnerungskulturen. Im Zentrum steht dabei immer der Konstruktcharakter und die Gegenwartsbezogenheit des Erinnerungsprozesses: Erinnerungen sind keine Kopien bestimmter erlebter Situa­ tionen im Gedächtnis, sondern „von der Abrufsituation abhängige, subjektive, hochgradig selektive Rekonstruktionen.“ 25 Sie repräsentieren Vergangenheitsversionen, die sich mit jedem Abruf ändern können. Sie sind somit nicht nur Spiegel der Vergangenheit, sondern vor allem ein aussagekräftiges Indiz für die Bedürfnisse und Belange der Erinnernden in der Gegenwart. Die erinnerungskulturwissenschaftliche Forschung richtet ihr Interesse daher nicht in erster Linie darauf, zu analysieren, wie ein Ereignis oder eine Epoche war, sondern vielmehr darauf, wie Vergangenheit von Kollektiven angeeignet, gedeutet und erinnert wird.26

23 Zu literarischen Mitteln der Trauma-­Repräsentation siehe Kapitel 3 von Athanasios ­Anastasiadis im vorliegenden Band. 24 Zur theoretischen Ausrichtung und zu konkreten Arbeitsgebieten der aktuellen kulturwissen­ schaftlichen Gedächtnisforschung vgl. u. a. Oesterle, 2005, Erinnerung, Gedächtnis, Wissen; Erll; Nünning, Cultural Memory Studies, 2008, und die seit 2008 erscheinende Zeitschrift Memory Studies. 25 Erll, Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen, 2005, S. 7. 26 Vgl. A. Assmann, Der lange Schatten der Vergangenheit, 2007, S. 41.

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Der konkrete Untersuchungsgegenstand der kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung sind somit Erinnerungskulturen, d. h. die „historisch und kulturell ­variablen Ausprägungen von kollektivem Gedächtnis.“ 27 Durch die Pluralform des Wortes Erinnerungskulturen wird darauf verwiesen, dass man es, auch in sehr homogenen Kulturen, nicht mit einer einheitlichen Erinnerungskultur zu tun hat, sondern mit einer Reihe von koexistierenden und möglicherweise konkurrierenden kollektiven Gedächtnissen. Für den griechischen Fall lassen sich hier die eingangs bereits erwähnten konkurrierenden Erinnerungskulturen der „Linken“ und der „Rechten“ in Bezug auf den Bürgerkrieg anführen.28 Und die Bezeichnung Erinnerungskulturen statt Gedächtniskulturen weist darauf hin, dass das kollektive Gedächtnis als solches nicht beobachtbar ist, sondern immer erst in der Aktualisierung durch einzelne kollektive Erinnerungsakte analysierbar wird. Grundlage der Analyse sind also immer die ganz konkreten, medial vermittelten Erinnerungsakte, die Rückschlüsse darüber zulassen, wie das kollektive Gedächtnis beschaffen ist und funktioniert. Die Erinnerungsakte, die im vorliegenden Band analysiert werden, sind Romane, Zeitzeugenberichte, Selbstzeugnisse und autofiktionale Texte. Ihre erinnerungskulturellen Funktionen werden im dritten Abschnitt näher betrachtet. Da die Literatur aber nur ein Feld des Erinne­ rungsdiskurses ist, soll im nächsten Abschnitt zunächst ein Blick darauf geworfen werden, ­welche Diskursfelder in d­ iesem Zusammenhang relevant sind und wie sie an Erinnerungspolitik teilhaben.

Geschichtspolitik Konstruiertheit und Gegenwartsbezogenheit kollektiver Gedächtnisse werden besonders dort deutlich, wo Erinnerungspolitik betrieben wird. Erinnerungs- oder Geschichtspolitik „ist die bewusste Förderung der Erinnerung an bestimmte historische Ereignisse, Prozesse oder Personen in politischer Absicht und zu politischen Zwecken.“ 29 Denn was eine Gesellschaft erinnert und was sie vergisst, ist zentral für Fragen der Macht, der Herrschaft und des Widerstands. Erinnerungskulturen sind daher, zumal in pluralistischen Gesellschaften, immer Debatten und Aushandlungsprozessen unterworfen; um die Inhalte des kollektiven Gedächtnisses wird gestritten und gerungen. Diese Aushandlungsprozesse, in denen diskutiert wird, ­welche Ereignisse auf ­welche Weise erinnert werden sollen, ­welche Erinnerungen mithin institutionalisiert werden sollen, finden auf unterschiedlichen geschichtspolitischen Handlungsfeldern statt: auf

2 7 Erll, Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen, 2008, S. 176. 28 Vgl. Voglis, Η δεκαετία του 1940 ως παρελθόν (Die 1940er Jahre als Vergangenheit), 2007. 29 Bouvier; Schneider, Geschichtspolitik und demokratische Kultur, 2008, S. 7.

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dem „Feld des politisch-­rechtlichen und politisch-­kulturellen Handelns“, dem „Feld der öffentlichen Erinnerung“, in der „Zeitgeschichtsforschung“ und auf dem „Feld der ästhetischen Kultur“.30 (1) Das ganz konkrete politisch-­rechtliche und politisch-­kulturelle Handeln, gerade in posttraumatischen Phasen, etwa nach einem Krieg, Bürgerkrieg oder einer Revolution, spielt eine zentrale Rolle für die Erinnerungskultur. Grundsätzlich stehen den politisch Verantwortlichen zwei Möglichkeiten des Umgangs mit einer schwierigen Vergangenheit zur Verfügung: (mahnendes) Erinnern des Ereignisses und die daraus hervorgehende versachlichende Bewältigung oder verordnetes Vergessen. Christian Meier hat gezeigt, dass das verordnete bzw. beschlossene Vergessen über einen langen Zeitraum der Menschheitsgeschichte der bevorzugte Umgang mit Erinnerungen war, die das Kollektiv spalten: „Immer wieder wird beschlossen, vereinbart, eingeschärft, dass Vergessen sein soll, Vergessen von vielerlei Unrecht, Grausamkeit, Bösem aller Art.“ 31 In Zeiten gemeinsamer globaler Verantwortung und des Endes genereller Freund-­Feind-­ Markierungen gebe es zwar auch zunehmend Beispiele für einen anderen Umgang mit schwierigen Erinnerungen, bei dem die Auf- und Verarbeitung im Zentrum steht;32 bis zum Ende des ­Ersten Weltkriegs, und teilweise auch noch nach späteren Konflikten, sei aber in aller Regel beschlossen worden, das geschehene Übel zu vergessen. Der Preis einer solchen gesellschaftlichen Amnesie ist die unterschiedslose, generelle Amnestie für die Täter. Opfer und Täter werden also gezwungen, weiterhin nebeneinander zu leben, ohne dass der eine das erlittene Leid an- oder wenigstens beklagen darf und der andere dafür verurteilt und bestraft wird. Dies ist zwar eine schwere Hypothek für einen Neuanfang, hat sich aber historisch in verschiedenen Situationen als zweckmäßig erwiesen. In „post-­violence societies“ gibt es eine Reihe von Beispielen dafür, dass das gemeinsame Vergessen, die kollektive Amnesie, notwendig für den demokratischen Neuanfang war, z. B. der „pacto de olvido“ („Pakt des Vergessens“) in Spanien nach Franco.33 Vergessen heißt in diesen Fällen also nicht Scheitern oder Verlust, sondern kann „heilsam, zweckrational oder politisch opportun sein“ 34 und damit durchaus seine Berechtigung haben. Auch in der griechischen Nachkriegsgeschichte lassen sich Beispiele von (verordnetem) Vergessen in Bezug auf die Ereignisse des Bürgerkriegs finden. Besonders symbolträchtig in ­diesem Zusammenhang ist die Aktenverbrennung von 1989, die als Akt der Versöhnung inszeniert wurde.35 Aber auch die gesamte Repression der 1950er Jahre durch 30 Vgl. Reichel, Erfundene Erinnerung, 2007, S. 10 – 12. 31 Meier, Erinnern, Verdrängen, Vergessen, 1996, S. 937. 32 Vgl. Kramer, Heute ist der erste Tag der Zukunft, 2009, S. 216. Ein Beispiel dafür sind Wahrheitskommissionen wie etwa nach dem Ende des Apartheidregimes in Südafrika. 33 Vgl. Brewer, Peace Processes, 2010, S. 147 f. 34 Kramer, Heute ist der erste Tag der Zukunft, 2009, S. 216. 35 Vgl. Skordos, Der Bürgerkrieg, 2014, S. 29.

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die siegreiche rechte Konfliktpartei ist hier einzuordnen. Die Gegenbewegung dazu ist der – heute – so heftig kritisierte Populismus Andreas Papandreous, der zum Teil darauf basierte, dass er alle Erinnerung und sonstige kollektiven Güter institutionell förderte und mit dem Etikett „demokratisch wertvoll“ versah, die von den Vorgängerregierungen unterdrückt worden waren.36 Ein weiteres Beispiel dafür, wie sich politisch-­rechtliches Handeln auf eine Erinne­ rungskultur auswirken kann, ist die griechische Rentengesetzgebung. Mit dem vom Obristenregime erlassenen Gesetz 506/1969 (also des Jahres 1969) wurden Linke von der Anerkennung als Teil des nationalen Widerstands während der deutschen Besatzung ausgeschlossen und ihnen damit Kriegsrenten verwehrt. Dieses Gesetz nahmen Andreas Papandreou und seine PASOK-Regierung mit dem Gesetz 1285/1982 zurück 37 und sorgten damit nicht nur dafür, dass nun auch das EAM (= Nationale Befreiungsfront) und der ELAS (= Griechische Volksbefreiungsarmee) sowie andere linke ­Gruppen, die im Widerstand aktiv waren, Kriegsrenten erhielten, sondern auch für einen erinnerungskulturellen Dammbruch, der vor allem im sprunghaften Anstieg der Veröffentlichung von (linken) Selbstzeugnissen zum Ausdruck kommt (dies geschah an Jan Assmanns Vierzig-­Jahres-­Marke).38 (2) Ein zweites wichtiges Feld, das den Erinnerungsdiskurs prägt, ist der Bereich, der meist im engeren Sinne gemeint ist, wenn von Geschichtspolitik die Rede ist: das von politischen Organisationen und Institutionen betriebene offizielle und öffent­ liche Erinnern in Form von Gedenkstätten, Denkmälern, Gedenktagen, Museen oder im Umgang mit traumatischen Orten. Dieses öffentliche Erinnern dient nicht nur in totalitären Systemen zur Legitimierung von Politik und Ideologie, sondern prägt auch in pluralistisch-­demokratischen Gesellschaften die politische Erinnerungskultur:39 Geschichte dient als Waffe im politischen Tageskampf; das historische Argument wird genutzt zur Legitimation der eigenen Politik und zur Desavouierung politischer Gegner. Und öffent­ liches historisches Erinnern bietet einen Beitrag zur Traditionspflege und damit Identitätsbildung der eigenen Gruppe, der eigenen Bewegung und Partei wie der Nation […].40

Dass das öffentliche Gedenken an den Bürgerkrieg in Griechenland immer noch ein heikles Thema ist, zeigt sich daran, dass es bisher keine nationale Gedenkstätte gibt, die den Opfern der deutschen Besatzung und des Bürgerkriegs gewidmet ist. Zwar finden sich in Dörfern häufig Gedenksteine oder kleine Denkmäler, die an die Namen der im 36 Ebd., S. 26 f. 37 Ebd., S. 26. 38 Zum diesen Gesetz siehe oben, S. 43 – 4 4. 39 Vgl. Bouvier; Schneider, Geschichtspolitik und demokratische Kultur, 2008, S. 7. 4 0 Ebd., S. 9.

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Krieg Gestorbenen erinnern, aber Gedenkstätten, die der Opfer beider Konfliktparteien des Bürgerkriegs gedenken, sind bis heute nicht geschaffen worden. Besonders der Umgang mit traumatischen Orten ist nach wie vor ein Minenfeld, wie sich an der hochemotional und bisher noch nicht offiziell geführten Diskussion um Meligalas zeigt, eine Kleinstadt auf der Peloponnes, in der im September 1944 über 1000 Menschen, die der Kollaboration mit den Deutschen bezichtigt wurden, vom ELAS getötet wurden. Auch ein nationaler Gedenktag, der allen Opfern des Bürgerkriegs gleichermaßen gewidmet ist, steht noch aus. Für den Widerstand gegen die deutsche Besatzung ist unter Andreas Papandreou der 25. November als Gedenktag eingeführt worden, der Tag, an dem i. J. 1942 das Viadukt über den Fluß Gorgopotamos von Partisanen des ELAS und des EDES (= Nationale Republikanische Liga) gesprengt wurde.41 (3) Ein dritter Bereich, der Beiträge zum Erinnerungsdiskurs liefert, ist die Zeitgeschichtsforschung. Sie ist zwar auf wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn ausgerichtet und insofern um größtmögliche Objektivität bemüht, kann sich aber einer Deutung und Interpretation der dargestellten Ereignisse und Personen nicht vollständig entziehen.42 Daher entwickeln sich auch immer wieder Kontroversen um die historisch-­ wissenschaftliche Darstellung umstrittener Ereignisse. In Griechenland hat sich eine ­solche wissenschaftliche Auseinandersetzung erst relativ spät entwickelt, was auch darauf zurückzuführen ist, dass wichtige zeitgeschichtliche Dokumente erst ab 1990 zugänglich waren.43 In den Jahren 2000 bis 2004 entspann sich in Griechenland ein Historikerstreit um den sogenannten „roten Terror“, d. h. die Rolle der Linken während der Besatzungszeit als Terroristen.44 (4) Das vierte Feld schließlich, das Beiträge zum Erinnerungsdiskurs liefert, ist die Kunst. Bei der Darstellung von Vergangenheit in Literatur, Film, Fotografie und Drama werden Erinnerungsbilder entworfen, die das öffentliche Gedächtnis strukturieren.45 Im Mittelpunkt des vorliegenden Bandes steht die Literatur als Diskursfeld und Gedächtnismedium. Literarische Texte beschreiben und deuten Vergangenes in je spezifischer Weise. Durch den Einsatz bestimmter literarischer Verfahren können sie zur Festigung oder Infragestellung erinnerungskultureller Überzeugungen beitragen. In Fällen wie dem griechischen, in dem die erinnerungskulturelle Auseinandersetzung auf dem Feld der Politik lange Zeit von Tabus und Repressionen gekennzeichnet war, kann die Kunst sogar zu einem besonders bedeutsamen Diskursfeld der Erinnerungskultur werden, weil die Kennzeichnung als fiktionales Medium es ihr erlaubt, Dinge 41 Vgl. zu griechischen Gedenktagen Antoniou, Οι γιορτές μίσους (Die Feiern des Hasses), 2013. 42 Vgl. Reichel, Erfundene Erinnerung, 2007, S. 12. 43 Vgl. Skordos, Der Bürgerkrieg, 2014, S. 30 f. 4 4 Ebd., S. 19. 45 Vgl. Reichel, Erfundene Erinnerung, 2007, S. 13.

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zur Sprache zu bringen, die in faktual orientierten Diskursen nicht sagbar sind. Diese Prozesse sollen im nächsten Abschnitt näher betrachtet werden. Vorher sollen die vier vorgestellten Felder aber noch um einen weiteren, in Bezug auf den griechischen Bürgerkrieg besonders relevanten Bereich des Erinnerungsdiskurses erweitert werden, der z­ wischen Zeitgeschichtsschreibung und literarischer Verarbeitung anzusiedeln ist: den Bereich der Selbstzeugnisse.46 Die in den Selbstzeugnissen zum Ausdruck kommende Zeitzeugenschaft speist individuelle Erinnerungen in den öffentlichen Diskurs ein und greift insofern in geschichtspolitische Debatten ein, als sie die „offizielle“ Darstellung von Vergangenem untergraben und widerlegen kann. Selbstzeugnisse sind quasi auf der Schwelle z­ wischen kommunikativem und kulturellem Gedächtnis angesiedelt: Es handelt sich zwar um biographische, „lebendige“ und individuelle Erinnerungen von Zeitgenossen, die aber von den Erinnernden als so bedeutsam für das Kollektiv empfunden werden, dass sie aufgeschrieben und veröffentlicht werden. Dass die Produktion von Selbstzeugnissen von den Ereignissen auf anderen Diskursfeldern beeinflusst wird, hat sich im griechischen Fall darin gezeigt, dass es nach der Anerkennung des EAM als Nationalem Widerstand (der zeitlich zusammenfiel mit dem Erreichen einer „kritischen Schwelle“ im kommunikativen Gedächtnis; vgl. vorangehender Abschnitt) zu einem sprunghaften Anstieg der publizierten Ego-­ Texte gekommen ist. Die Anerkennung des linken Widerstands auf dem Diskursfeld der Politik hat also dazu geführt, dass die bis dahin unterdrückten und tabuisierten Erinnerungen vornehmlich linker Zeitzeugen, auf dem Diskursfeld der Selbstzeugnisse „sagbar“ und darstellbar wurden.47 Individuelle (autobiographische) Erinnerungen in Form von Selbstzeugnissen ­bieten Anknüpfungspunkte zu anderen geschichtspolitischen Feldern. Sie sind als Quellen wichtig für die Zeitgeschichte, ob nun aufgeschrieben oder z. B. in oral-­history-­ Projekten mündlich überliefert. Sie überschneiden sich aber auch teilweise mit dem literarischen Diskurs, da nicht immer klar z­ wischen faktualen und fiktionalen Texten unterschieden werden kann. Auch in Selbstzeugnissen kommen literarische Strategien zum Einsatz. Außerdem können die Erzählmuster aus Selbstzeugnissen in literarischen Texte übernommen werden und umgekehrt. Ein prominentes Beispiel dafür in der griechischen Bürgerkriegsliteratur ist Thanassis Valtinos, der in Η κάθοδος των εννιά (1963;

4 6 Vgl. allgemein zu Selbstzeugnissen von Bähr u. a., Räume des Selbst, 2007; vgl. zu Selbstzeugnissen im Kontext des griechischen Bürgerkriegs Voglis, Η δεκαετία του 1940 ως παρελθόν (Die 1940er Jahre als Vergangenheit), 2007; Voglis, Becoming a Subject, 2002; ­Papathanasiou, Βίωμα, ιστρορία και πολιτική (Erleben, Geschichte und Politik), 1996. 47 Die linke Erinnerung an den Bürgerkrieg, die zumindest bis 1974 politisch unterdrückt und tabuisiert war und daher auch in der faktual orientierten Gattung der Selbstzeugnisse nur schwer ausdrückbar war, hatte stattdessen in dieser Zeit die Hoheit über den literarischen Diskurs.

Literatur als Teil von Erinnerungskultur | 67

Der Abstieg der neun)48 bereits in den frühen 1960er Jahren damit beginnt, literarisch mit fingierten Ego-­Texten zu arbeiten. Es gibt also gute Gründe, die Gattung Selbstzeugnisse nicht außer Acht zu lassen, wenn es um die literarische Verarbeitung eines vergangenen Geschehens geht.

Literatur als Teil von Erinnerungskultur Das kollektive Gedächtnis ist in aller Regel auf mediale Vermittlung ­angewiesen, denn die Größe des Kollektivs – zumal wenn es sich dabei um eine Nation ­handelt – übersteigt die konkret erfahrbare Lebenswelt und damit die face-­to-­face-­Kommunikationsmöglichkeiten seiner Angehörigen bei Weitem. Erst die mediale Kodierung (in Texten, Monumenten oder Riten) macht es möglich, Inhalte des kollek­tiven Gedächtnisses aus ihrem aktuellen Kommunikationszusammenhang zu lösen, über raum-­zeitliche Grenzen hinweg zu speichern und zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzunehmen und zu aktualisieren. Medien sind dabei allerdings nicht einfach als neutrale Informationsspeicher zu verstehen. Vielmehr konstituieren und konstruieren sie mit ihrem je spezifischen gedächtnismedialen Leistungsvermögen Wirklichkeit.49 Ein sehr bedeutsames Medium für Erinnerungskulturen ist die Literatur. In litera­ rischen Texten können Vergangenheitsbilder entworfen, Erinnerungskonkurrenzen ausgehandelt und Erinnerungskulturen reflektiert werden. Auf diese Weise trägt Literatur zum Erinnerungsdiskurs einer Gesellschaft bei. Literarische Texte eignen sich deswegen so gut als Gedächtnismedien, weil sie eine wesentliche Gemeinsamkeit mit dem kollektiven Gedächtnis haben: Sie bringen in kreativ-­konstruktiven Prozessen Vergangenheitsversionen hervor. Die Welterzeugungsprozesse von Literatur einerseits und kollektivem Gedächtnis andererseits haben einige strukturelle Gemeinsamkeiten:50 Verdichtung (d. h. Zusammenführung und Überblendung komplexer vergangener Geschehnisse auf engstem Raum), Narrativierung (d. h. Auswahl, Kombination

48 Erste deutsche Übersetzung von Johannes Weissert, Der Marsch der Neun, Berlin: Literarisches Colloquium, 1976. 49 In der Medienwissenschaft ist diese wirklichkeitskonstituierende Wirkung von Medien ausführlich diskutiert worden. Sybille Krämer, Was haben Medien, der Computer und die Realität miteinander zu tun?, 1998, S. 255, fasst beispielsweise zusammen: „Medien übertragen nicht einfach Botschaften, sondern entfalten eine Wirkkraft, ­welche die Modalitäten unseres Denkens, Wahrnehmens, Erinnerns und Kommunizierens prägt. […] ‚Medialität‘ drückt aus, daß unser Weltverhältnis und damit alle unsere Aktivitäten und Erfahrungen mit welterschießender […] Funktion geprägt sind von den Unterscheidungsmöglichkeiten, die Medien eröffnen, und den Beschränkungen, die sie dabei auferlegen.“ 50 Vgl. Erll, Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen, 2008, S. 144 – 148.

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und perspektivierte Vermittlung von Erzählgegenständen) und die Anwendung von Gattungsmustern (d. h. konventionalisierter Weisen der Kodierung von Geschehensverläufen, die durch Akkulturation/Sozialisation erworben werden) sind Verfahren, die sowohl der literarischen Welterzeugung als auch den Prozessen des kollektiven Gedächtnisses zu Grunde liegen. Gleichzeitig unterscheiden sich literarische Texte in einigen Punkten von den schriftlichen Medien anderer Symbolsysteme des kollektiven Gedächtnisses (z. B. Chronik, Geschichtsschreibung, Gesetzestexte usw.): Sie sind mit einer Reihe von fiktionalen Privilegien ausgestattet (z. B. Möglichkeit zur Innenweltdarstellung, Polyvalenz, Interdiskursivität)51 und erheben nur einen eingeschränkten Anspruch auf Referenzialität und Objektivität. Literarische Texte können spezifisch Anderes und vielleicht sogar mehr leisten als andere Gedächtnismedien. Durch die Möglichkeit, die Gedankenwelt einer Figur darzustellen, sind sie in besonderem Maße dazu geeignet, Prozesse traumatisierter Erinnerung zur Darstellung zu bringen. Und der eingeschränkte Anspruch auf Referenzialität und Objektivität erlaubt es ihnen, Gedächtnisinhalte, die in anderen objektiven und wahrheitsabbildenden Medien nicht darstellbar sind, weil sie etwa tabuisiert sind, in den Erinnerungsdiskurs einzuspeisen. Genau dieser eingeschränkte Anspruch der Literatur auf Referenzialität, der es erlaubt, dass in literarischen Texten mehr sagbar ist als in faktual orientierten Medien, hat im Nachkriegsgriechenland dazu beigetragen, dass Literatur zu einem enorm wichtigen Träger von Erinnerungskultur geworden ist. Der restriktive Umgang mit der Erinnerung an den Bürgerkrieg – die Schulbuchhoheit des Staates, die Inexistenz von Erinnerungsorten, die erst einseitig rechte, dann einseitig linke Würdigung von Widerstandskämpfern – all das hat den Stellenwert der Literatur im griechischen erinnerungskulturellen Diskurs befördert. Literarische Texte als Gedächtnismedien spielen schon in den Gedächtnistheorien von Halbwachs – hier allerdings nur sehr peripher 52 – und den Assmanns eine Rolle. Die Assmanns nehmen Literatur vor allem als Medium des kulturellen Gedächtnisses in den Blick und interessieren sich damit vor allem für die kanonisierten Texte der Hochkultur, die von Aleida Assmann so genannten kulturellen Texte.53 Die Funktionen, die nicht-­kanonisierte Texte in der Erinnerungskultur erfüllen können, werden von ihrer ­Theorie nicht erfasst. Die Anglistin Astrid Erll hat auf diese Einschränkung der ­Assmannschen ­Theorie aufmerksam gemacht und darauf hingewiesen, dass nicht nur die kanonisierte Literatur der Hochkultur, sondern tatsächlich jede Form von Literatur

51 Ansgar Nünning, Literarische Geschichtsdarstellung, 2005, S. 40 ff., hat eine ausführliche Liste der fiktionalen Privilegien der literarischen Geschichtsdarstellung gegenüber der Histo­ riographie zusammengetragen. 52 Vgl. dazu Erll, „Mit Dickens spazierengehen“, 2002. 53 Vgl. A. Assmann, Was sind kulturelle Texte?, 1995.

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zum (kollektiven) Gedächtnismedium werden kann.54 Auch eine zweite Engführung der Assmannschen ­Theorie kritisiert Erll: Aleida Assmann fasse Literatur als Medium des kollektiven Gedächtnisses ausschließlich als Rezeptionsphänomen auf und schenke daher den textinternen Darstellungsverfahren keine Beachtung.55 Inzwischen sind in den kulturwissenschaftlich orientierten Literaturwissenschaften eine ganze Reihe weiterer Konzeptualisierungen des Verhältnisses von (kollektivem) Gedächtnis und Literatur entstanden. Die Ansätze reichen von einer kunst- und litera­turhistorisch ausgerichteten Gedächtnisforschung, die sich der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Mnemotechnik (ars memoriae) widmet, über Konzepte vom Gedächtnis der Literatur, die sich damit beschäftigen, wie Literatur durch ­Intertextualität, Topiken, Gattungen und Kanonbildung an sich selbst erinnert, bis hin zu Konzepten von einem Gedächtnis in der Literatur, die nach der Darstellung bzw. Repräsentation von Erinnerung und Gedächtnis in literarischen Werken fragen.56 Erll integriert in ihrer ­Theorie von der Literatur als Medium des kollektiven Gedächtnisses all diese Perspektiven und reformuliert sie erinnerungskulturwissenschaftlich.57 Literatur versteht sie als ein Medium, das nicht nur auf Gedächtnisprozessen beruht („Gedächtnis der Literatur“) oder Gedächtnis darstellt („Gedächtnis in der Literatur“), sondern das überdies auch „Gedächtnis“ – von kulturspezifischen Schemata über Vergangenheitsversionen bis hin zu Vorstellungen von den Funktionsweisen des Gedächtnisses – in der Erinnerungskultur vermittelt.58

Literaturwissenschaftliche Forschung aus dieser Perspektive fragt vor allem danach, ­ elche literarischen Darstellungsverfahren dazu beitragen, dass Literatur erinnerungsw kulturelle Wirkung in einer Gesellschaft entfaltet.59 Literatur wird damit nicht als bloßes Speichermedium verstanden, in dem Informationen über die Vergangenheit eingelagert werden und wieder abgerufen werden können. Stattdessen geht das Modell davon aus, dass „Literatur auf aktive, poietische Weise Versionen von Kollektivgedächtnis [erzeugt]“,60 und zwar durch den Einsatz spezifischer literarischer Verfahren, die erinnerungskulturelle Wirkungspotentiale in den Texten anlegen.

54 Zur Anschlussfähigkeit literaturwissenschaftlicher Gedächtnisstudien an die Assmanns vgl. Erll, Gedächtnisromane, S. 55 ff. 55 Vgl. Erll, Gedächtnisromane, 2003, S. 57 ff. 56 Für einen Überblick über und detaillierte Informationen zu den einzelnen Ansätzen vgl. Erll; Nünning, Literaturwissenschaftliche Konzepte von Gedächtnis, 2005. 57 Vgl. hierzu Erll, Literatur als Medium des kollektiven Gedächtnisses, 2005. 58 Erll; Nünning, Literaturwissenschaftliche Konzepte von Gedächtnis, 2005, S. 5. 59 Ebd., S. 5. 60 Erll, Gedächtnisromane, 2003, S. 81.

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Die literarische Gedächtniserzeugung beruhe auf „dynamischen Transformationsprozessen – auf einem Zusammenwirken der Präfiguration des Textes, d. h. seinem Bezug zur vorgängigen außertextuellen Welt […], der textuellen Konfiguration zu einem fiktionalen Gebilde […] und der Refiguration durch den Leser […].“ 61 Der literarische Prozess wird somit als ein aktiver, konstruktiver Vorgang [gedacht], an dem kulturelle Sinnsysteme, literarische Verfahren und Rezeptionspraktiken gleichermaßen beteiligt sind und bei dem Realität nicht einfach abgebildet, sondern zuerst „poietisch erzeugt“ und dann „ikonisch bereichert“ wird. Die symbo­ lische Ordnung der außertextuellen Wirklichkeit und die im Medium der Fiktion erzeugten Welten treten in ein Verhältnis wechselseitiger Beeinflussung und Veränderung.62

Das spezifische erinnerungskulturelle Leistungsvermögen literarischer Texte ist vor allem auf der zweiten Ebene, der „textuellen Konfiguration zu einem fiktionalen Gebilde“, angesiedelt, denn hier werden die Gedächtnisinhalte mit den Mitteln der Literatur, d. h. durch Auswahl, Kombination und erzählerische Vermittlung von Erzählelementen, geformt. Bei der Auswahl von Erzählelementen nehmen literarische Texte nicht nur auf andere Texte ihres eigenen Symbolsystems Bezug, sondern auch auf die Erinnerungskultur insgesamt. Jedes beliebige Element der Wirklichkeit kann Eingang in einen literarischen Text finden. So können beispielsweise Inhalte des kommunikativen oder kulturellen Gedächtnisses aufgegriffen werden, aber auch Elemente impliziter Erinnerungskultur, etwa ­Themen oder Ereignisse, die von der offiziellen Erinnerungskultur verdrängt oder verschwiegen werden. Auf die Auswahl erfolgt die „Kombination der Erzählelemente und deren emplot­ ment zu neuartigen Geschichten“.63 Die zuvor ausgewählten Elemente werden mitein­ ander verknüpft, temporal und kausal strukturiert und zu einer Geschichte geformt, d. h. in einen narrativen Zusammenhang gebracht. Die Narrativierung von Erinnerung bzw. Erinnerungselementen, also ihre Formung zu einer Geschichte, ist eine grund­ legende Kulturtechnik ohne die eine bewusste Erinnerungskultur nicht möglich wäre: „Narra­tive Strukturen gehören zu jeder Erinnerungskultur. Erst die Narrativierung von historischem Geschehen oder pränarrativer Erfahrung zu einer Geschichte ermöglicht deren Deutung.“ 64 Narrative Formen und Gattungen werden auch selbst Teil der E ­ rinnerungskultur und prägen so Vergangenheitsversionen. Kulturell verfügbare Plots 61 Erll legt ihren diesbezüglichen Überlegungen Paul Ricoeurs Modell eines „Kreises der Mimesis“ zu Grunde, das er in „Zeit und Erzählung“ (1988 – 1991) entworfen hat; vgl. hierzu Erll, Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen, 2005, S. 149 f. 62 Ebd., S. 150. 63 Erll; Nünning, Literatur und Erinnerungskultur, 2005, S. 194, Hervorhebung im Original. 6 4 Ebd., S. 199.

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und Erzählmuster (z. B. Biographie, Bildungsroman, Abenteuerroman oder Epos) formen Erinnerung, können sie aber auch in Frage stellen oder dekonstruieren.65 Das besondere Leistungsvermögen der Literatur auf der Ebene der narrativen Anordnung und Strukturierung von präexistenten Erinnerungselementen liegt darin, dass sie die Elemente der außertextuellen Wirklichkeit, die in den literarischen Text eingehen, aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang lösen und neu strukturieren kann. Durch die literarische Formung und Neu- und Umstrukturierung von Elementen der außertextuellen Wirklichkeit können somit neue Vergangenheitsversionen aktiv und konstruk­tiv hervorgebracht werden.66 Die Strukturierung und narrative Anordnung der Elemente in einem Text ist also bedeutungstragend. Dasselbe gilt auch für die literarischen Darstellungsverfahren, die in einem Text zur Anwendung kommen können. Literarische Darstellungsverfahren wie die erzählerische Vermittlung und Fokalisierung oder die Zeit- und Raumdarstellung tragen dazu bei, den Text mit Bedeutung aufzuladen. Einer literarischen Form ist meist nicht eine eindeutige erinnerungskulturelle Funktion oder Bedeutung zuzuweisen.67 Stattdessen kann ein und dieselbe literarische Form ganz unterschiedlich semantisiert und von der Leserschaft aktualisiert werden. Durch die Prozesse der Auswahl, Kombination und erzählerischen Vermittlung von Inhalten des kollektiven Gedächtnisses werden erinnerungskulturelle „Wirkungspotentiale“ in einem literarischen Text angelegt.68 Diese Wirkungspotentiale können darauf ausgerichtet sein, zur Gedächtnisbildung beizutragen, etwa indem sie neue Vergangenheitsversionen in Umlauf bringen, bereits existierende Vergangenheitsversionen entweder bestätigen oder revidieren oder in Erinnerungskonkurrenzen eingreifen, indem sie „Gegen-­Erinnerungen“ formulieren. Die im Text angelegten Wirkungspotentiale können aber auch zur Gedächtnisreflexion anregen, indem sie sich mit den Funktionsweisen und Problemen kollektiver Erinnerungsprozesse auseinandersetzen und diese durch die literarische Inszenierung beobachtbar machen. Erll stellt einige mögliche erinnerungskulturelle Funktionen von Literatur vor und weist ihnen bestimmte literarische Darstellungsverfahren zu. So ergeben sich eine Reihe von „Modi“ der „Rhetorik des kollektiven Gedächtnisses“, die als „Ensembles textueller Darstellungsverfahren“ bestimmte Wirkungspotentiale in Texten anlegen. An zentraler Stelle stehen bei Erll meist der kommunikative, der kulturelle, der antagonistische und der reflexive Modus 69 (d. h. also das Vermögen von Literatur, als Medium des 65 Vgl. ebd., S. 199. 66 Vgl. ebd., S. 199 f. 67 Vgl. ebd., S. 200. 68 Vgl. Erll, Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen, 2005, S. 168. 69 Vgl. zur Definition des kulturellen, kommunikativen, antagonistischen und reflexiven Modus Erll, Gedächtnisromane, 2003, S. 147 – 161.

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k­ ommunikativen oder des kulturellen Gedächtnisses zu wirken bzw. Erinnerungskonkurrenzen auszuhandeln oder Gedächtnisreflexion zu betreiben). Als Medium des kommunikativen Gedächtnisses dienen literarische Texte der Darstellung (und Weitergabe) von spezifischer Lebenserfahrung und der Sinnstiftung im zeitlichen Nahhorizont des alltagsweltlichen kommunikativen Gedächtnisses. Hier kommen alle denkbaren literarischen Formen zur Inszenierung von Erfahrungshaftig­ keit zum Einsatz, beispielsweise Authentizitätssignale wie Detailreichtum und Soziolekt, eine begrenzte und spezifische Lebenserfahrung zum Ausdruck bringende perso­ nal voice oder Formen der Innenweltdarstellung, die Erfahrungen inszenieren und für den Leser miterlebbar machen. In Kostas Tachtsis’ Roman Το τρίτο στεφάνι (1962; Der dritte Hochzeitskranz)70 wird etwa die Lebenswirklichkeit in Athen während Besatzungszeit und Bürgerkrieg sehr lebensnah aus der Perspektive zweier Frauen erzählt. Der Einsatz eines personalen Erzählers und der extensive Gebrauch von Soziolekten evoziert Mündlichkeit und sorgt dafür, dass der Text als Medium des kommunika­tiven Gedächtnisses wahrgenommen wird. Auch viele andere Texte wählen ihre Erzählgegenstände aus den Ereignissen aus, die im kommunikativen Gedächtnis einer ganzen Generation von Griechen abgelegt sind: Dimitris Chatzis erzählt in Το διπλό βιβλίο (1976; Das doppelte Buch)71 von der Post-­Bürgerkriegs-­Migration,72 Alki Zei lässt ihre Heldin in Η αρραβωνιαστικιά του Αχιλλέα (1987; Die Verlobte des Achilles) von deutscher Besatzung, Bürgerkrieg, Gefangenschaft und Exil in Taschkent und Paris erzählen. Auch diese Texte erzeugen durch personale Erzählerstimmen Authentizität und Wirklichkeitsnähe. Als Medium des kulturellen Gedächtnisses übernehmen literarische Texte die Sinnstiftung im Fernhorizont des kulturellen Gedächtnisses. Sie perspektivieren das Geschehen also nicht als Teil des lebensweltlichen Erfahrungshorizontes, sondern als Teil des kulturellen Fernhorizonts. Dies geschieht vor allem über autoritätssichernde Verfahren, wie z. B. die Vermittlung des Geschehens durch eine authorial voice oder intertextuelle Bezüge auf kanonische Prätexte. Züge des kulturellen Modus finden sich beispielsweise in der Trilogie Ακυβέρνητες Πολιτείες (1960 – 1965; Steuerlose Städte) von Stratis Tsirkas, die episch angelegt ist: Die Darstellung umfasst eine ganze Epoche und zielt darauf ab, ein Geschichtsbild zu vermitteln, in dem nicht so sehr die spezifische Lebenserfahrung des Einzelnen, sondern das skrupellose Spiel von Politik und Diplomatie im Mittelpunkt stehen.73 Ebenso lassen sich in Giorgos Theotokas’ Trilogie Ασθενείς και Οδοιπόροι 70 Deutsche Übersetzung von Wolfgang Josing: Dreimal unter der Haube, Köln: Romiosini, 1984. 71 Es existieren zwei deutsche Übersetzungen: von Luise Steller, Köln: Romiosini, 1983 und von Carola Nicolaou, Berlin (Ost): Volk und Welt, 1985. 72 Vgl. Anastasiadis, Datenblatt Chatzis, Το διπλό βιβλίο, 2013. 73 Vgl. Moennig, Datenblätter Tsirkas, 2013.

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(1964; Kranke und Wanderer)74 – eine über weite Teile von einem auktorialen Erzähler vermittelte Epochendarstellung einer historischen Umbruchphase und Ausnahmesitua­ tion – Anklänge eines kulturellen Modus finden.75 Als Medium politisch-­ideologischer Gedächtnisse (bzw. antagonistischer Modus) erfüllt Literatur die Funktion, Werthierarchien zu etablieren und Erinnerungskonkurrenzen auszuhandeln. Hierfür eingesetzte literarische Verfahren sind z. B. die Inszenierung einer communal voice, um kollektive Identität zu evozieren und die Legitimierung des Erzählten durch eine Gruppe zu suggerieren, die anschauliche Unterscheidung z­ wischen Gut und Böse anhand von Figurenkonstellationen und Figurencharakterisierung oder positive Auto- und negative Heterostereotype. Die Perspektivstrukturen tendieren in Romanen mit einer dominanten politisch-­ideologischen Funktion zur Geschlossenheit, d. h. sie privilegieren einseitige Sichtweisen. Ein Beispiel für die kollektive Aushandlung von Erinnerungskonkurrenzen ist der Roman Ορθοκωστά (1994; Orthokosta) von Th ­ anassis Valtinos. Valtinos lässt eine s­ olche Vielzahl von Erzählern zu Wort kommen, dass der Eindruck einer kollektiv erzählten Geschichte entsteht. Thematisch bezieht er sich auf Aspekte des Bürgerkriegsgeschehens, die bis dahin tabuisiert waren, besonders die Verbrechen kommunistischer Partisanenverbände. Den Boden für diese thematische Fokussierung hat Eleni (1983) von Nicholas Gage alias Nikos Gatzogiannis bereitet. Das Buch, ein Grenzgänger ­zwischen Fiktion und Faktualität, nimmt sich erstmals des Tabus „roter Terror“ an und löste damit eine große, verspätet geführte Diskussion aus. Gage und Valtinos haben also antagonistische Sichtweisen in den Erinnerungsdiskurs eingebracht und damit an der Revision des gängigen Geschichtsbildes mitgewirkt. Neben diesen gedächtnisbildenden Funktionen kann Literatur auch als Medium der erinnerungskulturellen Selbstreflexion dienen. Diese Funktion beruht darauf, dass literarische Texte nicht nur Inhalte, sondern auch Mechanismen der Erinnerungs­kultur inszenieren können. Sie können Lesern also eine übergeordnete Perspektive auf das Erinnerungsgeschehen bieten und sind damit als Beobachtungsinstanz von Erinne­ rungskulturen und kollektivem Gedächtnis geeignet. Ästhetische Verfahren, die bei einer solchen erinnerungskulturellen Selbstreflexion zum Einsatz kommen sind z. B. Verfahren multiperspektivischen Erzählens, mit denen (monolithische) Geschichte in eine Vielzahl von Geschichten aufgefächert wird, die prägnante Veranschaulichung von Erinnerungsprozessen anhand von Gedächtnismetaphorik oder die explizite Thema­ tisierung von Prozessen kollektiven Erinnerns durch Figuren und Erzählinstanzen. Beispiele für den reflexiven Modus sind etwa die multiperspektivisch erzählten Romane von Nikos Davvetas, der der Postmemory-­Generation angehört. In Λευκή πετσέτα στο Ρινγκ (Das weiße Handtuch in den Ring, 2006) thematisiert er „die (vergebliche)

74 Deutsche Übersetzung von Inez Diller: Und ewig lebt Antigone, München: König 1973. 75 Vgl. Anastasiadis, Datenblätter Theotokas, 2013.

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Suche nach und die Furcht vor historischer Wahrheit, de[n] Rekonstruktionsprozess der Vergangenheit, die Zuverlässigkeit von Erinnerungen“,76 und in Η Εβραία νύφη (2009; Die Judenbraut) sind die Aus- und Fortwirkungen verschwiegener und unverarbeiteter traumatischer Erfahrungen auf die nächste Generation Thema.77 Gerade wenn es um Kriegs- oder sonstige traumatische Erfahrungen geht, kann Literatur auch als Medium des individuellen Gedächtnisses der Erfahrungsverarbeitung und autobiographischen Sinnstiftung dienen und therapeutische Funktion haben.78 Die (literarische) Narrativierung vergangener Erfahrung ermöglicht den Autoren die sinnhafte Bezugnahme auf die eigene Geschichte und kann umgekehrt auch dem Leser/der Leserin als Modell zur sinnhaften Organisation der eigenen Kriegserfahrung dienen. Literarische Verfahren, die auf eine s­ olche Funktionalisierung von Kriegsliteratur hindeuten, sind beispielsweise die Gestaltung des Spannungsverhältnisses ­zwischen erzählendem und erlebendem Ich oder die Auswahl bestimmter Gattungsmuster (Romanze, Tragödie, Komödie, Satire) als Modus des emplotment für die literarisierte Lebens­ geschichte. In diese Kategorie lassen sich beispielsweise die vielen Zeitzeugenberichte und Selbstzeugnisse einordnen, deren früheste bereits während des Bürgerkriegs entstanden sind. Exemplarisch für das Changieren ­zwischen Fakt und Fiktion ist der 1985 veröffentlichte Text … καλά, εσύ σκοτώθηκες νωρίς (1985; … gut, du bist rechtzeitig ums Leben gekommen)79 von Chronis Missios, der bewusst offenlässt, ob er Selbstzeugnis oder Fiktion ist. Mit dem von Traumasymptomen geprägten Erzähl- und Erinnerungsprozess scheint die Hoffnung auf Heilung verbunden zu sein, es bleibt aber offen, ob sich diese Hoffnung erfüllt.80 Der Text von Missios zeigt, dass mit der erinnerungskulturellen Funktionalisierung von literarischen Texten als Medien des individuellen Gedächtnisses ein weiteres Phänomen sehr eng zusammenhängt: die Darstellung von traumatisierten Gedächtnisprozessen. Erll denkt die Möglichkeit von Literatur als Medium des traumatisierten Gedächtnisses zwar implizit mit,81 legt dafür aber keinen eigenen Modus an. Man kann Texte, die Traumata behandeln, zwar im Rahmen anderer Modi betrachten und analysieren, aber geht es einem explizit um die Herausstellung der besonderen Trauma-­Strukturen der Texte – also der Art und Weise, wie diese Texte Traumata nicht nur auf der Handlungsebene zur Sprache bringen, sondern auf der Diskursebene von ihnen geprägt sind – so ist es sinnvoll, sie nicht als Medien des individuellen oder kommunikativen Gedächtnisses 76 Vgl. Anastasiadis, Datenblatt Davvetas, Λευκή πετσέτα στο ρινγκ, 2013. 77 Vgl. Anastasiadis, Datenblatt Davvetas, Η εβραία νύφη, 2013. 78 Vgl. Erll, Augenzeugenschaft und kulturelle Paradigmen, 2005, S. 70 – 73. 79 Deutsche Übersetzung von Dimitris Depountis, … gut, bist Du früh umgekommen, Zürich: Rotpunktverlag, 1993. 80 Vgl. Anastasiadis, Datenblatt Missios, 2013. 81 Vgl. Erll, Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen, 2005, S. 169.

Literatur als Teil von Erinnerungskultur | 75

zu lesen, sondern als besonderen Ausdruck eines traumatisierten Gedächtnisses, das ganz spezifische literarische Strukturen hervorbringt.82 Erinnerungen an traumatische Erlebnisse werden, so zeigt die psychologische und neuropsychologische Forschung, auf andere Weise vom Gehirn verarbeitet als „normale“ Erinnerungen.83 Die Arbeiten zur literarischen Gattung der trauma novels zeigen, dass diese Besonderheit traumatischer Erinnerungen in literarischen Texten zu besonderen Strukturen führt.84 Die Texte haben meist eine interne Fokalisierung auf die traumatisierte Figur, um die Besonderheiten ihrer Gedächtnisprozesse darstellbar zu machen. Weiterhin zeichnen sie sich formal etwa durch Figuren der Auslassung oder durch schleifenartig wiederaufgenommene Motive aus. Die lineare Erzählstruktur wird häufig aufgehoben, um Textteilen einen flashback-­artigen Charakter zu geben. Das Paradebeispiel der griechischen Bürgerkriegsliteratur für einen traumatisierten literarischen Diskurs ist der Roman Το Κιβώτιο (Die Kiste) von Aris Alexandrou. Hier wird der Trauma-­Prozess anhand der Erzählerfigur exemplarisch durchexerziert.85 Der Text stellt Erfahrungen und Erinnerungen dar, die in anderen Medien und Diskurszusammenhängen nicht sagbar sind, etwa ­persönliche Schuld und Täterschaft auf der Ebene der Hauptfigur und die internen Konflikte und Auseinandersetzungen innerhalb des kommunistischen Lagers auf der Ebene des kollek­tiven Erinnerungsdiskurses. An d­ iesem Text lässt sich auch gut beobachten, dass literarische Texte tatsächlich in einen erinnerungskulturellen Diskurs eingebunden sind, denn es gibt eine erinnerungskulturelle Antwort auf den Roman in Form eines Selbstzeugnisses von Nikandros Kepessis, Θυμάμαι (1985; Ich erinnere mich), der das Trauma, das bei Alexandrou erzähltes Wort wird, leugnet.86 Auch in den Werken der Autoren der sogenannten schwarzen (politischen) Literatur, die sich fast ausnahmslos selbst als traumatisiert bezeichnen,87 lassen sich Strukturen traumatisierten Erzählens ausmachen. So kann beispielsweise das ständige Reflektieren der Ermordung des Michail in Rodis Roufos’ Roman Η ρίζα του μύθου (1954; Die Wurzel des Mythos) als traumatischer Diskurs gelesen werden.88 82 Für eine ausführliche theoretische Herleitung und Begründung des traumatischen Modus vgl. meine im Entstehen begriffene Dissertation Die Rhetorik traumatischer Erinnerung. Literatur als Gedächtnismedium auf Zypern. 83 Vgl. Fischer; Riedesser, Psychotraumatologie, 42009; Hausmann, Psychotraumatologie, 2006; von Hinckeldey; Fischer, Psychotraumatologie der Gedächtnisleistung, 2002. 84 Vgl. Granofsky, The Trauma Novel, 1995; Caruth, Unclaimed Experience, 1996; ­Whitehead, Trauma Fiction, 2004; Fricke, Das hört nicht auf, 2004, und das Kapitel 5 von Athanasios Anastasiadis im vorliegenden Band. 85 Siehe dazu Kapitel 6 von Ulrich Moennig im vorliegenden Band. 86 Siehe dazu Moennig, Θυμάμαι (Ich erinnere mich), 2015 sowie die Kapitel 6 und 7 von Ulrich Moennig im vorliegenden Band. 87 Vgl. dazu Kapitel 9 von Joachim Winkler im vorliegenden Band. 88 Vgl. Winkler, Datenblatt Roufos, Η ρίζα του μύθου, 2013.

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Ob die durch die vorgestellten Modi in den Texten angelegten Wirkungspotentiale tatsächlich zu erinnerungskultureller Wirksamkeit in einer Gesellschaft gelangen, lässt sich aber nicht nur durch die Analyse von erinnerungskulturellem Hintergrund und Textstrukturen sagen, sondern hängt auch wesentlich vom Rezeptionsprozess ab. Erst wenn ein literarischer Text von seinen Lesern als Gedächtnismedium aktualisiert wird, entfaltet er Wirksamkeit für das kollektive Gedächtnis. Das heißt auch, dass die in den Texten angelegten Wirkungspotentiale zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Gesellschaften auf ganz verschiedene Weise aktualisiert werden können. Die Rezeptionspraktiken wirken in zwei Richtungen: Zum einen gehen die Bedeutungs­ zuschreibungen, die die Lesenden an den Text herantragen, in dessen Aktualisierung ein und zum anderen wirkt sich die literarische Darstellung vergangenen Geschehens auf die Wirklichkeitsinterpretation der Rezipienten aus. Literarische Texte entfalten vor allem dann ihre Wirkung in der Erinnerungskultur, wenn sie von einer großen Anzahl von Menschen gelesen werden, dabei als authentisch oder wahr aufgefasst 89 und damit zu „kollektiven Texten“ 90 werden. Darauf, dass Texte als kollektive Texte rezipiert werden und ihre Gedächtnisnarrative Eingang in die Erinnerungskultur gefunden haben, lässt sich etwa dann schließen, wenn es eine intensive Auseinandersetzung über bestimmte Texte in den Feuilletons verbreiteter Zeitungen gegeben hat, wenn Texte in Bestsellerlisten rangieren oder wenn sie auf die eine oder andere Art und Weise institutionalisiert worden sind, beispielsweise durch Aufnahme in Lehrpläne, durch Kanonisierung oder dadurch, dass literarische Zitate Eingang in die Alltagssprache gefunden haben.91 Bei der Analyse von literarischen Texten als Medien des kollektiven Gedächtnisses muss daher immer auch der historische und kulturelle Kontext in die Analyse miteinbezogen werden.92

89 Vgl. Erll, Augenzeugenschaft und kulturelle Paradigmen, 2005, S. 69. 90 Erll führt diese Kategorie analog zu den von Aleida Assmann unterschiedenen Rezeptionsrahmen „kulturelle Texte“ und „literarische Texte“ ein; vgl. dazu A. Assmann, Was sind kultu­ relle Texte?, 1995. 91 Vgl. Erll, Augenzeugenschaft und kulturelle Paradigmen, 2005, S. 69. 92 Vgl. zu Fragen der Rezeption der Bürgerkriegsliteratur die Kapitel 9 von Joachim Winkler und 10 von Venetia Apostolidou im vorliegenden Band.

Athanasios Anastasiadis

3. Geschichten vom Krieg Trauma-­Repräsentationen in der griechischen Nachkriegsprosa (1946 – 2009) Einleitung „Bei Extremtraumatisierung durch Folter oder andere Situationen fortwährender Lebensbedrohung dürfte so gut wie kein Mensch der psychischen Traumatisierung entgehen“, so die Psychotraumatologen Gottfried Fischer und Peter Riedesser in ihrem Lehrbuch der Psychotraumatologie.1 Der griechische Bürgerkrieg war ein historisches Gewaltereignis, das mit Gefängnis, Verbannung, Folter, Exil und Hinrichtungen verbunden war. Die räumliche, soziopolitische und kulturelle Nähe der Konfliktparteien verursachte eine besondere Opfer-­Täter-­Dynamik. Die Ereignisse hatten physische und psychische Verwundungen zur Folge, die tiefe Spuren im kollektiven Gedächtnis hinterlassen haben. Beide Lager verschrieben sich ideologisch motivierter Gewalt, von der Familien, Dorfgemeinschaften und Städte betroffen waren. Der Bürgerkrieg stellt eine kollektive trauma­tische Erfahrung dar, w ­ elche die Bevölkerung polarisiert und nachhaltig gespalten hat. Nicht nur zahlreiche Individuen wurden durch extreme seelische und physische Gewaltanwendung in ihrem Welt- und Selbstverständnis erschüttert, sondern ebenso die Gesellschaft als Kollektiv.2 Angela Kühner, die aus sozialpsychologischer Perspektive das Verhältnis von Trauma und kollektiver Identität untersucht und das Konstrukt des kollektiven Traumas kritisch hinterfragt, führt aus: Ein kollektives Trauma könnte als ein Ereignis definiert werden, das für die kollektive Identität als besonders relevant erlebt wird und im kollektiven Gedächtnis einen noch näher zu bestimmenden Sonderstatus einnimmt.3

1 Siehe Fischer; Riedesser, Psychotraumatologie, 42009, S. 89. 2 Zur psychologischen Traumadefinition siehe weiter unten. In allen gängigen Handbüchern der Psychotraumatologie werden Kriege und Kriegsereignisse als wichtige Kategorie Trauma auslösender Ereignisse behandelt. „Die Geschichte der Psychotraumatologie ist eng verknüpft mit der Geschichte militärischer Auseinandersetzungen. Seit Jahrhunderten haben Kriege stets großes Leid über die Menschen – Zivilbevölkerung und Soldaten – gebracht und zu einer ­großen Anzahl seelischer Schäden geführt.“ Biesold; Bare, Militär. Soldaten in militärischen Einsätzen, 2013, S. 489. 3 Siehe Kühner, Trauma und kollektives Gedächtnis, 2008, S. 89.

78 | Geschichten vom Krieg

Der griechische Bürgerkrieg hat im Gedächtnismedium Literatur insofern einen Sonderstatus, als seit den 1940er Jahren Autoren unterschiedlicher Generationen und unterschiedlicher ideologischer Präferenzen Texte produzier(t)en, die ihn zum Gegenstand haben und als Manifestation eines spezifischen traumatischen Gedächtnisses betrachtet werden können.4 Nachdem sich das Land im Oktober 1940 erfolgreich gegen den italienischen Angriff verteidigt hatte, wurde es im April 1941 von der einfallenden deutschen Wehrmacht besiegt und in eine deutsche, eine italienische und eine bulgarische Besatzungszone aufgeteilt.5 Es folgten rücksichtslose wirtschaftliche Ausbeutung, Kontributionen, Hyperinflation und eine Hungersnot im Winter 1941/42, die über 100.000 Menschenleben forderte. Sehr bald formierten sich Widerstandsgruppen, darunter die vom KKE (=Kommunistische Partei Griechenlands) dominierte Organisation EAM (= Nationale Befreiungsfront), die rasch zu einer straff strukturierten Massenorganisation anwuchs. Als im Februar 1942 deren militärischer Arm ELAS (= Griechische Volksbefreiungsarmee) gegründet wurde, setzte der organisierte Partisanenkrieg ein. Vor dem Hinter­grund einer Radikalisierung der Massen beider politischer Richtungen kam es ab Mitte 1943 zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen um die Hegemonie und zukünftige Gesellschaftsordnung.6 Auf den Abzug der Deutschen und die Rückkehr der Exilregierung folgten im Dezember 1944 weitere Ausbrüche bürgerkriegsartiger Gewalt in Athen. Die von vielen Historikern als eigentlicher Bürgerkrieg bezeichnete Phase begann im März 1946. Es sprechen aber plausible Gründe dafür, den Beginn des Bürger­kriegs 1943 anzusetzen.7 Auch das literarische Korpus liefert dafür Indizien: Es ist auffällig, dass einige relevante Bürgerkriegsromane (von denen in ­diesem Band wiederholt die Rede ist) zeitlich 1943 – 1944 angesiedelt sind, beispielsweise Πολιορκία (1953; Belagerung) von Alexandros Kotzias, Ορθοκωστά (1994; Orthokosta) von Thanassis Valtinos oder Λευκή πετσέτα στο ρινγκ (2006; Das weiße Handtuch in den Ring) von Nikos Davvetas. Der bewaffnete Kampf endete im August 1949 mit der Niederlage 4 Siehe dazu das Kapitel 2 von Lena Viemann im vorliegenden Band. 5 Wichtige Standardliteratur zur deutschen Besatzung Griechenlands: Fleischer, Kreuzschatten, 1986; Mazower: Inside Hitler’s Greece, 1993. Aus juristischer Perspektive vgl. Nessou, Griechenland 1941 – 1944, 2009. 6 Vgl. dazu das Kapitel 1 von Ulrich Moennig im vorliegenden Band. 7 Zum Bürgerkrieg liegt reiche Sekundärliteratur vor; siehe zuletzt Voglis, Η αδύνατη επανάσταση (Die unmögliche Revolution), 2014, oder Kalyvas; Marantzidis, Εμφύλια πάθη (Bürgerkriegsleidenschaften), 2015. Die „Postrevisionisten“ Kalyvas und Marantzdis vertreten den Standpunkt, dass der Bürgerkrieg 1943 begonnen habe. Vgl. ebd., S. 45 – 67. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Thesen der „Postrevisionisten“ bieten Voglis; Nioutsikos, The Greek Historiography of the 1940s, 2017, bes. S. 324 – 326. Einen informativen Überblick über den griechischen Bürgerkrieg auf Deutsch bietet Auernheimer, Der griechische Bürgerkrieg 1946 bis 1949, 2014.

Einleitung | 79

der Kommunisten. Das gesellschaftliche Klima war bis zum Ende der Militärdiktatur 1974 von Misstrauen und Angst geprägt.8 Die Nachbürgerkriegszeit kennzeichnete – schematisch gesprochen – politische Anomalität und Repression, Schweigen und Verdrängen; eine öffentliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit unterblieb. Die aus dem Bürgerkrieg resultierende gesellschaftliche Spaltung in Rechte und Linke, in Sieger und Besiegte, reicht latent bis ins 21. Jahrhundert: Die Begriffe „links“ und „rechts“ sind emotional stark besetzt, unverarbeitete kollektive oder individuelle traumatische Erfahrungen werden an die nachfolgenden Generationen weitergegeben. Politische, ­soziale und kulturelle Umstände entfachen immer von Neuem Erinnerungskriege, so dass aus jeweils unterschiedlichen Gründen der Bürgerkrieg und seine Folgen in regelmäßigen Abständen an die gesellschaftliche und mediale Oberfläche empordrängen: Als latentes Konfliktpotential manifestierte sich das z. B. im Rahmen des „Historikerstreits“ (einer Debatte, die 2004 in der griechischen Presse geführt wurde und bis heute regelmäßig wieder auflebt) oder aus Anlass des kontrovers diskutierten Bürgerkriegsfilms Ψυχή βαθιά (2009; Tiefe Seele) von Pantelis Voulgaris. Auffällig sind zudem die zahlreichen Rekurse auf die 1940er Jahre seit dem Ausbruch der Finanzkrise von 2010 samt der damit einhergehenden politischen Radikalisierung in Griechenland.9 Das alles sind Indizien dafür, dass die Wunden, die der Bürgerkrieg hinterlassen hat, nach wie vor nicht endgültig verheilt sind. Davon zeugt letztlich auch die anhaltende litera­ rische Produktion von Bürgerkriegsnarrativen; die Generation der Nachgeborenen ist mit dem Thema noch nicht „durch“. Nikos Demertzis bezeichnet das griechische Paradigma in Anlehnung an die theoretischen Überlegungen des Kultursoziologen Jeffrey Alexander als kulturelles Trauma: Wenn sich über ein so dramatisches und schmerzvolles Ereignis, wie es der Bürgerkrieg war, im öffentlichen Raum nachträglich eine so intensive, kontroverse und anhaltende Debatte ­entwickelt, bedeutet dies, dass das damalige Geschehen breitere Dimensionen der Semantisierung 8 Vgl. auch aus sozialwissenschaftlicher Perspektive Lagaris, Innerer Feind, Nation und Demokratie, 2000. 9 Zum Historikerstreit vgl. die entsprechenden Ausführungen von Skordos, Der Bürgerkrieg, 2014 und Voglis; Nioutsikos, The Greek Historiography of the 1940s. Zur kontroversen Rezeption von Voulgaris’ Film vgl. Pimplis, Εμφύλιος για τον Εμφύλιο (Bürgerkrieg über den Bürgerkrieg). Der renommierte Schriftsteller Petros Markaris äußerte sich in einem Interview über die aktuelle Lage in Griechenland wie folgt: „Der Bürgerkrieg ist immer noch ein sehr großes Trauma. Vieles in Griechenland rührt von dieser Vergangenheit her. Zum Beispiel, dass die Griechen sich so leicht als Opfer fühlen. Wir haben eine Aufarbeitung des Bürgerkriegs versäumt, wie die Spanier auch. Meine Hoffnung ist, dass eine neue Generation das anders sieht. Dass sie sagt: Ihr habt Fehler gemacht, wir müssen dafür bezahlen, aber irgendwann müssen wir darüber reden. Wie eine verspätete 68er-­Reaktion.“ Markaris, Interview, in: Taz, 20. 05. 2014.

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annimmt – und zwar mit intergenerationeller Referenz. Seine Konsequenzen greifen weiter aus und beziehen sich nun nicht mehr allein auf die einst direkt betroffenen Individuen, sondern kommen nun einer kollektiven Erfahrung gleich und mutieren zu einem gesamtgesellschaftlichen Geschehen, aus dem ein kulturelles Trauma entsteht.10

Grenzerfahrungen aus der Zeit des Bürgerkriegs wurden immer wieder in Erzähltexten unterschiedlicher Gattungen literarisch verarbeitet – einige von ihnen zählen inzwischen zu den modernen Klassikern griechischer Nachkriegsliteratur. Neuerscheinungen wurden (und werden) oft kontrovers, manchmal auch emotional diskutiert. Diese narrative Vermittlung (und damit auch Verarbeitung) kollektiver traumatischer Erfahrungen aus der Bürgerkriegszeit in Gestalt exemplarischer Erzähltexte steht – unter Berücksichtigung des sich wandelnden erinnerungskulturellen Kontexts – im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrags. Ausgangsthese ist, dass die narrative Gestaltung von Grenzerfahrungen innovative Erzählstrategien erfordert und ggf. spezifischen Gesetzmäßigkeiten folgt. Das Paradigma des griechischen Bürgerkriegs ist für die Untersuchung narrativer Vermittlung individueller oder kollektiver traumatischer Erfahrungen insofern aussagekräftig, als die narrative (Re-) Konstruktion der konfliktreichen 1940er Jahre zeitnah zu den historischen Ereignissen einsetzte und sich zu einem dynamischen literarischen Erinnerungsdiskurs entwickelte, der bis in die unmittelbare Gegenwart reicht. Zu den Trägern solcher Narrative zählen Bürgerkriegsromane, also fiktionale Texte, die von potentiell Trauma auslösenden Situationen im Zusammenhang mit innergriechischen Konflikten handeln, oder in denen psychische und ­soziale Folgen in der Nachkriegszeit im Vordergrund stehen. Bürgerkriegsromane wurden sowohl von Autoren der Erlebnisgeneration, die über Primärerfahrungen aus den 1940er Jahren verfügten, als auch von Autoren der Generation der Nachgeborenen ohne direkte Erfahrungen und Erinne­rungen verfasst. Von 1946 bis heute sind weit über hundert Romane erschienen, die man im weitesten Sinne als Bürgerkriegsromane bezeichnen kann.11 10 „Όταν για ένα τόσο δραματικό και οδυνηρό γεγονός, όπως ήταν ο Εμφύλιος, αναπτύσσεται εκ των υστέρων στη δημόσια σφαίρα έντονος, εναντιωματικός και εξακολουθητικός διάλογος, σημαίνει ότι το γεγονός αυτό αποκτά ευρύτερες νοηματικές διαστάσεις με διαγενεακή αναφορά. Οι συνέπειές του εκτείνονται και δε μερίζεται στους άμεσα εμπλεκομένους ως άτομα, αλλά αναμεταφράζεται σε συλλογική εμπειρία και μεταστοιχειώνεται σε ολικό κοινωνικό γεγονός. Γίνεται τότε πολιτισμικό τραύμα.“ Demertzis, Το πολιτισμικό τραύμα (Das kulturelle Trauma), 2013, S. 23. 11 Bürgerkriege als Sujet von Artefakten – ohne auf traumatische Erfahrungen zu fokussieren – werden in zwei Sammelbänden vornehmlich aus romanistischer Perspektive beleuchtet: von Treskow u. a. (Hg.), Bürgerkrieg: Erfahrung und Repräsentation, 2005, und Bandau; Buschmann; von Treskow (Hg.), Literaturen des Bürgerkriegs, 2008. Ein besonders beliebtes Paradigma ist der spanische Bürgerkrieg und seine künstlerische Verarbeitung. Vgl. die Beiträge in Bannasch; Holm (Hg.): Erinnern und Erzählen, 2005 oder Leggott; Woods (Hg.), Memory and trauma in the postwar Spanish novel, 2014. Folgender Befund,

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Texte, die eine Vielzahl von Trauma auslösenden Ereignissen, aber auch Traumasymptome der Figuren narrativieren und in denen sich ein traumatischer Diskurs manifestiert, sind Gegenstand der folgenden Darstellung. Die Romane werden typologisiert und nach narratologischen Kriterien beschrieben, wobei trauma- und gedächtnistheoretische Merkmale im Mittelpunkt stehen. Der Fokus richtet sich – unter Rückgriff auf Kriterien der Narratologie und Psychotraumatologie – auf die Beziehung ­zwischen der erzählten Geschichte und der Form ihrer erzählerischen Wiedergabe, d. h. auf die narrativen Strukturen literarischer Traumadarstellung. Zunächst aber folgt ein knapper Abriss über das Konzept des Traumas in der Psychologie und in den Kulturwissenschaften und im Anschluss daran ein selektiver Überblick über Traumatheorie in den Literaturwissenschaften.

Trauma in der Psychologie und in den Kulturwissenschaften Im ausgehenden 20. Jahrhundert wurde der eigentlich psychischen Prozessen vorbehaltene Begriff Trauma auf kulturelle Phänomene übertragen und als Deutungsmuster in die Kultur- und Literaturwissenschaften importiert – was nicht zuletzt mit der 1980 erfolgten offiziellen Anerkennung der posttraumatischen Belastungsstörung als Krankheit zusammenhängt.12 Insbesondere Cathy Caruths psychoanalytisch und der die Funktion der Literatur im Zusammenhang mit einem Bürgerkrieg in verschiedenen Phasen des Erinnerungsprozesses beschreibt, trifft auch auf das griechische Paradigma zu: „Bürgerkriege sind als Ausdruck der grundsätzlichen und radikalen Infragestellung einer sich gleichzeitig im Dissens befindlichen und als Einheit begreifenden kulturellen Gemeinschaft zu verstehen. Daher erstaunt es nicht, dass Kunst und Literatur zunächst einmal funktional einen Beitrag leisten, um das Ereignis selbst für die unmittelbar und mittelbar Betroffenen im Kontext eines ‚nationalen‘ oder ‚überregionalen‘ Selbstverständigungsprozesses vorstellbar, vielleicht verständlich (damit jedoch nicht zwingend simplifizieren) und auf ­diesem Weg kollektiv erinnerbar zu machen. Literatur leistet in dieser Phase häufig einen Beitrag zur Erinne­rungsarbeit jener Gesellschaften, die nach dem Ende der innergesellschaftlichen Gewaltsituationen einen extrem hohen Bedarf an Interpretation des Geschehenen haben.“ Bandau; Buschmann; von Treskow (Hg.), Literaturen des Bürgerkriegs, 2008, S. 10. 12 Luckhurst, The Trauma Question, 2008, S. 1, konstatiert in seinem Standardwerk der kultur­wissenschaftlichen Traumaforschung: „The arrival of PTSD helped consolidate a trauma paradigm that has come to pervade the understanding of subjectivity and experience in the advanced industrial world.“ Werner Bohleber schreibt aus psychoanalytischer Perspektive: „Erst nach dem Vietnam-­Krieg wurden aufgrund des Engagements der Veteranenverbände in den USA großangelegte Untersuchungen zu den langfristigen psychischen Folgen des Krieges durchgeführt. Daraus resultierte dann 1980 die Einführung einer neuen diagnostischen Kategorie ‚Posttraumatische Belastungsstörung‘ (PTSD) in die offizielle psychiatrische Nomenklatur. Diese Neuerung setze eine intensive psychiatrische, psychologische und neurobiologische

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­ oststrukturalistisch ausgerichtete Trauma-­Studien führten zu zunehmender Beanp spruchung des Trauma-­Begriffs für kulturwissenschaftliche Fragestellungen.13 Caruth fasst Trauma als unverfügbare Wahrheit des Erinnerns und eigentliche Essenz der menschlichen Existenz auf: Das Phänomen des Traumas veranschauliche die Grenzen des sprachlichen Darstellungsvermögens und bringe uns an die Grenzen unseres Verstehens. Traumatische Erinnerungen beinhalteten laut Caruth eine buchstäbliche Wahrheit, die im traumatischen Gedächtnis gespeichert, aber nicht abrufbar und auch nicht verbalisierbar sei. Ausgehend von den Schwierigkeiten, traumatische Erfahrungen ins autobiographische Gedächtnis zu integrieren, dient Caruths Traumabegriff vielen Kulturwissenschaftlern als Metapher für das Scheitern sprachlicher Wirklichkeitsbezugnahme. Die von Caruth postulierte prinzipielle Unverfügbarkeit und Referenzlosigkeit der Trauma-­Erfahrung manifestiere sich als „aporia of representation“ bzw. „crisis in representation“.14 Die Narration traumatischer Erfahrungen führe zu Trivialisierung und Banalisierung der traumatischen Singularität. Caruths Überlegungen sind nicht nur auf Zustimmung gestoßen. Der Kulturhistoriker Wulf Kannsteiner und der Germanist und Psychoanalytiker Harald Weilnböck etwa polemisieren gegen ihre „Trauma-­Philosophie“: Sie sprechen von einer Verkehrung zentraler Aspekte psychotraumatologischer Sachverhalte in den Geisteswissenschaften und kritisieren die „Auratisierung“ psychischen Leidens und die postmoderne Ontologisierung des Traumas.15 Trauma als psychologische Kategorie und Trauma-­Diskurs sind aber zunächst Phäno­ mene der Moderne, des technischen Fortschritts und der Industrialisierung, deren Forschung in Gang, deren Ergebnisse auch die psychoanalytische Diskussion traumatischer Störungen beeinflußten.“ Bohleber, Die Entwicklung der Traumatheorie, 2000, S. 810. 13 Die umstrittene amerikanische Komparatistin Cathy Caruth hat eine interdisziplinäre Trauma­ forschung initiiert. Sie hat philosophische und psychologische Traditionen des Traumadiskurses miteinander verbunden und Freuds Psychoanalyse mit neurobiologischen sowie poststrukturalistischen und dekonstruktivistischen Theorien kombiniert. Vgl. ihre einflussreiche Studie Caruth, Unclaimed Experience, 1996. 14 Der rätselhafte Kern des Traumas liege im verspäteten und unvollkommenen Verstehen eines Geschehens, welches in seiner Wiederholung der Wahrheit entspricht. „Diese Wahrheit der traumatischen Erfahrung bildet das Zentrum seines Krankheitsbildes und seiner Symptome. Es ist kein Krankheitsbild, das aus Verfälschungen und Verschiebungen von Bedeutung besteht, sondern es ist eine Pathologie der Geschichte selbst. Die posttraumatische Belastungsstörung ist in dem Sinne als pathologisches Symptom zu verstehen, daß sie weniger ein Symptom des Unbewußten oder eine individuell bedingte Erfahrung als ein Symptom der Geschichte ist. Traumatisierte Menschen, könnte man sagen, tragen eine unmögliche Geschichte in sich, oder sie werden selbst zum Symptom einer Geschichte, die sie nicht gänzlich in Besitz nehmen können.“ Caruth, Trauma als historische Erfahrung, 2000, S. 86. 15 Vgl. exemplarisch Kansteiner; Weilnböck, Against the Concept of Cultural Trauma, 2008, und Weilnböck, Trauma-­Ontologie, 2007. Eine fundierte und kritische Auseinandersetzung mit Caruths ­Theorie bietet Ruth Leys, Trauma, 2000, S. 266 – 297.

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Anfänge in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zu datieren sind. Der Neuropathologe Hermann Oppenheim etablierte den Begriff „traumatische Neurose“ für ein damals als „railway-­spine“ bezeichnetes Phänomen, das er im Zusammenhang mit Folgen von Eisenbahnunglücken brachte. Er stellte auch psychische Krankheitssymptome fest: Die Hauptrolle spielt das psychische: der Schreck, die Gemüthserschütterung. Die im Momente des Unfalls eintretende schreckhafte Aufregung ist meistens so bedeutsam, dass sie eine ­dauernde psychische Alteration bedingt.16

Pierre Janet führte als erster den Begriff der Dissoziation in die Diskussion ein, d. h. abgespaltene Erinnerungen eines unverarbeiteten traumatischen Ereignisses, während die Bewältigung des Traumas mit der Integration ins Bewusstsein einhergehe.17 Sigmund Freud hat sich in verschiedenen Phasen seines Schaffens mit dem Trauma auseinandergesetzt. Durch seine Beschäftigung mit dem Phänomen der Hysterie widmete er sich früh der Erforschung von Traumaphänomenen sowie der therapeutischen Funktion des Erinnerungsprozesses.18 Er beobachtete sofortiges Verschwinden hysterischer Symptome nach Wachrufen der Erinnerung und daraus resultierender Verbalisierung des Affekts durch den Patienten. Besonders das Konzept der Nachträglichkeit erfreut sich in den Kulturwissenschaften großer Beliebtheit: Frühere Szenen, die nicht in ihren Bedeutungszusammenhang integriert werden konnten, zeitigen, ausgelöst durch spätere ähnliche Szenarien, nachträgliche traumatische Wirkung.19 In Jenseits des Lustprinzips (1920) entwickelte Freud das Prinzip des Reizschutzes, das von kriegsbedingter Gewalt durchbrochen wird; es etablierten sich Begriffe wie „Kriegsneurose“ oder „Schell-­Schock“. Im Kontext des Nationalsozialismus und der Judenverfolgung projizierte Freud in seiner spekulativen Spätschrift Der Mann Moses und die monotheis­ tische Religion Konzepte aus der Individualanalyse (Latenz, Ausbruch der Neurose, Wiederkehr des Verdrängten) auf kollektive Entitäten.20

16 Oppenheim, Hermann, Die traumatischen Neurosen, 1889, S. 123 f., zitiert nach Seidler, Geschichte der Psychotraumatologie, 2013, S. 6. Weitere Überblicke über die Geschichte der Psychotraumatologie bieten: Fischer; Riedesser, Psychotraumatologie, 42009, S.  33 – 45; Seidler, Psychotraumatologie. Das Lehrbuch, 2013, S. 21 – 55. Luckhurst macht auf folgenden Tatbestand aufmerksam: „Railway spine was the first instance of a theory of trauma that became contentious because rival theories places it at opposing ends of a spectrum from physical to psychical etiologies.“ Luckhurst, The Trauma Question, 2008, S. 22. 17 Vgl. Fischer; Riedesser, Psychotraumatologie, 42009, S. 35. 18 Vgl. Hirsch, Trauma, 2011, S. 17 – 21. 19 Vgl. auch Bohleber, Erinnerung, Trauma und kollektives Gedächtnis, 2007. 20 Zu Freuds Spätschrift vgl. die Beiträge in Ginsburg; Pardes (Hg.), New Perspectives on Freud’s ‚Moses and Monotheism‘, 2006.

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Entwicklung der Traumatheorie und Herausbildung der modernen Psychotraumatologie hängen eng mit von Menschen verursachten historischen Katastrophen (­ man-­made desasters) zusammen. Wichtige Stationen bilden der Erste und der Zweite Weltkrieg, der Holocaust, der Vietnamkrieg und in unserem Jahrhundert die Anschläge vom 11. September 2001 in New York. Aus medizinischer, aber auch aus gesellschaftlicher Sicht war die Aufnahme der Krankheitssymptome unter dem Begriff „Posttraumatische Belastungsstörung (posttraumatic stress disorder)“ ins Diagnostische und S­ tatistische Manual Psychischer Störungen (DSM III) der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft von entscheidender Bedeutung.21 Fischer und Riedesser fokussieren auf die psychische Wirkung äußerer Ereignisse und entwickeln die Psychotraumatologie als eine Lehre von Struktur, Verlauf und Behandlungsmöglichkeiten seelischer Verletzungen und ihrer Folgen. Das Psychotrauma ist ein Prozess, der insbesondere nach Gewalterfahrungen ausgelöst wird, ­welche die subjektiven Verarbeitungskapazitäten überschreiten. Den folgenden Ausführungen liegt die Definition der traumatischen Erfahrung als ein vitales Diskrepanzerlebnis z­ wischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten, das mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis bewirkt,

zugrunde.22 Die Psychotraumatologie untersucht, was geschieht, wenn es zu solchen Verletzungen gekommen ist und was zur Heilung geschehen sollte. Es lassen sich drei übergeordnete Symptomgruppen unterscheiden, die weiter ausdifferenziert werden können: Intrusionen (unfreiwillige Erinnerungsbilder), Vermeidungsverhalten (z. B. Ausweichen vor Situationen und Reizen, die mit der Trauma auslösenden Situation in Verbindung gebracht werden, Teilnahmslosigkeit, Interesseverlust) und Übererregung (z. B. Schlafstörungen, Schreckhaftigkeit, erhöhte Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten).23 In traumatischen Situationen werden einige Parameter regulärer Erlebnisverarbeitung außer Kraft gesetzt und Zeit-, Raum- und Selbstwahrnehmung verändern sich.

21 „Seit der Aufnahme des PTSD-Konstrukts in das DSM III (American Psychiatric Association 1980a) hat sich jedenfalls die Psychotraumatologie weltweit zu einer Disziplin entwickelt, die nicht nur innerhalb der Medizin, Psychologie und Psychotherapie und in anderen Humanwissenschaften, sondern ebenfalls in verschiedenen Kulturwissenschaften das Menschenbild verändert hat. Die Thematisierung der seelischen Folgen von Gewalt ist gesellschaftsfähig geworden, wird zumindest nicht mehr offiziell belächelt.“ Seidler, Psychotraumatologie, 2013, S. 16. 22 Fischer; Riedesser, Psychotraumatologie, 42009, S. 82. 23 Vgl. ebd., S. 44 – 4 6.

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Die Annahme, dass traumatische Erfahrungen im Gedächtnis anders enkodiert werden als Erinnerungen an gewöhnliche Erlebnisse, ist für die Analyse literarischer Trauma-­Repräsentation von besonderer Relevanz.24 Traumatische Erinnerungen unterscheiden sich insofern von „normalen“ Gedächtnisvorgängen, als eine Erinnerungslücke bleibt, die als Resultat einer Dissoziation des Gedächtnisses oder eines Verdrängungsvorgangs beschrieben wird. Erinnerungen an traumatische Situationen werden nicht intentional abgerufen, sondern stellen sich willkürlich ein und reproduzieren sich in Albträumen, Flashbacks oder zwanghaften schematischen Verhaltensweisen. Die Symptome eines individuellen Traumas können unmittelbar oder aber nach einer gewissen Latenzphase auftreten – häufig mit jahrelanger Verzögerung, was wiede­rum mit Erinnerungsprozessen zusammenhängt. Vergangene Erfahrungen, Eindrücke und Erinnerungsspuren werden aufgrund neuer, gegenwärtiger Erfahrungen und sozialer Konstellationen umgearbeitet und nachträglich semantisiert. Die Erinnerungen entstehen im gegenwärtigen Bewusstseinsakt und werden in die Vergangenheit rückprojiziert. Damit erhalten sie einen neuen Sinn und eine neue psychische Dimension. Die Psychiaterin Judith Herman bezeichnet den „Konflikt ­zwischen dem Wunsch, schreckliche Ereignisse zu verleugnen, und dem Wunsch, sie laut auszusprechen“, als „zentrale Dialektik des Traumas.“ 25 Das Verhältnis ­zwischen Trauma und Narration ist demnach durch eine paradoxe Struktur gekennzeichnet, was aus literaturwissenschaftlicher Sicht von Interesse ist: Traumatische Erfahrungen widersetzen sich einerseits der sprachlichen Integration in eine Erzählung, d. h. sie vergehen nicht und werden nicht endgültig zu Vergangenheit; andererseits brechen sie intrusiv in den gegenwärtigen Lebenskontext der Betroffenen ein, die von ihren Erinnerungen wie besessen sind und sie nicht aus dem Gedächtnis verbannen können. Nicht zuletzt in einem literaturwissenschaftlichen Kontext ist ferner die Beobachtung von Psychoanalytikern relevant, dass der Traumatisierte eines empathischen Zuhörers bedarf, damit die noch unverbundenen Fragmente der traumatischen Erinnerungen des Opfers zu einem Narrativ zusammenwachsen, seine Geschichte eine kohärente Bedeutung erhält und als ­solche bezeugt werden kann.26

24 Die ­Theorie von der Einzigartigkeit traumatischer Erinnerungen unterstützten aus neurologischer Perspektive die Psychiater Bessel van der Kolk und Onno van der Hart: vgl. van der Kolk; van der Hart, The intrusive past, 1995. Ihre Ausführungen waren für Caruths Überlegungen von zentraler Bedeutung. Das Problem traumatischer Erinnerungen wird kontrovers diskutiert. Vgl. das grundlegende Werk von MacNally, Remembering Trauma, 2003, S.  105 – 124. 25 Siehe Herman, Die Narben der Gewalt, 1994, S. 9. 26 Dazu führt Dori Laub, Bearing Witness of the Vicissitudes of Listening, 1992, S. 58, aus: „The ­listener, therefore, by definition partakes of the struggle of the victim with the memories and ­residues of his or her traumatic past. The listener has to feel the victim’s victories, defeats and silences,

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Während einige Kulturwissenschaftler im Anschluss an Caruth die vermeintliche Nicht-­Erzählbarkeit traumatischer Erfahrungen hervorheben, machen Psychologen zuweilen auf subtile literarische Trauma-­Repräsentationen aufmerksam, von denen die Psychotraumatologie profitieren könne.27 Die Untersuchung literarischer Trauma-­ Repräsentationen ist nicht zuletzt wegen der oben beschriebenen Paradoxien und Kontroversen besonders reizvoll. Luckhurst bringt es folgendermaßen auf den Punkt: Trauma, in effect, issues a challenge to the capacities of narrative knowledge. In its shock impact trauma is anti-­narrative, but it also generates the manic production of retrospective narratives that seek to explicate the trauma. […] culture rehearses or restages narratives that attempt to animate and explicate trauma that has been formulated as something that exceeds the possibility of narrative knowledge.28

Trauma in der Literaturwissenschaft Die Literaturwissenschaft setzt sich in jüngster Zeit mit Grenzen und Möglichkeiten literarischer Trauma-­Repräsentationen auseinander und erforscht Strategien, die für die narrative Vermittlung von Erinnerungen an historische traumatische Erfahrungen konstitutiv sind. Die Verbindung von psychischem Trauma mit fiktionaler Literatur habe zu einem neuen Genre geführt, nämlich trauma fiction, das sich durch spezifische Merkmale auszeichne. Die britische Literaturwissenschaftlerin Anne Whitehead ­etablierte den Terminus in einer Studie, die folgendes Ziel verfolgt:

know them from within, so that they can assume the form of testimony.” Der Psychoanalytiker Bohleber, Die Entwicklung der Traumatheorie, 2000, S. 821, argumentiert ähnlich: „Erst in Gegenwart eines empathischen Zuhörers können die Fragmente zu einem Narrativ zusammenwachsen und die Geschichte bezeugt werden. Durch die Erzählung wird Distanz geschaffen. Das traumatische Ereignis und Erleben wird zum Zeugnis, und damit ein Stück weit reexternalisiert.“ 27 Vgl. Fischer; Riedesser, Psychotraumatologie, 42009, S. 32 f. Aus literaturwissenschaft­ licher Perspektive ist folgender Befund aus einem gemeinsamen Artikel einer Psychologin und einer Literaturwissenschaftlerin insofern von Interesse, als die Vorteile literarischer Trauma-­ Repräsentationen hervorgehoben werden: „In fiction we can observe how we understand, represent, and recover from trauma because fictional representations attend to several elements of trauma, such as diverse emotions and cultural contexts, that are less emphasized in most psychological discourses on trauma. The diversity of language and narrative methods fictional writers use to represent trauma provides a multiplicity of perspectives on trauma and its effects. […] In this way, fiction becomes an important record of cultural knowledge about trauma and increases awareness of individual experiences of trauma.“ Goldsmith; ­Satterlee, Representations of Trauma in Clinical Psychology and Fiction, 2004, S. 55. 28 Luckhurst, Trauma Question, 2008, S. 79.

Trauma in der Literaturwissenschaft | 87

I will explore the literary techniques by which novelists have sought to represent trauma, or to narrate the unnarratable, and I will outline the (necessarily provisional) range of literay devices which characterise the emerging genre of trauma fiction.29

Trauma fiction ahmt durch spezifische Verfahren Traumasymptome auf textueller Ebene nach und führt konventionelle narrative Verfahrensweisen an ihre Grenzen – sie sprengt formale Zwänge, um das Verstörende und Beschädigende der traumatischen Erfahrung auszudrücken.30 Die Aufmerksamkeit wird auf die Komplexität des Gedächtnisses bzw. der Erinnerung gelenkt. Dabei stehen nicht so sehr Fakten oder Gedächtnisinhalte im Vordergrund als vielmehr Gründe, d. h. die Art und Weise von Erinnerungsprozessen. Die Werke von Toni Morrison und Winfried Georg Sebald gelten als paradigmatisch für das Genre. Traumanarrative weisen Berührungspunkte und Überschneidungen zu Romanen auf, die Birgit Neumann am Beispiel kanadischer Gegenwartsliteratur typologisiert und unter dem Begriff fictions of memory subsumiert hat; eine Gattung, die Erinnerungsprozesse inszeniert und das Verhältnis ­zwischen Erinnerung, Identität und Narration auslotet.31 Berührungspunkte bestehen auch zu postmemorialen Narrativen, in denen Aus- und Fortwirkungen verschwiegener und unverarbeiteter traumatischer Erfahrungen der Erlebnisgeneration auf die nächsten Generationen im Mittelpunkt stehen. Das von Marianne Hirsch entwickelte Konzept des Postmemory bietet ein theoretisches Modell, um ­solche Texte zu analysieren. Postmemory bezeichnet keine eigenen Erinnerungen, sondern bezieht sich auf die Situation des Erinnerns „aus zweiter Hand“ – Erinnerung, die durch mündliche Narrative, andere Zeitdokumente oder durch Fotografien medial vermittelt ist. Es handelt sich um recherchierte Erinnerungs- und Wissensbestände,

29 Whitehead, Trauma fiction, 2004, S. 4. 30 „There are, however, a number of key stylistic features which tend to recur in these ­narratives. These include intertextuality, repetition and a dispersed or fragmented narrative voice. Novelists draw, in particular, on literary techniques that mirror at a formal level the effects of trauma.“ Whitehead, Trauma fiction, 2004, S. 84. 31 Neumann, Erinnerung, Identität, Narration, 2005, S. 9, beschreibt die Gattung wie folgt: „Fictions of memory […] sind in thematischer, formaler und funktionaler Hinsicht auf vielfältige und komplexe Weise mit extraliterarischen Erinnerungspraxen und -diskursen verwoben. Sie stellen – individuell und kollektiv erinnerte – Vergangenheiten in einem als fiktional ausgezeichneten Raum dar, reflektieren die Bedingungen der sinnstiftenden Rekonstruktion von Erinnerungen und vermitteln neue Vorstellungen von Erinnerung und Identität. Durch die Reintegration unterschiedlichster Erinnerungen, die Inszenierung der identitätsstiftenden und potentiell identitätszersetzenden Prozesse der Vergangenheitsaneignung sowie durch die Problematisierung der Gedächtnisbildung sind fictions of memory in nicht unwesentlichem Maße an der gesellschaftlichen Herausbildung, Modifikation und Reflexion von Erinnerung und Identität gebunden.“

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die nicht erfahrungsbasiert sind, aber dennoch die Intensität eigener Erinnerungen haben können.32 Es folgt ein kurzer, selektiver Abriss zu relevanten Stationen literaturwissenschaft­ licher Traumastudien, die an Fallbeispielen aus unterschiedlichen soziokulturellen Kontexten traumatheoretische Zugänge zu fiktionalen Texten erproben. Wichtige Impulse für die literaturwissenschaftliche Analyse von Traumatexten lieferten die zahlreichen kulturwissenschaftlichen Studien über Repräsentationen des Holocaust.33 Ausgehend von Zeugnissen Überlebender des Holocaust postuliert Michael ­Rothberg in seiner Monographie traumatischen Realismus als literarisches Verfahren, um das Unsagbare zu dokumentieren.34 Traumatischer Realismus teile mit experimentellem Modernismus und Postmodernismus das prinzipielle Misstrauen gegenüber der Möglichkeit von Repräsentationen des Holocaust überhaupt. Es zeige sich hier insofern ein ganz neuer Repräsentationsmodus, als er ­zwischen mimetischen und antimimetischen Tendenzen oszilliert und konventionelle Formen der Narration unterminiert: Traumatic realist texts, however, search for a form of documentation beyond direct reference and coherent narrative but do not fully abandon the possibility for some kind of reference and some kind of narrative.35

Ronald Granofsky untersucht in seiner Studie von 1995 Werke der englischen Nachkriegsliteratur. Er definiert trauma novels als Texte, die traumatische Effekte nach einem kollektiven Desaster imitativ nachformen, und sieht Überlappungen zum postmodernen Roman.36 Er geht jedoch nicht auf spezifische narratologische Merkmale von Traumatexten ein. Auch Kali Tal befasst sich in ihrer breit rezipierten, aus dezidiert feministischer Position verfassten Studie Worlds of Hurt: Reading the Literatures of Trauma von 1996 weniger mit narrativen Strategien literarischer Traumadarstellung als vielmehr mit dem 32 Die klassische Definition von Hirsch lautet: „Postmemory is distinguished from memory by generational distance and from history by a deep personal connection. Postmemory is a powerful and very particular form of memory precisely because its connection to its object or source is mediated not through recollection but through an imaginative investment and creation.“ Hirsch, Family Frames, 1997, S. 22. 33 Vgl. die klassischen Sammelbände bzw. Studien von Langer, Holocaust testimonies, 1991; Hartman, Holocaust remembrance, 1994; LaCapra, Representing the Holocaust, 1996. 34 Rothberg, Traumatic realism, 2000. 35 Siehe ebd., S. 100. 36 An einer Stelle verwendet er auch den Begriff trauma fiction: That a number of commentators on postmodernism argue for a certain similarity between postmodern fiction and (without calling it that) trauma fiction is not surprising if we consider that postmodern fiction and the trauma novel are products of the same historical conditions pertaining after World War Two or at least contemporary with them.“ Granofsky, The Trauma Novel, 1995, S. 12.

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Zusammenhang ­zwischen individuellem psychischen Trauma und dem Diskurs über traumatische Ereignisse am Beispiel des Vietnam-­Kriegs. Sie postuliert eine literature of trauma, die Gemeinsamkeiten mit postkolonialer Literatur und der sogenannten queer literature aufweise. Tal vertritt die Auffassung, dass Traumaliteratur lediglich von direkt Betroffenen geschrieben werden könne.37 Das Fallbeispiel griechischer Bürgerkriegsromane geht allerdings in dieser These nicht auf. Im deutschsprachigen Raum wurde Hannes Frickes Studie Das hört nicht auf. Trauma, Literatur und Empathie viel beachtet. Dem Autor dienen Modelle aus der Psychotraumatologie als Deutungsschema für diverse Fallbeispiele der Weltliteratur von der Antike bis heute. Er ist zudem der Auffassung, dass die moderne Erzähltheorie nicht in der Lage sei, Traumatexte adäquat zu beschreiben.38 Die Annahme, dass „Traumatexte“ mit narratologischen Kategorien schwer zu beschreiben sind, ist allerdings nicht haltbar. Es lassen sich narratologische Merkmale formulieren, die einen traumatischen Diskurs konstituieren. Spezifische literarische Mittel, mit denen der Zusammenhang z­ wischen kultureller Erinnerung, zwischenmenschlicher Gewalt und Trauma in Szene gesetzt wird, unter­ suchen die Afrikanistin Martina Kopf und der Anglist Michael Basseler. Kopf geht davon aus, dass sich im Trauma die zerstörende Wirkung von Gewalt zeige und dass „Literatur als Prozess dieser Gewalt entgegenwirke“;39 sie hinterfragt das Konzept einer Literatur der Zeugenschaft und stellt die heilende Wirkung der Narration in Frage. Basseler fokussiert die Repräsentation des kulturellen Traumas der Sklaverei in afroamerikanischen Romanen, um narrative Mittel einer „Rhetorik der Erinnerung bzw. Rhetorik des Gedächtnisses“ zu eruieren.40 Auf griechische Bürgerkriegsromane fand das Traumakonzept kaum Anwendung. ­Giannis Vasilakakos behandelt in seiner Monographie sechs Romane, die den Bürger­ krieg thematisieren. Er untersucht politisch-­ideologische, s­oziale und ästhetische Gesichtspunkte, während traumatheoretische Aspekte nicht berücksichtigt werden.41 Maria ­Nikolopoulou untersucht in einem ausführlichen Beitrag exemplarische, vor 1974

37 „The writings of trauma survivors comprise a distinct ‘literature of trauma’. Literature of trauma is defined by the identity of its author. Literature of trauma holds at its center the ­reconstruction and recuperation of the traumatic experience, but it is also actively engaged in an ongoing dialogue with the writings and representations of nontraumatized authors. It comprises a marginal literature similar to that produced by feminist, African-­American, and queer writers—in fact, it often overlaps with these literatures, so that distinct subgenres of literature of trauma may be found in each of these communities.“ Tal, Worlds of Hurt, 1996, S. 27. 38 Vgl. Fricke, Das hört nicht auf, 2004, S. 237 – 239. 39 Kopf, Trauma und Literatur, 2005. 4 0 Basseler, Kulturelle Erinnerung und Trauma, 2008. 41 Vasilakakos, Eμφύλιος (Bürgerkrieg), 2000.

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erschienene Bürgerkriegsromane unter gedächtnistheoretischen und erinnerungskulturellen Aspekten.42 Venetia Apostolidou analysiert unter Berücksichtigung trauma- und erinnerungstheoretischer Aspekte kaum beachtete Werke von Exilautoren über die Besatzungsund Bürgerkriegszeit.43 Sie zeigt, dass die Exilanten eine spezifische Erinnerungsgemeinschaft konstituieren, die, im Gegensatz zu den in Griechenland verbliebenen Besiegten des Bürgerkriegs, ihre traumatischen Erfahrungen zeitnah publik machen konnte. Allerdings ­seien ihre Werke stark von politischen Faktoren beeinflusst. Insbesondere die Erinnerungsund Erzählstrategien in frühentstandenen Texten weisen Muster der Selbsttäuschung auf: Der Gegner wird als Täter diffamiert, um eigene Schuld und Täterschaft zu kaschieren.

Trauma-­Repräsentationen in exemplarischen Bürgerkriegsnarrativen Es folgen exemplarische Interpretationen griechischer Bürgerkriegsromane aus sieben Jahrzehnten. Die traumatheoretische Lektüre der Texte berücksichtigt in narratologischer Hinsicht die Parameter des Erzählers, der erzählten Geschichte und des erzählerischen Diskurses in Anlehnung an die Beschreibungskategorien und die Terminologie von Silke Lahn und Jan Christoph Meister.44 Vorangestellt sind relevante biographische Angaben über den realen Autor/die reale Autorin als historische Person mit Fokus auf den generationellen und politisch-­ideologischen Hintergrund. Ich kategorisiere die Narrative nach vier Typen: Texte über erzählende oder erzählte traumatisierte Opfer bzw. Texte über erzählende oder erzählte traumatisierte Täter, ferner Texte über erzählende bzw. erzählte traumatisierte Unbeteiligte sowie Texte, die transgenerationale traumatische Erfahrungen thematisieren. Traumatisierte Opfer

In den folgenden fünf Texten stehen Figuren im Mittelpunkt, die Opfer massiver Gewalt geworden sind, permanente Angst vor Missbrauch, Verhaftung, Folter und Tod erlebt haben und die in unterschiedlichem Maße Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung aufweisen. Aus psychotraumatologischer Sicht haben traumatisierte Opfer „enorme Schwierigkeiten, sich auf den narrativen Prozess einzulassen.“ 45 Die traumatischen Erfahrungen spiegeln sich in der Figuren- bzw. Erzählerrede wider.

42 Vgl. Nikopoulou, Maria: Ο τριακονταετής πόλεμος (Der 30jährige Krieg), 2008. 43 Vgl. Apostolidou, Τραύμα και μνήμη (Trauma und Erinnerung), 2010. 4 4 Vgl. Lahn;;Meister, Erzähltextanalyse, 2016, S. 69 f. 45 Siehe Neuner; Schauer; Elbert, Narrative Exposition, 2013, S. 328.

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Melpo Axioti, Εικοστός αιώνας (1946; Zwanzigstes Jahrhundert) Melpo Axiotis Roman Εικοστός αιώνας (Zwanzigstes Jahrhundert)46 bezieht sich zwar vorwiegend auf die Besatzungszeit, deutet aber bereits innergriechische Konflikte an. Er ist ein frühes Beispiel dafür, Reaktionen auf traumatische Situationen in eine spezifische literarische Form zu überführen. Der Roman wurde z­ wischen Oktober und November 1946 verfasst und erschien zu Weihnachten 1946. Melpo Axioti (1905 – 1973) zählt zu den prominentesten linken Autoren der griechischen Nachkriegsliteratur. Sie trat 1936 der Kommunistischen Partei bei, der sie bis zu ihrem Lebensende treu blieb. In der Besatzungszeit war sie im Widerstand aktiv und veröffentlichte zahlreiche Texte in der illegalen Presse. 1947 emigrierte sie aus Furcht vor Repressionen nach Paris, wo sie Kontakt zu renommierten Linksintellektuellen wie Louis Aragon, Paul Eluard und Pablo Neruda pflegte. 1950 musste sie auf Druck der griechischen Regierung Frankreich verlassen und siedelte in die DDR über. Dort lebte sie bis 1952 in Dresden und Berlin (Ost). 1952 – 55 arbeitete sie als Hörfunkjournalistin in Warschau, bevor sie 1956 nach Berlin zurückkehrte, wo sie bis zu ihrer Repatriierung 1964 als Gastlektorin für neugriechische Sprache und Literaturgeschichte an der Humboldt-­Universität tätig war. Sie starb 1973 in Athen. Im Mittelpunkt des Romans steht der sich in einer Nacht im Mai 1944 abspielende Erinnerungsprozess der Protagonistin Polyxeni. Diese befindet sich in einer traumatischen Situation: Sie sitzt mit weiteren politischen Gefangenen in einer Gefängniszelle, ihre Hinrichtung am nächsten Morgen ist gewiss. Sie lässt ihr Leben in Gestalt von Momentaufnahmen der Repression, des Leids und des Elends aus den Jahren ihres politischen Engagements von 1936 bis 1944 Revue passieren.47 Narrative Instanz ist zwar ein verdeckter heterodiegetischer Erzähler, es dominiert jedoch die figurale Perspektive der erlebenden Polyxeni. Neben zahlreichen Dialogen werden Techniken der erlebten Rede und des inneren Monologs verwendet, um mentale Prozesse und die Innenwelt der Protagonistin darzustellen. Der Text pendelt z­ wischen zwei Zeitebenen: Die Erinnerungsgegenwart im Mai 1944 in der Zelle veranschaulicht die Rahmenerzählung, die Ereignisse aus Polyxenis Leben bilden die Binnenerzählung. In seinem Kern konstituiert sich der Roman als Analepse der Protagonistin vor ihrer Hinrichtung. Der Leser wird aber regelmäßig auf den Ausgangspunkt des Erinnerungsprozesses in der Zelle verwiesen: „Wie seltsam kam es ihr jetzt vor: Gehen! Allein! Eine Straße entlang! Ohne Wärter! Ohne ­dieses Harren auf den Tod beim Morgengrauen! Und abermals vertiefte sie sich in die Vergangenheit.“ 48 46 Deutsche Übersetzung von Kurt Stern mit einem Vorw. von Anna Seghers: Tränen und ­Marmor, Berlin: Volk und Welt, 1949. 47 Ausgewählte Literatur: Mike, Μέλπω Αξιώτη (Melpo Axioti), 1996, S. 17 – 33; Kastrinaki, Η λογοτεχνία (Die Literatur), 2005, S. 516 – 521; Anastasiadis, Datenblatt Axioti, 2013. 48 Axioti, Tränen und Marmor, 1949, S. 75. „Πώς της φαίνονταν τώρα παράξενο! Να περπατάει! Μόνη της, μες στο δρόμο! Δίχως φύλακα, τότε! Δίχως να περιμένεις θάνατο, το πρωί! Ξανάπιασε

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Der regelmäßige Wechsel der Zeitebenen formt den Erinnerungsprozess in einer trauma­ tischen Situation nach, was dem Text „Erinnerungshaftigkeit“ verleiht.49 Wiederholt wird dabei der Erinnerungsprozess der Protagonistin explizit thematisiert. Ihre „Zeitnot“ belastet sie psychisch; ihr bleibt nur eine Nacht, um ihr vergangenes Leben zu vergegenwärtigen: „Es war das Ende. Sie begann an all die verflogenen Jahre zu denken. Nur mehr eine Nacht. Sie mußte sich eilen, bevor der anbrechende Tag zu schimmern begänne.“ 50 Die Erzählung richtet sich an die Protagonistin selbst, die ihrerseits ihre Rolle als Adressatin und empathische Zuhörerin der eigenen Lebensgeschichte reflektiert: Ihre Erinnerungen galten nicht mehr ihr selbst. Sie rissen sie mit, über die Zeit, über sie selbst hinaus. Sie wurde zum Zeugen einer fremden Geschichte. Es war ein broschiertes Buch, ihr Leben, das mit dieser Nacht enden würde; das Leben einer gewissen Polyxena, die morgen nicht mehr sein würde.51

Während die Protagonistin in der Zelle auf ihre Exekution wartet und die Vergangenheit an sich vorüberziehen lässt, ist ihr nicht wirklich bewusst, dass es traumatogene Situationen sind, die sie erlebt hat; das Trauma verharrt noch in der Latenzphase, hat seine psychische Wirkung noch nicht voll entfaltet. Die bevorstehende Exekution unterbindet die traumatische Wirkung des Erlebten. Doch werden Symptome wie Intrusionen quasi proleptisch thematisiert. Einige Szenen aus der Vergangenheit, die im Zusammenhang mit innergriechischen Konflikten stehen, sind der Protagonistin intensiv haften geblieben. Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Exekution schreibt sie vergangenen Erfahrungen nachträgliche psychische Bedeutung zu. Polyxeni hat das Bild ihrer letzten Begegnung mit dem hingerichteten Antifaschisten Kostas sehr lebendig vor Augen.

τα περασμένα.“ Axioti, Εικοστός αιώνας (Zwanzigstes Jahrhundert), 1982, S. 71. 49 Basseler und Birke untersuchen Erzähltexte unter dem Aspekt der Nachahmung von Erinnerungsprozessen und führen den Terminus Erinnerungshaftigkeit ein: „Der Erinnerungsprozess findet also auf der Erzählebene statt, die in der traditionellen Literaturwissenschaft als Rahmenerzählung bezeichnet wird. […] Die Mimesis des Erinnerns tritt folglich in solchen Texten stärker in den Vordergrund, in denen die Dominanzverhältnisse der Ebenen nicht zu einem der beiden Pole neigen, sondern sich ausgewogener verhalten. Dies kann zum einen durch einen häufigeren Wechsel ­zwischen den Ebenen geschehen; zum anderen kann es auch auf einer Ebene Bezüge auf die jeweils andere geben.“ Basseler; Birke, Mimesis des Erinnerns, S. 127. 50 Axioti, Tränen und Marmor, 1949, S. 22. „Ετελείωσε. Πολλά χρόνια περάσανε. Άρχισε να τα σκέφτεται. Ήταν μια νύχτα μόνο. Έπρεπε να προλάβει πριν να φέξει η αυγή.“ Axioti, Εικοστός αιώνας (20. Jahrhundert), 1982, S. 21. 51 Axioti, Tränen und Marmor, 1949, S. 22. „Και εκείνα που θα θυμηθεί, δεν ήταν πια δικά της, ήταν μια ξένη υπόθεση που την άφηνε πίσω. Ένα άδετο βιβλίο, όπου γραφόταν η ζωή της, έπρεπε να τελειώσει μέσα σ’ αυτή τη νύχτα. Θυμότανε μια Πολυξένη, που δε θα υπάρχει αύριο.“ Axioti, Εικοστός αιώνας (20. Jahrhundert), 1982, S. 22.

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Eine Szene ist es aber, die sie besonders beharrlich verfolgt: ein vermummter Kollaborateur, der Widerständler denunziert, die darauf von den Besatzern erschossen werden: Oh, keine Fastnachtsmaske werde ich künftig mehr sehen können, ohne zu erschaudern, sagte sich Polyxena, immer werde ich an diese da denken. […] Oh! Nie mehr werde ich, ohne zu zittern, einen Polizeihelm sehen können, oder einen Mann, der durch die Straßen rennt, sagte sich Polyxena, immer werde ich an diese Szene denken.52

Die narrative Instanz lässt offen, ob diese Gedanken und Phobien der Protagonistin als erlebendem oder als erinnerndem Subjekt zuzuschreiben sind. Polyxeni verhält sich jedenfalls so, als könne es in Zukunft Situationen geben, die belastende Erinnerungen an das traumatische Ereignis auslösen würden. Axiotis Roman ist ein sehr frühes Beispiel für den „Erinnerungsbürgerkrieg“ im Gedächtnismedium Literatur, in ­diesem Fall aus der Perspektive des linken Erinnerungskollektivs vor Ausbruch der letzten Phase des Bürgerkriegs erzählt. In der griechischen Nachkriegsprosa steht er seiner „Erinnerungshaftigkeit“, seiner Innenweltdarstellung und der Reflexion des Erinnerungsprozesses der Protagonistin wegen für ein ebenso frühes Beispiel für traumatisiertes Erzählen in der griechischen Nachkriegsprosa. Tatjana Gritsi-­Milliex, Και ιδού ίππος χλωρός (1963; Und siehe, ein fahles Pferd) Die Autorin (1920 – 2005) engagierte sich im linken Widerstand; nach der Besatzungszeit siedelte sie zusammen mit dem prominenten französischen Gräzisten Roger Milliex nach Frankreich über. In ihrem Roman steht ebenfalls die Besatzungszeit 1941 – 1944 im Mittelpunkt, doch werden auch Kollaboration und sich anbahnende innergriechische Konflikte angedeutet. Das Buch thematisiert die Familiensituation der Protagonistin Eleni, ihren Emanzipationsprozess und das Erwachen ihres politischen Bewusstseins, schildert aber auch das allgegenwärtige politische Misstrauen in der Besatzungszeit.53 Nach dem Selbstmord ihres Ehemannes Angelos am Tag des Einmarsches der Deutschen in Athen geraten Eleni und ihr dreijähriger Sohn Manos wegen eines von ihrem Schwager Alexandros entwendeten Testaments in dessen Abhängigkeit. Es ist offensichtlich, dass Alexandros Eleni begehrt. Ihr Engagement im Widerstand und ihre Liebe zu dem Partisanen Dimitris verheimlicht sie vor ihm, weil sie ihn der Kollaboration verdächtigt. 52 Axioti, Tränen und Marmor, 1949, S. 132. „Ω, δε θα ξαναδώ ποτέ χωρίς ανατριχίλα, έλεγε τότε η Πολυξένη, μασκαρά τις απόκριες, πάντοτε θα θυμούμαι αυτόν. […] Ω δε θα ξαναδώ ποτέ, έλεγε τότε η Πολυξένη, πηλήκιο χωροφύλακα και φούντα του τσολιά, και δε θα ξαναδώ ποτέ στο δρόμο να τρέχει άνθρωπος, χωρίς ν’ ανατριχιάσω. Θα θυμούμαι πάντα αυτό!“ Axioti, Εικοστός αιώνας (20. Jahrhundert), 1982, S. 124 f. 53 Vgl. Anastasiadis, Datenblatt Gritsi-­Milliex, 2013.

