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German Pages 362 [366] Year 2020
Chris Lasse Däbritz Topik, Fokus und Informationsstatus
Language, Context and Cognition
Herausgegeben von Anita Steube Editorial Board Kai Alter, Newcastle und Oxford Ulrike Demske, Potsdam Ljudmila Geist, Stuttgart Rosemarie Lühr, Berlin Thomas Pechmann, Saarbrücken Richard Wiese, Marburg
Band 17
Chris Lasse Däbritz
Topik, Fokus und Informationsstatus
Modellierung am Material nordwestsibirischer Sprachen
Diese Publikation wurde im Rahmen der gemeinsamen Forschungsförderung von Bund und Ländern im Akademienprogramm mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Freien und Hansestadt Hamburg erarbeitet. Koordiniert wird das Akademienprogramm von der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften.
ISBN 978-3-11-071483-8 e-ISBN (PDF) 978-3-11-071633-7 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-071643-6 ISSN 1866-8313 Library of Congress Control Number: 2020947378 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Danksagung Es versteht sich von selbst, dass eine derart große Arbeit wie die vorliegende Promotionsschrift nicht ohne die Hilfe anderer Institutionen und Menschen entstanden ist. Dennoch ist es nicht selbstverständlich, diese Hilfe zu bekommen, weshalb ich denjenigen, die zum Zustandekommen dieser Arbeit beigetragen haben, im Folgenden danken möchte. Ein großer Dank gebührt zunächst dem Akademieprojekt INEL (Grammatiken, Korpora und Sprachtechnologie für indigene nordeurasische Sprachen) für sowohl ideelle als auch materielle Förderung der Arbeit. Die vorliegende Publikation wurde im Rahmen der gemeinsamen Forschungsförderung von Bund und Ländern im Akademienprogramm mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Freien und Hansestadt Hamburg erarbeitet. Koordiniert wird das Akademienprogramm von der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften. Darüberhinaus übernahm die Akademie der Wissenschaften in Hamburg großzügigerweise den Druckkostenzuschuss für die vorliegende Arbeit. Schließlich möchte ich dem Verlag De Gruyter im Allgemeinen sowie Anita Steube im Speziellen für die Aufnahme des Titels in das Verlagsprogramm bzw. in die Reihe „Language, Context and Cognition“ danken. Ich hoffe, dass sich die Arbeit gut in die breit aufgestellte Reihe einfügen mag. Weiterhin möchte ich meinen beiden „Doktoreltern“, Beáta Wagner-Nagy und Uwe Junghanns, danken, dass sie sich auf mich und diese Arbeit eingelassen haben. Erstgenannter danke ich für die Einführung in die faszinierende Welt der sibirischen Sprachen, Unterstützung bei der Bearbeitung des Sprachmaterials sowie für scharfe Kommentare, nicht zu sehr zu theoretisieren, sondern die Sprachen im Blick zu behalten. Letztgenanntem danke ich für zahlreiche theoretisch relevante Diskussionen und Kommentare, ebenso für die Bereitschaft, sich in die Struktur zunächst unbekannter Sprachen einzuarbeiten, und schließlich für die nochmalige Durchsicht und Diskussion des Manuskripts. Beiden gebührt schließlich Dank für die Konsultationen zu dritt, die das Dissertationsprojekt jedes Mal deutlich vorangebracht haben. Darüberhinaus möchte ich Rogier Blokland und Susann Fischer danken, die ebenfalls im Promotionsverfahren involviert waren und viele weiterführende Hinweise lieferten. All denjenigen persönlich zu danken, die fachlich zum Abschluss der Arbeit beigetragen haben − sei es durch gute Ideen oder durch Kritik und Kommentare auf Konferenzen − würde den Rahmen dieses Abschnitts sprengen. Besonders danken möchte ich jedoch Olesya Khanina, die mir bei der Klärung einiger Details des Enzischen zur Seite stand, Eugénie Stapert, die meine Analyse des Dolganischen konstruktiv kritisch begutachtete und mit der ich weiterhin vier Wochen Feldforschung https://doi.org/10.1515/9783110716337-202
VI | Danksagung
in Dudinka durchführen durfte, sowie Florian Jark, der den Schreibprozess dieser Arbeit an unterschiedlichsten Stellen weiterbrachte. Zuletzt danke ich in diesem Kontext den Teilnehmern diverser Kolloquia, besonders − in alphabetischer Reihenfolge − Anja Behnke, Josefina Budzisch und Hannah Wegener, für zuweilen kritische, aber stets konstruktive Rückmeldungen und Kommentare. Die dieser Arbeit zugrundeliegenden Daten stammen teilweise aus veröffentlichten, teilweise jedoch auch aus nicht veröffentlichten Quellen. Die enzischen Daten wurden mir freundlicherweise von Olesya Khanina und Andrey Shluinsky zur Verfügung gestellt; die digital verarbeitbaren Quelldaten des Kazym- und Surgutchantischen stellte mir Zsófia Schön stellvertretend für das Projekt Ob-Ugric Database (OUDB) zur Verfügung. Für die Weiterverarbeitung der Daten und für die Zusammenstellung von fünf gleich strukturierten Korpora möchte ich Alexandre Arkhipov und Anne Ferger danken, Eure Hilfe und Unterstützung hat mir einiges an Arbeit abgenommen. An den beiden in der Arbeit enthaltenen Karten wirkten Anne Ferger und Daniel Jettka mit, ohne Euch sähen diese Karten nicht so aus, wie sie aussehen. Timm Lehmberg schließlich danke ich für alltäglichen Rat und Unterstützung bei der Händelung der Eigenheiten und Dynamiken der Akademia. Den Korrekturprozess dieser Arbeit begleiteten − wiederum in alphabetischer Reihenfolge − Josefina Budzisch, Jaspar Christiansen, Anton Hase, Florian Jark, Andrea Küster, Clemens Rickassel, Anika Weiland, Monika Westphal und Frederic Witt. Den inhaltlich Zuständigen Josefina und Florian danke ich für wertvolle und weiterführende Kommentare, die mich dazu gebracht haben, einige Stellen der Arbeit zu überarbeiten und abzurunden. Den Zuständigen für sprachliche Kohärenz, Tippfehler, Verweise und Beispiele danke ich für ihre unglaubliche Bereitschaft, sich in eine Arbeit einzulesen, die sicherlich auf Fachfremde eher abschreckend als einladend wirkt. Für Abwechslung und Zerstreuung danke ich diversen Laufstrecken rund um Alster, Elbe und Bille sowie dem Hamburger Amateurfußball und den Schiedsrichterkameraden, mit denen ich Woche für Woche Teil dieser eigenen kleinen Welt bin. Last but not least und nicht in Worte zu fassen ist die Dankbarkeit, die ich gegenüber meinen Freunden, meinen Eltern und meinem Partner empfinde. Egal, wo ich bin, egal, was ich mache, Ihr seid für mich da und haltet mir den Rücken frei, ertragt meine Launen und gestressten Phasen. Danke!
Inhaltsverzeichnis Danksagung | V Abkürzungsverzeichnis | XI Tabellenverzeichnis | XV Abbildungsverzeichnis | XVII
Teil I: Grundlagen 1
Einleitung und Problemstellung | 1
2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6
Sprachen | 8 Chantisch | 11 Enzisch | 14 Nganasanisch | 18 Dolganisch | 20 Ewenkisch | 23 Konvergenzen und Divergenzen | 27
3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5 3.2 3.3
Material und Methoden | 28 Korpusbeschreibung | 28 Chantisch | 30 Enzisch | 32 Nganasanisch | 33 Dolganisch | 33 Ewenkisch | 34 Methodik | 35 Transkription und Glossierung | 40
4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4
Forschung zu Informationsstruktur | 42 Theoretische Forschung | 42 Anfänge in der Antike | 42 19. Jahrhundert | 44 Prager Schule | 47 Generative Grammatik | 51
VIII | Inhaltsverzeichnis
4.1.5 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6
Zwischenfazit | 63 Bisherige Forschung zu Informationsstruktur in den Objektsprachen | 64 Allgemeines | 64 Chantisch | 69 Enzisch | 73 Nganasanisch | 75 Dolganisch | 77 Ewenkisch | 78
Teil II: Leipziger Modell zur Beschreibung von Informationsstruktur 5 5.1 5.2 5.3
Beschreibung und Herleitung des Leipziger Modells | 85 Grundgedanken und theoretischer Rahmen | 85 Topik-Kommentar-Gliederung (TKG) | 94 Fokus-Hintergrund-Gliederung (FHG) | 101
6 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.2 6.3
Weiterentwicklung des Leipziger Modells | 109 Ausgangspunkt und Grundüberlegungen | 109 Domäne des Leipziger Modells | 109 Thema-Rhema-Gliederung nach Molnár (1991) | 111 Thema-Rhema-Gliederung und Informationsstatus | 114 Informationsstatus im Leipziger Modell | 117 Leipziger Modell mit drei Ebenen | 119
Teil III: Begründung und weitere Modellierung des Leipziger Modells anhand der Objektsprachen 7 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6
Topikrealisierungen | 123 Wortstellung und Topikposition | 123 Topiks und Passivierung | 150 Kontrastive Topiks | 160 Abstrakte Topiks | 163 Externe Topiks | 166 [TOP] und TopP | 170
Inhaltsverzeichnis |
7.7 7.8 8 8.1 8.2 8.3 8.4
IX
Topikmarker | 172 Zusammenfassung | 175
8.5 8.6 8.7 8.8 8.9
Fokusrealisierungen | 177 Skopus von Fokus | 178 Wortstellung und Fokusposition | 179 Postverbales Hintergrundmaterial | 209 Maximaler Fokus und die Unterscheidung kategorisch vs. thetisch | 221 Kontrastfokus | 223 Verumfokus | 227 [FOC] und FocP | 233 Fokusmarker und Fokuspartikeln | 237 Zusammenfassung | 241
9 9.1 9.2 9.2.1 9.2.2 9.2.3 9.2.4 9.2.5 9.2.6 9.3 9.3.1 9.3.2 9.4
Informationsstatus | 244 Allgemeines | 244 Possessivsuffixe in nicht-possessiver Funktion | 248 Possessivsuffix der 3. Person Singular | 249 Possessivsuffix der 2. Person Singular | 255 Possessivsuffix der 1. Person Plural | 262 Demonstrativpronomina mit Possessivsuffixen | 263 Konvergenzen und Divergenzen | 266 Syntax von nicht-possessiv verwendeten Possessivsuffixen | 270 Objektive Konjugation | 272 Auftreten der objektiven Konjugation | 272 Syntax der objektiven Konjugation | 281 Zusammenfassung | 285
10
TKG und FHG vs. Informationsstatus | 287
Teil IV: Zusammenführung 11
Ergebnisse und abschließende Beschreibung des Leipziger Modells | 295
12
Zusammenfassung und Ausblick | 301
X | Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis | 303 Index | 315 Anhang 1: Transkription | 319 Anhang 2: Liste der Transkripte | 321
Abkürzungsverzeichnis Abkürzungen Abkürzung A accs act Adv AdvP AgrP AgrO P AgrS P A-P chan. chanOb. C-I CoP CP DelimP DO dolg. DOM DP DPFR dt. engl. enzT. enzW. ewk. FHG FinP FocP ForceP FUT GB giv GRAID inact INEL inf IO IP IPA
Bedeutung Adjektiv accessible active Adverb Adverbphrase Kongruenzphrase Objektkongruenzphrase Subjektkongruenzphrase Artikulatorisch-perzeptuelles Performanzsystem Chantisch Obdorsk-Dialekt des Chantischen Konzeptuell-intentionales Performanzsystem Koordinationsphrase complementizer phrase Delimitationsphrase Direktes Objekt Dolganisch Differentielle Objektmarkierung Determinansphrase Default-Prinzip der Fokusrealisierung Deutsch Englisch Tundraenzisch Waldenzisch Ewenkisch Fokus-Hintergrund-Gliederung Finitheitsphrase Fokusphrase force phrase Finnisch-Ugrische Transkription Government & Binding given Grammatical Relations and Animacy in Discourse inactive Grammatical Descriptions, Corpora und Language Technology for Indigenous Northern Eurasian Languages inferable Indirektes Objekt inflectional phrase International Phonetic Alphabet
https://doi.org/10.1515/9783110716337-204
XII | Abkürzungsverzeichnis
IS IST LF LM marW. MP N NegP ngan. NP NSLC OVS P PF PP pro russ. S sit SOV Spec SVO t TAME TDNT TKG TopP TP TRG türk. V VP VSO XML
Informationsstruktur Informationsstatus Logische Form Leipziger Modell Westmarisch (Bergmarisch) Minimalistisches Programm Nomen Negationsphrase Nganasanisch Nominalphrase Nganasan Spoken Language Corpus Wortstellung Objekt − Verb − Subjekt Präposition Phonetische Form Präpositionalphrase Kovertes Pronomen Russisch Subjekt situative Wortstellung Subjekt − Objekt − Verb Spezifikator Wortstellung Subjekt − Verb − Objekt Spur Tempus, Aspekt, Modus und Evidentialität Tajmyrskij Dom Narodnogo Tvorčestva (Haus der nationalen Kunst der Taimyrhalbinsel) Topik-Kommentar-Gliederung Topikphrase Tempusphrase Thema-Rhema-Gliederung Türkisch Verb Verbalphrase Wortstellung Verb − Subjekt − Objekt Extensible Markup Language
Glossierung Glosse 1 2 3 abl
Bedeutung 1. Person 2. Person 3. Person Ablativ
acc add ade adjz advz
Akkusativ additiv Adessiv Adjektivisierer Adverbisierer
Abkürzungsverzeichnis
affirm alien all aor appr att aud aug aux capt caus cf cng cnt comp cond cvb cvb.seq cvb.sim dat deadrel def desid dim distr drv dst du dur emph ep eval evid exc excl expl f foc frq fut gen hab ill imp inch indef ine
affirmativ alienabel Allativ Aorist Approximativ attenuativ Auditiv augmentativ Auxiliar Kaptativ Kausativ counterfactive Konnegativ kontinuativ Komparativ Konditional Konverb sequentielles Konverb simultanes Konverb Dativ dead relative definit Desiderativ Diminutiv distributiv Derivationssuffix (Prä)destinativ Dual durativ Emphase Epenthese evaluativ evidential exklusiv Exklamativ Expletivpronomen feminin Fokusmarker frequentativ Futur Genitiv Habitual Illativ Imperativ inchoativ indefinit Inessiv
inf infer ins inter intns ipfv iter lat latadv lim loc locadv m med nar neg neg.ex nfut nmnz npst
obj obl p part pass pej pfv ph pl poss prf pro prog prol propr prs pst pst.pf ptcl ptcp ptcp.ant ptcp.sim q r res
|
XIII
Infinitiv Inferential Instrumental Interrogativ Intensivierer imperfektiv iterativ Lativ adverbialer Lativ Limitativ Lokativ adverbialer Lokativ maskulin medial (Re)narrativ Negation negative Existentiale Nicht-Futur Nominalisierer nominal past (Derivationssuffix, das ehemals existierende Referenten markiert) objektive Konjugation oblique Person Partitiv Passiv pejorativ perfektiv Platzhalterelement Plural Possessivsuffix Perfekt Pronomen progressiv Prolativ propriativ Präsens Vergangenheit Plusquamperfekt Partikel Partizip Partizip der Vorzeitigkeit Partizip der Gleichzeitigkeit Fragepartikel russischer Codewechsel resultativ
XIV | Abkürzungsverzeichnis
rfl sel sg soc stat supp
reflexiv, reflexive Konjugation selektiv Singular Soziativ stativ Suppositiv
top tr trl vbz vn
Topikmarker Transitivierer Translativ Verbalisierer Verbalnomen
Tabellenverzeichnis Tab. 3.1 Tab. 3.2 Tab. 3.3
Chantische Transkripte | 31 Enzische Transkripte | 32 Ewenkische Transkripte | 34
Tab. 6.1
Informationsstatus | 116
Tab. 7.1
Overte und koverte Subjekttopiks | 130
Tab. 8.1 Tab. 8.2
Prä- und postverbaler minimaler Fokus | 181 Ditransitive Konstruktionen im Chantischen nach Nikolaeva (1999b) | 193
Tab. 9.1 Tab. 9.2 Tab. 9.3 Tab. 9.4 Tab. 9.5
Auftreten von poss3sg mit dem Informationsstatus given | 252 Auftreten von poss2sg mit dem Informationsstatus given | 258 Nicht-Possessiver Gebrauch von poss2sg und poss3sg | 269 Subjektive und objektive Konjugationssendungen im Chantischen | 272 Auftreten von Objekten mit der subjektiven und objektiven Konjugation | 276
Anh. − Tab. 1 Vokale | 319 Anh. − Tab. 2 Konsonanten | 319 Anh. − Tab. 3 Anh. − Tab. 4 Anh. − Tab. 5 Anh. − Tab. 6 Anh. − Tab. 7
Chantisch | 321 Enzisch | 328 Nganasanisch | 332 Dolganisch | 335 Ewenkisch | 337
https://doi.org/10.1515/9783110716337-205
Abbildungsverzeichnis Abb. 2.1
Geographische Verbreitung der Objektsprachen | 10
Abb. 3.1 Abb. 3.2 Abb. 3.3 Abb. 3.4 Abb. 3.5 Abb. 3.6
Beispieltranskript | 29 Geographische Herkunft der Transkripte | 30 Annotation semantischer Rollen und syntaktischer Funktionen | 37 Annotation von Informationsstatus | 38 Annotation von Informationsstruktur | 39 Konkordanzsuche in EXAKT | 40
Abb. 4.1 Abb. 4.2 Abb. 4.3 Abb. 4.4 Abb. 4.5 Abb. 4.6 Abb. 4.7 Abb. 4.8 Abb. 4.9 Abb. 4.10
Adverbiales Topik gemäß Chomsky (1965) | 53 Left Dislocations nach Gundel (1988) | 56 Tiefenstruktur eines Satzes ohne Left Dislocation nach Gundel (1988) | 57 Verbalphrase in Standardtheorie | 59 Verbalphrase in GB | 59 Funktionale Superstruktur des Satzes nach Rizzi (1997) | 61 Satzstruktur von (50a) nach Rizzi (1997) | 62 Satzstruktur von (50b) nach Rizzi (1997) | 62 Postponiertes (h)ələ nach Rudnickaja | 80 Präponiertes (h)ələ nach Rudnickaja | 80
Abb. 5.1 Abb. 5.2 Abb. 5.3 Abb. 5.4 Abb. 5.5 Abb. 5.6 Abb. 5.7 Abb. 5.8 Abb. 5.9 Abb. 5.10
Abb. 5.12 Abb. 5.13 Abb. 5.14 Abb. 5.15 Abb. 5.16
Modell der Grammatik | 87 Russische Verbalphrase (VP) | 88 Türkische Verbalphrase (VP) | 88 Syntax von Satz (85) gemäß Chomsky (1986) | 89 Subjektbewegung in Satz (85) gemäß Chomsky (1986) | 89 Merkmalsabgleich in Spezifikator-Kopf-Verhältnis | 90 Merkmalsabgleich in Kopf-Kopf-Verhältnis | 90 Satz (85) gemäß Pollock (1989) | 92 VP-shell-Analyse nach Larson (1988) (Satz (88)) | 93 Syntax eines internen, konkreten, overten, nicht-kontrastiven Topiks (Satz (90)) | 96 Syntax eines internen, konkreten, koverten, nicht-kontrastiven Topiks (Satz (92)) | 97 Syntax eines internen, abstrakten Topiks (Satz (93)) | 98 Syntax eines externen Topiks (Satz (95)) | 99 Rechtsperipherer minimaler Fokus (Satz (102b)) | 103 Linksbewegung von nicht-fokalem Material (Satz (104)) | 104 (Falsche) Syntax von TopP und FocP (Satz (102b)) | 105
Abb. 6.1
Syntax von Informationsstatus-Merkmalen | 118
Abb. 7.1 Abb. 7.2
Syntax von Beispiel (119) | 124 Syntax eines overten Subjekttopiks (Satz (124)) | 127
Abb. 5.11
https://doi.org/10.1515/9783116543211-206
XVIII | Abbildungsverzeichnis
Abb. 7.3 Abb. 7.4 Abb. 7.5 Abb. 7.6 Abb. 7.7 Abb. 7.8 Abb. 7.9 Abb. 7.10 Abb. 7.11 Abb. 7.12 Abb. 7.13 Abb. 7.14 Abb. 7.15 Abb. 7.16 Abb. 7.17 Abb. 8.1 Abb. 8.2 Abb. 8.3 Abb. 8.4 Abb. 8.5 Abb. 8.6 Abb. 8.7 Abb. 8.8 Abb. 8.9 Abb. 8.10 Abb. 8.11 Abb. 8.12 Abb. 8.13 Abb. 8.14 Abb. 8.15 Abb. 8.16 Abb. 8.17 Abb. 8.18 Abb. 8.19 Abb. 8.20 Abb. 8.21 Abb. 8.22
Syntax eines koverten Subjekttopiks (Satz (131)) | 131 Syntax eines overten Objekttopiks (Satz (136)) | 133 Syntax eines koverten Objekttopiks (Satz (140)) | 136 Syntax eines indirekten Objekttopiks (Satz (143)) | 137 Syntax eines adverbialen Topiks (Satz (148)) | 139 Syntax eines bewegten nicht-topikalen Subjekts (Satz 151)) | 141 Syntax eines internen Topiks mit vorangehender Konjunktion (Satz (154)) | 142 Syntax eines internen Topiks mit vorangehendem Satzadverbial (Satz (155)) | 144 Strukturposition eines internen, konkreten, nicht-kontrastiven Topiks (Satz (158)) | 145 Syntax einer enzischen DP mit Possessor und Possessum | 148 Syntax prädikativer Possesivität im Enzischen ohne Berücksichtigung der IS (Satz (163)) | 149 Syntax eines topikalen Possessors im Enzischen (Satz (164)) | 149 Syntax eines topikalen Subjekts im Passivsatz (Satz (169)) | 152 Syntax einer prädestinativen Konstruktion mit topikalem Benefizienten (Satz (174)) | 156 Syntax eines externen Topiks (Satz 199)) | 168 Fokusakzent | 177 Mögliche In-Situ-Realisierung eines unmittelbar präverbal fokussierten Objekts (Satz (231)) | 186 Basisgenerierte Syntax der Wortstellung S − DO − IO − V | 188 Basisgenerierte Syntax der Wortstellung S − IO − DO − V | 188 Mögliche In-Situ-Realisierung eines unmittelbar präverbal fokussierten Subjekts (Satz (235)) | 190 Mögliche In-Situ-Realisierung eines unmittelbar präverbal fokussierten Adverbials (Satz (236)) | 191 Mögliche In-Situ-Realisierung eines unmittelbar präverbal fokussierten indirekten Objekts (Satz (237)) | 192 Bewegung eines nicht-fokalen Subjekts (Satz (242)) | 199 Syntax eines Satzes mit minimal fokussiertem Verb (Satz (247)) | 202 Postverbaler Fokus deriviert aus SOV | 206 Postverbaler Fokus deriviert aus SVO | 206 Rechtswärtige Defokussierung − Kopie | 212 Rechtswärtige Defokussierung − Tilgung | 212 Rechtswärtige Defokussierung im Ewenkischen (Satz (264)) | 212 Flache Intonation von postverbalem Hintergrundmaterial (Satz (267)) | 213 Syntax von E nach Kılıçaslan (2004) | 215 Syntax von (268b) nach Kılıçaslan (2004) | 215 Syntax von (268b) | 215 Syntax von (268c) | 216 Postverbales Antezedens im Ewenkischen (Satz (271)) | 217 Syntax von (Satz (273a)) | 220 Syntax von (Satz (273b)) | 220
Abbildungsverzeichnis
|
Abb. 8.23 Abb. 8.24 Abb. 8.25
Verlauf der Grundfrequenz in einem thetischen Satz (Satz (274)) | 222 Prosodische Realisierung von Kontrastfokus (Satz (284)) | 226 Syntax von Fokus bei Annahme einer FocP (Satz (300)) | 234
Abb. 9.1 Abb. 9.2
Syntax nicht-possessiver Possessivsuffixe | 271 Syntax der objektiven Konjugation bei verb-adjazentem Objekt (Satz (391)) | 282 Syntax der objektiven Konjugation bei nicht verb-adjazentem Objekt (Satz (392)) | 283
Abb. 9.3
XIX
| Teil I: Grundlagen
1 Einleitung und Problemstellung Informationsstrukturierung, resultierend in der Informationsstruktur eines Satzes (auch: Funktionale Satzperspektive¹, information packaging) ist ein Themenkomplex, der in der aktuellen linguistischen Diskussion viel Beachtung findet und von vielerlei Seiten beschrieben wird. Um einer möglicherweise theoretisch schon vorgeprägten Abgrenzung dieses Begriffs vorzubeugen, sei hier induktiv mit einem Beispiel begonnen: (1)
Sogar an BLUmen² hatte er gedacht.
Der springende Punkt an diesem Satz ist, dass er einerseits den prosodischen und syntaktischen Regeln des Deutschen eigentlich widerspricht (Satzakzent im Vorfeld des Satzes, das direkte Objekt im Vorfeld des Satzes und das Subjekt im Mittelfeld des Satzes), dass er andererseits aber dennoch völlig grammatisch ist und darüber hinaus sogar einen bestimmten Kontext, in dem der Satz geäußert wurde, suggeriert. In eine ähnliche Richtung deuten folgende ungarische Beispiele³: (2)
a. János BEjár-t-a
a bicikli-jé-vel a János durchfahren-pst-3sg.obj def Fahrrad-poss3sg-ins def Börzsöny-t. Börzsöny-acc
‘János durchfuhr mit seinem Fahrrad das Börzsöny⁴.’ b. János a
BIcikli-jé-vel jár-t-a be a János def Fahrrad-poss3sg-ins fahren-pst-3sg.obj ptcl def Börzsöny-t. Börzsöny-acc
‘János durchfuhr das Börzsöny mit seinem FAHRrad.’ c. János a
BÖRzsöny-t jár-t-a be a János def Börzsöny-acc fahren-pst-3sg.obj ptcl def bicikli-jé-vel. Fahrrad-poss3sg-ins
‘János durchfuhr mit seinem Fahrrad das BÖRzsöny.’
1 Zur Orthographie: In feststehenden deutschen Begriffen, welche aus mehr als einem Wort bestehen, werden in dieser Arbeit alle Inhaltswörter groß geschrieben, z.B. Generative Syntax. 2 Majuskeln bezeichnen die intonatorische Akzentuierung (prosodische Prominenz) der Silbe. 3 Die Glossierung der Beispiele folgt weitestgehend den Leipzig Glossing Rules (2015); im Abkürzungsverzeichnis wird eine komplette Liste der verwendeten Glossen bereitgestellt. 4 Börzsöny ist der Name eines Gebirges in Nordungarn. https://doi.org/10.1515/9783110716337-001
2 | 1 Einleitung und Problemstellung
d. JÁnos jár-t-a
be a bicikli-jé-vel a János fahren-pst-3sg.obj ptcl def Fahrrad-poss3sg-ins def Börzsöny-t. Börzsöny-acc
‘JÁnos durchfuhr mit seinem Fahrrad das Börzsöny.’ (Ungarisch; UMN 2003: 17, eigene Glossierung)⁵ Es sticht nicht nur ins Auge, dass der eigentliche Inhalt des Satzes (die Proposition⁶) in allen vier Beispielen identisch ist, sondern mindestens ebenso, dass alle Sätze (2a) bis (2d) eine divergente Wortstellung aufweisen. Ebenso fällt auf, dass in den Sätzen (2b) bis (2d) etwas mit dem Verb geschieht: Das Präfix be- hat hier den Status eines Präfixes verloren und steht stattdessen als Partikel be hinter dem Verb. All dies lässt den Schluss zu, dass die drei Säulen der traditionellen Grammatik (Phonologie, Morphologie und Syntax) in ihrem klassischen Verständnis offenbar nicht ausreichen, um Sprache adäquat zu beschreiben. Die Sätze (2a) bis (2d) sind alle in bestimmten Kontexten pragmatisch angemessen und in bestimmten Kontexten pragmatisch unangemessen. Auf die Frage KI járta be a biciklijével a Börszönyt? ‘WER durchfuhr mit seinem Fahrrad das Börzsöny?’ beispielsweise ist Satz (2d) die einzig wirklich adäquate Antwort. Anders gesagt: Vier Sätze mit einer identischen Proposition sind nur in jeweils ganz bestimmten Kontexten adäquat. Daraus wiederum folgt, dass der Kontext eines Satzes für seine korrekte Realisierung (auf welcher Ebene, sei an dieser Stelle dahingestellt) offenbar von grundlegender Bedeutung ist. Knud Lambrecht (1994: 5) formuliert diesen Zusammenhang wie folgt: „The information structure of a sentence is the formal expression of the pragmatic structuring of a proposition in a discourse“. Die Proposition eines Satzes kann ihm zufolge in einem Diskurs pragmatisch strukturiert sein und Informationsstruktur ist der formale Ausdruck dieser pragmatischen Strukturierung. Angewandt bedeutet dies, dass die Informationsstruktur im Ungarischen dafür zuständig ist, Satz (2d) als adäquate Antwort auf die Frage KI járta be a biciklijével a Börszönyt? zu generieren und die Sätze (2a) bis (2c) als nicht adäquate Antworten folglich nicht zu generieren. Bevor jedoch Informationsstruktur im Allgemeinen und ihre sprachliche Realisierung im Einzelnen besprochen werden kann, muss auf einige Begrifflichkeiten und terminologische Probleme eingegangen werden. Der Begriff Informationsstruk-
5 Im Gegensatz zum Original wurde hier nur die akzentuierte Silbe mit Majuskeln gekennzeichnet, nicht die gesamte fokussierte Konstituente. 6 Proposition bezeichnet den Informationsgehalt eines Satzes, welcher einen Wahrheitswert hat, also falsifizierbar ist.
1 Einleitung und Problemstellung
| 3
tur (bzw. das englische Original information structure) wird zum ersten Mal 1967 von Michael Halliday gebraucht: Rather could it be said that the distribution of information specifies a distinct constituent structure on a different plane; this information structure is then mapped on to the constituent structure as specified in terms of sentences, clauses and so forth, neither determining the other. (Halliday 1967: 200, eigene Hervorhebung)
Informationsstruktur meint in der vorliegenden Arbeit also die Struktur der Repräsentation verschiedener Informationseinheiten im Satz. Der ähnliche und häufig synonym verwendete Begriff Informationsstrukturierung hingegen bezeichnet in der vorliegenden Arbeit den Prozess der Derivation der Informationsstruktur. Ein anderer Begriff, der in der Diskussion häufig vorkommt, ist information packaging, eingeführt von Wallace Chafe (1976: 28). Da dieser letztendlich dasselbe meint wie Informationsstruktur im oben beschriebenen Sinne, wird auf seine Verwendung in dieser Arbeit verzichtet. Schließlich wurde der Begriff Funktionale Satzperspektive genannt, dieser bezeichnet das oben umrissene Themenfeld in der Tradition der Prager Schule (z.B. Firbas (1992) und Sgall et al. (1973)), hierauf wird in Abschnitt 4.1.3 detailliert eingegangen. Innerhalb der Forschung zur Informationsstruktur hat sich eine terminologische Vielfalt herausgebildet, die von Musan (2010: 59) zurecht und eigentlich untertrieben als chaotisch bezeichnet wird. Über die Gründe der terminologischen Wirrheit auf diesem Gebiet der Linguistik zu spekulieren, ist sicher müßig, ebenso wenig kann hier eine erschöpfende Betrachtung der gesamten vorliegenden Terminologie erfolgen. Auf einige wenige Begriffe muss allerdings schon in der Einleitung eingegangen werden, um spätere Verwirrungen und begriffliche Verwechslungen zu vermeiden. Die oben eingeführten Begriffe Informationsstruktur und Informationsstrukturierung operieren auf Satzebene, während damit zusammenhängende Probleme und Phänomene häufig über die Satzebene hinausgehen und eher auf der Diskursebene anzusiedeln sind. Innerhalb eines Diskurses werden zwischen verschiedenen Sprechern in der einen oder anderen Weise Informationen ausgetauscht, wie das einleitende Beispiel (hier wiederholt als (3)) zeigt: (3)
Sogar an BLUmen hatte er gedacht.
Die grundlegende Mitteilung des Sprechers an seine(n) Hörer ist hier sicherlich, dass eine weitere Person an Blumen gedacht hat. Doch das ist nicht das einzige, was der Sprecher mit dieser Aussage mitteilen kann. Außerdem impliziert er nämlich, zumindest in einem entsprechenden Kontext, dass dies entgegen seinen Erwartungen geschehen ist. Ein völlig realistischer Dialog wäre der folgende:
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(4)
A: „Sogar an BLUmen hatte er gedacht.“ B: „Daran denkt er doch sonst NIE!“
Der Grund dafür, dass die Aussage von Sprecher A akzeptabel ist und dass die Antwort von Sprecher B eine derartige Akzentuierung trägt, liegt im Kontext dieser Aussagen, d.h. außerhalb ihrer Satzebene. Im Kontext dieser Aussagen verfügen sowohl Sprecher A als auch Sprecher B über bestimmtes Wissen. Hier ist davon auszugehen, dass beide wissen, dass die entsprechende Person selten an Blumen denkt. Da Sprecher A – aus welchen Gründen auch immer – davon ausgeht, dass Sprecher B über diese Information verfügt, entscheidet er sich, sie sprachlich nicht explizit zu kodieren, sondern sie vorauszusetzen. Andernfalls wäre seine Aussage in dieser Form pragmatisch unangemessen. Das geteilte Wissen der Sprecher in einem Kontext wird gemeinhin als Common Ground bezeichnet (Krifka & Musan 2012: 1), der Umgang eines Sprechers mit dem Common Ground (also z.B. die Überlegung, dass Sprecher B schon von der Vergesslichkeit der dritten Person weiß) als Common Ground Management (Krifka & Musan 2012: 4). Aus dem Kontext bzw. Diskurs leitet sich also die Form eines Satzes ab. Diese trivial klingende Aussage ist aber deshalb immens wichtig, da sie impliziert, dass Informationsstruktur bzw. Informationsstrukturierung hinsichtlich ihrer sprachlichen Realisierung satzintern sind, während ihre Motivation satzextern liegt. Dies wiederum impliziert nachdrucksvoll, dass Informationsstruktur auch Teil der Syntax eines Satzes ist (zur detaillierten Begründung siehe Abschnitt 5.1). Bisher ging es, grob gesprochen, um die Form und die Struktur von Sätzen in bestimmten Kontexten. Die Beispiele (5) und (6) zeigen noch eine andere zu berücksichtigende Facette: (5)
A: „Ich hatte heute einen Autounfall.“ B: „Oh nein! Ist dir etwas passiert?“ A: „Nein, es geht schon. Aber die Motorhaube ist ganz zerquetscht.“
(6)
A: „Ich hatte heute einen Autounfall.“ B: „Oh nein! Ist dir etwas passiert?“ A: # „Nein, es geht schon. Aber eine Motorhaube ist ganz zerquetscht.“
Während (5) einen normalen und realistischen Dialog darstellt, ist in (6) die Replik des Sprechers A pragmatisch nicht angemessen. Das kann nicht am Inhalt des Satzes (also der Proposition) liegen, da in beiden Fällen die Information darin besteht, dass eine Motorhaube zerquetscht ist. Ebenso wenig kann der Grund für die Inakzeptabilität des Satzes in (6) in seiner Syntax (im klassischen Verständnis) liegen, da die Syntax beider Sätze identisch ist. Der einzige Unterscheid zwischen den beiden Sätzen liegt darin, dass in (5) der definite Artikel die verwendet wird, in (6) hingegen der indefinite Artikel eine. Der Grund, dass der Gebrauch des
1 Einleitung und Problemstellung
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definiten Artikels in diesem Kontext die korrekte Variante ist, liegt – vereinfacht dargestellt – darin, dass die Motorhaube einem Auto zugeordnet werden kann, das vorher schon erwähnt wurde, und offenbar davon ausgegangen werden kann, dass Autos Motorhauben haben. Technischer gesprochen liegt der Grund für eine bestimmte Realisierung der sprachlichen Repräsentation eines Diskursreferenten also in seinem Status im Common Ground: Sprecher A kann davon ausgehen, dass Sprecher B zum einen sein Auto mittlerweile kennt (durch seine erste Aussage) und zum anderen weiß, dass Autos Motorhauben haben (durch Weltwissen). Der definite Artikel zeigt diesen Status offenbar an. In Analogie zum Begriff Informationsstruktur liegt es nahe, dieses Phänomen als Informationsstatus zu bezeichnen, wie es beispielsweise Nissim et al. (2004: 1023) und Götze et al. (2007: 150) tun. Während also Informationsstruktur die pragmatisch/diskursiv bedingte Struktur von Sätzen bezeichnet, bezeichnet Informationsstatus den pragmatisch/diskursiv bedingten Status eines Diskursreferenten. Sowohl Informationsstruktur als auch Informationsstatus haben, wie in den Beispielen gezeigt, direkten Einfluss auf die morphosyntaktische Form der sprachlichen Realisierung von Äußerungen. Das Ziel dieser Arbeit liegt vor allem darin, diesen Zusammenhang zwischen Diskurs und Satz bzw. Morphosyntax des Satzes zu begründen und seine Modellierbarkeit im Rahmen Generativer Syntax mit minimalistischer Ausprägung zu zeigen. Das verwendete Modell hierfür ist das sogenannte Leipziger Modell zur Beschreibung von Informationsstruktur (LM). Es wurde in den 1990er- und 2000er-Jahren in Leipzig und Göttingen federführend von Uwe Junghanns und Gerhild Zybatow vornehmlich zur Beschreibung der Informationsstruktur slavischer Sprachen entwickelt (vgl. Junghanns & Zybatow (2009)). Die Aufgabe dieser Arbeit besteht darin, die Anwendbarkeit des Modells für fünf nicht-slavische Sprachen Nordwestsibiriens (Chantisch, Enzisch, Nganasanisch (< Uralisch), Dolganisch (Turksprache) und Ewenkisch (< Tungusisch)) korpusbasiert zu überprüfen, das Modell gegebenenfalls zu modifizieren und um die Komponente Informationsstatus zu erweitern. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich – entsprechend dem syntaxzentrierten theoretischen Rahmen – auf die morphosyntaktische Realisierung von Informationsstruktur und Informationsstatus. Sicherlich sind intonatorische bzw. suprasegmentale Phänomene ebenso wichtig für die Realisierung von informationsstrukturellen Verhältnissen, doch liegt es außerhalb des Skopus dieser Arbeit, systematisch darauf einzugehen. Ebenso konzentriert sich die Arbeit hierbei auf Deklarativsätze, andere Satzmodi können nicht systematisch untersucht und beschrieben werden, wenngleich an geeigneten Stellen auf sie eingegangen wird. Dementsprechend kann und sollte diese Arbeit nicht als vollständige Beschreibung von Informationsstruktur und Informationsstatus in den gewählten Objektsprachen verstanden werden, sondern vor allem als Beitrag zum theoretischen Verständnis dieser Themenfelder.
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In den weiteren Kapiteln des Teils I werden die Grundlagen dieser Arbeit besprochen. In Kapitel 2 werden zunächst die Objektsprachen und ihre relevanten morphosyntaktischen Charakteristika beschrieben, in Kapitel 3 anschließend die verwendeten Korpora sowie die der Arbeit zugrundeliegende Methodik. Kapitel 4 gibt einen zunächst kursorischen Überblick über die Forschungsgeschichte zur Theorie von Informationsstruktur und Informationsstatus, welcher aufgrund der Vielfalt der Literatur nicht erschöpfend sein kann und naturgemäß bestimmte Akzente setzt. Wichtige Abschnitte sind hierbei vor allem diejenigen zur Prager Schule (4.1.3) sowie zu Government & Binding und zum Minimalismus (4.1.4.2). Anschließend folgt ein Überblick über die bisherige Forschung zu Informationsstruktur in den Objektsprachen. In Teil II wird das Leipziger Modell zur Beschreibung von Informationsstruktur vorgestellt und erläutert. Kapitel 5 widmet sich dabei ausführlich dem Leipziger Modell in seiner jetzigen Form, einerseits hinsichtlich seiner theoretischen Grundlagen (5.1), andererseits hinsichtlich der beiden angenommenen informationsstrukturellen Gliederungen des Satzes (5.2 und 5.3). Basierend sowohl auf theoretischen Überlegungen als auch Überlegungen hinsichtlich bestimmter morphosyntaktischer Phänomene der Objektsprachen widmet sich Kapitel 6 der Weiterentwicklung des Leipziger Modells. Dabei wird vor allem die bisherige Beschränkung des Leipziger Modells auf Informationsstruktur betrachtet (6.1), und es werden Ansätze zur Integration der Beschreibung von Informationsstatus entwickelt (6.2). In Abschnitt 6.3 schließlich wird das weiterentwickelte Leipziger Modell in hypothetischer Form zusammenfassend dargestellt. Teil III ist insofern als Kern der Arbeit zu betrachten, als er die Überlegungen in Teil II einer korpusbasierten Überprüfung durch sprachliche Daten unterzieht. Durch die Untersuchung einer hinreichend großen Menge an empirischen Sprachdaten sollen hier einerseits das zuvor entwickelte Modell begründet werden und andererseits einige morphosyntaktische Phänomene der Objektsprachen erklärt werden. Die Kapitel 7, 8 und 9 widmen sich dabei jeweils einer Ebene der Beschreibung im Rahmen des Leipziger Modells und betrachten hiermit verbundene objektsprachliche Phänomene. Kapitel 10 widmet sich nach empirischer Betrachtung nochmals der theoretischen Unterscheidung von Informationsstruktur und Informationsstatus. In Teil IV wird die Diskussion in Teil III zusammengeführt und eingeordnet. Kapitel 11 fasst dabei die Ergebnisse der Analyse in Teil III zusammen und liefert eine abschließende Beschreibung des modifizierten und weiterentwickelten Leipziger Modells. Kapitel 12 fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und weist ebenso auf weitere mögliche Forschungsfragen und verbleibende Desiderata hin. Zur besseren Nachvollziehbarkeit und Auffindbarkeit der verwendeten empirischen Daten folgen im Anhang eine Aufschlüsselung der verwendeten Tran-
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skription sowie eine vollständige Liste aller verwendeten Texte, welche − sofern vorhanden − auch bibliographische Angaben enthält.
2 Sprachen Wie in der Einleitung angesprochen handelt es sich bei den in dieser Arbeit untersuchten Objektsprachen um fünf Sprachen aus dem Sprachraum Nordwestsibirien: Chantisch (< Ob-Ugrisch < Finnougrisch < Uralisch), Enzisch und Nganasanisch (< Nordsamojedisch¹ < Samojedisch < Uralisch), Dolganisch (< nordsibirische Turksprachen < sibirische Turksprachen < Turksprachen) sowie Ewenkisch (< Nordtungusisch < Tungusisch). Auf den ersten Blick erscheint diese Zusammenstellung zufällig und unbegründet. Tatsächlich aber ist die Auswahl sowohl aus sprachtypologischen als auch aus methodologischen Gesichtspunkten sinnvoll. Der nordwestsibirische Sprachraum ist ein Areal, in welchem viele Sprachen unterschiedlicher Sprachfamilien koexistieren und miteinander in Kontakt stehen (vgl. z.B. Hajdú (1979), Helimski (2003)). Neben den Objektsprachen dieser Arbeit gehören zumindest das Nenzische (< Nordsamojedisch < Samojedisch < Uralisch), das Selkupische (< Südsamojedisch < Samojedisch < Uralisch), das Mansische (< Ob-Ugrisch < Finnougrisch < Uralisch) sowie das Ketische (< Jeniseiisch) zu diesem Areal. Sprachliche Konvergenzen dieser Sprachen lassen sich auf allen Ebenen des Sprachsystems finden, einschlägig sind u.a. (vgl. auch Helimski (1982: Kap. 3)): – tendenziell schwach ausgeprägte Stimmtonopposition der Plosive – Verlust von wortinitialem *s- (> t- in samojedischen Sprachen und im Mansischen; > t- ∼ ʌ- ∼ l- im Chantischen; > Ø- im Dolganischen; > š- im Sym-Dialekt des Südewenkischen und h- im Nordewenkischen) – agglutinierende Morphologie – viergliedriges Lokalkasussystem (Lativ, Lokativ, Ablativ, Prolativ; nicht im Nordchantischen wegen Reduktion des Kasussystems; Prolativ fehlt im Mansischen, Chantischen und Dolganischen) – nicht-possessiver Gebrauch von Possessivsuffixen (umstritten im Ewenkischen; nicht im Ketischen) – Homophonie von Kausativ- und Passivmarkern (nicht im Chantischen und Mansischen; nicht im Ketischen) – Vorhandensein einer objektiven Konjugation (nur in den uralischen Sprachen) – Inflektion von Nomina mit verbalen Person-Numerus-Suffixen – grundlegende Wortstellung SOV
1 Hinsichtlich der Binnenklassifikation der samojedischen Sprachen ist nicht abschließend beantwortet, ob es sich bei den nordsamojedischen Sprachen um eine genetische Einheit oder eher um eine areale Gruppierung handelt. Daher wird der Begriff Nordsamojedisch hier als Terminus technicus für eine wie auch immer geartete Zusammenfassung der Sprachen Nenzisch, Enzisch und Nganasanisch verwendet. https://doi.org/10.1515/9783110716337-002
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Wie in der Auflistung zu sehen ist, treffen nicht alle Charakteristika auf alle Sprachen zu, doch zeigen sich eindeutig mehr Konvergenzen als Divergenzen. Peripher ließen sich auch das Komi (< Permisch < Finnougrisch < Uralisch), das Sacha (Jakutisch) (< nordsibirische Turksprachen < sibirische Turksprachen < Turksprachen) sowie das Tschulymtürkische (< südsibirische Turksprachen < sibirische Turksprachen < Turksprachen) zu der obigen Liste von Sprachen hinzufügen, je nach enger oder weiter Auslegung des Arealbegriffs. Aus typologischer Sicht also repräsentieren die gewählten Sprachen einen Typ, der sich von den slavischen (und anderen indoeuropäischen) Sprachen deutlich unterscheidet – in allererster Linie zeichnen sie sich durch agglutinierende Morphologie und Kopffinalität mit der entsprechenden grundlegenden Wortstellung SOV aus (Comrie 1981: 71, 77; Comrie 1988: 459−460, 469)². Diese Konstellation ist deshalb wichtig, da zum einen das Leipziger Modell, welches primär zur Beschreibung der Informationsstruktur slavischer Sprachen entwickelt wurde, auf seine Anwendbarkeit auf andere Sprachen und Sprachfamilien getestet werden soll, und da zum anderen eine zu große typologische Variation innerhalb der Objektsprachen die Arbeit hätte zu umfangreich werden lassen. Aufgrund der notwendigen Beschränkungen hinsichtlich des Umfangs dieser Arbeit sowie methodologischer Kriterien wurden die fünf oben genannten Sprachen ausgewählt. Für alle diese Sprachen stehen in der einen oder anderen Weise durchsuchbare Korpora zur Verfügung (vgl. Abschnitt 3.1), sodass an einer relativ großen Datenmenge gearbeitet werden kann. Dies ist zum Beispiel für das Nenzische oder das Sacha (Jakutisch) nicht der Fall, weshalb die Untersuchung dieser sprecherreicheren und vermeintlich besser erforschten Sprachen erheblich komplizierter und zeitaufwendiger gewesen wäre. Weiterhin liegen in diesen Korpora hinreichend viele Audiodaten vor, sodass prosodische Aspekte zumindest stellenweise berücksichtigt werden können. Anschließende Arbeiten zu den anderen Sprachen des vorliegenden Areals liegen somit nahe und sind wünschenswert, angesichts unlängst veröffentlichter Korpora z.B. zum Selkupischen (INEL Selkup Corpus (Brykina et al. 2020), Selkup Language Corpus (Budzisch et al. 2019)) auch in ähnlicher Weise möglich.
2 Hier ist anzumerken, dass das Label SOV (sowie auch SVO) insofern inkonsistent ist, als es einerseits Ebenen der Sprachbeschreibung vermischt (Subjekt und Objekt als syntaktische Funktionen vs. Verb als Wortart) und andererseits neben Objekten auch andere Satzglieder wie Adverbiale gemeint sein können. Aufgrund der weiten Verbreitung dieser Label werden sie hier jedoch verwendet.
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Abb. 2.1: Geographische Verbreitung der Objektsprachen
Karte 2.1³ gibt einen Überblick über die geographische Verbreitung der Sprachen in Sibirien, in den folgenden Abschnitten wird genauer darauf eingegangen. Weiter sollen nun sowohl grundlegende Daten zu den Sprachen als auch ihre morphosyntaktischen Charakteristika skizziert werden. Zur Transkription und Glossierung objektsprachlicher Beispiele ist schon an dieser Stelle anzumerken, dass diese teilweise vereinheitlicht wurden. In Beispielen aus veröffentlichter Sekundärliteratur wird ggf. ein entsprechender Hinweis hierauf gegeben; in Beispielen aus den verwendeten Korpora folgt die Vereinheitlichung den in Abschnitt 3.3 umrissenen Prinzipien. Für Details der Transkription und Glossierung sei ferner auf den Anhang bzw. das Abkürzungsverzeichnis und die Leipzig Glossing Rules (2015) verwiesen.
3 Die im Hintergrund verwendete Karte stammt aus dem Projekt OpenStreetMap, vgl. https:// www.openstreetmap.de/, letzter Zugriff: 27.07.2020.
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2.1 Chantisch Gemäß der traditionellen und weitgehend akzeptierten Binnenklassifikation der uralischen Sprachen⁴ bildet das Chantische (veraltete Fremdbezeichnung: Ostjakisch) gemeinsam mit dem Mansischen (veraltete Fremdbezeichnung: Wogulisch) die ob-ugrische Gruppe des ugrischen Zweigs der finnougrischen Sprachen, welche wiederum mit den samojedischen Sprachen die uralische Sprachfamilie bilden (Hajdú & Domokos 1987: 24; Kulonen 2002: 108). Im letzten russischen Zensus bezeichneten sich 30943 Personen in der Russischen Föderation als Chanten (VPN 2010a), 9584 Personen gaben an, Chantisch zu sprechen (VPN 2010b). Das Siedlungsgebiet der Chanten erstreckt sich über ein weites Gebiet entlang des Flusses Ob⁵ und seiner Zuflüsse von Salechard am Ob-Busen im hohen Norden bis hin in die westliche Provinz von Tomsk im Süden Sibiriens. Der Zerstreutheit seines Territoriums Rechnung tragend ist das Chantische dialektal sehr ausdifferenziert, gemeinhin werden drei Dialektgruppen (Nord, Süd und Ost) mit einer weiteren Gliederung unterschieden (Honti 1988: 172). Angesichts dieser sprachlichen Heterogenität könnte im Prinzip auch von mehreren chantischen Sprachen gesprochen werden, wie es beispielsweise im Falle des Samischen (< Finnougrisch < Uralisch; vgl. Sammallahti (1998: 43)) heutzutage weitestgehend üblich ist. Der Einheitlichkeit halber und da die Unterscheidung von Sprache und Dialekt für die vorliegende Arbeit eher nachrangig ist, spreche ich jedoch auch im Folgenden von chantischen Dialekten und nicht von chantischen Sprachen. Das in der vorliegenden Arbeit untersuchte Sprachmaterial stammt teils aus der nördlichen (Dialekte von Obdorsk, Kazym und Šerkaly), teils aus der östlichen (Dialekt von Surgut) Dialektgruppe (vgl. Abschnitt 3.1), weshalb sich die folgende typologische Beschreibung auf die entsprechenden Dialekte konzentriert. Das Chantische zeichnet sich durch eine ausgeprägt konsequent agglutinierende Morphologie aus, fusionale Elemente finden sich kaum. Nomina flektieren im Chantischen nach Numerus, Possession und Kasus (Honti 1988: 179−181). Das Chantische kennt drei Numeri (Singular, Dual, Plural), welche in der possessiven Deklination den Numerus sowohl des Possessors als auch des Possessums ausdrücken können, vgl. chanOb. χot-em ‘Haus-poss1sg’ = ‘mein Haus’ vs. χot-ŋil-am ‘Haus-du-poss1sg’ ‘meine beiden Häuser’ vs. χot-emən ‘Haus-poss1du’
4 Auf abweichende Vorschläge der Klassifikation wie etwa Kaisa Häkkinens (1984) Kammmodell oder Tapani Salminens (1999) Perlenmodell kann hier nicht eingegangen werden. 5 Zur Wiedergabe russischer Begriffe und Namen: Gibt es eine eingebürgerte Form und Schreibweise im Deutschen, wie z.B. St. Petersburg oder Bolschewik, werden diese Formen verwendet. Alle anderen Begriffe und Namen werden gemäß der gängigen slavistischen Konvention transliteriert, die weitestgehend ISO/R 9:1968 entspricht.
12 | 2 Sprachen
= ‘unser beider Haus’ etc. (Nikolaeva 1999b: 14)⁶. Possessivsuffixe werden nicht nur für die Markierung von Possession gebraucht, sondern im weitesten Sinne auch zum Ausdruck von Vorerwähntheit/Bekanntheit (Honti 1988: 194; Janda 2019: 135−137), in Abschnitt 9.2 wird detailliert darauf eingegangen. Die Anzahl an Kasus variiert stark nach Dialekt, wobei die Anzahl der Kasus von Norden nach Südosten stetig zunimmt: Die hier betrachteten Norddialekte kennen drei Kasus (Obdorsk: Nominativ, Lokativ-Lativ, Translativ; Kazym und Šerkaly: Nominativ, Lativ und Lokativ) (Honti 1984a: 60), der Surgut-Dialekt kennt neun Kasus (Nominativ, Lativ, Lokativ, Ablativ, Approximativ, Translativ, Instruktiv-Final, Komitativ-Instrumental, Abessiv) (Csepregi 2011b: 16). Auffällig in allen Systemen ist, dass außer dem Nominativ keine grammatischen Kasus vorliegen, sondern nur adverbiale Kasus, was im Laufe der Untersuchung eine nicht unbedeutende Rolle spielen wird. Verben flektieren im Chantischen nach Person, Numerus, Tempus, Modus und Genus Verbi. Die Anzahl und Ausprägung der Tempora variiert von Dialekt zu Dialekt, tendenziell nimmt der Umfang von Norden nach Südosten zu (Honti 1984a: 51). An synthetisch gebildeten Modi unterscheidet das Chantische durchgängig nur Indikativ und Imperativ (Honti 1984a: 47), mithilfe von Partikeln können in einigen Dialekten auch andere Modalitäten (Konditional, Konjunktiv, Optativ) ausgedrückt werden (Honti 1984a: 49−51). Ein für die uralischen Sprachen besonderer Zug, den das Chantische in dieser Form nur mit dem Mansischen und den nordsamojedischen Sprachen teilt, ist das Vorhandensein zweier inflektionaler Genera Verbi, nämlich Aktiv und Passiv (Honti 1984a: 52). Als Besonderheit des Passivs sowohl inneruralisch als auch allgemein-typologisch kann gelten, dass im Chantischen Konstituenten nahezu aller semantischer Rollen passiviert werden können (d.h. nicht nur ein Patiens bzw. Thema wie in den meisten indoeuropäischen Sprachen): (7)
Kul’-na joχət-s-a. Teufel-loc kommen-pst-pass.3sg ‘Ein Teufel kam zu ihm.’ (Nordchantisch, Obdorsk; Nikolaeva 1999b: 31)
Die passivierte Konstituente (nicht overt realisiert) trägt hier am ehesten die semantische Rolle Goal, wörtlich zu übersetzen wäre der Satz als ‘Er wurde vom Teufel gekommen’. Ein weiteres zu erwähnendes Charakteristikum der chantischen Verbalmorphologie ist das Vorhandensein zweier Konjugationsarten, in der traditionellen Finnougristik als subjektive und objektive Konjugation bezeichnet (Honti 1988: 185). Ihre Verwendung ist bis heute nicht endgültig geklärt, in vielen
6 Die Transkription ist an die hier verfolgten Standards (vgl. Abschnitt 3.3 und Anhang) angepasst.
2.1 Chantisch | 13
Arbeiten wird sie in Zusammenhang mit informationsstrukturellen Faktoren gebracht (vgl. Nikolaeva et al. (1993), Nikolaeva (2001)). Die Standardnegation erfolgt im Chantischen mit einer Partikel und der entsprechenden affirmativen Verbform, ist also symmetrisch (Wagner-Nagy 2011: 75−77). Schließend liegen einige – im uralischen Vergleich recht wenige – infinite Verbformen vor: Partizip Präsens und Präteritum sowie ein Gerundium und in einigen Dialekten ein Supinum (Honti 1988: 187−188)⁷. Die grundlegende Wortstellung im Chantischen ist SOV, d.h. das Subjekt steht satzinitial und das Prädikat satzfinal (Honti 1988: 191). Die Abfolge der Konstituenten zwischen Subjekt und Prädikat ist „frei“ bzw. hängt von informationsstrukturellen Faktoren ab (Nikolaeva 1999b: 38; vgl. Abschnitte 4.2.2, 7.1 und 8.2). Das Chantische ist eine Nominativ-Akkusativ-Sprache, d.h. Subjekte intransitiver und transitiver Sätze sind identisch markiert (Nominativ; zu Ausnahmen s.u.); nominale direkte Objekte stehen ebenfalls im Nominativ, pronominale direkte Objekte hingegen zeigen Akkusativformen (Honti 1988: 191−193). Indirekte Objekte sind entweder mit dem Lativ (oder einer lativischen Postposition) markiert oder sind unmarkiert, d.h. sie stehen im Nominativ; in letzterem Fall ist das direkte Objekt des Satzes mit dem Lokativ oder Instrumental (je nach Dialekt) markiert (Honti 1988: 193). Diese differentielle Objektmarkierung wird mit informationsstrukturellen Faktoren in Verbindung gebracht (Nikolaeva 1999b: 49−51; vgl. auch Virtanen (2011, 2015) für das Mansische), daher wird in den Abschnitten 4.2.2 und 8.2 explizit darauf eingegangen. In passivischen Sätzen steht das Subjekt (welches je nach Kontext die semantischen Rollen Patiens, Thema, Rezipient, Goal etc. haben kann) ebenfalls im Nominativ; wird das Agens overt ausgedrückt, so wird es mit dem Lokativ oder dem Instrumental markiert (Honti 1988: 192). Eine vielfach diskutierte und häufig als „Ergativität“ bezeichnete Besonderheit des Chantischen ist, dass in bestimmten Kontexten in aktivischen, transitiven Sätzen das Subjekt bzw. das Agens des Satzes mit dem Lokativ markiert sein kann (Honti 1988: 191−192). Zu diesen Konstruktionen ist allerdings zunächst anzumerken, dass sie sich weitestgehend auf die ostchantischen Dialekte beschränken (Csepregi 2011b: 17; Filchenko 2010a: 399−401), also kaum von einem gesamtchantischen Phänomen gesprochen werden kann. Weiterhin trifft der Begriff Ergativität hier insofern nicht zu, als Subjekte intransitiver Sätze und direkte Objekte transitiver Sätze (zumindest bei Pronomina) ja nach wie vor differentiell markiert sind. Filchenko (2010a: 400) schlägt daher den Begriff Locative Agent-Konstruktionen anstelle von Ergativität vor, der auch hier im Folgenden gebraucht wird. Diese Konstruktionen − hier illustriert durch das
7 In anderer Terminologie könnten letztere beide auch als Konverben bezeichnet werden.
14 | 2 Sprachen folgende ostchantische Beispiel⁸, ⁹ − werden im Laufe der Arbeit im Zusammenhang mit dem Passiv detaillierter besprochen (siehe Abschnitte 4.2.2 und 7.2). (8)
Qu-jali-nə aj nə cˇ upɨ-l-tə. Mann-dim-loc klein Frau küssen-prs-3sg.obj ‘Ein/Der junge Mann küsst eine/die junge Frau.’ (Ostchantisch; Filchenko 2010a: 400)
Insgesamt ist also zu konstatieren, dass die relativ komplexe Morphosyntax des Chantischen an vielen Stellen (Possessivsuffixe, Passiv, objektive Konjugation, Wortstellung, differentielle Objektmarkierung in ditransitiven Sätzen) offenbar untrennbar mit informationsstrukturellen Faktoren verbunden ist. Im Laufe dieser Arbeit soll das weiter herausgearbeitet und systematisch modelliert werden.
2.2 Enzisch Das Enzische (veraltete Fremdbezeichnung: Jenissej-Samojedisch) bildet gemeinsam mit dem Nenzischen und dem Nganasanischen die nordsamojedische Gruppe der samojedischen Sprachen, welche wiederum neben den finnougrischen Sprachen einen der beiden Hauptzweige der uralischen Sprachen darstellen (Janhunen 1998: 459). Das Enzische ist als moribund zu bezeichnen, im letzten russischen Zensus 2010 bezeichneten sich 227 Personen als Enzen (VPN 2010a), 43 Personen gaben an, Enzisch zu sprechen (VPN 2010b). Das Siedlungsgebiet der Enzen erstreckt(e) sich am rechten Ufer des Unterlaufs des Jenissej, Hauptsiedlungspunkte sind heute Potapovo, Dudinka und Voroncovo (Khanina et al. 2018: 110; Siegl 2013a: 30; Sorokina 2010: 7). Das Enzische gliedert sich in die Dialekte Tundraenzisch (Somatu ∼ Maddu) und Waldenzisch (Baj), wovon ersteres in Voroncovo und in der Tundra um Tuchard gesprochen wurde/wird, letzteres in Potapovo und Dudinka. Die dialektalen Unterschiede scheinen vor allem das Lexikon (u.a. Personalpronomina) und die Phonologie/Phonetik zu betreffen, während die Morphosyntax als identisch beschrieben wird (Sorokina 2010: 7−8; Tereščenko 1966: 456) – ob es sich so verhält, kann allerdings abschließend kaum beantwortet werden, da das Tundraenzische synchron so gut wie nicht beschrieben ist. Die folgenden Ausführungen basieren daher auf Arbeiten zum Waldenzischen
8 Filchenko definiert die Herkunft seiner Beispiele nicht näher. In der Einleitung gibt er an, dass die der Arbeit zugrundeliegenden Daten Narrativa aus den Dialekten Vasjugan, Alexandrovo, Vach und Jugan sind (Filchenko 2010a: 17). 9 Transkription, Glossierung und Übersetzung sind leicht modifiziert, letztere v.a. hinsichtlich der Definitheit beider Referenten.
2.2 Enzisch
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(Siegl 2013a, Sorokina 2010, Tereščenko 1966); ob die Angaben mutatis mutandis auf das Tundraenzische übertragen werden können, ist fraglich, mangels Daten können dazu hier keine weiteren Aussagen getroffen werden. Das Enzische weist eine agglutinierende Morphologie mit eindeutig fusionalen Zügen auf, was sich zum Beispiel im Pluralparadigma der Nomina zeigt (Siegl 2013a: 67). Das enzische Nomen kennt die Kategorien Numerus, Kasus, Possession und Prädestination (Siegl 2013a: 67; Tereščenko 1966: 442): Es werden drei Numeri (Singular, Dual, Plural) und sechs bis sieben Kasus (Nominativ, Genitiv, Akkusativ, Lativ, Lokativ, Ablativ, Prolativ) unterschieden, wobei Siegl (2013a: 148) letzteren als unproduktiv beschreibt. Im Dualparadigma haben nur Nominativ, Genitiv und Akkusativ synthetische Formen, die Lokalkasus werden mit postpositionalen Fügungen umschrieben (Siegl 2013a: 67). Weiterhin kennt das Enzische Possessivsuffixe, mit denen Person und Numerus des Possessors ausgedrückt werden (Siegl 2013a: 68−69). In Kombination mit Kasus- und Numerusflexion des Possessums entsteht ein Paradigma, das zumeist als possessive Deklination bezeichnet wird (Siegl 2013a: 124−125). Possessivsuffixe werden nicht ausschließlich possessiv gebraucht, sondern wie im Chantischen auch in Domänen, die von informationsstrukturellen Faktoren abhängen (Siegl 2013a: 70), in Abschnitt 9.2 wird dies im Detail behandelt. Schließlich kennt das Enzische – wie die anderen nordsamojedischen Sprachen auch – prädestinative Suffixe¹⁰, mit denen der Benefizient einer Handlung ausgedrückt werden kann (Siegl 2013a: 174). Diese können mit Kasussuffixen kombiniert werden, daher müssen sie als eigenständige nominale Kategorie analysiert werden. Beispiel (9) zeigt ihre Verwendung: (9)
Te-ðu-iʔ to. Rentier-dst-poss1sg kommen.aor.3sg ‘Ein Rentier ist für mich gekommen (und steht mir nun zur Verfügung).’ (Waldenzisch; Siegl 2013a: 174)
Nomina können im Enzischen auch verbal flektiert werden, diese fungieren dann als Prädikat des Satzes; dies ist nicht untypisch im arealen Kontext, wie auch die folgenden Beschreibungen zeigen werden.
10 Die prädestinativen Suffixe werden auch als benefaktive Suffixe (vgl. Siegl (2013a: 174, 378)) bezeichnet, auf Russisch entspricht ihnen der Terminus лично-предназначительный (суффикс) (vgl. Tereˇscˇ enko (1966: 442)).
16 | 2 Sprachen
(10)
Taðibi-ˇs. Schamane-3sg.pst ‘Er war Schamane.’ (Waldenzisch; Siegl 2013a: 335)
Das Verb zeigt im Enzischen eine sehr ausgeprägte Morphologie: Siegl (2013a: 75) nennt die TAME-Kategorien Tempus, Aspekt, Modus und Evidentialität als inflektionale Kategorien. Hinzu kommen offensichtlich Person und Numerus, über den Status von Aspekt (und Genus Verbi) kann sicherlich diskutiert werden. Tempus und Aspekt sind in allen samojedischen Sprachen miteinander verquickt (Janhunen 1998: 471−472), ebenso im Enzischen. Neben drei Vergangenheitstempora (general past, perfect und distant past) sowie den beiden futurischen Tempora (future und anteriority in the future) (Siegl 2013a: 262−266) kennt das Enzische eine in der Samojedologie traditionell als Aorist bezeichnete Form, die ihre temporale Bedeutung erst in Kombination mit dem inhärenten Aspekt des Verbstamms erhält (Siegl 2013a: 261−262). Imperfektive Verben erhalten hierbei eher eine präsentische Bedeutung (Beispiel (11)), perfektive Verben hingegen eher eine präteritale Bedeutung (Beispiel (12)): (11)
T¨aða kasa nˊ e-ða a¨ ku-n d’iri. jetzt Mann Kind-poss3sg hier-locadv leben.aor.3sg ‘Jetzt lebt sein Sohn hier.’ (Waldenzisch; Siegl 2013a: 261)¹¹
(12)
Nu obu d’ud’iɡun kasa-i sˇ iʔ ko˘o. so was Periode.gen Mann-poss1sg 1sgpro.acc finden.aor.3sg ‘So fand mein Mann mich nach einer Weile.’ (Waldenzisch; Siegl 2013a: 262)
Erwähnenswert, weil typologisch selten, ist noch, dass der Marker des general past am Ende der Verbform, d.h. nach den Personalendungen steht und nicht, wie zu erwarten wäre, vor den Personalendungen: (13)
Kudaxai mud’ a¨ a¨ -kuji-i b¨aða-ða-ˇs [...] vor.langer.Zeit 1sgpro Mutter-dim-poss1sg erzählen-3sg.obj-pst ‘Vor langer Zeit erzählte meine Mutter dies [...].’ (Waldenzisch; Siegl 2013a: 262)
Neben dem komplexen Tempus-Aspekt-System kennt das Enzische noch ein Dutzend Modi (Siegl 2013a: 278) sowie eine evidentiale Form, den Auditiv, welcher
11 Die Glossierung ist hier und im Folgenden an die hier verfolgten Richtlinien (vgl. Abschnitt 3.3 und das Abkürzungsverzeichnis) adaptiert.
2.2 Enzisch
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allerdings nicht auf rein auditive Wahrnehmung beschränkt ist, sondern auch andersartige Second-Hand-Information kodieren kann (Siegl 2013a: 300). Weiterhin kennt das Enzische ein Passiv, welches in seiner Form sicherlich derivational ist, da es z.B. in der Negation (s.u.) nicht am Negationsauxiliar ausgedrückt wird (Siegl 2013a: 409). In seiner Funktion ist es relevant für die vorliegende Arbeit, da ein Nicht-Agens somit in Subjektposition im Satz erscheinen kann, während das Agens mit dem Lativ markiert wird (Siegl 2013a: 409). Eine weitere relevante Erscheinung der enzischen Verbalmorphologie ist die Existenz dreier Konjugationstypen, die traditionell als subjektive, objektive und subjektiv-nicht-objektive oder reflexive Konjugationen bezeichnet werden (Tereščenko 1966: 449; Sorokina 2010: 308−314). Siegl (2013a: 247) weist allerdings wohl zurecht darauf hin, dass diese Bezeichnungen die Verhältnisse zu sehr vereinfachen. Der Gebrauch der Konjugationstypen, v.a. der objektiven Konjugation, wird im Laufe der Arbeit von Relevanz sein (Abschnitt 4.2.3 und 9.3), da dieser offenbar auch von informationsstrukturellen Faktoren abhängt (Khanina & Shluinsky 2015: 10). Die Standardnegation erfolgt im Enzischen durch ein Negationsauxiliar, an welchem die meisten inflektionalen Kategorien des Verbs realisiert werden, und eine Konnegativform des Hauptverbs. Es handelt sich also um eine asymmetrische Negation (Wagner-Nagy 2011: 83, 98). Schließlich kennt das Enzische einige infinite Verbformen: zwei Konverben, vier Partizipien sowie zwei weitere Verbalnomina, deren Funktionen sehr komplex sind (Siegl 2013a: 325−330). Die grundlegende Wortstellung im Enzischen ist strikt SOV (Siegl 2013a: 78), wenngleich Siegl (2013a: 370) angibt, dass alternative Wortstellungen aufgrund von informationsstrukturellen Faktoren möglich sind. Entsprechend wird dies im Laufe der Arbeit relevant sein. Das Enzische ist eine klassische NominativAkkusativ-Sprache: Subjekte stehen im Nominativ, direkte Objekte im Akkusativ, wobei letzterer häufig mit dem Nominativ zusammenfällt (Siegl 2013a: 148). In imperativischen Sätzen stehen direkte Objekte zumeist im Nominativ (Siegl 2013a: 151), inwiefern dies in nicht-imperativischen Sätzen möglich ist, ist als Desideratum der Forschung zu betrachten. Indirekte Objekte in ditransitiven Sätzen stehen im Lativ (Siegl 2013a: 160). Alles in allem also ist die Morphosyntax des Enzischen als sehr reichhaltig zu beschreiben; für die vorliegende Arbeit von Bedeutung sind vor allem der nicht-possessive Gebrauch von Possessivsuffixen, der Gebrauch der objektiven Konjugation, die Funktion und das Auftreten des Passivs sowie die Wortstellung.
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2.3 Nganasanisch Das Nganasanische (veraltete Fremdbezeichnung: Tawgy-Samojedisch) bildet zusammen mit dem Nenzischen und Enzischen die Gruppe der nordsamojedischen Sprachen, welche letztendlich einen Zweig der uralischen Sprachen darstellen. Im letzten russischen Zensus 2010 bezeichneten sich 862 Personen als Nganasanen (VPN 2010a), 125 Personen gaben an, Nganasanisch zu sprechen (VPN 2010b). Angesichts dieser Zahlen und der Tatsache, dass Nganasanisch vor allem in der älteren Generation gesprochen wird (Szeverényi & Wagner-Nagy 2011: 396), ist die Sprache ernsthaft gefährdet, wenngleich noch präsenter und mehr verwendet als das Enzische. Die Nganasanen leben vor allem in den beiden Dörfern Ust’-Avam und Voločanka auf der Taimyrhalbinsel im äußersten Norden Sibiriens, kleinere Gruppen leben weiterhin im Dorf Novaja sowie in der Bezirkshauptstadt Dudinka (Wagner-Nagy 2019: 2−3). Es lassen sich zwei Dialekte des Nganasanischen unterscheiden: Avam- und Vadeev-Nganasanisch. Ersteres wird eher im Westen der Taimyrhalbinsel gesprochen, letzteres eher im Osten. Die Unterschiede zwischen beiden Dialekten sind allerdings recht gering und liegen vor allem auf phonetischer und lexikalischer Ebene (Wagner-Nagy 2019: 14−15). Die Morphosyntax des Nganasanischen ähnelt der des Enzischen in weiten Zügen, weshalb im Folgenden vor allem auf Unterschiede eingegangen wird. Nicht zur Morphosyntax im engeren Sinne gehörend, aber typologisch auffällig und deshalb erwähnenswert ist der ausgeprägte Stufenwechsel des Nganasanischen: Abhängig von Silbenstruktur und Position im Wort verändern Konsonanten sowohl in Stämmen als auch in Suffixen ihre Gestalt (Wagner-Nagy 2019: 74−78). Bedingt durch den Stufenwechsel sowie durch weitere morphonologische Phänomene (Nunation, Assimilationen, Vokalharmonie) besitzen Suffixe im Nganasanischen zumeist eine hohe Anzahl an Allomorphen. Nomina flektieren im Nganasanischen wie auch im Enzischen nach Numerus, Kasus, Possession und Prädestination, ebenso können sie auch verbal flektiert werden. Es liegen drei Numeri (Singular, Dual, Plural) und acht Kasus (Nominativ, Genitiv, Akkusativ, Lativ, Lokativ, Elativ/Ablativ, Prolativ, Komitativ) vor (Wagner-Nagy 2019: 185, 188−190). Possessivsuffixe drücken Person und Numerus des Possessors aus, prädestinative Suffixe weisen auf den Benefizienten einer Handlung hin – ähnlich wie im Enzischen können die prädestinativen Suffixe nicht zum Kasusparadigma gezählt werden, da sie mit den drei grammatischen Kasus verbunden werden können (Wagner-Nagy 2019: 210−213). Possessivsuffixe können in nicht-possessiver Funktion gebraucht werden, vor allem die Possessivsuffixe der 2. und 3. Person Singular, in geringerem Ausmaß auch das der 1. Person Plural (Wagner-Nagy 2019: 209−210, 463−467). Das Verb weist im Nganasanischen im Prinzip dieselben Kategorien Tempus, Aspekt, Modus und Evidentialität auf wie im Enzischen, unterscheidet sich aber
2.3 Nganasanisch | 19
in der Ausprägung dieser. Tempus und Aspekt interagieren wiederum insofern, als imperfektive Verben im Aorist präsentische Bedeutung haben, perfektive Verben hingegen präteritale Bedeutung (Wagner-Nagy 2019: 234−235). Neben dem Aorist kennt das Nganasanische zwei Vergangenheitstempora sowie drei futurische Tempora (Wagner-Nagy 2019: 233). Im Gegensatz zum Enzischen zeigen im Nganasanischen alle Tempora die erwartete Suffixreihung Stamm – (Derivation) – Tempus/Modus – Person/Numerus (Wagner-Nagy 2019: 214). Die Kategorien Modus und Evidentialität sind eng verzahnt, neben zwölf Modi kennt das Nganasanische im Gegensatz zum Enzischen nicht nur einen Auditiv zum Ausdruck von Evidentialität, sondern auch einen Reportativ und einen Inferential (Wagner-Nagy 2019: 240, Kap. 6). Weiterhin kennt auch das Nganasanische ein derivationales Passiv, das ein Nicht-Agens in die Subjektposition hebt und das Agens entweder unausgedrückt lässt oder im Lativ stehen lässt (Wagner-Nagy 2019: 294−302). Schließlich liegen im Nganasanischen wie auch im Enzischen drei Konjugationstypen vor, die zumeist als subjektive, objektive und reflexiv-mediale Konjugationen bezeichnet werden (Wagner-Nagy 2019: 225−228). Es liegt nahe, den Gebrauch der unterschiedlichen Konjugationstypen (v.a. die objektive Konjugation) auch im Zusammenhang mit informationsstrukturellen Faktoren zu untersuchen, weshalb diese weiterhin von Bedeutung sein werden (Abschnitt 4.2.4 und 9.3). Die Standardnegation erfolgt im Nganasanischen ähnlich wie im Enzischen, d.h. asymmetrisch mit einem Negationsauxiliar und dem Hauptverb in einer Konnegativform. Interessanterweise liegen vier verschiedene, semantisch unterschiedliche Negationsauxiliare bzw. -verben vor (Wagner-Nagy 2011: 101). Das Nganasanische kennt eine Vielzahl an infiniten Verbformen, nämlich sechs Partizipien, drei Supina, zwei Infinitive sowie zwei Konverben (Wagner-Nagy 2019: 262−274). Die grundlegende Wortstellung des Nganasanischen ist erwartungsgemäß SOV, wenngleich diese bei weitem weniger stringent ist als im Enzischen und auch im Nenzischen (Wagner-Nagy 2019: 388−389, 455−459), es sind regelmäßig Fälle von SVO zu beobachten: (14)
Maʔ nən’d’i-tɨ n’enaˇci-ʔa anikaʔa turka-ʔa Zelt stehen-aor.3sg riesig-aug.gen groß.gen See-aug.gen bərə-nɨ. Ufer-locadv ‘Das Zelt steht am Ufer eines riesigen Sees.’ (Nganasanisch; Wagner-Nagy 2019: 455)
Ähnlich wie im Enzischen unterliegt die Wortstellung dem Einfluss informationsstruktureller Faktoren (Wagner-Nagy 2019: 388). Durch die Variation der Wortstellung SOV ∼ SVO ist dies hier wohl noch komplexer, da somit sowohl die unmittelbar präverbale als auch die postverbale Position von besonderem Interesse sind. Auf
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die Wortstellung im Nganasanischen wird entsprechend im Laufe der Arbeit (Abschnitte 4.2.4, 7.1 und 8.2) detailliert eingegangen. Auch das Nganasanische ist eine Nominativ-Akkusativ-Sprache, die Aktantenmarkierung erfolgt analog zum Enzischen (s.o.), mit dem Zusatz, dass indirekte Objekte (v.a. Rezipienten) nicht nur mit dem Lativ, sondern auch mit einer postpositionalen Konstruktion ausgedrückt werden können (Wagner-Nagy 2019: 364, 372−377, 394−395). Insgesamt also sind für die vorliegende Arbeit im Nganasanischen ähnliche Kategorien wie im Enzischen von Interesse (Wortstellung, Possessivsuffixe, Gebrauch der objektiven Konjugation, Passiv). Noch stärker als im Enzischen wird die Wortstellung im Zentrum der Betrachtung stehen, vor allem hinsichtlich der Variation der Wortstellung SOV ∼ SVO.
2.4 Dolganisch Das Dolganische bildet gemeinsam mit dem Sacha (Jakutisch) die nordsibirische Gruppe des sibirischen bzw. nordöstlichen Zweigs der Turksprachen (Johanson 1998: 83). Lange Zeit wurde das Dolganische als Dialekt des Sacha (Jakutisch) betrachtet, erst Ubrjatova (1985: 3) betrachtet das Dolganische als eigenständige Sprache, die sich auf der Basis des Sacha (Jakutisch) unter ewenkischem Substrateinfluss herausgebildet habe. Tatsächlich ließe sich aus rein linguistischen Kriterien durchaus argumentieren, dass sich das Dolganische nicht bedeutend genug vom Sacha (Jakutisch) unterscheide, um es als eigene Sprache zu klassifizieren. Aus soziolinguistischer Perspektive jedoch ist eine starke Identifikation der Dolganen mit ihrer Sprache zu erkennen (Artem’ev 2013a: 6)¹². Im letzten russischen Zensus bezeichneten sich 7885 Personen als Dolganen (VPN 2010a), 1054 Personen gaben an, Dolganisch zu sprechen (VPN 2010b). Den Sprecherzahlen entsprechend kann das Dolganische als weniger gefährdet als das Nganasanische und das Enzische beschrieben werden, ebenso ist die Sprache präsenter in der Bildung und in lokalen Medien als letztere beide. Dennoch ist auch das Dolganische insofern bedroht, als in allen offiziellen und administrativen Domänen nach wie vor das Russische dominiert und das Dolganische überwiegend – wenn überhaupt – Sprache der Familie ist (vgl. Siegl (2013b)). Das Gebiet, in welchem Dolganisch gesprochen wird, erstreckt sich quer über die Taimyrhalbinsel von Dudinka im Westen bis in die Dörfer Syndassko und Popigaj an der Grenze zur Autonomen
12 Eine detaillierte Diskussion des Für und Wider kann nicht erfolgen. Da die letztendliche Klassifikation des Dolganischen für die Sprachdaten selber keine Rolle spielt, wird hier nicht weiter darauf eingegangen.
2.4 Dolganisch |
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Republik Sacha/Jakutien (Artem’ev 2013a: 3−4). Syndassko und Popigaj sowie Novorybnoe können als fast rein dolganische Dörfer gelten¹³, in welchen auch im Alltag Dolganisch gesprochen wird (Stapert 2013: 17−18). Für das Dolganische werden meistens zwei Dialekte, Oberes oder Westdolganisch und Unteres oder Ostdolganisch, postuliert, wobei die Grenze der beiden Dialekte durch die Siedlung Chatanga läuft (Artem’ev 2013a: 9−10; Stachowski 1998: 126). Hinzu kommt die Varietät der Anabar-Dolganen, welche im Gebiet Anabar im Nordwesten Jakutiens gesprochen wird und welche als Übergangsvarietät zwischen dem Dolganischen und dem Sacha (Jakutisch) angesehen werden kann (Artem’ev 2013a: 10; Stapert 2013: 156). Letztere wird in dieser Arbeit nicht berücksichtigt (vgl. Abschnitt 3.1.4). Die Unterschiede zwischen den Dialekten sind wenig erforscht, tendenziell jedoch gering und am ehesten auf phonetischer und lexikalischer Ebene zu beobachten (Stapert 2013: 27). Die Morphosyntax des Dolganischen ist sehr komplex und als typisch für eine Turksprache zu bezeichnen. Vorherrschend bei der Formenbildung ist die Agglutination, in der Nominalmorphologie sind einige, wenngleich wenige fusionale Züge zu erkennen (Artem’ev 2013b: 5−6). Nicht im engen Sinne zur Morphosyntax gehörend, aber dennoch erwähnenswert ist die reiche Morphonologie mit einer sowohl palatal-velaren als auch labial-illabialen Vokalharmonie sowie vielen Konsonantenassimilationen an Morphemgrenzen (Artem’ev 2013a: 49−52, 58−61). Die Nominalmorphologie des Dolganischen kennt die Kategorien Numerus, Kasus und Possession, ferner können Nomina im Dolganischen – wie auch im Enzischen und Nganasanischen – verbal flektiert werden (Artem’ev 2013b: 20). Das Dolganische kennt zwei Numeri (Singular und Plural) und gemäß den meisten Beschreibungen acht Kasus (Nominativ, Akkusativ, Partitiv, Dativ-Lokativ¹⁴, Ablativ, Instrumental, Komitativ, Komparativ)¹⁵ (Artem’ev 2013b: 25, 50; Ubrjatova 1985: 111, 116−117). Weiterhin können in Possessivkonstruktionen mithilfe von Possessivsuffixen Person und Numerus des Possessors ausgedrückt werden. Entgegen dem agglutinierenden Prinzip sind in der sogenannten possessiven Deklination Kasus- und Possessivsuffixe häufig untrennbar miteinander verschmolzen (Artem’ev 2013b: 51−52). Possessivsuffixe werden ferner in nicht-possessiver Funktion verwendet (vgl. Siegl (2015),
13 vgl. http://www.taimyr24.ru/MO/Hatanga/ACP/, letzter Zugriff: 18.04.2019. 14 Meistens wird der Dativ-Lokativ nur als Dativ bezeichnet – aufgrund seiner eindeutig auch lokativischen Funktionen wird er hier als Dativ-Lokativ bezeichnet. 15 Tatsächlich kann über den Status einiger Kasus diskutiert werden: Komitativ und Komparativ sind funktional sehr beschränkt; weiter könnte ein – mit dem Akkusativ formgleicher – Genitiv postuliert werden.