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Als sich Alexandros weigert, Befehle der Besatzer zu befolgen, wird er im Hauptquartier der SS in Athen inhaftiert. Eleni gelingt es, ihn zu befreien, weil sie gute Verbindungen zu einer großbürgerlichen Familie mit Beziehungen zur deutschen Besatzungsmacht hat. Als sie sich während einer Vergeltungsaktion der Deutschen für einen angeblichen Saboteur einsetzt, wird ihr Sohn lebensgefährlich verletzt. Am Tag der Befreiung von Athen wird ihr Sohn wieder gesund, und es kommt zu einer Begegnung mit Dimitris. Ein heterodiegetischer Erzähler, dessen Vermittlungsfunktion kaum manifest wird, schildert das Geschehen aus figuraler Perspektive, und zwar überwiegend aus der Position von Eleni, manchmal aber auch aus der Position von Alexandros. In einigen k­ urzen Abschnitten gleitet die Heterodiegese in Autodiegese über. Die Dialogpartien sind häufig fragmentarisch, im Vordergrund der Darstellung stehen mentale Prozesse. Autonome Gedankenzitate von Eleni, aber auch von Alexandros, bieten dem Leser Einblick in das gestörte Innenleben der Figuren. Die Protagonistin ist eine kumulativ traumatisierte Figur, die im Zusammenhang mit der deutschen Besatzung verschiedene potentiell Trauma auslösende Situationen erlebt hat: Die nur angedeutete, von ihr verdrängte Vergewaltigung durch Alexandros, der Selbstmord ihres Mannes, die bedrohliche Atmosphäre in der Kommandantur der Besatzer, die Vergeltungsaktion der Deutschen, schließlich die lebensgefährliche Verletzung ihres Sohns. Die chronologische Ordnung wird ständig durch Analepsen durchbrochen. Den Diskurs kennzeichnet narrative Anachronie. Es kommt zu einer komplexen Verschränkung der gegenwärtigen Handlung mit der Vergangenheit. Einige zentrale Episoden werden nahezu zeitkongruent erzählt, z. B. Elenis Reaktion auf Angelos’ Selbstmord oder ihr Besuch des SS-Hauptquartiers in der Athener Merlin-­Straße. Vor allem das 1. Kapitel, in dem Angelos’ Selbstmord geschildert wird, ist von permanenten Analepsen geringeren Umfangs und unterschiedlicher zeitlicher Reichweite geprägt, die dem Text seine traumatische Struktur verleihen. Diese steht in Korrespondenz zu Elenis erschüttertem Selbst- und Weltverständnis. Die Protagonistin beschreibt ihre Wahrnehmung der räumlichen Gegebenheiten des Hauptquartiers, ein Ort, in dem Hunderte von Untersuchungshäftlingen systematisch gefoltert wurden. Ihre Raum- und Zeitwahrnehmung ist fundamental gestört. Sie erlebt Lichtverhältnisse im Raum als befremdlich und unheimlich: Dieses Licht, das nicht Licht ist, bringt es fertig, daß sich die Dinge bewegen, undurchsichtig, daß sie ihren Platz wechseln; wenn du aber auf ein einzelnes Ding scharf hinblickst, bewegt es sich nicht mehr und verschwindet bald gänzlich aus deinem Blickfeld.54

54 Gritsi-­Milliex, Schatten haben keine Schmerzen, 1968, S. 88. „Αυτό το φώς, που δεν είναι φως, κάνει τα πράγματα να κινούνται αδιόρατα, ν’ αλλάζουν θέση, σαν όμως κοιτάξεις κάτι εντατικά,

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An ­diesem vom Erzähler als traumatischem Erfahrungsraum konstruierten Ort des Schreckens ist Eleni das Zeitgefühl abhandengekommen: „Wie lange sitzt sie schon hier? Sie verwirft sofort diese Frage. Hier gibt es keine Stunden. […] es gibt keine Zeit, wenn man wartet und gezwungen ist zu warten.“ 55 Es fällt ins Auge, dass es zu plötzlichem Wechsel von Hetero- zu Homodiegese kommt. Zudem wechselt die Erzählerin von Vergangenheitstempora ins Präsens. Den Wahrnehmungsakt charakterisieren Verben, die ein „Merken“ und „Begreifen“ signalisieren. Der Raum und seine Objekte werden als Bedrohung verinnerlicht. Die Erzählerin leidet unter traumatisch verzerrter Raumwahrnehmung: Ihre Fahrstuhlfahrt fasst sie als Gang in die Unterwelt, ins Reich des Todes auf. Tatsächlich handelt es sich um einen engen, dunklen Keller, an dessen Ende sich eine Lichtquelle befindet. Die besonders im letzten Satz manifeste Fragmentierung ihrer Wahrnehmung spiegelt das gestörte Selbst- und Weltverständnis der Protagonistin wider: Ich hatte nicht gemerkt, daß ich gerade vor jener Tür stand, die keine Tür war und durch die ich unter keinen Umständen eintreten wollte. Trotzdem stand ich nun davor, und eine Hand kam heraus, die mich nach innen zog. Als sich die Tür geschlossen hatte, befand ich mich in einem kleinen Raum, der grau ist wie die Uniform des großen Soldaten, den ich nicht anzusehen wage, aber ich merke daß es abwärts geht, als ob uns zwei die Tiefe der Erde ansaugte und verschluckte, und bis ich begreife, daß ich in einem Fahrstuhl bin, und bis ich mich wieder frage, wohin er mich bringt, hält er, ich werde nach draußen gestoßen, und er verschwindet im Nu wie zuvor in der Wand. Ich mache vorsichtig ein paar Schritte, es ist völlig finster hier, tappe etwas mehr nach rechts, um dem Loch in der Wand zu entgehen, durch das mich die Hand erneut packen könnte, aber ob sie mich packt oder nicht packt, ist schon völlig bedeutungslos, ich bin in einem finsteren Keller gefangen. […] Allmählich gewöhnen sich meine Augen an die Dunkelheit, wieder bin ich in einem Flur, nur ist er sehr schmal wie ein Tunnel, und von seinem Ende her schimmert ein Licht, als ob der Himmel unten wäre und sich alles umgekehrt hätte.56 παύει να κινείται και λίγο-­λίγο χάνεται τελείως από το οπτικό σου πεδίο.“ Gritsi-­Milliex, Και ιδού ίππος χλωρός (Und siehe, ein fahles Pferd), 1994, S. 93. 55 Gritsi-­Milliex, Schatten haben keine Schmerzen, 1968, S. 90. „Πόσην ώρα βρίσκεται εδώ; Διώχνει αμέσως την σκέψη. Δεν υπάρχουν ώρες εδώ. […] δεν υπάρχει χρόνος όταν περιμένεις και πρέπει να περιμένεις.“ Gritsi-­Milliex, Και ιδού ίππος χλωρός (Und siehe, ein fahles Pferd) 1994, S. 94 f. 5 6 Gritsi-­Milliex, Schatten haben keine Schmerzen, 1968, S. 99. „Δεν είχα καταλάβει πώς στάθηκα μπροστά σε κείνη την πόρτα που δεν ήταν πόρτα κι όπου δεν ήθελα να μπω. Κι όμως μπροστά της στάθηκα, από κει βγήκε το χέρι και με τράβηξε μέσα. Όταν έκλεισε βρέθηκα μέσα σ’ έναν χώρο ελάχιστο, γκρίζο σαν τη φορεσιά του πανήψηλου στρατιώτη που δεν τολμάω να κοιτάξω, αισθάνουμαι όμως πώς κατεβαίνω, σαν να μας ρουφάει και τους δύο το βάθος της γης, κ’ ίσαμε που να καταλάβω πως είμαι μέσα σ’ ασανσέρ κι αναρωτηθώ πού με πάει, σταματάει, με σπρώχνει προς τα έξω κ’ εξαφανίζεται μέσα στον τοίχο, όπως και πριν. Κάνω ένα δυο βήματα προσεχτικά, είναι σχεδόν σκοτάδι μαύρο εδώ, πάω λίγο πιο δεξιά, για ν’ αποφύγω την τρύπα απ’ όπου μπορεί και

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Gritsi-­Milliex knüpft in ihrem Roman an modernistische literarische Verfahren in der Tradition des französischen Nouveau Roman an. Die Tatsache, dass der temporale und kausale Zusammenhang der Geschehnisse meist nur vage angedeutet wird, verleiht dem Text Merkmale eines traumatischen Diskurses. Chronis Missios, … καλά, εσύ σκοτώθηκες νωρίς (1985; …gut, du bist rechtzeitig ums Leben gekommen) Chronis Missios (1930 – 2012) verarbeitet in seinem 1985 publizierten Text … καλά, εσύ σκοτώθηκες νωρίς (… gut, du bist rechtzeitig ums Leben gekommen) seine traumatischen Erfahrungen aus den 1940er Jahren und der Nachkriegszeit. Der Autor wuchs als Sohn einer Tabakarbeiterfamilie in Kavala auf und engagierte sich in der Besatzungszeit bereits als Jugendlicher im Widerstand. 1947 trat er dem DSE (= Demokratische Armee Griechenlands) bei. Im selben Jahr wurde er verhaftet und zum Tode verurteilt, das Urteil wurde aber nicht vollstreckt. Er blieb von 1947 bis 1962 mit ­kurzen Unterbrechungen als politischer Gefangener in Gefängnissen oder auf Verbannungsinseln inhaftiert.57 Der Text ist ein Beispiel literarischer Autofiktion. Zwar fehlen paratextuelle Hinweise, die diesen eindeutig als literarische Fiktion oder aber autobiographischen Bericht auszeichnen, dennoch ist eindeutig, dass der Autor autobiographische Erfahrungen fiktionalisiert.58 Missios’ Narrativ ist insofern ein Beispiel für einen kollektiven Text, als das Buch in Griechenland intensiv rezipiert und in der Presse kontrovers diskutiert wurde.59 In den 1980er Jahren erlangte es den Status eines Kultbuches.60 Ein παλι να με πιάσει το χέρι, όμως και να μη με ξαναπιάσει τι σημασία έχει πια, είμαι φυλακισμένη σ’ ένα μαύρο υπόγειο. […] Τα μάτια μου συνηθίζουν λίγο λίγο στο σκοτάδι, πάλι σ’ έναν διάδρομο βρίσκουμαι, μόνο που είναι πολύ στενός σαν τουνέλι και στο βάθος φαίνεται λίγο φως, σα νάναι από κάτω ο ουρανός κι όλα έχουν αναποδογυριστεί.“ Gritsi-­Milliex, Και ιδού ίππος χλωρός (Und siehe, ein fahles Pferd), 1994, S. 103 f. 57 Ausgewählte Literatur zu Missios’ Text: Panagiotopoulos, Μίσσιος Χρόνης (Chronis ­Missios), 2010; Anastasiadis, Trauma – memory – narration, 2011; Anastasiadis, Datenblatt Missios, 2013. 58 Die Autofiktion wird in der Literaturwissenschaft kontrovers und intensiv diskutiert. Frank Zipfel stellt fest: „Das Konzept und die Praxis der Autofiktion, verstanden als Kombination von Autobiographie und Roman, werfen in mehrfacher Hinsicht Fragen der Grenzen der Literatur auf. Neben der offensichtlichen Frage der Grenze ­zwischen faktualem und fiktionalem Erzählen berühren sowohl die zur Autofiktion gerechneten Texte wie die literaturtheoretischen Konzepte der Autofiktion Fragen der Gattungsgrenzen und der Grenzen ­zwischen Literatur und Nicht-­Literatur.“ Zipfel, 2009, Autofiktion, S. 286. 59 Astrid Erll definiert kollektive Texte „als Vehikel der kollektiven medialen Konstruktion und Vermittlung von Wirklichkeits- und Vergangenheitsversionen. Kollektive Texte erzeugen, perspektivieren und zirkulieren Inhalte des kollektiven Gedächtnisses.“ Erll, Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen, 2005, S. 158. 60 Vgl. Panagiotopoulos, Μίσσιος Χρόνης (Chronis Missios), 2010.

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weiterer Beleg für die enorme Popularität des Textes ist die Tatsache, dass er 2013 als graphic novel erschien, zunächst in Frankreich und dann auch in Griechenland.61 Der anonyme autodiegetische Erzähler erweist sich als kumulativ traumatisierte Figur. Er beschreibt seine Erfahrungen als Opfer politischer Verfolgung und Repression in diversen Haftanstalten, Internierungslagern und psychiatrischen Kliniken wie das berüchtigte Gefängnis Yedi Koule in Thessaloniki, die Jugendstrafanstalt Kifissia, die Verbannungsinseln Ai-­Stratis und Makronissos – semantisierte Orte des Grauens, die auf Unterdrückung, Folter und Gewalt verweisen. Im Mittelpunkt stehen Erinnerungen an ehemalige Gefährten – Kriminelle oder politische Gefangene –, Schilderungen der Folter- und Gewaltmethoden des Staates, um „Staatsfeinde“ zur Unterzeichnung von Reueerklärungen zu zwingen, aber auch die Widerstandsaktionen und Überlebensstrategien der Inhaftierten. Bei alledem fällt die vehemente Kritik des Protagonisten – eines linken Humanisten – am Dogmatismus und an den autoritären Strukturen der Kommunistischen Partei, aber auch der Humor ins Auge, mit dem er den skurrilen Alltag in den verschiedenen Haftanstalten beschreibt. Auffällig ist, dass im Text die Perspektive des erlebenden bzw. erinnerten Ich dominiert. Dabei nahm dies erlebende Ich seine Erfahrungen zum Zeitpunkt des Erlebens selbst nicht als traumatisch wahr. Vielmehr ist es das erzählende bzw. erinnernde Ich, das erst im Narrationsprozess seiner Vergangenheit nachträglich traumatischen Charak­ ter zuschreibt. Im Alter von 16 Jahren wird der autodiegetische Protagonist zum ersten Mal inhaftiert und gefoltert, um ihn dazu zu bringen, eine Reueerklärung zu unterschreiben. Er berichtet von extremen Gewalterfahrungen zuweilen mit einer Lebendigkeit, als ob sich die Dinge in seinem Inneren von Neuem abspielten. Hannes Fricke bezeichnet den hier praktizierten, plötzlichen Wechsel in eine „seltsam schimmernde Form des Präsens“ als typisch traumatische Struktur.62 In der folgenden Passage verwendet das erinnernde Ich das Präsens, um das damalige Grauen zu beschreiben: Ich beisse die Zähne zusammen. Alles um mich herum ist schon in Dunkel getaucht, aber ich kann noch auf den Beinen stehen. Auf einmal aber konzentriert er die Hiebe auf die W ­ irbelssäule auf der Höhe der Schulterblätter und des Nackens. Ich habe das Gefühl, die Hiebe prasseln direkt in mein Hirn hinein und zermalmen es. Der Schmerz nimmt vollständigen Besitz von mir. Das ist kein Prügeln mehr, ich bin in zwei Teile zersägt und werde von innen nach aussen geschlagen. Ich falle in Ohnmacht.63 61 Ricard; Rais; Casavane, … καλά, εσύ σκοτώθηκες νωρίς (… gut, du bist rechtzeitig ums Leben gekommen), 2013. 62 Siehe Fricke, Das hört nicht auf, S. 229 f. 63 Missios, … gut, bist Du früh umgekommen, 1993, S. 63. „Εγώ σφίγγω τα δόντια. Έχουν σκοτινιάσει τα μάτια μου, άλλα κρατιέμαι ακόμα όρθιος. Κάποια στιγμή όμως, συγκεντρώνει τα χτυπήματά

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Diese Foltererfahrung aus seiner Jugendzeit sucht ihn immer wieder heim. Aus der Retrospektive reflektiert er seine Intrusionen: Ich erwache von einem Schlag auf den Kopf, mein Gesicht prallte auf das Pult. Einer zog mir den Stuhl weg, so dass ich rücklings auf den Boden fiel. Meine Augen sehen nur Schuhe, viele Schuhe, und alle sind schwarz. Dieses Bild wird noch viele Jahre in meinen Albträumen auftauchen.64

Darüber hinaus reproduziert der Erzähler die Schreckensbilder seiner traumatischen Erfahrungen in seinen Träumen, in die hinein ihn der repressive Staat verfolgt: […] mir aber erscheint der Staat in meinen Träumen seither wie eine riesige Maschine, die oben einen Trichter hat, weißt Du, wie diese Dreschmaschinen, und die ganze Zeit über versuchen sie mich da hinab zu stoßen, während ich mich an den Stäben halte, mich daran festkralle, bis mir die Hände weh tun und ich von meinen Schreien aufwache.65

Der Erzähler konstruiert einen textinternen Adressaten: Seine Narration richtet sich an seinen in der Besatzungszeit umgebrachten Jugendfreund, der als empathischer Zuhörer fungiert und während des Narrationsprozesses „unaufdringlich präsent“ ist.66 Die Erinnerungen des Erzählers setzen in einer Nacht nach 1974 ein. Er hat das Bedürfnis, seine traumatischen Erfahrungen zu kommunizieren und sie narrativ in seine Lebensgeschichte zu integrieren. Seine Erzählintention offenbart er schon gleich zu Beginn des του στη σπονδυλική στήλη, στο ύψος της ωμοπλάτης και του σβέρκου. Νομίζω πως τα χτυπήματα πέφτουν κατευθείαν στο μυαλό και το πολτοποιούν. Ο πόνος μ’ αγκαλιάζει ολόκληρον. Αυτό δεν είναι ξύλο πια, μ’ έχουν κόψει στα δυό και με χτυπάνε από μέσα προς τα έξω. Λιποθύμησα …“ Missios, … καλά, εσύ σκοτώθηκες νωρίς (… gut, du bist rechtzeitig ums Leben gekommen), 1985, S. 52 f. 64 Missios, … gut, bist Du früh umgekommen, 1993, S. 186 f. „Ξύπνησα από ένα χτύπημα στο κεφάλι, που πρεσάρισε το πρόσωπό μου πάνω στο γραφείο. Κάποιος άλλος τράβηξε την καρέκλα και βρέθηκα ανάσκελα στο πάτωμα. Τα μάτια μου βλέπουν μόνο παπούτσια, πολλά παπούτσια, και όλα μαύρα. Αυτήν την εικόνα θα την κουβαλάω για πολλά χρόνια στους εφιάλτες μου …“ Missios, … καλά, εσύ σκοτώθηκες νωρίς (…gut, du bist rechtzeitig ums Leben gekommen), 1985, S. 163. 6 5 Missios, …gut, bist Du früh umgekommen, 1993, S. 169. „ […] αλλά εγώ από τότε βλέπω στ’ όνειρό μου το κράτος σα μια τεράστια μηχανή μ’ένα χωνί από πάνω της, ξέρεις, σαν εκείνες τις αλωνιστικές μηχανές, κι όλο προσπαθούνε να με ρίξουν μέσα, κι εγώ όλο κρατιέμαι απ’ τα σίδερα, γαντζώνομαι ώσπου πονάνε τα χέρια μου και ξυπνάω από τα ουρλιαχτά μου.“ Missios, … καλά, εσύ σκοτώθηκες νωρίς (…gut, du bist rechtzeitig ums Leben gekommen), 1985, S. 147. 66 Das entspricht den psychoanalytischen Ausführungen von Dori Laub über das Verhältnis von Zeugnis und Zuhörer: „For the testimonial process to take place there needs to be a bonding, the intimate and total presence of an other – in position of the one who hears. Testimonies are not monologues; they cannot take place in solitude. The witnesses are talking to some­ body: to somebody they have been waiting for for a long time.“ Laub, Bearing Witness of the ­Vicissitudes of Listening, 1992, S. 70 f.

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Berichts: „Ich will Dir von früher erzählen, von den Freunden.“ 67 Die Erzählerzeit, also die Zeitdauer, w ­ elche die Narration in Anspruch nimmt, lässt sich aufgrund textinterner Hinweise rekonstruieren: Sie beträgt etwa acht Stunden, vom frühen Abend bis in die frühen Morgenstunden des folgenden Tages. Manchmal fürchtet der Erzähler, der umgekommene Freund höre ihm nicht zu, was auf sein hohes Kommunikationsbedürfnis hindeutet: „Ich habe Dir so viel zu erzählen und weiss nicht einmal, ob Du mir zuhörst.“ 68 Die narrative Struktur des Textes, der einen ausgeprägten oralen Charakter aufweist, ist episodisch und fragmentarisch. Die Handlung präsentiert sich inkohärent; es liegt eine komplexe Verschränkung von Analepsen und Prolepsen vor, deren Reichweite stark variiert. Die chronologische Abfolge der Ereignisse lässt sich schwer rekonstruieren. Der Erzähler unterbricht häufig seinen Bericht, um von Geschehnissen zu erzählen, die sich Wochen, Monate, Jahre oder Jahrzehnte vor bzw. nach dem gerade erzählten Ereignis abspielten bzw. abspielen werden. Auch ihr Umfang variiert: Manche Analepsen oder Prolepsen erstrecken sich über einen Absatz, andere über mehrere Seiten. Die von Inkohärenz und Fragmentarität geprägte Textstruktur spiegelt das fragmentierte Ich des Erzählers wider. Der Erzähler reflektiert häufig den Erzähl- und Erinnerungsprozess. So kündigt er z. B. an, ein bestimmtes Thema aufgreifen zu wollen, setzt aber ­dieses Vorhaben letztlich nicht um und entschuldigt sich bei seinem Adressaten für die verwirrende Erzählstruktur: „Aber ich erzählte Dir von etwas anderem, und dabei ist wieder was anderes herausgekommen, es sind so viele Dinge, die ich Dir erzählen möchte.“ 69 Er schweift regelmäßig ab oder unterbricht, um sich fragend an seinen Zuhörer zu richten: „Aber was erzählte ich Dir eigentlich?“ 70 Schließlich nimmt er den Faden wieder auf und setzt die Erzählung fort. An anderen Stellen wiederum unterbricht er abrupt seine Erzählung mit dem Hinweis, gewisse Begebenheiten zu einem späteren Zeitpunkt preisgeben zu wollen: „Aber Schluss jetzt, ein anderes Mal erzähle ich Dir weitere Einzelheiten darüber.“ 71 Er problematisiert seine Narrationsweise und ist sich seines anachronischen 67 Missios, …gut, bist Du früh umgekommen, 1993, S. 11. „Θέλω να σου μιλήσω για τα παλιά, για την παρέα.“ Missios, … καλά, εσύ σκοτώθηκες νωρίς (…gut, du bist rechtzeitig ums Leben gekommen), 1985, S. 7. 68 Missios, …gut, bist Du früh umgekommen, 1993, S. 225. „Έχω τόσα να σου πω, και ούτε ξέρω αν μ’ ακούς […]“ Missios, … καλά, εσύ σκοτώθηκες νωρίς (…gut, du bist rechtzeitig ums Leben gekommen), 1985, S. 197. 69 Missios, …gut, bist Du früh umgekommen, 1993, S. 22 „Αλλά γι’ άλλο σου μίλαγα κι αλλού πήγε, είναι τόσα που θέλω να σου πω …“ Missios, … καλά, εσύ σκοτώθηκες νωρίς (…gut, du bist rechtzeitig ums Leben gekommen), 1985, S. 16. 70 Missios, …gut, bist Du früh umgekommen, 1993, S. 55. „Αλλά τι σου ’λεγα, μωρέ;“ Missios, … καλά, εσύ σκοτώθηκες νωρίς (…gut, du bist rechtzeitig ums Leben gekommen), 1985, S. 46. 71 Missios, …gut, bist Du früh umgekommen, 1993, S. 117. „Τέλος, θα σου πω άλλη φορά λεπτομέρειες γι’αυτό.“ Missios, … καλά, εσύ σκοτώθηκες νωρίς (…gut, du bist rechtzeitig ums Leben ­gekommen), 1985, S. 101.

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Vorgehens durchaus bewusst: „Ach Menschenkind, ich habe Dich sicher verwirrt mit all dem Hin und Her.“ 72 Mit seinem Erzähl- und Erinnerungsprozess arbeitet der autodiegetische Protagonist die traumatische Vergangenheit noch einmal durch. Es bleibt offen, ob mit ­diesem Erzählen ein Heilungsprozess einhergeht. Das Bedürfnis des Erzählers sich mitzuteilen, bleibt am Ende unbefriedigt: Aber ich habe Dir fast ein Ohr abgeschwatzt. Bald wird es hell, und es gibt noch soviel zu erzählen, jetzt bin ich aber sehr müde. Dieses Eintauchen in unsere Vergangenheit erfüllte mich mit Sehnsucht und Bitterkeit. Also dann, gute Nacht jetzt, und morgen reden wir wieder darüber …73

Der Text von Missios transportiert zahlreiche trauma- und gedächtnistheoretische Merkmale auf den Ebenen der Geschichte und des erzählerischen Diskurses. Er illustriert einen traumatisierten Erinnerungs- und Erzählprozess, der sich insbesondere in der divergenten Zeitrelation z­ wischen Diskurs und Geschichte niederschlägt: Die Zeitstruktur kennzeichnet Anachronie. Der große Erfolg von Missios’ Text wurde – neben weiteren Faktoren – zum Auslöser des Booms an autobiographischen Bürgerkriegsberichten in den 1980er Jahren.74 Dimitra Petroula, Που ʼναι η μάνα σου μωρή (1986; He, Du, wo ist deine ­Mutter?) Mit Πουʼναι η μάνα σου μωρή (He, du, wo ist deine M ­ utter?) von Dimitra Petroula (*1942) liegt eine autobiographische Erzählung in autofiktionalem Modus von einer Autorin vor, die nicht zur unmittelbaren Erfahrungsgeneration zählt.75 In einem Interview erklärte sie, dass nach vierzig Jahren der Wunsch in ihr gereift sei, ihre Geschichte zu erzählen, und dass sie das Buch innnerhalb von fünfzehn Tagen niedergeschrieben

72 Missios, …gut, bist Du früh umgekommen, 1993, S. 247. „Αχ, μωρέ, σε ζάλισα με τα μπρος πίσω“, Missios, … καλά, εσύ σκοτώθηκες νωρίς (…gut, du bist rechtzeitig ums Leben gekommen), 1985, S. 218. 73 Missios, …gut, bist Du früh umgekommen, 1993, S. 251. „Όμως, σ’ έπιασα μονότερμα μου φαίνεται. Κοντεύει να ξημερώσει κι έχω ακόμα τόσα να σου πω, αλλά είμαι πολύ κουρασμένος. Αυτή η βουτιά που κάναμε στα παλιά, με γέμισε νοσταλγία και πίκρα. Άντε, καληνύχτα, θα τα πούμε αύριο πάλι …“ Missios, … καλά, εσύ σκοτώθηκες νωρίς (…gut, du bist rechtzeitig ums Leben gekommen), 1985, S. 221. 74 „The turning point in political prisoners’ memoirs was Chronis Missios’ …kala, esy skotothi­ kes noris […] After Missios’ book, more former political prisoners decided to write about the experience and memory of prison, and dozens of these memoirs were published in the 1990s.“ Voglis, Becoming a Subject, 2002, S. 231 f. 75 Vgl. auch Anastasiadis; Kyriakis; Tsanousa, Datenblatt Petroula, 2013.

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habe.76 Die Erzählerin schildert traumatische Ereignisse, an die sie vage Erinnerungen hat; gleichzeitig fiktionalisiert sie ihre Erzählung durch die Wiedergabe langer Dialogpartien, die das Erinnerungsvermögen der Erzählerin deutlich übersteigen. Andererseits ist auffällig, dass sie wiederholt die Zuverlässigkeit ihrer Erinnerungen hinterfragt. Sie macht explizit darauf aufmerksam, sich an bestimmte Dinge nicht erinnern zu können. Häufig finden sich im Text sprachliche Wendungen wie „Ich erinnere mich nicht […] ich erinnere mich nur, dass […]“. Die aus einer linken Familie stammende Protagonistin erlebt im Alter von drei­ einhalb Jahren aus nächster Nähe die brutale Hinrichtung ihrer ­Mutter, ihrer zwei Schwestern und drei weiterer Verwandten durch Mitglieder einer rechten paramilitärischen Organisation, während sich ihr Vater und ihre älteren Brüder auf der Flucht befinden. Eineinhalb Jahre später wird sie erneut Zeugin einer Hinrichtungsszene: Paramilitärs bringen ihre Tante und weitere Verwandte um. Die Erzählerin versetzt sich zwar in die Situation und auf das Wissensniveau eines drei- bis fünfjährigen Kindes, um aus der figuralen Perspektive des erlebenden Ich zu erzählen. Andererseits tritt in Kommentaren und Exkursen das erzählende Ich markant in Erscheinung und informiert den Leser über Sachverhalte, die dem erlebenden Ich noch unbekannt waren. In diesen Exkursen manifestiert sich das ideologisch linke Profil der Erzählerin. Wie in Missios’ Text wird die chronologische Ordnung von zahlreichen Analepsen – meist geringen Umfangs und geringer Reichweite – unterbrochen. Sie repräsentieren Intru­ sionen bzw. unfreiwilige Erinnerungen im Kindes- wie Erwachsenenalter. „Und die Bilder, ob ich nun wollte oder nicht, haben sich bis ins letzte Teilchen meines Körpers eingeschrieben, – in einem Maß, dass sie bis zum heutigen Tag in den unmöglichsten Augenblicken vor mir erscheinen.“ 77 Die zentrale, Trauma auslösende Situation, nämlich die Hinrichtung der M ­ utter und weiterer Familienmitglieder am 20. Januar 1946, schildert sie über 58 Druckseiten hin aufs Ausführlichste. Das erlebende Ich hat die Erinnerung an die traumatisierende Hinrichtungsszene dekontextualisiert bzw. dissoziiert, so dass nur Fragmente und visuelle Eindrücke der Szenerie haftengeblieben sind.78 Die 58-seitige Narration ist der Versuch

76 Vgl. Papalexis, Interview mit Dimitra Petroula, 1987. 77 „Και οι εικόνες, που είτε ήθελα είτε δεν ήθελα, χαραχτήκανε μέχρι το τελευταίο μόριο του κορμιού μου, σε σημείο που ως στα σήμερα στις πιο απίθανες στιγμές να μου ’ρχονται μπροστά μου. Κι όσο κι αν κλείνω τα μάτια, αυτές εκεί“, Petroula, Πού ’ναι η μάνα σου, μωρή (He, du, wo ist deine ­Mutter), 1986, S. 162. Die Übersetzung der Zitate aus dem Buch von Petroula von ­Athanasios Anastasiadis. 78 Zur Dekontextualisierung aus psychotraumatologischer Perspektive heißt es: „Die peritraumatische Erfahrung besteht oft lediglich in visuellen, olfaktorischen, auditiven oder kinästhe­ tischen Eindrücken. In der Erinnerung können diese Wahrnehmungsfragmente oft nicht mit der traumatischen Szenerie in Verbindung gebracht werden und sind in d­ iesem Sinne

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des erzählenden Ich, das „Trauma als Fremdkörper“ zu verarbeiten und zu assimilieren. Die Erzählerin transformiert die traumatische Erinnerung in narrative Erinnerung: Sie hatten meine M ­ utter buchstäblich mit Kugeln durchsiebt. Aber ich konnte mir nichts davon bewusst machen. Ich habe nur die Bilder behalten. […] Das Bild des Gewehrkolbens, der ihr auf Schulter und Kopf schmettert, bleibt mir bis heute unauslöschlich. Diese Bilder verursachten damals, in jenem Augenblick, bei mir kein Gefühl.79

Innerhalb der Grenzen des Textes bleibt offen, ob der Narrationsprozess eine heilende oder destruktive Wirkung hat. Petroulas Text ist insofern von Seltenheitswert, als es sich um ein Selbstzeugnis handelt, welches das Trauma mit fiktionalen Mitteln thematisiert und zugleich Merkmale eines traumatischen Diskurses aufweist. Thanasis Skroumbelos, Bella Ciao (2005) Thanasis Skroumbelos (*1944) gehört wie Dimitra Petroula ebenfalls nicht der unmittelbaren Erfahrungsgeneration an. Sein Roman Bella Ciao belegt, dass kein kausaler Zusammenhang ­zwischen literarischer Trauma-­Repräsentation und autobiographischer traumatischer Erfahrung besteht, wie beispielsweise Kali Tal behauptet. Die Wiedererlangung von Erinnerungen eines traumatisierten Opfers steht im Mittelpunkt der Handlung: Im Alter von acht Jahren wird Timothy unter widrigen Umständen von einem linksliberalen New Yorker Ehepaar adoptiert. Seine leibliche ­Mutter, die im Bürgerkrieg in die USA geflohen war, hatte ihn kurz vor ihrem Tod aufgefordert, den renommierten griechisch-­amerikanischen Schauspieler Poli, der seinerseits 1950 aus Griechenland adoptiert wurde, aufzusuchen. Tatsächlich führt Timothy ein Interview mit ihm, das zu einem ausführlichen, persönlichen Erinnerungsinterview über die Bürgerkriegszeit ausufert, in dem Poli seine abenteuerliche und traumatische Lebensgeschichte erzählt. In den Gesprächen stellt sich heraus, dass Poli Timothy im Waisenhaus das Leben rettete, als sich drei Päderasten brutal an ihm vergingen. Allmählich erlangt Timothy seine Kindheitserinnerungen zurück und fährt schließlich im Sommer 1974 nach Athen, um letzte Gewissheit über seine Identität zu bekommen.

‚dekontextualisert’, von ihrem situativen Kontext abgelöst. Dennoch geben sie Aspekte der traumatischen Situation wieder, die sich nachträglich in den situativen Kontext detailgetreu einreihen lassen“, Fischer; Riedesser, Psychotraumatologie, 42009, S. 96. 7 9 „Είχανε κάνει τη μάνα μου κόσκινο στην κυριολεξία απ’ τις σφαίρες. Δεν μπορούσα όμως να συνειδητοποιήσω τίποτα. Μόνο τις εικόνες συγκράτησα. […] Η εικόνα του υποκόπανου που τηνε χτυπούσε στον ώμο και στο κεφάλι μένει ως τώρα άσβηστη μέσα στο είναι μου […] Αυτές οι εικόνες εκείνη τη συγκεκριμένη ώρα δε μου προκαλούσαν κανένα αίσθημα“, Petroula, Πού ’ναι η μάνα σου, μωρή (He, du, wo ist deine ­Mutter), 1986, S. 28 f.

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Der Romaninhalt wird von zwei Erzählinstanzen auf zwei Erzählebenen vermittelt – das verleiht dem Text seine „Erinnerungshaftigkeit“. Der primäre, homodiegetische Erzähler Timothy gewinnt durch die Gespräche mit Poli, die an einem Abend des Jahres 1974 stattfinden, Zugang zu den Ereignissen der 1940er Jahre. Diese Vergangenheit wird von einem sekundären heterodiegetischen Erzähler aus narratorialer Perspektive erzählt. Textinterne Indizien machen darauf aufmerksam, dass diese Erzählung auf dem Bericht von Poli basiert. Im Mittelpunkt der sekundären Erzählung steht das abenteuer­ liche Leben Polis als Bote der Partisanen im Kindesalter sowie die Aktivitäten seiner Schwester Eleni, genannt Bella Ciao, einer ebenso legendären wir skrupellosen Partisanin. Timothy weist Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung auf, die sich insbesondere in seiner Amnesie und in Intrusionen äußern. Als Timothy in einem Zeitungsartikel zum ersten Mal mit dem Phänomen der Verschleppung von Kindern im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg konfrontiert wird, löst dies körperliche und psychische Reaktionen bei ihm aus: „Am Abend sah ich meine Hände zittern und mich überfiel erneut Schauder vor undeutlichen Gestalten in meinem Schlaf.“ 80 Als er auf einer Fotografie Polis Tätowierung am Oberarm erkennt, tauchen spontane Erinne­ rungsfragmente an die Trauma auslösende Situation auf. Die Tätowierung fungiert als „trigger“: „Schnell wie ein Blitz flammte in mir ein Bild auf und erlosch wieder: Die nackte Schulter eines Jungen mit dieser Tätowierung über mir und seine Handfläche, die mir den Mund zuhielt.“ 81 An das ganze traumatische Geschehen seiner sexuellen Misshandlung kann er sich nicht mehr erinnern, ebenso sind seine ersten acht Lebensjahre vor der Adoption aus seinem Gedächtnis gelöscht, und zwar trotz einer kinderpsychologischen Therapie und trotz der Unterstützung seines sozialen Umfelds: „Mein Hirn weigerte sich beharrlich, die Tür zu meinen ersten Kinderjahren zu öffnen, – als sprängen daraus Drachen und Albträume hervor.“ 82 In wiederkehrenden Bildern und Flashback-­Episoden erlebt er die traumatischen Ereignisse immer von Neuem. Ihm wird bewusst, dass er seine Vergangenheit durcharbeiten muss und dass dabei die heilende Wirkung der Narration ein schmerzhafter Prozess sein wird. Die Gespräche ­zwischen Timothy und Poli bringen allmählich verschüttete Erinnerungen ans Licht. Sie werden Timothy schließlich dazu befähigen, die traumatische Vergangenheit in seine Lebensgeschichte zu integrieren: 80 „Το βράδυ είδα τα χέρια μου να τρέμουν και ήρθαν ξανά τα σύγκρυα από θολές μορφές στον ύπνο μου.“ Skroumbelos, Bella Ciao, 2005, S. 20. Alle Übersetzungen aus dem Buch von ­Skroumbelos von Athanasios Anastasiadis. 81 „Γρήγορα σαν αστραπή άναψε και έσβησε μέσα μου μια εικόνα: ο γυμνός ώμος ενός παιδιού με αυτό το τατουάζ από πάνω μου και η παλάμη του που μου έκλεινε το στόμα.“ Skroumbelos, Bella Ciao, 2005, S. 26. 82 „Το μυαλό μου αρνιόταν πεισματικά ν’ ανοίξει την πόρτα στα πρώτα παιδικά μου χρόνια, λες και θα ξεπηδούσαν από μέσα δράκοι και εφιάλτες.“ Skroumbelos, Bella Ciao, 2005, S. 22.

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Es kamen Bilder hoch, die vor vielen Jahren in die Tiefen meines Gehirns und meines Herzens versunken waren und mir Angst einflößten. Es würde nichts bringen, den Kontakt zu Poli samt den Albträumen, die das Gespräch mit ihm wieder aufleben ließen, abzubrechen. Die Erlösung würde nur kommen, wenn ich mich den Dingen, die ich aus Angst oder aus Vernunft verdrängt hatte, bewusst stellen würde. Sooft ich Vergangenes ansprach: Ich wurde nicht mehr von dieser Leere im Hirn erfasst und auch meine Hände zitterten nicht mehr.83

Schließlich unternimmt Timothy eine Reise nach Athen, die ihn endgültig mit seiner trauma­tischen Vergangenheit aussöhnt. Er wird Zeuge, wie Bella Ciao – Polis Schwester, deren Kind im Bürgerkrieg misshandelt und ermordet wurde – sich an einem Täter rächt, der auch ihn gefoltert hatte. Die Erinnerung daran löst ein Tattoo aus. Timothy gelingt es nun, dissoziierte Erinnerungen an die Oberfläche zu bringen: „Und dann kam mir alles wieder in den Sinn. Alle drei hatten dieselbe Tätowierung am Arm […]. Nicht nur ihre Gestalt, sondern das ganze Bild hatte ich vor mir, das ich bislang nur fragmentarisch in meinen Alpträumen sah.“ 84 Der Roman illustriert die allmähliche Wiederherstellung der gestörten Erinnerung des Protagonisten, der seine traumatischen Kindheitserfahrungen verdrängt hatte. Der Text inszeniert das komplexe Verhältnis Timothys zu seiner belastenden Vergangenheit und problematisiert die Rekonstruktion dissoziierter Erinnerungen an traumatische Situationen. Traumatisierte Täter

Der Soziologe Bernhard Giesen, der in seinen Studien Zusammenhänge ­zwischen der nationalen Identität der Deutschen und ihrem kulturellen Tätertrauma herstellt, macht auf folgenden Tatbestand aufmerksam: Im Unterschied zum Trauma der Opfer, das in einer Vielzahl von historischen und klinischen Studien untersucht wurde, fand das Trauma der Täter bisher nur relativ geringe Aufmerksamkeit – und dies, obwohl Freuds berühmte Einführung des Traumakonzeptes sich gerade an einer Schuldbearbeitung orientierte.85

83 „Αναδύονταν μέσα μου εικόνες που είχαν ναυαγήσει πολλά χρόνια πριν, στα βάθη του μυαλού και της καρδιάς μου, και με τρόμαζαν. Δε θα ωφελούσε να κόψω κάθε επαφή με τον Πόλι και όσους από τους παλιούς εφιάλτες μού ζωντάνευε η κουβέντα μαζί του. Η λύτρωση θα ερχόταν μόνο αν κοιτούσα στα ίσια όσα απωθούσα, από φόβο ή λογική. Ήδη είχα κάνει ένα μικρό βήμα. Όποτε άγγιζα τα περασμένα, δε με έπιανε πια εκείνο το κενό στο μυαλό ούτε έτρεμαν τα χέρια μου.“ ­Skroumbelos, Bella Ciao, 2005, S. 122. 84 „Και τότε μου ’ρθαν όλα στο μυαλό. Το ίδιο τατουάζ το ’χαν κι οι τρεις στο μπράτσο […] Μαζί με τη μορφή τους, άναψε μπροστά μου κι ολόκληρη η εικόνα, που μόνο κομμάτια της μέχρι τότε έβλεπα στους εφιάλτες μου.“ Skroumbelos, Bella Ciao, 2005, S. 355. 85 Giesen, Tätertrauma, 2004, S.11.

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Auch in narrativen Repräsentationen stehen Täter viel seltener als Opfer im Mittelpunkt. Doch liefert das Textkorpus zum griechischen Bürgerkrieg auch Beispiele trauma­tisierter Täter. Ein herausragendes Paradigma dafür stellt der anonyme E ­ rzähler aus Aris Alexandrous Roman Το Κιβώτιο (1975; Die Kiste) dar.86 Aber man kann auch auf Nebenfiguren stoßen, die an einem Tätertrauma leiden: In Kostas Kotzias’ 1957 publiziertem Roman Καπνισμένος ουρανός (Verrauchter Himmel), in dem das Schicksal dreier Familien unterschiedlicher sozialer Herkunft und politischer Einstellung, die Besatzungszeit, die Dezemberereignisse und der anschließende „weiße Terror“ geschildert werden, kollaboriert der Proletarier Bakkas mit den Besatzern und verrät aus finanziellen Gründen seine Arbeitskollegen an die Deutschen. Er zerbricht an seinem Tätertrauma und erhängt sich. Die Ehefrau beschreibt die Symptome seines Tätertraumas: „In den Nächten geriet er außer sich. Er schwitzte, brüllte, dann schreckte er auf und schlug mit den Fäusten gegen den Kopf, um ihn blutig zu schlagen, um ihn zu zerbrechen.“ 87 Alexandros Kotzias, Πολιορκία (1953; Belagerung) Ein Autor, in dessen Werk Negativfiguren eine zentrale Rolle einnehmen, ist Alexandros Kotzias (1926 – 1992).88 Er engagierte sich 1942 noch als Schüler im EAM-Widerstand. Während der Besatzungszeit verarmte die wohlhabende Familie. Ihr z­ wischen den Fronten liegendes Haus wurde bei den Dezemberereignissen von beiden Bürgerkriegsparteien geplündert und zerstört. Fortan verweigerte sich Kotzias dem politischen Links-­Rechts-­ Stereotyp zugunsten einer unabhängigen, anthropologisch orientierten Wahrheitssuche. In seinem Debütroman Πολιορκία (Belagerung) von 1953 zeichnet er das Psychogramm von Minas Papathanasis, dem Kopf einer kollaborierenden paramilitärischen Sicherheitsorganisation.89 Die Figur des Papathanasis beschäftigte Kotzias bereits während des Bürgerkriegs. Es exisitiert eine 229 Seiten lange handschriftliche Frühfassung des Romans, die z­ wischen März und Dezember 1947 entstanden ist (wie aus der letzten 86 Siehe dazu Kapitel 6 von Ulrich Moennig im vorliegenden Band. 87 „Τις νύχτες που κοιμότανε τον έπιανε το δαιμονικό. Ίδρωνε, μούγγριζε, ύστερα πεταγότανε απάνω και χτυπούσε γροθιές το κεφάλι να το ματώσει, να το σπάσει.“ Kotzias, Καπνισμένος ουρανός (Verrauchter Himmel), 1977, S. 330. Die Übersetzung stammt von Athanasios Anastasiadis. 88 Siehe dazu auch Kapitel 5 von Athanasios Anastasiadis im vorliegenden Band. 89 Vgl. auch Kapitel 9 von Joachim Winkler im vorliegenden Band. Literatur in Auswahl: ­Patrikios, Το μήνυμα της φρίκης (Die Horrorbotschaft), 1977; Stergiopoulos, Ο Αλέξανδρος Κοτζιάς και η Πολιορκία (Alexandros Kotzias und die Belagerung), 1992; ­Paparoussi, Συμ-­Πάθειες και Αποστάσεις (Sym-­Pathien und Distanzen), 1995; V ­ asilakakos, Εμφύλιος πόλεμος (Bürgerkrieg), 2000, S. 122 – 157; Nikopoulou, Ο τριακονταετής πόλεμος (Der 30jährige Krieg), 2008, S. 443 – 4 48; zuletzt Kastrinaki, Ρούφος, Κοτζιάς, Κάσδαγλης (Roufos, Kotzias, Kasdaglis), 2015; Anastasiadis, Winkler, Datenblatt Alexandros ­Kotzias, Πολιορκία, 2013.

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Seite des Manuskripts hervorgeht); der Charakter des Protagonisten ist in der „Urfassung“ bereits deutlich konturiert und weist psychopathologische Symptome auf.90 Eine überarbeitete Fassung des 1953 veröffentlichten Textes erschien 1961, Joachim Winkler geht in seinem Beitrag auf Unterschiede ­zwischen den Fassungen von 1953 und 1961 ein.91 Grundlage der folgenden Ausführungen bildet die Version von 1953. Der Roman wird zwar überwiegend aus narratorialer Perspektive von einem heterodiegetischen Erzähler erzählt, der an einigen Stellen mit allgemeinen politischen, antikommunistischen Reflexionen in der 1. Person Plural in Erscheinung tritt. Doch innere Prozesse werden aus der figuralen Perspektive der Betroffenen geschildert. Thema des Romans ist die im Zuge bürgerkriegsartiger Auseinandersetzungen ­zwischen dem kommunistischen Widerstandsuntergrund und der kollaborierenden Sicherheitstruppe von Minas Papathanasis immer weiter eskalierende Terrorisierung eines ganzen Athener Viertels. Im Fokus stehen insbesondere von den Ereignissen ausgelöste psychische und mentale Prozesse. Als die Deutschen bei einer Vergeltungsaktion vom Protagonisten festgenommene kommunistische Unruhestifter als Geiseln hinrichten, machen linke Widerstandsgruppen mit Wandparolen öffentlich, dass sie Papathanasis als Kollaborateur auf ihre Deliquentenliste gesetzt haben. Papathanasis wird nun von Männern eines Sicherheitskorps unterstützt. Sie werden in seinem quasi zur Festung umfunktionierten Haus einquartiert. Die Belastung der Familie durch die Einquartierung von rund vierzig Leuten, die ständige Gefährdung durch Mord- und Bombenanschläge sowie die gruppen­dynamische Eigengesetzlichkeit einer sich schnell etablierenden Bunkermentalität lassen eine brisante, traumatisierende Gemengelage entstehen, in der Angst, Misstrauen, enthemmte Brutalität und Verfolgungswahn in eine zermürbende Paranoia einmünden, die vor allem Papathanasis, seine Frau und die gemeinsame ­Pflegetochter in den psychischen und physischen Zusammenbruch treiben: Papathanasis’ Frau ­Christina provoziert absichtlich ihre eigene Ermordung durch die Linken, die Pflegetochter Margarita wird im Affekt von Papathanasis erwürgt, er selbst geht sehenden Auges in einen Hinterhalt der Linken. Kotzias konstruiert mit der Figur des Minas Papathanasis das Psychogramm eines traumatisierten Täters. Rekonstruiert man seine Biographie, so stellt man frappierende Parallelen zu einer Definition fest, die der Psychologe und Neurobiologe Bessel van der Kolk in Bezug auf das Phänomen zwanghaften Wiederausgesetztseins an das Trauma darlegte:

90 An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei der Literaturkritikerin Elisavet Kotzia ­bedanken, die mir großzügig die kostbare handschriftliche Frühversion aus dem Privatarchiv zur Verfügung stellte. 91 S. 255 – 256 im vorliegenden Band.

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Eine Art von Verhaltensweisen […] ist das zwanghafte Wiederaufsuchen von Situationen, die an das Trauma erinnern. Dieses Phänomen kann bei einer großen Bandbreite von traumatisierten Populationen beobachtet werden. Zum Beispiel können Frontsoldaten später zu Söldnern werden oder Kampfeinheiten der Polizei beitreten.92

Papathanasis ist nach eigenen Angaben seit 1917 ununterbrochen an kriegerischen und gewaltsamen Konflikten aktiv beteiligt: „‚Seit 1917 kämpfe ich ununterbrochen‘ sagte er mit Stolz, aber resigniert. ‚Zähl mal die Jahre zusammen … fünfundzwanzig? … dreißig?‘“ 93 Er ist ein mehrfach ausgezeichneter Soldat, der am Kleinasienfeldzug 1919 – 1923 teilnahm und anschließend zwölf Jahre als Söldner im kolonialen Afrika und Asien agierte. Nach der Heimkehr fällt ihm im Rahmen seiner Eheschließung ein Haus in Athen und ein Posten bei der Sicherheitspolizei zu. Seit 1943 sorgt er als Sicherheitsbataillonist in seinem kleinbürgerlich-­konservativen Stadtviertel für „Ruhe und Ordnung“, d. h. er verfolgt die Linken. Der Belagerungszusatnd, zwei Mordanschläge und ein Bombenanschlag auf das Haus von Papathanasis belasten die labile Christina zusehends und bewirken auch den allmählichen Zusammenbruch der Persönlichkeit des Protagonisten. Dieser führt über Neurotisierung, Hyperaktionismus, Gewaltexzesse, panisches Misstrauen gegen jedermann und Flucht in den Alkohol hin bis zum psychotischen Verlust des eigenen Selbst. Christina wird von Albträumen geplagt. Sie verarbeitet traumatogene Erfahrungen im Schlaf: Der Schlaf kam schwer, bleiern. Sie war so deprimiert und hatte eine so große innere Leere vor Schmerz, dass sie weder denken noch etwas spüren konnte. Nur im Schlaf kamen ihr Träume, die sie sehr erschreckten. Sie quälte sich die ganze Nacht, wälzte sich hin und her und ihre Laken waren schweißgetränkt. Am Morgen hatte sie alles vergessen, und sie stand weniger verängstigt auf.94

Papathanasis seinerseits ist unter dem Druck der aktuellen, gewaltsamen Auseinandersetzungen quälenden Erinnerungsattacken ausgesetzt:

92 van der Kolk, Traumatic Stress, 2000, S. 35. 93 „Από τα 1917 πολεμάω συνέχεια, είπε με παινεσιά αλλά τσακισμένα. Λογάριασε πόσους χρόνους … εικοσιπέντε;… τριάντα;“ Kotzias, Πολιορκία (Belagerung), 1953, S. 288. Alle Übersetzung aus dem Roman von Kotzias von Athanasios Anastasiadis und Joachim Winkler. 94 „Ο ύπνος ήρθε βαρύς, μολυβένιος. Είτανε τόσο τσακισμένη κι’ είχε αδειάσει τόσο μέσα της από πόνο που δε σκεφτότανε τίποτε, κι’ ούτε ένοιωθε πια. Μόνο στον ύπνο της παρουσιαστήκανε κάποια όνειρα που τηνε τρομάξαν πολύ. Υπόφερνε όλη νύχτα στριφογυρνώντας και τα σεντόνια της μουλιάσανε στον ιδρώτα. Το πρωί τα είχε όλα ξεχάσει και σηκώθηκε λιγώτερο φοβισμένη.“ Kotzias, Πολιορκία (Belagerung), 1953, S. 143.

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In der letzten Zeit ist ihm unerwartet Seltsames vor Augen getreten. Ein Haufen längst begrabener, uralter Erinnerungen, Einzelheiten aus seinem Leben, die er unwiederbringlich verloren glaubte, traten immer mehr ans Licht und schwirrten ihm lebhaft durch den Kopf. Bilder, so auffällig, so genau, dass er glaubte, sie hätten sich gestern ereignet – mochten auch Jahre über Jahre seitdem vergangen sein.95

Er ist permanent gereizt, neigt zu Wutausbrüchen, wittert überall Gefahr und sucht die Isolation. Folgende Gedanken, die ihm durch den Kopf gehen, belegen seine übermäßige Wachsamkeit und Schreckhaftigkeit: „Schau sie dir nun an. Die sind alle meine Feinde. Sie haben Angst vor mir, sobald sie mich sehen. Aber wenn sie könnten, würden sie mich sogar tanzend niedermachen.“ 96 Seine Angstzustände lassen sich auch an seinem beinahe zärtlichen Verhältnis zu seiner Waffe ablesen: Unzählige Male streichelte er mit Erleichterung den geladenen Revolver unter seinem Kissen. Das geschah auch in den anderen Nächten, aber irgendwie unbewusst, mit automatischen Bewegungen, mitten im Traum oder sooft er aus seinen regelmäßigen Albträumen hochschrak.97

Das Gefühl der Hilf- und Schutzlosigkeit wird immer intensiver, seine Hypervigilanz steigert sich in Paranoia: „Ich darf jetzt nicht einschlafen … Heute Abend, jetzt gleich werden sie wiederkommen. Sie werden es nochmals versuchen … Heute Abend haben sie einen doppelten Plan, sie sind fest entschlossen mich zu erledigen.“ 98 Papathanasis wird sich allmählich seiner Täterbiographie bewusst. Er durchläuft eine Identitätskrise, und seine Todesängste werden immer intensiver. Der Anblick eines blutüberströmten toten Opfers von ihm erinnert ihn an seine erste Mordtat – 1917 hatte er ohne Skrupel einen bulgarischen Soldaten umgebracht. Die jetzige Tat rüttelt an seinem Selbstund Weltbild: 95 „Τον τελευταίο καιρό τούχε παρουσιαστεί αιφνίδια μέσα του, μιαν αλλόκοτη έφεση. Ένα σωρο αναμνήσεις, θαμένες, παμπάλαιες, μικρολεπτομέρειες της ζωής του που τις νόμιζε για πάντα νεκρές, ξεπετάχτηκανε και στριφογυρνούσανε στο κεφάλι του ολοζώντανες. Εικόνες τόσο χτυπητές και ακριβολόγες, που θαρρούσε πως δεν είταν μια μέρα που του συμβήκαν· κι’ ας είχαν περάσει χρόνια απ’ τα τότε.“ Kotzias, Πολιορκία (Belagerung), 1953, S. 82. 96 „Για δες τους λοιπόν. Όλοι ετούτοι μου είναι εχθροί. Με τρέμει το φυλλοκάρδι τους που με βλέπουν. Αλλά να με ξεπαστρέψουν, θα το κάνανε χορεύοντας κι’ όλας.“ Kotzias, Πολιορκία (Belagerung), 1953, S. 208. 97 „Ατέλειωτες φορές χάϊδεψε με ανακούφιση το γεμάτο πιστόλι, κάτω απ’ το μαξιλάρι. Αυτό γινότανε και τις άλλες νυχτιές, μα κάπως ασυνείδητα, με κινήσεις αυτόματες, μέσα στ’ όνειρο ή σαν ξυπνούσε και πεταγότανε απ’ τους ταχτικούς εφιάλτες.“ Kotzias, Πολιορκία (Belagerung), 1953, S. 186. 98 „Τώρα δεν πρέπει να κοιμηθώ … Απόψε, σε λιγάκι, θα ξανάρθουν, θα δοκιμάσουνε πάλι … Απόψε το σχέδιό τους είναι διπλό, είναι αποφασισμένοι να με ξεκάνουν …“ Kotzias, Πολιορκία ­(Belagerung), 1953, S. 304.

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Er blieb stehen und betrachtete den reglosen Körper, sich dabei den Schweiß von der Stirn wischend. Er strich mechanisch seine Kleidung in Form, sein Atem war schwach, wie erstorben. Doch sein Blick kam nicht von dem zusammengekrümmten Körper los. „Was ist mit mir los?“ fragte er sich. „Das erste Mal war das nicht so.“ Es war der erste Vorfall, der sich tief ins Gedächtnis gegraben hatte.99

Schließlich kann er kaum z­ wischen Realität und Traum unterscheiden. Seine Albträume und Fantasien werden immer furchterregender. Sie spiegeln sein Tätertrauma und seine Suizidalität wider. Er wähnt sich in einem klaustrophobischen Raum, gemeinsam mit Menschen, die ihn mit versteinerter Miene anstarren und deren Gesichter ihm Angst einflößen. Es gelingt ihm, auf eine Weide zu fliehen. Doch er wird von Leuten verfolgt, die zunächst eine Unterschrift von ihm verlangen. Schließlich umkreisen sie ihn und wollen ihn offensichtlich opfern: Und genau deshalb, weil es weder ein Schlaf- noch ein Wachzustand war, besaßen die vor ihm auftauchenden Bilder eine merkwürdige Intensität, eine kräftige Lebendigkeit, und das wichtigste, eine verborgene, unbestimmte, völlig unsagbare Wahrheit, deren hellem Glanz er sich nicht mehr entziehen konnte. Er spürte etwas Realeres als das, was man täglich vor Augen hat. […] „Chef ! Kommst du nicht, um die Exekutionen zu unterschreiben?“ […] „Lasst mich in Ruhe … warum lasst ihr mich nicht in Ruhe“, flehte er sie an. Sie aber wurden immer wütender und ihre Augen sahen aus wie glühende Kohlen, die aus den Augenhöhlen springen. „Blut! Blut! Blut!“ kreischten sie und lachten dabei. Sie tanzten orgiastisch und er sollte das Opfertier des Fests sein. Alle Gesichter strahlten aus Freude vor dem Opfer einen teuflischen Glanz aus. Sie schnalzten mit ihren Zungen. „Blut!“ Ihre trockenen Lippen platzten vor Durst. „Warum lasst ihr mich nicht in Ruhe, ich bin bereits gestorben. Was könnt ihr mir denn noch antun?“ 100

99 „Στάθηκε και κυττούσε το ακίνητο σώμα, σκουπίζοντας τον ιδρώτα απ’ το μέτωπό του. Συγύρισε τα ρούχα μηχανικά και ξανάσαινε λαχανιασμένος σβυσμένα, αργά. Τα μάτια του όμως δε μπορούσαν να ξεκολλήσουν απ’ το κουβαριασμένο κορμί. ‚Τι έπαθα αναρωτήθηκε. Δεν είταν έτσι την πρώτη φορά.’ Είτανε το πρώτο περιστατικό που τούχε μείνει βαθιά χαραγμένο στη μνήμη.“ Kotzias, Πολιορκία (Belagerung), 1953, S. 181 f. 100 „Κι’ ακριβώς, επειδή δεν είτανε μήτε ύπνος μήτε ξύπνιο αυτό, οι εικόνες που του βγήκανε μπρος του, είχανε μιαν αλλόκοτη ζωηράδα, μια ζωντάνια με σφρίγος, αλλά ακόμα περσότερο σα να κρύβανε κάποιαν αλήθεια απροσδιόριστη, ολότελα ανέκφραστη, μα που αυτός δε μπορούσε πια να ξεφύγει από τη λάμψη της. Ένοιωσε σαν κάτι πιο αληθινό, απ’ ό,τι βλέπανε τα μάτια του κάθε μέρα. […]– Αργηγέ! Δε θάρθεις να υπογράψεις τις εκτελέσεις; […] – Αφήστε με … γιατί δε μ’ αφήνετε, τους ικέτευε. Εκείνοι όμως όλο αγριεύαν και χειρότερα και τα μάτια τους φαντάζανε φλογισμένα κάρβουνα, πεταγμένα από τις κόγχες. – Αίμα… Αίμα… Αίμα! ουρλιάζανε και γελούσαν. Είχανε στήσει ένα χορό οργιαστικό κι’ αυτός θα είτανε το σφαχτάρι στο γλέντι. Όλα τα πρόσωπα λάμπανε διαβολικά απ’ την ευχαρίστηση της θυσίας. Κροταλίζαν τις γλώσσες τους. – Αίμα! Τα χείλια τους σκάζανε

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Kotzias beschreibt eindringlich auf der Ebene der Geschichte den allmählichen psychi­ schen Verfall seines Protagonisten, der schließlich in der Selbstaufgabe endet. Der Roman weist insofern einen traumatischen Diskurs auf, als in vielen Passagen die figurale Perspektive dominiert: Der heterodiegetische Erzähler tritt hinter die Figuren zurück und macht deren eigene, psychisch verstörte Stimme hörbar. Traumatisierte Unbeteiligte

Auch unbeteiligte Personen, die als Zuschauer oder Zuhörer mit traumatogenen Situationen konfrontiert werden, können unter Umständen mittelbar traumatisiert werden, nämlich durch die Beobachtung oder die Belastung durch das Wissen über ein Trauma auslösendes Ereignis, das andere Personen erlebt haben. Die Psychotraumatologie hat ­dieses Phänomen besonders bei Berufsgruppen, die Traumaopfer betreuen, beobachtet: Folglich können Menschen traumatisiert werden, ohne dass sie selbst bedroht oder körperlich verletzt werden. Allein schon das Hören und Wissen von einem traumatischen Ereignis kann genügen, um Menschen zu traumatisieren. Direkte sinnliche Eindrücke vom Trauma sind daher für eine sekundäre Traumatisierung nicht zwingend notwendig.101

Traumatisierte Unbeteiligte und indirekt Traumatisierte kommen in verschiedenen Varianten auch in griechischen Bürgerkriegsnarrativen vor – es gibt Überschneidungen zu transgenerational traumatisierten Figuren. Dimitris Chatzis, Το διπλό βιβλίο (1976; Das doppelte Buch) Dimitris Chatzis (1913 – 1981) trat 1935 der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) bei. Während der Jahre der Besatzung (1941 – 1944) engagierte er sich für das EAM; im Bürgerkrieg schloss er sich der Demokratischen Armee an und beteiligte sich aktiv am Partisanenkampf. Nach dem Bürgerkrieg lebte er im Exil, u. a. von 1956 bis 1962 als Stipendiat der Akademie der Wissenschaften in Berlin (Ost), wo er promoviert wurde. Nachdem ihm 1950 die griechische Staatsbürgerschaft entzogen worden war, wurde er 1952 in Abwesenheit zum Tode verurteilt. 1974 wurde ihm Amnestie gewährt und er kehrte nach Griechenland zurück. Der politisch engagierte Autor publizierte bereits 1946 den Roman Η φωτιά (Das Feuer), ein sehr frühes Bürgerkriegsnarrativ, das den politisch-­ideologischen Bewusstwerdungsprozess der Protagonistin Avgerini sowie den heldenhaften Widerstand und die Mobilisierung der Partisanen gegen die Besatzer

ξεραμένα από τη δίψα. – Γιατί δε μ’ αφήνετε, εγώ είμαι πια πεθαμένος. Σαν τι θαρρείτε πως θα μου κάνετε, τους ψιθύρισε.“ Kotzias, Πολιορκία (Belagerung), 1953, S. 324 – 326. 1 01 Brönnimann; Ehlert, Traumafolgestörungen, 2015, S. 400.

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thematisiert. Bemerkenswert ist, dass das Besatzungsopfer Avgerini von ihrem Instrukteur angehalten wird, zur Täterin zu werden: Sie bringt einen Kollaborateur aus dem Hinterhalt um.102 Der Roman Το διπλό βιβλίο (Das doppelte Buch)103 wird von zwei narrativen Instanzen erzählt. Er thematisiert Entfremdung und Heimatlosigkeit als Folge von politischem und sozialem Exil in der modernen Welt sowie die psychischen Folgen und Konsequenzen von Kommunikationslosigkeit und Schweigen. Der 1940 geborene und unter harten Bedingungen in der griechischen Provinz aufgewachsene primäre Erzähler und Protagonist Kostas lebt seit 1969 als „Gastarbeiter“ in Stuttgart: Ein einsamer Mann, der nüchtern und emotionslos über seine Vergangenheit in Griechenland und über sein Leben in Deutschland berichtet. Kostas’ Erzählung richtet sich an einen anonymen Schriftsteller, den sekundären Erzähler, der Kostas und seine Familie seit Jahren kennt; er ergänzt sie, um sie zu einem Roman zu verarbeiten. Vom Schicksal seines Vaters, der sich im linken Widerstand engagierte und in der Bürgerkriegs- und Nachbürgerkriegszeit psychisch unter Druck gesetzt wurde, erfährt Kostas vom sekundären Erzähler. Der Vater wurde nach der Befreiung verhaftet und des Mordes angeklagt. Durch Intervention seiner Tante, einer Anti-­Kommunistin und Kollaborateurin in der Besatzungszeit, entkam er der 1947 ausgesprochenen Todesstrafe. Nach Unterschreibung einer Reueerklärung wurde er aus der Haft entlassen und von den eigenen Leuten als Verräter stigmatisiert. Der Vater von Kostas verbannte seine Erfahrungen während der Besatzung und des Bürgerkriegs aus dem Familiengedächtnis und litt unter einem Entfremdungs­gefühl. Der Sohn erfährt erst nach dem Tod des Vaters von dessen tragischem Schicksal: Als ich diese Geschichte erfuhr, sagte ich mir: Du hast diesen Menschen, der dein Vater war, nicht gekannt. Nichts hast du gewußt. In mir ist ein Schuldgefühl geblieben – anders kann ich es nicht ausdrücken –, als hätte ich jemandem ein Leid zugefügt, ihm Unrecht getan. Nun war er tot – da kann man nichts mehr gutmachen.104 102 Vgl. Anastasiadis, Datenblatt Chatzis, Η φωτιά, 2013 und Moennig, Wie Siamesische Zwillinge, 2015, S. 293 – 297. Literatur in Auswahl zum Autor und zu Το διπλό βιβλίo (Das doppelte Buch): Hokwerda, Tussen verleden en toekomst (Zwischen Vergangenheit und Zukunft), 1991; Tziovas, Το παλίμψηστο (Das Palimpsest), 1993, S. 244 – 275; ­Apostolidou, Λογοτεχνία και Ιστορία (Literatur und Geschichte), 2003; Anastasiadis, Datenblatt C ­ hatzis, Το διπλό βιβλίο, 2013. 103 Es existieren zwei deutsche Übersetzungen; von Luise Steller, Köln: Romiosini, 1983 und von Carola Nicolaou, Berlin (Ost): Volk und Welt, 1985. 104 Hadzis, Das doppelte Buch. Übersetzung von Carola Nicolaou, 1985, S. 74. „Μαθαίνοντας την ιστορία του σκέφτηκα πως εγώ δεν τον ήξερα αυτόν τον άνθρωπο που ’ταν πατέρας μου – δεν ήξερα τίποτα. Μια τύψη απόμεινε μέσα μου – δεν την ξέρω περισσότερο πώς να την πω – σα να ’χω φταίξει σε κάποιον, να τον αδίκησα – και πέθανε – δεν διορθώνεται πια.“ Chatzis, Το διπλό βιβλίο (Das doppelte Buch), S. 81.

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Kostas deutet die verschwiegenen traumatischen Erfahrungen des Vaters aus der Retrospektive, was ihn nachträglich psychisch belastet. Nikos Bakolas, Καταπάτηση (1990; Widerrechtliche Aneignung) Im erzählerischen Werk von Nikos Bakolas (1927 – 1999) steht die historische und gesellschaftliche Entwicklung seiner Heimatstadt Thessaloniki im Mittelpunkt. Im Roman Καταπάτηση (Widerrechtliche Aneignung) berichten vier Erzählinstanzen von seelischer Leere, moralischem Verfall und den psychischen Folgen kollektiver Katastrophen auf das Individuum.105 Die fragmentarisch bleibende Handlung konstituiert sich in drei Strängen. Der primäre, heterodiegetische Erzähler liefert Momentaufnahmen aus dem Alltagsleben und dem Bewusstsein des Protagonisten Dimitris. Der sekundäre, ebenfalls heterodiegetische Erzähler bietet Momentaufnahmen einer unangenehmen, sich über Jahre hinziehenden juristischen Auseinandersetzung um das Grundstück, das Dimitris von seinem im Bürgerkrieg ermordeten Großvater geerbt hatte und das sich der Landwirt und Ex-­Partisan Savvatidis aus Grevena widerrechtlich angeeignet hatte. Der introvertierte Dimitris leidet unter der Last der ihm unbekannten Vergangenheit. In der Ich-­Erzählung von Dimitris stehen der Selbstmord seiner Schwester Antigoni und die allmähliche Enthüllung seiner näheren Umstände im Mittelpunkt. Antigoni engagierte sich als Studentin in linken Gruppierungen, erledigte Botendienste und war von dem Aktivisten Stefanos schwanger, als dieser Griechenland 1950 ins französische Exil verlässt. Der Selbstmord seiner Schwester Antigoni hat Dimitris psychisch schwer belastet und jagt ihn wie ein Phantom. In seinen Träumen sucht sie ihn heim: „[…] zehn Jahre nach Antigonis Tod, als ihn nachts im Traum trostloser Schrecken befiel und ihm Angst einjagte […]“ 106 Bemerkenswert ist, dass der Journalist Dimitris als autodiegetischer Erzähler ­seinen Rechercheprozess reflektiert und den Sinn und Wahrheitsgehalt von Ego-­Texten in Frage stellt: […] ich muss gestehen, dass mich diese Flut an Büchern und Artikeln mit Selbstzeugnissen verschiedenster Leuten, prominenter und anonymer, aus Kriegszeiten und insbesondere aus der Besatzungs- und Widerstandszeit, krank macht […]. Und das nicht, weil sie keinen Wert hätten, (den haben sie sehr wohl), sondern weil ich den Verdacht habe […], dass diejenigen,

105 Ausgewählte Literatur: Tsaknias, Καταπάτηση (Widerrechtliche Aneignung), 1991; ­Apostolidou, Λαϊκή μνήμη (Volksgedächtnis), 1997; Kolitsi, Η Καταπάτηση (Die widerrechtliche Aneignung), 2004; Anastasiadis, Datenblatt Bakolas, 2013. 106 „[…] δέκα χρόνια ύστερα από τον θάνατο της Αντιγόνης, όπου τέρατα χωρίς σημεία έρχονταν τη νύχτα μες στον ύπνο του τον αγριεύαν […]“ Bakolas, Καταπάτηση (Widerrechtliche Aneignung), 1990, S. 51. Die Übersetzungen aus dem Roman von Bakolas stammen von ­Athanasios Anastasiadis.

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die sie schreiben, in erheblichem Maße sich hervortun oder irgendwelche dunklen Momente beschönigen wollen.107

Der Einsatz verschiedener Erzähler, die ihre Schilderungen ebenso abrupt unterbrechen wie sie sie wieder aufnehmen, verleiht dem Text Merkmale der Inkohärenz und des Fragmentarischen. Diese Erzähltechnik verdeutlicht die Schwierigkeit, traumatische Erfahrungen in ein Narrativ zu integrieren. Die figurale Perspektive und die assoziative Darstellung mentaler Prozesse des Protagonisten sowie die Verschachtelung der Zeitebenen unterstreichen den nachträglichen und enigmatischen Charakter nicht selbst erlebter traumatischer Erfahrungen. Pavlos Matessis, Η μητέρα του σκύλου (1990; Die ­Mutter des Hundes) Pavlos Matessis (1930 – 2013) zählt zwar zur Erlebnisgeneration, er und seine Familie waren aber nicht in den Widerstand oder in den Bürgerkrieg involviert. Der Erinnerungsprozess einer psychisch gestörten Person steht im Mittelpunkt seines Romans Η μητέρα του σκύλου (Die ­Mutter des Hundes).108 Die Protagonistin und primäre Erzählerin Raraú ist eine kumulativ traumatisierte Figur. Sie erzählt in fortgeschrittenem Alter in den 1980er Jahren – und zwar in pikaresker Tradition aus der naiven Sicht einer Unterprivilegierten – von einer Reihe von Trauma auslösenden Situationen und Erfahrungen, die sie nicht als direkt Betroffene, sondern als Zuschauerin erlebt hat. Sie fokussiert die Zeit von 1940 bis 1945. Die ­Mutter der Erzählerin – ihr Vater ist als Freiwilliger nicht aus dem griechisch-­italienischen Krieg heimgekehrt und gilt als vermisst – geht in der Okkupationszeit aus sozialer Not eine Liaison mit zwei italienischen Offizieren ein. Nach der Befreiung wird sie als Kollaborateurin gebrandmarkt und in einer Parade öffentlich erniedrigt. Die gedemütigte ­Mutter zieht mit ihrer Tochter in ein Athener Elendsviertel. In der Nachkriegszeit erhält 107 „[…] θα πρέπει να εξομολογηθώ πως με αρρωσταίνει αυτή η πλημμυρίδα των βιβλίων και των άρθρων με τις προσωπικές μαρτυρίες διαφόρων, επώνυμων κι ανώνυμων, από τα χρόνια του πολέμου, και πιο πολύ της κατοχής και της αντίστασης και του εμφύλιου […] Και αυτό όχι κυρίως γιατί δεν έχουν την αξία τους, (την έχουν και την παραέχουν), μα για το ότι υποπτεύομαι […] πως εκείνοι που τα γράφουν νοιάζονται, σε σημαντικό βαθμό, για την προβολή τους ή για να εξωραΐσουν κάποιες σκοτεινές στιγμές […]“ Bakolas, Καταπάτηση (Widerrechtliche Aneignung), 1990, S. 134. 108 Siehe auch Kapitel 4 von Kerstin Jentsch-­Mancor im vorliegenden Band. Deutsche Übersetzung von Birgit Hildebrand: Die Tochter der Hündin, München; Wien: Carl Hanser, 2001. Weitere Literatur zum Roman (Auswahl): Kourtovik, Ημεδαπή εξορία (Inneres Exil), 1991, S.  120 – 129; Tsatsoulis, Η περιπέτεια της αφήγησης (Das Abenteuer der Erzählung), 1997; Tsaknias, Παύλος Μάτεσις (Pavlos Matessis), 2000; Chrysomalli-­Henrich, Σάτιρα και ειρωνεία (Satire und Ironie), 2007; Anastasiadis, Trauma – Memory – Narration, 2011; Natsina, Η γλωσσική συγκρότηση της ταυτότητας (Die sprachliche Identitätsbildung), 2011; Anastasiadis, Datenblatt Matessis, 2013.

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Raraú durch Vermittlung eines korrupten Politikers einen Job als Komparsin sowie eine Waisen­rente, kümmert sich um ihre M ­ utter in einer bescheidenen Zweizimmerwohnung und führt ein ebenso einsames wie psychisch auffälliges Leben. Die autodiegetische Erzählerin hat bestimmte Erlebnisse entweder verdrängt oder sie berichtet nur fragmentarisch darüber; von diesen traumarelevanten Episoden oder Lebensabschnitten berichten verborgene heterodiegetische Erzähler. Der Einsatz verschiedener Erzählinstanzen steht also im Zusammenhang mit den traumatischen Erfahrungen der Protagonistin. Die narrative Struktur von Raraús Erzählung weist bestimmte Gemeinsamkeiten mit Missios’ Text auf: Sie ist episodisch und assoziativ; die Verschränkung von Analepsen und Prolepsen verleihen dem Text eine anachronische Struktur, die den verwirrten Erinnerungsprozess der Erzählerin widerspiegelt. Auch lässt sich sowohl ein empathischer Zuhörer als auch die Erzählerzeit ermitteln: Die Protagonistin spricht in der Anfangsszene einen textinternen Adressaten an: „Sag lieber Raraú zu mir.“ 109 Am Ende des Romans stellt sich heraus, dass es sich um ihren Psychiater handelt. Das Setting der Narration ist also eine Therapiesitzung, in der die Erzählerin in einem dramatischen Monolog dem Therapeuten ihre Lebensgeschichte erzählt; die Εrzählerzeit entspricht demnach der Dauer der Sitzung(en). Die erzählerische Unzuverlässigkeit Raraús, die in unmittelbarem Zusammenhang mit ihren belastenden Kindheitserfahrungen steht, ist für den traumatischen Diskurs ebenfalls konstitutiv. In einem Gutachten attestiert der Psychiater Folgendes: „Sie ist umgänglich und erzählt harmlose, unnütze und belanglose Lügengeschichte aus einer Neigung zur Kommu­nikation. Sie leidet unter dem Syndrom einer Art ‚heiligen Bekenntnismanie‘.“ 110 Raraú berichtet von ihrer sexuellen Anziehungskraft und zahlreichen erotischen Erlebnissen. Der Narrationsakt selbst bereitet ihr dabei Lustgewinn, und es wird o­ ffensichtlich, dass sie konfabuliert, um ihre traumatischen Kindheitserfahrungen zu kompensieren. Denn das psychiatrische Attest verweist auf eine gynäkologische Untersuchung, bei der sie als virgo intacta befunden wurde. In der Besatzungszeit musste sie mit ihrem Bruder immer das Haus verlassen, wenn die ­Mutter den Besuch eines italienischen Offiziers empfing. Der heterodiegetische Erzähler führt die „Asexualität“ Raraús auf diese Kindheitserlebnisse zurück:

109 Pavlos Matessis, Die Tochter der Hündin, 2001, S. 7. „Λέγε με Ραραού καλύτερα.“ Matessis, Η μητέρα του σκύλου (Die ­Mutter des Hundes), 1990, S. 9. 110 Matessis, Die Tochter der Hündin, 2001, S. 244. „Είναι προσηνής, παραθέτει ανώδυνα, ανωφελή και άσκοπα ψευδολογήματα, λόγω μιας εφέσεως προς επικοινωνίαν. Διακατέχεται από το σύνδρομον μιας οιονεί ‚ιεράς εξομολογητικής μανίας’.“ Matessis, Η μητέρα του σκύλου (Die ­Mutter des Hundes), 1990, S. 229.

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Von zwölf, dreizehn an hatte sie nie eine fleischliche Regung heimgesucht. Wenn sie sich, nicht sehr häufig, fragte, weshalb sie diese Sache nicht begehrte und warum sie keinerlei Lust oder Drang verspürte, stieg ihr das Bild ihres kindlichen Körpers auf, wie sie zusammen mit ihrem Bruder Fanis außerhalb der Ajia-­Kyriaki-­Kirche verschiedene Spiele spielte, vor allem Fangen, damit ihnen warm wurde und der Nieselregen auf ihren Kleidern trocknete, bis Herr Alfio drinnen zu Ende war und wieder wegging, und so die kleine Rubini wieder ins Haus schlüpfen und sich die Nässe abtrocknen konnte.111

Die brutale Misshandlung ihres Bruders durch Wehrmachtssoldaten, die sie aus nächster Nähe miterleben musste, trug ebenfalls zur Traumatisierung bei. Die psychische Relevanz dieser Erfahrung für die Erzählerin wird durch zeitdeckendes Erzählen d­ ieser Episode betont. Die Erinnerung daran belastet sie noch über vierzig Jahre später: „Ich vermeide es an die Deutschen zu denken, sonst kann ich nicht schlafen vor Wut, sogar heute noch nicht.“ 112 Ihr Selbst- und Weltverständnis wurde insbesondere durch das Erlebnis der öffentlichen Demütigung ihrer ­Mutter erschüttert. Die (vermeintlichen und tatsächlichen) Kollaborateurinnen wurden kahlgeschoren auf einem Lastwagen durch die Stadt gefahren und von der johlenden Menge mit faulen Lebensmitteln beworfen. Raraú spielt oft auf diesen Tag an, erzählt aber keine Details. Sie tastet sich im Narrationsprozess an das Ereignis heran, ist aber nicht in der Lage, kohärent davon zu erzählen. Sie hat die Tatsache verdrängt, dass sie sich an den Wagen gehängt hatte, um ihrer M ­ utter Wasser anzubieten und dabei wie ein Hund kläffte, während die ­Mutter im Delirium brüllte: „Scheucht ihn weg, scheucht ihn weg, den Köter, nehmt den Köter fort, der hinter mir her ist, scheucht ihn weg – was will der Kläffer, ich bin nicht seine ­Mutter.“ 113 Ein heterodiegetischer Erzähler trägt Details ­dieses Ereignisses nach. Raraú sind nur Fragmente ­dieses Tages in Erinnerung geblieben: „Und dann sengte die Sonne immer 111 Matessis, Die Tochter der Hündin, 2001, S. 207 f. „Από τα δώδεκα-­δεκατρία και μετά, δεν την είχε επισκεφθεί ποτέ επιθυμία σαρκική. Όταν αναρωτιόταν, όχι συχνά, γιατί δεν το επιθυμεί αυτό το πράμα, και γιατί δεν είχε καμία επιθυμία και ορμή, την επισκεπτόταν η εικόνα του παιδικού σώματός της, μαζί με τον αδελφό της τον Φάνη έξω από τον ναό Αγία Κυριακή, να παίζουν διάφορα παιχνίδια, κυνηγητό κυρίως, για να ζεσταίνονται και να στεγνώνει η ψιχάλα στα ρούχα τους, μέχρι να τελειώσει ο κυρ Άλφιο μέσα, να φύγει και έτσι να ξαναχωθεί η μικρή Ρουμπίνη στο σπίτι της και να σκουπιστεί από το ψιλόβροχο.“ Matessis, Η μητέρα του σκύλου (Die M ­ utter des Hundes), 1990, S.193. 112 Matessis, Die Tochter der Hündin, 2001, S. 68. „Για τους Γερμανούς, αποφεύγω να σκέφτομαι, γιατί μένω άυπνη και αγριεύω, μέχρι και σήμερα.“ Matessis, Η μητέρα του σκύλου (Die M ­ utter des Hundes), 1990, S. 65. 113 Matessis, Die Tochter der Hündin, 2001, S. 102. „Διώχτε το, Διώχτε το Σκυλί, πάρτε αποδώ αυτό το Σκυλί που με πήρε από κοντά, διώχτε – τι γυρεύει ο Σκύλος, δεν είμαι η Μητέρα του […]“ Matessis, Η μητέρα του σκύλου (Die ­Mutter des Hundes), 1990, S. 164.

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stärker, obwohl es doch schon Nachmittag war, sengte die Sonne immer stärker, und ich erinnere mich an sonst nichts mehr von der Zurschaustellung.“ 114 Raraú reflektiert in naiver Weise über das Verhältnis von Vergessen und Erinnern: […] nur daran erinnere ich mich, sonst weiß ich nichts mehr. Was für eine unbarmherzige ­Bestie der Mensch doch ist, alles vergisst er. […] Und ich dachte mir, an den Tag werde ich mich erinnern. Hast du gesehen, wie ich ihn jetzt zur Hälfte vergessen habe?115

Raraús Psyche ist zwar nachhaltig gestört, und sie hegt im Alter sogar Gewaltphantasien: Dafür steht ihr Bericht von einer glücklichen Familie, die sie regelmäßig beobachtet und deren Souterrainwohnung sie in Brand setzen möchte. Ihre Narration hat aber partiell auch therapeutische Wirkung. Nach dem Tod ihrer M ­ utter erlangt sie verdrängte Erinnerungen an ihr Kindheitstrauma zurück: In letzter Zeit sehe ich sie nur noch in einer Situation vor mir: geschoren, auf dem Lastwagen, wie sie auf mich deutet und ruft, warum kläfft der Köter da so, schafft mir diesen Kläffer da von den Füßen!116

Kyriakos Athanasiou, Υιός συμμορίτου (2003; Banditensohn) Einen besonderen Fall stellt der autobiographische Text Υιός συμμορίτου (Banditensohn) von Kyriakos Athanasiou (*1947) dar. In seinem Zeugnis geht die Repräsentation indirekter Traumatisierung mit narrativen Postmemory-­Verfahren einher. Der als Sohn eines albanischen Vaters und einer armenischen ­Mutter geborene Autor rekonstruiert die Geschichte seiner leidgeprüften Familie in den 1940er Jahren in der böotischen Provinz und geht zugleich seiner eigenen, durch s­ oziale Stigmatisierung und familiäres Schweigen bedingten Traumatisierung nach. Der Text konstituiert sich aus Erinnerungsfragmenten aus der Kindheit des Erzählers und aus recherchierten Informationen, die er als Erwachsener Erzählungen Dritter entnommen hat. Der

114 Matessis, Die Tochter der Hündin, 2001, S. 174. „Και μετά ο ήλιος έγινε πολύς, παρόλο που έπιανε πλέον απόγευμα, γινόταν ο ήλιος πολύς και δεν θυμάμαι άλλα από τη διαπόμπευση.“ ­Matessis, Η μητέρα του σκύλου (Die ­Mutter des Hundes), 1990, S. 162. 115 Matessis, Die Tochter der Hündin, 2001, S. 176. „[…] μόνο αυτά θυμάμαι, άλλα δεν θυμάμαι. Τελικώς τι θηρίο ανελέητο σου είναι ο άνθρωπος, όλα τα λησμονάει. […] Και έλεγα θα τη θυμάμαι εγώ αυτή τη μέρα. Είδες τώρα που τη μισή την ελησμόνησα;“ Matessis, Η μητέρα του σκύλου (Die ­Mutter des Hundes), 1990, S. 164. 116 Matessis, Die Tochter der Hündin, 2001, S. 105. „Τελευταία τη φέρνω στον νου μου σε μία φάση της μονάχα: κουρεμένη στο φορτηγό, να με δείχνει και να λέει, γιατί με γαυγίζει αυτός ο σκύλος, πάρτε μου αυτό τον σκύλο από τα πόδια μου!“ Matessis, Η μητέρα του σκύλου (Die ­Mutter des Hundes), 1990, S. 243.

Trauma-­Repräsentationen in exemplarischen Bürgerkriegsnarrativen | 117

Erzähler unterbricht zuweilen die chronologische Ordnung, um z. B. Informationen über das Flüchtlingsschicksal seiner armenischen Familie mütterlicherseits nachzutragen oder über die politische Verfolgung seiner Partisanen-­Onkel väterlicherseits aufzuklären, häufig eingeleitet durch die Floskel „Später habe ich erfahren“.117 Er reflektiert insofern seinen Erzähl- und Erinnerungsprozess, als er wiederholt auf Erzählungen seiner Informanten verweist, die für seine sekundären Erinnerungen und für sein Narrativ von tragender Bedeutung sind: Viel später erzählte mir meine M ­ utter die Hintergründe der Geschichte, wie sie sie erlebt hatte.118 Ich kann nur wenig über diese Periode ihres Lebens sagen […]. Ich habe aber aus verstreuten Erzählungen eine vage Idee davon, was sie durchgemacht haben. Wie z. B. aus dieser, die ich während meines Postgraduiertenstudiums in Kanada gehört habe.119

Der Protagonist wurde als Kind und Jugendlicher in der repressiven Nachkriegszeit gesellschaftlich stigmatisiert und diskriminiert, weil sein ermordeter Vater auf der Seite der Partisanen gekämpft hatte. Er wendet sich am Anfang der Erzählung mit einer ­Aporie an den Leser – und konstruiert damit einen textexternen Adressaten: Ich versuche mich an den Tag zu erinnern, an dem ich zum ersten Mal das Wort „Scheißkommunisten“ gehört habe. Es begleitete die Wörter „Krimineller“, „Bastard“ und weitere Beleidigungen auf Albanisch, an die ich mich nicht mehr erinnern kann. Und um ehrlich mit Dir zu sein, ich habe nicht richtig verstanden, warum es mich so gestört hat. Wie ist es möglich, dass mich „Bastard“ und „Krimineller“ nicht stört, während d­ ieses Wort bis auf den heutigen Tag in meine Ohren zischt. So etwas wie das Zischen der Schlange, so etwas …120

117 Z. B.: „Später habe ich erfahren, dass er zu den Hardlinern unter den Mitgliedern der illegalen Kommunistischen Partei in der Region zählte.“ („Αργότερα έμαθα πως ήταν από τα σκληροπυρηνικά μέλη του παράνομου ΚΚΕ στην περιοχή.“) Athanasiou, Υιός συμμορίτου (Banditensohn), 2003, S. 28. Alle Übersetzungen aus dem Buch von Athanasiou von ­Athanasios ­Anastasiadis. 118 „Πολύ αργότερα η μάνα μου μού διηγήθηκε το παρασκήνιο της ιστορίας όπως την έζησε η ίδια.“ Athanasiou, Υιός συμμορίτου (Banditensohn), 2003, S. 85. 119 „Λίγα μπορώ να πω γιʼ αυτήν την περίοδο της ζωής τους […] Έχω όμως μια αμυδρή ιδέα για το τι πέρασαν από σκόρπιες διηγήσεις. Σαν κι αυτή που άκουσα στον Καναδά κατά τη διάρκεια των μεταπτυχιακών μου σπουδών.“ Athanasiou, Υιός συμμορίτου (Banditensohn), 2003, S. 112 f. 120 „Προσπαθώ να θυμηθώ τη μέρα που πρωτοάκουσα τη λέξη: ‚παλιοκομουνιστές’. Συνόδευε τις λέξεις ‘κακούργο’, ‘μπαστάρντο’ και κάτι άλλες βρισιές, στα αρβανίτικα, που δεν τις θυμάμαι. Κι ακόμα να σου πω την αλήθεια δεν έχω καταλάβει καλά καλά γιατί με πείραξε τόσο. Πώς είναι δυνατόν να μη με πειράζει το ‘μπάσταρδε’, να μη με πειράζει το ‘κακούργο’, κι αυτή η λέξη να σφυρίζει στ’

118 | Geschichten vom Krieg

Als junger Soldat während der Militärdiktatur fällt ihm in einem Büro ein staatliches Dokument ins Auge, das ihn offiziell als „Banditensohn“ stigmatisiert. Ihm wird schlagartig bewusst, dass er ein belastendes familiäres Erbe angetreten hat. Vor dem Hintergrund seiner gesellschaftlichen Ächtung lösen sich Generationengrenzen auf und die fremde Geschichte seines Vaters holt ihn ein: „Du bist immer auch etwas anderes. Du schleppst auch andere mit dir: deine Angehörigen. Das, was sie gemacht haben oder was ihnen widerfahren ist. Du schleppst auch das mit dir, was sie erlebt oder erlitten haben.“ 121 Der Erzähler beschreibt hier in einfachen Worten, was die Psychoanalytikerin Haydée Faimberg als „Ineinanderrückung (Telescoping) der Generationen“ bezeichnet hat.122 Gegen Ende des Narrationsprozesses wird dem Erzähler deutlich, dass die familiäre Tabuisierung und die jahrelange Strategie seiner ­Mutter, traumabezogene Reize zu vermeiden, seine Traumatisierung eher noch befördert haben: Ich aber wusste von alldem nichts. Niemand, wirklich niemand hatte mir jemals etwas erzählt. Unsere ­Mutter hatte ganz bewusst entschieden, dass wir überleben müssen. Und um zu überleben, mussten wir das Stigma loswerden. Das bedeutete in der Praxis totales Verschweigen. Das war ein Prozess, an dem wir aktiv teilnahmen: Wir hatten verstanden, dass wir keine ­Fragen stellen durften.123

Der Erzähler macht aber auch deutlich, dass trotz aller Vermeidungsstrategien seine M ­ utter nachträglich von Symptomen eines posttraumatischen Belastungsstörung heimgesucht wurde: Viel später, als sich die Lage beruhigt hatte […], brach es aus ihr heraus. Sie fing an Türen und Fenster zu verriegeln, auch wenn es sehr heiß war. Sie zog die Gardinen von innen zu. Sie stellte die Stühle hinter die Türen. Einfach so, grundlos und ohne tieferen Sinn.124

αυτιά μου ακόμη μέχρι σήμερα. Κάτι σαν σφύριγμα φιδιού, κάτι …“ Athanasiou, Υιός συμμορίτου (Banditensohn), 2003, S. 9. 121 „Είσαι πάντα και κάτι άλλο. Κουβαλάς μέσα σου και κάποιους άλλους. Τους δικούς σου. Αυτά που έκαναν εκείνοι ή έγιναν μ’ αυτούς. Κουβαλάς κι αυτά που έπαθαν ή πέρασαν.“ Athanasiou, Υιός συμμορίτου (Banditensohn), 2003, S. 25. 122 Vgl. Faimberg, Ineinanderrückung, 1987. 123 „Εγώ όμως τότε αγνοούσα τα πάντα. Κανείς, μα κανείς δε μου είχε πει τίποτε. Η μάνα μας συνειδητά είχε αποφασίσει πώς έπρεπε να ζήσουμε. Και για να ζήσουμε έπρεπε να αποκοπούμε από το στίγμα. Αυτό στην πράξη σήμαινε τέλεια αποσιώπηση. Ήταν μια διαδικασία στην οποία συμμετείχαμε και εμείς ενεργά: αντιλαμβανόμασταν πως δεν έπρεπε να ρωτάμε.“ Athanasiou, Υιός συμμορίτου (Banditensohn), 2003, S. 147. 124 „Πολύ αργότερα, όταν ησύχασαν τα πράγματα […] τότε της βγήκε. Άρχισε να κλειδαμπαρώνει πόρτες και παράθυρα ακόμη και όταν είχε καύσωνα. Τράβαγε από μέσα τις κουρτίνες. Έβαζε

Trauma-­Repräsentationen in exemplarischen Bürgerkriegsnarrativen | 119

Das entscheidende Ereignis, das den Erzähler als Unbeteiligten traumatisiert hat, ist die brutale Ermordung seines Vaters durch paramilitärische Kräfte. Diese nicht selbst erlebte, Trauma auslösende Situation, die der Erzähler narrativ mühsam rekonstruiert und in seine Bilder- und Symbolwelt zu integrieren versucht, übersteigt seine Verarbeitungskapazitäten. Er wendet sich explizit an die anonymen Adressaten seiner Erzählung und bedient dabei den Unsagbarkeitstopos: Ich habe unzählige Male versucht, diese Szene des Schreckens innerlich zu rekonstruieren. Meine Fantasie verbleicht jedoch vor jedweder Realität. Ich ziehe es vor, lieber Leser und liebe Leserin, es eurer Fantasie zu überlassen sich auszumalen, was sich in dieser elenden Scheune in Moulki, Ende September 1948, abgespielt haben mag, z­ wischen einem gerade mal 32jährigen Ex-­Partisanen und seinen elenden Folterern.125

Transgenerationales Trauma

Der Verlust lebendiger Zeitzeugenerinnerungen an die konfliktreichen 1940er Jahre markiert im erinnerungskulturellen Kontext den endgültigen Übergang der Erinnerung vom kommunikativen zum kulturellen Gedächtnis.126 Diese Transformation beschäftigt Autoren ohne eigene Erfahrungen aus jener Zeit und stellt offenbar eine besondere literarische Herausforderung für sie dar. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass den politischen und sozialen Katastrophen der 1940er Jahre das Potential der Ansteckung bzw. der Vererbung anhaftet. Sie hatten nicht nur unmittelbare ­soziale und psychische Folgen für die direkt Betroffenen, sondern auch nachhaltige Auswirkungen auf deren Nachkommen. Fischer und Riedesser definieren das Phänomen der transgenerationalen Traumatisierung so: Hier wirken die Mechanismen der Transposition eines unverarbeiteten Traumas auf die folgende Generation sowie der Konkretismus. In der Transposition wird die unverarbeitete Szenerie unbewusst auf die jeweils folgende Generation übertragen […]. Der Konkretismus ist eine Form unbewusster Informationsübermittlung über Verhaltensmuster und bildhafte (ikonische)

καρέκλες πίσω από τις πόρτες. Έτσι, χωρίς λόγο, χωρίς νόημα.“ Athanasiou, Υιός συμμορίτου (Banditensohn), 2003, S. 44. 125 „Αυτή τη σκηνή της φρίκης έχω προσπαθήσει να την αναπαραστήσω άπειρες φορές μέσα μου. Η φαντασία μου, όμως, θα πρέπει να ωχριά μπροστά σε οποιαδήποτε πραγματικότητα. Προτιμώ να αφήσω σε σένα αγαπητέ αναγνώστη και αγαπητή αναγνώστρια, στη δική σου φαντασία να σκεφθεί τι μπορεί να έγινε σε εκείνο το άθλιο αχυρώνα στο Μούλκι, το τέλος του Σεπτέμβρη του 1948, ανάμεσα σε έναν πρώην αντάρτη τριάντα δύο μόλις χρόνων και τους άθλιους βασανιστές του.“ Athanasiou, Υιός συμμορίτου (Banditensohn), 2003, S. 121 f. 126 Siehe dazu Kapitel 2 von Lena Viemann im vorliegenden Band.

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Zeichensysteme, wobei die Übersetzung in explizit-­verbale Darstellungsformen nicht gelingt. Dieser Übersetzungsprozess wird erst möglich, wenn die Verarbeitung des Traumas gelingt und es beispielsweise zu Trauerprozessen kommt.127

Thomas Skassis, Ελληνικό σταυρόλεξο (2000; Griechisches Kreuzworträtsel) Der Roman von Thomas Skassis (*1953) zeichnet sich durch ein hohes Maß an Selbstreflexivität aus. Mit dem Mittel postmoderner Collagetechnik wird auf einer metanarra­ tiven Ebene der fiktionale Status des Romans hinterfragt und das Verhältnis ­zwischen Erinnerung, individueller und kollektiver Identität sowie z­ wischen Geschichte und Gedächtnis anhand intertextueller Verweise reflektiert. Dem Protagonisten aus Skassis’ Roman wird nachträglich bewusst, dass ihn die Abwesenheit des Vaters psychisch verstört hat. Er wird von den Geistern einer ihm unbekannten Vergangenheit gejagt und versucht, die ausgebliebene Kommunikation mit dem Vater durch Recherche zu kompensieren: „[…] er war es, der jetzt wie besessen Dinge recherchierte, die ihm niemand je erzählt hatte.“ 128 Er kombiniert recherchierte Erinnerungs- und Wissensstände mit Imaginiertem, um die Leerstellen der Vergangenheit zu füllen. Er ist sich seiner postmemorialen Position bewusst und reflektiert sie regelmäßig: „Er wollte, dass ihm jemand erzählte, dass ihm jemand helfe, das Chaos zu ordnen, und zwar mit dem einzigen Mittel, das es gibt: mit dem Wort. So würde er in Dingen erwachen, die er nicht erlebt hatte, aber an die er sich dann erinnern würde.“ 129 Nikos Davvetas, Η Εβραία νύφη (2009; Die Judenbraut) Die vergebliche Suche nach und gleichzeitige Furcht vor der historischen Wahrheit, die Zuverlässigkeit von Erinnerungen, Familiengeheimnisse und Identitätsprobleme spielen im erzählerischen Werk von Nikos Davvetas (*1960) eine zentrale Rolle. Seine Figuren bewegen sich in einem transgenerationalen Erinnerungsraum, wobei sie selbst nicht über (traumatische) Erfahrungen aus den 1940er Jahren verfügen. Vielmehr suchen sie aus einer postmemorialen Position nach persönlichem Zugang zu Erinnerungen von Zeitzeugen, recherchieren in Archiven oder studieren schriftliche und visuelle Dokumente, um die Vergangenheit rekonstruktiv aufzuarbeiten. Der Autor zählt zur Generation der Nachgeborenen und hat im Vorfeld für den Roman Η Εβραία νύφη (Die Judenbraut) 127 Fischer; Riedesser, Psychotraumatologie, 42009, S. 377. 128 „[…] αυτός ήταν που διάβαζε τώρα με μανία για κείνα που δεν του διηγήθηκε ποτέ κανένας.“ S­ kassis, Ελληνικό σταυρόλεξο (Griechisches Kreuzworträtsel), 2000, S. 121. Die Übersetzungen der Stellen aus dem Roman von Thomas Skassis stammen von Athanasios Anastasiadis. 129 „Ήθελε κάποιος να του διηγηθεί, να τον βοηθήσει να βάλει σε τάξη το χάος με το μόνο μέσο που υπάρχει: το λόγο. Έτσι θα ξυπνούσε μέσα σε πράγματα που δεν έζησε, αλλά πια θα τα θυμόταν.“ Skassis, Ελληνικό σταυρόλεξο (Griechisches Kreuzworträtsel), 2000, S. 547.

Trauma-­Repräsentationen in exemplarischen Bürgerkriegsnarrativen | 121

umfangreiche historische und psychotraumatologische Recherchen durchgeführt, um die Genese eines psychischen Traumas literarisch darstellen zu können.130 Die Rahmenerzählung des multiperspektivischen Romans handelt von der ­kurzen Affäre des primären Erzählers mit der mysteriösen Niki, die unter der dunklen Vergangenheit ihres Vaters leidet: Dieser hatte sich als Kollaborateur in der Besatzungszeit am Vermögen deportierter Juden aus Thessaloniki bereichert. Die Geschichte des Vaters weckt das Interesse des Erzählers und stimuliert ihn zugleich, die Vergangenheit seines eigenen, ihm fremd gebliebenen Vaters zu erforschen: „Schnell wurde mir aber bewusst, dass […] ich genau dasjenige über ihren Vater erfahren wollte, was ich über meinen eigenen nicht wusste.“ 131 Er sucht verschiedene Personen aus seinem f­ amiliären sowie aus Nikis Umfeld auf, um mit ihnen Erinnerungsinterviews zu führen. Die Binnenerzählung konstituiert sich aus den Berichten von sieben sekundären Erzählern (sechs Zeitzeugen und Niki), die sich vornehmlich auf Ereignisse von 1943 bis 1949 beziehen und offensichtlich Antworten auf seine Fragen sind. Der Text oszilliert ­zwischen der Erzählgegenwart des primären Erzählers und der erzählten Vergangenheit der sekundären Erzähler. Das zeitigt eine anachronische narra­ tive Struktur und verleiht dem Text fragmentarischen und episodenhaften Charakter. Der diskontinuierliche Prozess und die Lückenhaftigkeit von Postmemory werden also auf der Ebene des erzählerischen Diskurses reflektiert. Über den eigenen Vater erfährt der Protagonist erstmalig, dass er ein Opfer der wirren politischen Verhältnisse gewesen war: Auf der Verbannungsinsel Makronissos musste er eine Reueerklärung unterzeichnen und in der Endphase des Bürgerkriegs, entgegen seinen politischen Überzeugungen, auf Seiten der Regierungstruppen die Partisanen bekämpfen. Die Erfahrungen aus zweiter Hand stimulieren den Protagonisten, imaginative Kindheitserinnerungen zu konstruieren: „Mit Hilfe meiner Phantasie versuche ich eine Handvoll in Scherben zersprungener Bilder zusammenzufügen. Unbedeutende Erinnerungsfetzen, die sich mir quälend aufdrängen. Die Sache ist aber die, dass ich keine anderen habe.“ 132 Die intrusiven Erinnerungen quälen den Erzähler – ein Hinweis auf transgenerationale Traumatisierung.

130 Zur Rezeption des Romans siehe Kapitel 10 von Venetia Apostolidou im vorliegenden Band. Ausgewählte Literatur zum Roman: Gotsi, Το „τέρας“ (Das „Monster“), 2011; A ­ nastasiadis, Transgenerational Communication, 2012; Anastasiadis, Nicht die Deutschen, unsere eigenen Leute, 2015. 131 „Σύντομα όμως συνειδητοποίησα […] ότι τα πράγματα που ήθελα να μάθω για τον πατέρα της ήταν ακριβώς εκείνα που δεν γνώριζα για τον δικό μου.“ Davvetas, Η Εβραία νύφη (Die Judenbraut), 2009, S. 38 f. Die Übersetzungen aus dem Roman von Davvetas stammen von ­Athanasios ­Anastasiadis. 132 „Προσπαθώ να συνταιριάξω, με τη βοήθεια της φαντασίας, μια χούφτα κατακερματισμένες εικόνες. Ασήμαντες αναμνήσεις που επανέρχονται βασανιστικά. Το ζήτημα όμως είναι ότι δεν έχω άλλες.“

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Die wichtigste sekundäre Erzählerin ist Niki selbst, die dem Protagonisten häppchenweise aus ihrem Leben erzählt. Sie recherchiert ihrerseits in offiziellen Archiven in Deutschland, um sich Klarheit über die Täterschaft ihres Vaters zu verschaffen und nimmt sich schließlich in Berlin das Leben – es bleibt offen, in welchem Zusammenhang ihr Freitod mit den Ergebnissen ihrer Recherche steht. Die familiäre Situation geheimnisumwitterten Schweigens über die Tätervergangenheit des Vaters hat Niki transgenerational traumatisiert. Ihre erhöhte Reizbarkeit, ihre Identitätsverwirrung und ihre Anorexie können als Symptome einer Traumatisierung gedeutet werden. Sie arbeitet nachträglich die kriminelle Vergangenheit des Vaters auf und belastet sich stellvertretend mit massiven Schuld- und Schamgefühlen. Sie identifiziert sich mit den Opfern und versucht, sich ihnen äußerlich anzugleichen. Ihre Vergangenheitsbesessenheit spiegelt sich in den Fotos des Vaters im Badezimmer wider: Er ist zum Phantom geworden, sein Antlitz jagt sie jeden Morgen aufs Neue.

Narratologische Merkmale von literarischer Trauma-­Repräsentation Die literarische Verarbeitung des griechischen Bürgerkriegs als eine extreme Grenz­ erfahrung währt inzwischen sieben Jahrzehnte – und ein Ende ist nicht absehbar.133 In zahlreichen Texten werden zwar potentiell Trauma auslösende Situationen beschrieben, die Figuren weisen jedoch keine narrativ repräsentierten Symptome auf. In Nikos Kazantzakis’ 1963 posthum erschienenem Roman Οι αδερφοφάδες (Die Brüdermörder) z. B. wird das Scheitern des urwüchsigen Dorfpopen Jannaros erzählt, der im Dienst der christlichen Liebes- und Versöhnungsbotschaft mit einem riskanten Vermittlungs­ manöver ­zwischen rechten Regierungstruppen und linken Partisanen versucht, Zerstörung und Blutvergießen in seinem Heimatdorf zu beenden. Die zahlreichen Gewaltsituationen, an denen die Figuren als Täter, Opfer oder Zuschauer beteiligt sind, bleiben für sie ohne (narrativ repräsentierte) psychotraumatologische Konsequenzen. Interessanter sind s­ olche Narrative, die zwar keinen traumatischen Diskurs aufweisen, aber in denen auf der Ebene der erzählten Geschichte potentiell Trauma auslösende Situationen und Romanfiguren zusammen mit Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung beschrieben werden. Häufig betreffen diese Symptome den Komplex Erinnern und Vergessen. In Andreas Frangias’ Roman Άνθρωποι και σπίτια (Menschen und Häuser) aus dem Jahre 1955 z. B. werden das Schweigen über Erinnerungen an Davvetas, Η Εβραία νύφη (Die Judenbraut), 2009, S. 63 f. 133 Von 2009 bis 2016 sind weitere Bürgerkriegsnarrative publiziert worden, im Jahr 2016 z. B. die Novelle von Papaioannou, Κατεβαίνει ο Καμουζάς στους φούρνους (Kamouzas kommt zu den Öfen herunter).

Narratologische Merkmale von literarischer Trauma-­Repräsentation | 123

traumatische Ereignisse der Besatzungs- und Bürgerkriegszeit und ihre Verdrängung thematisiert. Ein heterodiegetischer Erzähler beschreibt aus narratorialer Perspektive in chronologischer Reihenfolge die psychosozialen Folgen der tabuisierten nahen Vergangenheit. Ein Protagonist aus Sotiris Patatzis’ 1978 publiziertem Roman Πένθιμο εμβατήριο (Trauermarsch) überlebt 1945 eine Hinrichtung durch rechte Paramilitärs. Seitdem wandelt er regelmäßig nachts „wie ein Geist“ ziellos durch die Gegend. Einerseits versichert der Erzähler, dass er sich sehr genau an die Hinrichtungsszene erinnern kann: Er erinnert sich ganz klar an seine Hinrichtung, als ob sie vor wenigen Stunden stattgefunden hätte: Er ging nach Sparta, um seine Waffen abzugeben, nach dem Krieg und dem Varkiza-­ Abkommen, aber auf dem Weg wurde er von rechten Banditen in ihre Gewalt genommen, und sie richteten ihn mit weiteren sechs Personen auf dem Friedhof eines Dorfes hin.

Andererseits setzt seine Erinnerung nach dem Schießbefehl aus: Jemand von ihnen rief den anderen „Feuer“ zu, mit feuchter und heiserer Stimme. Er erinnert sich an nichts Weiteres. Als er wieder auf die Welt zurückkehrte, befand er sich in einem Bauern­haus vor einem Kamin liegend.134

Im Mittelpunkt der obigen Ausführungen standen Narrative, die auf der Ebene der erzählten Geschichte potentiell Trauma auslösende Situationen und auch Figuren mit Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung beschreiben und in denen ein traumatischer Diskurs inszeniert wird. Diese Texte weisen – zuweilen im Verein mit einer spezifischen Ästhetik – bestimmte narratologische Merkmale auf, die bei literarischer Traumadarstellung häufig Anwendung finden und dem Genre trauma fiction zugeordnet werden können. Die Autoren entwickeln durch Selektion und Kombination literarischer Verfahrensweisen der Moderne und der Postmoderne spezifische narrative Vermittlungsstrategien, um traumatische Erfahrungen literarisch zu repräsentieren. Texte, die Träger eines traumatischen Diskurses sind, weisen spezifische narratologische Merkmale auf. Ein zentrales Merkmal von Traumanarrativen ist, dass nicht die Fakten und die Ereignisse an sich, sondern die Erinnerung an diese Ereignisse bzw. die Rekonstruktion und das Zusammenführen von Erinnerungsfragmenten zu einem – mehr oder 134 „…τη θυμάται την εκτέλεσή του πεντακάθαρα σα νάγινε πριν από λίγες ώρες: πήγαινε στη Σπάρτη να παραδώσει τον οπλισμό του, όταν τέλειωσε ο πόλεμος και έγινε η Βάρκιζα, αλλά τον έπιασαν στο δρόμο συμμορίτες της δεξιάς και τον εκτελέσανε στο νεκροταφείο κάποιου χωριού μαζί με άλλους έξι. […] Κάποιος από δαύτους φώναξε στους άλλους: «Πυρ», με φωνή υγρή και βραχνιασμένη. Τίποτ’ άλλο δε θυμάται. Όταν ξαναγύρισε στον κόσμο, βρισκότανε σ’ ένα χωριάτικο σπίτι ξαπλωμένος κοντά στο παραγώγι.“ Patatzis, Πένθιμο εμβατήριο (Trauermarsch), 1978, S. 22 f. Die Übersetzungen aus dem Roman von Patazis stammen von Athanasios Anastasiadis.

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weniger – kohärenten Narrativ im Mittelpunkt des erzählerischen Vorgehens stehen. Die Texte illustrieren, dass Erinnerungen zuweilen trügerisch sein können, dem W ­ andel unterliegen und disparat sind; das Gedächtnis bringt keine perfekten Abbilder der Vergangenheit hervor. So werden die veränderte Erinnerungsfunktion und die durch Amnesie und Verdrängung bedingten Erinnerungsverzerrungen nach traumatischen Erfahrungen veranschaulicht. Ein weiteres typisches Merkmal ist das Erzählen über das Erzählen. Der Erinnerungsprozess der Figuren wird in den Texten inszeniert, und der Erzählprozess dabei reflektiert. Ein Beispiel: Aus seinen narratologischen Reflexionen geht hervor, dass der autodiegetische Erzähler in Chronis Missios’ … καλά, εσύ σκοτώθηκες νωρίς (… gut, du bist rechtzeitig ums Leben gekommen) sich seiner traumatisierten Erzählweise bewusst ist, er aber offenbar nicht im Stande ist, sie zu kontrollieren. Die Erzählinstanzen können zuweilen unzuverlässig sein: In Pavlos Matessis’ Roman Η μητέρα του σκύλου (Die ­Mutter des Hundes) ist die Unzuverlässigkeit der homodiegetischen Erzählerin sogar medizinisch dokumentiert, und sie gesteht ihrem Adressaten, an einigen Stellen gelogen zu haben. Die kollektive Dimension des Bürgerkriegs manifestiert sich nicht zuletzt in der Tatsache, dass traumatische Erfahrungen selbst für physisch nicht betroffene Individuen von Bedeutung sein können (Postmemory). Auch Unbeteiligte oder Nachgeborene ohne unmittelbare Gewalterfahrung werden in Traumanarrativen von der Vergangenheit verfolgt. Texte, die s­ oziale und psychische Folgen Unbeteiligter oder transgenerational Traumatisierter ohne eigene Erinnerungen an die Ereignisse aus einer postmemorialen Perspektive zum Gegenstand haben, weisen spezifische narrative Strategien auf, die typisch für europäische Autoren der Postmemory-­Generation sind.135 Die Autoren fokussieren auf den Rekonstruktions- und Vermittlungsprozess einer unbewältigten Vergangenheit, und ihre Werke thematisieren durch Bündelung polyphoner Erzähl­instanzen Identitätssuche und Identitätsprobleme der Generation der Nachgeborenen. Die Texte loten das Verhältnis z­ wischen individuellem, kollektivem, kommunikativem und kulturellem Gedächtnis aus oder machen die Vielfalt und Widersprüchlichkeit der Vergangenheitsdiskurse sichtbar. Exemplarisch für s­ olche literarischen Verfahren ist das Werk von Nikos Davvetas. In seinem 2006 erschienenem Roman Λευκή πετσέτα στο ρινγκ (Das weiße Handtuch in den Ring) reflektiert der Erzähler pointiert die Wahrheitssuche aus postmemorialer Position sowie die daraus resultierenden poetologischen Konsequenzen: Ich fühle mich zum ersten Mal wie ein Gerichtsmediziner, der ein Massengrab aushebt. Ich grabe in die Erde und bringe Scherben, Funde zerstückelter Leichen, die hastig eingegraben

135 Vgl. Anastasiadis, Transgenerational Communication, 2012.

Narratologische Merkmale von literarischer Trauma-­Repräsentation | 125

wurden, ans Licht. Ich suche nach einem charakteristischen Stofffetzen, einem Zahn, einem Haarbüschel, nach Teilen der Wahrheit, die es mir erlauben vollständige Präsenzen wiederherzustellen, Menschen, die ihre Stimme verloren haben, lange bevor ich geboren wurde und nun durch mich ihr Schicksal erzählen wollen.136

In einigen Texten ist die Zeitdauer, die der textinterne Erzählvorgang als solcher in Anspruch nimmt, relativ deutlich markiert (Erzählerzeit). Wieder andere bieten Analoga zur Erzählerzeit.137 Das trifft insbesondere auf die Texte zu, die einen textinternen Adressaten konstruieren, an den sich die Erzählung richtet. Der Adressat fungiert gleichsam als empathischer Zuhörer des traumatisierten Erzählers. Die Erzählerzeit erlaubt Rückschlüsse auf Zusammenhänge ­zwischen Erzähl- und Traumatisierungs- bzw. Heilungsprozess. Der Narrations- und Erinnerungsakt mündet idealtypisch in die Heilung eines Traumas – was in den Bürgerkriegsnarrativen eher selten der Fall ist –, oder er führt zumindest zu einer Rekonstruktion dissoziierter Erinnerungen an traumatische Situationen. Der autodiegetische Protagonist aus Missios’ Text z. B. erzählt sich seine Geschichte in einer Nacht von der Seele; es bleibt allerdings offen, ob mit dem Narationsprozess eine Heilung einhergeht. Die Protagonistin aus Matessis’ Roman erzählt ihre Lebensgeschichte dem Thera­ peuten, womit zumindest textintern eine therapeutische Wirkung erzielt werden soll; auf diese Weise erlangt sie verdrängte Erinnerungen an ihr Kindheitstrauma zurück. In Thanasis Skroumbelos’ Roman Bella Ciao befähigen die Gespräche mit Poli den Prota­ gonisten Timothy dazu, seine Amnesie zu überwinden und dissoziierte Erinnerungen in seine Lebensgeschichte zu integrieren. Freilich kann die narrative Vergegenwärtigung traumatischer Erfahrungen auch bereits vorhandene Symptome verstärken, einen traumatischen Prozess auslösen und schließlich destruktiv wirken. Der anonyme Erzähler aus Aris Alexandrous Roman Το Κιβώτιο (Die Kiste) wird sich im Narrationsprozess seiner Täterschaft bewusst und fordert am Ende seine eigene Hinrichtung.138 Unabhängig davon, ob es sich um eine auto-, homo- oder heterodiegetische Erzählinstanz handelt, ist die Perspektive figural, also an die Position einer bestimmten Figur gebunden. Damit werden die Subjektivität und das Enigmatische traumatischer Situationserfahrung betont, die häufig mit einem veränderten Zeit-, Raum- und Selbsterleben

136 „Νιώθω για πρώτη φορά σαν ιατροδικαστής που ανασκάπτει κάποιο μαζικό τάφο. Σκάβω το χώμα, φέρνοντας στο φως θραύσματα, ευρήματα από διαμελισμένα πτώματα παραχωμένα στα βιαστικά. Αναζητώ ένα χαρακτηριστικό κουρελάκι, ένα δόντι, μια τούφα μαλλιά, κομμάτια της αλήθειας που θα μου επιτρέψουν να αποκαταστήσω ολάκερες παρουσίες, πρόσωπα που έχασαν τη φωνή τους πολύ πριν γεννηθώ και τώρα θέλουν μέσα από μένα να αφηγηθούν τη μοίρα τους.“ Davvetas, Λευκή πετσέτα στο ρινγκ (Das weiße Handtuch in den Ring), 2006, S. 94. Übersetzung von Athanasios Anastasiadis. 137 Siehe auch unten, S. 166 – 168. 138 Siehe dazu Kapitel 6 von Ulrich Moennig im vorliegenden Band.

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einhergeht. Charakteristisch sind ebenfalls assoziative Darstellungen mentaler Prozesse in Form von Bewusstseinsberichten, die das Fragmentarische der Erinnerung an die traumatische Situation illustrieren und die psychisch verstörten Stimmen der Figuren hörbar werden lassen. In Melpo Axiotis Roman Εικοστός αιώνας (Zwanzigstes Jahrhundert) – erzählt von einem heterodiegetischen Erzähler – geht die Darstellung der Innenwelt und die Illustration des Erinnerungsprozesses der Protagonistin mit Techniken der erlebten Rede und des inneren Monologs einher. Der heterodiegetische Erzähler in Kotzias’ Roman Πολιορκία (Belagerung) schildert mentale Prozesse, Paranoia, Hypervigilanz und Albträume des traumatisierten Protagonisten aus figuraler Perspektive. In Tatjana Gritsi-­Milliex’ heterodiegetisch erzähltem Roman Και ιδού ίππος χλωρός (Und siehe, ein fahles Pferd) offenbaren lange Gedankenzitate sowohl eine traumatisch verzerrte Raum- und Zeitwahrnehmung als auch das gestörte Selbst- und Weltverständnis durch das Prisma der Protagonistin. In Dimitra Petroulas Που ’ναι η μάνα σου μωρή; (He, Du, wo ist deine M ­ utter?) erzählt die homodiegetische Erzählerin Jahrzehnte später von dissoziierten traumatischen Kindheitserfahrungen aus der figuralen Perspektive des erlebenden Ich und nicht vom Standpunkt des distanzierten, gereiften erzählenden Ich. Psychische Nachwirkungen einer traumatischen Situation können zeitversetzt eintreten, auch durch nachträgliche Umdeutung von Erinnerungen. Das Gestaltungsmittel ineinander verschachtelter narrativer Zeitebenen, wie es z. B. in Nikos Bakolas’ Roman Καταπάτηση (Widerrechtliche Aneignung) oder in Dimitris Chatzis’ Roman Το διπλό βιβλίο (Das doppelte Buch) zur Geltung kommt, korrespondiert mit solchen Prozessen. Ein dominantes Merkmal von Traumanarrativen bildet die häufige Unterbrechung der chronologischen Ordnung durch Analepsen (und seltener Prolepsen). Die Zeitgestaltung ist von Anachronien gekennzeichnet, durch die sich bestimmte Traumasymptome wie Intrusionen, von denen die Figuren in Form intrusiver Erinnerungen, Albträumen oder Flashbacks heimgesucht werden, auf der Ebene des erzählerischen Diskurses vermitteln lassen. Die häufigen, ­kurzen Analepsen in Gritsi-­Milliex’ Roman stehen in Beziehung zur seelischen Erschütterung der Protagonistin und erschweren zugleich kausale und temporale Zusammenhänge auf der Ebene der erzählten Geschichte. Die komplexe Verschränkung von Prolepsen und Analepsen in Missios’ Text machen die chronologische Anordnung der Geschehnisse auf der Ebene der Geschichte schwer rekonstruierbar und bilden so auf der Ebene des Diskurses einen traumatisierten Erinnerungs- und Narrationsprozess ab. Die durch Verschränkung von Analepsen und Prolepsen bedingte anachronische Struktur spiegelt den mäandernden Erinnerungsprozess der Erzählerin in Pavlos Matessis’ Roman wider. Der traumatisierte Narrationsprozess wird in Alexandrous Roman durch Analepsen veranschaulicht, die in ihrem Umfang und ihrer Reichweite variieren und die Chronologie der Ereignisse auf der Ebene der Geschichte permanent durchbrechen.139

139 Siehe dazu Kapitel 6 von Ulrich Moennig im vorliegenden Band.

Narratologische Merkmale von literarischer Trauma-­Repräsentation | 127

Geschichten vom griechischen Bürgerkrieg, die durch spezifische narratologische Merkmale einen traumatischen Diskurs konstituieren, entstanden bereits vor der offiziellen Anerkennung der posttraumatischen Belastungsstörung als Krankheit (1980) und dem „traumatic turn“ in den Kulturwissenschaften der 1990er Jahren. Solche Traumanarrative stellen selten kausale und temporale Zusammenhänge her, sondern fordern vielmehr den Leser selbst auf, ­solche Zusammenhänge zu rekonstruieren. Die am griechischen Paradigma herausgearbeiteten Parameter der narrativen Kodierung von Grenzerfahrungen sind auch auf Trauma-­Repräsentationen im Kontext anderer historischer Konstellationen und Erinnerungskulturen übertragbar.

Kerstin Jentsch-­Mancor

4. Historiographic metafiction, historical culture and social memory in three novels by Matessis (1990), Davvetas (2006) and Faïs (2010) Fiction inspired by war has undoubtedly dominated much of modern Greek novelistic discourse and authors have only too eagerly heeded the ubiquitous, critical demand that literature should bear witness to recent historical events.1 This served, apart from commemorating the dead and stimulating historical consciousness, to create the basis for a collective identity that could be transmitted to successive generations. The question arises how the civil war impacted this trend. The long history of modern Greek testimonial and documentary fiction indicates that a participatory, fundamentally historical culture existed in Greece where experiences of ordinary people caught up in historical events that touched the entire nation could be shared and compared, especially in the absence of historical equivalents.2 This constituted a dynamic process, in which, alongside historiographers, literary writers and their readers, by extension, did not merely provide an alternative form of history, but assumed the role both of actors in and observers of history.3 This was only possible, since a clear ontological dividing line between fact and fiction, similar to the one prominent in the Anglo-­Saxon and American debates, was not perceived in Greece. After all, history, which was never ascribed the role of the sole touchstone of truth about the past, was traditionally taught by philologists.

1 Beaton, Introduction, 2004, p. 284. 2 For the concept of a participatory historical culture see Thelen, Afterthoughts, 1998. F ­ ictional testimonies appeared in Greece ever since the War of Independence, primarily in the wake of the First World War, the Asia Minor Disaster in the 1920s, but also in the aftermath of the German occupation and the Greek civil war in the 1940s and 1950s and the dictator­ship of the junta in the mid-1970s and 1980s. Among the most memorable examples are the fictional testimonies of the Asia Minor debacle, such as Stratis Doukas, Ιστορία ενός αιχμαλώτου (1929; History of a Prisoner of War; Geschichte eines Kriegsgefangenen); Ilias Venezis, Το νούμερο 31328 (1924; The Number 31328; Die Nummer 31328) and Dido Sotiriou, Ματωμένα χώματα (1962; Bloodied Earth; Blutige Erde). These were primarily oral testimonies that were documented by authors to apparently allow events “to speak for themselves”. They united Greeks in their self-­understanding and manifested a relatively coherent sense of continuity and identity. 3 Thelen, Afterthoughts, 1998, p. 199.

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The “ideal” of such a participatory historical culture, however, could only fully function as long as history itself was not politicized, as in the aftermath of the Occupation and the civil war, for example.4 A veritable “history war” was being waged for several decades to come, initially known as the anti-­communist “white terror” that was ­followed by a populist leftward swing during the 1980s. This illustrated not only that any claim to “truth”, that is, any totalizing view of history was ultimately untenable, but also resulted in a general distrust of historiography. The sad state of the Greek archives, the non-­availability of the largest part of the archives of the Communist Party and the destruction of the country’s collective memory only compounded this “crisis of representation”: the burning of millions of personal files held by the police and related state documents concerning both the civil war and the postwar period in celebratory bonfires all over the country in the summer of 1989 in the name of national reconciliation.5 What was the value of history if the very sources it relied on, namely historical records, could be so blatantly distorted, withheld or destroyed while others ignored the experiences of large parts of the population?6 Rather than a common resource that could be democratically shared, history became a struggle among claims to authority. Observers often found themselves in a position to have to choose between the authenticity of someone’s memories and the accuracy of written sources recovered by historians.7 Consequently, the construction of the past, instead of providing an opportunity for dialogue and mutual understanding, became a ground for suspicion and division. At least until the late eighties, official discourse was the result of an attempt to fashion a single agreed narrative that was to represent the truth about the civil war and that rejected the free articulation of differing interpretations.8 This resulted, with a few exceptions, some of which were ideologically biased, in what I believe amounts to a conspicuous three-­decade long silence on the part of literary authors. It is not surprising then that in the wake of these developments, Greek authors began to substitute an ideologically motivated narrative by a metafictional one, foregrounding a discussion within their works about the representation of the historical past itself rather than attempting to reconstruct the facts. With the exception of novels such as Aris Alexandrou’s Το Κιβώτιο (1975; The ­Mission Box; Die Kiste) or Alki Zei’s Η αρραβωνιαστικιά του Αχιλλέα (1987; Achilles’ Fiancée; Die Verlobte des Achilles), it was not until the 1990s that the notion of historical reality as 4 5 6 7 8

Olick; Robbins, Social Memory, 1998, p. 119. Kalyvas, Civil War in Retrospect, 1999, p. 11. Anastassiadis, Le people n’oublie pas, 2009. Thelen, Afterthoughts, 1998, p. 190. On the whole, in the three decades following the civil war, the political climate was such that authors merely dealt with the subject matter in terms of the German occupation while ­avoiding to thematize the outright civil war.

Historiographic metafiction, historical culture and social memory | 131

an autonomous, absolute and given entity, which had been cultivated by the ­polarized political and ideological climate, began to be challenged by Greek writers.9 These novels, which were written from the point of view of the Left, began to subvert absolute versions of the civil war, laying the groundwork for the “metafictional discussion” that ensued with respect to the construction and transmission of historical knowledge as well as the relationship between history, memory and identity within Greek fiction that spawned new trends in the literary representation of the Greek past. History, like literature, it was argued, was but a human construct and therefore plural, provisional and debatable.10 Attention was shifted from the reconstruction of past events to its transmission and social communication in the present. This served as an attempt to establish an organic link between the past and the present especially with respect to successive generations.11 The work of art was thus no longer perceived as a closed, autonomous object, but as a social arena where knowledge about the past (the world) is generated and transformed comparable to what social psychology terms “social representations”.12 Thus, the literary representation of history, which now re-­envisioned a fundamentally participatory historical culture, revolved around issues concerning the construction, transformation and transmission of the historical past. In this paper, it will be argued that Greek novels about the civil war published ­between 1990 and 2010 manifest characteristics of what Linda Hutcheon has termed postmodernist “historiographic metafiction”.13 As a whole, these novels are understood to render the very quality of an ongoing dialogue on the issue of historical knowledge per se. In particular, the possibility of representing monolithic, absolute notions of “reality” and “truth” are questioned through intense self-­reflexivity and overtly parodic intertextuality.14 For this purpose, three novels will be discussed in detail, which delineate the most recent manifestations of the representation of the Greek civil war in 9 This concept had already been advanced by Hayden White and Paul Veyne during the 1970s and 80s. 10 The timing is, I believe, not coincidental, as the end of the junta was followed by a populist wave that encouraged leftwing writers to articulate their, albeit often self-­critical, viewpoints of the past. It was thus not until both the Right and the Left had had a chance to revisit the past that authors turned towards metafictional issues. 11 On the historiographic front, this discussion was complemented by a new wave of revisionist interpretations of the civil war. Moreover, the viewpoint was adopted that reconciliation in a society could only be achieved when perceived injustices were righted and the free articulation of differing interpretations of the past by both the left and the right were admitted within a democratic environment. See Siani-­Davies; Katsikas, National Reconciliation, 2009. 12 See for example, Moscovici, Social Representations, 2001. 13 Hutcheon, Politics of Postmodernism, 2002. 14 Hutcheon, Postmodern Problematizing of History, 1988; Hutcheon, Historiographic Metafiction, 1989.

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fiction, namely Pavlos Matessis’ Η μητέρα του σκύλου (1990; The Mother of the Dog; Die ­Mutter des Hundes),15 Nikos Davvetas’ Λευκή πετσέτα στο ρινγκ (2006; White Towel in the Ring; Das weiße Handtuch in den Ring) and Michel Faïs’ Πορφυρά Γέλια (2010; Purple Laughter; Purpurnes Gelächter). Their renderings of the past furthermore imply that, despite the current, overall trend towards introversion and globalization, the discussion of the past and the civil war in particular is still relevant, even if no longer in the forefront in the contemporary Greek literary debate, especially considering the Greek economical crisis that began in 2009.16 The discussion employs an intertextual approach that draws on, apart from the notions of Hutcheon’s “historiographic metafiction”, Maurice Halbwachs’ concept of history versus collective memory and the more recent trends of what has been termed cultural memory studies.17 According to Hutcheon, postmodernist historiographic metafiction represents documentary historical actuality through a combination of intense formalist self-­ reflexivity and ironic parody in order to undermine the notion that history can be merely mirrored mimetically or subjectively projected.18 Accordingly, representation now self-­consciously acknowledges its existence as representation, that is, as interpreting (indeed as creating) its referent, not as offering direct and immediate access to it.19 This further supports the idea that not only literature, but also history can be regarded as human constructs.20 In order to illustrate this point, historiographical metafiction employs the use of ironic parody of both genre and specific works. The practice of citing intertexts of both the world and fiction in a way that questions their validity in the present highlights the inevitable infiltration of prior discursive practices and the infinity of new contexts.21 ­Thereby the boundaries that conventionally separate history and fiction are contested and the text is opened up to multiple, provisional meanings. In addition, while the value and limitation of this discursive form of knowledge is emphasized, the ­inevitable textuality of our knowledge is further underlined.22 Since the past is irremediably t­ extualized, i. e. constructed, the overt self-­reflexivity and intertextuality of historiographic metafiction

15 Deutsche Übersetzung von Birgit Hildebrand: Die Tochter der Hündin, München; Wien: Carl Hanser, 2001; englische Übersetzung von Fred A. Reed, The Daughter, London: Arcadia Books, 2002. 16 Mackridge and Yanakakis, Contemporary Greek Fiction, 2004, p. 2 f. 17 Olick; Robbins, Social Memory, 1998. 18 Hutcheon, Politics of Postmodernism, 2002, p. 7. 19 Hutcheon, Politics of Postmodernism, 2002, p. 32. 20 Hutcheon, Historiographic Metafiction, 1989, p. 2. 21 Hutcheon, Historiographic Metafiction, 1989, p. 5. 22 Hutcheon, Historiographic Metafiction, 1989, p. 6. Hutcheon refers to Barthes’s idea that every story tells a story that has already been told.

Historiographic metafiction, historical culture and social memory | 133

suggests that we can only “know” the past through its (historical and literary) traces, that is, our narratives of it.23 This theoretical approach also suggests that knowledge about the past is not restricted to its eye-­witnesses. On the contrary, the representation of the past is understood as an evolutionary, dialogic process that allows successive generations to create an organic link with the past. It will be demonstrated in the following that the three novels under discussion c­ learly manifest characteristics of historiographic metafiction as defined above and collectively enter such an intertextual dialogue on the historical past of the Greek civil war. Matessis’ novel, Η μητέρα του σκύλου (The Mother of the Dog; Die ­Mutter des Hundes) deals with the story of the sixty-­two year old protagonist and former actress Rubini Meskari, who prefers to be known by her stage name Raraú.24 The protagonist is clearly traumatized by her experiences of the occupation and the civil war, which she locates in her native village of Epalxeis (“bulwarks”), whose real name, however, she wishes to conceal. The central scene, the incident that is described as the most traumatic of all, is the public humiliation of her mother and herself by fellow villagers in a parade that takes place in her village after the liberation and that is designed to ostracize “collaborators” – Greek women who offered themselves as prostitutes to Italian soldiers. As a consequence of this event during which the protagonist “barked like a dog” – hence her adopted nickname Raraú and the novel’s title – both mother and daughter lose their sanity. More strikingly still, the narrator deliberately omits any direct representation of the civil war. The latter is only depicted during its early stage of the occupation in a single scene of an apparently minor skirmish between a group of communists and members of the right-­wing Security Battalions. Otherwise it is only referred to as a time reference. This deliberate omission points to the protagonist’s even greater, repressed trauma experienced during the civil war. At the same time, attention is drawn to the surprising omission on a textual level, given the year of the novel’s publication. As I shall argue in the following, this omission is employed strategically in order to question the possibility of reconstructing the past in an objective way, as the only available sources to the reader, here an eyewitness account, are shown to be unreliable. As such it is reminiscent of Aris Alexandrou’s technique. For this purpose, the text deconstructs the functions of plot, character, perspective, time and language, thereby self-­reflexively drawing attention to the constructive nature of representation. This constitutes, at the same time an ironic parody of both positivist notions of historiography as well as the tendency of previous authors of historical events (historical novels, fictional testimonies) to convey objective versions of historical truth that found

23 Hutcheon, Historiographic Metafiction, 1989, pp. 2, 7. 24 See also chapter 3 by Athanasios Anastasiadis in the present volume.

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expression in an unadorned, realist form. As a result, the blurred boundaries between history and fiction and the inevitable infiltration of prior discourses highlight the act of narration and recreation.25 The protagonist’s account of the impact of historical events on her life, while clearly alluding to the tradition of literary testimonies, blatantly subverts its conventions. While the narrator uses a confessional tone, makes detailed, referential claims and employs, like Ilias Venezis’ novel, Το νούμερο 31328 (1924; The Number 31328; Die Nummer 31328), a focalization through the protagonist’s perspective in an apparent effort to guarantee the immediacy, authenticity and veracity of the events narrated, literary strategies are ultimately employed to destroy the illusion of reality altogether.26 Matessis’ protagonist neither understands it as her moral duty to testify to past events, nor is she mentally in a position to do so. In the course of the novel, the ­reader becomes gradually aware that she suffers from full-­blown insanity and that she is, there­ fore, in contrast to previous literary testimonies, no longer representative of society as a whole, but of a marginalized minority. For example, Rubini is content to wall herself off from others and from life and to experience the freedom from debt and duty: “I’m fortunate and happy. Got no one to worry about, no one to love, no one to mourn […]. Fortunately, I’m so fortunate”.27 In addition, she unashamedly exhibits the egocentric, naive and restricted viewpoint of a child that is unable to see beyond the boundaries of its own existence. An automaton, she internalizes the prejudices and dominant discourses found in society, arbitrarily praising nationalists, even the most opportunistic and corrupt ones, such as the doctor-­turned-­politician Manolaros, and denigrating communists. The protagonist’s repeatedly expressed refusal to engage with the world around her both past and present in an honest and critical way excessively reduces and simpli­ fies the presentation and interpretation of events, as if to empty the novel of its historical referent.28 Hence, the presentation that is dependent on the sole perspective of an insane character to gain access to the past, challenges the possibility of ­reconstructing the past not only in an objective way, as Hutcheon points out, but also in a meaningful way.29

25 Tziovas, Το Παλίμψηστο (Das Palimpsest), 2002, p. 251. 26 See Nikolopoulou, Pyramid 67, 2004, p. 212. This is reminiscent of Alexandrou’s famous technique of retelling the same story while unravelling it. 27 “Είμαι ευτυχής και τυχερή. Άνθρωπο δεν έχω να φροντίσω, ν’ αγαπήσω η να πενθήσω […] Ευτυχώς είμαι ευτυχής”, Matessis, Η μητέρα του σκύλου (The Mother of the Dog; Die ­Mutter des Hundes), p. 2 in the translation by F. Reed. 28 This, according to Delanty, Modernity and Postmodernity, 1999, pp. 134, 137, is c­ haracteristic of aesthetic postmodernism, a literary trend that deconstructs totalizing narratives. 29 Hutcheon, Politics of Postmodernism, 2002, p. 32.

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In this way, the Western humanist belief in a centred subjectivity and a conscious self that generates texts, meanings, and a substantial identity is clearly subverted.30 This explains why the narrator’s role of reconstructing the past and the authority that the protagonist is charged with as an autodiegetic narrator is gradually undermined by the continuous interruptions of an additional number of heterodiegetic narrators, such as one of the prostitutes who, too, was publically shamed during the parade. This uncommonly heavy-­handed device is further compounded by the fact that her initially seemingly coherent account is pervaded by exaggerations, contradictions and admitted untruths that stand in sharp contrast to the use of a confessional tone which is employed to inspire confidentiality. For example, the protagonist presents herself as a gifted actress and a femme fatale. This portrayal is proven false both by her own admissions of dismissal and rejection and by the psychiatrist’s report that confirms her to be a virgin. Thus the perspective of a truthful, authentic self at the centre of the narration is conspicuously absent. This, furthermore, transmutes the act of witnessing into a representation-­as-­ construction, a theatrical “play” or farce with the negative connotations of play, make-­ belief, insincerity, mockery and deceit and is further emphasized by the “stage name”, Raraú. Hence, Rubini’s putting on a mask and assuming a role in order to conceal and mislead rather than to reveal and inform functions as a dual ironic parody of both the factual genre and its fictional derivatives.31 Therefore, the narration, that is supposedly employed to testify to an external r­ eality, points via the diegesis back to itself. We thus notice here an ironic reversal of the function of mimesis itself with respect to the ontologically different levels of fact and fiction. While conventionally testimonial fiction is employed to render the world of fact in a plausible way, here, fiction is employed to deliberately destroy the fictitious illusion and expose it as fabrication. In this way, the author not only deconstructs conventional narrative discourse, but also exposes the mechanisms by which its construction is conventionally hidden and “naturalized”. As a consequence, the reader is left with fragmentary, unverifiable discourses of the past that, in addition, shatter the “contract” of verisimilitude. The question arises if these fragments bear any referential significance. As will be demonstrated, the deconstruction of traditional fictional devices opens up new possible interpretations. A variation on the subversion of a coherent and objective narrative of the past can be found with the quasi-­omission of the representation of the civil war, as mentioned above. The protagonist does not simply omit references to the civil war, but alludes to it only in an indirect way that is indicative of the traumatic neurosis she is treated for by her psychiatrist. In Freudian psychoanalytical terms, the 30 Hutcheon, Politics of Postmodernism, 2002, pp. 32, 36. 31 Again, the author plays with different fictional levels here. The already fictional character assumes a fictional role within the novel, which has the effect of what Gide calls a mise en abîme. It is the effect of infinite regression that reflects the theme of madness and relativity.

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trauma of the civil war is repressed in the patient’s subconscious mind and can only be dealt with through verbalization. In this context, the scene of the skirmish between communists and members of the Security Battalions can be interpreted, similar to a Freudian “dream-­text” and its condensation, in particular, to function as a metaphor of the parade.32 According to Freud, condensation refers to the fact that the manifest dream has a smaller content than the latent one and thus constitutes an abbreviated translation of it.33 Thereby different elements are condensed into a composite structure and superimposed, thereby allowing for signification. Here, the scene of the guerrilla attack is fused or condensed into one with images from the parade, portraying the latter as a symbol for the nature of civil war. The scene of the bombardment of the villagers by guerrilla rifle shots and mortars of the first scene is “condensed” by the “organic missiles”, such as foul eggs and tripes, by which the women collaborators are being bombarded in the scene of the parade. In addition, the open tripes, in turn, allude to the bodies of members of the Security Battalions that are cut open. The image of the slaughterhouses that provide the ­“missiles” for the parade alludes back to the image of the mortars that are compared to a butcher’s meat grinder in the scene of the guerrilla attack. Consequently, the images of the scene of the parade become metaphors of carnage and blood that are identified with those of the guerrilla bombardment. Thus, in the subconscious mind of the prota­gonist who registers these images, civil war and parade become superimposed. By substituting a group of signifiers for another within a wider context, what Lacan called a “chain of signifiers”, meaning is not merely displaced and ultimately suspended, but new ­meanings (signified) are created that can be traced back to the original signifier.34 Thus, instead of recording a series of historical events, the trauma of the civil war is condensed into a single scene of the past as experienced by the protagonist that needs to be decoded by the reader. The parade is indelibly linked to the civil war and the intention of eliminating the despised other, who does not conform to the political, moral or religious beliefs and values of a social group or faction. Epalxeis is thus representative of a recognized ­centre of authority which decrees what does and does not constitute knowledge, what is acceptable, and what defines the community. Consequently, there is little tolerance for variation and change and attempts of dissent that propose alternative views, are eradicated.35 The parade itself becomes a symbol of the aggression of a dominant group 32 The two scenes I am referring to can be found: Matessis, Η μητέρα του σκύλου (The Mother of the Dog; Die M ­ utter des Hundes), pp. 145 – 151 (translation by F. Reed: pp. 121 – 127) for the guerilla attack, and pp. 160 – 164 (translation: pp. 135 – 139) for the parade. 33 Freud, Psychoanalysis, 1991, p. 205. 34 Lacan’s work is based on that of Freud. On metaphor see Lacan, Écrits, 1966, p. 321. 35 Jovchelovitch, Knowledge in Context, 2007, pp. 91 – 93.

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against a minority of the same society in an attempt to control diverging viewpoints and behaviours. This form of social warfare, which takes place in the present, proves even more traumatizing than both the attacks by the foreign aggressor and the clashes between ideological factions. While the first scene of clashes between different ideological groups may have threatened Rubini’s life just like the attacks by German soldiers, the scene of the parade represents a lethal attack on her very being, causing her mental derangement. In this way, the novel thus redirects the reader’s attention to how members of society are dealing with the memory of the civil war in the present. While the reader may find new meaning in the a-­temporal, dream-­like text characterized by omission, condensation, obscurity and connotation, the protagonist herself has, in postmodernist fashion, lost the power to reshape, create or transmit her past and, with it, the ability to orient herself in the present and to construct personal and social identity. She “pays” for this weakness with her self-­imposed physical entrapment in her apartment and her social isolation in general. In this way, the protagonist’s loss of orientation and memory becomes the starting point of possible new meanings that transcend the totalizing narratives of the past. The locus of meaning is thus transferred from the author-­text to the reader-­text relation and, with it, from the reconstruction of historical events to the reconstructive imagination and interpretation of the historical past from the viewpoint of the present. I thus argue against Yiorgos Thalassis 36 that postmodernist historiographic metafiction does not merely empty the signifier and the novel of its content and meaning. On the contrary, I contend that while drawing attention to the constructed nature of both historical and literary discourses, it acknowledges the meaning-­making function of both systems.37 In this way, Matessis paves the way for the admission of perspec­tives, such as those of repressed minorities, that are deemed invalid or insignificant, to be admitted in the interpretation of the collective past. Furthermore, with the aid of farce, humour, parody and grotesque language, play as intensified by performativity in the novel highlights both the constructed nature of the text and self-­reflexively challenges official culture’s claim to authority, stability, sobriety, immutability and immortality.38 The multiple perspectives of both the autodiegetic and the heterodiegetic narrators that are admitted, interact and negotiate between a wished-­for-­future and a rehearsable, therefore changeable past. Consequently, distinctions between true and false, real and unreal can no longer be made. The presentation thus does not serve to present events to “speak for themselves”, but liberates the narrator from all conventions to speak for herself. Consequently, ironic parody here is employed

36 Thalassis, Denial, 1992. 37 Hutcheon, Postmodern Problematizing of History, 1988, p. 3. 38 Schechner, The Future of Ritual, 1993, p. 46.

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to open the text up to provisional meanings that can be further discussed rather than closing it down to accommodate a single, centralized meaning.39 Davvetas’ Λευκή πετσέτα στο ρινγκ (White Towel in the Ring; Das weiße Handtuch in den Ring) self-­reflexively foregrounds the actual writing process involved in (hi)story-­making while, like Matessis, questioning the ability to gain direct access to the past. Again, like the previous novel discussed, the locus of meaning is no longer placed with the retrieval of historical records, but with the interpretation and transmission of whatever fragments of the historical past and its memory are available to the contemporary observer. Initially, the novel revolves around finding absolute historical truth, as represented by the journalistic assignment of the unnamed narrator to produce a special issue on the civil war at the 55th anniversary of the December events of 1944. In direct allusion to literary testimonies, this assignment consists in unveiling hitherto unknown facts about the December events and to “bring their fallen protagonists to life” through the testimonies of eye-­witnesses (17). In the centre of the investigation stand the murders of two former Asia Minor refugees and prominent social figures of the same Athenian neighbourhood where he himself grew up that took place against the historical background of the December events, Mystakidis aka Spanomarias and doctor Kostenoglou. In the role of an oral historian, the narrator tapes the testimonies of twelve witnesses that alternate with the account of his own adventure of conducting this research as well as that of his private life. The progress is minimal due to the witnesses’ unwillingness to cooperate, apparently as the result of their own involvement in the case; in fact, the whole neighbourhood shrouds itself in “guilty silence”. Moreover, in an ironic twist, the alleged mastermind behind Mystakidis’ murder, Ventouras, who had initially refused to elaborate on his involvement in the case but eventually seems to have had a change of heart, dies before he can deliver his long-­awaited “truth”. Even more ironically, the narrator abandons his project altogether and eventually resigns when confronted with the fact that his own mother played a role in Mystakidis’ murder. Unwilling to face this truth, he concedes his metaphorical fight by throwing in the proverbial white towel. This is but a variation of the strategy of omitting facts that was apparent in the ­previously discussed novel. Despite his apparent advance into the realm of testimonial fiction, Davvetas follows the trail blazed by Alexandrou’s novel Το Κιβώτιο (The Mission Box; Die Kiste) and Thanassis Valtinos’ Ορθοκωστά (1994; Orthokosta) to reveal the problematic nature of documentary evidence as employed by historiography and its related field, journalism, in order to reconstitute and interpret past events. The use of orally recorded testimonies employed in both Valtinos’ and Davvetas’ novels, but also Alexandrou’s self-­testimony,

39 Hutcheon, Historiographic Metafiction, 1989, p. 5.

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mimic but eventually subvert the tradition of literary testimonies, as they turn out to be ineffectual. Davvetas, like Valtinos, denies the truth-­bearing quality of documentary evidence, that is, of the testimonies he has recorded and judges them as nothing but dead, disembodied voices that refuse to divulge knowledge in an apparent inversion of the Homeric shadows: “lives of absentees […], nothing completed”, something that Valtinos merely implies.40 These, similar to Matessis’ novel, deny Davvetas’ narrator access to a past he has not experienced himself and leave him without orientation: “Yes, […] I lost my orientation.”41 Moreover, Λευκή πετσέτα στο ρινγκ (White Towel in the Ring; Das weiße Handtuch in den Ring) raises the metafictional issue of deliberate fabrication in the form of malicious denunciation among the witnesses. This practice prevails in times of peace in the form of dubious journalistic opportunism and sensationalism. These result in blatant distortion and forgery, as the case of Ventouras’ diary proves that has been “refashioned” by the editor. The original, which contained anodyne details about Ventouras’ digestive system, was ironically deemed unbelievable and non-­publishable and therefore replaced by a more persuasive, wholly fabricated version of notes that commented on important events of the civil war.42 Moreover, the unreliability and provisional nature of documentary evidence is further emphasized by the fact that the documentary about Ventouras that had been featured on television no longer exists. This again constitutes an utter perversion and mockery of testimonial discourse and documentary practice in general, stripping it of its truth-­bearing power. Thus, the author’s endeavour to “capture” the past as documentary evidence proves to be futile, because the witnesses, instead of reality, produce new discourses about reality that may be so inaccurate, irreconcilable or wholly fabricated that objective, verifiable “truth” is ultimately impossible to establish.43 This is reflected on the narra­ tological level, as the novel is “emptied” of its conventional constituent elements, such as a linear, teleological plot, but also of a centred subjectivity, as will be pointed out below. Λευκή πετσέτα στο ρινγκ (White Towel in the Ring; Das weiße Handtuch in den Ring), which focuses on factions within the camp of the left, not only questions the intelligibility and representability of the historical past through conventional historiographic 4 0 “Ζωές απόντων […] Τίποτα το ολοκληρωμένο”, Davvetas, Λευκή πετσέτα στο ρινγκ (White Towel in the Ring; Das weiße Handtuch in den Ring), p. 194. All translations of extracts by Davvetas are my own (= K. J.-M.). 41 “Ναι, […] έχασα τον μπούσουλα”, Davvetas, Λευκή πετσέτα στο ρινγκ (White Towel in the Ring; Das weiße Handtuch in den Ring), p. 108. 42 This is reminiscent of the theme of make-­believe and mockery prominent in Matessis’ novel especially with respect to the scatological terms employed by the protagonist. 43 Hutcheon, Politics of Postmodernism, 2002, p. 32.

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practices, but also subverts the totalizing populist discourse of the post-1974 left. Apart from the primary, diegetic plot, we notice the existence of a secondary, extradiegetic plot that takes place on the narrative level. The latter comprises the process of writing the article and, by extension, the novel itself. Descriptions of the narrator’s personal and professional life are dealt with in alternate chapters, thereby foregrounding the implied author as the subject of a fictional text that deals with historical events. Again, by way of ironic parody, a testimony of the past is transformed into the narrator’s testimony of the difficulties involved in narrating the past. Thus, Davvetas’ novel qualifies as an example of historiographic metafiction, as it self-­reflexively draws attention to representation-­as-­construction rather than reconstruction of the historical referent. In this way, attention is again drawn away from the events described to the origin of narrative discourse and with it, the freedom of expression. By subverting fictional testimony and documentary practices in general, historical truth, it is suggested, can no longer be found by reconstructing random facts, but by (re)creating a personal, organic link to the past that affords orientation. Admittedly, the narrator’s investigation is thwarted by the neighbourhood’s general attitude tο “bury” the past together with a prevailing social antagonism –notice the leitmotif of the boxing Ring– and the refusal of society to take responsibility for its collective past. This is illustrated, on the one hand, by the editor’s rejection of the narra­ tor’s too “creative” version of the past apparently motivated by a thirst for power and opportunism. However, the fault is not a technical, but a personal one concerning the narrator’s own personality. Just like the members of his neighbourhood, he ­refuses to face the darker aspects of the past of his own family history. At the moment of truth, when his father-­in-­law testifies that the narrator’s mother herself was involved in Mystakidis’ murder, the narrator “throws in the towel”. He accuses his environment (member of his family, his colleagues) of unbearable hostility towards him and commits professional suicide by resigning from his job as a journalist, opting for silence, which is in Greek mythology equated with oblivion and death. As George Battaille points out: […] since language is by definition the expression of civilized man, violence is silent […] civilization and language grew as though violence was something outside, foreign, not only to civilization but also to man, man being the same thing as language […]. If language is to be extricated from this impasse, we must declare that violence belongs to humanity as a whole and is speechless, and that thus humanity as a whole lies by omission and language itself is founded upon this lie.44

4 4 Bataille, Eroticism, Death & Sensuality, 1986, p. 186.

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The focus is thus shifted from the reconstruction of historical records to the implied responsibility of successive generations to face and create a direct link to the past from the vantage point of the present. Failure to do so is shown to result in a personal and collective loss of identity and ultimately annihilation, as the following examples further illustrate. Davvetas’ narrator, for most of the novel, is unwilling to actively engage with the past. He passively and listlessly records and listens to the testimonies on a tape-­recorder, reinforcing the metaphorical boundary that exists between him and the voices of the past that are nothing but shadows. Since the dead are no longer orienting the living and the living refuse to deal with their past, memory becomes a means of manipulation and self-­negation: “The bad thing is that, in the end, we remember only what others want us to remember […]. I do not have memories”.45 Consequently, the metaphorical Odyssean return is thwarted. This lack of communication deprives Davvetas’ narrator of the tools necessary to master his life: […] due to youthful folly I chose the worst profession in the world. Because, perhaps journalis may be, as they told us, “the art of the urgent”, there is nothing more urgent from one’s own life, especially as you watch it slip through your hands.46

Similar to Rubini, the protagonist has taken on the metaphorical role of a shadow of the underworld, a living dead, cut off from the living and yearning to be reconnected to the force of life via the knowledge-­bearing experiences of his predecessors in the past. Consequently, he loses all authority to represent the past in the present, namely his licence to work as a journalist. This is further highlighted by the decentering of his subjectivity, his psycho-­somatic problems, his social isolation and his loss of identity: “In a magical way, my childhood desire had been fulfilled, I had finally become invisible”.47 The novel ends on the ironic note of post-­orgasmic exchanges of trivialities ­between the narrator and an unnamed female companion that parodies the resolution to deal

45 “Το κακό είναι πως τελικά θυμόμαστε μόνο αυτό που θέλουν οι άλλοι να θυμόμαστε […] Αναμνήσεις δεν έχω”, Davvetas, Λευκή πετσέτα στο ρινγκ (White Towel in the Ring; Das weiße Handtuch in den Ring), p. 134 – 5. 46 “[…] από μια μούρλα νεανική επέλεξα το χειρότερο επάγγελμα του κόσμου. Γιατί μπορεί η δημοσιογραφία να είναι –όπως μας έλεγαν– „η τέχνη του επείγοντος‟, όμως δεν υπάρχει τίποτα πιο επείγον από την ίδια σου τη ζωή, ιδιαίτερα όταν τη βλέπεις να φεύγει μέσα από τα χέρια σου”, Davvetas, Λευκή πετσέτα στο ρινγκ (White Towel in the Ring; Das weiße Handtuch in den Ring), p. 32. 47 “Κατά ένα μαγικό τρόπο είχε εκπληρωθεί η παιδική μου επιθυμία, είχα γίνει επιτέλους αόρατος”, Davvetas, Λευκή πετσέτα στο ρινγκ (White Towel in the Ring; Das weiße Handtuch in den Ring), p. 161.

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with the past critically and collectively. Thus, in the absence of both a source of m ­ eaning generating subject within the text and of a past that can be recreated, the task of interpretation is transferred to the reader. While noting the difficulties and limitations involved in reconstructing and transmitting the past, the reader recognizes that the historical and literary textual traces of the past have the potential to generate new contexts and meanings that further collective self-­understanding and identity without imposing totalizing interpretations. The very quality of such a societal dialogue is rendered by the third novel under discussion, Michel Faïs’ Πορφυρά Γέλια (Purple Laughter; Purpurnes Gelächter) despite the threat of total silence and loss of identity caused by mnemonic failure. Selective amnesia is dramatized in the novel through the elderly Athena, who refuses to communicate with her grandson in the first part about her illustrious communist past and to take responsibility for the torture and murder of numerous communist non-­conformists, including her own husband. A former high-­ranking Stalinist cadre and executive of the Boulkes communist refugee-­turned-­labour camp in former Yugoslavia, she is also known as the “κόκκινη δασκάλα”, the “red teacher”. Her name evokes the ancient Greek goddess of wisdom, apparently celebrating her messianic role to illuminate others with her understanding of communist ideals. Yet, this tragic-­comic figure that continues to live in a communist fool’s paradise long after the denunciation and fall from grace of her two former idols and her own demise and exile, questions any such belief in the existence of absolute truths.48 When accused by her grandson of having committed atrocities during the civil war, she justifies her use of excessive violence against communist dissenters in Boulkes by quoting empty communist rhetoric. The same behaviour manifests itself once again in her physical and emotional abuse of her grandson and marks her determination to uphold a single authoritative narrative as the only truth about the past and to eradicate any diverging viewpoint. Yet, her grandson himself employs verbal violence against his grandmother that he justifies by her refusal to confront the past. Another example of an ironic parody of fictional testimonies, this first part of the novel is presented as a one-­act play that consists for the most part of direct exchanges between the grandmother and her grandson. In this way, the direct verbal exchanges indicate the latter’s desire as a representative of successive generations to relive, revisit and reinterpret the historical past as a common resource and therefore as part of an ­ongoing dialogue. At the same time, the notion of an objective and fixed past is q­ uestioned. Similar to Matessis’ novel, theatrical performance is thus employed to deconstruct the 48 Athena keeps photographs to remember Nikos Zachariadis and Stalin. Zachariadis was expelled from the post of General Secretary and then from the KKE due to an intervention by the Soviet Union on the grounds of sectarianism and suspected treason in 1956 and 1957 respectively. Equally, Stalin was denunciated by Khruschev in 1956.

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fictional illusion of verisimilitude and to highlight the crisis of historical representation. The partly nonsensical exchanges due to Athena’s real or pretended insanity add an absurd and farcical dimension to this performance. Athena, like Rubini, is eager to preserve the memory of an idealized past that no longer exists and that results in the attempt to conceal rather than to reveal, vowing to keep her “personal file” closed. Her grandson, however, too exacerbates this crisis by his own search for absolute truth and his desire to punish those guilty of atrocities. In the second part of the novel, as if to reverse the former irony, the author apparently reverts to the narrative quality of traditional fictional testimonies. Nevertheless, these testimonies are now self-­reflexively presented as part of the novel the narrator is writing and therefore subvert yet again the fictional illusion of verisimilitude. They consist of accounts by the grandmother, the grandson, the grandfather and his would-­be-­killer. They hardly qualify as testimonies though, as they are based on notes and interviews conducted by the grandson-­author who recreated them. Instead of ­presenting these “testimonies” separately, literary techniques are foregrounded, as they are orchestrated in a strictly organized, alternating pattern of eight narrative segments that continuously intersect each other that counterbalances their partly fragmentary and elliptical style. In addition, thematic and stylistic correspondences between all four testimonies can be detected that create the impression of an organic whole. The effect is one of multiple viewpoints seemingly confronting and contradicting each other in what resembles a Bakhtinian “grand dialogue”. In this way, new meanings are created in contrast to the first part. Equally surprising is the lack of credibility of the characters who are unlikely w ­ itnesses: the grandmother is or pretends to be insane, the grandson only has some distant memories of the civil war as a child and suffers from a psychosis, the grandfather is dead and his would-­be-­murderer is likely to falsify his testimony. In fact, this is an ironic parody of the act of witnessing itself, especially since all of these testimonies are recreated from whatever discursive fragments were available to the grandson/implied author. While the accounts by the grandfather and his would-­be-­murderer are coherent, the sections attributed to the grandmother consist merely of empty communist rhetorical sound-­ bites and citations and those by the grandson feature fragments of interior monologue that testify more to his psychological demise than to a historical referent. Hence, by seemingly randomly assembling a patchwork of uneven, diverging accounts that are ultimately not chosen for their historical significance nor commented on or evaluated by the narrator/implied author, the novel subverts traditional fictional testimonies and their attempt to reconstruct events truthfully. Again, we notice how the author deconstructs past documentary fictional practices in order to highlight a new approach to transmitting the memory of the past. This needs to be placed within the context of the epigraph to the first part of the novel that is taken from Walter Benjamin’s “On the concept of history” (1940): “The

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true face of history distances itself galloping”.49 This is taken from thesis V of the actual text, which reads as following: The past can be seized only as an image that flashes up at the moment of its recognisability, and is never seen again […]. For it is an irretrievable image of the past which threatens to disappear in any present that does not recognize itself as intended in that image.

In his writings, Benjamin presents history not as evolutionary, but as the substance of ideology that legitimates the present and facilitates the reproduction of the past, that is the relations of domination and power that cause suffering and injustice. Instead, he seeks to find a new meaning of the past that subverts its structures and stops the reproduction of such misery and injustice. Moreover, Benjamin employs the image of an angel that fixes its gaze on the debris and the insignificant of history and calls for an awakening (demystification) through the act of remembering. Meaning is created when the meanings of the past and present clash and a new reality, for Benjamin, the “dialectical image” is recovered.50 In this way the past is illuminated in a new light and historical consciousness is gained. This, he suggests, allows for a revolutionary change in the present, as the new generations adopt the frustrated hopes of the past genera­ tions.51 As will be demonstrated, Faïs adopts these Benjaminian notions of history in order to illustrate that objective historical truth is not found with events or documentary evidence, but in the very clashing of diverging claims and perspectives of the past, as they may allow the reader to see the past in a new light, gain historical consciousness and participate in the historical debate. The focus shifts to the present generation that is impacted by a past it did not experience and therefore cannot relate to. To this is added a further epigraph that precedes the second part of the novel, which consists of a quote from Eurypides’ Bacchai: “Face to face he [Zeus] initiated me ­[Dionysos] into his mysteries”. A link is thereby established between the past and the grandson-­ novelist who recreates an organic link to it from the textual traces that are available to him in the second part of the novel. This personal recreation of the past is furthermore linked to the insights both historical and literary intertextuality can provide, as implied by the words: “the re-­enactments of the re-­enactments are our own facts”.52 It denotes a complete reversal of the traditional perception of the past practiced by historiography. 49 Benjamin, Concept of History, 2003, thesis V, pp. 390 – 391. 50 Benjamin, Concept of History, 2003, thesis XVI, p. 396. 51 Benjamin, Concept of History, 2003, thesis XVII, p. 396; Benjamin, Goethe’s Elective Affinities, 1996, p. 356. 52 “[O]ι αναπαραστάσεις των αναπαραστάσεων είναι τα δικά μας γεγονότα”, Faïs, Πορφυρά γέλια (Purple Laughter; Purpurnes Gelächter), p. 83. All translations of extracts by Faïs are my own (K. J.-M.).

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This suggests that even the most fragmentary textual traces allow for representations of the past that can be tested and transmitted as part of a trans-­generational, ongoing dialogue. The reader is again charged with the role of co-­author and interpreter. Even more obviously than in Matessis’ and Davvetas’ novels, this text positively reconstructs versions of the past without, however, promoting a single interpretation. Instead, possible signification can be created at the very interstices of the four narratives, through their correspondences and differences, as demonstrated below. We notice that the grandfather and his “demon” reveal decisive differences as far as their conscience is concerned. Here, the grandmother and the grandfather’s “demon” are opposed to those of the grandfather and the grandson. The grandfather’s “demon”, like the grandmother, explains that he acted out of conviction that the communist cause he had subscribed to was the right one and still holds that view. The grandfather, too, justifies his role as a dissident and continues to criticize the Boulkes labour camp and the atrocities committed by the communist leadership.53 As we know from the first part of the novel, the grandson-­narrator admires him for his courage. In addition, the grandfather condemns the actions of all, including himself, likening them to a ­Dionysian “celebration that went wrong”. This is a lesson he learnt from his translation and “dialogic interaction” with Euripides’ Bacchai: Dionysos, prior to becoming a perpetrator, was himself a victim. Dionysian vertigo, as they say. That is where we are all twisting. And from “perpetrating” derives “perpetratrix”, Bacchis [the priestess of Bacchus] and anger. That is why the thigh-­born one demonstrates to our face our differences, becomes our differences, erases our differences. It is subsequent, that when you abolish differences, the feast turns into a massacre. Why, what are The Bacchae? A feast gone wrong. The same with us […] it turned us all into bastards.54

“Messianic” violence is compared here with Dionysian religious intoxication and the vertiginous loss of consciousness that reels blindly towards annihilation. Similarly, Dionysos punished those who would not succumb to his theology by excessive violence. The idea of violence caused by the erasure of differences functions as a central theme in the first part of the novel. At the same time, the grandfather undermines the intuitive libertarian notion, namely the principle of alternate possibilities, by 53 Faïs, Πορφυρά γέλια (Purple Laughter; Purpurnes Gelächter), pp. 173, 176, 180. 54 “Ο Διόνυσος, πριν γίνει θύτης, υπήρξε θύμα. Διονυσιακός ίλλιγγος που λένε. Εκεί στροβιλιζόμαστε όλοι. Κι από το θύειν βγαίνει και η θυάδα, η Βακχίδα δηλαδή και ο θυμός. Γι’ αυτό ο μηρογέννητος μας δείχνει κατάφατσα τις διαφορές μας, γίνεται οι διαφορές μας, σβήνει τις διαφορές μας. Επόμενο είναι όταν καταργείς τις διαφορές, η γιορτή να καταλήγει σε μακελειό. Γιατί οι Βάκχες τι είναι; Μια γιορτή που στράβωσε. Όπως κι εμείς […] Μας έκανε όλους καθάρματα”, Faïs, Πορφυρά γέλια (Purple Laughter; Purpurnes Gelächter), pp. 246 – 247.

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pointing to the adverse circumstances of the civil war that turned each individual into a victim before he or she became a victimizer. In this way he offers an alternative response to the grandson’s treatment of Athena’s guilt in the first part. Moreover, the voices of the first and second part too echo each other, turning the novel into a polyphonic display of voices. This is possible since, although the first part may precede the second part chronologically within the framework of the novel, the grandson already plays the grandfather’s taped testimony to the grandmother in the first part of the novel. Hence, the novel admits diverging perspectives as valid while challenging any totalizing interpretation. Moreover, the distinction between victimizer and victim are collapsed together with perceived hierarchies of knowledge about the past, since all four voices speak in the name of perceived injustices. Yet all four participated directly or indirectly in acts of violence, both before, during and after the end of the civil war. By revealing the extent of atrocities committed within the camp of communists in his novel, the partisan divisions within the camp of the Left, but also, by extension, those between the Left and the Right are abolished and the focus shifts again to the present when the grandson himself assumes the personal and collective moral responsibility to break through the silence and amnesia that surrounds this issue. Hence, while neither of the four characters is actively engaged in a dialogue with the other, they create an intersection of four different perspectives that call both on the narrator as the reader of his own novel and, by extension, on the implied reader to compare and evaluate them and to adopt his own, qualifying standpoint in response, while gradually deconstructing an authoritative one. Thereby, the implied author/­narrator too stands in dialogue with his characters which, “as another’s speech in another’s l­ anguage”, serve to express his authorial intentions in a refracted way.55 Rather than reinforcing the entrenched perceptions of the past, the apparently authorless text seeks to transform collective memory through an ongoing, democratic dialogue about the past. Thus, like its predecessors discussed above, this novel calls into question the very concept of objectivity together with the teleological notions of history. Instead, the foregrounding of multiple perspectives and contexts suggests that experience is always embedded in narrative, occurs through narrative frames and is therefore mediated or constructed. Since history itself then revolves around the rewriting of earlier stories, the focus is shifted from history to memory, that is, from the reconstruction of events to how they are remembered in narrative. Despite their limitations, these narratives provide textual traces of the historical past that create meaning through the very infinity of new texts and contexts. At the same time, they enable successive generations to establish a direct, organic link to a past they did not experience and do not remember.

55 Bakhtin, Rabelais and His World, 1984, p. 324.

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Faïs’ novel would then denote an evolutionary development with regard to historio­ graphic metafiction in that it creates multiple narratives that form the basis of an ongoing dialogue about the past, and which can be transmitted to future generations. In this way, the active past as rendered through fiction is shown to be neither an alternative to historical memory, nor to give way to (dead) history as Maurice Halbwachs claimed, but as part of a fundamentally historical culture in the search for meaning, continuity and identity. Taken as a whole, the three novels discussed above have been shown to employ histo­ riographic metafiction as a means to reject history’s traditional claim to absolute, veri­ fiable truth and to its claim to preserve the past to which we no longer have an “organic” experiential relation.56 The role of the author is thereby drastically transformed from that of reconstructing to recreating the past. Thereby, the traditional attempt to ­employ imagination in the service of verisimilitude is rejected and imagination is no longer equated with fabrication; on the contrary, in the face of historiographical unreliability, imagination is deemed the only method to gain access to the essence of the past. In this way, the emphasis is shifted from impersonal, factual truth to the personal truths of individuals, especially of those marginalized by society. Rather than an admission that there is no verifiable truth, truth is being redefined as a dynamic, intersubjective, dialogical and trans-­generational process that spawns new meanings. This is a vision of historical participatory historical culture that re-­empowers the individual to partake once again in a collective memory of the past. As such, the authors transcend Maurice Halbwachs’ distinction between history and collective memory, the active past that forms our identities, but that inevitably gives way to history, as the generation of eye-­witnesses dies.57 As the “living” or “lived” past, it is viewed as more subjective in character and distinguished from history in its relevance to the present, that is, it describes historical events as experienced by individuals and groups and their immediate descendents.58 Thus, the sharp opposition between history and collective memory emphasizes the belief that these are epistemologically and ontologically distinct categories and that therefore only the former is ultimately believed to be engaged in the search for truth and the legitimate transmission of memories of the past. The revision of Halbwachs’ theory also converges with contemporary scholarship, and social memory studies in particular, which has attacked the conceptual underpinnings of linear historicity and truth while raising interest in the relations linking history and memory.59 Issues like memory contestation, popular memory and the ­instrumentalization

56 57 58 59

Olick; Robbins, Social Memory, 1998, p. 110. Halbwachs, La mémoire collective, 1997, p. 67. Halbwachs, La mémoire collective, 1997, p. 118. Olick; Robbins, Social Memory, 1998, p. 107.

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of the past even exposed historiography as a source of potential manipulation and domination.60 The very notion of objectivity claimed exclusively by historiography is being questioned together with the distinction between knowledge and interpretation and derivatively between history and memory.61 Since experience is always embedded in and occurs through narrative frames and hence primal, unmediated experienced does not exist, history, it is argued can no longer claim an epistemological privilege.62 Consequently, collective memory is not seen as distinct from and as an alternative to history, but as shaping it.63 Hence, memory is believed to function as constitutive of history and as central evidence within historiography.64 Since historical and collective memory are thus not considered ontologically diffe­rent, as they are both based on narrative, the novels discussed above suggest that literature, which employs both history and memory of the past, equally contributes to reconstituting the past complementary rather than alternatively to historiography. Moreover, the novels also illustrate that novelistic memory transcends what could be taken as the supporting role of history. According to the ancient Greeks, Mnemosyne was the mother of the nine muses and therefore of both art and science. As numerous works, such as Johann Wolfgang von Goethe’s The Struggles of the Young Werther, ­Marcel Proust’s In Search of Lost Time or Thomas Mann’s The Magic Mountain demonstrate, the parameters of memory are marked by documentary evidence on the one and fantasy or fabrication on the other hand. As such, memory is shown to be essential not for its own sake, but in order to gain knowledge of the world and self. By contrast, characters, who refuse to reflect on their memories or invent a past that never existed, often remain solitary or pay, like Werther, with their lives. Memory thus refers both to the analysis of the world around and within us. Similar to the idea of platonic anamnesis, novelistic memory is also understood to comprise of the ability to recollect inborn ideals, such as those of responsibility or morality. Hence, the value of novelistic memory lies in the fact that it both complements and transcends historical memory affording a more essential, universal truth beyond experience itself.65 In contrast to history, though, literary poetics themselves, as these novels illustrate, have been influenced by the theoretical discussion of the nature of history and memory and underwent a considerable evolution. History as thematized in literature is no longer 60 Olick; Robbins, Social Memory, 1998, p. 107. 61 Olick; Robbins, Social Memory, 1998, p. 110; Novick, Noble Dream, 1988; White, Metahistory, 1973; Veyne, Writing History, 1984. 62 Olick; Robbins, Social Memory, 1998, p. 110. 63 Olick; Robbins, Social Memory, 1998, p. 112. 6 4 Olick; Robbins, Social Memory, 1998, p. 110. 65 See Liakos’ concept of truth and reality (Liakos, Πώς το παρελθόν γίνεται ιστορία; [Wie wird aus der Vergangenheit Geschichte?] 2007).

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regarded as a truthful reflection of a series of objective events, but as an active form of cultural transmission, whereby knowledge and meaning is created through the ongoing process of reconstructive imagination and interpretation of the past. In conclusion, the three novels discussed above by Matessis, Davvetas and Faïs that are representative of the most recent trend in civil war fiction, illustrate a new under­ standing of the past as directly dependent on the entirety of its cultural memory, that is, the social or cultural narratives of a community, which are weaved into its identity.66 Consequently, the transmission of memory (historical or collective, experienced or not, factual or fictional) is no longer viewed as limited to a specific time span, but as extendable to successive generations in the form of trans-­generational knowledge through its textual traces. In this way, the continued “organic relationship” with past events is understood to be inheritable by successive generations that are invited to engage in an ongoing intertextual dialogue. Hutcheon’s notion of “historiographic metafiction” in the three novels is thus central to conveying this new perception of the role of fiction in reconstructing and remembering the past.

66 Compare Assmann’s “cultural memory” in Assmann, Das Kulturelle Gedächtnis, 1992, and Erll; Rigney, Literature and the Production of Cultural Memory, 2006.

Athanasios Anastasiadis

5. Narrative Vermittlung traumatischer Erfahrungen: Alexandros Kotzias, Ιαγουάρος (1987; Jaguar) Die traumatischen Erfahrungen der konfliktreichen 1940er Jahre, ihre gesellschaft­ lichen und psychologischen Folgen nehmen im umfangreichen erzählerischen Werk von A ­ lexandros Kotzias (1924 – 1992) eine exponierte Stellung ein.1 Der Autor bezeichnete, ebenso überspitzt wie pointiert, die Zeit von 1943 (Beginn der bürgerkriegs­ artigen Auseinandersetzungen in der Besatzungszeit) bis 1973 (Niederschlagung des Studie­rendenaufstands am Athener Polytechnikum) als den neugriechischen „30jährigen Krieg“. Kotzias verarbeitete diesen „Krieg“ in drei Texten, die in gewisser Weise eine formlose Trilogie bilden: In Πολιορκία (Belagerung) von 1953 geht es am Beispiel der paramilitärischen Gruppe des Kollaborateurs Minas Papathanasis um die Anfänge ­dieses Krieges 1943 – 1944, während im reifen Werk Αντιποίησις αρχής (1979; Amtsanmaßung) aus der Sicht des moralisch verkommenen Spitzels und Handlangers des diktatorischen Staatsapparats Menis Katsantonis die drei Tage vor den Studierendenunruhen am 17. November 1973, also das Ende ­dieses Krieges, geschildert werden.2 Die Handlung der Novelle Ιαγουάρος (Jaguar) von 1987 ist zeitlich exakt in die Mitte des dreißigjährigen Kriegs situiert, in der Nacht vom 20. auf den 21. Mai 1958. Nach Vollendung seines siebten Romans Φανταστική περιπέτεια (1985; Fantastisches Abenteuer) plante Kotzias unter dem Titel Τα παιδιά του Κρόνου (Die Kinder des ­Kronos) sieben Novellen, in denen Nebenfiguren aus seinen Romanen auftreten und die alle am 21. Mai 1958 spielen. Ιαγουάρος (Jaguar) bildet das erste Stück des Zyklus und bezieht sich auf den Roman Πολιορκία (Belagerung).3 1 Siehe dazu Kapitel 3 von Athanasios Anastasiadis im vorliegenden Band. 2 In einem Interview nach der Publikation von Αντιποίησις αρχής (Amtsanmaßung) antwortete Kotzias auf die Frage, ob ein Literat die Funktion eines Historikers einnehmen könne, zumal man ihn einen „Autor der Besatzungs- und Postbesatzungs-­Kollaboration“ genannt habe: „Sie erwähnen also mein erstes und mein jüngstes Buch, die einen solchen Vergleich erlauben. Sie umfassen den 30jährigen Krieg, lassen sie es uns so ausdrücken.“ („Αναφέρετε δηλ. το πρώτο και το τελευταίο μου βιβλίο, τα οποία επιτρέπουν μια σύγκριση. Κλείνουν τον τριακονταετή πόλεμο, ας το πούμε έτσι.“) Kotzias, Interview, S. 51. 3 Kotzias vollendete lediglich vier Novellen. Für einen Überblick über diese Texte vgl. ­Chatzivasileiou, 21 Μαΐου 1958 (21. Mai 1958), 1994. In folgenden Arbeiten werden verschiedene Aspekte der Novelle herausgearbeitet: Argyriou, Einführung, 1991; ­Skamanga, Αλέξανδρου Κοτζιά, Ιαγουάρος (Kotzias, Jaguar) 2000; Apostolidou, Η μνήμη ως διακύβευμα (Die Erinnerung als Glücksspiel), 2002; Kakavoulia, Πέρα από τον εσωτερικό μονόλογο ( Jenseits des inneren Monologs), 2002; Nikolopoulou, Ιαγουάρος ( Jaguar), 2008; Skoupras,

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Am Beispiel des Erinnerungskampfes der beiden Protagonistinnen illustriert Kotzias in dieser Novelle den konstruktiven Charakter von Erinnerungen vor dem Hintergrund traumatischer Erfahrungen.4 Er verschränkt kunstvoll Opfer- und Täterdiskurse und demons­ triert, dass der Erzähl- und Erinnerungsprozess kathartische, aber auch destruktive Wirkung entfalten kann. Aus erinnerungskultureller Perspektive ist von besonderem Interesse, dass der Autor nicht nur die Gegenwartsbezogenheit und den subjektiv-­konstruktiven Charakter individueller Erinnerungen zum Zeitpunkt des Erzählens 1958 abbildet, sondern dass er auch die sich etablierende erinnerungskulturelle Deutungshoheit des linken Lagers der 1980er Jahre indirekt kritisch hinterfragt.5 Insofern liegen dem Text drei Zeitebenen zugrunde: Die Erinnerungsgegenwart der Protagonistinnen im Jahr 1958, die erinnerten Ereignisse aus den 1940er Jahren sowie die Entstehungszeit des Werks Mitte der 1980er Jahre.

Η Δραστική Παρουσία (Die drastische Präsenz), 2010; Anastasiadis, Trauma – Memory – Narration, 2011; Anastasiadis, Datenblatt Alexandros Kotzias, Ιαγουάρος, 2013; Kounelis, Ιαγουάρος ( Jaguar), 2013. 4 Dieser Aspekt ist insbesondere von Apostolidou, Η μνήμη ως διακύβευμα (Die Erinnerung als Glücksspiel), 2002, S. 823, herausgearbeitet worden: „Die Interpretation der traumatischen Ereignisse ihrerseits dient, sofern sie die Gegenpartei belastet, der Rechtfertigung der gegenwärtigen finanziellen Ansprüche. Die Erinnerung der beiden Protagonistinnen bildet das Bindeglied ­zwischen realem und symbolischem Einsatz. Kotzias sorgt von Anfang an dafür, dass die Erinnerungen und Rückblicke der Figuren nicht einfach auf zufälligen Assoziationen beruhen, wie es oft in modernistischer Prosa der Fall ist, sondern auf dem gegenwärtigen Interesse daran. Er deutet sowohl die Manipulation des individuellen Gedächtnisses von gegenwärtigen Interessen, Gefühlslagen und Wünschen an als auch den sozialen Gebrauch des kollektiven Gedächtnisses.“ („Η ερμηνεία των τραυματικών γεγονότων, με τη σειρά της, εξυπηρετεί, στο βαθμό που είναι ενοχοποιητική για τον αντίδικο, τη δικαίωση των οικονομικών διεκδικήσεων του παρόντος. Η μνήμη των δύο ηρωίδων αποτελεί τον συνδετικό κρίκο ανάμεσα στο πραγματικό και στο συμβολικό διακύβευμα. Ο Κοτζιάς από την αρχή της νουβέλας του, φροντίζει να θεμελιώσει τις μνημονικές αναδρομές των χαρακτήρων του όχι απλώς σε τυχαίους συνειρμούς, όπως συχνά συμβαίνει στη νεωτερική πεζογραφία, αλλά στο συμφέρον του παρόντος, υποδεικνύοντας έτσι τόσο τη χειραγώγηση της ατομικής μνήμης από συμφέροντα, συναισθηματισμούς, και επιθυμίες του παρόντος όσο και τη κοινωνική χρήση της συλλογικής μνήμης.“) Zum konstruktiven Charakter von Erinnerungen siehe Kapitel 2 von Lena Viemann im vorliegenden Band. 5 Auf diesen Umstand macht Nikolopoulou, Ιαγουάρος ( Jaguar), S. 384, aufmerksam: „Das literarische Spiel von Kotzias […] erlaubt es dem Text nicht nur das Ende der 1950er Jahre zu kommentieren, sondern hauptsächlich die 1980er Jahre. In einer Zeit als die Erinnerung an den Widerstand und den Bürgerkrieg zu einem wichtigen Bestandteil des politischen Diskurses wurde, als die Zeitzeugenberichte als unveränderte Erlebnisse mit authentischem Charakter die ideologische Funktion eines Vergangenheitsnarrativs einnahmen […]“ („Το συγγραφικό παιχνίδι του Κοτζιά […] επιτρέπει στο κείμενο να σχολιάσει όχι μόνο τα τέλη της δεκαετίας του 1950, αλλά κυρίως τη δεκαετία του 1980. Σε μια περίοδο που η μνήμη της αντίστασης και του εμφυλίου γινόταν βασικό συστατικό του πολιτικού λόγου, που οι μαρτυρίες έμπαιναν στην υπηρεσία της ιδεολογικής αφήγησης του παρελθόντος ως αυτούσια βιώματα με το χαρακτηριστικό της αυθεντικότητας […]“)

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Die Novelle ist im Kontext narrativer Vermittlung traumatischer Erfahrungen in vielerlei Hinsicht von Interesse. Der Autor beschreibt potentiell Trauma auslösende Situationen auf der Ebene der erzählten Geschichte, und seine Protagonistinnen sind traumatisierte Figuren mit Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung. Ferner weist der Text einen traumatischen Diskurs auf und teilt bestimmte literarische Verfahrensweisen, die charakteristisch für trauma fiction sind. In der Forschungsliteratur wird zu Recht darauf hingewiesen, dass Dimitra aus ihrer Opferrolle Profit zu schlagen trachtet und dass sie Ereignisse verschleiert oder verzerrt darstellt, weil sie ihrem heroisch-­idealisierten Vergangenheitsbild widersprechen.6 Ihre Erinnerungen werden von dem Wunsch gelenkt, Filio zu verdammen und ihre eigene moralische Überlegenheit zu demonstrieren, aus denen sie finanzielle Ansprüche ableitet. Filio wirft ihr explizit manipulatives Erinnern vor: „Du hast kein gutes Gedächtnis. Du erinnerst dich nur an das, was dir in den Kram passt.“ 7 In den folgenden Ausführungen fokussiere ich auf Dimitra und auf Filio als traumatisierte Figuren sowie auf spezifische literarische Strate­gien, die einen traumatischen Diskurs konstituieren; also auf Aspekte, die bislang in der Forschung wenig berücksichtigt worden sind. Filio trifft nach zehnjähriger Abwesenheit in den USA – wohin sie mit ihrem Sohn Laokratis 1948 geflohen war – unerwartet in Athen ein. Sie war darüber informiert worden, dass ihre Schwägerin Dimitra sie um ihre Erbschaftsansprüche zu betrügen beabsichtigt. Dimitra empfängt Filio am Flughafen scheinbar wohlwollend, will sie aber in Wahrheit zur Unterschrift eines ungünstigen Vertrags zwingen. Im Laufe des Abends werden Erinnerungen aus der Zeit der Besatzung und des Bürgerkriegs wach; die Diskussion dreht sich zunehmend um den hingerichteten Kommunisten Fanis, Dimitras Bruder und Filios Ehemann. Während Dimitra ihn zu einem revolutionären Helden mythologisiert, stellt ihn Filio als einen dogmatischen Parteifunktionär dar, der ihr Leben ruiniert habe. Filio durchstreift in Begleitung von Dimitra die Nachbarschaft und sucht den Ort auf, wo sie an einem Verbrechen mit verheerenden traumatischen Folgen beteiligt gewesen war. Dimitras Ehemann Ilias bemüht sich während des Abends, den Streit ­zwischen den Frauen zu schlichten.

6 „Ihre Erinnerungen melden sich zwar spontan, aber nicht chaotisch oder grundlos, da sie auf dem Wunsch beruhen, ihre Schwägerin zu belasten und sich selbst zu entlasten, um die gegenwärtigen Erbschaftsansprüche zu rechtfertigen.“ („Οι αναμνήσεις της ξεπηδάνε αυθόρμητα μεν αλλά όχι άναρχα ούτε αναίτια, αφού οφείλονται στην επιθυμία να ενοχοποιήσει τη νύφη της και να αυτοδικαιωθεί, έτσι ώστε να δικαιολογήσει και τις κληρονομικές διεκδικήσεις του παρόντος.“) Apostolidou, Η μνήμη ως διακύβευμα (Die Erinnerung als Glücksspiel), 2002, S. 825. 7 Kotzias, Jaguar, S. 44 – 45. „Δεν έχεις μνημονικό. Θυμάσαι ό,τι και όπως σε βολεύει.“ Kotzias, Ιαγουάρος. S. 43.

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Der Handlungszeitraum ist zwar die Nacht vom 20. auf den 21. Mai 1958. Die Erinne­rungen der Protagonistinnen beziehen sich aber überwiegend auf Ereignisse ­zwischen 1944 und 1948, wobei auch Geschehnisse oder politische Ereignisse aus dem Winter 1941 und von 1948 bis zum Zeitpunkt des Erzählens 1958 gestreift werden. Dimitra ist die autodiegetische Erzählerin und erzählt aus ihrer Perspektive. Die Novelle konstituiert sich aus Dimitras innerem Monolog, in den die Rede der beiden weiteren handelnden Figuren, Filio und Ilias, eingebettet sind.8 Die konsequente figurale Perspektive korrespondiert mit der subjektiven Erfahrung traumatischer Situa­tionen 9 und ist konstitutiv für einen traumatischen Diskurs. In der Novelle ist die Erzählerzeit, also die Dauer des Erzählaktes, klar markiert: Der Erzählprozess setzt gegen 18:00 Uhr ein und dauert bis um ca. 04:00 Uhr des folgenden Morgens. Die Bemessung der Dauer des Narrationsaktes ermöglicht Rückschlüsse auf den Traumatisierungsprozess während des Erzähl- bzw. Erinnerungsaktes. Dimitra hat in der Vergangenheit Gewalterfahrungen gemacht und Todesnähe erlebt, die ihren psychischen Apparat zerstört haben und von denen sie bis in die unmittelbare Gegenwart besessen ist.10 Die studierte Mathematikerin ist Ende dreißig und arbeitet an einer Privatschule, weil sie vom öffentlichen Dienst wegen ihrer politischen Gesinnung ausgeschlossen ist. Sie lebt also mit dem Linksintellektuellen Ilias, ebenfalls einem

8 Kakavoulia, Πέρα από τον εσωτερικό μονόλογο ( Jenseits des inneren Monologs), 2002, S. 834, hat die Novelle unter erzähltheoretischen Aspekten eingehend analysiert: „In ­diesem Text […] unternimmt der Autor das Unmögliche: die äußere Handlung zu erfassen und zugleich die Gedanken der Protagonistin im Moment ihres Entstehens abzubilden. Wir beobachten die Reden, das Beharren und die ausweglosen Beziehungen der drei Figuren, ihre Emotionen und ihre Überzeugungen in Form einer Monolog-­Chronik. […] Die Rede der Protagonistin Dimitra ist eine ausgedehnte Rahmen-­Rede, in die andere Reden […] integriert oder assimiliert werden.“ („Σε αυτό το κείμενο […] ο συγγραφέας επιχειρεί το αδύνατο: να καταγράψει την (εξωτερική) δράση και να αποτυπώσει ταυτόχρονα τη σκέψη της κεντρικής ηρωίδας τη στιγμή του γίγνεσθαι. Παρακολουθούμε εν είδει μονολογικού χρονικού τα λεγόμενα, τις εμμονές και τις αδιέξοδες σχέσεις των τριών προσώπων, τα συναισθήματα και τα πιστεύω τους. […] Ο λόγος της κεντρικής ηρωίδας Δήμητρας στον Ιαγουάρο είναι ένας διεσταλμένος λόγος-­πλαίσιο μέσα στον οποίο εγκιβωτίζονται ή αφομοιώνονται […] άλλοι λόγοι.“) 9 Die Frage, ob Trauma ein Ereignis oder ein Erlebnis ist und ob es sich um eine subjektive oder objektive Kategorie handelt, wird in der Psychotraumatologie kontrovers diskutiert. Fischer; Riedesser, Psychotraumatologie, 42009, S. 64, schlagen eine dialektische Lösung vor und definieren Trauma sowohl subjektiv als auch objektiv: „‚Trauma‘ ist keine Qualität, die einem Ereignis inhärent ist noch aber einem Erlebnis als solchem. Entscheidend ist vielmehr die Relation von Ereignis und erlebendem Subjekt.“ 10 Dazu Fischer; Riedesser, Psychotraumatologie, 42009, S. 76: „Traumatische Situationen werden vom erlebenden Subjekt als ‚repräsentativ‘ für zentrale Aspekte des Weltbildes ­genommen. Sie führen zu einer Erschütterung des Selbst- und Weltverhältnisses in bestimmten Bereichen oder – wenn sie sich der Erfahrung von Todesnähe verbinden – auch insgesamt.“

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Opfer psychischer und physischer Repression, und ihren zwei Kindern in einem feindlichen sozialen Umfeld, das sie ausgrenzt – unter traumatherapeutischen Aspekten eine ungünstige Konstellation.11 In der Besatzungszeit und im Bürgerkrieg engagierte sie sich für die Kommunisten und wurde Opfer von Repressionen: Sie weigerte sich eine Reueerklärung zu unterschreiben und war vier Jahre (1948 – 1952) als Todeskandidatin im berüchtigten Averof-­Gefängnis inhaftiert. Dimitra weist verschiedene Traumasymptome auf (wie z. B. Intrusionen oder übermäßige Wachsam- und Erschreckbarkeit/Hypervigilanz), die auf ihre traumatischen Erfahrungen als Opfer politischer Verfolgung zurückzuführen sind. Die Exekution ihres Bruders Fanis hat sie indirekt traumatisiert. Sie spielt auf ­dieses Ereignis in ­kurzen, blitzlichtartigen Analepsen wiederholt darauf an, ist aber außer Stande, es kohärent zu narrativieren. Bereits der Anblick der Insel Ägina in der Eingangsszene wirkt als Schlüssel­reiz und löst bei ihr unfreiwillige Erinnerungen (Intrusionen) aus, die in Zusammenhang mit der Hinrichtung stehen: Ägina ganz hinten, blau, bleiern im Dunst der Dämmerung. Ich habe Mühe, den Kloß im Hals hinunterzuschlucken – im Morgengrauen in einer Schlucht in Ägina, Osterdienstag, vor rund zehn Jahren, am 1. Mai ließ ich ihm die Totengedenkmesse in der Konstantinskirche lesen.12

Sobald sie auf die Hinrichtung zu sprechen kommt, fehlen ihr die Worte, sie redet fragmentarisch und unzusammenhängend: „Die macht sich über mich lustig, währende ich ihr zu erklären versuche, wie die unglückselige ­Mutter später. Fanis, der. Später, als man ihn, die Mörder.“ 13

11 Fischer; Riedesser, Psychotraumatologie, 42009, S. 66, betonen die s­ oziale Dimension der Traumaverarbeitung: „Für das Trauma der Betroffenen, ihre traumatische Reaktion, den sich entwickelnden Prozess, den Heilungsverlauf oder weitere traumatische Sequenzen ist nun von wesentlicher Bedeutung, wie sich die Allgemeinheit zum individuellen Elend der Traumatisierten verhält. Unterliegen diese der gesellschaftlichen Verdrängung, Ausgrenzung oder gar Missachtung, weil sie durch ihr Leiden an die ‚Katastrophe‘ erinnern, so ist für sie die traumatische Situation noch keineswegs beendet. Entscheidend ist, ob wir im traumatischen Leid unserer Mitmenschen das ‚allgemein menschliche Wesen‘ in seiner Besonderung, eventuell in seiner Entstellung und Zerstörung erkennen oder darin nur einen zwar bedauerlichen, statistisch aber durchaus ‚erwartbaren‘ Einzelfall sehen.“ 12 Kotzias, Jaguar, S. 20. „Η Αίγινα στο βάθος γαλάζια μολυβιά στην άχνα του δειλινού. Καταπίνω δύσκολα τον κόμπο – χαράματα σε μια χαράδρα στην Αίγινα, Τρίτη του Πάσχα, στρογγυλά δέκα χρόνια από τότε, την Πρωτομαγιά του είχα μνημόσυνο στον Άγιο Κωνσταντίνο.“ Kotzias, Ιαγουάρος, S. 12. 13 Kotzias, Jaguar, S. 43. „Με ειρωνεύεται ενόσω έγω της εξηγώ πως η δόλια η μάνα ύστερα. Το Φάνη που. Μετά που τον, οι δολοφόνοι.“ Kotzias, Ιαγουάρος, S. 42.

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Als sie von Filio aufgefordert wird, einen fairen Erbschaftsvertrag zu unterschreiben, ruft dies bei ihr unangenehme Erinnerungen an die Zeit der politischen Verfolgung und der Repression wach: „Unterschreiben, ich! Bei Kombocholis, als er mich in den Kellern der Sicherheitspolizei zu Brei schlug, sollte ich auch unterschreiben, Reueerklärung – und jetzt soll ich unterschreiben, ich … für sie!“ 14 Die physische Gewalt, die sie in der Vergangenheit erfahren hat, setzt sie in der Gegenwart dem Gefühl vermeintlicher Gefährdung aus. Sie wird von einem Impuls des Nicht-­Trauen-­Könnens beherrscht, der sie zu übermäßiger Wachsamkeit (Hypervigilanz) antreibt. Die Symptome werden besonders in der Taxi-­Episode sichtbar. Sie hält den Taxifahrer zunächst für einen Spitzel des repressiven Staats und dann für einen Genossen – schließlich entpuppt er sich als ein Zeuge Jehovas. Er erinnert sie an ihren Folterer, sie versucht die Erinnerungen an das ihr zugefügte Leid zu vermeiden und bricht ihren Gedanken abrupt ab. Die sprachliche Gestaltung spiegelt das Unaussprechliche und Nicht-­Kommunizierbare bzw. Nicht-­Narrativierbare ihrer Erfahrungen wider: Also der ist sicher keiner von uns, der Affe, mit diesen behaarten Patzern am Steuer, der ist sicher einer von den Kombolochisten, die bewilligen die Taxikonzession aller Art von Herumtreibern, Spitzeln, die haben ihre Spitzelei mit den Gehirnzellen verwachsen, so ein dunkler Schnauzbart war auch der Henker, der mir damals die Nägel heraus-, […]15

Dimitras unfreiwillige Erinnerungen an die erlittene Folter ist oft assoziativ, repetitiv und fragmentarisch: „Mich, die nicht einmal Kompocholis aus der Fassung gebracht hat, auch wenn er mir die Nägel einzeln ausge.“ 16 Ihre Gegenspielerin Filio ist aufgrund ihrer Täterschaft traumatisiert, die genaueren Umstände bleiben aber zunächst offen und werden nur vage angedeutet. Sie weist traumatische Symptome und Anzeichen von Hysterie auf. So macht sie explizit auf ihre chronischen Schlafstörungen aufmerksam: „Ich will weg … ich halt’ das nicht aus, nein … meine Nerven. Der Arzt sagte schon: paß auf deine Nerven auf, sie sind angegriffen. Ich finde keinen Schlaf … Ich kann überhaupt nicht schlafen! Seit Jahren schlafe ich nicht

14 Kotzias, Jaguar, S. 38. „Να υπογράψω! Ο Κομποχόλης γδέρνοντάς με στα μπουντρούμια της Ασφάλειας μου γύρευε υπογραφές, δηλώσεις μετανοίας – και να υπογράψω εγώ … αυτηνής!” ­Kotzias, Ιαγουάρος, S. 35 f. 15 Kotzias, Jaguar, S. 26. „Δικός μας δεν είναι ο ουραγκοτάγκος, κάτι χερούκλες τριχωτές πάνω στο τιμόνι, του Κομποχόλη θα ’ναι εξάπαντος. Χορηγούν άδειες για ταξί σε λογιώ λογιώ καθάρματα χαφιέδες, έχουν τη σπιουνιά στα εγκεφαλικά τους κύτταρα, μαυριδερός μουστάκιας ήτανε κι ο μπόγιας που μου ’βγαλε τα νύ-, […]“ Kotzias, Ιαγουάρος, S. 20. 16 Kotzias, Jaguar, S. 62. „Εγώ τον Κομποχόλη αψήφησα κι ας μου ξερίζωσε τα νυ.“ Kotzias, Ιαγουάρος, S. 65.

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mehr.“ 17 Filio spielt auf die sie belastende Vergangenheit an, ihr gelingt es aber zunächst nicht, ihre traumatischen Erfahrungen zu narrativieren. Auch scheint sie zunächst der Überzeugung zu sein, dass Verdrängung und Vergessen sie von ihrem Trauma heilen würden: „Auch ich habe nicht vergessen, Dimitra. Nichts! … Hätte ich doch vergessen, ja, hätte ich! … dann würde ich auch schlafen können. Es werden fünfzehn Jahre, seit …“ 18 Andererseits beabsichtigt sie, ihre traumatischen Erinnerungen an die Besatzungszeit, die sie seit Jahren nicht loslassen, durchzuarbeiten und zu verbalisieren. Bereits in der Eingangsszene bekundet sie ihren Wunsch, das alte Viertel noch einmal sehen zu wollen. Die Gründe für ihre Traumatisierung deutet sie nur sporadisch an. Zum einen liegen sie in der Exekution ihres geliebten Halbbruders Thanos durch die Deutschen; Filios Vater (und Thanos’ Stiefvater), der Linke Stavros Petridis, hatte ihn denunziert, weil sie wegen Erbschaftsangelegenheiten in Streit lagen.19 Schwerer ins Gewicht fällt jedoch die Tatsache, dass sie als attraktive junge Frau kurz vor der Befreiung Athens auf Geheiß ihres Verlobten Fanis (der seinerseits dem Befehl der kommunistischen Partei umstandslos gehorchte) den Kollaborateur Sarantis in den Hinterhalt lockte, damit er ihn exekutieren konnte. Ferner belastet sie moralisch die Tatsache, dass Sarantis kurz vor seinem Ableben seinen paramilitärischen Kameraden die Namen seiner Mörder nicht preisgegeben und somit sie und ihre Angehörige vor der tödlichen Rache der Kollaborateure geschützt hatte. Vergeblich versucht Filio, Dimitra zu überzeugen: „Wenn er geredet hätte, wehe uns! … Du hättest dich nicht verstecken können, sie hätten dich im Haus aufgestöbert, hätten dich gepfählt, deine M ­ utter niedergemacht, das Haus angezündet … Er hat den, der ihn getötet hat, nicht preisgegeben, auch wenn er ihn sah … Ihm ist verziehen worden, Dimitra!“ 20

Kotzias inszeniert einen subtilen intertextuellen Dialog mit seinem Erstlingswerk, in dem Filio lediglich eine Nebenrolle spielte. Bei einem nächtlichen Spaziergang sucht sie in Begleitung der unwissenden Dimitra den Ort ihres Verbrechens auf, um ihre

17 Kotzias, Jaguar, S. 40. „Να φύγω … δεν το αντέχω, δεν … τα νεύρα μου. Είπε ο γιατρός: πρόσεχε τα νεύρα σου, είναι κλονισμένα. Δεν κοιμάμαι καλά … Δεν κοιμάμαι καθόλου! Χρόνια δεν κοιμάμαι!“ Kotzias, Ιαγουάρος, S. 37. 18 Kotzias, Jaguar, S. 45 „Ούτε κι εγώ έχω ξεχάσει, Δήμητρα. Τίποτα! … Μακάρι να ξεχνούσα, ναι, μακάρι! … τότε θα κοιμόμουν. Κοντά δεκαπέντε χρόνια που …“ Kotzias, Ιαγουάρος, S. 44. 19 Der Konflikt ­zwischen Dimitra und Filio spiegelt sich im Konflikt ­zwischen Stiefvater ­Stavros und Stiefsohn Thanos wider. Insofern handelt es sich um ein mise en abyme, worauf auch Skoupras, Η Δραστική Παρουσία (Die drastische Präsenz), 2010, S. 264, hinweist. 20 Kotzias, Jaguar, S. 91. „Αν είχε μιλήσει, αλίμονο! … Εσύ δεν κρυβόσουν, θα σε βρίσκανε στο σπίτι … θα σε παλουκώναν, θα σφάζανε τη μάνα σου, θα καίγανε το σπίτι … δε μαρτύρησε εκείνον που τον σκότωσε ας τον είδε … Συχωρέθηκε, Δήμητρα!“ Kotzias, Ιαγουάρος, S. 100.

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traumatische Vergangenheit aufzuarbeiten. Dimitra selbst erinnert sich nur vage an ihre Widerstandsaktionen als junge Frau gegen den Kollaborateur Minas Papathanasis: […] im letzten Jahr der Besatzung, der Faschist feierte Triumphe – Terror, Bestie der Apokalypse! Das waren wir unserer Ehre schuldig, Parolen an die Wände zu schreiben, auch wenn die Maschinengewehre uns niedermachten, wir trafen uns barfuß im Morgengrauen, bis zum Wespennest pinselten wir die Wände voll: TOD DEM VERRÄTER – wie hieß er noch gleich? Papa- hieß er, Pana-… […]21

Die näheren Umstände von Filios Verbrechen werden in Kapitel 33 des Romans Πολιορκία (Belagerung) beschrieben. Sie lockte den Kollaborateur Sarantis gezielt in die Falle, indem sie mit ihm ein letztes Stelldichein arrangierte, angeblich, um sich von ihm zu verabschieden und ihm ihre bevorstehende Heirat mitzuteilen: „Ich möchte mich von dir verabschieden“, sagte sie schließlich. „Ach was! Wohin geht’s?“ „Nirgendwo hin … Ich heirate.“ „Großartig! … Und du, du bist zu mir gekommen, um mir das zu erzählen?“ „Ja.“ „Du nimmst also den Architekten … Bravo, ein feiner Kerl. Er hat doch eine Glatze, oder?“ „Was kümmert es dich, dass er keine Haare hat?“ Sie wurde wütend.22

21 Kotzias, Jaguar, S. 65. „[…] τελευταία χρόνια Κατοχής, οργίαζε ο φασίστας – τρομοκράτης, θηρίο της Αποκαλύψεως! Χρέος τιμής να γράψουμε συνθήματα κι ας μας γάζωναν τ’ αυτόματα, ζυγώναμε ξιπόλητοι χαράματα, ως τη σφηκοφωλιά γεμίσαμε τους τοίχους: ΘΑΝΑΤΟΣ ΣΤΟΝ ΠΡΟΔΟΤΗ – πώς τον λέγανε; … Παπά- τον λέγανε, Πανά-… […] “ Kotzias, Ιαγουάρος, S. 68. 22 „–Θέλω να σ’ αποχαιρετίσω, του είπε τέλος. –Μπα! Και για πού; –Πουθενά … Παντρεύομαι. […] –Σπουδαία! … Και με ζητούσες να μου το πεις; –Ναι. –Και τον αρχιτέκτονα παίρνεις; … Μπράβο, λαμπρό παλικάρι. Εκείνο τον καραφλό, ε; –Και μήπως σε κόφτει εσένα σα δεν έχει μαλλιά; αγρίεψε.“ Kotzias, Πολιορκία (Belagerung), 2003, S. 346 (Übersetzung von A. Anastasiadis). Relevant für die Rezeption des Textes ist die Tatsache, dass Thanassis Valtinos in seinem z­ wischen Fiktion, Intertextualität und Wirklichkeit changierenden Text Ο τελευταίος Βαρλάμης auf diese Szene verweist, in die sein Protagonist Michel verwickelt wird: „1944, Juli. Die Wände in der Hadrianstraße sind voller roter Buchstaben. tod dem verräter papathanasis  […] Unter der Platane ein Pärchen. Der Mann hat den Rücken an den Baumstamm gelehnt, die Frau hockt auf seinen Knien. Michel ist überrascht. Er weicht aus, um sie zu umgehen. Die Frau springt auf. Es ist Filitsa. Der Mann versucht seine Hose hochzuziehen. Michel erkennt Sarantis. Zwei Pistolenschüsse, genau hinter ihm, und direkt zwei weitere“ („1944, Ιούλιος. Οι τοίχοι της οδού Αδριανού γεμίζουν με κόκκινα γράμματα. ΘΑΝΑΤΟΣ ΣΤΟΝ ΠΡΟΔΟΤΗ ΠΑΠΑΘΑΝΑΣΗ. […] Κάτω από τον πλάτανο ένα ζευγάρι. Ο άντρας με την πλάτη στηριγμένη στον κορμό του δέντρου, η γυναίκα καβάλα στα γόνατά του. Ο Μισέλ αιφνιδιάζεται. Λοξοδρομεί να τους παρακάμψει. Η γυναίκα τινάζεται. Είναι η Φιλίτσα. Ο άντρας προσπαθεί να μαζέψει τα παντελόνια του. Ο Μισέλ αναγνωρίζει τον Σαράντη. Δύο πιστολιές, ακριβώς από πίσω του και αμέσως άλλες δύο θρυμματίζουν τη νύχτα.“) Valtinos, Ο τελευταίος Βαρλάμης (Der letzte ­Varlamis), S. 875 f.

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Während des anschließenden Liebesakts taucht Fanis mit einem Komplizen auf, um den Kollaborateur umzubringen: „Was läuft?“ rief er ihr wild zu. Sie antwortete ihm nicht. Sie war auf ihn gefallen und umschlang ihn fest – seine Hand, die den Revolver greifen würde. […] Außer sich machte er sich von ihr los, stieß sie weit von sich ab, erregt glitten seine Finger in die lederne Revolvertasche. Er war zu langsam. Die beiden Schatten waren bereits vor ihm.23

Kotzias’ intertextuelles Verweisspiel ist sehr sorgfältig und nuanciert ausgeführt. Es dient zur Veranschaulichung der Persistenz der traumatischen Erfahrung und der Dauer des traumatischen Prozesses.24 Intertextualität ist eine besonders subtile und raffinierte literarische Verfahrensweise, um traumatische Symptome zu veranschaulichen, und sie ist ein Charakteristikum bestimmter Texte, die der trauma fiction zugeordnet werden.25 Besonders akustische Eindrücke sind Filio in ihrem Gedächtnis haften geblieben. In Πολιορκία (Belagerung) wird der Ort des hinterhältigen Mordes wie folgt beschrieben: Jetzt knirscht der feine Kies unter ihren zaghaften Schritten. […] Auf der einen Seite der Schulhof […] und zwei Schritte weiter versperrt die schweigende Mauer der Textilfabrik die Straße.26

23 „–Τι τρέχει! της φώναξε άγρια. Δεν του απάντησε. Έχει πέσει πάνω του και τον αγκαλιάζει σφιχτά – το χέρι του που θάπιανε το πιστόλι. […] Την ξεκόλλησε φρενιασμένος, την τίναξε πέρα, τα δάχτυλά του τρύπωσαν με μανία στην πέτσινη θήκη. Δεν πρόκαμε. Οι δυο σκιές βρίσκουνται κιόλας μπρος του.“ Kotzias, Πολιορκία (Belagerung), 2003, S. 352. 24 Fischer; Riedesser (Psychotraumatologie, 42009, S. 77) schreiben über die Relation von Trauma und Zeit: „Traumatische Situationen enden nicht nach der objektiven Zeit und nicht per se schon dann, wenn das traumatische Ereignis vorüber ist. Unter subjektiven und inter-­ subjektiven Gesichtspunkten enden sie, vor allem wenn sie von Menschen verursacht werden, erst dann, wenn die zerstörte zwischenmenschliche und ethische Beziehung durch Anerkennung von Verursachung und Schuld wiederhergestellt wurde. Exemplarische Situationen enden nicht einfach, wenn Zeit vergeht. Daher heilt Zeit allein nicht alle Wunden.“ 25 Die Literaturtheoretikerin Whitehead, Trauma Fiction, S. 84 f., schreibt über Intertextualität im Werk der amerikanischen Nobelpreisträgerin Toni Morrison als Mittel von trauma fiction Folgendes: „Many works of trauma fiction foreground the literary device of intertextuality. […] Intertextuality can suggest the surfacing to consciousness of forgotten or repressed memories. […] Through intertextual reference to her own fiction, Morrison reveals that the trauma of slavery has not been laid to rest but resurfaces in the lives and actions of the protagonists. She signals the haunting power of a traumatic past which can be readily identified by the attentive reader but remains beyond the reach or grasp by the characters themselves.“ 26 „Τώρα το ψιλό χαλίκι τριζοβολάει κάτω από τα δισταχτικά τους βήματα. […] Από τη μιά, η μάντρα της αυλής του Σχολείου […] και δύο δρασκελιές αντίκρυ, φράζει όλο το μάκρος του δρόμου το σιωπηλό ντουβάρι της φάμπρικας των μεταξωτών […]“ Kotzias, Πολιορκία (Belagerung), 2003, S. 349.

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14 Jahre später fällt Filio wie in Trance besonders auf, dass der Weg asphaltiert worden ist und deshalb der Kies nicht mehr knirscht. Die Szene wird aus der Perspektive Dimitras beschrieben, sie ist aber nicht in der Lage, das merkwürdige Verhalten Filios richtig einzuordnen: Wie eine Schlafwandlerin kommt sie unaufhaltsam bis zur Ecke der Schule. Gegenüber eine riesige zweigeschossige Ruine, vor dem Krieg wohl eine Fabrik […]. Ungefähr in der Mitte des Weges bleibt sie stehen, ihre heisere Stimme wird zum Alptraum: „Es knirscht nicht mehr … Es war dunkel.“ […] „Sie haben asphaltiert … der Kies knirscht nicht mehr.“ 27

Filio stellt sich ihrer traumatischen Vergangenheit und verarbeitet sie ganz bewusst. Sie integriert ihre Täterschaft in ihre Lebensgeschichte. Während ihrer traumatischen Spuren­suche beim nächtlichen Spaziergang vergegenwärtigt sie die 14 Jahre zurück­ liegende traumatische Situation, als durchlebe sie sie erneut, und ist danach in der Lage, ihr Verbrechen zuzugeben: „[…] ich wollte den Tod von Thanos rächen, ja! […] ich wollte mich dafür rächen, daß sie Thanos erschossen haben, mich rächen an den Faschisten, das gebe ich zu!“ 28 Ihr Umgang mit dem Trauma veranschaulicht die Beobachtungen von Sigmund Freud und Josef Breuer aus den Studien zur Hysterie, dass Erinnerungsarbeit und Narrativierung zur Heilung von hysterischen Symptomen führe: Wir fanden nämlich, anfangs zu unserer grössten Ueberraschung, dass die einzelnen hysterischen Symptome sogleich und ohne Wiederkehr verschwanden, wenn es gelungen war, die Erinnerung an den veranlassenden Vorgang zu voller Helligkeit zu erwecken, damit auch den begleitenden Affect wachzurufen, und wenn dann der Kranke den Vorgang in möglichst ausführlicher Weise schilderte und dem Affect Worte gab. Affectloses Erinnern ist fast immer völlig wirkungslos; der psychische Process, der ursprünglich abgelaufen war, muss so lebhaft als möglich wiederholt, in statum nascendi gebracht und dann „ausgesprochen“ werden.29

Die Aufarbeitung der Vergangenheit hat offensichtlich therapeutische Wirkung. Nachdem Filio ihren traumatischen Erfahrungsraum aufgesucht hat, sich gleichsam „affekthaft“ an ihre Täterschaft erinnert und über das vergangene Geschehene 27 Kotzias, Jaguar, S. 69 – 70. „Ίδια υπνοβάτισσα αλύγιστη έφτασε στη γωνία του σχολείου. Αντίκρυ ένα τεράστιο διώροφο ερείπιο, εργοστάσιο προπολεμικώς […] Κάπου στα μισά του δρόμου κοντοστάθηκε, η βραχνάδα της εφιαλτική: ‚Δεν τρίζει πια … Ήτανε σκοτάδι.‘ […] ‚Το ασφαλτοστρώσανε … δεν τρίζει το χαλίκι‘.“ Kotzias, Ιαγουάρος, S. 74 – 75. 28 Kotzias, Jaguar, S. 95. „[…] ήθελα να εκδικηθώ το θάνατο του Θάνου, ναι! […] ήθελα να εκδικηθώ που ντουφεκίσανε το Θάνο, τους φασίστες να εκδικηθώ, αυτό το παραδέχομαι!“ ­Kotzias, Ιαγουάρος, S. 105. 29 Breuer; Freud, Studien über Hysterie, 62007, S. 30.

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gesprochen hat, verschwinden ihre Schlafstörungen und sie fällt in einen Tiefschlaf, der ihre (partielle) Heilung symbolisiert. Missgünstig kommentiert ihre Gegenspielerin Dimitra das Geschehen: „[…] nein, ich ertrage es nicht, sie schläft, während ich … ich ertrage es nicht, daß die Mörderin schläft, während ich um meinen Schlaf gekommen bin […]“ 30 Dimitra hingegen ist nicht in der Lage ihr Trauma einzuräumen, geschweige denn zu verarbeiten. Sie verharrt bis zum Schluss in ihrem heroischen Opferdiskurs. Das mag auch ideologische Gründe haben: Aus kommunistischer Perspektive wäre es ein ­­Zeichen von Defätismus oder Schwäche, psychische Labilität einzugestehen.31 Ferner fehlt ihr aus psychotraumatologischer Sicht der empathische Zuhörer: Ihre Suada ist an sie selbst adressiert. Charakteristisch für ihre Haltung ist ihr Schlussmonolog: Ich bin aus Stahl, unbeugsam, mich kriegen sie nicht klein, aber der Schmerz … aus Stahl bin ich und weine nicht, meine Augen werden etwas feucht, doch ich weine nie … auch wenn alle mich verraten haben, auch wenn sie mich allein gelassen haben … selbst mein Mann, der Verräter, hat mich verraten, doch ich bin eine Kämpfernatur, Partisanin, ich weine niemals! … niemals!32

Dimitras Narrations- und Erinnerungsprozess hat destruktive Wirkung; ihr letzter Gedanke beim Anblick der schlafenden Filio unterstreicht dies. In einem Akt der Verzweiflung fragt sie sich: „Soll ich sie umbringen? …“ 33

30 Kotzias, Jaguar, S. 105 „[…] όχι, δεν ανέχομαι να κοιμάται αυτή ενώ εγώ … δεν το αντέχω να κοιμάται η φόνισσα και να ’χω χάσει τον ύπνο μου εγώ […]“ Kotzias, Ιαγουάρος, S. 118. 31 Giannakakis, Τα όπλα παρά πόδα, S. 11, schreibt, dass wir wenige Informationen über den psychischen Zustand der politischen Flüchtlinge nach dem Bürgerkrieg verfügen, und zwar aus folgendem Grund: „Depression, Psychosen und Neurosen, auch Fälle von Paranoia galten als ‚Schwächen‘, als Z ­­ eichen eines ‚schwachen Charakters‘, die eines Kommunisten nicht würdig ­seien.“ („Νευρική κατάθλιψη, οξεία ψύχωση και νευρώσεις, ακόμα και περιπτώσεις παράνοιας θεωρούνταν ‘αδυναμίες’, έκφραση ‘αδύναμου χαρακτήρα’ μη αντάξια ενός κομμουνιστή.“) 32 Kotzias, Jaguar, S. 105. „Εγώ είμαι από ατσάλι, αλύγιστη, δε θα με συντρίψουν, μα ο πόνος … από ατσάλι είμαι και δεν κλαίω, νοτίζουνε τα μάτια μου κομμάτι, εγώ ποτέ δεν κλαίω, ας με προδώσανε όλοι, ας μ’ εγκαταλείψανε μονάχη … ως κι ο άντρας μου ο προδότης με πρόδωσε, όμως εγώ είμαι στοιχείο αγωνιστικό, αντάρτισσα, δεν κλαίω ποτέ! … ποτέ!“ Kotzias, Ιαγουάρος, S. 118. 33 Kotzias, Jaguar, S. 106. „Να τη σκοτώσω; …“ Kotzias, Ιαγουάρος, S. 120.

Ulrich Moennig

6. Der traumatische Prozess des Erzählens: Το Κιβώτιο (1975; Die Kiste) von Aris Alexandrou Einführendes Der Roman Το Κιβώτιο (1975; Die Kiste)1 ist ein Musterbeispiel traumatisierter (Erzähler-)Rede und traumatischen Diskurses. Deshalb wurde er hier als Beispiel für eine „Auflösung“ eines Datenblatts in eine Mikroanalyse ausgewählt.2 Diese Mikroanalyse schließt in zweiter Linie allgemeine Erläuterungen zur Gestaltung der Datenblätter mit ein, weil sich der Zusammenhang ­zwischen der Funktion bestimmter narrativer Merkmale und der Repräsentation traumatisierter Rede am Beispiel von Το Κιβώτιο (Die Kiste) besonders deutlich darstellen lässt.3

Biographie des Autors und Entstehung des Romans Aris Alexandrou wurde 1922 im damaligen Petrograd (heute Sankt Petersburg) als Sohn einer Russin und eines griechischstämmigen Vaters geboren. 1928 zog die Familie nach Griechenland, zunächst nach Thessaloniki, im Jahr 1930 folgte der Umzug nach Athen. Der Autor engagierte sich während der Besatzung (ab 1941) und des Bürgerkriegs für die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) und trat 1942 aus Protest gegen den Ausschluss dreier Freunde aus der Partei aus, unterstützte jedoch weiterhin den Widerstand. Große Teile der Jahre von 1944 bis 1958 verbrachte er als politischer Gefangener in verschiedenen Internierungslagern, auf Verbannungsinseln und in Gefängnissen (Libyen, Limnos, Makronissos, Ai-­Stratis, Athen [Averof- ­Gefängnis], Ägina, Gyaros), davon die Jahre 1953 bis 1956 in Isolationshaft.4 „Griechenland hielt ihn fest

1 Für die deutschen Textbeispiele habe ich je nach Bedarf entweder die Übersetzung von Gerhard Blümlein mit Titel Die Kiste von 2001 herangezogen oder – um Deckungsgleichheit z­ wischen den griechischen Zitaten und der deutschen Übersetzung herzustellen – selbst übersetzt; an diesen Stellen verweise ich ergänzend auf die publizierte Übersetzung. Auch alle anderen Übersetzungen stammen, sofern nicht anders angegeben, von mir, U. Moe. 2 Moennig, Datenblatt Alexandrou, 2013. 3 Die im Folgenden verwandte Terminologie ist entlehnt: Lahn; Meister, Erzähltextanalyse, 2016. 4 Siehe die chronologische Liste von biographischen Ereignissen im Leben des Autors bei ­R aftopoulos, Άρης Αλεξάνδρου (Aris Alexandrou), 1996, S. 393 – 398.

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mit seinen geschlossenen Grenzen, seinen Internierungslagern und seinen Gefängniszellen“, schreibt Dimitris Raftopoulos zu Beginn seiner Werk-­Biographie.5 Nach der Machtübernahme durch die Obristen am 21. April 1967 in Athen flohen er und seine Frau Kaiti Drossou ins Pariser Exil. Er starb 1978 in Paris, Kaiti Drossou lebte weitere 38 Jahre. Alexandrou veröffentlichte u. a. mehrere Gedichtsammlungen, den Roman Το Κιβώτιο (Die Kiste), dramenartige Stücke und Essays.6 Außerdem übersetzte er englische, russische (z. B. Maxim Gorki, Fjodor Dostojewski, Ilja Ehrenburg), französische und andere Literatur.7 Alexandrou begann mit der Abfassung seines Romans im Jahr 1966 (diese Angabe findet sich in der gedruckten Ausgabe des Buches). Man könnte ihn als Dissidenten bezeichnen, der von der Linie der Partei Abstand genommen hatte (und man könnte seinen Roman Το Κιβώτιο (Die Kiste) als ein griechisches Werk der Dissidentenliteratur charakterisieren). Diese biographischen Hintergrundinformationen zum Autor sind insofern relevant, als der innerparteiliche Umgang untereinander eines der zentralen Th ­ emen des Romans Το Κιβώτιο (Die Kiste) ist; die Erzählung über vergangene Ereignisse wird zum Bericht einer Bewusstwerdung von Schuld, die der Protagonist gegenüber seinen Genossen auf sich geladen hat. Es wird eine offene Frage bleiben, ­welche Empirie und welches Wissen es dem Autor ermöglicht haben, eine traumatisierte Romanfigur durch ihre Rede kennzeichnen zu können, zu einer Zeit, als die Psychotraumatologie noch nicht als Wissenschaft etabliert war und es noch keine Handbücher gab, in denen die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung beschrieben werden. Dimitris Raftopoulos, der sicherlich wichtigste „Interpret“ Alexandrous, sieht die Möglichkeit einer psychoanalytischen Analyse des Romans – was angesichts des Stellenwerts der Symptomatik eines posttraumatischen Belastungssyndroms in Το Κιβώτιο (Die Kiste) zu kurz greift.8 Der Autor Alexandrou hatte persönliche Erfahrung mit Reaktionen auf eine über einen langen Zeitraum andauernde, mit eigener Bedrohung und Bedrohung anderer einhergehende Extremerfahrung, im Widerstand und im Bürgerkrieg. Und er hatte die Erfahrung einer lang anhaltenden Isolationshaft und die Situation einer „chronischen“ äußeren Ereignislosigkeit. Man

5 „Η Ελλάδα τον κράτησε με τα κλειστά της σύνορα, τα στρατόπεδα και τα κελιά της“, ­R aftopoulos, Άρης Αλεξάνδρου (Aris Alexandrou), 1996, S. 11. 6 Eine detaillierte Werkbibliographie bei Raftopoulos, Άρης Αλεξάνδρου (Aris Alexandrou), 1996, S.  375 – 382. 7 Ein detailliertes bibliographisches Verzeichnis der Übersetzungen bei Raftopoulos, Άρης Αλεξάνδρου (Aris Alexandrou), 1996, S. 383 – 389. 8 Raftopoulos, Άρης Αλεξάνδρου (Aris Alexandrou), 1996, S. 332 f. Tsirimokou, Δρόμοι σημείων αδιέξοδοι (Sackgassen der Zeichen), ­­ 2000, S. 146, schreibt, „[S]eine Schreibe grenzt an Neurose“ (freie Übersetzung, griech.: „[Η] γραφή που προκύπτει αγγίζει βέβαια τα όρια της νεύρωσης“).

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sollte aber auch an die Möglichkeit denken, dass der vielsprachige Autor in den Jahren vor und während der Abfassung des Romans in der internationalen Presse Diskussionen zu den Folgen des Holocaust für die überlebenden Opfer und von Kriegen (Korea, Vietnam) für heimkehrende Veteranen verfolgt haben mag.9 Zu dem Roman wurde sehr viel geschrieben, zumeist im Grenzbereich z­ wischen Literaturkritik und Literaturwissenschaft. Literaturwissenschaftlich einschlägig sind neben der bereits zitierten Werk-­Biographie und späteren Publikationen von Dimitris Raftopoulos 10 Beiträge von Lizy Tsirimokou,11 von Dimitris Tziovas,12 Emmanuela Kantzia 13 u. a.14 Im Fokus der gängigen Interpretationen stehen die Kiste und ihre (metaphorische?, allegorische?) Leere – „alles Lüge, es gab keine s­ olche Mission des DSE während des Bürgerkriegs“, hat sich ein Student, dessen Vater auf Seiten des DSE (= Demokratische Armee Griechenlands) gekämpft hatte, Raftopoulos gegenüber beschwert („mit einer gewissen, nur mit Mühe im Bereich des Akzeptablen gehaltenen Aggressivität“),15 während jemand bei einer Buchpräsentation behauptet habe, die Mission Kiste […] gab es im Bürgerkrieg wirklich, allerdings war die Kiste nicht leer, im Gegenteil, sie enthielt etwas sehr Wertvolles: einen sündhaft teuren Pelz, ein Geschenk an die Geliebte, das Zachariadis aus der Gegend von Kastoria an Rula schickte, wo auch immer sie sich befand. Einfach nur so, um die Bürgerlichen zu ärgern.

Als vorläufiger und seriöser Endpunkt dieser Diskussion lässt sich das bestimmen, was von Lizy Tsirimokou seinen Ausgang nahm („Die Kiste, eigentlicher Protagonist in

9 Vgl. zur Geschichte der Psychotraumatologie Fischer; Riedesser, Psychotraumatologie, 4 2009, S. 33 – 45, und Seidler, Geschichte der Psychotraumatologie, 2013. 10 Insbesondere Raftopoulos, Άρης Αλεξάνδρου. Η σιωπή του Κιβώτιου, 2012. 11 Tsirimokou, Δρόμοι σημείων αδιέξοδοι (Sackgassen der ­­Zeichen), 2000 (Erstveröffentlichung 1986); Tsirimokou, Το τελευταίο τσιγάρο (Die letzte Zigarette), 2000 (Erstveröffentlichung 1997) und (teilweise) Tsirimokou, Ο συνήθης ύποπτος (Der übliche Verdächtige), 2000 (Erstveröffentlichung 1997). 12 Tziovas, Το παλίμψηστο (Das Palimpsest), S. 257 – 265. 13 Kantzia, Literature as Historiography. 14 Wiederholt analysiert wurden die intertextuellen Bezüge ­zwischen Το Κιβώτιο (Die Kiste) einerseits und Kafkas Der Prozess und Das Schloss andererseits, zuletzt von Voulgari; ­Mavridou, Συνομιλώντας, 2015. 15 Raftopoulos, Άρης Αλεξάνδρου. Η σιωπή του Κιβώτιου, 2012, S. 118 f.: „‚[Ψ]εύδεται‛, δεν υπήρξε καμία τέτοια αποστολή του Δημοκρατικού Στρατού κατά τον Εμφύλιο“ und „[Μ]ε κάποια επιθετικότητα μόλις συγκρατούμενη στα όρια της κοσμιότητας“; „Η επιχείρηση ,Κιβώτιο‛ έγινε, λέει, κατά τον εμφύλιο, όμως το κιβώτιο δεν ήταν άδειο, απεναντίας, περιείχε κάτι βαρύτιμο: μια πανάκριβη γούνα, δώρο εραστού, που έστελνε ο Ζαχαριάδης, από την περιοχή της Καστοριάς, στη Ρούλα, δεν ξέρω που. Αν όχι τίποτ’ άλλο, έτσι για να σκάσουν οι αστοί […]“.

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Alexandrous Roman, transportiert den Körper – oder den Leichnam – der griechischen engagierten Literatur“)16, von Dimitris Tziovas fortgesetzt wurde („das Masternarrativ, das niemals geschrieben werden wird“)17 und was Kerstin Jentsch-­Mancor oben in ihrem Beitrag wie folgt anspricht: „[Alexandrou challenged] the notion of historical reality as an autonomous, absolute and given entity, which had been cultivated by the polarized political and ideological climate.“ Der von Lizy Tsirimokou etablierte Interpretationsansatz basiert auf Modellen der Intertextualität; sie erkennt in dem Erzähler in seiner Zelle einen Protagonisten mit engen Bezügen zu Franz Kafkas Josef K. Durch meine im Folgenden entwickelte Interpretation will ich mit den etablierten Ansätzen nicht in Konkurrenz treten; im Großen und Ganzen widerlegen meine Erkenntnisse nicht die bisher publizierten. Wohl aber eröffnet der strikte Fokus auf den Erzähler (den Kantzia als „Writer“ bezeichnet, womit sie den schriftlichen Charakter der Erzählung betont)18 und den Erzählvorgang sowie die strikte Unterscheidung z­ wischen dem Erzähler einerseits als Erzählendem und andererseits als erzählter Figur (dem Protagonisten) eine vollkommen andere Perspektive auf diesen so vielschichtigen Roman. Ich stelle eine Korrelation ­zwischen narratologischen Merkmalen des Romans und in Handbüchern der Psychotraumatologie beschriebenen Symptomen her, was es mir ermöglicht, den Erzählvorgang selbst in den Mittelpunkt zu stellen und diesen als einen traumatischen Prozess zu beschreiben.19

Narratologische Beschreibung In der vorliegenden Mikroanalyse folge ich dem Aufbau eines Datenblatts, zumal die hier vorgeschlagene Interpretation während des Ausfüllens des Datenblatts entstand, es sich somit als heuristisches Werkzeug bewährt hat.20 An dem Beispiel von Το Κιβώτιο 16 Tsirimokou, Δρόμοι σημείων αδιέξοδοι (Sackgassen der Z ­­ eichen), 2000, S. 148: „Το Κιβώτιο, ουσιαστικός πρωταγωνιστής στο μυθιστόρημα του Αλεξάνδρου, μεταφέρει το σώμα -ή το π ­ τώματης ‚στρατευμένης‛ λογοτεχνίας.“ 17 Tziovas, Το παλίμψηστο (Das Palimpsest), S. 265: „[Η] μείζων αφήγηση, που δεν θα γραφτεί ποτέ“. Tziovas verweist auf Thalassis, Η άρνηση (Die Verweigerung). 18 Kantzia, Literature as Historiography, S. 120. 19 Kantzia, Literature as Historiography, S. 135, Endnote 27 zu S. 130, erwägt die Möglichkeit, dass Merkmale der Rede des Erzählers einen psychotraumatischen Hintergrund haben: „We have here moved into Freudian territory: compulsion is to be attributed to the unconscious repressed […]. Thus, in addition to the performative reading of the confession, one can also look for historical meaning by investigating the traumatic sites of such compulsive narrative repetitions.“ 20 Zu den Datenblättern (einem während des Projekts Narrative Vermittlung kollektiver trauma­ tischer Erfahrungen am Beispiel des griechischen Bürgerkriegs entwickelten Analysetool) siehe

Narratologische Beschreibung | 167

(Die Kiste) lässt sich die oben von Athanasios Anastasiadis formulierte These belegen, dass eine im Text ausdrücklich angelegte und messbar gemachte Erzählerzeit zu den narratologischen Merkmalen gehört, die charakteristisch sind für trauma fiction.21 Wer? (Parameter des Erzählers)

Der Erzähler, der mit dem Protagonisten identisch ist, befindet sich in Untersuchungshaft. Seine Aussage dient anfangs dem Zweck, seine Unschuld zu beweisen, während er am Ende für die Todesstrafe plädiert. Es stellt sich also die grundlegende Frage, welches Ereignis (bzw. wie der Prozess verlaufen ist, der) zu dieser vollständigen Kehrtwende geführt hat. Und da der Erzähler zugleich betont, dass seine Tage durch das vollständige Fehlen äußerer Ereignisse gekennzeichnet sind, können nur der Erzählprozess selbst und mentale Prozesse während des Erzählvorgangs zu d­ iesem Ergebnis geführt haben. Adressat der Erzählung ist ein Untersuchungsrichter, der an einer k­ urzen Stelle auch Gegenstand der Erzählung ist (d. h., der Protagonist hat den Untersuchungsrichter gesehen, mit ihm gesprochen), aber die ganze Zeit der Erzählung über nicht eingreift. Die Präsenz eines textinternen Adressaten ist ein typisches Merkmal von trauma novels, doch während ein empathischer Zuhörer dazu beitragen kann, dass ein Erzählprozess eine therapeutische Wirkung hat, führt die vollständige Apathie des Untersuchungsrichters zum Ergebnis der traumatisierenden Bewusstwerdung von Schuld. Die Erzählerzeit ist in Το Κιβώτιο (Die Kiste) eindeutig messbar. Die Erzählung erfolgt in Form einer schriftlichen Aussage während einer Untersuchungshaft, und sie erfolgt in Lieferungen. Jede dieser Lieferungen ist mit einem Datum versehen: 27. September 1949, 28. September 1949, 29. September 1949, 30. September 1949, 1. Oktober 1949, 2. Oktober 1949, 3. Oktober 1949, 4. Oktober 1949, 5. Oktober 1949, 10. Oktober 1949, 11. Oktober 1949, 12. Oktober 1949, 13. Oktober 1949, 22. Oktober 1949, 23. Oktober 1949, 27. Oktober 1949, 10. November 1949, 15. November 1949. Anfänglich wird der Umfang einer jeden Lieferung textintern begrenzt durch die Papiermenge, die dem Erzähler täglich zur Verfügung gestellt wird. Dies ändert sich ab dem Zeitpunkt, von dem an es Pausen gibt – der Erzähler setzt seine schriftliche Aussage wiederholt und für unterschiedlich lange Zeiträume aus: Auf die Lieferung vom 5. Oktober 1949 folgt eine vom Erzähler als Streik bezeichnete Pause von vier Tagen, auf die Lieferung vom 13. Oktober 1949 folgt eine Arbeitsniederlegung von acht Tagen; weitere Pausen folgen auf die Lieferungen vom 23. Oktober 1949 (drei Tage), vom 27. Oktober 1949 (dreizehn Tage) und vom 10. November 1949 (vier Tage). Da es in

http://www.trauma-­civilwar.uni-­hamburg.de/de/projekt/Beschreibung_der_Datenblaetter. html, letzter Zugriff: 26. 03. 2016. 21 Siehe dazu Kapitel 3 von Athanasios Anastasiadis im vorliegenden Band, insbes. S. 125.