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Stachowski (2010)), hier wird das Toponym Ür¨uŋ Kaja mit dem Possessivsuffix der 2. Person Singular markiert: (15)
Ür¨uŋ Kaja-ŋ hir-e h¨urdeːk d’aːŋɨ hir. Ürüng.Kaja-poss2sg Ort-poss3sg sehr arm Erde ‘Die Gegend von Ürüng Kaja ist sehr kahles Land.’ (Dlg_ChSA_KuNS_2004_ReindeerHerding_conv.ChSA.055)¹⁶
Das Verb flektiert im Dolganischen nach Tempus und Modus, hinzu kommen erwartungsgemäß die Kategorien Person und Numerus, der Status von Aspekt und Evidentialität kann diskutiert werden (Artem’ev 2013b: 161). Es wird in unterschiedlichen Beschreibungen eine unterschiedliche Anzahl an Tempora genannt, Artem’ev (2013b: 201−206) geht von einem Präsens, fünf Vergangenheitstempora sowie zwei Futura aus; ob diese Formen reine Tempora sind, ist fraglich, vielmehr dürfte auch die Kategorie Aspekt eine große Rolle hierbei spielen (vgl. Däbritz (2017a)). Das Dolganische kennt eine recht große Anzahl an Modi, gemäß Artem’ev (2013b: 201) sind es acht, gemäß Ubrjatova (1985: 167−186) sind es neun – allerdings bedarf auch dieses Themengebiet weiterer Forschung, da zum Beispiel fraglich ist, ob der traditionell als solcher bezeichnete Modus Habitual (russ. наклонение обычно совершаемого действия) wirklich als Modus zu analysieren ist (vgl. Stapert (2013: Kap. 6)). Evidentialität kann im Dolganischen durch die Form ebit¹⁷ des Auxiliars e- ausgedrückt werden, wenngleich dies in den existierenden Beschreibungen der Sprache nicht erwähnt wird. Eine evidentiale Nuancierung kann an folgendem Beispiel verdeutlicht werden: (16)
[...] Itinne k¨ors-¨oːˇccˇ u¨ e-ti-lere e-bit. dort treffen-ptcp.hab aux-pst1-3pl aux-pst2.3sg ‘[Danach, als dorthin Geistliche und Priester kamen,] trafen sie sich offenbar dort.’ (Dlg_BeES_1997_HistoryOfKatyryk_nar.020)
Neben diesen Kategorien kennt das Verb im Dolganischen einige valenzverändernde Derivationssuffixe, u.a. ein Passiv (Artem’ev 2013b: 191−192) – ob letzteres für den Ausdruck informationsstruktureller Verhältnisse relevant ist, wird im Laufe der Arbeit besprochen (Abschnitt 7.2). Die Standardnegation im Dolganischen ist komplex, da sie je nach Tempus und Modus variieren kann – entweder tritt ein
16 Wenn Beispiele aus den Korpora, die mir zur Verfügung standen, gebraucht werden, nenne ich den Code des entsprechenden Transkripts – zur Aufschlüsselung siehe Abschnitt 3.1. 17 Ob ebit noch als finite Verbform (e-bit ‘aux-pst2.3sg’) oder schon grammatikalisiert als evidentiale Partikel zu analysieren ist, kann hier nicht diskutiert werden.
2.5 Ewenkisch |
23
Negationssuffix an die Verbform oder die negative Existentiale h⁀ uok (entspricht türk. yok) oder die Partikel ilik wird verwendet (Artem’ev 2013b: 162). Weiterhin kennt das Dolganische eine Reihe infiniter Verbformen, nämlich sechs Partizipien und fünf Konverben (Artem’ev 2013b: 172, 182). Letztere sind involviert bei der Bildung sogenannter aspektueller Konverbkonstruktionen, wobei eine Reihe an Verben als Auxiliare mit aspektuell-aktionsartähnlichen Bedeutungen auftreten, z.B. tur- ‘stehen’ mit einer durativen Nuance (vgl. Däbritz (2019)): (17)
Tojoː olus oduːl-uː tur-but d’aktat-tar-ɨ. Tojoo sehr betrachten-cvb.sim aux-pst2.3sg Frau-pl-acc ‘Tojoo schaute sich die Frauen lange sehr [genau] an.’ (Dlg_PoNA_19900810_TojooInVolochanka_nar.022)
Dolganisch ist eine kopffinale Sprache (Artem’ev et al. 2013: 39), entsprechend ist die grundlegende Wortstellung SOV, wenngleich Stapert (2013: 247) ein regelmäßiges Auftreten auch von SVO-Strukturen angibt. Die Wortstellung ist wie auch in den bisher betrachteten Sprachen wohl von informationsstrukturellen Faktoren bestimmt, was im Laufe der Arbeit näher besprochen wird (Abschnitte 7.1 und 8.2). Das Dolganische ist eine Nominativ-Akkusativ-Sprache, wobei hinsichtlich der Markierung direkter Objekte differentielle Objektmarkierung zu beobachten ist (Nominativ, Akkusativ und Partitiv) (Artem’ev 1999: 70). Für die vorliegende Arbeit sind damit vor allem folgende Aspekte der komplexen Morphosyntax des Dolganischen relevant: nicht-possessiver Gebrauch von Possessivsuffixen, ggf. Passiv sowie Wortstellung.
2.5 Ewenkisch Ewenkisch (veraltet auch Tungusisch oder Oročen) bildet mit einigen weiteren Sprachen (z.B. Ewenisch und Negidal) die nordtungusische Gruppe der tungusischen Sprachen (Nedjalkov 1997: xix). In der Russischen Föderation bezeichneten sich beim letzten Zensus 37843 Personen als Ewenken (VPN 2010a), 4802 Personen gaben an, Ewenkisch zu sprechen (VPN 2010b). Darüber hinaus leben einige Ewenken und Ewenkischsprecher im Nordosten Chinas und in der Mongolei (Bulatova & Grenoble 1999: 3; Nedjalkov 1997: xix); Nedjalkov (1997: xix) beziffert die Anzahl ersterer auf einige tausend. Das Sprechergebiet des Ewenkischen ist exorbitant groß, es reicht vom Jenissej in Zentralsibirien bis zum Pazifik sowie vom Eismeer bis in den Norden Chinas (Nedjalkov 1997: xix). Kompaktere Siedlungsgebiete finden sich entlang der Unteren Tunguska und der Steinigen Tunguska (beides rechte Nebenflüsse des Jenissej), in den Regionen Chabarovsk und Vladivostok sowie auf der Insel Sachalin (Nedjalkov 1997: xix−xx). Entsprechend
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des recht geringen Verhältnisses an Sprechern des Ewenkischen zu ethnischen Ewenken sowie der Größe des besiedelten Territoriums ist das Ewenkische als stark gefährdete Sprache zu bezeichnen. Je nach Region befindet sich das Ewenkische in ausgeprägten Sprachkontaktsituationen, einerseits mit dem Russischen als vorherrschender Sprache im öffentlichen Raum, andererseits aber auch mit lokalen Majoritätssprachen, z.B. dem Sacha (Jakutisch) und dem Burjatischen (Bulatova & Grenoble 1999: 3). Eine dialektale Gliederung des Ewenkischen lässt sich grob nach den kompakteren Siedlungsgebieten vornehmen: Die Dialekte der Ewenken an der Unteren Tunguska werden als Norddialekte bezeichnet, die Dialekte der Ewenken an der Steinigen Tunguska als Süddialekte und die Dialekte der Ewenken im Fernen Osten Russlands sowie in China als Ostdialekte (Konstantinova 1964: 4; Nedjalkov 1997: xix−xx). Einer mehr oder weniger verwendeten Standardsprache sowie den meisten Beschreibungen liegen die Dialekte an der Steinigen Tunguska, v.a. die Mundart von Poligus, zugrunde (Bulatova & Grenoble 1999: 3; Konstantinova 1964: 4; Nedjalkov 1997: xx), entsprechend bezieht sich auch der folgende typologische Abriss auf diese südliche Dialektgruppe. Gemäß der weiten geographischen Verteilung erwartbar lässt sich sagen, dass die Dialekte und Dialektgruppen divergent sind, vor allem hinsichtlich ihrer Phonologie/Phonetik und ihrer Lexik, aber teilweise auch hinsichtlich ihrer Morphologie (Bulatova & Grenoble 1999: 3; Nedjalkov 1997: xx). Verglichen beispielsweise mit dem Chantischen, welches eine ähnlich weite geographische Verbreitung zeigt, sind die dialektalen Unterscheide allerdings eher gering. Das Ewenkische kann als eine typisch agglutinierende Sprache angesehen werden, wenngleich sich einige wenige fusionale Züge zeigen, z.B. in der Pluralbildung (Bulatova & Grenoble 1999: 6). Nomina flektieren nach Kasus, Numerus und Possession (Bulatova & Grenoble 1999: 6). Hierbei werden zwei Numeri (Singular und Plural) und laut Bulatova & Grenoble (1999: 7) 13 Kasus unterschieden, wobei letzteres sowohl dialektal als auch von Beschreibung zu Beschreibung divergiert. Possession wird mittels Possessivsuffixen am Possessum ausgedrückt, hierbei wird zwischen veräußerbarem (alienabel) und nicht veräußerbarem (inalienabel) Besitz morphologisch unterschieden (Bulatova & Grenoble 1999: 13), was durch das folgende Minimalpaar gezeigt werden kann¹⁸: (18)
a. dil-iw
Kopf-poss1sg ‘mein eigener Kopf’
18 Die Transkription und die Glossierung ist hier und im Folgenden an die in dieser Arbeit verfolgten Standards angepasst.
2.5 Ewenkisch |
25
b. dil-iŋi-w
Kopf-alien-poss1sg ‘mein Kopf (z.B. eines erlegten Tiers)’ (Ewenkisch; Bulatova & Grenoble 1999: 14) Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass das Ewenkische bei Personalpronomina in der 1. Person Plural zwischen inklusiven und exklusiven Pronomina unterscheidet (Bulatova & Grenoble 1999: 21). Das Verb flektiert laut Bulatova & Grenoble (1999: 27) im Ewenkischen nach den Kategorien Tempus, Modus, Aspekt, Genus Verbi, Person und Numerus. Das Ewenkische kennt hierbei zwei Präsensformen, drei Futurformen sowie sechs Vergangenheitsformen, wobei einige periphrastisch sind (Bulatova & Grenoble 1999: 33). An Modi nennen Bulatova & Grenoble (1999: 33) fünf, ferner werden zwei Formen häufig unter der Kategorie Modus subsumiert, welche eher als Evidentiale zu klassifizieren sind (Bulatova & Grenoble 1999: 38−39). Wie bei den Personalpronomina wird auch in der Verbalflexion in der 1. Person Plural zwischen inklusiv und exklusiv unterschieden (Bulatova & Grenoble 1999: 33), vgl. die Formen oːraw ‘wir (exklusiv, d.h. ohne Hörer) machen’ vs. oːrap ‘wir (inklusiv, d.h. mit Hörer) machen’. Dass Aspekt eine inflektionale Kategorie ist, kann insofern bezweifelt werden, als mehrere Aspektsuffixe gleichzeitig an einen Verbstamm treten können, wie Bulatova & Grenoble (1999: 30) auch selbst angeben. Weiterhin kennt das Ewenkische einige derivationale valenzverändernde Suffixe, darunter ein Passiv, welches ein Nicht-Agens in Subjektposition hebt (Nedjalkov 1997: 217−218), vgl. folgendes Beispiel: (19)
Oron əwənku-l-du bira daɡa-du-n Rentier Ewenke-pl-dat/loc Fluss Rand-dat/loc-poss3sg baka-p-ˇca-n. finden-pass-pst-3sg ‘Das Rentier wurde von Ewenken am Fluss gefunden.’ (Ewenkisch; Nedjalkov 1997: 218)
Die Standardnegation ist im Ewenkischen asymmetrisch: Tempus, Person und Numerus werden am Negationsauxiliar ə- ausgedrückt, das Hauptverb mit Aspektund Modussuffixen steht in einer partizipialen Form (Bulatova & Grenoble 1999: 47).
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(20)
Atirkaːn ə-ˇci-n sukə-wə ɡa-muː-ra. alter.Mann neg.aux-aor-3sg Axt-acc nehmen-desid-ptcp.nfut ‘Der alte Mann wollte die Axt nicht nehmen.’ (Ewenkisch; Bulatova & Grenoble 1999: 47)
Weiterhin kennt das Ewenkische eine Reihe an infiniten Verbformen. Bulatova & Grenoble (1999: 40, 44) nennen elf Partizipien und 14 Konverben, deren Auftreten dialektal variiert. Das Ewenkische ist eine kopffinale Sprache mit der zu erwartenden Basiswortstellung SOV. Interessanterweise bemerken Bulatova & Grenoble (1999: 54), dass Lokal- und Temporaladverbiale zumeist satzinitial stehen – ob dies mit informationsstrukturellen Faktoren zusammenhängt, wird im Laufe der Arbeit diskutiert (Abschnitt 4.2.6 und 7.1). Folgendes Beispiel lässt dies vermuten: (21)
Annan-maː-n ɡirki-w kətə ɡuˇʒəji-pˇcu-l-wə Jahr-eval-poss3sg Freund-poss1sg viel schön-adjz-pl-acc n’əkəː-l-wə aja-t bultaː-ra-n. Zobel-pl-acc gut-advz jagen-aor-3sg ‘In diesem Jahr jagte mein Freund gut, viele schöne Zobel.’ (Ewenkisch; Bulatova & Grenoble 1999: 55)
Erstaunlicherweise geht Nedjalkov (1997: 129−130) – entgegen den typologisch motivierten Annahmen in Kim (1988) – davon aus, dass nicht die unmittelbar präverbale, sondern die satzinitiale Position für Emphase einer Konstituente (d.i. wohl als Fokusposition) gebraucht wird: (22)
Motə-wa waː-re-n bejumimni. Elch-acc töten-aor-3sg Jäger ‘Der Jäger tötete den ELCH.’ (Ewenkisch; Nedjalkov 1997: 129)
Offensichtlich widerspricht dies sowohl Kims typologischen als auch Bulatova & Grenobles sprachspezifischen Annahmen, weshalb im Laufe der Arbeit detailliert darauf eingegangen wird (Abschnitte 4.2.6 und 8.2). Schließlich nennt Nedjalkov (1997: 128) noch einige emphatische Partikeln, auf deren Status hinsichtlich der Informationsstruktur im Laufe der Arbeit eingegangen werden muss. Ein weiterer, hier zwar nebensächlicher, aber aus arealer Perspektive auffälliger Zug ist, dass Adjektive mit ihrem Bezugswort in Kasus und Numerus kongruieren können, vgl. die Phrase ɡuˇʒəji-pˇcu-l-wə n’əkəː-l-wə ‘schöne Zobel’ aus Beispiel (21) (Bulatova & Grenoble 1999: 57). Schließlich ist auch das Ewenkische eine Nominativ-AkkusativSprache, wobei direkte Objekte differentielle Objektmarkierung (Akkusativ vs. unbestimmter Akkusativ) zeigen, welche wohl eine rein semantische Motivation hat (Bulatova & Grenoble 1999: 8−9).
2.6 Konvergenzen und Divergenzen |
27
Alles in allem wird für die vorliegende Arbeit im Ewenkischen also vor allem der Zusammenhang von Wortstellung und Informationsstruktur sowie evtl. das Passiv und die Existenz von Fokuspartikeln relevant sein.
2.6 Konvergenzen und Divergenzen Die vorstehenden typologischen Skizzen der in der Arbeit behandelten Sprachen zeigen einige Konvergenzen und Divergenzen. In allen Sprachen sind Informationsstruktur bzw. Informationsstatus und die Morphosyntax offenbar eng verquickt. Alle Sprachen können grundlegend als kopffinale Sprachen mit der zugrundeliegenden Wortstellung SOV angesehen werden. Für das Nganasanische und das Dolganische (Variation der Wortstellung SOV ∼ SVO) sowie das Ewenkische (Variation der Wortstellung SOV ∼ SVO, darüber hinaus satzinitiale Fokusposition) sind diesbezüglich andere Beobachtungen gemacht worden, was im Laufe der Arbeit Gegenstand der Diskussion sein wird. Ebenso wird der Status der Passivbildungen an sich sowie der Zusammenhang von Passiv und Informationsstruktur in allen untersuchten Sprachen von Bedeutung sein. Schließlich nutzen einige untersuchte Sprachen (Chantisch, Enzisch, Nganasanisch und Dolganisch) morphologische Mittel (Possessivsuffixe und objektive Konjugation) zur Diskursstrukturierung. Alles in allem liegt also eine Reihe an morphosyntaktischen Phänomenen vor, welche im Laufe der Arbeit betrachtet und diskutiert werden. Es ist dennoch an dieser Stelle noch einmal darauf hinzuweisen, dass die Arbeit keine vollständige und detaillierte Analyse aller einzelsprachlichen Phänomene leisten kann, vielmehr sollen Möglichkeiten der theoretischen Modellierung von Informationsstruktur und Informationsstatus anhand eben dieser Phänomene aufgezeigt und dargestellt werden.
3 Material und Methoden Nachdem in Kapitel 2 die Objektsprachen dieser Arbeit zunächst aus soziolinguistischer und vor allem aus typologischer Perspektive beschrieben wurden, sollen in diesem Kapitel die verwendeten Sprachmaterialien vorgestellt werden. Um empirisch basierte und, wo nötig, statistisch fundierte Aussagen treffen zu können, besteht die Datengrundlage dieser Arbeit aus fünf elektronischen und durchsuchbaren Korpora, je eines zu jeder Sprache. Die Herkunft und Entstehung dieser Korpora werden in Abschnitt 3.1 erläutert. In Abschnitt 3.2 wird auf die der Arbeit zugrundeliegenden Methoden eingegangen, sowohl im Allgemeinen als auch vor allem konkret bei der Verarbeitung und Analyse der Korpusdaten. Abschnitt 3.3 schließlich widmet sich einigen Fragen der Transkription und Glossierung objektsprachlicher Beispiele.
3.1 Korpusbeschreibung Wie oben beschrieben liegt zu jeder der fünf Objektsprachen ein elektronisches und durchsuchbares Korpus vor. Alle Korpora liegen im XML-basierten EXMARaLDA-Format¹ vor: Hierzu gehören je ein segmentiertes (*.exs) und ein nicht segmentiertes Transkript (*.exb), ggf. sind vorhandene Audio- und/oder Videodateien verknüpft. Die Transkripte wurden mit dem EXMARaLDA-Partitur Editor² erstellt und bearbeitet (vgl. Abschnitt 3.2). Die Transkripte sowie zu den Texten gehörende Metadaten sind mit dem in EXMARaLDA implementierten Metadatenverwaltungsprogramm Coma³ organisiert. Jedes Transkript sowie alle zugehörigen Dateien tragen einen einheitlich strukturierten Namen in der Form Sprache_Dialekt_Sprecherkürzel_Jahr_Titel_Genre. Das Transkript Kha_Ka_TaMK_1964_MannAusDemKnieDerFrau_flk beispielsweise ist Chantisch (Kazym-Dialekt), die Sprecherin ist Marija Kuz’minična Tarlina (= TaMK), der Text wurde 1964 aufgenommen und ist dem Genre Folklore (= flk) zuzuordnen. Die Sprecherkürzel setzen sich aus den ersten beiden Buchstaben des Nachnamens (bzw. im nganasanischen Korpus aus dem ersten Buchstaben des Nachnamens), dem ersten Buchstaben des Vornamens sowie dem ersten Buchstaben des Patronyms zusammen. An Genres treten auf: Folklore (flk), Narrativ (nar), Konversation (conv). Um eine statistisch belastbare Datengrundlage zu schaffen,
1 vgl. http://exmaralda.org/de/, letzter Zugriff: 27.07.2020. 2 vgl. http://exmaralda.org/de/partitur-editor-de/, letzter Zugriff: 27.07.2020. 3 vgl. http://exmaralda.org/de/corpus-manager-de/, letzter Zugriff: 27.07.2020. https://doi.org/10.1515/9783110716337-003
3.1 Korpusbeschreibung | 29
wurde angestrebt, von jeder Sprache ca. 30 bis 50 Transkripte mit insgesamt ca. 2500 bis 5000 Äußerungseinheiten⁴ und ca. 20000 bis 25000 Wörtern/Tokens zusammenzustellen und zu bearbeiten. In jedem Transkript sind mindestens eine Glossierungsspur, eine Übersetzungsspur (beide je nach Korpus auf Deutsch, Englisch und/oder Russisch) sowie fünf Annotationsspuren enthalten, welche in Abschnitt 3.2 näher erläutert werden. Die folgende Grafik zeigt ein Beispiel eines Transkripts:
Abb. 3.1: Beispieltranskript
Die Herkunft und Besonderheiten der einzelnen Korpora werden nachfolgend näher beschrieben, im Anhang schließlich findet sich eine vollständige Liste der Transkripte mit Angaben zu ihrer Herkunft. Auch wenn hier nicht im Detail auf die geographische Herkunft einzelner Sprecher und Transkripte eingegangen werden kann, soll Karte3.2⁵ einen Überblick hierzu geben.
4 Der Begriff Äußerungseinheit ist bewusst vage gewählt, da es sich hier lediglich um die technische Beschreibung von Sequenzen mehrerer Wörter in den entsprechenden Korpora handelt. Je nach Korpus können diese Einheiten länger (Obdorsk-Chantisch, durchschnittlich 10 Wörter pro Äußerungseinheit) oder kürzer (Enzisch, durchschnittlich 4 Wörter pro Äußerungseinheit) sein. 5 Die im Hintergrund verwendete Karte stammt aus dem Projekt OpenStreetMap, vgl. https:// www.openstreetmap.de/, letzter Zugriff: 27.07.2020.
30 | 3 Material und Methoden
Abb. 3.2: Geographische Herkunft der Transkripte
3.1.1 Chantisch Das Korpus des Chantischen besteht aus vier Subkorpora zu vier Dialekten, letztere sind Surgut (Ostgruppe), Šerkaly, Kazym und Obdorsk (alle Nordgruppe). Insgesamt enthält das chantische Korpus 46 Transkripte mit 2802 Äußerungseinheiten und 22860 Tokens von 21 verschiedenen Sprechern. Es liegen Texte aus einem relativ breitem Spektrum an Dialekten vor, wenngleich Texte aus den östlichsten Dialekten (Vach und Vasjugan) sowie aus den Süddialekten fehlen. Der Grund hierfür liegt in der notwendigen Beschränkung im Rahmen einer theoretisch orientierten und vergleichend arbeitenden Arbeit: Da pro Sprache ca. 2500 bis 5000 Äußerungseinheiten untersucht und annotiert wurden, hätte die Ausweitung der chantischen Daten auf mehr Dialekte zwangsläufig zu einer jeweils kleineren Datenmenge der einzelnen Dialekte geführt, was wieder die Repräsentativität des Materials eingeschränkt hätte. Daher beschränkt sich diese Arbeit auf die Norddialekte sowie den Surgut-Dialekt als Vertreter der östlichen Dialektgruppe; auf die Vach- und Vasjugan-Dialekte wird an geeigneten Stellen ebenso eingegangen. Für (fast) alle Dialekte liegen sowohl Folklore- als auch Narrativtexte vor, lediglich für
3.1 Korpusbeschreibung
| 31
den Obdorsk-Dialekt liegen ausschließlich Folkloretexte vor. Tabelle 3.1 zeigt die dialektale Verteilung der Transkripte. Tab. 3.1: Chantische Transkripte Dialekt
Transkripte
Einheiten
Tokens
Sprecher
Kazym Obdorsk Šerkaly Surgut
14 7 11 14
765 632 722 683
5930 6367 5198 5365
6 2 1 12
Summe
46
2802
22860
21
Die Transkripte aus dem Obdorsk-Dialekt stammen aus der Sammlung Irina Nikolaevas, welche einerseits in Nikolaeva (1999c) („Ostyak texts in the Obdorsk dialect“) und andererseits online⁶, ⁷ im Rahmen des Projektes Endangered Languages and Cultures of Siberia (Nikolaeva et al. 2019) veröffentlicht sind. Online liegen die Texte glossiert und mit einer englischen Übersetzung versehen vor, sind allerdings nicht digital weiter zu verarbeiten, weshalb die Glossierung im vorliegenden Korpus sowie die deutsche Übersetzung meine eigene ist. Diese orientiert sich an der Vorlage Irina Nikolaevas, weicht an einigen Stellen aber ab: Wichtig für diese Arbeit ist vor allem, dass eine Reihe an Partikeln nicht mit foc für „Fokus(partikel)“, sondern mit ptcl für „Partikel“ glossiert wurden, um die Interpretation ihrer Funktionen offen zu halten. Die Transkripte aus dem Kazym- und dem Surgut-Dialekt stammen aus den Projekten Ob-Ugric languages: conceptual structures, lexicon, constructions, categories und Ob-Ugric database: analysed text corpora and dictionaries for less described Ob-Ugric dialects⁸, welche an der Ludwig-Maximilians-Universität in München koordiniert wurden. Die digital verarbeitbaren Quelldaten wurde mir freundlicherweise von Zsófia Schön zur Verfügung gestellt. Bei den Texten handelt es sich teilweise um unveröffentlichte Aufnahmen und Transkripte, teilweise auch um vorher bereits veröffentlichte Texte, vor allem in Rédei (1968) („Nordostjakische Texte (Kazym-Dialekt) mit Skizze der Grammatik“) und Csepregi (1998) bzw. Csepregi (2011b) („Szurguti osztják chrestomathia“). Die Glossierung wurde
6 Projekt: http://www.siberianlanguages.surrey.ac.uk/summary/, letzter Zugriff: 27.07.2020. 7 Texte: http://www.siberianlanguages.surrey.ac.uk/language/northern-khanty/?post_types=ava, letzter Zugriff: 27.07.2020. 8 http://www.babel.gwi.uni-muenchen.de/, letzter Zugriff: 27.07.2020.
32 | 3 Material und Methoden
weitestgehend übernommen, lediglich in den zitierten Beispielsätzen wurden einige Vereinheitlichungen vorgenommen. Die Transkripte aus dem Šerkaly-Dialekt stammen allesamt aus Steinitz (1950) („Ostjakische Grammatik und Chrestomathie: mit Wörterverzeichnis“). Die Texte wurden von mir selbst glossiert und ins Deutsche übersetzt.
3.1.2 Enzisch Das Korpus des Enzischen besteht aus zwei Subkorpora der beiden enzischen Dialekte, Waldenzisch und Tundraenzisch. Insgesamt enthält das enzische Korpus 52 Transkripte mit 5195 Äußerungseinheiten von 21 unterschiedlichen Sprechern. Tabelle 3.2 zeigt die dialektale Verteilung der Transkripte. Es liegt somit eine vergleichbare Anzahl an Texten für das Wald- und das Tundraenzische vor. Für beide Dialekte liegen sowohl Folklore- als auch Narrativtexte vor, wobei die Anzahl narrativer Texte leicht überwiegt. Tab. 3.2: Enzische Transkripte Dialekt
Transkripte
Einheiten
Tokens
Sprecher
Waldenzisch Tundraenzisch
25 27
2836 2359
12183 7771
14 7
Summe
52
5195
19954
21
Alle Texte stammen aus dem unveröffentlichen Enzischkorpus von Olesya Khanina und Andrey Shluinsky (Khanina & Shluinsky 2017), das mir von den Autoren freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde. Einige waldenzische Texte sind im Rahmen des Projektes Endangered Languages and Cultures of Siberia⁹ (Nikolaeva et al. 2019) online veröffentlicht. Die meisten Texte wurden von den Autoren des Korpus selbst sowie von einigen Mitarbeitern des Instituts für Sprachwissenschaft der Russischen Akademie der Wissenschaften gesammelt. Einige Texte wurden bereits in den 1990er-Jahren u.a. von Kazimiras Labanauskas gesammelt. Die Texte liegen transkribiert, glossiert und mit russischen, teilweise auch englischen Übersetzungen versehen vor. Die Glossierung wurde weitestgehend übernommen, in den
9 http://www.siberianlanguages.surrey.ac.uk/language/forest-enets/?post_types=avas, letzter Zugriff: 27.07.2020.
3.1 Korpusbeschreibung
| 33
zitierten Beispielsätzen wurden lediglich einige Vereinheitlichungen vorgenommen. Zu Fragen der Transkription siehe auch Abschnitt 3.3.
3.1.3 Nganasanisch Das Korpus des Nganasanischen enthält 32 Transkripte mit 2737 Äußerungseinheiten und 16899 Tokens von 18 verschiedenen Sprechern. Es liegen in ungefähr gleicher Anzahl Folklore- und Narrativtexte vor. Die Folkloretexte sind weiter in zwei Genres unterteilt, Djurimi und Sytabi. Ersteres erhält in der Textbezeichnung das Kürzel flkd, letzteres das Kürzel flks (Wagner-Nagy et al. 2018: 8). Für weitere Details zu den beiden Genres vgl. Kosterkina (1997). Alle Transkripte stammen aus dem veröffentlichten Nganasan Spoken Language Corpus (NSLC) (Brykina et al. 2018). Die enthaltenen Transkripte wurden von den Autoren des Korpus in den 1990er- und 2000er-Jahren selbst gesammelt, einige Texte stammen ferner aus Archivbeständen in Tomsk und wurden bereits in den 1970er-Jahren gesammelt. Einige Texte sind bereits vorveröffentlicht, z.B. in Filchenko (2012) oder Wagner-Nagy (2002). Die Texte liegen transkribiert, glossiert und mit englischen sowie teilweise russischen und deutschen Übersetzungen vor. Weiterhin wurden in den Transkripten bereits semantische Rollen, syntaktische Funktionen und Informationsstatus (vgl. Abschnitt 3.2) annotiert. Die Transkription und Glossierung wurde weitestgehend übernommen, lediglich bei der Glossierung in den zitierten Beispielen wurden einige Vereinheitlichungen vorgenommen.
3.1.4 Dolganisch Das Korpus des Dolganischen enthält 30 Transkripte mit 2993 Äußerungseinheiten und 20823 Tokens von 21 unterschiedlichen Sprechern. Die Transkripte stammen sowohl aus den Dörfern, wo Oberes Dolganisch gesprochen wird (z.B. Ust’-Avam und Voločanka), als auch aus Dörfern, wo Unteres Dolganisch gesprochen wird (z.B. Novorybnoe und Popigaj), Transkripte aus der Anabar-Varietät fehlen jedoch. Da, wie in Abschnitt 2.4 beschrieben wurde, die dialektalen Unterschiede im Dolganischen bedeutend geringer sind als im Enzischen, Chantischen oder Ewenkischen, wird in dieser Arbeit nicht zwischen Oberem und Unterem Dolganisch unterschieden. Schließlich liegen in ungefähr gleicher Anzahl Folklore- und Narrativtexte sowie Konversationen vor. Alle Texte stammen aus dem INEL Dolgan Corpus (Däbritz et al. 2019), das im Rahmen des Akademieprojektes Grammatiken, Korpora und Sprachtechnologie für nordeurasische Sprachen (INEL) an der Uni-
34 | 3 Material und Methoden
versität Hamburg entstand. Einige Texte sind im Band Fol’klor Dolgan (Efremov 2000) veröffentlicht, andere sind dem Projekt vom Haus der nationalen Kunst der Taimyrhalbinsel (TDNT; russ. Таймырский Дом Народного Творчества)¹⁰ zur Verfügung gestellt worden. Alle Texte sind transkribiert, glossiert und mit englischen, deutschen und russischen Übersetzungen versehen. Weiterhin wurden in den Transkripten im Rahmen des Projektes bereits semantische Rollen, syntaktische Funktionen, Informationsstatus und teilweise auch Informationsstruktur (vgl. Abschnitt 3.2) annotiert. Die Transkription und Glossierung wurde weitestgehend übernommen, lediglich bei der Glossierung in den zitierten Beispielen wurden einige Vereinheitlichungen vorgenommen.
3.1.5 Ewenkisch Das Korpus des Ewenkischen enthält insgesamt 42 Transkripte mit 2828 Äußerungseinheiten von insgesamt 27 verschiedenen Sprechern. Tabelle 3.3 zeigt die dialektale Verteilung der Transkripte: Tab. 3.3: Ewenkische Transkripte Dialekt
Transkripte
Einheiten
Tokens
Sprecher
Nordewenkisch Südewenkisch
29 13
2013 815
21516 8000
19 8
Summe
42
2828
29516
27
Für das Ewenkische liegen fast ausschließlich Narrativtexte vor, weiterhin ein Folkloretext und eine Konversation. Alle Texte stammen aus der ewenkischen Sammlung des Projektes Minor languages of Siberia¹¹ und sind sowohl auf der Seite des genannten Projektes als auch im Rahmen des Projektes LangueDOC¹² der Universität Moskau veröffentlicht. Die Texte wurden von den Projektmitarbeitern selbst in den 2000er-Jahren gesammelt. Die Texte liegen transkribiert und glossiert sowie mit einer russischen Übersetzung versehen vor. Die Glossierung wurde weitestgehend übernommen, zu Transkriptionsfragen siehe Abschnitt 3.3.
10 http://www.tdnt.org/, letzter Zugriff: 27.07.2020. 11 http://siberian-lang.srcc.msu.ru/ru/textspage?field_word_lang_tid%5B%5D=42&field_text""_ type_tid=All&field_term_place_tid=All&field_informant_nid=All, letzter Zugriff: 27.07.2020. 12 Projekt: http://www.philol.msu.ru/∼languedoc/eng/index.php, letzter Zugriff: 27.07.2020.
3.2 Methodik |
35
3.2 Methodik Wie aus der Einleitung in Kapitel 1 zu entnehmen ist, verfolgt diese Arbeit zweierlei Ziele: Einerseits soll das Leipziger Modell zur Beschreibung von Informationsstruktur auf theoretischer Ebene beschrieben und weiterentwickelt werden, andererseits sollen die Annahmen des Modells empirisch überprüft werden. Kapitel 5 und 6 in Teil II widmen sich vor allem dem ersten, Kapitel 7, 8 und 9 in Teil III dem zweiten Ziel. Der Arbeit liegt ein weitestgehend induktiver Ansatz zugrunde, was sie von vielen Arbeiten in der Generativen Syntax unterscheidet. Die Weiterentwicklung des Leipziger Modells − welches an sich ebenfalls auf einem induktiven Ansatz beruht − erfolgt nicht ex nihilo und auf der Basis rein theoretischer Überlegungen, sondern ist motiviert in der Beobachtung bestimmter einzelsprachlicher Phänomene. Die hieraus abgeleiteten Generalisierungen werden wiederum empirisch an einem im Rahmen dieser Arbeit zu bewältigenden Datenmaterial überprüft. Dies bietet offenkundig Vor- und Nachteile. Ein gravierendes Problem, mit dem allerdings alle Arbeiten dieser Art konfrontiert sind, ist das von David Hume aufgeworfene Induktionsproblem (Pfister 2011: 115−116): Zwar können mit einem induktiven Ansatz vorliegende Phänomene beschrieben und logisch sauber erklärt werden, doch kann daraus nie mit endgültiger Sicherheit auf (noch) nicht betrachtete oder unbekannte Phänomene in einem ausgewählten Wirklichkeitsausschnitt geschlossen werden (Tetens 2013: 74). Aus der empirischen Beobachtung, dass Nilpferde grau sind, kann nicht logisch korrekt geschlossen werden, dass alle Nilpferde immer grau sind. Auch dann nicht, wenn es gelingen sollte, alle heute lebenden Nilpferde zu beobachten und festzustellen, dass sie grau sind − es ist logisch nicht ausgeschlossen, dass ein Nilpferd ebenso grün oder rot sein könnte. Dies gilt auch in der Sprachwissenschaft, in welcher z.B. die Universalienforschung genau mit diesem Problem ringt: Auch wenn keine bekannte Sprache mit nur einem Vokal auskommt (Greenberg et al. 1966: xix), kann daraus eigentlich nicht ein Universal geschlossen werden, dass Sprachen generell nicht mit einem einzigen Vokal auskommen (können). Es kann nicht im Skopus dieser Arbeit liegen, aus erkenntnistheoretischer Perspektive das Induktionsproblem in der Linguistik zu diskutieren, zumindest aber soll mit diesen kurzen Ausführungen darauf hingewiesen werden. Dem Induktionsproblem gegenüber steht der Vorteil, dass ein induktiver Ansatz in der Lage ist, empirische Realitäten durchweg korrekt abzubilden, ohne dass dies ein methodisches Problem für die Theoriebildung wäre; Ausgangspunkt aller Überlegungen sind nämlich ohnehin diese empirischen Realitäten, die mithin nicht übersehen werden können. Ein deduktiver Ansatz hingegen basiert vor allem auf Schlussprinzipien und lässt theoretische Annahmen durch Empirie bestätigen (Pfister 2011: 115). Das ist ein legitimes Verfahren und führt häufig zu guten und kor-
36 | 3 Material und Methoden
rekten Ergebnissen, birgt aber auch Tücken. Aus dem Prämissenpaar Alle Nilpferde sind grau und Dieses Tier ist ein Nilpferd folgt logisch korrekt Dieses Tier ist grau, aus dem Prämissenpaar Alle Nilpferde sind grün und Dieses Tier ist ein Nilpferd hingegen folgt logisch korrekt Dieses Tier ist grün. Beide Schlüsse sind logisch korrekt, es können aber nicht beide wahr sein, da sie sich widersprechen. Da der Schluss an sich nicht falsch ist, muss eine Prämisse in dem Konstrukt falsch sein. Nun fällt es in diesem Beispiel leicht, herauszufinden und überzeugend zu argumentieren, dass die Prämisse Alle Nilpferde sind grün wohl falsch ist. Theoretisch wäre jedoch auch möglich, in jenem Prämissenpaar die zweite Prämisse in Frage zu stellen und zu argumentieren, es handele sich um ein Nashorn, weshalb die erste Prämisse unberührt gültig sein könne. Damit wäre der Schluss „gerettet“, der Realität jedoch kaum näher gekommen. In komplexeren Fragen kann es also recht leicht passieren, dass die falsche Prämisse − hier die empirisch beobachtbare Prämisse − verändert wird. So könnte beispielsweise in einer fiktiven Sprache, welche tatsächlich nur ein Vokalphonem besitzt, fälschlicherweise ein Element oder ein Phänomen „entdeckt“ werden, das als Vokal benannt wird, womit wiederum der Schluss und die erste Prämisse (hier: Alle Sprachen besitzen mindestens zwei Vokalphoneme) „gerettet“ wären. Tatsächlich schließen sich in der linguistischen Praxis Induktion und Deduktion wohl nicht aus und brauchen einander: Aus Daten wird verallgemeinert, die Verallgemeinerungen werden an Daten überprüft. Das ist in dieser Arbeit nicht anders. In der linguistischen Theoriebildung, gerade in der Generativen Syntax, überwiegt jedoch häufig ein deduktives Vorgehen, ohne dass immer die Probleme und Gefahren davon erkannt und berücksichtigt werden. Daher ist der Ansatz dieser Arbeit − zumindest an den Stellen, an denen Theoriebildung geleistet wird − explizit induktiv: Beobachtungen vorliegender sprachlicher Realitäten werden versucht theoretisch abzubilden. Da diese Arbeit jedoch nicht ein gänzlich neues theoretisches Modell schafft, wird an einigen Stellen selbstverständlich ebenso deduktiv gearbeitet, wobei explizit darauf geachtet wird, nicht die empirischen Beobachtungen zu „überprüfen“ und ggf. in Frage zu stellen, sondern die theoretischen Annahmen und das Modell. Als empirische Datengrundlage wurden die in Abschnitt 3.1 beschriebenen Korpora erstellt, bearbeitet und verwendet. Im Folgenden soll nun konkret erläutert werden, mit welcher Methodik die vorliegenden empirischen Daten bearbeitet wurden. Wie bereits angesprochen liegen die in Abschnitt 3.1 beschriebenen Korpora im EXMARaLDA-Format vor. Im Partitur Editor des EXMARaLDA-Programmpakets wurden die einzelnen Transkripte bearbeitet und für die fünf Kategorien Semantische Rollen, Syntaktische Funktionen, Informationsstatus, Topik(-Kommentar) und Fokus(-Hintergrund) annotiert. Die Annotationsprinzipien bzw. das entsprechende Tagset für die ersten drei Kategorien basieren auf Wagner-Nagy et al. (2018), die
3.2 Methodik |
37
Annotationsprinzipien für die letzten beiden Kategorien wurden auf der Basis des Leipziger Modells für diese Arbeit entwickelt.
Abb. 3.3: Annotation semantischer Rollen und syntaktischer Funktionen
Die Tags der Kategorien Semantische Rollen und Syntaktische Funktionen haben nach den GRAID-Prinzipien (vgl. Haig & Schnell (2014)) die Form (Wagner-Nagy et al. 2018: 21, 24). Bei koverten Referenten wird das Präfix vorangestellt und die Annotation erfolgt am jeweiligen Bezugswort, da in letzterem die Person- und Numerusmarkierung vorliegt. Es werden eine Reihe semantischer Rollen unterschieden, wichtig an dieser Stelle und im Laufe der Arbeit ist vor allem die Unterscheidung von Agens einerseits und Thema bzw. Patiens andererseits (Wagner-Nagy et al. 2018: 21−23). Bei der Annotation syntaktischer Funktionen werden in Matrixsätzen Subjekt, Objekt und Prädikat annotiert, weiterhin werden eingebettete Sätze annotiert (Wagner-Nagy et al. 2018: 24−28). Für weitere Details sei auf die genannten Quellen verwiesen. Abbildung 3.3 zeigt ein Beispiel der Annotation von semantischen Rollen und syntaktischen Funktionen in einem ewenkischen Transkript. Die Annotationsprinzipien der Kategorie Informationsstatus gehen auf Nissim et al. (2004) und Götze et al. (2007) zurück, in Wagner-Nagy et al. (2018) wurden sie noch weiterentwickelt. Es werden die drei Status given, accessible und new unterschieden: given sind im Diskurs vorerwähnte Referenten, accessible sind im Diskurs nicht vorerwähnte, aber für den Hörer zugängliche/inferierbare Referenten
38 | 3 Material und Methoden
Abb. 3.4: Annotation von Informationsstatus
und new sind weder vorerwähnte noch für den Hörer zugängliche Referenten (Götze et al. 2007: 15). Beim Status given wird weiter zwischen given-active und giveninactive unterschieden: Im ersten Fall ist der Referent im vorliegenden oder im unmittelbar vorangehenden Satz vorerwähnt, im letzten Fall an einer weiter zurückliegenden Stelle des Diskurses (Götze et al. 2007: 154−155). Nicht vorerwähnte Referenten können für den Hörer auf unterschiedliche Art und Weise zugänglich sein: Es wird zwischen situative (durch die Diskurssituation), aggregation (Kombination vorerwähnter Referenten), inferable (z.B. Teil-Ganzes-Beziehung) und general (durch Weltwissen) unterschieden (Götze et al. 2007: 157−160), für eine detaillierte Beschreibung vgl. Abschnitt 6.1.3. Bei koverten Referenten schließlich wird wiederum das Präfix verwendet. Abbildung 3.4 zeigt ein Beispiel der Annotation von Informationsstatus in einem dolganischen Transkript. Informationsstruktur schließlich wird auf den zwei Ebenen Topik(-Kommentar) und Fokus(-Hintergrund) annotiert, die Annotationsprinzipien sind aus dem Leipziger Modell zur Beschreibung von Informationsstruktur abgeleitet (vgl. Kapitel 5 und z.B. Junghanns & Zybatow (2009)). Auf beiden Ebenen wird nur die jeweils saliente Komponente annotiert, d.h. Topik bzw. Fokus. Da die Annotation dieser Ebenen eben dem Leipziger Modell folgt, sei für eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Kategorien auf Kapitel 5 verwiesen. Abbildung 3.5 zeigt ein Beispiel der Annotation von Informationsstruktur in einem enzischen Transkript.
3.2 Methodik |
39
Abb. 3.5: Annotation von Informationsstruktur
Die Analyse der annotierten Daten wurde mithilfe des Analyse- und Konkordanztools EXAKT des EXMARaLDA-Programmpakets durchgeführt. Hierbei wurden die jeweils fraglichen Kategorien gesucht und ggf. in Kombination mit anderen relevanten Kategorien analysiert. Wo nötig, wurden auch quantitative bzw. statistische Analysen durchgeführt, wenngleich dies nicht im Zentrum der Arbeit steht. Durch die kategorienübergreifende Suche können mit relativ geringem Aufwand Zusammenhänge dargestellt werden, für welche sonst mühsame manuelle Arbeit erforderlich wäre. Abbildung 3.6 zeigt beispielhaft eine entsprechende Konkordanzsuche: Hier wurde nach Referenten mit dem Informationsstatus accessiblegeneral knowledge gesucht und die Ergebnisse derart gefiltert, dass nur Referenten angezeigt werden, die mit dem Possessivsuffix der 2. Person Singular markiert sind. Im oberen Teil der Abbildung ist die Konkordanz zu sehen, im unteren Teil das zugehörige Transkript. Zusammenfassend gilt, dass die vorliegende Arbeit in ihrer Ausrichtung theoretischer Natur ist: Ein Modell zur Beschreibung von Informationsstruktur soll überprüft und weiterentwickelt werden. Dabei wird auf empirische Daten, die Korpora der Objektsprachen, zurückgegriffen, welche einerseits induktiv als Impulse zur Weiterentwicklung des Modells dienen und anhand derer andererseits deduktiv die Validität getroffener Annahmen überprüft wird. Die Arbeit trägt insofern auch angewandte und deskriptive Züge, als einzelne Phänomene der Objektsprachen im Laufe der Arbeit unweigerlich analysiert und beschrieben werden; Anspruch auf Vollständigkeit wird hier allerdings nicht erhoben.
40 | 3 Material und Methoden
Abb. 3.6: Konkordanzsuche in EXAKT
3.3 Transkription und Glossierung Auch wenn phonetische und phonologische Fragen in dieser Arbeit eine untergeordnete Rolle spielen, soll auf einige Fragen der Transkription der objektsprachlichen Beispiele eingegangen werden. Die hier verwendete Transkription basiert weitestgehend auf der Finnisch-Ugrischen Transkription (FUT), weiter werden einige Zeichen aus dem Internationalen Phonetischen Alphabet (IPA) verwendet. Im Anhang findet sich eine Liste der verwendeten Zeichen in der Transkription, im Folgenden sollen einige grundsätzliche Prinzipien und Besonderheiten besprochen werden.
3.3 Transkription und Glossierung |
41
Im Vokalismus werden kurze Vokale durch ein Graphem dargestellt, lange Vokale durch in den chantischen, dolganischen und ewenkischen Daten sowie durch in den enzischen und nganasanischen Daten. Reduzierte Vokale wer˘ dargestellt. Im Chantischen nehmen einige Autoren die Opposition den durch lange vs. kurze Vokale an, einige Autoren die Opposition kurze Vokale vs. reduzierte Vokale. In den vorliegenden Daten spiegelt sich erstere Auffassung in den Daten aus Obdorsk, Kazym und Surgut wieder, letztere Auffassung in den Daten aus Šerkaly. Da diese Arbeit nicht phonologisch/phonetisch orientiert ist, wird dies nicht vereinheitlicht, sondern die Notation übernommen. Vokalsequenzen werden ⁀ Bei mittelhohen Vokalen wird in einimit dargestellt, Diphthonge mit . gen Sprachen bzw. Dialekten (Enzisch, Kazymchantisch) zwischen halboffenen und halbgeschlossenen Vokalen unterschieden, z.B. vs. und vs. , in den anderen Sprachen wird ungeachtet möglicher phonetischer Unterschiede und verwendet. Schließlich bezeichnet einen vollen Zentralvokal, der nicht reduziert ist. Im Konsonantismus werden kurze Konsonanten durch ein Graphem dargestellt, lange Konsonanten durch die Kombination . Der Grund hierfür ist, dass lange Konsonanten häufig an Morphemgrenzen auftreten und mit dieser Notation eine Trennung der Morpheme problemlos möglich ist. Es wird in dieser Arbeit nicht zwischen palatalen und palatalisierten Konsonanten unterschieden, beide werden durch wiedergegeben. Dies ist insofern nicht problematisch, als keine der untersuchten Sprachen sowohl palatale als auch palatalisierte Konsonanten kennt. Der stimmhafte dentale Frikativ wird durch wiedergegeben, nicht wie bei Khanina & Shluinsky (2017) mit . bezeichnet einen uvularen Plosiv, einen Glottalstop. Alveolare Frikative und Affrikaten werden in slavistisch-uralistischer Tradition dargestellt, also z.B. und . schließlich bezeichnet einen labialen Approximanten, und bezeichnen einen stimmlosen bzw. stimmhaften uvularen Frikativ. Die Glossierung der − sowohl aus Sekundärliteratur als auch aus den Korpora − zitierten Beispiele ist der Vergleichbarkeit halber an einigen Stellen vereinheitlicht und folgt den Leipzig Glossing Rules (2015). Im Abkürzungsverzeichnis sind ferner alle in der Arbeit verwendeten Glossen aufgelistet. Ein für die Arbeit wichtiges Detail sei hier angesprochen: Es wird darauf verzichtet, in Beispielen aus dem hier untersuchten Material topik- bzw. fokusinduzierende Partikeln mit top bzw. foc zu glossieren, da dies eine Interpretation vorweg nehmen würde. Je nach weiteren Funktionen der Partikeln werden sie daher mit emph, mod oder einfach mit ptcl glossiert. Aus zitierten Arbeiten wird eine entsprechende Glossierung, wenn nicht anders bemerkt, jedoch übernommen.
4 Forschung zu Informationsstruktur 4.1 Theoretische Forschung Wie bereits in Kapitel 1 angesprochen ist die Forschung zu Informationsstruktur äußerst reichhaltig und weit gefächert. Eine vollständige Darstellung der existierenden Literatur würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Daher beschränke ich mich in den folgenden Abschnitten auf diejenigen Arbeiten, die für das Leipziger Modell und damit diese Arbeit im engeren Sinne relevant sind, d.h. vor allem solche Arbeiten, die sich mit dem Zusammenhang von Syntax und Informationsstruktur beschäftigen. Es wird somit kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben, sondern eine Grundlage geschaffen, auf der die Beschreibung und Weiterentwicklung des Leipziger Modells (Kapitel 5 und 6) fußt und die diese verständlich macht. Daher fehlen hier viel zitierte Arbeiten wie Chafe (1976) („Givenness, contrastiveness, definiteness, subjects, topics and point of view“) oder Lambrecht (1994) („Information structure and sentence form: topic, focus, and the mental representation of discourse referents“), an relevanten Stellen wird im Laufe der Arbeit aber selbstverständlich auf sie eingegangen.
4.1.1 Anfänge in der Antike Das Nachdenken über Sprache beginnt wohl ähnlich früh wie ihr Entstehen selbst. Schon aus frühen Hochkulturen, so zum Beispiel Indien oder Mesopotamien, sind Abhandlungen über die Sprache belegt (Arens 1969: 6). Eine erste Blütezeit erlebt die frühe Sprachwissenschaft im antiken Griechenland. Schon die Vorsokratiker (u.a. Protagoras, Heraklit) beschäftigen sich mit der Art der Beziehung zwischen Ding und Benennung (Arens 1969: 6−7), also einem Problemfeld, welches bis weit ins 20. Jahrhundert hinein bearbeitet wurde (u.a. Saussure (1916), Ogden & Richards (1923)). Die Benennung wird schon hier mit Onoma bezeichnet, ein Begriff, welcher in der Folgezeit aufgegriffen und weiterentwickelt wird. Platon definiert die menschliche Rede, den Logos, dadurch, seine eigenen Gedanken mithilfe der Stimme durch Onomata und Rhemata wahrnehmbar zu machen (Arens 1969: 12). Onoma kann hier noch sowohl Nomen als auch Subjekt bedeuten, analog kann Rhema noch sowohl Verb als auch Prädikat bedeuten. Viel wichtiger als die noch unklaren Begrifflichkeiten – welche Platon im Übrigen kaum vorzuwerfen sind, betrachtet man den Wust an Terminologie in der heutigen Forschung – ist aber die Einsicht, dass Aussagen offenbar zerlegbar sind und offenbar aus stets zwei Komponenten, Onoma und Rhema, bestehen. Während bei Platon noch nicht https://doi.org/10.1515/9783110716337-004
4.1 Theoretische Forschung |
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letztendlich klar ist, auf welche Ebene von Aussagen bzw. Bedeutungszuschreibungen sich Onoma und Rhema beziehen, so bezieht Aristoteles wenig später diese Begriffe eindeutig auf die Satzebene. Nach ihm ist Onoma ein Lautgebilde mit einer fest zugeschriebenen Bedeutung ohne Zeitbestimmung, während Rhema dem Onoma eine Zeitbestimmung hinzufügt und immer etwas über etwas anderes (über das Onoma, eigener Zusatz) aussagt (Arens 1969: 13). Der Verdienst von Aristoteles gegenüber Platon liegt darin, dass dem Rhema seinem Verständnis nach eine sehr hohe Bedeutung zukommt, dass nämlich erst durch die Hinzufügung des Rhemas eine vollwertige Aussage über einen Sachverhalt entstehen kann. Neben diesem grundlegenden Verständnis ist der Einführung zweier Begriffe durch Aristoteles noch Rechnung zu tragen: Auf der Ebene, die heute als Informationsstruktur bezeichnet wird, spricht Aristoteles nicht mehr von Onoma und Rhema, sondern vielmehr von Hypokeimenon und Kategorumenon, dem Zugrundeliegenden und dem darüber Gesagten (Welke 2007: 244). Das ist deshalb so wichtig, weil Aristoteles damit zeigt, dass er die Ebenen − in heutiger Terminologie − Morphosyntax (grammatische Gliederung des Satzes) und Informationsstruktur (logische Gliederung des Satzes) voneinander getrennt betrachtet. Weiterhin zeigt Aristoteles durch die Einführung dieser beiden Begriffe, das Verhältnis von Hypokeimenon und Kategorumenon verstanden zu haben: Das Hypokeimenon liegt einer Aussage zugrunde, ist also das, worüber eine Aussage getroffen wird, während das Kategorumenon eben diese Aussage trifft. In der Übersetzung des römischen Philosophen und Aristoteles-Kenners Boethius lauten diese Begriffe subiectum und praedicatum, diese sind unzweifelhaft Grundlage für die heutigen Begriffe Subjekt und Prädikat (Welke 2007: 244). Allerdings ist anzumerken, dass Boethius den Unterschied von Syntax und Informationsstruktur wiederum nicht rezipiert und mit subiectum und praedicatum sowohl Subjekte als auch Topiks bzw. Prädikate und Kommentare bezeichnet. Obgleich sich die Begriffe Subjekt und Prädikat in der lateinischen Grammatikschreibung einprägen sollten, blieben die zugrundeliegenden Ideen von Platon und Aristoteles – wie so vieles andere hellenistische Gedankengut auch – über den Zeitraum von fast zwei Jahrtausenden in der abendländischen Wissenschaft nahezu unreflektiert. Dies gilt insofern nicht für die morgenländische, genauer die islamische Philosophie, als beispielsweise Abu Nasr Farabi im 9. und 10. Jahrhundert in seiner Typologie der Wissenschaften Ideen Platons und Aristoteles’ aufgreift und diskutiert (Yousefi 2016: 63); im Rahmen dieser Arbeit kann jedoch nicht näher darauf eingegangen werden.
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4.1.2 19. Jahrhundert Die Ideen der Antike hinsichtlich dessen, was heute als Informationsstruktur bezeichnet wird, greift im 19. Jahrhundert als erster der französisch-deutsche Altphilologe und Literaturwissenschaftler Henry Weil auf. In seiner Abhandlung „De l’ordre des mots dans les langues anciennes comparées aux langues modernes“ (dt. ‘Von der Wortstellung der antiken Sprachen verglichen mit den modernen Sprachen’) von 1844 rezipiert er Aristoteles’ Gedanken der grammatischen und logischen Zweiteilung eines Satzes. Im ersten Kapitel seiner Arbeit diskutiert er zunächst den Zusammenhang der Ordnung von Ideen (ordre des idées) und Wortstellung (ordre des mots) und kommt zu dem Schluss, dass beide nicht unbedingt übereinstimmen müssen: (23)
Hunc juven-em intemperantia perdidi-t. dieser.acc.sg jung-acc.sg Unmäßigkeit zerstören.prf-3sg ‘Diesen Jugendlichen hat die Unmäßigkeit zerstört.’ (Latein; Weil 1869: 17−18, eigene Glossierung)
Hunc juvenem ist hier nicht das grammatische Subjekt des Satzes, sondern das direkte Objekt, dennoch wird eben über diesen Jugendlichen eine Aussage gemacht, weshalb Weil (1869: 22) im Folgenden zu dem Schluss kommt, dass der Gedankengang (marche de la pensée) von der Syntax des Satzes (marche syntaxique) zu trennen ist. Anhand folgender Beispiele entwickelt er ferner den Begriff point de départ (dt. ‘Ausgangspunkt’): (24)
a. Idem
ille Romulus Roma-m condidi-t. derselbe jener Romulus Rom-acc.sg erbauen.prf-3sg
‘Ebenjener Romulus erbaute Rom.’ b. Hanc
urb-em condidi-t Romulus. diese.acc.sg Stadt-acc.sg erbauen.prf-3sg Romulus
‘Diese Stadt erbaute Romulus.’ c. Condidi-t
Roma-m Romulus. erbauen.prf-3sg Rom-acc.sg Romulus
‘Es erbaute Romulus Rom.’ (Latein; Weil 1869: 24, eigene Glossierung) In Satz (24a) ist der Ausgangspunkt der Aussage Romulus, in Satz (24b) die Stadt Rom und in Satz (24c) etwas, was man heute wohl am ehesten als Situationstopik bezeichnen würde. Auch ohne hier weiter ins Detail zu gehen, bleibt festzuhalten, dass Henry Weil der erste neuzeitliche Linguist war, der Aristoteles’ Ideen zur grammatischen und logischen Zweiteilung eines Satzes aufgriff, weiterentwickelte
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und feststellte, dass es offenbar so etwas wie eine grammatische Ordnung im Satz gibt, aber auch eine logische Ordnung. Daran anschließend ist Georg von der Gabelentz und sein 1869 veröffentlichter Aufsatz „Ideen zu einer vergleichenden Syntax. Wort- und Satzstellung“ zu nennen. Neben einigen anderen sehr interessanten Ansätzen zur vergleichenden Syntax stellt sich von der Gabelentz die Frage, wozu man mit einem anderen Menschen spricht, und kommt zu folgender Erkenntnis: [. . . ] erstens, daß [sic] man des Andern Aufmerksamkeit (sein Denken) auf etwas hinleite, zweitens, daß [sic] man ihn über dieses Etwas das und das denken lasse. (von der Gabelentz 1869: 378)
Ersteres nennt von der Gabelentz (1869: 378) Psychologisches Subjekt und letzteres Psychologisches Prädikat. In der Folge stellt er fest, dass das Psychologische Subjekt dem Psychologischen Prädikat sowohl im Denken als auch in der Sprache schon per definitionem stets vorausgehen müsse (von der Gabelentz 1869: 379). Dann schließlich betrachtet er die beiden Sätze Napoleon wurde bei Leipzig geschlagen und Bei Leipzig wurde Napoleon geschlagen und bemerkt hierzu: [. . . ] durch den einen Satz erfährt der Hörer nicht mehr und nicht weniger als durch den andern. Psychologisch aber besteht ein tiefer Unterschied: in dem einen Falle ist es Napoleon, in dem andern die Gegend bei Leipzig, von der ich reden, auf die ich den Gedanken des Angeredeten hinlenken will, also mein psychologisches Subjekt. (von der Gabelentz 1869: 380)
Wie Weil stellt von der Gabelentz also fest, dass der Gedankengang des Sprechers wichtig für seine Aussage ist und ebenso stellt er fest, dass dasjenige, worüber der Sprecher etwas mitteilen möchte, offenbar vor dem steht, was er mitteilen möchte. Eine wichtige, häufig nicht explizit genannte Leistung ist es schließlich noch, dass von der Gabelentz erkennt, dass der Sprecher die Gedanken des Hörers auf etwas lenken möchte, also letztendlich nichts anderes betreibt als das, was später in der Fachliteratur u.a. als Common Ground Management beschrieben wird. Ein weiterer Schritt in der Forschung gelingt Hermann Paul 1880 in seinen meist wegen sprachhistorischer Erwägungen viel zitierten „Prinzipien der Sprachgeschichte“. Zwar steuert er weder inhaltlich noch begrifflich neue Ideen zur Dichotomie des Psychologischen Subjekts und Prädikats bei, doch weist er scharfsinnig auf einige Kernprobleme hin. Zuallererst stellt er von der Gabelentz’ Annahme in Frage, die Reihenfolge Psychologisches Subjekt > Psychologisches Prädikat sei universal, und weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine solche Annahme vor allem anhand solcher Sprachen zu überprüfen sei, die eben nicht eine feste Wortstellung Grammatisches Subjekt > Grammatisches Prädikat aufwiesen (Paul 1920: 126). Weiter weist er auf subjektlose Sätze bzw.
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Sätze mit Expletivpronomina hin und erörtert, ob hier ein psychologisches Subjekt anzusetzen sei oder nicht: (25)
a. Es regnet. b. Plui-t.
regnen-3sg ‘Es regnet.’ (Latein; Paul 1920: 131, eigene Glossierung) c. Vono se bɫyska.
expl rfl blitzen.3sg ‘Es blitzt.’ (Niedersorbisch; Paul 1920: 131, eigene Glossierung) Aus der Beobachtung, dass auch solche Sätze eine Aussage über etwas treffen, schließt Paul (1920: 131−132), dass sie unbedingt ein Psychologisches Subjekt haben müssen, vgl. hierzu die Diskussion zu thetischen Sätzen und abstrakten Topiks in Abschnitt 7.4. Letztendlich ist es also vor allem Pauls Verdienst darauf hingewiesen zu haben, dass die Relation von Psychologischem Subjekt und Psychologischem Prädikat keineswegs nur durch ihre lineare Abfolge abgebildet werden kann, sondern wohl auch durch andere, in der Folge noch zu besprechende Mittel. Einen weiteren, vor allem begrifflichen Beitrag leistete 1928 der Indogermanist Hermann Ammann mit einigen Überlegungen im zweiten Teil seines Werks „Die menschliche Rede“. In Bezug auf von der Gabelentz spricht auch Ammann (1928) von einer Zweiteilung des Satzes in ein Subjekt und ein Prädikat. Allerdings sind Ammanns Ausführungen insofern ein Rückschritt, als Ammann offenbar die Wichtigkeit der von Weil und von der Gabelentz entwickelten Ebenen der Betrachtung (Grammatisches Subjekt/Prädikat vs. Psychologisches Subjekt/Prädikat) nicht erkennt und gar postuliert, es sei unwesentlich, dass Psychologisches und Grammatisches Subjekt bzw. Psychologisches und Grammatisches Prädikat zuweilen nicht zusammenfielen (Ammann 1928: 2). Neu an Ammanns Ausführungen ist, dass er Subjekt und Prädikat nicht mehr als das Objekt der Aussage und die Aussage selbst auffasst, sondern dem Subjekt und Prädikat en passant die Eigenschaften ‘alt’ bzw. ‘neu’ zuschreibt. Altes und Neues bezeichnet er im Folgenden als Thema bzw. Rhema (Ammann 1928: 3), eine Terminologie, die sich bis heute erhalten hat. Problematisch hieran ist weniger die Terminologie an sich – wenngleich von der Gabelentz’ und Pauls Terminologie den Kern ihrer Gedanken sicherlich besser treffen – als die Verschiebung der Konnotationen der Begriffe. Statt einer Gliederung Objekt der Aussage (Subjekt) vs. Aussage (Prädikat) steht nun eine weitere mögliche Gliederung alt vs. neu im Raum. Sicherlich trug
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diese terminologische und inhaltliche Entwicklung dazu bei, die Terminologie in der Forschung zur Informationsstruktur bis heute unübersichtlich zu halten. Alles in allem kann man zur Entwicklung der Forschung im 19. und frühen 20. Jahrhundert feststellen, dass die von Platon und Aristoteles erkannte logische und formale Dichotomie eines Satzes von Henry Weil wieder aufgegriffen wurde und schließlich im Begriffspaar Psychologisches Subjekt vs. Psychologisches Prädikat von Georg von der Gabelentz und Hermann Paul manifestiert wurde. Im frühen 20. Jahrhundert führte Hermann Ammann das Begriffspaar Thema vs. Rhema ein, wobei Thema alte Information und Rhema neue Information beschreibt; letztendlich, wie aus den folgenden Abschnitten deutlich werden wird, kann u.a. hierin der Grund dafür gesehen werden, dass bis heute keine Klarheit über den Begriff des Topiks besteht. Die Implikationen der beschriebenen Entwicklungen auf die weitere Forschung im 20. Jahrhundert sollen im nächsten Kapitel besprochen werden.
4.1.3 Prager Schule Der tschechische Linguist Vilém Mathesius beschäftigte sich als erster Vertreter der Prager Schule¹ mit dem, was heute als Informationsstruktur bezeichnet wird. In seinem Aufsatz „O tak zvaném aktuálním členění věty“ (dt. ‘Über die sogenannte aktuelle Gliederung des Satzes’) von 1939 bespricht er die Ideen Henry Weils, Georg von der Gabelentz’ und Hermann Pauls und entwickelt sie weiter. Er trennt die formale Gliederung des Satzes von der aktuellen Gliederung des Satzes: Kdežto formální členění se týká složení věty z prvků gramatických, týká se aktuální členění věty způsobu, jakým je začleněna do věcné souvislosti, z níž vznikla. ‘Während sich die formale Gliederung auf die Komposition aus grammatischen Elementen bezieht, bezieht sich die aktuelle Gliederung des Satzes auf die Art und Weise, wie er in den Sachzusammenhang eingebunden ist, aus dem er entstanden ist.’ (Mathesius 1939: 171, eigene Übersetzung)
Die formale Gliederung des Satzes bei Mathesius entspricht dem marche syntaxique bei Weil, die aktuelle Gliederung des Satzes hingegen entspricht dem marche de la pensée. Während Mathesius in der formalen Gliederung des Satzes das grammatische Subjekt und das grammatische Prädikat als Komponenten beibehält, unterscheidet sich seine Terminologie in der aktuellen Gliederung des Satzes von seinen Vorgängen:
1 Als Prager Schule wird eine Gruppe strukturalistisch orientierter Linguisten bezeichnet, die 1926 unter dem Namen Pražský lingvistický kroužek ‘Prager linguistischer Kreis’ institutionalisiert wurde.
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[. . . ] základními prvky aktuálního členění věty jsou východiště výpovědi [. . . ] a jádro výpovědi [. . . ] ‘Die grundlegenden Elemente der aktuellen Gliederung des Satzes sind der Ausgangspunkt der Aussage [. . . ] und der Kern der Aussage [. . . ]’ (Mathesius 1939: 171, eigene Übersetzung)
Als Ausgangspunkt der Aussage bezeichnet Mathesius denjenigen Teil des Satzes, worüber eine Aussage getroffen wird, als Kern der Aussage diese Aussage selbst (Mathesius 1939: 171). Weiterhin stellt Mathesius dar, dass der Kern der Aussage eines Satzes im Fortschreiten der Rede zum Ausgangspunkt der Aussage des nächsten Satzes werden kann, was er an folgendem Beispiel erläutert: (26)
a. By-l
jednou jeden král. sein-pst.sg.m einmal eins König
‘Es war einmal ein König.’ b. A
ten král mˇe-l tˇri syn-y. und dieser König haben-pst.sg.m drei.acc Sohn-acc.pl
‘Und dieser König hatte drei Söhne.’ (Tschechisch; Mathesius 1939: 171, eigene Glossierung und Übersetzung) Während in (26a) der König in die Rede eingeführt wird, ist er nun in (26b) Ausgangspunkt der Aussage, dass er drei Söhne habe. Im Folgenden diskutiert Mathesius (1939: 171) Satz (26a) und stellt fest, dass dieser keinen wirklichen Ausgangspunkt beinhalte, kommt aber zu keiner Lösung des Problems, außer festzustellen, dass diese Art von Sätzen charakteristisch für den Beginn von Romanen und Geschichten sei (Mathesius 1939: 172). Schließlich postuliert Mathesius (1939: 174) noch eine objektive Wortfolge (Ausgangspunkt vor Kern) und eine subjektive Wortfolge (Kern vor Ausgangspunkt). Mit diesen Erwägungen legte Mathesius den Grundstein für die Entwicklung der Theorie der Funktionalen Satzperspektive. Aus den oben geschilderten Überlegungen von Mathesius entwickelten zunächst František Daneš und vor allem Jan Firbas die Grundprinzipien der Theorie der Funktionalen Satzperspektive (zusammengefasst in Firbas (1992)). Autoren wie Petr Sgall und Eva Hajičová bemühten sich später um eine Formalisierung und Integration in Theorien der Generativen Grammatik (z.B. Sgall et al. (1973)). Der Grundgedanke der Funktionalen Satzperspektive ist, dass ein Satz im Rahmen einer Kommunikation dazu dient, diese voranzubringen, und zu diesem Zweck zu demjenigen Element hin orientiert ist, welches die höchste Kommunikative Dynamik trägt (Firbas 1992: 5−6). Die kommunikative Dynamik eines Elements im Satz misst sich gemäß Firbas (1992: 8) daran, wie sehr das entsprechende Element zum Voranschreiten der Kommunikation beiträgt. Sie ist nie absolut zu bemessen, sondern stets relativ in Abgrenzung zu anderen Elementen des Satzes. Anhand
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eines Auszuges aus Victor Hugos „Les misérables“ verdeutlicht er dies z.B. an folgendem Satz: (27)
Wenn etwas Sonne scheint, kommen die Eidechsen.
Gemäß Firbas (1992: 5) ist dieser Satz zu dem Element Eidechsen orientiert, da dieses im Vergleich zu den anderen Elementen des Satzes die höchste kommunikative Dynamik trägt. Als Faktoren für die Bestimmung der kommunikativen Dynamik eines Satzelements nennt Firbas (1992: 10−11) den semantischen Faktor und den kontextuellen Faktor. Letzterer ist vor allem insofern interessant, als er an sich nichts anderes als den Informationsstatus des entsprechenden Elements im Satz meint (Firbas 1992: 21−23). Auf der Grundlage dieser Faktoren entwickelt Firbas eine Reihe an möglichen Graden kommunikativer Dynamik, von welchen für die vorliegende Arbeit vor allem Thema, Rhema und Übergang (engl. ‘transition’) relevant sind (Firbas 1992: 66, 72). Das Thema eines Satzes besitzt gemäß Firbas (1992: 73) die geringste kommunikative Dynamik, das Rhema eines Satzes die höchste, sodass ein Satz stets zu seinem Rhema orientiert ist. Der Übergang bezeichnet im Wesentlichen die Tempus- und Moduskategorien des Prädikats und dient als Verbindung von Thema und Rhema (Firbas 1992: 72). Drei für die folgenden Ausführungen wichtige Charakteristika sind an dieser Stelle festzuhalten: Zunächst operiert die Theorie der Funktionalen Satzperspektive weiterhin auf einer Beschreibungsebene, auf welcher sie Thema und Rhema letzten Endes gegenüberstellt; auch Firbas (1992: 97) selbst betont die Zweiteilung des Satzes in dieser Hinsicht. Zum zweiten vermischt Firbas (1992: 73) bei der Bestimmung des Themas eines Satzes auf der einen Seite Begriffe wie aboutness und starting point und auf der anderen Seite Vorerwähntheit im Diskurs (s.o.), sodass nicht wirklich klar ist, ob ein Thema im Verständnis der Theorie der Funktionalen Satzperspektive auf Satz- oder auf Diskursebene operiert. Und schließlich fällt auf, dass Firbas’ Ausführungen und Überlegungen die Struktur und Syntax von Sätzen nur peripher berücksichtigen: Zwar geht er in einem Kapitel auf Wortstellung ein (Firbas 1992: 117−140), doch gelingt es ihm nicht, die Theorie der Funktionalen Satzperspektive in einen größeren syntaktischen Zusammenhang zu stellen. Vor allem Letzteres versuchen Petr Sgall und Eva Hajičová in ihren Arbeiten zu erreichen. Zunächst ist anzumerken, dass Sgall et al. (1973: 15) nicht mehr von Thema und Rhema sprechen, sondern diese Begriffe durch Topik und Kommentar ersetzen, wobei Topik im aristotelischen Sinne zu verstehen sein soll (Sgall et al. 1973: 17). Weiterhin widersetzen sie sich einer Dichotomie von Topik und Kommentar im Satz, sondern basieren beide Größen auf einer Hierarchie von Kommunikativer Dynamik im Sinne von Firbas (Sgall et al. 1973: 18−19). Hierbei ist terminologisch zu beachten, dass Kommunikative Dynamik sich auf die Skala als solche bezieht, während ein konkreter Referent im Diskurs einen bestimmten Grad
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an Kommunikativer Bedeutung (engl. ‘communicative importance’) trägt (Sgall et al. 1973: 45). Sgall et al. (1973: 24−25) bemerken, dass in bisheriger Forschung keinerlei Kriterien für die Bestimmung des Grades der kommunikativen Bedeutung eines Diskursreferenten genannt worden seien und führen daher den Begriff der Kontextuellen Gebundenheit (engl. ‘contextual boundness’) ein (Sgall et al. 1973: 25). Letztendlich ist damit nichts anderes gemeint als das, was in der Einleitung als Informationsstatus bezeichnet wurde, da kontextuell gebundene Elemente hier als dem Hörer aus dem sprachlichen Kontext oder der Situation bekannte Diskursreferenten verstanden werden (Sgall et al. 1973: 47−48). Weiter argumentieren Sgall et al. (1973: 48), dass Sätze ein gebundenes Element (engl. ‘bound element’) und ein ungebundenes Element (engl. ‘non-bound element’) enthielten, ersteres ist in ihrem Verständnis Topik des Satzes, letzteres hingegen Fokus. Das bedeutet einerseits, dass Topik und Fokus auf einer einzigen Beschreibungsebene einander gegenübergestellt werden, und andererseits, dass Topiks und Foki offensichtlich doch aus dem Informationsstatus des entsprechenden Referenten hergeleitet werden. Um Topik und Fokus eines Satzes zu bestimmen, entwickeln Sgall et al. (1973: 49−57) einen Fragetest, bei dem mögliche Fragen zu einem entsprechenden Satz gesucht werden: (28)
a. What does father read? b. Father reads a BOOK.
(29)
a. What does father do? b. Father reads a BOOK.
(30)
a. Who reads a book? b.
#
Father reads a BOOK. (Sgall et al. 1973: 49−50)
Der Satz Father reads a BOOK. erlaubt gemäß Sgall et al. (1973: 50) die Fragen (28a) und (29a), nicht aber die Frage (30a). Daraus schließen sie, dass father Topik des Satzes sein muss (da es in der Frage vorkommt, also ein gebundenes Element ist), book Fokus² des Satzes sein muss (da es in der Frage nicht vorkommt, also ein ungebundenes Element ist) und das Verb das Übergangselement. Auf der Grundlage dieser Überlegungen argumentieren Sgall et al. (1973: 163−164), dass es im Rahmen einer Transformationsgrammatik im Sinne Chomskys (d.i. Generative Grammatik auf der Stufe der Erweiterten Standardtheorie, vgl. Abschnitte 4.1.4
2 An dieser Stelle sprechen Sgall et al. noch von Kommentar anstelle von Fokus − im Weiteren wird aber deutlich, dass hiermit eigentlich Fokus gemeint ist, weshalb dieser Begriff hier verwendet wird.
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und 5.1) nicht möglich sei, einer bestimmten Konstituente im Satz Fokus- oder Topikfunktion zuzuweisen. (31)
a. For what length of time did John go to where? b. John went for a week to SIcily. (Sgall et al. 1973: 163)
Hier sei das Element for a week to Sicily im Satz (31b) als Fokus zu betrachten, wenn man die Frage (31a) zugrunde lege. Da for a week to Sicily jedoch keine Konstituente im Sinne der Generativen Syntax sei, könne hier die Fokusfunktion eben keiner Konstituente zugewiesen werden (Sgall et al. 1973: 163). Daher entwickeln Sgall et al. im Weiteren Topik- und Fokusrepräsentationen auf semantischer Ebene (im Rahmen von Generativer Semantik), gehen aber nicht weiter auf die Syntax des Satzes ein, weshalb weitere Details hier ausgelassen werden können. Zu diesem Beispiel ist allerdings noch zu bemerken, dass nicht thematisiert wird, dass es sich um eine multiple wh-Frage handelt. Da mehrere Konstituenten erfragt werden, ist davon auszugehen, dass mehrere minimal fokussierte Konstituenten in der Antwort vorkommen (for a week und to Sicily). Weder in der Frage noch in der Antwort ist jedoch davon auszugehen, dass die einzelnen Konstituenten in einer Konstituente zusammengefasst werden können, weshalb das Beispiel für die Argumentation der Autoren nicht aussagekräftig ist. Es bleibt also zusammenzufassen, dass im Rahmen der Prager Schule eigentlich zum ersten Mal versucht wurde, Informationsstruktur zu formalisieren: Während Mathesius im Grunde nicht über eine deskriptive Ebene hinausgeht, entwickelt Firbas die Theorie der Kommunikativen Dynamik, welche u.a. Sgall und Hajičová im Rahmen der Generativen Semantik weiterentwickeln. Für die vorliegende Arbeit ist vor allem die syntaktische Perspektive relevant, besonders die Annahmen, dass Thema und Rhema (Mathesius 1939, Firbas 1992) bzw. Topik und Fokus (Sgall et al. 1973) sich gegenüberstehende Einheiten seien, auf einer einzigen Ebene im Satz operierten sowie diskursgebunden seien, d.h. mit Informationsstatus im Verständnis dieser Arbeit zusammenhängen. Wie sich in den Kapiteln 5 und 6 zeigen wird, führen diese Annahmen zu einer Reihe von Problemen, weshalb die Beschreibung von Informationsstruktur im Sinne der Prager Schule keine abschließende Lösung sein kann.
4.1.4 Generative Grammatik Nachdem bisher die Forschungsgeschichte zur Informationsstruktur in früher, theoretisch kaum einzuordnender Linguistik (Abschnitte 4.1.1 und 4.1.2) sowie in der traditionell eher strukturalistischen Prager Schule (Abschnitt 4.1.3) beschrieben
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wurde, folgt nun eine Skizze der Behandlung von Informationsstruktur im Rahmen des theoretischen Frameworks der Generativen Grammatik. Generative Grammatik meint hier diejenige syntaxzentrierte Forschungstradition, die mit Noam Chomskys „Syntactic Structures“ (1957) in den 1950er-Jahren ihren Anfang nimmt. Für die vorliegende Arbeit ist der Anspruch der Generativen Grammatik, erklärungsadäquat zu sein, von unmittelbarer Bedeutung. Erklärungsadäquatheit meint, nicht nur eine begrenzte Menge an Sprache bzw. Sprachdaten zu beschreiben, sondern auch ihr Zustandekommen im Laufe der individuellen Sprachproduktion erklären zu können und damit neue, korrekte Sätze generieren zu können (Chomsky 1972b: 49). Um diesem Anspruch der Erklärungsadäquatheit genügen zu können, liegt der Fokus der Generativen Grammatik auf sogenannten Transformationen, welche eine zugrundeliegende Satzstruktur (die Tiefenstruktur) in eine andere Struktur (die Oberflächenstruktur) verwandeln (Chomsky 1972b: 44). Damit muss die Syntax eines Satzes zentral für seine sprachliche Realisierung sein, da ohne syntaktische Transformationen kein Satz gebildet werden könnte. Die unterschiedlichen Stufen bzw. Entwicklungsphasen der Generativen Grammatik (Transformationsgrammatik (Chomsky 1957), Standardtheorie (Chomsky 1965), Erweiterte Standardtheorie (Chomsky 1970, Jackendoff 1977), Government & Binding (Chomsky 1981), Minimalismus (Chomsky 1995)) entwickeln diese Prinzipien immer weiter. Der für die vorliegende Arbeit wichtige Minimalismus wird in Abschnitt 5.1 detailliert erläutert, für alle anderen Entwicklungsphasen findet sich in Klenk (2003) eine gute Übersicht. In Abschnitt 4.1.4.1 werden nun Ansätze zur Beschreibung von Informationsstruktur im Rahmen der (erweiterten) Standardtheorie dargestellt, in Abschnitt 4.1.4.2 schließlich Ansätze im Rahmen von Government & Binding sowie des Minimalismus. 4.1.4.1 (Erweiterte) Standardtheorie Im Rahmen Generativer Syntax beginnt Noam Chomsky recht früh, über die Realisierung von Informationsstruktur nachzudenken. In der grundlegenden Arbeit zur Standardtheorie der Generativen Grammatik „Aspects of the Theory of Syntax“ ordnet er die Topik-Kommentar-Struktur³ der Oberflächenstruktur eines Satzes zu, wobei das Topik des Satzes die am weitesten links im Satz realisierte und unmittelbar vom Knoten S dominierte Konstituente des Satzes sei, der Kommentar hingegen der Rest des Satzes (Chomsky 1965: 221). Im Satz Am 22. März 1832 starb Goethe.
3 Chomsky definiert nicht eindeutig, was er unter Topik und unter Kommentar versteht. Aus dem Kontext kann jedoch wohl geschlossen werden, dass Topik als Element des Satzes, über das eine Aussage gemacht wird, verstanden wird, und Kommentar als diese Aussage.
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ist somit die Präpositionalphrase [am 22. März 1832] als Topik zu analysieren, der Rest des Satzes als Kommentar − Abbildung 4.1 zeigt die syntaktische Realisierung des Satzes gemäß den Phrasenstrukturregeln und Transformationsregeln der Standardtheorie. S
VP
PP
Am 22. März 1832
V
NP
starb Goethe. Abb. 4.1: Adverbiales Topik gemäß Chomsky (1965)
Die Oberflächenstruktur des Satzes zeigt also die korrekte informationsstrukturelle Realisierung, während die Tiefenstruktur dieses Satzes [Goethe] als Subjekt des Satzes und [starb am 22. März 1832] als Prädikat enthält. Informationsstrukturierung bzw. im engeren Sinne hier die Entwicklung der Topik-Kommentar-Struktur ist also gemäß Chomsky etwas, das im Laufe der Derivation eines Satzes in Form von Transformationen geschieht. Neben einer Topik-Kommentar-Struktur nimmt Chomsky auch eine informationsstrukturelle Gliederung an, die er mit den Größen Fokus und Präsupposition beschreibt, wobei diese am ehesten neue bzw. alte Information meinen (Chomsky 1972a: 89−91). Er stellt fest, dass der Tiefenstruktur eines Satzes verschiedene Fokus-Präsuppositions-Gliederungen zugeordnet werden können (Chomsky 1972a: 91−100). Satz (32) kann beispielsweise die Fokus-Präsuppositions-Gliederungen (33a) bis (33c) haben: (32)
Goethe starb in Weimar.
(33)
a. Präsupposition: Goethe, Fokus: starb in Weimar. b. Präsupposition: Goethe starb, Fokus: in Weimar. c. Fokus: Goethe starb in Weimar.