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dieser Zeit keine äußeren Ereignisse gibt, ist sie voll von inneren Ereignissen, mentalen Prozessen, die zunehmend stärker in den Mittelpunkt der Erzählung rücken und die zum Zeitpunkt des Erzählens entweder die Gegenwart des Erzählers darstellen oder aber seine unmittelbare Vergangenheit. Der traumatische Diskurs, der den Roman Το Κιβώτιο (Die Kiste) auszeichnet, ist – soviel lässt sich an dieser Stelle bereits sagen – in seinen basalen narratologischen Merkmalen angelegt: in der Identität von Erzähler und Protagonist; in der Anwesenheit eines textinternen Adressaten; in der Kategorie der Erzählerzeit, die hier besonders deutlich messbar ist; in der Selektion, die Nicht-­Narrativierbares zunächst verschweigt; in der Unzuverlässigkeit des Erzählers. In Το Κιβώτιο (Die Kiste) ist von besonderer Bedeutung, wann – an welchem Punkt des narrativen Prozesses – er was erzählt. Was? (Parameter der Geschichte)

Alexandrou greift in Το Κιβώτιο (Die Kiste) eine Vielzahl von ­Themen auf: Der Mythos vom heroischen Widerstand von EAM (= Nationale Befreiungsfront) und ELAS (= Griechische Volksbefreiungsarmee) wird demontiert; die Doktrin der historischen Notwendigkeit der Dritten Internationalen wird verneint; der Militarismus des KKE in der Organisationsform des ELAS und des DSE wird angeprangert; die internen Mechanismen der Flügelkämpfe und der Säuberungen innerhalb des KKE in Widerstand und Bürgerkrieg werden angeklagt; und der dominante linke Opferdiskurs wird demaskiert, indem das „gefühlte“ Opfer sich seiner eigenen Täterschaft bewusst wird; es gab einen Bürgerkrieg, aber es gibt kein Narrativ vom Bürgerkrieg mit verbindlichem Wahrheitsanspruch.22 Το Κιβώτιο (Die Kiste) ist auf unterschiedlichen zeitlichen Ebenen angelegt; die Zusammenfassung der Handlung hängt im Wesentlichen davon ab, auf ­welche dieser Zeitebenen man fokussiert. In der Erzählung auf erster Zeitebene befindet das erzählende Ich (der Erzähler) sich in der Situation einer Untersuchungshaft in Isolation und macht eine schriftliche Aussage. Die Handlungen der Rahmenerzählung wirken auf den Erzähler zurück und liefern Motivationen für das „Wie?“ seiner Erzählung. Die Aussagen beziehen sich auch auf den Zustand des Erzählers selbst während der Zeit des Erzählens und die (psychologischen) Zustandsveränderungen, denen er unterliegt. Der Untersuchungsrichter reagiert nicht auf die Aussagen, was den Erzähler unterschiedliche Szenarien über die politischen Entwicklungen außerhalb seiner Zelle anstellen lässt: Anfangs unterstellt er, dass der Untersuchungsrichter Leninist ist (vgl. S. 44/S. 38, Lieferung vom 30. September 1949). Aber vielleicht ist die Stadt K auch in die Hände der Regierungstreuen

22 Siehe dazu Kapitel 4 von Kerstin Jentsch-­Mancor im vorliegenden Band.

Narratologische Beschreibung | 169

gefallen (S. 178/S. 151, Lieferung vom 13. Oktober 1949)? Oder ist der Untersuchungsrichter Dogmatiker (S. 182/S. 155, Lieferung vom 13. Oktober 1949)? Steht er gar über den Flügelkämpfen des KKE (S. 183/S. 155, Lieferung vom 13. Oktober 1949)? Gibt es überhaupt einen Adressaten (S. 186/S. 158, Lieferung vom 22. Oktober 1949)? Diese Fragen führen zu ständigen Revisionen der Erzählung. Gegen Ende seiner Erzählung zweifelt der Erzähler an seiner Qualität als Zeuge; wichtige Elemente der Geschichte ­seien ihm nicht bekannt, weil er in entscheidenden Augenblicken nicht anwesend war: „Ich war nicht Augenzeuge“ (Lieferung vom 15. November 1949).23 Die erste Zeitebene endet am 15. November 1949. Über das weitere Schicksal – das physische Weiterleben – des Protagonisten bleibt der Leser im Ungewissen, aber wir wissen, dass er als psychische Existenz an seinem Ende angelangt ist. Die zweite Zeitebene ist diejenige, auf die die gängigen Analysen des Romans bevorzugt fokussieren: Das erzählte Ich (der Protagonist) nimmt an der „Mission Kiste“ teil, die – einschließlich ihrer Vorbereitung – in den Monaten Juni bis September des Bürgerkriegsjahres 1949 stattfindet.24 Eine Gruppe von Soldaten des DSE soll eine Kiste von der Stadt N in die Stadt K befördern. Die Soldaten, von denen viele zuvor Offiziere (des DSE ) gewesen waren und die für die Zwecke der Mission degradiert wurden, werden handverlesen mit Marschbefehl in die Stadt N abkommandiert. Vor Beginn der Mission werden sie zusätzlich ausgebildet. Sie werden darüber informiert, dass vom Erfolg der Mission der Ausgang des Bürgerkriegs abhänge und dass es sich um eine Art Selbstmordkommando mit strikten Regeln handle: Wer den Zug behindere, z. B. durch Verletzung, wird zum Freitod durch Zyankali verpflichtet (S. 52/S. 44 – 45, Lieferung vom 1. Oktober 1949). Es folgt eine Vereidigung als Freiwillige (S. 61/S. 53, Lieferung vom 1. Oktober 1949). Bevor die Mission Kiste beginnt, werden fünf der Soldaten unter dem Vorwurf des Hochverrats hingerichtet. Die eigentliche Mission dauert vom 14. Juli bis zum 20. September 1949. Alle Beteiligten, mit Ausnahme des Protagonisten, kommen dabei ums Leben. Die genauen Geschehnisse können nicht in einer Inhaltsangabe wiedergegeben werden, weil der Erzähler sich als unzuverlässig erweist und am Ende auch seine Qualität als Zeuge infrage stellt. So bleibt eine Ungewissheit bzgl. des „Was?“ der Erzählung. So bleibt beispielsweise offen, ob die Kiste jemals einen Inhalt hatte. Die dritte Zeitebene (die Zeitebene der Analepsen) ist nicht kohärent organisiert: Der Erzähler berichtet von Flashbacks – sowohl des erzählenden als auch des erzählten Ichs –, die sich auf Erinnerungen, Episoden aus seinem Leben vor dem Juli 1949 bis zur Gegenwart beziehen: Schulzeit, Eintritt in das KKE, Widerstand, Teilnahme am

23 „[Δ]εν ήμουνα αυτόπτης μάρτυς“ (S. 338; Übersetzung Ulrich Moennig; vgl. Die Kiste, S. 282). 24 Historisch war der Bürgerkrieg mit der vernichtenden Niederlage des DSE am 29. August 1949 beendet.

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Bürgerkrieg. Wiederholt werden Personen aus dem jüngeren Leben mit Personen aus der Vergangenheit assoziiert oder identifiziert. Wichtige (erzählte) Figuren sind: −− Zunächst der Protagonist selbst. Sein Name bleibt während der ganzen Erzählung ungenannt, sodass er wie der „unbekannte Soldat“ zu einem Stellvertreter wird für viele. Am 9. Juli 1949 wird er 28 Jahre alt (S. 35 f./S. 31), er wurde also 1921 geboren – und gehört somit der wichtigen Altersgruppe der Erlebnisgeneration an, aus der sich außerfiktional der Widerstand und der Bürgerkrieg rekrutierten. Der Erzähler erzählt von seiner Schule und seinem mäßigen Fleiß dort, weshalb er die Aufnahmeprüfungen zur Technischen Hochschule nicht bestand. Er hat ein Jurastudium begonnen (S. 126/S. 106, Lieferung vom 10. Oktober 1949), ­dieses aber wegen seines politischen Engagements nicht abgeschlossen. Er ist schon seit der Zeit der Metaxas-­Diktatur im KKE organisiert (S. 58/S. 50, Lieferung vom 1. Oktober 1949; seit 1938: S. 220/S. 188, Lieferung vom 23. Oktober 1949) und war während der Besatzungsjahre im Widerstand tätig. 1943 trat er dem ELAS bei (S. 224/S. 191, Lieferung vom 23. Oktober 1949); an einer früheren Stelle bezieht er sich darauf wie folgt: „[Υ]ποτάχτηκα […] στην ιστορική αναγκαιότητα“ (S. 60)/„[I] ch unterwarf mich […] der geschichtlichen Notwendigkeit“ (S. 52, Lieferung vom 1. Oktober 1949).25 Eine Zeitlang war er auch Instruktor in seiner Organisation. 1947 war er auf Ikaria verbannt (S. 9/S. 7, Lieferung vom 27. September 1949), im Spätsommer 1948 reiste er zum Grammos-­Gebirge (S. 226/S. 192, Lieferung vom 23. Oktober 1949; S. 315/S. 264, Lieferung vom 15. November 1949). Er hat(te) eine Partnerin, Rena, die er als seine Frau bezeichnet. Im Verlauf der Mission Kiste findet eine Begegnung ­zwischen dem Protagonisten und Rena statt, die offenbar das Ende der Beziehung darstellt. Der Protagonist erhielt im Widerstand Auszeichnungen, scheint also ein guter Soldat gewesen sein (er stellt diese später als unverdient erworben dar), und wurde im DSE zum Feldwebel befördert: „[Μ]ε είχανε προβιβάσει σε επιλοχία“ (S. 11) / „[I]ch war zum Feldwebel befördert worden“ (S. 9, Lieferung vom 27. September 1949). Der Protagonist ist als Person unzuverlässig. So macht er seiner Partnerin Rena gegenüber ohne nachvollziehbare, situationsbedingte Not falsche Aussagen und verbirgt so ihr gegenüber seine tatsächlichen Beweggründe, die mit Misstrauen gegenüber Parteiangehörigen zusammenhängen: „[Τ]ης είπα με δυο λόγια πώς δικάσαμε και εκτελέσαμε τον Ταγματάρχη […] και βρήκαμε στην τσέπη του Ταγματάρχη ένα φακελάκι και στο φακελάκι ένα τσιγαρόχαρτο“ (S. 326) / „[I]ch sagte ihr kurz, wie wir dem Major den Prozeß gemacht und ihn hingerichtet hatten, […]

25 Raftopoulos schreibt über den Erzähler: „Όλα είναι κρίκοι της αλυσίδας αυτής της αναγκαιότητας, σε πλήρη αιτιότητα“ („Alles Glieder dieser Kette der Notwendigkeit, mit voller Kausalität”), Raftopoulos, Άρης Αλεξάνδρου (Aris Alexandrou), 1996, S. 292.

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in der Hosentasche des Majors einen kleinen Umschlag und darin ein Zigarettenpapier gefunden hätten“ (S. 273, Lieferung vom 15. November 1949 – nach allem, was der Leser weiß, trug der Protagonist das Zigarettenpapier, die „Visitenkarte“, schon seit Ende Juni 1949 bei sich). Er ist linientreu, militärisch gehorsam und misstrauisch gegenüber allem und allen.26 Der Untersuchungsrichter: Er hatte den Protagonisten vor dessen Inhaftierung befragt, und an ihn ist der Bericht des Erzählers adressiert; er reagiert nicht auf den Bericht, was dazu beiträgt, dass der Erzählprozess für den Erzähler zu einem Trauma auslösenden Ereignis wird. Der Gefängniswärter: Er ist die einzige Person, mit der der Erzähler in seiner Haft physisch Kontakt hat. Er bringt jeden Tag Brot, Wasser und Papier, nimmt gegebenenfalls die Lieferungen des Inhaftierten mit – und schweigt. Dieser immer gleich bleibende Vorgang stellt zugleich die einzige äußere Veränderung in der Zelle des Inhaftierten dar. Eine Vielzahl von Personen, hauptsächlich Soldaten (ehemalige Offiziere) des DSE, die mit dem Erzähler im Grammos-­Gebirge, in der Stadt N und während der Mission Kiste in Verbindung kommen. Dazu gehört auch Tilemachos, der Assistent von Major Periklis; Tilemachos wird ausgelost, um Delinquenten, die nicht durch die erste Kugel getötet wurden, den Gnadenschuss zu versetzen. Lysimachos (in der dt. Übersetzung von G. Blümlein: Lissimachos): Er stammt aus der Stadt N, ist kein Kommunist und wird für einfache Dienste eingesetzt. Sein Onkel war vom DSE hingerichtet worden. Der Protagonist hat Lysimachos schlafend bei der Wache angetroffen und ihm zugesagt, den Vorfall nicht zu melden – was er dann aber doch getan hat. Lysimachos wertet seine Teilnahme an der Mission Kiste als Beweis dafür, dass der Protagonist Wort gehalten hat, und ist dafür dankbar. Auch bewundert er den Protagonisten wegen seiner (unverdient erworbenen, wie die Leser wissen) Auszeichnungen aus der Besatzungszeit. Lysimachos ist ein aufrichtiger und emotionaler Charakter, er steht für menschliche Werte – und ist somit das Gegenstück zum Protagonisten. Er ist der Letzte, der während der Mission Kiste umkommt: Er stirbt am 16. September 1949, als er dem Protagonisten das Leben rettet, durch Zyankali, nachdem ein Skorpion ihn gestochen und nachdem er – ohne dass jemand oder etwas ihn dazu verpflichtet hätte – sich dem Kodex der Mission Kiste („[W]er den Zug durch Verletzung oder aus anderen Gründen aufhält, nimmt Zyankali“) verschrieben hatte. Nikitas: Er gehört zu den fünf Soldaten, die am 13. Juli 1949 vor einem zweiflügeligen Garagentor aus Eisen hingerichtet werden. Er stirbt, wie der Erzähler gegen Ende aussagt, durch die Kugel des Protagonisten.

26 Zur Hypervigilanz s. unten, S. 180 – 182.

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−− Charis: Er war ein enger Freund des Protagonisten. Als er von den Deutschen

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geschnappt wurde, tat sich eine Möglichkeit auf, ihn freizukaufen. Der Protagonist sprach sich entschieden dagegen aus, aus Gründen der Treue zur Parteilinie. Charis wird von den Deutschen hingerichtet. Alekos: Ging nach Charis’ Hinrichtung durch die deutschen Besatzer auf Distanz zum KKE und wurde aus der Partei ausgeschlossen. Der Protagonist hat sich, um der Linie der Partei treu zu bleiben, von Alekos distanziert.27 Klio: Der Protagonist war Klios Instruktor; er hätte sie gerne zur Freundin gehabt. Klio schloss sich, nach dessen Parteiausschluss, Alekos an. Sie wurde in der Kommandantur der Gestapo gefoltert und von den Deutschen hingerichtet. Rena: Sie ist Charis’ Schwester und die Partnerin des Protagonisten; sie hatte ihm seine Haltung in der Frage um eine mögliche Rettung Charis’ verziehen. Rena ist spezialisiert auf Geheimschriften. Als der Protagonist sie in einer Nacht im September 1949 wiedersieht, hat sie ihren linken Arm verloren: „[Κ]αθισμένη […] σε μια ψάθινη πολυθρόνα […] με το αριστερό της (πρώην) χέρι κρεμασμένο πίσω απ’ τη ράχη (όπως το συνήθιζε να κάθεται στην Αθήνα)“ (S. 326) / „Sie saß auf einem Strohsessel […] und ließ ihren linken (Ex-)Arm hinter der Rückenlehne baumeln (so wie sie das auch in Athen immer getan hatte)“ (Übersetzung Ulrich Moennig, vgl. Die Kiste, S. 273, Lieferung vom 15. November 1949). Vater des Protagonisten: Eine weitere Figur ohne Namen. Der Protagonist hatte als Schüler die Unterschrift seines Vaters gefälscht; der Vater starb durch eine Kugel während der Straßenkämpfe in Athen im Dezember 1944. Instruktor: Der Instruktor hört auf den Spitznamen „Fandaros“, „Soldat“. Im Übrigen erfahren wir weder seinen „bürgerlichen“ noch seinen konspirativen Namen. Der „Soldat“ führt mit dem Protagonisten ein Gespräch über die Verantwortung des Öpidus; er zeigt eine Möglichkeit auf, wie Ödipus sich seiner zukünftigen Schuld hätte entziehen können: durch Selbstmord. Der „Fandaros“ ähnelt dem Protagonisten in seiner Eigenschaft als Soldat schlechthin, unterscheidet sich aber zugleich fundamental von ihm, weil er – das ist die Funktion seiner Version des Mythos von Ödipus – die Doktrin von der „historischen Notwendigkeit“ hinterfragt und somit anzweifelt. Er ist somit eine Art Alter ego des Protagonisten. Christophoros: Er hatte den Protagonisten während der Metaxas-­Diktatur für das KKE gewonnen. Wegen angeblicher Kollaboration mit den Deutschen ­(„[T]atsächlich aber, weil er in puncto Widerstandspraxis des KKE eine eigene Meinung vertrat“ 28) wurde er aus der Partei ausgeschlossen. Christophoros starb vor den Augen

27 Raftopoulos, Άρης Αλεξάνδρου (Aris Alexandrou), 1996, S. 289 f., erkennt (wie andere auch) Züge eines Selbstportraits des Autors in der Figur des Alekos. 28 „[Σ]την πραγματικότητα επειδή είχε προσωπικές απόψεις για την εαμική τακτική του ΚΚΕ“, Raftopoulos, Άρης Αλεξάνδρου (Aris Alexandrou), 1996, S. 290.

Narratologische Beschreibung | 173

des Protagonisten während eines Gefechts mit den Deutschen, als er den Erzähler vor der Überführung in die Hände der SS bewahrte. Der Protagonist hat sein Zeugnis für sich behalten und somit die Gelegenheit versäumt, den Verstorbenen in der Partei zu rehabilitieren. Mit Fokussierung auf die erste Zeitebene wird die Isolationszelle, in der der Erzähler seinen Bericht abfasst, zum wichtigsten Raum des Erzählens. Dieser Raum ist durch Kargheit und das Fehlen von Veränderungen geprägt; er misst in der Tiefe sechs Schritte – diese Länge ist bedeutungstragend, denn ein Hinrichtungskommando positioniert sich auf sechs Schritte zum Delinquenten (siehe unten, S. 185). Der Raum der zweiten Zeitebene ist detailliert geschildert, sofern es um die Stadt N geht; bei jedem Funktions­ gebäude wird berichtet, welchem Zweck es vor der Einnahme der Stadt durch den DSE diente und welchem Zweck es seither dient (die Ex-­Schule usw.) Auch ist die Stadt N zivil bevölkert. Die Orte, durch ­welche die Mission Kiste führt, erscheinen (mit Ausnahme des Demeter-­Tempels) im Bericht wie menschenleer, was der Erzähler später, wie auch die spärlichen Dialoge z­ wischen den Teilnehmern der Mission Kiste, als Produkt einer narrativen Selektion seinerseits darstellt (siehe unten, S. 187). Der erzählte Raum der zweiten Zeitebene ist somit deutlich das Produkt von Fiktionalisierungsstrategien, für die der Erzähler selbst die „Verantwortung“ übernimmt. Das zweiflügelige eiserne Garagentor in der Stadt N, vor dem Genossen hingerichtet werden, wird – wie auch die Distanz „sechs Schritte“ – zum Symbol für die Schuld des Erzählers/Protagonisten. Der erzählte Raum der dritten Zeitebene, wird – sofern dies Athen ist – sehr realistisch geschildert. Die erste Zeitebene (27. September–15. November 1949) und die zweite Zeitebene ([28.] Juni–20. September 1949) bilden, was die zeitlichen Relationen innerhalb des Narrativs angeht, ein Kontinuum. Flashbacks (Analepsen) erweitern die erzählte Zeit um etwa zwölf Jahre. Sie treten sowohl auf der Ebene des Erzählens (erste Zeitebene) als auch auf der Ebene des Erzählten (zweite Zeitebene) auf und sie können, sofern sie auf der ersten Zeitebene auftreten, auch Ereignisse aus der zweiten Zeitebene zum Inhalt haben. Die Ereignisse der Flashbacks sind mit variierender zeitlicher Genauigkeit bestimmt: siehe beispielsweise Charis’ Hinrichtung am 7. Juli 1942 (S. 58 f./S. 50 f., Lieferung vom 1. Oktober 1949; S. 70/S. 60, Lieferung vom 2. Oktober 1949), die Schulzeit des Protagonisten (S. 191 – 193/S. 163 f., Lieferung vom 22. Oktober 1949; S. 220 – 223/S. 188 – 191, Lieferung vom 23. Oktober 1949), die Zeit des Widerstands gegen die deutsche Besatzung (S.  199 – 206/S.  169 – 176, Lieferung vom 22.  Oktober 1949; S. 208 – 220/S. 177 – 188, Lieferung vom 23. Oktober 1949). Die zweite und die dritte Zeitebene verschmelzen teilweise gegen Ende der Erzählerzeit, die mit der ersten Zeitebene deckungsgleich ist. Der traumatische Diskurs, der den Roman Το Κιβώτιο (Die Kiste) auszeichnet, ist somit auch in den Parametern der Geschichte angelegt: In einer Thematik, die eine

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Option eröffnet für die Fragen nach Tätern und Opfern sowie nach Schuld; in einer Anlage der Handlung auf verschieden situierten Zeitebenen, was Rückwirkungen von einer Zeitebene auf die andere ermöglicht; in einer Anlage der Handlung auf zeitlich verschieden situierten, narrativ ineinander verschränkten Zeitebenen, was den Eindruck der ständigen Gegenwart des Vergangenen und Erzählten vermittelt; in der Konstellation der Figuren, die das Verhältnis von Tätern und Opfern mit einschließt; in der Darstellung von Raum als etwas in sich Abgeschlossenem und Isoliertem, in dem nur mentale Prozesse zu Zustandsveränderungen führen und dessen Merkmale die Funktion von Schlüsselreizen zu erfüllen geeignet sind. Wie? Parameter des Diskurses

Der traumatische Diskurs ist insbesondere auch durch modale Merkmale gekennzeichnet. Die Frage nach den Parametern des Diskurses im Roman Το Κιβώτιο (Die Kiste) steht somit stellvertretend für die Frage nach den Parametern des traumatischen Diskurses überhaupt. Die Erzählperspektive innerhalb des Erzählprozesses ist absolut figural. Durch die Identität von Erzähler und Protagonist wird ausschließlich die Version des Protagonisten vermittelt, wobei sich die Perspektive des erzählenden Ichs (Erzähler) durch den zeitlichen Abstand und den fortschreitenden Prozess einer aus dem Erzählprozess selbst resultierenden Bewusstseinsveränderung von der des erlebenden Ich (Protagonist) zunehmend unterscheidet. Die Aussage des Erzählers stellt als Ganzes ein Zitat von mentalen Prozessen dar. Der Erzähler kaschiert dies zu Beginn, gibt diese Fassade aber zunehmend auf. Auf der zweiten Zeitebene weist der Erzähler auf die wörtliche Rede der Soldaten während des Zuges der Mission Kiste hin. Diese wird aber nur eklektisch wiedergegeben (S. 126 und 344 f.). Er verweist auch auf eigene Gedanken als Protagonist, die aber nicht oder nur mit entscheidenden Auslassungen wiedergegeben werden (vgl. S. 58 – 60 und 223). Die zweite Zeitebene ist, bezogen auf die Zeitrelationen ­zwischen Diskurs und Geschichte, tendenziell in der natürlichen Abfolge der Ereignisse angelegt: „[I]ch will jetzt in chronologischer Reihenfolge berichten, was auf dem Marsch passiert ist“ (Liefe­rung vom 3. Oktober 1949).29 „Tendenziell“ heißt, dass der Erzähler diese von ihm selbst ausgegebene Maxime alles andere als konsequent einhält: „Nachdem ich eine Reihenfolge bei der Niederschrift der Tode wählen muss, warum soll ich nicht der Reihenfolge nach Rang den Vorzug geben?“ (Lieferung vom 3. Oktober 1949).30 Die 29 „[Λ]έω τώρα να αφηγηθώ τα γεγονότα της πορείας με τη χρονολογική τους σειρά“, S. 72/Die Kiste, S. 62. 30 „[M]ια και πρέπει να διαλέξω κάποια σειρά στην καταγραφή των θανάτων, γιατί να μην προτιμήσω την σειρά κατά βαθμόν;“, S. 75, Übersetzung Ulrich Moennig; vgl. Die Kiste, S. 65.

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chronologische Reihenfolge wird durch wiederholtes und zugleich variierendes Erzählen von Ereignissen in unterschiedlicher Ausführlichkeit (einschließlich anfänglichem Auslassen und späterem Nachtragen von Ereignissen) und durch die bereits wiederholt genannten Analepsen durchbrochen. Dadurch entstehen Anachronien, die im Verlauf der Erzählerzeit spürbar mehr werden: „Ich wollte sehen, was mir als erstes in den Sinn kommen würde, um sich auf der Schiefertafel meines Gedächtnisses einzuschreiben, nachdem ich zuvor alles mit einem nassen Schwamm gründlich weggewischt hätte“ (Lieferung vom 27. Oktober 1949).31 Sowohl die Unzuverlässigkeit des Erzählers als auch die allmähliche Bewusstwerdung der eigenen Schuld 32 führen zu Phänomenen narrativer Häufigkeit. Der veränderte Bewusstseinszustand macht es notwendig, was einmal geschehen ist, in verschiedenen Versionen zu erzählen (repetitives Erzählen). Es gibt aber auch das umgekehrte Phänomen, was sich wiederholt, wird nur einmal (singulativ) erzählt: „Der Major insistierte stark auf d­ iesem Punkt, er sagte immer wieder dasselbe und dasselbe, kann man sagen, jedes Mal mit minimalen Variationen, so sehr, dass ich dachte, dass er eintönig sei“ (Lieferung vom 1. Oktober 1949).33 Die eminente Wichtigkeit des Erzählens selbst für die Zustandsveränderungen, die ihrerseits Gegenstand des Erzählens sind, bedingt die Notwendigkeit des Erzählens über das Erzählen. So berichtet der Erzähler, dass er selektiert (es kamen Personen vor, deren Existenz er in seinem Bericht verschwiegen hat, es wurden Dinge gesagt, die er nicht referiert hat):

31 „[Ή]θελα να δω ποιά ανάμνηση θα έρθει πρώτη να εγγραφεί στον μαυροπίνακα της μνήμης μου, όταν θα ’χω σβήσει καλά-­καλά τα πάντα, με ένα βρεγμένο σφουγγάρι“, S. 230, Übersetzung Ulrich Moennig, vgl. Die Kiste, S. 196. 32 Vgl. Raftopoulos, Άρης Αλεξάνδρου (Aris Alexandrou), 1996, S. 296: „Der Umschwung im Diskurs – ab der Hälfte des Textes und der Zeit der Niederschrift –, der in der letzten Lieferung seinen Höhepunkt findet, ist der Beweis für die zunehmende Distanzierung des Erzählers vom offiziellen Diskurs [gemeint ist das offizielle Wort des KKE], mithin der Beweis seiner Schuld“ („Η ίδια η αλλαγή, που συντελείται στον λόγο του –από τη μέση του κειμένου και του χρόνου γραφής– και η οποία κορυφώνεται στην τελευταία κατάθεση, είναι η απόδειξη της απομάκρυνσής του από τον έγκυρο λόγο, άρα της ενοχής του“). Abweichend von der von Raftopoulos gesehenen (und von Kantzia, Literature as Historiography, S. 125 – 131, übernommenen) Zweiteiligkeit im Aufbau von Το Κιβώτιο (Die Kiste) schlage ich im vorliegenden Beitrag vor, die Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung als strukturierendes Merkmal zu sehen; die im Verlauf der Erzählung zunehmend deutlicher zu Tage tretenden Symptome sind von Anfang an vorhanden. 33 „Ο Ταγματάρχης επέμενε πολύ στο σημείο αυτό, λέγοντας συνεχώς τα ίδια και τα ίδια, μπορώ να πω, με ελάχιστες παραλλαγές κάθε φορά, τόσο που σκέφτηκα ότι καταντάει μονότονος“, S. 50, Übersetzung Ulrich Moennig; vgl. Die Kiste, S. 43.

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Weil wir natürlich nicht durch Wüsten zogen, ständig passierte es, dass uns unterwegs Bauern und Transportfahrzeuge begegneten (Lieferung vom 15. November 1949).34 Immerhin habe ich mich zurückgehalten und nicht geschrieben, was wir alles auf dem Marsch geredet haben zum Beispiel (und was wir nicht alles gesagt haben unterwegs, in der Hoffnung, dass die Kiste in die Stadt K gelangen würde, und mit Stolz vorwegnehmend, dass unsere Gruppe sie dorthin gebracht haben würde […]) (Lieferung vom 15. November 1949).35

Auch in der Rahmenerzählung werden nur ausgewählte Ereignisse vermittelt. Das Erzählen über das Erzählen gestaltet sich zu weiten Teilen als Thematisierung des Erinnerungsprozesses (siehe dazu unten, Abschnitt „4. Gedächtnistheoretische Merkmale“). Erzählen und Erinnern werden somit eines. Es wurde oben bereits erwähnt, dass der Protagonist als Person unzuverlässig ist. Auch in seiner Eigenschaft als Erzähler berichtet er (mimetisch) unzuverlässig: „Ich bin unzuverlässig geworden“ (Lieferung vom 15. November 1949).36 Seine Unzuverlässigkeit kann qualitativ und quantitativ sein und ist in beiden Fällen intentional. Seine Unzuverlässigkeit wird durch den Darstellungsmodus der Binnenerzählung, der den faktualen Modus imitiert, zunächst kaschiert. Der Erzähler gibt die Strategie der Unzuverlässigkeit aber sukzessive auf; in der jüngsten Aussage vom 15. November 1949 berichtet er offenbar zuverlässig – Unzuverlässigkeit hätte hier jeden Zweck verloren. Der Text ist durch eine Vielzahl von Darstellungsmodi gekennzeichnet: Dominant ist der am Modus dokumentarischer Texte orientierte dokumentarisch-­faktuale Modus. Die Beigabe einer Karte, ­welche (wegen Unzuverlässigkeit in zwei Varianten) den Zug von N nach K kartographisch nachzeichnet, imitiert ebenfalls Faktualität. Auch das Insistieren auf Details imitiert den faktualen Modus. Dimitris Raftopoulos liest das „Wie“ durch das Prisma des dogmatischen Diskurses: „Wortschatz und Grammatik eines Parteiaktivisten der Dritten Internationalen“.37 Der imitierte faktuale Modus, der als Mittel des Realismus aufgefasst werden könnte,38 erweist sich im Verlauf als

34 „[Μ]ια και δεν διασχίζαμε ερήμους φυσικά, όλο και μας τύχαινε να συναντάμε αγρότες και μεταγωγικά αυτοκίνητα στο δρόμο“, S. 348, Übersetzung Ulrich Moennig; vgl. Die Kiste, S. 290. 35 „[Κ]αι καλά που κρατήθηκα και δεν έγραψα τα όσα λέγαμε λόγου χάρη στη διάρκεια της πορείας (και τι δεν είπαμε τότε, ελπίζοντας πως θα φτάσει το κιβώτιο στην πόλη Κ, αναλογιζόμενοι με περηφάνεια πως θα το ΄χε μεταφέρει η ομάδα μας. […])“, S. 344, Übersetzung Ulrich Moennig; vgl. Die Kiste, S. 287. 36 „[Έ]χω καταντήσει αναξιόπιστος“, S. 356, Übersetzung Ulrich Moennig; vgl. Die Kiste, S. 297. 37 Raftopoulos, Άρης Αλεξάνδρου (Aris Alexandrou), 1996, S. 294 – 296, und R ­ aftopoulos, Άρης Αλεξάνδρου. Η σιωπή του Κιβώτιου, 2012, S. 124 – 126; das Zitat auf S. 124: „[Λ]εξιλόγιο και το τυπικό ακτιβίστα κόμματος της Γ΄ Διεθνούς.“ 38 Raftopoulos, Άρης Αλεξάνδρου (Aris Alexandrou), 1996, S. 298 – 301.

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Instrument der Unzuverlässigkeit (vgl. das ständige Durchzählen der Teilnehmer an der Mission Kiste). Neben diesen Modus tritt das Satirisch-­Groteske: Insbesondere im Kapitel über das hölzerne Imperium des ehemaligen Vorstehers der G ­ endarmerie wird der vorgetäuschte faktuale Modus durch satirische Übertreibung ad absurdum geführt (S. 149 – 156/S. 126 – 132), wodurch das linke Feindbild des monströsen Rechten dekonstruiert wird.39 Über weite Strecken ist der Text kafkaesk, wobei mit dem Begriff „kafkaesk“ hier gemeint ist, dass dem Leser nicht die prärezeptive Wirklichkeit vermittelt wird, sondern nur die durch den Erzähler wahrgenommene,40 und dass diese nicht konsensfähig ist: Faktisches wird so, d. h. in der Wahrnehmung durch ein Subjekt und in dessen Bericht über seine Wahrnehmung, irreal und verliert seine Beschreibbarkeit (der Stempel auf dem Schreibpapier ist nicht lesbar, S. 186/S. 158; das Wort „θάνατος“/„Tod“ auf der Wandtafel in der ehemaligen Schule ist nicht lesbar): „Ob dort eventuell gar nicht ‚Thanatos‘ stand, sondern beispielsweise ‚Thanassis‘ (Lieferung vom 15. November 1949).41

Gedächtnistheoretische Merkmale Die Thematisierung von Erinnerungsprozessen ist ein typisches Merkmal traumatisierter Erzähler- oder Figurenrede. So berichtet auch der Erzähler in Το Κιβώτιο (Die Kiste) über Schwierigkeiten, seine Gedanken zu ordnen, die an das Traumasymptom der Konzentrationsschwierigkeiten erinnern: Ich gebe zu, dass es mir lieber wäre, wenn sie mir einige ungestempelte Bögen Papier schickten, damit ich Notizen machen kann […] Ich habe versucht, in Gedanken ein Konzept zu erarbeiten, ich bin bis spät in der Nacht wach geblieben […] (Lieferung vom 3. Oktober 1949).42 [I]ch bin […] verrückt nach einer Zigarette. Wie soll ich mich konzentrieren, wie denken, wie mich erinnern? (Lieferung vom 5. Oktober 1949).43

39 Tsirimokou, Ο συνήθης ύποπτος (Der übliche Verdächtige), 2000, S. 174 f., spricht von einer Komik des Romans, die sie allerdings nicht weiter erläutert. 4 0 Tsirimokou, die die kafkaesken Züge in Το Κιβώτιο (Die Kiste) als erste erkannt hat, fokussiert vornehmlich auf die Bezüge ­zwischen der Figur des Unbekannten Soldaten und Josef K. 41 „[Μ]ήπως δεν έλεγε ‘Θάνατος’, μα ‘Θανάσης’ λόγου χάρη“, S. 347, Übersetzung Ulrich ­Moennig; vgl. Die Kiste, S. 289. 42 „[Ο]μολογώ ωστόσο ότι θα προτιμούσα να μου στείλετε μερικές ασφράγιστες κόλλες, για να μπορώ να κρατάω σημειώσεις […] Προσπάθησα να βάλω τάξη νοερώς, ξαγρύπνησα ως αργά τη νύχτα […]“, S. 72, Übersetzung Ulrich Moennig, vgl. Die Kiste, S. 62. 43 „[Έ]χω λυσσάξει για τσιγάρο και πώς θέλετε λοιπόν να συγκεντρωθώ, να σκεφτώ, να θυμηθώ;“, S. 118/S. 100.

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Einige Erinnerungen stellen sich nicht ein: Ich habe meine Aussage unterbrochen, weil ich plötzlich gemerkt habe, daß ich mich nicht daran erinnern kann, was Hauptmann Nikitas sagte. Verzweifelt versuchte ich, mir seine Worte ins Gedächtnis zurückzurufen, stand auf, begann in der Zelle herumzuspazieren […] (Lieferung vom 5. Oktober 1949).44

Und andere Erinnerungen konkurrieren miteinander: Seine Worte haben sich mir nicht in meine Erinnerung eingeprägt, oder besser, sie prägten sich ein über anderen bereits eingeprägten Worten, als ob in meiner Erinnerung gleichsam eine doppelte Aufnahme stattgefunden hätte […] wobei die eine die andere unbrauchbar machte […] die jüngere Aufnahme geschah über den Worten meines Freundes Charis (Lieferung vom 10. Oktober 1949).45

Wieder andere Erinnerungen sind überdeutlich: So intensiv die Gesichter meiner Freunde wieder aufgetaucht waren, deutlich und ganz scharf, frei vom Zweifel der Erinnerung (denn die Menschen sind natürlich keine Fotografien und die Erinnerung ist sich nicht sicher, sie weiß nicht, ob sie sich an Christophoros im Jahr 1941 erinnern soll, als er noch keinen Schnäuzer trug, oder an Christophoros im Jahr 1942, als er ihn wieder abgenommen hatte), sie waren wieder aufgetaucht und ich sah meine Freunde (und ich sah gleichzeitig mich selbst neben ihnen, als sei mein Selbst eine dritte Person, und ich sah uns, ich betrachtete uns, aufrecht und etwas abseits stehend) ich sah ihre Gesichter, wie soll ich sagen, wie Kohlezeichnungen, die man mit Fixativ überzogen hat, zugleich statisch und in Bewegung (Lieferung vom 23. Oktober 1949).46

4 4 „[Δ]ιέκοψα την κατάθεσή μου, γιατί είδα ξάφνου πως δε θυμάμαι τι είπε ο λοχαγός Νικήτας. Το ’βαλα πείσμα να θυμηθώ τα λόγια του, σηκώθηκα, άρχισα να κόβω βόλτες στο κελί […]“, S. 117/S. 98. 45 „[Τ]α λόγια του δεν χαραχτήκανε στη μνήμη μου, ή μάλλον χαραχτήκανε πάνω σε άλλα, ήδη χαραγμένα λόγια, λες και έγινε στη μνήμη μου διπλή εγγραφή […] χαλώντας η μια την άλλη […] η εγγραφή εκείνη έγινε πάνω στα λόγια του φίλου μου του Χάρη“, S. 120 f., Übersetzung Ulrich Moennig; vgl. Die Kiste, S. 102. 4 6 „[Έ]τσι που αναδύθηκαν τα πρόσωπα των φίλων μου, σαφή και πεντακάθαρα, απαλλαγμένα απ’ την αμφιβολία της μνήμης (γιατί οι άνθρωποι δεν είναι βέβαια φωτογραφίες και η μνήμη αμφιβάλλει, δεν ξέρει αν πρέπει να θυμηθεί τον Χριστόφορο του 1941, όταν δεν είχε ακόμα μουστάκι, ή του 1942, όταν το ξαναξύρισε) αναδυθήκανε κι εγώ τους έβλεπα τους φίλους μου (βλέποντας ταυτόχρονα και τον εαυτό μου δίπλα τους, σα να ’τανε ο εαυτός μου ένα τρίτο πρόσωπο κι εγώ μας έβλεπα, μας κοίταζα, όντας όρθιος, λίγο παράμερα) έβλεπα τα πρόσωπά τους, πώς να το πω, σαν σχέδια με κάρβουνο που τα πέρασες με φιξατέρ, σταθερά και κινούμενα ταυτόχρονα“, S. 207, Übersetzung Ulrich Moennig; vgl. Die Kiste, S. 177.

Gedächtnistheoretische Merkmale | 179

Die Erinnerung kann gleichsam gegenwärtig werden: „[S]ogar jetzt noch (gemeint ist damals, als ich […] ging)“ (Lieferung vom 4. Oktober 1949).47 Auch können zwei Ereignisse, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten stattfanden, die in der Semantisierung durch den Erzähler aber zusammengehören, gleichzeitig gegenwärtig werden: „Er hatte jetzt zwei Bücherstapel darauf gestellt (S. 210, Lieferung vom 10. November 1949), wobei „τώρα“, „jetzt“ den Januar 1942 bezeichnet, und „Jetzt (das heißt an dem Tag, als ich meinen Kontrollbesuch machte)“ (Übersetzung Ulrich Moennig; vgl. Die Kiste, S. 211 f., Lieferung vom 10. November 1949) – d­ ieses zweite Jetzt-­Ereignis hatte im Jahr 1941 stattgefunden.48 Schließlich bedeutet auch das ständige „πρώην“/„ex-“, dass das Vergangene in der Wahrnehmung sowohl durch den Protagonisten als auch den Erzähler ständig gegenwärtig bleibt – er sieht gewissermaßen doppelt. Die Gleichzeitigkeit in der Erinnerung führt zur Unvollkommenheit der Erzählung: Es ist jetzt noch etwas anderes, dass das Schreibmaterial ein unzureichendes Medium ist und Sie eigentlich, wenn Sie wirklich ein vollständiges Bild der Ereignisse hätten haben wollen, ein Gerät zur multiplen Niederschrift meiner Gedanken hätten erfinden müssen, weil sich jetzt z. B., in d­ iesem Moment, wo ich mich daranmache weiterzuschreiben, eine Menge Details in meinem Kopf drängen und ich nicht weiß, welches ich als erstes anführen soll, während ich andererseits, Tag für Tag, beim Schreiben mehr und mehr spürte, wie soll ich es sagen, ich fühlte, dass es mir gefällt, mir die Ereignisse in die Erinnerung zurückzuholen, die verstreuten Teile zusammenzusetzen (Lieferung vom 22. Oktober 1949).49

Die Erzählung wird aber auch unvollständig, weil sie die Anteilnahme des erzählenden Subjekts nicht zum Ausdruck bringen kann; die Erinnerung an Ereignisse und das Wiedererleben der Ereignisse in der Erzählung führen zu einer Umkehrung des traditionellen Verhältnisses von erzählter Zeit und Erzählzeit (die Erzählzeit hat eine längere Dauer als die erzählte Zeit):50 47 „[Τ]ώρα ακόμα (τότε, θέλω να πω, που πήγαινα […])“, S. 110/S. 93. 48 „[Τ]ώρα είχε βάλει εκεί δύο στοίβες βιβλία“, S. 247, und „[Τ]ώρα (δηλαδή την ημέρα που πήγα για την εξακρίβωση)“, S. 249. 49 „[Ά]λλο τώρα αν η γραφική ύλη είναι ένα μέσο λειψό και κανονικά, αν θέλατε να έχετε μια πλήρη εικόνα των όσων συνέβησαν, θα έπρεπε να εφεύρετε ένα μηχάνημα πολλαπλής καταγραφής των σκέψεών μου, γιατί τώρα λόγου χάρη, τούτη τη στιγμή που ετοιμάζομαι να συνεχίσω, συνωστίζονται στο μυαλό μου ένα σωρό λεπτομέρειες και δεν ξέρω ποια να πρωτοαναφέρω, μα απ’ την άλλη μεριά, μέρα με τη μέρα, γράφοντας, ένιωθα όλο και περισσότερο, πώς να το πω, αισθανόμουνα ότι μου αρέσει να ξαναφέρνω στη μνήμη μου τα γεγονότα, να συναρμολογώ τα σκόρπια κομμάτια […]“, S. 188 f., Übersetzung Ulrich Moennig; vgl. Die Kiste, S. 160. 50 So gesehen ist Tsirimokou, Δρόμοι σημείων αδιέξοδοι (Sackgassen der Zeichen), ­­ S. 144, zuzustimmen, wenn sie Το Κιβώτιο (Die Kiste) – wie auch Der Prozess von Franz Kafka – als

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Ich habe mir vorgenommen, einige Lücken in meinem bisherigen Bericht der Ereignisse zu füllen, auch wenn ich natürlich sehr wohl weiß, dass was auch immer ich nachtrage, das Ergebnis immer eine Zusammenfassung des endgültigen Textes darstellen wird (Lieferung vom 10. November 1949). Die Gedanken graben sich immer tiefer wie ein rotierender Bohrer (Lieferung vom 15. November 1949). Weil sich jede Sekunde plötzlich potenziert und Platz bietet für eine Menge Erinnerungen (Lieferung vom 15. November 1949).51

Traumatheoretische Merkmale Die Rede des Erzählers weist deutliche Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung auf.52 „Ihr Monolog basiert auf der Identität von Sprache und Thema“, sagt ein fiktionales Ich (eine Frau) zu dem Erzähler von Το Κιβώτιο (Die Kiste) in einer Erzählung von Rea Galanaki.53 Gegenstand der Erzählung auf zweiter Zeitebene und insbesondere der Analepsen sind Trauma auslösende Ereignisse. Die Erzählung liefert Symptome unterschiedlicher Art, die auf multiple Traumata 54 schließen lassen. Die Phase des Opfertraumas

Die Entwicklung d­ ieses posttraumatischen Belastungssyndroms entwickelt sich nach einem Zeitplan. Der Protagonist weist schon Anfang Juli 1949 das Symptom der Hypervigilanz 55 auf. Dies deutet auf ein (zu Beginn der Handlung bereits ausgeprägtes)

offen bezeichnet, weil die Folge von Aussagen und Versionen ad libitum fortgesetzt werden könne; diese Offenheit bezieht sich allerdings auf den Verlauf und nicht etwa das Ende von Το Κιβώτιο (Die Kiste), das alles andere ist als offen (siehe S. 169 und S. 188). 51 „[Σ]κέφτηκα να συμπληρώσω ορισμένα κενά στην ως τα τώρα εξιστόρηση των γεγονότων, αν και ξέρω βέβαια πολύ καλά πως όσα και αν προσθέσω, θα πρόκειται πάντα για μια περίληψη του τελικού κειμένου“, S. 235; „[Τ]ρυπάνι η σκέψη προχωράει περιστρεφόμενη“, S. 345; „[Τ]ο κάθε δευτερόλεπτο διαστέλλεται ξαφνικά και χωράει ένα σωρό μνήμες“, S. 355. Alle Übersetzungen von Ulrich Moennig, vgl. Die Kiste, S. 200, 287 und 296. 52 Grundlage der Besprechung der Symptome ist das Kapitel von Maercker, Symptomatik, 2013. 53 Galanaki, Ένας άντρας καμωμένος από λέξεις, S. 85 (Übersetzung Ulrich Moennig). 54 „Typ-­ I I -Traumata [sind] durch Serien verschiedener traumatischer Einzelereignisse und durch geringe Vorhersehbarkeit des weiteren traumatischen Geschehens gekennzeichnet“, ­Maercker, Symptomatik, 2013, S. 15. 55 „[…] ständiges Gefühl des Nicht-­Trauen-­Könnens. Fortdauerndes und unrealistisches Gefährdungsgefühl. Kann (nach durch Menschen verursachten Traumata) dazu führen, dass Waffen

Traumatheoretische Merkmale | 181

­Opfertrauma hin. Der Erzähler berichtet die Episode mit dem vollkommen harmlosen Milchbauern und seiner Ziege, auf die er trifft, als er am 2. Juli 1949 in der Stadt N eintrifft, in seiner eigenen Rede als Beleg für sein gesundes militärisches Misstrauen: Ich wage zu sagen, dass ich allgemein viel misstrauischer war und über einen viel stärker ausgeprägten Sinn der Wachsamkeit als alle, oder fast alle anderen verfügte. Um ein Beispiel anzuführen […] als ich also von dem Hügel herab in der Stadt angekommen war, hörte ich die Stimme des Milchbauern […]. Sein Umhang wölbte sich rechts verdächtig […]. Mit einem Satz stand ich vor ihm und unterzog ihn, gelassen und methodisch, einer Leibesvisitation. Ich fand keine Waffe, kein Taschenmesser, keinen Zettel, kein Geld […]. Ich habe ihn gründlich und eingehend visitiert, ich habe ihm auch die Stiefel ausgezogen und sogar in seinen Strümpfen herumgesucht […]. Ich dachte, dass Stiefel zur Ausstattung von Soldaten gehören […] ich hätte, dachte ich, übertriebenen Eifer an den Tag gelegt, wenn ich ihn damals nur deswegen festgenommen und zur Kommandantur gebracht hätte (Lieferung vom 10. Oktober 1949).56

Neben dieser signifikanten, aber vereinzelten Episode repräsentiert der gesamte Themen­ komplex „Visitenkarte“, der das Narrativ vom Anfang bis zum Ende wie ein roter Faden durchzieht, das Symptom der Hypervigilanz: Enthält das mysteriöse, tatsächlich mit Geheimtinte (acht Buchstaben) beschriebene Zigarettenpapier eine Botschaft, die den Protagonisten belastet oder gefährdet? Dieser Themenkomplex findet in einem Versuch der Deutung nicht deutbarer Zeichen ­­ seinen Höhepunkt in der Lieferung vom 15. November 1949: [A]ber bei gründlicherem Nachdenken schied auch diese Möglichkeit aus Und um mich nicht so lange aufzuhalten wie ich mich damals aufgehalten habe, als ich „meine Visitenkarte“ von allen Seiten prüfte, das Ergebnis war, dass ich diese acht Buchstaben (es waren acht, in ­diesem Punkt bestand kein Zweifel) niemals würde entschlüsseln können

zur möglichen Verteidigung mitgeführt werden bzw. Überwachungseinrichtungen installiert werden“, Maercker, Symptomatik, 2013, S. 19. 56 „[Τ]ολμώ να πω ότι γενικά, ήμουνα πολύ πιο καχύποπτος και είχα πολύ πιο ανεπτυγμένο το πνεύμα της επαγρύπνησης απ’ όλους, ή σχεδόν απ’ όλους τους άλλους. Και για να φέρω ένα παράδειγμα […] [Τ]ότε λοιπόν που είχα κατέβει απ’ τον λοφίσκο στην πόλη, άκουσα τη φωνή του γαλατά […] Στα δεξιά […] [Η] κάπα του φούσκωνε ύποπτα […] Με ένα σάλτο, βρέθηκα φάτσα μπροστά του και του ’κανα, ψύχραιμα και μεθοδικά, σωματική έρευνα. Δεν βρήκα ούτε όπλο, ούτε σουγιά, ούτε σημείωμα, ούτε χρήματα […] [Τ]ου έκανα προσεχτική και επισταμένη έρευνα, του έβγαλα μάλιστα και τις αρβύλες και ψαχούλεψα ακόμα και τις κάλτσες του […] Σκέφτηκα, πως οι αρβύλες είναι είδος στρατιωτικό […] [Θ]α έδειχνα νομίζω υπερβάλλοντα ζήλο αν τον είχαν συλλάβει τότε μόνο και μόνο γι’ αυτό και τον πήγαινα στο Φρουραρχείο“, S. 135 – 137, Übersetzung Ulrich Moennig; vgl. Die Kiste, S. 115 f.

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[E]s handelte sich um ein Wort mit acht Buchstaben (nein, das stimmt nicht, es hätten auch zwei, drei sogar vier Wörter sein können […]), nicht ein Wort also, sondern acht Buchstaben, die eine fraktionistische, antifraktionistische, leninistische, dogmatische, parteitreue, eine überparteiliche oder gegen die Partei gerichtete Meldung enthalten konnten [O]der sie sagte etwas über mich: Sie konnte besagen „vertraut“, sie konnte aber auch besagen „Verräter“ Fünfzig Prozent zu meinen Gunsten, fünfzig Prozent zu meinem Nachteil, und das ist der Grund, warum ich bis jetzt gezögert habe zuzugeben, dass ich die Nachricht bei mir habe.57

Die „Visitenkarte“ macht zugleich deutlich, worin das Opfertrauma des Protagonisten besteht: Die inneren Prozesse des KKE machen ihre Mitglieder zu Opfern der Partei. Deutlicher angesprochen wird die Möglichkeit, dass auch der Protagonist in Ungnade gefallen sein könnte, in der signifikanten Aussage vom 23. Oktober 1949: „Nach ihrem Ausschluss muss auch ich der Partei irgendwie verdächtig gewesen sein.“ 58 Die häufigen Analepsen repräsentieren das Symptom der Flashbacks.59 Anhand der Analepsen ist eine Rekonstruktion des zeitlichen Ablaufs des traumatischen Prozesses möglich. Ein solches Flashback erlebt der Protagonist vor der Hinrichtung des Nikitas am 13. Juli 1949 (Lieferung vom 1. Oktober 1949): Die „Freiwilligkeitserklärung“ zur Teilnahme am Selbstmordkommando lässt bei ihm Erinnerungen an Charis, an dessen Hinrichtung durch die Deutschen und an einen Besuch der Hinrichtungsstätte, des Schießplatzes in Kaisariani, im Frühjahr 1946 wach werden. Zu ­diesem Zeitpunkt dominiert beim Protagonisten noch das Bewusstsein des Opfers, denn er identifiziert sich mit Charis:

57 „[Μ]α μια προσεκτικότερη μελέτη με έπεισε ότι αποκλειότανε κι αυτό το ενδεχόμενο“, S. 332/S. 278; „[Κ]αι για να μην καθυστερώ όσο καθυστέρησα τότε εξετάζοντας απ’ όλες τις μεριές το ‘επισκεπτήριό μου’, το συμπέρασμα ήταν πως δεν θα κατάφερνα ποτέ μου να αποκρυπτογραφήσω τα οχτώ εκείνα γράμματα (ήταν οχτώ, όσο γι’ αυτό δε χώραγε καμιά αμφιβολία)“, S. 333, Übersetzung Ulrich Moennig; vgl. Die Kiste, S. 279; „[Ε]πρόκειτο για μια λέξη με οχτώ γράμματα (ή μάλλον, ούτε κι αυτό, γιατί να μην ήταν δυο οι λέξεις, ή και τρεις, ακόμα και τέσσερις […]) όχι μια λέξη λοιπόν, μα οχτώ γράμματα, που μπορεί να μεταδίνανε το οποιοδήποτε φραξιονιστικό, αντιφραξιονιστικό, λενινιστικό, δογματικό, κομματικό, υπερκομματικό, αντικομματικό μήνυμα“, S. 334/S. 279; [Ή], αν το μήνυμα έδινε πληροφορίες για το άτομό μου, μπορούσε να λέει ‘έμπιστος’, μπορούσε όμως να λέει και ‘προδότης’ (S. 334/S. 280); „[Π]ενήντα τα εκατό υπέρ εμού, πενήντα τα εκατό κατά και αυτός είναι ο λόγος που δίσταζα ως τα τώρα να ομολογήσω ότι το ’χω το σημείωμα απάνω μου“, S. 335 f., Übersetzung Ulrich Moennig, vgl. Die Kiste, S. 280. 58 „[Μ]ετά τη διαγραφή τους, όλο και κάποια υποψία θα πρέπει να με βάραινε“, S. 223, Übersetzung Ulrich Moennig; vgl. Die Kiste, S. 191. 59 „Erinnerungsattacken, die durch ihre Plötzlichkeit und Lebendigkeit gekennzeichnet sind. Sind meist nur kurzdauernd und gehen mit dem Gefühl einher, das traumatische Ereignis noch einmal zu durchleben. Nähe zu Illusionen, Halluzinationen und dissoziativen Verkennungszuständen“, Maercker, Symptomatik, 2013, S. 18.

Traumatheoretische Merkmale | 183

Ich bewegte mich seitlich und versuchte jedesmal zu erraten, welches Maschinengewehr sich zuerst auf mich richten, w ­ elche Salve mich treffen würde, w ­ elche Salve Charis traf (Lieferung vom 1. Oktober 1949).60

Der Protagonist weiß zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass Nikitas hingerichtet werden wird. Dieses Flashback findet eine Fortsetzung in der Lieferung vom 2. Oktober 1949, in der von der Hinrichtung des Nikitas durch ein Hinrichtungskommando, dem der Protagonist angehört, berichtet wird; der Protagonist betrachtet Nikitas, auf den er gleich schießen wird – „[D]amit er versteht, dass ich auch jetzt noch, das heißt in jenem Augenblick, als ich bereit war, ihn hinzurichten, weiterhin sein Freund war“ (Lieferung vom 2. Oktober 1949)61 – und erinnert sich an ihre erst wenige Tage zuvor, am 7. Juli 1949, geschlossene Bekanntschaft: [A]uch er war aus Athen, wir hatten gemeinsame Bekannte, er erinnerte sich sogar an das genaue Datum von Charis’ Hinrichtung („7. Juli 42, vor genau sieben langen Jahren“, […] seine Stimme hatte mich an jene von Charis erinnert, nein, das war es nicht genau, auch Hauptmann Nikitas lispelte wie Charis fast unmerklich, seine Worte brachte er zögerlich vor, langsamer, als man es erwartete, er redete (fast könnte man sagen, er schwätzte) gern, machte seine Witzchen und las mir aus dem „Traumdeuter“ vor; das Buch hatte er von unserem Lagerverwalter des ehemaligen Gymnasiums bekommen und lachte sich fast tot) (Lieferung vom 2. Oktober 1949).62

Dieses Flashback wird später eine tragende Bedeutung erlangen: Der Erzähler wird Nikitas und Charis miteinander identifizieren, als eine Person betrachten. Diese Identifikation, die bedeutet, dass der „unbekannte Soldat“ Opfer und Täter in einer Person ist, wird in den Berichten vom 1. und vom 2. Oktober 1949 greifbar; sie führt in der unmittelbaren Folge zu spezifischen traumatischen Symptomen während des Erzählvorgangs (siehe unten, „Die Unfähigkeit zu narrativieren“).

6 0 „[Μ]ετατοπιζόμουνα πλάγια, προσπαθώντας να μαντέψω κάθε φορά ποιο οπλοπολυβόλο θα έστρεφε πρώτο κατά πάνω μου, ποια ριπή θα με γάζωνε – ποια ριπή τον γάζωσε τον Χάρη“, S. 59/S. 51. 61 „[Ν]α καταλάβει πως ακόμα και τώρα, δηλαδή εκείνη τη στιγμή που ήμουνα έτοιμος να τον εκτελέσω, εξακολουθούσα να είμαι φίλος του“, S. 70/S. 60, Übersetzung modifiziert von Ulrich Moennig. 62 „[Ή]τανε κι αυτός από την Αθήνα, αποδείχθηκε ότι είχαμε κοινούς γνωστούς, θυμότανε μάλιστα πότε ακριβώς εκτελέστηκε ο Χάρης („Στις 7 Ιουλίου του ’42, σαν σήμερα, πάνε εφτά ολόκληρα χρόνια“, […] [Κ]αι η φωνή του μου είχε θυμίσει τη φωνή του Χάρη, ή μάλλον όχι, δεν ήτανε αυτό ακριβώς, είχε και ο λοχαγός Νικήτας ένα ελαφρότατο ψεύδισμα, σαν τον Χάρη, σα να πρόφερε τα λόγια του δισταχτικά, πιο αργά απ’ ό,τι το περίμενες, αν και του άρεσε να μιλάει, να φλυαρεί μπορώ να πω, να αστειεύεται συχνότατα και να μου διαβάζει αποσπάσματα από τον Ονειροκρίτη, που είχε πάρει απ’ τον αποθηκάριό μας του πρώην Γυμνασίου και να σκάει στα γέλια)“, S. 70/S. 60.

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Die traumatische Bewusstwerdung von Täterschaft

Ein weiteres erzähltes Flashback stellt sich in der Nacht zum 4. September 1949 (also weiterhin auf der zweiten Zeitebene) ein: Bei einem nächtlichen Wiedersehen mit Rena stellt der Protagonist fest, dass ihr inzwischen ein Arm fehlt; dies und ihre Haltung erinnert ihn an die Gipsstatue der Nymphe Abarbarea, auf die er geschossen hatte. Dieses Flashback ist eines in einer Folge von Ereignissen, die darauf hinweisen, dass der Prozess der Bewusstwerdung von eigener Täterschaft bereits während der zweiten Zeitebene eingesetzt hat und dass der Anblick Renas, der ein Arm fehlt, als Trauma auslösendes Ereignis eine wichtige Rolle in d­ iesem Prozess spielt. Die Figur des Lysimachos erhält ihre Wichtigkeit dadurch, dass ihm in den Ereignissen, die zur Bewusstwerdung der Täterschaft führen, eine tragende Funktion zukommt. Er hatte durch eine doppelte Nachtwache den Protagonisten gedeckt, als dieser heimlich den Zug verlässt und Rena aufsucht. In der Nacht zum 16. September 1949 findet ein Gespräch ­zwischen dem Erzähler und Lysimachos statt, welchem eine Schlüsselfunktion zukommt und das einen der Gründe dafür darstellt, warum der Erzähler seine Teilnahme an der Mission Kiste bis zu seiner Lieferung am 22. Oktober 1949 mit Methoden der narrativen Selektion und der erzählerischen Unzuverlässigkeit verschweigt. Lysimachos redet in dem Gespräch zunächst „um den heißen Brei“ herum, bis er schließlich damit herausrückt, dass er sich schuldig fühlt am Tod des A ­ gathoklis. Der Protagonist redet ihm diese Schuldgefühle aus – Schuldgefühle sind ihm zu ­diesem Zeitpunkt anscheinend noch fremd: „Quäl dich nicht damit. Und jetzt wird geschlafen!“ (Lieferung vom 10. November 1949).63 Doch am folgenden Tag packen ihn selbst ähnliche Schuldgefühle an Lysimachos’ Grab: „Lissimachos aber hätte keinen Grund gehabt, mir dankbar zu sein, weil er glaubte, ich hätte ihn gedeckt, und wäre nicht wie ein Torwart losgestürzt, um den Skorpion zu packen“ (Lieferung vom 15. November 1949).64 Auf der zweiten Zeitebene gibt es also Symptome eines Traumas. Das Trauma auslösende Ereignis bzw. die Trauma auslösenden Ereignisse hatte(n) demnach am 27. September 1949, dem Datum der ersten Lieferung, bereits stattgefunden. Der traumatisierende Prozess des Bewusstwerdens der eigenen Täterschaft nimmt aber erst nach d­ iesem Datum und während des Erzählprozesses auf der ersten Zeitebene seinen weiteren, narrativ dokumentierten Lauf.

63 „Μη χολοσκάς. Άντε κοιμήσου“, S. 305, Übersetzung Ulrich Moennig; vgl. Die Kiste, S. 256. 6 4 „[Ο] Λυσίμαχος όμως δε θα ’χε λόγο να μου χρωστάει ευγνωμοσύνη, πιστεύοντας ότι τον κάλυψα και δεν θα ορμούσε σαν τερματοφύλακας να πιάσει τον σκορπιό“, S. 331/S. 277.

Traumatheoretische Merkmale | 185

Die Unfähigkeit zu narrativieren

Erste Probleme, die traumatogene Erfahrung zu narrativieren, sind im Bericht vom 3. Oktober 1949 beobachtbar: Die ursprüngliche Erklärung der Absicht, die Ereignisse in ihrer natürlichen Abfolge zu berichten, ist schon wenige Seiten weiter unten Makulatur (die Textbeispiele oben, S. 174 – 175). Offenbar findet sich der Erzähler in der Situation, gezwungen zu sein, zu erzählen, was er aus psychologischen Gründen nicht narrativieren kann. Die Strategien, die er nun kultiviert, lassen sich in narratologischen Termini als Anachronien, Verschweigen durch Selektion, erzählerische Unzuverlässigkeit und Überdeterminiertheit (übermäßige Detailliertheit) beschreiben. Diese Strategien verfolgte er bereits seit der ersten Lieferung (er war zu d ­ iesem Zeitpunkt ja bereits traumatisiert), die fortschreitende Symptomatologie erhöht allerdings den Zwang, von ihnen Gebrauch zu machen. Eine weitere Strategie ist die des Themenwechsels – am 4. Oktober 1949 lässt er die ominöse Visitenkarte verschwinden, am 10. Oktober 1949 berichtet er von der „Pferdeangelegenheit“ und von Gerüchten in der Stadt N über die Mission Kiste, am 11. Oktober vom Holzimperium des Georgios Eskitzopoulos und vom Tod des Barba-­Dimos und von Styliani (S. 156 f./S. 133). Eine andere Strategie ist die des „Streiks“: Der Erzähler verweigert die Aussage (vgl. oben, S. 167). Am 5. Oktober 1949 berichtet der Erzähler von der Unfähigkeit, die letzten Worte des Nikitas wiederzugeben (siehe oben, S. 178); darauf folgt eine ausführliche Beschreibung der Zelle (die Bewegung durch die Zelle verrät allerdings, dass der Körper sich daran erinnert, was der Verstand nicht narrativieren kann, die Tiefe der Zelle stellt gewissenmaßen einen Schlüsselreiz dar): „[I]ch […] begann in der Zelle herumzuspazieren, sechs Schritte vor, sechs Schritte zurück, von der Tür bis zur Wand gegenüber, wobei ich jedesmal einen plötzlichen Schwenk machte vor der Tür, ebenso vor der Wand“ (Lieferung vom 5. Oktober 1949).65 Der Erzähler beschreibt nur in zweiter Linie die Zelle – zugleich bzw. eigentlich misst er den Abstand, den ein Erschießungskommando zum Delinquenten einnimmt. Die Erklärung der fehlenden Erinnerung endet in der Ankündigung eines solchen Streiks: „Ich fordere also einen Tisch und vor allem Zigaretten. Andernfalls schreibe ich nicht weiter“ (Lieferung vom 5. Oktober 1949).66 Der Streik lässt den Erzähler Zeit gewinnen, seine Unfähigkeit zu narrativieren zu überwinden; er kann aber nicht so lange dauern, wie notwendig gewesen wäre. Am 10. Oktober 1949 erklärt der Erzähler: „Vor fünf Tagen dachte ich: Wenn ich eine Zigarette hätte, könnte ich mich an die letzten Worte des Hauptmann Nikitas erinnern, aber jetzt sehe 65 „[Ά]ρχισα να κόβω βόλτες, έξι βήματα μπρος, έξι βήματα πίσω, απ’ την πόρτα ως τον απέναντι τοίχο, κάνοντας κάθε φορά απότομα μεταβολή μπροστά στην πόρτα, μπροστά στον απέναντί της τοίχο“, S. 117/S. 98 f. 66 „Απαιτώ λοιπόν ένα τραπέζι και προπαντός τσιγάρα. Αλλιώς δεν συνεχίζω“, S. 118/S. 100.

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ich ein, wo ich darüber nachgedacht und die Sache von allen Seiten erforscht habe, daß auch eine Zigarette mir nicht helfen könnte“ (Lieferung vom 10. Oktober 1949).67 Stattdessen führt der Streik dazu, dass sich (nummeriertes) Papier ansammelt, welches den Druck zu narrativieren erhöht. Eine zwischenzeitlich angewandte Strategie, Papier unter der Matratze zu verstecken – „[I]ch übersprang also vor ein paar Tagen drei Bögen und versteckte sie unter meiner Matratze. Folglich fehlen ­zwischen dem 12. und dem 13. des Monats drei Bögen“ (Lieferung vom 22. Oktober 1949)68 –, lässt sich auch nur für kurze Zeit und in begrenztem Umfang verfolgen. Die Unfähigkeit, die traumatogene Erfahrung zu narrativieren, lässt sich teilweise auch auf der Ebene des Satzbaus beobachten: „[S]agen wir besser: den Kern der Sache, weil“ (Lieferung vom 4. Oktober 1949).69 Mit ­diesem „weil“ endet der Satz ohne Interpunktion – und im nächsten Absatz ist zu lesen vom Gymnasialdirektor ­Ikonomopoulos und von den Regeln des „kultivierten Satzbaus“. Mit der Erzählung vom 5. Oktober berichtet der Erzähler zugleich von seinem Symp­ tom der teilweisen Amnesie.70 Außerdem berichtet er von Konzentrationsschwierigkeiten 71 und von seinen physiologischen Reaktionen 72 während des Erinnerungsprozesses. Die Strategien, durch Selektion das Nicht-­Narrativierbare zu vermeiden, repräsentieren das Symptom des Schweigens 73: In dem Maße, wie Episoden in der natürlichen Folge der Ereignisse zunächst ausgelassen werden, um dann später nachgeholt zu werden, handelt es sich um ein anfängliches, tatsächliches Schweigen. Dadurch können sowohl der Bericht eines Traumasymptoms (Beispiel: die Episode mit dem Milchbauern, die

67 „Πριν από πέντε μέρες μου φάνηκε πως αν είχα ένα τσιγάρο, θα μπορούσα να θυμηθώ τα τελευταία λόγια του λοχαγού Νικήτα, τώρα όμως, έχοντας σκεφτεί και διερευνήσει το θέμα απ’ όλες τις μεριές, κατάλαβα ότι κανένα τσιγάρο δεν πρόκειται να με βοηθήσει“, S. 120/S. 102. 68 „[Π]ήδηξα λοιπόν τρεις κόλλες τις προάλλες, πήρα δηλαδή τρεις κόλλες και τις έκρυψα κάτω από το στρώμα μου. Συνεπώς, ανάμεσα στη συνέχεια της 12ης και της 13ης του μηνός, λείπουν τρεις κόλλες“, S. 187/S. 159. 69 „[Ή] μάλλον την ουσία του πράγματος, διότι“, S. 96/S. 82. 70 „Wichtige Elemente des traumatischen Geschehens können nicht mehr erinnert werden (z. B. von Ort x nach Ort y gekommen zu sein). Im Extremfall kann das ganze traumatische Geschehen nicht mehr erinnert werden […]“, Maercker, Symptomatik, 2013, S. 18. 71 „Ausgeprägte Schwierigkeiten, sich auf einfache Abläufe zu konzentrieren (z. B. Buch lesen, Film sehen, Formular ausfüllen). Den Betroffenen kann klar oder auch selbst unklar sein, dass sie in solchen Momenten intrusive Erinnerungsschübe haben“, Maercker, Symptomatik, 2013, S. 19. 72 Vgl. Maercker, Symptomatik, 2013, S. 18, „Physiologische Reaktionen bei Erinnerung“. 73 „Vermeidung/Numbing. Die Betroffenen versuchen oft mit aller Macht, die sie überflutenden Gedanken ‚abzuschalten‘, d. h. nicht mehr an das Geschehene zu denken. Trotz dieser intensiven Versuche gelingt die Vermeidung der Gedanken an das Erlebte in den meisten Fällen nicht“, Maercker, Symptomatik, 2013, S. 17.

Traumatheoretische Merkmale | 187

erst am 10. Oktober 1949 berichtet wird [siehe oben, S. 181], während die Ankunft in der Stadt N Gegenstand der ersten Lieferung vom 27. September 1949 ist) als auch die Erzählung eines Trauma auslösenden Ereignisses auf später verschoben (Beispiel: der Besuch bei Rena, der erst am 15. November in der allerletzten Lieferung berichtet wird [siehe oben, S. 172 und 184 bzw. ganz ausgelassen werden. Ein Beispiel für das Auslassen traumatogener Ereignisse in der Erzählung sind die Dialoge der Teilnehmer an der Mission Kiste, ­welche in den Lieferungen vom 10. November 1949 und vom 15. November 1949, hauptsächlich vertreten durch die Figur des Lysimachos, ein wenig greifbar werden. Dialoge spiegeln, wie Lysimachos’ Beispiel zeigt, die menschliche Seite der geschilderten Ereignisse wider und lassen Figuren zu Individuen mit Werten und die Ereignisse zu einem persönlichen Schicksal werden; deshalb hat der Erzähler die Dialoge ausgelassen (siehe oben, S. 175 – 176) und deshalb bereut er dies am Ende seines Berichts, denn das Menschsein der umgekommenen Genossen verstärkt die traumatogene Wirkung des Berichts auf den Erzähler: „[W]as aber überkam mich eigentlich […]“ (Lieferung vom 15. November 1949).74 Der Erzähler spricht sein tatsächliches Schweigen auch explizit an: „[I]ch werde kein Wort mehr hinzufügen“ (Liefe­rung vom 13. Oktober 1949).75 Die Strategien, durch erzählerische Unzuverlässigkeit das Nicht-­Narrativierbare zu vermeiden, könnten ebenfalls als Strategien des Schweigens, genauer des Ver-­Schweigens, beschrieben werden: Ein Beispiel ist die bereits mehrfach erwähnte „Visitenkarte“, die der Erzähler immer wieder neu „verschwinden“ lässt, weil er den nächtlichen Besuch bei Rena, welcher ihm seine eigene Täterschaft bewusst werden lässt, aber auch das Vorgehen der Partei gegen ihre eigenen Angehörigen nicht narrativieren kann. Die Vermeidung von Schlüsselreizen 76 hängt unmittelbar mit dem Symptom des Schweigens bzw. des Verschweigens zusammen. Ein Beispiel ist das ständige akribische Durchzählen der Teilnehmer an der Mission Kiste, das dem Zweck dient, den Teilnehmer Lysimachos zu unterschlagen, der als genaues Gegenstück zum Protagonisten dessen Schuld verkörpert. Die Erinnerung an Lysimachos und die Erzählung wirkt als Schuldgefühle auslösender Schlüsselreiz, nicht nur wegen Lysimachos selbst, sondern auch bezüglich Christophoros und Alekos. Beide werden zu zentralen Figuren in Analepsen mit Höhepunkt der Lieferung vom 23. Oktober 1949. Interpretiert man die Mittel der Selektion und der Unzuverlässigkeit als Strategien, nicht Narrativierbares zu umgehen und Schlüsselreize zu vermeiden, dann sollten sie im Verlauf des Erzählprozesses bis zum 15. November 1949 aufgegeben worden sein. 74 „[Τ]ι μου ’ρθε. […]“, S. 345/S. 287. 75 „[Δ]εν πρόκειται να προσθέσω ούτε λέξη“, S. 185, Übersetzung Ulrich Moennig; vgl. Die Kiste, S. 157. 76 „Bewusstes Vermeiden von Gedanken und Gefühlen, die an das Trauma erinnern […]“, ­Maercker, Symptomatik, 2013, S. 18.

188 | Der traumatische Prozess des Erzählens

Das posttraumatische Belastungssyndrom des Erzählers entwickelt sich während des Erzählvorgangs weiter und das Nicht-­Narrativierbare wird zunehmend narrativierbar; die Phase der Narrativierbarkeit ist am 15. November erreicht, d. h. der Bericht vom 15. November 1949 sollte mimetisch zuverlässig sein.77 Auf Basis dieser Interpretation setzt das Symptom der Unfähigkeit zu narrativieren am 3. Oktober 1949 ein; der Prozess der Überwindung d­ ieses Symptoms beginnt am 22. Oktober 1949 (siehe den folgenden Abschnitt, „Die Phase der Intrusion“) und ist am 15. November 1949 abgeschlossen.78 Die Phase der Intrusion

Die Heilung vom Trauma setzt einen empathischen Zuhörer voraus. Der Adressat der Erzählung, der Staatsanwalt und selbst der als Bote fungierende Gefängniswächter, reagieren aber nicht auf die Erzählung des Protagonisten: „Sie lesen meine Papiere überhaupt nicht“ (Lieferung vom 22. Oktober 1949).79 Sein Zustand verschlimmert sich also durch die Erzählung. Der Satz „Ich zweifle daran, ob Sie sich überhaupt die Mühe machen, meine Papiere zu lesen“ (Lieferung vom 22. Oktober 1949)80 stellt somit ein Signal der Resignation dar, seine Strategien helfen nicht. Ein weiterer Grund, warum die Strategien nicht greifen, liegt darin, dass in der Semantisierung durch den traumatisierten Erzähler geradezu jedes Detail – angefangen von dem den Erzähler umgebenden Raum bis zu Einzelheiten der Geschichte, die er erzählt – als Schlüsselreiz fungiert bzw. dazu wird, der Versuch der Vermeidung von Schlüsselreizen somit von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist. Und so ist es nur folgerichtig, dass der Erzähler in eben dieser Lieferung vom 22. Oktober 1949 eröffnet, dass Lysimachos an der Mission Kiste teilgenommen hat. An d­ iesem Tag schreibt der Erzähler, dass die Gleichzeitigkeit in der Erinnerung zur Unvollkommenheit der Erzählung führe (das Textbeispiel oben, S. 179). An d­ iesem 22. Oktober 1949 und spätestens am folgendem

77 Vgl. dagegen Kantzia, Literature as Historiography, S. 120: „Most critics of the novel have fallen into this trap: faced with a narrator who unveils his own lies one after the other, they end up taking him at his word, accepting the last narrated version of the events offered as true, and viewing the narrator as a mouthpiece for the writer [gemeint ist Alexandrou] in his accusations against the leadership of the party.“ 78 Oben habe ich Tsirimokou zugestimmt, wenn sie Το Κιβώτιο (Die Kiste) als „offen“ bezeichnet, dies aber auf die Ränder der Erzählung (also ihren Verlauf ) eingegrenzt; der innere Prozess, der sich während des Erzählvorgangs entwickelt, hat am 15. November 1949 seinen Abschluss gefunden – und damit ist auch der Roman nicht nur formal, sondern auch inhaltlich abgeschlossen. 79 „[Δ]εν διαβάζετε καθόλου το γραφτό μου“, S. 188/S. 160. 80 „Αμφιβάλλω αν μπαίνετε στον κόπο να διαβάσετε τα χαρτιά μου“, S. 186/S. 158.

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23. Oktober, dem Tag der Erzählung über Christophoros, liegen bei dem Erzähler die Symptome der Intrusion 81 voll ausgebildet vor: Ich habe gestern abgebrochen und „Christophoros Ausschluss“ auf ein Brett meiner Pritsche notiert, aber das erwies sich als überflüssig, weil, auch wenn ich wollte, ich könnte ­dieses Ereignis nicht mehr vergessen (Lieferung vom 23. Oktober 1949).82

Die Gegenwärtigkeit der Erinnerungen wird auch im Wortlaut der Erzählerrede deutlich, so wie in der Lieferung vom 23. Oktober 1949: Der Erzähler weiß nicht, ob er sich an den Christophoros von 1941 erinnern soll – damals trug er noch keinen Schnäuzer – oder an den von 1942 – da hatte er ihn bereits wieder abrasiert (die Textstelle oben, S. 178). Nimmt man diese Aussage der Gegenwärtigkeit des Vergangenen in der Erinnerung als Symptom für die Phase der Intrusion, fällt auf, dass ein solches Symptom ein erstes Mal – noch unscheinbar – bereits am 2. Oktober 1949 auftritt, nämlich während des Berichts von der Hinrichtung des Nikitas (das Beispiel oben, S. 183). Die Entwicklungsphase des posttraumatischen Belastungssyndroms erklärt verschiedene Phänomene, die oben unter „Gedächtnistheoretische Merkmale“ besprochen wurden: Das deiktische Adverb „τώρα“/„jetzt“ wird – manchmal zusammen mit der Erläuterung, dass das „jetzt“ sich auf den Zeitpunkt des Erinnerten bzw. des Erzählten und nicht auf den der Erzählung bezieht – zum sprachlichen Marker eines Traumasymptoms (vgl. oben, S. 179). Wenn die so markierte Gleichzeitigkeit in der Erinnerung zur Unvollkommenheit der Erzählung führt, dann bezieht sich das nicht auf die mimetische Vollkommenheit (oder Unvollkommenheit), sondern auf die Erzählung als Repräsentation eines mentalen Prozesses oder Zustands. Die Häufigkeit, mit der im gesamten Bericht des Erzählers bis zum allerletzten Wort auf die Hinrichtung des Nikitas eingegangen wird, bestätigt die Bedeutung des am 1. Oktober 1949 und am 2. Oktober 1949 berichteten Ereignisses für die Psychologie des Erzählers. Die Schuldgefühle werden durch die Identifikation von Nikitas und 81 „[…] sind durch eine ungewollte Gebundenheit an das schreckliche Erlebte gekennzeichnet. Diese Gebundenheit zeigt sich in Bildern, Geräuschen oder anderen lebhaften Eindrücken des traumatischen Ereignisses, die unbeabsichtigt in den wachen Bewusstseinszustand als auch in den Schlaf „eindringen”. Oftmals kommt es zu einem subjektiv erlebten Überflutungszustand. Die Erinnerungen und Bilder erscheinen häufiger, als der Betroffene es vertragen kann, was zu einem Belastungsgefühl führt. Im Traum tauchen die Erlebnisse in verschiedenen Formen auf. Das Spektrum reicht dabei von lebhaften Wiederholungen in Träumen in sehr realistischer Form (‚Flashbacks‘) bis hin zu extremen Verzerrungen des Erlebten in den Alpträumen“, Maercker, Symptomatik, 2013, S. 17. 82 „Διέκοψα χθές, σημειώνοντας „Χριστόφορος διαγραφή“ στη σανίδα του κρεβατιού, μα αποδείχτηκε πως μπήκα άδικα στον κόπο, γιατί και να ’θελα να ξεχάσω το περιστατικό, δε θα μπορούσα πια“, S. 207, Übersetzung Ulrich Moennig; vgl. Die Kiste, S. 177.

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Charis verstärkt. Der Erzähler hatte sich 1942 mit Argumenten der Parteiräson gegen einen Rettungsversuch ausgesprochen, als ein Kollaborateur der Deutschen anbot, Charis könne von der Hinrichtung freigekauft werden. Die Phase der Intrusion wird auch durch die bereits mehrfach genannten Flashbacks und durch belastende Träume bzw. Alpträume 83 repräsentiert: [O]ft sah ich plötzlich, im Augenblick des Einschlafens, sein Lächeln, so wie ich es in d­ iesem Augenblick sehe, vollkommen scharf vor mir auf dem unbeschriebenen Papier (Lieferung vom 23. Oktober 1949).84

In der Erzählung ab dem 23. Oktober 1949 fällt auf, dass die Flashbacks umfangreicher und zahlreicher werden – es gibt eine Klimax. Außerdem werden zuvor durch Selektion geschaffene Lücken nach und nach gefüllt. Das Tätertrauma nimmt chronologisch von Nikitas und Charis seinen Ausgang, betrifft im Verlauf aber auch andere Opfer des Erzählers, insbesondere Christophoros (der Erzähler hat seine entlastenden Beweise für sich behalten, als Christophoros der Kollaboration mit der Gestapo bezichtigt, aus der Partei ausgeschlossen und regelrecht geächtet wurde) und Alekos (von dem der Erzähler sich distanziert hat, als er aus der Partei austrat); die Ereignisse um den Parteiausschluss Christophoros’ und den Austritt Alekos’ hatten im August 1942, also wenige Wochen nach Charis’ Hinrichtung stattgefunden. Alekos hatte seinen Austritt mit Christophoros’ Ausschluss begründet; Christophoros habe seine eigene Taktik verfolgt, zugegeben, aber die Partei habe deutlich überreagiert: „[U]m Christophoros endgültig zu isolieren, besser gesagt, ihn auszulöschen, ihn sozusagen moralisch hinzurichten“ (Lieferung vom 23. Oktober 1949).85 Der Erzähler erinnert sich an das Verb, das Alekos benutzte: „εκτελώ“, „hinrichten“. Der Erzähler hatte am 1. Oktober berichtet, wie er im Frühjahr 1946 den Hinrichtungsort besuchte und sich in Charis hineinzuversetzen versuchte (die Textstelle oben, S. 183). An d­ iesem Punkt der Erzählung hatte er bereits begonnen, sich selbst auf der Seite der Maschinengewehre zu sehen. Der Leser erfährt aber erst in der Lieferung vom 15. November 1949, dass es die Kugel des Prota­ gonisten war, die Nikitas gezielt tötete.

83 „Wiederkehrende Träume, die Erinnerungen und Erinnerungsbruchstücke des Traumas beinhalten […]“, Maercker, Symptomatik, 2013, S. 18. 84 „[Π]ολλές φορές, την ώρα που με έπαιρνε ο ύπνος, έβλεπα ξάφνου το χαμόγελό του, όπως το βλέπω τούτη τη στιγμή, πεντακάθαρα μπροστά μου, πάνω στο άσπρο χαρτί“, S. 229/S. 195; die Rede ist von Christophoros. 85 „[Γ]ια να απομονώσει τον Χριστόφορο μια και καλή, ή μάλλον να τον σβήσει από προσώπου γης, να τον εκτελέσει ηθικώς“, S. 208/S. 178.

Traumatheoretische Merkmale | 191

Die Erzählung als selbstzerstörerischer Prozess

Die gesamte Erzählung ist durch Entfremdung 86 gekennzeichnet, das Spiel mit den verschiedenen Darstellungsmodi und der kafkaeske Modus des Romans repräsentieren diese Entfremdung. Die Schilderung der Erinnerung an Christophoros und Alekos („[I]ch sah gleichzeitig mich selbst neben ihnen, als sei mein Selbst eine dritte Person“; das Beispiel oben, S. 178) und der Begegnung mit Rena Und es ging mir in dem Augenblick durch den Kopf, dass ich den Revolver aus der Feldtasche holen und auf Renas fehlenden Arm schießen könnte (so gelassen war ich) (Lieferung vom 15. November 1949)87

beschreibt einen Prozess, wie diese Effekte der Entfremdung eintreten und wie der Erzähler sie wahrnimmt und erlebt. Nicht zuletzt repräsentiert das Fehlen eines Namens des Protagonisten eine Entfremdung des Erzählers von sich selbst. Emmanuela ­Kantzia spricht mit ihrer (leider nicht zu Ende recherchierten) Idee, der Erzähler könnte mit der als dritter Person erzählten (Neben-)Figur Tilemachos identisch sein, etwas an, was der Erzähler, in einem anderen Kontext (siehe oben, S. 178), als ein Symptom an sich selbst beobachtet.88 Und auch der ewige Freispruch des unbekannten Soldaten, dass er ja auf Befehl gehandelt habe, und der besondere Freispruch des Soldaten einer Volksarmee, dass er sich ja der historischen Notwendigkeit gebeugt habe, erweisen sich durch die Erinnerung an ein Gespräch mit dem Instruktor Fantaros als nicht tragfähig: „Das sind alles Vorwände […] wenn du wirklich meinen indirekten, aber klaren Befehl nicht ausführen wolltest, wie du zu sagen beliebst […] wäre das möglich gewesen, du hättest dich nur dazu entschließen müssen, dich […] auf der Stelle umzubringen“ (Lieferung vom 15. November 1949).89

86 „Gefühl der Losgelöstheit oder Fremdheit von anderen Personen, die nicht das g­ leiche traumatische Ereignis erlebt haben. Subjektiv unüberwindlich empfundene Kluft z­ wischen den anderen und einem selbst (und entsprechenden Leidensgefährten). Selbst Familienmitgliedern gegenüber herrscht das Entfremdungsgefühl vor“, Maercker, Symptomatik, 2013, S. 19. 87 „[Κ]αι σκέφτηκα τότε πως θα μπορούσα να βγάλω το περίστροφό μου απ’ το ταγάρι και να σημαδέψω το κομμένο χέρι της Ρένας (τόσο ψύχραιμος ήμουνα)“, S. 323; Übersetzung Ulrich Moennig; vgl. Die Kiste, S. 271. 88 Kantzia, Literature as Historiography, S. 120 – 122. 89 „‚[Ό]λα αυτά είναι προφάσεις […] αν πράγματι δεν ήθελες να εκτελέσεις την έμμεση αλλά σαφή διαταγή μου, όπως προτιμάς να λες […] υπήρχε τρόπος, αρκεί να το αποφάσιζες […] να σκοτωθείς επιτόπου’“, S. 357/S. 298.

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Das Fehlen eines empathischen Zuhörers – und der intendierte textinterne Adressat hätte ja durchaus die Voraussetzungen erfüllen können, dem Erzähler durch Freispruch einen Heilungsprozess zu ermöglichen – führt dazu, dass die Erzählung nicht zur Heilung führt, sondern zum Verlust einer Zukunftsperspektive für die eigene Existenz.90 So fordert der Erzähler am Ende seines Berichts seine Hinrichtung: „Worauf warten Sie, warum stellen Sie mich nicht auf sechs Schritte, an die Wand, oder vielmehr vor das zweiflügelige Eisentor?“ (Lieferung vom 15. November 1949).91 Anscheinend ist der Erzähler „mit sich und der Welt fertig“, er sieht keine andere Perspektive für sich als den eigenen Tod durch Hinrichtung, als eins zu werden mit seinen Opfern. Das posttraumatische Belastungssyndrom als narrativer Prozess

Das Prozesshafte des posttraumatischen Belastungssyndroms lässt sich somit anhand des Narrativs darstellen, und so lässt sich auch die pränarrative Geschichte auf der Zeitebene des Erzählens rekonstruieren: Der Protagonist ist von den Erfahrungen in den militanten Organisationen des KKE traumatisiert; er sieht sich anfangs als (potentielles) Opfer der Strukturen und der Flügelkämpfe, was sich in einem übermäßigen Misstrauen, seiner Hypervigilanz, äußert. Seine Symptome sind Gegenstand der Erzählung. Physische Opfer der Mechanismen des KKE waren seine Freunde, die in den Jahren der Besatzung umgekommen sind. Aus der Schilderung des Erzählers wird zunehmend deutlich, dass er die Mission Kiste für eine innerparteiliche Säuberungsaktion hält, woran auch die „historischen Entscheidungen der Vollversammlung am 29. August“ (Dominanz der Leninisten über die Stalinisten) nichts ändern. Doch nicht das lässt sein anfängliches Opfertrauma und sein späteres Tätertrauma eines werden, sondern die fortschreitende Erkenntnis, dass er sich zum Werkzeug – zum Täter – des Mechanismus gemacht hat, als dessen Opfer er sich fühlte. Eine traumatische Erfahrung, die einen Prozess der Bewusstwerdung der eigenen Täterschaft in ihm auslöst, erlebt er in der Nacht zum 4. September 1949. Ein weiteres Ereignis, das diesen Prozess begünstigt, ist der Tod des Lysimachos am 16. September 1949. Dieser Prozess erreicht einen ersten Höhepunkt, als der Protagonist, inzwischen zum Erzähler geworden, am 1. und am 2. Oktober 1949 über die Hinrichtung des Nikitas berichtet. Die Tatsache, dass dieser Prozess die zeitliche Grenze ­zwischen Erzähltem und Erzählvorgang überschreitet, führt zu der Wahrnehmung der Mission Kiste und der anschließenden Erzählung über die Ereignisse als Kontinuum. Der Erzähler 90 Vgl. Maercker, Symptomatik, Klassifikation und Epidemiologie, S. 19: „[…] das Gefühl, das Trauma bzw. seine Verursacher haben Jahre (oder ‚die beste Zeit‘) des Lebens zerstört.“ 91 „[Τ]ι περιμένετε και δε με στήνετε στα έξι βήματα, στον τοίχο, ή μάλλον στη σιδερένια δίφυλλη πόρτα;“, S. 358, Übersetzung Ulrich Moennig; vgl. Die Kiste, S. 298.

Traumatheoretische Merkmale | 193

befindet sich nun in der absurden Situation, erzählen zu müssen, was er nicht narra­ tivieren kann, und entwickelt zahlreiche Strategien, seine Erzählung so zu lenken, dass er seiner Schuld und damit zusammenhängenden Gedanken und Schlüsselreizen ausweichen kann. Mit dieser Strategie imitiert er den Zug der Mission Kiste, der alles andere als die kürzeste Verbindung z­ wischen dem Ausgangspunkt N und dem angestrebten Zielpunkt K war und der in zwei Karten (S. 76/S. 64, Lieferung vom 3. Oktober 1949, und S. 160/S. 137, Lieferung vom 12. Oktober 1949) im Text dargestellt wird.92 Diese Strategie erweist sich als nicht erfolgreich, weil der Erzähler inzwischen alles in einer solchen Weise semantisiert hat, dass eine Erzählung ohne ständigen Kontakt mit Schlüsselreizen nicht mehr möglich ist. Als er am 15. November die Fähigkeit zu narrativieren endgültig erlangt hat, kulminiert sein Bericht in einer Anklage gegen sich selbst. Die zeitliche Relation ­zwischen Diskurs und Geschichte wird wesentlich vom Fortschreiten des Prozesses der posttraumatischen Belastungsstörung des Erzählers bestimmt. Aspekte der Rezeption

In den Datenblättern ist eine Kategorie „Aspekte der Rezeption“ vorgesehen; Absicht war, charakteristische Bezugnahmen auf das entsprechende Werk anzuführen, die seine Bedeutung im Nach-­Bürgerkriegs-­Diskurs verdeutlichen. An dieser Stelle s­ eien – aus einer großen Menge willkürlich herausgegriffen – folgende Beispiele angeführt, die wichtige Aspekte der Rezeption verdeutlichen: −− Nikandros Kepessis, ein Funktionär des KKE, veröffentlichte zehn Jahre nach Erscheinen von Το Κιβώτιο (Die Kiste) ein Selbstzeugnis, in dem es um seine eigene Verhaftung im Jahr 1946 und die Erfahrung der Isolationshaft mit ihren mentalen Prozessen geht. Siehe dazu das folgende Kapitel im vorliegenden Band. −− Nikos Davvetas, der wichtigste Vertreter der als Postmemory bezeichneten Literatur,93 stellt seinem Roman Λευκή πετσέτα στο ρινγκ (2006; Das weiße Handtuch in den Ring) eine Stelle aus Die Kiste als Motto voran: „Ich habe mir vorgenommen, einige Lücken in meinem bisherigen Bericht der Ereignisse zu füllen, auch wenn ich natürlich sehr wohl weiß, dass was auch immer ich nachtrage, das Ergebnis immer eine Zusammenfassung des endgültigen Textes darstellen wird.“ 94

92 Zur Analogie ­zwischen dem Zug der „Mission Kiste“ und dem „Verlauf “ des Erzählvorgangs siehe Voulgari; Mavridou, Συνομιλώντας, 2015, S. 335. 93 Siehe dazu Kapitel 3 von Athanasios Anastasiadis im vorliegenden Band. 94 „[Σ]κέφτηκα να συμπληρώσω ορισμένα κενά στην ως τα τώρα εξιστόρηση των γεγονότων, αν και ξέρω βέβαια πολύ καλά πως όσα και αν προσθέσω, θα πρόκειται πάντα για μια περίληψη του τελικού κειμένου“, S. 235; Übersetzung Ulrich Moennig; vgl. Die Kiste, S. 200.

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−− Am 3. Februar 2016 starb Kaiti Drossou. Der Schriftsteller und Journalist Ilias

­ anglinis veröffentlichte am 6. Februar 2016 in der Tageszeitung Ι Kathimerini eine M Art Nachruf mit Titel „Ein kurzer Abschiedsgruß für Kaiti Drossou“; darin berichtet er von einer Begegnung mit der Verstorbenen im Jahr 2010 und einer gemeinsamen Autofahrt von Ploumitsa in Lakonien bis nach Athen. Während dieser Fahrt sprachen die beiden offenbar über Erfahrungen aus der Besatzungszeit und des Bürgerkriegs. Dabei habe die Frau ihm folgende Geschichte erzählt: „Sie erinnerte sich auch an einen Freund ihrer Schwester, einen Widerstandskämpfer während der Besatzungszeit, den das KKE eines Tages in die militante OPLA (= Schutzorganisation der Kämpfer des Volkes) eingliederte. Man befahl ihm, jemanden zu exekutieren. Er antwortete: ‚Sagt mir etwas über diesen Menschen, sodass ich wütend auf ihn werde und ich das tun kann.‘ Er tötete ihn und kam am folgenden Tag zu uns nach Hause. Nicht wiederzuerkennen. Vollkommen aufgewühlt, unfähig, irgendwie zur Ruhe zu kommen. Ich hatte damals mein Baby, aus erster Ehe, und er bat mich, das Kind in den Arm nehmen zu dürfen. So kam er etwas zu sich.“ 95

95 „Θυμήθηκε κι ένα φίλο της αδελφής της, αντιστασιακό στην Κατοχή, που το Κόμμα τον έριξε κάποτε στην ΟΠΛΑ. Τον διέταξαν να εκτελέσει κάποιον. Τους είπε: „Πείτε μου κάτι γι’ αυτόν τον άνθρωπο να θυμώσω και να το κάνω.“ Τον σκότωσε και την επομένη ήρθε σπίτι. Αγνώριστος. Ενας άνθρωπος που ήθελε να φάει την καρδιά του, δεν τον χωρούσε ο τόπος. Είχα τότε μωρό το παιδί μου, απ’ τον πρώτο μου γάμο, και με παρακάλεσε να κρατήσει στην αγκαλιά το βρέφος. Τότε μόνον ηρέμησε κάπως“, Ενας μικρός αποχαιρετισμός στην Καίτη Δρόσου, in: I Kathimerini, 6. Februar 2016.

Ulrich Moennig

7. Nikandros Kepessis, Θυμάμαι (1985; Ich erinnere mich): Die Leugnung des Traumas? Θυμάμαι (Ich erinnere mich) von Nikandros Kepessis erschien 1985; der Text gehört in die Produktionsphase von Selbstzeugnissen, die sich als Reaktion auf das Gesetz Nr. 1285 von 1982 darstellt.1 In d­ iesem Gesetz wurde auch die Tätigkeit des EAM (= Nationale Befreiungsfront) und seines militärischen Arms ELAS (= Griechische Volksbefreiungsarmee) als Nationaler Widerstand anerkannt.2 Bis zu dem Zeitpunkt waren die Gruppierungen, die sich nach dem Oktober 1944 gegen die aus dem Exil zurückgekehrte griechische Regierung positionierten, von der Anerkennung ihrer Tätigkeit als Widerstand ausgenommen. Es handelt sich bei Ich erinnere mich um ein Beispiel für ein Selbstzeugnis, in dem mit fast literarischen Mitteln eine narrative Ordnung geschaffen wird, und zudem um ein seltenes Beispiel für ein Selbstzeugnis, das eine Gegendarstellung zu einem Roman, nämlich Το Κιβώτιο (Die Kiste) von Aris Alexandrou, darstellt.3 Der Text verdeutlicht zugleich aber auch den fundamentalen Unterschied im Umgang mit Schuld und Täterschaft z­ wischen Fiktion und Autobiographie. All dies sind Gründe, warum wir ihn für eine eingehendere Analyse ausgewählt haben. Thematisch steht im Mittelpunkt des Narrativs nicht der eigentliche Bürgerkrieg 1946 – 1949 – an dem Kepessis gar nicht aktiv teilnehmen konnte, weil er die Jahre in Haft verbrachte –, wohl aber dessen Ursachen: die Illegitimität von Regierung und Armee seit der Metaxas-­Diktatur von 1936, die Kollaboration zuerst mit den deutschen Eroberern, dann – nach Abzug der Deutschen – mit den als neue Besatzung wahrgenommenen Briten sowie der „weiße Terror“ der Jahre 1945 und 1946. Das Merkmal aber, durch welches der Text eine besondere Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist der 1 Eine andere Form des vorliegenden Kapitels, angepasst an die Notwendigkeiten eines anderen Kontexts, erschien 2015 in griechischer Sprache (Moennig, Θυμάμαι). 2 Siehe oben, S. 43 – 4 4. 3 Nach einem spezifischen Terminus, der die Textgattung des „Buches“ bezeichnet, sucht man vergebens. Es gibt allerdings eine Vielzahl von Äußerungen, dass es sich um ein autobiographisches „Buch“ („το βιβλίο μου“, S. 11) handelt, wobei bezeichnenderweise auch der Begriff „ιστοριογραφία“ („Geschichtsschreibung“) fällt (S. 11). Interessant ist auch eine Notiz des Autors (auf S. [4]), in der er erläutert, er habe den ursprünglich vorgesehenen Titel „Απ’ τη ζωή μου“ („Aus meinem Leben“) verworfen, weil unter ­diesem Titel eine Autobiographie des Genossen Erich Honecker angekündigt sei (Honeckers Biographie erschien 1985 im Verlag Ειρήνη mit einem Vorwort von Andreas Papandreou in der Übersetzung von Thanassis Georgiou, Tassos Telloglou und Corinna Argyriadi). Ich verweise in d­ iesem Beitrag (durch Angabe der jeweiligen Seite) auf die einzige mir bekannte Ausgabe von Θυμάμαι, nämlich die von 1985.

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ständige, explizite Rekurs auf die Art und Weise, wie Erinnerung funktioniert und ­ elche Wirkungen sie hat. Und dies insbesondere in der – als Folter wahrgenommenen w und beschriebenen – Situation der Isolationshaft.4 An einer frühen Stelle seines Selbstzeugnisses schreibt Kepessis: „Es ist bekannt, es ist ein Gesetz der Psychologie: Die Gedanken drehen sich ständig um den Punkt, an dem es schmerzt.“ 5 Die Isolationshaft stellt – und deshalb ist sie eine Art psychische Folter („Wenn man sich in der Folterkammer befindet, sei diese physisch oder psychisch“)6 – einen spezifischen Anlass dar für „ständig rotierende“ Gedanken. Da es sich bei dem Text von Kepessis um ein Selbstzeugnis handelt, sind biographische Angaben zu seiner Person unerlässlich. Die wichtigsten Angaben finden sich auf dem Cover der gedruckten Ausgabe von Θυμάμαι. Unabhängig davon zitiere ich den Nekrolog aus der griechischen Zeitung To Vima vom 4. Juni 2009, der am Tag nach dem Tode des Autors publiziert wurde: Gestern starb im Alter von 95 Jahren der Widerstandskämpfer (in den Reihen des EAM) Nikandros Kepessis. Kepessis war Parlamentsabgeordneter des KKE, Autor vieler Bücher und Ehrenvorsitzender des Griechischen Schriftstellerverbands. Als Schüler wurde er 1930 – nachdem er als Flüchtlingskind aus Levisi in Kleinasien nach Piräus gekommen war – Mitglied der kommunistischen Jugendorganisation OKNE und 1936 Mitglied des KKE. Er diente als Offizier der Reserve im griechisch-­italienischen Krieg 1940 – 1941 und erlangte Anerkennung als Kapetanios des Sechsten unabhängigen Corps des ELAS Piräus im Kampf gegen die Deutschen, wie z. B. in der Schlacht um das Elektrizitätswerk von Keratsini am 13. Oktober 1944. Nach der Befreiung wurde er zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Die Jahre von 1946 bis 1963 verbrachte er in Gefängnissen und auf Verbannungsinseln. In den Jahren der Militärdiktatur verbrachte er weitere 56 Monate in Konzentrationslagern für politische Gefangene […].7

4 Kyriakis, Datenblatt Kepesis, 2013. 5 „Είναι παρατηρημένο, είναι νόμος της ψυχολογίας […] Όπου σε πονά, εκεί ’ναι που στριφογυρίζει η σκέψη“, Kepessis, Θυμάμαι (Ich erinnere mich), 1985, S. 32. 6 „Σαν βρίσκεσαι στους χώρους των βασανιστηρίων, σωματικών ή ψυχικών“, Kepessis, Θυμάμαι (Ich erinnere mich), 1985. 7 „Πέθανε χθες σε ηλικία 95 ετών ο αγωνιστής της ΕΑΜικής Αντίστασης Νίκανδρος Κεπέσης, ο οποίος υπήρξε βουλευτής του ΚΚΕ, συγγραφέας πολλών βιβλίων και επίτιμος πρόεδρος της Εταιρείας Ελλήνων Λογοτεχνών. Από μαθητής το 1930, και αφότου είχε φθάσει στον Πειραιά, προσφυγόπουλο από το Λισίβι της Μ. Ασίας, έγινε μέλος της ΟΚΝΕ και το 1936 μέλος του ΚΚΕ. Πολέμησε ως έφεδρος ανθυπολοχαγός στον ελληνοϊταλικό πόλεμο 1940 – 1941 και αναδείχτηκε ως καπετάνιος του 6ου Ανεξάρτητου Συντάγματος ΕΛΑΣ Πειραιά σε μάχες ενάντια στους ναζιστές, όπως στη μάχη της Ηλεκτρικής. Μετά την απελευθέρωση συνελήφθη, καταδικάστηκε σε ισόβια δεσμά, έμεινε στις φυλακές και στις εξορίες από το 1946 ως τα τέλη του 1963, ενώ στη χούντα πιάστηκε και έμεινε στα στρατόπεδα συγκέντρωσης πολιτικών κρατουμένων 56 μήνες […]“ (http://www. tovima.gr/society/article/?aid= 271569, letzter Zugriff: 09. 08. 2014).

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Die 1946 beginnende Haft ist genau der Grund, warum Kepessis an den eigentlichen Handlungen des Bürgerkriegs nicht teilnehmen konnte, und genau mit seiner Verhaftung „gegen sechs Uhr Abend am 8. Oktober 1946“ 8 beginnt der Bericht des Selbstzeugnisses. Der erzählte Zeitraum ist in seiner Dauer definiert, er bezieht sich auf die achtunddreißig Tage nach der Verhaftung in der Untersuchungshaft der Staatssicherheit („Man überführte mich, nach achtunddreißig Tagen Untersuchungshaft, in die Gefängnisse“).9 Die erste Zeit ist durch absolute Isolationshaft gekennzeichnet, und diese Zeit (Kapitel 1 bis 5) ist deutlicher gemessen als die dann folgende, in der die strenge Isolation aufgebrochen wird und genauere Indikatoren der Zeitmessung fehlen (Kapitel 6). Die Vermutung liegt nahe, im Selbstzeugnis von Kepessis liege das erzähltechnische Merkmal der Erzählerzeit vor. Es bleibt aber den ganzen Text über deutlich, dass der mit dem Autor identische Erzähler zum Zeitpunkt der Abfassung, also fast vierzig Jahre später, berichtet, und dies unabhängig von der Organisation von Zeitebenen innerhalb des Textes. Somit ist die Erzählerzeit mit der Zeit der Abfassung des autobiographischen Selbstzeugnisses identisch und – da diese nicht genau benannt wird – nicht gemessen. Im Prolog schreibt der Autor: Ich habe die Form gewählt, die ich gewählt habe, weil ich sie dem Zweck des angenehmen Lesens für angemessen hielt. Ich dachte mir, diese Art wird den Leser nicht ermüden. Zugleich wird ihm die Möglichkeit gegeben, sich in eine Lage zu versetzen. In die Lage dessen, der sich in Isolationshaft befindet, so wie ich und Zehntausende andere damals.10

Die gewählte Form ist die einer zeitlichen Achse, die sich konsequent am zeitlichen Verlauf der Isolationshaft im Oktober und November 1946 orientiert. Während dieser Erzählung wird immer wieder Bezug genommen auf die Isolationszelle (der konkrete Ort kann wechseln), ihre sehr begrenzten Dimensionen, das Fehlen einer anderen menschlichen Präsenz, die Feuchtigkeit des Kellers und die Härte des Zementbodens, das Guckloch in der Tür, den Riegel, der – wenn er betätigt wird – deutlich hörbar ist, und die ständig brennende Hundert-­Watt-­Birne: eine Situation, die mentale Prozesse in Gang setzt und begünstigt (z. B. S. 29 – 33, 61 f., 68, 71, 77, 78 – 80, 91, 98 f., 115, 118 f.,

8 „[Γ]ύρω στις έξι το βράδυ της οχτώ Οχτώβρη του 1946“, Kepessis, Θυμάμαι (Ich erinnere mich), 1985, S. 13. 9 „[Μ]ε μεταφέρανε, μετά από τριάντα οχτώ μέρες κράτησης, στις φυλακές“, Kepessis, Θυμάμαι (Ich erinnere mich), 1985, S. 214. 10 „Διάλεξα τη μορφή που θα δείτε. Την έκρινα σαν την πιο πρόσφορη για μια πιο ξεκούραστη ανάγνωση […] Έκαμα τη σκέψη πως με τη μορφή αυτή, ο αναγνώστης δε θα βαρεθεί να το διαβάσει. Ότι θα του δοθεί η δυνατότητα να προβληματιστεί. Να φανταστεί τον εαυτό του απομονωμένο, όπως εγώ και δεκάδες χιλιάδες σαν και μένα τότε“, Kepessis, Θυμάμαι (Ich erinnere mich), 1985, S. 9.

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128, 136, 147 f., 155, 157 f., 169, 181 f.). Zu Beginn des Selbstzeugnisses wird der Leser durch einen Exkurs „über die allgemeine politische Lage“ (S. 14 – 18) und eine „Selbstkritik“ (S. 18 – 21) – „Warum musste der Herr Genosse auch Spaziergänge unternehmen, und das mitten in Athen?“ 11 – gewissermaßen schonend auf die dann folgende Serie von Analepsen vorbereitet, die mit der ersten Nacht im „Betongrab“ 12 beginnt – den Anfang nehmend mit einem ausführlichen Bericht über eine erste Verhaftung, die im Jahr 1945 stattgefunden hatte. Während ­dieses Berichts wird das Spiel der Analepsen auf mehreren Zeitebenen gespielt, mit Analepsen im Rahmen von Analepsen, in einer Art Chinese-­Box-­Effekt. Der Bericht beginnt auf S. 33 (noch Kapitel 1) der gedruckten Ausgabe und endet auf S. 104 (zugleich Ende Kapitel 2). Wenn ich oben von den literarischen Mitteln des Selbstzeugnisses von Kepessis geschrieben habe, dann beziehe ich mich auf diesen Umgang mit Analepsen, während der wiederholte Bezug auf die Gegenwart des schreibenden Autors diese Literarizität unterwandert. Die Analepsen in den anschließenden Kapiteln sind in der Reihenfolge angeordnet, wie sich die Gedanken während der Isolationshaft eingestellt haben. Sie folgen zugleich aber immer auch einer inneren Logik. Kepessis’ Erinnerungen stellten sich demnach mit einer gewissen Systematik ein. In den Analepsen in Kapitel 3 geht es allgemeiner um die Organisationsformen in der Illegalität nach den Dezemberereignissen 1944 und dem Vertrag von Varkiza 1945, um die Notwendig der Aktivität im Untergrund, eine Folge im Wesentlichen des „weißen Terrors“. So erinnert sich Kepessis z. B. an ein „unglaubliches Abenteuer“,13 eine nächtliche Verfolgung durch regierungstreue Spitzel, die ihn um ein Haar ermordet hätten. Das vierte Kapitel hat eine vielsagende zeitliche Unter-­ Struktur. Es beginnt geradezu biblisch: „Es dämmerte ein neuer Tag, der 28. Oktober 1946“,14 doch die dann folgende Analepse gibt die Erinnerungen wieder, die sich am Abend des Vortages eingestellt hatten: „Die Erinnerungen an jene Tage des Jahres 1940 hatten bereits am Vorabend eingesetzt.“ 15 So datieren die Erinnerungen an den Ausbruch des griechisch-­italienischen Kriegs am 28. Oktober 1940 bereits am 27. Oktober 1946, mit dem Effekt, dass der 28. Oktober 1946 frei bleibt für eine weitere Analepse („Automatisch stellten sich Erinnerungen ein an das Zwillingsereignis“ 16), die Gegenstand des

11 „[Γ]ιατί ο σύντροφος έφερνε βόλτες στην Αθήνα και μάλιστα και μέσα στο κέντρο;“ Kepessis, Θυμάμαι (Ich erinnere mich), 1985, S. 18. 12 „Στον τσιμεντένιο τάφο“, Kepessis, Θυμάμαι (Ich erinnere mich), 1985, S. 29. 13 „Μια απίστευτη περιπέτεια“, Kepessis, Θυμάμαι (Ich erinnere mich), 1985, S. 118 – 128. 14 „[Ξ]ημέρωσε η 28 Οχτώβρη 1946“, Kepessis, Θυμάμαι (Ich erinnere mich), 1985, S. 136. 15 „Η αναπόληση κείνων των ημερών του ’40 είχε αρχίσει απ’ την προηγούμενη το βράδυ“, ­Kepessis, Θυμάμαι (Ich erinnere mich), 1985, S. 136. 16 „[Α]υτόματα ερχόταν στη θύμηση μια άλλη δίδυμη ημερομηνία“, Kepessis, Θυμάμαι (Ich ­erinnere mich), 1985, S. 148.