Aus diesen möglichen Gliederungen (33a) bis (33c) (formalisiert als (F, P)-Paare) muss nun im Laufe der Derivation des Satzes die richtige Gliederung ausgewählt werden, um die korrekte Information bzw. die korrekte Informationsstruktur zu produzieren. Dies geschieht gemäß Chomsky nicht durch syntaktische Transformationen, sondern durch Intonation, wobei diejenige Konstituente des Satzes auf der
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Oberflächenstruktur als Fokus realisiert sei, welche das intonatorische Zentrum des Satzes enthalte (Chomsky 1972a: 100). Ganz offensichtlich unterscheidet Chomsky also zwei informationsstrukturelle Gliederungen, eine Topik-Kommentar-Gliederung und eine Fokus-PräsuppositionsGliederung, stellt also Topik und Fokus eines Satzes nicht einander gegenüber, wie es in der Prager Schule bis zuletzt geschieht. Die Topik-Kommentar-Gliederung sieht er durch syntaktische Transformationen in der Oberflächenstruktur realisiert, die Fokus-Präsuppositions-Gliederung dagegen durch Intonation. Jeanette Gundel (1988)⁴ greift in ihrer Arbeit „The Role of Topic and Comment in Linguistic Theory“ einige Gedanken Chomskys auf und elaboriert anhand englischer und russischer Beispiele vor allem die syntaktische Realisierung von Topiks, ferner erörtert sie recht detailliert den Zusammenhang zwischen Topik und Präsupposition⁵. Sie stellt Chomskys Annahmen zur Topikrealisierung (s.o.) in Frage und zeigt, dass zwar sicherlich Topiks tendenziell links im Satz realisiert werden, aber nicht unbedingt die satzinitiale Konstituente Topik sein muss (Gundel 1988: 32). Dazu betrachtet sie u.a. folgende Beispiele: (34)
Probably he’ll call off the news conference again.
(35)
Nobody saw Bill.
(36)
It was ARchie who rejected the proposal. (Gundel 1988: 32−34)
Dass probably in Satz (34) kaum ein Topik darstellen kann, ist offensichtlich, da es sich um keinen referierenden Ausdruck handelt und über einen nicht-referierenden Ausdruck kaum eine Aussage gemacht werden kann. In Satz (35) wäre nobody gemäß Chomsky Topik des Satzes, Gundel (1988: 33) bemerkt zurecht, dass kaum eine Aussage über niemanden gemacht werden kann, da wiederum keine Referenz hergestellt werden kann. Und schließlich zeigt sie, dass in Satz (36) Archie keinesfalls Topik des Satzes sein kann, da er keine adäquate Antwort auf die Frage What about Archie?, welche die Topikalität von Archie impliziert, darstellt (Gundel 1988: 34). Nachdem Gundel diesen Beweis geführt hat, geht sie auf den Zusammenhang von Topik und Präsupposition ein. Sie argumentiert, dass Topiks stets Teil der
4 Bei der zitierten Version von 1988 handelt es sich um eine wenig veränderte Veröffentlichung ihrer Dissertation von 1974. 5 Mit Topik bezeichnet Gundel (1988: 32) dasjenige Element im Satz, über das eine Aussage gemacht wird, das Gegenstück hierzu, also die Aussage selbst, ist der Kommentar. Als Präsupposition versteht sie all diejenige Information, welche im entsprechenden Kontext gegeben oder bekannt ist.
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Präsupposition des entsprechenden Satzes sein müssten (Gundel 1988: 38), da nicht präsupponierte Information zwar referenzierbar sei, aber keine sinnvollen Aussagen über sie getroffen werden könnten, wie folgende Beispiele eindrucksvoll zeigen: (37)
*As for a lion, Bill shot him.
(38)
*What about a lion? Bill shot him. (Gundel 1988: 39)
Es ist anzumerken, dass Gundel somit wohl zurecht herausstellt (vgl. Abschnitt 5.2 und Kapitel 10), dass Topiks stets präsupponierte Information (in anderer Terminologie: gegebene Information) darstellen müssen, sie aber nicht den logischen Fehlschluss begeht, dass präsupponierte Information per default topikal ist. Weiter argumentiert Gundel (1988: 40), dass Topik und Fokus in einem Satz niemals zusammenfallen könnten, da das Topik ja aus präsupponierter Information bestehe und Fokus das Gegenstück zu präsupponierter Information, also neue Information, sei. Tatsächlich ist diesem Schluss bei entsprechender Definition des Begriffs Fokus als neue Information nicht zu widersprechen, allerdings bleibt zu diskutieren, ob er auch bei anderer Definition von Fokus (vgl. Abschnitt 5.3) Bestand hat. In den folgenden Kapiteln ihrer Arbeit diskutiert Gundel die syntaktische Realisierung der Topik-Kommentar-Struktur im theoretischen Rahmen der Generativen Syntax. Aus Platzgründen kann hier nicht erschöpfend darauf eingegangen werden, einige interessante und im Laufe der weiteren Arbeit relevante Aspekte sollen aber erwähnt werden. Sie betrachtet sehr detailliert sogenannte Left Dislocations, in denen die Topik-Konstituente des Satzes am linken Rand des Satzes und außerhalb der eigentlichen Satzstruktur steht und weiterhin durch ein Pronomen o.ä. im eigentlichen Satz wiederholt wird (Gundel 1988: 55). Diese Konstruktionen können anhand der Beispiele (39) bis (41) dargestellt werden: (39)
This roomi , iti really depresses me.
(40) Womeni , I’ll never be able to figure themi out. (41)
Your second chapteri , I haven’t gotten around to reading iti yet. (Gundel 1988: 49)
Gundel (1988: 49−50) bemerkt nun korrekterweise, dass diese Strukturen auf zwei Weisen erklärt werden können: Entweder wird die vorliegende Struktur aus einer anderen Tiefenstruktur deriviert (Extraktionshypothese) oder die Struktur wird bereits in der Tiefenstruktur generiert (Logische-Struktur-Hypothese). Gundel argumentiert für letztere Möglichkeit, da ihrer Meinung nach alle syntaktischen
56 | 4 Forschung zu Informationsstruktur
S
NP1
S’
This room,
it really depresses me.
Abb. 4.2: Left Dislocations nach Gundel (1988)
und semantischen Restriktionen für Left Dislocations bereits in der Konstruktion selber lägen, während die Extraktionshypothese für diese Restriktionen jeweils spezielle Regeln bräuchte (Gundel 1988: 66), vgl. Abbildung 4.2. Eine dieser Restriktionen läge beispielsweise in der Tatsache, dass indefinite, spezifische Referenten − zumindest im Englischen − nicht in einer Left Dislocation stehen könnten, vgl. Beispiele (42) und (43): (42)
*(As for) an honest politician, Gwendolyn wants to marry him.
(43)
*(Concerning) a phone call, he didn’t charge me for it. (Gundel 1988: 61)
Die Extraktionshypothese müsste nun laut Gundel eine spezielle Regel schreiben, welche verhindert, dass indefinite, spezifische Referenten in eine Left Dislocation bewegt werden, während bei Annahme der Logische-Struktur-Hypothese indefinite, spezifische Referenten aus pragmatischen Gründen nicht dort realisiert werden könnten (Gundel 1988: 66). Ein anderes Argument sind gemäß Gundel solche Left Dislocations, in denen der Referent in der Left Discolation keinen koreferenten Ausdruck im Satz selbst hat, vgl. Beispiele (44) und (45): (44) As for fruit, Jim likes cantaloupes best. (45)
As for Paris, the Eiffel Tower is spectacular. (Gundel 1988: 70)
Für solche Beispiele argumentiert Gundel (1988: 71), dass die Extraktionshypothese nicht erklären könne, woher aus dem Satz das Element in der Left Dislocation wegbewegt würde. Beide Argumente werden in der Beschreibung der TopikKommentar-Gliederung, besonders bei der Differenzierung zwischen internen und externen Topiks in Abschnitt 5.2 und 7.5, noch eine Rolle spielen. Der Grund dafür, hier so detailliert auf Gundels Analyse von Left Dislocations einzugehen, liegt darin, dass Gundel (1988: 108) im Weiteren argumentiert, dass allen Sätzen − unabhängig von ihrer Oberflächenstruktur − eine Tiefenstruktur mit Left Dislocation zugrunde liege. Beispiel (46) mit dem Topik [Jim] wird ihr zufolge also aus der Tiefenstruktur in Abbildung 4.3 hergeleitet.
4.1 Theoretische Forschung
| 57
(46) Jim doesn’t understand topic-comment-structure. (Gundel 1988: 98)
S
NP1
S’
Jimi
xi doesn’t understand topic-comment-structure.
Abb. 4.3: Tiefenstruktur eines Satzes ohne Left Dislocation nach Gundel (1988)
Hierbei wird die topikale Konstituente [Jim] aus NP1 nach S’ kopiert, anschließend die topikale Konstituente in NP1 getilgt und schließlich S und NP1 getilgt, weil letzteres nunmehr leer ist, womit S’ höchster Knoten im Satz ist (Gundel 1988: 98). Mit diesen Annahmen erklärt Gundel sämtliche Konstruktionen im Englischen, die „besondere“ Topik-Kommentar-Konstruktionen darstellen (cleft-Konstruktionen, pseudocleft-Konstruktionen, Topikalisierung, Left Dislocation). Bemerkenswert ist, dass es Gundel gelingt, all diese Konstruktionen aus einer einzigen Tiefenstruktur herzuleiten, allerdings findet sich an keiner Stelle eine Erklärung dafür, warum einfachere Konstruktionen wie Beispiel (46) − welche sicherlich einen Großteil aller Sätze in natürlicher Sprache darstellen − aus einer komplexeren Tiefenstruktur hergeleitet werden sollten. Den Ökonomieprinzipien der Generativen Grammatik und insbesondere des Minimalistischen Programms (vgl. Abschnitte 4.1.4.2 und 5.1) widerspricht diese Annahme in hohem Maße. Schließlich wendet Gundel die obigen Erkenntnisse und Annahmen auf das Russische an und kommt zu sehr ähnlichen Ergebnissen; ein kleines Detail soll hier angesprochen werden, da es an späterer Stelle, in den Abschnitten 5.2 und 7.5, relevant sein wird. Ebenso wie das Englische kennt das Russische Left Dislocations, wie an den Beispielen (47) und (48) gezeigt werden kann: (47)
Moskvai , onai gorod-am mat’. Moskau 3sgpro.f Stadt-dat.pl Mutter ‘Moskau, es ist den Städten Mutter.’
58 | 4 Forschung zu Informationsstruktur
(48) Ivani , ja
egoi ne ljublj-u. Ivan 1sgpro 3sgpro.m.acc neg lieben-1sg
‘Ivan, ich mag ihn nicht.’ (Russisch; Gundel 1988: 185, eigene Glossierung) Es fällt auf, dass der Kasus des Topiks in der Left Dislocation und seines koreferenten Ausdrucks im Satz selbst nicht zwangsläufig übereinstimmen: In Beispiel (48) steht Ivan im Nominativ, während das Pronomen ego im Akkusativ steht. Gundel schließt u.a. daraus, dass auch Kasuszuweisung an das Topik in der Left Dislocation kein Argument für die Extraktionshypothese sein könne, da es seinen Kasus (Nominativ) per default und nicht durch Rektion o.ä. zugewiesen bekomme (Gundel 1988: 188−189). In Abschnitt 5.2 wird näher darauf eingegangen, in Abschnitt 7.5 wird das Problem anhand der hier untersuchten Sprachen betrachtet. Alles in allem ist festzuhalten, dass im Rahmen der Standardtheorie der Generativen Syntax vor allem Noam Chomsky und Jeanette Gundel bestrebt waren, Informationsstruktur und ihre Syntax zu formalisieren. Besonders die Herleitung der Topik-Kommentar-Struktur aller Sätze aus einer Tiefenstruktur mit dem Topik in Left Dislocation ist von theoretischem Interesse, weshalb in Abschnitt 5.2 näher darauf eingegangen wird. Insgesamt sind die Ansätze also als ein bedeutender Schritt zur Formalisierung der Syntax von Informationsstruktur anzusehen. 4.1.4.2 Government & Binding und Minimalismus Government & Binding (GB) ist diejenige Entwicklungsstufe der Generativen Grammatik, welche auf die erweiterte Standardtheorie folgte. In dieser wurden einerseits das X-Bar-Schema (Chomsky 1970) und andererseits der Komplex der Inflection Phrase (IP) (Chomsky 1981, Pollock 1989) entwickelt. Anhand von Nominalisierungsprozessen zeigt Chomsky (1970: 210−211), dass alle komplexen Phrasen (also NP, VP, PP etc.) strukturell identisch sein müssen. Da gemäß Kayne (1984) im Rahmen von GB Knoten nur binär verzweigt sein können, müssen diese Phrasen auch mehrfachen Komplementen und mehrfachen Adjunkten einer Phrase Rechnung tragen, weshalb Chomsky (1970: 211) davon ausgeht, dass diese Phrasen rekursiv sind. Die Abbildungen 4.4 und 4.5 zeigen die Unterschiede in der Standardtheorie und in GB anhand der ditransitiven Verbalphrase [gives her the book]. Was im frühen GB mit Spezifizierungen wie [±neg] oder [±past], also die Markierung grammatischer Kategorien, angedeutet werden kann, wird vor allem von Pollock (1989) zum Komplex der Inflection Phrase (IP) weiterentwickelt, worin einzelne Projektionen bestimmte morphologische Kategorien ausdrücken, z.B. Tempusphrase (TP) oder Negationsphrase (NegP) (Pollock 1989: 397).
4.1 Theoretische Forschung
VP
gives
| 59
VP
NP
NP
her
the book
V’
Spec
V’
gives
Abb. 4.4: Verbalphrase in Standardtheorie her
DP
the book Abb. 4.5: Verbalphrase in Government & Binding
In einer frühen Form von Government & Binding beschäftigt sich Julia Horváth (1981) auf der Basis des Ungarischen mit der syntaktischen Realisierung von Fokus. Horváth (1981: 98) stellt contra Chomsky (1972a) fest, dass das Ungarische eine syntaktische Strukturposition für fokussierte Konstituenten kennt. Ihr zufolge ist diese Strukturposition der sogenannte prä-V-Knoten, welcher ein linker Schwesterknoten von V0 ist. Unabhängig von der konkreten syntaktischen Realisierung von Fokus im Ungarischen zeigt Horváth somit, dass sich Sprachen wie das Englische einerseits und Sprachen wie das Ungarische andererseits in ihrer syntaktischen Realisierung von Fokus grundlegend unterscheiden. Dies formalisiert sie folgendermaßen: In Sprachen wie Englisch kann jede beliebige Konstituente des Satzes mit [+FOKUS] markiert werden, ohne dass dies Auswirkungen auf die Syntax selbst hätte. In Sprachen wie Ungarisch jedoch gibt es eine bestimmte Phrase, deren Kopf mit [+FOKUS] markiert ist (im Ungarischen die VP) − eine zu fokussierende Konstituente muss nun in diese Phrase hineinbewegt werden, um im Skopus des Fokus zu sein, um also als fokussiert interpretiert werden zu können (Horváth 1981: 133−140). Weiterhin leitet Horváth (1981: 107) aus diesen Beobachtungen die wichtige Erkenntnis ab, dass die Realisierung von Fokus innerhalb der Satzsyntax geschehen muss, da eine Interpretation sowohl auf der Ebene der Logischen Form (C−I) als auch der Phonologischen Form (A−P) erfolgen muss (Horváth 1981: 107). Dies entspricht den Annahmen des Leipziger Modells (vgl. Abschnitt 5.1) gänzlich. Im Kontext einer Untersuchung der Wortstellung im Finnischen entwickelt Maria Vilkuna (1989: 17) den Begriff der Diskurskonfigurationalität: Diskurskonfigurationalität bedeutet ihr zufolge, dass Diskursfunktionen in der Satzsyntax strukturell mit syntaktischen Konfigurationen verbunden sind, dass es also zum Beispiel in der Satzsyntax eine strukturelle Topik- und/oder Fokusposition gibt. Auf der Basis dieser und einiger weiterer ähnlich gelagerter Arbeiten (z.B. Horváth
60 | 4 Forschung zu Informationsstruktur
(1986), É. Kiss (1991)) entwickelt Katalin É. Kiss (1995) das Konzept und den Begriff der Diskurskonfigurationalität weiter. Diskurskonfigurationale Sprachen sind ihr zufolge solche, „[...] in which primary sentence articulation serves to express discourse-semantic functions [...]“ (É. Kiss 1991: 5). Nach É. Kiss (1995: 6) sind hier die informationsstrukturellen Größen Topik und Fokus relevant, welche unabhängig voneinander operieren. Eine Sprache kann also sowohl topik- und fokuskonfigurational sein als auch nur topikkonfigurational oder nur fokuskonfigurational. Begrifflich ist an dieser Stelle zu bemerken, dass É. Kiss die Begriffe diskurskonfigurational und diskursprominent (und die weiterführenden Begriffe topikkonfigurational und topikprominent bzw. fokuskonfigurational und fokusprominent) weitestgehend synonym verwendet. Dies ist nicht unumstritten. Surányi (2016: 425−426) bspw. betont, dass die Begriffe diskurskonfigurational und diskursprominent zu trennen seien; ersterer beschreibe Sprachen, in welchen informationsstrukturelle Größen feste Strukturpositionen in der Satzsyntax einnehmen, während letzterer solche Sprachen beschreibe, in welchen zwar die Wortstellung durch informationsstrukturelle Größen bestimmt sei, dies aber keine Entsprechungen in der Satzsyntax habe. Dies zeigt er an folgenden spanischen Beispielen: (49)
a. Todos
los días compra Juan el diArio. jeder.pl.m def.pl.m Tag.pl kaufen.3sg Juan def.m Zeitung
‘Jeden Tag kauft Juan die ZEItung.’ b. Todos
los días compra el diario JuAN. jeder.pl.m def.pl.m Tag.pl kaufen.3sg def.m Zeitung Juan
‘Jeden Tag kauft JuAN die Zeitung.’ (Spanisch; Surányi 2016: 426, eigene Glossierung und Übersetzung) Zwar sei der Fokus auf der Oberflächenstruktur jeweils rechtsperipher realisiert, doch in unterschiedlichen Strukturpositionen: In (49a) sei el diario als Komplement von V0 realisiert, in (49b) sei Juan jedoch in SpecVP realisiert (Surányi 2016: 426). Daher sei Spanisch zwar eine fokusprominente Sprache, aber keine fokuskonfigurationale Sprache. Vor allem bei der Diskussion von Fokusrealisierungen und dem Zusammenhang von Fokus und Wortstellung in den Objektsprachen wird in Abschnitt 8.2 noch einmal auf diese Begrifflichkeiten eingegangen. Mit Aufkommen dieser Begrifflichkeiten mehren sich Arbeiten, die sich in diesem Sinne mit der syntaktischen Realisierung von informationsstrukturellen Größen beschäftigen. In Uriagereka (1988) und Brody (1990) wird unabhängig voneinander die Idee entwickelt, auch Fokus als morphosyntaktische Kategorie (vergleichbar mit Tempus, Kongruenz etc.) zu betrachten und in Folge dessen von der Projektion einer funktionalen Fokusphrase auszugehen. Dieser Ansatz wird im Minimalismus der 1990er-Jahre vor allem in der sogenannten „kartographischen Schule“ (die prominentesten Vertreter sind Guglielmo Cinque und Luigi
4.1 Theoretische Forschung |
61
Rizzi) weiterentwickelt. Im Minimalismus kommt zum lexikalischen Komplex der Verbalphrase VP und dem morphologischen Komplex der Inflection Phrase IP noch der syntaktisch-pragmatische Komplex der Complementizer Phrase CP (Rizzi 1997: 281). Ebenso wie Pollock (1989) die IP in diverse funktionale Phrasen aufspaltet (z.B. Subjektkongruenzphrase (AgrS P), Tempusphrase (TP)), wird in der kartographischen Schule die CP in mehrere funktionale Phrasen aufgespalten. Dazu gehören nach Rizzi (1997: 286−287) auch eine Topikphrase (TopP) und eine Fokusphrase (FocP). Abgegrenzt seien diese Phrasen nach oben durch ForceP, die im weitesten Sinne illokutionäre Ausdrücke beinhalte, und nach unten durch FinP, die die Finitheitsmerkmale des Satzes enthalte (Rizzi 1997: 283). Die funktionale Superstruktur des Satzes – also die erweiterte CP – hat nach Rizzi (1997: 297) die Form in Abbildung 4.6. CP
ForceP
Spec
Force’
Spec
TopP
Force
Top’
Spec
FocP
Top
Foc’
Spec
Foc
FinP
Spec
Fin’
Fin IP Abb. 4.6: Funktionale Superstruktur des Satzes nach Rizzi (1997)
62 | 4 Forschung zu Informationsstruktur
Hierbei nimmt Rizzi (1997: 286) an, dass in SpecTopP das Topik des Satzes steht und der gesamte Satz ab FocP Kommentar des Satzes ist. Der Fokus des Satzes steht ihm zufolge (1997: 287) in SpecFocP, der Rest des Satzes ab FinP ist präsupponiert. Beispielhaft sei ein italienisches Satzpaar genannt: (50)
a. Il
tuo libroi , loi h-o compra-to. def dein.m Buch 3sgpro.m.acc aux-1sg kaufen-ptcp.pst
‘Dein Buch, ich habe es gekauft.’ b. Il
TUo libro h-o compra-to. def dein.m Buch aux-1sg kaufen-ptcp.pst
‘DEIN Buch habe ich gekauft, (nicht seins).’ (Italienisch; Rizzi 1997: 289−290, eigene Glossierung und Übersetzung) In Beispiel (50a) ist il tuo libro Topik des Satzes, in Beispiel (50b) hingegen Fokus – aus diesem Grund ist in Beispiel (50a) die Realisierung des klitischen Akkusativpronomens lo obligatorisch, in Beispiel (50b) hingegen ungrammatisch (Rizzi 1997: 289). Angewandt auf Rizzis Syntaxmodell müssten beide Sätze die Satzstruktur in Abbildung 4.7 bzw. in Abbildung 4.8 zeigen. CP
CP
..
Spec
..
Spec
TopP
DP
TopP
Top’
FocP
Il tuo libro, Top
Spec
Top’
Spec
FocP
Top
..
DP
..
IP
Il tuo libro
IP
lo ho comprato.
Abb. 4.7: Satzstruktur von (50a) nach Rizzi (1997)
ho comprato.
Abb. 4.8: Satzstruktur von (50b) nach Rizzi (1997)
Hier muss ergänzt werden, dass Rizzi die Bewegung von Topik und Fokus in die entsprechende Position in TopP bzw. FocP nicht immer vorsieht, in Beispiel (51) bspw. geht er von einer Fokusrealisierung in situ aus (Rizzi 1997: 287):
4.1 Theoretische Forschung |
(51)
63
H-o let-to il TUo libro. aux-1sg lesen-ptcp.pst def dein.m Buch ‘Ich habe DEIN Buch gelesen, (nicht seins).’ (Italienisch; Rizzi 1997: 287, eigene Glossierung)
Markiert werden Topik und Fokus nach Rizzi (1997: 287) durch die Zuweisung eines Topik- bzw. Fokusmerkmals. Hier werden Topik- und Fokusmerkmale als morphosyntaktische Merkmale verstanden (zu Konsequenzen s. Abschnitt 5.1), es wird also von der Projektion einer Topik- und Fokusphrase ausgegangen. Tatsächlich kann Rizzi mit seiner Analyse einige informationsstrukturell bedingte Bewegungen in der Syntax romanischer Sprachen erklären. Er bleibt allerdings eine wirkliche Bestimmung der Größen Topik und Fokus schuldig, kann weiterhin auch nicht die Notwendigkeit der Annahme der Projektion einer Topik- und einer Fokusphrase begründen. Letzteres ist vor allem daher problematisch, da er eben die Bewegung fokalen Materials nach FocP nicht als obligatorisch ansieht (s.o.). In Abschnitt 5.1 sowie in den Abschnitten 7.6 und 8.7 wird auf diesen Themenkomplex noch sehr detailliert eingegangen.
4.1.5 Zwischenfazit Die Diskussion in den vorherigen Abschnitten hat gezeigt, dass die Forschung zu Informationsstruktur weder begrifflich-semantisch noch formal-syntaktisch einheitlich ist. Es existieren nach wie vor eine Reihe an Definitionen der Größen Topik (alte Information, vorerwähnter Diskursreferent, Gegenstand der Aussage des Satzes) und Fokus (neue Information, für den Sprecher wichtige Information). Nicht immer wird unzweifelhaft klar, von welcher Definition ausgegangen wird. Noch wesentlich unklarer und ungelöst ist die Frage nach der syntaktischen Realisierung informationsstruktureller Größen. Auf die Lösung dieser Frage arbeitet die vorliegende Untersuchung in den folgenden Kapiteln hin. Zudem fällt auf, dass sämtliche Ansätze sich im Wesentlichen damit beschäftigen, Informationsstruktur im engeren Sinne, d.h. auf Satzebene (vgl. Kapitel 1), zu beschreiben. Theoretische Forschung zu Informationsstatus gibt es zwar aus pragmatischer Perspektive (z.B. Prince (1981), Ariel (1990)), kaum aber aus formalsyntaktischer Perspektive, weshalb sie an dieser Stelle entsprechend dem Schwerpunkt dieser Arbeit nicht im Ganzen referiert werden soll. Auf für die Modellierung des Leipziger Modells wichtige Ansätze wird in Abschnitt 6.2 eingegangen.
64 | 4 Forschung zu Informationsstruktur
4.2 Bisherige Forschung zu Informationsstruktur in den Objektsprachen Dieser Abschnitt soll klären, inwieweit informationsstrukturelle Fragen in der Forschung zu den hier gewählten Objektsprachen eine Rolle spielen und wie diese angegangen und beschrieben werden. Ein Überblick ergibt, dass die vorhandene Literatur recht eklektisch ist und bis auf einzelne Ausnahmen wenig zusammenhängendes Material zu finden ist. Da sich die vorhandene Literatur zum großen Teil auf Einzelsprachen fokussiert, ist dieses Kapitel auch nach den Objektsprachen gegliedert und nicht etwa nach möglichen thematischen Sinngebieten. Mit Blick auf die grundlegende Absicht dieser Arbeit, Universalität und Erklärungsadäquatheit anzustreben, mag dies verwundern. Der Vorteil dieser Vorgehensweise ist jedoch, die vorhandene Literatur strukturiert und konsistent wiedergeben zu können. In Abschnitt 4.2.1 wird mit der Beschreibung der wenig vorhandenen allgemeineren Literatur begonnen, in Abschnitt 4.2.2 folgt die Beschreibung des Forschungsstands zum Chantischen: Die Wahl des Chantischen an dieser Stelle ist nicht zufällig, sondern trägt dem Rechnung, dass diese Sprache unter den gewählten hinsichtlich ihrer Informationsstruktur bei weitem am besten beschrieben ist. In den Abschnitten 4.2.3 bis 4.2.6 folgen die weiteren Sprachen.
4.2.1 Allgemeines In Kapitel 2 wurde beschrieben, dass alle hier untersuchten Sprachen – in unterschiedlichem Maße – die grundlegende Wortstellung SOV aufweisen. In Kim (1988: 150) wird herausgearbeitet, dass in Sprachen dieses Typs die Fokusposition die unmittelbar präverbale Position im Satz ist. Als Beleg dafür nennt er vor allem die In-Situ-Positionierung von Interrogativpronomina und entsprechende Frage-Antwort-Paare, vgl. Beispiele (52) und (53): (52)
Para-yı kim çal-dı? Geld-acc wer stehlen-pst.3sg ‘Wer hat das Geld gestohlen?’ (Türkisch⁶; Kim 1988: 152, zitiert aus Erguvanlı (1984: 35))⁷
6 Es wird in dieser Arbeit auf den hyperkorrekten Begriff Türkeitürkisch verzichtet. Türkisch bezieht sich auf die Einzelsprache, die in der Türkei gesprochen wird, während auf die Gesamtheit der Turksprachen mit den Begriffen turksprachig oder turksprachlich verwiesen wird. 7 Kim gibt keine Antwort zu dieser Frage an; eine entsprechende Antwort wäre Parayı Ahmet çaldı. ‘AHmet hat das Geld gestohlen.’ (eigenes Beispiel).
4.2 Bisherige Forschung zu Informationsstruktur in den Objektsprachen |
(53)
65
a. Sita ante evariki ishtam?
Sita acc wer
mögen
‘Wer mag Sita?’ b. Sita ante Ramki ishtam.
Sita acc Ramki mögen ‘RAMki mag Sita.’ (Telugu (< Dravidisch); Kim 1988: 153) Kim (1988: 149) leitet die unmittelbar präverbale Fokusposition aus dem sogenannten Information Flow Principle her, welches besagt, dass alte Information im Satz vor neuer Information steht. Auch in SOV-Sprachen gilt nach Kim (1988: 149) dieses Prinzip: Da in SOV-Sprachen die satzfinale Position aber durch das finite Verb besetzt ist, steht in diesen Sprachen die fokussierte Konstituente unmittelbar vor dem Verb. Erguvanlı (1984: 34) kommt für das Türkische (neben dem Japanischen und Koreanischen wohl die prominenteste SOV-Sprache) zum selben Ergebnis, ferner zeigt sie, dass im Türkischen die Topikposition satzinitial ist: (54)
Makarna-yı ben hiç sev-m-iyor-um. Spaghetti-acc 1sgpro überhaupt mögen-neg-prog-1sg ‘Spaghetti mag ich überhaupt nicht.’ (Türkisch; Erguvanlı 1984: 38)
Sowohl aus Kim (1988) als auch aus Erguvanlı (1984) ergibt sich also die Ausgangshypothese, dass SOV-Sprachen feste Topik- und Fokuspositionen kennen, wobei erstere satzinitial und letztere unmittelbar präverbal ist. In den Abschnitten 7.1 und 8.2 wird explizit hierauf eingegangen und die Hypothese für die untersuchten Sprachen überprüft. Weiterhin wird im Laufe der Beschreibung und Modellierung des Leipziger Modells aus theoretischer Perspektive darauf eingegangen. Gorelova (2006: 155) argumentiert ebenso für eine satzinitiale Topikposition in SOV-Sprachen (bzw. genauer in altaischen Sprachen). Zudem geht sie davon aus, dass alle altaischen Sprachen Topikmarker aufweisen (Gorelova 2006: 156), welche häufig aus Konverben eines Existentialverbs oder eines Verbum dicendi grammatikalisiert seien (Gorelova 2006: 166). Diese weitgehende These begründet sie mit Beispielen aus sowohl einigen Turksprachen als auch aus tungusischen (u.a. Ewenkisch) und mongolischen Sprachen, vgl. Beispiel (55):
66 | 4 Forschung zu Informationsstruktur
(55)
Sulakiː bimi uɣiskiː iˇcə-hin-ˇcəː [...]. Fuchs top nach.oben schauen-inch-ptcp.pst ‘Der Fuchs schaute nach oben [...].’ (Ewenkisch; Gorelova 2006: 159)⁸
In diesem Satz sei bimi (< bi-mi ‘sein-cvb.cond’) als Topikmarker zu analysieren (Gorelova 2006: 159). In Abschnitt 7.7 wird auf mögliche Topikmarker sowohl im Dolganischen als auch im Ewenkischen eingegangen. Schon an dieser Stelle kann aber festgestellt werden, dass Gorelova zwar Beispiele für den Gebrauch von Topikmarkern nennt, aber keineswegs Antwort gibt, ob diese obligatorisch sind, wie frequent sie auftreten o.ä. Ein Themengebiet, das im Rahmen dessen, was in Kapitel 1 als Informationsstatus beschrieben wurde, relevant ist, wurde in einigen Artikeln v.a. zu uralischen Sprachen bearbeitet: der nicht-possessive Gebrauch von Possessivsuffixen. Schon seit langem ist sowohl für uralische Einzelsprachen (vgl. z.B. Wiedemann (1847: 36) für Komi oder Castrén (1854: 207) für Nenzisch) als auch allgemein zu uralischen Sprachen (vgl. z.B. Collinder (1957), Tauli (1966)) beobachtet worden, dass Possessivsuffixe nicht nur possessive Relationen ausdrücken, sondern auch „Definitheit“ ausdrücken können. Nikolaeva (2003: 130) erkennt dieses Phänomen ebenfalls, verneint jedoch, dass es sich um die Markierung von grammatischer Definitheit handelt. Vielmehr ginge es darum, im Diskurs identifizierbare Referenten als solche kenntlich zu machen; dabei können diese, müssen aber nicht vorerwähnt sein (Nikolaeva 2003: 131−132), vgl. folgende Beispiele: (56)
a. Ul-l-əŋən
kat niŋ sar ur mor ur kutna. sein-prs-3du zwei Frau dick Wald dicht Wald in
‘Es sind/leben zwei Frauen im dicken, dichten Wald.’ b. I
niŋ-əl nur atsam, i niŋ-əl nur nomsəŋ. eins Frau-poss3sg sehr dumm eins Frau-poss3sg sehr klug
‘Die eine Frau ist sehr dumm, die andere Frau ist sehr klug.’ (Nordchantisch; Nikolaeva 2003: 134) (57)
Guˇzdor vylyn turyn-ez cˇ eber. Feld auf Gras-poss3sg schön ‘Das Gras auf dem Feld ist schön.’ (Udmurtisch; Nikolaeva 2003: 133, zitiert aus Alatyrev (1970: 85))
In Satz (56b) sind die relevanten Referenten vorerwähnt, in Satz (57) ist der relevante Referent nicht vorerwähnt, jedoch aus dem Kontext für den Hörer zugänglich.
8 Transkription und Glossierung sind an die hier verfolgten Standards angepasst.
4.2 Bisherige Forschung zu Informationsstruktur in den Objektsprachen |
67
In beiden Fällen wird das Possessivsuffix der 3. Person Singular verwendet und die Referenten hiermit markiert. Neben dem Possessivsuffix der 3. Person Singular können nach Nikolaeva (2003: 136−140) auch Possessivsuffixe anderer Personen, v.a. der 2. Person Singular, verwendet werden, wobei deren Gebrauchsdomäne teilweise abweiche. Im folgenden Beispiel tritt ein Possessivsuffix der 2. Person Singular genau dort auf, wo eine possessive Relation das Possessivsuffix der 3. Person Singular fordern würde; hier wird jedoch nur die Vorerwähntheit des Referenten markiert. (58)
˘ ˘ Wul-li ji-s uˇze, aˊs-en palat-ti groß-trl werden-pst.3sg schon Vater-poss2sg Länge-trl wanamə-s. erreichen-pst.3sg ‘Er ist schon groß geworden, er hat die Größe des Vaters erreicht.’ (Nordchantisch; Nikolaeva 2003: 138)
Neben dieser anaphorisch verweisenden Funktion dienen die Possessivsuffixe der 1. und 2. Person gemäß Nikolaeva (2003: 136−138) dazu, eine kognitive Verbindung zwischen dem jeweiligen Referenten und der Gesprächssituation herzustellen, vgl. Beispiel (59), in dem der Sprecher auf ein Auto im Sichtfeld des Hörers verweist. (59)
Want-a tăm mašinaj-en jowra man-əs. schauen-imp.2sg dieser Auto-poss2sg weg gehen-pst.3sg ‘Schau, dieses Auto ist weggefahren.’ (Nordchantisch; Nikolaeva 2003: 137)
Eine wichtige Bemerkung von Nikolaeva (2003: 134) ist schließlich, dass der Gebrauch der Possessivsuffixe zur Markierung identifizierbarer Referenten in uralischen Sprachen stets optional sei. Insgesamt bleiben die genauen Funktionen und Gebrauchsdomänen der Possessivsuffixe jedoch recht unklar; in Abschnitt 6.2 und 9.2 wird näher auf diesen Themenkomplex eingegangen. In Dalrymple & Nikolaeva (2011) wird dafür argumentiert, dass informationsstrukturelle Phänomene Einfluss auf die Morphologie einiger uralischer Sprachen, v.a. des Chantischen und Nenzischen, ausüben. Hierbei geht es vor allem um sogenanntes Object Agreement aufgrund der Topikalität des entsprechenden direkten Objekts im Satz. Dalrymple & Nikolaeva (2011: 48) definieren Topik als diejenige Komponente des Satzes, über die eine Aussage gemacht wird. Weiter gehen sie davon aus, dass die Rolle des Topiks im Satz nicht unbedingt auf eine Komponente des Satzes beschränkt ist, sondern dass auch sogenannte Sekundäre Topiks auftreten können (Dalrymple & Nikolaeva 2011: 53). Letztere träten vor allem dann auf, wenn eine Komponente des Satzes nicht Primäres Topik sei, aber auch nicht im Skopus des Fokus des Satzes liege (Dalrymple & Nikolaeva 2011: 54). So implizieren
68 | 4 Forschung zu Informationsstruktur
sie in gewisser Weise eine Opposition von Topik und Fokus − auf diese Problematik wird in Kapitel 5 noch näher eingegangen. Das Chantische (vgl. Abschnitt 2.1) und das Nenzische (Salminen 1998: 530) kennen eine objektive Konjugation bzw. in der Terminologie von Dalrymple & Nikolaeva Object Agreement − hierbei kongruiert die Verbform nicht nur mit Person und Numerus des Subjekts, sondern auch mit dem Numerus des Objekts (Nikolaeva 1999b: 24; Salminen 1998: 534)⁹. Sei ein direktes Objekt in diesen Sprachen nun topikal bzw. sei es in der Rolle eines Sekundären Topiks im Satz, so löse es die objektive Konjugation am Verb aus (Dalrymple & Nikolaeva 2011: 14, 128−129), vgl. folgende Beispiele¹⁰: (60)
a. „Welches Rentier hat er getötet?“ b. Tam
kalaŋ weːl-əs. dieses Rentier töten-pst.3sg
‘Er hat DIEses Rentier getötet.’ (Nordchantisch; Dalrymple & Nikolaeva 2011: 14) (61)
a. „Was hat er mit dem Rentier gemacht?“ b. Tam
kalaŋ weːl-s-əlli. dieses Rentier töten-pst-3sg.obj
‘Er hat dieses Rentier geTÖtet.’ (Nordchantisch; Dalrymple & Nikolaeva 2011: 14) (62)
a. „Wen hat Wanja geschlagen?“ b. Wan’a P’et’a-m
ladə. Wanja Pjetja-acc schlagen.aor.3sg
‘Wanja hat PJEtja geschlagen.’ (Tundranenzisch; Dalrymple & Nikolaeva 2011: 128−129) (63)
a. „Wo hat Wanja Pjetja geschlagen?“ b. Wan’a P’et’a-m
pedara-xəna ladə-da. Wanja Pjetja-acc Wald-loc schlagen-aor.3sg.obj
‘Wanja hat Pjetja im WALD geschlagen.’ (Tundranenzisch; Dalrymple & Nikolaeva 2011: 128−129)
9 Da die Kongruenz der Verbform mit dem direkten Objekt offensichtlich nur sehr rudimentär ist, wird hier nicht der Begriff Object Agreement verwendet, sondern von der objektiven Konjugation im Gegensatz zur subjektiven Konjugation des Verbs gesprochen und damit der traditionellen Terminologie gefolgt. 10 Die Glossierung ist an die hier verfolgten Standards angepasst, die Hervorhebung der fokussierten Konstituente ist meine eigene.
4.2 Bisherige Forschung zu Informationsstruktur in den Objektsprachen |
69
In den Beispielen (60) und (62) liege die subjektive Konjugation vor, da hier ein minimaler Fokus auf dem direkten Objekt liege, es also nicht topikal sei. In den Beispielen (61) und (63) hingegen liege das direkte Objekt nicht im Skopus des Fokus, sei daher topikal und löse die objektive Konjugation am Verb aus (Dalrymple & Nikolaeva 2011: 14, 129). Der Gebrauch der objektiven Konjugation hängt also offensichtlich im weitesten Sinne von informationsstrukturellen Faktoren ab, auf die objektive Konjugation im Chantischen, Enzischen und Nganasanischen wird in Abschnitt 9.3 explizit eingegangen.
4.2.2 Chantisch Neben den „großen“ Sprachen Finnisch, Ungarisch und Estnisch dürfte das Chantische diejenige uralische Sprache sein, mit deren Informationsstruktur sich am frühesten und bis heute am intensivsten beschäftigt wurde. Schon in frühen Arbeiten wurden informationsstrukturell relevante Phänomene immer wieder bearbeitet, so beispielsweise Herkunft und Gebrauch der objektiven Konjugation (Gulya 1967, Ganschow 1972, Honti 1984b, Szalacsek 1984) und das Passiv (Bouda 1936, Honti 1982, Schiefer 1983 und 1985). Alle diese Arbeiten jedoch verbleiben auf einer deskriptiven Ebene und gehen nicht auf informationsstrukturelle Faktoren ein, weshalb sie hier nicht im Detail referiert werden sollen. Mit dem Passiv im Ob-Ugrischen (d.h. sowohl im Chantischen als auch im Mansischen) beschäftigt sich Ulla-Maija Kulonen (1989) sehr fundiert und ausführlich. Hierbei stellt sie fest, dass eine zentrale Funktion des Passivs im Ob-Ugrischen die Topikalisierung eines nicht-primären Aktanten des Verbs (d.i. eines Nicht-Agens) sei (Kulonen 1989: 288). Hierin liege u.a. der Grund für die weite Ausbreitung des Passivs in den ob-ugrischen Sprachen, d.h. dafür, dass Konstituenten jeglicher semantischer Rollen passiviert werden können (Kulonen 1989: 286; vgl. Abschnitt 2.1). Ferner deutet Kulonen (1989: 288) an, dass im Falle der overten Realisierung des Agens im passivierten Satz eben dieses fokussiert sei. Das Passiv im Chantischen wird in Abschnitt 7.2 detailliert beschrieben. Ein wichtiger, jedoch wenig beachteter Artikel zu Informationsstruktur im Chantischen ist Nikolaeva et al. (1993). Der Ausgangspunkt des Artikels ist die Feststellung, dass in den Norddialekten des Chantischen die Verteilung semantischer Rollen und syntaktischer Funktionen von kommunikativen Faktoren abhängt (Nikolaeva et al. 1993: 125), dass sich, mit anderen Worten, pragmatische Größen also in der Morphosyntax widerspiegeln. Die Autorinnen gehen von drei informationsstrukturellen Größen aus: Topik 1 (T1 ), Topik 2 (T2 ) und Fokus (F) (Nikolaeva et al. 1993: 126). Topik 1 wird als im Diskurs markiert (d.h. vorerwähnt, definit, gegeben) und als im Zentrum des Interesses des Sprechers befindlich verstanden
70 | 4 Forschung zu Informationsstruktur
(Nikolaeva et al. 1993: 126). Interessant und nicht unwichtig ist auch die Bemerkung, dass meistens nur ein Topik 1 im Text bzw. Textabschnitt auftrete (Nikolaeva et al. 1993: 127). Das Topik 2 wird durch den referentiellen Status eines Satzelementes bestimmt: Ist ein Satzelement gegeben (given im Sinne von Chafe (1976)), d.h. im Bewusstsein des Hörers aktiviert, so kann es als Topik 2 fungieren (Nikolaeva et al. 1993: 127). Wichtig ist außerdem, dass ein Topik 2 im Gegensatz zu einem Topik 1 offenbar unmittelbar „im nächstmöglichen linken Kontext“ erwähnt sein muss (Nikolaeva et al. 1993: 127). Dies alles impliziert, dass es nur ein Topik 1 im Satz geben kann, hingegen aber mehrere Topiks 2. Zu beobachten ist schon an dieser Stelle, dass die Notationen beider Topikbegriffe nicht wirklich klar sind und Topik 1 und Topik 2 eher als zwei unterschiedliche Grade derselben informationsstrukturellen Größe gedacht werden als als zwei unterschiedliche informationsstrukturelle Größen. Der Begriff Fokus schließlich wird nicht explizit erläutert und scheint sowohl mit neuer Information als auch mit für den Sprecher wichtiger Information assoziiert zu sein (Nikolaeva et al. 1993: 128). Ausgehend von diesen informationsstrukturellen Größen betrachten Nikolaeva et al. verschiedene syntaktische Konstruktionen mit verschiedenen semantischen Rollen der Partizipanten. Dabei unterscheiden sie einerseits zwischen subjektiven, objektiven und passivischen Satzkonstruktionen − was sich jeweils in der Verbalmorphologie widerspiegelt − und andererseits den semantischen Rollen Agens, Patiens und Rezipient (Nikolaeva et al. 1993: 126, 129). Aus ihren weiteren Ausführungen ist das Folgende für diese Arbeit relevant: 1. Die informationsstrukturelle Größe Topik 1 ist im Chantischen untrennbar mit der Subjektposition verbunden. Entspricht das Topik 1 nicht derjenigen Satzkomponente mit der semantischen Rolle Agens, so muss durch Passivierung diese Satzkomponente in die Subjektposition gebracht werden (Nikolaeva et al. 1993: 138−139). In Satz (64b) entspricht das Agens dem Topik 1, in Satz (65b) hingegen nicht, folgerichtig wird der letztere Satz passiviert: (64)
a. „Was passierte?“ oder „Was machte Juwan?“
˘ b. Juwan Petra reskə-s. Juwan Pjotr schlagen-pst.3sg ‘Juwan schlug Pjotr.’¹¹ (Nordchantisch, Šuryškary; Nikolaeva et al. 1993: 130)
11 Juwan ist die chantische Variante des russischen Namens Ivan. Petra entspricht russisch Pjotr; hier ist interessant, dass die russische Akkusativform Petra (mit Akzent auf der zweiten Silbe) im Chantischen als Lexikonform zu fungieren scheint.
4.2 Bisherige Forschung zu Informationsstruktur in den Objektsprachen
(65)
| 71
a. „Was passierte mit Pjotr?“
˘ b. Petra Juwan-ən reskə-s-a. Pjotr Juwan-ins schlagen-pst-pass.3sg ‘Pjotr wurde von Juwan geschlagen.’ (Nordchantisch, Šuryškary; Nikolaeva et al. 1993: 131) 2. Wenn das direkte Objekt eines Satzes als Topik 2 interpretiert werden kann, löst es die objektive Konjugation am Verb aus (Nikolaeva et al. 1993: 139). In Satz (64b) oben ist das direkte Objekt nicht vorerwähnt, kann also nicht als Topik 2 interpretiert werden, in Satz (66b) schon, folglich zeigt sich am Verb die objektive Konjugation: (66)
a. „Was machte Juwan mit Pjotr?“
˘ ˘ b. Juwan tumel
reskə-s-l˘ı. Juwan 3sgpro.acc schlagen-pst-3sg.obj
‘Juwan schlug ihn.’ (Nordchantisch, Šuryškary; Nikolaeva et al. 1993: 131) 3. Wenn der Rezipient in einem ditransitiven Satz als Topik 2 interpretiert werden kann, nicht aber das Thema, dann wird der Rezipient als direktes Objekt realisiert und das Thema als Adverbial (Nikolaeva et al. 1993: 139) − in ditransitiven Sätzen findet also differentielle Objektmarkierung (DOM) statt. In Satz (67b) können sowohl Thema als auch Rezipient als Topik 2 interpretiert werden, in Satz (68b) hingegen nur der Rezipient, weshalb der Rezipient hier als direktes Objekt realisiert wird: (67)
a. „Juwan brachte eine Tasse zu Pjotr und...“
˘ ˘ b. Juwan tumela
˘ ı. tăm an ma-s-l˘ Juwan 3sgpro.dat dieser Tasse geben-pst-3sg.obj
‘Juwan gab ihm diese Tasse.’ (Nordchantisch, Šuryškary; Nikolaeva et al. 1993: 134) (68)
a. „Juwan kam zu Pjotr und...“
˘ ˘ b. Juwan tumel
˘ ı. an-ən ma-s-l˘ Juwan 3sgpro.acc Tasse-ins geben-pst-3sg.obj
‘Juwan gab ihm eine Tasse.’ (Nordchantisch, Šuryškary; Nikolaeva et al. 1993: 134) In Koškareva (2002) und Nikolaeva (1999a, 2001) werden die oben genannten Feststellungen durch weitere syntaktische Überlegungen (z.B. zum Verhalten von Objekten in Nebensätzen) unterstrichen, für diese Arbeit essentiell neue Ergebnisse werden nicht erzielt.
72 | 4 Forschung zu Informationsstruktur
Während sich die bisherigen Annahmen und Aussagen vorwiegend auf mit Topiks zusammenhängende Phänomene beziehen, gehen Nikolaeva et al. nur sehr knapp auf die Fokusrealisierung im Chantischen ein. Sie stellen hierbei fest, dass (minimal) fokussierte Konstituenten unmittelbar präverbal stehen und dass es eine Reihe an Fokuspartikeln wie tup ‘nur’, χ˘olna ‘sogar’ oder pa ‘auch’ im Chantischen gebe (Nikolaeva et al. 1993: 159−163; vgl. auch Kudrinskij et al. (2014)). Klumpp (2012: 361−368) weist auf einen interessanten Zusammenhang zwischen pronominaler Kasusmarkierung und Fokusrealisierung im Kazymchantischen hin. Personalpronomina im Kazymchantischen kennen kurze und lange Dativ- bzw. Akkusativformen, z.B. ma ‘1sgpro’ vs. manət ∼ manti ‘1sgpro.acc’ vs. manem ∼ manema ‘1sgpro.dat’. Klumpp (2012: 364, 368) schlägt vor, dass die kurzen Formen unmarkiert sind, während die langen Formen Zugehörigkeit des entsprechenden Personalpronomens (bzw. seines Referenten) zur Fokusdomäne markieren; in anderer Terminologie kommt Koškareva (2002: 30) zu ähnlichen Ergebnissen. In Abschnitt 8.8 gehe ich näher hierauf ein. Wie bereits in Abschnitt 4.2.1 angesprochen wurde, bemerkt u.a. Nikolaeva (2003) den Gebrauch von Possessivsuffixen zur Diskursstrukturierung im Chantischen. Janda (2019) beschreibt folgende Diskursfunktionen von Possessivsuffixen für das Chantische: Zum einen können mithilfe von Possessivsuffixen neue Referenten in einen Diskurs eingeführt werden und an einem bereits erwähnten Referenten „verankert“ werden (Janda 2019: 137). Das folgende mansische Beispiel − Janda beschreibt diese Funktion für alle drei ugrischen Sprachen − illustriert dies, für das Chantische ließen sich wohl analoge Beispiele finden, welche Janda jedoch nicht explizit nennt: (69)
Peːs’-e n’aːl-əl ta χoːj-wə-s. Hüfte-poss3sg Pfeil-ins emph treffen-pass-pst.3sg ‘Ein Pfeil traf seine Hüfte.’ (Nordmansisch; Janda 2019: 137, Glossierung adaptiert)
Zum anderen − und für die vorliegende Arbeit wichtiger − beschreibt Janda (2019: 140−146), dass bereits in den Diskurs eingeführte Referenten durch den Gebrauch eines Possessivsuffixes reaktiviert werden können, also auf sie referiert werden kann. Besonders salient seien hier die Possessivsuffixe der 3. Person, es kämen jedoch auch Possessivsuffixe der 1. und 2. Person vor (Janda 2019: 140, 144). Das folgende Beispiel illustriert den entsprechenden Gebrauch eines Possessivsuffixes der 3. Person Singular im Kazymchantischen:
4.2 Bisherige Forschung zu Informationsstruktur in den Objektsprachen
(70)
| 73
Ike-ʌ sorm-a pit-əm jupijn. Mann-poss3sg Tod-lat fallen-ptcp.pst nach ‘Nachdem der Mann gestorben war.’¹² (Nordchantisch, Kazym; Janda 2019: 142, Glossierung adaptiert)
Sosa (2015) schließlich analysiert den Zusammenhang von Negation und Vorerwähntheit und kommt zu dem Schluss, dass in negierten Sätzen die zentralen Referenten (Subjekt und Objekt) dazu neigen, vorerwähnt zu sein, während dies in affirmativen Sätzen nicht der Fall sei. Bilanz der vorhandenen Literatur zum Chantischen ist also, dass der Gebrauch des Passivs, der Gebrauch von Possessivsuffixen und der Gebrauch der objektiven Konjugation im Zusammenhang mit informationsstrukturellen Faktoren recht intensiv diskutiert wurde. In den Abschnitten 7.2, 9.2 und 9.3 werden diese Phänomene detailliert erörtert.
4.2.3 Enzisch Das Enzische ist hinsichtlich seiner Informationsstruktur weit weniger beschrieben und erforscht als beispielsweise das Chantische. Siegl (2013a: 370) beschreibt die Möglichkeit topikalisierter direkter Objekte (trotz rigidem SOV und Synkretismus von Nominativ und Akkusativ), vgl. folgendes Beispiel: (71)
Busi mod’ bodu-n mod¨a-bu-ˇs. alter.Mann 1sgpro Tundra-locadv sehen-1sg.obj-pst ‘Den alten Mann, ich habe ihn in der Tundra gesehen.’ (Waldenzisch; Siegl 2013a: 370)
Gemäß Siegl (2013a: 370) ist busi hier topikalisiert und an die linke Satzperipherie bewegt, es zeigt keine Kasusmarkierung und löst am Verb die objektive Konjugation aus. Siegls Übersetzung (‘The old man, I saw him in the tundra.’) sowie der Begriff left-detached topic lassen vermuten, dass es sich hier um eine Left Dislocation im Sinne Gundels (s.o.) handeln soll, daher wird in den Abschnitten 7.1 und 7.5 näher darauf eingegangen. Eine weitere Topikalisierungsstrategie ist gemäß Siegl (2013a: 77−78) der Gebrauch des Passivs, hierauf wird in Abschnitt 7.2 eingegangen. Weiterhin geht Siegl (2013a: 375−376) davon aus, dass direkte Objekte der 3. Person dann die objektive Konjugation am Verb auslösen, wenn sie als Sekundäres
12 Es handelt sich hier um einen infiniten Nebensatz, welchem wahrscheinlich ein finiter Hauptsatz folgt, der jedoch in der Quelle nicht genannt ist, weshalb er auch hier nicht wiedergegeben werden kann.
74 | 4 Forschung zu Informationsstruktur
Topik im Sinne Nikolaevas (s.o.) auftreten, vgl. die Beispiele (72a) bis (72c). Objekte der 1. und 2. Person hingegen werden unabhängig von der Informationsstruktur nur mit der subjektiven Konjugation verwendet. (72)
a. [...] Krasnojarska ne-n
d’aɡu-bi-ˇs. Krasnojarsk Seite-locadv nicht.existieren-prf-3sg.pst
‘[...] sie starb bei Krasnojarsk.’ b. Kasa nˊ e-ða
oburu-ʔ [...] Mann Kind-poss3sg Ding-acc.pl kuri-bi-ða-ˇs. zusammenbinden-prf-3sg.obj-pst
‘Ihr Sohn band die Sachen zusammen.’ c. Täxa to
baru-d kai-bi-ða-ˇs. dieser See.gen Ufer-latadv lassen-prf-3sg.obj-pst
‘Er ließ sie dort am Ufer des Sees.’ (Waldenzisch; Siegl 2013a: 376) Sowohl in (72b) als auch in (72c) sind die Sachen der Verstorbenen nach Siegl (2013a: 376) als Sekundäres Topik zu interpretieren, weshalb sie die objektive Konjugation auslösen. Khanina & Shluinsky (2015: 6) schließen sich dieser Interpretation an, auch wenn sie nicht von einem Sekundären Topik, sondern von einem Topik auf Diskursebene sprechen – entsprechend der in Kapitel 1 gemachten Unterscheidung zwischen Informationsstruktur und Informationsstatus ist dieses Phänomen ihnen zufolge also eher auf der Ebene des Informationsstatus zu analysieren. In Abschnitt 9.3 wird dies detailliert besprochen. Khanina & Shluinsky (2015: 7−8) gehen interessanterweise davon aus, dass der Informationsstatus eines Referenten auch Auswirkungen auf seine morphologische Realisierung in Objektposition hat: Im Diskurs prominente Referenten tendieren ihrer Meinung nach zu Nominativmarkierung, im Diskurs nicht-prominente Referenten hingegen zu Akkusativmarkierung. Dies erstaunt einerseits wegen des häufigen Synkretismus von Nominativ und Akkusativ und andererseits deshalb, weil eigentlich im Diskurs prominentere Referenten eher zu stärkerer morphologischer Markierung neigen als im Diskurs weniger prominente Referenten (vgl. Aissen (2003)). In Abschnitt 9.3 wird detailliert hierauf eingegangen. Siegl (2013a: 371−374) weist auf den nicht-possessiven Gebrauch von Possessivsuffixen der 2. und 3. Person Singular hin und stellt fest, dass erstere häufiger und für die Markierung regelmäßig wiederkehrender Topiks gebraucht würden, letztere hingegen seltener und für definite, weniger frequente Topiks. In Abschnitt 9.2 wird detailliert hierauf eingegangen. Schließlich nennt Siegl (2013a: 141, 176, 368) sowohl einen Topikmarker (-ju) als auch eine Fokuspartikel (aˊnʔ). Ersterer wird Siegl (2013a: 176) zufolge nur an
4.2 Bisherige Forschung zu Informationsstruktur in den Objektsprachen
| 75
Adjektiven und für die Markierung von kontrastiven Topiks verwendet, vgl. Beispiel (73): (73)
Naaku-ju sil’eiɡ bunik naaku-ju polði-ŋa. anderer-top weiß Hund anderer-top schwarz-aor.3sg ‘Ein Hund ist weiß, der andere ist schwarz.’ (Waldenzisch; Siegl 2013a: 141)
Die Fokuspartikel aˊnʔ steht gemäß Siegl (2013a: 368) direkt nach der fokussierten Konstituente und meistens an zweiter Position im Satz, dabei könne sie sowohl natürlichen als auch Kontrastfokus ausdrücken, vgl. Beispiele (74) und (75): (74)
Pu d’eð kani-¨a Vitalik aˊn no. Berg.gen in.Richtung gehen-1du Vitalik foc mit ‘Mit Vitalik ging ich in Richtung der Berge.’ (Waldenzisch; Siegl 2013a: 369)
(75)
Mod’ tiˊn d’aɡu-ˇc uu aˊn 1sgpro Rentier.pl.poss1sg nicht.existieren-3pl.pst 2sgpro foc ton¨a-ˇc. existieren-3pl.pst ‘Ich hatte keine Rentiere, du aber hattest welche.’ (Waldenzisch; Siegl 2013a: 368)
Auch wenn in Beispiel (75) eher kontrastive Topiks als Kontrastfokus vorzuliegen scheinen, ist in den Beispielen (73) und (75) die Kontrastierung klar erkennbar. In Beispiel (74) hingegen erschließt sich die Fokusinterpretation von Vitalik nicht unmittelbar, zumal die Konstituente auch postverbal realisiert ist. Ohne gegebenen Kontext kann jedenfalls kaum an diesem Beispiel der Status von aˊnʔ als Fokusmarker gezeigt werden. In Abschnitt 7.7 bzw. 8.8 wird detailliert auf den Status dieser als Topik- bzw. Fokusmarker bezeichneten Einheiten eingegangen.
4.2.4 Nganasanisch Ebenso wie das Enzische ist das Nganasanische hinsichtlich seiner Informationsstruktur nicht systematisch beschrieben, einige Aspekte bzw. mit Informationsstruktur zusammenhängende Phänomene sind jedoch beschrieben worden. Wagner-Nagy (2019: 388−389) geht davon aus, dass die Wortstellung im Nganasanischen weniger rigides SOV zeigt als beispielsweise im Nenzischen oder Enzischen und dass sie von informationsstrukturellen Faktoren abhängt. Tendenziell ist die Fokusposition unmittelbar präverbal (Wagner-Nagy 2019: 459),
76 | 4 Forschung zu Informationsstruktur
möglicherweise lässt die Wortstellungsvariation SOV ∼ SVO jedoch auch eine postverbale Fokusposition zu, was in der Folge zu untersuchen ist. (76)
(Mɨŋ) Voloˇcaŋka-tənu n’ɨlɨ-tɨ-mɨʔ. 1plpro Voločanka-loc leben-aor-1pl ‘Wir leben in VoloČANka.’ (Nganasanisch; Wagner-Nagy 2019: 459)
Auf die Fokusposition wird in Abschnitt 8.2 eingegangen. Als Topikposition wird erwartungsgemäß die satzinitiale Position angenommen (Wagner-Nagy 2019: 456), interessant sind einige Konstruktionen, in denen eine topikale Konstituente zusätzlich durch das anaphorische Demonstrativpronomen təti markiert wird, vgl. Beispiel (77): (77)
Ban-ə turku təti əmə Koðutaʔa-ɡitə d’irsj itibiiʔ Hund-ep.gen See jener dieser.gen Dudinka-abl.pl 120 kilometra. Kilometer ‘Der Hundesee, der ist von Dudinka 120 Kilometer entfernt.’ (Nganasanisch; Wagner-Nagy 2019: 458)
Gemäß Wagner-Nagy (2019: 458) wird mit dem Gebrauch des anaphorischen Pronomens təti auf die eigentliche topikale Konstituente des Satzes verwiesen − es scheint sich in diesem Sinne also um eine Art Topikmarker zu handeln. Auf die Topikposition und die Frage nach dem möglichen Status von təti als Topikmarker wird in den Abschnitten 7.1 und 7.7 explizit eingegangen. Weiterhin kennt das Nganasanische ebenso wie das Enzische ein derivationales Passiv, welches gemäß Leisiö (2006: 219) ein Nicht-Agens topikalisiert und/oder ein Agens fokussiert. Tatsächlich legen einige ihrer Beispiele diese Sichtweise nahe, allerdings scheint vor allem die Topikalisierung durch Passivierung mit der satzinitialen Topikposition in einigen Kontexten zu konfligieren, vgl. Beispiel (78): (78)
[...] Təndə-tə ləŋi-btɨ-rɨ-d’ii-ðə i-bahu jener-lat brennen-caus-pass-pst.rfl-3sg.rfl sein-nar.3sg sˇ kola-muʔ. Schule-poss1pl ‘[Unsere Direktorin, Irina Michajlovna Popova, hatte einen Mann, einen russischen Mann, Platunov Nikolaj.] Von jenem, so sagt man, wurde unsere Schule angezündet.’ (Nganasanisch; Wagner-Nagy 2019: 299−300)
Geht man von einer satzinitialen Topikposition aus, kann in diesem Beispiel nicht ‘Schule’ Topik des Satzes sein. In Abschnitt 7.2 wird der Status des nganasani-
4.2 Bisherige Forschung zu Informationsstruktur in den Objektsprachen
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schen Passivs und seine mögliche Interaktion mit Informationsstruktur genauer diskutiert. Sowohl Wagner-Nagy (2019) als auch Zayzon (2015) beobachten den nichtpossessiven Gebrauch von Possessivsuffixen und berichten, dass wie im Enzischen die Possessivsuffixe der 2. und 3. Person Singular hier zentral sind; laut WagnerNagy (2019: 466−467) ist in geringem Umfang auch das Possessivsuffix der 1. Person Plural einschlägig. Zayzon (2015: 274) gibt an, dass die genannten Possessivsuffixe im Nganasanischen zur anaphorischen Markierung bereits erwähnter Diskursreferenten genutzt werden können, aber auch zur Referenz auf im Diskursuniversum unike Referenten wie Sonne oder Erde. Ein Unterschied zwischen den Formen der 2. und 3. Person Singular liegt ihrer Meinung nach darin, dass die Formen der 2. Person Singular v.a. Subjekte und Primäre Topiks im Sinne Nikolaevas (vgl. Abschnitt 4.2.1) markierten, die Formen der 3. Person Singular hingegen auch an Nicht-Subjekten aufträten und eher Sekundäre Topiks markierten (Zayzon 2015: 270). Wie das Chantische und das Enzische kennt auch das Nganasanische eine objektive Konjugation. Gemäß Wagner-Nagy (2019: 338) wird die objektive Konjugation ausschließlich mit Objekten in der 3. Person verwendet: Obligatorisch ist der Gebrauch dabei, wenn das Objekt im Satz kovert ist; ist das Objekt overt realisiert, ist der Gebrauch nicht obligatorisch. Tendenziell wird die objektive Konjugation dann gebraucht, wenn das Objekt bereits im Diskurs vorerwähnt ist und nicht unmittelbar verb-adjazent steht (Wagner-Nagy 2019: 338−340). In Kapitel 9 wird detailliert sowohl auf den nicht-possessiven Gebrauch von Possessivsuffixen als auch auf den Gebrauch der objektiven Konjugation eingegangen.
4.2.5 Dolganisch Die Informationsstruktur des Dolganischen ist weitestgehend unbeschrieben. Lediglich der nicht-possessive Gebrauch von Possessivsuffixen, vor allem der Gebrauch des Possessivsuffixes der 2. Person Singular, wurde tiefergehend behandelt (Pakendorf 2007, Siegl 2015, Stachowski 1998 und 2010). Während Stachowski und Pakendorf vor allem darstellen, dass Possessivsuffixe nicht-possessiv gebraucht werden können, und diskutieren, wo dieses Phänomen im Dolganischen seinen Ursprung hat, geht Siegl (2015) näher auf die Funktionen der Form ein. Er stellt fest, dass sowohl das Possessivsuffix der 2. Person Singular als auch die Possessivsuffixe der 3. Person zur Markierung von Topiks gebraucht werden können, wobei allerdings nur ersteres solche Topiks wieder in den Diskurs einführen könne, welche zuvor nicht salient waren (Siegl 2015: 76−77), vgl. folgende Beispiele:
78 | 4 Forschung zu Informationsstruktur
(79)
Kihi-ler-e uskaːn-narɨ-n k¨ord-¨uː Mensch-pl-poss3sg Hase-poss3pl-acc suchen-cvb.sim bar-dɨ-lar. gehen-pst1-3pl ‘Die Leute gingen, um nach Hasen zu suchen.’ (Dolganisch; Siegl 2015: 76, Transkription und Glossierung adaptiert)
(80)
a. Paːsɨnaj-ɨ-ŋ
ɨraːktaːɡɨ-laːk e-bit. Bauer-ep-poss2sg Zar-propr sein-pst2.3sg
‘Der Bauer hatte einen Zaren.’
ɨraːktaːɡɨ-ta ɡin⁀ iene d’aktar-daːk e-bit urut ol dieser Zar-poss3sg seine Frau-propr sein-pst2.3sg früher jener d’aktar-a o¨ l-b¨ut, oɡduba [...] Frau-poss3sg sterben-pst2.3sg Witwer
b. Bu
‘Dieser Zar hatte einmal eine Frau, diese Frau starb, er ist Witwer [...]’ c. Paːsɨnaːj-ɨ-ŋ
ɨraːktaːɡɨ-tɨ-ɡar as k¨ord¨on-¨o Bauer-ep-poss2sg Zar-poss3sg-dat/loc Nahrung bitten-cvb.sim umnalan-a hɨld’-aːˇccˇ ɨ e-bit. Almosen.bekommen-cvb.sim gehen-ptcp.hab aux-pst2.3sg
‘Der Bauer ging zu seinem Zaren, um um Nahrung zu bitten, Almosen zu bekommen.’ (Dolganisch; Siegl 2015: 80, Transkription und Glossierung adaptiert) Während in (79) und (80b) ‘Menschen’ bzw. ‘Zar’ kontinuierliche Topiks sind, wird ‘Bauer’ in (80c) wieder aufgegriffen, nachdem es vorher um den Zaren ging. Diese Funktion kann gemäß Siegl nur durch das Possessivsuffix der 2. Person Singular ausgedrückt werden. In Abschnitt 9.2 wird explizit auf die Rolle von nicht-possessiv gebrauchten Possessivsuffixen im Dolganischen eingegangen.
4.2.6 Ewenkisch Auch die Literatur zur Informationsstruktur des Ewenkischen ist spärlich. Wie in Abschnitt 2.5 schon angesprochen geht Nedjalkov (1997: 129−130) offenbar davon aus, dass die satzinitiale Position Fokusposition sein kann. Da Nedjalkov allerdings stets von “emphasis” spricht, fällt es schwer herauszulesen, was genau gemeint ist. Noch verwirrender in diesem Zusammenhang ist, dass Nedjalkov (1997: 136) angibt, dass auch Topiks, die nicht Subjekt des Satzes sind, in die satzinitiale Position bewegt werden könnten. Weiterhin gibt Nedjalkov (1997: 131) an, dass die präverbale Position keine besondere Position sei, ebenso erklärt er, dass das
4.2 Bisherige Forschung zu Informationsstruktur in den Objektsprachen
| 79
Ewenkische keine Clefts, Pseudo-clefts oder Dislocations kenne. Schließlich verweist Nedjalkov (1997: 128) auf einige Partikeln, welche ihm zufolge emphatisch gebraucht werden können − ob diese im engeren Sinne als Fokuspartikeln oder fokusinduzierende Partikeln verstanden werden sollen, bleibt unklar. Rudnickaja (2018a: 221) kommt zu dem Schluss, dass die Wortstellung SOV im Ewenkischen dann vorliege, wenn der Fokus des Satzes auf der Verbalphrase liege. Liege der Fokus jedoch auf einer anderen Konstituente (z. B. enger Fokus auf dem Verb oder auf dem direkten Objekt) oder auf dem gesamten Satz (weiter Fokus), dann liege SVO vor. Vgl. folgende Beispiele: (81)
Kontext: Die Sprecherin erzählt, wie sie als Kind im Wald war und was dort gemacht wurde.
Uːčak-pi baka-m. Reitrentier-rfl.poss.sg finden-aor.1sg ‘Ich fand mein Reitrentier.’ (Ewenkisch; Rudnickaja 2018a: 226, Glossierung adaptiert) (82)
Kontext: Die Sprecherin erzählt über den Beginn der Sowjetherrschaft, dass ihnen Rentiere weggenommen wurden.
Taduk ɡa-wkiː-l usta-wa-n. dann nehmen-ptcp.hab-pl alle-acc-3sg ‘Dann nahmen sie ALle.’ (Ewenkisch; Rudnickaja 2018a: 228, Glossierung adaptiert und eigene Hervorhebung) In Abschnitt 8.2 wird genauer auf den Zusammenhang von Wortstellung und Fokus eingegangen und ein möglicher Zusammenhang vom Skopus des Fokus und Wortstellung im Ewenkischen untersucht. Schließlich untersucht Rudnickaja (2018b) das delimitative Affix -riktV und die Partikel (h)ələ im Ewenkischen, wobei sie beiden zumindest fokusinduzierende Funktion zuschreibt. Hinsichtlich ihrer Syntax nimmt sie in der funktionalen Superstruktur des Satzes eine Delimitationsphrase DelimP und eine Fokusphrase FocP an (Rudnickaja 2018b: 212, 217). Erstere adjungiert ihr zufolge links an Agr’¹³, letztere ist gemäß Rizzi (1997) konzipiert. Das delimitative Affix -riktV und die Partikel (h)ələ analysiert Rudnickaja nun als Köpfe dieser Phrasen. Für die Partikel (h)ələ ergibt sich hierbei das Problem, dass sie
13 Es geht aus den Ausführungen nicht klar hervor, welche Phrase hier gemeint ist, aufgrund der genannten Beispiele wohl die Subjektkongruenzphrase AgrS P.
80 | 4 Forschung zu Informationsstruktur
sowohl vor als auch nach ihrem Bezugswort stehen kann. Gemäß Rudnickaja (2018b: 217) ist die zweite Option der Standardfall und in ersterem Fall wird die Partikel in eine ForceP oberhalb von FocP bewegt. Die Abbildungen 4.9 und 4.10 sollen dies darstellen. ...
TopP
Top’
Spec
FocP
Top
Spec
Foc’
(h)ələ FinP
....
Abb. 4.9: Postponiertes (h)ələ nach Rudnickaja (2018b: 217)
...
ForceP
Force’
Spec
Force
TopP
Top’
(h)ələi Force Spec
Top
FocP
Spec
Foc’
ti FinP
....
Abb. 4.10: Präponiertes (h)ələ nach Rudnickaja (2018b: 217)
4.2 Bisherige Forschung zu Informationsstruktur in den Objektsprachen
| 81
Rudnickajas Analysen scheinen recht ad hoc zu sein und vor allem vermag sie nicht, eine Motivation für genau diese Art der Analyse zu benennen. Zumindest erklärungsbedürftig sind u.a. die Realisierung einer Partikel in der Kopfposition von FocP und die Verwendung von ForceP als Landeplatz für eine Fokuspartikel. Des Weiteren wird nicht deutlich, wie die syntaktische Realisierung der Fokuspartikel und die Projektion der FocP − also die Zuweisung eines Fokusmerkmals − miteinander in Zusammenhang stehen. Sowohl der Gebrauch von Partikeln an sich zur Markierung informationsstruktureller Größen als auch mögliche syntaktische Repräsentationen werden in den Abschnitten 7.7 und 8.8 detailliert besprochen. Abschließend ist zu ergänzen, dass Pakendorf (2007: 231) angibt, dass Possessivsuffixe auch im Ewenkischen in nicht-possessiven Kontexten gebraucht werden können, v.a. nennt sie das Possessivsuffix der 1. Person Singular, vgl. Beispiel (83): (83)
Tar munnukan-ŋi-w tuksamalča-ra-n. jener Hase-alien-poss1sg schnell.rennen-aor-3sg ‘Der Hase (den ich sah oder versuchte zu jagen) lief schnell davon.’ (Ewenkisch; Pakendorf 2007: 231, Glossierung adaptiert)
In Abschnitt 9.2 wird genauer darauf eingegangen, weiterhin wird überprüft, ob auch Possessivsuffixe anderer Personen, für welche Pakendorf keine Beispiele nennt, in dieser Domäne auftreten.
| Teil II: Leipziger Modell zur Beschreibung von Informationsstruktur
5 Beschreibung und Herleitung des Leipziger Modells 5.1 Grundgedanken und theoretischer Rahmen Das Leipziger Modell (im Weiteren: LM) ist ein Modell zur Beschreibung von Informationsstruktur natürlicher Sprachen, welches seit Mitte der 1990er-Jahre von Gerhild Zybatow und Uwe Junghanns entwickelt wurde. In erster Linie nimmt es die Informationsstruktur slavischer Sprachen in den Blick, entsprechend stammen in diesem Kapitel die Beispiele zur Illustration des Modells größtenteils aus slavischen Sprachen. Das LM bezieht sich auf die Forderung von Mathesius, den Zusammenhang von Grammatik (formale Gliederung) und Informationsstruktur (aktuelle Gliederung) zu beschreiben und explizit zu machen (Junghanns & Zybatow 2009: 687). Die Grundannahme des LM ist, dass Informationsstruktur pragmatisch motiviert und innerhalb der Satzsyntax realisiert ist. Eine eigene sprachliche Ebene für Informationsstruktur braucht daher nicht angenommen zu werden (Junghanns 2002a: 2−3). Informationsstrukturierung wird hier verstanden als „ein pragmatisch – durch die Kommunikationssituation, den Kontext – determiniertes Ordnungsprinzip, durch welches Elemente des Satzes ein bestimmtes kommunikatives Gewicht erlangen“ (Junghanns 2002a: 10). Dies entspricht der Annahme Lambrechts (1994: 5; vgl. Kapitel 1), Informationsstruktur sei der formale Ausdruck der pragmatischen Struktur einer Proposition im gegebenen Diskurs. Das LM operiert mit den beiden informationsstrukturellen Größen Topik und Fokus (Junghanns 2002a: 12). Topik wird hierbei definiert als dasjenige Element eines Satzes, über das eine Aussage getroffen wird; Fokus wird definiert als dasjenige Element eines Satzes, das der Sprecher im gegebenen Kontext als wichtig hervorhebt (Junghanns 2002a: 13). Offensichtlich besitzen beide Größen ein Gegenstück: Das Gegenstück des Topiks ist der Kommentar (also die Aussage, die über das Topik getroffen wird), das Gegenstück des Fokus ist der Hintergrund (also die vom Sprecher im gegebenen Kontext als weniger wichtig gekennzeichnete Information) (Junghanns 2002a: 13). Somit ergeben sich zwei informationsstrukturelle Gliederungen, die Topik-Kommentar-Gliederung (TKG) und die Fokus-HintergrundGliederung (FHG). In beiden Gliederungen ist jeweils eine Komponente (Topik bzw. Fokus) salient, die jeweils andere Komponente ergibt sich subtraktiv (Kommentar bzw. Hintergrund) (Junghanns 2002a: 13). Folgendes Beispiel verdeutlicht diese Gliederungen:
https://doi.org/10.1515/9783110716337-005
86 | 5 Beschreibung und Herleitung des Leipziger Modells
(84) Kol’co
mne podari-l AnTON. Ring.acc 1sgpro.dat schenken-pst.sg.m Anton
‘Den Ring hat mir ANton geschenkt.’ (Russisch; Junghanns 2002a: 13) Topik | Kommentar Hintergrund
| Fokus
Es ist an dieser Stelle wichtig darauf hinzuweisen, dass weder in der TKG noch in der FHG Begriffe wie alt vs. neu oder given vs. new eine Rolle spielen (Junghanns 2002a: 12). Zwar sind potentielle Topiks sicherlich prototypisch oder gar immer definit und vorerwähnt, doch ist im Verständnis des LM andersherum nicht jeder definite oder vorerwähnte Referent automatisch ein Topik; ebensowenig ist fokale Information stets neue Information (Junghanns 2002a: 12, 42). Neben der TKG und der FHG erwähnt Junghanns (2002a: 13) die mögliche Annahme einer ThemaRhema-Gliederung (TRG), welche alte von neuer Information trennt (vgl. Molnár (1991)). Letztere ist im LM bisher nicht vorgesehen, kann aber, wie in Kapitel 6 gezeigt werden wird, problemlos berücksichtigt werden. TKG und FHG werden in den folgenden Abschnitten 5.2 und 5.3 detailliert beschrieben. Der theoretische Rahmen des Leipziger Modells ist das Minimalistische Programm (MP) (vgl. Chomsky (1995)), also die jüngste Entwicklungsstufe der Generativen Syntax¹. Chomsky (1995: 168) sieht das Sprachsystem eingebettet in außersprachliche Performanzsysteme, welche artikulatorisch-perzeptorisch (A-P) resp. konzeptuell-intentional (C-I) sind. Der jeweilige Input für die Performanzsysteme an den Schnittstellen (Interfaces) entspricht der Phonologischen Form (PF) und der Logischen Form (LF) in früheren Entwicklungsstufen der Generativen Syntax. Die Grammatik einer jeden Sprache besteht aus einem Lexikon und der Syntax (Chomsky 1995: 168). Das Lexikon spezifiziert dabei die Einheiten, die in die Syntax einfließen; die Syntax wiederum deriviert aus dem Input des Lexikons sprachliche Strukturen (Chomsky 1995: 168−169). Beim sogenannten Spell Out verzweigt sich die Derivation (Chomsky 1995: 189). Es werden zwei unterschiedliche sprachliche Repräsentationen des Materials generiert, welche wiederum an die außersprachlichen Performanzsysteme A-P und C-I übergeben werden. Abbildung 5.1 illustriert dieses Modell der Grammatik.
1 Dies ist insofern eine Vereinfachung, als sich die Forschung zu Generativer Syntax in den letzten beiden Jahrzehnten sehr verästelt hat und somit unübersichtlich geworden ist. Das Minimalistische Programm im Sinne von Chomsky (1995) ist somit korrekter als jüngster zusammenhängender Theorieblock der Generativen Syntax zu beschreiben.
5.1 Grundgedanken und theoretischer Rahmen | 87
Abb. 5.1: Modell der Grammatik
Offensichtlich ist die Syntax in diesem Modell zentral, da sie die Schnittstelle zwischen Lexikon und den außersprachlichen Performanzsystemen bietet. Weil diese − sowohl das artikulatorisch-perzeptuelle als auch das konzeptuell-intentionale − verantwortlich für die korrekte Interpretation von sprachlichem Material sind, leuchtet unmittelbar ein, dass Informationsstrukturierung vor dem Spell Out, d.h. als Teil der Syntax geschehen muss (Junghanns 2002a: 4). Wäre das nicht der Fall, wäre Informationsstruktur also entweder in A-P oder C-I verankert, so wäre sie für das jeweils andere System nicht zugänglich und könnte mithin nicht mehr interpretiert werden. Theoretisch nicht ausgeschlossen ist die Annahme einer speziellen Repräsentationsebene für Informationsstruktur (vgl. Rosengren (1993), Zubizarreta (1998), Bailyn (2001)). Da − wie sich im Laufe der Arbeit zeigen wird − Informationsstruktur mit gewöhnlichen sprachlichen Mitteln (z.B. Wortstellung, Intonation) ausgedrückt wird, ist es jedoch unökonomisch, eine gesonderte Ebene für Informationsstruktur im System der Sprache anzunehmen. Im Rahmen des LM wird also davon ausgegangen, dass Informationsstruktur in der Satzsyntax realisiert wird. Daher soll an dieser Stelle das Verständnis der Syntax im Rahmen des LM erläutert werden. Wie bereits erwähnt operiert das LM im Rahmen Generativer Syntax minimalistischer Prägung. Entsprechend wird davon ausgegangen, dass alle Phrasen (d.h. alle Projektionen einer lexikalischen oder funktionalen Kategorie) eine einheitliche Struktur aufweisen, welche dem X-Bar-Schema folgt (vgl. Chomsky (1970)). Den Kern eines jeden Satzes bildet die Verbalphrase (VP), interne Argumente (z.B. Objekte) des Verbs werden in Komplementposition realisiert, externe Argumente (vor allem das Subjekt) in Spezifikatorposition. Die Reihenfolge von Kopf und Komplement unterliegt einzelsprachlicher Realisierung, vgl. die folgenden Translationsäquivalente zum deutschen Satz Maria kaufte einen/den Apfel. Im Russischen steht das Verb, also der Kopf der Phrase, vor
88 | 5 Beschreibung und Herleitung des Leipziger Modells
dem Objekt, also seinem Komplement (Abbildung 5.2); im Türkischen ist es genau umgekehrt (Abbildung 5.3).² VP
V’
DP
Marija
VP
V
V’
DP
DP
Meryem
kupila jabloko. Abb. 5.2: Russische Verbalphrase (VP)
DP
V
elmayɪ aldɪ. Abb. 5.3: Türkische Verbalphrase (VP)
Sprachen wie das Russische werden als kopfinitial, Sprachen wie das Türkische als kopffinal bezeichnet; im weiteren Verlauf der Arbeit (v.a. Abschnitt 8.2) wird diese Unterscheidung von Bedeutung sein. Zwei Begriffe sind im Kontext dieser Arbeit für das Verständnis Generativer Syntax wichtig: 1. Hierarchie und 2. Linearität. Hierarchie bedeutet, dass die Töchterknoten eines Knotens diesem hierarchisch untergeordnet sind, Linearität bedeutet, dass sich die lineare Abfolge der Knoten im Baum (bzw. in der Klammerdarstellung) auch in der Oberflächenstruktur des Satzes widerspiegeln muss. Nun lassen sich nicht alle Sätze als einfache Verbalphrasen darstellen. Zum einen treten Adverbiale auf, welche in die Satzstruktur eingebunden werden müssen, weiterhin können Verben mehr als ein Argument fordern und schließlich treten Verbformen wie hat gegessen oder wird verloren haben auf. Vgl. das folgende russische Beispiel: (85)
Uˇcenik vnimatel’no cˇ ita-et kniɡ-u. Schüler aufmerksam lesen-3sg Buch-acc ‘Der Schüler liest aufmerksam ein Buch.’ (Russisch; Junghanns 2002a: 22)
Das Schema in Abbildung 5.2 genügt offensichtlich nicht, um diesen Satz syntaktisch beschreiben zu können. Gesamte Sätze lassen sich also nicht nur durch die Projektion eines Verbs abbilden. Stattdessen wird von zwei funktionalen Projek-
2 DP steht für Determinansphrase und wird für (i) in irgendeiner Form (Artikel, Quantifikatoren etc.) determinierte Nomina sowie (ii) auch für nicht determinierte Nomina in artikellosen Sprachen angenommen. Zur Diskussion dessen siehe u.a. Bošković (2008).
| 89
5.1 Grundgedanken und theoretischer Rahmen
tionen CP (complementizer phrase) und IP (inflectional phrase) ausgegangen, die zusammen mit der VP den gesamten Satz abbilden (Chomsky 1986a: 3). Weiter wird angenommen, dass das Subjekt eines Satzes in der Spezifikatorposition von IP realisiert werden kann (Chomsky 1995: 55), was wiederum Spielraum für die Darstellung einer Bandbreite an sprachlichen Phänomenen schafft. Freie Adverbiale wie in Beispiel (85) werden als Adjunkte an VP analysiert, vgl. Abbildung 5.4. CP
CP
C’
Spec
IP
C
C’
Spec
DP
IP
C
I’
VP
Uˇcenik I
I’
DP
Uˇceniki
VP
vnimatel’no
V
VP
V’
ti
DP
cˇ itaet knigu.
Abb. 5.4: Syntax von Satz (85) gemäß Chomsky (1986)
VP
vnimatel’no
V’
Spec
I
V
DP
cˇ itaet knigu.
Abb. 5.5: Subjektbewegung in Satz (85) gemäß Chomsky (1986)
Mit dieser Analyse ist die Linearität des Satzes (85) korrekt beschrieben, nicht aber seine hierarchische Struktur. Oben wurde davon ausgegangen, dass das Subjekt eines Verbs in der Spezifikatorposition der VP (SpecVP) generiert wird, hier hingegen wird suggeriert, dass das Subjekt des Satzes in der Spezifikatorposition von IP (SpecIP) steht. Die Lösung für diesen Konflikt ist, das Subjekt zu bewegen (engl. ‘movement’, Operation move (α))³: Es kann angenommen werden, dass das Subjekt in SpecVP generiert wird, aber im Laufe der Derivation des Satzes nach
3 Es ist einschränkend anzumerken, dass eines der Grundprinzipien des Minimalistischen Programms die Ökonomie ist. Die Operation der Bewegung wird daher nur dann zugelassen, wenn sie unabdingbar ist und die korrekte Derivation und Interpretation des Satzes nur mit ihrer Hilfe gelingen kann (Prinzip Last Resort).
90 | 5 Beschreibung und Herleitung des Leipziger Modells
SpecIP bewegt wird und hierbei eine Spur in SpecVP hinterlässt. Abbildung 5.5 stellt dies graphisch dar. An dieser Stelle soll kurz auf Merkmale im Sinne des Minimalistischen Programms eingegangen werden, ebenso auf die sogenannte Checking Theory. Neben den lexikalischen Merkmalen (N, V, A, P und Adv) wird davon ausgegangen, dass grammatische Relationen durch Merkmale in der Syntax ausgedrückt werden. Die Verbform engl. went ist beispielsweise mit dem Merkmal [past] spezifiziert, die Nominalform russ. knigu mit dem Merkmal [acc]. Um diesen morphologischen Gegebenheiten sowie einigen Wortstellungsfragen im Englischen und Französischen Rechnung zu tragen, hat Pollock (1989) vorgeschlagen, die Phrase IP in weitere funktionale Phrasen aufzuspalten. Jede funktionale Phrase stellt die Projektion eines morphosyntaktischen Merkmals dar, die Auswahl der Merkmale bzw. Phrasen ist sprachspezifisch. Für das Russische kann beispielsweise eine Subjektkongruenzphrase (AgrS P), eine Objektkongruenzphrase (AgrO P), eine Tempusphrase (TP) und ggf. eine Negationsphrase (NegP) angenommen werden (Junghanns 2002a: 22). In AgrS P werden die Kongruenzmerkmale des Subjekts (Person, Numerus, Genus; auch ɸ-Merkmale) realisiert, in AgrO P der Kasus des Objekts, in TP die Finitheits- und Tempusmerkmale des Verbs sowie in NegP ggf. Negationsmerkmale. Morphosyntaktische Merkmale im Sinne des MP sind im Satz doppelt vorhanden: Zum einen werden sie der entsprechenden Konstituente zugewiesen, zum anderen treten sie am Kopf der entsprechenden funktionalen Phrase im Satz auf. Im Falle der Form engl. went ist also sowohl die Form selbst als auch der Kopf der Tempusphrase TP mit dem Merkmal [past] spezifiziert. Die Checking Theory besagt, dass morphosyntaktische Merkmale im Laufe der Derivation des Satzes abgeglichen − „gecheckt“ − werden müssen. Dabei verlieren die Merkmale ihre Interpretierbarkeit für die außersprachlichen Performanzsysteme, weshalb sie spätestens beim Übergang zu C-I als formale Entitäten eliminiert werden müssen. XP
ZP [M]
XP
X’
X YP [M] Abb. 5.6: Merkmalsabgleich in Spezifikator-Kopf-Verhältnis
X’
ZP
X
YP
X Z [M] [M] Abb. 5.7: Merkmalsabgleich in Kopf-Kopf-Verhältnis
5.1 Grundgedanken und theoretischer Rahmen
| 91
Die Merkmale (hier das fiktive Merkmal [M]) können entweder in einem SpezifikatorKopf-Verhältnis oder in einem Kopf-Kopf-Verhältnis abgeglichen werden, vgl. Abbildungen 5.6 und 5.7. Darüber hinaus wird zwischen starken und schwachen Merkmalen unterschieden, erstere führen zu overten Bewegungen der entsprechenden Konstituente, letztere nicht. Bewegte Phrasen landen hierbei in der Spezifikatorposition der entsprechenden funktionalen Phrasen (vgl. Abbildung 5.6), bewegte Köpfe hingegen adjungieren an funktionale Köpfe (vgl. Abbildung 5.7). Ein oft zitiertes Beispiel für die Unterscheidung von starken und schwachen Merkmalen ist das Verhalten des Verbs im Falle eines VP-modizifierenden Adverbials im Französischen und Englischen: (86)
a. John often kisses Mary. b. *John kisses often Mary. (Englisch; Pollock 1989: 367)
(87)
a. Jean embrasse
souvent Marie. Jean küssen.3sg oft Marie
‘Jean küsst Marie oft.’ b. *Jean souvent embrasse Marie. (Französisch; Pollock 1989: 367, eigene Glossierung) Im Französischen ist ein bestimmtes (welches, ist an dieser Stelle irrelevant) morphosyntaktisches Merkmal stark, das zur Anhebung des Verbs führt, sodass es vor dem Adverbial steht; im Englischen hingegen ist genau dieses morphosyntaktische Merkmal schwach, sodass das Verb in seiner Basisposition verbleibt. Entsprechend wäre denkbar, dass der russische Satz (85) durch die syntaktische Struktur in Abbildung 5.8 erklärt werden kann⁴, ⁵. Die genannten Beispiele zeigen, dass morphosyntaktische Merkmale sowie ihr Abgleich im Laufe der Derivation des Satzes essentiell für die Syntax im Sinne des MP sind. So können neben einfachen transitiven Sätzen auch Sätze mit Adverbialen theoretisch sauber beschrieben werden. Eine weitere Herausforderung für das MP stellen ditransitive Strukturen dar, da die VP in der bisherigen Analyse nur Platz für zwei Argumente des Verbs bietet, während ditransitive Verben wie geben und schicken drei Argumente haben. Da davon ausgegangen werden kann, dass Argumenten eines Verbs eine Thetarolle (und in der Folge dessen auch Kasus) zugewiesen werden muss, dies aber nur innerhalb einer Verbalphrase
4 Irrelevante Details werden in den Syntaxbäumen aus Platzgründen ausgelassen, hier beispielsweise die funktionalen Phrasen zwischen AgrS ’ und VP. 5 Tatsächlich sind die Subjektkongruenzmerkmale im Russischen nicht stark (vgl. Junghanns (1995)). Die Anhebung des Subjekts ist bedingt durch informationsstrukturelle Faktoren, s.u.
92 | 5 Beschreibung und Herleitung des Leipziger Modells
CP
C’
Spec
AgrS P
C
DP
AgrS ’
VP
AgrS Uˇceniki [sg, 3p] [sg, 3p]
VP
vnimatel’no
ti
V’
V
DP
cˇ itaet knigu. Abb. 5.8: Satz (85) gemäß Pollock (1989)
geschehen kann (Adger 2003: 81), kann das dritte Argument solcher Verben nicht als VP-externes Adjunkt generiert werden. Vielmehr muss es innerhalb der Verbalphrase generiert werden. Daher nimmt Larson (1988: 383−386) für solche Double Object Constructions sogenannte VP shells, also eine rekursive Verbalphrase an. Direktes und indirektes Objekt sowie das Verb werden in der „inneren“ Verbalphrase generiert. Um der Linearität des Satzes Rechnung zu tragen, wird das Verb schließlich aus der „inneren“ Verbalphrase hinausbewegt und somit die Projektion der „äußeren“ Verbalphrase induziert, in deren Spezifikatorposition schließlich auch das Subjekt realisiert wird⁶. Folgendes Beispiel und Abbildung 5.9 zeigen dies:
6 Tatsächlich schließt sich umgehend die Frage an, ob solche Struktur für alle Sätze oder nur für solche mit ditransitiven Prädikaten angenommen werden muss. Es liegt nicht im Rahmen dieser Arbeit, dies zu diskutieren; im Weiteren wird eine VP shell nur für ditransitive Strukturen angenommen und dargestellt. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass vielfach anstelle der rekursiven VP von der Projektion einer vP über VP ausgegangen wird (Adger 2003: 131−136); meiner Meinung nach ist dies nicht nötig, daher wird hier Larsons Analyse übernommen.
5.1 Grundgedanken und theoretischer Rahmen
| 93
(88) Ich gebe meiner Mutter ein Buch.
CP
VP
[-wh]
DP
V’
VP
Ich gebei
V’
DP
meiner Mutter
DP
ti
ein Buch
Abb. 5.9: VP-shell-Analyse nach Larson (1988) (Satz (88))
Mit diesen theoretischen Erwägungen können viele syntaktische Phänomene natürlicher Sprachen erklärt werden. Im Blick auf die vorliegende Arbeit stellt sich die Frage, wie Informationsstruktur in das dargelegte System zu integrieren ist. Da alle gezeigten syntaktischen Operationen und Mutationen auf der Vergabe und dem Abgleich von Merkmalen basieren, liegt es nahe, dies auch für informationsstrukturelle Phänomene anzunehmen. Oben wurde beschrieben, dass das LM von einer Topik-Kommentar-Gliederung und einer Fokus-Hintergrund-Gliederung ausgeht, wobei jeweils eine Komponente der Gliederung salient ist (Topik bzw. Fokus). Daher werden entsprechende Merkmale [TOP] und [FOC] angenommen (Junghanns 2002a: 26). Im Sinne des MP müssten nun in der funktionalen Superstruktur des Satzes die Projektionen dieser Merkmale, also die Phrasen TopP und FocP angenommen werden, in der sogenannten „kartographischen“ Schule (u.a. Rizzi (1997)) ist das auch der Fall. Junghanns (1997) zeigt überzeugend, dass die Annahme solcher Phrasen zu einigen Problemen in der syntaktischen Derivation des Satzes führt, detailliert hierzu in den Abschnitten 5.2 und 5.3. Weiterhin ar-
94 | 5 Beschreibung und Herleitung des Leipziger Modells
gumentiert Junghanns (2002a: 26), dass die Merkmale [TOP] und [FOC] im Laufe der Derivation des Satzes nicht abgeglichen werden dürfen, da sie im Gegensatz zu morphosyntaktischen Merkmalen einer Interpretation der außersprachlichen Performanzsysteme bedürfen. Diese Beobachtung leuchtet unmittelbar ein, da Informationsstruktur ja eben genau der korrekten Interpretation eines Satzes in einem gegebenen Kontext dient. Die Schlussfolgerung daraus ist, dass im LM zwischen morphosyntaktischen Merkmalen einerseits und informationsstrukturellen Merkmalen andererseits unterschieden wird (Junghanns 1997: 85; Junghanns 2002a: 26). Erstere unterliegen der Checking Theory, d.h. sie müssen im Laufe der Derivation des Satzes abgeglichen werden, letztere hingegen nicht. Die Zuweisung von informationsstrukturellen Merkmalen kann zu – sprachspezifisch verschiedenen – sprachlichen Realisierungen auf allen Ebenen der Sprache führen. Es erscheint zunächst fraglich, ob es im Sinne des MP ist, eine weitere Kategorie an Merkmalen anzunehmen, da eine Zunahme an Kategorien letztendlich stets eine Abnahme an Ökonomie bedeutet. Dies ist im Prinzip nicht von der Hand zu weisen, eine Subsumierung informationsstruktureller Merkmale unter die morphosyntaktischen Merkmale wäre eigentlich wünschenswert, da Informationsstruktur als Bestandteil der Satzsyntax verstanden wird. Sprachliche Realitäten auf der einen Seite (siehe folgende Abschnitte) und konzeptuelle Überlegungen zur notwendigen Interpretierbarkeit informationsstruktureller Merkmale auf der anderen Seite machen die Annahme einer eigenen Merkmalsklasse jedoch unabdingbar. Zusammengefasst bedeutet das, dass das LM im Rahmen von Generativer Syntax minimalistischer Ausprägung operiert. Es werden zwei informationsstrukturelle Gliederungen, die Topik-Kommentar-Gliederung (TKG) und die Fokus-Hintergrund-Gliederung (FHG), angenommen. Topik wird als diejenige Konstituente im Satz verstanden, über die eine Aussage getroffen wird; Fokus wird als diejenige Konstituente verstanden, die der Sprecher im gegebenen Kontext als wichtig hervorhebt. Durch die Zuweisung der Merkmale [TOP] und [FOC] werden die entsprechenden Konstituenten als Topik bzw. Fokus markiert, was sich sowohl in der Phonologie/Phonetik als auch in der Morphosyntax widerspiegeln kann. In den folgenden Abschnitten werden die beiden informationsstrukturellen Gliederungen detailliert beschrieben.
5.2 Topik-Kommentar-Gliederung (TKG) Entsprechend dem obigen Verständnis von Topik lässt sich ein Topik X dadurch bestimmen, dass der Satz eine adäquate Antwort auf die Frage „Was ist mit X?“ darstellt. Im Rahmen des Leipziger Modells werden unterschiedliche Topikarten
5.2 Topik-Kommentar-Gliederung (TKG) | 95
angenommen: Nach ihrer Position innerhalb bzw. außerhalb der Satzstruktur werden interne und externe Topiks unterschieden; interne Topiks können overt oder kovert realisiert sein, ferner kann zwischen konkreten und abstrakten Topiks unterschieden werden (Junghanns 2002a: 41; Junghanns & Zybatow 2009: 689). Darüber hinaus wird zwischen kontrastiven und nicht-kontrastiven Topiks unterschieden, der Unterschied besteht in der Menge potentieller Topikkandidaten: Im Falle kontrastiver Topiks ist diese Menge geschlossen, im Falle nicht-kontrastiver Topiks ist die Menge offen. Im Folgenden sollen die einzelnen Topikarten und ihre syntaktische Realisierung beschrieben werden. Der kanonischste Typ eines Topiks ist ein internes, konkretes, overtes, nichtkontrastives Topik. Dies kann jegliche referierende Konstituente eines Satzes sein, prototypisch sind sicherlich Subjekte, ebenso treten aber auch Objekte und Adverbiale auf, vgl. die folgenden Beispiele: (89) [TOP Ptička] počti zadeva-l-a
kryl’-jami mord-u Vogel fast berühren-pst-sg.f Flügel-ins.pl Schnauze-acc volk-a. Wolf-gen
‘Der Vogel berührte mit seinen Flügeln fast die Schnauze des Wolfes.’ (Russisch; Junghanns 2002a: 41) (90) [TOP Et-u
poem-u] Ivan Nikolaevič sočini-l. dies-acc Gedicht-acc Ivan Nikolaevič verfassen-pst.sg.m
‘Dieses Gedicht hatte Ivan Nikolaevič verfasst.’ (Russisch; Junghanns 2002a: 42) (91)
[TOP V posëlk-e Voločanka] živ-ut nganasan-y i in Siedlung-loc Voločanka leben-3pl Nganasane-pl und dolgan-y. Dolgane-pl ‘In der Siedlung Voločanka leben Nganasanen und Dolganen.’ (Russisch; eigenes Beispiel)
Den Konstituenten [Ptička], [Etu poemu] und [V posëlke Voločanka] wird das Merkmal [TOP] zugewiesen, im Russischen führt das zu einer Anhebung der Konstituente, sie adjungiert an AgrS P (Junghanns 2002a: 42), vgl. Abbildung 5.10⁷. Ob und wie dies auf die in dieser Arbeit betrachteten Sprachen anzuwenden ist, wird in Abschnitt 7.1 untersucht. Rückbetrachtend kann mit diesen Annahmen
7 Das Subjekt ist hier in SpecAgrS P realisiert, da es Hintergrundmaterial darstellt und somit aus der Fokusdomäne exkludiert ist (vgl. Abschnitt 5.3 und 8.2).
96 | 5 Beschreibung und Herleitung des Leipziger Modells
nun auch die Bewegung des Subjekts in Abbildung 5.8 erklärt werden: Das Subjekt wird nämlich nicht angehoben, weil die Subjektkongruenzmerkmale stark sind, sondern weil das Subjekt Topik des Satzes ist. CP
AgrS P
[-wh]
AgrS P
DP
Etu poemuj [TOP]
VP
DP
Ivan Nikolaeviči
ti
V’
sočinil tj
Abb. 5.10: Syntax eines internen, konkreten, overten, nicht-kontrastiven Topiks (Satz (90))
In vielen Sprachen können Konstituenten kovert realisiert werden, zumeist Subjekte, wie in Kapitel 2 gesehen, jedoch auch Objekte. Unabhängig von Topiks und Informationsstruktur stellt sich die Frage, wie diese koverten Konstituenten syntaktisch dargestellt werden können. Im Rahmen des Leipziger Modells und dieser Arbeit werden koverte Konstituenten im Sinne von Holmberg (2005) als lediglich phonetisch leere Konstituenten verstanden, welche sich syntaktisch ebenso verhalten wie overte Konstituenten (Junghanns 2002a: 47). Interne, konkrete, koverte, nicht-kontrastive Topiks können also analog zu ihren overten Gegenstücken analysiert werden, vgl. das folgende Beispiel aus dem Obersorbischen und seine Syntax in Abbildung 5.11⁸: (92)
pro přewšo lubj-u chowanje sɫónčk-a. über.alles lieben-1sg Untergang.acc Sonne-gen ‘Ich liebe (den) Sonnenuntergang über alles.’ (Obersorbisch; Maɫy Princo, Kapitel 6, eigene Glossierung)
8 Im Folgenden werden phonetisch leere Konstituenten sowohl in den Beispielen als auch in den Syntaxbäumen durch pro dargestellt.
5.2 Topik-Kommentar-Gliederung (TKG) |
97
CP
AgrS P
[-wh]
proi [TOP]
AgrS P
VP
AdvP
přewšo ti
VP
V’
lubju chowanje sɫónčka. Abb. 5.11: Syntax eines internen, konkreten, koverten, nicht-kontrastiven Topiks (Satz (92))
Mit Blick auf koverte Objekte im Chantischen, Nganasanischen und Enzischen (vgl. Kapitel 2) ergibt sich die Frage, ob auch koverte Objekte als Topiks fungieren können; in Abschnitt 7.1 wird hierauf eingegangen. Im Gegensatz zu konkreten Topiks, die stets mit einem referierenden Ausdruck korrelieren, fehlt abstrakten Topiks diese Konstituente. In diesem Fall referiert der Sprecher auf die räumlich-zeitlichen Parameter der Äußerung (Junghanns 2002a: 45), daher werden abstrakte Topiks auch als Situationstopiks oder stage topics bezeichnet. Folgendes Beispiel zeigt ein abstraktes Topik im Russischen: (93)
Poseja-l starik pšenic-u. säen-pst.sg.m alter.Mann Weizen-acc ‘[Kontext: Es lebte ein alter Mann mit seinen Söhnen.] Der Alte säte Weizen.’ (Russisch; Junghanns 2002a: 47)
Da keine Konstituente des Satzes Topik des Satzes ist und auf die Situationszeit referiert wird, wird davon ausgegangen, dass das Topikmerkmal dem Kopf der Tempusphrase TP zugewiesen wird. Im Russischen führt dies zur Anhebung des Verbs, hier wird Adjunktion an eben den Kopf der TP angenommen, vgl. Abbildung 5.12.
98 | 5 Beschreibung und Herleitung des Leipziger Modells
CP
[-wh]
TP
T’
VP
T
Posejali
T starik [TOP]
V’
ti pšenicu.
Abb. 5.12: Syntax eines internen, abstrakten Topiks (Satz (93))
Während die bisher besprochenen Topikarten allesamt innerhalb der Satzstruktur stehen, stehen externe Topiks außerhalb der Satzstruktur (vgl. Gundels Left Dislocation in Abschnitt 4.1.4.1). Weiterhin zeigen sie die Besonderheit, dass sie durch ein koreferentes Pronomen im folgenden Satz wieder aufgenommen werden können. Dieses Pronomen kann das interne Topik des Satzes sein (Beispiel (94)), muss es aber nicht (Beispiel (95)): (94) [TOP.EXT Detii ]
Kind.pl
– [TOP.INT onii ] ljubj-at životn-ych. 3plpro lieben-3pl Tier-acc.pl
‘Was Kinder betrifft, sie lieben Tiere.’ (Russisch; Junghanns 2002a: 44) (95)
[TOP.EXT Et-a sobačkai ] – [TOP.INT my] eëi dies-f Hündchen 1plpro 3sgpro.f.acc vzja-l-i nedavno. nehmen-pst-pl vor.Kurzem ‘Dieses Hündchen, wir haben es vor Kurzem geholt.’ (Russisch; Junghanns 1997: 83)
Externe Topiks werden als Adjunkte an CP analysiert (Junghanns 2002a: 45). Hierfür sprechen zumindest zwei wichtige Argumente: Zum einen sind externe Topiks prosodisch von dem ihnen folgenden Satz klar abgegrenzt (Junghanns 2002a: 45). Zum anderen und noch wichtiger bleibt der ihnen folgende Satz auch bei
5.2 Topik-Kommentar-Gliederung (TKG) |
99
Auslassung des externen Topiks stets grammatisch (Zybatow & Junghanns 1998: 29). Abbildung 5.13 zeigt die Syntax von Beispiel (95). CP
DP
CP
AgrS P
Eta sobačka [-wh] [TOP.EXT] myi [TOP]
AgrO P
VP
eëj
VP
ti
nedavno.
V’
vzjali tj
Abb. 5.13: Syntax eines externen Topiks (Satz (95))
Es fällt unmittelbar ins Auge, dass für das externe Topik Basisgenerierung in seiner Adjunktposition angenommen wird (Junghanns 2002a: 45). Hierfür spricht, dass Kasus des externen Topiks und seiner koreferenten Konstituente im Satz wie in Beispiel (95) nicht übereinstimmen müssen (hier: Nominativ vs. Akkusativ); dies wäre kaum zu erklären, wenn das externe Topik durch einen − wie auch immer gearteten − Mechanismus aus dem Satz hinausbewegt werden würde. Gundels oben genanntes Beispiel (44), hier wiederholt als (96), ist ebenso ein Argument für die Basisgenerierung des externen Topiks, da hier im folgenden Satz gar keine koreferente Konstituente im engen Sinne vorliegt: (96)
As for fruit, Jim likes cantaloupes best. (Gundel 1988: 70)
100 | 5 Beschreibung und Herleitung des Leipziger Modells
Problematischer in dieser Hinsicht sind folgende Beispiele: (97)
Den Manni dort, deni kenne ich doch. (eigenes Beispiel)
(98) No otc-ai
aber Vater-acc muž-a. Mann-acc
– egoi trudn-ee naj-ti čem 3sgpro.m.acc schwierig-comp finden-inf als
‘Aber ein Vater, der ist schwieriger zu finden als ein Ehemann.’ (Russisch; Zybatow & Junghanns 1998: 30) Die externen Topiks sind in beiden Fällen mit dem Akkusativ markiert. Da es sich hierbei um einen strukturellen Kasus handelt, müsste dieser von einem Verb regiert, also während der Derivation des Satzes zugewiesen werden. Da dies in der Position des externen Topiks nicht möglich ist (Kasuszuweisung ist nur innerhalb der maximalen Projektion des Verbs möglich), entsteht der Eindruck, dass das externe Topik nicht in seiner Position basisgeneriert sein kann. Die Lösung dieses Dilemmas ist, morphosyntaktisches Matching anzunehmen, d.h., anzunehmen, dass das externe Topik den Kasus seiner koreferenten Konstituente im Satz „nachahmt“. Ein gutes Indiz hierfür ist die Variation sowohl im Deutschen als auch im Russischen: Beispiel (97) wäre mit der Mann als externem Topik ebenso grammatisch, Beispiel (98) wäre auch mit der Nominativform otec genauso korrekt. Aufgrund dieser Überlegungen wird im Falle des externen Topiks von Basisgenerierung als Adjunkt an CP ausgegangen, die Zuweisung des Topikmerkmals führt zu keinen syntaktischen Umordnungen. In Abschnitt 7.5 werden diese Annahmen für die hier behandelten Objektsprachen überprüft. Schließlich ist die hier vorliegende Analyse externer Topiks ein wichtiges und gutes Argument für die Annahme besonderer informationsstruktureller Merkmale: Wäre das Topikmerkmal ein morphosyntaktisches Merkmal, müsste also während der Derivation des Satzes abgeglichen werden, so müsste dies innerhalb der Projektion des Merkmals, also in der Phrase TopP geschehen. Das ist unmöglich, da über CP keine mögliche Position für die Projektion einer solchen Phrase gegeben ist. Natürlich wäre es möglich, externe Topiks als Sonderfälle zu behandeln und in diesem Fall keine Projektion von TopP anzunehmen – im Sinne Generativer Syntax und besonders im Rahmen des auf Ökonomie basierten MP wäre das jedoch kontraintuitiv. Daher bleibt die Schlussfolgerung: Wenn die Annahme von TopP für externe Topiks nicht möglich ist, so sollte sie auch für interne Topiks entbehrlich sein. Oben gezeigte Beispiele unterstützen dies. Alle bisher besprochenen Topikarten haben gemeinsam, dass die Menge, aus welcher der Sprecher potentielle Topiks auswählen kann, prinzipiell offen ist. Im Falle von kontrastiven (oder kontrastierten) Topiks ist das nicht der Fall, hier ist
5.3 Fokus-Hintergrund-Gliederung (FHG) |
101
die Menge der potentiellen Topiks geschlossen (Zybatow & Junghanns 1998: 52). Ein Beispiel für ein kontrastives Topik ist das folgende: (99)
Koldun ži-l tixo i skromno. Zauberer leben-pst.sg.m ruhig und bescheiden ‘[Es war einmal ein Zauberer. Der hatte eine Frau. Sie war eine Hexe und nachts ritt sie auf einem Besen.] Der Zauberer (aber) lebte ruhig und bescheiden.’ (Russisch; Zybatow & Junghanns 1998: 51)
In dem Beispiel ist der Zauberer der Hexe gegenübergestellt, er wird sozusagen „kontrastiv“ beschrieben. Möglich ist dies, weil sowohl die Hexe als auch der Zauberer bereits erwähnt sind und sich somit im „Pool“ möglicher Topiks befinden. Kontrastive Topiks werden vor allem prosodisch realisiert, nämlich durch sogenannte Hutkonturen (auch: Brückenakzent, Wurzelkontur): Hierbei steigt die Grundfrequenz auf der Topikkonstituente an und fällt auf der Konstituente, die den Satzakzent trägt, ab. Syntaktisch unterscheiden sich kontrastive Topiks nicht von nicht-kontrastiven Topiks, sie werden ebenso als Adjunkt an AgrS P realisiert (Junghanns & Zybatow 2009: 693). Wichtig an dieser Stelle ist, dass kontrastive Topiks keinesfalls mit Kontrastfoki (vgl. Abschnitt 5.3) verwechselt werden dürfen, da letztere nicht positionsgebunden sind und auch satzinitial, d.h. in der vermeintlichen Topikposition auftreten können (s.u.). Insgesamt ist also festzuhalten, dass Topiks während der Derivation des Satzes durch Zuweisung des Merkmals [TOP] markiert werden. Während diese Merkmalszuweisung im Sinne des LM und des MP universal ist, variieren die resultierenden sprachlichen Realisierungen. Im hier betrachteten Russischen (sowie im gesamten Slavischen) kann im Falle interner, konkreter Topiks von Adjunktion an AgrS P ausgegangen werden, im Falle externer Topiks von Basisgenerierung als Adjunkt an CP. Im Falle eines abstrakten Topiks wird das Topikmerkmal dem Kopf der TP zugewiesen, dies führt im Slavischen zu einer Anhebung des Verbs, genauer zu Adjunktion an den Kopf von TP. Kontrastive Topiks schließlich werden (zumindest im Slavischen) prosodisch besonders markiert, zeigen aber keine syntaktischen Besonderheiten.
5.3 Fokus-Hintergrund-Gliederung (FHG) Wie in Abschnitt 5.1 dargelegt wurde, wird Fokus im Rahmen des LM als diejenige Konstituente im Satz verstanden, die der Sprecher im gegebenen Kontext für relevant und hervorhebenswert hält. Im Rahmen des LM wird zwischen natürlichem (nicht-kontrastivem) Fokus, kontrastivem Fokus und Verumfokus unterschieden
102 | 5 Beschreibung und Herleitung des Leipziger Modells
(Junghanns & Zybatow 2009: 689). Nicht-kontrastiver Fokus kennzeichnet neutral die wichtige Information im Satz, kontrastiver Fokus kontrastiert und/oder korrigiert stets eine implizit oder explizit vorhandene Information und Verumfokus akzentuiert den Wahrheitsgehalt einer Aussage (Junghanns & Zybatow 2009: 689−692). Im Folgenden sollen die unterschiedlichen Fokusarten erläutert werden. Die häufigste Fokusart ist natürlicher bzw. nicht-kontrastiver Fokus (auch information focus, presentation focus). Sein Skopus kann maximal, intermediär oder minimal sein: Maximaler Fokus umfasst den gesamten Satz bzw. die CP, intermediärer Fokus umfasst die VP und ggf. weiteres Material in der funktionalen Superstruktur des Satzes⁹ und minimaler Fokus eine beliebige Konstituente kleiner als VP, also z.B. die Subjekt- oder Objekt-DP (Junghanns & Zybatow 2009: 689−690). Ein heuristisches Mittel zur Bestimmung des Skopus eines Fokus ist ein Fragetest, wobei die erfragte Konstituente Fokus des entsprechenden Antwortsatzes ist: (100)
a. Was passiert? b. [FOC Mal’čik piš-et
pis’mo.] Junge schreiben-3sg Brief.acc
‘Ein/der Junge schreibt einen BRIEF.’ (Russisch; Junghanns & Zybatow 2009: 690) (101)
a. Was macht der Junge? b. Mal’čik [FOC piš-et
Junge
pis’mo.] schreiben-3sg Brief.acc
‘Der Junge schreibt einen BRIEF.’ (Russisch; Junghanns & Zybatow 2009: 690) (102)
a. Wer schreibt den Brief? b. Pis’mo
piš-et [FOC mal’čik.] Brief.acc schreiben-3sg Junge
‘Ein/der JUNge schreibt den Brief.’ (Russisch; Junghanns & Zybatow 2009: 690) Die fokussierte Konstituente erhält in der Derivation des Satzes das Merkmal [FOC], dies führt zur intonatorischen Hervorhebung der Konstituente durch Fall der Grundfrequenz (Junghanns 2002a: 30). In den slavischen Sprachen wird dieser Fokusexponent rechtsperipher im Satz realisiert, Junghanns (2002a: 30) bezeichnet dies als Default-Prinzip der Fokusrealisierung (DPFR). Im Falle von maximalem und intermediärem Fokus sowie einem minimal fokussierten direkten Objekt geschehen
9 Wenn im Folgenden der Kürze und der besseren Lesbarkeit halber von VP-Fokus die Rede ist, ist die funktionale Superstruktur des Satzes mitgedacht und ggf. mit einzubeziehen.
5.3 Fokus-Hintergrund-Gliederung (FHG) |
103
also keine syntaktischen Umordnungen (Junghanns 2002a: 31), im letzteren Fall verbleibt das direkte Objekt in seiner Basisposition (rechtes Komplement von V0 ). Ist hingegen eine andere Konstituente, das Subjekt oder ein Adverbial, minimal fokussiert (wie in Beispiel (102b)), steht diese Konstituente im Satz rechtsperipher, also satzfinal. Das wird durch Rechtsbewegung der entsprechenden Konstituente erreicht, sie adjungiert rechts an VP (Junghanns 2002a: 32). Beispiel (102b) zeigt also die Syntax in Abbildung 5.14. CP
AgrS P
[-wh]
VP
DP
DP
VP
Pis’moj
ti
V
mal’čiki . [FOC]
pišet tj
Abb. 5.14: Rechtsperipherer minimaler Fokus (Satz (102b))
Die bisherigen Annahmen und Überlegungen scheinen für die bisherigen Beispiele sehr anschaulich und simpel. Tatsächlich wird es komplizierter, wenn beispielsweise modifizierende Adjektive oder das Verb minimal fokussiert werden sollen, vgl. die folgenden Beispiele: (103)
Ona predpočita-et [FOC zeLËnyj] čaj. 3sgpro.f vorziehen-3sg grün.m.acc Tee.acc ‘Sie bevorzugt GRÜnen Tee.’ (Russisch; Junghanns 2003: 185)
104 | 5 Beschreibung und Herleitung des Leipziger Modells
(104)
Brat knig-u [FOC kuPI-L]. Bruder Buch-acc kaufen-pst.sg.m ‘Der Bruder hat das Buch geKAUFT.’ (Russisch; Junghanns & Zybatow 2009: 690)
An Beispiel (103) kann gezeigt werden, dass modifizierende, minimal fokussierte Adjektive im Russischen nicht aus der DP hinausbewegt werden, sondern die gesamte das Adjektiv enthaltende DP rechtsperipher realisiert wird. Die Theorie als solche wird dadurch allerdings nicht tangiert, da die Zuweisung des Fokusmerkmals nach wie vor an das Adjektiv erfolgt und nicht etwa an die gesamte DP – in letzterem Falle läge der schließlich auf ČAJ und nicht auf zeLËnyj. Die Analyse von Beispiel (104) ist komplizierter: Die minimale Fokussierung des Verbs macht seine rechtsperiphere Realisierung notwendig, wie es auch zu beobachten ist. Da es sich bei einem Verb aber um den Kopf einer Phrase handelt, kann es nicht an VP adjungieren, sondern müsste an einen anderen Kopf adjungieren – da rechts von VP kein Kopf steht, ist eine Rechtsbewegung des Verbs unmöglich. Stattdessen muss man davon ausgehen, dass das direkte Objekt knigu aus seiner Basisposition und somit aus der sogenannten Fokusdomäne hinausbewegt wird (Junghanns & Zybatow 2009: 690), vgl. Abbildung 5.15. CP
AgrS P
[-wh]
AgrO P
DP
Brati
VP
DP
kniguj
ti
V’
kupil tj [FOC]
Abb. 5.15: Linksbewegung von nicht-fokalem Material (Satz (104))
5.3 Fokus-Hintergrund-Gliederung (FHG) |
105
Diese Annahme bedeutet, dass die Zuweisung des Fokusmerkmals nicht nur Auswirkungen auf die unmittelbar betroffene Konstituente haben kann, sondern auch auf andere Konstituenten. In diesem Fall muss nicht-fokales Material bewegt werden, um den strukturellen Anforderungen (rechtsperiphere Realisierung des Fokusexponenten) der Fokusrealisierung gerecht zu werden. Diese Struktur scheint zunächst dem Prinzip Greed des MP zu widersprechen, welches besagt, dass nur diejenige Konstituente eine syntaktische Operation ausführen darf, an welche ein Merkmal zugewiesen wurde (Chomsky 2015: 184). In Abschnitt 8.2 werden sowohl Greed als auch die vorliegende Struktur näher erläutert und gezeigt, dass die syntaktische Rekonstruktion derartiger Strukturen nicht gegen Greed verstoßen muss. Auch das Fokusmerkmal [FOC] wird im Rahmen des LM nicht als morphosyntaktisches Merkmal verstanden. Zwei Details der bisherigen Diskussion unterstützen dies ausdrücklich: Nimmt man für das Russische (und die slavischen Sprachen im Allgemeinen) eine rechtsperiphere Fokusposition an, so ist das kaum mit einer FocP in der funktionalen Superstruktur des Satzes zu vereinbaren. CP
TopP
[-wh]
Top’
DP
*Pis’moj [TOP]
FocP
[TOP]
Foc’
DP
mal’čiki [FOC]
VP
[FOC]
ti
V
pišet tj
Abb. 5.16: (Falsche) Syntax von TopP und FocP (Satz (102b))
106 | 5 Beschreibung und Herleitung des Leipziger Modells
Die Folge wäre nämlich, dass fokussierte Konstituenten in die Fokusphrase bewegt werden müssten. Wäre dies der Fall, so wäre beispielsweise in Beispiel (102b) die Linearität des Satzes nicht mehr gegeben, die Syntax wäre jene in Abbildung 5.16. Es müsste nun das Verb (und ggf. andere Konstituenten in anderen Beispielen) ebenfalls in die funktionale Superstruktur des Satzes bewegt werden. Zum einen fehlt in der vorhandenen Konfiguration ein adäquater Landeplatz und zum anderen stellt sich die Frage nach der Ökonomie eines solchen Prozesses. Für diese Probleme könnten noch Lösungen gefunden werden. Der Fall der maximalen Fokussierung eines Satzes allerdings stellt die Hypothese von FocP vor ein unlösbares Problem: Wenn der gesamte Satz, also die gesamte CP fokussiert ist, kann diese rein technisch nicht in einen ihrer Bestandteile verschoben werden (vgl. die Diskussion in Junghanns (1997)). In den kartographischen Modellen wird daher davon ausgegangen, dass eine FocP nur für bestimmte Fokusarten (z.B. für romanische Sprachen nur für Kontrastfoki) existiert (Rizzi 1997: 287−289) – mit diesem Ansatz bleiben aber alle anderen Fokusrealisierungen unerklärt. Deshalb wird im Rahmen des LM und in dieser Arbeit davon ausgegangen, dass das Fokusmerkmal [FOC] genauso wie das Topikmerkmal [TOP] kein morphosyntaktisches Merkmal im Sinne des MP ist, sondern ein sich anders verhaltendes informationsstrukturelles Merkmal. Eine besondere Art von Fokus ist Kontrastfokus (auch identificational focus). Kontrastfokus kontrastiert und/oder korrigiert stets eine gegebene Information, operiert also ähnlich wie kontrastive Topiks mit einer geschlossenen Menge an Entitäten. Das folgende Beispiel zeigt Instanzen von Kontrastfokus im Russischen: (105)
a. Ljuda uže
uexa-l-a v Jalt-u? Ljuda schon wegfahren-pst-sg.f nach Jalta-acc
‘Ist Ljuda schon nach Jalta gefahren?’ b. [FOCc MiroSLAva] uexa-l-a
v Jalt-u. Miroslava wegfahren-pst-sg.f nach Jalta-acc
‘MiroSLAva ist nach Jalta gefahren.’ c. V
Jalt-u [FOCc MiroSLAva] uexa-l-a. nach Jalta-acc Miroslava wegfahren-pst-sg.f
‘id.’ d. V
Jalt-u uexa-l-a [FOCc MiroSLAva.] nach Jalta-acc wegfahren-pst-sg.f Miroslava
‘id.’ (Russisch; Junghanns & Zybatow 2009: 691) Der kontrastiv fokussierten Konstituente wird das Merkmal [FOCC ] zugewiesen. Wie in den Beispielen zu sehen ist, führt dies im Russischen nicht notwendigerweise zu
5.3 Fokus-Hintergrund-Gliederung (FHG) |
107
syntaktischen Umordnungen. Daher muss auch zwischen dem Merkmal [FOCC ] für Kontrastfoki und dem Merkmal [FOC] für natürliche Foki unterschieden werden (Junghanns 2002a: 37). Kontrastfokus wird in slavischen Sprachen prosodisch realisiert, und zwar durch eine steigend-fallende Grundfrequenz, wobei besonders ihr starker Abfall charakteristisch ist (Junghanns 2002a: 38). Die positionelle Ungebundenheit von Kontrastfoki im Slavischen ist ein weiteres Argument gegen die Annahme eines morphosyntaktischen Fokusmerkmals, da der Abgleich des letzteren im Laufe der Derivation des Satzes unwillkürlich zu Bewegung und somit zu positioneller Gebundenheit der entsprechenden Konstituente führen würde (Junghanns 1997: 78). Ein Ausweg wäre, anzunehmen, dass das Merkmal schwach ist, also keine overte Bewegung auslöst − in dem Fall aber kann aus Ökonomiegründen auf eine Projektion des Merkmals ebenso verzichtet werden (Junghanns 1997: 78). Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass es in romanischen Sprachen gerade Kontrastfoki sind, die die Annahme einer FocP in der kartographischen Tradition evozieren (siehe die Diskussion von Rizzi (1997) oben). Umso eindrucksvoller zeigen slavische Sprachen, dass die Annahme einer FocP nicht notwendig ist. Die letzte zu besprechende Fokusart schließlich ist Verumfokus. Der Begriff des Verumfokus geht auf Tilman Höhle (1988) zurück und meint die Hervorhebung des Wahrheitsgehalts einer im Diskurs bekannten Äußerung (Junghanns 2002a: 40). Verumfokus wird syntaktisch durch die Zuweisung des Merkmals [FOCV ] realisiert. Wie Kontrastfokus ist auch Verumfokus in slavischen Sprachen nicht positionsgebunden; das Merkmal wird entweder dem finiten Verb (Beispiel (106)) oder aber einem verifikationellen Adverbial (Beispiel (107)) zugewiesen. Prosodisch zeichnet sich Verumfokus ebenso wie Kontrastfokus durch eine steigend-fallende Grundfrequenz aus, wobei der Abfall nicht so stark ist wie im Falle vom Kontrastfokus (Junghanns 2002a: 40). (106)
a. Kupi-t
Pëtr knig-i? kaufen-3sg Pjotr Buch-acc.pl
‘Kauft Pjotr die Bücher?’ b. Da, on
ja 3sgpro
[FOCv KUpi-t] knig-i. kaufen-3sg Buch-acc.pl
‘Ja, er KAUFT die Bücher.’ (Russisch; Junghanns & Zybatow 2009: 691) (107)
˘ Ja [FOCv saprauDY] adčuva-ju sjabe ne vel’mi. 1sgpro tatsächlich fühlen-1sg selbst neg ziemlich ‘Ich fühle mich tatSÄCHlich nicht sehr.’ (Belarussisch; Junghanns & Zybatow 2009: 692)
108 | 5 Beschreibung und Herleitung des Leipziger Modells
Insgesamt also wird im LM zwischen drei Arten von Fokus unterschieden: natürlicher Fokus, Kontrastfokus und Verumfokus. Den entsprechend fokussierten Konstituenten werden die Merkmale [FOC], [FOCC ] bzw. [FOCV ] zugewiesen. Diese Merkmale werden nicht als morphosyntaktische Merkmale verstanden sondern als informationsstrukturelle Merkmale, d.h. es wird nicht von der Projektion einer FocP ausgegangen. Natürlicher Fokus kann maximal (CP), intermediär (VP und ggf. Material in der funktionalen Superstruktur) oder minimal (einzelne Konstituente außer CP und VP) sein; er wird in slavischen Sprachen im Satz rechtsperipher realisiert, im Falle von minimalem Fokus führt dies ggf. zu Umordnungen in der Oberflächenstruktur des Satzes. Kontrastfokus und Verumfokus hingegen werden in slavischen Sprachen ausschließlich prosodisch realisiert. In Kapitel 8 wird diese Interpretation und Architektur von Fokus bzw. seiner Syntax anhand der vorliegenden objektsprachlichen Daten überprüft. Dabei wird besonders auf Fragen der Wortstellung in SOV-Sprachen sowie auf als solche bezeichnete Fokusmarker eingegangen.
6 Weiterentwicklung des Leipziger Modells 6.1 Ausgangspunkt und Grundüberlegungen Die Konfiguration des Leipziger Modells, wie in Kapitel 5 beschrieben, bedient vor allem Mathesius’ Forderung, der Zusammenhang von formaler Gliederung des Satzes (d.h. Morphosyntax) und aktueller Gliederung des Satzes (d.h. Informationsstruktur) müsse erklärt werden. Untersuchungsobjekt des LM sind die slavischen Sprachen, weshalb vor allem auf die Morphosyntax der slavischen Sprachen eingegangen wird. Somit ist erklärbar, dass Junghanns (2002a: 13) die Annahme z.B. einer Thema-Rhema-Gliederung zwar für möglich hält, aber im Weiteren nicht verfolgt: Mit dem LM und seinen beiden informationsstrukturellen Gliederungen Topik-Kommentar-Gliederung (TKG) und Fokus-Hintergrund-Gliederung (FHG) sind nämlich alle angesprochenen morphosyntaktischen Phänomene in den slavischen Sprachen hinreichend zu beschreiben. Betrachtet man aber einige morphosyntaktische Phänomene der hier untersuchten sibirischen Sprachen (v.a. nicht-possessiver Gebrauch von Possessivsuffixen und Auftreten der objektiven Konjugation; vgl. Kapitel 2 und Abschnitt 4.2), so erscheint bereits ohne detaillierte Analyse fraglich, ob diese nur mithilfe von TKG und FHG erklärbar sind. In diesem Kapitel werden daher Überlegungen angestellt, wie derartige Phänomene im Rahmen des Leipziger Modells aus theoretischer Perspektive adäquat beschrieben werden können. Abschnitt 6.1.1 beschreibt zunächst die Domäne des Leipziger Modells und untersucht in diesem Zusammenhang die Unterscheidung von Satz und Diskurs. In Abschnitt 6.1.2 wird der Ansatz Valéria Molnárs (1991) hinsichtlich einer möglichen Thema-Rhema-Gliederung vorgestellt und diskutiert, in Abschnitt 6.1.3 wird der Ansatz Molnárs mit dem Konzept des Informationsstatus in Beziehung gesetzt. Abschnitt 6.2 integriert das Phänomen Informationsstatus formal in das Leipziger Modell, in Abschnitt 6.3 wird die Konstruktion des Leipziger Modells mit nunmehr drei Ebenen skizziert.
6.1.1 Domäne des Leipziger Modells Eine der Grundannahmen des Leipziger Modells lautet: Informationsstrukturierung ist ein pragmatisch – durch die Kommunikationssituation, den Kontext – determiniertes Ordnungsprinzip, durch welches die Elemente des Satzes ein bestimmtes kommunikatives Gewicht erlangen. Die Satzelemente ordnen sich zu Blöcken mit verschiedenen Diskursfunktionen. (Junghanns 2002a: 10, eigene Hervorhebungen)
https://doi.org/10.1515/9783110716337-006
110 | 6 Weiterentwicklung des Leipziger Modells
Die Domäne des Leipziger Modells ist also der Satz, genauer die Satzsyntax im engeren Sinne. Aufgrund außersprachlicher Faktoren (Kommunikationssituation, Kontext) erfährt die Syntax (hier verstanden als lineare Ordnung im Satz, die aus hierarchischer Ordnung resultiert) des Satzes bestimmte Umordnungen. Das wiederum entspricht dem Ansatz von Mathesius, dass Wortstellung in den slavischen Sprachen von der aktuellen Gliederung des Satzes determiniert wird (s.o.). Auch die Definitionen von Topik und Fokus operieren im Leipziger Modell auf Satzebene. Wenn das Topik diejenige Konstituente des Satzes ist, über die eine Aussage getroffen wird, bedarf es zwar Kontexts (sowohl sprachlich als auch außersprachlich), um diese Konstituente zu bestimmen, doch ist ihre Bezugsdomäne weiterhin der Satz selbst. Ebenso verhält es sich mit der Definition des Fokus eines Satzes, da diejenige Konstituente des Satzes gemeint ist, die der Sprecher im gegebenen Kontext für wichtig hält. Diskursive Faktoren, wie z.B. Vorerwähntheit eines Referenten, sind somit in der Konzeption dieser Größen irrelevant für das Leipziger Modell in seiner vorliegenden Konfiguration, vgl. hierzu auch die Abgrenzung der Topik-Kommentar-Gliederung und der Fokus-Hintergrund-Gliederung von der Thema-Rhema-Gliederung in Molnár (1991). An dieser Stelle sei das pragmatisch unangemessene Beispiel (6) aus der Einleitung wiederholt. (108)
A: „Ich hatte heute einen Autounfall.“ B: „Oh nein! Ist dir etwas passiert?“ A: # „Nein, es geht schon. Aber eine Motorhaube ist ganz zerquetscht.“
Offensichtlich ist die Erwiderung von Sprecher A, genauer der letzte Satz, pragmatisch unangemessen. In der Einleitung wurde festgestellt, dass das daran liegt, dass Sprecher A davon ausgehen kann, dass Sprecher B mittlerweile davon weiß, um welches Auto es geht, und er voraussetzen kann, dass Autos normalerweise Motorhauben haben. Im Deutschen leitet sich daraus die Notwendigkeit des Gebrauchs des definiten Artikels an dieser Stelle ab. Das Leipziger Modell in der vorliegenden Konfiguration kann dieses Phänomen zwar aus dem außersprachlichen Kontext erklären, jedoch nicht formalisieren: Der Satz Aber eine Motorhaube ist ganz zerquetscht. ist nicht per se pragmatisch unangemessen und ohne vorliegenden Kontext kann diesem Satz eine Informationsstruktur zugewiesen werden. In einem Kontext, wo beispielsweise drei Autos verunglückten und nach dem entstandenen Schaden gefragt wird, wäre dieser Satz völlig akzeptabel. Die Konstituente [eine Motorhaube] wäre in diesem Fall sogar ein guter Topikkandidat. In jedem Fall zeigt das Beispiel, dass der Grund für die pragmatische Unangemessenheit des genannten Satzes nicht auf Satzebene, sondern auf Diskursebene liegt. Für eine formalisierte Beschreibung derartiger Phänomene, welche z.B. mit der Vorerwähntheit von Referenten zusammenhängen, ist das Leipziger Modell nicht primär ausgelegt, da es eben auf Satzebene operiert. Um einige morphosyntak-
6.1 Ausgangspunkt und Grundüberlegungen
|
111
tische Phänomene der hier untersuchten Sprachen (objektive Konjugation, nichtpossessiv gebrauchte Possessivsuffixe) formal adäquat beschreiben zu können, muss daher die Diskursebene unbedingt in die Beschreibung miteinbezogen werden¹.
6.1.2 Thema-Rhema-Gliederung nach Molnár (1991) In ihrer Dissertation zum Topik im Deutschen und Ungarischen untersucht und beschreibt Valéria Molnár (1991) in erster Linie die sprachliche Realisierung von Topiks im Deutschen und Ungarischen, macht jedoch auch einige sehr interessante generelle Bemerkungen. Zunächst ist festzustellen, dass der Topikbegriff Molnárs derselbe ist wie der im Leipziger Modell, auch weist sie ebenfalls eine Topik-Fokus-Dichotomie zurück (Molnár 1991: 4, 41−42). Darüber hinaus geht Molnár (1991: 58) von drei informationsstrukturellen Gliederungen aus, welche sich auf Bühlers (1934) Organonmodell beziehen: 1. Topik-Kommentar-Gliederung (TKG), welche der Darstellung, also der sachbezogenen Ebene, bei Bühler entspricht, 2. Thema-Rhema-Gliederung (TRG), welche der empfängerbezogenen Ebene bei Bühler entspricht und 3. Fokus-Hintergrund-Gliederung (FHG), welche der senderbezogenen Ebene bei Bühler entspricht. Ob der Rückbezug auf Bühler in seinen Einzelheiten adäquat ist, soll später noch diskutiert werden, an dieser Stelle sind zunächst die Unterschiede der genannten Ebenen und ihr Verhältnis zueinander von Belang. In der Literatur fehlt oftmals die Unterscheidung von TKG und TRG, ihre Richtigkeit und Relevanz muss deshalb an dieser Stelle betont werden. Die Kriterien der beiden Gliederungen sind Gegenstand der Aussage vs. Aussage selbst bzw. bekannt vs. neu (Molnár 1991: 58). In der Theorie der Funktionalen Satzperspektive (vgl. Abschnitt 4.1.3) werden beide Gliederungen mit ihren Kriterien letztendlich auf der Skala der Kommunikativen Dynamik zusammengefasst. Dass Topik und Thema eines Satzes häufig zusammenfallen, ist offenkundig und wird auch von Molnár nicht bestritten. Allerdings ist ebenso offenkundig, dass diese Korrelation nicht zwingend ist. Im folgenden Satz (109b) ist Australia Topik des Satzes, in Satz (109c) hingegen ist the match Topik. Beide sind thematisch, da vorerwähnt, bis hier stimmt die Korrelation von Topik und Thema. Da aber in Satz (109b) das thematische the match bzw. in Satz (109c) das thematische Australia auftritt, kann die Korrelation von Topik und Thema nicht notwendig sein, da beide hier kein Topik sind.
1 Tatsächlich wäre interessant, ob dies nicht bei detaillierter Betrachtung auch für slavische Sprachen gilt. Das Auftreten eines definiten Artikels im Bulgarischen und Makedonischen wäre ein prädestiniertes Phänomen für eine derartige Analyse.
112 | 6 Weiterentwicklung des Leipziger Modells
(109)
a. Yesterday was the last day of the Davis cup match between Australia and the U.S. b. Australia won the match. c. The match was won by Australia. (Molnár 1991: 23)
Anders formuliert: Topiks tendieren dazu, thematisch zu sein, oder sind es gar möglicherweise stets; thematische Elemente hingegen sind nicht per Definition Topiks. Mit dieser Erkenntnis ist gezeigt, dass TKG und TRG unterschieden werden müssen, nicht jedoch, dass FHG und TRG unterschieden werden müssen − hierauf wird im Folgenden eingegangen. Molnár (1991: 63) geht zunächst von der plausiblen Annahme aus, dass dem Hörer bekannte Information gewöhnlich im Diskurs unwichtiger ist als dem Hörer unbekannte Information, dass also im Umkehrschluss Rhema und Fokus dazu tendieren zusammenzufallen. Folgendes Beispiel zeigt dies: (110)
a. Wen durfte Antigone nicht begraben? b. Antigone durfte ihren BRUder nicht begraben. (Molnár 1991: 63)
Hier wird erfragt, wen Antigone nicht begraben durfte − prototypisch kann davon ausgegangen werden, dass der entsprechende Referent, der Bruder, nicht vorerwähnt ist. Tatsächlich wäre dieses Frage-Antwort-Paar aber ebenso möglich, wenn vorher bereits über die Figurenkonstellation gesprochen wurde, was implizieren würde, dass in diesem Fall der Bruder bereits vorerwähnt, also thematisch, wäre. Noch deutlicher zeigen Kontrastfoki, dass auch bekannte, thematische Information fokussiert sein kann. (111)
a. Peter oder Eva spielt Klavier? b. Eva spielt Klavier. (Molnár 1991: 64)
Während wohl neue Information im Satz stets fokussiert ist (andernfalls würde der Sprecher sie nicht äußern), zeigen diese Beispiele, dass umgekehrt der Fokus eines Satzes nicht unbedingt aus neuer Information bestehen muss. Damit ist gezeigt, dass auch FHG und TRG voneinander unterschieden werden müssen. TKG und FHG sind schließlich − wie oben gezeigt − binäre Gliederungen, die TRG im Verständnis Molnárs (und im traditionellen Verständnis von Thema und Rhema) ebenfalls. Beispiel (109b) hat also folgende Thema-Rhema-Gliederung: Australia Thema
won | Rhema
the match. | Thema
6.1 Ausgangspunkt und Grundüberlegungen
|
113
Nun ist zu entscheiden, ob auch in der Thema-Rhema-Gliederung eine saliente Komponente vorliegt, während die anderen Komponenten subtraktiv ermittelt werden können, und welche das gegebenenfalls ist. Im Rahmen eines generativen Verständnisses der Syntax müsste die saliente Komponente auf eine Konstituente im Satz zu reduzieren sein, da dieser Konstituente das entsprechende Merkmal zugewiesen werden müsste. Im vorliegenden Beispiel wäre daher das Rhema als saliente Komponente zu betrachten: [won] ist eine Konstituente, *[Australia... the match] hingegen nicht. Betrachtet man aber das folgende Beispiel, so verhält es sich genau umgekehrt. (112)
a. Wer fährt wohin? b. Meine Mutter fährt zum Supermarkt.
Hier besteht das Rhema aus den Konstituenten [meine Mutter] und [zum Supermarkt], zusammen bilden diese allerdings keine Konstituente, das Thema [fährt] hingegen ist eine Konstituente. Somit beantwortet das Kriterium der Konstituentenfähigkeit nicht die Frage, welche der beiden Komponenten der TRG salient ist. Ein weiteres Kriterium für die Salienz einer Komponente ist ihre Markiertheit: Da sich saliente Elemente aus anderen Elementen hervorheben, kann davon ausgegangen werden, dass saliente Elemente eher sprachlich kodiert werden als nicht saliente Elemente. Im Falle von TKG und FHG sind aus dieser Argumentation − wie erwartet − eindeutig Topik und Fokus salient, da diese im Gegensatz zu Kommentar bzw. Hintergrund sprachlich markiert sind. Bezüglich der TRG fällt auf, dass ein Thema wesentlich häufiger sprachlich kodiert ist als ein Rhema. In den Sätzen (109b) und (109c) deutet z.B. der Gebrauch des definiten Artikels in the match auf die Thematizität des Referenten hin, während das Rhema in den Sätzen unmarkiert ist. Geht man nun davon aus, dass das Thema in der Thema-Rhema-Gliederung die saliente Komponente ist, so müsste man im Sinne des Leipziger Modells weiter dafür argumentieren, dass dieser Komponente das Merkmal Thema − formalisiert z.B. [TH] − zugewiesen wird. Ein Merkmal kann im Framework der Generativen Syntax aber nur einer Konstituente zugewiesen werden. In obigen Beispielen ist das nicht ohne Weiteres möglich, da in (109b) und (109c) das jeweilige Thema [Australia...won the match] bzw. [the match... by Australia] keine Konstituente im Sinne Generativer Syntax ist. Tatsächlich ist also zu überlegen, inwiefern eine derartige Konfiguration der Thema-Rhema-Gliederung sinnvoll und aufrecht zu erhalten ist.
114 | 6 Weiterentwicklung des Leipziger Modells
6.1.3 Thema-Rhema-Gliederung und Informationsstatus Spricht man einer Komponente eines Satzes Thematizität − was auch immer im Detail darunter zu verstehen ist − zu oder ab, so bezieht man sich auf den Status dieser Komponente im Diskurs. Daraus folgen zwei wichtige Einschränkungen: Zum einen kann nur referierenden Konstituenten Thematizität zu- oder abgesprochen werden und zum anderen können mehrere Komponenten im Satz thematisch sein oder auch nicht. Die erste Schlussfolgerung ist weniger offensichtlich als die zweite. Für Beispiel (112) wurde prätheoretisch angesetzt, dass [fährt] Thema des Antwortsatzes ist, allerdings ist es eigentlich obsolet, im Falle von Verben von Thema oder Rhema zu sprechen. Der Grund dafür liegt in der fehlenden Referentialität von Verben (vgl. hierzu die Diskussion zu referierenden und prädizierenden Ausdrücken in Lyons (1977: 23−25)). Während Nomina auf einen außersprachlichen Referenten verweisen, tun Verben dies nicht. Entsprechend kann ihnen auch keine Thematizität zu- oder abgesprochen werden. Im vorangegangenen Beispiel scheint fährt deshalb thematisch zu sein, weil es in der Frage vorher vorkommt. Schaut man sich aber folgende Beispiele als aufeinanderfolgende Sätze an, so wird deutlich, dass dies ein Trugschluss ist. (113)
a. Peter fährt nach Hause. b. Sein Vater fährt zum Einkaufen. c. Seine Mutter fährt zum Friedhof.
Hier ist es nicht sinnvoll davon zu sprechen, dass fährt in (113b) und (113c) thematischer ist als in (113a), während Peter eindeutig thematisch ist und auf ihn mithilfe des Possessivpronomens sein referiert werden kann. Für die Realisierung von fährt in (113b) und (113c) ist es völlig unerheblich, ob es in (113a) auftritt oder nicht. Daher kann nur referierenden Ausdrücken, d.h. Nomina, Pronomina etc., ein thematischer oder rhematischer Status zugesprochen werden. Übertragen in das Framework der Generativen Syntax bedeutet dies, dass nur DPs sowie ggf. PPs und AdvPs betroffen sind. Dies wiederum impliziert nochmals, dass mehrere Konstituenten eines Satzes thematisch sein können, da ein Satz mehrere DPs, PPs oder AdvPs enthalten kann und keinerlei Beschränkung existiert, nur eine dieser Konstituenten dürfe thematisch sein (vgl. auch die Beispiele (109b) und (109c)). Alle angestellten Überlegungen zeigen, dass die Sprachdaten die Annahme einer Thema-Rhema-Gliederung nahelegen und notwendig machen. Allerdings zeigt sich ebenso, dass die Konfiguration der TRG offensichtlich von der Konfiguration der TKG und FHG immens abweicht. Es sind nur referierende Ausdrücke betroffen und es handelt sich nicht um eine dichotomische Gliederung des Satzes, da der thematische Status mehrerer Komponenten im Satz bestimmt werden kann. Da, wie ebenfalls gezeigt wurde, Thema und Rhema Begriffe sind, welche nicht auf
6.1 Ausgangspunkt und Grundüberlegungen
|
115
der Satzebene basieren, sondern nur bei Betrachtung der Diskursebene sinnvoll ausgefüllt werden können, überraschen diese Schlussfolgerungen nicht. Es ist mithin weniger von einer Thema-Rhema-Gliederung eines Satzes auszugehen als von einem thematischen (oder rhematischen) Status eines Referenten im Diskurs bzw. einer Konstituente im Satz. Dies erinnert unmittelbar an den in der Einleitung eingeführten Begriff Informationsstatus. Nissim et al. (2004: 1053) definieren den Informationsstatus einer Entität bzw. eines Diskursreferenten zunächst als „[...] the speaker’s assumptions about the hearer’s knowledge/beliefs“. Damit setzen sie Informationsstatus ebenso auf der empfängerbezogenen Ebene im Bühlerschen Sinne an wie Molnár (s.o.). Dieser Informationsstatus werde mithilfe der Dichotomie alt vs. neu ausgedrückt (Nissim et al. 2004: 1053). Hinsichtlich dieser Dichotomie weist schon Prince (1992: 299) darauf hin, dass zwischen zwei Dimensionen unterschieden werden muss: Ein Diskursreferent kann beispielsweise im Diskurs selbst neu, für den Hörer einer Äußerung aber bekannt sein, vgl. folgendes Beispiel: (114)
a. Anderthalb Stunden habe ich heute zur Arbeit gebraucht. b. Gab es Stau? c. Ja, im Elbtunnel hat wieder jemand die Höhenkontrolle ausgelöst.
Auf Diskursebene ist der Elbtunnel ein neuer Referent, da er in (114a) und (114b) nicht genannt ist; für den Hörer hingegen ist der Elbtunnel ein Referent, der durch den außersprachlichen Kontext bzw. Weltwissen (Berufsverkehr, Verkehrslage in Hamburg am Morgen etc.) bekannt ist. Sprachlich wird das offenbar wiederum durch den Gebrauch des definiten Artikels kodiert. Somit ist der Informationsstatus eines Referenten, wie Nissim et al. (2004: 1053) mit Verweis auf Prince (1992) richtig bemerken, von zwei Parametern bestimmt, woraus sich rein rechnerisch vier mögliche Informationsstatus ergeben. Die Kombination alt im Diskurs und neu für den Hörer ist aus logischen Gründen auszuschließen, da der Hörer ja Teil des Diskurses ist und diskursalte Information nicht neu für ihn sein kann. Die restlichen drei Kombinationen benennen Nissim et al. (2004: 1053−1054) als old (diskursalt und höreralt), mediated (diskursneu und höreralt) sowie new (diskursneu und hörerneu). Götze et al. (2007: 151) folgen dieser Kategorisierung, benennen die Status allerdings als given, accessible und new. Im Weiteren wird der Terminologie von Götze et al. (2007) gefolgt. Die Größe given versteht sich weitestgehend von selbst: Ist ein Referent im Diskurs explizit vorerwähnt, ist er given; ist er dies nicht, so ist er nicht given (Götze et al. 2007: 153). Weiter wird weiter zwischen given-active und given-inactive unterschieden; Referenten mit dem Status given-active sind im vorliegenden bzw. unmittelbar vorhergehenden Satz erwähnt, Referenten mit dem Status given-inactive sind an einer weiter zurückliegenden Stelle vorerwähnt (Götze et al. 2007: 154−155).
116 | 6 Weiterentwicklung des Leipziger Modells
Die Größen accessible und new sind schwieriger voneinander zu unterscheiden: In beiden Fällen ist der jeweilige Referent nicht vorerwähnt; im ersten Fall ist der Referent für den Hörer in irgendeiner Form zugänglich, im letzteren Fall nicht. Zugänglich kann ein Referent für den Hörer durch die Äußerungssituation (situativ) sein, durch Aggregation (Gruppe vorerwähnter Referenten), durch Inferenz (z.B. Teil-Ganzes-Relation) sowie durch Weltwissen. Die folgenden Beispiele illustrieren dies jeweils: (115)
a. Kannst du mir bitte die Butter geben? b. Ein Stürmer und ein Verteidiger gerieten nach einem Zweikampf aneinander. Beide wurden vom Schiedsrichter verwarnt. c. Das Eröffnungsspiel fand am 14. Juni im Luschniki-Stadion statt. Auf der Ehrentribüne saß unter anderem Vladimir Putin. d. Der Papst hat heute Genf besucht.
Im Kontext eines Frühstücks ist in Beispiel (115a) die Butter für den Hörer situativ zugänglich, da sie wahrscheinlich gerade auf dem Tisch steht. In Beispiel (115b) sind der Stürmer und der Verteidiger vorerwähnt, somit sind beide als Gruppe für den Hörer als Referenten nunmehr zugänglich. In Beispiel (115c) ist die Ehrentribüne deshalb zugänglich für den Hörer, weil sie ein Teil des genannten Stadions ist und diese Teil-Ganzes-Relation vom Hörer inferiert werden kann. In Beispiel (115d) schließlich ist der Papst als Referent für den Hörer durch Weltwissen zugänglich. In den genannten Beispielen ist die Inferierbarkeit des Referenten recht offensichtlich. Gerade Inferierbarkeit durch Weltwissen ist jedoch zuweilen schwierig nachzuvollziehen, da Weltwissen auch stets kultur-, gesellschafts- und bildungsabhängig ist: Ob Angela Merkel, das sibirische Dorf Potapovo oder der Satz des Pythagoras durch Weltwissen zugänglich sind, kann nur im Einzelfall entschieden werden. Tab. 6.1: Informationsstatus diskursalt
höreralt
+ − − +
+ + − −
Informationsstatus „given“ „accessible“ „new“ logisch ausgeschlossen
Molnár ist also darin zuzustimmen, dass neben der TKG und FHG eine weitere Größe in der Beschreibung von informationsstrukturellen Phänomenen angenommen werden muss. Diese Größe ist allerdings weniger durch ihre dichotomisch
6.2 Informationsstatus im Leipziger Modell |
117
konstruierte Thema-Rhema-Gliederung (TRG) zu beschreiben als durch den Informationsstatus eines Diskursreferenten, welcher durch die Parameter neu bzw. alt im Diskurs und neu bzw. alt für den Hörer bestimmt wird. Tabelle 6.1 schematisiert abschließend die möglichen Informationsstatus von Diskursreferenten.
6.2 Informationsstatus im Leipziger Modell In Kapitel 5, v.a. in Abschnitt 5.1, wurde die Konfiguration des Leipziger Modells beschrieben, wobei herausgearbeitet wurde, dass informationsstrukturelle Phänomene syntaktisch durch die Zuweisung von informationsstrukturellen Merkmalen realisiert werden. In diesem Abschnitt soll nun besprochen werden, wie das Konzept Informationsstatus formal in das Leipziger Modell zu integrieren ist. Es liegt nahe anzunehmen, dass auch der Informationsstatus von Diskursreferenten durch derartige Merkmalszuweisung realisiert wird. Da im Rahmen Generativer Syntax von binären Merkmalen ausgegangen wird, können die oben genannten Informationsstatus given, accessible und new nicht durch ein einziges Merkmal realisiert werden, es wird folglich die Kombination zweier Merkmale [±diskursalt] und [±höreralt] angenommen. Das Merkmalsbündel [+diskursalt, +höreralt] entspricht dem Status given, [−diskursalt, +höreralt] entspricht dem Status accessible, [−diskursalt, −höreralt] entspricht dem Status new und [+diskursalt, −höreralt] ist aus logischen Gründen nicht möglich (s.o.). Für die informationsstrukturellen Merkmale [TOP] und [FOC] wurde argumentiert, dass sie sich anders verhalten als morphosyntaktische Merkmale. Der Unterschied manifestiert sich darin, dass sie im Laufe der Derivation des Satzes nicht abgeglichen werden, dass also keine entsprechenden funktionalen Phrasen TopP und FocP projiziert werden. Nun ist zu überprüfen, wie die Merkmale des Informationsstatus konfiguriert sind. Gegen eine Subsumierung unter die morphosyntaktischen Merkmale spricht auch hier, dass letztere abgeglichen werden müssen und mithin nicht mehr interpretierbar für die außersprachlichen Performanzsysteme sind. Für die hier besprochenen Merkmale gilt jedoch ebenso wie für informationsstrukturelle Merkmale, dass ihre vordergründige Aufgabe eben darin besteht, dem Satz eine korrekte Interpretation zu geben, weshalb ihre Interpretierbarkeit auch nach der Derivation des Satzes erhalten sein sollte. Darüber hinaus ist fraglich, wie mehrfache Zuweisung von Merkmalen im Satz (jedem Diskursreferenten wird ein Informationsstatus zugewiesen) im Rahmen der Satzsyntax rekonstruiert werden sollte; eine multiple Projektion von funktionalen Phrasen müsste hinreichend gezeigt und begründet werden. Vor allem jedoch spricht gegen die Annahme von morphosyntaktischen Merkmalen, dass ihre Bezugsdomäne der gesamte Satz ist: Subjektkongruenz und Objektkongruenz beispielsweise sind
118 | 6 Weiterentwicklung des Leipziger Modells
singuläre Phänomene im Satz, welche, sofern sie vorhanden sind, einmalig in der Satzsyntax festgeschrieben werden müssen, ebenso gilt dies beispielsweise für Tempus oder Aspekt. Informationsstatus hingegen bezieht sich auf eine Konstituente im Satz bzw. einen Diskursreferenten, dies ist mit der Bezugsdomäne einer funktionalen Phrase im Sinne von Pollock (1989) kaum vereinbar. Die Kategorie des Informationsstatus ist sicherlich sprachübergreifend und universal anzusetzen, da sie letztendlich außersprachliche Konzepte beschreibt. Ein Diskursreferent ist neu, wenn er noch nicht genannt wurde − ganz unabhängig davon, ob dies sprachlich kodiert wird oder nicht. Ob die Zuweisung der entsprechenden Merkmale an Diskursreferenten auch universal ist, kann an dieser Stelle nicht diskutiert werden, liegt aus meiner Sicht jedoch nahe, da Diskursstrukturierung in der einen oder anderen Form in allen Sprachen aufzutreten scheint (Lambrecht 1994: 27). Die Interpretation und somit die sprachliche Realisierung der Merkmale hingegen ist sicherlich sprachspezifisch. Wie schon diverse Male angedeutet wird der Informationsstatus given und/oder accessible im Deutschen häufig durch den Gebrauch eines definiten Artikels kodiert, vgl. die folgenden Beispiele: (116)
a. Es lebte einmal ein alter Mann. Der Mann hatte drei Söhne. b. Der Mond ist heute Nacht nicht zu sehen.
Die Merkmalsbündel [+diskursalt, +höreralt] und [−diskursalt, +höreralt] führen im Deutschen also in der Regel zum Auftreten des definiten Artikels, das Merkmalsbündel [−diskursalt, −höreralt] hingegen nicht. Syntaktisch lässt sich dies − für den Informationsstatus given − wie in Abbildung 6.1 rekonstruieren. CP
AgrS P
[-wh]
DP
VP
Der Mann [TOP] [+diskursalt] [+höreralt]
hatte drei Söhne.
Abb. 6.1: Syntax von Informationsstatus-Merkmalen
6.3 Leipziger Modell mit drei Ebenen |
119
Die folgenden Beispiele unterstreichen, dass die sprachliche Realisierung von Informationsstatus nicht uniform ist, sondern sprachspezifisch variiert; im Tschechischen (Beispiel (26), wiederholt als (117)) drückt das Demonstrativum ten (welches nahezu schon als definiter Artikel interpretiert werden kann) den Informationsstatus given aus. Im Dolganischen hingegen (Beispiel (118)) wird dafür ein Possessivsuffix verwendet. (117)
a. By-l
jednou jeden král. sein-pst.sg.m einmal eins König
‘Es war einmal ein König.’
ten král mˇe-l tˇri syn-y. und dieser König haben-pst.sg.m drei.acc Sohn-acc.pl
b. A
‘Und der König hatte drei Söhne.’ (Tschechisch; Mathesius 1939: 171, eigene Glossierung und Übersetzung) (118)
a. Golomo-go
köt-ön tüs-püt-e, Erdhütte-dat/loc rennen-cvb.seq aux-pst2-3sg oɡonn’or-doːk emeːksin. alter.Mann-propr alte.Frau
‘Er rannte in die Erdhütte, [dort sind] ein alter Mann und eine alte Frau.’ b. Emeːksin-e
karag-a h⁀ uok, ogonn’or-o alte.Frau-poss3sg Auge-poss neg alter.Mann-poss3sg h⁀ iese hečen hogus. ein.bisschen ernst emph
‘Die alte Frau hat keine Augen, der alte Mann ist etwas ernst.’ (Dlg_PoXN_19701118_Chopochuka_flk.078−079) Mit diesen Beispielen ist vorerst gezeigt, dass der entwickelte Ansatz zur Beschreibung der syntaktischen Realisierung von Informationsstatus anwendbar ist: Die Merkmalszuweisung ist universal, die daraus resultierenden sprachlichen Realisierungen hingegen einzelsprachlich divergent. In Abschnitt 9 wird detailliert auf die Realisierung von Informationsstatus in den Objektsprachen eingegangen und dies mithilfe des hier entwickelten Ansatzes beschrieben.
6.3 Leipziger Modell mit drei Ebenen Aus den Ausführungen in den vorangegangenen Abschnitten folgt, dass für die vollständige Beschreibung von Informationsstruktur und Informationsstatus in
120 | 6 Weiterentwicklung des Leipziger Modells
natürlichen Sprachen das LM in seiner vorliegenden Konfiguration mit den zwei Ebenen TKG und FHG nicht ausreicht. Vielmehr muss eine weitere Ebene rekonstruiert werden, die ihre Motivation in der Thema-Rhema-Gliederung Molnárs hat, aber anders konzipiert werden muss als die erstgenannten Ebenen. Da auf dieser Ebene der referentielle Status eines Diskursreferenten beschrieben wird, soll diese Ebene als Informationsstatus bezeichnet werden. Wie oben angesprochen weist Molnár (1991: 58) ihre drei Ebenen (TKG, TRG und FHG) den drei Größen des Bühlerschen Organonmodells zu: TKG entspricht der sachbezogenen Ebene, TRG der empfängerbezogenen Ebene und FHG der senderbezogenen Ebene. Diese Korrelation entspricht auch dem LM bzw. den Grundannahmen des LM. Die TKG gliedert einen Satz in den Gegenstand der Aussage und die Aussage selbst, es geht hier also um die Prädikation des Satzes, welche wiederum schon im aristotelischen Sinn Darstellungsfunktion besitzt. Informationsstatus operiert tatsächlich auf der hörerbezogenen Ebene, da es hier darum geht, inwiefern ein Diskursreferent im Bewusstsein des Hörers aktiviert ist (Krifka & Musan 2012: 1; Lambrecht 1994: 76). Die FHG schließlich operiert auf der senderbezogenen Ebene, da der Sprecher mit der Fokussierung einer bestimmten Konstituente die für ihn wichtige Information im Satz kennzeichnet (Halliday 1967: 204). Wenngleich dieser Zusammenhang für die innere Konfiguration des LM irrelevant ist, so zeigt er dennoch, dass die angenommenen Ebenen des LM nicht aus der Luft gegriffen sind, sondern ihre Berechtigung in einem recht unumstrittenen Kommunikationsmodell finden. Wie bereits angeklungen ist, können TKG und FHG einerseits sowie Informationsstatus andererseits nicht gänzlich identisch konstruiert und beschrieben werden. Während TKG und FHG auf der Satzebene angesiedelt sind und dort operieren, ist der Informationsstatus auf der Diskursebene verankert. TKG und FHG sind weiterhin als binäre Gliederungen konstruiert, für Informationsstatus gilt hingegen, dass jeder referierenden Konstituente im Satz ein Informationsstatus zugewiesen wird, dies geschieht durch Merkmalszuweisung im Sinne der Generativen Syntax. Wie auf der Ebene der TKG und FHG handelt es sich auch hierbei nicht um morphosyntaktische Merkmale, sondern um eine eigene Merkmalskategorie (s.o.), weshalb auch nicht von der Projektion funktionaler Phrasen ausgegangen wird. Für alle drei Ebenen gilt, dass die Zuweisung der entsprechenden Merkmale zu sprachspezifischen Realisierungen führt − im nächsten Kapitel sollen einerseits diese sprachspezifischen Realisierungen in den gewählten Objektsprachen untersucht werden und andererseits mithilfe des Sprachmaterials die Adäquatheit der theoretischen Überlegungen überprüft werden.
| Teil III: Begründung und weitere Modellierung des Leipziger Modells anhand der Objektsprachen
7 Topikrealisierungen 7.1 Wortstellung und Topikposition In Kapitel 4 wurde der Zusammenhang von Wortstellung und der Topik-KommentarGliederung angesprochen. Schon von der Gabelentz (1869: 379) geht davon aus, dass das Topik dem Kommentar (in seiner Terminologie: Psychologisches Subjekt und Prädikat) vorausgeht, dass also topikale Konstituenten tendenziell satzinitial stehen. Für die hier untersuchten Sprachen ist dies ebenfalls festgestellt worden (z.B. Gorelova (2006: 155) für altaische Sprachen). Keine der Untersuchungen geht jedoch über eine deskriptive Ebene hinaus, die zugrundeliegende Syntax der Topikrealisierungen ist weitestgehend unerforscht. Daher soll es in diesem Abschnitt darum gehen, den Zusammenhang von Wortstellung, v.a. der satzinitialen Position, und der sprachlichen Realisierung von Topiks in den Objektsprachen zu untersuchen und vor allem eben auf die zugrundeliegende Syntax einzugehen. Zunächst kann die Beobachtung, die satzinitiale Position korreliere mit der Position für Topiks im Satz, für alle untersuchten Sprachen auf einer vortheoretischen Ebene bestätigt werden. Folgende Beispiele aus dem Ewenkischen bzw. Nganasanischen illustrieren das¹: (119)
Amiːn-duː-f kətə oron bi-soː-n. Vater-dat/loc-poss1sg viel Rentier sein-pst-3sg ‘Mein Vater hatte viele Rentiere.’ (Evn_N_TuMD_2011_StoryAboutLife_nar.003)
(120)
Volot’ankə-tənu mənə sˇ kola-tənu hoðə-tə-suə-m. Voločanka-loc 1sgpro Schule-loc lernen-ipfv-pst-1sg ‘In Voločanka ging ich zur Schule.’ (Ng_ASS_161024_Life_nar.011)
In Beispiel (119) erzählt die Sprecherin über ihre Familie. In Beispiel (120) wird im vorangehenden Satz geschildert, dass die Familie der Sprecherin nach Voločanka übersiedelte, nun wird erzählt, was in Voločanka geschah. In beiden Fällen wird im unmittelbaren Prätext also der entsprechende Diskursreferent eingeführt, während in den vorliegenden Sätzen etwas über den Diskursreferenten ausgesagt wird. Es
1 Zum weiteren Vorgehen ist anzumerken, dass aus Platzgründen nicht zu jedem Problemkreis Beispiele aus allen Sprachen und Dialekten gegeben werden können; dies gilt insbesondere, wenn sich die Sprachen identisch verhalten. An entsprechenden Stellen wird darauf hingewiesen. Weicht eine Sprache oder ein Dialekt signifikant ab, so wird dies selbstverständlich detailliert besprochen und auch mit Beispielmaterial illustriert. https://doi.org/10.1515/9783110716337-007
124 | 7 Topikrealisierungen
handelt sich daher eindeutig um das Topik des Satzes. Ohne die Informationsstruktur zu beachten, würde im Framework der Generativen Syntax die Syntax des Satzes (119) wohl wie in Abbildung 7.1 dargestellt. CP
VP
[-wh]
VP
DP
Amiːnduːf
DP
V’
kətə oron
bisoːn.