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fünften Kapitels ist: die deutsche Invasion am 6. April 1940 und der antipatriotische Verrat der griechischen Offiziere (die „fünfte Kolonne“, für ­welche die Kapitulation, noch bevor sie fürs Protokoll zu den Waffen griff, ein abgekartetes Spiel war) – Letzteres (die bereitwillige Kollaboration mit dem Besatzer) eine Eigenschaft, die auch nach 1944 nicht aus der Mode kam und die das offizielle griechische Regime aus der Sicht des KKE delegitimierte. Dieses Narrativ macht aus der Opposition gegen die griechische Regierung im Anschluss an den Abzug der deutschen T ­ ruppen eine Fortsetzung des Nationalen Widerstands, wie er durch das Gesetz 1285/1982 anerkannt worden war.17 Im verbleibenden sechsten Kapitel erzählt Kepessis, wie die absolute Isolationshaft aufgehoben wird und er Mithäftlinge bekommt. Analog zu den Haftbedingungen wird auch die Logik der Analepsen weniger stringent. Was aber auch als eine Strategie des Verschweigens gelesen werden kann, denn neben Berichten über Repressionen gegen Schüler, die dem kommunistischen Jugendverband OKNE (= Bund Kommunistischer Jugendbewegungen Griechenlands) angehörten, gibt es auch ein sehr interessantes Gespräch mit dem Vater eines jungen Mannes, der von den Kommunisten ermordet wurde – anscheinend im Dezember 1944 –, sowie Ausführungen über Strategien, wie in den Prozessen gegen die Kommunisten von anderen vergleichsweise weniger harte Strafen erstritten wurden, während andere diese Redegewandtheit nicht besaßen. Läse man das Selbstzeugnis von Nikandros Kepessis nur mit der Frage, die zu stellen er selbst nahelegt – „Die Gedanken drehen sich ständig um den Punkt, an dem es schmerzt“–, müsste man sich fragen, worum genau seine Gedanken ständig kreisen (die Illegitimität des offiziellen Staats) und dies in Verbindung setzen mit dem auffälligen Trick, mit dem der 28. Oktober 1940 und die deutsche Invasion im April 1941 narrativ als Zwillingsereignisse (als Beispiele für die Kollaboration des offiziellen Staats und seiner Offiziere mit den verschiedenen Invasoren) dargestellt werden: Diese Dinge haben sich nach dem Abzug der Deutschen nicht geändert, im Gegenteil, die Exilregierung hat 1944 eine neue Besatzung mit ins Land gebracht. „Was soll aus den Zehntausenden werden, die den Sicherheitsbataillonen angehör(t)en?“ 18 Diese „nationale“ und „soziale“ Frage, die davon ausgeht, dass „die Täter unter uns sind“, und die nach dem Sieg der kommunistischen Sache auf der Tagesordnung ganz oben würde stehen ­müssen, beschäftigt Kepessis am Morgen des 28. Oktober 1946 in seiner Isolationszelle. Der 1982 anerkannte Nationale Widerstand war also nach dem Abzug der Deutschen im Oktober 1944 nicht zu Ende, die Dezemberereignisse 1944 waren eine erste Fortsetzung, und mit dem Zusammenschluss verschiedener bewaffneter Gruppierungen zum DSE (= Demokratische Armee Griechenlands) am 28. Oktober 1946 trat der Widerstand

17 Siehe auch das Postscriptum zu ­diesem Beitrag. 18 „Τί θα γίνει με τις δεκάδες χιλιάδες των Ταγμάτων Ασφαλείας;“ Kepessis, Θυμάμαι (Ich erinnere mich), 1985, S. 147.

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noch einmal in eine neue Phase ein. An dieser Phase konnte Kepessis nicht teilhaben, weil mit seiner Verhaftung am 8. Oktober 1946 eine 17 Jahre währende Inhaftierung beginnen sollte. An dieser Stelle lohnt es sich, noch einmal einen Blick auf Kepessis’ Selbstkritik zu werfen: Nicht nur wirft er sich selbst vor, dass er – obwohl er auf den Fahndungslisten stand – sich in die Öffentlichkeit begab, er wirft seiner Partei vor: „Ich hätte zum Kader derjenigen gehören müssen, die in die Berge gingen – zum DSE.“ 19 Ich erinnere mich muss aber noch mit einem weiteren Kriterium gelesen werden: Seine formalen Grundzüge erinnern so sehr an Το Κιβώτιο (Die Kiste) von Aris A ­ lexandrou, dass man wohl nicht von einem Zufall ausgehen darf. Ich stelle hier die Ähnlichkeiten knapp zusammen: Identität von Erzähler und Protagonist; Organisation der Zeitstruktur auf der Zeitebene der Isolationshaft, in welcher der Erzähler sich befindet; ständige Bezugnahme auf die Situation der Isolationshaft und die daraus erwachsenden Wirkungen auf die Psyche des Häftlings; ständige selbstreferenzielle Bezugnahme auf die Funktionen der Erinnerung, insbesondere während der Isolation; häufige Analepsen; Verlagerung des Interesses von der primären Zeittebene auf die Zeitebene der Analepsen, die sich im Wesentlichen auf Ereignisse seit dem 4. August 1936 (Machtergreifung durch den Diktator Ioannis Metaxas), den griechisch-­italienischen Krieg, die deutsche Invasion und anschließende Besatzung, die Dezembereignisse 1944 und den Bürgerkrieg beziehen – im Falle von Το Κιβώτιο (Die Kiste) auf die Tage von dessen historischem Ende, im Falle von Ich erinnere mich an die Tage von dessen Eintritt in die heiße Phase. Und nicht zuletzt: Beide Texte münden in eine Diskussion über Schuld und Strafe. In welchem Bezug aber steht Θυμάμαι (Ich erinne mich) von Nikandros Kepessis zu Το Κιβώτιο (Die Kiste) von Aris Alexandrou? Als ob Kepessis eine Grenzerfahrung bestätigen wollte, die nicht nur der namenlose Romanprotagonist erlebte, sondern auch Tausende von linken Widerstandskämpfern aus Fleisch und Blut: die folterartige Isolationshaft und ihre Wirkungen auf die Psyche. In seinem Prolog schreibt Kepessis: Das Hauptthema wurde angereichert durch Seiten aus meiner Kindheit und Jugend. Mit Erinnerungen an den Krieg 1940 – 1941. Mit meinen Ansichten zu diversen ­Themen. Und alles das als normale Fortsetzung und Folge des Daseins in strenger Isolationshaft. Dort kreisen die Gedanken mit unfassbarer Geschwindigkeit, und sie gehen insbesondere zum Vergangenen und suchen nach Gesellschaft in den Erinnerungen.20

19 „Θα έπρεπε να είχα περιληφθεί στον πίνακα των στελεχών που πήγαν για το βουνό –στο ΔΣΕ“, Kepessis, Θυμάμαι (Ich erinnere mich), 1985, S. 21. 20 „Το κύριο θέμα διανθίστηκε με σελίδες απ’ την παιδική και εφηβική μου ζωή. Με αναμνήσεις για τον πόλεμο 1940 – 41. Με απόψεις μου πάνω σε διάφορα ζητήματα. Κι όλα αυτά, σαν φυσιολογική συνέχεια και συνέπεια της ζωής μέσα σε αυστηρή απομόνωση. Μέσα εκεί η σκέψη στριφογυρίζει με απίθανη ταχύτητα, κύρια στα περασμένα κι αναζητά τη συντροφιά στις μνήμες“, Kepessis, Θυμάμαι (Ich erinnere mich), 1985, S. 9.

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Die Metapher der kreisenden Gedanken, die Kepessis wiederholt heranzieht, verweist in unmittelbarer Intertextualität auf Alexandrous noch drastischere Metapher des sich immer tiefer grabenden, rotierenden Bohrers.21 Die Metapher des Bohrers findet sich ebenfalls bei Kepessis, wenn auch nicht an besonders exponierter Stelle: „Etwas, was wie ein Bohrer in meinem Hirn arbeitete.“ 22 Was bei der Lektüre von Kepessis’ Selbstzeugnis auffällt, ist weniger die Tatsache, dass ein Selbstzeugnis die Fiktion bestätigt, sondern mehr die Interpretation, die K ­ epessis Alexandrous Roman gibt. Kepessis interpretiert die Erzählung des unbekannten Soldaten des DSE in Το Κιβώτιο (Die Kiste) „als normale Fortsetzung und Folge des Daseins in strenger Isolationshaft“. Dieses Verständnis, welches Kepessis für den namenlosen Protagonisten aufbringt, ist bei genauerem Nachdenken leicht nachvollziehbar: K ­ epessis hatte als natürliche Person die ­gleiche Erfahrung, wie sie auch die fiktionale Figur durchmacht – eine Erfahrung, über die moderne Leser glücklicherweise nicht verfügen und die sie auch nur schwer gedanklich nachvollziehen können. Aber kann es wirklich sein, dass der Parteifunktionär Kepessis ein Selbstzeugnis verfasst, mit dem Zweck, den Dissidenten Alexandrou zu bestätigen – zu bestätigen, dass die fiktionale Erfahrung, die Alexandrous Protagonist durchmacht, für viele Mitglieder des KKE in den 1940er Jahren eine Erfahrung an Leib und Seele war? An dieser Stelle nun bietet es sich an, nach den (möglicherweise fundamentalen) Unterschieden ­zwischen den beiden Texten zu suchen. Inszeniert Kepessis eventuell eine Gleichheit, um einen wichtigen Unterschied umso stärker zu betonen? Um den Dissidenten nicht zu bestätigen, sondern um ihn zu widerlegen? Hier müssen wir uns den Protagonisten von Το Κιβώτιο (Die Kiste) noch einmal vor Augen führen: Er befindet sich in strenger Isolationshaft und erzählt, beginnend mit Ereignissen aus der jüngeren Vergangenheit. Der Bericht lässt ihn aber nicht unbeteiligt, sodass seine Erinnerungen immer weitere Kreise ziehen und zunehmend auch Personen einschließen, die er schon lange aus seinem Leben verloren hat. Und so führt sein Bericht immer tiefer in die Untergrundtätigkeit des EAM und selbst bis in die kommunistischen Jugendorganisationen der Metaxas-­Diktatur. Die Erzählung wirkt auf den Erzähler zurück, sie verändert seine psychologische Disposition und wirft ihn am Ende aus der Bahn. Die durch die Situation herbeigeführte Gesellschaft mit der Erinnerung führt zur Bewusstwerdung von Schuld, sodass er am Ende nicht nur nicht mehr an die „historische Notwendigkeit“ des Kampfes und an seine Partei glaubt – er war angetreten, seine Unschuld nachzuweisen und plädiert am Ende für seine Hinrichtung. Die Folter der Isolationshaft führt beim fiktionalen Soldaten zur selbstzerstörerischen Kapitulation, beim Autobiographen Kepessis zur selbstbeherrschten Reflexion: Warum haben wir den Kampf geführt? Warum war er gerecht? Warum hätte er eigentlich in einem

21 Siehe oben, S. 180. 22 „Κάτι μου τριβέλιζε σαν τρυπάνι το μυαλό“ (S. 80).

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Sieg enden müssen? Bei Kepessis steht mentale Selbstkontrolle im Dienste der Partei an der Stelle, an der bei Alexandrou die traumatisierte Rede dominiert. Somit ergibt sich die entscheidende Frage: Wie geht der autobiographische Autor Kepessis mit eigener Schuld und Täterschaft um? Es gibt einen sehr interessanten Bericht über ein Verhör, zu dem Kepessis gerufen wird, ungefähr Anfang November 1946. Der „Spitzel“ Karagiorgos, der Kepessis seit dem Dezember 1944 auf der Beobachtungsliste hatte und – wie sich herausstellte – ihn im Herbst 1946 wiedererkannte und seine Festnahme einleitete, konfrontiert ihn mit dem Offizier Vlachos, dessen Sohn „während der Ereignisse umgekommen ist.“ 23 „Er wurde abgeführt, ins Asyl gesperrt, und Du hast seine Hinrichtung angeordnet.“ 24 Solche Festnahmen, Inhaftierungen und auch Hinrichtungen von als reaktionär Wahrgenommenen durch den ELAS geschahen im Dezember 1944. Kepessis gelingt es, den Vater Vlachos davon zu überzeugen, dass ­Karagiorgos seine Anschuldigungen ohne Belege und Beweise vorträgt. Der wiedergegebene Dialog und Kepessis’ Aussagen bleiben aber so lückenhaft, dass sie weder als Dementi von Schuld noch natürlich als Eingeständnis gelesen werden können. Das „Gesprächsprotokoll“ umfasst die Seiten 205 bis 211 des 214 Seiten umfassenden Buchs. So steht gegen Ende des Selbstzeugnisses eine Episode, ­welche die Frage nach schuldhaftem Verhalten des autobiographischen Autors in den Raum stellt, diese aber offenlässt und in eine andere Richtung lenkt. Denn auf den wenigen verbleibenden Seiten geht es um eine Art technische Hinweise, wie man in den Verfahren gegen die Linken in den späten 1940er Jahren und nach Ende des Bürgerkriegs weniger harte Strafen erwirken kann – durch den Einsatz klaren Verstands und von Rhetorik; es geht nicht etwa darum, ob jemand Schuld auf sich genommen hat oder nicht, so etwas wird nicht diskutiert. Abschließend muss man sich fragen, warum Kepessis’ Antwort auf Alexandrous Το Κιβώτιο (Die Kiste) so lange – immerhin gut zehn Jahre – auf sich warten ließ. Gibt es neben dem zeitlichen auch einen inneren Zusammenhang ­zwischen Kepessis’ Selbstzeugnis und dem Gesetz 1285/1982? Offenbar sieht Kepessis durch das Gesetz von 1982 die Schuldfrage beantwortet. Somit widerlegt das Gesetz auch Alexandrous unbekannten Soldaten: Er ist an sich selbst gescheitert, nicht an seiner Täterschaft, die es nämlich nicht gab. Kepessis’ Beitrag fügt sich somit passgenau in den erinnerungskulturellen Diskurs der früheren Regierungszeit unter Andreas Papandreou ein. Die Frage, wie überzeugend die Leugnung des Traumas ist, wo doch die eigene Erfahrung des autobiographischen Autors offenbar so viel zu seinem Verständnis von Το Κιβώτιο (Die Kiste) beigetragen hat, muss offen bleiben.

23 „[Χ]άθηκε με τα γεγονότα“ (S. 209). 24 „Τον πιάσανε, τον κλείσανε στο Άσυλο και συ διάταξες να τον εκτελέσουν“ (S. 210).

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Postscriptum: Nikandros Kepessis, Ο Δεκέμβρης του 1944 (Der Dezember 1944), Athen 1979 Meine Interpretation von Θυμάμαι (Ich erinnere mich) legt nahe, das 1979 erschienene Buch Ο Δεκέμβρης του 1944 (Der Dezember 1944) auf Aussagen durchzusehen, die sich auf linke Gewalt gegenüber Andersdenkenden beziehen. Ο Δεκέμβρης του 1944 (Der Dezember 1944) ist ein Ego-­Text der ersten Generation, wie wir ihn oben als Zeitzeugenbericht bezeichnet haben.25 Kepessis erzählt die meiste Zeit über aus homodiegetischer Perspektive, wechselt allerdings stellenweise in die für Selbstzeugnisse erforderliche Autodiegese. In Ο Δεκέμβρης του 1944 (Der Dezember 1944) wird noch deutlicher als in Θυμάμαι (Ich erinnere mich), dass Kepessis (getreu der Linie des KKE ) die Präsenz der Briten nach dem Abzug der Deutschen als Fortsetzung der Besatzung, somit die Aktionen von EAM und ELAS im Dezember 1944 und Anfang Januar 1945 als Nationalen Widerstand auffasste. Zu Beginn des Buches gibt es sehr deutliche Bezugnahmen auf die bis 1982 geltende Verordnung zum Nationalen Widerstand mit der Nummer 179/1969: Die Sicherheitsbattalione und die anderen Verbände, die von den Besatzungsmächten mit Waffen ausgestatten worden waren […] sind zweifelsfrei kollaborierende Organisationen. Und keine Fürbitte, kein Gesetz, wie z. B. die Verordnung mit der Nummer 179/1969 der Junta – die weiterhin gültig ist und auf die die Regierung der Nea Dimokratia weiterhin Bezug nimmt – kann sie zu Widerstandsorganisationen machen.26

Die Bitterkeit über diese Rechtslage korrespondiert mit der Genugtuung über das Nachfolgegesetz von 1982, die in Θυμάμαι (Ich erinnere mich) deutlich wird. In einer autodiegetischen Passage benutzt Kepessis die oben bereits kommentierte Metapher des sich drehenden Bohrers für intensive Gedankentätigkeit („Das Fehlen eines Stadtplans setzte sich wieder in meinem Hirn fest und drehte dort seine Kreise wie ein rotierender Bohrer“ 27); eine intensive Wahrnehmung der Präsenz der eigenen Gedanken war möglicherweise kennzeichnend für den Menschen Kepessis.

25 Siehe oben, S. 32 – 36. 26 „Τα Τάγματα Ασφαλείας και οι άλλες ποικιλώνυμες οργανώσεις, που οπλίστηκαν από τους καταχτητές […] αποτελούν αναμφισβήτητα προδοτικές οργανώσεις. Και κανένα ευχολόγιο, κανένας νόμος, όπως π. χ. ο Α. Ν. 179/1969 της χούντας – που εξακολουθεί να τον αναγνωρίζει και να τον επικαλείται η Ν. Δ. – δεν μπορεί να τις μετατρέψει σε αντιστασιακές“, Kepessis, Δεκέμβρης 1944 (Dezember 1944), 1979, 37. 27 „Η έλλειψη ενός τοπογραφικού χάρτη της περιοχής μου ξανασφηνώθηκε στο μυαλό και με τριβέλιζε σαν περιστρεφόμενο τρυπάνι“, Kepessis, Δεκέμβρης 1944 (Dezember 1944), 1979, S. 348.

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Die interessanteste Frage bezieht sich natürlich auf Festnahmen von Bürgern in den letzten Dezembertagen 1944 und den ersten Januartagen 1945. Kepessis widmet ­diesem Thema ein ganzes Kapitel mit Titel „Geiselnahme – Verschleppung“,28 in dem es im Wesentlichen darum geht, dass der ELAS ­dieses Mittel von den Briten kopierte, dass er aber schnell einsah, dass diese Maßnahme ein (taktischer!) Fehler gewesen sei („ein zweischneidiges Messer“),29 dass die gegnerische Seite auf einseitiges Entgegenkommen durch den ELAS nicht reagierte und dass für viele Kämpfer des ELAS die Geiselnahme und Verschleppung erst 1965 ein Ende hatte, nur um von der Junta erneut verschleppt zu werden: „[Aus der Verschleppung durch die Briten] wurden sie von den griechischen Nach-­Dezember-­Regierungen in Empfang genommen und in Verhandlungen verurteilt.“ 30 Die Erzählperspektive ist homodiegetisch, von Hinrichtungen kein Wort.

28 „Ομηρία – Αιχμαλωσία“, Kepessis, Δεκέμβρης 1944 (Dezember 1944), 1979, S. 373 – 398. 29 „Δίκοπο μαχαίρι“, Kepessis, Δεκέμβρης 1944 (Dezember 1944), 1979, S. 374. 30 „Παραλήφθησαν από τις μεταδεκεμβριανές Κυβερνήσεις και δικάσθηκαν“, Kepessis, Δεκέμβρης 1944 (Dezember 1944), 1979, S. 398.

Athanasios Anastasiadis – Joachim Winkler

8. Der Roman Ορθοκωστά (1994; Orthokosta) von Thanassis Valtinos Der griechische Bürgerkrieg als kollektive traumatische Erfahrung Kollektives Trauma Der Begriff des psychischen Traumas beschreibt ursprünglich die seelischen Folgen von Gewalt an Individuen, doch wird er in den letzten Jahren immer häufiger auch auf Kollektive übertragen. Im öffentlichen Diskurs redet man von Gesellschaften, deren kollektive Traumata ihre jeweilige Rückwirkung auf sie haben. Psychologen, aber auch Historiker formulieren hingegen Skepsis gegenüber einer Konzeptionalisierung des Begriffs kollektives Trauma. Sie weisen darauf hin, dass damit so unterschiedliche histo­ rische Vorgänge wie der Holocaust, Diktaturen in Lateinamerika, Bürgerkriege etc. in einen gemeinsamen Beschreibungs- und Erklärungszusammenhang gebracht werden. Können historische Ereignisse derart tiefe Narben hinterlassen, dass eine ganze Nation, eine Gesellschaft oder eine Gruppe Symptome aufweist, die denjenigen traumatisierter Individuen gleichen? Nimmt man den Ausdruck kollektives Trauma wörtlich, dann unterstellt man, dass die für die individuelle Traumatisierung beschriebenen Prozesse in analoger Weise auf kollektiver Ebene stattfinden. Und wenn es eine kollektive Traumatisierung gibt, muss es auch so etwas wie kollektive Traumatherapierung geben. Offener Umgang mit der Vergangenheit, Gerichte, Wahrheitskommissionen usw. sind z. B. Möglichkeiten einer Traumatherapie auf gesellschaftlicher Ebene. Trauma ist immer an konkrete individuelle Existenz und Körperlichkeit gebunden, dennoch weisen traumatische Prozesse auch kollektive Dimensionen auf. Es gibt Gewaltereignisse, die langfristig tiefe Spuren im kollektiven Gedächtnis hinterlassen und dadurch die Erinnerung, die Identität und das Verhalten betroffener Kollektive beeinflussen. Zwischen den Diskursen über kollektive Traumata, kollektive Identität und kollektives Gedächtnis gibt es zahlreiche Berührungspunkte. Es existieren nur wenige theoretische Konzeptualisierungen für den Sachverhalt. Ein kollektives Trauma kann als Summe der Erfahrungen direkt traumatisierter Individuen gedacht werden oder als ein Phänomen, dessen ursächliches Ereignis nicht von allen Mitgliedern des Kollektivs direkt erlebt worden ist. Übergangen werden darf dabei nicht, dass ein solches kollektives Trauma im Gegensatz zum Individualtrauma nicht als relativ klar umrissener und relativ statischer Einzelsachverhalt, sondern stets als fluktuierende Gemengelage zu denken ist, als Amalgam aus den Traumaerfahrungen nicht

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nur zahlreicher Individuen, sondern auch verschiedener Subkollektive, die – unter wechselnder Dominanz – prägend aufeinander einwirken. Das heißt: Es handelt sich um einen überindividuell verselbstständigten, oft auch transgenerationalen mentalen Prozess, ständig beeinflusst (und beeinflussbar) vom gesellschaftlichen und historisch-­ politischen Wandel. Die Psychologin Angela Kühner diskutiert in einer umfassenden Studie die Frage, ob sich typische Trauma-­Phänomene auf kollektiver Ebene wiederfinden lassen. Sie fasst „kollektive Traumata“ als Ereignisse auf, „von denen sich im Nachhinein herausstellt, dass sie die Verarbeitungsmöglichkeiten des Kollektivs überfordert und bleibenden Schaden hinterlassen haben“, und bietet eine breite Definition: „Ein kollektives Trauma könnte als ein Ereignis definiert werden, das für die kollektive Identität als besonders relevant erlebt wird und im kollektiven Gedächtnis einen Sonderstatus einnimmt.“ 1 Mit besonderem Augenmerk auf die Anschläge vom 11. September 2001 und ihre Folgen und unter Betonung dieser Prozesshaftigkeit, in deren Kontext ein traumatisches Ereignis zum Bestandteil der kollektiven Identität einer Gruppe wird, differenziert Kühner ­zwischen kollektivem, kollektiv symbolvermitteltem und kollektiviertem Trauma, die jeweils verschiedene Aspekte des Phänomens akzentuieren. Kollektives Trauma (oder Massentrauma) als Oberbegriff stellt real erfahrene Traumatisierungen durch das g­ leiche Ereignis in den Vordergrund. Der Begriff kollektiviertes Trauma betont den Prozess, mit dem ein geteiltes traumatisches Ereignis zum Teil der kollektiven Identität einer Gruppe wird. Der Ausdruck kollektiv symbolvermitteltes Trauma dagegen rückt den Teil des Kollektivs in den Blick, der nicht an Traumasymptomen im engeren Sinne leidet, sondern durch seine Nähe zu und in partieller Identifikation mit den Opfern – „symbolvermittelt“ – schwer erschüttert ist.2 Der eben skizzierte Versuch, dem diffus-­volatilen, empirisch jedoch durchaus greifbaren Phänomen des kollektiven Traumas mit Hilfe einer ersten Kategorisierung theoretisch beizukommen, kann allerdings nur gelingen, wenn – wie eingangs bereits betont – konsequent im Fokus bleibt, dass Trauma immer ein das einzelne Individuum treffender und betreffender Sachverhalt ist und dies auch in den kommunikativen Prozessen seiner kollektiven Ausformung weitreichend bleibt. Denn trotz aller so entstehenden Standardisierung summiert sich das Kollektiv weiterhin aus Individuen. Die Zusammenhänge und Interdependenzen z­ wischen individuellem Trauma und Gesellschaft erweisen sich als sehr komplex. Die persönliche Bedeutung von traumatischen Erfahrungen hängt oft vom sozialen Kontext ab. Psychotraumatologen betonen die s­ oziale Dimension des Traumas bzw. den Umgang des Kollektivs mit traumatisierten Personen:

1 Kühner, Trauma und kollektives Gedächtnis, 2008, S. 88 f. 2 Vgl. Kühner, Kollektive Traumata, 2007, S. 14 f.

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Lehnt ein soziales Kollektiv es beispielsweise ab, die Verantwortung zu übernehmen für Gewalttaten oder sonstiges Unrecht gegen Außenstehende und Minoritäten, so untergräbt die verleugnete Schuld die psychische und moralische Substanz der Täter- oder Verursachergruppe oft über Generationen hinweg. Der „traumatische Prozess“ ist also nicht ein individueller, sondern stets auch ein sozialer Vorgang, worin die Täter-­Opfer-­Beziehung bzw. das s­ oziale Netzwerk der Betroffenen und letztlich das ­soziale Kollektiv eingebunden sind.3

Individuelle Traumatisierung und individuelles Trauma zu definieren, erschöpft sich aber natürlich nicht darin, sie als personale Geschehnisse und Sachverhalte dem Begriff k­ ollektives Trauma eindimensional gegenüberzustellen. Vielmehr implizieren sie d­ arüber hinaus eine konstitutive Singularität, die ebenfalls ständig mitgedacht werden muss: Die Intensität, mit der ein Individuum seine Traumatisierung erlebt, das Ausmaß ­dessen, was es ertragen kann, die Formen, in denen es sich traumatisch prägen lässt, und die Abstufungen, in deren Rahmen es sein Trauma kommunizieren oder nicht kommunizieren, bewältigen bzw. eben nicht bewältigen kann, sind so zahlreich wie die betroffenen Individuen selbst. Obendrein legen Menschen auch dann, wenn sie – ob kollektiv oder nicht – zulässig vergleichbaren, d. h. ähnlichen Trauma auslösenden Ereignissen ausgeliefert waren, ein ganz unterschiedliches posttraumatisches Verhalten an den Tag. Es reicht von erstaunlicher Unbeugsamkeit bis hin zu totaler Gebrochenheit, von innerer Erstarrung und (ggf. lebenslänglichem) Verstummen bis hin zu Prozessen aktiver Reflexion und Kommunikation. Diese können sich unter besonders günstigen Voraussetzungen zu echter, d. h. das Trauma ablösender Bewältigung entwickeln, die im Einzelfall sogar in den Tätern erwiesene Vergebung mündet. Die konstitutiv individuelle Einmaligkeit und Besonderheit traumatischer Erfahrung einerseits und die hochkomplexe Gemengelage andererseits, in die hinein sich traumatische Einzelerfahrung zum Kollektiv sozialisiert, bedürfen einer Form aufarbeitender Darstellung, zu der gerade die Mittel der Literatur wie prädestiniert erscheinen. Literatur verfügt hier über das rein Ästhetische und den allgemeinen Beitrag zum anthropologischen Diskurs hinaus über spezifische Möglichkeiten, zur Analyse traumarelevanter Fragenkomplexe Wesentliches an Aufhellung und Erkenntnisgewinn beizutragen. Die kollektive Dimension des griechischen Bürgerkriegs als traumatische Erfahrung arbeitete zuletzt – unter Rückgriff auf Jeffrey Alexanders Konzept vom kulturellen Trauma – Nikos Demertzis heraus: Als gesamtgesellschaftliches Ereignis kann der griechische Bürgerkrieg als kulturelles Trauma beschrieben werden. Denn er beinhaltet alle drei fundamentalen Bestandteile des in Rede stehenden Begriffs, nämlich Erinnerung, Emotion und Identität. Er hatte Einfluss auf die

3 Fischer-­Riedesser, Psychotraumatologie, 42009, S. 66.

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kollektive Erinnerung, auf das Bewusstsein von Gruppen und auf Organisationsprinzipien der griechischen Gesellschaft und bestimmte über Jahrzehnte ihre Richtung.4

Im Rahmen unseres Forschungsprojekts ging es darum, auf der Grundlage einer systematischen Einzelanalyse griechischer Bürgerkriegsnarrative, die die Traumatisierung von Individuen (und z. T. auch von Subkollektiven verschiedenen Typs) vermitteln, diesen Krieg auch als traumatische Erfahrung eines Kollektivs (bis hin zum nationalen Kollektiv) erfassbar zu machen. In diesen zahlreichen Texten wird manifest, in welchem Umfang Individuen von einem (potentiell) Trauma auslösenden Ereigniszusammenhang betroffen waren. Wie eben dargelegt, entwickeln nicht alle (Opfer bzw. auch Täter) Traumasymptome, doch ihre psychische Struktur (und zuweilen auch die ihrer Nachfahren) bleibt von diesen Grenzerfahrungen in der einen oder anderen Weise nachhaltig geprägt.

Der Bürgerkriegsroman Ορθοκωστά (Orthokosta) von Thanassis Valtinos als Narrativ eines kollektiven Traumas Der Roman Ορθοκωστά (Orthokosta), auf den wir im Folgenden näher eingehen, illustriert die enge Verzahnung von individuellem Leid mit kollektivgeschichtlichen Prozessen auf lokaler Ebene, die mit Tabuisierungen, Verschweigen, gegenseitigen Schuldzuweisungen, Scham und Angst einhergehen. Er gibt für die literarische Erfassung des Bürgerkriegs als kollektives Trauma ein in seiner Art einmaliges, besonders geeignetes Beispiel ab: Zum einen, weil er aufgrund seiner Struktur kollektive Identitätsstiftung vor dem Hintergrund traumatischer Erfahrungen repräsentativ verdeutlicht, zum anderen, weil die breite und anhaltend kontroverse Rezeption des Werks sowohl die Intensität der hier thematisierten kollektiven traumatischen Erfahrungen als auch die Intensität ihrer transgenerationalen Weitergabe insofern doppelt sichtbar werden lässt, als sich auch die Rezeption selbst als Teil des traumatischen Prozesses erweist. Beide – das Romanwerk wie seine kontroverse Rezeption – vermitteln sich als Phänomen, in dem

4 „Ως ολικό κοινωνικό γεγονός, ο ελληνικός Εμφύλιος Πόλεμος μπορεί να περιγαφεί ως πολιτισμικό τραύμα, δεδομένου ότι εμπλέκει και τα τρία θεμελιώδη συστατικά της εν λόγω έννοιας: μνήμη, συναίσθημα και ταυτότητα. Επηρέασε συλλογικές μνήμες, ομαδικές συνειδήσεις και τις οργανωτικές αρχές της ελληνικής κοινωνίας, επανακαθορίζοντας την κατεύθυνσή τους για δεκαετίες.“ Demertzis, O Εμφύλιος Πόλεμος (Der Bürgerkrieg), 2013, S. 67. Alexander seinerseits definiert kulturelles Trauma wie folgt: „Cultural trauma occurs when members of a collectivity feel they have been subjected to a horrendous event that leaves indelible marks upon their group consciousness, marking their memories forever and changing their future identity in fundamental and irrevocable ways.“ Alexander, Cultural Trauma, 2004, S. 23.

Der Bürgerkriegsroman Ορθοκωστά | 209

ein kollektiviertes, ein kollektiv symbolvermitteltes und ein kollektives Trauma zugleich ihren gewissermaßen literarischen Niederschlag gefunden haben. Thanassis Valtinos’ Roman erschien 1994 und zählt zu den am heftigsten diskutierten Werken der griechischen Nachkriegsliteratur. Die Publikation löste eine leidenschaftlich geführte, vor allem aufs Historisch-­Politisch-­Ideologische fixierte Debatte aus. Der Autor, aufgrund seiner Bürgerkriegsnovelle Η κάθοδος των εννιά (1963; Der Abstieg der neun)5 bis dahin der Linken zugeordnet, wurde nun von Teilen der Kritik als reaktionärer Revisionist und Apologet der Rechten stigmatisiert. Das literarisch innovativ als kunstvolles Chaos komponierte Werk präsentiert 47 dokumentarisch-­fiktionale Zeitzeugnisse häufig fragmentarischen Charakters von ­extrem unterschiedlicher Länge (zwei Zeilen bis 35 Seiten). Das Werk entspricht nicht den traditionellen Romankonventionen und Lesererwartungen. Durch eine postmoderne literarische Verfahrensweise, die zugleich archaisch wirkt, fordert Valtinos seine Leser auf, ein Konvolut wie authentisch präsentierter faktualer Dokumente nicht als Historiographie, sondern als fiktionale Literatur zu lesen. Da eine primäre auktoriale Erzählinstanz fehlt, ist der Leser aufgefordert, das Material selbst zu ordnen und eine kohärente Geschichte zu generieren. Diese Collagetechnik verleiht dem Text auf den ersten Blick eine erhöhte Authentizität, problematisiert aber zugleich vielschichtig das Verhältnis von Fiktionalität und Faktualität sowie den Anspruch auf bzw. das Streben nach faktisch-­historischer Wahrheit.6 Wir werden darauf noch eingehen. Zentrales Thema ist die sich bereits 1944 noch unter deutscher Besatzung vollziehende erste (und sogleich sehr brutale) Phase des Bürgerkriegs im weitverzweigten Regionalkosmos der östlichen Peloponnes, insbesondere Arkadiens. Sie ist geprägt von dem seit Gründung der Sicherheitsbataillone der Kollaborationsregierung (Mitte 1943) entschlossen expansiven Vorgehen des EAM (= Nationale Befreiungsfront) und dem dadurch ausgelösten starken, die weiteren Ereignisse polarisierenden Zulauf, den die Sicherheitsbataillone seitens der überwiegend nichtkommunistischen Bevölkerung der Region erleben.

5 Erste deutsche Übersetzung von Johannes Weissert, Der Marsch der Neun, Berlin: Literarisches Colloquium, 1976. 6 Kerstin Jentzsch-­Mancor ordnet in Kapitel 4 im vorliegenden Band den Roman der postmodernen historiographischen Metafiktion zu. Literaturwissenschaftliche Beiträge zum Roman: Politi, Tο βουβό πρόσωπο (Das stumme Gesicht), 1996; Charalambidou, O λόγος της ιστορίας (Der Diskurs der Geschichte), 1997, S. 249 – 77; Calotychos, Writing wrongs?, 2000, S.  151 – 65; Papailias, Genres of Recollection, 2004, S. 139 – 78; Skoupras: Η Δραστική Παρουσία (Die drastische Präsenz), 2010, S. 114 – 150; Paivanas, Βία και αφήγηση (Gewalt und Narration), 2012, S. 179 – 211; Chrysomalli–Henrich, Rede und Gegenrede, 2017; Moennig, Dokumentarischer Modus, 2017.

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Entsprechend häufig (aber durchaus nicht nur) wird aus deren Perspektive berichtet: In meist ausführlicher Form zu Wort kommen (teilweise mehrfach) sechs den Sicherheitsbataillonen beigetretene bzw. der Rechten zuneigende Männer (neun Kapitel) sowie (ebenfalls z. T. mehrfach) ihnen familiär nahestehende und deshalb von den Linken verfolgte, überwiegend weibliche Personen (je nach Zuordnungskriterien ca. acht Kapitel). 33 Kapitel sind Monologe in der ersten Person (fünf davon als Wir-­Berichte, einer als Dialogbericht), während 14 dialogische Kapitel in unterschiedlicher Weise den Charakter eines Erinnerungsinterviews aufweisen. Es ist nicht einfach, oft sogar unmöglich, den jeweiligen Sprecher zu identifizieren. Bei 28 Haupt- und drei Nebensprechern gelingt dies, 19 Hauptsprecher und 15 ihrer Gesprächspartner aber bleiben anonym – der Leser kann z. B. lediglich Vermutungen darüber anstellen, ob es sich um eine Frau oder um einen Mann handelt. Eine ganze Reihe von Berichten stammt von denselben Sprechern. Die einzelnen Zeugenaussagen sind elliptisch und weisen Anachronien auf. Anderer­ seits sind sie durch intratextuelle Bezüge eng miteinander verwoben. Die Erzähler beziehen sich manchmal auf Erfahrungen anderer oder berichten in einer Weise, die das von anderen Erzählte oder offen Gelassene ergänzt, bestätigt oder auch korrigiert. Der Leser sieht sich ständig aufgefordert, aus den Fragmenten ein kohärentes Narrativ zu rekonstruieren. Durch diese Art der Präsentation vermitteln sich über die sogleich wirksam werdende Vernetzung der Ereignis- und Erlebenszusammenhänge ebenso der kollektive, oft enigmatisch unscharf bleibende Charakter wie die Übertragbarkeit traumatischer Erfahrungen. In das polyphone Romangeschehen sind etwa 600, teils vollkommen fiktionale, teils realen Personen nachempfundene Figuren eingebunden, die dem labyrinthischen Text einen kollektiven Charakter verleihen. Anspielungen auf viel später Erfolgtes, insbesondere auf das im Sommer 1982 beschlossene Gesetz der PASOK -Regierung zur Anerkennung des linken Widerstands (das zugleich die 1969 von der Militärjunta verfügte Anerkennung der Sicherheitsbataillone als Widerstandskämpfer annullierte),7 signalisieren, dass die Zeugenberichte lange nach den geschilderten Ereignissen artikuliert wurden und somit im Kontext des Anfang der 1980er Jahre von der neuen Rechtslage aufgewühlten kollektiven Diskurses gelesen werden müssen.8 Der Grund für die ablehnenden Reaktionen vieler linker Kritiker lag darin, dass es sich – zumindest auf den ersten Blick – bei den meisten Erzählern des Romans um 7 Verordnung 179/1969 (siehe dazu oben, S. 40) und Gesetz 1285/1982 (siehe dazu oben, S. 43 – 4 4). 8 Zu dem Roman Ορθοκωστά (Orthokosta) siehe zudem im vorliegenden Band die Kapitel 1 von Ulrich Moennig und (9) von Joachim Winkler. Eine Analyse des Romans, die in das vorliegende Kapitel eingeflossen ist, mit detaillierten Angaben zum Inhalt bieten Anastasiadis; Winkler, Datenblatt Valtinos, Ορθοκωστά, 2013, und Winkler, Orthokosta-­Kompendium, 2013.

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Kollaborateure und ihr Umfeld, um einfache Leute, die von der linken Widerstand­ organisation EAM gewaltsam rekrutiert worden waren oder um unpolitische Z ­ ivilisten handelt, die in ihren Berichten die Grausamkeiten der Linken beschreiben. Darüber hinaus irritierte es besonders politisch linksstehende Leser, dass in einer Reihe von Erzählungen die Ursachen des Bürgerkriegs und seiner Radikalität nicht als allein politisch-­ideologisch motiviert erscheinen, sondern ihre Wurzeln auch in einer familiär wie kollektiv komplexen, sozialen und mentalen Vorgeschichte haben, die sich z. B. als Konflikte ­zwischen verfeindeten Familien, Sippen und Dörfern manifestiert. Sofern die Berichte nicht ohnehin dialogisch angelegt sind, erwecken sie stets den Eindruck, als beantworteten sie die Fragen einer Person, die sich ihnen interessiert zuwendet. Es wird also auch ein vager, textinterner Adressat der Zeugenaussagen installiert, der als empathischer Zuhörer fungiert. Psychoanalytiker wie Dori Laub oder Werner Bohleber machten wiederholt darauf aufmerksam, dass es eines empathischen Zuhörers bedarf, damit Fragmente traumatischer Erinnerung zu einem stringenten Narrativ zusammenwachsen, welches die erzählte Geschichte zum Zeugnis werden lässt und das traumatische Erleben ein Stück weit reexternalisiert. Dori Laub schreibt: „Testimonies are not monologues; they cannot take place in solitude. The witnesses are talking to somebody: to somebody they have been waiting for a long time.”9 Bei der Lektüre von Valtinos’ Roman gewinnt man den Eindruck, dass einige Erzähler sehr lange auf einen aufmerksamen Zuhörer gewartet haben, dem sie von ihrem Leid berichten können. Im Folgenden wollen wir uns mit den spezifischen Charakteristika dieser Traumaberichte im Einzelnen beschäftigen.

Traumatisierte Figuren im Roman Ορθοκωστά (Orthokosta) Dass es im Roman eine ganze Reihe retrospektiv-­ätiologischer Supplement-­Berichte gibt, die Einsicht in teils offen-, teils weniger offenliegende Gründe für die traumatisierende Exzessivität des Bürgerkriegs vermitteln, ist bereits gesagt worden. Das eigentliche, zentrale Kraftfeld des Romans bilden aber natürlich die Traumaberichte selbst. Die gleichförmig referierende Fülle dieser Texte lässt leicht aus dem Blick geraten, in welchem Ausmaß potentiell Trauma auslösende Ereignisse und Situationen ausgebreitet werden. Dazu trägt auch die charakteristisch lapidare, scheinbar emotionslose Ausdrucksweise der vielen Sprecherinnen und Sprecher dörflich-­einfacher Herkunft bei, die sich – von Valtinos absolut veristisch-­unliterarisch weitergegeben – auf das rein Physisch-­Faktische reduzieren, kaum aber Psychisches, geschweige denn das (auch in anderen sozialen Zusammenhängen) kaum Sagbare direkt zu artikulieren vermögen.

9 Felman, Shoshana; Laub, Dori, Testimony: Crises of Witnessing, 1992, S. 70 f.

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Dass sich hinter dieser Sprache eine starke Emotionalität, der viel aufgebürdet worden ist, sozusagen verschanzt hält, erschließt sich dem Leser nur allmählich. Der noch am leichtesten wahrnehmbare Indikator für die starke innere Bewegung der Sprecher ist das oft Assoziativ-­Sprunghafte ihres Erzählens. So wird Trauma im Roman Ορθοκωστά (Orthokosta) zunächst einmal als schlichter, von selbstreferentieller Reflexion freier Bericht manifest. Das reexternalisierte Trauma spricht für sich. Dennoch lassen sich in den Texten Indizien und Spuren ermitteln, die erkennbar machen, wie die Zeugen konkreteren Einblick auch in die psychische und psychosoziale Dimension der von ihnen erlebten bzw. geschilderten traumatischen Erlebnisse geben. Wir stellen im Folgenden eine Reihe von Beispielen zusammen. Kapitel 5: Die Sprecherin ist sich ausdrücklich darüber im Klaren, dass die U ­ rsache für die extrem brutalen Repressionsmaßnahmen der Linken aus dem Nachbardorf gegen die männlichen Einwohner ihres eigenen Dorfs im traditionellen Hass z­ wischen den beiden Dörfern liegt. Sie selbst gerät wegen eines Fehlers beim Nähen von Uniformmützen für die Linken in Lebensgefahr und muss sich verstecken. Später sagt sie: „Es gab viel Hass z­ wischen den Dörfern. Und weißt du, was ich denke? … gut, man hat Differenzen untereinander, unterschiedliche Interessen, aber muss das so weit gehen, Menschenskind? So weit?“ 10 Kapitel 6: Der rechtsorientierte Widerstandskämpfer Savvas Papavassiliou ergibt sich aus Angst vor zwei Linksrebellen, in deren Abhängigkeit er geraten war, den Deutschen. Wieder frei, bezichtigen ihn die Linken des Verrats, vereinnahmen ihn aber gleichzeitig, was wiederum zu seiner Festnahme durch die Sicherheitsbataillone führt. Mit 25 weiteren Verhafteten (darunter auch Frauen) soll er als Rache für 26 in einem Hinterhalt umgekommene Rechte exekutiert werden. Nur durch glückliche Umstände davor bewahrt, kommentiert er bitter das Verhalten der Rechten, zu denen er ja eigentlich selbst gehörte: „Sie hatten versprochen, niemandem ein Haar zu krümmen, und dann brachten sie immer wieder Leute um.“ 11 Kapitel 11: Zusammen mit anderen Frauen birgt und bestattet die Sprecherin ­Christina Mavrou heimlich einen Exekutierten, den die Linken unter Drohungen drei Tage unbestattet zu lassen befohlen hatten. Der Vorfall traumatisiert Christina derart, dass sie sich an einer weiteren Bergung und Bestattung am selben Tag nicht mehr beteiligen kann: „Ich hielt’s nicht [noch mal] aus.“ 12 10 „Πολύ μίσος τα δυο χωριά. Και ξέρεις τι σκέφτομαι; Καλά να ‘χεις διαφορές, να ‘χεις νιτερέσια, αλλά μέχρι εκεί, ρε παιδί μου; Μέχρι εκεί;“ Valtinos, Ορθοκωστά (Orthokosta), S. 46. Die Übersetzungen der Textbeispiele aus dem Roman stammen von Athanasios Anastasiadis und Joachim Winkler. 11 „Υποσχεθήκανε να μην πειράξουν κανέναν και σκότωναν τον κόσμο μετά.“ Valtinos, Ορθοκωστά (Orthokosta), S. 54. 12 „Εγώ δεν άντεχα.“ Valtinos, Ορθοκωστά (Orthokosta), S. 88.

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An einem weiteren, auf drei Kapitel verteilten Ereigniszusammenhang des Romans lassen sich besonders eindrücklich Methoden der narrativen Repräsentation kollektiver traumatischer Erfahrungen aufzeigen. Es handelt sich dabei um die Kapitel 15, 36 und 40. Ich-­Erzähler der Kapitel 15 und 36 ist ein gewisser Lukas Douenis: Der Bericht in Kap. 15 ist zeitlich irgendwann im Jahr 1946 situiert und behandelt nur wenige Stunden; Kap. 36 bezieht sich auf die Verfolgung des Erzählers durch linke Partisanen von Juni 1944 bis April 1945; Kap. 40 ist eine Momentaufnahme aus den 1980er Jahren: Eine anonyme Person berichtet von der Begegnung mit einer Frau, die in die Abenteuer von Lukas in den 1940er Jahren involviert war. Kapitel 15: In dem lediglich zwei Seiten umfassenden Text berichtet der selbst rechts orientierte Lukas von einer Gruppe Rechter, die 1946 (Zeit des rechten Nachkriegs­ terrors gegen Linke), einen gewissen Panagiotis Laganas jagen, um Rache für seine 1944 verübten Taten als Nicht-­Linker, aber von den Linken Zwangsrekrutierter zu nehmen. Lukas hält das für unzulässig. Da der Gesuchte Schwager seines Bruders Tasos ist, kann er sich einschalten. Die Brüder bewaffnen sich und begleiten die zehn Rechten zum Haus des Gesuchten, der sich dort versteckt hat, aber nicht gefunden wird, weil Lukas und Tasos die Rechten dazu bringen können, das Haus zu verlassen: Maria machte auf. Sie wollten in der Truhe suchen. Ich sag ihnen: „Hey, was macht ihr da? Zieht Leine, damit es hier keine Toten gibt!“ Und sie machten sich davon. Mitsos Fotias mit Vasilis Kolias. Der war damals noch ein Kind, jetzt lebt er nicht mehr.13

Die zeitliche Distanz ­zwischen Erzählgegenwart und erzählten Ereignissen wird im griechischen Text durch das Wort μακαρίτης, Verstorbener, signalisiert: Vasilis Kolias, der mittlerweile nicht mehr lebt, war damals noch ein Jugendlicher. Ob sich der Gesuchte in der Truhe versteckt hielt oder nicht, bleibt offen. Der Leser erfährt nicht, wo sich Panagiotis Laganas tatsächlich aufhielt und was aus ihm geworden ist. Gegen Ende des Berichts schaltet sich eine weitere Person ein (vermutlich die Ehefrau des Erzählers) und warnt Lukas davor, mit seiner Narration Tabus zu verletzen: „Bring sowas nicht zur Sprache, Lukas. Damit nicht noch mal alles aufgewühlt wird!“ „Ja, ist ja gut. Aber das sind die Fakten.“ „Es ist so gewesen, aber warum soll man das gerade von dir hören?“ „Ja, dafür es gibt keinen Grund. Ich sag nichts mehr.“ 14

13 „Άνοιξε η Μαρία. Εκείνοι ήθελαν να ψάξουν στο μπαούλο. Τους λέω τι κάνετε εδώ ρε; Πάρτε δρόμο για να μη σκοτωθούμε εδώ μέσα. Και σηκώθηκαν, έφυγαν. Ο Μήτσος ο Φωτιάς με τον Βασίλη τον Κόλια. Παιδάκι ακόμα εκείνος ο μακαρίτης.“ Valtinos, Ορθοκωστά (Orthokosta), S. 112 f. 14 „– Μην ονομάζεις τέτοια πράγματα Λουκά. Να μη γίνει κανένα ανακάτεμα πάλι. – Ναι, καλά. Είναι η πραγματικότητα αυτή. – Είναι η πραγματικότητα αλλά γιατί να ακουστεί από σένα. – Ναι, δεν υπάρχει λόγος. Δεν μιλάω.“ Valtinos, Ορθοκωστά (Orthokosta), S. 114.

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Kapitel 36: Der aufmerksame Leser d ­ ieses neunseitigen Texts stellt fest, dass erneut Lukas erzählt, und zwar von Ereignissen, die zeitlich vor denen in Kapitel 15 (130 ­Seiten zuvor) situiert sind. Gleich zu Beginn macht er deutlich, dass er sich über das Tabu hinwegsetzen will. Das Kapitel beginnt in Dialogform (es interveniert offenbar erneut seine Frau), dazu ist eine dritte Person (als empathischer Zuhörer) anwesend: „Die Einwohner von Karatoula haben sich 1944 den Bataillonen angeschlossen. Dann kam es im selben Jahr zu den Dezemberereignissen. Deshalb haben wir Weihnachten nicht hier verbracht.“ „Sag keine Sachen, die du nicht sagen solltest.“ „Nein, hör auf damit! 1944 haben die Deutschen angegriffen. Im Juni.“ 15

Lukas’ Bericht handelt von seiner Verfolgung durch linke Partisanen und von lebensbedrohlichen Situationen, in die er ­zwischen Juni 1944 und Ostern 1945 als Mitglied der Sicherheitsbataillone geraten war. Er zählt die Namen von über sechzig Personen auf (viele von ihnen zum Zeitpunkt des Erzählens bereits verstorben), die in irgendeiner Weise in seine Abenteuer involviert waren, und erwähnt etwa zwei Dutzend Orte, an denen sich die Ereignisse abgespielt haben. Dies inventarisierende Erzählen und exzessive Aneinanderreihen von Namen und Orten, das auch für viele weitere Zeugenaus­ sagen charakteristisch ist, verweist auf den inneren Druck, unter dem der Sprecher noch immer steht und verleiht dem Text die Atmosphäre eines kollektiven Totengedenkens. Der Ich-­Erzähler berichtet, dass er im September 1944 zum Todeskandidaten wurde: Eine linke Partisanengruppe führt ihn zur Exekution, doch im letzten Moment interveniert ein Partisanenführer und bewahrt ihn vor dem sicheren Tod. Obwohl sich der Erzähler an unzählige Personen- und Ortsnamen erinnern kann, hat er ausgerechnet den Namen seines Lebensretters vergessen. Weiter auf der Flucht, wird er von einer gewissen Sofia versteckt und dadurch gerettet: Ich komme in Kefalari an. Treffe Sofia, die dorthin verheiratet ist. Die Schwester von Vangelio. Sofia Kefala, so heißt sie jetzt nach ihrem Mann. Die Frau sagt mir, „bleib in unserem Haus.“ Sie hatten die Mühle, in Nero. Ich war auf der Hut. Eines Mittags kommt ihr Sohn von dort angelaufen. „Partisanen“, sagt er mir, „aus Kastri.“ Es waren Giorgos Kintos und Vangelis Fotias. Sie waren auf der Jagd. Suchten Antonakos. So ein Hass! Ich geh zu Sofia, sie steckt mich in eine Truhe. Sie kamen, guckten alles an, niemand zu sehen. Sie gingen wieder weg, ich aus der Truhe raus. Wär ich noch etwas länger dringeblieben, ich wäre draufgegangen. Haue aus Kefalari ab.16 15 „Οι Καρατουλιάνοι πήγαν στα Τάγματα το ’44. Τα Δεκεμβριανά έγιναν τον ίδιο χρόνο. Γιατί δεν κάναμε Χριστούγεννα εδώ. – Μην πεις πράματα που δεν πρέπει. – Όχι, σταμάτα. Το ’44 έκαναν επιδρομή οι Γερμανοί. Τον Ιούνιο.“ Valtinos, Ορθοκωστά (Orthokosta), S. 248. 16 „Φτάνω στο Κεφαλάρι. Βρίσκω τη Σοφία παντρεμένη εκεί. Αδερφή της Βαγγελιώς. Σοφία Κεφάλα, του αντρός της. Μου λέει, να μείνεις σπίτι μας, η γυναίκα. Είχαν το μύλο, στο Νερό. Εγώ φυλαγόμουν.

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Die Truhe ist in d­ iesem Kontext einerseits mit Lebensrettung, andererseits mit Lebensgefahr konnotiert – noch einige Minuten länger, und der Held wäre gestorben. Kapitel 40: Der gesamte Text umfasst gerade einmal fünf Zeilen. Der Erzähler ist anonym, der Leser kann rekonstruieren, dass die Erzählung in den 1980er Jahren erfolgt. Erneut spielt die Truhe aus Kapitel 36 eine zentrale Rolle: Sofia hab ich im Sommer gesehn. Sie war zur Hochzeit ihres Neffen gekommen. Sie kam aus Kefalari, alleine. Ich sag ihr, erinnerst du dich, erinnerst du dich, wie du Lukas in der Truhe versteckt hast? Da brach sie in Tränen aus. Die Arme, nun ist sie eine alte Frau, ganz geschrumpft.17

Diese kurze, anonyme Erzählung verweist darauf, wie Sofia als junge, tatkräftig-­ hilfsbereite ­Mutter Lukas das Leben rettete. In Kapitel 40 erfährt der Leser beiläufig, dass sie gealtert ist und die traumatische Vergangenheit offensichtlich noch nicht verarbeitet hat. Die Truhe wirkt wie ein Schlüsselreiz und löst die Erinnerung an das trauma­ tische Geschehen aus, ihre Tränen befreien sie zu der Möglichkeit, den Schrecken von damals zu reflektieren und bewusst zu bewältigen. Indem in allen drei hier beleuchteten, ineinander verschränkten Texten Truhen eine zentrale Funktion haben – das eine Mal schützt Lukas einen Truheninsassen, das andere Mal wird er selbst zu einem – wird das Wort „Truhe“ zum motivischen Signal für Traumatisches. Die Verdrängung, das Beschweigen und Tabuisieren traumabelasteter Erlebnisse, Erinnerungen und Gesprächsthemen spielen in den drei Texten eine große Rolle. Es kann nicht verwundern, dass in einem solchen Roman Angst- und Verdrängungsschweigen (tatsächlich eingehalten oder als Vorsatz) auch in anderen Kapiteln begegnet und symptomatisch zur Sprache kommt. Dazu vier Beispiele: Kapitel 17: Sprecherin ist die im Roman oft präsente Klaria Makris. Es geht um Aneignung versteckter fremder Habe: „Sie nahmen alles mit. Ich will keine Namen nennen, wer das alles war […]. Ich sagte, dass ich keine Namen nennen will. Aber wie soll ich keine Namen nennen.“ 18

Έρχεται ένα μεσημέρι ο γιος της τρέχοντας από κει. Αντάρτες, μου λέει, Καστρίτες. Ήσαν ο Γιώργης ο Κίντος και ο Βαγγέλης ο Φωτιάς. Είχαν βγει παγανιά. Έψαχναν για τον Αντωνάκο. Τέτοιο μίσος. Πάω στη Σοφία, με χώνει σ’ ένα μπαούλο. Ήρθαν αυτοί, είδαν τα πράματα, δεν είδαν κανέναν. Έφυγαν, βγαίνω απ’το μπαούλο. Λίγο ακόμα να ’μενα κει μέσα θα ’σκαγα. Φεύγω από το Κεφαλάρι.“ Valtinos, Ορθοκωστά (Orthokosta), S. 251. 17 „Τη Σοφία την είδα το καλοκαίρι. Ήρθε στον γάμο του ανιψιού της. Ήρθε από το Κεφαλάρι, μοναχή της. Της λέω, τα θυμάσαι, θυμάσαι που έκρυψες τον Λουκά στο μπαούλο. Και την πήραν τα κλάματα. Η κακομοίρα, γριούλα πια, μάζεψε.“ Valtinos, Ορθοκωστά (Orthokosta), S. 275. 18 „Τα σήκωσαν όλα. Δεν θέλω να λέω ονόματα, όσοι τέλος πάντων […]. Είπα να μη λέω ονόματα. Αλλά πώς να μη λέω ονόματα.“ Valtinos, Ορθοκωστά (Orthokosta), S. 126 f.

216 | Der Roman Ορθοκωστά

Kapitel 20: Der turbulent-­dramatische Bericht kommt wieder aus Klaria Makris’ Munde: Als Sanktion dafür, dass sich die nichtkommunistischen Männer ihres Dorfes nicht an die Linken ausliefern, sondern geflohen sind, nachdem sie zuvor ihre Angehörigen auf eisernes Schweigen über ihren Aufenthalt verpflichtet haben, brennen die Linken ihre zuvor ausgeplünderten Häuser nieder, während Angehörige der Linken sich das Plünderungsgut aneignen. Klaria am Schluss ihres Berichts: „Aber wozu sollen wir jetzt die Namen nennen?“ 19 Kapitel 22: Der Sprecher, seinerzeit 13-jährig, wird gefragt, ob unter den Brandstiftern, die damals sein Heimatdorf niederbrannten, ein Einheimischer gewesen sei. Ausweichend antwortet er, es habe sich um ein siebenköpfiges Komitee gehandelt, und fügt hinzu: „Die Maßgeblichste, die Schlimmste – aber ich hüte mich!“ 20 Erst auf weiteres Drängen gibt er den Namen der mitbeteiligten Brandstifterin preis. Kapitel 33: Der Rechte Kostas Dranias (seinerzeit Mitglied der Sicherheitsbataillone), intelligent und zu selbstkritischer Reflektion fähig, sinniert darüber nach, ­welchen Einfluss ganz persönliche Hintergründe auf den schlimmen Gang der Dinge haben konnten, wie sehr alle Bewohner der Region nachbarschaftlich, beruflich und emotional miteinander vernetzt waren (und sind), wie unscharf und unsinnig die Trennlinien ­zwischen den politischen und militärischen Zugehörigkeiten verliefen. „Diese dämonischen Zusammenhänge waren es, die damals oft herrschten. Ich will damit betonen, womit man sich herumzuschlagen hatte. Aber darüber darf man ja nicht reden.“ 21

Der Entstehungsprozess von kollektivem Trauma und die Wahrheitsfrage Es war bereits davon die Rede, dass die Polyphonie des Romans die Frage nach der „historischen Wahrheit“ und nach dem tatsächlichen Verlauf der damaligen Ereignisse zu einem grundsätzlichen Thema des Romans erhebt. Dabei ist es aber nicht allein das sich teils widersprechende, teils ergänzende, teils einander korrigierende Wechselspiel der Berichte, das die Frage etabliert, denn schon zahlreiche Einzelnarrationen stützen sich nicht auf Selbsterlebtes, sondern aufs Hörensagen.22 Das reicht vom sekundären Detail bis hin zu über Jahrzehnte hin umstrittenen Unklarheiten. Dafür zunächst jeweils ein Beispiel: 19 „Αλλά τι να τα λέμε τώρα τα ονόματα.“ Valtinos, Ορθοκωστά (Orthokosta), S. 156. 20 „Η μεγαλύτερη, η βαρύτερη – επιφυλάσσομαι!“ Valtinos, Ορθοκωστά (Orthokosta), S. 160. 21 „Ήσαν αυτές οι δαιμονικές καταστάσεις που κυριαρχούσαν συχνά. Θέλω να τονίσω με τι είχε να παλέψει κανείς. Αλλά αυτό δεν πρέπει να λέγεται.“ Valtinos, Ορθοκωστά (Orthokosta), S. 234. 22 Paradebeispiel: Die Abläufe und Hintergründe im Zusammenhang mit der Ermordung von Markos Ioannitzis.

Der Entstehungsprozess von kollektivem Trauma und die Wahrheitsfrage | 217

Kapitel 27: „Die Pinelopi Kaloutsi haben sie so festgenommen: Pikinos nahm sie fest. Ich bin mir nicht ganz sicher, Georgia weiss das vielleicht besser.“ 23 Kapitel 17: Zu der immer wieder apostrophierten Kernfrage, die ein zentrales, Trauma auslösendes Ereignis für das Kollektiv betrifft, nämlich wer genau Kastri, einen der zen­ tralen Orte des Romangeschehens, niedergebrannt hat, sagt eine damalige Augenzeugin (Klaria Makris) in den 1980er Jahren: Und vorvoriges Jahr war ich in Barbagiannis’ Laden […] Da kam Spyros Galaxydis an, […] er sagt zu mir: „Wer das Feuer gelegt hat, weißt du das?“ „Nein“, sag ich zu ihm, „weiß ich nicht.“ Daraufhin er: „Gestern hab ich Spyropoulos getroffen, der hier Bezirksleiter war. Und der hat mir gesagt: ‚Sag den Leuten in Kastri, dass ich euer Dorf nicht angesteckt habe. […] Euer Dorf haben Giannis Velisaris und Charoulis Lengeris niedergebrannt.‘“ 24

Die Erzähler erinnern sich an zahlreiche von der jeweiligen Gegenseite, aber auch von den eigenen Leuten verübte Grausamkeiten und Gewalttaten, über die sie nicht durchweg autodiegetisch, sondern öfters auch aus zweiter Hand berichten. Sie sind keine Augenzeugen, sondern verfügen lediglich über Informationen aus zweiter Hand. Beispiele: Kapitel 8: Die Linken müssen das zu einem Konzentrationslager umfunktionierte Kloster Orthokosta evakuieren. Eine vermutlich weibliche Person erzählt vom letztlich glücklich ausgehenden Todesmarsch der Gefangenen. Sie berichteten, dass man sie von Orthokosta wegbrachte. Ich weiß nicht. Besser gesagt: Ich weiß nicht, wohin sie sie brachten. Viele, sehr viele Gefangene […]. Vielleicht 150, vielleicht auch 200, vielleicht noch mehr […]. Die Mädchen von Makris sagen mir, dass auch ihr Nikolas darunter war.25

Und über eine Zeugin der Liquidation eines Gefangenen, der durch seine Invalidität den Marsch aufhielt: „Wenn sie nicht mehr am Leben ist, ihre Kinder werden es ­wissen […] sie wird ihnen das erzählt haben. Mir hat sie es selbst bezeugt.“ 26

23 „Την Πηνελόπη την Καλούτση έτσι την πιάσανε. Την έπιασε ο Πικινός. Δεν έχω πεποίθηση, η Γιωργία μπορεί να ξέρει καλύτερα.“ Valtinos, Ορθοκωστά (Orthokosta), S. 190. 24 „Και πρόπερσι μπήκα στο μαγαζί του Μπαρμπαγιάννη […]. Ήρθε ο Σπύρος ο Γαλαξύδης, μου λέει, ποιος την άναψε τη φωτιά ξέρεις; Όχι, του λέω, δεν ξέρω. Και λέει αυτός, συνάντησα χτές τον Σπυρόπουλο, που ήταν τομεάρχης εδώ. Και μου είπε, πες στους Καστρίτες δεν το έκαψα εγώ το χωριό σας.“ Valtinos, Ορθοκωστά (Orthokosta), S. 126 f. 25 „Είπαν ότι τους φέρνανε από την Ορθοκωστά. Δεν ξέρω. Ή μάλλον δεν ξέρω που τους πηγαίνανε. Πολλοί, πάρα πολλοί κρατούμενοι […] ίσως και εκατόν πενήντα, ίσως και διακόσιοι. Ίσως και παραπάνω.“ Valtinos, Ορθοκωστά (Orthokosta), S. 71. 26 „Αν δεν ζει πια, θα τα ξέρουν τα παιδιά της αυτά […] θα τους τα ’χει πει. Εμένα μου το μολόγησε η ίδια.“ Valtinos, Ορθοκωστά (Orthokosta), S. 72.

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Kapitel 16: „Sie führten zwei weitere Dreiergruppen zum Flussbett. Und fingen an, sie umzubringen […]. Das passierte bei dieser Schlucht da, und das hat uns Kalambakas zwei, drei Jahre später erzählt.“ 27 Kapitel 19: In Bezug auf die Exekution eines gewissen Giannis Vasilimis erklärt der Erzähler: „Diesen prächtigen Jungen haben seine eigenen Brüder ins Lager abgeführt. Und die haben ihn später auch exekutiert. Aber das ist mir nur zu Ohren gekommen.“ 28 Informationsdefizite und mangelnder Überblick der Erzähler in den Phasen originären Erlebens, dazu fehlerhafte, desinformierte bzw. selektiv zurechtgeglaubte Erinnerung, schließlich die Auswirkungen traumatischer Hintergründe und eine subtile, gegenwartsbezogene Modifikation der Gedächtnisinhalte (Berichtszeitpunkt 1980er Jahre) bewirken, dass die „Wahrheit“ nicht rekonstruiert und in kohärente Narration integriert werden kann: Es bleibt etwas, das sich der Enthüllung der vollständigen Wahrheit entzieht.29 Als Endresultat formiert sich dadurch ein kollektives Erinnerungs­ narrativ, das einerseits zwar konstitutiv undeutliche Sachverhalte, andererseits aber umso deutlicher – gerade seiner Strittigkeit wegen – kollektives Trauma transportiert. Mit seinen für den Roman Ορθοκωστά (Orthokosta) entwickelten Methoden literarischer Präsentation gelingt es Valtinos, als direkt nachvollziehbaren Prozess zu vermitteln, wie sich auf der Erlebens- und Kommunikationsebene der originären Kollektive (Familien, Bekannte, Dorf- und lokale Gesinnungsgemeinschaften, Häftlingsgruppen usw.) von Anfang an nicht vollständig zuverlässige, mikrohistorische und traumatische Narrative etablieren, die sich von dort aus auf der Ebene des ähnlich involvierten Regionalkollektivs weiter vernetzen und schließlich – im Widerstreit ständig modifizierenden Wandels – auf nationaler Ebene in eine Art generelle Kollektivierung eingehen, die einerseits von Neuem dualistisch polarisierende Verkürzung kennzeichnet, andererseits aber auch Voraussetzungen zu bewältigender Reflexion bereitstellt.30 Auf allen drei Ebenen entwickelt sich dazu parallel eine transgenerationale Komponente 27 „Κατέβασαν άλλες δυο τριάδες στο ρέμα. Και άρχισαν να τους σκοτώνουν […] Αυτά έγιναν σε κείνη τη χαράδρα και μας τα διηγήθηκε ο Καλαμπάκας δυο τρία χρόνια μετά.“ Valtinos, Ορθοκωστά (Orthokosta), S. 118 f. 28 „Αυτό το λαμπρό παιδί το οδήγησαν στο στρατόπεδο τα αδέρφια του. Τα οποία και τον εξετέλεσαν αργότερα. Αλλά τούτο το έχω ακουστά μόνο.“ Valtinos, Ορθοκωστά (Orthokosta), S. 133. 29 In einem seiner auf den gesamten Roman abfärbenden Kapitel, die in der Zeit vor dem Bürgerkrieg während der Besatzungszeit spielen und vom eigentlichen Thema wegzuführen scheinen, exemplifiziert Valtinos die typischen Indikatoren, die in unzuverlässigen autodiegetischen Berichten „Wahrheit“ manipulativ verschleiern wollen. Es handelt sich um das Kap. 28, in dem der Mühlenbesitzersohn Konstantinos Kekeris mit viel Aufwand an Scharfsinn und unter Beibringung zahlloser „präziser“ Details darüber hinwegtäuschen will, dass Anlass zu dem Verdacht besteht, Frucht einer außerehelichen Beziehung seiner ­Mutter zu sein. 30 Zur dualistischen Verkürzung und Einebnung als Endresultat des Kollektivierungsprozesses s. Papailia, Δίνοντας φωνή (Raum für die Stimme), 2007, S. 15. Der Trend zu dualistischer

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mit ihren spezifischen Charakteristika und Potentialen – auf den beiden ersten Ebenen natürlich am intensivsten und auf allen dreien je länger, desto mehr. Am Beispiel Ορθοκωστά (Orthokosta) tritt exemplarisch zutage, welch fundamentalen Beitrag Literatur dazu leisten kann, nicht nur die phasenreichen Mechanismen dessen zu veranschaulichen, was Angela Kühner unter ihrem prozessiven Begriff kollektives Trauma subsumiert (s. o.), sondern auch erkennbar zu machen, wie aus konstitutiv ambivalenten Wahrheiten eine anthropologisch und historisch tragfähigere und vor allem weiterführende Wahrheit hervorgehen kann. Valtinos konstruiert ein Gesamtnarrativ, das die Hoffnung dekonstruiert, es könne möglich sein, absolut unstrittige historische Wahrheit zu ermitteln und zu vertreten. Damit macht er den Weg frei, sich von einer fruchtlosen Fixierung aufs historische Detail zu lösen und den Blick auf das Eigentliche, die menschliche Kollektivkatastrophe und das daraus hervorgegangene Trauma zu lenken.31 Der Frage, in welchem Ausmaß es der Rezeption des Romans gelungen ist, zu dieser von Valtinos eindeutig intendierten Perspektive vorzustoßen, geht der folgende Abschnitt nach.

Die Rezeption des Romans Ορθοκωστά (Orthokosta) Wie bereits erwähnt, löste Ορθοκωστά (Orthokosta) eine politisch-­ideologische, histo­ rische und ästhetische Debatte von ungewöhnlicher Breite und Intensität aus, die sich bis in die jüngste Zeit fortgesetzt hat, ohne zu einer durchgehend ausgewogenen Wahrnehmung und Würdigung des Romans (insbesondere auch als innovative literarische Leistung) zu finden. Diese Debatte wird im anschließenden Kapitel ­dieses ­Bandes noch einmal ausführlich Gegenstand der Analyse sein.32 Der Verlauf, das Ausmaß und der Inhalt des Rezeptionsprozesses sind deutliche Indikatoren für die kollektive und transgenerationale Dimension des Bürgerkriegs als traumatische Erfahrung. Insofern bildet die Rezeption des Romans gewissermaßen ein weiteres Narrativ aus, eine Einebnung wird in ­diesem Zusammenhang häufig als typische Eigenheit griechischer Mentalität generalisiert, vgl. z. B. Paivanas, Cold Wars, 2010, S. 21 ff. 31 „Eine gründliche Auseinandersetzung mit den kleinen Handlungen in Ορθοκωστά (Orthokosta) erweist, dass jede Narration Aspekte aufdecken kann, die die Bewertung von Ereignissen und Personen zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedlich ausfallen lassen […]. Das zeigt, die Geschehnisse des Bürgerkriegs konnten noch nicht so ausreichend aufgehellt werden, dass sich historiographische Gewissheiten ergeben hätten.“ („Η διερεύνηση των μικροπλοκών στο Ορθοκωστά δείχνει ότι η κάθε αφήγηση μπορεί να αποκαλύψει πτυχές που τροποποιούν την αποτίμηση γεγονότων και προσώπων σε διαφορετικές χρονικές στιγμές […] αυτό δείχνει ότι τα πεπραγμένα του Εμφυλίου δεν έχουν επαρκώς διερευνηθεί ώστε να προκύψουν ιστοριογραφικές βεβαιότητες.“) Paivanas, Βία και αφήγηση (Gewalt und Narration), 2012, S. 200. 3 2 Siehe dazu detaillierter S. 272 – 275.

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Bürgerkriegserzählung, in der sich latente und unverarbeitete kollektive traumatische Konflikte manifestieren und Gewaltereignisse re-­semantisiert werden. Der Roman von Thanassis Valtinos präsentiert sich hier als besonders geeignetes Beispiel, die Manifestation eines kollektiven Traumas an der Art und Intensität festzumachen, mit der ein literarisches Werk öffentlich diskutiert wird. Zugleich wird dabei der Effekt sichtbar, den neue Auslöser auf den Verlauf eines Verarbeitungsprozesses haben. Die Linke fand nach langen Jahren der Verfolgung und Demütigung in der Zeit der Metapolitefsi, insbesondere nach der 1982 erfolgten offiziellen Anerkennung des ­linken Widerstands, im griechischen Staat so etwas wie einen ‚kollektiven empathischen Zuhörer‘ für das von ihr Erlittene. Wie die in den 1980er und 1990er Jahren in großer Zahl erschienenen Selbstzeugnisse belegen, war es linken Ex-­Partisanen nun möglich, ihre traumatischen Erfahrungen zu narrativieren. Auf diese Weise erlangte die Linke allmählich die erinnerungskulturelle Deutungshoheit über die Ereignisse der 1940er Jahre – was der Historiker Giorgos Mavrogordatos sehr treffend als „die Revanche der Besiegten“ beschrieben hat.33 Psychotraumatologisch gesprochen wurde in den 1980er Jahren das linke Subkollektiv von seinem Opfertrauma quasi therapiert. Die Schattenseiten linken Handelns in den 1940er Jahren wurden dabei verdrängt oder verleugnet. Die griechische Linke befand sich Anfang der 1990er Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Zusammenbruch des kommunistischen Blocks, kulturtraumatologisch gedeutet, in einer ‚Latenzphase‘, aus der sie durch den Roman Orthokosta herausgerissen wurde. Der kontroverse, hochemotionale Rezeptionsprozess weist auf eine Retraumatisierung der Linken hin, die sich jetzt aus der (privilegierten) Rolle des Opferkollektivs in die (diskreditierte) Rolle des Täterkollektivs versetzt sah. Drei unterschiedlich ansetzende Raster können die Sichtung der Fülle und Komplexität des Materials aus zwanzig Jahren Rezeption erleichtern, die der Autor übrigens durch zahlreiche öffentliche Interventionen selbst mitgelenkt hat (Präsentation, Artikel, Tagungen, Interviews, Leserbriefe): a)  Unterscheidung z­ wischen politjournalistischer, feuilletonistischer und akademischer Rezeption, b)  Berücksichtigung der Generationszugehörigkeit der sich zu Wort meldenden Stimmen (Erlebnisgeneration, also Personen, die als Erwachsene verschiedenen Alters den Bürgerkrieg aktiv miterlebt oder sich als passiv involvierte Kinder und Halbwüchsige Erinnerungen an ihn bewahrt haben / erste Nachkriegsgeneration / schließlich die seitdem geborene dritte und vierte, sich u. a. in Internetblogs äußernde Generation, c)  Unterscheidung der Rezeptionsphasen in: 1994 – 2001 (politische bzw. politisch-­ literaturtheoretische Phase), 2001 – 2004 (Phase des „historischen Revisionismus“ und des „Historikerstreits“, s. u.) sowie die Phase 2004 ff. (akademische Aufarbeitung

33 Vgl. Mavrogordatos, ‚Η ρεβάνς‘ (‚Die Revanche‘), To Vima, 17. 09. 1999.

Die Rezeption des Romans Ορθοκωστά | 221

vs. anhaltend alten Wahrnehmungsmustern folgender, allgemeiner bzw. (halb) öffentlicher Diskurs).34 Der Literaturkritiker Dimitris Raftopoulos und der politische Journalist Angelos E ­ lefantis eröffneten und prägten die Debatte auf geradezu emblematische Weise. Sie zählen zu den prominenten, linken Vertretern der Erlebnisgeneration (geboren 1924 bzw. 1936), die durch ähnliche Ereignisse Traumatisierungen erfahren hat. Ihre Argumentation folgt zwar politisch-­ideologischen Mustern, lässt sich aber als Teil eines traumatischen Prozesses betrachten, der Zusammenhänge mit Opfer-­Täter-­Beziehungen aufweist. Elefantis rezipiert das Werk eher als historisches Dokument denn als literarischen Text. Der Roman setze schwarze, faschistische und rote, kommunistische Gewalt in eins, was die historische Realität in unzulässiger Weise verstelle. Stünde einem hypothetischen Historiker in 200 Jahren lediglich dieser Text als Quelle über die Konflikte der 1940er Jahre in Arkadien zur Verfügung, müsste er zu dem Schluss kommen, dass die Rechten hilflose Opfer brutaler Täter aus dem linken Lager gewesen s­ eien. Elefantis sieht also den Opferstatus der Linken, der nach 1974 vom politisch legalisierten linken Kollektiv kultiviert worden war, gefährdet und hält an dem Postulat historisch-­moralischer Überlegenheit der Linken fest. Diese Haltung führt dazu, dass der oben definierte Prozess einer ‚kollektiven Traumatherapierung‘ untergraben und traumatische Konflikte perpetuiert werden. Venetia Apostolidou bestätigt mit ihrer Einschätzung diesen Sachverhalt: Die durch den Roman ausgelöste Debatte zeige, dass „zur Publikationszeit [des Romans] viele noch nicht bereit waren, das Trauma des Anderen zu akzeptieren.“ 35 Dimitris Raftopoulos seinerseits verteidigte den Roman. Der Schwerpunkt der Botschaft von Ορθοκωστά (Orthokosta), in seinen Augen durch eine ungeschönt belassene, von keiner vorgefassten Sicht und ­Theorie modifizierte Sprache meisterhaft vermittelt, beruhte für ihn auf der sublim ausdifferenzierten Abbildung einer der vielen – im anthro­ pologischen Sinne des Wortes – menschlichen Katastrophen des 20. Jahrhunderts, die sich ­zwischen „rotem“ und „schwarzem“ Faschismus traumatisierend entluden und dabei unzählige Unbeteiligte und Unschuldige ins Verderben stürzten. Im Wissen darum, dass beide Seiten aus demselben Holz geschnitzt ­seien und beide dasselbe – letztlich immer noch unaufgeklärte – innerste Wollen getrieben habe, sei für Valtinos die Fragestellung „Wer hat angefangen, was ist die historisch einwandfreie Wahrheit?“ sekundär, ja unnütz gewesen. Der Linken räumte Raftopoulos keinerlei „historische Privilegien“ ein: Aus ihrem dünkelhaften Selbstverständnis heraus, Beauftragte und Vollstrecker der Weltgeschichte zu sein, spreche sie sich Legitimität für ein brutal totalitäres Handeln zu, 34 Das Konzept, in Rezeptionsphasen zu gliedern, stammt von Skoupras, H Ορθοκωστά και η κριτική (Die Orthokosta und die Kritik), 2007, S. 197 – 200. 35 „[…] ότι στη εποχή που εκδόθηκε, αρκετοί δεν ήταν ακόμη έτοιμοι να αναγνωρίσουν το τραύμα του Άλλου.“ Apostolidou, Τραύμα και μνήμη (Trauma und Erinnerung), 2010, S. 159.

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das sie im gleichen Atemzug der Gegenseite zur Last lege. Raftopoulos betrachtet den Text als eine Warnung vor jeglicher Form von Totalitarismus, die zu neuen ästhetischen Mitteln gefunden habe, um menschliche Grenzerfahrungen adäquat darzustellen.36 R ­ aftopoulos’ Lesart des Romans trägt insofern zu einer kollektiven Traumatherapierung bei, als sie eine durch linken Terror bedingte Traumatisierung des rechten Kollektivs anerkennt und so auch ihm einen Opferstatus zubilligt. Nur wenige Kritiker und Publizisten schlossen sich Raftopoulos’ Perspektive an, die er in einem wichtigen Interview 1997 noch einmal luzide umriss.37 Elefantis’ Position dominierte und wurde durch zahlreiche, ähnlich disponierte Folgeartikel multipliziert, die allesamt Valtinos eine apologetische Heroisierung von Kollaborateuren – also lediglich potentiellen Tätern – unterstellten.38 So ging aus der kontroversen Rezeption der Ορθοκωστά nach und nach ein neues, antagonistisches Bürgerkriegsnarrativ hervor. Wie schon bei Elefantis selbst bleibt es ein häufiges Kennzeichen der ersten Rezeptionsphase, dass der Roman nicht ausreichend gründlich gelesen wurde: Das komplexe, Fragwürdigkeit und Brutalitäten keineswegs verschweigende Narrativ vom Zustandekommen und Agieren der Sicherheitsbataillone und Kollaborateure wird massiv zu einer apologetischen Präsentation unglücklicher Opfer umgedeutet, der sprachlichen Gestaltung Uniformität unterstellt und die so konstitutiv wichtige Verschränkung unterschiedlicher Zeitebenen in den Einzelnarrativen völlig übersehen. Was das Literarische angeht, kommt die inhaltfixierte Diskussion selten darüber hinaus, sich an der alten Problematik der Gleichsetzung bzw. Nicht-­Gleichsetzung von Autor und Erzähler, der Verantwortung bzw. Nicht-­Verantwortung des Erzählers für seine Figuren, der Frage nach der Zulässigkeit einer Vermischung von Faktualem und Fiktionalem, der Proble­ matik historischer Wahrheitsvermittlung in Literaturwerken und der Postulierung moralischer Verpflichtungen eines Autors abzuarbeiten. Der Trend, Ορθοκωστά (Orthokosta) als geschichtliches bzw. einseitig geschichtsdeutendes Dokument aufzufassen, nahm in der folgenden Rezeptionsphase (2001 – 2004) noch zu. Innerhalb der Rezeption des Romans gibt es eine Reihe von Stimmen, die in dem Roman und der um ihn entbrannten Diskussion nicht nur ein Symptom des diskursiven Wandels, sondern auch ein diesen selbst beeinflussendes Element erkennen.39 Das wurde in der nächsten, von Autoren der zweiten Generation geprägten, 36 Vgl. Raftopoulos, Βαλτινός Ορθοκωστά (Valtinos Orthokosta), 1994. 37 Fais, Ορθοκωστά (Orthokosta), 1995, S. 68. 38 Ein typisches Beispiel: Voukelatos, Η Ορθοκωστά και το ιδεολόγημα (Die Orthokosta und das Ideologem), 1994. Laut Danopoulos, Σχόλια και κρίσεις (Kommentare und Kritiken), besteht der Artikel zu drei Vierteln aus propagandistischer Geschichtsdeutung und zu einem Viertel aus bis ins Absurde gehender literarischer Verkennung; Valtinos selbst wird dabei als Opfer antikommunistischer Ideologie eingestuft. 39 Subtil zur diesbezüglichen Diskussion: Paivanas, Cold Wars, S. 23.

Die Rezeption des Romans Ορθοκωστά | 223

Rezeptionsphase 2001 – 2004 besonders sichtbar. Die Diskutanten dieser Phase wiesen keine direkten Traumasymptome mehr auf, sondern waren allenfalls durch partielle Identifikation mit den direkt Beteiligten „symbolvermittelt“ erschüttert. Der nun in den Sog neuer Strömungen geratene Diskurs, in dem die „Revisionisten“ Stathis ­Kalyvas (*1964) und Nikos Marantzidis (*1966) die Rolle der Linken während der Besatzungszeit einer neuen, kritisch-­enttabuisierenden Untersuchung unterzogen, die auch eine sachliche Beschäftigung mit den Sicherheitsbataillonen und der terroristischen Gewalt der Linken nicht aussparte,40 löste entsprechend heftige linke Gegenreaktionen aus. Die „Revisionisten“ zogen den Roman heran, um ihre Positionen zu beglaubigen,41 während Linksintellektuelle vor dem Hintergrund ­dieses „Historikerstreits“ den Roman als bloßen literarischen Vorläufer des „Revisionismus“ betrachteten. In den Printmedien wurde Ορθοκωστά (Orthokosta) von Neuem kontrovers diskutiert bzw. in Buchform auf seine Stichhaltigkeit hin untersucht.42 Durch die Intervention der „Revisionisten“ ging das linke Subkollektiv aus der Latenzphase zu einer Phase intensiver Konfrontation über. Der im Roman angedeutete Tatbestand, dass linke Partisanen nicht nur h ­ eroische Opfer von Gewalt, sondern auch aktive Täter gewesen ­seien, war aus Sicht linker K ­ ritiker kaum zu akzeptieren. An diese extrem dem Politisch-­Historischen verhaftete Rezeptionsphase schloss sich seit etwa 2004 die bis in die Gegenwart hineinreichende dritte Phase an. Hier fallen insbesondere profunde akademische Beiträge ins Auge, die deutlich um einen versachlichenden Blick auf alle Facetten des Romanwerks bemüht sind. Dabei fällt zweierlei auf: Zum einen das Überwiegen zwar griechischstämmiger, aber aus ausländischer Position forschender Autoren, die über eine gewisse Distanz zu den traumatischen Ereignissen in Griechenland verfügen, zum anderen das Sichten und Abwägen der bisherigen Rezeption in einem Ausmaß, das diese Beiträge über das rein deskriptive Erfassen hinaus selbst zu eigenständigen Stimmen der Rezeption werden ließ. Maßgeblich sind hier vor allem die grundlegenden, auf breiter Materialbasis operierenden Arbeiten von Dimitris Paivanas (*1961) und Christos Skoupras (*1960), die beide erfolgreich bemüht sind, dem Roman als Dokument des traumatisch belasteten Bürgerkriegsdiskurses und als literarisch innovativer Tat zugleich gerecht zu werden.43

4 0 Vgl. Kalyvas, Leftist Violence, 2000. 41 Ebd., S. 204, Fußnote 105. 42 Vgl. Kostopoulos, Οι ταγματασφαλίτες (Die Sicherheitsbataillonisten), 2003; ­Papaioannou, Η απομυθοποίηση (Die Entmythologisierung), 2004; Kazantzaki, Η πτώση των τειχών (Der Einsturz der Mauern), 2004, und Voulgaris, Η παρτίδα (Die Partie), 2004. 43 Vgl. Paivanas, Cold Wars, 2010, und Skoupras, H Ορθοκωστά και η κριτική (Die Ortho­ kosta und die Kritik), 2007. Der akademisch-­sachliche Blick auf das Werk zeigt sich auch in der Monographie von Paivanas, Βία και αφήγηση (Gewalt und Narration), 2012, und in den verschiedenen Beiträgen der Hommage, 2017.

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Als Novum kennzeichnet diese dritte Rezeptionsphase, dass sich nun der originäre gesellschaftliche Allgemeindiskurs auf das Internet ausgeweitet hat und über ­dieses dokumentiert wurde und wird. Die Auseinandersetzung mit Ορθοκωστά (Orthokosta) manifestiert sich hier nicht nur als individuelle Einzelstimme, sondern auch als polyphone Blog-­Forumsdiskussion zahlreicher Teilnehmer.44 Ausgehend von Valtinos’ Roman holt diese Diskussion immer weiter aus, um sich schließlich ganz zu verselbstständigen: Die Teilnehmer berichten über traumatische Bürgerkriegserfahrungen ihrer Familien; sie erzählen aus zweiter Hand, was sie etwa von ihren Großeltern gehört haben und sie offenbar nach wie vor belastet. Das legt nahe, in alledem Indizien transgenerationaler Traumatisierung zu erkennen: Der reale allgemeine Diskurs hat noch keineswegs immer zur Abgeklärtheit des akademischen Diskurses gefunden. Auch zwanzig Jahre nach Erscheinen des Romans verläuft die Kontroverse – nach anfänglicher Zurückhaltung oft polemisch-­invektiv – entlang der alten Frontlinien, immer noch dominiert die politisch-­ideologische Wahrnehmung und Diskussion des historischen Rahmens zuungunsten der Reflektion des tieferen Gehalts des Textes und der literarischen Ausgestaltung seiner humanen Botschaft. Die antagonistischen Subkollektive sind nicht bereit, Verantwortung für Gewaltakte und Unrecht zu übernehmen und verleugnen schuldbeladenes Verhalten. Das sind sympto­matische Merkmale für einen anhaltenden, kollektiven traumatischen Prozess. Die Orthokosta-­ Debatte im Internet bestätigt Angela Morés sozialpsychologische Ausführungen über die Mechanismen unbewusster Weitergabe traumatischer Erfahrungen: Können in der zweiten Generation die ihr aufgegebenen Rätsel nicht gelöst, die unverarbeiteten traumatischen Eindrücke nicht integriert und durch Trauerarbeit bewältigt werden, kommt es auch in der dritten und vierten Generation zu Gefühlen von etwas Dunklem, Rätselhaftem, Unverständlichem, das in seiner affektiven Qualität bedrückend, irritierend und wie ein Fremdkörper wirkt und zugleich ein unlösbares Band zu den Eltern oder/und Großeltern und deren Geheimnissen knüpft.45

Als scheinbar marginales, bei genauerem Hinsehen aber repräsentatives Beispiel aus der Internet-­Diskussion sei hier die Wortmeldung eines Teilnehmers angeführt, der sich – wie so viele andere auch – als Mitglied der „postmemorialen Enkelgeneration“ dazu angeregt fühlt, eine Bürgerkriegserinnerung seines Großvaters in Kombination mit einem eigenen, transgenerational verschränkten Erlebnis beizutragen, das die diskursive Situation anekdotisch auf den Punkt bringt:

4 4 http://enaskitis.blogspot.de/2009/04/blog-­post_15.html sowie http://panosz.wordpress. com/2010/07/14/civil_war-62/, letzter Zugriff: 20.06.16. 45 Moré, Die unbewußte Weitergabe, 2015, S. 71.

Die Rezeption des Romans Ορθοκωστά | 225

Ich erinnere mich, wie wir in den schönen 1980er Jahren im Lyzeum einen Aufsatz über den Bürger­krieg geschrieben haben und ich mir dafür die Erfahrungen meines inzwischen verstorbenen Großvaters vornahm. Er war aus dem [Athener] Stadtteil Philadelphia; mit 18 Jahren wurde er im Dezember 44 in Athen als Geisel festgenommen. Mit anderen ELAS-Geiseln, soweit sie die Hinrichtungen und die Bedingungen des Marsches im Januar überlebt hatten, marschierte er zu Fuß nach Volos, – er wurde mit irgendwelchen ELAS-Kämpfern ausgetauscht, die die Engländer in Gefangenschaft hielten (die waren nämlich schon im Hafen von Volos an Land gegangen). Auf der Straße erkannte er zwei ELAS-Kämpfer wieder, die während des Marsches eine Menge Leute liquidiert hatten. Nichts Gutes im Sinn, jagten sie in den Hafengassen hinter ihm her, aber er wurde von einem Sikh gerettet. Verrückte Geschichten! Ich wäre fast von der Schule geflogen, als ich die Ansicht meines Lehrers (Instruktors?) nicht akzeptierte, diese Geschichte sei ein von den „Reaktionären erfundenes Märchen“ […] (Verflucht, ich hätte alles aufschreiben müssen, solange er noch lebte, aber gibt es jemanden, der sich sowas nicht vorgenommen hat).46

Abschließend ist nochmals auf einen bereits weiter oben berührten Aspekt zurückzukommen, dem im hier thematisierten Zusammenhang besondere Beachtung gebührt: Die nicht durchgängig, aber doch immer wieder artikulierte Wahrnehmung, dass ­Valtinos mit seinem inventarisierenden Erzählen, d. h. der exzessiven Erwähnung bereits Verstorbener, die in traumatische Ereignisse involviert waren, bzw. von Orten, an denen es zu Trauma auslösenden Situationen gekommen war, ein gewaltiges, kollektives Totengedenken inszeniert hat. Die unzähligen, meist auf ebenso grauenhafte wie sinnlose Weise ums Leben gekommenen Menschen seines vielhundertköpfigen Figurenkollektivs stehen – selbst oft anonym und meist nur von lokaler Bedeutung – für die unzähligen anderen Namenlosen, die auf beiden Seiten einer (wie Valtinos aufzeigt) oft genug gar nicht eindeutig auszumachenden, doch tief entzweienden Grenzscheide ihr Leben im Bürgerkrieg verloren haben. Dass ­dieses von traumatisierter Warte aus Traumatisches schildernde und beklagende Totengedächtnis und dessen Rezeption neuerliche Entzweiung ausgelöst hat – auslösen musste – belegt, dass der griechische Bürgerkrieg als kollektives Trauma eine transgenerationale Dimension angenommen hat. 4 6 „Θυμάμαι εκεί στην ωραία δεκαετία του 80 είχαμε κάνει μια εργασία στο Λύκειο σχετικά με τον εμφύλιο και επέλεξα να μεταφέρω την εμπειρία του –μακαρίτη πλέον– παππού μου. Φιλαδελφιώτης, πιάστηκε στα 18 του όμηρος από τον ΕΛΑΣ στην Αθήνα τον Δεκέμβριο του 44, περπάτησε με τα πόδια ως το Βόλο με όσους άλλους ομήρους του ΕΛΑΣ επέζησαν των εκτελέσεων και των συνθηκών της πορείας μέσα στο Γενάρη, ανταλλάχθηκε με κάποιους ΕΛΑΣίτες που κρατούσαν οι ´Αγγλοι (οι οποίοι είχαν ήδη αποβιβασθεί στο λιμάνι του Βόλου), αναγνώρισε στο δρόμο δύο από τους ΕΛΑΣίτες που είχαν εκτελέσει κόσμο στην διάρκεια της πορείας, οι οποίοι τον κυνήγησαν στα στενά του λιμανιού με κακές διαθέσεις και τον έσωσε ένας Sikh! Τρελλές ιστορίες. Φυσικά για την ιστορία μου λίγο έλλειψε να πάρω αποβολή, όταν δεν δέχθηκα την άποψη του καθ(οδ)ηγητή μου, ότι η ιστορία είναι ‚μύθευμα των αντιδραστικών‘ (damn, έπρεπε να τα γράψω όσο ζούσε, αλλά ποιος δεν το έχει πει αυτό).“ http://panosz.wordpress. com/2010/07/14/civil_war-62/, Eintrag vom 15. Juli, 2010, 12:52, letzter Zugriff: 20. 06. 2016.

Joachim Winkler

9. „Mαύρη (Πολιτική) Λογοτεχνία – Schwarze (Politische) Literatur“ Misslingen und Gelingen eines traumatisierten und traumatisierenden Bewältigungsprozesses Sich mit der Rezeption der griechischen Widerstands- und Bürgerkriegsromane eingehender zu befassen, ist ein Vorhaben, dessen Uferlosigkeit und Vielschichtigkeit entmutigen kann. Seit über sechs Jahrzehnten entstehen literarische Texte zu ­diesem im innergriechischen Diskurs zumindest latent nach wie vor zentralen Thema – und sie entstehen weiter. Entsprechend vielfältig und kontrovers ist die journalistische, literatur­kritische, literaturwissenschaftliche und seit einiger Zeit auch internetforensische Rezeption, die diese Texte begleitet. Das Kontingent an Widerstands- und Bürgerkriegsromanen, die ihr Thema aus inhaltlich bzw. ideologisch „rechts“ (meistens besser gesagt: „nicht pro links“) orientierter Perspektive angehen, ist allerdings überschaubar. Je nach zugrunde gelegten Kriterien wird man auf kaum mehr als etwa ein Dutzend entsprechender Werke kommen.1 Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit zehn dieser Werke (deren mehrheitliches Charakteristikum übrigens ist, dass sie ihren thematischen Schwer- und Ausgangspunkt in der ersten Phase des Bürgerkriegs während der Besatzungszeit haben).2 Trotz dieser beschränkten Ausmaße vermittelt der Blick auf die Rezeption gerade ­dieses Segments und auf deren hier besonders deutlich hervortretende Komponente eines kollektiven

1 Ausführliches darüber und die sich nur langsam ändernde Situation in dem literaturhistorischen Kritikergespräch Argyriou; Ziras; Kotzias; Kouloufakos, Tο οδυνηρό πέρασμα (Der steinige Weg), 1977, S. 62 – 83. 2 Es handelt sich dabei a) um die Romane von Kotzias, Πολιορκία (Belagerung), 11953; ­Provelengios, (Pseudonym, ab 1960 Roufos), Η ρίζα του μύθου (Die Wurzel des Mythos) = Band 1 der Trilogie Χρονικό μιας σταυροφορίας (Chronik eines Kreuzzugs), 11954; ­Frangopoulos, Τειχομαχία (Kampf an den Mauern), 11954 und Kasdaglis, Τα δόντια της μυλόπετρας (Die Zähne des Mühlsteins), 11955; b) um die beiden weiteren Bände der Trilogie Χρονικό μιας σταυροφορίας (Chronik eines Kreuzzugs) von Provelengios alias Roufos, Πορεία στο σκοτάδι (Marsch durch die Dunkelheit), 11955, und Η άλλη όχθη (Das andere Ufer), 11958); c) um zwei Romane von Averof-­Tositsas, Η φωνή της γης (Ruf der Erde), 11964, und Γη της οδύνης (Erde des Schmerzes), 11966, und schließlich d) um Gage, Eleni, 11983 (= Gatzogiannis, Ελένη, 11983), sowie Valtinos, Ορθοκωστά (Orthokosta), 11994. Die Kriterien der Kategorisierung dieser Texte von a) bis d) werden im Verlauf des vorliegenden Kapitels deutlich.

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Traumas über ihre spezifische Thematik hinaus tragfähige Erkenntnisse und ist insofern auch als erster Einstieg in den Rezeptionsdiskurs als Ganzes von Nutzen. Ein Einstieg, der darüber hinaus insofern erleichtert wird, als die Rezeptions­ geschichte der rechten Bürgerkriegsromane über Jahrzehnte hin, bald direkt, bald indirekt, mit der Person eines einzelnen Literaturkritikers verbunden ist. Natürlich gilt es zu Recht als unwissenschaftlich, komplexe Sachverhalte durch Personalisierung und „Biographismus“ transparenter erscheinen zu lassen, als sie es sind. Doch Dimitris R ­ aftopoulos, von dem hier als einem der heute namhaftesten Literaturkritiker Griechenlands die Rede sein soll, hat die Rezeptionsgeschichte der rechten Bürgerkriegsromane direkt wie indirekt in so maßgeblicher Weise mitgeprägt, dass hier die Ausnahme die Regel bestätigt. Dass Raftopoulos’ Verhältnis zu den rechten Bürgerkriegsromanen so probat als „Leitplanke“ dienen kann, beruht auf zwei Faktoren. Zum einen hat Raftopoulos – ­zwischen 1955 und 1967 noch fest ins linke Lager eingebunden – durch die Prägung seines berühmten Schlagwortes von der Mαύρη Λογοτεχνία (schwarze Literatur) für einen polemischen Rezeptions-­Urknall von enorm fixierender Wirkung gesorgt. Zum anderen ist es aber gerade er gewesen, der maßgeblich dazu beigetragen hat, die griechische Literaturkritik von ihren aus der Bürgerkriegszeit ererbten Manichäismen zu befreien und Kriterien für eine zeitgemäß entideologisierte Literaturkritik bereitzustellen, ­welche, wie wir sehen werden, der Rezeption manches neueren linkskritisch bzw. nicht-­links perspektivierten Literaturwerks entscheidend zu Gute gekommen ist. Besonders die erste Hälfte des ersten Jahrzehnts nach Bürgerkriegsende kennzeichnet politische und geistige Anomalität. Die siegreiche Rechte hatte, international in die Gegebenheiten des Kalten Krieges, national in den Rahmen einer Art gelenkter parlamentarischer Demokratie eingebettete Mechanismen etabliert, die deutlich repressiv-­ polizeistaatliche Züge aufwiesen: Linke, die keine Reueerklärung unterschrieben hatten, saßen im Gefängnis, waren als Verbannte interniert oder befanden sich im Umerziehungs-­KZ auf Makronissos. Wer schließlich frei kam, hatte nach langen Jahren der Entwurzelung nicht nur einen harten Existenzkampf vor sich: Seine Freiheit galt als Verbannungsurlaub auf Bewährung, der jährlich zu erneuern war, er galt als Bürger zweiter Klasse. Auf jedem, der publizistisch arbeitete, lastete mit Buchverboten und Prozessen drohende Zensur.3 Das KKE (Kommunistische Partei Griechenlands) war bereits seit 1947 verboten, durfte nicht genannt werden, seine Führung saß im Bukarester Exil. Immerhin war es der Linken nicht vollständig versagt, sich politisch zu artikulieren: Auf Initiative des KKE und unter steuernder Mitwirkung im Lande verbliebener ­illegaler Mitglieder konnte 1951 die Partei EDA (= Vereinte Demokratische Linke) und 1952 als ihr publizistisches Sprachrohr die Tageszeitung I Avgi gegründet werden.

3 Apostolidou, Λογοτεχνία και ιστορία (Literatur und Geschichte), 2003, S. 393.

Die rechts perspektivierten Romane der 1950er Jahre | 229

Das hinter dieser staatlich beaufsichtigten Duldung stehende Kalkül ging langfristig auf: Es beförderte antinomische Gärungsprozesse innerhalb der griechischen Linken und trug damit zur schwächenden Spaltung des KKE bei.4

Die rechts perspektivierten Romane der 1950er Jahre (I: 1953 – 1954) Es kann nicht verwundern, dass literarische Veröffentlichungen der 1950er Jahre, insbesondere aus deren erster Hälfte, ­welche die Zeit der Besatzung, des Widerstands und der Frühphase des Bürgerkriegs thematisierten, dies ganz überwiegend aus rechter Perspektive taten und sich damit als Indikatoren der obwaltenden politischen Realität auswiesen. Linke Autoren hatten damals andere Sorgen, und wenn sie überhaupt etwas zum Thema schreiben konnten, dann taten sie es nur in vorsichtig-­indirekter Form.5 An die Öffentlichkeit kamen damals die Romane Πολιορκία (1953; Belagerung) von Alexandros Kotzias, Η ρίζα του μύθου (1954; Die Wurzel des Mythos) von Rodis Roufos (veröffentlicht unter dem Pseudonym Rodis Provelengios), Τειχομαχία (1954; Kampf an den Mauern) von Theofilos D. Frangopoulos und Τα δόντια της μυλόπετρας (1955; Die Zähne des Mühlsteins) von Nikos Kasdaglis.6 Die Romane von Roufos waren als Teile einer Chronik angelegt, die der Autor 1955 mit Πορεία στο σκοτάδι (Marsch durch die Dunkelheit) fortsetzte und 1958 mit Η άλλη όχθη (Das andere Ufer) abschloss (dazu weiter unten, beide Bände ebenfalls noch unter dem Pseudonym Provelengios). Im Gesamttitel dieser Trilogie Χρονικό μιας σταυροφορίας (Chronik eines Kreuzzuges) könnte auch die subjektiv-­wortwörtliche Konnotation einer Kreuztragung mitschwingen, denn der Autor, während der Besatzungszeit im rechten Widerstand tätig, bezeichnet sich selbst als von den Ereignissen traumatisiert.7 Kotzias’ Πολιορκία (Belagerung) schildert im historischen Rahmen der gewalttätigen Konfrontation z­ wischen links und rechts im besetzten Athen des Jahres 1944 den allmählichen psychisch-­moralischen und physischen Ruin eines Polizeioffiziers der

4 Stavropoulos, Η ΕΔΑ κατέστρεψε το ΚΚΕ (Die EDA hat das KKE ruiniert), 2011. 5 Siehe z. B. die Romane von Margarita Lymberaki, Ο άλλος Αλέξανδρος (Der andere Alexandros), 1950 (der Roman thematisiert Widerstand und Bürgerkrieg lediglich allegorisch-­andeutend) und: Andreas Frangias, Άνθρωποι και σπίτια (Menschen und Häuser), 1955 (der linke Autor, auch er ein ehemaliger Verbannter auf Makronissos, befasst sich vornehmlich mit aktuellen psychosozialen Folgen der Besatzungs-, Widerstands- und Bürgerkriegszeit). 6 Näheres zu den genannten Titeln siehe Winkler, Datenblätter Roufos, 2013; Winkler, Datenblatt Frangopoulos, 2013; Winkler, Datenblatt Kasdaglis 2013 sowie Anastasiadis; Winkler, Datenblatt Alexandros Kotzias, Πολιορκία, 2013. 7 Nachwort Erstausgabe 11954, S. 233 = 1. Vorwort Neuausgabe 21972 (= 32004, S. 9).

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Kollaborationsregierung, den die Linke auf ihre Todesliste gesetzt hatte. Obwohl der Erzähler ausschließlich aus der Perspektive des Milieus des Protagonisten berichtet und partienweise antikommunistische Denkweise referiert, bemüht er sich keineswegs darum, Sympathie für die rechtsterroristische Szene zu wecken: Im Gegenteil, er desavouiert eindeutig die brutale Haltlosigkeit ihrer Akteure und zugleich den machiavellistischen, kollaborationsaffinen Zynismus des dahinterstehenden antikommunistischen Kalküls. Ebensowenig erweist sich der Erzähler als Fürsprecher der Gegenseite. Sein Fokus richtet sich vielmehr auf die verheerenden menschlich-­sozialen Folgen der zum Bürgerkrieg ausgearteten innenpolitischen und zeitgeschichtlichen Prozesse. Der Roman erobert nicht nur auf anthropologisch-­psychologischer Ebene, sondern in Ansätzen, die Kotzias in der Zweitfassung von 1961 erheblich präzisiert und konsolidiert hat, auch erzähltechnisch und sprachlich neues Terrain. Auch Kotzias – während der Besatzungszeit im linken Widerstand engagiert – erklärt sich als von den Zeitereignissen traumatisiert.8 Vielfach erprobte traditionelle Erzähltechnik kennzeichnet dagegen Roufos. Auch er führt seine Leser in die letzte Phase der Besatzungszeit. In Η ρίζα του μύθου (Die Wurzel des Mythos) wird die zu Ende gehende Adoleszenz des Protagonisten Dion – Dion ist offenkundig ein literarisches Alter ego des Autors selbst – und seines studentischen Freundeskreises geschildert. Sie gehören überwiegend der großbürgerlichen, teil nationalkonservativ, teils apolitisch geprägten Athener Elite an. Die anomale zeitgeschichtliche Situation wirkt nachhaltig auf ihr Denken und Handeln ein. Der militante Druck der rasant erstarkenden Linken, die – nominell ausschließlich dem Widerstand gegen die Besatzer verschrieben – bereits zielstrebig die revolutionäre Nachkriegszukunft Griechenlands anvisiert, zwingt die jungen Leute zu entsprechender politischer und organisatorischer Selbstfindung. Zunehmend unter Einfluss und Führung des frühreif-­auratischen Michail, welcher wegen ihres Terrorismus von der Linken zur Rechten übergewechselt ist, kämpfen Dion und sein Kreis erfolgreich gegen die Linken um Dominanz an der Universität. Vom Erzähler geradezu mystisch-­mythisch überhöht, fällt Michail (den Roufos der historischen Figur Kitsos Maltezos nachgestaltet und dessen Andenken er sein Buch widmet) der Rache der Linken zum Opfer: Anfang Februar 1944 wird er von der kommunistischen Liquidationstruppe OPLA (= Schutzorganisation der Kämpfer des Volkes) ermordet.9 Autor, Erzähler und Figuren machen – besonders in

8 Goudelis, Ο διάλογος (Der Dialog), 1982, S. 285 (Interview mit Alexandros Kotzias). 9 Kitsos Maltezos: 1921 als Ururenkel von Makrygiannis geboren. Bei den Großeltern aufwachsend, ist der dichterisch Begabte in seiner Schulzeit hochengagiertes Mitglied der Metaxas-­ Jugend (EON). Anfang 1942 tritt er dagegen der OKNE (= Bund Kommunistischer Jugendbewegungen Griechenlands), Vorläuferin der 1943 etablierten EPON ( Jugendorganisation des EAM) bei. Nach schnellem Aufstieg dort zieht er sich bereits zu Jahresende wieder zurück: Das Hauptziel der Linken sei nicht Widerstand, sondern Etablierung eines stalinistisch geprägten Nachkriegsgriechenlands. Im Frühjahr 1943 tritt er der rechtsnationalen Widerstandsgruppe

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der Erstfassung – keinen Hehl aus ihrem damaligen, teils rein reaktiven, teils durchaus reflektierten Antikommunismus. Frangopoulos’ Τειχομαχία (Kampf an den Mauern) – der Titel nimmt explizit Bezug auf die homerische Teichomachie – wird meist als Variante und minder gewichtiges Geschwisterwerk von Η ρίζα του μύθου (Die Wurzel des Mythos) angesehen. Daran ist zumindest richtig, dass das im selben Jahr erschienene, ebenfalls autofiktionale, diesmal aber homodiegetisch perspektivierte Werk denselben Kreis realer, fiktional verschlüsselter Personen – allen voran Kitsos Maltezos (in der Fiktion Digenis bzw. einfach „Er“ genannt) – fokussiert und aus entsprechend antilinker Denk- und Aktionsperspektive erzählt. Doch so sehr sich die Texte inhaltlich überschneiden, die Erzählung ist thematisch diesmal deutlich anders akzentuiert. Im Mittelpunkt steht hier die Geschichte der Beziehung des sich betont subjektiv gebenden Ich-­Erzählers Leandros zu dem rätselhaft-­charismatischen Digenis. Lange von Unverständnis und gescheiterter Annäherung geprägt, mündet diese Geschichte in eine enge Freundschaft, als Digenis zu den Rechten überwechselt. Dieser Roman endet mit Digenis’ Ermordung, so wie Roufos’ Roman mit Michails Ermordung endet, und auch Frangopoulos erklärt sich als von den damaligen Ereignissen traumatisiert.10 So wie die Bücher von Roufos und Frangopoulos einander erzählerisch und inhaltlich nahestehen, präsentiert sich Kasdaglis’ Τα δόντια της μυλόπετρας (Die Zähne des Mühlsteins) als kleiner dimensioniertes Pendant zu Kotzias’ Πολιορκία (Belagerung). Neben motivischen Parallelen begegnen auch hier innovative Formen narrativer Fokussierung und Gestaltung. Aus der Geschehensperspektive einer für das rechte Lager agierenden, von der Kollaboration gestützten paramilitärischen Gruppe wird der fast zum Selbstzweck degenerierte brutale Bandenkrieg z­ wischen links und rechts im besetzten Athen des Jahres 1944 thematisiert. Der Konflikt personalisiert sich in den Protagonisten Kosmas, einem entwurzelten jungen Mann, der durch Zufallsfügung zum Bandenmitglied der Rechten wurde, und der attraktiven Myrrha (die übrigens ebenfalls die Züge einer historischen Figur trägt), die ihn als Undercover-­Agentin der Gegenseite zu ihrem Geliebten macht und den Linken ans Messer liefert, nur um schließlich selbst entlarvt und liquidiert zu werden. Wie bei Kotzias wird das Thema Widerstand kaum berührt. Trotz inhaltlicher Straffung und sprachlich glättender Eingriffe, die Kasdaglis dem Text für die Wiederveröffentlichung im Jahr 1970 angedeihen ließ, vermitteln Erst- und Zweitfassung (ganz im Gegensatz zu Kotzias’ Πολιορκία [Belagerung]) einen letztendlich gleichen Gesamteindruck. Wie die zuvor genannten Autoren erklärt sich

RΑΝ und auch dem ESΑS bei. Am Morgen des 01. 02. 1944 wird er von der linken Liquidationstruppe ΟPLΑ im Zentrum Athens rücklings erschossen. Biographie: Makris-­Staikos, Κίτσος Μαλτέζος (Kitsos Maltezos), 2000. 10 Vorwort zur zweiten Ausgabe 21977, S. 10.

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auch Kasdaglis, der in der Besatzungszeit einer rechten Widerstandsorganisation angehört hatte, als von seinen damaligen Erfahrungen traumatisiert.11 Es war notwendig, Tendenz und Gehalt der vier Romane etwas eingehender zu rekapitulieren, um zu verdeutlichen, dass sich diese Texte aus heutiger Distanz nicht ohne Gewaltsamkeiten als Siegerliteratur bzw. Rechtfertigungsliteratur des Bürgerkriegs etikettieren lassen – dazu sind sie bei näherem Hinsehen zu differenziert und kommen überdies an keiner Stelle auf die weiteren Phasen der innergriechischen Konfrontation 1944/45 und 1946 – 1949 zu sprechen.12 Auch die Frage, ob diese Bücher über die pauschale Erstwahrnehmung hinaus überhaupt eine stringent rechte Perspektive vertreten, lässt sich weder einheitlich noch so klar beantworten, wie man sie stellen zu können glaubt. Wann immer es um den bis heute zumindest in seinen unterschwelligen Eckwerten linksdominierten innergriechischen Diskurs geht, bleibt es nicht überflüssig, an ­folgenden simplen Sachverhalt zu erinnern: Was nicht links ist, muss deshalb nicht automatisch „rechts“ im stereotyp vereinfachenden Sinne einer indiskutablen, faschistoid überwölbten Rückschrittlichkeit sein. Was die Nicht-­Linke der Besatzungszeit kennzeichnete, war vielmehr ein breitgefächertes Spektrum sehr unterschiedlicher Positionen. Es reichte von christ- und sozialdemokratischen Strömungen über Venizelismus, Nationalliberalismus und nationalkonservativen Royalismus bis hin zu (teils auch germanophilen) Ideologemen aus der Metaxas-­Diktatur. Eben diese Zersplitterung machte auch ihre Schwäche aus: Angesichts einer Linken, die sowohl in Sachen Widerstand als auch Nachkriegsordnung weitaus geschlossener und zielstrebiger agierte, tat sich die Rechte schwer, sich diskursiv zu behaupten und organisatorisch zusammenzu­ finden. Erst aus dieser Situation heraus verhärtete sich eine zur Linken spiegelbildliche Radikalität, die sich z. T. auch kollaborationsbereit zeigte – ein Faktum, das alle bisher vorgestellten Romanciers zentral thematisieren bzw. kritisch ansprechen.13 Eine dezidiert antikommunistische Ausgangstendenz lässt am meisten der erste der beiden Romane von Rodis Roufos erkennen. Aus zunächst gemäßigten, doch als ineffektiv erlebten christdemokratischen Überlegungen hervorgehend, wird sie zur zeitgeschichtlich vorgegebenen Rahmenbedingung für den Entwicklungs- und Reaktionsprozess einer mental konträr verfassten sozialen Gruppe präsentiert, die ihre Werte durch die Übermacht des EAM (= Nationale Befreiungsfront), gipfelnd in Michails Ermordung, existentiell bedroht sieht. Ähnliches bietet Frangopoulos: Nach schnell enttäuschenden Erfahrungen mit der von Panagiotis Kanellopoulos gegründeten Bewegung 11 Tsirimokou, Νίκος Κάσδαγλης (Nikos Kasdaglis), 1992, S. 305. 12 Zur „Sieger- und Rechtfertigungsliteratur“ Argyriou, Αποδόσεις (Darstellungen), 1997, S. 65; Vasilakakos, Εμφύλιος (Bürgerkrieg), 2000, S. 159 und S. 194; Sella, Εμφύλιος (Bürgerkrieg), 2009; Apostolidou, Τραύμα και μνήμη (Trauma und Erinnerung), 2010, S. 136. 13 „Zersplitterung der Rechten“: Chatzivasiliou, Eπανεύρεση (Wiederentdeckung), 2008.