Abb. 7.1: Syntax von Satz (119)
Einige generelle Anmerkungen zur syntaktischen Analyse der Beispiele sind an dieser Stelle nötig: In dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass die obligatorischen Ergänzungen des Verbs (also Komplemente wie vor allem Subjekt und Objekte) innerhalb der VP generiert werden, nicht-obligatorische Ergänzungen (also Adjunkte wie vor allem Adverbiale) jedoch außerhalb der VP. In den meisten Fällen ist diese Annahme unproblematisch; im Falle obligatorischer Adverbiale als Argumente von Verben wie gehen, kommen oder wohnen ist sie nicht so trivial, jedoch kann hier nicht im Detail darauf eingegangen werden. Es soll nur erwähnt werden, dass z.B. Apresjan (1992) von einer VP-internen Generierung von obligatorischen adverbialen Argumenten ausgeht. Weiterhin wird hier davon ausgegangen, dass morphologische Elemente im Satz (also z.B. Tempussuffixe oder Negationspartikeln/-auxiliare) nicht in einer entsprechenden funktionalen Phrase realisiert sein müssen. Gemäß z.B. Zeijlstra (2012) können morphosyntaktische Merkmale schon in situ abgeglichen werden, die entsprechenden morphologischen Elemente auf der Satzoberfläche verbleiben also auch in situ. Diese Annahme ist speziell im Kontext der hier untersuchten Sprachen sinnvoll, da durch ihren agglutinierenden Charakter eine Vielzahl an grammatischen Morphemen in einer Wortform auftreten können. Schließlich wird unter Vorbehalt gemäß Abney (1987) von der Projektion einer DP über NP ausgegangen. Ob dies für die hier untersuchten Sprachen korrekt ist, kann an dieser Stelle nicht diskutiert werden, es sei hier nur auf Bošković (2008) zur allgemeinen Diskussion sowie auf Bošković
7.1 Wortstellung und Topikposition |
125
& Şener (2014) und Kornfilt (2018) zur Diskussion von NP vs. DP im strukturell ähnlichen Türkischen verwiesen. Entsprechend dieser Vorannahmen würde das Subjekt des Satzes (119) kətə oron in der VP generiert und bliebe in situ, das Adverbial amiːnduːf würde als Adjunkt an VP generiert und bliebe ebenfalls in situ. Diese Analyse würde bedeuten, dass das Subjektkongruenzmerkmal im Ewenkischen schwach wäre, da das Subjekt andernfalls in die funktionale Superstruktur des Satzes, genauer nach SpecAgrS P bewegt werden müsste. Dies kann an dieser Stelle nicht im Detail diskutiert werden, weiter unten wird jedoch darauf eingegangen. Im Folgenden ist nun zu untersuchen, wie diese Annahmen mit der syntaktischen Realisierung von Topiks in Einklang zu bringen sind. Wie an diversen Punkten schon angeklungen ist, können unterschiedliche Satzglieder Topiks sein, daher werden im Folgenden zunächst Subjekttopiks, dann Objekttopiks, adverbiale Topiks sowie Possessoren als Topiks besprochen. Im terminologischen Rahmen des Leipziger Modells geht es hierbei um interne, konkrete, nicht-kontrastive Topiks. Sowohl externe, abstrakte als auch kontrastive Topiks werden später in der Arbeit besprochen. Subjekttopiks sind sicherlich insofern die kanonischsten Topiks, als in ihnen Morphosyntax und Informationsstruktur des Satzes zusammenfallen. Das deckt sich mit diversen funktional motivierten Hierarchien, z.B. Bresnan & Kanervas (1989: 23) thematic hierarchy, Dixons (1979: 85) animacy hierarchy oder Comries (1989: 134−136) definiteness hierarchy: Auch hier wird beobachtet, dass „ranghöhere“ Elemente, also z.B. ein animates und definites Agens, eher als Subjekt realisiert werden als „rangniedrigere“ Elemente, also z.B. ein inanimater und indefiniter Benefizient. In einer entsprechenden Hierarchie für informationsstrukturelle Beziehungen würde ein Topik hoch in der Hierarchie stehen und ist dann ebenso prädestiniert dafür, als Subjekt realisiert zu werden. Und schließlich liegt dem Begriff Subjekt, wie in Abschnitt 4.1 erläutert, ja auch ein informationsstrukturelles Verständnis des Satzes zugrunde. Die folgenden Beispiele zeigen satzinitiale Subjekttopiks in den untersuchten Sprachen: (121)
T’u pɯːrəs iːmi-ʌ quːntintɛ jener alt Frau-poss3sg vor.langer.Zeit kiːʌ-m-ɛʌ tɒːɣi! aufstehen-ptcp.pst-poss3sg evid ‘Die alte Frau war offenbar schon lange aufgestanden.’ (Kha_Su_PoFI_1992_TwoWomen_flk.107)
126 | 7 Topikrealisierungen
(122)
Nɛl’uku-ʔ sˇ e me-ɔn tɛχɛ pɔðe-ŋa-ʔ. Mücke-pl Loch Inneres-prol dort passen-aor-3pl ‘Die Mücken passen durch die Löcher [wörtl. das Loch].’ (En_W_SiNI_20090719_GoldenerFisch_nar.033)
(123)
[...] Mənə tɨmini⁀ a tənə əndɨ-ʔsɨðə-m, s’¨ul’¨u-bt¨u-ʔs’¨uðə-m. 1sgpro jetzt 2sgpro.acc ph-fut-1sg aufleben-drv-fut-1sg ‘[Kehy Luu sagt:] Ich mache dich jetzt wieder lebendig.’ (Ng_KNT_940903_KehyLuu_flkd.225)
(124)
Maː kihi-ŋ k⁀ iehe ɨt-ɨ-nan bar-ar. dieser Mensch-poss2sg abends Hund-poss3sg-ins gehen-prs.3sg ‘Dieser Mensch fährt am Abend mit seinen Hunden los.’ (Dlg_BaA_1930_FireInSmallTent_flk.013)
(125)
Al’oˇsa tunŋa klas-tuː usisi-l-daŋaː-n, əhi-kəkon Aljoscha fünf Klasse-dat/loc lernen-inch-fut-3sg jetzt-intns sint’abr’-duː. September-dat/loc ‘Aljoscha kommt in die fünfte Klasse, jetzt im September.’ (Evn_N_UvIK_2008_AboutMe_nar.007)
Die Topikalität des Subjekts geht jeweils aus dem Kontext hervor: In Beispiel (121) geht es um zwei Frauen, die zusammen wohnen, die jüngere ist am Morgen aufgewacht und stellt fest, dass die ältere eben schon aufgestanden ist; in Beispiel (122) erzählt der Sprecher davon, wie er in den Wald ging, sein Mückennetz kaputt war und es viele Mücken gab; in Beispiel (123) handelt das gesamte Märchen von dem Protagonisten Kehy Luu, gerade hat er einen sterbenden Menschenfresser gefunden; in Beispiel (124) haben zwei Männer eben besprochen, was sie tun werden, einer von beiden fährt nun los; in Beispiel (125) erzählt der Sprecher von sich und seinen Kindern. Das Subjekttopik ist stets satzinitial realisiert, die Beispiele zeigen außerdem, dass das Subjekt bewegt worden sein muss, da es jeweils mindestens einem Adverbial vorangeht. Wendet man die Annahmen des Leipziger Modells in Bezug auf die syntaktische Realisierung von internen, konkreten, nicht-kontrastiven Topiks an, so kann Beispiel (124) mit der Syntax in Abbildung 7.2 dargestellt werden. Dem Subjekt des Satzes maː kihiŋ wird das Topikmerkmal [TOP] zugewiesen, weshalb es aus seiner Basisposition hinausbewegt wird und an die Subjektkongruenzphrase AgrS P adjungiert. Analog kann dies auch für die anderen vorliegenden Beispiele rekonstruiert werden.
7.1 Wortstellung und Topikposition |
127
CP
AgrS P
[-wh]
VP
DP
Maː kihiŋi [TOP]
VP
AdvP
ki⁀ ehe
DP
ɨtɨnan ti
VP
V’
barar. Abb. 7.2: Syntax eines overten Subjekttopiks (Satz (124))
Es lässt sich nun argumentieren, dass die Zuweisung eines Topikmerkmals nicht notwendig ist, um das Subjekt in diese satzinitiale Position zu bewegen. Stattdessen könnte angenommen werden, dass das Subjektkongruenzmerkmal in den untersuchten Sprachen stark sei, weshalb das Subjekt aus seiner Basisposition hinausbewegt werden müsse. In diesem Fall würde es nicht an AgrS P adjungieren, sondern nach SpecAgrS P bewegt werden. Die obigen Beispiele können weder für noch gegen diesen Einwand sprechen. Um festzustellen, ob das Subjektkongruenzmerkmal in den Objektsprachen stark oder schwach ist, werden Beispiele benötigt, in denen das Subjekt nicht topikal ist und in welchen zumindest ein Adverbial vorliegt, das ebenfalls nicht topikal sein darf. Wenn in dieser Konstellation das Subjekt dem Adverbial vorangeht, so ist das Subjektkongruenzmerkmal stark; wenn das Adverbial dem Subjekt vorangeht, das Subjekt also in situ bleibt, so ist das Subjektkongruenzmerkmal schwach. Für das Chantische, Enzische und Dolganische kann eindeutig von einem schwachen Subjektkongruenzmerkmal ausgegangen werden, Beispiele wie (126) bis (128) finden sich reichlich (das Subjekt in situ ist fett markiert).
128 | 7 Topikrealisierungen
(126)
˘ ˘ As χonəŋ-na saran χop t˘ıpə-na nowə tuˇ ˘ s-əp Ob Ufer-loc syrjänisch Boot Inneres-loc weiß Bart-propr ojka oməs-ət. alter.Mann sitzen-prs.3sg ‘Am Ufer des Ob in einem syrjänischen Boot sitzt ein weißbärtiger alter Mann.’ (Kha_Sh_MaKI_193X_KaufmannKnecht_flk.030)
(127)
ŋo-l’u d’eri-χon Krasnɔjarska-χað aga bem-ʔ to-bi-ʔ. eins-lim Tag-loc Krasnojarsk-abl groß Chef-pl kommen-prf-3pl ‘An einem Tag kamen aus Krasnojarsk große Chefs [= hohe Parteifunktionäre].’ (En_W_PaAN_20090721_MeinVater_nar.009)
(128)
Ol oˇciha-kaːŋ-ŋa k⁀ iehe aːjɨ uot ⁀ ubaj-ar jener Zelt-dim-dat/loc Abend jeder Licht aufleuchten-ptcp.prs b⁀ uol-but. aux-pst2.3sg ‘In dem kleinen Zelt leuchtete jeden Abend ein Licht auf.’ (Dlg_BaA_1930_FireInSmallTent_flk.002)
Im Nganasanischen und Ewenkischen scheint die Lage komplizierter, u.a. da Verbfinalität hier wesentlich schwächer ausgeprägt ist als in den anderen Sprachen. Die Beispiele (129) und (130) lassen ebenfalls ein schwaches Subjektkongruenzmerkmal vermuten, allerdings mit der Einschränkung, dass nur wenige aussagekräftige Beispiele in den Korpora vorliegen, sodass keine abschließende Bewertung getroffen werden kann. (129)
Ou kuə t’¨uhə-ɡ¨uə-nu tahari⁀ aa n’intuu-t’ə kuntəɡu excl einige.gen Zeit-emph-locadv jetzt nicht-emph weit.weg maa-t’ə-k¨uə saŋɡu-ʔ sojbu-ə-munu-t’¨uŋ. was-emph-emph Glocke-pl Geräusch-vbz-aud-3pl ‘Oh, nach einiger Zeit klingelten nicht weit entfernt Glocken.’ (Ng_TKF_061105_TuuBenke_flkd.080)
7.1 Wortstellung und Topikposition |
(130)
129
Umno əduk 2290 aŋnaniː-duː ɡulu-kon-duləː əkun einmal von.dort 2290 Jahr-dat/loc Dorf-dim-lat was əmə-s’oː-n. kommen-pst-3sg ‘Einmal im Jahr 2290² kam ein Bär [wörtl. etwas]³ ins Dorf.’ (Evn_N_SiKS_2008_StoryAboutLife_nar.019)
Damit ist − zumindest für das Chantische, Enzische und Dolganische − gezeigt, dass sich die Bewegung des Topiks an den Satzanfang tatsächlich auf die Zuweisung des Topikmerkmals zurückführen lässt und die rekonstruierte Syntax in Abbildung 7.2 richtig ist. Für das Nganasanische und das Ewenkische konnte nicht endgültig gezeigt werden, dass das Subjektkongruenzmerkmal schwach ist. Damit besteht in den Sätzen (123) und (125) zumindest theoretisch die Möglichkeit, dass die Bewegung des Subjekts darauf zurückzuführen ist, dass das Subjektkongruenzmerkmal stark ist. Wahrscheinlicher ist jedoch meiner Meinung nach, dass auch hier die Zuweisung des Topikmerkmals ursächlich ist, da, wie sich im Folgenden zeigen wird, dies auch für andere Konstituenten im Satz gezeigt werden kann. Alle in dieser Arbeit untersuchten Sprachen zeichnen sich durch mehr oder weniger stark ausgeprägtes Subjekt-Pro-Drop, d.h. die Möglichkeit der koverten Realisierung eines Subjekts, aus, da Person und Numerus des Subjekts hinreichend in der Verbalmorphologie kodiert sind (Honti 1988: 191; Siegl 2013a: 73; WagnerNagy 2019: 365; Stapert 2013: 246; Nedjalkov 1997: 101). Die folgenden Beispiele aus dem Enzischen und Ewenkischen veranschaulichen das: (131)
pro savχɔz-χɔn mɔd’era-ðʔ. Sowchose-loc arbeiten-aor.1sg ‘Ich arbeite in der Sowchose.’ (En_T_TuZA_20080723_Kindheit_nar.040)
(132)
pro amaːkaː-wə čok-ta-w. Großvater-acc töten-aor-1pl.exc ‘Wir töteten den Bären [wörtl. den Großvater].’ (Evn_N_SaVN_2006_PawOfBear_nar.034)
Es stellt sich zunächst die Frage, ob koverte Subjekte (bzw. koverte Konstituenten im Allgemeinen) topikfähig sind. Weiterhin ist zu untersuchen, wie dies ggf. syntaktisch dargestellt werden kann. Die erste und wichtigste Voraussetzung für die
2 Offensichtlich meinte der Sprecher ein anderes Jahr; gemäß den Angaben des Transkribierenden soll es 1990 gewesen sein. 3 Hier und in Beispiel (132) wird auf den Bären mit einer Tabubezeichnung referiert; die sprachliche Tabuisierung des Bären ist in Sibirien weit verbreitet.
130 | 7 Topikrealisierungen
Topikfähigkeit einer Konstituente/eines Ausdrucks ist ihr/sein Status als Diskursreferent, nur referierende Konstituenten können Topiks sein (Junghanns 2002a: 42; Lambrecht 1994: 127). Dies ist intuitiv erschließbar, da nur etwas über etwas ausgesagt werden kann, was ein Gegenstück im Diskursuniversum (zum Begriff vgl. Lambrecht (1994: 36)) hat. Bei Ausdrücken wie das Haus oder gestern ist das der Fall, bei Ausdrücken wie plötzlich oder gehen ist das nicht der Fall. Da koverte Subjekte ebenso referierende Ausdrücke sind wie overte Subjekte, ist ihre Topikfähigkeit in dieser Hinsicht gegeben. Weiter sind topikfähige Konstituenten zumindest prototypisch vorerwähnt bzw. definit oder zumindest inferierbar (siehe Diskussion in Abschnitt 5.2). Dies trifft ebenso, wenn nicht sogar in höherem Maße, auf koverte Subjekte zu, da ihre Weglassbarkeit voraussetzt, dass sie vorerwähnt oder inferierbar sind (siehe Diskussion in Abschnitt 9). Aus konzeptueller Sicht spricht also nichts dagegen, koverte Subjekte als Topiks anzunehmen, im Gegenteil erfüllen koverte Subjekte die Kriterien für die Topikfähigkeit eines Referenten in besonderem Maße. Auch statistisch spiegelt sich dies in den untersuchten Daten wider, in allen Sprachen überwiegen koverte Subjekttopiks, vgl. Tabelle 7.1. Tab. 7.1: Overte und koverte Subjekttopiks Sprache Chantisch Enzisch Nganasanisch Dolganisch Ewenkisch
Overte Subjekttopiks
Koverte Subjekttopiks
949 818 749 912 556
1494 1696 1062 995 1140
Auf der Hand liegt hier das Problem, dass koverte Konstituenten im phonetischartikulatorischen Output der Oberflächenstruktur des Satzes nicht auftreten, mögliche Bewegungen also nicht nachgewiesen werden können. Es stellt sich also die Frage, wie derartige Konstituenten syntaktisch rekonstruiert werden können. Hierüber herrscht in der Forschung keine Einigkeit. Ich verfolge den intuitiv gut greifbaren Ansatz Holmbergs (2005: 559), dass sich koverte Subjekte syntaktisch ebenso verhalten wie overte Subjekte (zumindest in Bezug auf Bewegungen, Merkmalszuweisung etc.), sie phonetisch aber leer sind, ihnen also kein Gegenstück auf der artikulatorisch-perzeptuellen Ebene entspricht. Mit dieser Annahme ist es unproblematisch, die Syntax koverter Subjekte und weiter koverter Subjekttopiks zu rekonstruieren, da sie identisch zur Syntax overter Subjekte und Subjekttopiks ist. Die Syntax von Beispiel (131), in welchem das koverte Subjekt
7.1 Wortstellung und Topikposition |
131
unzweifelhaft Topik des Satzes ist, da die Sprecherin über sich selbst und nicht über die Sowchose erzählt, kann also wie in Abbildung 7.3 rekonstruiert werden. CP
AgrS P
[-wh]
proi [TOP]
VP
DP
savχɔzχɔn ti
VP
V’
mɔd’eraðʔ. Abb. 7.3: Syntax eines koverten Subjekttopiks (Satz (131))
Mit der bisherigen Diskussion overter und koverter Subjekttopiks ist gezeigt, dass die vorliegenden Permutationen in der Oberflächenstruktur des Satzes tatsächlich durch die Zuweisung des Topikmerkmals [TOP] an die topikale Konstituente und durch daraus folgende Bewegungen erklärt werden können. Bisher wurde − wie im LM für slavische Sprachen − von Bewegung und Adjunktion der topikalen Konstituente an AgrS P ausgegangen. Die bisherigen Beispiele können dies aber nicht belegen, da im Prinzip jeglicher andere Landeplatz in der funktionalen Superstruktur des Satzes ebenso in Frage käme. Zur Begründung der Adjunktion an genau AgrS P siehe die weiter unten folgende Diskussion, zunächst sollen Objekttopiks sowie adverbiale Topiks besprochen werden. Die folgenden Beispiele zeigen Objekttopiks in den untersuchten Sprachen: (133)
˘ ˘ u-s ˘ χu, s’˘ı Ten pantaŋ-ən s’ata kat χuj-ŋən 3dupro mit-poss3du dort sein-pst.3sg zwei Mann dieser Mann-du ˘ ˘ m˘oŋ panna wu-s-təw. 1plpro mit nehmen-pst-1pl.obj ‘Mit ihnen waren dort zwei Männer, diese beiden Männer nahmen wir mit.’ (Kha_Sh_MaKI_1936_Bärenjagd_nar.049)
132 | 7 Topikrealisierungen
(134)
Ee-da n’iɔ-ʔ d’aχara-b mɔd’. Mutter-obl.poss3sg Name-acc nicht.wissen-aor.1sg.obj 1sgpro ‘Den Namen ihrer Mutter weiß ich nicht.’ (En_T_KoIP_20080716_AlteFrau_nar.007)⁴
(135)
Təmuŋku-mtu kuʔ n’ebsə-btɨ-ʔə təti nɨ. Maus-acc.poss3sg ganz liebkosen-att-aor.3sg jene Frau ‘Die Maus wird von der Frau geliebkost.’ (Ng_KES_080721_Lemming_flkd.097)
(136)
Bu-nu hahɨl bul-ar. dieses-acc Fuchs finden-prs.3sg ‘Dieses wird von einem Fuchs gefunden.’ (Dlg_PoMA_1964_FoxDeceiver_flk.004)
(137)
Ilan-ma-tin huŋtu-l bəjə-l huru-w-rə. drei-acc-poss3pl anderer-pl Mensch-pl gehen-caus-aor.3pl ‘Drei [von ihnen] werden von anderen Leuten mitgenommen.’ (Evn_N_ElVX_2007_BigWork_nar.093)
Die Topikalität der entsprechenden Konstituente ergibt sich wiederum aus dem Kontext: In Beispiel (133) sind die beiden Männer eben in den Diskurs eingeführt, nun wird erzählt, was mit ihnen passierte; in Beispiel (134) erzählt die Sprecherin von ihrer Cousine und deren Mutter; in Beispiel (135) geht es darum, dass die Maus die Frau gerettet hat und sich die Frau nun bei der Maus bedankt; in Beispiel (136) wird ein Waisenkind beschrieben, das alleine in der Tundra ist; in Beispiel (137) schließlich berichtet der Sprecher, dass vier Wissenschaftlerinnen aus Moskau zu ihnen kamen und erzählt, wer welche von ihnen in die Tundra begleitete. Die Objekttopiks sind wie oben die Subjekttopiks auch satzinitial realisiert, die Syntax kann daher wie in Abbildung 7.4 rekonstruiert werden.
4 Genitiv und Akkusativ sind im Enzischen häufig zusammengefallen (Siegl 2013a: 148, 151−154); in diesem Fall werden sie mit obl glossiert.
7.1 Wortstellung und Topikposition |
133
CP
AgrS P
[-wh]
VP
DP
Bunui [TOP]
DP
V’
hahɨl ti bular.
Abb. 7.4: Syntax eines overten Objekttopiks (Satz (136))
Siegl (2013a: 370) spricht im Zusammenhang von Wortstellung und Topikmarkierung bei u.a. folgendem Beispiel, welches schon in Abschnitt 4.2.3 genannt wurde, von einem „left-detached topic“: (138)
Busi mod’ bodu-n modä-bu-š. alter.Mann 1sgpro Tundra-locadv sehen-1sg.obj-pst ‘Der alte Mann, ich habe ihn in der Tundra gesehen.’ (Waldenzisch; Siegl 2013a: 370)
Siegl (2013a: 253−254, 370) postuliert weiterhin, dass direkte Objekte in derartigen Kontexten obligatorisch die objektive Konjugation am Verb auslösten und dass sie aus syntaktischer Sicht nicht mehr als Objekte aufgefasst werden müssten, stattdessen sei die Wortstellung hier STOP SV. Das lässt darauf schließen, dass Siegl derartige Topiks als satzextern analysiert. Für dieses und die anderen von ihm genannten Beispiele ist eine derartige Analyse möglich; ohne genaueren Kontext und auch ohne Kenntnis der Intonation lässt sich aber kein Urteil hierüber fällen. Geht man davon aus, dass es sich tatsächlich so verhält, dass das Topik in diesem Beispiel satzextern zu analysieren ist, so stellt sich die Frage, ob dies für direkte Objekte in Topikposition generell gilt. Diagnostische Kriterien für ein satzextern realisiertes Topik (siehe auch Abschnitt 7.5) können sein: intonatorische Trennung vom Rest des Satzes, ein Pronomen, das das Topik wieder aufgreift, Nominativmarkierung des Topiks, Auftreten der objektiven Konjugation am Verb. Angewendet auf das untersuchte Material wird deutlich, dass keinesfalls alle Objekttopiks im Enzischen als satzextern und „left-detached“ analysiert werden können; Beispiel (139) zeigt dies.
134 | 7 Topikrealisierungen
(139)
Nɔ kare-ku-χoɔ jet kadu-ŋa-ʔ, tɔne. aber Fisch-dim-emph und.so jagen-aor-3pl existieren.3sg ‘Aber den Fisch jagt man, den gibt es.’ (En_W_LyND_19970718_Leben_nar.124)
Der Sprecher erzählt davon, dass es in der letzten Zeit wenig Wild in der Tundra gab, aber Fisch im Fluss vorhanden ist. Nun berichtet er, dass der Fisch auch gefangen wird, also ist der Fisch Topik des Satzes. Das Topik ist in diesem Satz nicht intonatorisch vom Rest des Satzes getrennt, es wird nicht durch ein Pronomen wieder aufgenommen und löst nicht die objektive Konjugation am Verb aus. Gegen eine satzexterne Realisierung des Topiks spricht zudem, dass die Konjunktion nɔ dem Topik vorausgeht. Da davon ausgegangen wird, dass Konjunktionen in C realisiert werden⁵, müsste erklärt werden, warum die Konjunktion dem „leftdetached topic“ vorausgeht, wenn das Topik satzextern realisiert wird. Dieses Beispiel zeigt also, dass Objekttopiks im Enzischen nicht per se satzextern realisiert werden. Sowohl bei der Diskussion externer Topiks (Abschnitt 7.5) als auch bei der Diskussion der objektiven Konjugation (Abschnitt 9.3) komme ich noch einmal darauf zurück. An einigen Punkten der Arbeit ist schon angeklungen, dass das Chantische, Enzische und Nganasanische eine objektive Konjugation kennen, die es ermöglicht, auch direkte Objekte kovert zu realisieren. Es stellt sich daher zwangsläufig die Frage, ob koverte Objekte Topiks sein können und wie diese ggf. syntaktisch zu rekonstruieren sind. Der Klarheit halber muss an dieser Stelle betont werden, dass es hier nicht um Sekundäre Topiks im Sinne Nikolaevas (2001) geht, d.h. nicht um im weitesten Sinne vorerwähnte Ausdrücke, welche die objektive Konjugation am Verb auslösen − dieser Problemkreis wird in Abschnitt 9.3 besprochen. Stattdessen geht es hier um koverte Objekte, die im Sinne des LM Topiks des Satzes sind, d.h. als aboutness topics verstanden werden können. Aus theoretischer Sicht ist nichts gegen die Topikalität koverter Objekte einzuwenden, die obige Argumentation für die Topikfähigkeit koverter Subjekte kann auf koverte Objekte übertragen werden. In der Praxis jedoch gestaltet sich der Nachweis eines koverten Objekttopiks schwierig, da aufgrund der fehlenden
5 Tatsächlich ist die Situation im Falle koordinierender Konjunktionen wie aber komplizierter. Johannessen (1998) z.B. nimmt eine Koordinationsphrase CoP an, die in der CP-Struktur realisiert werde, was aber nicht in allen Ansätzen akzeptiert ist; weiter geht sie davon aus, dass koordinierende Konjunktionen Phrasenköpfe seien (Johannessen 1998: 74−96). In jedem Fall werden auch koordinierende Konjunktionen weit oben in der funktionalen Superstruktur des Satzes realisiert. Da für die hiesige Analyse unerheblich ist, ob die CP-Struktur eine CoP enthält oder nicht, wird hier davon ausgegangen, dass die koordinierende Konjunktion analog zu subordinierenden Konjunktionen in C realisiert wird.
7.1 Wortstellung und Topikposition |
135
overten Realisierung wiederum keine Bewegung an der Satzoberfläche gezeigt werden kann. Es müssen also Kontexte gefunden werden, in denen das koverte Objekt ein möglicher Topikkandidat ist, andere Konstituenten als Topiks jedoch ausgeschlossen werden können. Derartige Beispiele sind rar. Für das Enzische und Nganasanische konnten Beispiele gefunden werden, in denen ein kovertes Objekttopik zumindest sehr plausibel ist, für das Chantische konnten keine ganz eindeutigen Beispiele gefunden werden⁶. (140)
pro enˇceu-ʔ kaða-ðuʔ il’i ku kan’e. Mensch-pl töten-aor.3pl.obj oder wo weggehen.aor.3sg ‘Sie wurde von Menschen getötet oder ist irgendwohin gegangen.’ (En_W_BoAS_20080324_MärchenBär_flk.008)
(141)
S’iba-ʔku-ti na t’¨uu¨ -ʔə-ɡəj, pro Arbeiter-dim-gen.pl.poss3du zu kommen-aor-3du ərəkərə-mənu ŋəməbta-ʔa-t’¨u ŋami⁀ aj nɨ-k¨u təti. schön-advz füttern-aor-3sg.obj.pl anderer Frau-dim jener ‘Sie kamen bei den Dienern an und sie wurden von der anderen Frau gut bewirtet.’ (Ng_KH_960811_TwoWomen_flkd.027)
(142)
pro pro wu-s-ʌe pa pro pro suŋ norəm-a nehmen-pst-3sg.obj und Ecke Regal-lat wos’kə-s-ʌe. werfen-pst-3sg.obj ‘Diesen nahm er und warf ihn aufs Eckregal.’ (Kha_Ka_TaMK_1964_MannAusDemKnieDerFrau_flk.019)
In Beispiel (140) geht es um eine Bärenmutter mit ihren Jungen, es wird gerade erzählt, dass die Bärenmutter verschwunden ist und was mit ihr passiert sein könnte; da das Subjekt des Satzes hier indefinit-unspezifisch ist, ist es im Gegensatz zum Objekt ein schlechter Topikkandidat. In Beispiel (141) geht es um diejenigen, die zu den Dienern kommen; im ersten Teilsatz ist sie kovertes Subjekt und Topik, im zweiten Teilsatz kovertes Objekt und insofern sehr wahrscheinlich Topik, da die einzige weitere topikfähige Konstituente, das Subjekt, postverbal steht. In Beispiel (142) lautet der Satz zuvor: Er dachte: ‘Das könnte ein guter Wetzstein sein.’ Daher ist der Wetzstein ein sehr guter Topikkandidat im vorliegenden Satz; da das
6 In allen drei Beispiele ist die objektive Konjugation am Verb zu beobachten. Diese zeigt hier an, dass ein kovertes direktes Objekt des 3. Person im Satz vorliegt, nicht jedoch zwangsläufig dessen Topikstatus, wie es z.B. Dalrymple & Nikolaeva (2011) annehmen. Vgl. hierzu Abschnitt 9.3.
136 | 7 Topikrealisierungen
Subjekt im Satz jedoch auch nicht overt ausgedrückt ist und auch ein möglicher Topikkandidat ist, kann nicht endgültig bewiesen werden, dass der Wetzstein als kovertes Objekt hier wirklich Topik ist, wenngleich der Kontext es nahelegt. Somit kann also davon ausgegangen werden, dass auch kovert realisierte Objekte topikal sein können. Entsprechend sind sie linear vor Adverbialen wie z.B. ərəkərəmənu in Satz (141) anzusetzen. Die Rekonstruktion ihrer Syntax ist mit den oben gemachten Annahmen unproblematisch und analog zu der koverter Subjekte, vgl. Abbildung 7.5. CP
AgrS P
[-wh]
proi [TOP]
VP
DP
V’
enčeuʔ ti kaðaðuʔ...
Abb. 7.5: Syntax eines koverten Objekttopiks (Satz (140))
Der Vollständigkeit halber ist hier zu erwähnen, dass neben direkten Objekten auch indirekte Objekte Topik des Satzes sein können, wenngleich sie im Korpus sehr selten sind. In allen untersuchten Sprachen findet sich gerade einmal eine Handvoll an Beispielen. Das folgende enzische Beispiel kann illustrieren, dass auch indirekte Objekte an den Satzanfang bewegt werden, wenn sie topikal sind. In Analogie zu direkten Objekten als Topiks und unter Berücksichtigung der Annahmen Larsons (VP-Shell-Analyse; vgl. Larson (1988) und Diskussion in Abschnitt 5.1) zu ditransitiven Konstruktionen kann hierfür die Syntax in Abbildung 7.6 rekonstruiert werden.
7.1 Wortstellung und Topikposition |
137
A bun’iku-χɔ-n’ʔ mɔd’ mana-ʔ n’e-zɔuʔ [...]. und Hund-lat-poss1sg 1sgpro sagen-cng neg-cf.1sg
(143)
‘Und zu meinem Hund sagte ich: [...].’⁷ (En_T_SiSD_20080808_RentiereEinfangen_nar.200)
CP
C’
[-wh]
AgrS P
A
VP
DP
bun’ikuχɔn’ʔi [TOP]
DP
V’
mɔd’
VP
ti
V’
manaʔ n’ezɔuʔ [...]. Abb. 7.6: Syntax eines indirekten Objekttopiks (Satz (143))
Wesentlich häufiger als direkte und indirekte Objekte treten Adverbiale als Topiks auf. Hier gilt es zunächst die Frage nach der Topikfähigkeit von Adverbialen zu klären. Oben wurde davon ausgegangen, dass nur referierende Ausdrücke topikfähig sind. Damit sind Adverbiale nicht per se topikfähig, sondern es muss zwischen verschiedenen Gruppen von Adverbialen unterschieden werden: Lokalund Temporaladverbiale sind prädestiniert dafür, topikfähig zu sein, da sie stets referierende Ausdrücke sind, indem sie auf einen Ort bzw. eine Zeit referieren. V.a.
7 Die Glosse cf steht für counterfactive mood, welcher mit einer negierten Verbform gebraucht wird, jedoch ursprünglich affirmativ einen Sachverhalt ausdrückt, der entgegen den Erwartungen des Sprechers eingetreten ist/eintritt. Im enzischen Material liegen diese Formen exorbitant häufig vor, auch in Kontexten wie hier, welche diese Lesart kaum ermöglichen − da dies jedoch für die vorliegende Arbeit irrelevant ist, wird hier nicht weiter darauf eingegangen.
138 | 7 Topikrealisierungen
bei Modaladverbialen ist die Situation jedoch komplexer: Während instrumentalmodale Adverbiale wie mit der Schere sicherlich topikfähig sind, sind es evaluative Modaladverbiale wie widerwillig oder lustlos nicht. Es muss also in jedem Einzelfall über die Topikfähigkeit eines adverbialen Ausdrucks entschieden werden. Die folgenden Beispiele zeigen adverbiale Topiks in den untersuchten Sprachen, bei denen die Topikfähigkeit des Ausdrucks unstrittig ist: (144)
Moʌtan-ət kutən aːr sˇ ɛpan wɵ-s. Moltan-pl bei viel Schamane sein-pst.3sg ‘Bei den Moltans gab es viele Schamanen.’ (Kha_Ka_TaMK_1964_GlaubensvorstellungenOstjaken_nar.008)
(145)
ɔru-n’ʔ nin nɔru bið-ʔ oka-ʔ. Vorderes-obl.poss1sg in Sumpf Wasser-pl viel-pl ‘Vor mir ist viel Sumpfwasser.’ (En_W_SiMN_19900522_MausKuckuck_flk.101)
(146)
Təndə d’oŋɡu-tuŋ kunsɨ-mənɨ tahari⁀ aa dieser.gen Eisloch-gen.poss3sg Inneres-prol jetzt ŋəð-ə-mtɨŋ bən’d’ika kəbia-səbtə Schamane-ep-acc.poss3pl alles Schamanenkleidung-soc sɨə-ra-ʔa-ʔ. ertrinken-caus-aor-3pl ‘In diesem Eisloch ertränkten sie den Schamanen mit all seiner Kleidung.’ (Ng_MACh_940809_ShamanLake_flk.016)
(147)
⁀ alta d’ɨl-laːk-pa-r Uon er-ɡe zehn sechs Jahr-propr-poss1sg-dat/loc Mann-dat/loc b⁀ ier-bit-e. geben-pst2-3sg ‘Als ich sechzehn Jahre alt war, verheiratete sie [mich].’ (Dlg_KiPP_KuNS_200211_LifeManyChildren_conv.KiPP.020)
(148)
Wojna-duː bəjə-l sokori-wu-t-ta. Krieg-dat/loc Mann-pl verlieren-pass-distr-aor.3pl ‘Im Krieg sind Männer gefallen.’ (Evn_S_AnVI_2007_SmallFox_nar.012)
Die Topikalität der markierten Konstituenten lässt sich wiederum durch den Kontext feststellen: In Beispiel (144) wird das Geschlecht der Moltans beschrieben; in Beispiel (145) geht es um die Maus und den Kuckuck, die Maus sagt zum Kuckuck, dass sie kein Wasser brauche, weil es genug Wasser in ihrer Nähe gebe;
7.1 Wortstellung und Topikposition |
139
in Beispiel (146) wird im vorangehenden Satz gesagt, dass diejenigen, die den Schamanen ertränken, ein Eisloch geschlagen haben; in Beispiel (147) erzählt die Sprecherin von ihrer Jugend und in Beispiel (148) erzählt der Sprecher über die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Die Syntax adverbialer Topiks kann ebenso wie die Syntax von Subjekt- oder Objekttopiks rekonstruiert werden, in Abbildung 7.7 ist die Syntax des Beispiels (148) dargestellt⁸. CP
AgrS P
[-wh]
VP
DP
Wojnaduːi [TOP]
ti
VP
DP
V’
bəjəl
sokoriwutta.
Abb. 7.7: Syntax eines adverbialen Topiks (Satz (148))
Nikolaeva (1999b: 59) gibt an, dass adverbiale Topiks im Chantischen „leftdislocated“ und „clause-external“ seien, bleibt eine Begründung für diese angenommene Strukturposition allerdings schuldig. In der Terminologie des LM würde dies bedeuten, dass adverbiale Topiks als externe Topiks realisiert wären. Da in den meisten Beispielen weder intonatorische (Pause nach dem Topik) noch morphosyntaktische (Wiederaufnahme des Topiks durch ein Pronomen) Indizien für ein externes Topik vorliegen, muss diese Generalisierung zurückgewiesen werden. Sicher können adverbiale Topiks als externe Topiks realisiert werden (vgl. Abschnitt 7.5), müssen es aber nicht. Nikolaeva gibt das folgende Beispiel, zu welchem sie anmerkt, dass in derartigen Fällen das adverbiale Topik dem satzinternen Subjekttopik vorausginge:
8 Tatsächlich ist perspektivisch zu überlegen, ob wirklich von Generierung des Adverbials als Adjunkt an VP und folgendem vacuous movement ausgegangen werden muss oder ob das Adverbial nicht ebenso gut als Adjunkt an AgrS P basisgeneriert sein kann. Da diese Frage für die weitere Diskussion jedoch unerheblich ist, wird nicht weiter darauf eingegangen.
140 | 7 Topikrealisierungen
(149)
Pasan ilpina aːmp oːməs-l. Tisch unter Hund sitzen-prs.3sg ‘Unter dem Tisch sitzt ein Hund.’ (Nordchantisch, Obdorsk; Nikolaeva 1999b: 59)
Nikolaeva geht also davon aus, dass ein Satz mehr als ein Topik enthalten kann, wobei sie adverbiale Topiks eher als sogenannte frame-setting topics analysiert und sie somit von anderen Topiks differenziert. Unabhängig von dieser Differenzierung ist der Hinweis bemerkenswert, das adverbiale Topik ginge dem satzinternen Subjekttopik voraus. Meines Erachtens kann aːmp keinesfalls als Topik analysiert werden, da es weder vorerwähnt noch definit, spezifisch oder generisch ist und mithin kaum der Gegenstand der Aussage in diesem Satz ist. Aus meiner Sicht liegt in diesem und vergleichbaren Sätzen genau ein Topik vor, nämlich das Adverbial. Dieses wiederum verhält sich syntaktisch ebenso wie Subjekt- oder Objekttopiks und entsprechend ist seine zugrundeliegende Syntax identisch zu rekonstruieren. In Bezug auf die genaue Strukturposition eines internen, konkreten, nichtkontrastiven Topiks konnte mit den bisherigen Analysen zwar gezeigt werden, dass das Topik aus seiner Basisposition herausbewegt werden muss, nicht aber Adjunktion an genau AgrS P. Um Adjunktion an AgrS P bzw. die Bewegung des Topiks in eine Position höher als AgrS P zu zeigen, muss die Strukturposition der Konstituente in beide Richtungen abgegrenzt werden. Um zu zeigen, dass das Topik in eine Position bewegt werden muss, die höher als AgrS P ist, werden Beispiele benötigt, in denen das Topik einem Subjekt vorausgeht, welches aus anderen (d.h. nicht der TKG zuzuordnenden) Gründen in SpecAgrS P realisiert ist. Derartige Beispiele sind die folgenden: (150)
Aba, n’aba, sɛðor, piid’u Rebhuhn.acc Hase.acc Polarfuchs.acc Hermelin.acc ɛse-jʔ ɛɛ-n’ʔ nɔʔ Pɔtab-ud Vater-poss1sg Mutter-obl.poss1sg mit Potapovo-lat puˇsn’iku-χo-d bɛse d’eɔn mi-koɔ-χiʔ. Pelzhändler-lat-poss2sg Eisen für geben-dur-aor.3du ‘Die Rebhühner, Hasen, Polarfüchse und Hermeline gaben mein Vater und meine Mutter für Geld nach Potapovo, an einen Pelzhändler.’ (En_W_PaAN_20090803_JagenInKindheit_nar.018)
(151)
Ma-nɨ ogonn’or d’⁀ ie-ti-ɡer egel-er. dieser-acc alter.Mann Haus-poss3sg-dat/loc bringen-prs.3sg ‘Diesen bringt der alte Mann mit nach Hause.’ (Dlg_BaR_1930_ChildOfMasterOfMountain_flk.017)
7.1 Wortstellung und Topikposition |
(152)
141
ənin-ŋəhə-ji bi aja-t Mutter-deadrel-rfl.poss.sg 1sgpro gut-advz don-t’a-d’a-m. erinnern-stat-ipfv-aor.1sg ‘Meine selige Mutter erinnere ich gut.’⁹ (Evn_N_UdVI_2008_MyMother_nar.049)
In allen Beispielen ist das direkte Objekt des Satzes Topik und daher satzinitial realisiert. Das Subjekt (fett markiert) steht weiterhin jeweils vor einem Adverbial. Letzteres ist nicht durch die TKG zu erklären, eher durch Prozesse der Fokussierung und Defokussierung (vgl. im Detail Abschnitt 8.2). In jedem Fall folgt aus der Position des Subjekts, dass es aus seiner Basisposition, d.h. SpecVP, herausbewegt worden sein muss, andernfalls müsste es nach dem Adverbial stehen. CP
AgrS P
[-wh]
AgrS P
DP
Manɨi [TOP]
DP
AgrS ’
VP
ogonn’orj
DP
d’i⁀ etiɡer tj
VP
V’
ti egeler.
Abb. 7.8: Syntax eines bewegten nicht-topikalen Subjekts (Satz 151))
9 Die Glosse deadrel steht für dead relative, das entsprechende Suffix markiert verstorbene Verwandte.
142 | 7 Topikrealisierungen
Der nächstliegende Landeplatz in der funktionalen Superstruktur für ein Subjekt ist die Subjektkongruenzphrase AgrS P, da jene eben die Subjektkongruenzmerkmale enthält. Da es sich beim bewegten Subjekt um eine Phrase handelt und im Rahmen des MP davon ausgegangen wird, dass Phrasen in Spezifikatorposition bewegt werden, ist zu schließen, dass das Subjekt nach SpecAgrS P bewegt wird. Daher muss das Topik des Satzes höher im Satz als SpecAgrS P realisiert werden, da andernfalls die Linearität des Satzes nicht korrekt abgebildet würde. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist die Syntax derartiger Beispiele wie in Abbildung 7.8 gezeigt zu rekonstruieren. Betrachtet man weiterhin die internen, konkreten, nicht-kontrastiven Topiks im untersuchten Material, so fällt auf, dass sie nicht immer satzinitial im absoluten Sinne stehen. Sowohl (häufig entlehnte) Konjunktionen als auch Satzadverbiale können Topiks im Satz vorausgehen. Im Falle von Konjunktionen (vgl. Beispiel (153) und (154)) ist das intuitiv nachvollziehbar und auch syntaktisch ohne Probleme zu rekonstruieren. Gemeinhin wird davon ausgegangen, dass die Konjunktion als Kopf von CP realisiert ist (Adger 2003: 291−292; vgl. auch Fußnote 5 und die Überlegungen in Johannessen (1998) zu einer CoP), in Abbildung 7.9 ist dies für Beispiel (154) dargestellt. CP
C’
[-wh]
AgrS P
patamušta
VP
DP
mini [TOP]
DP
p’ens’ijaga ti
VP
V’
barbɨtɨm...
Abb. 7.9: Syntax eines internen Topiks mit vorangehender Konjunktion (Satz (154))
7.1 Wortstellung und Topikposition |
(153)
143
Pɐːnə t’uː qoː ɯːʌnɐm kɵrəɣ. und dieser Mann hinunter fallen.pst.3sg ‘Und der Mann fiel hinunter.’ (Kha_Su_KaLD_1992_TheEagle_flk.049)
(154)
[...] patamušta min p’ens’ija-ga bar-bɨt-ɨ-m [...] weil 1sgpro Rente-dat/loc gehen-pst2-ep-1sg ‘[Nein, nein, nein, da war ich überhaupt nicht,] weil ich in Rente gegangen bin, [bin ich ganz ruhig zuhause.]’ (Dlg_AkNN_KuNS_200212_LifeHandicraft_conv.AkNN.084)
Interessanter und komplexer als Konjunktionen ist die Rolle von Satzadverbialen. Als Satzadverbiale sind diejenigen Adverbiale zu verstehen, die den gesamten Satz modifizieren (Potsdam 1999: 398). Dies sind häufig Adverbiale wie gerade, plötzlich und leider; prinzipiell ist die Gruppe dieser Adverbiale allerdings nicht geschlossen, wichtig ist ihr Bezug auf den gesamten Satz. Die folgenden Beispiele zeigen, dass derartige Adverbiale in den Objektsprachen häufig satzinitial realisiert sind und somit vor einer möglichen Topikkonstituente stehen. (155)
Minti⁀ aɡənɨ n’emɨbtɨʔɨ⁀ a-mə bəndi wahrscheinlich Frau-poss1sg draußen.lat ŋon’d’i-tə-tɨ. rausgehen-ipfv-aor.3sg ‘Wahrscheinlich geht meine Frau nach draußen.’ (Ng_ChND_080719_Evenki_flkd.065)
(156)
Araj onno ulaɡaː-ɡa hahɨl kül-er-e plötzlich dort Ecke-dat/loc Fuchs lachen-ptcp.prs-poss3sg ihilin-n-e. zu.hören.sein-pst1-3sg ‘Plötzlich war dort in der Ecke das Lachen eines Fuchses zu hören.’ (Dlg_FeA_1931_OldManUkukuutFox_flk.046)
(157)
Tuk-koːn kolobo-koː-r-wə ən’iː oː-pkiː. so-dim Brot-dim-pl-acc Mama machen-ptcp.hab ‘So(mit) macht Mama Brot.’ (Evn_S_AnVI_2007_SmallFox_nar.041)
Auf der Basis des Englischen schlägt Potsdam (1999: 401) die Adjunktion von Satzadverbialen je nach Position in der Oberflächenstruktur des Satzes links an IP, I’ oder das höchste Adjunkt von VP vor. Unter Anwendung der Split-IP-Hypothese von Pollock (1989) bedeutet dies Adjunktion links an AgrS P, AgrS ’ bzw. das höchste Adjunkt von VP. Wenn, wie oben gezeigt, die Realisierung von Topiks in einer
144 | 7 Topikrealisierungen
höheren Position als SpecAgrS P anzusetzen ist, bleibt nur erstgenannte Strukturposition für Satzadverbiale wie in den Beispielen (155) bis (157). Potsdam (1999: 406) begründet diese Strukturposition unter anderem damit, dass die Adverbiale in dieser Position von C dominiert und lizensiert werden. Dies ergibt unmittelbar Sinn, bedenkt man, dass die Bezugsdomäne von Satzadverbialen den gesamten Satz, also die gesamte CP umfasst. Daher wird Potsdams syntaktische Analyse von Satzadverbialen hier angenommen. Letztendlich entspricht dies auch den Beobachtungen in Rizzi (1997) und Cinque (1999), wobei dort im Detail von der Realisierung von Satzadverbialen z.B. in ForceP, einer weiteren funktionalen Phrase oberhalb von TopP und FocP, gesprochen wird. Wendet man Potsdams Analyse auf die oben gezeigten objektsprachlichen Beispiele an, so ergibt sich für Beispiel (155) die Syntax in Abbildung 7.10. CP
AgrS P
[-wh]
AgrS P
AdvP
Minti⁀ aɡənɨ
VP
DP
n’emɨbtɨʔɨ⁀aməi [TOP]
AdvP
bəndi ti
VP
V’
ŋon’d’itətɨ. Abb. 7.10: Syntax eines internen Topiks mit vorangehendem Satzadverbial (Satz (155))
Mit diesen Überlegungen sowohl zu Konjunktionen als auch zu Satzadverbialen ist gezeigt, dass und weshalb die Satzinitialität von Topiks nicht im absoluten Sinne zu verstehen ist. Zwar streben Topiks danach, satzinitial zu stehen, doch können Konjunktionen und Satzadverbiale vor ihnen stehen, was durch ihre höhere Strukturposition begründet ist. Verbindet man die Analysen von nicht-topikalen Subjekten, die in SpecAgrS P realisiert sind, und Satzadverbialen, so ergeben sich wichtige Folgen für die Bestimmung der Strukturposition von internen, konkreten, nicht-kontrastiven Topiks: Da
145
7.1 Wortstellung und Topikposition |
einerseits Satzadverbiale als höchstes Adjunkt an AgrS P realisiert werden und andererseits nicht-topikale Subjekte in SpecAgrS P realisiert werden können, müssen interne, konkrete, nicht-kontrastive Topiks als Adjunkt an AgrS P realisiert werden. Folgendes Beispiel und die dazugehörige Syntax in Abbildung 7.11 illustrieren das. (158)
˘ ˘ Imosajna [TOP s’ikən’s’a χun’əl et-əm kem-na] plötzlich so Abend rausgehen-ptcp.pst Zeit-lat/loc itta p˘or-niŋ imi s’ikən’s’a mɔs’-niŋ χɔt-na s’i jene Por-Frau Frau so Mos-Frau Haus-lat/loc ptcl ˘ laŋ-em-əs. reingehen-inch-pst.3sg ‘Plötzlich [TOP bei Anbruch des Abends] ging die Por-Frau in das Haus der Mos-Frau.’ (Kha_Ob_SyIM_1990_PorAndMos_flk.049)
CP
AgrS P
[-wh]
AgrS P
AdvP
Im˘osajna
AgrS P
DP
s’ikən’s’a χ˘un’əl etəm kemnai [TOP]
AgrS ’
DP
VP
itta p˘orniŋ imij
ti
VP
VP
AdvP
s’ikən’s’a
DP
mɔs’niŋ χɔtna tj
VP
V’
s’i l˘aŋeməs.
Abb. 7.11: Strukturposition eines internen, konkreten, nicht-kontrastiven Topiks (Satz (158))
146 | 7 Topikrealisierungen
˘ Hier ist imosajna als Satzadverbial zu analysieren, es modifiziert den gesamten Satz und ist daher das höchste Adjunkt an AgrS P. Das Subjekt itta p˘orniŋ imi kann nicht in situ verbleiben, da es zwei weiteren Adverbialen vorausgeht; mithin kann seine Bewegung nach SpecAgrS P angenommen werden (s.o.). Das Topik des Satzes, ˘ das temporale Adverbial s’ikən’s’a χun’əl etəm kemna, steht zwischen den beiden eben genannten Konstituenten, daher kann nur Adjunktion an AgrS P als Strukturposition in Betracht gezogen werden. Abschließend soll bei der Besprechung des Zusammenhangs von Wortstellung und der Topikposition noch auf existentiale, lokative und possessive Konstruktionen eingegangen werden. Zum Beispiel Lyons (1967: 390) und Freeze (1992: 553−554) weisen auf die häufig strukturellen Ähnlichkeiten von Existential-, Lokativ- und Possessivsätzen hin. Lyons (1967: 390) gibt folgende englische Beispiele: (159)
a. There are lions (in Africa). b. The book is on the table. c. John has a book.
In der Tat fallen in den englischen Beispielen die strukturellen Ähnlichkeiten der Konstruktionen nicht so sehr auf wie in vielen anderen Sprachen. Übersetzt man diese Beispiele jedoch zum Beispiel ins Finnische, so wird dies augenscheinlich. (160)
a. Afrika-n
manteree-lla on leijon-i-a. Afrika-gen Kontinent-ade sein.3sg Löwe-pl-part
‘Auf dem afrikanischen Kontinent gibt es Löwen.’ b. Kirja on
pöydä-llä. Buch sein.3sg Tisch-ade
‘Das Buch ist auf dem Tisch.’ c. John-i-lla
on kirja. John-ep-ade sein.3sg Buch
‘John hat ein Buch.’ (Finnisch; eigene Beispiele) Ohne auf die morphosyntaktischen Eigenschaften dieser Konstruktionen im Finnischen im Detail einzugehen, kann festgestellt werden, dass sich die Bedeutung der Sätze nur anhand der Wortstellung und weiter der Informationsstruktur unterscheiden lässt. Im Existentialsatz (160a) wird eine Aussage über Afrika getroffen, im Lokativsatz (160b) über das Buch und im Possessivsatz (160c) schließlich über John. In Existentialsätzen ist das Topik also prototypisch ein Ort (ggf. auch eine Zeit, vgl. Damals gab es nichts zu essen), in Lokativsätzen eine Entität, die sich irgendwo befindet (entspricht der semantischen Rolle Thema), und in Possessivsätzen der
7.1 Wortstellung und Topikposition |
147
Possessor. Existential- und Lokativsätze unterscheiden sich in den untersuchten Sprachen vor allem durch die verwendeten Kopulae und/oder existentialen Partikeln, die Ort bzw. Zeit und Thema miteinander verbinden, nicht aber in ihrer Informationsstruktur und der entsprechenden satzinitialen Topikrealisierung. Daher sind hier nur zwei ewenkische Beispiele aufgeführt, welche mutatis mutandis auf die anderen Sprachen angewendet werden können: (161)
[TOP Taduː] bolnisa bi-soː-n. dort Krankenhaus sein-pst-3sg ‘Dort gab es ein Krankenhaus.’ (Evn_N_XuDA_2008_HistoryOfKhukochary_nar.006)
(162)
[TOP Bi] ə-duː-ka Krasnojarskə-duː bi-ˇcoː-w. 1sgpro ph-dat/loc-emph Krasnojarsk-dat/loc sein-pst-1sg ‘Ich war da, in Krasnojarsk.’ (Evn_S_BoGP_2009_SmallEagle_nar.023)
Die Syntax dieser Beispiele ist unkompliziert zu rekonstruieren, da es sich bei den topikalen Konstituenten um ein Adverbial (Beispiel (161)) bzw. um das Subjekt des Satzes (Beispiel (162)) handelt. Possessivkonstruktionen bzw. genauer prädikative Possessivkonstruktionen verhalten sich hingegen bei weitem nicht so einheitlich in den untersuchten Sprachen. Gemäß den Typologien von Heine (1997) und Stassen (2009) kennen die untersuchten Sprachen folgende Possessivkonstruktionen: Im Chantischen tritt ein Action Scheme bzw. Have-Possessive auf (X hat/nimmt Y, vgl. Heine (1997: 47) und Stassen (2009: 62); Honti 1988: 194), das Dolganische zeigt überwiegend ein Companion Scheme bzw. With-Possessive (X ist mit Y, vgl. Heine (1997: 47) und Stassen (2009: 54−55); Däbritz 2018: 36). Das Ewenkische verhält sich uneinheitlich und weist sowohl ein Location Scheme bzw. Locational Possessive (Y ist bei X, vgl. Heine (1997: 47) und Stassen (2009: 49−50)) als auch ein Companion Scheme bzw. With-Possessive auf (Nedjalkov 1997: 124). Das Enzische und das Nganasanische lassen sich nicht ohne weiteres in diese Typologien einordnen. In diesen beiden Sprachen liegt die Struktur „X’s Y existiert“ vor, im Nganasanischen ferner ein Action Scheme bzw. Have-Possessive (Siegl 2013a: 341−342; Wagner-Nagy 2019: 359). Erstere Struktur scheint auf den ersten Blick einem Genitive Scheme im Sinne von Heine (1997: 47) bzw. einem Adnominal Possessive im Sinne von Stassen (2009: 107) zu entsprechen. Allerdings weist Wagner-Nagy (2011: 214) zurecht darauf hin, dass im Enzischen und Nganasanischen die in dieser Konstruktion eigentlich zu erwartende Genitivmarkierung des Possessors fehlt (siehe Beispiele (163) − (166)), weshalb sie die Konstruktion als Nominative Possessive bezeichnet.
148 | 7 Topikrealisierungen
(163)
Čike mense sˇ iðe nɛ n’e-ða tɔne-ˇs. dieser alte.Frau zwei Frau Kind-poss3sg existieren-3sg.pst ‘Diese alte Frau hatte zwei Töchter.’ (En_W_GlES_20100702_MärchenSchwiegersöhne_flk.003)
(164)
Mod’ tonin sˇ uðib kɔ cˇ irii-jʔ tɔne. 1sgpro dort riesig Fass Kaviar-poss1sg existieren.aor.3sg ‘Ich habe dort ein riesiges Fass Kaviar.’ (En_W_BoDS_199111_ZweiMärchen_flk.045)
(165)
Tə, mənə maa n’ilɨ-ʔmɨə-mə təi-ŋu? nun 1sgpro was leben-vn.pfv-poss1sg existieren-inter.3sg ‘Nun, was hatte ich für ein Leben?’ (Ng_KES_061020_MyLife_nar.001)
(166)
[...] mənə təbtə baarbə-mə təj-t¨u. 1sgpro auch Meister-poss1sg existieren-aor.3sg ‘[Das sind nicht meine eigenen Worte,] ich habe auch einen Meister.’ (Ng_KNT_960809_WildAnimals_flkd.247)
Da hier das am Possessum realisierte Possessivsuffix relativ eindeutig auf die Struktur „X’s Y existiert“ hinweist, wird − unabhängig von ihrer Benennung − nachfolgend davon ausgegangen, dass sowohl Possessor als auch Possessum innerhalb derselben DP generiert werden, die das Subjekt des Satzes darstellt. Dies wird deutlich, wenn man eine wörtlichere Übersetzung gibt, z.B. für Beispiel (163) „[DP Die zwei Töchter dieser alten Frau] existierten“. Es herrscht in der Literatur relative Einigkeit darüber, dass in derartigen DPs der Possessor in Spezifikatorposition realisiert ist und das Possessum in Komplementposition (Adger 2003: 256−257). Somit ergibt sich für die DP [die zwei Töchter dieser alten Frau] im Enzischen die Syntax in Abbildung 7.12. DP
D’
DP
cˇ ike mense
DP
D
sˇ iðe nɛ n’eða
Abb. 7.12: Syntax einer enzischen DP mit Possessor und Possessum
7.1 Wortstellung und Topikposition |
149
Geht man davon aus, dass in derartigen Possessivkonstruktionen diese DP Subjekt des Satzes ist, so kann ungeachtet der Informationsstruktur die Syntax in Abbildung 7.13 rekonstruiert werden. Da nun aber der Possessor einer derartigen Konstruktion Topik des Satzes ist, so muss der topikalen DP in Spezifikatorposition das Topikmerkmal zugewiesen werden und diese DP muss in der vorgesehenen Topikposition an AgrS P adjungieren. Dabei muss die DP also aus der Spezifikatorposition der Subjekt-DP herausbewegt werden¹⁰. Andernfalls, d.h. bei Bewegung der gesamten Subjekt-DP, wäre eine Interpretation der gesamten Subjekt-DP als Topik zu erwarten. Im enzischen Beispiel (163) mit der vorläufigen Syntax in Abbildung 7.13 kann dies jedoch nicht gezeigt werden, da zwischen Possessor und Possessum im derivierten Satz keine weiteren Konstituenten stehen. Die enzischen bzw. nganasanischen Beispiele (164) und (166) hingegen zeigen, dass die vorgeschlagene Analyse richtig ist. Hier ist die topikale Konstituente, der Possessor, in die vorgesehene Topikposition bewegt, während das nicht-topikale Possessum in situ verbleibt. Die zu rekonstruierende Syntax ist in Abbildung 7.14 zu sehen. CP
CP
VP
[-wh]
DP
D’
DP
cˇ ike mense
DP
AgrS P
[-wh]
V’
DP
tɔneˇs.
Mod’i [TOP]
D
sˇ iðe nɛ n’eða
Abb. 7.13: Syntax prädikativer Possesivität im Enzischen ohne Berücksichtigung der IS (Satz (163))
VP
VP
AdvP
V’
DP
tonin
ti
D’
tɔne.
sˇ uðib kɔ cˇ iriijʔ
Abb. 7.14: Syntax eines topikalen Possessors im Enzischen (Satz (164))
10 Die Bewegung z.B. eines Possessors aus SpecDP hinaus wird als Left Branch Extraction bezeichnet. Gemäß Bošković (2008: 101−102) ist dies ein Argument dafür, Enzisch bzw. Nganasanisch nicht als DP- sondern als NP-Sprachen zu analysieren. Da dies für die hiesige Analyse jedoch unerheblich ist, wird hier nicht weiter darauf eingegangen.
150 | 7 Topikrealisierungen
Berücksichtigt man diese Verhältnisse im Enzischen und Nganasanischen, so ist zu überlegen, ob die prädikativen Possessivkonstruktionen in diesen Sprachen nicht auch als Topic Possessive („Was X betrifft, (sein) Y existiert“, vgl. Heine (1997: 47) und Stassen (2009: 58)) klassifiziert werden könnten. Motivation hierfür wäre die Beobachtung, dass im Falle der dislozierten Possessoren neben dem am Possessum realisierten Possessivsuffix nur die Dislokation selbst darauf hinweist, dass die entsprechende Konstituente sowohl als Topik als auch als Possessor zu interpretieren ist. Eine weiterführende Untersuchung, die jedoch nicht im Skopus dieser Arbeit liegt, wäre vor allem auch deshalb interessant, weil Nikolaeva (2014: 219−223) für das nahe verwandte Tundranenzische ähnliche Beobachtungen macht und zu ähnlichen Ergebnissen kommt. Zusammengefasst konnte in diesem Abschnitt also gezeigt werden, dass die (vortheoretische) Annahme einer satzinitialen Topikposition in den Objektsprachen für interne, konkrete, nicht-kontrastive Topiks weitestgehend zu bestätigen ist. Allerdings ist Satzinitialität hier insofern nicht absolut zu verstehen, als Konjunktionen/Konnektoren und Satzadverbiale dem Topik vorausgehen können. Weiterhin konnte dafür argumentiert werden, dass der topikalen Konstituente im Satz das Topikmerkmal [TOP] zugewiesen wird. Die Zuweisung dieses Merkmals führt zu Bewegung der topikalen Konstituente in die funktionale Superstruktur des Satzes, sie adjungiert an die Subjektkongruenzphrase AgrS P. Diese Strukturposition konnte bewiesen werden, indem sowohl die lineare als auch die hierarchische Position von Topiks gegen entsprechende Positionen von Satzadverbialen (höchstes Adjunkt von AgrS P) und nicht-topikalen Subjekten in SpecAgrS P abgegrenzt wurde.
7.2 Topiks und Passivierung Vor allem für das Chantische (und die zweite ob-ugrische Sprache, das Mansische), in geringerem Maße auch für das Enzische und Nganasanische, ist angenommen worden, dass Passivierung in diesen Sprachen Topikalisierung der in die Subjektposition gehobenen Konstituente bedeutet (vgl. Abschnitt 4.2; vgl. Kulonen (1989), Siegl (2013a), Leisiö (2006)). Bevor jedoch die Interaktion von Passiv und Informationsstruktur in den Objektsprachen untersucht wird, soll kurz auf das Phänomen Passiv als solches sowie das Auftreten des Passivs in den Objektsprachen eingegangen werden. Shibatani (1988: 3−4) charakterisiert die typische Aktiv-Passiv-Opposition derart, dass in einer aktiven Konstruktion das Subjekt handelt oder andere beeinflusst (Agens), während in einer passiven Konstruktion das Subjekt betroffen ist und von anderen beeinflusst ist (Patiens oder Thema). So eurozentrisch diese
7.2 Topiks und Passivierung
|
151
Ansicht zunächst erscheint, so wichtig ist in diesem Kontext die zugrundeliegende Annahme, dass die Unterscheidung von Aktiv- und Passivkonstruktionen semantischer Natur ist. Dies muss nicht immer und in vollem Umfang zutreffen, ist aber stets auch zu berücksichtigen, wie in der folgenden Diskussion deutlich werden wird. Weiterhin weist Shibatani (1988: 3) darauf hin, dass in Aktivkonstruktionen sowohl Agens als auch Patiens bzw. Thema ausgedrückt werden, in Passivkonstruktionen jedoch prototypisch das Agens unausgedrückt bleiben kann. Auch das ist bei der Untersuchung des Zusammenhangs von Informationsstruktur und Passiv zu berücksichtigen. In den untersuchten Sprachen ist das Passiv in unterschiedlichem Maße vertreten (vgl. Kapitel 2): Das Chantische kennt als einzige Sprache ein inflektionales Passiv; das Enzische und das Nganasanische kennen ein recht frequentes derivationales Passiv, das Dolganische und das Ewenkische hingegen ein eher marginales derivationales Passiv. Da die Unterscheidung von inflektionalem und derivationalem Passiv für die vorliegende Arbeit nicht relevant ist, soll sie hier nicht weiter ausgeführt werden. Die folgenden Beispiele zeigen Passivsätze in den untersuchten Sprachen: (167)
˘ K˘ırs’anin ojka s’˘oras χu-na tujt-a Bauer alter.Mann Kaufmann-loc Schlitten-lat tet-tə-s-ə, tu-ta p˘ıt-s-a. sich.setzen-caus-pst-pass.3sg ziehen-inf anfangen-pst-pass.3sg ‘Der alte Bauer wurde vom Kaufmann in den Schlitten gesetzt, er wurde gezogen [wörtl. angefangen zu ziehen].’ (Kha_Sh_MaKI_193X_KaufmannKnecht_flk.015)
(168)
Sej-n’ʔ čukči nɛl’uku-χið ɔ-le-ðʔ. Auge-pl.poss1sg alles Kriebelmücke-lat.pl essen-pass-3pl.rfl ‘Meine Augen wurden ganz von den Kriebelmücken zerfressen.’ (En_W_SiNI_20090719_GoldenerFisch_nar.035)
(169)
Mii təndə s’iəðɨr-mənɨ ŋimi-l’ə-rɨ-ʔi-niʔ. 1dupro jener.gen Fenster-prol ziehen-inch-pass-aor-1pl.rfl ‘Wir beide wurden durch das Fenster gezogen.’ (Ng_ChND_061023_School_nar.024)
(170)
Min o-lor-go iːt-illi-bit-i-m. 1sgpro jener-pl-dat/loc aufziehen-pass-pst2-ep-1sg ‘Ich wurde bei ihnen großgezogen.’ (Dlg_LaVN_KuNS_1999_FateOfANortherner_conv.LaVN.035)
152 | 7 Topikrealisierungen
(171)
P’atəji-l əmə-rə, dəɣi-wu-w-ˇcoː-l. fünfter-pl kommen-aor.3pl fliegen-tr-pass-ptcp.pst-pl ‘Die Fünften [= Kinder aus der fünften Brigade] kamen, sie wurden geflogen.’ (Evn_S_XaNT_2005_GiftFromTrofim_nar.047-048)
In allen diesen Beispielen fallen Subjekt und Topik zusammen, dies kann sowohl anhand der Wortstellung (Subjekt steht vor Adverbialen) als auch jeweils anhand des Kontexts gezeigt werden, und ist in den vorliegenden Beispielen unstrittig. Zur zugrundeliegenden Syntax von Passivsätzen ist ein Kommentar nötig: In der Generativen Syntax wird davon ausgegangen, dass Theta-Rollen uniform vergeben werden (Uniformity of Theta-Assignment Hypothesis (UTAH), vgl. Adger (2003: 138)), d.h., dass eine semantische Beziehung von Verb und Argument syntaktisch stets identisch realisiert wird. Daraus folgt für Passivsätze mit einem Thema oder Patiens als Subjekt, dass dieses nicht in SpecVP generiert wird sondern als Komplement zu V0 (Adger 2003: 229). Die Anwendung des UTAH auf das chantische Passiv − mit Partizipanten aller möglicher semantischer Rollen (vgl. Abschnitt 2.1) − ist perspektivisch zu untersuchen, geht hier jedoch über den Rahmen dieser Arbeit hinaus. Die Syntax von Satz (169) mit einem Thema in Subjektposition lässt sich wie in Abbildung 7.15 darstellen. CP
AgrS P
[-wh]
VP
DP
Miii [TOP]
DP
təndə s’iəðɨrmənɨ
VP
V’
ti ŋimil’ərɨʔiniʔ.
Abb. 7.15: Syntax eines topikalen Subjekts im Passivsatz (Satz (169))
7.2 Topiks und Passivierung
|
153
Die zu untersuchende Frage ist, ob dieser Zusammenhang von Subjekten in Passivsätzen und Topiks generell und strukturell bedingt ist oder ob es sich eher um eine statistische Korrelation handelt. Sowohl Kulonen (1989: 288) für das Chantische als auch Leisiö (2006: 217) für das Nganasanische nehmen an, dass eine der zentralen Funktionen des Passivs die Topikalisierung eines Nicht-Agens sei. Nikolaeva (1999b: 31) formuliert dies insofern anders, als sie davon ausgeht, dass das Passiv die Detopikalisierung eines Agens bedeute. Diese Annahmen ließen darauf schließen, dass Topik und Agens in irgendeiner Form zusammengehören. Sicherlich ist ein Agens ein besserer Topikkandidat als beispielsweise ein Rezipient, eine Korrelation dieser Größen liegt zweifelsfrei vor. Doch damit ist noch nicht gezeigt, dass auch ein struktureller Zusammenhang besteht. Betrachtet man die obigen Beispiele, so scheint auf den ersten Blick der Zusammenhang von Passivierung und Topikalisierung eines Nicht-Agens offenkundig. Wenn man aber annimmt, dass durch die Realisierung der entsprechenden Konstituente als Subjekt des Satzes bereits ihre Topikalität zum Ausdruck gebracht wird, so ist die Frage zu stellen, warum sie überdies an den Satzanfang bewegt wird. Aus sprachökonomischen Gesichtspunkten wäre eine derartige doppelte Topikmarkierung fragwürdig; es spräche nichts dagegen − weder aus morphosyntaktischer noch aus informationsstruktureller Sicht − das Subjekt bspw. in (167) oder (169) in situ zu belassen. Natürlich ist dies kein absolutes Ausschlusskriterium, dass nicht Passivierung doch Topikalisierung bedeuten kann, doch müssten dann Argumente gezeigt werden, die dies hinreichend belegen. Geht man hingegen davon aus, dass die satzinitiale Position (bzw. die Strukturposition als Adjunkt an AgrS P) die Topikalität einer Konstituente hinreichend markiert, so müssen Argumente gefunden werden, warum dies eben nicht per se mit der Passivierung eines Satzes korreliert. Dafür wiederum werden Kontexte benötigt, in welchen ein Nicht-Subjekt in einem Passivsatz zweifelsfrei Topik des Satzes ist. Die folgenden Beispiele zeigen derartige Kontexte: (172)
Tut χɔnəŋa ʌɛt˘ot-i an-ət ɔms˘ıjəʌ-s-aj-ət, [...] Feuer neben Essen-propr Schüssel-pl platzieren-pst-pass-3pl ‘Neben das Feuer wurden Speisegefäße gesetzt, [als ob Feuer erscheinen würde.]’ (Kha_Ka_TaMK_1964_GlaubensvorstellungenOstjaken_nar.048)
154 | 7 Topikrealisierungen
(173)
Wɵn ʌɵŋχ-ət păta χɔt-ət, ʌopas-ət wɛrən-s-aj-ət Waldgeist-pl für Haus-pl Speicher-pl machen-pst-pass-3pl wɵn-n. Wald-loc ‘Für die Waldgeister wurden Häuser und Speicher im Wald gebaut.’ (Kha_Ka_TaMK_1964_GlaubensvorstellungenOstjaken_nar.053)
(174)
Tə, tahari⁀ aa pro kəntə-ði-t’i nun jetzt Schlitten-dst-pl.poss3sg ho-la-ʔi-ndəʔ. stellen-pass-aor-3pl.rfl ‘Nun, ihr wurden Schlitten hingestellt.’ (Ng_JSM_090809_Life_nar.173)
(175)
pro anikaʔi-ʔ d’alɨ-raa-tini tətu-ru-ɡə-tu-ndəʔ groß-gen.pl Tag-lim-loc.pl bringen-pass-iter-aor-3pl.rfl bɨ-tɨ-n’iʔ, anikaʔa d’alɨ i-h¨uʔ tahari⁀ abii. Wasser-dst-pl.poss1pl groß.gen Tag.gen sein-cond jetzt ‘Wir haben nur an Feiertagen Wodka bekommen, wenn ein Feiertag war.’ (Ng_ChND_080719_Life_nar.031)
In Beispiel (172) geht es im gesamten Textabschnitt um das Feuer in der chantischen Glaubenswelt und im chantischen Alltag. Daher ist das Feuer hier ein sehr guter Topikkandidat. Das Subjekt des Satzes, die Speisegefäße, hingegen ist nicht vorerwähnt und weiterhin indefinit und unspezifisch; daher ist es ein bedeutend schlechterer Topikkandidat. Dasselbe gilt für Beispiel (173), wo es um verschiedene Geister geht und erzählt wird, was für diese Geister getan wird, um sie zu besänftigen; das Subjekt des Satzes, die Häuser und Speicher, hingegen ist nicht vorerwähnt, indefinit und unspezifisch. Auch hier sind die Waldgeister also ein bedeutend besserer Topikkandidat als das Subjekt. Diese Argumentation spricht für die Topikalität der genannten Konstituenten, liefert aber noch keinen Beweis. Jedoch sprechen auch strukturelle Kriterien eindeutig gegen eine Topikinterpretation der Subjekte in beiden Beispielen. Die für SOV-Sprachen angenommene unmittelbar präverbale Fokusposition (siehe im Detail Abschnitt 8.2; vgl. Kim (1988)) impliziert hier für das Chantische, dass nicht-fokales Material im Satz vor fokalem Material steht. Bei der Annahme, das Subjekt sei in diesen Beispielen Topik, kann dieses Strukturkriterium nur erfüllt werden, wenn entweder das Verb minimal oder der gesamte Satz maximal fokussiert ist. Ersteres lässt der Kontext kaum zu; letzteres ist möglich, allerdings ist umstritten, ob maximaler Fokus vereinbar mit einer nominalen Topikkonstituente in Subjektposition ist (vgl.
7.2 Topiks und Passivierung
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155
Lambrecht (1994: 233), Lambrecht & Polinsky (1997: 193)). In jedem Fall müsste zugestanden werden, dass das Subjekt als Topikkonstituente nicht satzinitial, sondern gar linear nach einer ebenso potentiell topikfähigen Konstituente stünde. Intermediärer Fokus (d.h. VP-Fokus, vgl. Abschnitt 5.3 und 8.2) schließlich kann nicht angenommen werden, wenn das Subjekt als Topik des Satzes analysiert wird. Da der Skopus des Fokus in diesem Fall mindestens die gesamte VP umfasst, müsste das topikale Subjekt aus ihr herausbewegt werden und gemäß der Zuweisung des Topikmerkmals an AgrS P adjungieren. In diesem Fall wiederum dürfte es nicht nach einem Adverbial stehen, das nicht als Satzadverbial und somit als Adjunkt an VP zu analysieren ist. Strukturelle Kriterien verbieten daher die Annahme eines Subjekttopiks in den obigen chantischen Beispielen. Die beiden nganasanischen Beispiele sind sogenannte (prä)destinative Konstruktionen. In diesen Konstruktionen, die alle nordsamojedischen Sprachen kennen, treten ein Destinativsuffix und ein Possessivsuffix an das entsprechende Nomen, in Beispiel (174) an ‘Schlitten’. Das Destinativsuffix drückt aus, dass die Handlung im Satz zugunsten einer Person ausgeführt wird; auf diese Person wird mit dem Possessivsuffix referiert (vgl. Wagner-Nagy (2019: 211) für das Nganasanische, Siegl (2013a: 381) und Khanina & Shluinsky (2010: 251) für das Enzische). In Beispiel (174) wurden also die Schlitten zugunsten einer (vorerwähnten) Person hingestellt, auf die mit dem Possessivsuffix der 3. Person Singular referiert wird. Typischerweise sind in derartigen Konstruktionen das Agens oder der Benefizient Topik, während der Fokus eben daraus besteht, was zugunsten des Benefizienten gemacht wird. Folgende Beispiele verdeutlichen dies: (176)
Šuðebiˇcu-ku-ðo-daʔ baði-ta-ðʔ. Märchen-dim-dst-obl.poss2pl erzählen-fut-1sg ‘Ich werde ein Märchen für euch erzählen.’ (En_W_SiMN_19900522_MausKuckuck_flk.004)
(177)
ŋəmsu-ðə-mi koða-ʔa-m, Fleisch-dst-acc.poss1du töten-aor-1sg bahi-ðə-mi təða-ʔa-m. wildes.Rentier-dst-acc.poss1du bringen-aor-1sg ‘Ich habe uns beiden Fleisch gejagt [wörtl. getötet], ich habe uns beiden ein wildes Rentier gebracht.’ (Ng_JSM_080212_Hibula_flkd.063)
Im untersuchten Material liegen weder für das Enzische noch für das Nganasanische Beispiele vor, in welchen die mit dem Destinativsuffix markierte Konstituente Topik des Satzes wäre; vielmehr liegt sie in den allermeisten Fällen im Skopus des Fokus. In den nganasanischen Beispielen (174) und (175) ist die mit dem Destinativsuffix markierte Konstituente Subjekt eines Passivsatzes. Dennoch ist sie
156 | 7 Topikrealisierungen
auch hier nicht topikal: In Beispiel (174) geht es darum, dass ein Junge um ein Mädchen gefreit hat und es mit nach Hause nimmt; es wird nun erzählt, welche Vorbereitungen für sie für diese Fahrt getroffen werden; hier ist also das Mädchen, d.h. der koverte Benefizient, Topik des Satzes. In Beispiel (175) wird davon erzählt, wie die Nganasanen früher arbeiteten und lebten und dass sie eben früher wenig Alkohol bekamen, daher ist auch hier der koverte Benefizient Topik des Satzes. Für diese Analyse spricht auch, dass das Subjekt des Satzes postverbal steht, was seine Interpretation als Topik ebenfalls unwahrscheinlich macht. In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich die Frage nach der syntaktischen Rekonstruktion derartiger (prä)destinativer Konstruktionen. Da auf den Benefizienten durch ein Possessivsuffix verwiesen wird, kann angenommen werden, dass er im syntaktischen Sinne Possessor der mit dem Destinativsuffix markierten Konstituente ist. Dies bedeutet dann, wie oben für Possessivkonstruktionen gezeigt, dass er in SpecDP der entsprechenden DP generiert wird; in (174) muss er durch die Zuweisung des Topikmerkmals außerdem bewegt und als Adjunkt an AgrS P realisiert werden. Je nach Diathese des Satzes wird die Spezifikatorund die Komplementposition der VP besetzt. Da Beispiel (174) passivisch ohne ein genanntes Agens ist, bleibt SpecVP leer; das Thema, das als Subjekt realisiert wird, wird als Komplement von V0 generiert. Die Syntax in Abbildung 7.16 zeigt dies. CP
CP
Tə
AgrS P
[-wh]
AgrS P
tahari⁀ aa proi [TOP]
VP
V’
DP
ti
holaʔindəʔ.
D’
kəntəðit’i
Abb. 7.16: Syntax einer prädestinativen Konstruktion mit topikalem Benefizienten (Satz (174))
7.2 Topiks und Passivierung
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157
Insgesamt zeigen also die besprochenen chantischen und nganasanischen Beispiele (im Enzischen verhält es sich ebenso), dass es Passivsätze gibt, in denen Subjekt und Topik des Satzes nicht zusammenfallen. Dies konnte sowohl anhand der einzelnen Beispiele und ihrer Kontexte an sich als auch anhand struktureller Kriterien gezeigt werden. Somit ist gezeigt, dass Passivierung nicht per se Topikalisierung der in die Subjektposition gehobenen Konstituente bedeutet. Das wiederum bedeutet, dass es irreführend ist, davon zu sprechen, dass die Passivierung in den untersuchten Sprachen ein Topikalisierungsmechanismus sei, da dies nicht in allen Passivsätzen der Fall ist. Tatsächlich ist allerdings festzuhalten, dass eine statistische Korrelation von Subjekt und Topik in Passivsätzen vorhanden ist. Wie bereits in Abschnitt 7.1 bemerkt passt die Korrelation von Subjekt und Topik gut zu unterschiedlichen funktionalen Hierarchien wie Dixons (1979: 85) animacy hierarchy oder Comries (1989: 134−136) definiteness hierarchy. Ebenfalls ist zu festzuhalten, dass das Passiv im Chantischen sehr häufig, im Enzischen und Nganasanischen seltener und schließlich im Dolganischen und Ewenkischen nur marginal auftritt. Ein Erklärungsansatz dafür ist, dass, wie oben gezeigt, topikale Konstituenten durch Zuweisung des Topikmerkmals an den Satzanfang bewegt werden, dadurch also die zugrundeliegende Wortstellung SOV ggf. verändert wird. Bei hinreichender morphologischer Aktantenmarkierung stellt dies für die korrekte Interpretation der Bedeutung des Satzes kein Problem dar. Sind topikfähige, d.h. definite, spezifische und/oder generische, direkte Objekte wie im Dolganischen und Ewenkischen morphologisch markiert, so sind sie unabhängig von ihrer Position im Satz als solche interpretierbar. Ist jedoch die Markierung grammatischer Kasus weitestgehend (wie im Chantischen) oder teilweise (wie im Enzischen und Nganasanischen) geschwunden, so ist diese Interpretation nicht mehr ohne Weiteres möglich. Die Passivierung solcher Konstruktionen schafft dem Abhilfe. Somit ist erklärbar, warum das Passiv im Chantischen, das keine grammatischen Kasus aufweist, so viel frequenter ist als beispielsweise im Ewenkischen, wo grammatische Kasus regelmäßig auftreten. Daher ist die Passivierung derartiger Konstruktionen eher eine Folge der Topikalität eines Nicht-Subjekts und seiner Bewegung an den Satzanfang als ein Mechanismus zur Topikalisierung dieser Konstituenten. Die Beispiele mit nicht-topikalen Subjekten in Passivsätzen bzw. mit topikalen Konstituenten, welche nicht das Subjekt des Passivsatzes sind, zeigen jedoch, dass Passivierung und Topikalisierung nicht zwangsläufig zusammengehören müssen. Außerdem übt das Passiv, wie bereits am Anfang des Abschnitts angesprochen, noch weitere Funktionen aus, die nichts mit der sprachlichen Realisierung der Topik-Kommentar-Gliederung zu tun haben (v.a. Nichtnennung eines Agens, bei overter Agensmarkierung ggf. auch seine Hervorhebung).
158 | 7 Topikrealisierungen
Im Chantischen treten ferner einige Konstruktionen auf, die kommentiert werden müssen: In Passivsätzen kann das lokativmarkierte Agens satzinitial und vor dem Subjekt stehen, vgl. das folgende Beispiel: (178)
˘ s’˘oras χu-na S’˘ıt pata m˘oŋ m˘ıs-ew woj-ew deshalb Kaufmann-loc 1plpro Kuh-poss1pl Tier-poss1pl ˘ akət-s-aj-ət. sammeln-pst-pass-3pl ‘Deshalb sammelte der Kaufmann unsere Kuh und unser Vieh¹¹ ein.’ (Kha_Sh_MaKI_1936_MeinVater_nar.013)
Aus den Überlegungen in Abschnitt 7.1 müsste folgen, dass der Kaufmann hier Topik des Satzes ist. Der Kontext ermöglicht dies auch: Der Sprecher erzählt hier von seinem Vater, dass dieser sehr arm war und bei einem Kaufmann für Lohn arbeitete. Dann erzählt er, dass die erlegte Beute nicht gereicht hätte, weshalb der Kaufmann eben das Vieh eingesammelt hätte. Der Kaufmann ist in diesem Kontext vorerwähnt und es geht um ihn im vorliegenden Textabschnitt. Das Subjekt des Satzes wäre im vorliegenden Kontext tatsächlich auch ein möglicher Topikkandidat, doch sprechen die oben besprochenen strukturellen Kriterien in Bezug auf die Fokussierung und Fokusposition in SOV-Sprachen gegen diese Analyse. Es stellt sich also die Frage nach der Funktion derartiger Konstruktionen, da zumindest aus morphosyntaktischer Sicht der Satz ebenso als Aktivsatz mit der vorliegenden Wortstellung realisiert werden könnte, ohne dass seine intendierte Bedeutung verloren ginge. Sowohl in diesem als auch in strukturell identischen Konstruktionen im untersuchten Material (gut zwei Dutzend derartige Fälle) lässt sich beobachten, dass stets ein Pool an möglichen Topikkandidaten vorliegt, aus welchem einer als Topik realisiert wird. Häufig liegt außerdem ein Wechsel des Topiks zum vorangehenden Satz vor. Folgendes Beispiel kann das gut illustrieren, hier sind zumindest der weißbärtige alte Mann und die Lohnarbeiter mögliche Topikkandidaten: (179)
˘ s-əp a. N˘owə tuˇ
˘ ojka-na wut atəm-ta weiß Bart-propr alter.Mann-loc ans.Ufer tragen-inf part-s-a. befehlen-pst-pass.3sg
‘Der weißbärtige Mann befiehlt, es [etwas Gekochtes in einem Kessel] zum Ufer zu tragen.’
11 woj kann jegliche Art von Tier bezeichen (Steinitz 1950: 166), daher ist die Übersetzung ‘Vieh’ gewählt.
7.2 Topiks und Passivierung
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159
˘ ˘ joχ-t-at-na put wut Lohn Leute-pl-poss3pl-loc Kessel ans.Ufer atəm-s-a. tragen-pst-pass.3sg
b. M˘ıt
‘Die Lohnarbeiter trugen den Kessel ans Ufer.’
˘ ojka-na put χ˘omta weiß Bart-propr alter.Mann-loc Kessel umgekehrt sˇ oˇsəm-əs-ə. gießen-pst-pass.3sg
˘ s-əp c. N˘owə tuˇ
‘Der weißbärtige alte Mann goss den Kessel aus.’ (Kha_Sh_MaKI_193X_KaufmannKnecht_flk.229−231) Im Ostchantischen, v.a. in den Vach- und Vasjugandialekten treten strukturell ähnliche Konstruktionen auf, wobei das Verb allerdings aktive Morphologie zeigt. Traditionell werden diese Konstruktionen als Ergativkonstruktionen bezeichnet, Filchenko (2010a: 400) wählt den wohl passenderen Begriff Locative Agent-Konstruktion. Das folgende Beispiel (bereits in Abschnitt 2.1 genannt) zeigt einen derartigen Satz: (180)
Qu-jali-nə aj nə cˇ upɨ-l-tə. Mann-dim-loc klein Frau küssen-prs-3sg.obj ‘Ein/der junge(r) Mann küsst eine/die kleine Frau.’ (Ostchantisch; Filchenko 2010a: 400)
Filchenko (2010a: 415) beobachtet in diesen Konstruktionen typischerweise einen Topikwechsel bzw. die Kontrastierung von Topiks. Es liegt daher nahe anzunehmen, dass die ostchantischen Locative Agent-Konstruktionen und die oben betrachteten Passivkonstruktionen mit satzinitialem lokativmarkiertem Agens zumindest funktional zusammengehören. Ob die Funktion dieser Konstruktionen tatsächlich der Ausdruck eines Topikwechsels bzw. die Kontrastierung von Topiks zueinander ist, kann auf der Basis des vorliegenden Materials nicht hinreichend untersucht werden, weswegen diese Frage offen für weitere Forschung bleibt. Zur Frage kontrastiver/kontrastierter Topiks vgl. auch Abschnitt 7.3. Zusammenfassend ist zu sagen, dass Passivkonstruktionen und die Topikalität nicht-agentischer Konstituenten im Satz v.a. im Chantischen, aber auch im Nganasanischen und Enzischen, tatsächlich statistisch korrelieren. In Passivsätzen ist zumeist das Subjekt des Satzes auch Topik des Satzes. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass die Topikalität des Subjekts keine notwendige Folge aus der vorliegenden Passivmorphologie des Satzes ist. Neben einzelnen dem widersprechenden Beispielen und Kontexten ist das stärkste Argument hierfür, dass sich in Passivsätzen mit einem unmittelbar präverbal realisierten Subjekt letzteres aus strukturellen
160 | 7 Topikrealisierungen
Gründen (vgl. Abschnitt 8.2 zur Fokusrealisierung) nicht mit einer Topikinterpretation vereinbaren lässt. Schließlich wurden Konstruktionen mit overtem satzinitial realisiertem Agens mit Lokativmarkierung analysiert, deren Funktion jedoch nicht endgültig geklärt werden konnte.
7.3 Kontrastive Topiks In Abschnitt 5.2 wurde der Unterschied von nicht-kontrastiven und kontrastiven Topiks darin festgelegt, dass im Falle ersterer die Menge möglicher Topikkandidaten offen ist, im Falle letzterer jedoch geschlossen. Das folgende Beispiel kann in dieser Form nur realisiert werden, wenn beide genannten Freundinnen zumindest implizit einem Pool möglicher Topiks angehören: (181)
Eine Freundin von mir hat Arbeit in Bulgarien gefunden, eine andere Freundin ist nach Estland gezogen.
Kontrastive Topiks dienen häufig dazu, (narrative) Texte zu strukturieren und Diskursreferenten voneinander abzugrenzen. Auf prosodischer Ebene sind sie häufig durch so genannte Hut- oder Wurzelkonturen realisiert, wobei die Grundfrequenz auf der Topikkonstituente ansteigt und auf der den Satzakzent tragenden Konstituente abfällt (Junghanns & Zybatow 2009: 693). Die folgenden Beispiele zeigen kontrastive Topiks in den Objektsprachen: (182)
Mɐː nʉŋɐt tʉwət-ət mə-ʌ-əm, nʉŋ t’uː jʉkɐnɐt 1sgpro 2sgpro.acc Feuer-ins geben-prs-1sg 2sgpro jenes dafür n’eːwrem-e təɣə məj-e. Kind-poss2sg hierher geben-imp.2sg.obj ‘[Die alte Frau sagt:] „Ich gebe dir Feuer, und du gib [mir] dafür dein Kind“.’ (Kha_Su_SoOI_2008_FireGoddess_flk.033)
(183)
Tɔɔnoju enˇceu-ʔ mɔsara-ʔ, ɔtuðnoju n’e-d im.Sommer Mensch-pl arbeiten-aor.3pl im.Herbst neg.aux-2sg mɔsara-d. arbeiten-fut.cng ‘Im Sommer arbeiten die Leute, im Herbst arbeitet man nicht.’ (En_W_BoAS_20090715_WieManEinLassoBenutzt_nar.083−084)
7.3 Kontrastive Topiks |
(184)
161
Tahari⁀ abiʔ təndə-ʔ betir-i-ʔ, sɨtɨ tahari⁀ abiʔ əmɨʔɨ⁀ a nun jener-pl tanzen-aor-3pl 3sgpro nun so səŋ¨ur-kə-tu. gucken-iter-aor.3sg ‘Jene [Leute] tanzen nun, sie guckt [so] zu.’ (Ng_ChND_041212_Girl_flkd.052)
(185)
Horok-tor cˇ eːlkeː-ler, horok-tor buɡdiː-ler, (irgend)ein-pl weiß-pl (irgend)ein-pl gescheckt-pl horok-tor kara-lar. (irgend)ein-pl schwarz-pl ‘Einige [der Rentiere] sind weiß, einige sind gescheckt, einige sind schwarz.’ (Dlg_AkEE_1990_PearlBeard_flk.090)
(186)
Al’oˇsa-duː d’an anŋaniː-n, Vas’a-duː tunŋa. Aljoscha-dat/loc zehn Jahr-poss3sg Vasja-dat/loc fünf ‘Aljoscha ist zehn Jahre alt, Vasja fünf.’ (Evn_N_UvIK_2008_AboutMe_nar.006)
In keiner der untersuchten Sprachen ist auf morphosyntaktischer Ebene eine besondere Realisierung kontrastiver Topiks zu beobachten. Die Syntax kontrastiver Topiks kann daher ebenso wie die Syntax nicht-kontrastiver Topiks rekonstruiert werden, es kann also von Adjunktion der topikalen Konstituente an AgrS P ausgegangen werden. Siegl (2013a: 176) erwähnt für das Waldenzische das Derivationssuffix -ju, welches ihm zufolge an (nominalisierten) Adjektiven kontrastive Topiks markiere. Dieses Suffix bildet zusammen mit einem Adverbsuffix temporale Adverbien wie tɔɔnuju ‘im Sommer’ < tɔɔ ‘Sommer’, diese Funktion des Suffixes kann im Korpus am häufigsten beobachtet werden. Die von Siegl genannte Funktion des Suffixes, die Markierung eines kontrastiven Topiks, kann im untersuchten Material im Waldenzischen (nicht im Tundraenzischen!) bedingt bestätigt werden. Tatsächlich tritt das Suffix -ju an kontrastiven Topiks und nur an kontrastiven Topiks auf (abgesehen von den genannten temporalen Adverbien), jedoch finden sich im untersuchten Material lediglich fünf eindeutige Belege, alle in Kombination mit dem Adjektiv nɛku ‘anderer’, vgl. Beispiel (187)¹².
12 Das Suffix -ju wird hier wegen seiner unklaren Funktion insgesamt mit drv glossiert; das Suffix -koɔ ∼ -ɡoɔ ∼ -χoɔ wird anders als bei Khanina & Shluinsky nicht mit foc, sondern mit emph glossiert, näheres hierzu in den Abschnitten 7.7 und 8.8.
162 | 7 Topikrealisierungen
(187)
Nɛku-ju-ɡoɔ armija-χɔn ŋa, anderer-drv-emph Armee-loc existieren.aor.3sg nɛku-ju-ɡoɔ teða nɔnida d’iri. anderer-drv-emph jetzt 3sgpro.loc leben.aor.3sg ‘Der eine [Sohn] ist beim Militär, der andere lebt jetzt bei ihr.’ (En_W_LyND_19970718_Leben_nar.225)
Hier ist weiter zu berücksichtigen, dass -ju stets auf einen von zwei möglichen Referenten verweist (Siegl 2013a: 176), also aus morphologischer Sicht zunächst als Selektivsuffix beschrieben werden kann. Dies kann dadurch unterstrichen werden, dass die etymologischen Kognate im Nganasanischen -d’üm (WagnerNagy 2019: 521) sowie im Tundranenzischen -jum (Nikolaeva 2014: 134; dort als „polar marker“ bezeichnet) die gleiche Funktion wie im Waldenzischen ausüben. Es stellt sich daher unmittelbar die Frage, ob sich auch im Nganasanischen (und in möglichen weiteren Untersuchungen im Tundranenzischen) Parallelen zwischen dem Auftreten des Selektivsuffixes und kontrastiver Topiks feststellen lassen. Das nganasanische Beispiel (188) zeigt einen entsprechenden Kontext, da der Sprecher die Aufgaben von Mann und Frau im Haushalt miteinander vergleicht. (188)
Nɨ-d’¨um tahari⁀ abə luu-rbiʔi⁀ a-j mej-kə-tɨ, [...] Frau-sel jetzt Kleidung-aug-acc.pl machen-iter-aor.3sg ‘Die Frau aber stellt Kleidung her, [sie näht Stiefel, Mäntel und Kinderkleidung].’ (Ng_JSM_090809_Life_nar.319)
Tatsächlich ist die beobachtete Parallele von Selektivsuffixen und kontrastiven Topiks nachvollziehbar, wenn man berücksichtigt, dass sowohl Selektivsuffixe als auch kontrastive Topiks auf einen Referenten aus einem vordefinierten, begrenzten Pool an Referenten verweisen. Daher kann geschlussfolgert werden, dass die Selektivsuffixe im Waldenzischen und Nganasanischen zumindest eine Interpretation des entsprechenden Referenten als kontrastives Topik induzieren. Dennoch ist zu betonen, dass kontrastive Topiks in beiden Sprachen auch ohne Selektivsuffix auftreten, letzteres also keine notwendige Bedingung für die Realisierung eines kontrastiven Topiks ist. Schließlich nennt Nedjalkov (1997: 128) für das Ewenkische einige Suffixe/Klitika (-dA, -kA, -mAk), mit welchen „contrastive constituent emphasis“ ausgedrückt werde, erläutert den Begriff aber nicht näher. Unabhängig von der unklaren Begrifflichkeit kann für das hier untersuchte Material gesagt werden, dass keines der Klitika/Suffixe an kontrastiven Topiks auftritt, weshalb diese sicherlich nicht als Marker für kontrastive Topiks zu analysieren sind.
7.4 Abstrakte Topiks |
163
Somit kann zusammenfassend gesagt werden, dass kontrastive Topiks in den Objektsprachen auf morphosyntaktischer Ebene zumeist nicht anders als nicht-kontrastive Topiks ausgedrückt werden; eine mögliche und weiter zu untersuchende Ausnahme stellt hier das Waldenzische sowie das Nganasanische dar. Es liegt daher nahe, die Unterscheidung von kontrastiven und nicht-kontrastiven Topiks auf der prosodischen Ebene zu vermuten; im Rahmen dieser Arbeit kann dieser Frage jedoch nicht weiter nachgegangen werden. Auf topikmarkierende und oder topikinduzierende Partikeln/Suffixe/Klitika wird in Abschnitt 7.7 im Detail eingegangen.
7.4 Abstrakte Topiks In Abschnitt 5.2 wurden die bisher behandelten konkreten Topiks den abstrakten Topiks gegenüberstellt, welche keiner referierenden Konstituente im Satz zugeordnet sind, sondern sich auf die räumlich-zeitlichen Parameter der Äußerung beziehen. Im Slavischen führt die Realisierung derartiger abstrakter Topiks zu Anhebung des finiten Verbs und damit einer resultierenden Wortstellung VS(O) (vgl. Kapitel zu thetischen Sätzen¹³ in Junghanns (2002b)), vgl. folgendes Beispiel: (189)
Přije-l-i host-é. kommen-pst-pl Gast-pl ‘Es sind Gäste gekommen.’ (Tschechisch; Junghanns 2002b: 167)
Molnár (1998: 112) weist darauf hin, dass Verbinitialität (bzw. Inversion von Subjekt und Verb) in vergleichbaren thetischen Sätzen auch im Ungarischen vorliegt (vgl. Beispiel (190)). (190)
Akkor jelen-t meg a róka. dann erscheinen-pst.3sg pfv def Fuchs ‘Dann erschien der Fuchs.’ (Ungarisch; A Kis Herceg, Kapitel 21, eigene Glossierung)
Junghanns (2002b: 178) sieht dies als Beleg für die strukturelle Zusammengehörigkeit von thetischen Sätzen und overter Verbanhebung. Vor diesem Hinter-
13 Thetisch und kategorisch sind zunächst Begriffe aus der Logik bzw. der Urteilstheorie: Thetische Urteile sind ungegliedert, kategorische Urteile sind gegliedert, wobei etwas über etwas anderes prädiziert wird. Thetische Sätze sind entsprechend also logisch ungegliedert, während kategorische Sätze gegliedert sind.
164 | 7 Topikrealisierungen
grund ist zu untersuchen, wie sich die Objektsprachen dieser Arbeit verhalten; die folgenden Beispiele zeigen thetische Sätze mit ähnlicher Struktur. (191)
Imɛ-ŋən ikɛ-ŋən wɵʌ-ʌ-aŋən. alte.Frau-du alter.Mann-du leben-prs-3du ‘Es leben ein Mann und eine Frau.’ (Kha_Ka_MoEK_2001_Quappenmagen_flk.001)
(192)
Šiðe kaasa niɔ tɔne-ðaraχa-ˇs. zwei Mann Kind existieren-supp1-3sg.pst ‘Es gab wohl zwei Jungen.’ (En_T_KoIP_20080716_MeineFamilie_nar.005)
(193)
Tuntɨ kərutɨ-tɨ bið-ə-ʔ bərə-mənu. Fuchs langsam.gehen-aor.3sg Wasser-ep-gen.pl Rand-prol ‘Es geht ein Fuchs das Flussufer entlang.’ (Ng_ASS_161023_Fox_flkd.002)
(194)
Biːr mina kel-l-e da barɨ-bɨtɨ-n eins Mine kommen-pst1-3sg und jeder-poss1pl-acc holoː-but ol. treffen-pst2.3sg jener ‘Es kam eine Mine und traf uns alle − [mehr als zehn Menschen].’ (Dlg_ChVD_AkEE_198204_SoldierInWar_nar.ChVD.099)
(195)
Umnoː amiː-ŋaha-w huru-rə-n pas’olok-tulaː. einmal Vater-deadrel-poss1sg gehen-aor-3sg Dorf-lat ‘Einmal ging mein Vater ins Dorf.’ (Evn_N_TuMD_2011_FatherWentToVillage_nar.001)
In jedem Fall ist in diesen Beispielen zu beobachten, dass in den Objektsprachen das Verb nicht wie im Slavischen und Ungarischen satzinitial steht. Da, wie in Abschnitt 7.1 gezeigt werden konnte, nicht-topikale Subjekte in den Objektsprachen in situ verbleiben können, kann davon ausgegangen werden, dass in den Objektsprachen weder eine overte noch eine koverte Verbanhebung vorliegt. Es stellt sich daher die Frage nach der Analyse derartiger Sätze. Dazu soll an dieser Stelle auf die Unterscheidung von thetischen und kategorischen Sätzen und ihr Zusammenhang mit konkreten und abstrakten Topiks eingegangen werden. Die folgenden Beispiele verdeutlichen den Unterschied zwischen einem thetischen und einem kategorischen Satz: (196)
a. Es gibt Elfmeter für Dortmund! b. [Und] der Elfmeter ist berechtigt. (NDR2 Bundesligashow, 10.11.2018)
7.4 Abstrakte Topiks |
165
In (196a) wird holistisch etwas über eine Situation ausgesagt, während in (196b) konkret über den verhängten Strafstoß ausgesagt wird, dass dieser berechtigt war. Erstes „Urteil“ bzw. erster Satz ist also thetisch, letztes/-r kategorisch (vgl. Sasse (1987), Rosengren (1997)). Angewendet auf informationsstrukturelle Gliederungen bedeutet dies, dass in Beispiel (196a) das gesamte Material des Satzes zum Kommentar gehört, in Beispiel (196b) jedoch nur die VP [ist berechtigt] (vgl. Junghanns (2002b)). Für die betrachteten objektsprachlichen Beispiele (191) bis (195) gilt dies analog: Es liegen thetische Sätze vor, das gesamte Material des Satzes gehört zum Kommentar. Letzteres gilt für thetische Sätze uneingeschränkt, andersherum aber ist nicht jeder Satz ohne konkretes Topik thetisch. Der folgende dolganische Satz kann dafür Beispiel sein: (197)
Biːrde Oɡur⁀ uo Bɨtɨk ilim kör-ün-e bar-bɨt. einmal Perle Bart Netz sehen-med-cvb.sim gehen-pst2.3sg ‘Einmal ging Perlenbart Netze kontrollieren.’ (Dlg_AkEE_1990_PearlBeard_flk.009)
Es liegt ein kategorischer Satz vor, die Aussage des Satzes lässt sich gliedern, weiterhin ist der Fokusexponent nicht auf dem Subjekt realisiert, wie es für einen thetischen Satz typisch wäre (vgl. Abschnitt 8.4), sondern rechtsperipher auf dem Verb. Dennoch ist keine Konstituente − weder overt noch kovert − Topik des Satzes. Das Nichtvorhandensein eines konkreten Topiks ist also kein diagnostisches Kriterium für das Vorliegen eines thetischen Satzes, eine weitere Diskussion der Opposition kategorisch vs. thetisch erfolgt später im Zusammenhang mit maximal fokussierten Sätzen. Die Frage ist nun, ob in diesen Sätzen ein (abstraktes) Topik realisiert ist oder nicht. Gemäß dem LM wäre in diesem Fall die Zuweisung des Topikmerkmals an T0 , also den Kopf der Tempusphrase TP, anzusetzen. Das würde bedeuten, dass abstrakt eine Topikmarkierung vorläge, die auf der Satzoberfläche jedoch keinen Reflex hätte. Aus theoretischer Perspektive ist das zwar möglich und problemlos zu rekonstruieren, jedoch widerspricht diese Annahme der Ökonomiemaxime des MP in hohem Maße. Nimmt man hingegen an, dass in derartigen Kontexten kein Topik realisiert wird, so muss in der Konsequenz akzeptiert werden, dass Sätze topiklos sein können. Beispiele hierfür sind schwierig zu finden, da letzten Endes etwas gezeigt werden müsste, das nicht da ist. Am ehesten kann dies an Existentialsätzen im engsten Sinne des Begriffs gezeigt werden, d.h. solche Sätze wie Es gibt (k)einen Gott. Hier kann weder argumentiert werden, dass Gott Topik des Satzes ist, noch die zeitlichen und räumlichen Parameter der Äußerung, da die Aussage weder zeitliche noch räumliche Bezüge herstellt. Interessanterweise kennt das Finnische sprachliche Mittel, derartige Kontexte zu kodieren:
166 | 7 Topikrealisierungen
(198)
a. Taivaa-lla
on jumala. Himmel-ade sein.3sg Gott
‘Im Himmel ist/gibt es einen Gott.’ b. On
ole-ma-ssa jumala. sein.3sg sein-nmnz-ine Gott
‘Es gibt (einen) Gott.’ (Finnisch; eigene Beispiele) Sätze müssen also nicht per definitionem ein Topik enthalten, sie können topiklos sein. Wenn dies der Fall ist, spricht nichts dagegen, für die obigen thetischen Sätze in den Objektsprachen topiklose Sätze anzunehmen. Tatsächlich löst diese Annahme das Problem, die „fehlende“ Verbanhebung in den obigen Beispielen zu erklären. Allerdings wirft sie ein weitergehendes Problem auf: Die Konzeption des abstrakten Topiks − unabhängig von seiner sprachlichen Realisierung − macht unglaubhaft, dass es in einigen Sprachen als Kategorie vorhanden ist, in anderen jedoch nicht. Da die zeitlichen und räumlichen Parameter einer Äußerung unabhängig von der Sprache, in der sie realisiert wird, existieren, kann schwer nachvollzogen werden, dass in einigen Sprachen etwas über diese Parameter ausgesagt werden kann, in anderen jedoch nicht. Es wäre zu erwarten, dass abstrakte Topiks entweder eine Kategorie sind, die unabhängig von der Einzelsprache auftreten, oder sie unabhängig von der Einzelsprache nicht auftreten. Es liegt nicht im Skopus dieser Arbeit, dieses Problem aufzulösen, weitere Forschung ist hier wünschenswert. An dieser Stelle kann und soll lediglich festgehalten werden, dass sprachliche Kontexte (topiklose und häufig thetische Sätze), in denen in slavischen Sprachen und im Ungarischen overte Verbanhebung zu beobachten ist, in den vorliegenden Objektsprachen offensichtlich nicht, zumindest nicht auf syntaktischer Ebene, kodiert werden.
7.5 Externe Topiks Während alle bisher besprochenen Topikarten satzintern (d.h. innerhalb von CP) realisiert werden, werden externe Topiks, wie es der Begriff nahelegt, satzextern realisiert. Wie in Abschnitt 5.2 beschrieben sind sie prosodisch getrennt vom Satz, werden häufig durch einen koreferenten Ausdruck (z.B. ein Pronomen) im Satz wieder aufgenommen und können, müssen aber nicht mit dem internen Topik des Satzes identisch sein. Weiter wurde für externe Topiks Basisgenerierung als Adjunkt an CP angenommen. Die folgenden Beispiele zeigen externe Topiks in den Objektsprachen:
7.5 Externe Topiks |
(199)
167
[...] Worŋai − s’iti jam wɔːj. Krähe dieser gut Tier ‘Die Krähe, sie ist ein gutes Tier.’ (Kha_Ka_MoTA_1995_EsWurdeFrühling_flk.015)
(200)
Uða-ðai an’, uði-tai n’in d’ɔðu-ŋa. Hand-pl.poss3sg und Hand-obl.pl.poss3sg auf gehen-aor.3sg ‘Und seine Hände, er geht auf seinen Händen.’ (En_W_BoMN_199404_DreiFrauen_flk.036)
(201)
N’orsui , n’ejmɨi , kab¨um¨uəi , s’il’akəi , n’erbɨ-d’əi , təndɨ-t’əi Moos Nadel Kienspan Brett Fell-npst jener-pl.poss2sg kona-ʔa-ʔ. gehen-aor-3pl ‘Das Moos, die Nadel, der Kienspan, das Brett, das Fell, sie gingen [weiter].’ (Ng_KES_080721_Lemming_flkd.065)
(202)
Araj üp-terei d⁀ ie-n-nere, h⁀ uos-hoɡotok nur Mittel-poss3pl sagen-cvb.seq-3pl emph-einsam ati -taːk-tar. Pferd-propr-3pl ‘Ihr einziger Besitz, sie hatten ein sehr einsames Pferd.’ (Dlg_BaA_1930_OldManOldWoman_flk.006)
(203)
ər hutəi , amiː-m moːni-n dieser Kind Vater-poss1sg selbst-poss3sg irɡiː-s’i-l-da-n tariŋ-mii . aufwachsen-dur-inch-aor-3sg jener-rfl.poss.sg ‘Dieses Kind, mein Vater fing an, es selbst aufzuziehen.’ (Evn_N_ChAD_StoryAboutLife_nar.022)
In allen Objektsprachen sind externe Topiks prosodisch deutlich vom Satz getrennt, wenngleich hier nicht detailliert auf die Prosodie eingegangen werden kann. Weiter wird das externe Topik durch eine koreferente Konstituente im Satz wieder aufgenommen. Diese kann das interne Topik des Satzes sein (wie in Beispiel (199)), muss es aber nicht (wie in den Beispielen (200), (202) und (203)). Schließlich können mehrere Referenten als externes Topik realisiert sein bzw. dem internen Topik des Satzes entsprechen (wie in Beispiel (201)). Es stellt sich nun die Frage, wie die satzexterne Position eines externen Topiks auch aus syntaktischer Perspektive nachgewiesen werden kann. Die satzexterne Realisierung als Adjunkt an CP bedeutet die Realisierung in einer höheren Strukturposition als die höchste Struk-
168 | 7 Topikrealisierungen
turposition innerhalb CP. Letztere ist SpecCP. Die Syntax eines externen Topiks kann dementsprechend wie in Abbildung 7.17 rekonstruiert werden. CP
DP
CP
worŋai [-wh] [TOP.EXT]
AgrS P
DP
ti s’iti [TOP.INT]
VP
V’
jam wɔːj. Abb. 7.17: Syntax eines externen Topiks (Satz (199))
Diese syntaktische Rekonstruktion muss weiter begründet werden. Ein Indiz hierfür liefert das Verhalten von Interrogativpronomina: Liegt in einer Sprache whBewegung vor, d.h. die Bewegung von Interrogativpronomina an den Satzanfang, so wird gemeinhin davon ausgegangen, dass diese in SpecCP realisiert werden (Adger 2003: 342). Daher müssen externe Topiks bei der angenommenen Strukturposition als Adjunkt an CP auf der Satzoberfläche vor wh-bewegten Interrogativpronomina stehen. Hinsichtlich von wh-Bewegung scheinen sich die Objektsprachen nicht einheitlich zu verhalten; für das Enzische z.B. geht Siegl (2013a: 355) von der In-Situ-Realisierung von Interrogativpronomina aus, für das Ewenkische jedoch gehen Bulatova & Grenoble (1999: 24) von wh-Bewegung aus. Die hier untersuchten Daten zeigen viel Variation, es lassen sich in jeder Sprache Beispiele für beide Varianten finden. Beispiel (204) zeigt exemplarisch wh-Bewegung im Dolganischen. Beispiel (205) zeigt schließlich, dass im Falle von wh-Bewegung externe Topiks tatsächlich linear vor dem Interrogativpronomen stehen. Da letzteres eben in SpecCP realisiert ist, muss das externe Topik als Adjunkt an CP realisiert sein.
7.5 Externe Topiks |
(204)
169
Togo balɨk-ta k¨ord¨oː-b¨ok-k¨un, balɨk warum Fisch-part bitten-neg-2sg Fisch h-⁀ iek-piti-n? essen-ptcp.fut-poss1pl-acc ‘Warum bittest du nicht um Fisch, damit wir Fisch essen?’ (Dlg_KiMN_19900417_Milkmaid_flk.076)
(205)
Ol hir-git Kur’jaː-ɡɨt, togo, eː, kuhagan hir jener Ort-poss2pl Kurja-poss2pl warum äh schlecht Ort b⁀ uol-but? werden-pst2.3sg ‘Euer Ort, euer Kurja, warum, äh, ist es ein schlechter Ort geworden?’ (Dlg_LaVN_KuNS_1999_FateOfANortherner_conv.LaVN.039)
Wie in der oben rekonstruierten und begründeten Syntax zu sehen ist (vgl. auch Abschnitt 5.2), wird davon ausgegangen, dass externe Topiks basisgeneriert sind als Adjunkt an CP. Das ist nicht unumstritten, jedoch sprechen einige strukturelle Kriterien für Basisgenerierung. Zum einen müsste erklärt werden, wie externe Topiks in ihre satzexterne Position gelangen, wenn sie nicht dort basisgeneriert sind. Bewegung aus der CP heraus müsste gezeigt werden, stößt aber alleine schon deshalb an ihre Grenzen, dass fraglich ist, wo das Material in der CP generiert wird. Es könnte angenommen werden, dass es in der Basisposition der koreferenten Konstituente im Satz generiert wird und letztere eine Art Spur der bewegten Konstituente darstellt. Dagegen sprechen allerdings Beispiele wie (201), in welchen dem externen Topik keine koreferente Konstituente im eigentlichen Sinne entspricht, sondern eher eine inferierbare Relation vorliegt. Solche inferierbaren Relationen können kaum durch Bewegung und Spuren erklärt werden. Weiterhin fällt bei der Betrachtung der Beispiele auf, dass das externe Topik hinsichtlich seiner Morphologie nicht zwangsläufig mit dem koreferenten Ausdruck im Satz übereinstimmt. In den Beispielen (200) und (203) steht das externe Topik im Nominativ, während der koreferente Ausdruck mit dem (durch die folgende Postposition regierten) Genitiv bzw. dem reflexiven Akkusativ markiert ist. Das kann gut damit erklärt werden, dass der Nominativ im Sinne von Jakobson (1936) als merkmalloser Defaultkasus angenommen werden kann und bei Fehlen anderer Ursachen für Kasusmarkierung der Nominativ per default zugewiesen wird. Die genannten Argumente sprechen mithin für die Basisgenerierung externer Topiks. In einigen Beispielen jedoch trägt das externe Topik wohl Kasusmorphologie, welche nur durch Rektion durch ein Verb zu erwarten wäre, vgl. folgendes Beispiel:
170 | 7 Topikrealisierungen
(206)
[TOP.EXT Čaːtirə-l-wə], [TOP.EXT cˇ ipkaː-r-wə], ələ-wa-tin Polarfuchs-pl-acc Zobel-pl-acc alles-acc-poss3pl bulta-ŋkiː-n nuŋan. fangen-pst.iter-3sg 3sgpro ‘Füchse, Zobel, alles fing er.’ (Evn_N_ChAD_StoryAboutLife_nar.043)
Geht man nun von Basisgenerierung des externen Topiks aus, lässt sich seine Akkusativmarkierung nicht erklären, da letztere vom Verb fangen abhängt. Derartige Beispiele sprächen also wiederum für die Generierung der Konstituente innerhalb des Satzes und wie auch immer geartete Bewegung aus dem Satz heraus. Eine Lösung dieses Problems ist die Annahme von optionalem morphosyntaktischem Matching, wie Zybatow & Junghanns (1998: 30) es auch für das Russische vorschlagen. Da die morphosyntaktische Realisierung externer Topiks ohnehin wenig Regeln zu unterliegen scheint, ist dies meiner Meinung nach eine gute Erklärung für optionale Kasusmarkierung an externen Topiks. Somit kann die Untersuchung des objektsprachlichen Materials zeigen, dass externe Topiks anzunehmen sind, dass diese auch in der Tat satzextern realisiert sind und schließlich, dass sie dort basisgeneriert sind. Neben der formalen Unterscheidung externer und interner Topiks stellt sich unmittelbar die Frage nach ihrer funktionalen Unterscheidung. An dieser Stelle kann lediglich gesagt werden, dass interne Topiks in allen Objektsprachen bedeutend häufiger auftreten als externe Topiks. Eindeutige funktionale Kriterien für das Auftreten von externen Topiks lassen sich im untersuchten Material jedoch nicht finden. Damit ist die Beantwortung der Frage nach ihrer Funktion also als Aufgabe für weitere Forschung zu betrachten.
7.6 [TOP] und TopP In Kapitel 5 wurde beschrieben, dass im Leipziger Modell von einer Klasse besonderer Informationsstrukturmerkmale ausgegangen wird, die in der Derivation des Satzes nicht abgeglichen werden und so interpretierbar für die außersprachlichen Performanzsysteme − sowohl C-I als auch A-P − bleiben. Im Folgenden sollen nun einige strukturelle Phänomene aus dem Problemkreis der Topikrealisierungen besprochen werden, welche ebenfalls als Argumente für die Annahme besonderer Informationsstrukturmerkmale und gegen ihre Subsumierung unter die morphosyntaktischen Merkmale dienen können. Die Annahme eines Topikmerkmals als morphosyntaktisches Merkmal hat unweigerlich die Projektion einer Topikphrase TopP zur Folge. Das Merkmal [TOP] muss dann während der Derivation des Satzes abgeglichen werden; ist das Merkmal stark, muss darüber hinaus von Bewegung
7.6 [TOP] und TopP |
171
der mit [TOP] markierten Konstituente in die Topikphrase, genauer nach SpecTopP, ausgegangen werden. Dies ist der Ansatz der kartographischen Schule (u.a. Rizzi (1997)), vgl. Abschnitt 4.1.4.2. Topiks in der linear satzinitialen Position können tatsächlich mit der Annahme von TopP beschrieben werden, da diese hoch in der Superstruktur des Satzes steht und deshalb gut mit der linear satzinitialen Position korrelieren kann. Komplexer wird der Fall, wenn, wie oben gezeigt, ein Satzadverbial vor dem Topik steht. Gemäß der kartographischen Schule (vgl. Rizzi (1997), Cinque (1999)) werden derartige Adverbiale z.B. in ForceP, d.h. oberhalb von TopP, realisiert. Dies ist mit den oben beschriebenen Verhältnissen in den Objektsprachen vereinbar. Daher sind die objektsprachlichen Realisierungen interner Topiks im Prinzip auch durch ein morphosyntaktisches Merkmal [TOP], der Projektion der Phrase TopP und der Bewegung der entsprechenden Konstituente nach SpecTopP erklärbar. Anders verhält es sich jedoch bei der Realisierung externer Topiks. Diese werden, wie in Abschnitt 7.5 gezeigt werden konnte, satzextern als Adjunkt an CP basisgeneriert. Wird dem externen Topik nun das Topikmerkmal zugewiesen, müsste eine Topikphrase projiziert werden. Dies ist jedoch unmöglich: Einerseits ist die eigentlich für TopP vorgesehene Strukturposition hierarchisch unterhalb CP angesiedelt, die Top-Down-Projektion einer Phrase würde die Architektur der Generativen Syntax auf den Kopf stellen. Andererseits ist CP die höchste Phrase im Satz, daher ist die Projektion von TopP oberhalb von CP ausgeschlossen. Es bleibt als Schluss, dass im Falle externer Topiks die Zuweisung des Topikmerkmals [TOP] keinesfalls die Projektion der Topikphrase TopP zur Folge haben kann. Um die Annahme der Projektion von TopP im Falle interner Topiks zu „retten“, müsste nun davon ausgegangen werden, dass entweder im Falle externer Topiks kein Merkmal zugewiesen wird oder aber sich das Merkmal [TOP] hier anders verhält. Ersteres ist auszuschließen, da ohne Merkmalszuweisung − zumindest im vorliegenden Framework − die Topikinterpretation unmöglich wäre. Letzteres ist im Endeffekt nichts anderes, als was das LM für die Realisierung aller Topiks vorschlägt, nämlich, dass die Zuweisung von [TOP] nicht die Projektion von TopP zur Folge hat. Kann bzw. muss dies für externe Topiks angenommen werden, kann nunmehr nichts dagegen sprechen, dies auch für interne Topiks anzunehmen. Eine getrennte Behandlung externer und interner Topiks wäre meines Erachtens nur dann aufrecht zu erhalten, wenn sie sich nicht nur strukturell sondern auch funktional maßgeblich unterschieden. Das ist jedoch nicht der Fall. Vor dem Hintergrund der fehlenden Interpretierbarkeit abgeglichener Merkmale und den strukturellen Eigenschaften externer Topiks bleibt mithin nur der Schluss, [TOP] als Vertreter einer gesonderten Klasse informationsstruktureller Merkmale zu konzipieren. In Abschnitt 8.7 wird diese Diskussion für das Fokusmerkmal [FOC] fortgeführt.
172 | 7 Topikrealisierungen
7.7 Topikmarker In der Forschung wurden für einige Objektsprachen an unterschiedlichen Stellen und in unterschiedlichen Kontexten Topikmarker bzw. Topikpartikeln erwähnt. In diesem Abschnitt sollen diese zusammengetragen und empirisch überprüft werden, ob es sich tatsächlich um Topikmarker handelt. Wichtig ist, dass als Topikmarker hier nur solche sprachlichen Einheiten verstanden werden, die regelhaft ein Topik markieren und für die diese Funktion entsprechend gezeigt werden kann. Wagner-Nagy (2019: 458) nennt für das Nganasanische das postponierte Demonstrativpronomen təti, das in Verbindung mit Topiks auftrete und als Topikmarker interpretiert werden könnte. Jedoch konstatiert sie auch, dass der Gebrauch nicht obligatorisch ist und noch keine Grammatikalisierung zu erkennen ist. Ein Beispiel aus dem untersuchten Material ist der folgende schon in Abschnitt 4.2.4 genannte Satz: (207)
Ban-ə turku təti əmə Koðutaʔa-ɡitə d’irsj itibiiʔ Hund-gen See jener dieser.gen Dudinka-abl.pl 120 kilometra. Kilometer ‘Der Hundesee, der ist von Dudinka 120 Kilometer entfernt.’ (Ng_MACh_940808_DogLake_flkd.002)
Gerade die postponierte Position von təti (eigentlich stehen Demonstrativa im Nganasanischen präverbal) könnte vermuten lassen, dass es sich ggf. um einen Topikmarker im Werden handelt. Zum jetztigen Zeitpunkt kann anhand des untersuchten Materials jedoch festgestellt werden, dass təti weder notwendigerweise Topiks kennzeichnet, noch dass sein Auftreten für eine Topikmarkierung ausreicht. Für ein mit təti markiertes Topik ohne anderweitige Topikmarkierung, v.a. die Strukturposition im Satz, kann im untersuchten Material kein Beispiel gefunden werden. Ein Beispiel für die Verwendung von təti (təndə ist die Genitivform von təti) ganz unabhängig von Topikrealisierungen ist das folgende: (208)
Təndə biɡaj-t’ə Gəl’t’iha-ndə tuu-ʔə-ʔ. jener.gen Fluss-lat Golčicha-lat kommen-aor-3pl ‘Sie kamen zu jenem Fluss Golčicha.’ (Ng_ChND_061105_Nenets_nar.034)
Gorelova (2006: 149) stellt für altaische Sprachen die folgende starke These auf: „[...] that presumably all Altaic languages (Manchu-Tungus, Turkic and Mongolic included) possess special topic markers (often analyzed as subject particles in different linguistic traditions), which historically originated from conditional (or temporal) converbs and certain participle forms.“ Für Turksprachen nennt Gorelova
7.7 Topikmarker |
173
(2006: 160−161) grammatikalisierte Partikeln aus einem Hilfsverb er- oder bol- und dem konditionalen Konverb -sA. Für das Tuvinische (< südsibirische Turksprachen) gibt sie das folgende Beispiel: (209)
Havan bolza horzɯn-den cemnen-ir. Schwein top Boden-abl sich.ernähren-aor.3sg ‘Was Schweine betrifft, sie ernähren sich vom Boden.’ (Tuvinisch; Gorelova 2006: 161)
Weitere Angaben zur Syntax des Satzes oder zur Obligatheit von bolza macht Gorelova nicht, daher kann hier nicht überprüft werden, ob es sich tatsächlich um einen Topikmarker handelt. Stattdessen soll untersucht werden, ob das Dolganische als einzige Turksprache im Fokus der Arbeit ähnliche Formen kennt. Da Gorelova das Dolganische in ihrer Arbeit nicht erwähnt, kann nur gemutmaßt werden, welche Formen bzw. Partikeln gemeint sein könnten. Das Dolganische kennt eine emphatische Partikel b⁀ uollaɡɨna, welche aus einem konditionalen Partizip grammatikalisiert ist (< b⁀ uol-laɡ-ɨ-na ‘sein-ptcp.cond-poss3sg-loc’). Artem’ev (2013b: 244) analysiert die Form zwar als Konjunktion, nennt jedoch Beispiele, in welchen b⁀ uollaɡɨna gemäß Gorelovas Analyse als Topikmarker fungieren könnte. Das folgende Beispiel zeigt eine ähnliche Verwendungsweise aus dem hier untersuchten Material: (210)
B⁀ iere buollaɡɨna tu¨⁀o¨ rt d’ɨl-ɨ hɨld’ɨ-bɨt-a taba-ga, ⁀ Vera emph vier Jahr-acc gehen-pst2-3sg Rentier-dat/loc tɨ⁀ a-ɡa. Tundra-dat/loc ‘Vera aber ging vier Jahre mit den Rentieren, in der Tundra.’ (Dlg_KiPP_KuNS_200211_LifeManyChildren_conv.KiPP.150)
In Beispiel (210) könnte b⁀ uollaɡɨna als Topikmarker analysiert werden, es steht unmittelbar nach der topikalen Konstituente. Der Gebrauch von b⁀ uollaɡɨna ist jedoch nicht obligatorisch zur Topikmarkierung; Topiks können ebenso ohne diese Partikel realisiert werden (vgl. Abschnitt 7.1). Andersherum tritt b⁀ uollaɡɨna in Kontexten auf, in denen es sicherlich kein Topik markiert; es kann beispielsweise sogar postverbal stehen:
174 | 7 Topikrealisierungen
(211)
Gini d⁀ ie-bit-e buollaɡɨna, [...] ⁀ 3sgpro sagen-pst2-3sg emph ‘Sie sagte aber: [...].’ (Dlg_KiPP_KuNS_200211_LifeManyChildren_conv.KiPP.029)
Ähnlich wie nganasanisch təti tritt dolganisch b⁀ uollaɡɨna somit weder notwendigerweise zur Topikmarkierung auf, noch ist sein Auftreten hinreichend für die Topikinterpretation der davor stehenden Konstituente. Schließlich nennt Gorelova (2006: 159) den Topikmarker bimi (< bi- ‘sein’ + -mi ‘cvb.cond’) für das Ewenkische, vgl. folgendes Beispiel, welches bereits in Abschnitt 4.2.1 erwähnt wurde: (212)
Sulakiː bimi uɣiskiː iˇcə-hin-ˇcəː. Fuchs top nach.oben schauen-inch-ptcp.pst ‘Der Fuchs blickte nach oben.’ (Ewenkisch; Gorelova 2006: 159)
Auch hier gibt Gorelova weder Kontext noch anderweitig weiterführende Informationen, sodass der Status von bimi nicht wirklich klar ist; nur anhand dieses Beispiels könnte es in der Tat als Topikmarker analysiert werden. Im untersuchten ewenkischen Material tritt die Form bimi (inklusive möglicher phonetischer Abweichungen z.B. in der Vokalquantität) ein einziges Mal auf, wobei es in diesem einen Fall sogar als Konverb im herkömmlichen Sinne zu interpretieren ist: (213)
D’ogor vərtol’ot, bi-mi-daː. Elend Hubschrauber sein-cvb.cond-emph ‘Ein elender Hubschrauber, wenn es ihn jedoch auch gab.’ (Evn_N_ElVX_2007_BigWork_nar.006)
Es stellt sich daher die Frage, anhand von welchem Material Gorelova zu ihrem Schluss kommt, bei bimi handele es sich im Ewenkischen um einen Topikmarker. Eine mögliche Erklärung wäre, dass Gorelova ostewenkisches Material untersucht hat, während in dieser Arbeit nord- und südewenkisches Material untersucht wurde. Da sich Gorelova jedoch nicht zur Herkunft ihres Materials äußert, bleibt dieser Gedanke spekulativ. Es kann an dieser Stelle lediglich gesagt werden, dass das hier untersuchte Material keinerlei Evidenz für das Auftreten eines Topikmarkers im Ewenkischen (weder bimi noch eine andere Form) liefert. Zusammengefasst kann gesagt werden, dass keine der untersuchten Sprachen Topikmarker bzw. Topikpartikeln im eigentlichen Sinne zeigt. Weder markieren derartige Elemente notwendigerweise Topiks, noch lässt ihr Auftreten hinreichend darauf schließen, dass eine vorangehende Konstituente Topik ist. Ngan. təti und dolg. b⁀ uollaɡɨna sind sicherlich in bestimmten Kontexten topikinduzierend, jedoch
7.8 Zusammenfassung
|
175
keinesfalls obligatorische und eindeutige Topikmarker. Für ewk. bimi konnte weder die Form noch die Funktion bestätigt werden. Es ist Gorelova also eindeutig zu widersprechen, dass alle altaischen Sprachen Topikmarker kennen würden, welche aus konditionalen Konverben oder Partizipien grammatikalisiert seien; zumindest für das Dolganische und das Ewenkische konnte dies empirisch belegt werden. Eine Ausnahme vom oben Gesagten stellen jedoch enzW. -ju und ngan. -d’üm dar, die kontrastive Topiks markieren können (vgl. Abschnitt 7.3). Für eine genauere Untersuchung wäre jedoch mehr Material und ggf. Elizitierung mit Muttersprachlern erforderlich. Aus Sicht des Leipziger Modells spricht nichts gegen die Annahme eines Topikmarkers: Ebenso wie die Zuweisung des Topikmerkmals an eine Konstituente zu sprachlichen Realisierungen in der Syntax und in der Prosodie führen kann, kann von sprachlichen Realisierungen in der Morphologie ausgegangen werden. Eine genaue Beschreibung von waldenzisch -ju und nganasanisch -d’üm muss jedoch aufgrund der geringen Anzahl an Belegen an dieser Stelle offen bleiben.
7.8 Zusammenfassung Zur sprachlichen Realisierung von Topiks in den untersuchten Objektsprachen kann gesagt werden, dass das frequenteste Mittel zur Topikmarkierung die Positionierung der entsprechenden Konstituente am Satzanfang ist. Syntaktisch kann dies als Adjunktion der Konstituente an AgrS P analysiert werden. Gemäß der Terminologie und Typologie von É. Kiss (1995) und Surányi (2016) sind die Objektsprachen also topikkonfigurational. Passivierung korreliert mit der Realisierung eines NichtAgens als Topik, ist jedoch nicht als Topikalisierungsmechanismus im eigentlichen Sinne zu sehen; es konnte gezeigt werden, dass in Passivsätzen auch andere Konstituenten als das Subjekt Topik sein können. Kontrastive Topiks werden in den untersuchten Sprachen aus morphosyntaktischer Sicht nicht speziell realisiert; Ausnahmen stellen das Waldenzische und das Nganasanische dar, wo die Suffixe -ju bzw. -d’üm eben kontrastive Topiks markieren können. Im Gegensatz zu slavischen Sprachen realisieren die Objektsprachen keine abstrakten Topiks, eine overte Verbanhebung in entsprechenden Konstruktionen bleibt aus. Daher ist die Kategorie abstrakter Topiks für die Objektsprachen nicht anzunehmen; maximal fokussierte, thetische Sätze sind topiklos. Externe Topiks schließlich treten in den Objektsprachen auf, sie zeichnen sich vor allem durch prosodische Abgrenzung vom eigentlichen Satz aus. Es konnte Basisgenerierung des externen Topiks als Adjunkt an CP gezeigt werden. Schließlich konnte das untersuchte objektsprachliche Material unterstützende Evidenz dafür liefern, dass, wie im LM angenommen, das Topikmerkmal nicht als morphosyntaktisches Merkmal zu konzipieren ist, sondern als informationsstrukturelles Merkmal. Zuletzt konnte festgestellt werden, dass
176 | 7 Topikrealisierungen
die untersuchten Sprachen keine Topikmarker im strengen Sinne kennen, wenngleich zumindest das Nganasanische und das Dolganische jeweils ein Element aufweisen, welches häufig zusammen mit Topiks auftritt und somit in gewisser Weise als topikinduzierend gesehen werden kann.
8 Fokusrealisierungen In Abschnitt 5.3 wurde die Konzeption von Fokus im Rahmen des Leipziger Modells beschrieben. In diesem Abschnitt sollen nun die sprachlichen Realisierungen von Fokus in den Objektsprachen untersucht werden und es soll überprüft werden, ob sich diese mit dem Leipziger Modell adäquat beschreiben lassen. Im Leipziger Modell wird Fokus als diejenige Information im Satz verstanden, die der Sprecher im gegebenen Kontext für wichtig befindet und damit hervorheben möchte. Die sprachliche Realisierung von Fokus erfolgt sowohl auf prosodischer als auch auf syntaktischer Ebene. Auch wenn die Prosodie nicht im Zentrum der Untersuchung dieser Arbeit steht, soll sie hier nicht unbeachtet bleiben. Die prosodische Markierung von natürlichem Fokus ist ein Fall der Grundfrequenz, wobei der Fokusexponent dem letzten Wortakzent in der fokussierten Konstituente entspricht.
Abb. 8.1: Fokusakzent
Für das folgende dolganische Beispiel lässt sich der in Abbildung 8.1 dargestellte Verlauf der Grundfrequenz beobachten. Auf den minimal fokussierten Konstituenten [pɨlat’je] und [k¨ost¨uːm] ist die Realisierung des Fokusakzents mit anschließendem Fall der Grundfrequenz zu beobachten.
https://doi.org/10.1515/9783110716337-008
178 | 8 Fokusrealisierungen
(214)
Oččo [FOC pɨlat’je] tiɡ-eːˇccˇ i-bit, [FOC k¨ost¨uːm] tiɡ-eːˇccˇ i-bit. dann Kleid nähen-hab-1pl Anzug nähen-hab-1pl ‘Dann nähen wir KLEIder, wir nähen ANzüge.’ (Dlg_KiPP_KuNS_200211_LifeManyChildren_conv.KiPP.102)
In den folgenden Abschnitten sollen nun die entsprechenden syntaktischen Realisierungen sowohl von natürlichem als auch von Kontrast- und Verumfokus untersucht werden.
8.1 Skopus von Fokus Bereits in Abschnitt 5.3 wurde dargelegt, dass Fokus im Satz unterschiedlich weiten Skopus haben kann, also in der sogenannten Fokusdomäne unterschiedlich viel Material enthalten sein kann. Es wird unterschieden zwischen maximalem Fokus (gesamter Satz bzw. gesamte CP), intermediärem (gesamte VP sowie ggf. zusätzliches Material aus der funktionalen Superstruktur; in jedem Fall jedoch kleiner als CP) und minimalem Fokus (einzelne Konstituente wie z.B. die Subjektoder Objekt-DP). Diese Unterscheidung ist in allen untersuchten Sprachen zu beobachten und kann heuristisch mithilfe eines Fragetests gezeigt werden: Satz (215) antwortet im Kontext auf die Frage „Was passiert? ∼ Worum geht es?“, Satz (216) antwortet auf die Frage „Was machen mein Vater und Mischka?“ und Satz (217) antwortet auf die Frage „Woraus machte man die Eisenschlitten?“. (215)
[FOC ŋuʔ aga eneˇceʔ ire-bi.] eins groß Mensch leben-prf.3sg ‘Es lebte ein alter Mensch.’ (En_T_TuZA_20080723_Märchen_flk.002)
(216)
ɛsɛ-jʔ, Miška [FOC Dud’inka-d kan’e-χiʔ.] Vater-poss1sg Mischka Dudinka-lat weggehen-aor.3du ‘Mein Vater und Mischka gingen nach Dudinka.’ (En_W_BoAP_20050924_Hochzeit_nar.058)
(217)
Bɛse kɔdo-ʔ [FOC al’umin’ij-χoð] mujʔ-ubi-ˇc. Eisen Schlitten-pl Aluminium-abl machen-hab-3pl ‘Die Eisenschlitten machte man aus Aluminium.’ (En_W_SiNI_20080823_MärchenLeben_nar.164)
Die Untersuchung des objektsprachlichen Materials zeigt, dass intermediärer Fokus bei weitem der häufigste Typ ist. Das ist insofern nicht erstaunlich, als die Kombination eines Subjekttopiks und eines intermediären VP-Fokus mit Objekt und Verb sicherlich der „prototypischen“ Gliederung eines Satzes entspricht,
8.2 Wortstellung und Fokusposition |
179
wobei Topik und Hintergrund bzw. Kommentar und Fokus zusammenfallen (Molnár 1991: 65). Im Fortschreiten eines Textes sind derartige Sätze die als „neutral“ wahrgenommenen Sätze. Durch ihre Häufigkeit und einfache Struktur sind sie sicherlich ein Grund dafür, dass Topik und Fokus in der Forschung zu Informationsstruktur häufig als komplementäre Größen im Satz verstanden werden. Es sind jedoch gerade die anderen Fälle, die die Beschreibung von Informationsstruktur im Allgemeinen und Fokusrealisierungen im Besonderen komplex machen. In den folgenden Abschnitten soll auf die Realisierungen von v.a. minimalem und maximalem natürlichem Fokus sowie von Kontrast- und Verumfokus eingegangen werden und diese sollen systematisch auf der Basis des untersuchten objektsprachlichen Materials beschrieben werden.
8.2 Wortstellung und Fokusposition In Kapitel 4 wurde schon auf den Zusammenhang von Wortstellung und der syntaktischen Realisierung von natürlichem Fokus eingegangen. Für den Sprachtypus der SOV-Sprachen wurde dabei eine unmittelbar präverbale Fokusposition postuliert (vgl. Kim (1988))¹. Da die Objektsprachen dieser Arbeit alle weitestgehend als SOV-Sprachen zu beschreiben sind (zu Abweichungen s.u.), ist damit zu rechnen, dass sich in den Objektsprachen minimal fokussierte Konstituenten in unmittelbar präverbaler Position beobachten lassen. Die folgenden Beispiele bestätigen dies; um die Positionierung unmittelbar vor dem Verb zu zeigen, wurden Sätze gewählt, in welchen das Subjekt des Satzes minimal fokussiert ist: (218)
˘ ˘ [...] Oχrep juχ pănna [FOC men] man-t-amən. Sperrbaum mit 1dupro gehen-prs-1du ‘[Sjeman sagt zu mir:] „WIR beide gehen mit dem Sperrbaum.“’ (Kha_Sh_MaKI_1936_Bärenjagd_nar.021)
(219)
Tɔrse mɔsaʔa či mu, [FOC nɛ-ʔ] pɔn’im-ubi-ʔ. solcher Arbeit ptcl ph Frau-pl machen-hab-3pl ‘So eine Arbeit hier machen die Dings, die FRAUen.’ (En_W_LyND_19970718_Leben_nar.196)
1 Es ist anzumerken, dass Fokusposition in deskriptiven Arbeiten zumeist die Position einer minimal fokussierten Konstituente meint.
180 | 8 Fokusrealisierungen
(220)
Tahari⁀ aa təndə huə [FOC mənə] jetzt jener.gen nach.lat 1sgpro ŋimi-l’ə-rɨ-ʔi-nə. ziehen-inch-pass-aor-1sg.rfl ‘Dann wurde ICH hinausgezogen, [und ich wurde in den Schnee neben Kuomaku gelegt.]’ (Ng_ChND_061023_School_nar.028)
(221)
Miːɡi-n [FOC giniler] iːp-pit-ter. 1sgpro-acc 3plpro aufziehen-pst2-3pl ‘SIE zogen mich groß.’ (Dlg_LaVN_KuNS_1999_FateOfANortherner_conv.LaVN.040)
(222)
Minə [FOC nuŋan] təti-ɡa-s’a-n. 1sgpro.acc 3sgpro lernen-tr-pst-3sg ‘SIE hat [es] mir beigebracht.’ (Evn_N_UdVI_2008_MyMother_nar.050)
Die minimale Fokussierung der markierten Konstituenten zeigt sich anhand des Kontexts: In Beispiel (218) besprechen die Jäger, wer mit dem Sperrbaum² zur Bärenhöhle geht. In Beispiel (219) wird erzählt, wer die genannte Arbeit verrichtet. In Beispiel (220) geht es darum, dass die Schule brennt und dass die Kinder herausgeholt werden. Im vorliegenden Satz wird nun erzählt, dass der Erzähler an die Reihe kommt. Besonders interessant ist dieses Beispiel deshalb, weil ein Passivsatz vorliegt und das Subjekt minimal fokussiert ist, was bei der Annahme, dass Passivierung ein Topikalisierungsmechanismus sei, nicht möglich wäre (vgl. Abschnitt 7.2). In den Beispielen (221) und (222) berichtet die jeweilige Sprecherin davon, dass sie großgezogen bzw. ihr etwas beigebracht wurde; in den vorliegenden Sätzen wird hervorgehoben, wer sie großgezogen bzw. ihr etwas beigebracht hat. Auch das hier verwendete objektsprachliche Material deutet also in die Richtung, dass die grundlegende Wortstellung einer Sprache mit der Fokusposition zusammenhängt. Slavische Sprachen, die weitestgehend SVO-Sprachen sind, realisieren (minimalen) Fokus rechtsperipher, d.h. postverbal. Die hier untersuchten Sprachen, zumeist als grundlegende SOV-Sprachen betrachtet, realisieren (minimalen) Fokus unmittelbar präverbal. Zumindest für das Nganasanische, Dolganische und Ewenkische ist beobachtet worden, dass die grundlegende Wortstellung zwar SOV ist, aber auch SVO-Strukturen regelmäßig auftreten (Wagner-Nagy 2019: 388; Stapert 2013: 247; Rudnickaja 2018a: 220). Das vorliegende Material bestätigt
2 Mit dem Sperrbaum wird bei der Bärenjagd die Bärenhöhle versperrt, damit der Bär nicht hinausgelangt; die Jäger postieren sich dann am Eingang, um den Bären dort zu erlegen.
8.2 Wortstellung und Fokusposition |
181
diese Annahme. Es stellt sich daher die anschließende Frage, ob in diesen Sprachen minimaler Fokus auch rechtsperipher bzw. postverbal realisiert werden kann. Die folgenden Beispiele zeigen, dass dies der Fall ist: (223)
Tə, təni mað-u-r-kə-tu-ɡəj, babi-j nun dort Zelt-ep-vbz.frq-iter-aor-3du wildes.Rentier-acc.pl koðu-kə-tu [FOC kuəd’¨umu-bta-ʔa]. töten-iter-aor.3sg Mann-indef-aug ‘Nun, sie lebten dort alleine, wilde Rentiere tötete der MANN.’ (Ng_JSM_090809_Life_nar.318)
(224)
Ojbon-ton bɨk-pɨt [FOC uː ičči-te.] Eisloch-abl sich.lehnen-pst2.3sg Wasser Herr-poss3sg ‘Aus dem Eisloch lehnte sich der WASsergeist heraus.’ (Dlg_AkEE_1990_PearlBeard_flk.013)
(225)
ətəjət-ˇcə-ŋkiː-n [FOC ami-ŋəhə.] wachen-dur-pst.iter-3sg Vater-deadrel ‘[Mein] seliger VAter wachte [über die Rentierherde].’ (Evn_N_UdVI_2008_MyMother_nar.038)
Die minimale Fokussierung der markierten Konstituenten kann hier wiederum durch den Kontext gezeigt werden: In Beispiel (223) und Beispiel (225) geht es jeweils darum, wer welche Aufgaben im Alltag bzw. in der Rentierzucht verrichtet. In Beispiel (224) kommt ein Mensch zu einem Eisloch und fragt sich, wer dort drinnen ist. In diesen Beispielen ist zudem der Fokusexponent postverbal und rechtsperipher realisiert, eine zusätzliche Evidenz für die Fokusinterpretation der jeweiligen Konstituente. Tabelle 8.1 zeigt die Verteilung einer unmittelbar präverbalen und einer postverbalen Fokusposition im untersuchten Material, gezählt sind nur Fälle von minimalem Fokus. Tab. 8.1: Prä- und postverbaler minimaler Fokus Sprache Chantisch Enzisch Nganasanisch Dolganisch Ewenkisch
unmittelbar präverbal
postverbal
Verhältnis
394 417 430 584 307
20 21 66 93 122
ca. 20:1 ca. 20:1 ca. 7:1 ca. 6:1 ca. 3:1
Ausgehend von der Annahme, dass alle hier untersuchten Sprachen grundsätzlich SOV-Sprachen sind, widersprechen diese Verhältnisse der Annahme von Cinque
182 | 8 Fokusrealisierungen
(1993: 271), dass der Fokusexponent in SVO-Sprachen rechts vom Verb, in SOVSprachen jedoch links vom Verb realisiert werde, in hohem Maße. Die Tabelle zeigt jedoch eine weitere interessante Korrelation: Diejenigen Sprachen (Nganasanisch, Dolganisch und Ewenkisch), für die SVO-Wortstellung beobachtet wurde, zeigen einen deutlich höheren Anteil an rechtsperipheren, postverbal realisierten minimalen Foki als die Sprachen (Chantisch und Enzisch), für die das nicht beobachtet wurde. Es stellt sich nunmehr die Frage nach dem Hintergrund der Variation sowohl der Wortstellung als auch der Fokusposition. In einer russisch dominierten Umgebung wäre die nächstliegende Annahme, dass die Abweichungen auf russischen Einfluss zurückzuführen seien. Das würde in der Konsequenz bedeuten, dass das untersuchte nganasanische, dolganische und ewenkische Material bedeutend stärker russisch beeinflusst ist als das untersuchte chantische und enzische Material und − sofern von Repräsentativität des Materials ausgegangen werden kann − erstgenannte Sprachen stärker russisch beeinflusst sind als letztgenannte. Zum untersuchten Material kann gesagt werden, dass das enzische und ewenkische Material das jüngste Material ist (fast ausschließlich aus den 2000ern), während das chantische, nganasanische und dolganische Material aus einer längeren Periode stammt; einige chantische und dolganische Texte stammen gar aus den 1930er-Jahren. Geht man realistischerweise davon aus, dass der russische Einfluss auf die Sprachen eher zu- als abgenommen hat, so müsste das chantische und das dolganische Material die wenigsten russischen Einflüsse zeigen, während das enzische und das ewenkische Material stärker russisch beeinflusst ist. Das passt nicht zu dem skizzierten Szenario, die Variation der Wortstellung und der Fokusposition im Nganasanischen, Dolganischen und Ewenkischen ginge auf russischen Einfluss zurück. Es sei dahingestellt, inwiefern sich fremdsprachlicher Einfluss „messen“ lassen kann; in jedem Fall kann damit das unterschiedliche Verhalten der Sprachen in Bezug auf die Wortstellung und die Fokusposition nicht erklärt werden. An den folgenden Beispielen lässt sich nochmals illustrieren, dass die Variation der Wortstellung und der Fokusposition tatsächlich kaum auf russischen Einfluss zurückzuführen ist: Im dolganischen Beispiel (226) aus der 1930er-Jahren − der gesamte Text weist wenig russischen Einfluss auf − geht es um ein kleines Zelt, in dem ein Feuer brennt; zwei Männer fahren hin und sehen nach, was in diesem Zelt zu finden ist. Im ewenkischen Beispiel (227) geht es darum, wo der Sprecher und seine Familie gearbeitet haben; der gesamte Text ist von russischer Lexik geprägt, es geht um Domänen, in welchen das Russische überwiegt, dennoch ist die Fokusposition präverbal. Dies zeigt, dass die Variation von Wortstellung und Fokusposition unabhängig von schwachem oder starkem russischen Einfluss ist.
8.2 Wortstellung und Fokusposition |
(226)
183
Manna baːr e-bit [FOC biːr kord’on kihi.] hier es.gibt sein-pst2.3sg eins klein Mensch ‘Dort war offenbar ein kleiner MENSCH.’ (Dlg_BaA_1930_FireInSmallTent_flk.003)
(227)
Pətom [FOC prəmhos-tuː] hawal-d’i-ˇcaː-wun. dann Promchose-dat/loc arbeiten-ipfv-pst-1pl.exc ‘Dann arbeiteten wir bei der JAGDgenossenschaft³.’ (Evn_N_ArEP_2006_DifficultLife_nar.022)
An dieser Stelle soll etwas detaillierter auf die Fokusposition im Ewenkischen und die Variation von SOV und SVO eingegangen werden. Auch Rudnickaja (2018a) setzt sich explizit hiermit auseinander und versucht sie anhand diskursiver Faktoren zu erklären. Ihrer Meinung nach wird die Wortstellung SVO gebraucht, wenn (1) das Verb minimal fokussiert ist, (2) die VP kontrastiv fokussiert ist und (3) das Objekt kontrastiv fokussiert ist (Rudnickaja 2018a: 221)⁴. Die Wortstellung SVO im Falle von minimalem Fokus auf dem Verb kann in der Tat im untersuchten Material beobachtet werden, wenngleich sie nicht obligatorisch ist, vgl. folgendes Beispiel: (228)
[FOC Uloːkki-rə-n] minə. betrügen-aor-3sg 1sgpro.acc ‘Er hat mich beTROgen.’ (Evn_S_XaNT_2005_SmallElk_nar.091)
Hier geht es darum, dass die Sprecherin in ihrer Kindheit gemeinsam mit ihrem Vater ein Elchkalb fand, dessen Mutter gestorben war. Der Vater wollte es töten, die Sprecherin wollte es mitnehmen und es wie ein Rentier großziehen. Der Vater tat nun zunächst so, als erfülle er ihr diesen Wunsch, tötete das Kalb dann jedoch heimlich. In diesem Satz stellt die Sprecherin fest bzw. heraus, dass der Vater sie also betrogen hat, entsprechend ist das Verb minimal fokussiert. Tatsächlich ist die postverbale Realisierung des Objekts hier möglich, aber nicht obligatorisch; weiter unten wird erklärt werden, warum sich dies so verhält. Fall (2), also die kontrastive Fokussierung der gesamten Verbalphrase, kann durch das vorliegende Material nicht bestätigt werden. Interessanterweise nennt
3 Promchose bzw. das russische Original promchoz ist ein Akronym für promyslovoe chozjajstvo und bezeichnet eine staatliche Jagdgenossenschaft. 4 Es ist hier auf die zuweilen inkonsistente Terminologie Rudnickajas hinzuweisen: Zum einen setzt sie Topik und Fokus mit Thema bzw. Rhema gleich, zum anderen schwankt sie zwischen den Begriffen fokusirovanie ‘Fokussierung’ und (kontrastivnoe) vydelenie ‘(kontrastive) Hervorhebung’; daher ist die hiesige Diskussion insofern tentativ, als sie versucht, diese Terminologie in die hier verwendete Terminologie zu übersetzen.
184 | 8 Fokusrealisierungen
Rudnickaja (2018a: 225) ein Beispiel, welches auch im hier untersuchten Material auftritt: (229)
Baka-ra-w oro-koːn-mə, adiː-wal oro-r-wo. finden-aor-1pl.exc Rentier-dim-acc wieviel-indef Rentier-pl-acc ‘Wir fanden ein kleines Rentier, einige Rentiere.’ (Evn_S_XaNT_2005_ICantFindTheWay_nar.046)
In der Besprechung dieses Beispiels konstatiert Rudnickaja (2018a: 225) lediglich, dass die gesamte VP Rhema, also fokussiert sei. Eine kontrastive Fokussierung der VP ist aus dem Kontext (Kinder verirrten sich im Wald, fanden den Weg nicht, es wurde dunkel und nun fanden sie Rentiere) nicht rekonstruierbar; wenn die Fokussierung der VP jedoch nicht kontrastiv ist, widerspricht sie den obigen Annahmen Rudnickajas zur Variation von SOV und SVO. Der Zusammenhang von SVO-Wortstellung und einer kontrastiv fokussierten Verbalphrase muss also zurückgewiesen werden. Für Fall (3) schließlich, ein kontrastiv fokussiertes direktes Objekt als Auslöser für die Wortstellung SVO, gibt Rudnickaja (2018a: 228) folgendes Beispiel: (230)
Taduk ɡa-wkiː-l usta-wa-n. dann nehmen-ptcp.hab-pl ganz-acc-poss3sg ‘Dann nahmen sie ALLE weg.’ (Nordewenkisch; Rudnickaja 2018a: 228)⁵
Hier geht es darum, dass im Zuge der Kollektivierung durch die Sowjetbehörden den Ewenken zunächst nur eine bestimmte Anzahl an Rentieren weggenommen wurde, später dann aber alle. Die Interpretation als Kontrastfokus ist also nachvollziehbar und zulässig. Im vorliegenden Material können derartige Beispiele nicht gefunden werden, was aber auch an der geringen Anzahl an Kontrastfoki (vgl. Abschnitt 8.5) insgesamt liegen mag. Da jedoch weder die postverbale Position exklusiv für kontrastiv fokussierte Objekte reserviert ist (nicht-kontrastiv minimal fokussierte Objekte treten hier auch auf) noch kontrastiv fokussierte Objekte nur in dieser Position auftreten, scheint der Zusammenhang von SVO-Wortstellung und einem kontrastiv fokussierten direkten Objekt nicht gegeben zu sein. Rudnickaja (2018a: 228) führt die postverbale Position von kontrastiv fokussierten Objekten auf russischen Einfluss zurück. Gerade im Falle kontrastiv fokussierter Konstituenten kann aber für das Russische gezeigt werden, dass diese positionell ungebunden im Satz sind (Junghanns 2002a: 37−38), sodass diese Annahme klar zurückzuweisen ist.
5 Transkription und Glossierung sind an die hier verfolgten Standards angepasst.
8.2 Wortstellung und Fokusposition |
185
Es bleibt festzuhalten, dass das vorliegende untersuchte Material keinerlei Rückschlüsse auf den Zusammenhang von der Wortstellung SOV bzw. SVO und der (kontrastiven) Fokussierung bestimmter Konstituenten im Ewenkischen zulässt. Lediglich die postverbale Realisierung direkter Objekte in Sätzen mit minimal fokussiertem Verb kann in der Tat gezeigt und auch erklärt (s.u.) werden. Schließlich ist an dieser Stelle kurz darauf einzugehen, dass Nedjalkov (1997: 129−130) von einer zumindest möglichen satzinitialen Fokusposition im Ewenkischen ausgeht. Im untersuchten Material kann keine Evidenz für nichtkontrastiv minimal fokussierte Konstituenten in einer entsprechenden Strukturposition gefunden werden. Zwar treten derartige Konstituenten durchaus an der Satzoberfläche satzinitial auf, jedoch aus erklärbaren Gründen: Bei einer vorliegenden Wortstellung OVS mit einem minimal fokussierten Objekt steht letzteres zwar linear satzinitial, doch nur aus dem Grund, dass das Subjekt als Hintergrundmaterial (vgl. Abschnitt 8.3) postverbal realisiert ist. Hieraus kann also kaum auf eine satzinitiale Fokusposition geschlossen werden. Anders sieht der Fall bei kontrastiv fokussierten Konstituenten auf, hierzu vgl. Abschnitt 8.5. Insgesamt gilt also, dass die typologisch weitgehend anerkannte Korrelation von einer grundlegenden SOV-Wortstellung und unmittelbar präverbal realisierten minimal fokussierten Konstituenten bestätigt werden kann. Diejenigen Sprachen, die eine nennenswerte Variation der Wortstellung von SOV und SVO aufweisen (Nganasanisch, Dolganisch, Ewenkisch), zeigen ebenfalls eine Variation einer unmittelbar präverbalen und einer postverbalen bzw. rechtsperipheren Fokusposition. Es stellt sich daher unmittelbar die Frage, wie die Variation der Wortstellung sowie der Fokusposition syntaktisch abzubilden ist. Vorläufig wird davon ausgegangen, dass auch in diesen Sprachen die SOV-Wortstellung grundlegend ist und SVO-Strukturen deriviert sind; am Ende dieses Abschnitts komme ich noch einmal auf die vorliegende Problematik zurück. Zunächst soll jedoch die zugrundeliegende Syntax der beobachteten Oberflächenstrukturen minimal fokussierter Konstituenten beschrieben werden. Für slavische Sprachen mit zugrundeliegender SVO-Wortstellung wird, wie in Abschnitt 5.3 gezeigt, von einer rechtsperipheren Realisierung minimal fokussierter Konstituenten ausgegangen. Im Falle direkter Objekte, welche ohnehin rechtsperipher basisgeneriert sind, führt dies aus sprachökonomischen Gründen zu keiner Bewegung der Konstituente, sie bleibt in situ (Junghanns 2002a: 31). Im Falle anderer minimal fokussierter Konstituenten führt dies zur Bewegung dieser Konstituenten und Adjunktion rechts an VP (Junghanns 2002a: 32). Im Folgenden ist zu überlegen, wie die Analyse rechtsperipher realisierter minimal fokussierter Konstituenten mit unmittelbar präverbal realisierten minimal fokussierten Konstituenten ins Verhältnis gesetzt werden kann. Geht man davon aus, dass SOVWortstellung die „gespiegelte“ Variante von SVO-Wortstellung ist, so liegt es nahe,
186 | 8 Fokusrealisierungen
dies auch für die syntaktische Realisierung der Fokusposition anzunehmen. Das würde bedeuten, dass minimal fokussierte direkte Objekte in situ realisiert sind, während andere Konstituenten als linkes Adjunkt an VP realisiert werden. Die InSitu-Realisierung minimal fokussierter direkter Objekte ist denkbar, vgl. folgendes chantisches Beispiel und die entsprechend rekonstruierte Syntax in Abbildung 8.2: (231)
[...] Teːm, mɐː nʉŋ kiːˇcɐɣ-ə [FOC sɛsəɣ] wɛr-ʌ-əm, [...] nun 1sgpro 2sgpro für-poss2sg Falle machen-prs-1sg ‘[Der Mann sagt]: „Nun, ich mache für dich eine FALle, [damit du hineingehst.]“’ (Kha_Su_SoOI_2008_ManMadeATrap_flk.004)
CP
CP
Teːm
AgrS P
[-wh]
VP
DP
mɐːi [TOP]
PP
VP
nʉŋ kiːˇcɐɣə ti
V’
DP
wɛrʌəm.
sɛsəɣ [FOC] Abb. 8.2: Mögliche In-Situ-Realisierung eines unmittelbar präverbal fokussierten Objekts (Satz (231))
Diese Erkenntnis überrascht nicht, da ein direktes Objekt in SOV-Sprachen zumindest in monotransitiven Sätzen ohnehin unmittelbar präverbal basisgeneriert ist und daher auch eine Realisierung in situ im Falle minimaler Fokussierung plausibel ist. Die grundlegende Wortstellung in ditransitiven Sätzen ist nicht ganz so eindeutig. Für die Objektsprachen gehen z.B. Nikolaeva (1999b: 40, 51), Siegl
8.2 Wortstellung und Fokusposition |
187
(2013a: 363) und Bulatova & Grenoble (1999: 54) von der grundlegenden bzw. „neutralen“ Wortstellung S − IO − DO − V aus, ohne jedoch nähere Argumente dafür zu bringen. Da für das Kazymchantische (Koškareva 2002: 38) sowie für das Türkische (Erguvanlı 1984: 34, Kılıçaslan 2004: 744), also eine typologisch sehr ähnliche und gut beschriebene SOV-Sprache, jedoch auch immer wieder von der grundlegenden Wortstellung S − DO − IO − V ausgegangen wird und dies für die weitere Diskussion wichtig ist, lohnt hier ein näherer Blick darauf. Die genannten Beispiele sehen häufig wie folgt aus: (232)
Murat para-yı bu adam-a ver-di. Murat Geld-acc dieser Mann-dat geben-pst.3sg ‘Murat gab diesem Mann das Geld.’ (Türkisch; Erguvanlı 1984: 34−35)
Die Argumentation für die pragmatische Neutralität derartiger Beispiele beruht zumeist einerseits auf dem Urteil von (linguistisch gebildeten) Muttersprachlern und andererseits auf der Beobachtung, dass direktes und indirektes Objekt hier hinsichtlich Definitheit und Spezifizität denselben Status haben. Über erstere Methodik lässt sich streiten, das kann im Rahmen dieser Arbeit aber nicht geschehen. Letzteres Argument ist an und für sich zwar richtig und angemessen, um auszuschließen, dass eben diese Faktoren Einfluss auf die Wortstellung haben könnten. Problematisch und weitestgehend unberücksichtigt bleibt hierbei jedoch meistens, dass das Türkische direkte Objekte differentiell markiert: Definite und indefinit-spezifische Objekte sind mit dem Akkusativ markiert, während indefinitunspezifische Objekte nullmarkiert sind, also im Nominativ stehen (Erguvanlı 1984: 19). Wenn direkte Objekte unmarkiert sind, müssen sie jedoch per Default unmittelbar verbadjazent stehen (Erguvanlı 1984: 27). Das bedeutet, dass von den folgenden Permutationen von Satz (232) nur die erste grammatisch ist, die zweite jedoch nicht: (233)
Murat bu adam-a para ver-di. Murat dieser Mann-dat Geld geben-pst.3sg ‘Murat gab diesem Mann Geld.’
(234)
*Murat para bu adam-a ver-di. Murat Geld dieser Mann-dat geben-pst.3sg ‘Murat gab diesem Mann Geld.’
Tatsächlich kann und soll an dieser Stelle nicht besprochen werden, ob und in welchem Sinne die Wortstellung S − DO − IO − V in ditransitiven Sätzen im Türkischen pragmatisch „neutral“ ist. Es muss jedoch darauf eingegangen werden, welche Konsequenzen dies für die zugrundeliegende Syntax hätte. Gemäß der Annahme, die Wortstellung S − DO − IO − V sei grundlegend, wäre die entsprechende
188 | 8 Fokusrealisierungen
zugrundeliegende Syntax unter Anwendung von Larsons VP-Shell-Modell jene in Abbildung 8.3. Es würde also zunächst der ungrammatische Satz (234) generiert werden, aus welchem dann der grammatische Satz (233) deriviert würde. Dies ist aus sprachökonomischen Gründen zu bezweifeln, eher ist davon auszugehen, dass die Syntax in Abbildung 8.4 grundlegend ist und somit der korrekte Output sofort generiert wird. VP
S
VP
V’
S
V’
VP
DO
VP
V’
IO V Abb. 8.3: Basisgenerierte Syntax der Wortstellung S − DO − IO − V
IO
V’
DO V Abb. 8.4: Basisgenerierte Syntax der Wortstellung S − IO − DO − V
Die Syntax in Abbildung 8.3 würde weiterhin voraussetzen, dass das indirekte Objekt das erste Argument des Verbs ist, das realisiert wird, da Sätze gemäß dem verwendeten Framework bottom-up und nicht top-down generiert werden. Das ist aus semantischen Gründen fragwürdig (vgl. z.B. Dowty (1991) und Grimshaw (1990) zu thematischen Proto-Rollen), da dann auch in der Subkategorisierung von Verben der Rezipient vor einem Thema stehen bzw. hierarchisch höher angesiedelt sein müsste. D.h. auch monotransitive Verben würden in der Derivation des Satzes zunächst einen Rezipienten „suchen“, bevor sie ein Thema (oder Patiens) als erstes Argument nähmen. Dies ist aus sprachökonomischen Gründen (bedeutend häufigeres Vorkommen von monotransitiven Sätzen als von ditransitiven Sätzen) wiederum kaum plausibel. Daher gehe ich in dieser Arbeit davon aus, dass die basisgenerierte Abfolge der Konstituenten in einem ditransitiven Satz − ganz unabhängig von der pragmatischen (Un-)Markiertheit − derart ist, dass das indirekte Objekt dem direkten Objekt vorausgeht. Alle anderen Abfolgen der Konstituenten sind mithin deriviert. Um auf die Informationsstruktur ditransitiver Sätze zurückzukommen, bedeutet dies, dass auch in ditransitiven Sätzen eine minimale Fokussierung des direkten Objekts in situ möglich wäre. Um die Hypothese der In-Situ-Fokussierung
8.2 Wortstellung und Fokusposition |
189
eines direkten Objekts und die Adjunktion anderer minimal fokussierter Konstituenten links an VP zu überprüfen, müssen daher andere minimal fokussierte Konstituenten betrachtet werden. Im folgenden dolganischen Beispiel ist ein Subjekt minimal fokussiert und unmittelbar präverbal realisiert: (235)
T¨uːn ehigi-ni [FOC kor⁀ uoba-lar-ɨ ɡɨtta kutujak-tar] nachts 2plpro-acc Kuh-pl-acc mit Maus-pl kuttaː-bɨt-tara. erschrecken-pst2-3pl ‘In der Nacht haben euch KÜhe und MÄUse erschreckt.’⁶ (Dlg_PoNA_2004_MikaMululajAloneAtHome_nar.064)
In diesem Satz ist [t¨uːn] Topik des Satzes, es adjungiert also an AgrS P. Wenn wie oben angenommen das Subjekt als minimal fokussierte Konstituente links an VP adjungierte, dann wäre die lineare Abfolge Adverbial[TOP] − Subjekt[FOC] − Objekt − Verb zu erwarten. Dies entspricht nicht der vorliegenden Wortstellung. Daher kann die unmittelbar präverbale Positionierung des minimal fokussierten Subjekts nicht durch Adjunktion links an VP erklärt werden. Es muss ein anderer Mechanismus zur Derivation des Satzes entwickelt werden, der die Linearität des Satzes korrekt beschreibt. Aus der basisgenerierten Abfolge Adv − S − O − V muss die an der Oberfläche sichtbare Abfolge Adv − O − S − V deriviert werden. Da oberste Maxime des Minimalistischen Programms Ökonomie ist, muss die Derivation mit so wenig Schritten wie möglich geschehen. Die ökonomischste Lösung wäre, das Subjekt zwischen das Objekt und das Verb zu bewegen. Diese Lösung ist aus zwei Gründen zurückzuweisen: 1. In keiner Form der Generativen Syntax sind Top-Down-Bewegungen vorgesehen und 2. Zwischen Objekt und Verb ist kein Landeplatz für das Subjekt. Daher muss das Objekt bewegt werden. Als Landeplatz für ein bewegtes Objekt bietet sich die Objektkongruenzphrase AgrO P an; da es sich beim Objekt um das Komplement des Verbs handelt, ist Bewegung in die Spezifikatorposition, also nach SpecAgrO P anzunehmen. Da das Adverbial im Satz durch die Zuweisung des Topikmerkmals an AgrS P adjungiert (vgl. Abschnitt 7.1), wird mit diesen angenommenen Bewegungen der Satz mit einer korrekten linearen Abfolge der Konstituenten deriviert, vgl. Abbildung 8.5. Es wird also gemäß dieser Analyse nicht die minimal fokussierte Konstituente in eine bestimmte Position bewegt, sondern nicht-fokales Material zwischen minimal fokussierter Konstituente und Verb wegbewegt. In Bezug auf ihre Strukturposition bleibt die minimal fokussierte Konstituente also in situ. 6 Die Akkusativmarkierung an kor⁀ uobalarɨ ‘Kühe’ ist durch die Postposition ɡɨtta ‘mit’ zu erklären, welche zwei Nomina koordinieren kann; somit ist die gesamte Phrase [kor⁀ uobalarɨ ɡɨtta kutujaktar] hier als Subjekt zu analysieren.
190 | 8 Fokusrealisierungen
CP
AgrS P
[-wh]
AgrO P
AdvP
¨ i Tuːn [TOP]
VP
DP
ehiginij
ti
VP
DP
V’
koruobalarɨ ɡɨtta kutujaktar tj kuttaːbɨttara. ⁀ [FOC]
Abb. 8.5: Mögliche In-Situ-Realisierung eines unmittelbar präverbal fokussierten Subjekts (Satz (235))
Dass diese Analyse für das vorliegende Beispiel möglich ist, zeigt selbstverständlich noch nicht, dass sie in allen Fällen richtig ist. Dies muss unter zwei Fragestellungen überprüft werden: 1. Sind alle (oder zumindest nahezu alle) Konstruktionen mit unmittelbar präverbal realisierten minimalen Foki mit dieser Analyse zu erklären und 2. Kann sie, und wenn ja, wie kann sie im gewählten syntaktischen Framework dargestellt werden? Zur Beantwortung der ersten Frage müssen neben Sätzen mit minimal fokussiertem Subjekt oder direktem Objekt auch solche mit minimal fokussiertem Adverbial bzw. indirektem Objekt betrachtet werden. Das folgende enzische Beispiel zeigt ein minimal fokussiertes Adverbial, dem ein nicht-topikales direktes Objekt vorausgeht: (236)
Tɔð [TOP cˇ ikeχɔðo] pro sˇ iðenaʔ [FOC Kazan’sɔvɔ-dɔ] so dann 1plpro.acc Kazancevo-lat kaʔa-ra-ʔ. fallen-caus-aor.3pl ‘Dann siedelten sie uns in KaZANcevo an.’ (En_T_TuSU_20090816_UmzugAusVoroncovo_nar.056)
Da freie Adverbiale als Adjunkte an VP realisiert werden (vgl. Diskussion am Anfang des Abschnitts 7.1), müssen das nicht-fokale kovert realisierte Subjekt sowie das
8.2 Wortstellung und Fokusposition |
191
nicht-fokale direkte Objekt, welche in der VP basisgeneriert sind, zwischen dem Adverbial und dem Verb wegbewegt werden. Naheliegend ist die Bewegung nach SpecAgrS P bzw. SpecAgrO P (s.o.). Auch für minimal fokussierte Adverbiale ist also eine In-Situ-Realisierung des Fokus rekonstruierbar, Abbildung 8.6 zeigt die entsprechende Syntax. CP
AgrS P
[-wh]
AgrS P
AdvP
Tɔð
AgrS P
AdvP
cˇ ikeχɔðoi [TOP]
proj
AgrO P
VP
DP
sˇ iðenaʔk
ti
VP
DP
Kazan’sɔvɔdɔ tj [FOC]
VP
V’
tk kaʔaraʔ.