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PEAN (Panhellenische Union der Kämpfenden Jugend) geht die Entwicklung in Richtung einer kämpferisch entschlossenen Anti-­E AM-Haltung.14 Aber hatte Roufos schon einen gleichwertigen Themenschwerpunkt auf die Schilderung des Erlebens und Auslebens von Adoleszenz auch in turbulenter Zeit gesetzt, so wird bei Frangopoulos eine ganz persönliche Beziehung zum eigentlichen Kern der Erzählung. Dass der Protagonist des zweiten (später auch dritten) Romans von Rodis Roufos zunächst noch militant, dann aber differenzierter denkt und wertet, wurde schon betont. Eindeutiger fällt der Befund bei Kotzias und Kasdaglis aus. Die unstrittige Tatsache, dass Πολιορκία (Belagerung) ein aus militant rechter Geschehens-, Denk- und Wahrnehmungsperspektive erzählender Text ist, erlaubt keineswegs, ihn auch als Plädoyer zugunsten dieser Perspektive zu deuten. Der Roman ist ein Paradebeispiel dafür, wohin der literaturtheoretische bzw. literaturkritische Kardinalfehler führt, Werk und Text, Perspektive und Tendenz, Autor und Erzähler in eins setzen. Über Jahrzehnte hin hat nichts in der griechischen Nachkriegsliteratur das ohnehin kaum thematisierte Agieren der kollaborierenden Rechten mehr bloßgestellt als ­dieses Buch von 1953.15 Der Befund lässt sich nicht allein deshalb in Frage stellen, weil das Buch auch für die Linke kein gutes Wort einlegt.16 Ähnliches gilt für Kasdaglis: Auch hier kann keine Rede davon sein, dass dem rechts perspektivierenden Erzähler daran läge, Sympathien und politische Billigung für die Depravation der von ihm geschilderten Verhältnisse zu kreieren, auch wenn manche erklärende Hintergrundinformation zunächst diesen Eindruck aufkommen lassen mag. Eher noch als bei den rechten Paramilitärs, deren einzige Triebkräfte Selbstbehauptung und nacktes Überleben waren, lassen die linken Akteure erkennen, dass sie für ein ihnen durchaus bewusstes politisches Konzept eintraten, dem sie ihr Leben zu opfern bereit waren.17 Insgesamt bleibt festzuhalten: „Diskursive Tat“ dieser Romane war es, aus unterschiedlich akzentuierender Einzelperspektive und mit unterschiedlichen literarischen Mitteln nicht nur die Achillesferse der Rechten (= partielle Kollaboration), sondern

14 Kanellopoulos figuriert im Roman als „Kalimanopoulos“, seine Organisation PEAN als fiktives ESK (Ethniko Syngentrotiko Komma, Partei der Nationalen Sammlung). 15 Innerhalb eines Korpus von 50 von ihr überprüften Texten bezeichnet Maria Bondila den Roman Πολιορκία (Belagerung) als den einzigen, der Kollaboration zentral thematisiert. Siehe Bondila, Ιστορικός και λογοτεχνικός λόγος (Historischer und literarischer Diskurs), 2006, S. 250. Siehe aber auch das Kapitel 1 von Ulrich Moennig im vorliegenden Band. In neuerer Zeit hat Sofia Nikolaidou das Thema Kollaboration mit spektakulärem Echo literarisch wieder­aufgegriffen: Nikolaidou, Απόψε δεν έχουμε φίλους (Heute Abend kennen wir keine Freunde), 2010 (siehe auch das Kapitel 10 von Venetia Apostolidou im vorliegenden Band). 16 Der Autor Alexandros Kotzias selbst war bis 1944 für die Athener Linke aktiv. 17 Der Autor Nikos Kasdaglis war bis 1944 für die Athener Rechte aktiv.

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auch diejenige der Linken (= revolutionär auf spätere Nachkriegsumwälzung abzielende Bürgerkriegsaktivitäten) sichtbar gemacht zu haben. Das war für die besiegte und bedrängte Linke umso schmerzhafter, als sie in ihrem historisch unstrittigen Beitrag zum Widerstand den letzten, stillschweigend anerkannten Pfeiler ihres Selbstbewusstseins hatte erblicken dürfen.

Die Reaktionen der bürgerlichen Literaturkritik Das Echo auf Kotzias’ Πολιορκία (Belagerung) fiel ebenso spärlich wie verhalten aus. Zu unsympathisch war die Art und Weise, mit der das Buch einem national, liberalkonservativ bzw. antikommunistisch eingestellten Lesepublikum Teile der rechten Szene im 1944er Athen in Erinnerung rief.18 Zu unerfreulich war auch die in der griechischen Literatur noch kaum bekannte Installation eines negativen Helden und die düstere, an Fjodor Dostojewski orientierte Einblicknahme in zerrüttete Charaktere, zu ungewohnt – auch in der vergleichsweise noch gemäßigten Erstfassung – die neuartige Narration.19 Im Übrigen konzentriert sich das Augenmerk in (für lange Zeit noch typischer) Verkennung der eigentlichen Intentionen des Romans aufs Politisch-­Historische: Immerhin wird dabei die differenzierte Analyse aller Facetten der Rechten sowie Kotzias’ damalige linke wie rechte Tabus unterlaufende Thematisierung eines Bürgerkriegs schon während der Besatzungszeit wahrgenommen.20 Wesentlich breiter gefächert fiel die Reaktion auf Roufos’ Η ρίζα του μύθου (Die Wurzel des Mythos) aus: Mit über 30, durchgängig profunden Wortmeldungen wurde das Buch bei seinem Erscheinen zum meistdiskutierten der hier in Rede stehenden Werke.21 Aus den Besprechungen vier namhafter Kritiker sei Folgendes zusammen­gefasst: Gekonnt und lesbar geschrieben erzähle das Buch als einziges der damals veröffentlichten Romane aus einer auch persönlich vertretenen antikommunistischen Perspektive. Dieser Freimut tue einem längst fälligen audiatur et altera pars Genüge, wolle aber nichts politisch beweisen, sondern verstehe sich als autobiographisch akzentuierte Chronik, die die elitär-­ästhetizistische, zugleich politisch-­ideelle Unreife des Kreises um den Protagonisten aufrichtig, wenngleich gerade deshalb häufig im Darstellungsmodus hochmütig verschwommener Schöngeisterei reproduziere. Die Diskrepanz ­zwischen den Erfordernissen der Zeit und ihrer Spätadoleszenz sei das Drama des Kreises um Dion gewesen: Er habe besser gewusst, wogegen als wofür er eigentlich stand, und

18 19 20 21

Argyriou, Αλέξανδρος Κοτζιάς (Alexandros Kotzias), 1994, S. 21. Thrylos, Το λογοτεχνικό 1953 (Das literarische Jahr 1953), 1954, S. 313. Metaxas, Rezension Kotzias Πολιορκία (Belagerung), 1953. Daskalopoulos, Βιβλιογραφία Ρούφου (Bibliographie Roufos), 1991, S. 50 – 52.

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wurde so zum Spielball der naiven Alternative Kommunismus vs. Antikommunismus. Dem Autor gebühre dafür Respekt, sich dies von der Seele geredet zu haben. Größtes internes Manko des Romans sei die mystizistische Heroisierung Michails, größtes reales Manko, dass die unverändert aktuelle politisch-­historische Bürgerkriegsthematik den literarischen Wert des Buches verdunkele.22 Weniger Beachtung fand Frangopoulos, vielleicht wegen der vermeintlichen Nähe zu dem Roman von Roufos. Eine Rolle mag auch die (vom Autor im Prolog selbst eingestandene) ungleichmäßige Qualität des Textes gespielt haben. Die Kritik sieht darin die Unsicherheit eines talentierten Autors am Anfang seines Weges. Die Darstellung des Digenis sei plastischer gelungen als die des Michail bei Roufos, doch bleibe auch hier unklar, worin denn eigentlich seine Faszination auf die jungen Leute bestanden habe, die zwar Widerstand leisten, sich dabei aber nicht vom Kommunismus absorbieren lassen wollten.23 Anerkennung und Irritation zugleich kennzeichnet die Rezeption von Kasdaglis’ Τα δόντια της μυλόπετρας (Die Zähne des Mühlsteins). Immerhin erregen die Qualitäten des Texts soviel Aufmerksamkeit, dass ihm bereits ein Jahr später der Zweite Staatliche Literaturpreis in der Kategorie Roman zuerkannt wird (1956). Allerdings kommt die Kritik nicht mit dem neuartigen narrativen und sprachlichen Ansatz zurecht („unsorgfältige stilistische Gestaltung“, „billige Melodramatik“), zeigt sich aber davon erschüttert, in w ­ elche ethischen Abgründe der politische Fanatismus der Besatzungszeit die gesamte damalige Jugend gestürzt habe. Das Buch sei zwar aus der Perspektive rechter Kollaboration erzählt, fokussiere aber auch die (dabei nicht besser wegkommende) Linke. Teilweise wird der Rechten konzediert, die Hilfe des Landesfeindes in Anspruch genommen haben zu müssen. Anders hätte sie der Vernichtung durch die Kommunisten nicht entgehen können.24 Auch zehn Jahre nach Erscheinen begegnet die Kritik dem Buch nicht ohne Vorbehalte: Der Text sei nachlässig geschrieben, zu atem- und distanzlos erzählt, den Figuren fehle der Hintergrund. Man vermisse die Auseinandersetzung mit den aufrichtigen Impulsen, die beide Seiten doch schließlich auch geleitet 22 Diese äußerst knappe Zusammenfassung fußt auf den Rezensionen von Chourmouzios, Χρονικόν (Chronik), 1954, und Συμπλήρωσις (Ergänzung), 1954; Theotokas, Rezension Provelengios/Roufos Ρίζα (Wurzel), 1954; Chatzinis, Rezension Provelengios/Roufos Ρίζα (Wurzel), 1955; Sachinis, Rezension Provelengios/Roufos Ρίζα (Wurzel) und Πορεία (Marsch), beide 1956; Sachinis, Rezension Provelengios/Roufos Ρίζα (Wurzel), Πορεία (Marsch), Όχθη (Ufer) und Roufos, Η Χάλκινη Εποχή (Das eherne Zeitalter), 1965 (die hier relevanten Teile sind eine Wiederveröffentlichung der Rezensionen von 1956), in: Sachinis, Nέοι πεζογράφοι ( Junge Prosaautoren), 1965, S. 159 – 168, bes. S. 162 – 163. 23 Chatzinis, Rezension Frangopoulos, 1956. 24 Charis, 40 χρόνια κριτικής (40 Jahre Kritik), 1985, Bd. 2, S. 373 – 375 (das Konzept des ­Bandes erlaubt die Annahme, dass Charis’ Kritik bereits 1955/56 erschienen ist); Chatzinis, Rezension Frangopoulos, 1956.

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hätten, stattdessen regierten hier nur Zufall, Aktion und blinde Leidenschaft. Als (auch atmosphärische) Chronik habe das Buch seinen Wert, nicht aber – von einigen Seiten zu Beginn abgesehen – als literarische Prosa.25 Insgesamt präsentierte sich die bürgerliche Kritik beinahe ausnahmslos im traditionellen Habitus eines (auch politisch) um sachlich informierendes, aspektweises Abwägen bemühten Rezensionsstils. Was dagegen von linker Seite kam, sah anders aus und wirkte gerade deshalb über den Tag hinaus.

Die literaturkritische Reaktion der Linken: Raftopoulos’ „Μαύρη Λογοτεχνία (Schwarze Literatur)“-Intervention Das Erscheinen vier derartiger Romane in so dichter Abfolge wirkte auf die Linke wie ein rotes Tuch. Ohnmächtig auf ihre Niederlage zurückverwiesen, konnte sie diese Bücher nur verkürzt als Siegerliteratur wahrnehmen. Der Kern der Provokation lag darin, dass der Linken gleich vierfach bescheinigt wurde, es habe zu einer Zeit, in der gemeinsames Handeln aller Griechen gegen die Besatzer zu erwarten gewesen wäre, nicht nur miteinander konkurrierende Widerstandsorganisationen, sondern auch von linker Seite bewusst betriebene, bürgerkriegsartige Auseinandersetzungen um die zukünftige politische Verfasstheit des Landes gegeben. Dies ausgesprochen zu haben, wirkte umso schmerzlicher, als der heute kaum noch strittige Sachverhalt im damaligen Mainstream linken Bewusstseins teils aus Linientreue, teils aus gläubiger Unkenntnis kein Faktor war. EAM und ELAS (= Griechische Volksbefreiungsarmee), das waren rein antifaschistische Widerstandsorganisationen, und hatten sie sich auch einmal gegen bestimmte Landsleute zu wenden, dann nur deshalb, weil diese schließlich auch Faschisten gewesen ­seien und es mit den Besatzern hielten.26 Hier kam der Linken entgegen, dass Teile der Rechten in der Tat kollaboriert hatten. Diese offene Flanke auch der gemäßigteren Rechten, sich aus zersplitterter und bedrängter Schwäche auf Zusammenarbeit mit den kollaborierenden Sicherheitsorganen eingelassen zu haben, wird von Roufos und Frangopoulos mit so selbstkritischem Unbehagen angesprochen, wie sie bei Kotzias als unausweichliche Realität in das machiavellistische Kalkül seines Erzählers eingeht. Vom Terrain dieser ideologisch und traumatisch fixierten Bewusstseinslage aus gab es für die Linke nur eines: polemisch empörte Ablehnung. Entsprechend parteilich und unerbittlich pauschal fiel das Votum der Parteizeitung der EDA aus: „Ein empörendes

25 Chourmouzios, Μια επικίνδυνη ροπή (Eine gefährliche Tendenz), 1964. 26 „Heute kaum noch strittiger Sachverhalt“: Dazu Ausführliches mit viel neuem Material, insbesondere linken Selbstzeugnissen bei Dreidoppel, Griechischer Dämon, 2009.

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Buch […] es provoziert nur Ekel.“ 27 Insgesamt fiel die Rezeption der Linken aufgrund ihrer innenpolitischen und publizistischen Situation schmal, aber schlagkräftig und diskursiv nachhaltig aus. Kurz zuvor war die linke Kulturzeitschrift Epitheorisi Technis (übersetzt: Revue der Kunst) gegründet worden, in welcher der erst 31-jährige literaturkritische Newcomer Dimitris Raftopoulos seine Stimme gegen die eben vorgestellten Romane mit drei militant ideologischen Artikeln erhob, die Literaturgeschichte schreiben sollten. Da es im Verlauf d­ ieses Beitrags immer wieder um Raftopoulos gehen wird, ist ein näherer Blick auf seine Vorgeschichte sinnvoll: 1924 als Sohn eines royalistisch orientierten Bankkaufmanns in Piräus geboren, nimmt Raftopoulos nach dem Gymnasium ein Chemiestudium in Athen auf (1943), das er der Zeitereignisse wegen nicht abschließt. Als wichtigster Sammelpunkt des linken Widerstands vermittelt das Chemische Institut dem 19-Jährigen eine auf sehr bescheidenen marxistischen Grundlagen aufbauende (von ihm selbst später als fatal bezeichnete) Mischung aus Patriotismus, ideologischem Selbstbetrug und gesellschaftlicher Utopie, die ihn zum gläubig engagierten Kommunisten sozialisiert.28 Der in ­diesem Motivationsgefüge verankerte Widerstand wird für Raftopoulos zur unhinter­ fragbar heiligen Größe. Sein glänzendes Schreibtalent legt ihm nahe, beruflich umzusatteln und sein bedingungsloses Engagement journalistisch umzusetzen. Damit ist sein Weg fest vorgezeichnet: Ausbildung und Mitarbeit bei kommunistischen Printmedien (dabei schwere Verletzung während der Dezemberereignisse), bald nach Kriegsende einsetzende Verfolgung, Haft und Verbannung (Ikaria, Ai-­Stratis). Schlimmste Phase dieser Jahre z­ wischen 1947 – 1952: ein Jahr KZ-Umerziehungsinsel Makronissos (mit aus ihm herausgeprügelter, dann widerrufener Reueerklärung und in letzter Minute abgewendetem Suizid). Fruchtbarste Phase: die anschließenden zwei Jahre auf der Verbannungsinsel Ai-­Stratis mit vielen Kontakten zu schon wenig später sehr bekannten linken Autoren, Dichtern und Literaten. Unter ihnen formiert sich eine bereits fortschrittlich-­antidogmatisch orientierte Gruppe, die samt Raftopoulos zu den Redakteuren der 1954 gegründeten Epitheorisi Technis zählen wird. Die Gründung der Epitheorisi Technis gilt heute als kulturgeschichtlicher Meilen­stein. Politisch wie wirtschaftlich von EDA und dahinterstehendem KKE ­abhängig, ist die Zeitschrift bis zu ihrer Schließung durch die Militärjunta über ein Jahrzehnt lang stets zweierlei: niveauvolles Forum eines innerlinken antidogmatischen Emanzipationsprozesses 27 „Ένα βιβλίο θράσους […] μόνον αηδία προκαλεί“, in: Porfyris, Ένα βιβλίο θράσους (Ein dreistes Buch), 1955. 28 „Leider vermengten sich sehr schnell Patriotismus, Freiheitsliebe, ideologischer Selbstbetrug und gesellschaftliche Utopie auf gefährliche Weise“ („Πολύ γρήγορα, δυστυχώς, πατριωτισμός, έρωτας της ελευθερίας, ιδεολογική αυταπάτη, και ουτοπία κοινωνιστική αναμίχθηκαν επικίνδυνα“), Raftopoulos, Άρης Αλεξάνδρου (Aris Alexandrou), 1996, S. 99.

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und zugleich Opfer massiv gängelnder Einflussnahme seitens der Partei. Bei alledem spielt Raftopoulos als Redaktionsmitglied, Autor und Literaturkritiker eine maßgebliche, mutig exponierte Rolle. Zunächst ist von den bevorstehenden Auseinandersetzungen noch wenig zu spüren; auch Raftopoulos agiert keineswegs offen oppositionell. Dafür sind die Verrisse, die er über die Romane von Kotzias, Kasdaglis, Frangopoulos und den ersten Band der Roufos-­ Trilogie im August und Oktober 1955 präsentiert, der beste Beleg. Sie waren seine ersten größeren Rezensionen in der Epitheorisi Technis, in der es zuvor von ihm lediglich die Erzählung Oι πελαργοί (Die Störche) und ein paar kleinere Besprechungen gegeben hatte.29 Die Erzählung war insofern bemerkenswert, als sie den Bürgerkrieg thematisierte. Damit verstieß Raftopoulos gegen die Empfehlung des KKE, den Bürgerkrieg zugunsten der Widerstandsthematik zurückzustellen.30 Das legt die Frage nahe, ob es einen taktischen Zusammenhang z­ wischen der Publikation der Erzählung, die unweigerlich den Unwillen der Partei provozieren musste, und den Schwarze-­Literatur-­Polemiken kurz darauf gibt. Die Kritik an Roufos’ und Frangopoulos war zu einem gemeinsamen Text zusammengefasst („Zwei Romane mit gleicher Position“).31 Dieses Vorgehen erleichterte R ­ aftopoulos sein polemisches Vorhaben. Nie ­zwischen Autoren-, Figuren- und Erzähler­ meinung unterscheidend, hebt er als Minuspunkte hervor: Von Besatzern, Nöten der Besatzungszeit und Widerstand sei nie die Rede, wohl aber in rechtfertigender Weise von Kollaboration. Das habe mit einem nachträglichen Schuldkomplex der Rechten zu tun. Schockierend sei der Klassendünkel und das schöngeistige, unglaubwürdig frühreife Gehabe der jungen Leute. Das zeige, wie wenig die (sich sogar auf politischem Gebiet in Ästhetizismus erschöpfende) Rechte über eine durchdachte, der Zeit angemessene Position verfügt habe. Roufos’ Michail-­Mystizismus spießt Raftopoulos ebenso genüsslich auf wie seine gelegentlichen antikommunistischen Sottisen. Besonders bringt ihn eine bornierte Äußerung der Romanfigur Stefanos auf – das Detail wird hier angeführt, weil Raftopoulos noch Jahrzehnte später immer wieder darauf zu sprechen kommt: „… ich finde, die meisten Kommunistenvisagen sollten aus Gründen öffentlicher Ästhetik aus dem Verkehr gezogen werden.“ 32 Mehrfach unterstreicht Raftopoulos die literarischen

29 Raftopoulos, Oι πελαργοί (Die Störche), 1955, S. 457 – 4 65. Die Erzählung schildert Ereignisse auf einer Ägäisinsel, auf der verbannte Linke interniert sind. 30 Das Gesetz 509/1947 untersagte, den Bürgerkrieg zu thematisieren. – Die Parteiempfehlung erging im Gefolge der 6. Vollversammlung des KKE (Taschkent, 1956). Früher erschienene Bürgerkriegsliteratur wurde im Machtbereich der Exilpartei aus dem Verkehr gezogen. Dazu Apostolidou, Τραύμα και μνήμη (Trauma und Erinnerung), 2010, S. 65 und Matthaiou; Polemi, Eκδοτική περιπέτεια (Das verlegerische Abenteuer), 2003, S. 348. 31 Raftopoulos, Rezensionen Provelengios/Roufos Ρίζα (Wurzel) und Frangopoulos, 1955. 32 „…πιστέυω ότι οι περισσότερες φάτσες των κομμουνιστών θα ‘πρεπε να καταργηθούν για λόγους δημόσιας αισθητικής“, Raftopoulos, Rezension Provelengios/Roufos Ρίζα (Wurzel) und

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Qualitäten beider Romane. Doch das reiche nicht aus, um sie zu wirklich guten Bücher werden zu lassen, denn statt sich der Realität verpflichtet zu wissen, blendeten sie diese aus. Honoré de Balzacs reaktionäre Romane dagegen ­seien gute Literatur, weil sie realistisch blieben. Im Übrigen bestätigten beide Romane die alte Grundwahrheit des sozialistischen Realismus, dass es kein wahrhaftes Kunstwerk ohne eine ihm zugrundeliegende wahre Idee gebe. Auch Raftopoulos’ Kasdaglis- und Kotzias-­Rezensionen fallen sehr eingehend aus.33 Zu Kasdaglis heißt es: Wie die Romane von Roufos und Frangopoulos zähle Kasdaglis’ Buch zu einer schwarzen Literatur, die im Dienste fortschrittfeindlicher Kräfte einen Typus militanter Verleumdungsliteratur pflege, wie er seit Kriegsende im Westen aufgekommen sei. Als gesellschaftliches Phänomen nicht weiter verwunderlich, falle künstlerisch gesehen die absolut hasserfüllte Distanz des Autors zum Geist der Zeit doch sehr aus dem Rahmen.34 Hier liege eine an ihren Tiefpunkt gelangte bürgerliche Literatur vor, der als Resultat eines sich der sozialen Wirklichkeit und ihren Formen politischer Artikulation verschließenden Hermetismus die Verbindung zum Menschen abhanden gekommen sei. Immerhin habe sie nun ihren Elfenbeinturm verlassen und beziehe offen Position. In Frankreich schließe sich dergleichen der existentialistischen Linie Jean-­Paul Sartres an, dessen Mensch ohne Vergangenheit für Griechenlands schwarze Literatur eine bequeme Grundlage für die Rechtfertigung von Verrat und Kollaboration abgebe. Ihr thematisches Material sei die Besatzungszeit und Priorität dabei, den Widerstand des griechischen Volkes als historische Tat zu verunglimpfen. Aus ihrer formalistischen Position beziehe sie das Rüstzeug für ein von Hass geprägtes Unverständnis für die Schwächen und Übertreibungen des griechischen Volkes. Nur so sei das Erscheinen von Büchern erklärlich, die den Leser auf jeder Seite beleidigten. Als Raftopoulos 1965 die Rezension wiederveröffentlicht, hat er bezeichnenderweise den eben referierten, offiziöser sozialistischer Ideologie folgenden Abschnitt komplett gestrichen – übrigens mit der Folge, dass damit auch die einzige Apostrophierung der Schwarze-­Literatur-­Formel in den Texten von 1955 insgesamt verschwand (siehe dazu unten). Seitdem setzt seine Kritik erst mit Folgendem ein: Grundthese des Buches sei wie schon bei Roufos und Frangopoulos die Behauptung, es habe nicht erst nach dem Krieg und seit dem Eingreifen des Auslands, sondern schon zur Besatzungszeit einen Bürgerkrieg gegeben. Die Initiative dazu sei von denen ausgegangen, die gegen die Besatzer gekämpft hätten, sprich vom ganzen griechischen Volk mit Ausnahme derjenigen, die – einzig von ihrem Selbsterhaltungstrieb geleitet – die Besatzer unterstützt hätten. Der Protagonist Kosmas werde als ein solcher Held

Frangopoulos, 1955. 33 Raftopoulos, Rezension Kasdaglis 1955; Raftopoulos, Rezension Kotzias 1955. 34 Unter „Geist der Zeit“ ist hier „Geist linker Fortschrittlichkeit“ zu verstehen.

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der Selbsterhaltung dargestellt. Ohne persönliche Vorgeschichte, ohne auf persönlicher Entscheidung aufbauenden ideellen Hintergrund könne er ja – so der Autor – nicht dafür verantwortlich gemacht werden, ­zwischen die Mühlsteine geraten zu sein. Der Autor selbst aber gebe dazu den distanzierten, von all dem Blutvergießen erschütterten Beobachter. Diese unredliche Position sei pseudoobjektiv und verleumderisch. Denn er setze die kollaborierenden Paramilitärs mit ihren Gegnern gleich. Die hätten über wahre Prinzipien und wahre Helden verfügt, würden aber hier stattdessen von einem „Weibsbild“ (im griechischen Text: γύναιο) wie Myrrha repräsentiert. Der Nationale Widerstand werde zu einem Vernichtungskampf zweier Gruppen herabgewürdigt, denen es nur um die Macht nach dem Krieg gegangen sei. Literarisch sei das Buch eine zweitklassige Abenteuergeschichte, deren Konzept der Leser nur zu bald durchschaue, und was die Protagonisten betreffe, so s­ eien sie beide romanhaft-­unglaubwürdig. Myrrha verhalte sich völlig unweiblich, und Kosmas’ unbeirrbare Liebe zu ihr reiche nicht hin, einen positiven Charakter aus ihm zu machen. Ein Kunstwerk aber entstehe nur dort, wo zumindest einer der Protagonisten Träger einer positiven Grundhaltung sei – und die habe ein guter Autor mit ihm zu teilen. Die durchaus zu konzedierenden stilistisch-­ gestalterischen Vorzüge des Textes könnten ­dieses Defizit nicht ausgleichen. „Was soll man nach alledem zur Πολιορκία (Belagerung) von Herrn Kotzias sagen?“ – so leitet Raftopoulos zu seiner anschließenden Rezension über. Über mehr als 400 Seiten würden einem die seelischen Turbulenzen eines jener kriminellen Haudegen als tragisches Geschehen zugemutet, die mal Landsleute an die Deutschen ausgeliefert, mal unverdächtige Passanten nach Belieben umgebracht hätten, mal zum Plündern losgezogen ­seien. Gerechtfertigt werde das mit dem Überlebenskampf von Belagerten. Über die Ursachen des gegenseitigen Mordens behaupte Kotzias nichts zu wissen, das sei Sache der Historiker.35 Der Geist des ganzen Buches, besonders aber die Ansichten des Herrn Direktors (gemeint ist die Figur des Direktors der Sicherheitspolizei Marios Isakidis), die wie keine anderen für diejenigen des Autors zu stehen schienen, lasse aber die Absicht überdeutlich werden, die Verantwortung für die „Ereignisse“ denjenigen zuzuschieben, die den Nationalen Widerstand (laut Kotzias eine „linke Revolution“) geleistet hätten. Wie Roufos und Frangopoulos kümmere es auch Kotzias nicht, dass damit der Widerstand ironisiert bzw. annulliert werde. Wie Kasdaglis’ Held ­seien auch der Protagonist Papathanassis und seine Leute als nicht Verantwortliche, als lediglich Verstrickte dargestellt. Hier zeigten sich – und damit erweist sich Raftopoulos als kenntnisreicher als andere Rezensenten – deutliche Parallelen zu Dostojewski. Doch während dieser die psychischen Zustände seiner Protagonisten aus einem organischen Gewebe von Einzelfaktoren hervorgehen lasse, gehe es Kotzias nur um die Schaffung einer suggestiven Atmosphäre zur Heroisierung einer gänzlich unheroischen Figur. Im

35 Raftopoulos bezieht sich auf Kotzias’ dem Romantext vorausgehenden, unbetitelten Prolog.

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Übrigen scheitere die Parallele zu Dostojewski an den Divergenzen ­zwischen russischer und griechischer Mentalität. Zwischen Ekel und Unwillen schwanke der Leser schließlich bei der Darstellung der „unglaublich misshandelten Atmosphäre der heiligen Momente der Befreiung Athens“, die das Buch herablassend und spöttisch wiedergebe.36 Diese Verunglimpfung der historischen Wahrheit und des Widerstandes ausgerechnet zum 10. Jahrestag des Kriegsendes falle auf Kotzias selbst zurück.37 Gemeinsames Kennzeichen aller vier Romane sei der sie durchwehende Todeshauch. Der Tod niste in den Seelen ihrer Helden, kein Lichtschein erhelle ihre todverfallene Sicht. „Lassen wir sie also mit ihrem Tod hinter uns.“ 38

Die rechts perspektivierten Romane der 1950er Jahre (II: 1955 – 1958) und ihre Rezeption Direkt an Η ρίζα του μύθου (Die Wurzel des Mythos) anschließend, berichtet Πορεία στο σκοτάδι (Marsch durch die Dunkelheit), der 1955 herausgekommene zweite Band der Trilogie von Rodis Roufos, über die weiteren, abenteuerlich ereignisreichen Erlebnisse Dions im Jahr 1944, deren Hauptschauplätze diesmal West- und Zentralgriechen­land sind. Von den sich lediglich in bürgerkriegsartigen Aktionen erschöpfenden Auseinandersetzungen in Athen frustriert, machen sich Dion und seine Freunde an die Umsetzung ihres eigentlichen Ziels: endlich nationalen Widerstand gegen die Besatzer zu leisten. Dazu gründen sie nach antikem, um christlich-­byzantinisches Gedankengut angereichertem Vorbild eine „Heilige Schar“, die sich dem EDES (= Nationale Republikanische Liga) in Epiros anschließt, ohne sich vorbehaltlos mit dessen politischer Ausrichtung zu identifizieren. Bei aller Belastung durch den bald strapaziösen, bald monotonen Militäralltag schreitet der Selbstfindungsprozess des Protagonisten voran. Was das Politische betrifft, reifen in Dion drei neue perspektivische Faktoren heran: Enttäuschung über das weniger auf Widerstand als auf politischen Nachkriegseigennutz bedachte Agieren der Rechten, ein besonnen-­moderater Pazifismus, schließlich eine von tiefgehender Beschäftigung zeugende Achtung vor den Idealen und Visionen kommunistischer Widerstandskämpfer. Zwar fallen in der Erstfassung gelegentlich noch markige antikommunistische Sprüche bzw. irritierende politische Äußerungen, wesentlicher aber ist, dass Roufos sein Buch allen „ehrlich-­aufrichtigen Kämpfern“ in

36 „[A]τμόσφαιρα των ιερών στιγμών της απελευθέρωσης της Αθήνας απίστευτα κακοποιημένη“, Raftopoulos, Rezension Kotzias 1955, S. 334b. 37 Raftopoulos war irrtümlich der Meinung, das Buch sei 1955, also erst in demselben Jahr erschienen, in dem er seine Rezension schrieb. 38 „Ας τους αφήσουμε λοιπόν με το θάνατό τους“, Raftopoulos, Rezension Kotzias 1955, S. 334b.

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dieser „furchtbaren Zeit“ gewidmet hat, dabei neben den Kameraden des Ieros Lochos (= Heilige Schar) ausdrücklich die Gegner miteinbeziehend.39 1958 unter dem Titel Η άλλη όχθη (Das andere Ufer) erschienen, schildert der dritte und letzte Band der Trilogie den weiteren Weg Dions von Herbst 1944 bis Sommer 1945. Mehr noch als zuvor wird deutlich, dass es Roufos konzeptionell nie vorrangig um eine historische Schilderung bzw. die verallgemeinerte Geschichte einer politischen Perspektive, sondern um eine persönliche Chronik ging, die vor dem Hintergrund der dramatisch-­abenteuerlichen zeitgeschichtlichen Umstände den Entwicklungs- und Reifungsprozess eines jungen Mannes und ihm nahestehender Gleichaltriger thematisiert. Historisch so Bedeutendes wie das endgültige Scheitern des EDES im Epiros, die Athener Dezemberereignisse und das Abkommen von Varkiza wirken nur als Nachrichten aus der Ferne auf Dion und seine nationale Truppeneinheit ein, die es schon bald von ihrem bisherigen Standort Ioannina in die Idylle Korfus verschlagen hat. Die beiden wichtigsten Ereignisse dort: Zum einen die spannungsreiche, dramatisch endende Wiederbegegnung mit dem ELAS-Offizier Giannopoulos, einem ehemaligen Schulkameraden und Mitstudenten Dions, zum anderen die sich aus Dions musisch hochkarätigem Umgang mit der Patrizierfamilie der Motsenigo ergebende Bekanntschaft mit der jungen Anna Motsenigo. Der ideologische Abklärungsprozess z­ wischen dem Nationalliberalen Dion und dem Kommunisten Giannopoulos, beiderseits fair, ehrlich und auf hohem Niveau geführt, zählt zu den Schlüsseltexten des Buchs. Sein Resultat desillusioniert Dion auf ganzer Linie: Giannopoulos’ bedingungslos gewaltbereiter Machiavellismus bietet keine Möglichkeit für Gemeinsamkeiten. Doch auch das Versagen des eigenen Lagers, der Verlust aller vormaligen hochfliegenden Ideale und die Enttäuschung, kaum etwas für den Widerstand geleistet haben zu können, frustrieren Dion.40 Eine positive Wende nimmt nur das Private: Dions Beziehung zu Anna entwickelt sich auf komplizierten Umwegen zu einer großen Liebesgeschichte, deren Happy-­End auch den Roman zum Abschluss führt. Zur Rezeption der beiden Romane: Πορεία στο σκοτάδι (Marsch durch die Dunkel­ heit) hat die Kritik im Vergleich zum Vorgängerband deutlich weniger beschäftigt.41

39 „Gewidmet den ehrenhaften Kämpfern des Schreckensjahres – den Kameraden der ‚Heiligen Schar‘ wie den Gegnern“ („αφιερώνεται στους τίμιους αγωνιστές της Τρομερής Χρονιάς – συντρόφους ιερολοχίτες ή αντίπαλους“), Provelengios alias Roufos, Πορεία (Marsch), 11955, S. 7. 4 0 „Während ihr gegen Kälte, Angst und Heimtücke kämpftet, haben wir uns hier mit Wein, unseren Hormonen und metaphysischen Problemen amüsiert“ („Όταν σεις παλεύατε το κρύο και το φόβο και το δολερό μαχαίρι, εμείς εδώ διασκεδάζαμε με κρασί και με τις ορμόνες μας και μεταφυσικά προβλήματα“), Roufos, Χρονικό (Chronik), 32004, S. 729. 41 Laut Daskalopoulos, Βιβλιογραφία Ρούφου (Bibliographie Roufos), 1991, S. 53 f., erschienen insgesamt 16 Rezensionen.

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Einhellig konstatieren die Rezensenten den Gewinn an literarischer Qualität, der das Buch auszeichne. Das bestätigt sich in der Auszeichnung mit einem prestigeträchtigen Literaturpreis (dem Ouranis-­Preis) im folgenden Jahr (1956). Die Kritik rühmt den Wandel des Autors vom essayistisch reflektierenden zum echten, auch die Dimension diskreten Humors nicht aussparenden Erzähler. Πορεία στο σκοτάδι (Marsch durch die Dunkelheit) bewege als Dokument einer Emanzipation: Die Zermürbung seiner idealistischen Träume habe Dion allen Hochmut ablegen und seinen ausdifferenzierten Aristokratismus an Reife gewinnen lassen.42 Die Rezeption von Η άλλη όχθη (Das andere Ufer) fiel numerisch nochmals um einiges schmaler,43 aber facettenreich und (von einer deplacierten, gönnerhaft-­belehrenden Ausnahme abgesehen 44) durchaus positiv aus. Die zuweilen etwas blass profilierten Figuren des (nun wieder als essayistisch charakterisierten) Romans vermittelten verdienstvoll das Ringen um Orientierung einer Jugend, die viel durchgestanden und noch durchzustehen habe, dabei aber Verantwortung und Führung übernehmen wolle. Man habe es mit einem fesselnden Buch zu tun, dessen Autor seine Mittel beherrsche und einen geistigen Prozess erstehen lasse, wie er angesichts eines solchen Stoffs kaum möglich erscheine. Guter Geschmack und unterschwelliger Humor sorgten dafür, dass sich maßvoll differenzierender Humanismus allem Schwarz-­Weiß-­Denken gegenüber zu behaupten wisse. Der Roman verhandele eine Tragödie, sei aber kein trauriges Buch. Sehr gelobt wird das sich seinem Chronik-­Charakter verdankende erzählerische Konzept: Es werde auf hohem sprachlichen Niveau poetisch-­nachdenklich umgesetzt und zeige die jungen Leute nicht als ständig bedeutungsvoll reflektierende und Schlüsselereignisse gestaltende Helden, sondern lebensnah eingebunden in Gewichtiges und Marginales zugleich. Das von Roufos präsentierte Menschenideal sei modern und zeitgemäß. Von den Rezensenten immer wieder hervorgehoben: Bester Teil des Buches ­seien die auf Korfu spielenden Episoden.45

42 Stasinopoulos, Το χρονικό της απονομής του βραβείου (Chronik der Preisverleihung), 1955; Venezis, Βραβείον Ουράνη (Ouranis-­Preis), 1956; Chatzinis, Rezension Provelengios/ Roufos Πορεία (Marsch), 1956; Kranidiotis, Artikel zur Preisverleihung, 1956, S. 254. 43 Laut Daskalopoulos, Βιβλιογραφία Ρούφου (Bibliographie Roufos), 1991, S. 54 f., ­erschienen insgesamt nur fünf Rezensionen. 4 4 Karagatsis, Rezension Provelengios/Roufos Όχθη (Ufer), 1959. 45 Thrylos, Rezension Provelengios/Roufos Όχθη (Ufer), 1959, S. 196; Chatzinis, Rezension Provelengios/Roufos Όχθη (Ufer), 1959, wiederveröffentlicht in: Chatzinis, Προτιμήσεις (Präferenzen), S.  129 – 132; Sachinis, Rezension Provelengios/Roufos Όχθη (Ufer), 1959; Sachinis, Rezension Provelengios/Roufos Ρίζα (Wurzel), Πορεία (Marsch), Όχθη (Ufer) und Roufos, Η Χάλκινη Εποχή (Das eherne Zeitalter), 1965 (der hier relevante Teil ist eine Wiederveröffentlichung der Rezension von 1959), in: Sachinis, Nέοι πεζογράφοι ( Junge Prosaautoren), 1965, S. 159 – 168, bes. S. 165 – 168.

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Offenbar unter dem apodiktischen Eindruck der von Raftopoulos entfesselten Polemik gegen den ersten Band, auf dessen Grundlage ja eigentlich noch gar keine tragfähige Beurteilung der Trilogie als Ganzes möglich war, kamen zu den Bänden 2 und 3 von der Linken keine weiteren Reaktionen. Auch von bzw. über Raftopoulos selbst gibt es keinen eindeutigen Hinweis auf eine nähere Kenntnisnahme. Auf welch bemerkenswert verschlungenen Wegen Raftopoulos gleichviel dafür sorgte, dass auch diese von der Linken offenbar gar nicht rezipierten Bände ausdrücklich dem Sammelbegriff schwarze Literatur unterstellt wurden (genaugenommen war bisher selbst der erste Band noch gar nicht direkt mit ­diesem Bann belegt worden), wird der folgende Untersuchungsschritt sein.

Roufos’ Zypernroman und die Pauschalierung der Schwarze-­Literatur-­Formel 1960 veröffentlichte Rodis Roufos einen neuen, ein weiteres Mal autobiographisch eingefärbten Roman, zunächst auf Englisch (The Age of Bronze), dann auf Griechisch (H Xάλκινη Εποχή, Das eherne Zeitalter).46 Obwohl weder mit Besatzungszeit und Bürgerkrieg, sondern mit dem zypriotischen Befreiungskampf befasst, ist hier auf das Werk einzugehen, weil Raftopoulos, der auch gegen diesen Roman von Rodis Roufos wieder heftig polemisierte, dies in uns hier sehr interessierender Weise tat: Er leitete seine Kritik mit einer Wiederholung der 1955er Invektive gegen Η ρίζα του μύθου (Die Wurzel des Mythos) ein, wobei er den Roman nicht nur erstmals unter die bisher ja nur auf Kasdaglis gemünzte Verdammungsformel schwarze Literatur subsumierte, sondern in wie beiläufiger Selbstverständlichkeit auch gleich die beiden Folgebände der Trilogie in diese Kategorie miteinbezog – ohne sich (von einem Hinweis auf den Literaturpreis für den zweiten Teil abgesehen) in irgendeiner Weise näher mit diesen befasst zu haben oder sich jetzt mit ihnen zu befassen. Seinen einleitenden Schwarze-­Literatur-­Rekurs begründet Raftopoulos damit, dass der Zypernroman sich inhaltlich mit Reminiszenzen und teils auch gleichem Figurenpersonal an Roufos’ „empörende“ Trilogie anschließe. Deren erster Teil sei ein verleumde­ rischer Anschlag auf den Widerstand und eine kaum verhüllte Apologie der Kollaboration im Namen des Antikommunismus gewesen. Die Position des Buches sei offen klassenbezogen, das elitäre Verhältnis des Autors zur gesellschaftlichen Realität rein reaktiv.47 In 4 6 Roufos, Age of Bronze; Η Χάλκινη Εποχή (Das eherne Zeitalter), beide 1960. 47 Die auf der Hand liegende Frage, ob denn die Position der Linken nicht ebenso klassenbezogen sei, existiert für Raftopoulos ideologisch nicht, denn für ihn gilt das typisch gräkomarxistische Ideologem „Arbeiter- und Bauernklasse = Griechenlands Volk = Gesamtnation.“ Vgl. Karali, Hμιτελής άνοιξη (Halbvollendeter Frühling), 2005, S. 51, sowie Nikolopoulou, Ο „Tριακονταετής πόλεμος“ (Der „Dreißigjährige Krieg“), 2008, S. 427 – 428.

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allen damaligen Büchern habe der komplette ethische Niedergang und geistige Verfall bürgerlicher Ideologie ihren Niederschlag gefunden. An die Stelle der von ihr ­verratenen, nur lästige Schuldgefühle zeitigenden Ideale ­seien metaphysischer Ästhetizismus und ständiges Gerede von einem „Traum“ bzw. „Mythos“ getreten, den es zu retten gelte. Der Roman war eine maßlose Provokation, ein hinterhältiger Anschlag per Schwarze Literatur, über den hierzulande das Urteil von vornherein feststand – und sein Scheitern war fatal. Die Öffentlichkeit hat ihn gebührend verachtet, schon nach einem Jahr hat sich Vergessen über ihn ausgebreitet.48

Raftopoulos bindet seine 1955er Reminiszenzen hier deswegen so exponiert ein, weil er erneut ein unzeitgemäßes Verhältnis zur realen Welt ausgebaut sieht, das auch Roufos’ frühere Bücher charakterisiert habe: „[…] Das Wesentliche scheint für den Autor die ästhetische Umsetzung zu sein, eine metaphysische Alchemie im Dienste der Umwandlung von Realität (die den Turmwächtern der Dekadenz unerträglich scheint) in das fragwürdige Gold von Symbolismen und anderen ästhetischen Utopien.“ 49 Für Raftopoulos ist ästhetische Form Resultat und Produkt einer Realität und nicht deren Ursache. Für Roufos diagnostiziert er das Gegenteil – und es ist einzuräumen, dass Roufos’ Bücher derartige Tendenzen aufweisen. Unverkennbar ist hier natürlich der Einfluss ästhetischer Philosopheme sozialistischer Prägung, und es war auf diesen Einfluss hier hinzuweisen, weil bei der Genese des Schwarze-­Literatur-­Verdikts auch der ästhetische Faktor eine Rolle gespielt hat.

Binnenredaktionelle und innerparteiliche Funktion der Schwarze-­Literatur-­Kampagne und ihre Beendigung – Die neue Formel „schwarze politische Literatur“ von 1965 Es war bereits die Frage aufgekommen, was Raftopoulos 1955 dazu bewogen haben mochte, derart vehemente Polemiken abzufassen. Nicht nur der apodiktischen Roufos-­ Kritik von 1961 mit ihrem demonstrativen Rückgriff auf die 1955er Texte wegen stellt sich die Frage erneut: Die seit 1955 von Raftopoulos in der Epitheorisi Technis insgesamt 48 „Ήταν μια υπέρμετρη πρόκληση, μια απόπειρα για μαύρη πολιτική λογοτεχνία, προκαταβολικά καταδικασμένη σ’ αυτό τον τόπο, και η αποτυχία της ήταν μοιραία. Το κοινό την περιφρόνησε όπως της άξιζε και έφτασε ένας χρόνος για να την καλύψει η λήθη“, Raftopoulos, Oι ιδέες (Die Ideen), 1965, S. 306. 49 „…το ουσιαστικό φαίνεται να είναι για τον συγγραφέα η αισθητική έκφραση, μια μεταφυσική αλχημία για την μεταστοιχείωση της πραγματικότητας (που φαίνεται ανυπόφορη στους πυργοδεσπότες της ντεκαντάνς) σε αμφίβολο χρυσό συμβολισμών και άλλων αισθητικών ουτοπιών“, Raftopoulos, Oι ιδέες (Die Ideen), 1965, S. 307.

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geleistete Arbeit lässt nämlich keinen Zweifel daran, dass er sich normalerweise an Kriterien orientierte, die ihn als undoktrinär und anspruchsvoll abwägenden Rezensenten ausweisen. Als hilfreich für die Aufhellung und den Nachvollzug d­ ieses Widerspruchs empfiehlt es sich, seine bereits erwähnte Erzählung Οι πελαργοί (Die Störche) von 1955 sowie zwei weitere, gleichfalls in der Epitheorisi Technis erschienene Erzählungen Τι είδε το μάτι του ταύρου (Was das Auge des Stiers sah) von 1957 und Κάτι δεν πήγαινε … (Irgend etwas lief da nicht …) von 1959,50 vor allem aber den großen, so symptomatischen Parteiprozess von 1959 in unsere Überlegungen einzubeziehen, den die Partei gegen die führenden Köpfe der Epitheorisi Technis in Gang setzte. Auslösender Anlass für diesen Prozess, der u. a. dazu führte, dass Raftopoulos zeitweise aus der Redaktion ausgeschlossen wurde, war die provokante Veröffentlichung einer von Nikita Chruschtschow höchstpersönlich verurteilten systemkritischen Erzählung des Sowjetautors Daniil A. Granin.51 Gemeinsamer Hintergrund dieser scheinbar disparat nebeneinanderstehenden Phänomene war der bereits geschilderte Gärungsprozess innerhalb der Linken, zu dessen intellektuellem Austragungsort sich die Epitheorisi Technis schon kurz nach ihrer Gründung entwickelt hatte. Hier standen sich die ältere, noch ganz auf linientreuen Parteigehorsam disziplinierte Generation der Linksintellektuellen und die jüngere, immer entschiedener für Autonomie der Kunst kämpfende Gruppe gegenüber. In den sich daraus entspinnenden, in Artikeln und Gegenartikeln ausgetragenen Kontroversen allein das Dokument einer interessanten Diskussion wahrzunehmen, greift zu kurz. Für die oppositionellen Redakteure ging es dabei durchaus auch um die Existenz.52 All dies im Blick, ergibt sich folgendes Bild: Bedenkt man, mit w ­ elchen Argusaugen die damalige Linke auf Abweichler a­ chtete, tritt die diskrete Provokation zutage, die Raftopoulos mit Οι πελαργοί (Die Störche) lanciert und so seine Zugehörigkeit zur Gruppe der aufmüpfigen Jungredakteure signalisiert 50 Raftopoulos, Οι πελαργοί (Die Störche) 1955 (der erste Text, den Raftopoulos in der ­Epitheorisi Technis überhaupt veröffentlicht hat); Raftopoulos, Τι είδε το μάτι (Was das Auge sah), 1957; Raftopoulos, Κάτι δεν πήγαινε (Irgend etwas lief da nicht), 1959. 51 Die unter dem Titel Granin, Η Σιωπή (Das Schweigen) in der Epitheorisi Technis veröffentlichte griechische Fassung (Originaltitel: Собственное мнение, Die eigene Meinung) fußt auf der italienischen Übersetzung. Sie stellte für EDA und KKE eine Provokation sondergleichen dar und bot sich als willkommene Gelegenheit an, mit der missliebig „revisionistischen“ Redaktion abzurechnen. Ausführliches zur Geschichte des Prozesses in Ioannidou, Υπόθεση Γκράνιν (Der Fall Granin), 2008, und Karali, Hμιτελής άνοιξη (Halbvollendeter Frühling), 2005, S.  189 – 193. 52 Neben verschiedenen Formen materieller Abhängigkeit war vor allem der psychosoziale Druck enorm. Vgl. die Selbstzeugnisse in Raftopoulos, Αναθεώρηση Τέχνης (Revision der Kunst), 2006, S. 59 (Zitat Chefredakteur Kostas Kouloufakos) sowie Faïs, Interview mit Dimitris Raftopoulos, 2007.

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hatte – erinnerte er doch u. a. wider alle damalige Parteiempfehlung daran, dass es einen Bürgerkrieg gegeben hatte. Wie gerufen, wie „eine in die Milch gefallene Fliege“ (so die spätere Formulierung von Alexandros Argyriou) kamen da für R ­ aftopoulos die vier „schwarzen“ Romane, um sich mit lupenreiner Linientreue an die Spitze linker Empörung zu setzen.53 Historisch-­politisch tat er das sicherlich noch mit einiger Überzeugung, denn er hatte, gläubig eingekapselt in den Agitationsdiskurs der Linken der 40er Jahre, die Besatzungs- und Widerstandszeit lediglich aus der journalistischen Etappe miterlebt und nicht nur keinen näheren Einblick in die EAM-Doppelstrategie gehabt, sondern sich auch weithin, darin der überwältigenden Mehrheit der Linken folgend, eine unkritische Perspektive bewahrt. Der Schock über die in den „schwarzen“ Romanen vermittelte Sicht der Dinge war partiell durchaus echt. Ästhetisch-­ideologisch lagen die Dinge komplizierter. Schon seit Ai-­Stratis hatten Raftopoulos und seine Mitstreiter ein gebrochenes Verhältnis zu den literaturtheoretischen Vorgaben aus Moskau (s. o.). Die Vokabel sozialistischer Realismus als positive Größe kam ihnen nur noch halbherzig über die Lippen, und obwohl Raftopoulos in der Tat noch erhebliche Vorbehalte gegen die Innovationen der bürgerlichen Literatur hegte, machen antiexistentialistische Invektiven wie in den einleitenden Absätzen der Kasdaglis-­Polemik einen demonstrativ aufgesetzten Eindruck. Dass Raftopoulos das auch selbst so sah, belegt seine Streichung all dessen bei der 1965er Wiederveröffentlichung der Texte (s. u.). So darf als plausibel angenommen werden: Raftopoulos’ Artikel zur schwarzen Literatur dienten auch dem Zweck, angesichts der zunehmenden Divergenzen sich als Kritiker, Autor und binnenredaktioneller Diskussionspartner innerparteilich den Rücken frei zu halten und ideologische Spielräume abzusichern. Und die Dinge wiederholten sich: Auch Τι είδε το μάτι του ταύρου (Was das Auge des Stiers sah) von 1957 (der Text erzählt subtil und ganz unplakativ vom grausamen Sterben eines Häftlings auf Makronissos, der sich weigert, eine Reueerklärung zu unterschreiben) musste linientreue Parteiwächter irritieren. Nicht nur des heiklen Themas Makronissos wegen – provozierend waren auch Raftopoulos’ literarische Mittel (innerer Monolog, Bewusstseinstrom), vor allem aber, dass der Protagonist zwar Kommunist, dies aber als antitotalitärer Außenseiter war. Was die dritte Erzählung Κάτι δεν πήγαινε … (Irgendetwas lief da nicht …) von 1959 betrifft, ist man dagegen zunächst geneigt, sie als völlig harmlose Belletristik einzustufen, so zeitlos-­neutral erzählt Raftopoulos von der fundamentalen Enttäuschung einer Frau, die ihre sozialen Aufstiegswünsche auf einen Mann projiziert, der sich als Blender erweist. Doch die Erzählung lässt sich nicht nur perfekt als Parabel für die Korrosion und den Zusammenbruch einer bis

53 „In ­dieses Klima fiel Πολιορκία (Belagerung) wie eine Fliege in die Milch“ („Μέσα σε αυτό το κλίμα η Πολιορκία έπεσε σαν μύγα μες στο γάλα“, Argyriou, Αλέξανδρος Κοτζιάς (Alexandros Kotzias), 1994, S. 20.

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dahin für unanfechtbar höherwertig gehaltenen Weltsicht, sprich der etablierten kommunistischen Ideologie mitsamt ihrem sozialistischem Realismus rezipieren: Auch die Platzierung des Texts genau in derjenigen Ausgabe der Epitheorisi Technis, in welcher zugleich Daniil Alexandrowitsch Granins auf ganz ähnliche Zusammenhänge abzielende Erzählung veröffentlicht und zur anlassgebenden Mitauslöserin des parteiinternen Prozesses gegen die Epitheorisi Technis wurde, dürfte kein Zufall, sondern hintersinniger Schachzug gewesen sein. Weiter: Nach den Aufregungen und belastenden Folgen des Parteiprozesses war es für Raftopoulos nur opportun, abermals Konformität zu demonstrieren. Dafür bot sich der neue Roman von Rodis Roufos als wieder hochwillkommenes Vehikel an. Das dürfte erklären, warum er seinen einleitenden, thematisch nicht unbedingt plausiblen, aber umso aggressiveren Rückgriff auf die 1955er Rezensionen so plakativ zum Einsatz brachte. Anzumerken bleibt allerdings auch, dass Raftopoulos die Kritik nicht nur aus taktischem Kalkül schrieb. Seine Abneigung gegen Roufos’ auffälligen Hang zum Mythisch-­Mystizistischen und sein eigenes, konträr dazu divergierendes Realismus-­ Konzept sind absolut diskutabel begründet. Die Rezension des Zypernromans war die letzte, mit der Raftopoulos rechte Literatur kritisch attackiert und zugleich die letzte, in der er die Formel von der ­schwarzen Literatur selbst noch aktiv eingesetzt hatte. Die aggressive Polemik von ehedem setzte er nicht mehr fort, blieb sich aber deren durchschlagender Langzeitwirkung durchaus bewusst.54 Für die Rezeptionsgeschichte des Begriffs schwarze Literatur und der von ihm gebrandmarkten Werke gab es allerdings noch einen (oben schon angedeuteten) sehr bedeutsamen Epilog: 1965 fasste Raftopoulos 31 ihm wichtige Rezensionen in seiner ersten Buchveröffentlichung Οι ιδέες και τα έργα (Die Ideen und die Werke) zusammen. Unter dem Gesamttitel „Polemik“ bietet dessen abschließendes Kapitel nochmals die drei Kritiken von 1955, gefolgt von der Kritik zu Roufos’ Η Χάλκινη Εποχή (Das eherne Zeitalter). Die partiell durchgreifend revidierten Besprechungen sind in erstmaliger Modifikation der bisherigen Schwarze-­Literatur-­Formel nun mit „schwarze politische Literatur 1, 2 und 3“ überschrieben. Da Raftopoulos die obsolet hyperideologische Einleitung zur Rezension zu Kasdaglis’ Roman von 1955 gestrichen hatte, war damit auch die schon damals einzige originale Apostrophierung des Schlagworts schwarze Literatur in den ursprünglichen Kritiken unter den Tisch gefallen. Worunter er die seinerzeit rezensierten Romane subsumierte, ging jetzt nur noch aus der neuen Übertitelung und der nachgelieferten Gesamtbewertung am Anfang der Kritik zu Roufos’ Η Χάλκινη Εποχή (Das eherne Zeitalter) hervor, in der übrigens auch die 1961 noch verwendete alte Formel durch die neue mit dem Zusatz „politisch“ ersetzt wurde. Ein

54 Raftopoulos, Αναθεώρηση Τέχνης (Revision der Kunst), 2006, S. 209.

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eigentümlicher Befund, der angesichts des weiterhin bevorzugten Gebrauchs der alten Formel aufzeigt, w ­ elche Prägekraft sie und nicht Raftopoulos’ spätere Präzisierung gehabt haben und wie sehr die linke Rezeption ihrer bedürftig gewesen sein muss.

Die Funktion der Schwarze-­Literatur-­Formel im allgemeinen linken Diskurs und Raftopoulos’ divergierende Interpretation des Begriffs Nach alledem wird die Doppelfrage relevant, was der Begriff schwarze Literatur, der auch nach der Formeländerung von 1965 zu schwarze politische Literatur der gängige blieb, eigentlich genau besagte. Wie wollte ihn sein Urheber verstanden wissen, wie fasste ihn die linke Rezeptionsöffentlichkeit auf ? Um mit Letzterem zu beginnen: Ob vom Urheber intendiert oder nicht, „schwarz“ wurde umgehend mit „faschistisch“ bzw. „rechtsextrem“ gleichgesetzt.55 Der pauschalisierenden Verdammungskraft der so verstandenen Formel bediente sich die Linke (und das ihr mehrheitlich zuneigende Literaturpublikum) schnell als eines hochwillkommenen Amuletts, mit dem sich jede Reflexion über die in den inkriminierten Büchern artikulierten Perspektiven, Fragen und erinnernden Hinweise von vornherein ausschalten ließ.56 Der geradezu magischen Wirkungsmacht des Etiketts schwarze Literatur begegnet man bis heute auf Schritt und Tritt: Wo immer die Rede auf Roufos, Frangopoulos, Kasdaglis und Kotzias kommt, wird stereotyp an ­dieses Verdikt erinnert und angeknüpft. Überprüft man Raftopoulos’ ursprüngliche definitorische Position, so muss man sagen, dass er eigentlich alles dafür getan hat, dass sein Schlagwort in der beschriebenen Weise aufgegriffen wurde. Der einleitende Passus seiner Kritik zu Kasdaglis’ Roman von 1955 stellt den Begriff in einen eindeutig politischen, in Richtung des Rechtsex­ tremen weisenden Zusammenhang. Auch wenn er 1965 diesen Passus samt Schlagwort tilgt, bestätigt er die bisherige Assoziation des Politischen durch ausdrückliche Erweiterung des Begriffs zu schwarze politische Literatur. Dennoch wendet er sich später dagegen, die Formel in dem Sinne misszuverstehen, hier ­seien die Schwarzhemden der Faschisten zu assoziieren (1997): Vielmehr leite sich die Vokabel vom Terminus

55 Typisch in seiner Beiläufigkeit: Argyriou, Αλέξανδρος Κοτζιάς (Alexandros Kotzias), 1994, S. 21. 56 „Alexandros Kotzias wurde als ‚schwarze Literatur‘ abgestempelt […], na, und da soll einer sehen, wie er so etwas wieder loswird bei einem Leserpublikum, das – vergessen wir das nicht! – in seiner Mehrheit links ist“ („…ο Αλέξανδρος Κοτζιάς χρεώθηκε στήν „μαύρη λογοτεχνία“ […], κι εσύ άντε να βγάλεις τη ρετσινιά με ένα αναγνωστικό κοινό το οποίο στην πλειονότητά του –ας μην το ξεχνάμε– είναι αριστερό“), ebd.

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für das Filmgenre „film noir“ her.57 Davon einmal abgesehen, könne man in den Fällen Roufos und ­Frangopoulos durchaus von Faschismus sprechen.58 2006 dagegen führt er den Terminus auf die schwarze Literatur des 19. Jahrhunderts mit ihren besonders in Frankreich und England beliebten Schauer- und Horrorromanen zurück („gothic novel“).59 Obwohl Raftopoulos unterstreicht, er habe das Wort „politisch“ eingefügt, eben um der Assoziation „faschistisch“ entgegenzuwirken, hat er doch gerade damit diese Assoziation umso mehr perpetuiert. Wann immer Raftopoulos später auf das Thema schwarze Literatur angesprochen wird (besonders, wenn gleichzeitig von seinen nun völlig veränderten literaturkritischen Positionen die Rede ist), fällt auf, wie ambivalent er reagiert. Fast schon bedrängt von der vitalen Wirkungsmacht seiner Formel, die sich längst von ihrem Urheber gelöst und verselbstständigt hatte (vgl. Raftopoulos: „Der vielberedete Streitpunkt schwarze politische Literatur“, eine „Formel, auf die mich […] viele Jüngere festnageln“), bemüht er sich einerseits, seine „gewalttätige Verdammung“ von damals zu relativieren, andererseits aber doch an ihr festzuhalten.60 Dabei kommt er mehrfach auf die bereits angeführte Äußerung der Figur Stefanos über die Visagen kommunistischer Proleten zu sprechen, die es aus ästhetischen Gründen auszumerzen gelte. Das sei zu einer Zeit, in der Kommunisten einsaßen und auf ihre Hinrichtung warteten, Kollaborateure aber an der Macht gewesen wären, sich bereichert und Terror verbreitet hätten, unerträglich gewesen, und er würde deshalb auch heute noch (hier = 2006) die Kommunisten gegen Werke, ­welche für nationalen Verrat und blinden Antikommunismus stünden, in Schutz nehmen.61 Die in Rede stehenden Autoren habe er damals aber nicht als Faschisten, sondern als „Möchtegern-­Nietzscheaner“ bezeichnet.62

57 Steht für krude-­veristische Darstellung menschlicher Abgründigkeit. 58 „film noir, schwarze Faschistenhemden“: Siehe Faïs, Interview mit Dimitris Raftopoulos, 1997, S. 111. 59 „Schwarze Literatur“: Praz, La carne, la morte e il diavolo, 1930. Ferner: Raftopoulos, Αναθεώρηση Τέχνης (Revision der Kunst), 2006, S. 199. 60 „Tο περιβόητο ζήτημα της μαύρης πολιτικής λογοτεχνίας […] χαρακτηρισμό που […] πολλοί νεότεροι μου προσάπτουν […] βίαιη καταδίκη“, Raftopoulos, Αναθεώρηση Τέχνης (Revision der Kunst), 2006, S. 198. 61 „Kommunistenvisagen“: Faïs, Interview mit Dimitris Raftopoulos, 1997, S. 111, sowie ­R aftopoulos, Αναθεώρηση Τέχνης (Revision der Kunst), 2006, S. 199. 62 „[N]ιτσεϊκούς της κακιάς ώρας“, Raftopoulos in der Sendung des Fernsehkanals ERT, Εποχές και Συγγραφείς (Zeiten und Autoren), 2006. Die Verehrung Nietzsches und der Einfluss der Werke von Gustave Le Bon und Thomas Carlyle, gepaart mit der idealistisch-­pessimistischen Grundhaltung deutscher Dekadenzphilosophie sind laut Raftopoulos der Humus für den fortschrittfeindlichen, heroisch-­ästhetischen Mystizismus, der die jungen Antikommunisten bei Roufos und Frangopoulos prägt und leitet (Raftopoulos, Οι ιδέες [Die Ideen], 1965, S. 48 – 49 u. 291).

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So oft der Begriff schwarze Literatur allgemein zur mündlichen Schnellverständigung benutzt wurde, so selten begegnet man ihm (von späterer, literaturgeschichtlicher Erwähnung abgesehen) – in schriftlichem Zusammenhang. Ein seltenes Gegenbeispiel liefert der bedeutende linke Autor Dimitris Chatzis. Obwohl im ungarischen Exil, war er regelmäßiger Leser und Autor der Epitheorisi Technis, deren antidogmatisch-­ evolutionäre Ausrichtung er gegenüber dem KKE im Oktober 1963 unter besonderer Hervorhebung der Beiträge von Raftopoulos engagiert in Schutz nahm.63 Er teilte Raftopoulos’ negative Einschätzung der vier „rechts“ orientierten Autoren. Das zeigen zwei Artikel aus den Jahren 1961 und 1962. In deren erstem befasst sich Chatzis mit bürgerlicher Nachkriegsliteratur und kommt dabei auch auf die Autoren der schwarzen Literatur zu sprechen: Ungeachtet mancher erzählerischer Innovationen und Qualitäten sei das in diesen Büchern vermittelte Bild der Widerstandszeit national inakzeptabel, ethisch zersetzend, historisch unredlich und zeuge von literarischer Fäulnis. Man habe es hier mit einer „Prosa des Anti-­Widerstands“ zu tun.64 Auf den damaligen Diskurs wirkte dieser Artikel allerdings nicht ein, weil er aus redaktionellen Gründen zunächst nicht erscheinen konnte. Chatzis hat sich dann aber (vielleicht wegen aufgekommener Bedenken?) auch nicht weiter um eine Veröffentlichung bemüht; der Artikel erschien erst posthum 1987.65 Im damaligen aktuellen Kontext erschien dagegen Chatzis’ zweiter Artikel von 1962. In ihm begegnet erneut Raftopoulos’ Formel, nun zu „schwarzer Anti-­Widerstands-­ Literatur“ modifiziert. Es handelt sich um eine Rezension des ersten Bandes des Romans Nύχτες και αυγές (Nächte und Morgenröten) von Mitsos Alexandropoulos. Chatzis definiert das Buch des bedeutenden linken Schriftstellers als „Antwort“ auf Kasdaglis’ Τα δόντια της μυλόπετρας (Die Zähne des Mühlsteins): Unter auffälliger Installation eines Protagonisten gleichen Namens (also „Kosmas“) schildert er die Widerstandszeit aus einer linken Perspektive mit deutlich differenzierteren Merkmalen.66 ­Alexandropoulos’ Romanwerk ist ein markanter Beleg für die seit ihrem Wiederaufleben Mitte der 1950er Jahre beginnende, Anfang der 60er Jahre gesteigerte Weiterentwicklung der linken Nachkriegsliteratur. Das für die besiegte Linke tröstliche, mythisch-­heroisierende Element trat deutlich zurück: Nun war auch Raum für Zweifel und innerlinke Kritik, der Blick

63 Vgl. z. B. Apostolidou, Λογοτεχνία και ιστορία (Literatur und Geschichte), 2003, S. 128. 6 4 „[Π]εζογραφία της Αντιαντίστασης“, Quelle s. folgende Fußnote. 65 Der Artikel Ελληνική αστική πεζογραφία της Εθνικής Αντίστασης (Griechische bürgerliche Prosa des Nationalen Widerstands) sollte ursprünglich 1961 in der Zeitschrift Neos Kosmos erscheinen. Er wurde schließlich am 09. 08. 1987 im Kyriakatikos Rizospastis veröffentlicht und ist als Nachdruck zugänglich in: Chatzis; Apostolidou, Το πρόσωπο (Das Gesicht), 2005, S. 335 – 347. Genaueres zur komplizierten Veröffentlichungsgeschichte siehe A ­ postolidou, Λογοτεχνία και ιστορία (Literatur und Geschichte), 2003, S. 397 f. und Fußnote 11. 66 Chatzis, Rezension Alexandropoulos, 1962, S. 102.

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auf die gesellschaftliche und historische Realität wurde freier, vor allem rückte auch „der Andere“, der Mitmensch auf der gegnerischen Seite ins erzählerische Bewusstsein.67 Zumindest was – im Gegensatz zur Exilliteratur – die innergriechisch linke Literatur betraf, brachen sich nun auch „unorthodoxe“ Gestaltungsmethoden Bahn. Dies Erstarken der linken Literatur beförderte die Dominanz des kulturellen Linksdiskurses und korrelierte mit dem Erstarken des linken Sektors in der griechischen Innenpolitik Anfang der 60er Jahre.68

Die nationalkonservativen Romane von Evangelos Averof-­Tositsas (1964 und 1966) Inmitten dieser Situation bezog ein profilierter Politiker des konservativen Lagers mit zwei Widerstands- und Bürgerkriegsromanen eine politisch weitaus eindeutiger rechte Position als alle bislang genannten Erzählwerke. Die Rede ist von dem nationalkonser­ vativen, seit 1963 oppositionellen ERE-Politiker und ehemaligen Außenminister Evangelos Averof-­Tositsas (1910 – 1990) und seinen Romanen Η φωνή της γης (Der Ruf der Erde) und Γη της οδύνης (Erde des Schmerzes). Der erste Band erschien 1964, die fast 500-seitige Fortsetzung 1966.69 Anscheinend mit dem Ziel, ein Gegennarrativ zur Vergangenheitsversion der Linken aufzubauen, entfaltet Averof-­Tositsas am Leitfaden der Geschicke seines Protagonisten, des mit autobiographischen Zügen ausgestatteten thessalischen Landgutbesitzersohnes Nikitas Koletis ein historisches Großpanorama, das den gesamten Zeitraum 1939 – 1949 (letzte Vorkriegszeit – griechisch-­italienischer Krieg – Ende des Bürgerkriegs) abdeckt.70 Der in heterodiegetisch objektivierendem Tonfall präsentierte, abenteuer- und gestaltenreiche Text, in dem auch der historische EDES -Anführer Napoleon Zervas figuriert und höchst positiv gezeichnet wird, erzählt gekonnt aufgebaut und farbig. Durch die letztlich stets wertende Scheidung z­ wischen links und rechts wirken die (gelegentlich auch ­zwischen den Fronten positionierten) Figuren häufig leicht

67 Apostolidou, Τραύμα και μνήμη (Trauma und Erinnerung), 2010, S. 65. 68 „Sammlung der linken Mitte“ in Georgios Papandreous Partei Enosis Kentrou (EK, Zentrums­ union) dazu Wahlerfolge der EDA. 69 1968 baute der Autor die Romanfolge mit dem Band Γη δελφύς (Mutterschoß Erde) zur Trilogie aus. In ihm wird der weitere Weg des Protagonisten in der Nachkriegszeit bis 1965 geschildert. 70 Als psychisch labiler Ästhet aus Paris in das von ihm als rückständig verachtete Griechenland zurückgekehrt, entwickelt Koletis eine tiefverwurzelte Bindung an seine Heimat und Nation, die ihn zum mannhaften Kämpfer in Albanien, im Widerstand gegen die Italiener, gegen das aufkommende EAM, später dann auch auf der rechten Seite im Bürgerkrieg werden lässt.

Die nationalkonservativen Romane von Evangelos Averof-­Tositsas  | 253

eindimensional.71 Eine einschlägige Sprachregelung unterstreicht die politische Perspektive: Die „linke Flut“ besteht aus „Banditen“ und „Aufständischen“, die nationalgesinnten Rechten dagegen heißen einfach „die Griechen“.72 Ob es dabei nun um die Links-­Rechts-­Konfrontation während der Besatzungszeit, die Dezemberereignisse oder die Auseinandersetzungen 1946 – 1949 geht: Die Vokabel „Bürgerkrieg“ wird nicht benutzt. Stark hervorgehoben werden linke Greueltaten, das paidomazoma (das Wort verweist auf die osmanische „Knabenlese“ und meint die Zwangsrekrutierung von Kindern) sowie das von Beginn an angestrebte Ziel der Linken, nach dem Krieg die Macht an sich zu reißen.73 Ausschreitungen der Rechten verbucht der Erzähler dagegen als unvermeidliche Reaktion auf linke Untaten oder als Propaganda. Allerdings durchzieht die gesamte Erzählung ein keineswegs aufgesetzt wirkender Schmerz über die Tragik der geschichtlichen Gesamtkonstellation und ein um Respekt bemühtes Verständnis für die Vertreter der linken Gegenposition, die zwar als irrig, zugleich aber als Ausdruck der griechischen Nationaleigenschaft bezeichnet wird, bis in die Katastrophe um die Bewahrheitung höchster Ideale zu ringen.74 In einer besonderen Anmerkung am Ende des ersten Bands äußert sich Averof-­Tositsas minutiös zur Fiktivität oder Nicht-­Fiktivität seiner Figuren (mal real/historisch, mal modifiziert-­halbreal bis fiktiv). Der Umstand, es mit einem nicht-­professionellen Literaten, zugleich aber prominenten und einflussreichen Politiker zu tun haben, kennzeichnet die gesamte Rezeption der Romane von Averof-­Tositsas. Nach heutiger Auffassung nicht unbedingt der anerkannten Nachkriegsliteratur zugerechnet, geht die zeitgenössische Kritik durchaus ernsthaft und mit partiell deutlicher Zustimmung auf die Bücher ein.75 Nur Alexandros Kotzias zeigt sich völlig unbeeindruckt und veröffentlicht eine vernichtende Kritik des ersten Bandes: Die Kunst sei eine zu ernste Angelegenheit, um sie Dilettanten zu überlassen, Averof-­Tositsas verfüge über für ihn adäquatere „Einflussmöglichkeiten auf die Förderung

71 Nur die Figur des sich vom EAM-Kämpfer zum Kommunismus-­Renegaten wandelnden ­Mitsos bietet hier eine Ausnahme. 72 Nikolopoulou, Ο „Τριακονταετής πόλεμος“ (Der „Dreißigjährige Krieg“), 2008, S. 490. Ferner Apostolidou, Τραύμα και μνήμη (Trauma und Erinnerung), 2010, S. 148. 73 Paidomazoma (παιδομάζωμα, Kinderlese): in der Regel zwangsweise Verschickung von Kindern und Jugendlichen in sozialistische Länder durch die Linke während des Bürgerkrieges. 74 Vgl. die gegen Ende des 2. Bandes erzählte Geschichte von den „Tauben von Giannina“, die abgerichtet werden, so hoch wie irgend möglich aufzusteigen, um dann auf einen Pfiff hin wie Geschosse erdwärts zu stürzen. Es sei – so Michailidis, Rezension Averof-­Tositsas, Γη (Erde), Bd. 2 – das Spiel jugendlich-­unbedachten Wagemuts um höchste Höhen und schwindelnde Tiefen, wie es in Griechenland unaufhörlich gespielt werde. 75 „[N]icht unbedingt anerkannt“: Apostolidou, Τραύμα και μνήμη (Trauma und Erinnerung), 2010, S. 148.

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der Kunst“.76 Diese Einflussmöglichkeiten bekam Kotzias postwendend zu spüren: Es gab massiven Druck auf die Leitung der Zeitung, ihn zu entlassen.77 Bemerkenswert an Kotzias’ Rezension: Sie geht in keiner Weise auf die politische Tendenz des Erzählers ein. Gemeinsamer Cantus firmus aller weiteren Besprechungen ist hohes Lob für Averof-­ Tositsas’ Vermögen, in makelloser literarischer Dimotiki spannend und flüssig zu erzählen. Sehr gelungen sei die plastische Gestaltung der Figuren und einiger dramatischer ­Szenen, z. B. die intensive politische Diskussion des Protagonisten Koletis mit dem Kommunisten Voliotis, der ihn für das EAM gewinnen will. Es gebe weniger konventionell geschriebene Literatur, aber Η φωνή της γης (Der Ruf der Erde) sei ein nützliches Buch, das Realitäten anspreche, die ebenso wahr wie immer noch brennend aktuell s­ eien.78 Unter allen Kritiken verdient diejenige von Vassos Varikas über den zweiten Band (1966) die meiste Aufmerksamkeit. Denn hier macht sich neben fairer Wertung des Literarischen und Mut zu ebenso fairer politischer Distanzierung auch eine damals noch selten klare Wahrnehmung des spezifischen Minderheitsstatus rechtsorientierter Bürgerkriegsromane bemerkbar: Averof-­Tositsas schneide nicht nur Zusammenhänge an, die die Nation durchaus noch aktuell beschäftigten, sondern tue dies auch anders als die gegenwärtige Fülle sonstiger Literatur zum selben Thema: Zum einen sei er bestrebt, das ganze Jahrzehnt mit allen Folgeverflechtungen darzustellen, zum anderen stehe er – von der vielleicht einzigen Ausnahme Roufos abgesehen – als erster für „die andere Sicht der Dinge“. Insbesondere in der Sphäre des Literarischen habe es eine Art verschämtes Schweigen gegeben über die Dinge, die diese Zeit betrafen. Im Literarischen, so könne man argwöhnen, gebe es so etwas wie ein Schuldgefühl, das sich durch Umgehung des Themas oder durch die Eigenart seiner Behandlung manifestiere. Natürlich stelle Averof-­ Tositsas die Zusammenhänge so dar, dass sie den gegenwärtigen politischen Status quo rechtfertigten, dies aber mit nüchternem Verantwortungsbewusstsein und einem von Fanatismus freien Glauben. Als natürlich nicht von vornherein überzeugter Leser bewerte der Rezensent nicht, inwieweit ihm dies gelinge. Averof-­Tositsas bemühe sich um Objektivität angesichts von Vorkommnissen, deren lebendige Erinnerung Objektivität noch ausschließe. Immerhin: Wo andere nicht so weit gingen, Gleichgesinnte zu kritisieren, wage dies Averof-­Tositsas durchaus. Unbeirrbar in seinen Grundpositionen stehe er deren Repräsentanten deutlich skeptisch gegenüber und billige auch der Gegenseite Aufrichtigkeit, Uneigennützigkeit und guten Glauben zu. Einen Glauben, den er persönlich ablehne, den er aber als Lebensstütze und Voraussetzung innerer Integrität respektiere und akzeptiere. Tiefste Inspirationsquelle sei für Averof-­Tositsas 76 Kotzias, Rezension Averof-­Tositsas, Φωνή (Ruf ), 1965. 77 Argyriou, Αλέξανδρος Κοτζιάς (Alexandros Kotzias), 1994, S. 18. 78 Kokkinos, Rezension Averof-­Tositsas, Φωνή (Ruf ), 1964; Pernaris, Rezension Averof-­ Tositsas, Φωνή (Ruf ), 1964/65; Chatzinis, Rezension Averof-­Tositsas, Φωνή (Ruf ), in: Nea Estia 77 (1965).

Kotzias’ Neufassung des Romans Πολιορκία | 255

ein Zukunftsglaube an das Griechentum, der sich durchaus unsentimental artikuliere: Mitunter beleuchte Averof-­Tositsas fast zu grell auch dessen Schattenseiten. Der Roman mache überdeutlich, wohin Krieg und ideologischer Fanatismus führten.79

Kotzias’ Neufassung des Romans Πολιορκία (1961; Belagerung) Als weiterhin schwer in diese Zusammenhänge einzuordnenden Fremdkörper hatte Alexandros Kotzias 1961 eine durchgreifende Neubearbeitung seines Romans Πολιορκία (Belagerung) erscheinen lassen. Ein systematischer Textvergleich ­zwischen Erst- und Neufassung erweist, dass die von massiven Kürzungen, komplizierten Umsetzungen und intensiver Neugestaltung der sprachlichen und erzählerischen Details gekennzeichnete Revision fast einem literarischen Quantensprung gleichkommt. Großen Anteil hat daran auch die konsequenter ausgebaute variable Erzählperspektive und eine dosierende Informationsvergabe, die den Leser zu genauer gedanklicher Mitarbeit und damit zum Nachvollzug eines Geschehens zwingt, das ihm näher rückt, als es ihm lieb sein kann. Die konzeptionell perspektivierte Darstellung politischer Parameter bleibt summa summarum unverändert. Vielmehr zielt die Neufassung darauf ab, die anthropologische Grundintention des Romans noch evidenter freizulegen. Dass Kotzias den (weithin nur als Vordergrund rezipierten) Hintergrund der historischen Vorgabe als Phänomen aufgefasst wissen wollte, das für mehr stand als die terroristische Konfrontation ­zwischen rechts und links am Ende der Besatzungszeit, unterstrich er durch eine bedeutsame Erweiterung des Romantitels: Auf einem besonderen Vorsatzblatt stand unter dem bisherigen Titel Πολιορκία (Belagerung) nun der Untertitel Ο πόλεμος που άρχισε το 1943 (Der Krieg, der 1943 begann). Bedenkt man, wie verschwommen und ausweichend die damalige Literaturrezeption die Frühphase des griechischen Bürgerkriegs umschrieb, war das ein provokantes Wort; es legte den Finger tief in die Wunde, an der das Land immer noch fundamental krankte und weiterhin kranken sollte.80 Zwar betont Kotzias in seinem Prolog, es sei die griechische Selbstzerstörung, die er hier literarisch ausbreite,

79 Varikas, Rezension Averof-­Tositsas, Γη (Erde), 1966. 80 Drei beliebig herausgegriffene Beispiele für s­ olche Umschreibungen: a) „Zusammenstoß der zwei Welten, die mit Ende des Kriegs ihre endgültige Ausformung annahmen“ („…σύγκρουση ανάμεσα στους δυο κόσμους που πήραν την οριστική τους διαμόρφωση με το τέλος του πολέμου […])“, Chatzinis, Rezension Provelengios/Roufos Όχθη (Ufer), 1959, S. 895; b) „die erbitterten Auseinandersetzungen z­ wischen den bewaffneten Kräften, die ihn [sc. den Widerstand] bildeten“ („τις οξύτατες διαμάχες ανάμεσα στις ένοπλες δυνάμεις, που το συγκροτούσαν)“, Varikas, Rezension Averof-­Tositsas, Γη (Erde), 1966; c) „χρονικό του πολέμου των αντιθέτων παρατάξεων (Chronik des Krieges der einander entgegenstehenden Formationen)“, Protopapa-­Bouboulidou, Πεζογραφικά (Prosa), 1974, S. 154.

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nicht aber eine Untersuchung über deren Ursachen und Verantwortlichkeiten (das sei Sache der Historiker), doch er verführt mit ­diesem Zusatz erneut dazu, das Buch als vorrangig politisch positioniert wahrzunehmen. Hatte 1953 die Rechte unangenehm berührt geschwiegen, die engagierte Linke sich aber, im Glauben, ja Bedürfnis, nicht nur im literarischen, sondern auch politischen Sinne ihren Bürgerkriegsfeind vor sich zu haben, nur zu gern hinter Raftopoulos’ Formel von der schwarzen Literatur verschanzt, so fiel diesmal die Reaktion umgekehrt aus: In ihrem Urteil ja nur bestätigt, übte sich die Linke in beredtem Schweigen, während die Rechte aus dem sie so unvorteilhaft beleuchtenden Roman den Schluss zog, Kotzias sei ein „fanatischer Kommunist“.81 Immerhin präsentierte sich die erneut spärliche Rezeption diesmal differenzierter. Lob erfährt Kotzias’ minutiöser Fleiß bei der Neugestaltung; andere Stimmen begegnen ihr mit Unverständnis. Mit Blick auf die politische Dimension und Schwarze-­ Literatur-­Polemik wird korrekt verbucht, dass Kotzias das politische Element rein funktional verwendet und ungeachtet seiner Erzählperspektive den Protagonisten und seine Untergebenen weitaus mehr dekuvriert als den im Zwielicht verharrenden ­Gegner. Auf große Anerkennung stößt Kotzias’ Dostojewski-­Assimilation: Sie komme der überzeugenden Durchgestaltung der psychischen Prozesse zugute. Die traumatische Botschaft des bemerkenswerten Buches: Schlimmer als die äußeren Verwüstungen sei das, was ein Krieg im Inneren des Menschen anrichte.82 Auf die Neuausgabe beziehen sich auch zwei Anfang der 70er Jahre erschienene literaturgeschichtliche Rezeptionstexte, denen sich Kotzias’ Intentionen nur eingeschränkt erschließen. Positive Akzeptanz erfährt die Perspektivierung des Jahres 1943 als Ausgangspunkt der innergriechischen Konfrontation, ebenso die atmosphärisch bezwingende Schilderung des traumatisierenden Bürgerkriegsgeschehens, auch werden Kotzias’ Protagonisten ausdrücklich als psychologische, nicht als historisch oder sozial definierte Figuren erkannt. Bemängelt aber wird ein Übermaß an Dostojewski und psychologischen Details. Insgesamt zeuge das Buch von wenig sorgfältiger Ausarbeitung und von kompositorischer Flüchtigkeit.83

81 Goudelis, Ο διάλογος (Der Dialog), 1982, S. 286 (Interview mit Alexandros Kotzias). 82 Stergiopoulos, Rezension Kotzias Πολιορκία (Belagerung) 21961, 1963 (dazu auch ­Stergiopoulos, Κοτζιάς και η Πολιορκία [Kotzias und die Belagerung], 1994, S. 95). Laut Nikolopoulou, Ο „Τριακονταετής πόλεμος“ (Der „Dreißigjährige Krieg“), 2008, S. 448, war Stergiopoulos’ Rezension damals die einzige uneingeschränkt positive. Ihre Meinung scheint sich auf die innergriechische Rezeption zu beschränken, denn die Besprechung des Zyprioten Christofidis, Rezension Kotzias Πολιορκία (Belagerung), 2. Auflage, 1961, ist fundiert positiv ausgefallen. Weitere Kritik: Sachinis, Rezension Kotzias Πολιορκία (Belagerung) 21961, 1965 (erneut veröffentlicht in: Sachinis, Nέοι πεζογράφοι [Neue Prosautoren], S. 155 – 159). 83 Meraklis, Σύγχρονη ελληνική λογοτεχνία (Zeitgenössische griechische Literatur), 1971, S.  74 – 76; Protopapa-­Bouboulidou, Πεζογραφικά (Prosa), 1974, S. 154.

Stagnation und Evolution | 257

Stagnation und Evolution: Der Erinnerungsdiskurs der 1960er Jahre Es ist heute gar nicht mehr so ohne weiteres realisierbar, wie scharf sich die Erinnerungsgemeinschaften links und rechts zum hier erreichten Zeitpunkt voneinander abgegrenzt hatten. Ständig von der internationalen und innenpolitischen Lage neu fermentiert, ­welche die kulturelle Szene psychosozial zwingend links-­fortschrittlich ausrichtete, wirkte sich diese Polarisierung besonders nachteilig auf die Rezeption rechter bzw. als „rechts“ geltender Literatur aus. Unter Rezeption ist dabei nicht nur die eigentliche, literaturkritische und akademische Rezeption, sondern mehr noch die Teilhabe bzw. eben Nicht-­Teilhabe am maßgeblichen Erinnerungsdiskurs gemeint. Erst vor ­diesem Hintergrund wird nachvollziehbar, welch bestimmende Macht der sprichwörtlich gewordene Bann schwarze Literatur ausübte. Dazu zwei Beispiele: Zunächst die retrospektive Klage eines profilierten Akademikers, der 2007 über das Schicksal der Trilogie von Rodis Roufos schreibt: „Wie vielen Generationen wurde dies Kunstwerk vorenthalten! Anstatt es in den Schulen als Beispiel hoher Literatur zu vermitteln“, sei es als schwarze Literatur gebrandmarkt worden. Ein Pakt des Schweigens habe die angemessene Verbreitung des Werks verhindert und es aus den Buchhandlungen verschwinden lassen.84 Aus den 60er Jahren selbst stammt das zweite Beispiel: Alexandros Kotzias berichtet, es habe nach dem Erscheinen der Neufassung seines Romans Leute (sc. vom Fach) gegeben, die ihm ihre sehr positive Einschätzung nur zuflüstern, nicht aber öffentlich kundtun mochten.85 Solche Umstände hatten für die jetzt heranreifende, bereits deutlich weniger von eigenem Erleben und Erinnern geprägte Generation ganz besonderes Gewicht: Ihr wurde als politisch korrekt vermittelt, man habe um die rechte bzw. als rechts abgestempelte Literatur auf jeden Fall einen Bogen zu machen.86 Während also die Rezeption rechter Widerstands- und Bürgerkriegsromane marginalisiert stagnierte, gab es im linken Literaturkosmos viel Bewegung. Damit 84 Choutopoulos, Μαύρη λογοτεχνία (Schwarze Literatur), 2007, S. 13 (der Verfasser ist hoher Verwaltungsrichter). 85 Goudelis, Ο διάλογος (Der Dialog), 1982, S. 286 (Interview mit Alexandros Kotzias). 86 Wie sehr das damalige psychosoziale Klima die junge Intelligenz darin bestärkte, wie sehr sie die von politisch–repressivem Stillstand und aufkommender Konsumgesellschaft dominierte Atmosphäre als gärend stickig erlebte, artikulieren repräsentativ die ­zwischen 1961 – 1964 erschienenen Erzählungen von Vasilikοs, Trilogie Το φύλλο (Blattpflanze), 1961 und 1963, sowie Vasilikοs, Οι φωτογραφίες (Die Fotos), 1963 und 1964. Vasilikos erlebte damals seinen (übrigens nach eigenem Bekunden von der Epitheorisi Technis und insbesondere von Raftopoulos entscheidend geförderten) literarischen Aufstieg. Sendung des Fernsehkanals ERT, Εποχές και Συγγραφείς (Zeiten und Autoren), 2006, sowie Raftopoulos, Rezension Vasilikos, 1962, S. 672.

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kommen die Epitheorisi Technis und Dimitris Raftopoulos wieder ins Spiel. Alles, was inzwischen an neuer linker Literatur entstanden war und weiter entstand und dabei erzählerisches und gedanklich-­perspektivisches Neuland betrat, dazu die eigene Seite kritisch beleuchtete und sich von Parteilichkeit und ästhetischer Dogmatik emanzipierte, konnte auf die Unterstützung des Blattes und insbesondere von Raftopoulos ebenso zählen, wie linkskonservative Autoren es umgekehrt schwer hatten.87 Dabei ergab sich die paradoxe Situation, dass Raftopoulos literaturkritische Grundsätze entwickelte und anwendete, die er der schwarzen Literatur vorenthalten hatte und insofern weiter vorenthielt, als er, der zwar nach 1961 keine Rezensionen mehr über rechte Literatur geschrieben hatte, seine ideologische Position ihr gegenüber doch aufrechterhielt (1965er Wiederveröffentlichung seiner Polemiken von 1955 und 1961, siehe dazu oben, S. 245 – 249). Zu Raftopoulos’ Grundsätzen zählten hier: Autonomie der Kritik, sachbezogene Priorität des Ästhetisch-­Künstlerischen vor dem Inhaltlich-­Thematischen (das nun auch den Blick auf den „Anderen“ einbezog, der zuvor immer nur der „Schuldige“ gewesen war), sorgfältigere Unterscheidung ­zwischen Autoren-, Erzähler- und Figurenperspektive, Ersatz des „positiven Helden“ durch den „literarischen Antihelden“ im Sinne eines sogenannten „Helden der Wirklichkeit“, Aufgeschlossenheit gegenüber modernen Formen erzählerischer Präsentation (insbesondere mentaler Prozesse).88 Als wichtiger Katalysator erwies sich für Raftopoulos dabei die Begegnung mit Stratis Tsirkas (als Autor wie als Person), die entscheidend zu Emanzipationsschritten aus der häufig provinziellen Enge damaliger griechischer Literaturkritik und -wissenschaft beitrug.89

87 Protagonisten ­dieses Emanzipationsprozesses waren neben den Redakteuren der Epitheo­ risi technis Raftopoulos und Kostas Kouloufakos als gelegentliche Mitarbeiter der antiideologische Marxist Manolis Lampridis sowie Manolis Anagnostakis, letzterer vor allem über seine eigene Zeitschrift Kritiki. Ihre Kämpfe richteten sich nicht nur gegen das linke Establishment, sondern „auch gegen sich selbst und mit dem, woran sie bisher geglaubt hatten.“ Siehe Apostolidou, Λογοτεχνία και Ιστορία (Literatur und Geschichte), S. 134 und S. 185. 88 „Blick auf den ‚Anderen’“: Apostolidou, Τραύμα και μνήμη (Trauma und Erinnerung), 2010, S. 65, S. 132 und S. 149. „Antiheld der Literatur“: Raftopoulos, Oι ιδέες (Die Ideen), 1965, S. 230. „Verzicht auf den allwissenden Erzähler“: Brief von Stratis Tsirkas an M. M. ­Papaioannou, in: Pechlivanos, Σημεία στίξεως (Interpunktionszeichen), 2008, S. 49. 89 „Begegnung mit Tsirkas“: Zu Raftopoulos’ Rezensionen der Trilogie von Stratis Tsirkas Aκυβέρνητες Πολιτείες (Steuerlose Städte) in der Zeitschrift Epitheorisi Technis und der diesbezüglichen Interaktion ­zwischen Tsirkas und Raftopoulos siehe Pechlivanos, Σημεία στίξεως (Interpunktionszeichen), 2008, S. 46. – „Provinzielle Enge“: Mündliches Selbstzeugnis Raftopoulos in: http://www.blod.gr/lectures/Pages/viewlecture.aspx?LectureID= 285 (83‘00‘‘), letzter Zugriff: 11. 05. 2012.

Von der Wende in Paris bis zur Wende von 1989 | 259

Von der Wende in Paris bis zur Wende von 1989: Raftopoulos’ paradigmatischer Weg Der biographische Schock und Bruch infolge seiner Flucht vor der Obristendiktatur ins Pariser Exil, das Raftopoulos u. a. zu literaturwissenschaftlichen Universitätsstudien nutzte, ließ diesen schon eingeleiteten Emanzipationsprozess zu einem vollständigen Neuanfang werden. „Nach meiner Universitätszeit […] las ich alles noch einmal neu und tauschte dabei meine Scheuklappen gegen Brillengläser aus.“ 90 Raftopoulos wandelte sich damit zum repräsentativen Schrittmacher einer zunehmend bedeutsamen Diversifizierung des Linksdiskurses, den die Zeitereignisse seit 1967 und 1974 durch neue Tiefen und Höhen geführt hatten. Es kann hier nicht detailliert der Weg nachgezeichnet werden, den Raftopoulos seit seiner Rückkehr 1975 bis zur Wende von 1989/90 mit wachsendem Prestige als Journalist, Publizist und Literaturkritiker weitergegangen ist. Doch einiges Zusammen­fassende gehört in den vorliegenden Kontext. Zunächst einmal hatte für R ­ aftopoulos Priorität, dem selbstkritischen innerlinken Diskurs unter Rückgriff auf das in der E ­ pitheorisi Tech­ nis Begonnene endlich zu breiterer Wirkung zu verhelfen.91 Eine zentrale Leistung war dabei die intensive Unterstützung, die er dem „linkshäretischen“ Dichter und Romancier Aris Alexandrou als Kritiker und Biograph angedeihen ließ. Bedeutend war auch sein zeitkritisches Engagement als Publizist in Tages- wie Grundsatzfragen.92 Seine Schwerpunktthemen: das Scheitern der kommunistischen Utopie und die Verheerungen, die dogmatisch-­ideologisches Glaubensdenken anrichtet. Dieser Emanzipationsprozess kam für ihn bereits deutlich vor 1989 zu autonomem Abschluss. Der linksintellektuellen Elite hielt er vor, sie habe sich d­ iesem Prozess – wie stets – erst viel zu spät gestellt. Für ihn selbst lautet das ästhetische Fazit der eigenen Entwicklung: „Die Ideen, die Ideologie, die historischen und politischen Bezugnahmen eines Schriftstellers würden mich nur an zweiter Stelle beschäftigen und dies nur insoweit, als ihnen im Werk die Funktion eines symbolischen Äquivalents zugewiesen ist.“ 93

90 „Mετά τα πανεπιστήμιά μου […] ξαναδιάβασα από την αρχή, αλλάζοντας τις παρωπίδες με γυαλιά“, Faïs, Interview mit Dimitris Raftopoulos, 1997, S. 107. 91 Teilweise, jedoch paradigmatisch nachvollziehbar an den Bänden Raftopoulos, Τέχνη και Εξουσία (Kunst und Macht), 1985; Raftopoulos, Κρίσιμη λογοτεχνία (Kritische Literatur), 1986; Raftopoulos, Σημεία Στίξεως (Interpunktionen), 1987 sowie an der Monographie Raftopoulos, Άρης Αλεξάνδρου (Aris Alexandrou), 1996. 92 Journalistisches Engagement bei den Zeitungen Avgi, Apogevmatini und in diversen Periodika; mehrere Buchveröffentlichungen. 93 „Οι ιδέες, η ιδεολογία, οι ιστορικές ή πολιτικές αναφορές του συγγραφέα θα με απασχολούσαν μόνο δευτερευόντως και αυτό μόνο κατά το συμβολικό τους ισοδύναμο μέσα στο έργο“, Kassos, Interview mit Dimitris Raftopoulos, 1989, S. 117.

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Diese Position war für viele Linke keineswegs das aktuell Nächstliegende. Vielmehr lag es in der Logik ihrer neuerlichen Repressions- und Emigrationserfahrungen während der Militärdiktatur und ebenso in der Logik ihres Hochgefühls, dreißig Jahre nach Bürgerkriegsende endlich Rehabilitation, politische Ermächtigung und diskursive Dominanz erreicht zu haben, am ererbten Glaubensdenken festzuhalten. Für eine modifizierte Rezeption rechts perspektivierter Widerstands- und Bürgerkriegsromane gab es innerhalb ­dieses Denkens nach wie vor wenig Raum. Selbst wenn man berücksichtigt, dass die entsprechenden Archive erst um 1990 zugänglich wurden und somit noch vieles einer Objektivierung des Bürgerkriegs­ geschehens entgegenstand, fällt auf, wie sehr der gängige Erinnerungsdiskurs historische Gegebenheiten durch zurechtgeglaubte Wirklichkeit ersetzte und in dieser Form besonders die junge Generation beeinflusste. Selbst ein so besonnener Kritiker wie Alexandros Argyriou spricht hier ausdrücklich von „Geschichtsfälschung“, die eine adäquate Rezeption rechts perspektivierter Literatur vereitelt habe.94

Neuausgaben und Rezeption der vier Klassiker schwarzer Literatur Mittlerweile hatten alle vier Autoren schwarzer Literatur ihre Romanwerke noch einmal mit Neuausgaben zur Diskussion gestellt: Kasdaglis 1971, Roufos in seinem Todesjahr 1972, Kotzias 1976 (dritte Ausgabe) und Frangopoulos 1977. Nur ­Frangopoulos ließ seinen Text von 1954 unangetastet: Es sei Gebot der Redlichkeit, so der Autor, die literarischen Unausgewogenheiten und inhaltlich-­politischen Fragwürdigkeiten von damals als Zeitzeugnis stehen zu lassen. Dagegen hatten Kasdaglis und R ­ oufos ihre Texte gründlichen Revisionen unterzogen, wenn auch bei Weitem nicht so radikal wie Kotzias 1961. Ein systematischer Abgleich der Erst- und Neufassungen ergibt folgenden Befund: Kasdaglis war es neben Straffungen, stilistischen Glättungen und Streichung einer Nebenfigur um eine (diskret, aber wirksam vorgenommene)

94 „Geschichtsfälschung“: Argyriou, Κλειδιά και αντικλείδια (Schlüssel und Nachschlüssel), 1972, hier zitiert aus der Wiederveröffentlichung in: Argyriou, Αναψηλαφήσεις (Überprüfungen), 1986, S. 286 – 292 (auch Argyriou verfügte über Erfahrungen auf der Verbannungsinsel Makronissos). – Ein anschauliches Zeugnis für die naive Selbstgewissheit junger Leute vermittelt dazu Gage, Eleni, 1983, S. 450 f.: „When I moved to Greece [1977], I was confronted daily with the [Communist] party’s success in winning the loyalties of Greeks who had been born since the war. Fresh faced college students knocked at door every weekend, handing me propaganda leaflets and invited me to the ubiquitous Communist youth festivals. If they were asked about the pedomasoma, civilian executions and guerilla brutalities, they smiled and shook their heads at my ignorance: those things had never happened, they explained patiently.“

Neuausgaben und Rezeption der vier Klassiker schwarzer Literatur  | 261

konzeptionelle Umakzentuierung am Profil seines Protagonisten gegangen: Mehr noch als zuvor erschien dieser nun als politisch unbedarfter Spielball der zeitgeschichtlichen Umstände.95 Roufos seinerseits strebte neben Glättung und Straffung eine modifizierte inhaltlich-­politische Rezeption seiner Trilogie an. Das geschah aber nicht allein anhand textlicher Eingriffe (Streichung grob antikommunistischer, aber auch gegen die Rechte gerichteter Äußerungen vor allem in Band 1), sondern ebenso auf paratextueller Ebene: Roufos machte aus dem damals zu seinem Leidwesen kaum wahrgenommenen Nach­ wort zum ersten Band das Vorwort zur gesamten Trilogie, dem er ein ausführlicheres zweites hinzufügte.96 Dessen Hauptanliegen war, sich mit dem Miss- und Unverständnis auseinanderzusetzen, das die Linke der Erstausgabe entgegengebracht hatte. Mit berechtigtem Nachdruck unterstreicht Roufos, dass der zweite und dritte Band bereits bei ihrem ersten Erscheinen deutlich als Selbstkritik am ersten zu erkennen gewesen ­seien. Im Übrigen betont der Text die große zeitliche und nun auch kritische Distanz des Autors zu den geschilderten Ereignissen bzw. deren Niederschrift, insbesondere zum Ton und Duktus des ersten Bandes, den er aber um seiner Authentizität willen weitestgehend unverändert belassen habe.97 Zunächst zur Rezeption der Neuausgabe der Trilogie von Rodis Roufos: Hervorstechend bemerkenswert ist die sogleich nach Erscheinen veröffentlichte Besprechung von Alexandros Argyriou.98 Im fünften Jahr der Militärdiktatur überrascht es (und überrascht auch wieder nicht), dass nicht das Literarische, sondern wieder einmal das Historisch-­ Politische im Vordergrund steht. Geschickt den Anschein nutzend, er spreche über ein „rechtes“, den Machthabern genehmes Werk, bereitet Argyriou einer durchdacht und 95 Siehe auch Winkler, Datenblätter Roufos und Kasdaglis, 2013. 96 „Textliche Eingriffe“: Für Ρίζα (Wurzel) von Roufos im Vorwort von 1972 selbst bezeugt. Bezüglich Πορεία (Marsch) und Όχθη (Ufer) hat der Verfasser bei einem Wort-­für-­Wortvergleich der beiden Textfassungen nur eine einzige historisch-­politisch „heikle“ Formulierung in Band 2 nachweisen können, die Roufos eliminiert hat: Auf S. 16 der Erstausgabe von Band 2 heißt es in Anspielung auf Catos berühmtes „Ceterum censeo …“, dass Dions (in dem Roufos sich selbst portraitiert) damaliger Glaubensartikel bezüglich der Kommunisten ein „delendi sunt“ gewesen sei. Dass es bei dieser Streichung wohl eher darum ging, den Roufos oft gemachten Vorwurf elitärer Bildungsbürgerlichkeit zu vermeiden, erhellt daraus, dass er einen anderen, Dion (also implizit sich selbst) heute viel mehr kompromittierenden Satz stehen ließ: „[…] οι Γερμανοί αιχμάλωτοι παρομοίασαν με θαυμασμό το Λόχο με τα δικά τους επίλεκτα Ες-­Ες – και δεν ήταν μικρός έπαινος („die deutschen Kriegsgefangenen verglichen die [Heilige] Schar bewundernd mit ihrer eigenen SS-Elite – und das war kein geringes Lob“), Provelengios alias Roufos, Ρίζα (Wurzel des Mythos), 11954, S. 205; zitiert aus Roufos, Χρονικό μιας σταυροφορίας (Chronik eines Kreuzzugs), 32004, S. 449. 97 Wie die Autoren der schwarzen Literatur brachte auch Averof-­Tositsas seine beiden Romane 1973/1974 bzw. 1979 neu heraus. 98 Argyriou, Κλειδιά και αντικλείδια (Schlüssel und Nachschlüssel), 1972, hier zitiert aus der Wiederveröffentlichung in: Argyriou, Αναψηλαφήσεις (Überprüfungen), 1986, S. 286 – 292.

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zukunftweisend entideologisierenden Sichtweise den Weg (die Roufos im zweiten und dritten Band ja bereits selbst angesteuert hatte). Er beginnt mit dem bereits zitierten Hinweis auf die vor allem die Jugend desinformierende, entnervend törichte Neigung zu ideologisch vereinfachender Geschichtsfälschung der von Roufos thematisierten Epoche. Ferner stellt Argyriou die Frage, ob Werke wie diese zu subjektiv s­ eien, um als Zeitzeugnis gelten zu können, oder – weil ohnehin nur so möglich – gerade ihre Subjektivität ihnen Authentizität verleihe. Selten sonst begegnet sein wichtiger Hinweis auf die in der Besatzungszeit weitverbreitete Neigung der Rechten zu Tatenlosigkeit und Quietismus, angesichts deren sich die Bereitschaft der kleinen Gruppe rechter Studenten zu kämpferischem Widerstand umso ehrenvoller abhebe.99 Gerade der ungeschützte Subjektivismus der Erzählperspektive mache den Text so anständig, mache ihn zum Zeugnis. Die Trilogie sei außerordentlich repräsentativ für eine Epoche, in der sich eben jene Gase ideologischer Theoreme und dialektischer Antinomien entwickelten, die später den Bürger­krieg vergifteten. Zwei Aussagen von Argyriou ihres Gewichts wegen hier wörtlich: „Bei etwas weniger kritischer Vorausfestlegung könnten wir die Chronik – längst obsolet gewordene Rollen noch einmal durchspielend – von jeweiliger ideologischer Warte aus ebensogut als schwarzes wie auch als weißes Werk wahrnehmen.“ Ferner: „Tatsache ist, dass jedes Zeugnis aus dieser Zeit mit all seinen beschränkten und verzerrten Informationen nur an Wahrheit und Irrtum zugleich teilhaben kann.“ 100 Ganz andere Töne kamen zur selben Zeit von links – damals natürlich nur vom Ausland her möglich. Durch selektive Inhaltsangabe bereits umakzentuiert, wird der gesamten Trilogie ohne nähere Begründung nennenswerte literarische Qualität abgesprochen. Sie dokumentiere eine elitäre, konzeptionslose, bis zum politischen Kanni­balismus antikommunistische, nur scheintolerante Rechte, die um ihre maßlosen ­Privilegien bange und Faschismus nicht allein dulde, sondern auch selbst generiere. Dabei übertreffe sie noch die Generation ihrer großbürgerlichen Eltern an geistiger Banalität und politischer Brutalität. Die philosophisch-­musisch-­literarischen Gespräche dieser Jeunesse dorée ­seien reines Geschwätz, ihre Entrüstung über die Kollaborateure ebenso scheinheilig wie die heutige Entrüstung derselben Kreise über die Junta.101

99 Von Roufos im 2. Band enttäuscht beschrieben. Zur politisch und militärisch zögerlich-­passiven Haltung der zersplitterten Rechten s. Chatzivasileiou, Επανεύρεση (Wiederentdeckung), 2008. 100 „Με μειωμένη κριτική προδιάθεση θα μπορούσαμε να δούμε το Χρονικό από τη μια ή την άλλη ιδεολογική σκοπιά, σαν ένα έργο μαύρο ή λευκό, αναλόγως, ξαναπαίζοντας ρόλους που έχουν ήδη διαψευσθεί […] Γεγονός είναι ότι κάθε μαρτυρία της εποχής εκείνης με τις περιορισμένες και παραμορφωμένες πληροφορίες δεν είναι δυνατόν παρά να μετέχει και στην αλήθεια και στην πλάνη“, Argyriou, Κλειδιά και αντικλείδια (Schlüssel und Nachschlüssel), 1972, hier zitiert aus der Wiederveröffentlichung in: Argyriou, Αναψηλαφήσεις (Überprüfungen), 1986, S. 291. 101 Tsougiopoulos, Lemma Rodis Roufos, 11974, sowie 21991, Bd. 14.

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Fair gewürdigt wird Frangopoulos’ Neuausgabe. Fakt sei, dass die Erinnerungstexte über die 40er Jahre genauso wenig wie die noch im Embryonalstadium befindliche Geschichtswissenschaft eine unabhängige Beurteilung der geschilderten Ereignisse zuließen. Das Buch sei kein Roman, sondern ein persönliches, wenig auf literarische Formung bedachtes, aber eben darum authentisches Zeugnis. Dem Autor gelinge es, mit seinem Denkmal für Kitsos Maltezos das Schicksal einer ganzen Generation kenntlich zu machen. Sein Buch sei ein Beitrag zur Selbsterkenntnis des Landes, ein Beleg seiner Unreife, der man aber auch mit Respekt begegnen solle: „Noch einmal spaltet sich Griechenland auf in die jungen Leute des Kampfes an den Mauern und diejenigen, die oben in den Bergen den Tod fanden.“ 102

Rezeptive Wende für Kotzias Kotzias erlebte mit seiner dritten Ausgabe einen Durchbruch, der einer rezeptiven Wende gleichkam. Hatte er nach eigenem Zeugnis in der vorwiegend von links kommenden Kritik der 50er Jahre „sich nicht wiedererkannt“ und die 1961er Ausgabe ihm nur hinter vorgehaltener Hand positive Rückmeldung eingebracht (s. o.), so geriet deren zweite Auflage von 1976, wie er sagt, zu „der Genugtuung meines Lebens“.103 Sie wurde den Intentionen des Autors und den Qualitäten des von ihm Geleisteten in einem Maße gerecht, das er bisher nur hatte erträumen können. Nur wenige zentrale Sätze aus den zahlreichen und eingehenden Besprechungen können an dieser Stelle wiedergegeben werden. Sie stechen nicht nur durch hohes Niveau, sondern auch durch emanzipierte Positionen ins Auge, die auf den innergriechischen Diskurs zumindest innovativ, wenn nicht provozierend wirken mussten. So heißt es unter anderem: Eine sich ins Historisch-­Politische verrennende Diskussion über den Roman habe den Zugang zum Kernanliegen des Romans versperrt, d. h. negative Kräfte und Anlagen sichtbar zu machen, die in jedem von uns zu finden s­ eien. Dabei zeige Kotzias die

102 „Η Ελλάδα διχάζεται για μια ακόμη φορά ανάμεσα στους έφηβους της ,Τειχομαχίας‛ και στους έφηβους που σκοτώθηκαν επάνω στα βουνά“, Ziras, Εφηβική δράση (Adoleszente Aktion), 1978, S. 61b. 103 „Kritik der 1950er Jahre“: „In dem, was ich zu hören und zu lesen bekam, erkannte ich mich nicht wieder“ („Σε κείνα που άκουγα και διάβαζα δεν αναγνώριζα τον εαυτό μου“); „1961er Ausgabe“: „Doch über die dritte Ausgabe schrieben prominente Literaten wie Argyriou oder Patrikios, die alles andere als ‚konservativ‘ bezeichnet werden können, positiv. Es war die Genugtuung meines Lebens“ („Στην τρίτη έκδοση όμως, διακεκριμένοι άνθρωποι των γραμμάτων όπως ο Αργυρίου ή ο Πατρίκιος, που κάθε άλλο παρα μπορούν να χαρακτηριστούν ‘συντηρητικοί’, έγραψαν θετικά. Ήταν η ικανοποίηση της ζωής μου“), beide Zitate aus Goudelis, Ο διάλογος (Der Dialog), 1982, S. 285 (Interview mit Alexandros Kotzias).

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Mechanismen praktizierter Ideologie auf, die zu ihrem Selbsterhalt jeden auslösche, der sich ihr entgegenstelle, und ihre Adepten dazu zwinge, selbst die, die sie liebten, ja, schließlich sich selbst zu zerstören. Mit dieser Schreckensbotschaft habe er riskiert, als Bote mit seiner Botschaft gleichgesetzt zu werden.104 Kotzias sei ein „scheltender Moralist“, den seine verstört-­verstörende Auseinandersetzung mit dem Urphänomen des Bösen in eine ethische Verzweiflungskrise, nicht aber moralische Niederlage geführt habe.105 Die „dämonisch-­negative Seite seiner Romanfiguren“ stehe „für eine griechische Seelenverfassung, die ungewöhnlich stark zu Intoleranz, Blindheit, Verzerrung und Verabsolutierung“ neige.106 Griechenland präge eine paranoide Atmosphäre, in der man es nicht wage, der eigenen Geschichte ins Auge zu sehen. Dessen ungeachtet habe man Kotzias, der in erster Linie Künstler sei, eventuelle politische Unreife nachzusehen, wenn er mit dreißig Jahren ein Buch von der künstlerischen Reife der Πολιορκία (Belagerung) veröffentliche, das auf ein ästhetisch unreifes Publikum gestoßen sei und weiterhin stoße. Dostojewskis Konzept des demontierten Helden sei eine peinigende, aber adäquate Methode, sich mit neugriechischen Realitäten zu befassen. Das befreie davon, die Dinge von außen schildernd bewerten zu müssen: Die Vorliebe linker Autoren für auktoriale Erzählinstanzen zeige, wie zerbrechlich das Alibi ihrer Objektivität sei.107 Sich für keine der beiden Seiten engagierend, habe Kotzias tiefer geblickt und aufrichtige Selbsterkenntnis für wichtiger gehalten. Das eigentliche Drama der Πολιορκία (Belagerung) habe für Kotzias nichts mit dem politischen Rahmen zu tun, in dem es sich abspiele. Eine derartige Sichtweise sei per se für die damalige Linke – nur für sie? – reaktionär und für die Rechte unbegreiflich gewesen.108 Zentrale Frage des Buches sei: Inwieweit trägt der in den 30er Jahren polizeistaatlich vorgeprägte Papathanassis auf dem Schachbrett unsichtbarer Mechanismen persönliche Verantwortung?109 Es werde Zeit, deutlich auszusprechen, dass Kotzias die „Torheit“ aufgebracht habe wahrzunehmen, wofür andere Jahrzehnte gebraucht hätten, und Irrtümer und Entartungen zu 104 Patrikios, Mήνυμα της φρίκης (Schreckensbotschaft), 1977. 105 „[M]οραλίστ υβρεολόγος“: Karandonis, 24 Πεζογράφοι (24 Prosaautoren), 1978, S. 244 – 245. 106 „die dämonische bzw. negative Seite der Romanfiguren […] ein Zustand der so außerordentlich Intoleranz, Blindheit, Verdrehungen und Absolutheiten zuneigenden griechischen Seele“ („η δαιμονική ή η αρνητική πλευρά των μυθιστορηματικών προσώπων […] μια κατάσταση της ελληνικής ψυχής, της εξαιρετικά εύφορης σε μισαλλοδοξίες, τυφλότητες, παραμορφώσεις, απολυτότητες“), Ziras, Ρεαλισμός και εξπρεσιονισμός (Realismus und Expressionismus), 1994, S. 138. 107 „Οι […] αριστεροί πεζογράφοι βρίσκουν στην τριτοπρόσωπη αφήγηση ένα εύθραυστο άλλοθι αντικειμενικότητας“ (Die linken Prosaautoren n ­ utzen die Heterodiegese als reichlich zerbrechliches Alibi der Objektivität), Panselinos, Αλέξανδρος Κοτζιάς (Alexandros Kotzias), 1994, S. 114. 108 Kourtovik, Αλέξανδρος Κοτζιάς (Alexandros Kotzias), 1992; Wiederveröffentlichung 1994, S.  50 – 54. 109 Argyriou, Αλέξανδρος Κοτζιάς (Alexandros Kotzias), 1994, S. 20 – 24, 29 – 31.

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hinterfragen, die die griechische Gesellschaft womöglich irreparabel zersetzt hätten. Wo andere „fortschrittliche“ Bücher mit positiven Helden jenseits alles Bösen und aller Schwäche schrieben, habe er es gewagt, ein Buch herauszugeben, das die auf Schwarz-­ Weiß fixierten linken Leser ebenso erzürnen wie den Unwillen der Rechten erregen musste. Nach vierzig Jahren müsse es möglich sein, den Roman als das verstörende Porträt eines abstoßenden ideologischen Gegners zu lesen, ohne ihm eine von allen geteilte Menschlichkeit griechisch-­balkanischer Prägung abzusprechen.110 Diese große Zahl positiver, von traditionellen Stereotypen und Klischees unabhängiger Rezensionen hat allerdings kaum etwas daran ändern können, dass die Πολιορκία (Belagerung) auch weiterhin als antikommunistische schwarze Literatur wahrgenommen wurde.111 Zum Narratologischen wird angemerkt: Die Schilderung der rechtsextremen Gedankenwelt des Protagonisten und seines Vorgesetzten Isakidis reproduziere keine Erzählerposition, sondern sei ein ästhetischer Kunstgriff im Dienste der Fiktion von Glaubwürdigkeit und Realitätsnähe.112 Sehr gerühmt wird Kotzias’ Methode satirisch-­ selbstentlarvender Figurenrede und die Installation eines Erzählers, der sich nirgends gegen das Geschilderte abgrenze, aber gerade dadurch den Rezipienten zu stellungnehmender Distanz nötige.113 Ebenso Kotzias’ Methode einer Mitdenken erzwingenden „Informationsdosierung“ sowie der „den Anschein von Desorganisation erweckende Erzählmodus“, der es ermögliche, auch eine extrem vielschichtige Realität zu erfassen.114 Etwa seit 1995 spätestens steht der Rezeptionsprozess der bislang behandelten Romanwerke nicht mehr in direktem Bezug zum allgemeinen aktuellen Diskurs, sondern verlagert sich ins Akademisch-­Literaturwissenschaftliche. Er kann im hier vorliegenden Zusammenhang nicht weiterverfolgt werden.115

1 10 111 112 113 114 115

Douka, Αλέξανδρος Κοτζιάς (Alexandros Kotzias), 1994, S. 38, 40. Dermitzakis, Το πεζογραφικό έργο (Das Prosaschaffen), 1995. Argyriou, Αλέξανδρος Κοτζιάς (Alexandros Kotzias), 1994, S. 20 – 24, 29 – 31. Stergiopoulos, Κοτζιάς και η Πολιορκία (Kotzias und die Belagerung), 1994, S. 95. Ziras, Ρεαλισμός και εξπρεσιονισμός (Realismus und Expressionismus), 1994, S. 143. Innerhalb dieser akademisch-­literaturwissenschaftlichen Literatur gehen auf Kotzias’ Roman ein: Zannas, Αλέξανδρος Κοτζιάς, Παρουσίαση (Alexandros Kotzias, Präsentation), 1992; Fokas, Αλέξανδρος Κοτζιάς (Alexandros Kotzias), 1994; Papageorgakis, H Πολιορκία και η κριτική (Die Belagerung und die Kritik), 1995 (zur Kritik an Πολιορκία, Belagerung, insgesamt); P ­ aparoussi, Συμ-­Πάθειες (Mit-­Leiden), 1995; Argyriou, Αποδόσεις (Darstellungen), 1997, S. 72 – 74; ­Vasilakakos, Εμφύλιος (Bürgerkrieg), 2000, S. 122 – 157; Bondila, Ιστορικός και λογοτεχνικός λόγος (Historischer und literarischer Diskurs), 2006, S. 250, 251 f., 264; ­Nikolopoulou, Ο „Τριακονταετής πόλεμος“ (Der „Dreißigjährige Krieg“), 2008, S. 443 – 448. – Roufos behandeln: Vitti, Ιστορία Λογοτεχνίας (Literaturgeschichte), 11978, S. 378 (im Original: Vitti, Storia della letteratura neogreca, 1971, noch nicht enthalten); Charis, Ένας σταθμός (Eine Station), 1982; Mackridge, Testimony and Fiction, 1988, S. 96 – 100; Argyriou, Αποδόσεις (Darstellungen), 1997, S.  66 – 72; Vasilakakos, Εμφύλιος (Bürgerkrieg), 2000, S. 197 – 237; Daskalopoulos,

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Linke Empörung I: Nicholas Gage, Eleni (1983) Zwei Neuerscheinungen der 1980er/90er Jahre – die eine aus rechter Opferperspektive, die andere unter substantiell tiefgreifendem Einbezug rechter Sichtweisen – lösten eine weit über das Literarische hinaus aufwühlende Diskussion aus. Das erste der beiden Bücher, ein Weltbestseller, war der antikommunistische Dokumentarthriller Eleni des griechisch-­amerikanischen Investigativ-­Journalisten Nicholas Gage alias Nikos ­Gatzogiannis (1983), das zweite der im vorliegenden Band in mehreren Kontexten besprochene Roman Ορθοκωστά (1994; Orthokosta) von Thanassis Valtinos.116 Eleni als englischsprachiges Werk eines formell amerikanischen Autors in die Betrachtung griechischer Literatur einzubeziehen, mag noch immer verwundern. Das in Griechenland sofort weitverbreitete Buch wurde zunächst nur als politisch-­historischer Text fremder Provenienz wahrgenommen und auf dieser Ebene breit diskutiert, während sich die griechische Literaturkritik nicht mit ihm beschäftigte. Trotzdem listet ein 15 Jahre später von einer maßgeblichen Kritikerin veröffentlichter Katalog der 24 wichtigsten Werke griechischsprachiger Bürgerkriegsromane Eleni ausdrücklich mit auf.117 Bereits sechs Jahre davor hatte auch Raftopoulos das Buch umstandslos als Bestandteil des innergriechischen literarischen Diskurses angesehen.118 Zu Eleni Folgendes: Von Thanassis Valtinos als „Reportage mit großen literarischen Qualitäten“ bezeichnet, schneidet das Buch (leider nur im Original typographisch abgehoben) mit historisch grundierenden Abschnitten, autodiegetischen Selbstzeugnissen aus der Kindheit des Autors sowie teils fiktiven, teils ein riesiges Recherchematerial heterodiegetisch verarbeitenden Partien ein durch und durch griechisches Thema an:119 Gage alias

Ρόδης Ρούφος, Παρουσίαση (Rodis Roufos, Präsentation), 1992. – Mit Frangopoulos befassen sich: Mackridge, Testimony and Fiction, 1988, S. 96 – 100; Chatzivasileiou, Eπανεύρεση (Wiederentdeckung), 2008, S. 278 (unter gleichzeitiger Bezugnahme auf Roufos’ Trilogie); Argyriou, Αποδόσεις (Darstellungen), 1997, S. 71 – 72; Nikolopoulou, Ο „Tριακονταετής πόλεμος“ (Der „Dreißigjährige Krieg“), 2008, S. 459 – 4 64. – Auf Kasdaglis gehen ein: Vitti, Ιστορία Λογοτεχνίας (Literaturgeschichte), 11978, S. 377 f.; Tsirimokou, Νίκος Κάσδαγλης (Nikos Kasdaglis), 1992, Bd. 3, S. 310 – 313; Argyriou, Αποδόσεις (Darstellungen), 1997, S.  71 – 72; Vasilakakos, Εμφύλιος (Bürgerkrieg), 2000, S. 159 – 195; Nikolopoulou, Ο „Tριακονταετής πόλεμος“ (Der „Dreißigjährige Krieg“), 2008, S. 464 – 469; Chatzigeorgiou, Mύρρα (Myrrha), 2011. – Die Romane von Averof-­Tositsas thematisiert: Apostolidou, Tραύμα και μνήμη (Trauma und Erinnerung), 2010, S. 148. 116 Siehe im vorliegenden Band die Kapitel 1 von Ulrich Moennig, 4 von Kerstin Jentsch-­Mancor und 8 von Athansios Anastasiadis und Joachim Winkler. 117 Sella, Εμφύλιος (Bürgerkrieg), 2009. 118 Raftopoulos, Δεν ήμουν ο Πάπας (Ich war nicht der Papst), 2003, S. 29a. 119 „Valtinos“: Ansprache 01. 04. 2004 anlässlich der Präsentation der zweiten Auflage der Übersetzung von Alexandros Kotzias; siehe Gatzogiannis, Ελένη (Eleni), 42006, S. 15.

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­Gatzogiannis berichtet vom Schicksal seiner Familie, deren Heimat das nahe der albanischen Grenze liegende, im Bürgerkrieg zum Machtbereich der Linken gehörige Dorf Lia war. Zentrale Figur ist seine ­Mutter: Sie muss ihre vier Kinder ganz auf sich allein gestellt durch die Kriegs- und Bürgerkriegszeit bringen, denn ihr Ehemann lebt als Wirtschaftsemigrant in den USA . Von fanatisierten Kommunisten und missgünstigen Dorfbewohnern als „Faschistin“ und „Amerikanerin“ stigmatisiert, gelingt es ihr, die Kinder durch ein über Verfolgung, Gefangenschaft und Folter in ein Schauprozess-­ Todesurteil mündendes Selbstopfer vor dem paidomazoma (s. o.) zu bewahren und ihnen die Flucht in die USA zu ermöglichen. Als erfolgreicher Investigativ-­Journalist nach Griechenland zurückgekehrt, macht sich der Autor auf die verschlungene Suche nach Augenzeugen des Geschehens, vor allem aber nach dem Hauptverantwortlichen. Als er ihn schließlich – schlafend – vor sich hat, sieht er letztendlich von seinem Racheplan ab, ihn umzubringen. Nicht nur der Inhalt machte Eleni zum genuinen Bestandteil des innergriechischen Literaturdiskurses. Dazu trug auch die meisterhafte Übersetzung von Alexandros ­Kotzias bei. Sein übersetzerisches Engagement begründete er mit für ihn typischer Argumentation: Eleni sei nicht nur als seltenes, den eigentlichen Bürgerkrieg direkt thematisierendes Zeitzeugnis und Dokument einer z­ wischen Altruismus und kriminellen Instinkten ambivalent zerrissenen Menschlichkeit wichtig, sondern auch als literarischer Text bedeutend, der der griechischen Literatur ein bislang unbekanntes Genre erschließe. Demgegenüber sei dessen politische Position, ob berechtigt oder nicht, für ihn als Thema zwar wichtig, doch von sekundärer Bedeutung.120 Die Linke sah durch diese Thematisierung ihres Bürgerkriegsterrors ihre mittlerweile staatlich anerkannte Erinnerungskultur fundamental in Frage gestellt und reagierte auf Eleni mit wütender Polemik, aber auch deutlich verunsichert.121 Wie schwer sich die Linke mit der Demontage ihrer Vergangenheitsdeutung tat, wie sehr ihr trotz nicht mehr zu leugnender Fehler und Kriegsverbrechen an der Rettung ihres Mythos gelegen war, belegt das komplex-­gründliche, z­ wischen Polemik, Apologetik und ehrlicher Selbstkritik hin und her schwankende Ringen um eine tragfähige Wahrheit, das der namhafte kommunistische Publizist Angelos Elefantis an den Tag legte.122 Obwohl er

120 Interview mit Alexandros Kotzias 1984; siehe Gatzogiannis, Ελένη (Eleni), 42006, S. 716. 121 Sehr illustrativ für das damals herrschende Klima: Die Aufführung der Verfilmung des Buchs wurde, kaum in den Kinos angelaufen, von der PASOK-Regierung sogleich wieder verboten, weil es zu KKE-Protesttumulten und Bombenanschlägen gekommen war (1985). Gesetzlicher Vorwand war natürlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, wie zuvor schon das Gesetz gegen das Fotografieren und Filmen in grenznahen Bereichen beim Verbot dienlich war, das Buch am Originalschauplatz zu verfilmen. Die Außenaufnahmen fanden stattdessen in Spanien statt. 122 Elefantis, Ελένη (Eleni), 2003 (Erstveröffentlichung 1984).

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als Nicht-­Literat das Literarische übergeht, gehört sein Beitrag in den vorliegenden Zusammenhang, denn er steht nicht nur repräsentativ für den Stand des linken Erinnerungsdiskurses Mitte der 80er Jahre und die linke Reaktion auf die von Eleni ausgehende Provokation, sondern ist auch als wichtiges Element in den weiteren Diskurs um die schwarze Literatur eingegangen. Elefantis rekapituliert zunächst eingehend die Rezeption des Buchs direkt nach Erscheinen: Die nach der Juntazeit diskreditierte Rechte habe in Eleni ein Himmelsgeschenk gesehen und als antikommunistisches Dokument von literarischem Rang gepriesen. Die Linke habe das Buch zunächst nur als Machwerk gegeißelt, das in einer Zeit gerade erreichter demokratischer Normalität nur alte Wunden aufreiße. Hier aber, so Elefantis (selbst)kritisch, begegne man einem Begriff von demokratischer Normalität, der vergessen machen wolle, dass sich in d­ iesem Land noch vor wenigen Jahren Menschen gegenseitig umgebracht hätten, und – schlimmer noch – allein die Linke sich im Besitz des Rechtes glaube, die Dinge angemessen zu schildern. Nach Vor-­Ort-­Recherchen eines linken Journalistenteams, die das in Eleni Dokumentierte bewahrheiteten, sei es dann zu einer breiten Diskussion in linken Medien gekommen, die sich teils in versachlichter Wahrnehmung und literarischer Anerkennung, teils mit gesteigerter Ablehnung artikuliert habe. Wie auch immer: Niemand komme an der Geschichte ­dieses Kriegs vorbei, weder durch Verdrängung noch mit dem Trick, sich aus der Geschichte nur das herauszupicken, was ins jeweilige Bild passe. Die Erwartung, Elefantis werde in gleich abwägender Weise fortfahren, erfüllt sich nicht. Am Ende seiner detailreichen Überlegungen steht das manichäistisch verkürzende Fazit, Eleni sei ein historisch fragwürdiger, polemisch antikommunistischer und literarisch wertloser Text, der nur insofern ernst zu nehmen sei, als ihn Rechte wie Linke nun einmal ernst nähmen. Im Übrigen herrsche im Krieg nun einmal das Gesetz des Krieges und nicht die Moral, auch eine Eleni sei weder schuldig noch unschuldig. Ihr Schicksal sei schrecklich gewesen, könne aber nicht den Rahmen vergessen machen, in dem all dies geschehen sei. Zwar habe es linke Exzesse und Willkür gegeben, „vielleicht“ auch in Lia, sie ­seien aber keine Morde im Sinne des Strafgesetzes oder der Verbrechen des griechischen Stalinismus. Eleni sei einfach eine Märtyrerin der Verhältnisse. Heutige Dörfler spielten mit ihren ehemaligen Gegnern im Kafenion Karten, Gatzogiannis aber könne nicht verzeihen.

Linke Empörung II: Thanassis Valtinos, Ορθοκωστά (1994; Orthokosta) Als Gages Eleni in Griechenland erschien, hatte Thanassis Valtinos seine Arbeit an dem Roman Ορθοκωστά (Orthokosta) schon weitgehend abgeschlossen, ließ das Buch aber, offenbar auch aus veröffentlichungsstrategischen Gründen, erst zehn Jahre später

Thanassis Valtinos, Ορθοκωστά  | 269

erscheinen. Zumindest sagt er das so.123 Auf den ersten Blick in zahlloser Hinsicht diametral unterschiedlich, verorten sich die in quasi antinomischer Parallelität zueinanderstehenden Bücher als gemeinsamer Fix- und Wendepunkt im historischen und literarischen Bürgerkriegsdiskurs – sowohl was Funktion und Stellenwert des Dokumentarischen als auch die nun immer offener als Realität zutage tretende traumatische Gewaltkomponente betrifft. Beide Bücher eint die Thematisierung der Bürgerkriegsschrecken aus nicht-­linker Perspektive (und wären seinerzeit der Kategorie schwarze Literatur zugeordnet worden). Aber während Eleni individuelle Schicksale teils als weitgehend dokumentarischen Zeitzeugenbericht, teils als Selbstzeugnis literarisiert, verwirklicht Ορθοκωστά (Orthokosta) ein individualisiertes Kollektivschicksal als Dokumentarismus, also als genuin literarisches Konzept. Beiden Werken gemeinsam ist die Gegenwartsbezogenheit, der enge Kontext mit der jeweilig aktuellen Nachkriegszeit: Eleni erzählt in großen Teilen von der zweiten Hälfte der 1970er Jahre, Ορθοκωστά (Orthokosta) von den 1980er Jahren aus. Beide Autoren schreiben als lebensgeschichtlich Mitbetroffene. Valtinos’ Roman wurde in ­diesem Band bereits ausführlicher vorgestellt.124 Er ist über die Grenzen neugriechischer Literatur hinaus ein einzigartig innovatives, polyphones Narrativ eines Kollektivs. Prismatisch gebrochen durch die Erzählsituation der 1980er Jahre thematisiert es aus dem Munde noch Überlebender die Schrecken der Bürgerkriegsverstrickungen im Besatzungsjahr 1944. Ort des Geschehens ist die peloponnesische Provinzregion Ost-­Arkadien mit ihren familiär, sozial, wirtschaftlich und politisch eng miteinander vernetzten Menschen und deren komplexer Vorgeschichte. Ein Brennpunkt des Geschehens ist das Dorf Kastri (zu dem auch Karatoula, Heimat des Autors, zählt), ein weiterer das Kloster Orthokosta, das vor allem von den Linken, aber auch von den Rechten und den deutschen Besatzern als KZ benutzt wurde. Ausgelöst von der 1944 verstärkten Strategie der ­L inken, durch politisch-­ideologische und militärische Dominanz ihres Widerstandspotentials machtpolitisch für die Nachkriegszeit vorzusorgen, entwickelt sich eine Links-­Rechts-­ Konfrontation, die schnell zu terroristisch ausgetragener, detailreich geschilderter Gewalt und Ausweglosigkeit eskaliert, den gesellschaftlichen Zusammenhalt der Region ruiniert und dem Einzelnen nicht nur furchtbare Schicksale auferlegt, sondern auch in Entscheidungen zwingt, die ihm eigentlich fern liegen.125 Eine häufige 123 Zu Valtinos’ Selbstkommentaren und ihrer Funktion s. auch Moennig, Dokumentarischer Modus, 2017, S. 77 – 79. 124 Kapitel 8 von Athanasios Anastasiadis und Joachim Winkler. 125 Als bekannt wird dabei vorausgesetzt, dass das intensivere und militantere Vorgehen der ­Linken seinerseits von der Gründung der Sicherheitsbataillone durch die Kollaborationsregierung Mitte 1943 ausgelöst wurde. Näheres dazu mit besonderem Bezug auf Ορθοκωστά (Orthokosta) in Skoupras, Δραστική Παρουσία (Drastische Präsenz), 2010, S. 134.

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Entscheidung darunter ist, dass zahlreiche nichtkommunistische, oft auch apolitische Männer Zuflucht bei den kollaborierenden Sicherheitsbataillonen in Tripolis suchen. Das verschafft ihnen zwar Sicherheit und Möglichkeit zu vergeltender Eindämmung linken Machtstrebens, aber auch neue Gefährdung ihres Besitzes und ihrer Angehörigen. Erzähltechnisch vermittelt Valtinos das ungeheuer komplexe, allein 600 namentlich genannte Personen involvierende Geschehen als mündliche Dokumente, die er – dem ersten Anschein nach zusammenhanglos – als fragmentarische und völlig unredigiert wirkende Monologe, Dialoge, und erkennbare Erinnerungsinterviews unterschiedlichster Länge präsentiert. Sie nehmen auf den Leser keinerlei den Nachvollzug des Gesamtzusammenhangs erleichternde Rücksicht, erzeugen aber mit ihrem scheinbar ungesteuerten Dokumentationsstil den Eindruck direkten Miterlebens der chaotischen und brutalen Realität jener Tage. Die Sprecherfiguren wie die von ihnen apostrophierten Figuren und deren Aussagen sind teils realer, teils semirealer Herkunft, teils fingiert. Ihre Berichte basieren häufig auf kassettenrecordergestützten Erinnerungsinterviews, die der Autor schon seit etwa 1974, besonders aber Anfang der 80er Jahre geführt hat.126 Wie erwähnt, wirkt die Aktualität der 1980er Jahre als bedeutsam einfärbendes Steuerungselement auf sie ein: Die Rehabilitation der bis 1974 vom offiziellen nationalen Erinnerungsdiskurs ausgeschlossenen Linken durch die PASOK -Regierung beinhaltete auch die Anerkennung eines Rentenanspruchs für ehemalige linke Widerstandskämpfer (sie hatten bisher nur als Aufständische bzw. Bandenkrieger gegolten). Dieser Vorgang brach (gerade regionale Netzwerke besonders überlagernde) Schweigetabus auf und löste eine heftige Neudiskussion der alten Erinnerungen und deren Deutung aus. Vor allem ehemalige Mitglieder der Sicherheitsbataillone sahen sich genötigt, die Entscheidung für ihren Beitritt und die von ihnen verübten Greuel zu rechtfertigen. Was das ihnen selbst Angetane betraf, erboste sie, dass die dafür Verantwortlichen nun Renten für Ihren angeblichen Widerstand kassierten. Dazu kam ein oft unerwähnter Faktor: Das im Sommer 1982 beschlossene Gesetz der PASOK -Regierung erkannte nicht nur den linken Widerstand an, sondern annullierte zugleich die 1969 von der Junta beschlossene Anerkennung der Sicherheitsbataillone als Widerstandskämpfer. Vielleicht nicht von Valtinos selbst verfasst, keinesfalls aber ohne sein Wissen wird der Roman dementsprechend im Klappentext der Erstausgabe als „literarische Wiedergabe der Beschwerden“ charakterisiert, „die das anonyme Sicherheitsbataillonsmitglied darüber erhebt, dass sein Dorfmitbewohner, der als ELAS -Kämpfer ‚einst Menschen

126 Bzgl. des Kassettenrecorders siehe die Eigenaussage von Valtinos, zitiert bei Skoupras, Δραστική Παρουσία (Drastische Präsenz), 2010, S. 311. Αuch bei früheren literarischen Vorhaben hat Valtinos bereits mit aufgenommenen Erinnerungsinterviews gearbeitet, s. ­Manglinis, Ενώ η χώρα γκρεμίζεται (Derweil das Land zusammenbricht), 2012.

Dimitris Raftopoulos’ Intervention zugunsten von Ορθοκωστά | 271

umbrachte, nun als Mann des Widerstands Rente bezieht‘.“ 127 Dass sich diese kalku­ lierte Verkürzung als provozierender, rezeptionssteuernder „Aufreger“ auswirken musste, liegt auf der Hand.

Dimitris Raftopoulos’ Intervention zugunsten von Ορθοκωστά (Orthokosta) Valtinos wusste, mit w ­ elchen Reaktionen auf Ορθοκωστά (Orthokosta) zu rechnen war. Ebenso, ­welchen emanzipatorischen Weg die prominenten, einst (relativ) linientreuen Linksliteraten Dimitris Raftopoulos und Titos Patrikios hinter sich hatten. So lag es nahe, im Rahmen seiner Präsentationsstrategie sich gerade ihrer Rückendeckung zu versichern (als Dritter im Bunde figurierte der linke Historiker Philippos Iliou). In seinem Präsentationsreferat stellt Raftopoulos das Werk aus unerwartet neuartiger Sicht vor:128 Kennzeichen aller bisherigen Arbeiten von Valtinos sei die Fokussierung auf eine ungeschönte, filterlos vermittelte Sprache. Valtinos’ Ehrfurcht vor ihr sei „unheilig“, denn sie decke das Heilige und zugleich Finstere auf, das der Gottesfürchtige wie der Gottlose in sich trügen. Sein Verfahren sei unmetaphysisch, antimythisch, umstürzlerisch, mit einem Wort: erfahren. Im Kloster Orthokosta, Symbol eines irre gewordenen Arkadiens, gingen Heiliges und Unheiliges, Kreatürliches und Ideelles, Ratio und Paranoia eine diabolische Verbindung miteinander ein. Die kategorisierende Schematik linken Vorgehens werde als Ausprägung eines (im Übrigen beidseitigen) politischen Rassismus definiert, dem ­zwischen die Fronten geratene Unbeteiligte und Unschuldige zum Opfer fielen. Messerscharf legt Raftopoulos das dünkelhafte Selbstverständnis der Linken als Bevollmächtigte der Weltgeschichte bloß. Dessen Quintessenz laute letztlich: „Für das

127 „[Λ]ογοτεχνική αναπαραγωγή των παραπόνων του ανώνυμου ταγματασφαλίτη, ότι ο ΕΛΑΣ ίτης συγχωριανός του που ‚έσφαξε κόσμο, τώρα παίρνει σύνταξη για αντίσταση’“, Valtinos, Ορθοκωστά (Orthokosta), 11994. 128 Vgl. Paivanas, Cold Wars, 2010, S. 39, Fußnote 7. Dazu Valtinos selbst: „Über Jahre hatte keiner gewagt, darüber zu reden. Nur Philippos Iliou nahm mich in Schutz, ebenso ­Dimitris Raftopoulos“ („Κανένας δεν τολμούσε να μιλήσει τόσα χρόνια. Μόνον ο Φίλιππος Ηλιού με υπερασπίστηκε, όπως και ο Δημήτρης Ραυτόπουλος“), zitiert von Manglinis, Ενώ η χώρα γκρεμίζεται (Derweil das Land zusammenbricht), 2012, Abschnitt Τα στρατόπεδα υπήρξαν (Die Lager existierten). – Der Referattext ist offensichtlich identisch mit Raftopoulos, Rezension Valtinos Ορθοκωστά (Orthokosta), 1994. Das geht aus der folgenden, redaktionell unerklärt bleibenden Bemerkung auf S. 33 hervor: „Δεν θα επεκταθώ όμως στη δοκιμότατη πια τεχνική του συγγραφέα, ο Τίτος Πατρίκιος θα μας μιλήσει, νομίζω, πιο πολύ πάνω σ’ αυτό“ („Ich werde [hier] aber nicht weiter auf die bereits vielfach bewährte Technik des Autors eingehen, dazu wird uns, so glaube ich, Titos Patrikios noch Ausführlicheres sagen“).

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Volk gegen das Volk“.129 Doch ginge es Valtinos nicht um letzte historische Wahrheit, sondern um grundsätzlich Menschliches: Thema sei „die Demokratie des Todes im 20. Jahrhundert“. Keine Maxime, ob nun politischer, rassistischer oder religiöser Natur hätte die Menschen so leicht dazu bringen können, sich gegenseitig umzubringen, wenn sie es in ihrem Innersten nicht so gewollt hätten. Über die verbale Welt bestimme das Ideelle, über die reale aber das Katastrophale als roter bzw. schwarzer Faschismus. Trotz Wissenschaft und Freud bleibe das Phänomen unaufgeklärt. Hier lägen die Wurzeln des innerfamiliären Wahnsinns, der gegenseitigen materiellen wie symbolischen Zerstörung und des zivilisatorischen Zusammenbruchs. Im Wissen darum, dass beide Seiten aus demselben Holz geschnitzt ­seien, vermeide es Valtinos, sich auf die unnütze Frage: „Wer hat angefangen?“ einzulassen. Voller Lob ist Raftopoulos für die meisterhaft disponierten Einschübe zur Vorgeschichte der Figuren. Zur vordergründigen Inkohärenz der Texte: Sie s­ eien so inkohärent wie unser aller Leben selbst. Fazit: Indem Valtinos die Paranoia des Romans Ορθοκωστά (Orthokosta) ausbreite, präsentiere als er Antwort auf Adornos Frage, ob es nach Auschwitz noch Literatur geben könne, die griechische Version einer Vernichtung aller metaphysischen Realität, wie sie anderwärts in Völkermord, Krematorien und Gulag Gestalt angenommen habe.

Zur Rezeption des Romans Ορθοκωστά (Orthokosta) Die Linke, verunsichert und sensibilisiert vom Bankrott des realen Sozialismus, reagierte auf den Roman mit empörter Ablehnung. Dazu Valtinos selbst: Als das Buch 1994 herauskam, war die Hölle los. Man war nicht bereit zu akzeptieren, dass diese Dinge [tatsächlich] geschehen waren. […] All die Jahre hatte niemand gewagt, den Mund aufzumachen […]. In Ορθοκωστά (Orthokosta) steht selbstverständlich auch sehr Anerkennendes über Linke […], umgekehrt enthält das Buch Berichte von den Rechten selbst, die sich dazu bekannten, was sie den Linken angetan hatten. Doch die Linke von 1994 hatte nicht den Mut, all das zu sehen.130

129 „Για τον λαό κατά του λαού“, ebd. 130 „Οταν το βιβλίο εκδόθηκε το 1994, έγινε χαμός. Δεν ήταν διατεθειμένοι να αποδεχθούν ότι αυτά τα πράγματα συνέβησαν […] Κανένας δεν τολμούσε να μιλήσει τόσα χρόνια […] Βέβαια, στην “Ορθοκωστά” υπάρχουν ύμνοι για αριστερούς […], ενώ περιλαμβάνει και αναφορές από τους ίδιους τους δεξιούς, που ομολογούν τι έκαναν στους αριστερούς. Αλλά η Αριστερά του 1994 δεν είχε κουράγιο να τα δει τότε αυτά“, Manglinis, Ενώ η χώρα γκρεμίζεται (Derweil das Land zusammenbricht), 2012, Abschnitt Τα στρατόπεδα υπήρξαν (Die Lager existierten).

Zur Rezeption des Romans Ορθοκωστά | 273

Damit war eine gravierende Verkennung der tiefergehenden Intentionen eines Buches vorprogrammiert, von dessen Autor die Linke nun glaubte, er sei als einer der Ihren politisch zur Gegenseite übergelaufen. Valtinos, der sich selbst im Bereich unabhängig-­ kritischer Progressivität angesiedelt sieht, sagt dazu: „Ich erlaube niemandem, meine linke Grundhaltung in Frage zu stellen.“ 131 Er definiert Ορθοκωστά (Orthokosta) ausdrücklich als „linkes“ Buch.132 Die heftige, in Ausläufern bis heute anhaltende Diskussion variiert, zunächst im Dienst vorgefasster Meinungen, später um akademisch sublimierende Abklärung bemüht, nochmals alle Positionen, die immer schon gegenüber politisch-­historisch grundierter Literatur nicht-­linker Provenienz verhandelt wurden. Grundsätzlich im Vordergrund und in Frage steht also weiterhin die Seriosität und Berechtigung historischer Aussagen, die Verantwortung des Autors für die Position des Erzählers und seiner Figuren, die Verquickung von Fakt, Fiktion und Mythos, im Hintergrund dagegen die eigentlichen, darunter auch literarischen Intentionen des Autors.133 Diese sich oft genug im Kreise drehende Diskussion hier nachzuzeichnen, ist ihres enormen Umfangs wegen nicht möglich.134 Generell fällt an der Erstrezeption von Ορθοκωστά (Orthokosta) auf: 1.) Sie zeugt von oft nicht ausreichend gründlicher Lektüre des nur scheinbar locker kollagierten, in Wahrheit inhaltlich wie erzählerisch präzise durchstrukturierten Texts. Immer wieder lassen sich der Einschätzung und Wertung des Romans abträgliche Wahrnehmungsdefizite nachweisen.135 2.) Ebensooft unbemerkt bleiben die drei Zeitebenen, auf deren Basis erzählt wird. Zwar sind die Jahre 1944 – 1945 das zentrale Thema, übersehen aber werden die für die Ätiologie des Gesamtgeschehens so wichtigen Kapitel, die aus den 131 „Δεν επιτρέπω σε κανέναν να αμφισβητεί την αριστεροσύνη μου“, Quelle: (Anonym) Interview mit Thanassis Valtinos, 2003. 132 Pimplis, Interview mit Thanassis Valtinos, 2004. Ferner: „Η ειρωνεία είναι ότι το βιβλίο έγινε σεμινάριο στα Αρχεία Σύγχρονης Κοινωνικής Ιστορίας (ΑΣΚΙ). […] Τους είπα ότι είναι ένα “αριστερό” βιβλίο: περιγράφει τα πράγματα […], όπως ήταν, χωρίς δεύτερες σκέψεις…“ („… ironischerweise wurde das Buch zum Thema eines Seminars am Archiv für Zeitgenössische Sozialgeschichte. […] Ich sagte ihnen, es sei ein ‚linkes‘ Buch: es beschreibt die Dinge […] so, wie sie waren, ohne darüber hinausgehende Gedanken“), zitiert bei Manglinis, Ενώ η χώρα γκρεμίζεται (Derweil das Land zusammenbricht), 2012. 133 Von der Orthokosta aus ins Generelle gehend, wird dieser chronisch wiederkehrende Fragenkomplex von Souliotis, Το παιχνίδι με τη λογοτεχνία (Das Spiel mit der Literatur), 2004, ebenso bündig wie luzide behandelt. Der Literaturwissenschaftler spricht sich entschieden zugunsten eines Primats der Literatur aus. 134 Einen sehr wertvollen, aber durchaus noch nicht vollständigen Überblick geben bzw. diskutieren: Paivanas, Cold Wars, 2010; Skoupras, Ορθοκωστά και η κριτική (Orthokosta und die Kritik), 2007, S.  198 – 211; Skoupras, Η δραστική παρουσία (Die drastische Präsenz), 2010, S.  114 – 150; 311 – 326; 335 – 350. 135 Die zahlreichen Fehlwahrnehmungen des Romans als Folge zu flüchtiger und voreingenommener Lektüre genauer zu untersuchen, bleibt ein außerordentlich interessantes Desiderat.

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ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts berichten, und vor allem, dass die zentrale Zeitebene, von der aus erzählt wird, die erste Hälfte der 1980er Jahre ist: Die Berichte der einzelnen Sprecher sind von langen Verarbeitungsprozessen geprägt und durch aktuelle Herausforderungen modifiziert. 3.) Den meisten Rezensenten gelingt es nicht, sich vom Politisch-­Historischen zu lösen („Was ist wahr, wer oder was gerechtfertigt oder nicht?“). Nicht übersehen werden darf allerdings, dass sich neben diesen mehrheitlich vertretenen Reaktionen auch Stimmen meldeten, die sich um einen anderen, eigenständigeren Zugang zu Ορθοκωστά (Orthokosta) bemühten. Hier ist vor allem und ausdrücklich die Rezension von Tzina Politi zu nennen, die – schon bald nach Erscheinen des Romans veröffentlicht – dem von Raftopoulos zugunsten des Romans Gesagten nicht nur gleichkommt, sondern es an anthropologischer Tiefenschärfe teilweise noch übertrifft und gerade durch den Verzicht auf das vordergründig Politisch-­Historische nur umso politischer in der Aussage ist.136 Doch zurück zum Mainstream: Als besonders repräsentativ für die linke Rezeption sei hier wieder eine Rezension von Angelos Elefantis angeführt.137 Sein als aktuelle Direkt­ reaktion erschienener Artikel ist Zeugnis eines sehr ernsthaften Reflexionsprozesses, bezieht diesmal auch eine literaturtheoretische Komponente ein und vermittelt im Vergleich mit Elefantis’ Rezension von Gages/Gatzogiannis’ Eleni interessante Einblicke in den seitherigen Entwicklungsgang des Linksdiskurses zu den Th ­ emen Widerstand, Bürger­ krieg und auch, wenngleich nicht direkt so bezeichnet, zum Thema schwarze Literatur. Elefantis’ Rezension kennzeichnet erneut das Bemühen, zu Ungunsten der Linken ausgesprochene Sachverhalte abzuwehren und die ererbte Bürgerkrieg-­Perspektive der Linken zu retten. Aber es gibt Veränderungen. Hatte es zum Todesurteil über Eleni ihres Versuchs wegen, aus dem ELAS-Territorium zu fliehen, noch geheißen, sie habe dies „vielleicht nicht zwingend aus ideologischen“, sondern aus anderen, „aus ihrer Perspektive gerechtfertigten Gründen“ getan,138 und ihre Erschießung sei „vielleicht“ eine jener Liquidationen gewesen, wie sie die Kriegslogik nun einmal zeitige,139 räumt Elefantis diesmal von vornherein ein: „Jedermann verurteilt die Schlächtereien des ELAS  […] genauso wie die Schlächtereien der Sicherheitsbataillone auf der ganzen Peloponnes.“ 140 Seinen Zorn erklärt Elefantis vielmehr aus einer gerade wieder aktuell

136 Politi, Rezension, 1995, S. 93 – 98. 137 Elefantis, Ορθοκωστά (Orthokosta), 2003 (Erstveröffentlichung 1994). 138 „[…] ότι […] για λόγους πολυ δικαιολογημένους από τη μεριά τους και ίσως όχι αναγκαστικά ιδεολογικούς“, Elefantis, Ελένη (Eleni), 2003, S. 276. 139 „Ich werde nicht leugnen, dass es auch ­solche Vorkommnisse gab – vielleicht war die Hinrichtung in Lia ein solches“ („δε θα αρνηθώ ότι υπήρξαν και τέτοιες περιπτώσεις –ίσως τέτοια να ήταν και η εκτέλεση στον Λια.“), Elefantis, Ελένη (Eleni), 2003, S. 277. 140 „[O] καθένας καταδικάζει τις σφαγές των Ελασιτών […] όπως και τις σφαγές των ταγματασφαλιτών σ΄ ολο τον Μοριά“, Elefantis, Ορθοκωστά (Orthokosta), 2003, S. 289.

Die Kontroverse ­zwischen Raftopoulos und Elefantis | 275

gewordenen ideologischen Abstrahierung, die Valtinos literarisch umgesetzt habe: Seit Anbruch der postkommunistischen Ära und bei gleichzeitigem geschichtswissenschaftlichem Generationswechsel habe das revisionistische Modul vom „Doppelgesicht des Faschismus“, also seiner roten wie auch schwarzen Spielart, neu an Boden gewonnen. Mit seiner Hilfe werde die historische Leistung der Linken im Weltkrieg zu reinem Fanatismus degradiert, die Unterschiede ­zwischen links und rechts eingeebnet, die wahre Geschichte aber entsorgt. Dass Valtinos d­ ieses Doppelgesicht zwar zeigt, dessen Bewertung aber nicht vordergründig politisch-­historisch, sondern auf einer zu anthropologischer Tiefe vorgedrungenen Ebene insinuiert, wird von Elefantis verkannt: Er rezipiert diese Ebene nur als Sphäre des „Psychischen“ und des „gezückten Messers“, auf der die Menschen zu wilden Tieren geworden ­seien. Auch auf literarischer Ebene versucht Elefantis abzuwehren und zu relativieren. Polemisches mit sachlichem Bemühen vermischend, arbeitet er sich an den altbekannten Grundsatzproblemen literarischer Umsetzung historischer Stoffe ab. Valtinos sei mit seiner Entmythologisierung linker Geschichtsauffassung (an ­welche die Linke eingeräumtermaßen über Generationen hin fälschlich geglaubt habe) zu weit gegangen. Wer Entmythologisierung lediglich durch Propagierung neuer Mythologeme betreibe, müsse daran scheitern, einen substantiell wahren Roman zu schreiben. Hier kommt es nun zu einer beziehungsreichen Verflechtung der Jahreszahlen 1955, 1961, 1965 (Raftopulos), 1989 (weltpolitische Wende) und 1994 (Valtinos), die einen rezeptionsdiskursiven Wendepunkt markiert. Ohne direkte Abhängigkeit zu unterstellen, bleibt doch auffällig, wie sehr Elefantis noch den Wahrnehmungs- und Bewertungsmustern folgt, die Raftopoulos in seinen Kritiken zur schwarzen Literatur etabliert hatte. Wie seinerzeit Kotzias, Roufos, Frangopoulos und Kasdaglis wird jetzt auch Valtinos Verkennung, ja Leugnung der historischen Wahrheit und Scheitern im Bemühen um tragfähige literarische Wahrheit angelastet. Doch eben derjenige, der diese Kriterien 1955 und 1961 aufgestellt, 1989 aber bereits vollständig überwunden hatte, tritt nun 1994 im Dienste völlig veränderter Maximen für Valtinos und gegen Elefantis auf den Plan.

Die Kontroverse ­zwischen Raftopoulos und Elefantis: emanzipiertes Denken gegen altlinkes Denken Für Raftopoulos bedeutete es eine ihn zutiefst angehende Herausforderung, sich mit Elefantis’ Kritik auseinanderzusetzen: Stellte er sich nun doch anhand eines der bedeutendsten Prosawerke der griechischen Nachkriegsliteratur seinem eigenen Selbst aus den 1950er Jahren entgegen. Es bestürze ihn, so Raftopoulos in seinem Artikel „Der Roman von Valtinos und die Kritik von Elefantis – Ορθοκωστά (Orthokosta) ist

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keine Seifenoper“,141 dass Elefantis den Roman politisch auf die „Theorie vom roten und schwarzen Faschismus“ und anthropologisch auf das „unerklärliche Lebewesen Mensch“ reduziere, nur fähig, hinzuschlachten oder sich in Angst zu verlieren. Der aktuelle Diskurs sei von politischer Fixiertheit und Freude am Skandalösen gekennzeichnet („Nun heroisiert Valtinos auch noch die Sicherheitsbataillone!“). Statt ihn zu annullieren, verstärke Elefantis diesen Trend. Die von ihm literaturtheoretisch untermauerte Erwartung, aus paternalistisch allwissender Erzählerposition mit einem alles erklärenden „kritischen Realismus“ bedient zu werden, könne und wolle das Buch nicht mehr erfüllen. Es vermittle vielmehr eine „Rede aus der Tiefe“. Was wir zu fürchten hätten, sei nicht das Vergessen, sondern die Erkenntnis, welcher Abgründigkeiten der Mensch fähig sei, wenn ihn eine verabsolutierte Utopie ins Straucheln bringe. Wie könne man die unglückseligen Menschen in Ορθοκωστά (Orthokosta) als „wilde Tiere“ apostrophieren, die sich allem Überlebenskampf zum Trotz auch über Gräben hinweg Reste ihrer Kultur und Menschlichkeit bewahrten! Zur „Theorie der zwei Faschismen“: Diese ziele auf den für beide Lager charakteristischen Totalitarismus ab, nicht aber auf einen Vergleich seiner jeweiligen Folgen. Sie repräsentiere die Position der westlich-­parlamentarischen Demokratie, die Elefantis als sein eigentliches Feindbild ausmache. Bei all ihrem Darwinismus sei diese aber den makabren Errungen­schaften in die Tat umgesetzter Utopie vorzuziehen. Der dreijährige Widerstandskampf der Linken mit all seinem Engagement und seinen Opfern sei und bleibe davon belastet, dass er zugleich die Errichtung einer Volksdemokratie im Auge gehabt habe: Wer das nicht wollte, sei automatisch zum Feind geworden, gegen den dieselbe Gewalt legitim war wie gegen die Besatzer. Hier lägen die Wurzeln der Bürgerkriegsgewalt. Wir alle hätten die Träume geträumt, an denen Elefantis so nostalgisch hänge. Doch wo immer diese umgesetzt wurden, sei es zur KZ -Gesellschaft des real existierenden Sozialismus gekommen. Raftopoulos schließt mit einem bemerkenswerten Zitat von Edgar Quinet (1803 – 1875): Das Unglück ist, dass fast alle unsere Utopien ihren Ursprung in Zeiten der Sklaverei haben: Sie haben deren Geist bewahrt. Daran liegt es, dass sie dazu tendieren, in Despotismus jedweder Art ihren Verbündeten zu sehen. Entwickeln sich die Dinge nicht in der erwarteten Richtung, macht man sich daran, sie mit autokratischer Gewalt zu erzwingen.142

141 Raftopoulos, Βαλτινού/Ελεφάντη (Valtinos/Elefantis), 1994. 1 42 „Το δυστύχημα είναι που οι ουτοπίες μας, σχέδον όλες, γεννήθηκαν μέσα στη σκλαβιά: διατήρησαν το πνεύμα της. Σ’ αυτό οφείλεται το ότι έχουν την τάση να βλέπουν ένα σύμμαχο σε κάθε δεσποτισμό. Όταν τα πράγματα δεν έρχονται κατά πώς τα περίμεναν, πάνε να τα εξαναγκάσουν με αυταρχική εξουσία“, ebd., S. 52, Zitat aus Quinet, La Révolution, 1865. Der französische Liberale, Schriftsteller und Historiker Edgar Quinet hatte 1828 im Auftrag der französischen Regierung an einer Forschungsreise durch die Peloponnes teilgenommen.

Die Kontroverse ­zwischen Raftopoulos und Elefantis | 277

1997 kommt Raftopoulos erneut auf die Kontroverse zurück.143 Obgleich er sich weitere zehn Jahre später nochmals intensiv mit dem Roman beschäftigt,144 ist doch das 1997 von ihm Gesagte an bündiger Treffsicherheit nicht zu überbieten: Es sei unmöglich, Literaturwerke von ihrem historischen bzw. biographischen Hintergrund zu abstrahieren. Die sie enthaltenden ideologischen Lesarten der Geschichte eigneten sich nicht als literarisches Wertungskriterium: Das Ästhetische habe absolute Priorität. Die spezifische Art der Wahrnehmung von Geschichte gehe in Ορθοκωστά (Orthokosta) im Übrigen viel weiter in die Tiefe. Keineswegs rechtfertige das Buch eine bestimmte Gruppe von Akteuren im Bürgerkrieg wie die Sicherheitsbataillone. Es decke den Mechanismus der Entzweiung auf, dringe weiter zu den Abgründen des Bösen im Menschen vor und zeige, wie leicht Ideologie und Fundamentalismus einen gestern noch sanftmütigen Menschen und eine friedliche Gesellschaft in reißende Tiere verwandeln können. Im Übrigen solle man kein Geheimnis aus der vielfältigen Verantwortung der Linken für den Bürgerkrieg machen. Diese Einsicht komme erst jetzt ans Licht, denn unter den Bedingungen der Nachkriegsjahre und der Militärdiktatur ­seien die furchtbaren Fehler der Linken in unser traumatisiertes Unterbewusstsein verdrängt worden. Es treffe zu, dass Ορθοκωστά (Orthokosta) die gewaltsame Monopolisierung der Linken – sprich: deren genuine Verantwortung – in den Vordergrund rücke. Eben dies sei es, was die Linke bis heute nicht akzeptieren wolle, und damit schreibe sie die Entzweiung bis in alle Ewigkeit fort. Womöglich aus der Illusion heraus, letztendlich die „Revanche“ gewonnen zu haben und nun mit den Mitteln moralischer Einschüchterung Zensur betreiben zu dürfen. Wie zuvor schon Eleni habe man das Buch sogar verbrennen wollen! Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn diese Menschen damals an die Macht gekommen wären … Eleni und Ορθοκωστά (Orthokosta) sind die letzten Werke, die aufgrund ihrer Amalgamierung historischer und aktueller Kernbereiche der Widerstand- und Bürger­ kriegsthematik eine deutlich übers Literarische hinausgehende Debatte auszulösen vermochten.145 Während es aber bezüglich Eleni bald zu einem depolarisierenden Ausgleich kam (vgl. die zahlreichen Vorworte rechter wie linker Prominenter zur Neuausgabe von 2003), blieben in Sachen Ορθοκωστά (Orthokosta) die Gegensätze unverändert heftig und eskalierten schließlich im Historikerstreit in der ersten Hälfte des folgenden Jahrzehnts.146

143 Faïs, Interview mit Dimitris Raftopoulos, 1997. 144 Raftopoulos, Το μυθιστόρημα τεκμηρίων (Der Roman der Zeugenaussagen), 2007. 145 Skoupras, Δραστική Παρουσία (Drastische Präsenz), 2010, S. 1. 146 Etwa 2001 einsetzende, die tradierte Bürgerkriegsrolle der Linken in Frage stellende revisionistische Strömung, ­welche die Orthokosta als ihren literarischen Vorboten betrachtete und das Buch sogar als direkte Quelle heranzog bzw. überprüfend diskutierte. Dazu vor allem

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Seitdem verlagerte sich die Diskussion auf die Ebene des retrospektiv Akademischen. Die Mehrheit der literaturwissenschaftlichen und literaturkritischen Beiträge verfolgt eine deskriptiv aufarbeitende Linie, behandelt das Thema schwarze (politische) Literatur als rein historisches Phänomen und ist um dessen sachliche Einordnung und Bewertung bemüht. Doch gibt es daneben auch weiterhin Veröffentlichungen, die – alten Sichtweisen folgend – nicht beachten, das Künstlerisch-­Ästhetische und das Inhaltlich-­Politische, Autor und Erzähler, historischen Rahmen und anthropologische Kernthematik angemessen auseinanderzuhalten. Wiederholt kommt es dazu, dass die literarische Qualität von Texten an deren tatsächlichen bzw. vermeintlichen politischen Aussagen und Tendenzen bemessen wird.147

Zwischen apologetischem Beharren und Selbstkritik: Raftopoulos’ retrospektives Verhältnis zum Begriff schwarze Literatur Die diametrale Diskrepanz ­zwischen Raftopoulos’ Engagement für den Roman Ορθοκωστά (Orthokosta) und seiner Schwarze-­Literatur-­Polemik von 1955, 1961 und 1965 hat immer wieder Aufmerksamkeit erregt und die Frage provoziert, wie er denn heute zu seiner ursprünglichen Haltung stehe.148 Seine Stellungnahmen fallen unterschiedlich und nicht ganz widerspruchsfrei aus. Mit Recht beansprucht natürlich ­Raftopoulos, nicht auf Positionen von vor vierzig Jahren festgenagelt zu werden.149 Kalyvas, Stathis: Leftist Violence, S. 204. Von linker Seite: Voulgaris, Η παρτίδα (Die Partie), 2004. Subtil zur Gesamtdiskussion: Paivanas, Cold Wars, 2010, S. 23. 147 Dermitzakis, Το πεζογραφικό έργο (Das Prosawerk), zudem auffällig oft Vasilakakos, Εμφύλιος (Bürgerkrieg), 2000, und in jüngster Zeit Kastrinaki, Ρούφος, Κοτζιάς, Κάσδαγλης (Roufos, Kotzias, Kasdaglis), 2015. 148 So Theodosopoulou, Interview mit Dimitris Raftopoulos, 1997. 149 Faïs, Interview mit Dimitris Raftopoulos 1997, S. 111: „Jetzt aber zur Sache. Ich frage: Wieso berücksichtigt man nicht die 40 Jahre Unterschied ­zwischen meinen beiden literaturkritischen Positionen? Ich meine dabei nicht nur mein selbstverständliches Recht (ist es nur ein Recht?), nach allem Weltbewegenden, was dazwischen liegt, meine Position zu ändern. 1956 füllten die Kommunisten die Gefängnisse, während ihre Gegner, Kollaborateure eingeschlossen, an der Macht waren, reich wurden und Mittel des Terrors einsetzten. Herrschten heute dieselben Verhältnisse wie damals, wäre ich – auch mit dem, woran ich heute glaube – wieder auf Seiten der Kommunisten“ („Επί της ουσίας τώρα. Ρωτάω: τα σαράντα χρόνια που πέρασαν ανάμεσα στις δυο κριτικές μου στάσεις, πώς τα αφαιρούν από το λογαριασμό; Και δεν εννοώ μόνο το αυτονόητο δικαίωμά μου (μόνο δικαίωμα;) ν’ αλλάξω με τα όσα κοσμογονικά μεσολάβησαν. Το ΄56 οι κομμουνιστές γέμιζαν τις φυλακές, ενώ οι αντίπαλοί τους, ακόμα και οι συνεργάτες των καταχτητών, είχαν την εξουσία, πλούτιζαν και τρομοκρατούσαν. Αν σήμερα ήταν οι ίδιες συνθήκες – ακόμα και με όσα πιστεύω σήμερα– πάλι με τους κομμουνιστές θα ήμουνα“).

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Abermals weist er darauf hin, die damals von ihm inkriminierte Literatur nicht deshalb als „schwarz“ bezeichnet zu haben, um ihr „Schwarzhemden“-Faschismus zu unterstellen. Es gehe vielmehr um einen aus der Cineastik entlehnten Genrebegriff, den er, gerade um seiner Fehldeutung vorzubeugen, um den Terminus „politisch“ erweitert habe. Das wolle mancher bis heute nicht wahrhaben: „Sieh mal einer an, ­Raftopoulos nennt die Antikommunisten Faschisten! Zwischenbemerkung: Immerhin zwei von ihnen [gemeint sind zwei der inkriminierten Autoren] könnte ich allerdings so bezeichnen.“ 150 Wen er meint, übergeht Raftopoulos ebenso wie die Tatsache, dass er die Definition schwarze politische Literatur erst zehn Jahre nach Veröffentlichung seiner Verrisse von 1955 verwendet hat. Nichtsdestoweniger blieb die Deutung „schwarz gleich faschistisch“ die einzig gängige. Sie prägte den gesamten Rezeptionsdiskurs schon deshalb, weil Raftopoulos seine eigene Interpretation erst Jahrzehnte später öffentlich machte und der 1965er Zusatz der allgemeinen Fehldeutung weniger vorbeugte als diese vielmehr noch verstärkte. Auch weitere Äußerungen stehen in teils auffälligem Kontrast zu den Grundsatzpositionen, die Raftopoulos 1994 im Zusammenhang mit Valtinos’ Roman vertreten hatte:151 Man möge nicht von ihm erwarten, so Raftopoulos 2003, dass er das Schwarz seiner Kritiken von 1955 in ein Weiß verwandeln werde, besonders nicht in den Fällen Roufos und Frangopoulos. Deren Bücher, die im Namen des Antikommunismus auf ausdrücklicher Akzeptanz und Heroisierung der Zusammenarbeit mit den Besatzern basierten – hier liegt ein eindeutiges Missverständnis vor 152 – würde er auch heute noch verwerfen. Am empörendsten sei dabei die dünkelhafte Verachtung für das hungernde, 150 „Nα, ο Ραυτόπουλος λέει τους αντικομμουνιστές φασίστες! Παρένθεση: δυο τουλάχιστον απ’ αυτούς θα μπορούσα να τους πω έτσι“, Faïs, Interview mit Dimitris Raftopoulos 1997, S. 111. 151 Raftopoulos, Δεν ήμουν ο Πάπας (Ich war nicht der Papst), 2003, S. 27 – 35; ­R aftopoulos, Αναθεώρηση Τέχνης (Revision der Kunst), 2006, S. 198, Abschnitte Kόκκινο και Mαύρο (Rot und Schwarz) sowie „Ιδέα“ και „αλήθεια“ („Idee“ und „Wahrheit“); außerdem: Sendung des Fernsehkanals ERT, Εποχές και Συγγραφείς (Zeiten und Autoren), 2006. 152 Raftopoulos verschweigt hier, mit wieviel Unbehagen und Skrupeln Roufos und Frangopoulos das Thema Kollaboration behandeln. Roufos’ totale Distanznahme im zweiten Band seiner Trilogie zu allem, was die Sicherheitsbataillone betraf, scheint Raftopoulos nicht gekannt zu haben (vgl. Roufos, Πορεία στο σκοτάδι [Marsch durch die Dunkelheit], 32004, S.  332 – 342). Zu Roufos’ tatsächlicher persönlicher Haltung gegenüber den Besatzern sei auf ein Kapitel des erst 1995 veröffentlichten (autobiographischen) Schlüsselromans von Frangopoulos, Το σιωπηλό σύνορο (Die stille Grenze), 1995, verwiesen, der noch einmal den in den Romanen von Roufos und Frangopoulos apostrophierten Freundeskreis um die beiden Autoren und Maltezos in den 40er Jahren thematisiert. Für ihn war auch das Kapitel „Rolf “ vorgesehen, in dem Dion (eine literarische Persona Roufos’), laut auf Deutsch schimpfend und Türen schlagend eine Gesellschaft verlässt, weil auch der Leiter des Deutschen Kulturinstituts Rolf von Tjepkema geladen war. Frangopoulos hat das Kapitel jedoch wegen seiner Brisanz unterdrückt, weist aber in einer Fußnote des Nachworts zu seinem Roman versteckt darauf hin, dass es im Juli

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ästhetisch abstoßende Proletariat. Dennoch habe er viele literarische Qualitäten der beiden Romane anerkannt. Kotzias und Kasdaglis wiederum ­seien zwar ihren kollaborierenden Protagonisten gegenüber durchaus objektiv, doch ihre Objektivität entziehe den abstoßenden Helden keine Sympathie, sondern präsentiere sie als tragisch Verstrickte, moralisch Überlegene, von humanem Atem Durchwehte. Ich will einräumen, dass auch mein Urteil nicht objektiv war. Seit langem verwerfe ich die Verklärung des Widerstands und der damaligen politischen Ziele der Linken – denen ich mich damals mit angeschlossen hatte. Meine spätere kritische Sicht auf die Verantwortung der L ­ inken und ihre Mitschuld am Bürgerkrieg […] steht inzwischen dem näher, was Kotzias über den Zehn- bis Dreißigjährigen Krieg […] in Griechenland diagnostiziert hat.153

Doch müsse man ihm als selbst hart Betroffenen die Zeitumstände der 1950er Jahre mit all ihrer Repression und Deklassierung zugute halten. Mit eher ambivalenter als überzeugender Apologetik geht Raftopoulos auf die Kritik an seiner Polemik ein: Man habe sie als moralisierend, als Irrtum, als unzulässige Vermengung der Kategorien „Autor“ und „Erzähler“ bzw. „Bote“ und „­ Botschaft“ verbucht. Seine Reaktion sei unter den damaligen Umständen mehr moralisch als ästhetisch gewesen, das räume er ein, und er nehme sich auch heute noch das Recht, die Ideen eines Werks unabhängig von seinem ästhetischen Wert zu ­kritisieren. Sicherlich sehe man all dies heute gelassener, und das ehrenhafte Engagement der Autoren gegen die Militärdiktatur habe eine korrigierende Interpretation der umstrittenen Werke heranreifen lassen. „Allerdings nicht aller: nur der Hälfte!“ 154 Raftopoulos endet also hier, wie er begonnen hatte: Gegen Roufos und Frangopoulos bleibt er unerbittlich. 2006 äußert sich Raftopoulos abermals zum Thema. Auf den ersten Blick scheint er am soeben Referierten festzuhalten. Doch es gibt nuancierte Konzessionen, verklausulierte Distanz. Nach obligatorischer Erläuterung der Formel schwarze politische Literatur geht Raftopoulos wieder auf den Faktor Zeitumstände ein:

1985 als Einzelveröffentlichung in der Zeitschrift Efthyni erschienen sei (Frangopoulos, Ρολφ [Rolf ], 1985, S. 341). 153 „Θα αναγνωρίσω πως ούτε η δική μου κρίση ήταν αντικειμενική. Από καιρό έχω απορρίψει τις παλιές εξιδανικεύσεις της Αντίστασης και των επιδιώξεων της αριστεράς –όπου είχα ενταχθεί. Η κατοπινή κριτική μου για τις ευθύνες της αριστεράς και τη συνενοχή της στον εμφύλιο […] πόλεμο πλησίασε περισσότερο την διάγνωση Κοτζιά για τον δεκαετή ως τριακονταετή πόλεμο“, ­R aftopoulos, Αναθεώρηση Τέχνης (Revision der Kunst), 2006, S. 198. 1 54 „Όχι όλων: των μισών!“, Raftopoulos, Δεν ήμουν ο Πάπας (Ich war nicht der Papst), 2003, S. 29.

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Es gab auch die moralische Dimension, diejenige der historischen Gerechtigkeit. Wenn eine unterlegene Partei – ganz gleich, was ihre eigene Verantwortung dafür ist – Tausende ihrer Anhänger im Gefängnis sitzen hat und eine ganze Bevölkerungsgruppe politisch und sozial, unter Einschränkung ihrer politischen Rechte und Menschenrechte gettoisiert ist, lässt sich der „moralische Aspekt“ bei Werken, die nationalen Verrat und blinden Antikommunismus wohlwollend schildern, nicht einfach ignorieren.155

Auch hier fehlt nicht das Zitat von den unästhetischen Kommunistenvisagen. An den Romanen von Roufos und Frangopoulos habe er zwar künstlerische Rückständigkeit, manierierten Ästhetizismus und Geschwätzigkeit bemängelt, aber auch Vorzüge anerkannt. Die Ideenwelt dieser Bücher nannte ich nicht faschistisch, sondern führte sie auf jugendlich-­ unreife Lektüre von Autoren wie Platon, Nietzsche, Le Bon, Carlyle und Bergson zurück. Mag sein, dass diese ‚auserwählten‘ Romanhelden nicht die Vulgär-­Nietzscheaner waren, als die ich sie bezeichnete. […] Aber ich stehe weiterhin voll und ganz hinter dieser Kritik (wenn auch nicht zu allen Verallgemeinerungen über die Übereinstimmung von Realität und literarischer Wahrheit; dabei handelte es sich wirklich um Vereinfachungen).156

Anders akzentuiert sei dagegen die Kritik an Kotzias und Kasdaglis gewesen: Selbstverständlich reagierte ich auf deren politische Ausrichtung, die den Widerstand des EAM als denjenigen von Mörderbanden darstellte und den Sicherheitsbataillonen wie den Stadtteilterroristen indirekt, aber unverkennbar moralische Überlegenheit über die Kommunisten […] zubilligte. Über spätere Werke dieser Autoren habe ich mich stets sehr positiv geäußert, auch wenn ich ihre gedanklichen Grundlagen nicht teilte.157

155 „Υπήρχε και η ηθική διάσταση, εκείνη της ιστορικής δικαιοσύνης. Όταν μια ηττημένη παράταξη –όποιες κι αν ήταν οι δικές της ευθύνες– έχει χιλιάδες οπαδούς της στις φυλακές και πληθυσμό ολόκληρο σε πολιτικό-­κοινωνικό γκέτο, με μειωμένα πολιτικά και ανθρώπινα δικαιώματα, δεν μπορείς να αγνοήσεις το ,ηθικό κριτήριο‛ απέναντι σε έργα που παρουσιάζουν την εθνοπροδοσία και τον τυφλό αντικομμουνισμό ευνοϊκά“, Raftopoulos, Αναθεώρηση Τέχνης (Revision der Kunst), 2006, S. 199. 156 „Όσο για τις ιδέες τους, δεν τις χαρακτήριζα φασιστικές αλλά τις απέδιδα σε πρώιμα διαβάσματα Πλάτωνα, Νίτσε, Λεμπόν, Καρλάυλ, Μπερξόν. Δεν είναι τάχα χυδαία νιτσεϊκοί, όπως τους έλεγα, οι ,εκλεκτοί‛ ήρωές τους […] Διατηρώ λοιπόν στο ακέραιο την κρίση εκείνη (όχι και όλες οι γενικεύσεις για την αντιστοιχία πραγματικότητας-­λογοτεχνικής αλήθειας, πού ήταν, όντως, απλουστευτικές)“, Raftopoulos, Αναθεώρηση Τέχνης (Revision der Kunst), S. 199 f. Es sei hier noch einmal daran erinnert, dass Raftopoulos sich nur auf den ersten Band der Roufos-­Trilogie bezieht, der besonders in der Erstausgabe politisch provokante Angriffsflächen und literarische Schwächen aufweist, die den weiteren Bänden der Trilogie nicht mehr angelastet werden können. 157 „Αντιδρούσα, εννοείται, στην πολιτική τους τοποθέτηση, που παρουσίαζε την Εαμική αντίσταση σαν συμμορίες φονιάδων και αναγνώριζε, έμμεσα αλλά σαφώς, ηθική υπεροχή στους ταγματασφαλίτες

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Angesichts der Kritik, seine Rezensionen ­seien den Vorgaben des sozialistischen Realismus verpflichtet, unterstreicht Raftopoulos seine frühe Emanzipation von dessen Maximen: Schon zu Beginn seiner Arbeit bei der Epitheorisi Technis habe er nur noch halbherzig an sie geglaubt. Unter Rückgriff auf Wissarion Belinski (schon in den 60er Jahren von ihm zitiert) und auf Adornos Ästhetische ­Theorie formuliert er als sein heutiges Credo zum Verhältnis von Idee und Wahrheit: „Die Idee eines jeden Werkes besteht aus einem einmaligen Konzept über eines oder mehrere ­Themen und ist nicht mit der Ideologie des Künstlers und ebensowenig mit der Ideologie gleichzusetzen, die das betreffende Werk ausstrahlt.“ 158 Hier ist einzuwenden, dass diese Maximen, da 1955 noch nicht entwickelt, auch keinen Niederschlag in den Kritiken der schwarzen Literatur gefunden haben konnten. Es ist dann allerdings zu fragen, warum Raftopoulos auch 2006 – in nunmehr ganz unzweideutigem Widerspruch zu sich selbst – diese inzwischen schon lange vertretenen Einsichten nicht auch der schwarzen Literatur zugute kommen lässt … Stattdessen folgende Volte: Beim großen Revisor der marxistischen Ästhetik Adorno heiße es, nicht das, was sie bedeuteten, sondern das, was jeweils innerhalb eines Werks als Lüge oder Wahrheit festgestellt werde, sei der Wahrheitsgehalt der Werke. Nur dies sei ihrer philosophischen Interpretation angemessen und stimme – zumindest hinsichtlich seiner Idee – mit der philosophischen Wahrheit überein. Und: Ein großes Werk könne nicht lügen, das könne nur ein missglücktes. Werke, die Idealismus vortäuschten oder verfälschten, straften sich seit eh und je selbst Lügen. Dazu Raftopoulos: „Na ja, ich glaube nicht, dass den hier in Rede stehenden Werken (der schwarzen Literatur) ein Bleiberecht unter den Großen zusteht.“ 159 Im Rahmen einer ihm gewidmeten Fernsehsendung legt Raftopoulos zum selben Thema den Schwerpunkt auf die historisch-­politischen Rahmenbedingungen. Diesmal unterscheidet er ­zwischen den Bedingungen, die zur Zeit der geschilderten Ereignisse, und denjenigen, die zur Zeit ihrer Veröffentlichung herrschten. Aus beiden leitet er die Verpflichtung für sich ab, seine Polemik auf eine betont moralische Grundlage gestellt zu haben. Auch hier tauchen die vielzitierten „Kommunistenvisagen“ wieder auf:

και τρομοκράτες των συνοικιών απέναντι στους κομμουνιστές […] Για μεταγενέστερα έργα των συγγραφέων αυτών είχα, τότε και αργότερα, εκφραστεί πολύ θετικά, ακόμα και όταν δεν συμμεριζόμουν το φιλοσοφικό τους υπόβαθρο“, Raftopoulos, Αναθεώρηση Τέχνης (Revision der Kunst), S. 200. 158 „Η ιδέα κάθε έργου είναι μια σύλληψη μοναδική πάνω σ’ ένα ή περισσότερα θέματα και δεν ταυτίζεται ούτε με την ιδεολογία του καλλιτέχνη ούτε καν με την ιδεολογία που αποπνέει το συγκεκριμένο έργο“, Raftopoulos, Αναθεώρηση Τέχνης (Revision der Kunst), S. 202. Zu Belinski siehe Raftopoulos, Oι ιδέες (Die Ideen), 1965, S. 213 (Wiederveröffentlichung aus Ελληνική Αριστερά, Die griechische Linke). 159 „Έ, δεν νομίζω δα ότι τα περί ων ο λόγος έργα (της ,μαύρης λογοτεχνίας‛) δικαιούνται να απολάυουν ασυλίας των μεγάλων“, Raftopoulos, Αναθεώρηση Τέχνης (Revision der Kunst), 2006, S. 203.

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Wenn man über die damalige Zeit des großen Hungers spricht, als die Menschen auf den Straßen wie die Fliegen starben, kann man unmöglich davon schreiben, wie der sympathische Held des Romans große Reden darüber schwingt, das hungernde Proletariat sei ebenso abstoßend wie die dicken Bankiers, und man solle die Visagen der Kommunisten aus Gründen öffentlicher Ästhetik aus dem Verkehr ziehen, wenn zur gleichen Zeit diese „Kommunistenvisagen“ von Liquidationskommandos „aus dem Verkehr gezogen“ würden. Genauso, wenn zum Zeitpunkt des Erscheinens des Buches Tausende von Kommunisten in den Gefängnissen saßen, und unter ihnen noch viele, die auf ihre Hinrichtung warteten.160

Die omnipräsente Frage nach dem kollektiven und persönlichen Trauma Es könnte der Eindruck entstanden sein, die Argumentation im vorliegenden Kapitel sei sehr stark auf Raftopoulos fokussiert. Das erklärt sich nicht nur aus der eingangs begründeten Personalisierung: Ohne eine detaillierte Paradigmatisierung der komplexen, teils diachronen, teils dann doch wieder synchronen Diskrepanzen ­zwischen Raftopoulos’ Positionen zu rechts perspektivierten Bürgerkriegsromanen muss der hier angestellte Versuch einer Beantwortung dieser Frage ins Leere laufen – es gibt auf ­diesem Feld ohnehin nur den jeweiligen Einzelfall. Wie sich gezeigt hat, existiert ein nicht vollständig auflösbarer Widerspruch z­ wischen den Argumentationsmodi der Kritiken zur schwarzen Literatur und den emanzipierten literaturkritischen Kriterien, die Raftopoulos später entwickelt und vertreten hat. Es greift zu kurz, hier aus der Besorgnis, unwissenschaftlich zu agieren, alles Subjektive, Biographische und Persönliche auszuklammern. Im Gegenteil: In einem so konstitutiv Ambivalentes und Unwägbares berührenden Raum wie der Literatur und Literaturwissenschaft wäre es erkenntniseinschränkend, wollte man eine Komponente eliminieren, die Zusammenhänge wesentlich aufhellen und vervollständigen kann. Umso mehr, wenn es dabei um den Faktor geht, der die Kernthematik des vorliegenden Bandes ausmacht: Es ist (auch über dies Kapitel hinaus) deutlich geworden, dass das Widerstands- und Bürgerkriegstrauma nicht allein als – teils individuelles, teils

160 „Δεν μπορείς όταν μιλάς για την περίοδο της πείνας όταν πέθαιναν οι άνθρωποι σαν μύγες στους δρόμους να γράφεις ο συμπαθητικός ήρωας του μυθιστορήματος να αγορεύει και να λέει ότι το πεινασμένο προλεταριάτο, λέει, είναι εξίσου απεχθές με τους χοντρούς τραπεζίτες και οι φάτσες των κομμουνιστών πρέπει να καταργηθούν για λόγους δημόσιας αισθητικής, όταν ‚οι φάτσες των κομμουνιστών’ εκαταργούντο δια των εκτελεστικών αποσπασμάτων, τότε την εποχή. Και όταν βγαίνει το βιβλίο αυτό, υπάρχουν χιλιάδες κομμουνιστές στις φυλακές και πολλοί μελλοθάνατοι ακόμα“, Raftopoulos in der Sendung des Fernsehkanals ERT, Εποχές και Συγγραφείς (­ Zeiten und Autoren), 2006.

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kollektives – binnenliterarisches Phänomen, sondern – ebenso kollektiv und individuell – als reales Agens literaturkritischer Rezeption wirksam ist. Als Angehörigem einer jungen Generation, die sich mit aufrichtigem Idealismus dem linken Widerstand und seiner Nachkriegsperspektive konsequent verschrieben und dabei eine totale Niederlage erleben musste, die nicht nur politische und moralische Enttäuschung, sondern auch lange Jahre brutaler Gewalterfahrung und existentieller Bedrängnis nach sich zog, tritt man Raftopoulos und allen anderen, für die er hier mutatis mutandis steht, unmöglich mit der Vermutung zu nahe, all das habe keine Verletzungen und belastenden Spuren gezeitigt, selbst wenn er uns davon nichts mitgeteilt hätte. Dies aber ist keineswegs der Fall: Nachdem Raftopoulos bereits als Kritiker der Epitheorisi Technis immer beherzter literarisch kollektiviertes Trauma und kollektive Verstörung thematisiert hatte, streute er in seine späteren Texte zunehmend auch persönliche Erinnerungen und Zeugnisse ein. Sie waren zwar stets dem jeweiligen Sachzusammenhang untergeordnet, machten aber doch sehr deutlich, was biographisch hinter ihm selbst lag. Schon in einer seiner Kritiken in der Epitheorisi Technis hatte er in beeindruckender Zusammenschau wesentliche Faktoren des damals aktuellen Trauma-­Diskurses der Linken z­ wischen retrospektiver Ideologisierung und um Zukunft ringender Bewältigung allgemeingültig zu abstrahieren gewusst: [In Dimitrious Buch] werden wir den Erschütterungen durch jüngst zurückliegende Ereignisse begegnen, die zur Verleugnung, zum Scheitern, zur Spaltung und zum Verfall des seelischen Vermächtnisses des Widerstands geführt haben. […] Dass der Widerstand keine politische Rechtfertigung erfahren und sich nicht in einem neuen Nachkriegsgriechenland verwirklicht hat, konnte seine ästhetische Rechtfertigung, geschweige denn seine Transformation in Kunstwerke nicht nachhaltig unterbinden. […] Die Gegenwart, die ja vor allem das Bewusstsein bestimmt, zeitigte eine erschütternde Problematik, auf die in Fragen des Widerstands die neuen Gegebenheiten unmittelbar einwirkten. Wenn die Hauswände einstürzen, lässt sich kein Fresko konzipieren, das zu seinem Giebel gepasst hätte. […] Die Realität selbst – Fortsetzung und tragische Weiterentwicklung des Widerstands – erlegte es der Literatur auf, sich ihm unter einer fatalen Wissenslast zu nähern, die ihren Schatten auf alles warf, was zuerst, was am Anfang war. […] Dazwischen lagen die Proskription des Widerstands und die Verfolgung selbst der Erinnerung an ihn. Die Prosaliteratur sieht in seinen Trümmern ihren Ausgangspunkt; dort, so spürt sie, liegt ihre zwingende Pflicht, den Menschen unserer Tage mit der vitalen an ihn gerichteten Herausforderung aufzusuchen, Dinge hinter sich zu lassen, Bewusstsein zu entwickeln, den Sinn des Geschicks und des schöpferischen Beitrags der verratenen Generation auszuloten.161 161 „Εκεί θα βρούμε τους […] συγκλονισμούς από νεότερα γεγονότα που περιέχουν τη διάψευση, τον εκτροχιασμό της πορείας, τη διάσπαση και τη φθορά του ψυχικού αποθέματος της Αντίστασης. […] Το ότι η Αντίσταση δε δικαιώθηκε πολιτικά, δεν υλοποιήθηκε φυσιολογικά σε μια νέα μεταπολεμική Ελλάδα, δε μπορούσε να αποκλείσει την αισθητική της δικαίωση, να εμποδίσει αποφασιστικά τη

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War es zunächst vor allem um Erfahrungen auf den Verbannungsinseln Ikaria und A ­ i-­Stratis, um die Repressionszeit der 1950er und 1960er Jahre, schließlich um die existenzbedrohenden innerparteilichen Auseinandersetzungen um die Epitheorisi Technis gegangen, brachte Raftopoulos seit 2003 und 2006, mittlerweile am Anfang seines neunten Lebensjahrzehnts, erstmals auch ausführliche, rein persönliche Einzelheiten über das auf der KZ-Insel Makronissos Erlebte erschütternd zur Sprache.162 Aus alledem darf abgeleitet werden, dass sich Raftopoulos’ literaturkritische und publizistische Arbeit nie aus olympischer Distanz vollzog, sondern aus einem kollektiv traumatisierten, nur langsam sich seiner selbst innewerdenden Bewusstsein hervorging, das in dieser Generation stets auch von ganz persönlichen traumatischen Erfahrungen geprägt war. Ersteres belegen, wie gesagt, zahlreiche explizite Einlassungen und Zeugnisse,163 das Zweite seine erst in hohem Alter preisgegebenen Makronissos-­Erfahrungen. Im Licht dieser Zusammenhänge lassen sich Raftopoulos’ Schwarze-­Literatur-­Invektiven nicht nur leichter nachvollziehen, sondern es erweist sich auch, dass ihrer nachträglichen Rechtfertigung nicht alle Legitimität abgesprochen werden darf. Es liegen zeitgeschichtlich und biographisch überzeugend relevante Faktoren vor, denen Respekt gebührt. Im Sog einer wohlfeil skandalisierenden Polarisierung („Seht her, hinter der Maske eines

μετάπλασή της σε έργα τέχνης. […] Tο παρόν που καθορίζει προ παντός τη στάση της συνείδησης, έφερνε έναν άμεσο συγκλονιστικό προβληματισμό όπου δεν έλειπαν και τα νέα δεδομένα για την ίδια την Αντίσταση. Όταν γκρεμίζονται οι τοίχοι του σπιτιού σου δε μπορεί να συλλάβεις τη τοιχογραφία που θα ταίριαζε στο αέτωμά του. […] Η ίδια η πραγματικότητα –η συνέχεια και η τραγική εξέλιξη της Αντίστασης– επέβαλε το πλησίασμά της από τη λογοτεχνία με μια μοιραία και βαριά επίγνωση, όπου το ύστερο έριχνε τον ίσκιο του στο πρώτο, το αρχικό. […] Μεσολάβησε η προγραφή της Αντίστασης, η δίωξη ακόμα και της μνήμης της. Και η πεζογραφία […] ξεκινάει από τα ερείπια όπου νιώθει το καθήκον και την ανάγκη να βρεί το σύγχρωνο άνθρωπο μπροστά τη ζωτική επιταγή να ξεπεράσει, να συνειδητοποιήσει, να βρει το νόημα της μοίρας και της δημιουργίας της προδομένης γενιάς“, Raftopoulos, Rezension Dimitriou 1965, zitiert nach der Wiederveröffentlichung in Oι ιδέες (Die Ideen), 1965, S. 166 f. und S. 168. 162 Traumatisierende Situationen auf Makronissos (Misshandlungen, Demütigungen, Selbstmordversuch, Isolation hinter Stacheldraht): Χρονολόγιο Δημήτρη Ραυτόπουλου (Chronologie Dimitris Raftopoulos) und Χρονολογίου παραλειπόμενα (Nachträge zur Chronologie), Mανδραγόρας 30 (2003), S. 86 und 88 (Π 5). Ferner: Sendung des Fernsehkanals ERT, Εποχές και Συγγραφείς (Zeiten und Autoren), 2006. 163 „[E]xplizite Einlassungen“: vgl. Raftopoulos, Rezension Frangias, Kαγκελόπορτα (Gittertor), 1963. Ausdrücklich angesprochen werden dort Zusammenhänge wie: zerrissene Persönlichkeiten, Literarisierung des zerstörten Traums der Widerstandsgeneration, menschliche Niederlagen als Folge nicht eingestandener politischer Niederlage, Auflösung der personalen Integrität und Ganzheit durch Angsttrauma. Desgleichen Raftopoulos, Rezension Pellas, Ο συγγραφέας Νο 114.003 (Der Autor Nr. 114.003), 1964; dort angesprochen: der „Nachkriegskomplex des Überlebenden“ (ebd., S. 189 – 190). Entsprechendes siehe Faïs, Interview mit Dimitris Raftopoulos, 1997.

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Vertreters zeitgemäßer Literaturkritik verbirgt sich ein nach wie vor unbelehrbarer, in der Wolle rot eingefärbter Altlinker!“) wird übrigens übersehen, dass Raftopoulos’ heutige Stellungnahmen zu seinen damaligen Polemiken zunächst einmal retrospektive, wenn auch von apologetischem Beharren nicht ganz freie Positionsbestimmungen sind. Doch können all diese Rückzuggefechte den enormen aufklärerischen, emanzipatorischen und (bar aller oberflächlichen Versöhnlichkeit) brückenschlagenden Dienst weder verdunkeln noch annullieren, den Raftopoulos für die Literaturkritik und den literarischen und politischen Diskurs in seinem Land geleistet hat. Ein Beitrag, der seine höchste Verdichtung im Eintreten für Valtinos’ epochalen Roman Ορθοκωστά (Orthokosta) gefunden hat, ein Werk also, für das er – wäre es in den 1950er Jahren erschienen – ohne Zögern nur eine Formel parat gehabt hätte: „Schwarze Literatur“, ästhetisch extrem verunglückt. Als der griechische Schriftstellerverband im März 2009 Raftopoulos mit dem Dido-­ Sotiriou-­Preis ehrt, bringt Thanassis Valtinos als Präsident der Organisation den Trauma-­ Faktor lakonisch auf den Punkt: „Er trägt Narben von Verletzungen aus Kämpfen an sich, die er nicht bereut hat.“ 164

164 „Κουβαλάει ουλές τραυμάτων από αγώνες που δεν έχει μετανιώσει“, Kalamaras, Ούτε σοφοί (Weder Weise), 2009.

Venetia Apostolidou

10. Trauma als Bindeglied ­zwischen Vergangenheit und Gegenwart Zur Rezeption zweier Romane in Zeiten der Krise Nach wie vor werden in Griechenland Romane geschrieben, die den Bürgerkrieg zum Thema haben. 2009, als der erste der uns hier interessierenden Romane, nämlich Η Εβραία νύφη (Die Judenbraut) von Nikos Davvetas herauskam, erschienen deren noch weitere sechs.1 Wir stehen einer neuen Phase der Produktion von Bürgerkriegsromanen gegenüber, die das historische Geschehen nicht wie bei der ersten und zweiten Nachkriegsgeneration als unmittelbare persönliche Erfahrung oder ferne Kindheitserinnerung vermittelt, sondern als Inszenierung eines historischen Gedächtnisraums, die dem Leser vielerlei Möglichkeiten der Rezeption und Interpretation eröffnet. Die jüngeren Autoren lenken die Aufmerksamkeit auf längst ausgeleuchtete und gänzlich verschwiegene Aspekte zugleich: Aspekte, die die zwiespältige historische Wahrheit sichtbar machen und dabei implizit Problemstellungen der Gegenwart ansprechen. Die Literaturkritik ihrerseits wird bei der Semantisierung und Bewertung der Werke von den gegenwärtigen gesellschaftlichen Problemen beeinflusst – mehr noch: Sie fügt sich ganz in den breiten öffentlichen Diskurs über diese Probleme ein. Der Zeitraum, der uns hier interessiert, nämlich Ende 2009 bis 2012, ist genau derjenige, in dem die griechische Gesellschaft allmählich der enormen Wirtschaftskrise gewahr wurde und eine überaus breite und kontrovers geführte öffentliche Debatte über ihre Ursachen, die Richtigkeit der Lösungsvorschläge und deren Auswirkungen einsetzte. Eine Debatte, die sich bis heute fortsetzt. Im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrags steht die Untersuchung der literaturkritischen Rezeption zweier sich erheblich voneinander unterscheidender Romane, in denen zwar von Traumata aus der Besatzungszeit und dem Bürgerkrieg die Rede ist, die aber in der Gegenwart angesiedelt bleiben. Es handelt sich um den bereits erwähnten Roman Η Εβραία νύφη (Die Judenbraut) von Nikos Davvetas sowie den Roman Απόψε δεν έχουμε φίλους (Heute Abend kennen wir keine Freunde) von Sofia N ­ ikolaidou, der 2010 erschien. Dieser Artikel analysiert und erläutert die unterschiedlichen Interpretationen 1 Es handelt sich um folgende Romane: Atzakas, Θολός βυθός (Trüber Meeresgrund); ­Chouzouri, Heimat aus Baumwolle (Πατρίδα από βαμβάκι); Iliopoulou, Σμιθ (Smith); Parnis, Η Οδύσσεια των διδύμων (Die Odyssee der Zwillinge); Politopoulou, Η Μνήμη της πολαρόιντ (Das Gedächtnis der Polaroid); Giorgos Prassas, … και έτσι έκλεισε ο κύκλος (…und so schloss sich der Kreis), 2009.

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und Einschätzungen der Kritiker und wird sich hauptsächlich auf die Art und Weise konzentrieren, in der die Kritiker in einer so entscheidenden, konfliktreichen Zeit wie der heutigen das Verhältnis ­zwischen traumatischer Vergangenheit und problembeladener Gegenwart wahrnehmen. Von kleinen Vorbehalten künstlerisch-­handwerklicher Natur abgesehen, stieß der Roman von Davvetas auf einmütig positive Resonanz; die Diskussion umkreiste das Problem Postmemory, also das Verhältnis der zweiten Generation zu den Erfahrungen ihrer Eltern, in unserem Fall die Erfahrungen Holocaust und Bürgerkrieg. Sofia Nikolaidous Roman dagegen wurde von den Kritikern kontrovers beurteilt und seine Rezeption weitaus direkter mit der aktuellen Wirtschafts- und Gesellschaftskrise verknüpft.

Nikos Davvetas: Η Εβραία vύφη (2009; Die Judenbraut) Nach einer Reihe von Kurzbeschreibungen des Buchs erschien als erstes eine ausführliche Kritik von Eleni Gika in der Tageszeitung To Ethnos.2 Darin ist von „unseren unverheilten Wunden“ die Rede, „die uns aus dem schwer lastenden Schatten der Geschichte her gespenstisch heimsuchen“, ferner von „allgegenwärtig lebendiger Vergangenheit und einer wie durch die Last einer Hypothek vorbestimmten Zukunft.“ Die Besprechung ist absolut positiv und bezeichnet das Buch als „einen der wichtigsten Romane über das griechische Judentum und die Schuldgefühle, ­welche die Nachkommen ein Leben lang mit sich herumschleppen, als sei es einzige und alleinige Wahrheit, dass die Sünden der Eltern auf die Kinder strafend übergehen.“ Zwei Tage darauf geht Nikos Kourmoulis in der Zeitung Ι Avgi einen Schritt weiter. Er spricht einerseits von den Irrgärten der Erinnerung und der Autorenintention, „die Glaubwürdigkeit der herrschenden Ideologie, ­welche Verbergen, Vertuschen und Verdrehen kennzeichnet“, zu unterminieren, während er andererseits direkte Gegenwartsbezüge herstellt: Wir befinden uns am Nullpunkt. Die Verflechtungen der betroffenen Parteien in Berlin, Thessa­ loniki und Athen aus Vergangenheit und Gegenwart werden freigelegt – was bleibt, ist kaum durchschaubare Schuld und ein Vakuum, gerade groß genug, die Sonne verschwinden zu lassen […]. Die Gefahr gesellschaftlicher Auflösung tritt heute so sichtbar an den Tag wie nie zuvor. Der große Erfolg des Buchs beruht darauf, dass es bei einem Minimum an Melodramatik die

2 Gika, Eleni, Ατομικές και φυλετικές ‚σκιές’ (Individuelle und rassische „Schatten“), 2009: „ένα ολοζώντανο παρελθόν, πανταχού παρόν και ένα προδιαγεγραμμένο, σχεδόν υποθηκευμένο μέλλον“ / „από τα σημαντικότερα μυθιστορήματα που αγγίζουν το ελληνικό εβραϊκό στοιχείο και τις ενοχές που κουβαλούν μια ζωή τα παιδιά λες και η μόνη αλήθεια να είναι αυτό, αμαρτίες γονέων να παιδεύουσι τέκνα.“

Nikos Davvetas: Η Εβραία vύφη | 289

Temperaturen niedrig hält und eine dystopische Zukunft argwöhnt, die – von der Vergangenheit bereits vorgezeichnet – die Ungewissheit unserer Tage durchirrt.3

Die beiden ersten Rezensionen lenken die Aufmerksamkeit unmittelbar auf das Verhältnis z­ wischen einer schuldhaften und vertuschten Vergangenheit, einer Gegenwart, die sich am Nullpunkt befindet, und einer Zukunft, die „mit einer Hypothek belastet“ und „dystopisch“ ist. Es ist in der Tat ein bemerkenswerter Vorgang, wie die Besprechungen, eine nach der anderen, immer nachdrücklicher betonen, wie die Gegenwart von den unverheilten Wunden der Vergangenheit beherrscht wird und die ­soziale Unsicherheit der Gegenwart, gepaart mit einer totalen (angesichts der bereits läutenden Krisenglocken absolut gerechtfertigten) Hoffnungslosigkeit für die Zukunft, der Interpretation des Romans neue Dimensionen erschließt. In dieser Linie steht auch Elisavet Kotzia, als sie erstmalig den Terminus „Trauma“ auf das Buch bezieht; sie beginnt ihre Besprechung in der Zeitung Kathimerini mit der Frage, ob die jüngste Prosa, die alte Traumata ans Tageslicht befördert, mit der Suche nach den Gründen für die gesellschaftliche Krise in Zusammenhang steht.4 Kotzia ist zudem die erste, die gewisse Vorbehalte gegen das Buch artikuliert, vornehmlich in Bezug auf die zahlreichen Erzähler und die verschiedenen, parallel zueinander verlaufenden Geschichten: Die erzählerische Begleitung buntgemischter persönlicher und familiärer Geschichten führt zu einer reichlich fragmentarischen Romanstruktur, zu einem zentrifugalen Gefühl allzu losen Zusammenhangs, das man bald als Stilmittel, bald als subtile Schwäche begreift, die aus den beiden zen­ tralen Geschichten (Erzähler und Niki) keinen organisch relevanten Konnex hervorgehen lassen.5

Im Januar 2010 erscheinen in der Zeitschrift Nea Estia zwei kritische Essays über Nikos Davvetas’ Buch: Stavros Zoumpoulakis’ Artikel „Die unmögliche Trauer“ und Vangelis 3 Kourmoulis, Nikos, Ο δρόμος της εξορίας (Der Weg des Exils), 2009: „Είμαστε στο σημείο μηδέν. Εξορύσσοντας τους μαιάνδρους των εμπλεκομένων μερών από το Βερολίνο, τη Θεσσαλονίκη, την Αθήνα του πριν και του τώρα, αυτό που μένει είναι μια αδιόρατη ενοχή και ένα κενό που φτάνει ίσα, ίσα για να σου κρύψει τον ήλιο […] Ο κίνδυνος της κοινωνικής αποσύνθεσης, σήμερα είναι ορατός όσο ποτέ. Αυτή είναι και η μεγάλη επιτυχία του βιβλίου, που με απειροελάχιστα ίχνη μελοδραματισμού, κρατά χαμηλή θερμοκρασία και υποβλέπει ένα δυστοπικό μέλλον που υπήρξε όμως ήδη στο παρελθόν, ενώ περιτρέχει τις άδηλες μέρες του καιρού μας.“ 4 Kotzia, Elisavet, Το τραυματικό παρελθόν (Die traumatische Vergangenheit), 2009. 5 „Η παρακολούθηση ποικίλων προσωπικών και οικογενειακών ιστοριών δημιουργεί μια μυθιστορηματική άρθρωση αρκετά αποσπασματική, μια αίσθηση φυγόκεντρη, ένα αίσθημα χαλαρού δεσμού που άλλοτε θεωρείς πως λειτουργεί ως στοιχείο ύφους και άλλοτε ως ανεπαίσθητο ελάττωμα που δεν επιτρέπει να προκύψει κάποιος οργανικά κρίσιμος δεσμός ανάμεσα στις δύο κεντρικές ιστορίες του αφηγητή και της Νίκης.“

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Chatzivasileious Text „Das offene Trauma der Geschichte“. Beide Kritiker sind sich in dem Punkt einig, dass das Trauma der Geschichte weiterhin offen bleibt, aber dass letztlich der Sinn des Romans, die tatsächliche Ursache für die Erschöpfung der beiden Protagonisten, nach Chatzivasileiou nicht in „den verbrecherischen Verdrehungen, die ihre Vorfahren erdrückten, sondern in der unverkennbaren Krankheit ihrer eigenen Zeit zu finden ist, in der Existenzkrise und im Ekel einer Realität, die außerstande ist, wie auch immer für stützende Referenz zu sorgen“,6 und laut Zoumpoulakis in der Unfähigkeit der Protagonisten, den Tod geliebter Angehöriger zu betrauern – ein Unvermögen, das ebenso auf existentielle Leere verweist.7 Unter Vermeidung direkter sozialer Bezugnahme heben beide Kritiken auf die psychologischen und existentiellen Dimensionen einer unberechenbar instabilen Gegenwart ab. Zampoulakis äußert außerdem ideologischen und ästhetischen Vorbehalt dagegen, dass Nikis Vater, der bei der Vernichtung der Juden von Thessaloniki mit den Deutschen kollaborierte, als Blutschänder und psychopathisches Monster präsentiert wird. Der Kritiker ist der Meinung, dass ­solche schriftstellerischen Präferenzen, denen auch andere bedeutende europä­ische Schriftsteller gefolgt ­seien, von der historischen Frage ablenken, was vollkommen normale und gebildete Menschen im Zweiten Weltkrieg veranlasst haben mag, ­solche Verbrechen zu verüben.8 Es handelt sich um den einzigen ideologischen Einwand, den die Kritik gegen das Buch geäußert hat. Die letzte Rezension aus einer Tageszeitung stammt von Mari Theodosopoulou in ­ elche die wohl meisten Vorbehalte gegen das Buch aufweist. Sie der Eleftherotypia, w tadelt die Überfülle an Bezügen, Konnotationen und Anspielungen, die negativ zu Buche schlügen.9 Gleichermaßen weist auch Giorgos Paganos in der Zeitschrift ­Entefktyrio darauf hin, dass dem Buch ein Zentrum fehle, das der Geschichte Geschlossenheit verleihen könnte,10 während Periklis Sfyridis in der Zeitschrift K die existentielle Dimension des Buches hervorhebt.11 Im März 2011 erscheint, wieder in der Zeitschrift Nea Estia, eine literaturwissenschaftliche Arbeit von Georgia Gotsi unter dem Titel „Das ‚Monster‘ der vertrauten Vergangenheit: Geschichte, Trauma und Postmemory in Die Judenbraut“. Diese Arbeit stellt neue Instrumente für die Rezeption des Romans bereit, ­welche – ohne

6 Chatzivasileiou, Τραύμα (Trauma), 2010, S. 149 („εγκληματικές στρεβλώσεις που έπνιξαν τους προγόνους τους αλλά η απαραγνώριστη αρρώστια του καιρού τους: η υπαρξιακή δίνη και ναυτία μιας πραγματικότητας που δεν είναι σε θέση να επινοήσει και να υποστηρίξει την οιαδήποτε αναφορά“). 7 Zampoulakis, Το αδύνατο πένθος (Die unmögliche Trauer), 2010, S. 153. 8 Ebd. 9 Theodosopoulou, Mari, Το αμάρτημα του πατρός μου (Die Sünde meines Vaters), 2010. 10 Paganos, Giorgos, Νίκος Δαββέτας: Η τριλογία του και η „προβληματική“ Εβραία νύφη (Nikos Davvetas: Seine Trilogie und die „problematische“ Judenbraut), 2010, S. 139 – 143. 11 Sfyridis, Periklis, Η Εβραία νύφη (Die Judenbraut), 2010, S. 177 – 188.

Nikos Davvetas: Η Εβραία vύφη | 291

die Grundauffassungen der bisher von uns gesichteten Kritik aufzuheben – den Interpretationshorizont doch deutlich ausweiten und hellsichtig die ­soziale Funktion des Romans definieren. Indem Gotsi sich Marianne Hirschs Postmemory-­Konzept zunutze macht, zielt sie darauf ab, „die Funktion von Η Εβραία νύφη (Die Judenbraut) als einer Erinnerungsliteratur aufzuzeigen, die sich der Sprachlosigkeit des öffentlichen historischen Diskurses widersetzt und die Bewältigung kollektiver Traumata ermöglicht.“ 12 Die Protagonisten des Romans sind: […] postmoderne Subjekte in existenzieller Aporie […] ihre Ausweglosigkeit ist offensichtlich durch das Fehlen umfassend zugelassener Erinnerung bedingt, ­welche die Verarbeitung der väterlichen Vergangenheit und die Heilung der Traumata, die beide Figuren an die Vergangenheit bindet, ermöglichen würde.13

Bemerkenswert ist, wie Gotsi deutet, was einige Kritiker als fragmentarisch, lose oder zentrifugal wahrgenommen haben: Diese individuelle Unfähigkeit (der Protagonisten) verschränkt sich fiktional mit dem heutigen Nachholbedarf (oder der Weigerung) einer Gesellschaft, ein von Schweigen und Lücken freies historisches Gedächtnis zu entwickeln. Auf dieser latenten Verfugung gründen sich die Einheit des Textes, die Orchestrierung der Erzählerstimmen und Erzählzeiten und insbesondere die innere Verflechtung des persönlichen Schicksals der Helden mit ­Themen wie dem Verschwinden namenloser Linker und vor allem der Auslöschung der Juden von Thessaloniki mitsamt der fehlenden Gedenkkultur für sie in der griechischen Gesellschaft.14

Nach weitausholender Analyse und einer Fülle an Argumenten, die ihre Ausführungen eben belegen, resümiert Gotsi, dass „der fiktionale Diskurs in Η Εβραία νύφη (Die Judenbraut) sich seiner Doppelrolle als Träger und Gestalter des kulturellen Gedächtnisses [insofern] bewusst ist“, als der Text

12 Gotsi, Το „τέρας“ (Das „Monster“), 2011, S. 451: „τη λειτουργία της Εβραίας νύφης ως μιας μνημονικής γραφής, η οποία αντιστέκεται στις αφωνίες του δημόσιου ιστορικού λόγου και επιτρέπει την επεξεργασία των συλλογικών τραυμάτων.“ 13 Ebd., S. 457. 14 Ebd., S. 459: „Η προσωπική τους [των πρωταγωνιστών] αυτή αδυναμία συναρθρώνεται μυθοπλασιακά με την καθυστέρηση (ή και την άρνηση) μιας κοινωνίας να διαμορφώσει στις μέρες μας μια δημόσια ιστορική μνήμη χωρίς σιωπές και κενά. Στον βασικό αυτό αρμό θεμελιώνεται υπόγεια η ενότητα του κειμένου, η ενορχήστρωση των αφηγηματικών φωνών και χρόνων, και ιδίως η εσωτερική διαπλοκή της προσωπικής μοίρας των ηρώων με τα θέματα των αφανών της αριστεράς και κυρίως του αφανισμού των Εβραίων της Θεσσαλονίκης καθώς και της απουσίας μνήμης τους στην ελληνική κοινωνία.“

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vorangegangenes Erzählen neu ordnet, kombiniert und semantisiert […] und damit zugleich auf das Problem seiner Interpretation verweist. In d­ iesem Kontext ist Η Εβραία νύφη (Die Judenbraut) ein Meta-­Text […] oder anders ausgedrückt, eine Postmemory-­Fiktion: ein Text, der die Erinnerungsfülle der ersten Generation umstrukturiert […] zu einem neuen ästhetischen Ganzen mit dem Ziel, das Trauma im Hier und Heute zu verhandeln.15

Dies ist darüber hinaus auch seine gesellschaftliche Funktion: Während die Protagonisten „es nicht fertig bekommen, sich in der terra incognita der Vergangenheit zurechtzufinden, um trauern zu können“, hat der Leser (und mit ihm die griechische Gesellschaft) Gelegenheit, die Erinnerungen der anderen zu reflektieren und so der Heilung offener Traumata näher zu kommen.16 Das Buch von Davvetas hat die Literaturwissenschaftler intensiv herausgefordert: Nach der Arbeit von Gotsi erschien eine noch ambitioniertere Studie von Athanasios Anastasiadis im Journal of Literary Theory unter dem Titel „Transgenerational Communication of Traumatic Experiences. Narrating the Past from a Postmemorial Position“. Anastasiadis behandelt in seiner detaillierten Analyse Fragen der transgenerationalen Traumatisierung im Kontext psychoanalytischer und literaturwissenschaftlicher Studien und dies im Rahmen von Marianne Hirschs Postmemory-­Konzept samt dessen kulturwissenschaftlicher Rezeption. Von besonderer Relevanz ist, dass er Davvetas’ Roman zusammen mit zwei weiteren Romanen untersucht, die sich ebenfalls auf traumatische Ereignisse aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beziehen: Soldados de Salamina (2001) von Javier Cercas und Tanja Dückers’ Himmelskörper (2003). Wie aus seiner Analyse hervorgeht, haben die drei Romane vieles gemeinsam, vornehmlich, was die Art und Weise und die Motive der Protagonisten betrifft, sich mit der gespenstischen Vergangenheit auseinanderzusetzen – und zwar in Bezug auf die Erzähltechniken, die zwiespältige Position ­zwischen Kenntnis und Unkenntnis der Vergangenheit, die Glaubwürdigkeit der Quellen u. a. m. Von großem Interesse ist der Unterschied ­zwischen ­Davvetas’ Roman und den beiden anderen Werken: Während in letzteren die Protagonisten zu einer gewissen Stabilität und Klarheit in der Gegenwart finden, seitdem sie die Vergangenheit durchforscht haben, ist Davvetas’ Protagonist der einzige, der hochgradig verstört und ohne

15 Ebd., S. 475 f.: „ο λόγος της μυθοπλασίας στην Εβραία νύφη διαθέτει συνείδηση του διττού του ρόλου ως φορέα και διαμορφωτή της πολιτισμικής μνήμης του παρελθόντος […] αναδιατάσσει, ανασυνθέτει και ανασημασιοδοτεί προγενέστερες αφηγήσεις…ενώ ταυτόχρονα υπογραμμίζει το πρόβλημα της ερμηνείας τους. Σε αυτό το πλαίσιο, η Εβραία νύφη συνιστά ένα μετα-­κείμενο … ή, αλλιώς, είναι μια μυθοπλασία της μεταμνήμης: ένα κείμενο που αναδιοργανώνει και ανασυνθέτει τις πολλαπλές μνήμες της πρώτης γενιάς … σε ένα νέο αισθητικό σύνολο με στόχο τη διαχείριση του τραύματος στο παρόν.“ 16 Ebd., S. 477 f.: „δεν κατορθώνουν να οικειωθούν την ‘άγνωστη γη’ του παρελθόντος ώστε να πενθήσουν.“

Sofia Nikolaidou, Απόψε δεν έχουμε φίλους | 293

klare Antworten bleibt, die zur Lösung seiner existenziellen Fragen beitragen könnten.17 Dieser Unterschied, den Anastasiadis in seiner vergleichenden Analyse herausarbeitet, ist von großer Bedeutung. Für die griechischen Autoren ist der zweite Pol des Verhältnisses ­zwischen traumatischer Vergangenheit und problematischer Gegenwart der ungleich stärkere und er ist es, der dem gesamten Erzählakt Sinn verleiht. Die beeindruckende Rezeption des Buches von Davvetas fällt ins Auge.18 Der Roman hat nicht nur erreicht, in der griechischen Literaturkritik eine substantielle Debatte über die Last der Traumata aus den 1940er Jahren für die jüngeren Generationen ­auszulösen, sondern wurde auch zum Anlass, das Postmemory-­Konzept in die literaturwissenschaftliche Diskussion einzuführen: Es erweist sich als hervorragendes Instrument für das semantische Verständnis des vorliegenden Romans, aber auch literarischer Werke überhaupt, in denen kollektives Trauma verarbeitet wird. Schwerer noch wiegt die Tatsache, dass der Roman die Grenzen Griechenlands überschritten und zum Vergleich mit thematisch ähnlichen internationalen Romanen angeregt hat; ein Vergleich, der uns zeigt, wie traumatisch die Gegenwart für griechische Autoren ist.

Sofia Nikolaidou, Απόψε δεν έχουμε φίλους (2010; Heute Abend kennen wir keine Freunde) Die Rezeption des zweiten Romans präsentiert sich zwiespältig. Zunächst einmal liegt hier ein Roman mit breitem Widerhall in der Leserschaft vor, der sich in Dutzenden meist begeisterter Kurzartikel in allen möglichen Druckerzeugnissen und Blogs, aber auch in den Verkaufszahlen niederschlägt: Wochenlang stand das Buch auf der Bestsellerliste der Zeitung I Kathimerini und wurde auch für den Leserpreis vorgeschlagen.19 Für uns ist an dieser Stelle von Belang, dass die Rezeption vom Zusammentreffen der Wirtschaftskrise mit der sich ihr anschließenden „Selbstkritik“ (andere sprechen von „Selbstgeißelung“) geprägt ist, die sie auch weiterhin begleitet. Während das Buch – wie übrigens auch dasjenige von Davvetas – offensichtlich geschrieben worden war, bevor sich die Krise bemerkbar machte und in Griechenland die wirtschaftspolitischen Reformprogramme einsetzten, erfolgte seine Veröffentlichung im März 2010 und verknüpfte sich so mit dem nun aufkommenden Diskurs über die Geißel, die die griechische Gesellschaft plagt, und über die Fehler der Vergangenheit. Insofern wird es niemanden verwundern, dass die Rezeption des Romans sich in hohem Maße als 17 Anastasiadis, Transgenerational Communication, 2012, S. 21. 18 Das Buch wurde 2010 mit dem Preis der Kostas und Eleni Ourani Stiftung der Athener Akademie ausgezeichnet. 19 Das Buch wurde mit „The Athens Prize for Literature“ der Zeitschrift (de)kata für 2011 ausgezeichnet.

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ideologisch charakterisieren lässt – ein Phänomen, das für jeden, der sich mit den Zusammenhängen z­ wischen Literatur und Ideologie bzw. Literatur und gesellschaftlicher Realität befasst, von hohem Interesse ist. Ebenso bietet die Rezeption d­ ieses Romans ein geeignetes Beispiel, uns erneut zu fragen, was Literaturkritik eigentlich genau tut. Beurteilt sie die Literarizität eines Romans, diskutiert sie seinen Inhalt, überprüft sie seine Quellengrundlage, gewinnt sie ihm Botschaften ab und am Ende: Formuliert sie Zustimmung oder Ablehnung? Gehen wir der Reihe nach. Ich habe mein Material in vier Gruppen gegliedert. Die erste umfasst Presseveröffentlichungen, die das Buch dem Leserpublikum vorgestellt und für ein Klima der Akzeptanz gesorgt haben. Die zweite die Rezensionswelle, die im ersten Monat publiziert wurde, in dem das Buch in Umlauf kam, und die umfassend positiv ausfiel. Die dritte Gruppe umfasst Zeitungskritiken, die etwas später geschrieben wurden und fast alle negativ ausfielen. Die vierte schließlich beinhaltet Besprechungen, die für Literaturzeitschriften abgefasst wurden und sich durch eine bunte Fülle positiver und negativer Beurteilungen auszeichnen. Machen wir uns also auf unsere Rundreise. Mikela Chartoulari eröffnete den Reigen in der Bücherrubrik der Zeitung Ta Nea mit Formulierungen wie: Ein Knochenbrecher ist der neue Roman von Sofia Nikolaidou, der ein Tabu – nämlich die Kollaboration des Lehrkörpers der Universität Thessaloniki – aufs Tapet bringt, um damit den schmutzigen Schacher um Ideologie, Wissenschaft, Politik und Moral im Griechenland der Nachkriegszeit und der Metapolitefsi nach 1974 in Frage zu stellen. […] Einer der besten Romane über das Griechenland des Systemwechsels nach 1974, der das Genre erneuert, dem Maro Douka, Dimitris Nollas und andere Profil verliehen haben.20

Diese Empfehlung ist zweifellos enthusiastisch und konform mit dem Puls des aktuellen Marktes. Zugleich spricht sie im Kern all diejenigen Punkte an, die weiter unten zu besprechen sein werden: das provokative Thema, die Anklage gegen die Universitätslehrer, der ironische Stil, die Anklage-­Parole „schmutziger Handel“; im selben Atemzug bejaht Chartoulari eindeutig den literarischen Wert des Romans und stellt ihn in eine Reihe mit den Werken arrivierter Schriftsteller.

20 Chartoulari, Mikela, Δάσκαλοι προδότες, αλλήθωροι πατριώτες (Lehrer sind Verräter, schielende Patrioten), 2010: „Τσακίζει κόκαλα το καινούριο μυθιστόρημα της Σοφίας Νικολαϊδου που εστιάζει σε ένα θέμα ταμπού – τον δωσιλογισμό των πανεπιστημιακών της Θεσσαλονίκης για να σχολιάσει ειρωνικά το βρώμικο αλισβερίσι ιδεολογίας, επιστήμης, πολιτικής, ηθικής στη μεταπολεμική και μεταπολιτευτική Ελλάδα. […] Ένα από τα καλύτερα μυθιστορήματα για την Ελλάδα της μεταπολίτευσης που ανανεώνει αυτό το είδος που ξεχώρισαν η Μάρω Δούκα, ο Δημήτρης Νόλλας κ. α.“ Zu dem Begriff Metapolitefsi s. oben, S. 25.