Abb. 8.6: Mögliche In-Situ-Realisierung eines unmittelbar präverbal fokussierten Adverbials (Satz (236))
Zuletzt sollen indirekte Objekte betrachtet werden. Das folgende ewenkische Beispiel zeigt ein minimal fokussiertes indirektes Objekt:
192 | 8 Fokusrealisierungen
[...] bi toli ələ-wə-tin [FOC kalpaˇsəfskij muzəj-tiki] 1sgpro dann alles-acc-poss3pl Kolpaševskij Museum-all izdat-ˇcaː-w. (ab)geben-pst-1sg
(237)
‘[Und dann ging ich, dann ging meine Mutter, und 1990 brachten wir [die Trommeln] auf Schlitten und] da gab ich alles dem KolPAševskijMuseum.’ (Evn_S_IvVA_2012_SixthDrum_nar.029) Unter der Annahme, dass das direkte Objekt unmittelbar präverbal basisgeneriert ist, lässt sich die Syntax in Abbildung 8.7 rekonstruieren. CP
AgrS P
[-wh]
DP
AgrS P
AgrS ’
bii [TOP] AdvP
AgrS ’
AgrO P
toli
VP
DP
ələwətinj
ti
V’
VP
DP
V’
kalpaˇsəfskij muzəjtiki tj izdatˇcaːw. [FOC]
Abb. 8.7: Mögliche In-Situ-Realisierung eines unmittelbar präverbal fokussierten indirekten Objekts (Satz (237))
8.2 Wortstellung und Fokusposition |
193
Die Position das Adverbs toli hier als Adjunkt an AgrS ’ entspricht der Beobachtung Potsdams (1999: 401), dass Adverbiale, welche den gesamten Satz modifizieren, sowohl vor als auch nach dem Subjekt stehen können. Als Strukturposition schlägt er Adjunktion an IP bzw. Adjunktion an I’ vor. Im vorliegenden Framework würde dies Adjunktion an AgrS P bzw. an AgrS ’ bedeuten; diese Analyse wird hier unter Vorbehalt übernommen, wobei sie perspektivisch nachzuweisen wäre. Für die vorliegende Arbeit ist das jedoch nebensächlich und wird nicht vertieft. In jedem Fall ist zu folgern, dass auch ein minimal fokussiertes indirektes Objekt in situ realisiert werden kann, indem nicht-fokales Material zwischem ihm und dem Verb wegbewegt wird. Eine Besonderheit, die in diesem Kontext besprochen werden muss, stellen die ditransitiven Konstruktionen im Chantischen dar. Hier liegen vier unterschiedliche Konstruktionen vor: 1. Aktivsatz mit Thema als direktem Objekt und Rezipient als indirektem Objekt, 2. Aktivsatz mit Rezipient als direktem Objekt und Thema als lokativ- bzw. instrumentalmarkiertem Adverbial, 3. Passivsatz mit Thema als Subjekt und Rezipient als indirektem Objekt sowie 4. Passivsatz mit Rezipient als Subjekt und Thema als lokativ- bzw. instrumentalmarkiertem Adverbial. Die Konstruktionen 1 und 3 bzw. 2 und 4 können, wie im Folgenden deutlich werden wird, gemeinsam besprochen werden, da die Unterscheidung Aktiv vs. Passiv im Kontext von Fokusrealisierungen hier nicht unmittelbar relevant ist. Nikolaeva (1999b: 51) beschreibt die informationsstrukturellen Funktionen der Konstruktionen 1 und 2 in Verbindung mit der Wortstellung wie in Tabelle 8.2 aufgelistet. Tab. 8.2: Ditransitive Konstruktionen im Chantischen nach Nikolaeva (1999b) Sem. Rolle
Informationsstrukturelle Funktion
Synt. Funktion
Konstruktion 1a
Thema Rezipient
Sekundäres Topik Fokus
direktes Objekt indirektes Objekt
Konstruktion 1b
Rezipient Thema
Fokus Fokus
indirektes Objekt direktes Objekt
Konstruktion 2
Rezipient Thema
Sekundäres Topik Fokus
direktes Objekt obliques Objekt
Zur Terminologie ist anzumerken: Nikolaeva geht davon aus, dass im Satz mehr als ein Topik realisiert sein kann; das Sekundäre Topik hat im Prinzip dieselben Eigenschaften wie das Primäre Topik, jedoch in weniger starkem Ausmaß, vgl. hierzu die Abschnitte 4.2.1 und 9.3 zur objektiven Konjugation. Hier wird nicht
194 | 8 Fokusrealisierungen
von einem Sekundären Topik ausgegangen, das entsprechende Material kann als Hintergrundmaterial analysiert werden. In Konstruktion 1b sind sowohl Rezipient als auch Thema fokal, d.h. es liegt mindestens intermediärer Fokus vor. Somit kann diese Konstruktion als „neutrale Konstruktion“ gesehen werden, welche die grundlegende Wortstellung in ditransitiven Konstruktionen zeigt; diese Annahme passt zu den obigen Überlegungen. In Konstruktion 1a ist nun der Rezipient minimal fokussiert, in Konstruktion 2 das Thema. Die jeweilige Konstituente wird unmittelbar präverbal realisiert, besonders ist jedoch, dass ein minimal fokussiertes Thema in einem ditransitiven Satz mit dem Lokativ bzw. Instrumental (Kasus ist dialektabhängig) markiert ist, während der Rezipient als direktes Objekt unmarkiert (Nicht-Pronomen) bzw. akkusativmarkiert (Pronomen) ist. Folgende Beispiele zeigen die unterschiedlichen Konstruktionen: In (238) liegt VP-Fokus vor (Konstruktion 1b), in (239) ist der Rezipient minimal fokussiert (Konstruktion 1a), in (240) ist das Thema minimal fokussiert (Konstruktion 2): (238)
S’it pata [FOC χannɛχɵː-ja n’ur-əʌ tɵː-s-ʌe.] dieser wegen Person-lat Rache-poss3sg bringen-pst-3sg.obj ‘Deshalb nahm er Rache an den Menschen.’ (Kha_Ka_TaMK_1964_GlaubensvorstellungenOstjaken_nar.052)
(239)
[...] tăm un ošn’-em [FOC nem-χ˘ojat-a] at dieser groß Pelz-poss1sg neg-irgendein-lat neg m˘ıj-e! geben-imp.2sg.obj ‘[Er sagt zu mir: „Wenn ich getötet werde], gib diesen großen Pelz NIEmandem“.’ (Kha_Sh_MaKI_1936_Revolution_nar.027)
(240)
˘ ˘ Muŋ luwel [FOC jăm s˘oχ-na], [FOC jăm 1plpro 3sgpro.acc gut Kleidung-lat/loc gut ˘ mosaj-na] tăl-l-ew [...]. was-lat/loc bringen-prs-1pl.obj ‘Wir bringen ihm gute KLEIdung, gute SAchen, [er wird sie tragen].’ (Kha_Ob_SyIM_1990_RussianCityMan_flk.039)
In Beispiel (238), also bei VP-Fokus, bleibt die basisgenerierte Wortstellung unverändert. In Beispiel (239) ist der Rezipient als indirektes Objekt realisiert und steht unmittelbar präverbal⁷. Das Thema, als unmarkiertes direktes Objekt reali-
7 In Beispiel (239) interveniert die negative Partikel at zwischen minimal fokussierter Konstituente und Verb. Unter Annahme der Analyse morphologischer Marker gemäß Zeijlstra (2012) (s.o.) ist
8.2 Wortstellung und Fokusposition |
195
siert, muss daher bewegt werden, analog zu Beispiel (237) liegt Bewegung nach SpecAgrO P nahe. In Beispiel (240) steht das Thema unmittelbar präverbal, der Rezipient davor, die Wortstellung entspricht also der basisgenerierten Wortstellung. Darüber hinaus sind Thema und Rezipient jedoch nicht als direktes bzw. indirektes Objekt realisiert, sondern als Adverbial bzw. direktes Objekt. Offenbar genügt zur eindeutigen Markierung eines minimal fokussierten Themas in ditransitiven Sätzen die Realisierung des Themas in unmittelbar präverbaler Position nicht. Die Lokativ- bzw. Instrumentalmarkierung eines minimal fokussierten Themas scheint zwei Funktionen zu haben: Einerseits wird ein minimal fokussiertes Thema damit von einem nicht minimal fokussierten Thema unterschieden und andererseits wird das Thema damit vom als direktem Objekt realisierten Rezipienten unterschieden. Diese Verteilung der Konstruktionen muss syntaktisch und semantisch begründbar sein. Ditransitive Verben haben drei obligatorische Argumente, ein Agens, ein Thema und einen Rezipienten, welche in ihrem Subkategorisierungsrahmen festgeschrieben sind. Weiter ist in diesem Subkategorisierungsrahmen im Chantischen festgeschrieben, dass ein Agens mit dem Nominativ markiert ist, ein Thema mit dem Akkusativ markiert ist und ein Rezipient mit dem Lativ markiert ist. Die minimale Fokussierung eines Themas löst hier nun einen Tausch der Markierung der Partizipanten aus: Das Agens bleibt mit dem Nominativ markiert, der Rezipient ist mit dem Akkusativ markiert und das Thema ist mit dem Lokativ bzw. Instrumental markiert. Diese Variation kommt, so die Annahme, durch eine Operation bereits in der Semantik zustande − ein sogenanntes Argument Flip Template⁸ verändert die Subkategorisierung der entsprechenden Verben: Die minimale Fokussierung des Themas ist ursächlich dafür, dass nunmehr der Rezipient als erstes Argument des Verbs realisiert wird und entsprechend im Nominativ bzw. Akkusativ steht. Zur Vermeidung von Ambiguität muss das Thema nun distinkt markiert werden, im vorliegenden Fall durch einen adverbialen Kasus. Diese Form von differentieller Objektmarkierung in ditransitiven Strukturen ist typologisch keine Seltenheit (vgl. engl. I give Mary a book. vs. I give a book to Mary.). Plank (1983: 1) erklärt das mit einem Funktionalitätsprinzip: Demnach muss in einer Sprache die Kodierung von semantischen Rollen nicht konstant sein, um einem Satz eine korrekte Interpretation zu geben; semantische Rollen können also durch unterschiedliche syntaktische Funktionen in einer Sprache ausgedrückt werden.
dies jedoch kein Problem, da nicht von einer Bewegung der Partikel nach NegP zwecks Merkmalsabgleich ausgegangen werden muss. 8 Da Verbsemantik nicht im Zentrum dieser Arbeit steht, wird hier nicht näher darauf eingegangen; zur semantischen Rekonstruktion und Darstellung eines derartigen Templates verweise ich auf Junghanns & Lenertová (2008, 2009).
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Wichtig für die korrekte Interpretation eines Satzes ist allerdings, dass die im Satz realisierten semantischen Rollen eindeutig und voneinander abgrenzbar markiert werden. Entsprechend dieser Beobachtungen spricht nichts dagegen, hier eben die minimale Fokussierung des Themas als ursächlich für seine Instrumental- bzw. Lokativmarkierung anzunehmen. Dies entspricht weitestgehend den vorliegenden Analysen desselben Phänomens im Mansischen, der am nächsten verwandten Sprache des Chantischen (vgl. Virtanen (2011, 2015)). Junghanns & Lenertová (2008) erklären ferner in ähnlicher Weise das strukturell identische Phänomen im Bulgarischen, wenngleich die Bedingung für die Variation zweier ditransitiver Konstruktionen hier eine andere ist. Ein weiteres Indiz für die Stimmigkeit der Annahme eines Argument Flip Templates ist die Realisierung von Rezipienten als Subjekt von Passivsätzen. Im hier genutzten syntaktischen Framework wird davon ausgegangen, dass Subjekte von Passivsätzen in der Position eines direkten Objekts (Komplement von V0 ) basisgeneriert werden. Entsprechend muss auch ein Rezipient in einem Passivsatz, der als Subjekt realisiert ist, hier basisgeneriert werden. Wenn dies aber so ist, dann kann ein Thema in einem derartigen Satz nicht hier generiert werden. Es liegt nahe anzunehmen, dass auch in diesem Fall das Argument Flip Template greift und das Thema eben wiederum als lokativ- bzw. instrumentalmarkiertes Adverbial realisiert wird. Beispiel (241) zeigt das: (241)
˘ karəpl’a-na ˘ ˘ [...] pro χon-na kat ma-s-ij-əm. Zar-loc zwei Schiff-loc geben-pst-pass-1sg ‘[Der andere Mann sagt: „Ich kam gesund und munter,] mir wurden vom Zaren zwei Schiffe gegeben.“’ (Kha_Sh_MaKI_193X_KaufmannKnecht_flk.109)
Anhand dieser Überlegungen wird klar, dass sowohl aktive ditransitive Konstruktionen mit minimal fokussiertem Thema als auch passive ditransitive Konstruktionen mit Rezipientem als Subjekt derart erklärt werden können, dass der Rezipient als erstes internes Argument, also in der Position eines direkten Objekts, als Komplement von V0 , generiert wird. Daher muss das Thema in solchen Konstruktionen anders markiert werden, je nach Dialekt mit dem Lokativ oder dem Instrumental; diese Variation ist in einem Argument Flip Template in der Subkategorisierung ditransitiver Verben festgeschrieben. Insgesamt zeigen die Analysen minimal fokussierter, unmittelbar präverbal realisierter Konstituenten in den Objektsprachen, dass tatsächlich anzunehmen ist, dass die Konstituente selbst in situ verbleibt, während ggf. zwischen der Konstituente und dem Verb intervenierendes Material wegbewegt wird. Im Folgenden ist zu überlegen, wie dies im gewählten syntaktischen Framework rekonstruiert werden kann.
8.2 Wortstellung und Fokusposition |
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Das Minimalistische Programm unterscheidet sich von seinen Vorgängern in der Generativen Syntax unter anderem darin, dass es explizit auf sprachökonomischen Überlegungen beruht. Ein wichtiges Prinzip in diesem Zusammenhang ist das sogenannte Last Resort-Prinzip. Es besagt, dass u.a. Bewegungen in der Derivation des Satzes nur dann auftreten dürfen, wenn nur so der korrekte Output des Satzes erzeugt werden kann (Chomsky 2015: 184). Dies kann an der syntaktischen Realisierung der rechtsperipheren Fokusposition im Slavischen illustriert werden. Hier liegt die syntaktische Beschränkung (engl. constraint) vor, dass fokales Material an der rechten Peripherie des Satzes realisiert sein muss. Im Falle von maximalem und intermediärem Fokus sowie im Falle eines minimal fokussierten direkten Objekts ist diese syntaktische Beschränkung eingehalten, weshalb keine weiteren Operationen, v.a. Bewegungen, erfolgen. Im Falle anderer minimal fokussierter Konstituenten hingegen muss die Operation der Bewegung (engl. move (α)) angewendet werden, um den korrekten Output des Satzes zu erhalten. Die entsprechende syntaktische Beschränkung kann wie folgt formuliert werden: I.
Realisiere fokales Material rechtsperipher im Satz!
Für Sprachen mit einer linear unmittelbar präverbalen Fokusposition ist die Formulierung einer derartigen syntaktischen Beschränkung komplizierter. Im Falle von maximalem und intermediärem Fokus gilt dieselbe syntaktische Beschränkung, im Falle von minimalem Fokus jedoch nicht. Die syntaktische Beschränkung müsste also wie folgt ergänzt werden: II. (a) Realisiere fokales Material rechtsperipher im Satz! (b) Realisiere minimal fokussierte Konstituenten unmittelbar präverbal! In dieser Form ist/sind die syntaktische(n) Beschränkung(en) jedoch in zweierlei Hinsicht problematisch. Zum einen ist fraglich, warum für ein und dasselbe Phänomen (Fokusrealisierung) zwei unterschiedliche Beschränkungen angenommen werden sollen. Die Zuweisung des Fokusmerkmals an eine bestimmte Konstituente an sich markiert diese Konstituente lediglich als fokal. Eine Unterscheidung hinsichtlich der Weite des Fokus ist eine nachgeschaltete deskriptive Kategorie, sie kann daher keine Rolle in der Derivation des Satzes spielen. Zum anderen ist der zweite Teil der Beschränkung in sich problematisch. Zwar wird das Prinzip Last Resort nicht verletzt, da nur dann Operationen greifen, wenn die minimal fokussierte Konstituente nicht ohnehin schon unmittelbar präverbal realisiert ist. Jedoch wird ein weiteres Prinzip, das Greed-Prinzip, verletzt. Greed besagt, dass eine Operation nur von derjenigen Konstituente ausgeführt werden darf, die davon
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„profitiert“ (Chomsky 2015: 184). Dem entspricht die Beschränkung in (I), da hier nur diejenige Konstituente bewegt wird, welche das Fokusmerkmal zugewiesen bekommt. Im Falle von (IIb) ist dies nicht der Fall, da die minimal fokussierte Konstituente ja in situ verbleibt und nur intervenierendes Hintergrundmaterial bewegt wird. Aus beiden Gründen kann die Beschränkung (II) nicht korrekt sein, um die oben gezeigten Fokusrealisierungen in SOV-Sprachen mit einer linear unmittelbar präverbalen Fokusposition zu derivieren. Gemäß Greed muss diejenige Konstituente einer Beschränkung unterliegen, die letztendlich bewegt wird. Daher darf sich die Beschränkung nicht auf das fokale Material beziehen, sondern muss sich auf das Hintergrundmaterial beziehen. Der Umkehrschluss aus der Aussage, minimal fokussierte Konstituenten müssten unmittelbar präverbal stehen, ist, dass kein Hintergrundmaterial zwischen minimal fokussierter Konstituente und Verb stehen darf. Es ergibt sich also folgende syntaktische Beschränkung: III. Realisiere kein Hintergrundmaterial zwischen minimal fokussierter Konstituente und Verb! Damit können die Bewegungen von Hintergrundmaterial im Falle minimal fokussierter Konstituenten erklärt werden, ohne die Prinzipien Last Resort und Greed zu verletzen. Kritisch bleibt jedoch, dass die Fälle von intermediärem und maximalem Fokus nicht berücksichtigt sind. Da die Bestimmung des Skopus des Fokus, wie oben beschrieben, ohnehin nachgelagert ist, kann die Beschränkung wie folgt verallgemeinert werden: IV. Realisiere kein Hintergrundmaterial zwischen fokussierter Konstituente und Verb! Im Falle von intermediärem Fokus bedeutet dies letztlich, dass kein Hintergrundmaterial in der VP bzw. in der entsprechenden funktionalen Phrase stehen darf, im Falle von maximalem Fokus, dass kein Hintergrundmaterial in der CP stehen darf. Dies entspricht den Annahmen des LM zu intermediärem und maximalem Fokus gänzlich. Es bleibt zu überprüfen, ob diese Beschränkung sämtliche Operationen im Satz, die mit der Fokusrealisierung zusammenhängen, erklären kann. Für die bisher betrachteten Beispiele ist dies der Fall. Es gibt jedoch einige Fälle, welche genauer untersucht werden müssen. Im folgenden nganasanischen Beispiel ist ein direktes Objekt minimal fokussiert, das Subjekt des Satzes ist postverbal realisiert:
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199
Tə, [FOC maa] huud’i-ŋɨ-ŋ tənə, [...] nun was suchen-inter-2sg 2sgpro
(242)
‘Nun, WAS suchst du, [warum besuchst du meine Frau]?’ (Ng_JSM_090809_Life_nar.353) Gemäß obiger Annahmen darf kein Hintergrundmaterial zwischen minimal fokussierter Konstituente und Verb stehen. Da das Subjekt tənə nicht in dieser Position steht, wäre zu erwarten, dass das Subjekt nicht bewegt wird, sondern in situ verbleibt. Das geschieht jedoch nicht, stattdessen wird es postverbal realisiert. Die Syntax in Abbildung 8.8 stellt dies dar (zur genauen Rekonstruktion der Syntax von postverbalem Material vgl. Abschnitt 8.3). CP
CP
Tə
DP
CP
tənəi ...
VP
[+wh]
ti
V’
maa huud’iŋɨŋ
Abb. 8.8: Bewegung eines nicht-fokalen Subjekts (Satz (242))
Auffallend ist, dass das Subjekt nicht zwischen minimal fokussierter Konstituente und Verb basisgeneriert wird. Sowohl Subjekt als auch das minimal fokussierte direkte Objekt werden innerhalb der VP generiert, wobei letztere gleichzeitig die kleinste maximale Projektion einer Phrase darstellt, in der sowohl das minimal fokussierte Objekt als auch das Verb enthalten sind. Um die Bewegung des Subjekts in die postverbale Position zu erklären, könnte die obige syntaktische Beschränkung daher wie folgt umformuliert werden:
200 | 8 Fokusrealisierungen
V. Realisiere kein Hintergrundmaterial in der kleinstmöglichen maximalen Projektion einer Phrase, welche sowohl die fokussierte Konstituente als auch das Verb enthält! Beispiele für derartige Permutationen − mit Bewegung des Hintergrundmaterials sowohl nach links als auch nach rechts − lassen sich auch in allen anderen untersuchten Sprachen finden: (243)
˘ [FOC ˘ [...] K˘ım et-t-amən, ma naŋət tota hinaus hinausgehen-prs-1pl 1sgpro 2sgpro.acc dort w˘oχ-na] mă-t-em. Geld-loc geben-prs-1sg.obj ‘[Der Kaufmann stand auf, er sagt zum alten Mann:] „Wir gehen hinaus, ich gebe dir dort GELD.“’ (Kha_Sh_MaKI_193X_KaufmannKnecht_flk.012)
(244)
[FOC Liði-ru] oo-ŋa-ðʔ mod’, [...] Knochen-lim essen-aor-1sg 1sgpro ‘Ich esse nur KNOchen, [seien es Fischgräten, seien es Fleischknochen.]’ (En_W_GlES_20100715_MärchenJunge_flk.094)
(245)
[FOC Harsɨŋ-ŋɨ kün-ü] kör-ör gini. morgen-adjz Tag-acc sehen-prs.3sg 3sgpro ‘Er sieht den morgigen TAG.’ (Dlg_AsKS_19XX_Amulet_nar.221)
(246)
[FOC Bər-jo-n] [FOC lukiː-jo-n] Bogen-acc.indef-poss3sg Pfeil-acc.indef-poss3sg oː-ra-n amaːkaː-n. machen-aor-3sg Opa-poss3sg ‘Sein Opa machte [ihm] einen BOgen, einen PFEIL.’ (Evn_N_UdVN_2007_Riflemen_flk.053)
Beispiel (243) zeigt einen ditransitiven chantischen Satz mit minimal fokussiertem Thema. Obwohl der Rezipient in einer hierarchisch höheren Strukturposition als das Thema basisgeneriert wird, wird er bewegt, entsprechend obiger Annahmen nach SpecAgrO P. Gezeigt werden kann dies dadurch, dass der Rezipient vor einem nicht-topikalen Adverbial steht, das als Adjunkt an VP zu analysieren ist, und er somit in einer höheren Strukturposition realisiert sein muss. Die restlichen Beispiele sind analog zum oben analysierten nganasanischen Beispiel; hier ist ein direktes Objekt minimal fokussiert und das Subjekt ist postverbal realisiert. Die oben vorgeschlagene Analyse beziehungsweise die formulierte syntaktische
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201
Beschränkung in (V) können also auf die Sprachdaten angewendet werden. Dies gilt für Fälle von minimalem Fokus, jedoch auch für Fälle von intermediärem und maximalem Fokus. Hier ist die Konsequenz insofern trivialer, als bei intermediärem Fokus die VP bzw. die entsprechende funktionale Phrase als Ganzes fokussiert ist und somit auch kein enthaltenes Material zwingend wegbewegt werden muss. Dasselbe gilt für maximalen Fokus, wobei hier die gesamte CP fokussiert ist. Des Weiteren kann neben den bisher untersuchten Komplementen und Adjunkten des Verbs auch das Verb selbst minimal fokussiert sein. Da das Verb rechtsperipher basisgeneriert ist und herausgearbeitet werden konnte, dass auch in SOV-Sprachen im Prinzip eine rechtsperiphere Realisierung des Fokusexponenten vorliegt, kann angenommen werden, dass minimal fokussierte Verben satzfinal realisiert sind. Die folgenden Sätze zeigen Beispiele hierfür: (247)
[...] pɐːn iːttən tam t’uː wɐːsək-kəʌ-ɐm [FOC niːk maʌ-ʌ-əm]. und abends dort jener Ente-du-poss1sg kochen-prs-1sg ‘[Danach wird Mischa die beiden Enten rupfen,] und am Abend werde ich die beiden Enten dort KOchen.’ (Kha_Su_KeSD_KeII_1996_HuntingAdventure_nar.016)
(248)
ɛˇcuj-ʔ jeˇsɔ [FOC sɛkra-da]. Kind-pl auch beißen-fut.3sg ‘Und es [ein Bärenjunges] wird die Kinder auch BEIßen.’ (En_W_BoAS_20080324_MärchenBär_flk.036)
(249)
Tɨmini⁀ a muŋku-mtə [FOC hoi-ʔki-ʔə-m]. jetzt Baum-poss2sg.acc hacken-res-aor-1sg ‘Jetzt FÄLle ich deinen Baum.’ (Ng_ASS_161023_Fox_flkd.008)
(250)
Oččogo d⁀ uoktuːt-tar-ɨ-ŋ [FOC hɨld’-aːˇccˇ ɨ-lar]. damals Doktor-pl-ep-poss2sg fahren-hab-3pl ‘Damals FUHren die Doktoren [in die Tundra].’ (Dlg_KiPP_KuNS_200211_LifeManyChildren_conv.KiPP.078)
(251)
Minə nuŋan [FOC həŋkət-tə-n]. 1sgpro.acc 3sgpro schimpfen-aor-3sg ‘Er SCHIMPFte mit mir.’ (Evn_S_XaNT_2005_SmallElk_nar.061)
Die minimale Fokussierung des Verbs geht jeweils aus dem Kontext hervor, wenngleich die Beispiele schon zeigen, dass eine Unterscheidung von minimaler Fokussierung des Verbs und VP-Fokus häufig diffizil ist. Dies tritt in den vorliegenden Sprachen mit überwiegender SOV-Wortstellung besonders zutage, da
202 | 8 Fokusrealisierungen
hier in beiden Fällen der Fokusexponent auf dem Verb liegt. In jedem Fall ist zu untersuchen, ob die obigen Überlegungen zur syntaktischen Realisierung von Fokus auch auf minimal fokussierte Verben anzuwenden sind. Diese Untersuchung ist insofern nicht trivial, da sich die minimale Fokussierung des Verbs in zwei Punkten grundlegend strukturell von der minimalen Fokussierung von Komplementen oder Adjunkten des Verbs unterscheidet: Zum einen sind minimal fokussierte Konstituente und Verb im ersten Fall identisch, während im zweiten Fall aus beiden eine Fokusdomäne konstruiert wurde (die kleinstmögliche maximale Projektion, welche sowohl die entsprechende Konstituente als auch das Verb enthält). Zum anderen ist im ersten Fall der Kopf einer Phrase minimal fokussiert, während es sich im zweiten Fall stets um ganze Phrasen handelt, die in Komplement- oder Spezifikatorposition realisiert sind. Beides legt nahe, dass im Falle minimal fokussierter Verben die Fokusdomäne nicht auf die gesamte VP projiziert wird, d.h., dass in diesem Fall nicht-fokales Material auch in seinen Basispositionen in der VP verbleiben kann. Abbildung 8.9 zeigt dies für Beispiel (247) bei angenommenem topikalen Adverbial iːttən. CP
C’
[-wh]
pɐːn
AgrS P
VP
AdvP
iːttəni [TOP]
ti
VP
VP
AdvP
tam
pro
V’
DP
niːk maʌʌəm. [FOC]
wɐːsəkkəʌɐm Abb. 8.9: Syntax eines Satzes mit minimal fokussiertem Verb (Satz (247))
8.2 Wortstellung und Fokusposition |
203
Beispiel (247) ist insofern diagnostisch, weil hier das direkte Objekt des Satzes t’uː wɐːsəkkəʌɐm hinter zwei VP-modifizierenden Adverbialen steht, von welchen maximal eines (iːttən) durch Topikalisierung in die funktionale Superstruktur des Satzes bewegt worden sein kann, während für das andere (tam) in jedem Fall VP-Adjunktion angenommen werden kann. Daher muss auch das direkte Objekt innerhalb der VP realisiert sein, was eben dafür spricht, dass im Fall eines minimal fokussierten Verbs nicht die gesamte VP als Fokusdomäne anzusetzen ist, in der kein Hintergrundmaterial stehen darf. Dies bedeutet natürlich nicht, dass im Falle eines minimal fokussierten Verbs Hintergrundmaterial nicht in einschlägigen Positionen (z.B. zwischen Topik und VP-Adverbialen oder postverbal) realisiert sein darf. Nur ist hier die Bewegung aus der VP hinaus eben nicht zwingend, weil nicht die gesamte VP als Fokusdomäne zu betrachten ist. Weiterhin schließt die Formulierung der syntaktischen Beschränkung nicht aus, dass auch im Falle von intermediärem Fokus nicht-fokales Material bewegt werden kann. Bewegtes Hintergrundmaterial bei intermediärem Fokus zeigt das folgende Beispiel: Ein kleines Vöglein fliegt umher, es kommt zu seiner Schwester nach Hause und erzählt ihr, was es mit ihr machen wird. Es liegt also VP-Fokus vor, wobei das direkte Objekt, welches auf die Schwester des Vögleins referiert, als Hintergrundmaterial aus der VP herausbewegt wird. (252)
[...] Mɐː nʉŋət [FOC Mɛŋk iːki-jɐ məj-əm]. 1sgpro 2sgpro.acc Menk alter.Mann-lat geben-1sg ‘[Als das Vöglein nach Hause kam, sagte es] „Ich gebe dich dem MenkAlten.“’ (Kha_Su_PoDS_1992_LittleBirdElderSister_flk.026)
Schließlich sagt die Formulierung der syntaktischen Beschränkung eine grundlegende Wortstellung in maximal fokussierten Sätzen voraus, welche überprüft werden muss. Die vorausgesagte, da basisgenerierte, Wortstellung ist Adverbial − Subjekt − Objekt − Verb. Als Nachweise werden Beispiele benötigt, in denen zwei Adverbiale vorliegen (von denen maximal eines topikal sein kann) und das nicht-topikale Subjekt hinter beiden Adverbialen steht. Das folgende dolganische Beispiel zeigt dies exemplarisch, für die anderen untersuchten Sprachen können analoge Beispiele gefunden werden: (253)
Kɨhɨn bajgal-ga d’uraːk-tar b¨ol¨uɡe-leː-ˇccˇ i-ler. im.Winter Meer-dat/loc Nenze-pl Beluga-vbz.capt-hab-3pl ‘Im Winter jagen die Nenzen Belugas auf dem Meer.’ (Dlg_BaA_1930_OneEyedGirl_flk.002)
Unabhängig von der Topik-Kommentar-Gliederung, also unabhängig davon, ob kɨhɨn Topik des Satzes ist oder der Satz topiklos ist, stehen das Adverbial bajgalga
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und das Subjekt d’uraːktar in ihrer basisgenerierten Abfolge. Das bedeutet, dass die Zuweisung des Fokusmerkmals an CP keine Bewegungen im Satz auslöst, was wiederum mit den obigen Annahmen vereinbar ist und sie bestätigt. Alles in allem konnten in diesem Abschnitt also drei Dinge gezeigt werden: 1. Auf der Satzoberfläche ist die unmittelbar präverbale Position tatsächlich die Fokusposition in SOV-Sprachen. 2. Korrelierend mit Schwankungen der Wortstellung von SOV und SVO schwankt im Nganasanischen, Dolganischen und Ewenkischen auch die Fokusposition auf der Satzoberfläche von unmittelbar präverbal zu rechtsperipher. 3. Minimal fokussierte Konstituenten werden in SOV-Sprachen zwar unmittelbar präverbal realisiert, jedoch liegt keine feste Strukturposition für die fokussierte Konstituente vor. Stattdessen wird Hintergrundmaterial zwischen minimal fokussierter Konstituente und Verb wegbewegt. Letzteres entspricht den Beobachtungen von Kılıçaslan (2004: 736, 754−758) zum Türkischen, wo ihm zufolge fokussierte Konstituenten ebenfalls nicht bewegt werden. Weiter wurde festgestellt, dass nicht nur Hintergrundmaterial zwischen minimal fokussierter Konstituente und Verb wegbewegt wird, sondern auch Hintergrundmaterial aus der kleinstmöglichen maximalen Projektion, welche sowohl die minimal fokussierte Konstituente als auch das Verb enthält (zum Beispiel Subjekte bei minimal fokussiertem direkten Objekt). Im Fall eines minimal fokussierten Verbs wird die Fokusdomäne nicht auf die gesamte VP projiziert, die Bewegung von Hintergrundmaterial ist somit hier nicht obligatorisch. Die Formulierung einer entsprechenden syntaktischen Beschränkung, hier wiederholt als (VI), generalisiert dies und ist, wie gezeigt werden konnte, auch auf Fälle von intermediärem und maximalem Fokus anwendbar. VI. Realisiere kein Hintergrundmaterial in der kleinstmöglichen maximalen Projektion einer Phrase, welche sowohl die fokussierte Konstituente als auch das Verb enthält! Weiter ist festzuhalten, dass die zugrundeliegende Syntax von Fokusrealisierungen in SVO- und SOV-Sprachen in gewisser Weise voneinander abweicht. Während bei SVO-Wortstellung die rechte Peripherie des Satzes als „Ankerpunkt“ fungiert, ist es bei SOV-Sprachen das Verb. Das ist jedoch erklärbar und auch zu formalisieren. Hilfreich ist hier der in Abschnitt 4.1.3 eingeführte Begriff der Kommunikativen Dynamik der Prager Schule. Die kommunikative Dynamik bemisst den Grad, inwiefern ein Teil des Satzes, eine Konstituente, zum Fortschreiten der Kommunikation beiträgt; in der linearen Abfolge eines Satzes nimmt die kommunikative Dynamik der Konstituenten gemäß dem Modell der Prager Schule zu. Ohne auf die detaillierte Konfiguration im Sinne der Prager Schule einzugehen, ist festzustellen, dass diese Tendenz tatsächlich einleuchtet und auf das hier verwendete Frame-
8.2 Wortstellung und Fokusposition |
205
work angewendet werden kann: Weniger relevante Information steht entsprechend vor relevanterer Information, Hintergrundmaterial steht also vor fokalem Material. In SVO-Sprachen wie den slavischen Sprachen ist das auch problemlos mit der zugrundeliegenden Wortstellung vereinbar. Kim (1988: 149) stellt korrekt fest, dass dies im Falle von maximalem und intermediärem Fokus auch auf Sprachen mit zugrundeliegender SOV-Wortstellung zutrifft. Die fokussierte Konstituente (CP bzw. VP) steht weiterhin satzfinal. Im Falle minimal fokussierter Konstituenten kollidiert dieses Prinzip jedoch mit der notwendigen satzfinalen Realisierung des Verbs (Kim 1988: 149). Da die „beste“ rechtsperiphere Position im Satz nunmehr durch das Verb belegt ist, wird die minimal fokussierte Konstituente in der „zweitbesten“ rechtsperipheren Position im Satz realisiert − nämlich unmittelbar präverbal. Damit ist der Mechanismus, welcher der linearen Realisierung von Fokus bzw. dem Zusammenhang von Wortstellung und Fokus zugrundeliegt, in SVO- und SOV-Sprachen identisch. Im Sinne der Prinzipien- und Parametertheorie kann also zumindest auf der Basis der untersuchten SVO- und SOV-Sprachen stipuliert werden, dass das Prinzip der rechtsperipheren Realisierung von Fokus universal gilt, jedoch seine sprachliche Realisierung durch den Parameter der zugrundeliegenden Wortstellung divergent ist. Sich unmittelbar anschließende Fragen sind, ob dies a) wirklich für alle (oder zumindest den Großteil der) SVO- und SOV-Sprachen haltbar ist und b) wie sich beispielsweise verbinitiale Sprachen hier verhalten. Eine weitere Untersuchung ist hier wünschenswert, kann jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden. Abschließend ist darauf einzugehen, wie sich die Variation von SVO-Strukturen und SOV-Strukturen einerseits sowie die Variation von präverbaler und postverbaler Fokusposition andererseits im Nganasanischen, Dolganischen und Ewenkischen syntaktisch abbilden lässt. Hinsichtlich ersterer Variation liegen prinzipiell zwei Möglichkeiten vor: Entweder ist eine Wortstellung grundlegend und die andere hieraus deriviert oder beide Wortstellungen werden als grundlegend betrachtet. Letztere Analyse entspricht den Ansätzen von Haider (2018, 2020); syntaktisch bedeutet dies, dass der Kopf der VP in derartig variierenden Sprachen keine feste Position hat, VPs also sowohl kopfinitial als auch kopffinal sein können. Angesichts der o.g. Statistiken ist in den hier relevanten Sprachen im Falle einer festen grundlegenden Wortstellung die Ausprägung SOV naheliegend, während im Falle einer flexiblen Ausrichtung der VP sowohl SOV- als auch SVO-Wortstellung grundlegend sind. Die Rekonstruktion einer präverbalen Fokusposition ist für beide Fälle unproblematisch, sie wird jeweils aus einer SOV-Struktur deriviert. Die Rekonstruktion einer postverbalen Fokusposition hingegen unterscheidet sich je nach zugrundeliegender Erklärung, wie am folgenden ewenkischen Beispiel gezeigt werden kann:
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(254)
Pəktireːn-i-m, pro məl’ˇco-ˇcə [FOC iːkeːriː-wo-n]. schießen-ep-aor.1sg treffen-ptcp.pst Rücken-acc-poss3sg ‘Ich schoss, [die Kugel] traf seinen RÜcken.’ (Evn_N_SaVN_2006_BearGoes_nar.052)
Geht man davon aus, dass die SOV-Wortstellung grundlegend ist, dann wird das direkte Objekt präverbal basisgeneriert und in die postverbale Fokusposition (rechtes Adjunkt an VP, s.o.) bewegt (Abbildung 8.10). Geht man davon aus, dass beide Wortstellungen grundlegend sind, dann ist aus Ökonomiegründen davon auszugehen, dass die postverbale Fokusposition mit einer SVO-Struktur korreliert und das minimal fokussierte direkte Objekt in situ verbleiben kann (Abbildung 8.11). CP
CP
VP
[-wh]
DP
VP
pro
V’
VP
[-wh]
iːkeːriːwoni . [FOC]
ti məl’ˇcoˇcə
pro
V’
məl’ˇcoˇcə
DP
iːkeːriːwon. [FOC] Abb. 8.11: Postverbaler Fokus deriviert aus SVO
Abb. 8.10: Postverbaler Fokus deriviert aus SOV
Beide Analysen haben Vor- und Nachteile. Die Derivation eines postverbalen Fokus aus einer SOV-Struktur widerspricht typologisch sowie theoretisch hinreichend belegten Annahmen zur Korrelation von Wortstellung und Fokusposition (z.B. Kim (1988), Cinque (1993)). Allerdings ist diese Analyse aus syntaxtheoretischer Perspektive unproblematisch: Die Zuweisung des Fokusmerkmals führt zu Bewegung der entsprechenden Konstituente sowie zu entsprechender prosodischer Akzentuierung. Die Derivation eines postverbalen Fokus aus einer SVO-Struktur entspricht den genannten typologischen Annahmen, jedoch ist die zugrundeliegende Prämisse einer flexiblen Kopfposition der VP fraglich, da sie dem Prinzip der Erklärungsadäquatheit in hohem Maße widerspricht: Zwar können vorliegende sprachliche Strukturen erklärt werden, jedoch nicht vorausgesagt werden, warum gerade die vorliegende sprachliche Struktur mit SVO und postverbalem Fokus generiert wird und nicht diejenige mit SOV und präverbalem Fokus.
8.2 Wortstellung und Fokusposition |
207
Der „Preis“ für die angenommene Flexibilität der VP ist somit die Verunklarung vieler syntaktischer Prozesse innerhalb der VP. Aufgrund der bisher gemachten Beobachtungen kann nicht entschieden werden, welche Analyse richtig ist. Daher muss versucht werden, weitere sprachliche Argumente für die eine oder die andere Analyse zu finden. Wie allgemein anerkannt ist, induziert die Klassifizierung einer Sprache als SVO- oder SOV-Sprache das Verhalten unterschiedlicher sprachlicher Elemente: In der VP stehen Objekte vor bzw. nach dem Verb, Attribute stehen nach bzw. vor ihrem Kopfnomen, es liegen überwiegend Präbzw. Postpositionen vor (Comrie 1989: 89−91). Gemäß der letzten beiden Kriterien sind Nganasanisch, Dolganisch und Ewenkisch zwar sicherlich SOV-Sprachen (vgl. auch Kapitel 2), jedoch bedeutet dies noch nicht unbedingt, dass auch die Verbalphrase kopffinal sein muss. Das Finnische beispielsweise zeigt genau diese Konfiguration: Attribut vor Kopfnomen (255a), überwiegend Postpositionen (255b), Verb vor Objekt (255c). (255)
a. iso
talo groß Haus
‘großes Haus’ b. talo-n
edessä Haus-gen vor
‘vor dem Haus’ c. Ville ost-i
olut-ta. Ville kaufen-pst.3sg Bier-part
‘Ville hat Bier gekauft.’ (Finnisch; eigene Beispiele) Aber auch innerhalb der Verbalphrase gibt es neben der Abfolge von Verb und Objekt Kriterien, die auf die Ausrichtung ihres Kopfes hinweisen können. Ein Beispiel hierfür sind komplexe Verbformen, die mithilfe von Auxiliaren gebildet werden: Steht das Auxiliar vor dem Hauptverb, deutet dies auf SVO hin; steht es nach dem Hauptverb, deutet dies auf SOV hin (Comrie 1989: 91). Innerhalb der uralischen Sprachen zeigt das Finnische als SVO-Sprache erstere Struktur (Beispiel (256)), das Marische als SOV-Sprache letztere Struktur (Beispiel (257); die zweite Variante ist hier eine kontrahierte Form der ersten Variante): (256)
ole-n tul-lut sein-1sg kommen-ptcp.pst ‘ich bin gekommen’ (Finnisch; eigenes Beispiel)
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(257)
tolə-n ul-am ∼ tol-ən-am kommen-cvb sein-1sg kommen-pst2-1sg ‘ich bin gekommen’ (Marisch; eigenes Beispiel, vgl. Alhoniemi (2010: 110−112))
Daraus ergeben sich folgende Voraussagen für die Objektsprachen: Wenn postverbale Foki aus SOV-Strukturen deriviert sind, dann ist zu erwarten, dass ggf. vorhandene komplexe Verbformen die Abfolge Hauptverb vor Auxiliar zeigen; wenn postverbale Foki jedoch aus SVO-Strukturen deriviert sind, also ein flexibler Kopf der VP vorliegt, ist die umgekehrte Abfolge zu erwarten. Die folgenden Beispiele zeigen einschlägige Belege: (258)
Təti bigaj n’im-ti i-s’¨uə i-bahu [FOC Gəl’t’iha]. dieser Fluss Name-poss3sg sein-pst aux-nar.3sg Golčicha ‘Der Name dieses Flusses war, sagt man, GolČIcha.’ (Ng_ChND_061105_Nenets_nar.019)
(259)
Nosk⁀ uo-ɡa da bil-el-lere b⁀ uol-⁀ uo [FOC Chatanga-dat/loc und wissen-ptcp.prs-poss3pl aux-fut.3sg kɨrd’aɡas-tar]. alt-pl ‘In Chatanga werden ihn wahrscheinlich die ALten kennen.’ (Dlg_AkNN_KuNS_200212_LifeHandicraft_conv.AkNN.005)
(260)
Tari-ɣit əmə-ˇco-l bi-ˇcoː-tin [FOC potap-tulaː]. jener-abl2 kommen-ptcp.pst-pl aux-pst-3pl Potapovo-lat ‘Von dort waren sie nach PoTApovo gekommen.’ (Evn_N_TuMD_ErLA_2011_Aboutlife_conv.093)
Im nganasanischen Beispiel (258) (morphologische Form: Modus Narrativ, Vergangenheit) steht ein minimal fokussiertes nominales Prädikat postverbal, in der Verbalphrase folgt jedoch das Auxiliar (ibahu) seinem Hauptverb (is’¨uə), weshalb von einer zugrundeliegenden SOV-Struktur auszugehen ist. Im dolganischen Beispiel (259) (morphologische Form: Futur, mit Ausdruck epistemischer Modalität) steht ein minimal fokussiertes Subjekt postverbal, auch hier zeigt die komplexe Verbform in der VP die Abfolge Hauptverb (bilellere) vor Auxiliar (b⁀ uol⁀ uo). Im ewenkischen Beispiel (260) (morphologische Form: Plusquamperfekt) schließlich steht ein minimal fokussiertes Adverbial postverbal, in der Verbalphrase geht ebenfalls das Hauptverb (əməˇcol) dem Auxiliar (biˇcoːtin) voran⁹.
9 Für das Nganasanische und das Ewenkische ist darauf hinzuweisen, dass nicht alle Auxiliare in der VP postverbal stehen. V.a. betrifft dies die Negationsauxiliare n’i- (Wagner-Nagy 2019:
8.3 Postverbales Hintergrundmaterial |
209
Alle diese Strukturen deuten darauf hin anzunehmen, dass auch postverbal realisierte Foki in den relevanten Objektsprachen als Derivationen aus einer zugrundeliegenden SOV-Struktur abzuleiten sind, da die VP selbst Indizien für eine kopffinale Ausrichtung zeigt (Hauptverb vor Auxiliar). Die Syntax in Abbildung 8.10 ist daher als Analyse vorzuziehen, es ist nicht von einem flexiblen Kopf der VP im Sinne von Haider (2018, 2020) auszugehen. Zuletzt ist jedoch darauf hinzuweisen, dass mit dieser Analyse weiterhin unklar ist, welche Motivation hinter der postverbalen Realisierung der minimal fokussierten Konstituente steht. Aus morphosyntaktischer Sicht spräche nicht nur nichts gegen eine unmittelbar präverbale Realisierung, sondern sie wäre aus Ökonomiegründen − zumindest im Falle direkter Objekte und nominaler Prädikate − sogar vorzuziehen. Daher kann an dieser Stelle nur festgehalten werden, dass postverbale Foki in den Objektsprachen aus SOV-Strukturen deriviert werden; die Frage nach der Motivation dieser Derivation bleibt offen für weitere Forschung.
8.3 Postverbales Hintergrundmaterial In Abschnitt 8.2 ist bereits angedeutet worden, dass nicht-fokales Material, also Hintergrundmaterial, in den Objektsprachen postverbal realisiert werden kann. In diesem Abschnitt soll dieses Phänomen sowie die ihm zugrundeliegende Syntax untersucht werden. Beispiel (244), hier wiederholt als (261), zeigt postverbal realisiertes Hintergrundmaterial im Enzischen: (261)
[FOC Liði-ru] oo-ŋa-ðʔ mod’, [...] Knochen-lim essen-aor-1sg 1sgpro ‘Ich esse nur KNOchen, [seien es Fischgräten, seien es Fleischknochen.]’ (En_W_GlES_20100715_MärchenJunge_flk.094)
Da Hintergrundmaterial negativ als nicht-fokales Material verstanden wird und das direkte Objekt in diesem Satz minimal fokussiert ist, gehört das postverbal realisierte Subjekt zum Hintergrundmaterial des Satzes. Es soll nun untersucht werden, welche Funktion die postverbale Position in diesem Kontext hat und wie die zugrundeliegende Syntax zu rekonstruieren ist. Wichtig ist an dieser Stelle, dass
99) bzw. ə- (Nedjalkov 1997: 97), die zumeist vor ihrem Hauptverb stehen. Allerdings ist hier wiederum anzumerken, dass dies in typologisch vergleichbaren Sprachen das Standardmuster zu sein scheint, auch in eindeutig klassifizierbaren SOV-Sprachen (vgl. Siegl (2013a: 302−307) zum Waldenzischen und Alhoniemi (2010: 115−116) zum Marischen). Daher ist die Positionierung des Negationsauxiliars offenbar kein diagnostisches Kriterium für den zugrundeliegenden Wortstellungstyp und wird hier nicht berücksichtigt.
210 | 8 Fokusrealisierungen
es bei der Diskussion nicht um Schwankungen der Wortstellung SVO ∼ SOV geht, sondern um unabhängig davon postverbal realisiertes Material. Um theoretisch denkbaren Interferenzen mit diesen Schwankungen aus dem Weg zu gehen, werden an dieser Stelle vor allem postverbal realisierte Subjekte betrachtet, da diese in keinem Fall in der Basiswortstellung postverbal stehen. Für alle hier untersuchten Sprachen gilt, dass Hintergrundmaterial regelmäßig postverbal auftritt, für jede Sprache (außer dem Chantischen) konnten ca. 100 Belege alleine für postverbal realisierte nicht-fokale Subjekte gefunden werden. Der Grund für die geringe Ausprägung dieses Phänomens im Chantischen mag mit seiner schwach ausgeprägten Kasusmorphologie zusammenhängen: Permutationen der Wortstellung sind dadurch verkompliziert, da sie für den Ausdruck der Bedeutung des Satzes im rein semantischen Sinne wichtig ist. Eine genauere Analyse wäre interessant, kann jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden, nachfolgende Überlegungen klammern das Chantische deshalb weitestgehend aus. Ob die Ergebnisse auch auf das Chantische anzuwenden sind, müsste in einer weiteren Arbeit überprüft werden. In jedem Fall belegen die untersuchten Daten, dass postverbal realisiertes Material kein „Einzelfall“ ist, sondern ein strukturell relevantes Phänomen. Die folgenden Beispiele zeigen ergänzend zum obigen enzischen Beispiel postverbal realisiertes Hintergrundmaterial im Nganasanischen, Dolganischen und Ewenkischen: (262)
[FOC Toru-m-u-ʔə-ɡəj] s’iti ŋi⁀ antu-rbɨʔɨ⁀ a. kämpfen-trl-ep-aor-3du zwei Junge-aug ‘Die beiden Jungen fingen an zu kämpfen.’ (Ng_JSM_090809_Life_nar.153)
(263)
[FOC M⁀ uosta-nɨ huːnnar-tar-aːˇccˇ ɨ e-ti-ler] ol ulakan Boden-acc waschen-caus-ptcp.hab aux-pst1-3pl jener groß pekar’-dar. Bäcker-pl ‘Die alten Bäcker ließen uns die Böden putzen.’ (Dlg_AkNN_KuNS_200212_LifeHandicraft_conv.AkNN.021)
(264)
[FOC Guluwu-r-ba ila-t-t’a] amiː. Feuer-pl-acc anzünden-distr-pst.3sg Vater ‘Vater machte Feuer.’ (Evn_N_ElVX_2007_BigWork_nar.057)
Die in den Beispielen (261) bis (264) dargestellten postverbalen Realisierungen von nicht-fokalem Material widersprechen den in Abschnitt 8.2 gezeigten Prinzipien der Fokusrealisierung zunächst einmal recht offensichtlich. Sowohl in SVO- als auch in SOV-Sprachen wird Fokus prinzipiell rechtsperipher realisiert. In SVO-Sprachen
8.3 Postverbales Hintergrundmaterial |
211
führt dies im Falle minimal fokussierter Konstituenten zu einer rechtsperipheren Fokusposition, in SOV-Sprachen zu einer unmittelbar präverbalen Fokusposition, da hier das Verb per Default an der rechten Satzperipherie realisiert sein muss. Bei intermediärem und maximalem Fokus ist sowohl in SVO- als auch in SOV-Sprachen das fokussierte Material rechtsperipher realisiert. Alle vier Beispiele entsprechen dem nicht. Junghanns (2001: 332−333) zeigt für eine Reihe slavischer Sprachen, dass auch hier Hintergrundmaterial postfokal, d.h. rechtsperipher, realisiert sein kann. Ein häufiger und einfach nachvollziehbarer Kontext sind Frage-Antwort-Paare. Das folgende russische bzw. obersorbische Beispiel illustriert dies: (265)
a. Kto ubi-l
starux-u? wer töten-pst.sg.m alte.Frau-acc
‘Wer hat die alte Frau getötet?’ b. [FOC Neznakomec] ubi-l
starux-u. Unbekannter töten-pst.sg.m alte.Frau-acc
‘Ein UNbekannter hat die alte Frau getötet.’¹⁰ (Russisch; Junghanns 2001: 333) (266)
a. Hdy sy
posledni raz do Budyšin-a je-ɫ? wann aux.2sg letzter Mal nach Bautzen-gen fahren-ptcp.pst
‘Wann bist du das letzte Mal nach Bautzen gefahren?’ b. [FOC Před třomi
tydźenj-emi] sy-m posledni raz do vor drei.ins Woche-ins.pl aux-1sg letzter Mal nach Budyšin-a je-ɫ. Bautzen-gen fahren-ptcp.pst
‘Vor drei WOchen bin ich das letzte Mal nach Bautzen gefahren.’ (Obersorbisch; Junghanns 2001: 333) In diesen Beispielen liegt natürlicher Fokus vor, die satzinitiale Realisierung der minimal fokussierten Konstituente kommt daher unerwartet. Junghanns (2001: 333) argumentiert dennoch, dass das Prinzip der rechtsperipheren Fokusrealisierung auch in diesen Beispielen bewahrt ist. Ihm zufolge wird der gesamte Satz kopiert, rechts an CP adjungiert und das Material des Satzes komplementär getilgt. Die Motivation für Adjunktion an CP liegt darin, dass für die folgende komplementäre Tilgung das Material in beide Richtungen füreinander zugänglich sein muss. Gemäß
10 Es ist anzumerken, dass die Wortstellung Staruxu ubil neznaKOmec. genauso grammatisch und pragmatisch adäquat ist in diesem Kontext. Dennoch kann auch die gezeigte Struktur auftreten, weshalb sie hier besprochen wird.
212 | 8 Fokusrealisierungen
dem Prinzip der rechtsperipheren Fokusrealisierung wird im Ausgangssatz postfokales Material getilgt; im kopierten Satz wird komplementär das im Ausgangssatz verbliebene Material getilgt. Die beiden Schritte werden in den Abbildungen 8.12 und 8.13 schematisiert. CP
CP
CP
Neznakomec ubil staruxu.
Neznakomec ubil staruxu.
Abb. 8.12: Rechtswärtige Defokussierung − Kopie
CP
CP
CP
[FOC Neznakomec] ubil staruxu.
Neznakomec ubil staruxu.
Abb. 8.13: Rechtswärtige Defokussierung − Tilgung
Diese Analyse kann problemlos auf die obigen Beispiele (261) bis (264) übertragen werden, Abbildung 8.14 zeigt den Tilgungsschritt für Beispiel (264). CP
CP
CP
[-wh]
VP [FOC]
amiː guluwurba ilatt’a
amiː guluwurba ilatt’a
Abb. 8.14: Rechtswärtige Defokussierung im Ewenkischen (Satz (264))
Hier wird ebenso der gesamte Satz kopiert, rechts an CP adjungiert und das Material des Satzes komplementär getilgt. Im folgenden Schritt wird nun in der ur-
8.3 Postverbales Hintergrundmaterial |
213
sprünglichen CP nicht postverbales Hintergrundmaterial getilgt, sondern in der Fokusdomäne intervenierendes Hintergrundmaterial. Hierbei ist vorherige Bewegung von Konstituenten aus der Fokusdomäne hinaus möglich (vgl. auch unten stehende Diskussion zu gebundenen Ausdrücken), diese müssen dann entsprechend nicht in der ursprünglichen CP getilgt werden. Die vorgeschlagene Analyse wirkt plausibel, muss jedoch belegt werden. Rechtsperiphere Fokusrealisierung im Satz korreliert mit der entsprechenden rechtsperipheren Realisierung des Fokusakzents (Junghanns 2002a: 30). Ist postfokales bzw. postverbales Hintergrundmaterial tatsächlich satzextern realisiert, dann ist entsprechend eine Intonation mit einem flachen Verlauf der Grundfrequenz zu erwarten. Junghanns (2001: 335) zeigt, dass das in slavischen Sprachen tatsächlich der Fall ist. Für die hier untersuchten Sprachen kann dies exemplarisch am dolganischen Beispiel (267) gezeigt werden. (267)
[...] [FOC atak hɨɡɨnn’ak] taba-laː-ˇccˇ ɨ-bɨt bihigi [...] Fuß nackt Rentier-vbz-hab-1pl 1plpro ‘[Damals gab es aber keine Stiefel, nichts,] mit nackten FÜßen sind wir mit den Rentieren gegangen, [mit wessen Nahrung, ich wuchs mit dem Anteil meiner Großmutter auf].’ (Dlg_KiPP_KuNS_200211_LifeManyChildren_conv.KiPP.009)
Abb. 8.15: Flache Intonation von postverbalem Hintergrundmaterial (Satz (267))
Hier ist das Adverbial atak hɨɡɨnn’ak minimal fokussiert, das Subjekt bihigi wird zwischen Adverbial und Verb basisgeneriert, muss also wegbewegt werden. Es
214 | 8 Fokusrealisierungen
wird postverbal realisiert, prosodisch ist ein flacher Verlauf der Grundfrequenz nach atak hɨɡɨnn’ak zu beobachten, vgl. Abbildung 8.15. Die flache Intonation von postverbalem Hintergrundmaterial untermauert seine satzexterne Realisierung. Ein weiteres Argument für diese Annahme ist die Realisierung von gebundenen Ausdrücken in satzperipheren Positionen. Kılıçaslan (2004: 745) zeigt, dass im Türkischen gebundene Ausdrücke wie beispielsweise emphatische Reflexivpronomina in bestimmten Konstruktionen vor ihrem Antezedens stehen können. Satz (268a) stellt die kanonische Realisierung der Konstruktion dar, hier folgt der gebundene Ausdruck seinem Antezedens, in Satz (268b) ist diese Reihenfolge bei postverbaler Realisierung des Reflexivpronomens bewahrt. In Satz (268c) hingegen ist das Antezedens postverbal realisiert: (268)
a. Kayai kendi-nii
Kaya selbst-acc
[FOC çok beğen-iyor]. sehr zufrieden.sein-prog.3sg
‘Kaya ist sehr zufrieden mit sich selbst.’ b. Kayai [FOC çok beğeniyor] kendinii . c. Kendinii [FOC çok beğeniyor] Kayai . (Türkisch; Kılıçaslan 2004: 745) Es ist in diesen Beispielen zu erklären, wie das Antezedens den gebundenen Ausdruck c-kommandiert. Jeder Knoten, der das Antezedens dominiert, muss auch den gebundenen Ausdruck dominieren. Außerdem muss das Antezedens in einer hierarchisch gleichrangigen oder höheren Strukturposition realisiert sein als der gebundene Ausdruck. In (268a) ist dies offensichtlich der Fall (unabhängig davon, ob Kaya als Topik realisiert ist oder nicht), in (268b) und (268c) ist dies nicht so offenkundig. Für (268b) folgt daraus, dass das postverbale Material in einer hierarchisch niedrigeren Position realisiert sein muss als Kaya, was gegen eine Realisierung als Adjunkt von CP sprechen würde. In (268c) liegt das Problem darin, dass der gebundene Ausdruck linear im Satz vor seinem Antezedens steht. Da, wie in Abschnitt 8.2 gezeigt werden konnte, auch bei minimalem Fokus in der gesamten VP kein Hintergrundmaterial stehen darf, muss kendini VP-extern realisiert sein. Als Objekt des Satzes liegt eine Realisierung in SpecAgrO P nahe. Das wiederum hat zur Folge, dass Kaya in einer Strukturposition realisiert sein muss, welche SpecAgrO P c-kommandiert. Unter anderem aufgrund dieser Verhältnisse schlägt Kılıçaslan (2004: 746−747) für das Türkische vor, eine nicht-konfigurationale Ebene E oberhalb von S (also in der hier verwendeten Terminologie: CP) anzunehmen, auf welcher sowohl links- als auch rechtsperipher realisiertes Hintergrundmaterial realisiert ist. Abbildung 8.16 zeigt dies, Abbildung 8.17 zeigt die rekonstruierte Syntax von (268b) und (268c). Weil die Ebene E nicht konfigurational konstruiert ist, kann in allen gezeigten Konstellationen das Antezedens Kaya den gebundenen Ausdruck kendini c-
8.3 Postverbales Hintergrundmaterial |
E
E
...
S
215
...
Kayai Kendinii
...
S
kendinii . Kayai .
çok beğeniyor
Abb. 8.16: Syntax von E nach Kılıçaslan (2004)
Abb. 8.17: Syntax von (268b) und (268c) nach Kılıçaslan (2004)
kommandieren. Die Annahme einer nicht-konfigurationalen Ebene widerspricht jedoch dem Prinzip des Binary Branching (vgl. Kayne (1984)), einer zentralen Annahme der Generativen Syntax. Es kann im Rahmen dieser Arbeit keine detaillierte Diskussion des Binary Branching erfolgen, es wird hier den Annahmen Kaynes zunächst gefolgt − zu verknüpften Problemen siehe Diskussion weiter unten. Daraus folgt, dass Kılıçaslans Analyse nicht in dieser Form angenommen werden kann. Darüber hinaus liegt bei Anwendung des Leipziger Modells das Problem vor, dass Kılıçaslan (2004: 754) annimmt, dass auch Topiks in S-externen Positionen realisiert werden. Dies widerspricht der Analyse von zumindest internen Topiks, welche in Abschnitt 7.1 entwickelt wurde. Die Analogie der Grundgedanken in den Analysen von postverbalem Hintergrundmaterial im LM und bei Kılıçaslan sind jedoch nicht zu übersehen, vgl. die Abbildungen 8.18 bzw. 8.19. CP
CP
CP
AgrS P
[-wh]
DP
Kayai çok kendinii beğeniyor. VP [FOC]
Kayai ti [TOP]
V’
kendinii
V’
AdvP beğeniyor
çok
Abb. 8.18: Syntax von (268b)
216 | 8 Fokusrealisierungen
CP
CP
CP
AgrO P
[-wh]
VP [FOC]
DP
Kendinii
Kayai çok kendinii beğeniyor.
V’
DP
Kayai
ti
V’
AdvP beğeniyor
çok
Abb. 8.19: Syntax von (268c)
Meiner Meinung nach kann also auf die linke Adjunktion von Hintergrundmaterial an S bzw. CP verzichtet werden, es liegen genug mögliche Landeplätze für Hintergrundmaterial in der funktionalen Superstruktur des Satzes vor. Rechte Adjunktion von Hintergrundmaterial an CP entspricht hingegen weitestgehend der Analyse Kılıçaslans. Offensichtlich ist bei dieser syntaktischen Analyse im Output des Satzes weiterhin keine c-Kommandierung von Kaya und kendini gegeben. Es kann jedoch problemlos angenommen werden, dass die c-Kommando-Beziehung schon vor Kopie und Tilgung der CP etabliert wird, sodass Kaya und kendini aneinander gebunden sind. Die Kopie der CP und die komplementäre Tilgung des Materials sind nachgelagert, um den korrekten Output für die Performanzsysteme A-P und C-I zu generieren. Mit der vorliegenden Analyse muss keine linke satzexterne Position für Hintergrundmaterial angenommen werden, sondern lediglich eine rechte satzexterne Position. Das Prinzip des Binary Branching muss somit nicht verletzt werden. Es ist nun zu untersuchen, ob die angenommene Analyse für das Türkische auf die Objektsprachen angewendet werden kann. Für das Nganasanische, Dolganische und Ewenkische konnten in der Tat Belege gefunden werden, in denen das Antezedens eines gebundenen Ausdrucks postverbal realisiert ist; für das Enzische ließ sich im vorliegenden Material leider kein einschlägiges Beispiel finden. Das Pronomen ngan. ŋonə ist ein intensivierendes Pronomen (vgl. russ. sam), das mit einem Possessivsuffix auf sein Antezedens hinweist; letzteres ist normalerweise
8.3 Postverbales Hintergrundmaterial |
217
entweder kovert realisiert oder steht vor dem Pronomen. Im Dolganischen handelt es sich bei beje-beje um ein Reziprokpronomen, im Ewenkischen ist mon ein Reflexivpronomen.
Ma-ti-t’iŋ ŋonə-ntuŋi Zelt-dst-acc.pl.poss3pl selbst-obl.poss3pl melɨ-ðɨ-ɡə-tɨ-ʔ nɨ-ʔi , [...] machen-drv-iter-aor-3pl Frau-pl
(269)
‘Die Fraueni machten selbsti (die) Zelte, [die Männer gingen nur jagen].’ (Ng_TNK_0805_Life_nar.010)
[...] beje-beje-leri-geri etih-eːˇccˇ i-te selbst-selbst-poss3pl-dat/loc sich.streiten-ptcp.hab-poss3sg h⁀ uok-tar ogo-lor-buti taːk daːɡanɨ. neg-3pl Kind-pl-poss1pl so emph
(270)
‘[Sanftmütige, sie hatten keinen Streit,] unsere Kinderi stritten nicht miteinanderi .’ (Dlg_KiPP_KuNS_200211_LifeManyChildren_conv.KiPP.160)
Nu mon-məi təti-wu-l-da-n nuŋani ptcl selbst-rfl.poss.sg anziehen-tr-inch-aor-3sg 3sgpro
(271)
‘Eri fing an, sichi selbst anzuziehen.’ (Evn_N_ChAD_2011_StoryAboutLife_nar.036)
CP
CP
Nu
CP
CP
VP
[-wh]
nuŋani
nuŋani monməi tətiwuldan.
V’
monməi tətiwuldan Abb. 8.20: Postverbales Antezedens im Ewenkischen (Satz (271))
218 | 8 Fokusrealisierungen
Die vorliegenden Beispiele sowie Abbildung 8.20 zeigen, dass auch in den Objektsprachen gebundene Ausdrücke ihr Antezedens postverbal realisiert haben können. Mit obiger Analyse ist dies zu erklären und zu rekonstruieren, wiederum ist von Bindung des gebundenen Ausdrucks an sein Antezedens vor Kopie der CP auszugehen. Sowohl anhand der Prosodie (flache Intonation von postverbalem Hintergrundmaterial) als auch anhand der Morphosyntax (postverbales Auftreten von Antezedenten) kann also gezeigt werden, dass die obigen Annahmen des LM zur Realisierung postverbalen Hintergrundmaterials richtig sind. Das entsprechende Material wird in der Ausgangs-CP generiert, kopiert, an CP adjungiert und anschließend komplementär getilgt. Mit diesem Mechanismus muss einerseits keine Bewegung im herkömmlichen Sinn aus CP heraus erklärt werden und andererseits kann erklärt werden, warum postverbal realisierte Antezedenten an einen koreferenten Ausdruck, der vor dem Verb steht, gebunden sein können. Diese Erklärung der zugrundeliegenden Syntax von postverbalem Hintergrundmaterial wiederum bekräftigt die in Abschnitt 8.2 gemachten Annahmen zur Derivation einer unmittelbar präverbalen Fokusposition, da somit eben gezeigt werden konnte, dass kein fokales Material in die Fokusposition bewegt wird, sondern Hintergrundmaterial aus der Fokusdomäne getilgt wird. An dieser Stelle ist noch auf zwei Phänomene einzugehen, die mit dem besprochenen Problemkreis zusammenhängen. Zum einen nennt Kılıçaslan neben den obigen Beispielen noch folgende weitere Beispiele mit gebundenen Ausdrücken und ihrem Antezedens: (272)
a. Kendi-nii Kayai [FOC çok beğen-iyor].
selbst-acc Kaya
sehr zufrieden.sein-prog.3sg
‘Kaya ist sehr zufrieden mit sich selbst.’ b. [FOC Çok beğeniyor] Kayai kendinii . c. [FOC Çok beğeniyor] kendinii Kayai . (Türkisch; Kılıçaslan 2004: 745) Satz (272a) und Satz (272b) sind mit den bisher gemachten Annahmen problemlos vereinbar. In Satz (272a) ist kendini wohl Topik des Satzes, weshalb es an AgrS P adjungiert, das Subjekt Kaya ist aus der Fokusdomäne herausbewegt und z.B. in SpecAgrS P realisiert. In Satz (272b) sind sowohl Kaya als auch kendini aus der Fokusdomäne exkludiert und postverbal realisiert. In Satz (272c) liegt hingegen das Problem vor, dass wiederum sowohl Kaya als auch kendini aus der Fokusdomäne exkludiert sind, die Reihenfolge beider jedoch getauscht ist. Um die linear korrekte Abfolge zu erhalten, muss kendini also bereits vor Kopie und Tilgung aus der Fokusdomäne herausbewegt worden sein. Es bleibt dann jedoch fraglich, warum
8.3 Postverbales Hintergrundmaterial |
219
es nicht an seinem Landeplatz (z.B. SpecAgrO P) bleiben kann, sondern ebenfalls aus der ursprünglichen CP getilgt und in der adjungierten CP realisiert wird. Die vorliegenden Beispiele müssten in ihrem Kontext untersucht werden, um mögliche Motivationen für die eine oder die andere sprachliche Realisierung herauszufinden. Da das Türkische nicht im Kern der Betrachtung dieser Arbeit liegt, soll aber nicht weiter im Detail darauf eingegangen werden. In jedem Fall zeigen die Beispiele aber, dass die Rekonstruktion postverbalen Hintergrundmaterials auch im Falle gebundener Ausdrücke aus theoretischer Sicht problemlos möglich ist. Zum anderen soll noch einmal auf die Annahme Nedjalkovs (1997: 129) eingegangen werden, im Ewenkischen könne Material zur Hervorhebung, d.h. zur Fokussierung, satzinitial realisiert werden. Als Beispiel nennt Nedjalkov unter anderem folgende Sätze: (273)
a. [FOC Waː-re-n]
bejumimni motə-wa. töten-aor-3sg Jäger Elch-acc
‘Der Jäger TÖtete den Elch.’ b. [FOC Motə-wa] waː-re-n
bejumimni. Elch-acc töten-aor-3sg Jäger
‘Der Jäger tötete den ELCH.’ (Ewenkisch; Nedjalkov 1997: 129, Transkription und Glossierung angepasst) Zwar liegt Nedjalkov hier natürlich nicht falsch damit, dass die fokussierte Konstituente satzinitial steht, doch ist dies eine reine (und irreführende) Beschreibung ohne explanatorische Kraft. Betrachtet man die Beispiele vor dem Hintergrund der Analyse sowohl der präverbalen Fokusposition in Abschnitt 8.2 als auch der Analyse von postverbalem Hintergrundmaterial in diesem Abschnitt, so wird unmittelbar deutlich, dass es sich nicht um Bewegung der fokussierten Konstituente an den Satzanfang handelt, sondern um rechtswärtige Bewegung nicht-fokalen Materials. Insgesamt kann also festgestellt werden, dass in allen Objektsprachen (wenngleich für das Chantische nur in begrenztem Maße) postverbal realisiertes Hintergrundmaterial beobachtet werden konnte. Es handelt sich hierbei um rechtswärtig bewegtes Material; der Grund für die Bewegung liegt in der in Abschnitt 8.2 formulierten Fokus-Beschränkung, welche besagt, dass in der Fokusdomäne (d.h. in der kleinstmöglichen maximalen Projektion, welche sowohl die fokussierte Konstituente als auch das Verb enthält) kein Hintergrundmaterial erlaubt ist. Das Material wird durch einen Copy-Delete-Mechanismus rechtswärts bewegt: Die originale CP wird kopiert, adjungiert rechts an CP, das in CP enthaltene Material wird schließlich komplementär getilgt. Die Abbildungen 8.21 und 8.22 zeigen dies für die ewenkischen Beispiele (273a) und (273b).
220 | 8 Fokusrealisierungen
CP
CP
CP
[-wh]
[-wh]
VP
V’
DP
bejumimni
V’
DP waːren [FOC]
DP
VP
bejumimni
waːren
DP
motəwa
motəwa Abb. 8.21: Syntax von (Satz (273a)) CP
CP
CP
[-wh]
[-wh]
VP
V’
DP
bejumimni
DP
VP
V’
DP
waːren
motəwa [FOC]
bejumimni
DP
waːren
motəwa
Abb. 8.22: Syntax von (Satz (273b))
Mit dieser Analyse kann nicht nur postverbales Hintergrundmaterial an sich erklärt werden, sondern auch die Beziehung von gebundenem Ausdruck und Antezedens, wenn letzteres postverbal, d.h. getrennt vom gebundenen Ausdruck, auftritt: Die c-Kommando-Beziehung und somit die Bindung des gebundenen Ausdrucks zu seinem Antezedens wird bereits in der ursprünglichen CP vor Kopie und Tilgung etabliert. Schließlich konnte gezeigt werden, dass vermeintlicher satzinitialer Fokus im Ewenkischen (ähnliche Strukturen treten auch in den anderen Sprachen auf) durch eben den Mechanismus der rechtswärtigen Defokussierung erklärt werden kann.
8.4 Maximaler Fokus und die Unterscheidung kategorisch vs. thetisch
|
221
8.4 Maximaler Fokus und die Unterscheidung kategorisch vs. thetisch Häufig werden in der Literatur zu Informationsstruktur maximal fokussierte Sätze (auch sentence-focus, presentational sentence, vollrhematischer Satz) mit thetischen Sätzen gleichgesetzt. In diesem Abschnitt soll für die Objektsprachen untersucht werden, ob die Zusammenstellung dieser beiden Größen empirisch nachzuweisen ist. In Abschnitt 7.4 wurde bereits auf die Unterscheidung kategorisch vs. thetisch eingegangen. Es handelt sich hierbei um Begriffe aus der Urteilstheorie, wobei kategorische Urteile gegliedert (Oma hat mir gelbe Blumen geschenkt) und thetische Urteile ungegliedert (Es gibt gelbe Blumen) sind. Quintessenz war, dass kategorische und thetische Sätze nicht durch das (Nicht-)Vorhandensein eines konkreten Topiks unterschieden werden können. Zwar sind thetische Sätze topiklos und zwar liegt in den meisten kategorischen Sätzen ein konkretes Topik vor, doch konnte gezeigt werden, dass auch kategorische Sätze ohne konkretes Topik möglich sind. In diesem Abschnitt soll nun darauf eingegangen werden, ob die Unterscheidung kategorisch vs. thetisch mit Fokusrealisierungen, v.a. mit maximalem Fokus, zusammenhängt. Unstrittig und unmittelbar einleuchtend ist, dass kategorische Urteile bzw. Sätze unabhängig von der Fokusdomäne sind, obiges Beispiel kann die folgenden diagnostischen Fragen beantworten: 1. Was ist los? Worüber freust du dich so?, 2. Was hat Oma gemacht?, 3. Was hat Oma dir geschenkt?. Im ersten Fall liegt maximaler Fokus vor, im zweiten Fall intermediärer und im dritten Fall minimaler. In thetischen Sätzen hingegen muss notwendigerweise maximaler Fokus vorliegen (Junghanns 2002b: 177). Das ist intuitiv einleuchtend, da in thetischen Sätzen holistisch eine Gesamtsituation beschrieben wird und der Sprecher das gesamte Material im Satz fokussiert. Es stellt sich daher die Frage, ob kategorische und thetische Sätze sprachlich unterschieden werden können bzw. ob die Kategorien kategorisch und thetisch überhaupt linguistisch relevant sind. Junghanns (2002b: 176) zeigt für slavische Sprachen, dass sich thetische Sätze durch prosodische Subjektprominenz auszeichnen. Dies kann für die hier untersuchten Sprachen bestätigt werden, der Fokusexponent ist im Subjekt enthalten. Für das folgende dolganische Beispiel ist der Verlauf der Grundfrequenz in Abbildung 8.23 dargestellt: Der Fokusakzent liegt auf dem Subjekt, nach dem Subjekt fällt die Grundfrequenz ab. (274)
Biːr ogonn’or baːr e-bit. eins alter.Mann es.gibt sein-pst2.3sg ‘Es war ein alter Mann.’ (Dlg_AkEE_1990_PearlBeard_flk.002)
222 | 8 Fokusrealisierungen
Abb. 8.23: Verlauf der Grundfrequenz in einem thetischen Satz (Satz (274))
So stellt sich die typische Realisierung eines thetischen Satzes in den untersuchten Objektsprachen dar. Thetische Sätze korrelieren also mit maximalem Fokus, Topiklosigkeit (vgl. Abschnitt 7.4) und prosodischer Subjektprominenz. Es soll nun untersucht werden, ob diese Charakteristika diagnostisch für thetische Sätze sind. An demselben Beispiel (hier wiederholt als (275)) lässt sich zeigen, dass neben Topiklosigkeit auch maximaler Fokus kein diagnostisches Kriterium für einen thetischen Satz ist. Beispiel (275) antwortet im Kontext auf die Frage Was ist passiert?, es liegt ein Erzählbruch vor, vorher wird die Lebenssituation des Protagonisten beschrieben, nun beginnt die eigentliche Handlung; somit liegt maximaler Fokus vor, obgleich es sich um einen kategorischen Satz handelt. (275)
Biːrde Oɡur⁀ uo Bɨtɨk ilim kör-ün-e bar-bɨt. einmal Perle Bart Netz sehen-med-cvb.sim gehen-pst2.3sg ‘Einmal ging Perlenbart Netze kontrollieren.’ (Dlg_AkEE_1990_PearlBeard_flk.009)
Es bleibt das Kriterium der prosodischen Subjektprominenz bzw. der Realisierung des Fokusexponenten auf dem Subjekt. Ohne den Kontext von Beispiel (274) zu kennen, wäre der Satz auch eine mögliche Antwort auf die Frage Wen gab es?, also auf eine Frage, welche minimalen Fokus in der Antwort evoziert. Das mag in jenem Beispiel konstruiert erscheinen, ist im folgenden Beispiel jedoch intuitiv einleuchtend:
8.5 Kontrastfokus |
(276)
223
Krasnaj čumis-TAR kel-li-ler, bih⁀ ie-ke. Rotčumist-pl kommen-pst1-3pl 1plpro-dat/loc ‘Die ROTčumisten¹¹ kamen, zu uns.’ (Dlg_LaVN_KuNS_1999_FateOfANotherner_conv.LaVN.080)
Ohne Beachtung des Kontexts wäre der Satz eine pragmatisch adäquate Antwort sowohl auf die Frage Was ist [dann] passiert? (hier intendiert) als auch auf die Frage Wer kam?. Im ersten Fall liegt tatsächlich ein thetischer Satz mit maximalem Fokus vor, in letztem Fall jedoch ein kategorischer Satz mit minimalem Fokus auf dem Subjekt. Daher ist auch die Realisierung des Fokusexponenten auf dem Subjekt kein diagnostisches Kriterium für die Thetizität eines Satzes. Offenbar ist also die Unterscheidung kategorisch vs. thetisch im Zusammenhang mit informationsstrukturellen Gliederungen linguistisch nicht relevant. Zu demselben Ergebnis gelangen die Analysen von Junghanns (2002b) und Rosengren (1997). Für die untersuchten Sprachen bedeutet das, dass maximal fokussierte Sätze keineswegs per Definition thetische Sätze sind und diese häufig in der Literatur zu Informationsstruktur auftretende Annahme zurückgewiesen werden kann.
8.5 Kontrastfokus In den vorherigen Abschnitten ging es um die Realisierung von natürlichem bzw. nicht-kontrastivem Fokus in den Objektsprachen, im folgenden soll nun die Realisierung von Kontrastfokus im Mittelpunkt stehen. Kontrastfokus unterscheidet sich von nicht-kontrastivem Fokus darin, dass er mit einer geschlossenen Menge von Entitäten operiert. Stets wird eine gegebene Information kontrastiert und/oder korrigiert. In slavischen Sprachen führt Kontrastfokus nicht notwendigerweise zu syntaktischen Umordnungen, er ist im Satz also nicht positionsgebunden; stattdessen wird Kontrastfokus prosodisch durch eine steigend-fallende Grundfrequenz mit einem größeren Abfall als im Falle von nicht-kontrastivem Fokus markiert (Junghanns 2002a: 37−38). Da die syntaktische Realisierung von nicht-kontrastivem und kontrastivem Fokus unterschiedlich ist, wird für letzteren von der Zuweisung eines gesonderten Merkmals [FOCC ] ausgegangen (Junghanns 2002a: 37−38). Im Folgenden soll untersucht werden, wie Kontrastfokus in den Objektsprachen markiert wird.
11 Das Rote Čum war in der Sowjetzeit eine Organisation, welche die indigenen Völker in der Sowjetunion alphabetisieren sollte; die Mitglieder der Organisation werden entsprechend Rotčumisten genannt.
224 | 8 Fokusrealisierungen
In der Literatur finden sich kaum Angaben zur Markierung von Kontrastfokus. Siegl (2013a: 243, 368) gibt an, dass die Partikel an’ʔ im Enzischen u.a. kontrastiven Fokus markieren könne, wobei sie stets hinter der entsprechenden Konstituente stehe. Folgende Beispiele (Beispiel (278) wurde bereits in Abschnitt 4.2.3 erwähnt) nennt er u.a. für diesen Gebrauch: (277)
Bu soiða-an onai baða-an d’uri-ŋa, 3sgpro gut-advz wirklich Sprache-prol sprechen-aor.3sg d’urak baða-an an’ʔ očigo-on d’ori-ŋa, [...] nenzisch Sprache-prol foc schlecht-advz sprechen-aor.3sg ‘Er spricht gut Enzisch, Nenzisch aber spricht er schlecht, [er spricht kein Ewenkisch].’ (Waldenzisch; Siegl 2013a: 243, Transkription und Glossierung adaptiert)
(278)
Mod’ tin’ d’aɡu-ˇc uu an’ 1sgpro Rentier.pl.1sg nicht.existieren-3pl.pst 2sgpro foc ton¨a-ˇc. existieren-3pl.pst ‘Ich hatte keine Rentiere, du aber hattest welche.’ (Waldenzisch; Siegl 2013a: 368, Transkription und Glossierung adaptiert)
Zwar ist in diesen Beispielen die Kontrastierung der jeweiligen Proposition deutlich erkennbar, doch ist unklar, warum hier gerade die Konstituenten [d’urak baðaan] und [uu] kontrastiv fokussiert sein sollen. Ohne weiteren Kontext scheinen diese Konstituenten eher Topiks zu sein, über die kontrastiv etwas ausgesagt wird. Zumindest in Beispiel (278) mag zwar Kontrastfokus vorliegen, doch ist hier eher das Prädikat fokussiert als das Subjekt. Zur genaueren Analyse der Beispiele wären jedoch sowohl Kontext als auch prosodische Daten notwendig. Für das hier analysierte enzische Material kann weiter festgestellt werden, dass die Partikel an’ʔ bei insgesamt 53 Fällen von Kontrastfokus lediglich zweimal vorkommt; daher kann sie kaum als Marker für Kontrastfokus analysiert werden. Für das Ewenkische nennt Nedjalkov (1997: 128) die Partikel ələ (entspricht (h)ələ bei Rudnickaja (2018b)), welche Konstituenten kontrastiv hervorhebe, d.h. im hiesigen Sinne kontrastiv fokussiere. Als Beispiel nennt er folgendes: (279)
Bi nuŋan-ma-n ələ hanŋukta-d’a-m. 1sgpro 3sgpro-acc-poss3sg gerade fragen-fut-1sg ‘Ich sollte IHN fragen.’ (Ewenkisch; Nedjalkov 1997: 128, Transkription und Glossierung adaptiert)
Ohne den Kontext näher zu kennen, erscheint eine kontrastive Fokussierung von nuŋanman hier möglich, sodass dieses Beispiel tatsächlich eine Interpretation von
8.5 Kontrastfokus |
225
(h)ələ als Partikel zur Markierung von Kontrastfokus zuließe. Im untersuchten Material ist dieser Gebrauch allerdings marginal: Bei 30 Fällen von Kontrastfokus tritt (h)ələ nur zwei Mal auf, was wiederum kaum eine Beschreibung als Marker für Kontrastfokus zulässt. In Abschnitt 8.8 wird noch näher auf den Status von Fokuspartikeln bzw. -markern eingegangen. Für alle hier untersuchten Sprachen gilt, dass die Realisierung von Kontrastfokus in der Tat nicht an eine Position im Satz gebunden ist. Kontrastiv fokussierte Konstituenten können sowohl satzinitial als auch unmittelbar präverbal als auch postverbal bzw. rechtsperipher auftreten. Die folgenden Beispiele illustrieren das: (280)
[...] tɵːm jɛŋk pɛlək-nɐm kʉˇc mən-əʌ, [FOCc mɐː] dieser Sumpfsee Seite-appr wenn gehen-prs.3sg 1sgpro tɵːt ʌ’ɒːʌ’-ʌ’-əm. hier stehen-prs-1sg ‘[Wenn die Ente auf jene Seite des Sumpfsees geht, stehst du dort,] wenn sie auf diese Seite geht, stehe ICH dort.’ (Kha_Su_KeSD_KeII_1996_HuntingAdventure_nar.011)
(281)
[FOCc Turdagina] ee-jʔ famil’ia-ða. Turdagina Mutter-poss1sg Nachname-poss3sg ‘TurDAgina ist der Nachname meiner Mutter.’ (En_T_KoIP_20080716_MeineFamilie_nar.034)
(282)
[...] təti-rə [FOCc ŋarka-raa] bən’d’i-ka-ʔ jener-poss2sg Bär-lim alles-drv-pl b¨ut¨u-bta-rə-ʔə. ausdenken-att-drv-aor.3sg ‘[Ach, Junge, ich würde so etwas nicht machen, ich habe keinen Verstand,] der BÄR hat sich das alles ausgedacht.’ (Ng_KNT_960809_WildAnimals_flkd.159)
(283)
Min [FOCc biːr da ogo-nu] tɨ⁀ a-ɡa 1sgpro eins neg Kind-acc Tundra-dat/loc ogo-lom-motog-u-m. Kind-vbz-pst2.neg-ep-1sg ‘Ich habe nicht EIN Kind in der Tundra geboren.’ (Dlg_LaVN_KuNS_1999_FateOfANortherner_conv.LaVN.185)
226 | 8 Fokusrealisierungen
(284)
[FOCc Sulakiː] d’uː-dukə-wun hukti-l-lə-n. Fuchs Zelt-abl-poss1pl.exc laufen-inch-aor-3sg ‘Ein FUCHS lief aus unserem Zelt heraus.’ (Evn_S_AnVI_2007_SmallFox_nar.114)
Die kontrastive Fokussierung ist in (280) und (282) unmittelbar aus dem Satz ersichtlich. In (281) erzählt die Sprecherin von ihrer Mutter, nennt zunächst einen falschen Nachnamen und korrigiert sich dann selbst. (283) stammt aus einem Radiointerview. Hier erzählt die Interviewerin, dass dolganische Frauen ihre Kinder früher in der Tundra geboren hätten, die Interviewte antwortet darauf nun, dass sie kein einziges Kind in der Tundra geboren habe. In (284) geht es darum, dass Mutter und Kinder im Zelt sind, ein Glockenläuten hören und daraus schließen, dass ihre Rentiere zum Lager gekommen seien. Als die Mutter das Zelt öffnet, stellt sich aber heraus, dass es sich um einen Fuchs handelte, der am Lederriemen einer Glocke geknabbert hatte. In jedem Fall kontrastiert bzw. korrigiert die fokussierte Konstituente eine gegebene Information, es handelt sich also um eine kontrastive Fokussierung. Wie die Beispiele zeigen, ist keine besondere syntaktische Realisierung des Kontrastfokus zu beobachten. Eine vorläufige prosodische Analyse legt hingegen nahe, dass tatsächlich wie im Slavischen eine steigend-fallende prosodische Realisierung des Fokusakzents, mit höherem Fall der Grundfrequenz als bei nicht-kontrastiver Fokussierung, vorliegt, vgl. Abbildung 8.24 für Beispiel (284).