Sofia Nikolaidou, Απόψε δεν έχουμε φίλους | 295

Die Presseempfehlungen setzten sich in sehr positivem Ton mit der etwas unüblichen Bezugnahme von Olga Sella auf die mündlich vorgebrachte positive Meinung des anerkannten Autors Alexis Panselinos fort,21 während Lori Keza in der Zeitung To Vima über ihren Text die Überschrift setzt: „Zoff an der Aristoteles-­Universität. Thessalonikis Philosophische Fakultät als literarischer Ort in Sofia Nikolaidous neuem Roman. Klar identifizierbare Figuren, Messerstechereien, Fußtritte, Plagiate“.22 Es ist der Bezug zur Realität, den eine ­solche Überschrift betont („klar erkennbare Figuren“), aber auch die Emphase, mit der eine Universität mit „Messerstechereien, Fußtritten und Plagiaten“ in Verbindung gebracht wird. Eine erfahrene Journalistin weiß natürlich, dass Derartiges die öffentliche Neugier aufstachelt. Die nüchternste und am meisten problembewusste Besprechung des Buchs war im ersten Monat nach Erscheinen die (im Übrigen durchaus positive) Rezension von ­Stavroula Papaspyrou in der Zeitung Kyriakatiki Eleftherotypia. Frei von Übertreibungen in der Formulierung zieht sie aus dem Buch ihre Schlüsse: Es stellt sich hauptsächlich zwei ­Themen zur Aufgabe: das Funktionieren eines Machtmechanismus wie der griechischen Universität, ferner, wie in einem Land Geschichte geschrieben und gelehrt wird, das der Auseinandersetzung mit seiner dunklen Vergangenheit ausweicht.23

Einen Monat lang hielten die Präsentations- und Werbeveröffentlichungen für das Buch an. Erstes Fazit zur journalistischen Rezeption des Buchs: Texte ­dieses Genres bleiben bei dem stehen, was als verkaufsfördernd gilt, etwa Anklagen und Vorwürfe, ironische Infragestellung, Bezüge zu anderen, anerkannten Autoren, Wiedererkennbarkeit der Schauplätze und Figuren, schließlich die Universität, mit der sich der aktuelle Journalismus in letzter Zeit hinsichtlich realer bzw. fiktiver Erscheinungen von Korruption beschäftigt hat, die ihr zum Vorwurf gemacht werden. Wie sich dann an den Verkaufszahlen des Buches erwies, haben sie ihr Ziel erreicht, nämlich die Neugier des Publikums aufzustacheln. Selbstverständlich darf man ­diesem ersten Ertrag an Veröffentlichungen weder eindeutige Semantisierung des Inhalts noch ein Argumentationsgefüge zum literarischen Wert des Buches abverlangen. Die ersten Kritiken über das Buch – aus der Feder von Dimosthenis Kourtovik in Ta Nea und von Elisavet Kotzia in I Kathimerini – erschienen Mitte April an zwei 21 Sella, Olga, Κρυμμένη ιστορία (Verborgene Historie), 2010. 22 Kesa, Lori, Τριβές στο Αριστοτέλειο (Auseinandersetzungen an der Aristoteles-­Universität), 2010. 23 Papaspyrou, Stavroula, Τα άπλυτα της ιστορίας (Die schmutzige Wäsche der Geschichte), 2010: „Επιχειρεί ν’ αναδείξει δύο θέματα κυρίως: τους μηχανισμούς λειτουργίας ενός εξουσιαστικού μηχανισμού όπως είναι το ελληνικό πανεπιστήμιο και το πώς γράφεται και πώς διδάσκεται η Ιστορία, σε μια χώρα που διστάζει ν’ αναμετρηθεί με το σκοτεινό της παρελθόν.“

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aufeinanderfolgenden Tagen. Beide sind zweifellos positiv. Der Text von Kourtovik lässt eine gute Balance ­zwischen Hinweisen auf geglückte literarische Qualitäten und einem Resümee des ideologischen Gehalts erkennen. Ich liste die literarischen Vorzüge auf: Βeneidenswerte Ökonomie der Ausdrucksmittel, gelungen komplexe narrative Komposition, überzeugende Verknüpfung der Geschicke der Protagonisten zu einem Plot, der die Querverbindungen ­zwischen Geschichte, politischer Identität und Moral illustriert. Der Autorin gelingt in ­diesem Roman dreierlei: a) lebendige, interessante Charaktere mit all ihren Lichtund Schattenseiten, ihrer Widersprüchlichkeit und ihrer unvorhersehbaren Verhaltensdynamik zu etablieren, b) drei aufeinanderfolgende Generationen ohne die in solchen Fällen üblichen ­Klischees zu schildern, c) eine Synopse der griechischen Irrungen und Wirrungen (insbesondere der Gewissen) von der Besatzungszeit bis hin zum Ende der 80er Jahre zu entwerfen, für die sie als beispielhaften Fall während dieser Zeit die Prozesse innerhalb des universitären Kosmos von Thessaloniki heranzieht.24

Als ideologische Botschaft destilliert Kourtovik Folgendes heraus: „Nichts hat sich in Griechenland geändert, scheint uns die Autorin sagen zu wollen. Die Anständigen, die Integren werden vom System marginalisiert, Demagogen wie Asteriou und Opportunisten wie Stratos gelangen an die Spitze.“ Einen ziemlich massiven Vorbehalt meldet Kourtovik allerdings an: Nur ein Umstand steht dem im Wege, dass der Roman fast zu einem kleinen Meisterwerk wird: das heikel-­problematische Fazit der Dissertation von Soukiouroglou, dass die wirkliche Entstehungsgeschichte der Kollaboration in Thessaloniki von ihrer dominierenden, bequemen Vergangenheitsversion abweiche, wird vom Roman selbst nicht abgestützt.25

24 Kourtovik, Dimosthenis, …μας βεβαιώνουν οι νεκροθάφτες της! (…ihre Totengräber bestätigen es uns!), 2010: „Ζηλευτή οικονομία έκφρασης, κατορθώνει μια δύσκολη αφηγηματική σύνθεση, συμπλέκει με πειστικό τρόπο τις τύχες των ηρώων σ’ έναν μύθο-­σ χόλιο για τις σχέσεις Ιστορίας, πολιτικής ταυτότητας και προσωπικού ήθους. Πετυχαίνει σ’ αυτό το μυθιστόρημα τρία πράγματα: α) να στήσει ζωντανούς, ενδιαφέροντες χαρακτήρες, με φωτοσκιάσεις, αντιφάσεις και απρόβλεπτη δυναμική της συμπεριφοράς· β) να παρουσιάσει τρεις διαδοχικές γενιές ανθρώπων όχι με τον συνήθη σε τέτοιες περιπτώσεις ιδεοτυπικό τρόπο και γ) να συνοψίσει την ελληνική περιπέτεια (προπαντός την περιπέτεια των συνειδήσεων) από την Κατοχή ώς τα τέλη της δεκαετίας του 1980 διαλέγοντας ως παραδειγματική περίπτωση τις διεργασίες εντός της πανεπιστημιακής κοινότητας της Θεσσαλονίκης το ίδιο διάστημα.“ 25 Ebd.: „΄Ενα μόνο πράγμα εμποδίζει αυτό το μυθιστόρημα ν’ αγγίξει τα όρια ενός μικρού αριστουργήματος. Το κρίσιμο πόρισμα της διατριβής του Σουκιούρογλου, ότι η πραγματική γενεαλογία του δωσιλογισμού στη Θεσσαλονίκη διαφέρει από την κυρίαρχη, βολική εκδοχή της, δεν στηρίζεται από το ίδιο το μυθιστόρημα.“

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Dieser Vorbehalt, der für Kourtovik keine besondere Bedeutung hat, wird sich bei anderen Kritikern als entscheidend erweisen. Einen Tag darauf artikuliert sich Kotzia in der Zeitung I Kathimerini absolut positiv, wobei sie besonderen Nachdruck auf die ideologischen Botschaften des Werks legt: Was spielt sich da eigentlich ab, wenn aus glänzend hervorragenden Menschen mit starker Persönlichkeit, beneidenswerten Gaben und dem Fortschritt aufgeschlossenen Köpfen in denkbar kurzer Zeit unkenntliche Charaktere werden, sobald sie eine Tätigkeit an der Universität, im Krankenhaus oder bei der griechischen Verwaltung aufgenommen haben? […] Die griechische Universität verwandelt sich so zum symbolischen Ort, zum Prüfstand […]. Wir können sie als fiktive Metapher für das heutige griechische Scheitern ansehen, für ein Griechenland, das am Rande des Abgrunds unter der schwer erträglichen Last seines geistigen Ungenügens, seines moralischen Niedergangs und seiner erschütterten Politik des gesunden Menschenverstands taumelt.26

Kotzia liest das Buch ganz eindeutig im Licht der heutigen ökonomischen, ideologischen und moralischen Krise und interpretiert es metaphorisch, ohne sich viel mit historischen Details, geschweige denn literarischen Qualitäten abzugeben – bei dieser Kritikerin etwas höchst Ungewöhnliches. Die erste Kritikergruppe des Buchs schließt mit der vorbehaltlos positiven Rezension von Nikos Kourmoulis in I Avgi. Er ist der Meinung, dass die Autorin erfolgreich die Klippen bevormundender Belehrung umschifft hat, begrüßt die ideologische Generallinie des Romans und zieht daraus denselben Schluss wie seine Vorgänger: „Sie zeigt uns den Glanz der großen Momente und die uneingelösten Versprechen des Fallbeispiels Griechenland. Ein von Masochismus, Selbstabschaffung und Depression ganz besonders gezeichnetes Land.“ 27 Die erste negative Kritik erscheint einen Monat danach in der Kyriakatiki E ­ leftherotypia von Vangelis Chatzivasileiou. Mit ihr setzt die diesmal insgesamt negative, 26 Kotzia, Elisavet, Ανεξίτηλο στίγμα (Untilgbares Stigma), 2010: „Τι εν πάση περιπτώσει συμβαίνει και λαμπρές περιπτώσεις ανθρώπων με ισχυρή προσωπικότητα, αξιοζήλευτα χαρίσματα και ανοιχτά προοδευτικά μυαλά, όταν αρχίσουν να εργάζονται στο πανεπιστήμιο, στο νοσοκομείο ή στην ελληνική διοίκηση, σε πολύ μικρό χρονικό διάστημα μεταμορφώνονται σε αγνώριστους χαρακτήρες; […] Το ελληνικό πανεπιστήμιο μετατρέπεται έτσι σε έναν τόπο συμβολικό, σε έναν χώρο δοκιμασίας […] μπορούμε να το θεωρήσουμε μια μυθοπλαστική μετωνυμία της σημερινής ελληνικής αποτυχίας, της Ελλάδας εκείνης που μπροστά στο χείλος του γκρεμού αμφιταλαντεύεται κάτω από το δυσβάστακτο βάρος της πνευματικής της ανεπάρκειας, της ηθικής της διαφθοράς, της κλονισμένης πολιτικής της ευθυκρισίας.“ 27 Kourmoulis, Nikos, Πλιάτσικο ιδεών (Ausplünderung von Ideen), 2010: „Μας δείχνει το μεγαλείο των στιγμών και τις αθετημένες υποσχέσεις της ελληνικής περίπτωσης. Μια χώρα ιδιαζόντως μαζοχιστική, αυτοαναιρούμενη και θλιμμένη.“

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zweite Welle an Rezensionen ein. Ihr schließt sich eine Woche später die ablehnende Kritik von Titika Dimitroulia in der Tageszeitung I Kathimerini an. Chatzivasileiou legt dem Roman Ideologisierung zur Last: „Ein Roman über die Geschichte, der im Bemühen, Institutionen zu entmythologisieren, in die Falle eigener Ideologisierung stolpert […] mit dem Resultat eines eingleisigen, eindeutig vorgefertigten Romandiskurses.“ 28 Chatzivasileiou erhebt das, was Kourtovik als unwesentlicher Vorbehalt galt, zum zentralen Problem: Nikolaidous Konzept ist originell, wirft aber auf der Ebene erzählerischer Komposition ernstzunehmende Probleme auf. Das Schwerezentrum des Buches, nämlich die weitverzweigte Kollaboration sichtbar zu machen, beschränkt sich de facto auf ein paar Zeilen (wenn Soukiouroglou den Inhalt seiner Doktorarbeit beschreibt), während aus der Romanhandlung, die sich auf die Figur Exangelou und sein Umfeld konzentriert, lediglich die anthropologischen Parameter der üblicherweise tradierten Kollaboration hervorgehen: Rechtsextreme, Randerscheinungen und superkonservative, deutschgeprägte Gelehrte.29

Für problematisch hält derselbe Kritiker auch die Dramaturgie der Charaktere: Vage in der Luft hängt aber auch das Vorgehen, mit dem Asteriou Soukiouroglou wissenschaftlich erledigen will. Warum lässt der große Professor den forschungsfreudigen Doktoranden durchfallen? Sollte er es tun, weil ihm die Wahrheit über die Kollaboration lästig ist, so belegt das die Erzählung nicht ausreichend und erlaubt es dem Leser überdies nicht, selbst die Leerstellen zu füllen. Sollte er es wiederum tun, weil er psychisch vollkommen verdorben ist, so beleuchtet die Dramaturgie nicht ausreichend überzeugend und in die Tiefe gehend die Beweggründe seines malträtierten Charakters. Auch die übrigen Charaktere des Buches leiden (mit Ausnahme von Exangelos und Soukiouroglous Großmutter Nina), eingepfercht in ein plumpes Täter-­Opfer-­Klischee, erheblich unter ihrem Schematismus.30 28 Chatzivasileiou, Vangelis, Προκατασκευασμένος λόγος (Vorgefertigter Diskurs), 2010: „Ένα μυθιστόρημα για την Ιστορία, που, προσπαθώντας να απομυθοποιήσει τους θεσμούς, παγιδεύεται στις δικές του ιδεολογικοποιήσεις… που έχουν ως αποτέλεσμα έναν μονόδρομο και σαφώς προκατασκευασμένο μυθιστορηματικό λόγο.“ 29 Ebd.: „Η σύλληψη της Νικολαΐδου είναι πρωτότυπη, αλλά παρουσιάζει σοβαρά προβλήματα στο επίπεδο της αφηγηματικής σύνθεσης. Το κέντρο βάρους του βιβλίου της, που είναι η ανάδειξη του διάχυτου δωσιλογισμού, περιορίζεται ουσιαστικά σε μερικές αράδες (όταν ο Σουκιούρογλου περιγράφει το περιεχόμενο της διατριβής του), ενώ από τη μυθιστορηματική δράση, όπως συγκεντρώνεται γύρω από το πρόσωπο του Εξάγγελου, προκύπτει μόνο η ανθρωπολογία του παραδεδομένου δωσιλογισμού: ακροδεξιοί, περιθωριακά στοιχεία και υπερσυντηρητικοί γερμανοτραφείς λόγιοι.“) 30 Ebd.: „Στον αέρα, όμως, μένει και η επιστημονική δίωξη του Σουκιούρογλου από τον Αστερίου. Γιατί ο μέγας καθηγητής κόβει τον φιλέρευνο υποψήφιο διδάκτορα; Αν το κάνει επειδή τον ενοχλεί η αλήθεια του δωσιλογισμού, η αφήγηση δεν το τεκμηριώνει επαρκώς και δεν επιτρέπει στον

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Offenkundig liegt hier das Gegenteil dessen vor, was Kourtovik positiv hervorgehoben hatte. Was Letzterer als Vorzüge ansah, betrachtet Chatzivasileiou als nachteilig. Hinzuweisen ist auch darauf, dass sich Chatzivasileiou nicht dafür interessiert, was genau eigentlich den tieferen Sinn des Werks ausmacht, sich aber gleichzeitig an der Vorprogrammierung eines solchen Sinnes stört. Dimitroulia ist die erste Kritikerin, die den Roman als campus novel charakterisiert. Eine Genrezuordnung, der einige zustimmen, andere aber nicht, wie wir weiter unten sehen werden. Die Kritikerin stellt das Buch in direkten Bezug zu der gegenwärtigen ökonomischen und sozialen Krise. Sie stuft es als bemerkenswertes, aber unabgeschlossenes Unterfangen ein. Ihre Kritik bewegt sich auf zwei Ebenen. Die eine ist die der historischen Zusammenhänge, also des Themas Kollaboration, das sie weder neuartig noch provokant findet. Sie vertritt sogar die Meinung, dass andere Prosaautoren es literarisch schon besser aufgegriffen hätten. Auch sie stimmt damit überein, dass die von den Kritikern immer wieder diskutierte Doktorarbeit als Zentrum des Plots erzählerisch nicht ausreichend gerechtfertigt wird – weder die Arbeit selbst noch ihre Rezeption im professoralen ­Establishment. Auch auf der Ebene der literarischen Komposition hat Dimitroulia viel einzuwenden: „Nikolaidou nimmt häufig Zuflucht zu allerlei Allgemeinplätzen, beschreibt die Besatzungszeit mit Bildern, die an die Schwarzmarkthändler im griechischen Schwarzweißfilm erinnern, kreiert papierene Figuren und ein Handlungsgefüge, das platt bleibt.“ 31 Am selben Tag wird in I Avgi die Rezension des Prosaschriftstellers Panagiotis Chatzimoysiadis veröffentlicht, die einen besonderen Platz innerhalb der von uns hier gesichteten Negativkritiken besetzt. Hinsichtlich der literarischen Eigenschaften des Werks ist sie zunächst positiv und hebt dessen abstrahierende Dichte hervor: Nikolaidous Schreibweise weist nichts Gekünsteltes oder Gezwungenes, nichts Redundantes oder Überflüssiges auf. Sei es das architektonische Ganze, ­seien es die Elemente der Handlung und die Charaktere, sei es der Sprachgebrauch: überall trifft man auf ein Gespür für Ökonomie und Selbstbeschränkung.32

αναγνώστη να συμπληρώσει μόνος του τα κενά. Αν, πάλι, το κάνει επειδή είναι ψυχικά τελείως χαλασμένος, η δραματουργία δεν φωτίζει πειστικά και εις βάθος τα κίνητρα του κακοπαθημένου χαρακτήρα του. Από έντονη σχηματικότητα πάσχουν (με την εξαίρεση του Εξάγγελου και της γιαγιάς Νίνας) και οι υπόλοιποι χαρακτήρες του βιβλίου, στριμωγμένοι σε ένα χονδροειδές φάσμα θυτών και θυμάτων.“ 31 Dimitroulia, Titika, Παθολογία (Pathologie), 2010: „Η Νικολαΐδου καταφεύγει σε μια σειρά κοινότοπους συχνά αφορισμούς, περιγράφει την Κατοχή με εικόνες που θυμίζουν τους μαυραγορίτες στον ασπρόμαυρο ελληνικό κινηματογράφο, δημιουργεί πρόσωπα που παραμένουν χάρτινα και η πλοκή της παραμένει άνευρη.“ 32 Chatzimoysiadis, Ανοιχτές πληγές (Offene Wunden), 2010: „Η γραφή της Νικολαΐδου δεν έχει τίποτα το επιτηδευμένο και το εκβιαστικό, τίποτα το πλεονάζον και το περιττό. Στο αρχιτεκτονικό

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Zweitens definiert er das Grundanliegen des Werks, das seiner Ansicht nach das ganze Buch von der ersten bis zur letzten Seite durchzieht, etwas abweichend: „Von ­welchen Faktoren wird die jeweilige persönliche Haltung zu den historischen Ereignissen bestimmt?“ Er glaubt, dass Nikolaidous Buch diese Frage reichlich schematisch und bequem beantwortet, indem die Autorin die Rolle der Ideologie bei der Prägung menschlichen Handelns teils völlig eliminiert, teils nur als Synonym für dogmatische Verankerung wahrnimmt. Der Kritiker lastet dem Buch konkret an, die Rolle der Ideologie im menschlichen Leben unterzubewerten und interpretiert die Position des Romans als Einverständnis mit der neuen Strömung der „revisionistischen“ Historiker des Bürgerkriegs.33 Dies ist das erste, aber nicht letzte Mal, dass das Buch mit besagter Strömung in der Geschichtswissenschaft in Verbindung gebracht wird. Chatzimoysiadis setzt die Diskussion über d­ ieses Thema auf interessante Weise fort, die uns aber hier nicht weiter zu beschäftigen hat, weil sie rein ideologisch ist. Aus ­diesem Grund habe ich oben angemerkt, dass Chatzimoysiadis’ Kritik eine bemerkenswerte Position vertritt: Er würdigt einerseits den literarischen Wert des Buchs, ist aber mit seiner ideologischen Linie nicht einverstanden. Die letzte in der Reihe negativer Pressekritiken ist diejenige von Mari ­Theodosopoulou, die erhebliche Einwände gegen den Roman erhebt. Im Einklang mit Chatzivasileiou und Dimitroulia hält auch sie die Figurencharaktere für klischeebelastet und ist überdies der Meinung, dass „das literarische Spiel ihrer Romangestaltung missglückt ist. Zwar ist das Buch eine Fiktion, doch entsprechen konstitutive Elemente realen Personen und Ereignissen, die das Romanmaterial miteinander zu verschmelzen unfähig ist.“ 34 Zwei Gesichtspunkte fügt sie der Gesamtdiskussion hinzu: zum einen die Antinomie der Zeitebenen, d. h. Nikolaidous Idee, der Realität der 80er Jahre Verhaltensmuster und Ideologeme des 21. Jahrhunderts aufzupfropfen. Hauptpunkt ist dabei, dass die Disser­tation des Romanhelden über die Kollaboration, aber auch der allgemeine Diskurs über sie Widerhall der gegenwärtigen Epoche ist und sich nur sehr schwer in die 80er Jahre versetzen lässt. Theodosopoulou stuft diese Antinomie nicht von vornherein als Übel ein, allerdings – so scheint letztendlich aus ihrem Text hervorzugehen – hält sie sie nicht für gerechtfertigt. Zum anderen ist ihr Hinweis neu, dass Nikolaidous

όλον, στα στοιχεία της πλοκής, στους χαρακτήρες και στη χρήση της γλώσσας, παντού υπάρχει η αίσθηση της οικονομίας και της αυτάρκειας.“ 33 So werden schlagwortartig Historiker apostrophiert, die über die 40er Jahre forschen und nach 1990 mit dem Vorsatz an die Öffentlichkeit traten, die geschichtswissenschaftlichen Schemata der Linken einzureißen. Vgl. Marantzidis; Antoniou, Το επίμονο παρελθόν (Die hartnäckige Vergangenheit), 2008. 34 Theodosopoulou, Mari, Μυθιστόρημα τεκμηρίων (Ein Roman der Zeugenaussagen), 2010: „Το μυθιστορηματικό παιχνίδι χάθηκε στην εκτέλεση. Το βιβλίο είναι μεν μυθοπλασία, αλλά επιμέρους βασικά του στοιχεία αντιστοιχούν σε πραγματικά πρόσωπα και συμβάντα, τα οποία αδυνατεί να αναχωνέψει η μυθιστορηματική ύλη.“

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Roman in unangebrachtem Ausmaß auf der historischen Studie von Stratos Dordanas Griechen gegen Griechen fußt.35 Mit diesen beiden Einlassungen verleiht sie den Negativkritiken mehr Gewicht. Und zwar, weil die Antinomie der Zeitebenen deutlich mit zu der „Vorprogrammiertheit“ beiträgt, die Chatzivasileiou hervorhebt, und zudem die Studie von Dordanas die Beobachtung von Dimitroulia bekräftigt, die historische Materie, aus der das Buch schöpfe, sei nichts Neues. Damit sind alle bisher angesprochenen Th ­ emen kurz umrissen – das Lob, das dem Roman erteilt wurde, die Einwände, die er provozierte. Einige weitere Zeitungskritiken fügen dem absolut nichts Neues hinzu. Was man nun erwarten würde, ist, dass die Kritiken in den Literaturzeitschriften das Buch noch weiter ausleuchten und analysieren, der Diskussion weitere Gesichtspunkte hinzufügen würden. Eben dies geschah aber nicht. Im Fall des Buches von Nikolaidou – und in Gegensatz zu dem, was wir bei Davvetas beobachteten – haben die Kritiken, die in den literarischen Periodika folgten, auch bis in Verästelungen hinein die Parameter des Diskurses nicht verändert. Diese Kritiken besetzen ein Spektrum, das mit dem rhetorisch fast ausufernd wohlklingenden, apodiktischen, doch wenig überzeugenden Lob des Universitätsprofessors Thodoros Papangelis in Entefktirio beginnt 36 und sich mit der lobenden, aber platten Rezension von Giorgos Perantonakis in Diavazo fortsetzt,37 findet keinen Halt an der substanzlosen Redseligkeit von Lina Pantaleon in der Zeitschrift Nea Estia,38 um schließlich mit dem recht zurückhaltenden Text von Alexis Ziras in Diavazo zu enden.39 Ich verweile bei dem Text von Ziras eingehender, weil er positive und negative Kritik­ punkte in Balance zueinander bringt und die Diskussion synoptisch zusammenfasst. Ziras weiß die literarischen Vorzüge des Buchs zu schätzen und würdigt sie entsprechend: „Ihre schnellen, funkensprühenden Sprachbilder, eingefügt darin ein märchengleicher lyrischer Ton, ein opulentes, in vielem provokantes Buch.“ 40 Er bezeichnet Nikolaidou als Meisterin ihres Metiers. Allerdings artikuliert er auch viele Vorbehalte. Er spricht von einer Art Gesetzhaftigkeit, die den Roman durchzieht, einer bestimmten Vorprogrammierung, die in den a priori fixierten Rollen sichtbar wird, denen die Figuren folgen.

35 Dordanas, Stratos, Έλληνες εναντίον Ελλήνων (Griechen gegen Griechen), 2006. 36 Papangelis, Ιστορία με ρόμπα και παντόφλες (Geschichte in Morgenmantel und Pantoffeln), in: Εντευκτήριο 90 ( Juli-­September 2010). 37 Perantonakis, Από τους δρόμους της ιστορίας… στα έδρανα της ιστοριογραφίας (Von den Wegen der Geschichte… auf die Anklagebänke der Geschichtsschreibung), in: Διαβάζω 580 ( Juni 2010), S. 52 – 53. 38 Pantaleon, Lina, Πιάτο για πανεπιστημιακούς (Tellergericht für Universitätsleute), in: Nea Estia 1834 ( Juni 2010), S. 1239 – 1251. 39 Ziras, Ανατομία και διαχρονία (Anatomie und Diachronie), 2010. 4 0 Ebd., S. 39: „Οι γοργές σαν σπινθήρες εικόνες της, ενδιάθετος παραμυθητικός λυρισμός, ένα εύχυμο και εν πολλοίς προκλητικό βιβλίο.“

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Einmal abgesehen von bestimmten Gestalten, die die Autorin wohlwollender bedacht hat, […] gehören die übrigen einem Kreis plakativer Typen an, die positiv, negativ oder grau eingefärbt sind – von vornherein akzeptabel oder inakzeptabel im Sinne einer moralischen und politischen Wahrnehmung, die sich, wie ich glaube, über das ganze Buch ausbreitet. […] Es ist ein Roman mit politischer Position, sein ganzer Aufbau dient dazu, diese Positionen aufzuzeigen. […] Es ist ein Jammer, dass ein so sorgfältig gearbeitetes erzählerisches Gefüge, eine gut komponierte Architektur und eine so glänzende und gewandte Sprache im Käfig ängstlicher Sorge um theoretische und ideologische Evidenz eingesperrt gehalten wird.41

Als Resümee ließe sich formulieren: Wenn ein Roman auf solch breites Echo stößt, so unterschiedliche Bewertungen und Reaktionen auslöst, handelt es sich sicherlich um ein Werk mit literarischen Qualitäten eines Ausmaßes, dem es gelingt, auf die Leser einzuwirken und in ihnen ein Nachdenken, vielleicht auch Irritation oder, bei wieder anderen, tröstlichen Zuspruch für das auszulösen, was von ihnen selbst verdrängt wurde. Ebenso gewiss ist, dass das Werk aktuelle Fragen berührt hat, die mit der Mentalität, dem korrupten Niedergang und den unwürdigen Befindlichkeiten der griechischen Gesellschaft zu tun haben, wie sie sich angesichts des Ausbruchs der schweren Wirtschafts- und Gesellschaftskrise zeigen, die wir derzeit durchleben – Fragen, die jedermann bewegen und von deren Basis aus viele das Buch semantisieren. Möglicherweise muss man es an dieser Stelle der Autorin positiv verbuchen, schon eine beträchtliche Zeit vor Ausbruch der Krise die ­­Z eichen der Zeit erkannt zu haben. Werfen wir einen Blick auf das, worin die Kritiker nicht übereinstimmen: zunächst einmal, ob es sich um eine campus novel handelt oder nicht. Natürlich haben wir es hier insofern mit keinem wichtigen Streitpunkt zu tun, als die vorliegende Uneinigkeit lediglich aufzeigt, dass griechischen Kritikern die Regeln und Konventionen des Genres campus novel nicht ganz klar sind. Die vielleicht bemerkenswerteste Beobachtung ist diejenige, ­welche Kotzia als erste macht und Papangelis weiter entfaltet: Die Universität interessiert nicht per se, sondern als Metapher für charakteristische Mentalitäten im breiteren politischen, ideologischen und allgemeinen Lebensraum, den das Narrativ abdeckt.

41 Ebd.: „Αν εξαιρέσουμε ορισμένες μορφές που θα τις έλεγα ευνοημένες από τη συγγραφέα, […] οι άλλες ανήκουν σε έναν κύκλο αντιπροσωπευτικών τύπων που έχουν χρωματιστεί θετικά και αρνητικά – ή ενδιάμεσα, γκρίζα. Εξαρχής αποδεκτών ή εξαρχής απαξιωμένων, βάσει, όπως νομίζω, μιας ηθικής, πολιτικής αντίληψης που διαχέεται στο βιβλίο. […] Είναι ένα μυθιστόρημα με θέσεις πολιτικές και η όλη δομή του αυτές τις θέσεις εξυπηρετεί και αναδεικνύει. […] Είναι κρίμα μια τόσο δουλεμένη αφηγηματική μηχανή, μια καλά αρχιτεκτονημένη σύνθεση, μια τόσο λαμπερή και εύστροφη γλώσσα, να εγκλωβίζονται από το άγχος της αποδεικτικότητας, θεωρητικής ή ιδεολογικής.“

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Trotz der breiten Diskussion um die Botschaften des Werks scheint es keinen Dissens über dessen ideologischen Gehalt zu geben. Abgesehen von leichten Unterschieden in der Formulierung scheinen alle darin übereinzustimmen, dass die Botschaft des Werks lautet, dass sich in Griechenland schon seit etlichen Jahrzehnten nichts mehr verändert habe. Wer etwas wert, wer integer ist, den zerrüttet das System, Demagogen und Opportunisten gelangen an die Spitze. Die These des Romans, dass in kritischen historischen Situationen der persönliche Lebenshintergrund, der eigene Vorteil und persönliche Zuschnitt, nicht aber die Ideologie das Verhalten des Menschen bestimmt, erinnert manche Kritiker an die von den revisionistischen Historikern vertretene Linie – eine Assoziation, die ich für leichtfertig und oberflächlich halte. Ich würde sagen, der Punkt, um den es geht, ist nicht die ideologische Botschaft des Werks, denn diese dürfte letztendlich ziemlich offenkundig sein. Vielmehr geht es um deren Vermittlung und die Struktur und Komposition des Romans. Das Vorprogrammierte, auf das eine beträchtliche Zahl der Kritiker verweist, ist für sie ein literarischer Lapsus. Die Frage ist nun: Warum nehmen einige Kritiker diese Vorprogrammierung wahr, andere aber nicht? Wovon ist das abhängig? Ich glaube, der Schlüssel dafür liegt im Verhältnis dreier Faktoren zueinander: Vorprogrammierung – das Ineinander zweier Zeitebenen – Glaubwürdigkeit. Alles nimmt seinen Ausgang von der so oft angesprochenen Doktorarbeit des Protagonisten, der Historiker ist. Wo ein Kritiker diese für zeitlich disparat und romantechnisch ungerechtfertigt hält, untergräbt dies die Überzeugungskraft der narrativen Struktur, und es entsteht der Eindruck des im Voraus Programmierten. Am Ende lenkt uns dieser Diskurs in die Grenzzonen der Fiktion und damit zu dem Gedanken, dass das, was die Haltung der Leserschaft zu einem Werk bestimmt, nicht vage ästhetische Wahrnehmung, sondern die Art und Weise ist, mit der sie sich das Verhältnis des Romans zur historischen und sozialen Realität zu eigen macht. Was die Kritik selbst betrifft, so meine ich, dass sie sich im vorliegenden Fall insgesamt ausgewogen ­zwischen den Feldern Form und Inhalt bewegt, mit ihren Kontroversen viel Stoff zum Nachdenken geliefert und in gebührendem Ausmaß kritische ideologische Th ­ emen der Gegenwart diskutiert hat. Gestützt auf die zeitgenössische Geschichtsschreibung über das Geschehen in den 40er Jahren, zeigt sich die zeitgenössische griechische Prosa entschlossen, an verborgenen Wunden zu rühren und die Ursachen für die heutige verfahrene Situation in der Verdrängung historischer Traumata der griechischen Gesellschaft zu suchen. Die literarischen Mittel, mit denen dies angepackt wird, unterscheiden sich natürlich von Buch zu Buch. Im einen Fall erweist sich die Romanstruktur als eher fragmentarisch und unterschwellig andeutend (Η Εβραία νύφη, Die Judenbraut), wobei diese die Notwendigkeit eines neuen hermeneutischen und analytischen Instrumentariums spürbar macht – eine Notwendigkeit, die von einem bestimmten Punkt an ganzheitlich vorgehende philologische Arbeit in Gang setzt. Im anderen Fall steht der Roman anklägerisch

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im Dienste eines vorgegebenen Programms (Απόψε δεν έχουμε φίλους, Heute Abend kennen wir keine Freunde) und löst damit eine umso lebhaftere Diskussion im öffentlichen Raum aus, die dabei womöglich auch seine ideologische Verwendung auslöst. Wie die Untersuchung der Rezeption beider Werke belegt, können wir jeweils nur Gewinn aus ihnen ziehen, sei es, dass wir ein neues Instrumentarium kennenlernen, sei es, dass wir mit zeitgemäßer Begrifflichkeit erneut die alte Streitfrage nach dem Verhältnis ­zwischen den Welten der Ideologie und Literatur aufgreifen. (Übersetzung aus dem Griechischen: Joachim Winkler und Athanasios Anastasiadis)

Anhang: Zeittafel (1936 – 1949) Die folgende Zeittafel bezieht sich nicht allein auf Ereignisse des griechischen Bürgerkriegs. Eine ­solche Zeittafel würde schon an der Schwierigkeit scheitern, dass man ein erstes Ereignis benennen müsste. Im vorliegenden Band geht es mehr um den Bürgerkrieg, wie er erzählt wird, als um den Bürgerkrieg, wie er sich zutrug. Deshalb haben wir in die Zeittafel auch s­ olche Ereignisse aufgenommen, die eindeutig vor Beginn des Bürgerkriegs stattgefunden haben, auf die aber in den Romanen und autobiographischen Texten immer wieder rekurriert wird – die somit in den Narrativen in einem Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg gesehen bzw. gestellt werden. Verantwortlich für die vorliegende Zeittafel sind Athanasios Anastasiadis und Ulrich Moennig. 4. August 1936

Der amtierende Ministerpräsident Ioannis Metaxas errichtet in Griechen­land eine Diktatur. Die Kommunistische Partei Griechen­ lands (KKE) wird verboten und organisiert sich in der Illegalität.

28. Oktober 1940

Der griechische Diktator Ioannis Metaxas lehnt ein Ultimatum ­Mussolinis ab („Ochi“), in dem u. a. die Zustimmung zur Installierung italienischer Truppenverbände auf griechischem Boden gefordert wurde. Das bedeutet den Beginn des griechisch-­italienischen Kriegs und den Eintritt Griechenlands in den ­Zweiten Weltkrieg.

November – Dezember 1940 Erfolge der griechischen Armee, italienische Truppen werden auf albanisches Gebiet zurückgedrängt. Dies ist die erste militärische Niederlage der Achsenmächte in Europa. 29. Januar 1941

Ioannis Metaxas stirbt in Athen.

6. April 1941

Beginn des deutschen Überfalls auf Griechenland von bulgarischem Territorium aus.

23. April 1941

General Georgios Tsolakoglou handelt, ohne durch die Regierung autorisiert zu sein, die Kapitulation aus.

27. April 1941

Deutsche Truppen besetzen Athen. Die griechische Regierung unter Premierminister Emmanouil Tsouderos, ein Teil der griechischen Streitkräfte und König Georg II. ziehen sich zunächst nach Kreta zurück, später von dort nach Ägypten.

29. April 1941

Die Besatzungsmächte installieren eine Kollaborationsregierung unter General Georgios Tsolakoglou.

31. Mai 1941

Widerstandkämpfern gelingt es, die Hakenkreuzfahne – das weithin sichtbare Symbol der deutschen Besatzung – von der Akropolis herunterzureißen.

306 | Anhang: Zeittafel (1936 – 1949) 20. Mai – 1. Juni 1941

Die Wehrmacht erobert die Insel Kreta in einer Luftlandeschlacht. Der heftige Widerstand der kretischen Zivilbevölkerung wird vom kommandierenden General der deutschen Luftwaffe Karl ­Student durch Greuel erwidert. Ganze Dörfer werden vernichtet, z. B. ­Kandanos am 3. 6. 1941.

9. September 1941

Gründung des EDES (Ethnikos Dimokratikos Ellinikos ­Syndesmos; Nationale Republikanische Griechische Liga) durch Napoleon ­Zervas. Das Machtzentrum der weder kommunistischen noch roya­ listischen Widerstandsgruppe liegt in Nordwest-­Griechenland.

27. September 1941

Gründung der Widerstandsorganisation EAM (Ethniko Apelefthero­ tiko Metopo; Nationale Befreiungsfront) in Athen auf Initiative des KKE.

Winter 1941/42

Zigtausende fallen einer Hungersnot zum Opfer, allein in Athen ca. 40.000 Menschen. Wesentliche Ursache für die Hungersnot ist die Beschlagnahmung und der anschließende Abtransport von Nahrungsmitteln durch die deutschen Besatzungsmächte.

Februar 1942

Gründung der Widerstandsorganisation ELAS (Ellinikos Laikos Apeleftherotikos Stratos; Griechische Volksbefreiungsarmee). Der ELAS ist der militärische Arm des EAM.

11. Juli 1942

Auf der Platia Eleftherias in Thessaloniki werden alle jüdischen Männer ­zwischen 18 und 45 Jahren versammelt. Ca. 9000 Menschen werden als Zwangsarbeiter registriert. Sicherheitskräfte (darunter auch Kollaborateure) demütigen sie öffentlich und ­treiben sie mit Peitschenschlägen zu erniedrigenden Turnübungen an.

Verlauf 1942

ELAS und EDES werden zunehmend von britischer Seite unterstützt, der EDES wird nunmehr ebenfalls militärisch aktiv.

November 1942

Gründung der Widerstandsorganisation EKKA (Ethniki kai ­Koinoniki Apeleftherosis; Nationale und Soziale Befreiung), die ähnliche politische Wurzeln hatte wie der EDES, durch Dimitrios Psarros und andere.

25./26. November 1942

Sprengung des Eisenbahnviadukts über den Fluss Gorgopotamos. Der Sabotageakt ist eine gemeinsame Aktion von ELAS- und EDES-­ Partisanen unter britischer Koordination.

März 1943

Beginn der Deportationen der Juden von Thessaloniki (ca. 50.000) nach Auschwitz.

März 1943

Der Anführer des bis dahin antiroyalistischen EDES Napoleon ­Zervas bekennt sich zum König.

Anhang: Zeittafel (1936 – 1949) | 307

April 1943

Die Kollaborationsregierung unter Ministerpräsident Ioannis Rallis bringt ein Gesetz zur Gründung der sogenannten Sicherheitsbataillone auf den Weg. Es handelt sich um zivile Milizen und Offiziere der griechischen Armee, die faktisch dem Sicherheitsdienst des Reichsführers der SS unterstellt sind. Die Bataillone gehen auf dem Lande gewaltsam gegen Kommunisten vor, zunächst in Zusammenarbeit mit den deutschen Besatzern.

13. Mai 1943, 23. Juni 1943

Aktionen des ELAS gegen die EKKA im Gebiet Phokis.

Juli 1943

Ein „Abkommen der nationalen Widerstandsorganisationen“ ­zwischen der britischen Militärmission, EAM/ELAS, EDES und der EKKA wird geschlossen.

16. August 1943

Die Wehrmacht bringt 318 Bewohner des Dorfes Kommeno im Epiros – Männer, Frauen und Kinder – um, mit der Begründung, es handele sich um ein „partisanenverdächtiges“ Dorf.

8. September 1943

Kapitulation der Achsenmacht Italien; der Rückzug der Italiener aus Griechenland führt zu einem erhöhten Angebot an Waffen, was die Militarisierung der Widerstandsgruppen befördert.

Verlauf 1943

Spannungen bis hin zu bewaffneten Auseinandersetzungen z­ wischen ELAS und EDES, die sich nach dem Abzug der Italiener intensivieren. Der ELAS erweist sich als überlegen. Es kommt zu Kontakten ­zwischen Zervas und deutschen Einheiten in Nordwest-­ Griechenland. Der ELAS wirft dem EDES Kollaboration mit der Besatzungsmacht vor.

13. Dezember 1943

Die Wehrmacht bringt aus Vergeltung für die Hinrichtung von 78 deutschen Soldaten durch Partisanen die männliche Bevölkerung von Kalavryta im Norden der Peloponnes um und legt die Kleinstadt in Brand. Bei dem Massaker werden 696 Menschen ermordet; es zählt zu den schwersten Kriegs­verbrechen der Wehrmacht in Griechenland.

März 1944

Gründung des PEEA (Politiki Epitropi Ethnikis Apeleftherosis; Politisches Komitee der Nationalen Befreiung) auf Initiative des EAM in Karpenisi. Die PEEA tritt als Regierung des „Freien Griechen­ land“ auf.

17. April 1944

Vernichtung des militärischen Arms der EKKA durch Truppen des ELAS, Dimitrios Psarros kommt dabei ums Leben. Die überlebenden Mitglieder reorganisieren sich zu großen Teilen innerhalb der Sicherheitsbataillone.

1. Mai 1944

Auf dem Schießplatz von Kaisariani, einer nahe zum Zentrum Athens gelegenen Hinrichtungsstätte in der Besatzungszeit, werden 200 griechische Widerstandskämpfer als Sühnemaßnahme für den Tod eines Wehrmachtsgenerals erschossen.

308 | Anhang: Zeittafel (1936 – 1949) Mai 1944

Libanon-­Konferenz: Verhandlungen mit Vertretern von EAM bzw. PEEA, EDES und EKKA mit dem Ziel der Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit.

10. Juni 1944

Ein SS-Verband ermordet 223 Männer, Frauen und Kinder, Bewohner des Dorfes Distomo nahe Delphi. Das Massaker wird als Vergeltungsmaßnahme für die Erschießung von drei deutschen Soldaten durch Partisanen ausgegeben.

2. September 1944

149 Bewohner des Dorfes Chortiatis bei Thessaloniki werden durch eine Wehrmachtseinheit bestehend aus griechischen Kollaborateuren unter dem Kommando des Feldwebels Fritz Schubert im Rahmen einer als Vergeltungsmaßnahme ausgegebenen Aktion ermordet.

13. – 15.  September 194

Die peloponnesische Kleinstadt Meligalas, Rückzugsort von Mitgliedern der Sicherheitsbataillone während des Abzugs der Deutschen von der Peloponnes, wird von ELAS-Einheiten belagert und eingenommen; Hunderte Angehörige der Bataillone kommen während der Schlacht ums Leben oder werden anschließend durch ein Volksgericht verurteilt und hingerichtet.

26. September 1944

Die Partisanen des ELAS werden im Abkommen von Caserta der Regierung der Nationalen Einheit und in der Folge dem Befehl des Generals der britischen Landungstruppen unterstellt.

Oktober 1944

Beginn des Abzugs der Deutschen aus Griechenland; infolge einer Aushandlung ­zwischen Stalin und Churchill fällt Griechenland der britischen Einflusssphäre zu.

12. Oktober 1944

Offizielle Übergabe Athens in Form einer Kranzniederlegung durch den Befehlshaber Hellmuth Felmy auf dem Syntagma-­Platz, die Bevölkerung feiert begeistert die Befreiung von der Besatzungsmacht.

18. Oktober 1944

Die Exilregierung unter Georgios Papandreou trifft in Athen ein, die auf der Libanon-­Konferenz ausgehandelte Regierung der Nationalen Einheit wird in die vakanten Ämter eingesetzt.

4. November 1944

In der Schlacht von Kilkis in Nordgriechenland, einer der heftigsten Konflikte z­ wischen dem ELAS und Sicherheitsbataillonen, kommen mehr als 1100 Menschen ums Leben.

2. Dezember 1944

Die EAM-Minister treten aus der Regierung der Nationalen Einheit aus, aus Protest dagegen, dass (ehemalige) Angehörige der offiziell aufgelösten, als Netzwerk aber weiterhin bestehenden Sicherheitsbataillone in das im Aufbau befindliche System der öffentlichen Ordnung integriert wurden.

Anhang: Zeittafel (1936 – 1949) | 309

Dezember 1944

Gewalt und bürgerkriegsartige Auseinandersetzungen erreichen während der sogenannten Dekemvriana (d. i. D ­ ezemberereignisse) in Athen einen Höhepunkt. Auslöser ist der Beschuss einer Demonstration des EAM am 3. Dezember 1944 durch regierungstreue Kräfte. Soldaten des ELAS und der Nationalarmee, (reaktivierte) Sicherheitsbataillonisten sowie englische Truppen stehen sich bis in den Januar 1945 in heftigen Straßenkämpfen bewaffnet gegenüber. Im weiteren Verlauf kommt es zu Verhaftungen und Geiselnahmen, zu volksgerichtlichen Prozessen und auch zu Hinrichtungen von Zivilisten, immer mit dem Vorwurf der Kollaboration, durch den ELAS. Die Regierung schlägt den Aufstand mit massiver Unterstützung von britischer Seite nieder.

12. Februar 1945

Ein Abkommen z­ wischen der (in ihren Machtmitteln gestärkten) Regierung und dem (weiterhin Rückhalt in der Bevölkerung genießenden) ELAS wird unterzeichnet; beide Seiten sollen ihre politischen Gefangenen freilassen, eine neue N ­ ationalarmee soll gebildet werden, Kollaborateure sollen aus öffentlichen Ämtern und Sicherheitsbataillonisten aus den Ordnungskräften entfernt werden, ein Plebiszit über die Staatsform (Monarchie oder Republik) und freie Wahlen sollen durchgeführt werden; zudem soll der ELAS im Rahmen einer Generalamnestie für seit dem 3. Dezember 1944 begangene Kapitalverbrechen seine Waffen niederlegen und sich auflösen. Das Abkommen wird in Varkiza unterzeichnet und wird heute nach ­diesem Ort benannt.

Februar 1945

In einem Athener Sondergericht beginnen erste Prozesse gegen Kollaborateure, zunächst gegen Mitglieder der Kollaborationsregierung.

März 1945

Die Frist für die im Varkiza-­Abkommen ausgehandelte Enwaffnung des ELAS verstreicht, ohne dass es zu einer generellen Waffenniederlegung gekommen wäre. Innerhalb des KKE wird die Legitimität der vom Generalsekretär des KKE geleisteten Unterschrift angezweifelt. Eine Führungsrolle übernimmt Aris Velouchiotis.

Mai 1945

Nikos Zachariadis wird aus dem KZ Dachau befreit, kehrt nach Athen zurück und übernimmt dort den Posten des General­sekretärs des KKE; unter seiner Führung distanziert sich das KKE von Velouchiotis, der im Juni 1945 getötet wird.

1945 – 1946

Vom Varkiza-­Abkommen im Februar 1945 bis zu den Wahlen im März 1946 kommt es laut Angaben des EAM zu 1289 Hinrichtungen, zu 6671 Körperverletzungen, zu über 30.000 Fällen von Folter, zu 73.091 Festnahmen und zu über 20.000 ­Verwüstungen von Büros oder Wohnungen linksgerichteter bzw. als links verdächtigter Bürger – Aktionen, die jeder rechtlichen Grundlage entbehren. Als Akteure ­dieses weißen Terrors bezeichnet das EAM ehemalige Mitglieder der Sicherheitsbataillone, die inzwischen in die offiziellen staatlichen Ordnungsorgane aufgenommen worden sind.

310 | Anhang: Zeittafel (1936 – 1949) 30./31. März 1946

Kommunistische Freischärler überfallen am Tag vor den Parlamentswahlen eine Polizeistation im nordgriechischen Litochoro. Diese offene Kampfhandlung wird bisweilen als „offizieller“ Beginn des Bürgerkriegs 1946 – 1949 dargestellt.

31. März 1946

Die ersten Parlamentswahlen seit 1936 werden von der Kommunistischen Partei boykottiert, die sich als Partei gar nicht erst zur Wahl stellt. Die Wahlbeteiligung beträgt ca. 50 %. Als Sieger geht die national-­konservative Volkspartei hervor.

Verlauf 1946

In Folge des Vorfalls in Litochoro wird die Verfolgung der Linken durch Gesetze systematisiert und legalisiert. Die Kapazitäten auf Verbannungsinseln werden wieder genutzt und ausgeweitet.

1. September 1946

Die neue Regierung führt ein Referendum über die Wiederherstellung der Monarchie durch, von dessen Ausgang die (bislang noch nicht erfolgte) Rückkehr des Königs abhängt. Unter Wahlbeeinflussung votieren 68,4 % für und 31,6 % gegen die Wiedereinführung der Monarchie.

September 1946

ELAS-Truppen greifen in der Gegend von Kastoria in Westmakedonien Regierungstruppen an.

28. Oktober 1946

Gründung der Volksarmee DSE (Dimokratikos Stratos Elladas, Demokratische Armee Griechenlands) unter militärischer Führung von Markos Vafeiadis. Der DSE bündelt einzelne Gruppen. Das Gründungsdatum genau sechs Jahre nach dem historischen „Ochi“ Metaxas’ hat Symbolcharakter: Die Linke beansprucht den Widerstand für sich und interpretiert den politischen Zustand in Griechenland als fortgesetzte Besatzung bzw. Kollaboration.

März 1947

Nachdem Großbritannien Griechenland nicht mehr länger unterstützt, führt die Truman-­Doktrin zu einem signifikanten Umschwung der Kräfteverhältnisse ­zwischen Regierung und Rebellen.

1. April 1947

König Georgios II. stirbt, auf den Thron folgt ihm sein Bruder ­Pavlos, der mit Friederike von Hannover, einer Enkelin Wilhelms II., verheiratet ist.

Apri 1947

Inbetriebnahme der Verbannungsinsel Makronissos vor Attika als „Besserungsanstalt“ für Linke; ELAS-Offiziere und -Soldaten werden dort interniert, durch Folter, Zwangsarbeit und Propaganda zu „nationalgesinnten“ Bürgern „umerzogen“ und zum Unterschreiben einer Reueerklärung genötigt.

10. Juli 1947

Auf Initiative von Königin Friederike werden Paido(u)poleis gegründet, also Kinderstädte bzw. Kinderstätten. Es handelt sich um Anstalten, in denen verwaiste Kinder von Linken untergebracht und indoktriniert werden.

Juni–Juli 1947

Säuberungsaktionen der Nationalarmee im Olympos- und im Pindos-­ Gebirge.

Anhang: Zeittafel (1936 – 1949) | 311

Juli–November 1947

Militärische Erfolge der Demokratischen Armee in Nordwest-­ Griechenland.

Dezember 1947

In der epirotischen Gebirgsregion erklärt sich eine Region unter kommunistischer Führung als unabhängig; das Freie Griechenland und seine Regierung werden allerdings von keinem Staat diplomatisch anerkannt, auch nicht von der Sowjetunion. In Reaktion auf die Unabhängigkeitserklärung wird das KKE zur illegalen Organisation erklärt.

März 1948

Auf Initiative des KKE beginnt die Verschickung von Kindern in die sozialistischen Volksdemokratien (paidomazoma). Bis 1949 werden 20.000 bis 25.000 Kinder z­ wischen 5 und 13 Jahren vom DSE verbracht.

1.Mai 1948

Justizminister Christos Ladas wird im Zentrum von Athen von einem kommunistischen Aktivisten ermordet.

Juli 1949

Der jugoslawische Ministerpräsident Tito kündigt, nachdem er sich zuvor mit Stalin überworfen hat, die Schließung der griechisch-­ jugoslawischen Grenze an, so dass sich die Partisanen nicht mehr zurückziehen können.

August 1949

In einer Aktion auf den Bergen Grammos und Vitsi fügt die Nationalarmee mit US-amerikanischer Unterstützung dem DSE eine vernichtende Niederlage zu.

29. August 1949

Endgültige militärische Niederlage des DSE.

ab September 1949

Nach der Niederlage des DSE flüchten schätzungsweise 100.000 Männer, Frauen und Kinder zunächst nach Albanien und Bulgarien, um anschließend auf verschiedene sozialistische Volksdemokratien (u. a. Rumänien, Jugoslawien und die Sowjetunion [Taschkent]) verteilt zu werden.

15. Oktober 1949

Die Regierung des „Freien Griechenlands“ verkündet über einen Bukarester Radiosender den vorläufigen Waffenstillstand.

Literaturverzeichnis Primärtexte Das folgende Verzeichnis der Primärtexte wurde über die Angaben zu den benutzten Ausgaben hinaus um die Angaben zu den Erstausgaben ergänzt. Nicht alle Erstausgaben sind ohne übermäßigen Aufwand zugänglich, weshalb gerade in Fällen früherer Texte auf aktuelle, ggf. auch im Handel erhältliche Ausgaben zurückgegriffen wurde. In einigen Fällen macht dies keinen substantiellen Unterschied aus, in anderen Fällen allerdings durchaus, und zwar insbesondere dann, wenn der Autor seinen Text für eine Neuausgabe überarbeitet hat. In Fällen, in denen es einen Unterschied ausmacht, ­welche Ausgabe genau herangezogen wurde, führen wir hier mehrere Ausgaben an. Ebenso machen wir Angaben zu deutschen, ggf. auch englischen Übersetzungen. Die Titel der publizierten Übersetzungen setzen wir kursiv. Eigene Übersetzungen erfolgen möglichst wörtlich. In einzelnen Fällen, insbesondere dann, wenn der Titel der Übersetzung nicht eine wörtliche Übersetzung des griechischen Titels ist, geben wir sowohl den Titel der Übersetzung als auch eine Übersetzung des griechischen Titels. Alexandrou, Aris: Το Κιβώτιο (Die Kiste), 1Athen: Kedros, 1975; benutzte Ausgabe: 22Athen: Kedros, 1998 (deutsche Übersetzung von Gerhard Blümlein, München: Kunstmann, 2001). Angeloulis, Antonis: Βροντάει ο Όλυμπος (Der Olymp donnert), 1Athen: Ta Nea Vivlia, 1945; benutzte Ausgabe: 2Athen: Alfios, o. J. Apostolidis, Renos: Πυραμίδα 67 (Pyramide 67), 1Athen: Pyrsos, 1950; benutzte Ausgabe: 6 Athen: Estia, 2006. Athanasiou, Kyriakos: Υιός συμμορίτου (Banditensohn), Athen: Vivliorama/ASKI , 2003. Atzakas, Giannis: Θολός βυθός (Trüber Meeresgrund), Athen: Agra, 2008. Averof-­Tositsas, Evangelos: Γη της οδύνης (Erde des Schmerzes), Athen: Estia, 1966. Averof-­Tositsas, Evangelos: Η φωνή της γης (Der Ruf der Erde), Athen: Estia, 1964. Axioti, Melpo: Εικοστός αιώνας (Zwanzigstes Jahrhundert), 1Athen: Ikaros, 1946; benutzte Ausgabe: Athen: Kedros, 1982 (deutsche Übersetzung von Kurt Stern mit einem Vorw. von Anna Seghers: Tränen und Marmor, Berlin: Volk und Welt, 1949). Bakolas, Nikos: Καταπάτηση. Τραγωδία των νεότερων κλώνων. (Widerrechtliche Aneignung. Tragödie der jüngeren Zweige.) Athen: Kedros, 1990. Beratis, Giannis: Οδοιπορικό του ΄43 (Reisebericht 1943), 1Athen: Ikaros, 1946; benutzte Ausgabe: Athen: Ermis, 1976. Beratis, Giannis: Το πλατύ ποτάμι (Der breite Fluß), 1Athen: Oi filoi tou vivliou, 1946; benutzte Ausgabe: Athen: Ermis, 1973. Bossis, Kostas: Άη Στράτης. Η μάχη της πείνας των πολιτικών εξορίστων στα 1941 (Ai-­Stratis. Der Kampf der politischen Verbannten gegen den Hunger im Jahr 1941), Athen: KKE, 1947. Chatzis, Dimitris: Ανυπεράσπιστοι (Die Ausgelieferten), in: Epitheorisi Technis 119 – 120 (1964), S.  559 – 570. Chatzis, Dimitris: Η Φωτιά (Das Feuer), 1Athen: Govostis, o. J. [= 1946]; benutzte Ausgabe: Athen: Pleias, 1974. Chatzis, Dimitris: Το διπλό βιβλίο (Das doppelte Buch), 1Athen: Exantas, 1976; benutzte Ausgabe: Athen: To Rodakio, 1999 (deutsche Übersetzung von Luise Steller, Köln: Romiosini, 1983 und von Carola Nicolaou, Berlin (Ost): Volk und Welt, 1985).

314 | Literaturverzeichnis Chouzouri, Elena: Πατρίδα από βαμβάκι (Heimat aus Baumwolle), Athen: Kedros, 2009. Davvetas, Nikos: Η Εβραία νύφη (Die Judenbraut), Athen: Kedros, 2009. Davvetas, Nikos: Λευκή πετσέτα στο Ρινγκ (Das weiße Handtuch in den Ring), Athen: Kedros, 2006. Dimitriadis, Dimitris: Φλόγες (Flammen), 1ο. Ο. [= Athen] 1945; benutzte Ausgabe: 2Athen (Selbstverlag), 1965. Douka, Dimitra: Ο πόνος και το αίμα των αδελφών μου (Der Schmerz und das Blut meiner ­Brüder), Athen: Kalvos, 1981. Douka, Maro: Το δίκιο είναι ζόρικο πολύ (Gerechtigkeit ist harte Arbeit), Athen: Patakis, 2012. Doukas, Stratis: Ιστορία ενός αιχμαλώτου (Geschichte eines Kriegsgefangenen), Athen: Gianiari, 1929. Faïs, Michel: Πορφυρά γέλια (Purpurnes Gelächter), Athen: Patakis, 2010. Fallaci, Oriana: Un uomo, Mailand: Rizzoli, 1979 (griechische Übersetzung, Ένας άντρας, Athen: Exantas, 1981; deutsche Übersetzung, Ein Mann, München: Kindler, 1980). Frangias, Andreas: Άνθρωποι και σπίτια (Menschen und Häuser), Athen: Kedros 1955; benutzte Ausgabe: Athen: 9Kedros, 1989 (deutsche Übersetzung von Ulla Hengst in Zusammenarbeit mit Melpo Axioti, Berlin (Ost): Volk und Welt, 1961). Frangias, Andreas: Η Καγκελόπορτα (Das Gittertor), 1Athen: Epitheorisi technis, 1962; benutzte Ausgabe: 2Athen: Kedros, 1976. Frangias, Andreas: Λοιμός (Die Seuche), 1Athen: Mavrogeorgis & Pournatzis, 1972; benutzte Ausgabe: 2Athen: Kedros, 1987. Frangopoulos, Theofilos D.: Ρολφ (Rolf ), in: Efthyni 2, H. 14 (1985), S. 341 – 344. Frangopoulos, Theofilos D.: Τειχομαχία (Kampf an den Mauern), 1Athen: Nea Techni, 1954; benutzte Ausgabe: 2Athen: Diogenis, 1977. Frangopoulos, Theofilos D.: Το σιωπηλό σύνορο (Die lautlose Grenze), Athen: Oi Ekdoseis ton Filon, 1995. Gage, Nicholas: Eleni, 1London: Collins, 1983; benutzte Ausgaben: englisch 11983; deutsch: 1 1984 (deutsche Übersetzung von Gisela Stege: Eleni, Bern, München, Wien: Scherz, 1984). Galanaki, Rea: Ένας άντρας καμωμένος από λέξεις (Ein Mann aus Wörtern), in: Galanaki, Rea: Ένα σχεδόν γαλάζιο χέρι. Διηγήματα (Eine fast blaue Hand. Erzählungen), Athen: Kastaniotis, 2004, S.  79 – 87. Gatzogiannis, Nikos: Ελένη (Eleni, griechische Übersetzung: Alexandros Kotzias), 1Athen: Elliniki Evroekdotiki, 1983; benutzte Ausgabe: 4Athen: Kerkyra, 2006. Georgiou, Vassos: Γεια χαρά (Lebt wohl), Bukarest: Ekdotiko Nea Ellada, 1950. Granin, Daniil A.: Собственное мнение (Die eigene Meinung), Moskau, 1956. Italienische Übersetzung: Il Silenzio, in: Il Contemporaneo. Settimanale di Cultura 12 (1957). Griechische Übersetzung aus dem Italienischen von Manolis Fourtounis: H Σιωπή (Das Schweigen), in: Epitheorisi Technis 50 – 51 (1959), S. 125 – 132, sowie Ioannidou, Υπόθεση Γκράνιν (Der Fall Granin), 2008, S. 325 – 342. Deutsche Übersetzung von G. Eschbach, in: Der Platz für das Denkmal, o. O.: Reclam (Ost), 1980, S. 260 – 275; benutzte Ausgaben: 1959, 1980, 2008. Gritsi-­Milliex, Tatiana: Και ιδού ίππος χλωρός (Und siehe, ein fahles Pferd), 1Athen: Fexis, 1963; benutzte Ausgabe: Athen: 8Kastaniotis, 1994 (deutsche Übersetzung von Günter Dietz: ­Schatten haben keine Schmerzen, Hamburg: Claassen, 1968). Iliopoulou, Vasiliki: Σμιθ (Smith), Athen: Polis, 2009.

Primärtexte | 315 Kantzas, Alexandros: Στα χρόνια της θύελλας. Ένας έφεδρος ανθυπολοχαγός του εθνικού στρατού στον Εμφύλιο 1946 – 1950 ( Jahre des Sturms. Ein Reserveoffizier der Nationalarmee im Bürgerkrieg 1946 – 1950), Athen 1987. Kapopoulos, Kostas: Αναμέναμε το θάνατο. Αίγινα 1947 – 1949 (Wir warteten auf unsere Hinrichtung. Ägina 1947 – 1949), Athen: Kapopoulos, 1989. Kasdaglis, Nikos: Τα δόντια της μυλόπετρας (Die Zähne des Mühlsteins), 1Athen: Konstantinidis & Michalas, 1955; weitere benutzte Ausgaben: 2Athen: Kedros, 1970; 4Athen: Kastaniotis, 1995. Kazantzakis, Nikos: Οι αδερφοφάδες (Die Brüdermörder), 1Athen: Georgiadis, 1963; benutzte Ausgabe: 7Athen: Ekdoseis Kazantzaki 1973 (deutsche Übersetzung: Brudermörder. Aus dem Neugriechischen übertragen von Chlodwig Plehn. Herbig: München u. a., 1969). Kepessis, Nikandros: Θυμάμαι (Ich erinnere mich), Athen: o. V. [Synchroni epochi?], 1985. Kepessis, Nikandros: Ο Δεκέμβρης του 1944 (Der Dezember 1944), Athen: Synchroni Epochi 1979. Kotzias, Alexandros: Αντιποίησις αρχής (Amtsanmaßung), Athen: Kedros, 1979. Kotzias, Alexandros: Ιαγουάρος (Jaguar), Athen: Kedros, 1987 (deutsche Übersetzung von Hans Eideneier, Köln: Romiosini, 1991). Kotzias, Alexandros: Πολιορκία (Belagerung), 1Athen: O Kosmos, 1953; 2Athen: Ioannidis, 1961; 3 Athen: Kedros 1976; benutzte Ausgaben: 1Athen: O Kosmos, 1953 und 8Athen: Kedros, 2003. Kotzias, Kostas: Καπνισμένος ουρανός (Verrauchter Himmel), 1Athen: Politikes kai logotechnikes ekdoseis, 1957; benutzte Ausgabe: Καπνισμένος ουρανός – Ιστορία ενός κάστρου της Αντίστασης. 3. έκδοση, ξαναδουλεμένη από τον συγγραφέα (Verrauchter Himmel – Geschichte einer Festung des Widerstands. 3. vom Autor überarbeitete Ausgabe), Athen: Ekdoseis Samurai 1977. Koutifari–Frantzeskou, Argyroulla: Μια αληθινή ιστορία (Eine wahre Geschichte), Athen: Gnoseis, 1973. Lymberaki, Margarita: Ο άλλος Αλέξανδρος (Der andere Alexander), Athen: Aetos, 1950. Markaris, Petros: Βασικός μέτοχος (Der Großaktionär), Athen: Gavriilidis, 2006 (deutsche Übersetzung von Michaela Prinzinger, Zürich: Diogenes, 2007). Markaris, Petros: Ο Τσε αυτοκτόνησε (Che begann Selbstmord), Athen: Gavriilidis, 2003 (deutsche Übersetzung von Michaela Prinzinger: Live!, Zürich: Diogenes, 2004). Markaris, Petros: Τίτλοι τέλους (Abspann), Athen: Gavriilidis, 2014 (deutsche Übersetzung von Michaela Prinzinger: Zurück auf Start, Zürich: Diogenes, 2015). Markaris, Petros: Ψωμί, παιδεία, ελευθερία (Brot, Bildung, Freiheit), Athen: Gavriilidis, 2012 (deutsche Übersetzung von Michaela Prinzinger: Zahltag, Zürich: Diogenes, 2013). Mastroleon-­Zerva, Marigoula: Εξόριστες. Χίος, Τρικέρι, Μακρονήσι. H Μαρούκλα αφηγείται (Verbannte. Chios, Trikeri, Makronissos. Maroukla erzählt), 1Athen: Synchroni epochi, 1986; benutzte Ausgabe; 2Athen: Synchroni epochi, 1986. Matessis, Pavlos: Η μητέρα του σκύλου (Die ­Mutter des Hundes), Athen: Kastaniotis 1990 (deutsche Übersetzung von Birgit Hildebrand: Die Tochter der Hündin, München; Wien: Carl Hanser, 2001; englische Übersetzung von Fred A. Reed, The Daughter, London: Arcadia Books, 2002). Milionis, Christophoros: Ακροκεραύνια (Akrokeraunia), Athen: Kedros, 1976. Missios, Chronis: … καλά, εσύ σκοτώθηκες νωρίς (… gut, du bist rechtzeitig ums Leben gekommen), Athen: Grammata, 1985 (deutsche Übersetzung von Dimitris Depountis, … gut, bist Du früh umgekommen, Zürich: Rotpunktverlag, 1993). Myrivilis, Stratis: Η Ζωή εν τάφω (Das Leben im Grabe), 1Mytilene: Theophanidis-­Lampadaridis, 1930, benutzte Ausgabe: Athen: Estia, 1959 (deutsche Übersetzung von Ulf-­Dieter Klemm, 1 Köln: Romiosini 1986, 2Berlin: Edition Romiosini 2016).

316 | Literaturverzeichnis Nikolaidou, Sofia: Απόψε δεν έχουμε φίλους (Heute Abend kennen wir keine Freunde), Athen: Metaichmio, 2010. Papadimitrou, Ilias: Απάντηση (Antwort), Athen: Alitheia, 2004. Papaioannou, Marilena: Κατεβαίνει ο Καμουζάς στους φούρνους (Kamouzas kommt zu den Öfen herunter), Athen: Estia, 2016. Parnis, Alexis: Η Οδύσσεια των διδύμων (Die Odyssee der Zwillinge), Athen: Kastaniotis, 2009. Patatzis, Sotiris: Πένθιμο εμβατήριο (Trauermarsch), Athen: Philippotis, 1978. Petroula, Dimitra: Πού ’ναι η μάνα σου, μωρή; (He, du, wo ist deine ­Mutter?), 1Athen: Kedros, 1986; benutzte Ausgabe Athen: 14Kedros 2008. Pipiliagkas, Chrysostomos: Η Ελλάς κατά την από του 1942 – 1967 περίοδον (Griechenland in den Jahren 1942 – 1967), Athen: Selbstverlag (Druckerei Eptalofos), 1970. Politopoulou, Marlena: Η μνήμη της πολαρόιντ (Das Gedächtnis der Polaroid), Athen: ­Metaichmio, 2009. Prassas, Giorgos: … και έτσι έκλεισε ο κύκλος (… und so schloss sich der Kreis), Athen: Nefeli, 2009. Provelengios, Rodis: siehe Roufos, Rodis. Raftopoulos, Dimitris: Κάτι δεν πήγαινε … (Irgendetwas lief da nicht …), in: Epitheorisi T ­ echnis 50 – 51 (1959), S.  92 – 97. Raftopoulos, Dimitris: Τι είδε το μάτι του ταύρου (Was das Auge des Stiers sah), in: Epitheorisi Technis 25 (1957), S. 51 – 53; zweite Veröffentlichung in: Mandragoras 3 (2003), S. 39 – 4 0. Raftopoulos, Mimis (= Dimitris): Οι πελαργοί (Die Störche), in: Epitheorisi Technis 6 (1955), S.  457 – 4 65. Ricard, Sylvain; Rais, Myrto (Text); Casavane, Daniel (Illustration): … καλά, εσύ σκοτώθηκες νωρίς. Από το βιβλίο του Χρόνη Μίσσιου (… gut, du bist rechtzeitig ums Leben gekommen. Nach dem Buch von Chronis Missios), Athen 2013: Polaris. Roufos, Rodis (erschienen unter dem Pseudonym Rodis Provelengios): Χρονικό μιας σταυροφορίας. Η ρίζα του μύθου (Chronik eines Kreuzzugs. Die Wurzel des Mythos), 1Athen: Selbstverlag, 1954. Roufos, Rodis (erschienen unter dem Pseudonym Rodis Provelengios): Χρονικό μιας σταυροφορίας. Πορεία στο σκοτάδι (Chronik eines Kreuzzugs. Marsch durch die Dunkelheit), 1 Athen: Selbstverlag, 1955. Roufos, Rodis (erschienen unter dem Pseudonym Rodis Provelengios): Χρονικό μιας σταυροφορίας. Η άλλη όχθη (Chronik eines Kreuzzugs. Das andere Ufer), 1Athen: Selbstverlag, 1958. Roufos, Rodis: Η Χάλκινη Εποχή (Das eherne Zeitalter), 1Athen: Estia, 1960; 4Athen: Estia, 2001 (vervollständigte Ausgabe). Englische Erstausgabe: The Age of Bronze, London, Melbourne, Toronto: Heinemann, 1960. Roufos, Rodis: Χρονικό μιας σταυροφορίας (Chronik eines Kreuzzugs, Teile 1 – 3), 2Athen: Kedros, 1972; 3Athen: Okeanida, 2004; 4Athen: Estia, 2015. Samouil, Georgios: Η εποποιΐα του Μακρυγιάννη (Die Heldentaten im Makrygianni-­Viertel), Athen: o. V., 1950. Skassis, Thomas: Ελληνικό σταυρόλεξο (Griechisches Kreuzworträtsel), Athen: Polis 2000. Skroumbelos, Thanasis: Bella Ciao, Athen: Ellinika Grammata, 2005. Sotiriou, Dido: Ματωμένα χώματα (Blutige Erde), 1Athen: Kedros, 1962 (deutsche Übersetzung von Inge van Meerendonk: Lebewohl, Anatolien, 2Berlin: Edition Romiosini, 2016). Tachtsis, Kostas: Το τρίτο στεφάνι (Der dritte Hochzeitskranz), 1Athen: Typografeio Proodos, 1962 (deutsche Übersetzung von Wolfgang Josing: Dreimal unter der Haube, Köln: Romiosini, 1984).

Primärtexte | 317 Theotokas, Giorgos: Ασθενείς και οδοιπόροι (Kranke und Wanderer), 1Athen: Fexis, 1964, benutzte Ausgabe Athen: Estia, 1981 (deutsche Übersetzung von Inez Diller: Und ewig lebt Antigone, München: König 1973). Theotokas, Giorgos: Ιερά Οδός (Heilige Straße), Athen: Ikaros, 1950. Tsakiri, Sassa: Κλειστή στροφή (Enge Kurve), Athen: Kastaniotis 1985. Tsirkas, Stratis: Αριάγνη (Ariagni), 1Athen: Kedros 1962; benutzte Ausgabe: Chryssa P ­ rokopaki (Hg.), Athen: Kedros, 2005 (deutsche Übersetzung von Gerhard Blümlein, Berlin: Edition Romiosini, 2015). Tsirkas, Stratis: Η Λέσχη (Der Club), 1Athen: Kedros 1961 [d. i. 1960]; benutzte Ausgabe: Chryssa Prokopaki (Hg.), Athen: Kedros, 2005 (deutsche Übersetzung von Gerhard Blümlein, B ­ erlin: Edition Romiosini, 2015). Tsirkas, Stratis: Η Νυχτερίδα (Die Fledermaus), 1Athen: Kedros 1965; benutzte Ausgabe: Chryssa Prokopaki (Hg.), Athen: Kedros, 2005 (deutsche Übersetzung von Gerhard Blümlein, B ­ erlin: Edition Romiosini, 2015). Tsirkas, Stratis: Η χαμένη άνοιξη (Der verlorene Frühling), Athen: Kedros 1976. Valtinos, Thanassis: Η κάθοδος των εννιά (Der Abstieg der neun), Athen: Kedros, 1978, erste Veröffentlichung in der Zeitschrift Epoches 1963 (deutsche Übersetzung von Johannes Weissert, Der Marsch der Neun, Berlin: Literarisches Colloquium, 1976 und von Ulf-­Dieter Klemm, Der Abstieg der neun, in: Lettre International 79 (2007), S. 90 – 97). Valtinos, Thanassis: Ο τελευταίος Βαρλάμης (Der letzte Varlamis), in: Nea Estia H. 1833, Bd. 167, S. 859 – 880; Buchausgabe: Athen: Estia 2010 (deutsche Übersetzung von Ulf-­Dieter Klemm, Der letzte Varlamis, in: Lettre International 114 (2016), S. 23 – 28). Valtinos, Thanassis: Ορθοκωστά (Orthokosta), 11994; benutzte Ausgabe: 5Athen: Estia 2007. Valtinos, Thanassis: Στοιχεία για τη δεκαετία του ’60 (Material für die 1960er Jahre), 1Athen: Stigmi, 1989; benutzte Ausgabe: 2Athen: Agra, 1992. Valtinos, Thanassis: Τρία ελληνικά μονόπρακτα (Drei griechische Einakter), Athen: Kedros 1978. Vasilikos, Vasilis: Οι φωτογραφίες (Die Fotografien), in: Epitheorisi Technis 102 (1963), S. 540 – 551; Athen: Estia, 1964 (deutsche Übersetzung von Argyris Sfountouris, Berlin: Blanvalet, 1971). Vasilikos, Vasilis: Το φύλλο – Το πηγάδι – Το αγγέλιασμα (Die Pflanze – Der Brunnen – Die Engelwerdung), Athen: Estia, 1961 und 1963 (deutsche Übersetzung von E. Dryander: Griechische Trilogie, Zürich: Arche, 1966; Frankfurt a. M.: Luchterhand, 1989). Venezis, Ilias: Το νούμερο 31328 (Die Nummer 31328), 1Mytilene 1924 (als Fortsetzung in der Zeitschrift Kambana), 2Mytilene: Theophanidis und Lambadaridis 1931; benutzte Ausgabe: 6 Athen: Estia, 1986 Vercors (Pseudonym für Jean Marcel Bruller), Le silence de la mer (Das Schweigen des Meers), Paris: Éditions de Trois Collines, 1945 (griechische Übersetzung von Tatiana ­Gritsi-­Milliex: Η σιωπή της θάλασσας, 1Athen: Ellinogalliki Enosi ton Neon, 1945, 2Athen: ELIA, 1981). Zafeiropoulos, Dimitrios: Ο αντισυμμοριακός αγών 1945 – 1949 (Der Kampf gegen die Rebellen 1945 – 1949), Athen: o. V., 1956 (Neuausgabe und Übersetzung in das aktuelle Standardneugriechisch mit Titel Ο αντισυμμοριακός αγώνας 1945 – 1949, Athen: Dimosiografikos Organismos Lambraki, 2011). Zei, Alki: Η αρραβωνιαστικιά του Αχιλλέα (Die Verlobte des Achilles), Athen: Kedros, 1987 (deutsche Übersetzung von Birgit Hildebrand, Köln: Romiosini, 1991). Zei, Alki: Με μολύβι φάμπερ νούμερο δύο (Mit Bleistift der Sorte Faber Nr. 2), Athen: ­Metaichmio, 2013.

318 | Literaturverzeichnis

Sekundärliteratur (Anonym): Interview mit Alexandros Kotzias über Gage, Eleni, in: Gatzogiannis, Ελένη (Eleni), 42006, S. 716. (Anonym): Interview mit Thanassis Valtinos, in: Kyriakatiki Eleftherotypia, 16. 11. 2003. (Anonym): Χρονολόγιο Δημήτρη Ραυτόπουλου (Chronologie Dimitris Raftopoulos), in: ­Mandragoras 30 (2003), S. 86 – 87. (Anonym): Χρονολογίου παραλειπόμενα (Nachträge zur Chronologie), in: Mandragoras 30 (2003), S.  87 – 88. Abatzopoulou, Fragiski: Griechische Juden und ihre Verfolgung als Thema der griechischen Literatur, in: Kambas; Mitsou (Hg.), Die Okkupation Griechenlands, 2015, S. 233 – 251. Al-­Haj, Majid: National Ethos, Multicultural Education, and the New History Textbooks in Israel, in: Curriculum Inquiry 35/1 (2005), S. 47 – 71. Alexander, Jeffrey C.: Toward a Theory of Cultural Trauma, in: Alexander, Jeffrey C.; ­Eyerman, Ron; Giesen, Bernard; Smelser, Neil J. (Hg.), Cultural Trauma and Collective Identity. ­Berkeley: University of California Press, 2004, S. 1 – 30. Anastasiadis, Athanasios: Trauma – Memory – Narration. Greek Civil War Novels of the 1980s and 1990s, in: Byzantine and Modern Greek Studies 35/1 (2011), S. 92 – 108. Anastasiadis, Athanasios: Transgenerational Communication of Traumatic Experiences. ­Narrating the Past from a Postmemorial Position, in: Journal of Literary Theory 6/1 (2012), S. 1 – 24. Anastasiadis, Athanasios: Όχι οι Γερμανοί, οι δικοί μας – Nicht die Deutschen, unsere eigenen Leute. Kollaborations-­Diskurse in der Literatur der Nachgeborenen, in: Kambas; Mitsou (Hg.), Die Okkupation Griechenlands, 2015, S. 311 – 328. Anastasiadis, Athanasios, Kyriakis, Thomas, Tsanousa, Efi: Datenblatt Dimitra Petroula, Πού ’ναι η μάνα σου, μωρή; (He, du, wo ist deine ­Mutter?), in: Moennig; Anastasiadis (Hg.), Narrative Vermittlung, 2013, letzter Zugriff: 15. 05. 2017. Anastasiadis, Athanasios; Winkler, Joachim: Datenblatt Alexandros Kotzias, Πολιορκία (Belage­rung), in: Moennig; Anastasiadis (Hg.), Narrative Vermittlung, 2013, letzter Zugriff: 15. 05. 2017. Anastasiadis, Athanasios; Winkler, Joachim: Datenblatt Thanassis Valtinos, Ορθοκωστά (Orthokosta), in: Moennig; Anastasiadis (Hg.), Narrative Vermittlung, 2013, letzter Zugriff: 15. 05. 2017. Anastasiadis, Athanasios: Datenblatt Alexandros Kotzias, Ιαγουάρος ( Jaguar), in: Moennig; Anastasiadis (Hg.), Narrative Vermittlung, Hamburg 2013, letzter Zugriff: 15. 05. 2017. Anastasiadis, Athanasios: Datenblatt Chronis Missios, … καλά, εσύ σκοτώθηκες νωρίς (… gut, du bist rechtzeitig ums Leben gekommen), in: Moennig; Anastasiadis (Hg.), Narrative Vermittlung, 2013, letzter Zugriff: 15. 05. 2017. Anastasiadis, Athanasios: Datenblatt Dimitris Chatzis, Η φωτιά (Das Feuer), in: Moennig; Anastasiadis (Hg.), Narrative Vermittlung, 2013, letzter Zugriff: 15. 05. 2017. Anastasiadis, Athanasios: Datenblatt Dimitris Chatzis, Το διπλό βιβλίο (Das doppelte Buch), in: Moennig; Anastasiadis (Hg.), Narrative Vermittlung, 2013, letzter Zugriff: 15. 05. 2017. Anastasiadis, Athanasios: Datenblatt Giorgos Theotokas, Ασθενείς και οδοιπόροι (Kranke und Wanderer), in: Moennig; Anastasiadis (Hg.), Narrative Vermittlung, 2013, letzter Zugriff: 15. 05. 2017. Anastasiadis, Athanasios: Datenblatt Giorgos Theotokas, Ιερά οδός (Heilige Straße), in: ­Moennig; Anastasiadis (Hg.), Narrative Vermittlung, 2013, letzter Zugriff: 15. 05. 2017.

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Register Sachregister A Adressat, textextern  117, 119, 211 Adressat, textintern  92, 98, 99, 114, 124, 125, 167 – 169, 188, 192 Amnesie –– kollektiv  63 Authentizität  72, 76, 130, 134, 135, 152, 209, 261 – 263 Autobiographie, autobiographisch  12, 26 – 32, 46, 66, 74, 82, 96, 100, 102, 116, 195, 197, 202, 234, 244, 252, 279, 305 Autodiegese, autodiegetisch  27, 28, 94, 97, 100, 112, 114, 124, 125, 135, 137, 154, 203, 217, 218, 266 Autofiktion, autofiktional  11, 26, 29, 43, 62, 96, 100, 231 B Bewusstsein, historisches  129, 144 Binnenerzählung  91, 121, 176 D Delegitimation  17, 18, 39, 199 Diskriminierung  19, 24, 31, 32, 36, 117 Diskurs, erzählerischer  90, 94, 100, 121, 135, 140, 174, 193 Diskurs, literarischer  66, 129, 137, 266, 267, 269, 291 Diskurs, traumatischer  74, 75, 81, 89, 93, 96, 102, 110, 114, 122, 123, 126, 127, 153, 154, 163, 168, 173, 174 E Erinnerung  31, 46, 55, 60, 61, 68, 70, 71, 74, 80, 87, 123, 124, 126, 185, 189, 191, 200, 201, 205 –– erfunden  31, 148 –– individuell  31, 46, 56, 59, 60, 66, 75, 83, 85, 87, 88, 97, 98, 104, 120, 121, 123, 152 – 154, 156, 158, 160, 169, 178, 179, 182 – 188, 190, 196, 198, 201, 215, 220

–– kollektiv  11, 13, 15, 24, 25, 41, 45, 53, 56, 60 – 64, 66 –– konstruiert  20, 62, 152, 153, 218 –– kulturell  60, 89 –– traumatisch 61, 68, 75, 82, 83, 85, 86, 93, 101 – 104, 115, 116, 125, 152, 157, 215 Erinnerungsakt –– individuell  125, 154 –– kollektiv  62 Erinnerungsdiskurs, erinnerungs­kultureller Diskurs  11, 14, 21, 22, 24, 26, 38, 43, 44, 46, 49, 50, 53, 55, 62, 64 – 68, 73, 75, 80, 202, 227, 257, 260, 268, 270 Erinnerungsfragment  29, 103, 116, 121, 123, 211 Erinnerungsgegenwart  91, 152 Erinnerungsgemeinschaft  19, 26, 38, 50, 60, 90, 257 Erinnerungshaftigkeit  92, 93, 103 Erinnerungsinterview  30, 102, 121, 210, 270 Erinnerungskonkurrenz(en)  67, 71 – 73 Erinnerungskrieg  16, 17, 24, 50, 79, 130 Erinnerungskultur, erinnerungs­kulturell  11, 12, 20, 25, 32, 35, 36, 39, 41, 43, 47, 50, 55, 56, 62 – 65, 67 – 71, 73 – 76, 80, 90, 119, 127, 152, 220, 267 Erinnerungsort  20, 25, 45, 68 Erinnerungsprozess –– individuell  74, 83, 85, 87, 91 – 93, 99, 100, 113, 114, 117, 124, 126, 152, 161, 176, 177, 186 –– kollektiv  61, 71, 73, 81 Erzählen über das Erzählen  124, 175, 176 Erzähler-/Figurenrede, traumatisiert  90, 163, 164, 166, 177, 180, 202 Erzählerzeit  99, 114, 125, 154, 167, 168, 173, 175, 197 Erzählinstanz  48, 73, 91, 93, 103, 111, 112, 114, 124, 125, 209, 264 Erzählprozess  74, 97 – 100, 102, 115, 117, 124, 125, 152, 154, 167, 171, 174, 184, 187

342 | Register F Faktualität, faktual  27, 28, 30, 32 – 34, 36, 44, 66, 68, 73, 96, 135, 176, 177, 209 Figurenrede, traumatisch (Merkmale traumatisierter Rede) –– Assoziativität  113, 114, 126, 156, 212 –– Fragmentarität  87, 94, 99, 114, 126, 135, 143, 155, 156, 270 –– Gegenwärtigkeit (des Vergangenen)  99, 160, 174, 179, 189 –– Inkohärenz  99, 113, 115, 135, 155 –– repetitives Erzählen  156, 175 Fiktionalisierung  29, 96, 101, 173 Fiktion, Fiktionalität, fiktional  12, 27 – 29, 31 – 34, 41, 42, 44 – 49, 65, 66, 68, 70, 73, 74, 80, 86 – 88, 96, 102, 120, 129, 132, 134, 135, 140, 143, 147, 149, 158, 180, 195, 201, 209, 210, 222, 231, 265, 273, 291, 292, 300, 303 Fiktivität, fiktiv  23, 31, 34, 48, 233, 253, 266, 295, 297 Fokalisierung  71, 75 Fotografie  33, 65, 87, 103, 122, 178 Fragmentarität, Fragment, fragmentarisch  32, 85, 86, 94, 95, 99, 101, 104, 112 – 115, 121, 126, 135, 138, 143, 145, 155, 156, 209 – 211, 270, 289, 291, 303 G Gattung, Textgattung, Textsorte  12, 17, 27 – 36, 44 – 46, 66 – 70, 74, 75, 80, 86, 87, 132, 135, 195 Gedächtnis –– historisch  59, 148, 149 –– individuell  55, 59, 74, 87, 124, 152 –– kollektiv  11, 18, 36, 47, 55 – 58, 61, 62, 66 – 69, 71, 73, 76, 77, 96, 124, 130 – 132, 137, 138, 146 – 149, 152, 205, 206, 291 –– kommunikativ  58 – 60, 66, 70, 72, 74, 119, 124 –– kulturell  58 – 60, 70, 72, 119, 124, 149 –– literarisch  148 –– traumatisch  74, 75, 78, 82, 85, 103, 159 Gedächtnismedium, gedächtnismedial  56, 65, 67 – 69, 71 – 74, 76, 78, 93 Gedenkstätte  64, 65

Gegenwartsbezogenheit  25, 32, 36, 38, 41, 57, 61, 62, 85, 152, 218, 269, 287, 288, 293, 300, 303 Generation  11, 46, 50, 59, 74 –– Erlebnis-/Erfahrungsgeneration  45, 50, 80, 87, 102, 113, 147, 170, 220, 221, 285, 292 –– zweite, nachfolgende, Elterngeneration etc.  46, 59, 60, 79, 80, 87, 119, 120, 124, 129, 131, 133, 141, 142, 144, 146, 147, 149, 207, 220, 222, 224, 287, 288, 293 Generationengedächtnis  57 Geschichtsbild  55, 59 – 61, 72, 73 Geschichtslehrbuch  19, 59, 60 H Heterodiegese, heterodiegetisch  27, 91, 94, 95, 103, 106, 110, 112, 114, 115, 123, 125, 126, 135, 137, 252, 264, 266 Homodiegese, homodiegetisch  26 – 28, 95, 103, 124, 126, 203, 204, 231 I Ich –– erinnerndes, erzählendes  29, 74, 97, 101, 102, 126, 168, 169, 174 –– erinnertes, erzähltes, erlebendes  29, 74, 97, 101, 126, 169, 174 Identität, kollektive  25, 26, 55, 58, 59, 64, 73, 77, 87, 104, 120, 129, 131, 137, 141, 142, 147, 149, 205, 206, 208, 296 Illegitimität  18, 195, 199 Innenweltdarstellung  68, 72, 93 Intertextualität  33, 35, 50, 69, 72, 131 – 133, 144, 149, 157 – 159, 165, 166, 201 Ironie  132, 133, 135, 137 – 143, 240, 294, 295 Isolation, Isolationshaft  163, 164, 168, 173, 193, 196 – 201 K Konstruiertheit (von Vergangenheit und kollektivem Gedächtnis)  25, 57, 61, 62, 67, 71

Sachregister | 343

L Latenzphase  83, 85, 92, 220, 223 Legitimierung  64, 73 Legitimität  14 – 18, 37, 221, 276, 285, 309 M Metafiktion  130 – 133, 137, 139, 140, 147, 149 Modi der Rhetorik des kollektiven Gedächtnisses –– antagonistisch (nach Erll)  71, 73 –– kommunikativ (nach Erll)  71 –– kulturell (nach Erll)  71 – 73 –– reflexiv (nach Erll)  71, 73 –– traumatisch (nach Viemann)  75 Modulation  27, 28, 32 Monolog, innerer  91, 126, 143, 154, 247 Multiperspektivität  73, 121, 137, 143, 146 N Nachträglichkeit  79, 83, 85, 92, 97, 102, 112, 113, 118, 120, 122, 126, 238, 285 Narrativ –– Bürgerkriegsnarrativ  12, 15 – 17, 27, 31, 36, 37, 41, 48, 49, 79, 110, 125, 208, 222 –– der moralischen Überlegenheit  20, 52, 221, 281, 282 –– linkes Narrativ  19, 20, 45 –– Masternarrativ  20, 26, 31, 49, 166 –– Stellvertreternarrativ  31, 32, 47, 48, 170 Narrativierung  67, 70, 74 –– destruktive Wirkung  102, 125, 152, 161, 167, 192 –– heilende Wirkung  89, 100, 102, 103, 116, 125, 160, 167 –– (Nicht-)Narrativierbarkeit  85, 98, 102 – 104, 113, 115, 119, 125, 185, 188, 193, 211, 218, 220 O Opferdiskurs  152, 161, 168 Opfer, Opferschaft  25, 35, 50, 52, 55, 63 – 65, 77, 79, 85, 90, 97, 102, 105, 108, 110, 111, 121, 122, 146, 153, 155, 165, 168, 174, 182, 183, 190, 192, 206 – 208, 220 – 223, 230, 238, 266, 267, 271, 276, 298

P Parodie  131 – 133, 135, 137, 140 – 143 Perspektive –– figural  27, 72, 91, 94, 97, 101, 106, 110, 113, 125, 126, 154, 160, 174 –– narratorial  103, 106, 123 Postmemory  30, 31, 46, 49, 73, 87, 88, 116, 120, 121, 124, 193, 224, 288, 290 – 293 Postmoderne, postmodern  82, 88, 120, 123, 131, 132, 134, 135, 137, 139, 209, 291 Posttraumatische Belastungsstörung, posttraumatisches Belastungssyndrom  24, 46, 81, 82, 84, 90, 118, 122, 123, 127, 153, 164, 175, 180, 188, 189, 192 post-violence-society  24, 63 Prozess, mental  91, 94, 106, 113, 126, 167, 168, 174, 189, 193, 197, 206, 258 Psychotraumatologie  24, 51, 77, 81, 84, 86, 89, 90, 110, 121, 154, 164 – 166, 206 R Rahmenerzählung  91, 92, 121, 168, 176 Raum des Erzählens  173, 188 Raum, erzählter  48, 71, 95, 109, 173, 174 Raumwahrnehmung  84, 94, 95, 125, 126 Realismus, sozialistischer  239, 247, 248, 282 Realismus, traumatischer  88 Rede, erlebte  91, 126 Referenzialität  68, 82, 88, 132, 134, 135, 140, 143 Repräsentation, Krise der  82, 130, 143 Rezeption  21, 49, 69, 70, 76, 79, 121, 158, 193, 208, 219 – 222, 224, 227, 228, 235, 237, 242, 243, 248, 249, 253, 255 – 257, 260, 261, 265, 268, 271 – 275, 279, 284, 287, 288, 290, 293 – 295, 304 Roman –– dokumentarischer  48, 129, 209, 266 Roman (literarische Gattung)  11, 26 – 32, 44, 46, 47, 62, 73, 80, 209, 263 –– Abenteuerroman  71 –– Bildungsroman  71 –– Bürgerkriegsroman  26, 31, 32, 47, 49, 78, 80, 89, 90, 227, 228, 252, 254, 257, 260, 266, 283, 287 –– campus novel  299, 302

344 | Register

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graphic novel  97 historischer Roman  133 Kriminalroman  32, 51 Nouveau Roman  96 Postmemory-Roman  31, 33, 50 „schwarze Literatur“  21, 22, 39, 42, 75, 228, 239, 244, 245, 247 – 251, 256 – 258, 260, 261, 265, 268, 269, 274, 275, 278, 279, 282, 286 –– trauma novel, trauma fiction  75, 86 – 88, 123, 153, 159, 167 S Satire  74, 177, 265 Schulbuchhoheit  68 Schuld, persönliche  50, 75, 90, 159, 164, 167, 172 – 175, 184, 187, 189, 193, 195, 200 – 202, 207, 208, 224, 268, 280, 288 Selbstreferenzialität, Selbstreflexivität  58, 73, 93, 98, 99, 120, 131 – 133, 137, 138, 140, 143, 200, 212 Selbstzeugnis  11, 20, 26 – 29, 31 – 36, 41, 44 – 47, 49, 50, 60, 62, 64, 66, 67, 74, 75, 102, 112, 193, 195 – 199, 201 – 203, 220, 236, 246, 266, 269 Selektion  123, 168, 173, 184 – 187, 190 Sexualität  35, 103, 114 Siegerliteratur  22, 232, 236 Struktur (eines Narrativs), traumatisch  75, 81, 94, 97, 99, 114, 121, 126 Symptome einer Traumatisierung bzw. posttraumatischen Belastungsstörung  34, 74, 81, 85, 87, 90, 103, 105, 106, 118, 122, 123, 125, 153, 156, 159, 166, 180, 183, 184, 186, 192, 205, 206, 208, 223 –– Amnesie  103, 124, 125, 142, 186 –– Dissoziation  83, 85, 101, 104, 125, 126, 182 –– Entfremdung  111, 191 –– Flashback(s)  75, 85, 103, 126, 169, 173, 182 – 184, 189, 190 –– Hypervigilanz  108, 126, 155, 156, 171, 180, 181, 192 –– Hysterie  83, 156, 160

–– Intrusion, intrusiv  46, 84, 85, 92, 98, 101, 103, 107, 121, 126, 155, 156, 186, 188 – 190 –– physiologische Reaktionen  185, 186 –– Schlüsselreiz, Reaktion auf –, Vermeidung von –  155, 174, 185, 187, 188, 193, 215 –– Schweigen  185 – 187, 215 –– Träume, Albträume  46, 85, 98, 103, 104, 107 – 109, 112, 126, 189, 190 –– Übererregung/ Konzentrationsschwierigkeiten  84, 177, 186 –– Übererregung/Schlafstörungen  84, 115, 156, 161 –– Unfähigkeit zu narrativieren  155 – 157, 168, 185 – 188, 193, 220 T Tabu  34, 61, 65, 66, 68, 73, 118, 123, 208, 213 – 215, 223, 234, 270, 294 Täterdiskurs  152 Täter(in), Täterschaft  26, 49, 50, 52, 55, 63, 75, 77, 90, 104, 105, 108, 111, 122, 125, 146, 156, 160, 168, 174, 183, 184, 187, 192, 195, 202, 207, 208, 220 – 223, 298 Transgenerationalität 79, 90, 110, 119 – 122, 124, 145, 147, 149, 206, 208, 218, 219, 224, 225, 292, 293 Trauma –– auslösende(s) Situation, Ereignis  11, 45, 55, 74, 75, 77, 80 – 87, 89 – 94, 96 – 98, 100 – 104, 107, 110, 112 – 114, 119, 120, 122 – 126, 137, 151 – 155, 157 – 160, 171, 180, 182, 184 – 187, 189, 191, 192, 205 – 208, 211, 212, 215, 217, 223 – 225, 285, 292 –– des Unbeteiligten, des Zuschauers  90, 110, 113, 115, 116, 118, 119, 122, 155 –– individuell  34, 49, 51, 77, 80, 85, 106, 114, 116, 133, 157, 161, 167, 185, 192, 205 – 208, 211, 212, 221, 229 – 232, 256 –– kollektiv  48, 49, 77, 80, 205 – 209, 213, 218 – 220, 222, 225, 228, 285, 291, 293 –– kulturell  24, 79, 80, 208, 284, 287 –– kumulativ  94, 97, 113 –– Leugnung  75, 202

Sachregister | 345

–– –– –– ––

Opfertrauma  90, 104, 181, 182, 192, 220 Reexternalisierung  86, 211, 212 sekundär  110, 210 Tätertrauma  90, 104 – 106, 109, 156, 184, 190, 192 Trauma-Prozess  68, 75, 84, 125, 154, 155, 159, 166, 182, 184, 188, 192, 193, 205 – 208, 221, 224 Trauma-Repräsentation  49, 69, 81, 85, 86, 89, 102, 105, 116, 123, 127, 163, 164, 213 U Überdeterminiertheit  185 Umsemantisierung  21, 22, 39 Unzuverlässigkeit  74, 101, 114, 120, 124, 133, 139, 147, 168 – 170, 175 – 177, 184, 185, 187, 188, 218 V Verdichtung  67 Verdrängung –– individuell  85, 94, 104, 114 – 116, 123 – 125, 133, 157, 215, 268 –– kollektiv  50, 53, 61, 70, 79, 83, 155, 220, 277, 302, 303 Vergangenheitsbild  59, 67, 124, 153 Vergangenheitsversion  14, 25, 55, 57, 59, 61, 67, 69 – 71, 96, 131, 140, 145, 175, 252, 296 Vergessen  33, 60, 63, 116, 122, 157, 214, 245, 276, 330, 331 Vergessensprozess  60, 61

W Wahrheit (z.B. historische, auch literarische), Wahrheitsanspruch  63, 74, 82, 105, 109, 112, 120, 124, 125, 129 – 131, 133, 138 – 140, 142 – 144, 147 – 149, 168, 205, 209, 216, 218, 219, 221, 222, 241, 262, 267, 272, 275, 281, 282, 287, 288, 298 Z Zeitdarstellung –– Anachronie  94, 99, 100, 114, 121, 126, 175, 185, 210 –– Analepse  91, 94, 99, 101, 114, 126, 155, 169, 173, 175, 180, 182, 187, 198 – 200 –– chronologisch (bezogen auf die (An-) Ordnung [einer Erzählung], die Reihenfolge [von Ereignissen])  30, 33, 94, 99, 101, 117, 123, 126, 146, 174, 190 –– Prolepse  92, 99, 114, 126 Zeitebene  91, 92, 113, 126, 152, 168, 169, 173, 174, 180, 184, 192, 197, 198, 200, 222, 273, 274, 300, 301, 303 Zeitpunkt des Erzählens  46, 152, 154, 168, 189, 214 Zeitwahrnehmung  84, 94, 126 Zeitzeugenbericht  11, 26 – 29, 32 – 35, 40, 44, 62, 74, 152, 203, 269 –– fiktional  133 – 135, 138, 140, 142, 143 –– literarisch  138 Zeugenschaft der Literatur  89, 129 Zuhörer(in), empathische(r)  26, 85, 86, 92, 98, 114, 125, 161, 167, 188, 192, 211, 214, 220

346 | Register

Personen, Orte, historische Begriffe A Adorno, Theodor  272, 282 Ägina  155, 163 Ägypten  40, 48, 305 Akropolis  305 Aktenverbrennung (von 1989)  24, 44, 63, 130 Albanien  252, 311 Alexandropoulos, Mitsos  251 Alexandrou, Aris  28, 29, 40, 48, 49, 75, 105, 125, 126, 130, 133, 134, 138, 163, 164, 166, 168, 188, 195, 200 – 202, 259 Alexiou, Elli  20 Anagnostakis, Manolis  258 Angeloulis, Antonis  17, 34, 37 Apostolidis, Renos  28, 38 Aragon, Louis  91 Argyriou, Alexandros  247, 260 – 262 Arkadien  209, 221, 269, 271 Athanasiou, Kyriakos  31, 46, 116 – 119 Athen  12 – 14, 24, 25, 37, 38, 47, 48, 52, 72, 78, 93, 94, 102, 104 – 107, 113, 138, 151, 153, 157, 163, 164, 172, 173, 183, 194, 198, 225, 229 – 231, 234, 237, 241, 242, 288, 305, 306, 308, 309, 311 Aubigné, Agrippa d’  11 Auschwitz  272, 306 Averof-Gefängnis  155, 163 Averof-Tositsas, Evangelos  227, 252 – 255, 261, 266 Axioti, Melpo  20, 37, 91 – 93, 126 B Bakolas, Nikos  112, 113, 126 Balzac, Honoré de  239 Benjamin, Walter  143 Beratis, Giannis  27 Berlin  122, 288 Berlin (Hauptstadt der DDR)  91, 110 Besatzung (bulgarische, deutsche, italienische), Besatzungszeit  12 – 15, 18, 23, 25, 37 – 40, 42, 46 – 48, 53, 64, 65, 72, 78, 90, 91, 93, 94, 96, 98, 105, 110 – 114, 121, 123, 129, 130, 133, 151, 153, 155, 157, 158, 163, 170 – 173, 192, 194,

199, 200, 203, 209, 218, 227, 229, 230, 232, 234 – 236, 238, 239, 241, 244, 247, 253, 255, 262, 269, 276, 279, 287, 296, 299, 305 – 308, 310 Böotien  116 Bossis, Kostas  34, 37 Boulkes  142, 145 Bukarest  228, 311 Bürgerkrieg, spanischer  12, 63, 80 C Cercas, Javier  292 Chatzis, Dimitris  13, 20, 26, 36 – 38, 43, 47, 72, 110, 126, 251 Chortiatis  308 Chruschtschow, Nikita  142, 246 Chrysi Avgi (politische Partei)  25 Churchill, Winston  308 D Davvetas, Nikos  31, 49, 73, 74, 78, 120 – 122, 124, 125, 132, 138 – 141, 145, 149, 193, 287 – 290, 292, 293, 301 Dezemberereignisse  12 – 15, 23, 36, 38, 47, 48, 78, 105, 138, 172, 198 – 200, 202 – 204, 214, 225, 237, 242, 253, 309 Dimitriadis, Dimitris  27, 37 Dissident  142, 145, 164, 201 Distomo  308 Dostojewski, Fjodor  164, 234, 240, 241, 256, 264 Douka, Dimitra  35 Douka, Maro  49, 294 Dresden  91 Drossou, Kaiti  164, 194 DSE (= Demokratische Armee Griechenlands)  15, 43, 44, 96, 110, 165, 168 – 171, 173, 200, 201, 310, 311 Dückers, Tanja  292

Personen, Orte, historische Begriffe | 347

E EAM (= Nationale Befreiungsfront)  14, 19, 20, 26, 32, 43, 64, 66, 78, 105, 110, 168, 195, 196, 201, 203, 209, 211, 230, 232, 233, 236, 247, 252 – 254, 281, 306 – 310 EDA (= Vereinte Demokratische Linke)  19, 228, 229, 236, 237, 246, 252 EDES (= Nationale Republikanische Griechische Liga)  14, 45, 65, 241, 242, 252, 306 – 308 Ehrenburg, Ilja  164 ELAS (= Griechische Volksbefreiungs­ armee)  14, 15, 18, 25, 43, 45, 46, 64, 65, 78, 168, 170, 195, 196, 202 – 204, 225, 236, 242, 270, 274, 306 – 311 Elefantis, Angelos  45, 221, 222, 267, 268, 274 – 276 Eluard, Paul  91 Enosis Kentrou (= Zentrumsunion)  39, 252 Epiros  48, 241, 242, 307, 311 Epitheorisi Technis  21, 237, 238, 245, 246, 248, 251, 257 – 259, 282, 284, 285 EPON ( Jugendorganisation des EAM)  230 ESΑS (Widerstandsorganisation)  231 Ethniki Politofylaki (= Nationale Bürgerwehr)  15, 23 Eurypides  144 Exekution, Hinrichtung  15, 37, 50, 77, 91, 92, 101, 106, 109, 123, 125, 155, 157, 172, 173, 182, 183, 189, 190, 192, 194, 201, 202, 204, 212, 214, 218, 225, 250, 274, 283, 307, 309, 310 Exil  14, 15, 19, 20, 24, 39, 41, 72, 77, 90, 110 – 112, 164, 195, 228, 251, 259 Exilregierung  12, 14, 37, 39, 78, 199, 308 F Faïs, Michel  132, 142, 144, 145, 147, 149, 246, 250, 259, 277 – 279, 285 Fallaci, Oriana  43 Felmy, Hellmuth  308 Frangias, Andreas  41, 122, 229 Frangopoulos, Theophilos  38, 227, 229, 231 – 233, 235, 236, 238 – 240, 249, 250, 260, 263, 266, 275, 279 – 281 Freud, Sigmund  82, 83, 104, 136, 160, 166, 272

Friederike von Hannover, Königin von Griechenland  310, 311 G Gage, Nicholas  43, 45, 48, 73, 227, 260, 266 – 268, 274 Galanaki, Rea  180 Georgiou, Vassos  27, 28 Gesetz 506/1969  64 Gesetz 509/1947  238 Gesetz 1285/1982  26, 43, 45, 50, 64, 195, 199, 202, 210, 270 Gesetz 1623/1951  23 Gesetz 1863/1989  12 Gesetz 2057/1952  23 Gestapo  172, 190 Gorgopotamos  45, 65, 306 Gorki, Maxim  164 Grammos  16, 38, 170, 171, 311 Granin, Daniil A.  246, 248 Grevena  47, 112 Griechisch-Italienischer Krieg (Winter 1940/41)  113, 196, 198, 200, 252, 305 Gritsi-Milliex, Tatiana  23, 94 – 96, 126 H Halbwachs, Maurice  56 – 58, 68, 132, 147 Hirsch, Marianne  87, 88, 291, 292 Holocaust, Deportation von Juden  23, 49, 83, 84, 88, 121, 165, 205, 288, 290, 306 I Illegalität  15, 23, 37, 91, 198, 228, 305, 311 Imvrioti, Rosa  20 Inhaftierung  20, 24, 37, 41, 44, 94, 96, 97, 155, 171, 200, 202 Ioannina  242 Ioannou, Giorgos  49 Istanbul  51 J Jugoslawien  311

348 | Register K Kafka, Franz  165, 166, 179 Kaisariani  182, 307 Kandanos  306 Kanellopoulos, Panagiotis  232, 233 Kantzas, Alexandros  34 Kapopoulos, Kostas  35, 46, 50 Kappos, Kostas  29 Karamanlis, Konstantinos  23, 41 Karatoula  214, 269 Kasdaglis, Nikos  38, 40, 227, 229, 231 – 233, 235, 238 – 240, 244, 247 – 249, 251, 260, 266, 275, 280, 281 Kastoria  165 Kastri  214, 217, 269 Kavafis, Konstantinos  22 Kavala  96 Kazantzakis, Nikos  48, 122 Kefalari  214, 215 Kepessis, Nikandros  29, 50, 75, 193, 195 – 204 Keratsini  196 Kifissia ( Jugendstrafanstalt)  97 Kilkis  308 KKE (= Kommunistische Partei Griechenlands)  14, 15, 19, 40, 91, 97, 110, 142, 157, 163, 168 – 170, 172, 175, 182, 192 – 194, 196, 199, 201, 203, 228, 229, 237, 238, 246, 251, 267, 305, 306, 309, 311 Klassenkampf  14, 18, 22, 37, 38 Kollaborateur, Kollaboration  13 – 15, 17, 18, 23, 25, 36 – 40, 42, 44, 47, 49, 65, 93, 105, 106, 111, 113, 115, 121, 133, 151, 157 – 159, 172, 190, 195, 199, 203, 209, 211, 222, 230 – 233, 235, 236, 238 – 240, 244, 250, 262, 269, 270, 278 – 280, 290, 294, 296, 298 – 300, 305 – 310 Korea  165 Korfu  242, 243 Kotzias, Alexandros  21, 38 – 43, 45, 78, 105 – 110, 151 – 153, 155 – 161, 227, 229 – 231, 233, 234, 236, 238 – 241, 249, 253 – 257, 260, 263 – 265, 267, 275, 280, 281 Kotzias, Kostas  105 Kouloufakos, Kostas  246, 258, 327 Koutifari-Frantzeskou, Argyroulla  41 Kreta  49, 305, 306 Kynouria  48

L Ladas, Christos  311 Lakonien  194 Lambrakis, Grigoris  39 Lampridis, Manolis  258 Larissa  40 Levisi  196 Lia  267, 268 Libyen  163 Litochoro  310 Lymberaki, Margarita  229 M Maltezos, Kitsos  230, 231, 263, 279 Markaris, Petros  32, 46, 51, 52, 79 Mastroleon-Zerva, Marigoula  35 Matessis, Pavlos  30, 46, 48, 50, 113 – 116, 124 – 126, 132 – 134, 136 – 139, 142, 145, 149 Meligalas  25, 46, 65, 308 Merkel, Angela  46 Merlin-Straße  94 Merten, Max  23, 38 Metapolitefsi  25, 34, 43, 45, 52, 220, 294 Metaxas, Ioannis  170, 172, 195, 200, 201, 230, 232, 305, 310 Milionis, Christophoros  48 Milliex, Roger  93 Missios, Chronis  29, 44, 45, 74, 96 – 101, 114, 124 – 126 Morrison, Toni  87, 159 Moskau  247 Myrivilis, Stratis  27 N Nero  214 Neruda, Pablo  91 Nikolaidou, Sofia  25, 46, 49, 233, 287, 288, 294, 295, 298 – 301 Nollas, Dimitris  294 Nora, Pierre  57 O Obristendiktatur  20, 24, 25, 34, 39 – 43, 52, 64, 79, 118, 129, 131, 164, 196, 203, 204, 210, 237, 259 – 262, 268, 270, 277, 280

Personen, Orte, historische Begriffe | 349

OKNE (= Bund kommunistischer Jugendbewegungen  196, 199, 230 Olympos (Gebirge)  311 OPLA (= Schutzorganisation der Kämpfer des Volkes)  194, 230, 231 Orthokosta (Kloster in Arkadien)  217, 269, 271 P Paidomazoma  103, 253, 260, 267, 311 Panagoulis, Alexandros  41, 43 Panselinos, Alexis  264, 295 Papadaki, Eleni  23 Papadimitriou, Ilias  29 Papadopoulos, Georgios  41 Papandreou, Andreas  25, 43, 52, 64, 65, 195, 202 Papandreou, Georgios  20, 37, 39, 252, 308 Paris  72, 91, 164, 252, 259 Partisanen, Rebellen  12, 15 – 17, 28, 34, 65, 73, 78, 93, 103, 110, 112, 117, 121, 122, 146, 161, 212 – 214, 220, 223, 306 – 308, 310, 311 PASOK (= Panhellenische Sozialistische Bewegung)  25, 43, 44, 52, 64, 210, 267, 270 Patatzis, Sotiris  40, 48, 123 Patrikios, Titos  42, 105, 263, 264, 271 PEAN (= Panhellenische Union der Kämpfenden Jugend)  233 Peloponnes  48, 65, 209, 274, 276, 307, 308 Petroula, Dimitra  29, 44, 45, 50, 100 – 102, 126 Petroulas, Sotiris  39 Philadelphia  225 Phokis  307 Pindos (Gebirge)  311 Pipiliangas, Chrysostomos  34, 40 Piräus  196, 237 Ploumitsa  194 Politopoulou, Marlena  32, 287 Polytechnikum, Athen (Studierendenaufstand am 17. November 1973)  41, 52, 151 Psarros, Dimitris  306, 307

R Raftopoulos, Dimitris (Mimis)  21, 22, 28, 39, 163 – 165, 170, 172, 175, 176, 221, 222, 228, 237 – 241, 244 – 251, 256 – 259, 266, 271, 272, 274 – 286 Rallis, Ioannis  307 Regierungstruppen  12, 15, 28, 33, 34, 121, 122, 169, 309 – 311 Repression, repressiv  19, 22, 26, 34, 39, 46, 63, 65, 91, 97, 98, 117, 137, 155, 156, 199, 212, 228, 257, 260, 280, 285 Reueerklärung  35, 97, 111, 121, 155, 156, 228, 237, 247, 311 Roufos, Rodis  21, 38, 40, 75, 227, 229 – 236, 238 – 245, 248 – 250, 254, 257, 260 – 262, 265, 275, 279 – 281 Roussos, Petros  27 Rumänien  311 RΑΝ (rechtsnationale Widerstands­ gruppe)  231 S Samouil, Georgios  33, 38 Sartre, Jean-Paul  239 Schubert, Fritz  308 Sebald, Winfried Georg  87 Sevastikoglou, Giorgos  20 Sicherheitsbataillon  25, 40, 42, 46, 50, 101, 105, 107, 119, 123, 133, 136, 151, 157, 199, 209, 210, 212, 214, 216, 222, 223, 231, 233, 240, 269, 270, 274, 276, 277, 279, 281, 307 – 310 Skassis, Thomas  31, 120 Skroumbelos, Thanasis  31, 102 – 104, 125 Sowjetunion  39, 311 Staatsschuldenkrise  25, 38, 52, 53, 79, 132, 287 – 289, 293, 297, 299, 302 Stalin, Josef  39, 142, 308, 311 Student, Karl  306 Stuttgart  111 Syntagma-Platz  22, 308 T Tachtsis, Kostas  72 Taschkent  72, 238, 311 Terror  14, 106, 158, 230, 255, 269, 281

350 | Register

–– roter Terror  14, 18, 50, 65, 73, 222, 223, 230, 267 –– weißer Terror  15, 18, 20, 105, 130, 195, 198, 213, 250, 278, 310 Theotokas, Giorgos  21 – 23, 28, 37, 40, 72, 73, 235 Thessalien  47 Thessaloniki  25, 49, 97, 112, 121, 288, 290, 291, 294 – 296, 306, 308 Trikala  40 Tripolis  270 Tsakiri, Sassa  28 Tsirkas, Stratis  39, 40, 48, 72, 258 Tsolakoglou, Georgios  305 Tsouderos, Emmanouil  305 Tsoukalas, Konstantinos  42 U USA (Vereinigte Staaten von Amerika)  81, 102, 153, 267 V Vafeiadis, Markos  310 Valtinos, Thanassis  28 – 30, 34, 43, 48, 50, 66, 73, 78, 138, 139, 158, 209 – 222, 224, 225, 227, 266, 268 – 273, 275, 276, 279, 286 Varkiza-Abkommen  15, 36, 123, 198, 242, 309, 310 Vasilikοs, Vassilis  257 Velouchiotis, Aris  309 Venezis, Ilias  27, 129, 134, 243 Verbannung  19, 20, 24, 44, 77, 228, 237, 238

Verbannungsinseln  35, 96, 196 –– Ai-Stratis  20, 97, 163, 237, 247, 285 –– Gyaros  163 –– Ikaria  170, 237, 285 –– Limnos  163 –– Makronissos  97, 121, 163, 228, 229, 237, 247, 260, 285, 311 –– Trikeri  20 Vercors  23 Verfolgung, politische  15, 24, 37, 41, 44, 97, 117, 155, 156, 198, 213, 214, 220, 237, 267, 284, 310 Verordnung 179/1969  40, 42, 203, 210 Vietnam  165 Vitsi (Gebirge)  311 Volos  40, 225 Voulgaris, Pantelis  35, 79 W Warschau  91 White, Hayden  57, 131 Y Yedi Koule  97 Z Zachariadis, Nikos  142, 165, 309 Zafeiropoulos, Dimitrios  34 Zei, Alki  20, 29, 30, 40, 72, 130 Zervas, Napoleon  252, 306, 307 Ziakas  47