Abb. 8.24: Prosodische Realisierung von Kontrastfokus (Satz (284))
8.6 Verumfokus |
227
Es liegt also nahe zu vermuten, dass auch in den untersuchten Sprachen Kontrastfokus durch prosodische Mittel ausgedrückt wird. Allerdings müssten weitere detaillierte prosodische Untersuchungen durchgeführt werden, um genauere und sichere Aussagen treffen zu können. Da hier die syntaktische Realisierung von Informationsstruktur im Zentrum steht, ist dieser Aspekt jedoch nebensächlich. Bilanzierend kann man sagen, dass in den untersuchten Sprachen Kontrastfokus durch keinerlei morphosyntaktische Mittel (weder Wortstellung noch Fokuspartikeln oder Fokusmarker) eindeutig markiert wird. Der kontrastiv fokussierten Konstituente wird daher das Merkmal [FOCC ] zugewiesen, das eben nicht zu syntaktischen Umordnungen führt. Stattdessen wird Kontrastfokus auf prosodischer Ebene realisiert; vermutlich geschieht eine Realisierung wie in den slavischen Sprachen (steigend-fallender Fokusakzent mit höherem Fall der Grundfrequenz als im Fall von nicht-kontrastivem Fokus). Allerdings wird zur Untermauerung dieser Vermutung mehr Forschungsarbeit benötigt, die den Rahmen dieser Arbeit sprengt.
8.6 Verumfokus Verumfokus meint die Fokussierung des Wahrheitsgehalts einer im Diskurs bekannten Proposition (vgl. Höhle (1988)). Für das Slavische konnte gezeigt werden, dass Verumfokus nicht positionsgebunden im Satz ist und durch prosodische Mittel gekennzeichnet wird (Junghanns & Zybatow 2009: 691−692). Der Fokusakzent fällt bei Auftreten von Verumfokus entweder auf das finite Verb oder auf verifikationelle Satzadverbiale wie tatsächlich, wirklich o.ä. Wie Verumfokus in den hier untersuchten Objektsprachen realisiert wird, ist Gegenstand des folgenden Abschnitts. Angesichts der Tatsache, dass Verumfokus den Wahrheitsgehalt einer Aussage hervorhebt, liegt es nahe, im Kontext von polaren Fragen nach Realisierungen von Verumfokus zu suchen, da letztere eben genau den Wahrheitsgehalt einer Proposition erfragen können. Polare Fragen werden in den untersuchten Sprachen unterschiedlich gebildet. Das Chantische kennt keine morphosyntaktischen Mittel zur Markierung polarer Fragen, lediglich durch die Intonation wird ein polarer Fragesatz von einen Aussagesatz unterschieden (Csepregi & Gugán 2017: 24−25). Im Waldenzischen wird ein polarer Fragesatz nur bei zeitlicher Referenz auf die Vergangenheit vom Aussagesatz unterschieden, nämlich durch die Verwendung des Modus Interrogativ; bei anderer zeitlicher Referenz bleibt er unmarkiert (Siegl 2012: 400, 402). Die Beschränkung auf präteritale Referenz ist insofern nicht erstaunlich, als das Morphem des Modus Interrogativ -sa historisch auf ein Präteritumsuffix zurückgeht (Mikola 2004: 115). Im Tundraenzischen wird ein anderes Suffix im
228 | 8 Fokusrealisierungen
Modus Interrogativ verwendet (-ba), die Beschränkung auf präteritale Referenz gilt gemäß dem untersuchten Material auch hier. Der Grund mag darin liegen, dass vor allem Narrative und folkloristische Texte vorliegen, die eben am häufigsten auf die Vergangenheit referieren. Zentral für die Beantwortung der hier gestellten Fragen ist dieser Umstand nicht, in jedem Fall kann davon ausgegangen werden, dass im Enzischen polare Fragen entweder durch die Verwendung des Modus Interrogativ oder lediglich durch prosodische Mittel wie im Chantischen ausgedrückt werden. Im Nganasanischen werden polare Fragen, die ein Verb enthalten, obligatorisch mit dem Modus Interrogativ markiert (Wagner-Nagy 2019: 379). Im uo vor, die unmittelbar nach der zu erfraDolganischen liegt die Fragepartikel d⁀ genden Konstituente platziert wird (Artem’ev 2013b: 241). Im Ewenkischen gibt es keine morphosyntaktischen Mittel zur Markierung polarer Fragen, sie werden prosodisch markiert (Nedjalkov 1997: 4). Die folgenden Beispiele zeigen polare Fragen in den hier untersuchten Sprachen: (285)
Muj maː sorm-ɛm moˇcə-s-ən? vielleicht 1sgpro Tod-poss1sg voraussehen-pst-2sg ‘Hast du vielleicht meinen Tod vorausgesehen?’ (Kha_Ka_TaMK_1964_MannAusDemKnieDerFrau_flk.124)
(286)
Nɔɔn’iʔ mana, Šajtanka-d d’aðɔ-ba-dɔ? 1sgpro.lat sagen.aor.3sg Šajtanka-lat gehen-inter-2sg ‘Er sagte zu mir: „Bist du nach Šajtanka gegangen“?’ (En_T_KoIP_20080714_DreiSchamaninnen_nar.073)
(287)
Mənə ŋut’aʔ-ŋu-ŋ? 1sgpro.acc erlauben-inter-2sg ‘Erlaubst du mir [zu gehen]?’ (Ng_JSM_090809_Life_nar.083)
(288)
O-lor-ton hɨlaj-aːˇccˇ ɨ-ta h⁀ uok e-ti-git jener-pl-abl müde.werden-ptcp.hab-poss3sg neg aux-pst1-2pl d⁀ uo? q ‘Sind Sie von denen nicht müde geworden?’ (Dlg_KiPP_KuNS_200211_LifeManyChildren_conv.KuNS.072)
8.6 Verumfokus |
(289)
229
Jəˇs’o əː-jə ulɡuˇcən-ˇzə-m? noch was-acc.indef erzählen-fut-1sg ‘[Soll] ich noch etwas erzählen?’ (Evn_N_ArEP_2006_DifficultLife_nar.090)
Das einfachste Mittel, um auf derartige Fragen zu antworten, sind Partikeln bzw. Interjektionen mit der Bedeutung ja oder nein. Die folgenden Beispiele zeigen dies im Dolganischen (Satz (291) ist die Antwort auf Satz (288)). (290)
Eː, tuspa bolok-toN-OM-mut. affirm einzeln Balok-vbz-cvb.seq-1pl ‘[Hattet ihr euren eigenen Balok?] Ja, wir HATten unseren eigenen Balok.’ (Dlg_KiPP_KuNS_200211_LifeManyChildren_conv.KiPP.046)
(291)
H⁀ uok, bihigi beselerɡeː-ˇccˇ i-bit nabar⁀ uot. neg 1plpro sich.vergnügen-hab-1pl im.Gegenteil ‘Nein, wir haben uns im Gegenteil immer vergnügt.’ (Dlg_KiPP_KuNS_200211_LifeManyChildren_conv.KiPP.166)
Es ist fraglich, ob derartige affirmative bzw. negative Partikeln tatsächlich als Ausdruck von Verumfokus angesehen werden sollten. Zwar markieren sie genau den Wahrheitsgehalt einer (implizit vorliegenden) Aussage, doch ist kaum eine FokusHintergrund-Gliederung zu erkennen, in welche diese Markierung eingegliedert werden könnte. Weiterhin drücken diese Partikeln eben genau den Wahrheitsgehalt semantisch und logisch aus und akzentuieren ihn nicht im eigentlichen Sinne. Daher ist in diesem Fall keine Realisierung von Verumfokus im oben beschriebenen Sinne anzunehmen, auch wenn das Phänomen natürlich verknüpft ist. Beispiel (290) zeigt aber eine tatsächliche Realisierung von Verumfokus. Mit wir HATten unseren eigenen Balok wird der Wahrheitsgehalt dieser Aussage akzentuiert. Der Fokusakzent liegt hierbei auf dem Verb. Analoge Beispiele lassen sich für alle hier untersuchten Sprachen finden. Im Falle komplexer Verbformen, welche ohnehin recht selten sind, scheint der Fokusakzent auf dem Auxiliar bzw. auf der entsprechenden Partikel (wie im folgenden dolganischen Beispiel) realisiert zu sein. Für eine wirklich aussagekräftige Analyse dessen reichen die Belege im Korpus jedoch nicht aus.
230 | 8 Fokusrealisierungen
(292)
Heː, k¨om¨ol¨oh-u¨⁀o¨ k-teri-n [FOCv NAːda], [...] affirm helfen-ptcp.fut-poss3pl-acc man.muss ‘Ja, sie MÜSsen helfen, [die Kinder legen doch Schlingen aus, sie fischen, sie stellen Netze in den Seen.]’ (Dlg_KiPP_KuNS_200211_LifeManyChildren_conv.KiPP.166)
Bei negativen Verbformen stellt sich − wie bei komplexen affirmativen Verbformen − die Frage, auf welchem Element der Form der Fokusakzent realisiert wird. Das Chantische und das Dolganische (letzteres nur teilweise) verwenden Negationspartikeln zum Ausdruck von Standardnegation (Wagner-Nagy 2011: 60; Artem’ev 2013b: 205, 211), das Enzische, Nganasanische und Ewenkische hingegen verwenden ein flektierendes Negationsauxiliar (Wagner-Nagy 2011: 60; Bulatova & Grenoble 1999: 47). Es liegt nahe anzunehmen, dass der Fokusakzent bei Verumfokus auf dem Negationselement liegt, da eben das Negationselement die Falschheit der entsprechenden Aussage ausdrückt. Die Untersuchung des vorliegenden Materials zeigt, dass das auch tatsächlich der Fall ist. Als Beispiel kann folgender chantischer Satz dienen, der auf die Frage antwortet Sind deine Hände und Beine nicht erfroren?; es kann also unzweifelhaft von Verumfokus ausgegangen werden. (293)
[...] [FOCv əntə] pɛw-i. neg frieren-pass.3sg ‘[Ich zu ihm:] „Sie sind NICHT erfroren.“’ (Kha_Su_KeDA_1996_OldStory_nar.021)
Es fehlt nun noch die Betrachtung verifikationeller Satzadverbiale in den Objektsprachen. Im Chantischen treten einige zur Markierung von Verumfokus in Frage kommende Satzadverbiale auf, das folgende Beispiel zeigt eines von ihnen: (294)
˘ Muŋ as’e-w n’ur [FOCv ĂNta]. 1plpro Vater-poss1pl wirklich neg.ex ‘Unser Vater ist WIRKlich nicht da.’ (Kha_Ob_SyIM_1990_Squirrel_flk.007)
Es wäre nun zu erwarten, dass das verifikationelle Satzadverbial in derartigen Kontexten auch den Fokusakzent trägt. Das ist jedoch nicht der Fall. Im untersuchten Material lässt sich durchweg beobachten, dass auch bei Auftreten eines derartigen Adverbials der Fokusakzent auf dem Verb (bzw. im Falle non-verbaler Prädikation wie hier auf dem non-verbalen Prädikat) realisiert wird. Insofern sind die verifikationellen Satzadverbiale in den untersuchten Sprachen eher pleonastischer Natur. Im enzischen Material konnten keine wirklich eindeutigen Entsprechungen zu verifikationellen Satzadverbialen im engen Sinne gefunden werden. Es tritt
8.6 Verumfokus |
231
jedoch eine Konstruktion auf, in der ein Stamm iŋi- mit der Bedeutung ‘sicherlich; natürlich’ verbal flektiert und mit dem Konnegativ eines Vollverbs verbunden wird; diese Konstruktion scheint Verumfokus ausdrücken zu können: (295)
Iŋe-d kaða-ʔ, mana. sicherlich-2sg töten-cng sagen.aor.3sg ‘„SIcherlich wirst du [Rentierbullen] töten“, sagte er.’ (En_W_PaNS_199X_RentierbullenJagen_flk.072)
Die Interpretation dieser Konstruktion als Verumfokus wird dadurch unterstützt, dass der Fokusakzent auf iŋi- liegt und nicht auf der Konnegativform des Verbs. Weiterhin kennt das Enzische einen sogenannten counterfactive mood, dessen Gebrauch gemäß Siegl (2013a: 298) in Domänen erfolgt, in denen ein vom Sprecher nicht erwartetes Ereignis eintritt. Diese Konstellation legt zumindest nahe, dass derartige Kontexte als Ausdruck von Verumfokus verstanden werden könnten. Das folgende Beispiel zeigt den counterfactive mood im Enzischen: (296)
RAcij-χɔn d’uris-ʔ n’e-bauʔ. Funkgerät-loc sprechen-cng neg.aux-cf.1pl ‘Wir sprachen tatsächlich mit FUNKgeräten.’ (En_T_SiSD_20080808_RentiereEinfangen_nar.215)
In diesem Fall sprechen mindestens zwei Argumente gegen eine Interpretation als Verumfokus: Zum einen ist die vorliegende Proposition nicht im Diskurs vorerwähnt, wie es üblicherweise bei Verumfokus der Fall ist. Zum anderen liegt der Fokusakzent in diesem Satz auf dem Adverbial racijχɔn, daher liegt eher eine Interpretation als Kontrastfokus nahe. Darüber hinaus liegen im untersuchten Material insgesamt knapp 500 Instanzen des counterfactive mood vor, eine derart hohe Zahl an Verumfoki wäre zumindest in vorwiegend monologischen Texten sehr überraschend. Es kann daher zwar nicht ausgeschlossen werden, dass auch bei Auftreten des counterfactive mood Verumfokus realisiert werden kann, doch drückt er selbst sicherlich keinen Verumfokus aus. Im Nganasanischen gibt es eine Konstruktion, die dem enzischen iŋi- ähnelt. Hier liegt der Stamm ŋuəlɨ- mit der Bedeutung ‘natürlich’ vor: (297)
Tə ŋuəlɨ-m ŋut’a-KÜə-m, [...] nun natürlich-1sg erlauben-imp.fut-1sg ‘Nun, naTÜRlich erlaube ich [es], [aber ich lasse dich nicht gehen, ohne eine Mitgift zu bekommen.]’ (Ng_JSM_090809_Life_nar.084)
Im Gegensatz zum Enzischen verbindet sich der verbal flektierte Stamm ŋuəlɨ- jedoch nicht mit der Konnegativform eines Verbs, sondern mit einer finit flektierten
232 | 8 Fokusrealisierungen
Form. Weiterhin trägt im Nganasanischen in diesen Kontexten nicht ŋuəlɨ- den Fokusakzent, sondern das Verb. Neben dieser Konstruktion kennt auch das Nganasanische einige Satzadverbiale, die in Kontexten von Verumfokus gebraucht werden können, vgl. folgendes Beispiel: (298)
Sɨðɨrhəbtə kəu-jki⁀ a KANtu-ʔi-ðə muŋku-ʔ wirklich Elch-drv verstecken-aor-3sg.rfl Baum-gen.pl d’ərə. Mitte.latadv ‘Der Elch versteckte sich WIRKlich im Wald.’ (Ng_SEN_061025_Moose_nar.015)
Es fällt − ebenso wie im oben betrachteten Chantischen − auch hier auf, dass der Fokusakzent nicht auf dem verifikationellen Satzadverbial realisiert ist, sondern auf dem Verb. Dieses Muster findet sich auch im Dolganischen (vgl. Beispiel (299)); für das Ewenkische konnten im untersuchten Material keine verifikationellen Satzadverbiale gefunden werden. (299)
⁀ Üörek-ke ɨraːk bar-dɨ-LAR ile. Ausbildung-dat/loc weit gehen-pst1-3pl tatsächlich ‘Sie gingen tatSÄCHlich weit weg zur Ausbildung.’ (Dlg_LaVN_KuNS_1999_FateOfANortherner_conv.LaVN.090)
Auch in den hier untersuchten Sprachen wird Verumfokus also sprachlich realisiert. Da er ebenso wie Kontrastfokus positionell ungebunden ist, kann er nicht durch Zuweisung des gewöhnlichen Fokusmerkmals [FOC] realisiert werden. Stattdessen wird ebenso wie für Kontrastfokus ein gesondertes Merkmal angenommen, in diesem Fall [FOCV ]. Dieses wird derjenigen Konstituente zugewiesen, auf welcher der Fokusakzent des Satzes realisiert wird. In den untersuchten Sprachen ist das bemerkenswerterweise stets das Prädikat, auch dann, wenn pleonastische verifikationelle Satzadverbiale vorliegen. Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die Konstruktionen im Enzischen, wo ein derartiges Satzadverbial als Auxiliar fungiert, verbal flektiert und mit der Konnegativform des Hauptverbs verbunden wird. Im Nganasanischen flektiert das Satzadverbial ebenfalls verbal, es liegt jedoch zusätzlich ein flektiertes Verb vor. Zumindest im Enzischen führt die Konstruktion auch zur Akzentuierung dieses Elements. Aus syntaktischer Sicht ist daher zu bemerken, dass verifikationelle Satzadverbiale in den untersuchten Sprachen zwar auftreten, jedoch nicht Verumfokus markieren. Dies kann dadurch gezeigt werden, dass sie eben keinen Fokusakzent tragen und somit auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass ihnen das Merkmal [FOCV ] zugewiesen wird. Offen bleiben die genauen prosodischen Eigenschaften des Fokusakzents
8.7 [FOC] und FocP |
233
im Falle von Verumfokus. Da sie die obigen Analysen und Aussagen jedoch nicht tangieren, werden sie hier nicht detailliert behandelt.
8.7 [FOC] und FocP Das Leipziger Modell subsumiert alle drei Fokusmerkmale [FOC], [FOCC ] und [FOCV ] nicht unter die morphosyntaktischen Merkmale (vgl. Abschnitt 5.3), sondern versteht sie als informationsstrukturelle Merkmale. In diesem Abschnitt soll nun auf Grundlage der hier untersuchten Sprachen noch einmal darauf eingegangen werden. Die Konzeption der Fokusmerkmale als informationsstrukturelle Merkmale „befreit“ sie von den notwendigen strukturellen Eigenheiten morphosyntaktischer Merkmale. In diesem Kontext ist besonders wichtig, dass sie nicht zwangsläufig im Laufe der Derivation des Satzes abgeglichen werden müssen, wie es bei letzteren der Fall ist. Dies wiederum hat zur Folge, dass die Fokusmerkmale (ebenso wie die Topikmerkmale, vgl. Abschnitt 7.6) für die außersprachlichen Performanzsysteme − sowohl C-I als auch A-P − interpretierbar sein müssen, anderenfalls wäre das Prinzip der vollen Interpretierbarkeit (Chomsky 1986b: 98) verletzt. Weder aus theoretischer noch aus sprachbeschreibender Sicht spricht prinzipiell etwas dagegen. Dennoch ist zumindest anzumerken, dass im Rahmen des ökonomiebasierten Minimalistischen Programms Komponenten nur dann angenommen werden sollen, wenn sie unabdingbar sind. Damit ist die Annahme einer weiteren Merkmalsklasse neben den morphosyntaktischen Merkmalen ein recht großer Schritt, der entsprechend begründet werden muss. Ginge man davon aus, dass die Fokusmerkmale unter die morphosyntaktischen Merkmale subsumiert würden, so müsste die Projektion einer Fokusphrase FocP in der funktionalen Superstruktur des Satzes angenommen werden. In der kartographischen Schule (u.a. Rizzi (1997)) ist das auch der Fall. Wie im Falle anderer funktionaler Phrasen müsste das Fokusmerkmal der entsprechenden Konstituente mit dem Fokusmerkmal in der Fokusphrase abgeglichen werden. Hierfür müsste Bewegung (entweder overt oder kovert, s.u.) der entsprechenden Konstituente nach SpecFocP angenommen werden. Der einfachste Fall bei den vorliegenden SOV-Sprachen wäre ein transitiver Satz mit einem minimal fokussierten Objekt. In diesem Fall würde das topikale Subjekt nach SpecTopP bewegt werden, das minimal fokussierte Objekt nach SpecFocP und das Verb würde entweder an T adjungieren oder in situ verbleiben. Das enzische Beispiel (300) zeigt einen derartigen Satz, in Abbildung 8.25 ist die rekonstruierte Syntax unter Annahme der
234 | 8 Fokusrealisierungen
Projektion einer TopP und einer FocP dargestellt. Dieses Beispiel wäre also unter der Annahme der Projektion einer Fokusphrase (und einer Topikphrase) erklärbar. (300)
[...] [TOP nɛ-ʔ] [FOC pɛɛ] sˇ eda-ɡoɔ-ʔ. Frau-pl Schuh machen-dur-3pl ‘[Was machen die Frauen,] die Frauen machen SCHUhe.’ (En_W_BoAS_20090715_WieManEinLassoBenutzt_nar.059)
CP
TopP
[-wh]
DP
Top’
FocP
nɛʔi [TOP] [TOP] DP
Foc’
pɛɛj [FOC] [FOC]
VP
ti
V’
tj sˇ edaɡoɔʔ.
Abb. 8.25: Syntax von Fokus bei Annahme einer FocP (Satz (300))
In vielen Fällen, v.a. bei Auftreten von zusätzlichem Hintergrundmaterial − was eher der Standardfall als die Ausnahme ist − ist das jedoch nicht ohne weiteres möglich. Das dolganische Beispiel (301) zeigt einen derartigen Satz.
8.7 [FOC] und FocP |
(301)
235
[TOP Etiŋ ɨraːktaːɡɨ] u⁀ol-ɡa [FOC bastɨŋ taŋah-ɨ, Donner Zar Junge-dat/loc bester Kleidung-acc beje-ti-n karaːb-ɨ-n] ɨːt-ar. selbst-poss3sg-gen Schiff-poss3sg-acc schicken-prs.3sg ‘Der Zar Donner schickt dem Jungen die beste KLEIdung und sein eigenes SCHIFF.’ (Dlg_PoMA_1964_FoxDeceiver_flk.037)
Zwischen der Topikkonstituente und der minimal fokussierten Konstituente steht im dolganischen Beispiel also Hintergrundmaterial. Es bräuchte daher einen Landeplatz zwischen TopP und FocP. Für dieses Material könnte z.B. Adjunktion an FocP angenommen werden, damit wäre die lineare Ordnung im Satz korrekt dargestellt. Kritisch daran wäre jedoch, dass die eigentlich korrekte basisgenerierte Wortstellung dann zwei Bewegungen (das fokussierte direkte Objekt und in der Folge das indirekte Objekt) unterläge, die zu genau derselben Wortstellung im Output des Satzes führten. Das ist hinsichtlich sprachökonomischer Gesichtspunkte fragwürdig, kann aber noch mit Hinweis auf Last Resort erklärt werden, wenn diese Bewegungen (zumindest die Bewegung der fokussierten Konstituente) zum Merkmalsabgleich geschieht. Noch problematischer als dieser Gesichtspunkt ist die Tatsache, dass mit dem Hintergrundmaterial Material bewegt wird, dem kein Merkmal zugewiesen wird. Das widerspricht dem Prinzip Greed, gemäß welchem Konstituenten nur dann einer Operation unterliegen dürfen, wenn das zu ihrem eigenen „Nutzen“, zumeist zum Merkmalsabgleich, geschieht. Das ist hier nicht der Fall. Der Grund für die Bewegung des Hintergrundmaterials läge in der Zuweisung des Fokusmerkmals an die fokussierte Konstituente. Es könnte nun davon ausgegangen werden, dass das Fokusmerkmal schwach ist und somit keine overte Bewegung der fokussierten Konstituente nach SpecFocP verlangt. In diesem Fall wäre Beispiel (301) unproblematisch, da weder die fokussierte Konstituente noch das Hintergrundmaterial overt bewegt würden, sondern beide schlicht in einer basisgenerierten Position verbleiben könnten, was die korrekte Wortstellung erzeugt. Im folgenden dolganischen Beispiel ist das jedoch nicht ohne weiteres möglich: (302)
[FOC Abaːhɨ] egel-bit-e minigi-n. böser.Geist bringen-pst2-3sg 1sgpro-acc ‘Ein böser GEIST hat mich gebracht.’ (Dlg_KiMN_19900417_Milkmaid_flk.245)
In diesem Fall wird Hintergrundmaterial zwischen minimal fokussierter Konstituente und Verb wegbewegt (vgl. Abschnitt 8.3). Geht man nun davon aus, dass das Subjekt als minimal fokussierte Konstituente sein Fokusmerkmal mit dem Kopf
236 | 8 Fokusrealisierungen
der Fokusphrase abgleicht, so kann hieraus nicht die Bewegung des Hintergrundmaterials erklärt werden, wiederum wegen des Greed-Prinzips (s.o.). In Abschnitt 8.2 wurde daher vorgeschlagen, dass die Bewegung des Hintergrundmaterials aufgrund einer syntaktischen Beschränkung, welche kein Hintergrundmaterial in der Fokusdomäne erlaubt, geschieht. Das setzt jedoch voraus, dass eine Fokusdomäne interpretierbar markiert ist: Im Fall abgeglichener Fokusmerkmale wäre das nicht der Fall, weshalb auch keine syntaktische Beschränkung formuliert werden könnte, derentwegen Hintergrundmaterial aus dieser Fokusdomäne herausbewegt würde. Die empirischen Daten der untersuchten Sprachen zeigen für eine unmittelbar präverbale Fokusposition also, dass die syntaktische Derivation minimal fokussierter unmittelbar präverbal realisierter Konstituenten nicht durch den Abgleich eines morphosyntaktischen Fokusmerkmals erfolgen kann. Analog kann dies auch nicht im Fall von intermediärem oder maximalem Fokus erfolgen, da die Bezugsdomäne des Fokusmerkmals nicht im Merkmal selbst festgeschrieben ist, sondern erst durch die Zuweisung des Merkmals an eine entsprechende Konstituente deutlich wird. Außerdem ist gerade im Falle von maximalem Fokus fraglich, wie die gesamte CP − overt oder kovert − nach SpecFocP, also in eine Strukturposition in sich selbst, hineinbewegt werden soll. Derartige Bewegungen sind im Framework der Generativen Syntax nicht vorgesehen. Im Falle von Kontrastfokus und Verumfokus spielen solche Probleme der linearen Wortfolge keine Rolle, da beide nicht positionsgebunden sind. Es könnte also davon ausgegangen werden, dass sie durch Abgleich der Merkmale [FOCC ] bzw. [FOCV ] mit dem Kopf der Fokusphrase realisiert werden. Aufgrund der positionellen Ungebundenheit wäre naheliegend anzunehmen, dass die Merkmale schwach sind. Die empirischen Daten der hier untersuchten Sprachen widersprechen dem nicht. Jedoch ist fraglich, warum diese beiden Merkmale morphosyntaktische Merkmale sein sollen, wenn das Merkmal für nicht-kontrastiven Fokus [FOC] nicht als morphosyntaktisches Merkmal konzipiert werden kann. Näherliegend ist, eben auch für [FOCC ] und [FOCV ] anzunehmen, dass es sich um gesonderte informationsstrukturelle Merkmale handelt. Schließlich ist, wie auch im Fall des Topikmerkmals, anzumerken, dass die Annahme morphosyntaktischer Fokusmerkmale zur Folge hätte, dass diese im Laufe der Derivation des Satzes getilgt werden müssten (Prinzip der vollständigen Interpretierbarkeit) und mithin eben nicht mehr interpretierbar für die außersprachlichen Performanzsysteme sind. Dies ist jedoch gerade im Fall informationsstruktureller Phänomene zu bezweifeln, da sie dem Satz ja eine bestimmte Interpretation zuschreiben, also interpretiert werden müssen. Außerdem wird ihre Interpretierbarkeit für das Funktionieren der syntaktischen Beschränkung, aufgrund welcher Hintergrundmaterial aus der Fokusdomäne herausbewegt wird, benötigt. Es ist zu schlussfolgern, dass nicht von der Subsumierung der Fokus-
8.8 Fokusmarker und Fokuspartikeln |
237
merkmale [FOC], [FOCC ] und [FOCV ] unter die morphosyntaktischen Merkmale ausgegangen werden kann, sondern sie ebenso wie das Topikmerkmal [TOP] als für die außersprachlichen Performanzsysteme interpretierbare informationsstrukturelle Merkmale konzipiert werden.
8.8 Fokusmarker und Fokuspartikeln In der Forschung zu Informationsstruktur wurde für einige hier untersuchte Sprachen (Chantisch, Enzisch und Ewenkisch) die Existenz von sogenannten Fokuspartikeln bzw. Fokusmarkern postuliert. Als Fokuspartikeln bzw. Fokusmarker werden in dieser Arbeit sprachliche Einheiten verstanden, die Fokus hinreichend und/oder notwendig markieren. Wann immer sie auftreten, muss also entweder eine Fokusmarkierung hinreichend interpretierbar sein oder sie müssen notwendig zur Fokusmarkierung sein. Im Folgenden soll nun empirisch überprüft werden, ob die in der Forschung genannten Einheiten tatsächlich dieses Kriterium erfüllen. Für das Chantische werden vor allem die additive Partikel pa und die etymologisch aus einem anaphorischen Demonstrativpronomen entstandene Partikel s’i genannt (Nikolaeva 1999b: 38; Kudrinskij et al. 2014: 781). Kudrinskij et al. (2014: 781−782) schreiben der Partikel pa den Ausdruck von sogenanntem „additivem Fokus“ zu, der Partikel s’i den Ausdruck von Kontrastfokus, vgl. folgende Beispiele: (303)
Petja=pa wuʌi weʌ-s. Petja=add Rentier töten-pst.3sg ‘Auch PEtja tötete ein Rentier.’ (Nordchantisch, Kazym; Kudrinskij et al. 2014: 782, Transkription und Glossierung adaptiert)
(304)
Petja wuʌi=s’i weʌ-s. Petja Rentier=foc töten-pst.3sg ‘Petja tötete ein RENtier, [und keinen Hasen].’ (Nordchantisch, Kazym; Kudrinskij et al. 2014: 782, Transkription und Glossierung adaptiert)
Tatsächlich ist in Beispiel (303) die Interpretation von Petja als Fokus ohne Kontext schwierig. Erstaunlich wäre allerdings seine Realisierung an der linken Satzperipherie, also in der eigentlichen Topikposition, wenn es sich um die Realisierung eines natürlichen Fokus handelt. Die mutmaßliche Fokusinterpretation scheint eine Folge der additiven Funktion der Partikel pa zu sein: Es wird ausgedrückt, dass es neben Petja noch mindestens eine weitere Person gibt, welche auch ein Rentier
238 | 8 Fokusrealisierungen
getötet hat. Krifka & Musan (2012: 21) zeigen, dass einer additiven Interpretation funktional Kontrastfokus zuzuordnen ist. Damit wäre zumindest die positionelle Ungebundenheit im obigen Beispiel erklärt. Wenn also pa tatsächlich zum Ausdruck von Kontrastfokus (semantisch in additiver Lesart) gebraucht wird, so wäre zu erwarten, dass die Partikel im Korpus regelmäßig in der Kombination mit Kontrastfoki auftritt. Im untersuchten Material kann ein derartiger Gebrauch jedoch weder für das Kazymchantische noch für andere Dialekte nachgewiesen werden. Die Partikel pa tritt zwar recht häufig auf (328 Tokens), deckt jedoch eine derartige Bandbreite an Funktionen ab, dass kaum von einer Fokuspartikel gesprochen werden kann. Sie kann beispielsweise in Attributposition mit der Bedeutung ‘anderer’ oder als Konjunktion mit der Bedeutung ‘und’ verwendet werden; schließlich kann sie als emphatische Partikel sogar in der Verbindung mit Topiks verwendet werden: (305)
˘ [TOP Naŋ] pa nes [FOCc ăsa] us’-t-en. 2sgpro emph nun alles wissen-prs-2sg.obj ‘[Als dein Vater lebte, lebte er, aber er hatte keine Ahnung, was es im Wald gibt.] Und/Aber du weißt nun ALles.’ (Kha_Ob_SyIM_1990_WonderfulBaby_flk.078)
Noch unsicherer ist eine schlüssige Interpretation der Funktionsweise der Partikel s’i: Kudrinskij et al. (2014: 781−782) beobachten eine Markierung von Kontrastfokus, während Nikolaeva (1999b: 38) von der minimalen Fokussierung des Verbs spricht. Das hier gesichtete Material spricht nicht für eine Korrelation der Partikel s’i mit der Fokusmarkierung, weder mit der Markierung von minimalem Fokus auf dem Verb noch mit der Markierung von Kontrastfokus. Beide Partikeln pa und s’i sind im Chantischen also nicht als Fokuspartikeln zu analysieren. Zwar mag gerade die Partikel pa aufgrund ihrer additiven Semantik häufig mit fokussierten Konstituenten auftreten, doch ist ihr Auftreten weder hinreichend noch notwendig für die Fokusinterpretation einer entsprechenden Konstituente im Satz. Im Kazymchantischen treten − wie in Abschnitt 4.2.2 beschrieben − kurze und lange Dativ- bzw. Akkusativformen im Kasusparadigma der Personalpronomina auf. Gemäß Klumpp (2012: 364, 368) markieren die langen Formen die Zugehörigkeit des Personalpronomens zur Fokusdomäne des Satzes. Im hier untersuchten kazymchantischen Material treten zu wenige einschlägige Fälle auf (sieben Akkusativformen, neun Dativformen), um statistisch valide Aussagen treffen zu können. Die wenigen vorhandenen Belege scheinen die These jedoch zu stützen, vgl. Beispiele (306) und (307). In Beispiel (306) geht es darum, dass die Zugvögel nach Süden fliegen und der Auerhahn sie bittet, ihn mitzunehmen. Die anderen Vögel raten ihm ab, und nun fleht er sie an, ihn dennoch mitzunehmen; daher liegt hier die minimale Fokussierung des Verbs nahe. Die Exkludierung des Personalpronomens aus der Fokusdomäne kann ferner durch seine postverbale Realisierung gezeigt
8.8 Fokusmarker und Fokuspartikeln |
239
werden. In Beispiel (307) hingegen ärgert sich eine Mutter über ihre Kinder, im vorliegenden Satz wird in erlebter Rede berichtet, warum sie sich ärgert. Daher ist zumindest intermediärer Fokus anzunehmen, in der Konsequenz ist das Personalpronomen in die Fokusdomäne inkludiert. (306)
Tɵp [FOC wuj-ati] manət panən! doch nehmen-imp.2pl 1sgpro.acc mit ‘NEHMT mich doch mit!’ (Kha_Ka_VaSA_1964_SchneeweißeFedern_flk.018)
(307)
[FOC Manətti an ʌaːqət-s-əŋən], [...]. 1sgpro.acc neg warten-pst-3du ‘Sie haben nicht auf mich geWARtet, [sie haben Uka Schopije im VOraus gekocht].’ (Kha_Ka_TaMK_1964_UkaSchopije_flk.064)
Diese differentielle Markierung von Personalpronomina erinnert unmittelbar an zwei Phänomene sowohl in weiteren uralischen als auch in nicht verwandten Sprachen. Die langen Dativformen im Kazymchantischen sind morphologisch als Kombination von Possessiv- und Kasussuffix zu analysieren (man-em ‘1sgproposs1sg’ vs. man-em-a ‘1sgpro-poss1sg-dat), die langen Akkusativformen als Kombination von Kasussuffix und emphatischer Partikel (man-ət ‘1sgproacc’ vs. man-ət-ti ‘1sgpro-acc-emph) (Honti 1984a: 72). Strukturell ähnliche Bildungsweisen finden sich in vielen uralischen Sprachen, z.B. Wepsisch (< ostseefinnisch < finnougrisch < uralisch) minu-hu ‘1sgpro-ill’ vs. minu-hu-in ‘1sgpro-ill-poss1sg’ (Grünthal 2015: 276). Eine Analyse des Gebrauchs der Formen in Anlehnung an Klumpp (2012) liegt nahe, ginge jedoch über den Skopus dieser Arbeit weit hinaus. Weiterhin erinnern die differentiellen pronominalen Objektpronomina im Kazymchantischen zumindest formal an pronominale Objektklitika in romanischen sowie in west- und südslavischen Sprachen (vgl. Kuchenbrandt et al. (2005), Fischer (2002) und Franks (2009)). Eine kontrastive Analyse geht jedoch auch hier über den Skopus dieser Arbeit hinaus. Für das Enzische wird die Partikel an’ʔ als kontrastive Fokuspartikel genannt (Siegl 2013a: 243, 268), in Abschnitt 8.5 konnte jedoch bereits gezeigt werden, dass es sich hierbei nicht um eine Fokuspartikel handelt. Weiter ist in den Daten von Khanina & Shluinsky (2017) das Suffix enzW. -kɔo ∼ -ɡɔo ∼ -χɔo bzw. enzT. -kɔa ∼ -ɡɔa ∼ -χɔa mit foc glossiert, weshalb seine Funktion als möglicher Fokusmarker hier besprochen werden soll. Siegl (2013a: 173) bezeichnet es als indefinit-emphatisches Suffix, Sorokina (2010: 246) beschreibt es als Derivationssuffix für Indefinitpronomina. Einen Zusammenhang mit Fokusmarkierung geben beide nicht an. Auch im vorliegenden untersuchten Material kann kein Zusammenhang zwischen genann-
240 | 8 Fokusrealisierungen
tem Suffix und Fokusmarkierung festgestellt werden, im folgenden Satz sind sogar sowohl Topik als auch Fokus des Satzes mit eben diesem Suffix markiert: (308)
[TOP Sira nɔɔ-χɔa] ud’a-ku-ðɔ-naʔ [FOC kunɔ-χɔa-ð] Winter auf-foc Fleisch-dim-dst-poss1pl wo-foc-abl kɔː-ɔbi-ʔ n’e-bauʔ. finden-hab-cng neg.aux-cf.1pl ‘Im Winter finden wir immer irgendWO Fleisch für uns.’ (En_T_TuSU_20090816_Leben_nar.029)
Das Suffix enzW. -kɔo ∼ -ɡɔo ∼ -χɔo bzw. enzT. -kɔa ∼ -ɡɔa ∼ -χɔa ist also eher als in irgendeiner Form emphatisches Suffix zu bezeichnen, welches, wie von Siegl und Sorokina erwähnt, u.a. Indefinitpronomina bilden kann. Diese Analyse wird gestützt durch das etymologische Kognat -ɡ¨uə im Nganasanischen, wo es nach Wagner-Nagy (2019: 541−542) genau diese Funktion ausübt und keinen Fokus markiert. Wie in Abschnitt 4.2 beschrieben schreibt Rudnickaja (2018b: 210−211, 214) im Ewenkischen sowohl dem delimitativen Affix -riktV als auch der Partikel (h)ələ zumindest fokusinduzierende Funktion zu. Für das delimitative Affix -riktV ist Ähnliches zu beobachten wie für die additive Partikel pa im Chantischen: Sicherlich liegt durch die Semantik dieser Elemente eine Fokusinterpretation der entsprechenden Konstituente nahe, doch bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass hierdurch Fokus markiert wird. Das folgende Beispiel zeigt genau das: (309)
Taduk tas-t’a-wun [FOC n’amad’i əŋnəkoːn-mə], [FOC von.dort treiben-pst-1pl.exc hundert Kalb-acc hujukoː-riktə-l-wə]. Männchen-lim-pl-acc ‘Von dort trieben wir hundert KÄLber und nur [einige] MÄNNchen.’ (Evn_N_PaAI_2007_HereILiveFor20Years_nar.056)
Zwar ist die mit -riktV markierte Konstituente [hujukoːriktəlwə] in der Tat minimal fokussiert, ebenso jedoch die Konstituente [n’amad’i əŋnəkoːnmə], wo diese Markierung fehlt. Es kann somit wiederum nicht davon ausgegangen werden, dass -riktV ein Fokusmarker im oben beschriebenen Sinne wäre. Für die Partikel (h)ələ wurde schon in Abschnitt 8.5 kontra Nedjalkov (1997: 128) festgestellt, dass sie nicht als Marker für Kontrastfokus zu analysieren ist. (h)ələ verhält sich tatsächlich eher als emphatische Diskurspartikel wie z.B. russisch vot. Der folgende Satz zeigt eindrucksvoll, wie es sowohl nach dem Topik des Satzes als auch mitten in der Fokusdomäne stehen kann:
8.9 Zusammenfassung |
(310)
241
[TOP Taduː] hələ [FOC t’ehn’ikum-mə hələ mana-m] [...]. dort emph Technikum-acc emph beenden-aor.1sg ‘Dort beendete ich das TECHnikum, [es hieß „Landwirtschaftstechnikum für die Vorbereitung führender Kader der Kolchosen und Sowchosen“.].’ (Evn_N_KoAN_2007_StoryAboutLife_nar.030)
Eine Interpretation von (h)ələ als Fokuspartikel ist daher kaum möglich. Dasselbe gilt für die im vorliegenden Korpus mit foc glossierten Klitika -kV, -tV und -dV. Insgesamt folgt also, dass in den untersuchten Sprachen keine der in der Literatur genannten Fokuspartikeln bzw. Fokusmarker als solche in engerem Sinne analysiert werden können. Zwar begünstigen sie aufgrund ihrer Semantik als additive oder delimitative Elemente sicherlich eine Fokusinterpretation der entsprechenden Konstituente, doch ist ihr Auftreten weder notwendig noch hinreichend dafür.
8.9 Zusammenfassung In diesen Abschnitten standen die Fokusrealisierungen in den Objektsprachen im Zentrum der Betrachtung. Zunächst einmal konnte festgestellt werden, dass das Default-Prinzip der rechtsperipheren Fokus-Realisierung (DPFR) (vgl. Junghanns (2002a: 30)) bei nicht-kontrastivem Fokus auch in den Objektsprachen gilt. Im Falle von maximalem und intermediärem Fokus ist dies trivial, da die fokussierte CP bzw. VP ohnehin rechtsperipher realisiert ist. Im Falle von minimalem Fokus konnte festgestellt bzw. bestätigt werden, dass SVO-Sprachen eine tatsächlich rechtsperipher und postverbal realisierte Fokusposition aufweisen, während SOV-Sprachen eine unmittelbar präverbale Fokusposition aufweisen. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass die Schwankung der Wortstellung SOV ∼ SVO im Nganasanischen, Dolganischen und Ewenkischen auch zu einer Schwankung der Fokusposition führt. Im Falle von SVO-Sprachen und einer rechtsperipheren, postverbalen Fokusposition kommt das Prinzip der rechtsperipheren Realisierung von Fokus offensichtlich zum Tragen, im Falle von SOV-Sprachen jedoch letztendlich auch, geht man davon aus, dass Verbfinalität ein unabänderliches Strukturkriterium dieser Sprachen ist und minimal fokussierte Konstituenten deshalb nur in der „zweitbesten“ rechtsperipheren Position, nämlich unmittelbar präverbal, realisiert werden können. Für die zugrundeliegende Syntax der Fokusrealisierungen konnte gezeigt werden, dass der fokussierten Konstituente das Fokusmerkmal [FOC] zugewiesen wird. Dies führt zur prosodischen Realisierung eines Fokusakzents auf dieser Konstituente sowie ggf. zu syntaktischen Umordnungen. Für eine rechtsperiphere, postverbale Fokusposition konnte − wie in slavischen Sprachen − rechte Adjunk-
242 | 8 Fokusrealisierungen
tion an VP gezeigt werden. Für eine unmittelbar präverbale Fokusposition konnte keine dementsprechende Strukturposition ermittelt werden. Stattdessen wird diese lineare Abfolge durch die Bewegung von Hintergrundmaterial aus der sogenannten Fokusdomäne (kleinstmögliche maximale Projektion, welche sowohl die fokussierte Konstituente als auch das Verb enthält) deriviert. In der Terminologie und Typologie von É. Kiss (1995) und Surányi (2016) sind die Objektsprachen also zwar fokusprominent, nicht aber fokuskonfigurational. Weiterhin konnte beobachtet werden, dass Hintergrundmaterial regelmäßig postverbal realisiert werden kann, was zunächst dem Prinzip der rechtsperipheren Realisierung von Fokus widerspricht. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass derartige Strukturen diesem Prinzip nicht widersprechen, da sie durch einen CopyDelete-Mechanismus deriviert werden, wobei die gesamte CP kopiert wird, an CP adjungiert und Material komplementär getilgt wird. Gestützt wird die Korrektheit dieser Analyse einerseits durch die flache Intonation von postverbalem Hintergrundmaterial und andererseits durch das Verhalten von postverbal realisierten Antezedenten gebundener Ausdrücke. Während die Realisierung von nicht-kontrastivem Fokus also syntaktische Umordnungen zur Folge hat, sind sowohl Kontrastfoki als auch Verumfoki positionell ungebunden. Beide werden prosodisch markiert, genauere Untersuchungen wären hier wünschenswert. Zum Verumfokus ist hinzuzufügen, dass verifikationelle Satzadverbiale interessanterweise nicht den Fokusakzent tragen, sondern auch im Falle ihres Auftretens der Fokusakzent auf dem Verb bzw. non-verbalen Prädikat realisiert ist, die Satzadverbiale also pleonastisch sind. Da sich sowohl Kontrast- als auch Verumfokus somit prinzipiell von nicht-kontrastivem Fokus unterscheiden, werden die gesonderten Merkmale [FOCC ] und [FOCV ] angenommen. In der Literatur wurde die Existenz einer Reihe von Fokusmarkern bzw. Fokuspartikeln für die Objektsprachen postuliert. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass keine genannte Einheit den Kriterien für eine Analyse als Fokusmarker bzw. -partikel standhält. In keinem Fall konnte beobachtet werden, dass die jeweilige Einheit Fokus entweder hinreichend oder notwendig markiert. Meistens liegt lediglich eine Semantik vor (z.B. Additivität, Limitation), die statistisch mit der Realisierung von Fokus korrelieren mag, jedoch in keiner Weise obligatorisch eine Fokusinterpretation induziert. Schließlich konnte die Analyse des objektsprachlichen Materials untermauern, dass die Subsumierung der Fokusmerkmale [FOC], [FOCC ] und [FOCV ] unter die morphosyntaktischen Merkmale nicht möglich ist, weder aus empirischer noch aus theoretischer Sicht. Gerade die unmittelbar präverbale Fokusposition und ihre syntaktische Derivation durch Bewegung von Hintergrundmaterial aus der Fokusdomäne hinaus ist nicht mithilfe eines morphosyntaktischen Merkmals [FOC] und einer entsprechend projizierten FocP abbildbar. Aus diesen sowie aus prinzipiellen
8.9 Zusammenfassung |
243
Gründen (Frage der Interpretierbarkeit) sind die Fokusmerkmale ebenso wie das Topikmerkmal als informationsstrukturelle Merkmale zu konzipieren.
9 Informationsstatus 9.1 Allgemeines In Kapitel 6 wurde gezeigt, dass die Topik-Kommentar-Gliederung und die FokusHintergrund-Gliederung nicht ausreichen, um alle diskursrelevanten sprachlichen Phänomene hinreichend zu beschreiben. Auf der Grundlage von den Überlegungen in Molnár (1991) zu einer möglichen Thema-Rhema-Gliederung sowie Überlegungen von Prince (1992) zur Markierung von Diskursreferenten wurden Merkmale bzw. Merkmalsbündel entwickelt, die den Informationsstatus eines Diskursreferenten beschreiben. Diskursreferenten können alt oder neu im Diskurs, jedoch auch alt oder neu für den Hörer sein. Formalisieren lässt sich das mithilfe der Merkmale [±diskursalt] und [±höreralt]. Ebenso wie die Topik- und Fokusmerkmale gehören diese Merkmale nicht zu den morphosyntaktischen Merkmalen, sondern sind als informationsstrukturelle Merkmale zu verstehen, die im Laufe der Derivation des Satzes nicht abgeglichen werden müssen. Den aus diesen Merkmalen resultierenden Merkmalsbündeln können nun Informationsstatus zugewiesen werden: [+diskursalt, +höreralt] entspricht dem Informationsstatus given, [−diskursalt, +höreralt] entspricht accessible und [−diskursalt, −höreralt] entspricht new; das Merkmalsbündel [+diskursalt, −höreralt] tritt aus logischen Gründen nicht auf. Jeder Diskursreferent hat bei jedem Auftreten im Diskursuniversum einen bestimmten Informationsstatus. Sprachlich bedeutet dies, dass jeder referierenden Einheit bei jedem Auftreten im Diskurs ein entsprechendes Merkmal bzw. Merkmalsbündel zugewiesen wird. Die Zuweisung dieses Merkmalsbündels kann sich in der sprachlichen Realisierung der jeweiligen referierenden Einheit niederschlagen, muss es jedoch nicht zwangsläufig. Einerseits variieren Sprachen in der Realisierung von Informationsstatus, z.B. kann das Deutsche den Informationsstatus given durch den Gebrauch eines definiten Artikels ausdrücken, während in vergleichbaren Kontexten das Russische den entsprechenden Diskursreferenten bzw. die auf ihn referierende sprachliche Einheit nicht markiert: (311)
Darauf führte sie sie zu einer kleinen alten Dame [...] hüteten sich aber wohl, der alten Dame während des Abends zum zweitenmal nahezukommen. (Lew Tolstoi, Krieg und Frieden, Kapitel 2)
https://doi.org/10.1515/9783110716337-009
9.1 Allgemeines |
(312)
245
[...] podvodi-l-a ich k malen’k-oj starušk-e hinführen-pst-sg.f 3plpro.acc zu klein-dat alte.Frau-dat [...] otchodi-l-i ot starušk-i, čtob už ves’ večer weggehen-pst-pl von alte.Frau-gen um schon ganz Abend ni razu ne podoj-ti k nej. nicht einmal neg hingehen-inf zu 3sgpro.f.dat ‘id.’ (Russisch; Lew Tolstoi, Vojna i mir, Kapitel 2, eigene Glossierung)
Andererseits kann die Markierung von Informationsstatus auch idiolektaler Variation unterliegen. Im folgenden Text wäre es ebenso möglich, die estnische Politikerin Kallas beim zweiten Auftreten im Text nicht mit ihrem vollen Namen zu nennen, sondern zu pronominalisieren; die Referenz mit dem Pronomen sie wäre hier pragmatisch ebenso angemessen: (313)
„Jetzt beginnt die wirkliche Arbeit, eine Regierung zu bilden und das Land mit Vernunft zu führen“, sagte Reformparteichefin Kallas am Wahlabend dem Sender ETV/ERR. Die Ekre-Partei sei keine Option, ansonsten lägen aber „alle Koalitionsoptionen auf dem Tisch“. Zugleich sprach Kallas von großen Meinungsverschiedenheiten mit der Zentrumspartei unter anderem bei Steuer- und Bildungspolitik. (Artikel zur Parlamentswahl in Estland, tagesschau.de¹, 4.3.2019)
Es gilt nun zu untersuchen, welche sprachlichen Realisierungen von Informationsstatus in den hier untersuchten Sprachen vorliegen. Wenig überraschend ist, dass der Informationsstatus new fast ausnahmslos durch volle DPs realisiert wird: (314)
I iki wɵ-s. eins alter.Mann leben-pst.3sg ‘Es lebte ein alter Mann.’ (Kha_Ka_JuTA_2001_MannSuchtFrau_flk.001)
(315)
Baχuʔɔ-ða keðer kaða. alter.Mann-poss3sg wildes.Rentier töten.aor.3sg ‘Der alte Mann tötete ein wildes Rentier.’ (En_T_KoIP_20080714_FellVomRentierbein_nar.021)
1 https://www.tagesschau.de/ausland/estland-parlamentswahl-107.html, Zugriff: 6.3.2019.
246 | 9 Informationsstatus
(316)
D’aŋur-u-ʔ n’i-ni təj-t’¨u Tundra-ep-gen.pl auf-locadv existieren-aor.3sg ŋəð-ə turku. Schamane-ep.gen See ‘In der Tundra gibt es einen Schamanensee.’ (Ng_MACh_940809_ShamanLake_flkd.001)
(317)
Biːr kos-ko ulakan buːs kolbuja tur-ar. eins Zimmer-dat/loc groß Eis Truhe stehen-prs.3sg ‘In einem [der] Zimmer steht eine große Eistruhe.’ (Dlg_AkEE_1990_PearlBeard_flk.031)
(318)
Nu tiːkin ulgur-d’a-m on kiran-ˇcikan-mə nun jetzt erzählen-fut-1sg wie Adler-dim-acc d’awa-ˇcaː-wun šolila. fangen-pst-1pl.exc oben.am.Fluss ‘Nun, jetzt erzähle ich, wie wir oben am Fluss einen kleinen Adler gefangen haben.’ (Evn_S_BoGP_2009_SmallEagle_nar.001)
Vorerwähnte Referenten, also Referenten mit dem Informationsstatus given, können ebenfalls durch volle DPs ausgedrückt sowie auch pronominalisiert werden. Die folgenden Beispiele zeigen pronominalisierte Referenten mit dem Informationsstatus given in den Objektsprachen: (319)
˘ Tuw sˇ eŋk arə rupijt-əs, kăt s’emja uχtija. 3sgpro sehr viel arbeiten-pst.3sg zwei Familie für ‘[Meine Mutter sah während ihres Lebens keine guten Sachen, sie sah viel schlechtes Leben.] Sie arbeitete sehr viel, für zwei Familien.’ (Kha_Sh_MaKI_1936_MeineMutter_nar.002)
(320)
Bu kɔdu-da min ad’i. 3sgpro Schlitten-obl.poss3sg auf sitzen.aor.3sg ‘[Ein alter Mann fährt auch mit ihnen.] Er sitzt auf dem Schlitten.’ (En_W_GlES_20100715_MärchenJunge_flk.064)
(321)
Sɨtɨ munu-ntu: [...] 3sgpro sagen-aor.3sg ‘[Ich fragte meinen Sohn: „Welches Mädchen liebst du“?] Er sagte: [„Ich liebe dieses Mädchen“.].’ (Ng_KED_71_Relationship_nar.004)
9.1 Allgemeines |
(322)
247
Gini-ni kɨtta elbek uskaːn kel-⁀ ie. 3sgpro-acc mit viel Hase kommen-fut.3sg ‘[Ladet ihren Schamanen ein!] Mit ihm werden viele Hasen kommen.’ (Dlg_ErSV_1964_OldManHares_flk.018)
(323)
Nuŋan baldi-s’aː-n ŋ’əkəndə-du həɡdi həɡdi 3sgpro geboren.werden-pst-3sg Ekonda-dat/loc groß groß həɡdi əkun-du. groß was-dat/loc ‘[Ich erzähle jetzt über meine selige Mutter Natalja Jakolevna Udygir.] Sie wurde in Ekonda geboren, in einer großen, großen, großen Dings [= Familie].’ (Evn_N_UdVI_2008_MyMother_nar.002)
Personalpronomina zur anaphorischen Markierung von Diskursreferenten, wie hier gezeigt, treten in den untersuchten Sprachen jedoch relativ selten auf. Anstelle von Personalpronomina können auch Demonstrativpronomina verwendet werden, vgl. hierzu auch den Abschnitt 9.2.4. Die eher marginale Rolle von Personalpronomina in derartigen Kontexten ist dadurch zu erklären, dass die untersuchten Sprachen durch ihre reichhaltige Verbalmorphologie Person und Numerus des Subjekts eindeutig kodieren, sodass in einschlägigen Kontexten das Pronomen auf der Satzoberfläche nicht realisiert sein muss. Im Chantischen, Nganasanischen und Enzischen können darüber hinaus auch direkte Objekte und ihr Numerus in der Verbalmorphologie markiert werden, sodass auch diese nicht auf der Satzoberfläche realisiert sein müssen. Die folgenden Beispiele zeigen Referenten mit dem Informationsstatus given, welche nicht overt auf der Satzoberfläche realisiert sind: (324)
˘ S’˘ıtlna pro pro put-a m˘ot-s-əte. dann 3sg 3du Kessel-lat hineinlegen-pst-3sg.obj.du/pl ‘[Er hackte das Mädchen und den Jungen in kleine Stücke.] Dann legte er sie in den Kessel.’ (Kha_Sh_MaKI_193X_KaufmannKnecht_flk.222)
(325)
pro pro d’u-gon masu-j-ða. 3sg 3pl Fett-loc waschen-pl.obj-aor.3sg.obj ‘[Er kroch schnell durch den Bettvorhang. Alle Leute auf dem Bett,] er schmierte sie mit Fett ein.’ (En_W_BoDS_199111_ZweiMärchen_flk.091)
248 | 9 Informationsstatus
(326)
pro pro ma-tu d’a konda-ʔa-tu. 3sg 3sg Zelt-obl.poss3sg all bringen-aor-3sg.obj ‘Sie [eine Menschenfresserin] brachte ihn [Djajku] zu ihrem Zelt.’ (Ng_ChZS_080212_Djajku_flkd.007)
(327)
[...] pro uː ih-i-nen hɨld’-ar. 3sg Wasser Inneres-poss3sg-ins gehen-prs.3sg ‘[Der Fisch ist kein Rentier,] er bewegt sich im Wasser.’ (Dlg_PoNA_19910207_Fishing_nar.081)
(328)
pro oro-r-wo isə-s’i-ŋkiː-n. 3sg Rentier-pl-acc sehen-dur-pst.iter-3sg ‘[Meine selige Mutter hackte tagsüber Holz.] Sie hütete die Rentiere.’ (Evn_N_TuMD_2011_FatherWentToVillage_nar.010)
Neben diesen aus typologischer Sicht recht verbreiteten Strategien zur Realisierung von Diskursreferenten treten in den hier untersuchten Sprachen zwei interessante Phänomene auf, die eine nähere Untersuchung erfordern: Zum einen Possessivsuffixe, welche in nicht-possessiver Funktion gebraucht werden, und zum anderen die objektive Konjugation in den uralischen Sprachen Chantisch, Enzisch und Nganasanisch, deren Auftreten in der Literatur in der einen oder anderen Weise mit informationsstrukturellen Phänomenen in Verbindung gebracht wird. In den folgenden beiden Abschnitten soll untersucht werden, ob und ggf. wie diese beiden Phänomene mit der Realisierung von Informationsstatus in den Objektsprachen interagieren.
9.2 Possessivsuffixe in nicht-possessiver Funktion Alle in dieser Arbeit untersuchten Sprachen kennen Possessivsuffixe, die prototypisch attributive Possessivität innerhalb einer Nominalphrase ausdrücken. Hierbei referieren sie auf Person und Numerus des Besitzers, vgl. folgende Beispiele: (329)
[...] bəjkaʔa-mə as’a i-s¨uə. alter.Mann-poss1sg Dolgane sein-pst.3sg ‘[Dort heiratete ich dann meinen Mann,] mein Mann war Dolgane.’ (Ng_ASS_161024_Life_nar.020)
9.2 Possessivsuffixe in nicht-possessiver Funktion |
(330)
249
Amin-mə-s wa-saː-tin. Vater-acc-poss2sg töten-pst-3pl ‘Sie töteten deinen Vater.’ (Evn_N_UdVN_2007_Riflemen_flk.056)
In einigen Kontexten jedoch drücken sie eindeutig keine possessive Relation aus: Im folgenden dolganischen Beispiel erzählt die Sprecherin von ihren eigenen Kindern, diese sind dennoch mit dem Possessivsuffix der 2. bzw. 3. Person Singular markiert: (331)
Heː, Biːˇce-ŋ onno olor-or N’ukuː-tu-n affirm Vitja-poss2sg dort leben-prs.3sg Nikolaj-poss3sg-acc kɨtta. mit ‘Ja, Vitja lebt dort mit Nikolaj.’ (Dlg_KiPP_KuNS_200211_LifeManyChildren_conv.KiPP.186)
Dieses Phänomen tritt im Chantischen, Enzischen, Nganasanischen und Dolganischen auf. Im ewenkischen Material konnte es − entgegen den Annahmen von Pakendorf (2007: 231−232) − nicht beobachtet werden. In traditionellen Ansätzen (Honti 1984a: 89−90; Tereščenko 1973: 217−218; Tereščenko 1979: 95; Grönbech 1936: 92−93) wird sowohl für uralische Sprachen als auch für Turksprachen berichtet, dass Possessivsuffixe (in uralischen Sprachen v.a. 2. und 3. Person Singular; in Turksprachen 3. Person Singular) Definitheit von Nomina ausdrücken könnten. In jüngeren Ansätzen (Nikolaeva 2003: 141−142; Zayzon 2015: 274; Siegl 2015: 75−85; Janda 2019: 137−151) hingegen wird davon ausgegangen, dass Possessivsuffixe in nicht-possessiver Funktion informationsstrukturelle Phänomene ausdrücken, die im hier verwendeten Framework der Ebene des Informationsstatus zuzurechnen sind. Da Definitheit und Informationsstatus zwei sehr eng miteinander verwandte Konzepte sind (Lyons 1999: 233), ist dies nicht verwunderlich. Im Folgenden wird zunächst der nicht-possessive Gebrauch des Possessivsuffixes der 3. Person Singular und anschließend der 2. Person Singular in den Objektsprachen untersucht. Weiter wird auf das Possessivsuffix der 1. Person Plural eingegangen, welches ebenfalls nicht-possessive Funktionen ausübt, jedoch in etwas anderen Domänen auftritt als erstgenannte Formen. Schließlich werden Konvergenzen und Divergenzen aufgezeigt und diese ggf. in einen arealen Zusammenhang gebracht.
9.2.1 Possessivsuffix der 3. Person Singular Das Possessivsuffix der 3. Person Singular kann in allen vier relevanten untersuchten Sprachen einen Referenten mit dem Informationsstatus given-active
250 | 9 Informationsstatus
markieren, also einen Referenten, der im unmittelbaren Prätext genannt wurde (im selben Satz oder im Satz zuvor). Die folgenden Beispiele illustrieren das: (332)
Kontext: In einem dichten Wald leben zwei Frauen. Eine Por-Frau und eine Mos-Frau².
˘ ˘ Por-niŋ ime-l kat n’awrem taj-əl: [...] Por-Frau Frau-poss3sg zwei Kind haben-prs.3sg ‘Die Por-Frau hat zwei Kinder: [ein Mädchen und einen Jungen].’ (Kha_Ob_SyIM_1990_PorAndMos_flk.003) (333)
Kontext: Die alte Frau fand ein Kind. Ein kleines Kind.
Čiki neɔ-ku-ða aɡa-ʔa kane-j. dieser Kind-dim-poss3sg groß-trl verlassen.aor.3sg-excl ‘Dieses kleine Kind wurde groß.’ (En_T_TuZA_20080723_Märchen_flk.089) (334)
Kontext: Das Rentier versteckte sich.
Kuə t’¨uhə-ɡ¨uə-nɨ təmuŋku huul’i-ʔə etwas Zeit-emph-locadv Maus finden-aor.3sg taa-mtu. Rentier-acc.poss3sg ‘Nach einer Weile fand die Maus das Rentier.’ (Ng_TAM_68_Reindeer_flkd.009) (335)
Kontext: Er [= Chopochuka] ging und ging und traf einen Wolf.
Börö-tö tur-a ekkireː-bit. Wolf-poss3sg aufstehen-cvb.sim springen-pst2.3sg ‘Der Wolf sprang auf.’ (Dlg_PoXN_19701118_Chopochuka_flk.046) In allen Beispielen ist eindeutig, dass das Possessivsuffix keine possessive Relation ausdrückt, sondern anaphorisch auf einen Referenten aus dem vorherigen Diskurs verweist. Ähnliche Beispiele lassen sich in allen Sprachen für Kontexte finden, in welchen das Possessivsuffix einen Referenten mit dem Informationsstatus giveninactive markiert, also einen Referenten, welcher zwar vorerwähnt ist, dessen
2 Por und Mos bezeichnen die beiden Phratrien im chantischen Gesellschaftssystem.
9.2 Possessivsuffixe in nicht-possessiver Funktion
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251
letztes Auftreten aber mindestens zwei Sätze vor dem aktuellen Satz zurückliegt. Die folgenden Beispiele zeigen das: (336)
Kontext: Uka Schopije rodelt jeden Abend auf einem Hügel, bis es dunkel wird. [...] Der nächste Tag kam.
Is’iti Uka Šɵːpije is’i rɛp-əʌ-a man-əs. genauso Uka Schopije auch Hügel-poss3sg-lat gehen-pst.3sg ‘Uka Schopije ging wieder auf den Hügel.’ (Kha_Ka_TaMK_1964_UkaShopije_flk.019) (337)
Kontext: Er brachte sein Rentier über den Fluss. Er fuhr mit einem Boot. Dort tötete er das Rentier. Er versteckte das Fleisch und kam zurück.
Udu-da cˇ ikɔχɔð sera-ða. Boot-obl.poss3sg dann festbinden-aor.3sg.obj ‘Das Boot band er dann fest.’ (En_T_TuZA_20080723_Märchen_flk.112) (338)
Kontext: Der Menschenfresser sagt: „Was für einen Schlitten du hast. [...] Lass uns tauschen.“ [...] Djajku war sehr froh. Er sprang auf den Schlitten und fuhr davon.
Təndə s’iɡiʔə-mtɨ koi-d’iə. dieser.gen Menschenfresser-acc.poss3sg lassen-pst.3sg ‘Den Menschenfresser ließ er zurück.’ (Ng_ASS_161023_Djajku1_flkd.017) (339)
Kontext: Wir waren alle zusammen, in Kurja wurden wir zu einer neuen Kolchose. [...] Dann...
Kalkoːh-u-n tojot-tor-but bar-an Kolchose-poss3sg-gen Vorsitzender-pl-poss1pl gehen-cvb.seq ih-el-ler, [...]. aux-prs-3pl ‘Unsere Vorsitzenden der Kolchose gehen weg, [und alle die gut arbeiteten, gingen weg].’ (Dlg_LaVN_KuNS_1999_FateOfANortherner_conv.LaVN.140) Die vorausgegangenen beiden Beispielblöcke suggerieren ein relatives homogenes Bild des Auftretens des Possessivsuffixes der 3. Person Singular. Unter qualitativen Gesichtspunkten ist das sicherlich der Fall − die Funktion des Possessivsuffixes der
252 | 9 Informationsstatus
3. Person Singular dient in den vorliegenden Beispielen jeweils dem Rückverweis auf ein Antezedens. Weiterhin liegen in keiner der Sprachen morphosyntaktische Restriktionen dieses Gebrauchs vor, entsprechend markierte Referenten können in allen Komplement- und Adjunktpositionen und gar als Spezifikator einer DP auftreten: Die Beispiele (332), (333) und (335) zeigen Subjekte, die Beispiele (334), (337) und (338) zeigen Objekte, Beispiel (336) zeigt ein Adverbial und Beispiel (339) zeigt ein Genitivattribut, welches entsprechend in Spezifikatorposition einer DP realisiert ist. Unter quantitativen Gesichtspunkten unterscheidet sich das Auftreten des Possessivsuffixes der 3. Person Singular in dieser Funktion recht deutlich von Sprache zu Sprache. Tabelle 9.1 fasst die absoluten Zahlen derartiger Instanzen zusammen, wobei nur die Fälle gezählt sind, in denen eindeutig eine possessive Relation ausgeschlossen werden kann. Tab. 9.1: Auftreten von poss3sg mit dem Informationsstatus given Sprache Chantisch Enzisch Nganasanisch Dolganisch
given-active
given-inactive
193 44 68 75
189 56 76 66
In allen Sprachen ist der Anteil von Referenten mit dem Informationsstatus givenactive und given-inactive weitestgehend gleich verteilt, ein weiterer Beleg für die beobachtete Tendenz, dass der Gebrauch des Possessivsuffixes der 3. Person Singular Referenten mit diesen beiden Informationsstatus nicht voneinander unterscheidet. Auffällig ist weiterhin, dass im Chantischen das Possessivsuffix der 3. Person Singular in entsprechenden Kontexten bedeutend häufiger auftritt als in den anderen drei relevanten Sprachen. Da die untersuchten Korpora ungefähr gleich umfangreich sind (vgl. Abschnitt 3.1), kann dies als signifikant angesehen werden (vgl. im Detail 9.2.5). Innerhalb des Chantischen verhalten sich die Dialekte nicht einheitlich. Während die Dialekte der Nordgruppe (also hier Obdorsk, Kazym und Šerkaly) regelmäßig ein Auftreten des Possessivsuffixes der 3. Person Singular in relevanten Kontexten zeigen, ist das offenbar in den Dialekten der Ostgruppe (also hier Surgut) nicht der Fall. In letztem Fall liegen lediglich 16 (given-active) bzw. 11 (given-inactive) Instanzen vor. Ob dieser dialektale Unterschied in der Frequenz strukturell ist, müsste in einer anschließenden Arbeit auch unter Berücksichtigung von Daten z.B. aus den Vach- und Vasjugan-Dialekten geprüft werden. Jedoch spricht dafür, dass weder Filchenko (2010a) noch Sosa (2017), die sich mit
9.2 Possessivsuffixe in nicht-possessiver Funktion
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253
den Vach- und Vasjugan- bzw. dem Surgut-Dialekt beschäftigen, Possessivsuffixe explizit als Mittel zur Herstellung anaphorischer Relationen beschreiben. Im Folgenden steht nun die Markierung von diskursneuen, aber höreralten Referenten mit dem entsprechenden Informationsstatus accessible im Mittelpunkt. In allen vier hier relevanten Sprachen treten Referenten auf, die den Informationsstatus accessible haben und die mit dem Possessivsuffix der 3. Person Singular markiert sind. Insgesamt gibt es bedeutend weniger Referenten mit dem Informationsstatus accessible als mit dem Informationsstatus given. Das ist allerdings eine Tendenz, die auch unabhängig von der Markierung mit Possessivsuffixen zu beobachten ist. Die meisten Belege zeigen Referenten, die entweder durch Inferenz oder durch die Äußerungssituation für den Hörer zugänglich sind. Dies entspricht der von Janda (2019) beschriebenen Verankerung eines neuen Diskursreferenten im Diskurs (vgl. Abschnitt 4.2.2). Die folgenden Beispiele illustrieren derartige Instanzen: (340)
Kontext: Da kroch er unter den Altar. Die Frau stand auf, sie stand plötzlich im Altarraum.
˘ıtə Turəm-t-at tem-ta p˘ıt-s-aj-ət. Ikone-pl-poss3sg hinunter werfen-inf anfangen-pst-pass-3pl ‘Es wurde angefangen, die Ikonen herunterzuwerfen.’ (Kha_Sh_MaKI_193X_KaufmannKnecht_flk.130) (341)
Kontext: Mein Vater ging aus dem Büro hinaus.
Naðikaði-da aga-an, aga-an no-ða zucken-ptcp.sim groß-advz groß-advz Tür-poss3sg tɔra-ða. schließen-aor.3sg.obj ‘Weil er sehr nervös war, schloss er die Tür heftig [= laut].’ (En_W_PaAN_20090721_MeinVater_nar.022) (342)
Kontext: Verglichen mit seinem Zelt ist dieses Zelt klein. Er ging hinein. Dort näht ein Mädchen. [...] Das Mädchen erschrak wieder [und sagte]: „Warum knistert mein Feuer und knistert und knistert?“
Təndə huə-nu tahari⁀ aa ŋua-ðu bi⁀ ari-ʔi-ðə. jenes.gen nach-locadv jetzt Tür-poss3sg öffnen-aor-3sg.rfl ‘Dann öffnete sich die Tür.’ (Ng_KNT_940903_KehyLuu_flkd.091)
254 | 9 Informationsstatus
(343)
Kontext: In einem Jahr gab es viele Schneestürme.
Kɨhɨn hamɨrdaː-bɨt, kaːr-a barɨ-ta buːs im.Winter regnen-pst2.3sg Schnee-poss3sg alles-poss3sg Eis b⁀ uol-but. werden-pst2.3sg ‘Im Winter regnete es, der ganze Schnee wurde zu Eis.’ (Dlg_ErSV_1964_WarPartridgesPikes_flk.003) In jedem Beispiel kann der jeweilige Referent entweder durch eine Teil-GanzesRelation wie in den Beispielen (341) und (342) oder durch den situativen Kontext wie in Beispiel (340) und (343) erschlossen werden. Im Enzischen und Nganasanischen können auch solche Referenten mit dem Possessivsuffix der 3. Person Singular markiert werden, die durch Weltwissen (general knowledge) für den Hörer erschließbar sind (vgl. Zayzon (2015)); für das Chantische und das Dolganische liegen keine derartigen Belege vor. Prototypisch für derartige Kontexte sind unike Referenten mit der Bedeutung Sonne, Mond oder Erde, es kann sich jedoch auch um Referenten handeln, welche im jeweiligen außersprachlichen Kontext als bekannt für den Hörer vorausgesetzt werden (können), vgl. folgende Beispiele: (344)
ŋa-ða d’epi, kaja-ða Himmel-poss3sg heiß.sein.aor.3sg Sonne-poss3sg d’epi. heiß.sein.aor.3sg ‘Das Wetter [wörtl. der Himmel] ist heiß, die Sonne ist heiß.’ (En_W_SiNI_20090719_GoldenerFisch_nar.139)
(345)
Eː, Jakɔl’e-χɔn-da ire-bač-ej. affirm Jakovlevka-loc-poss3sg leben-1pl.pst-excl ‘Ja, wir lebten in Jakovlevka.’ (En_T_TuVA_20080723_NördlicheSowchose_nar.019)
(346)
Kaŋɡ¨u-t’ə-k¨uə koruð-ə-j t’¨uu¨ -d’-¨u-ʔə, wann-emph-emph Haus-ep-acc.pl ankommen-drv-ep-aor.3sg hii-m-ti-tə-u, ŋuə-ðu Nacht-trl-nmnz.ipfv-lat-excl Himmel-poss3sg hii-m-i-ʔə. Nacht-trl-ep-aor.3sg ‘Irgendwann erreichte er eine Stadt, am Abend, es wurde dunkel [wörtl. der Himmel wurde Nacht].’ (Ng_PKM_93_Njisyme_flk.060)
9.2 Possessivsuffixe in nicht-possessiver Funktion
(347)
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255
Təti tahari⁀ abə kori⁀ a-ʔku səbud’-¨u-ʔə, jener nun Kiste-dim.acc herausziehen-ep-aor.3sg batu-ɡətə-tu. Frauenplatz.im.Zelt-abl-poss3sg ‘Sie nahm eine Kiste heraus, vom Platz für die Frauen.’ (Ng_JSM_090809_Life_nar.408)
In den Beispielen (344) und (346) wird auf den Himmel und die Sonne als unike Referenten im Diskursuniversum verwiesen, welche für den Hörer durch ihre Unikheit zugänglich sind. In Beispiel (345) und (347) werden zwei Referenten markiert, welche im kulturspezifischen bzw. geographischen Kontext zugänglich für den Hörer sind: Jakovlevka war eine Siedlung am unteren Jenissej im Siedlungsgebiet der Tundraenzen (Khanina et al. 2018: 125). Daher kann angenommen werden, dass ihre Existenz zum Weltwissen der Tundraenzen gehört(e) und somit als accessible markiert werden kann. batu bezeichnet einen Teil des nganasanischen Zeltes, der den Frauen vorbehalten war, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass es im Weltwissen von Nganasanen vorhanden ist und somit darauf referiert werden kann. Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass das Possessivsuffix der 3. Person Singular im Chantischen, Enzischen, Nganasanischen und Dolganischen in nicht-possessiver Funktion gebraucht werden kann. In allen Sprachen kann es Referenten mit den Informationsstatus given-active, given-inactive und accessible markieren. Die Markierung von Referenten mit dem Informationsstatus given tritt im Chantischen signifikant häufiger auf als in den anderen Sprachen. Mit dem Possessivsuffix der 3. Person Singular markierte Referenten mit dem Informationsstatus accessible sind zumeist durch den situativen Kontext oder Inferenz für den Hörer zugänglich. Im Enzischen und Nganasanischen schließlich liegen auch einige Fälle vor, in denen der Referent durch Weltwissen für den Hörer zugänglich ist. Abschließend ist zu festzuhalten, dass der Gebrauch des Possessivsuffixes der 3. Person Singular in allen aufgeführten Kontexten nicht obligatorisch ist. Dieselben bzw. ähnliche Kontexte werden ebenso ohne seinen Gebrauch ausgedrückt.
9.2.2 Possessivsuffix der 2. Person Singular Nachdem im vorherigen Abschnitt die Markierung von Informationsstatus durch das Possessivsuffix der 3. Person Singular besprochen wurde, wird in diesem Abschnitt nun auf das Possessivsuffix der 2. Person Singular eingegangen. Im Enzischen, Nganasanischen und Dolganischen tritt es regelmäßig mit Referenten mit dem Informationsstatus given-active auf, vgl. folgende Beispiele:
256 | 9 Informationsstatus
(348)
Kontext: Es war einmal eine Frau. Sie hatte zwei Kinder.
Čike nɛ-r kade-bi, kade-ŋa, dieser Frau-poss2sg krank.sein-prf.3sg krank.sein-aor.3sg kade-ŋa. krank.sein-aor.3sg ‘Diese Frau war krank, sie ist krank, sie ist krank.’ (En_W_SiMN_19900522_MausKuckuck_flk.051) (349)
Kontext: Und so ging dieser [= der Junge] fort.
Təti ŋi⁀ antu-rə ma-tə-tu t’ii-ʔə, jener Junge-poss2sg Zelt-lat-poss3sg hineingehen-aor.3sg sɨtɨ n’emɨ-ntɨ ma-tə. 3sgpro Mutter-gen.poss3sg Zelt-lat ‘Der Junge kam nach Hause, ins Zelt seiner Mutter.’ (Ng_JSM_090809_Life_nar.119) (350)
Kontext: Irgendwann einmal sah ich einen Ort, dort gibt es einen großen Fluss.
Ol u¨ reɡ-i-ŋ kajdak-taːk purɡaː-ɡa jener Fluss-ep-poss2sg wie-propr Schneesturm-dat/loc tib-i-ll-eːˇccˇ i-te h⁀ uok. stöbern-ep-pass-ptcp.hab-poss.3sg neg.3sg ‘Der Fluss wird in keinem Schneesturm zugeweht.’ (Dlg_ErSV_1964_WarPartridgesPikes_flk.013) An dieser Stelle kann schon bemerkt werden, dass im Enzischen und Nganasanischen das Possessivsuffix der 2. Person Singular in dieser Funktion mehrheitlich an Demonstrativpronomina angefügt wird und Beispiele wie (348) und (349) relativ selten sind (siehe im Detail Abschnitte 9.2.4 und 9.2.5). Im Chantischen schließlich tritt das Possessivsuffix der 2. Person Singular kaum an Referenten mit dem Informationsstatus given-active auf. Lediglich acht Beispiele lassen sich im untersuchten Material finden, allesamt aus der nördlichen Dialektgruppe. Trotz der Seltenheit der Belege wird hier ein Beispiel gezeigt:
9.2 Possessivsuffixe in nicht-possessiver Funktion
(351)
|
257
Kontext: Der Wolf sagt: „Warum springe ich nicht einfach [wie das Eichhörnchen]?“ Da kam die Krähe und sagte: „Wie willst du springen? Das Eichhörnchen hat einen buschigen Schwanz.“
S’itna s’i laŋk-en letajet-l. deshalb das Eichhörnchen-poss2sg fliegen.r.3sg-prs.3sg ‘Deshalb fliegt das Eichhörnchen.’ (Kha_Ob_SyIM_1990_Squirrel_flk.039) In allen Beispielen ist eindeutig, dass es sich um keine possessive Relation handelt, die durch das Possessivsuffix ausgedrückt wird, sondern um einen anaphorischen Verweis auf einen im unmittelbaren Kontext vorerwähnten Referenten. Ebenso lassen sich Beispiele finden, in denen der entsprechende Referent nicht unmittelbar vorerwähnt ist, sondern einige Sätze zuvor, also den Informationsstatus given-inactive trägt. Wiederum tritt dieses Phänomen vor allem im Enzischen, Nganasanischen und Dolganischen auf, im Chantischen nur sporadisch und nur in Texten aus der nördlichen Dialektgruppe. Die folgenden Beispiele illustrieren das: (352)
Kontext: Ein alter russischer Mann fischte dort. Das war vor langer Zeit, in alten Jahren. Nun, damals gab es eine Fischfabrik in Dudinka, eine Fischfabrik.
Tonið, pogu-da enče-l tonið von.dort fischen-ptcp.sim Mensch-poss2sg von.dort ŋa-ˇs. existieren-3sg.pst ‘Von dort, dieser Fischer war von dort.’ (En_W_BoLD_20080819_BetrunkeneFischer_nar.007) (353)
Kontext: Ein Fuchs kommt ans Flussufer. Er sieht einen Baum. Auf dem Baum sitzt ein Adler. Der Adler sitzt auf seinen Eiern.
Təti tahari⁀ aa tunti-rə munu-ntu: [...]. jener nun Fuchs-poss2sg sagen-aor.3sg ‘Da sagt der Fuchs: [„Adler, wirf ein Ei herunter“].’ (Ng_ASS_161023_Fox_flkd.006)
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(354)
Kontext: Nun, von jener Seite kommen die Deutschen, sie steigen aus dem Schützengraben. [...] „Weicht zurück“, sagt er, „aber unbemerkt“, sagt der Kommandant.
Onton kör-dü-m do, n’ems-ɨ-lar-ɨ-ŋ hubu dann sehen-pst1-1sg ptcl Deutscher-ep-pl-ep-poss2sg gerade kel-en ih-el-ler. kommen-cvb.seq aux-prs-3pl ‘Dann sah ich, die Deutschen kommen gerade.’ (Dlg_ChVD_AkEE_198204_SoldierInWar_nar.ChVD.041) (355)
Kontext: [Nordwind und Sonne streiten sich, wer stärker ist.] So hörte der Nordwind mit seiner Zerstörung auf. Danach kam die Sonne hervor. Dem wandernden Mann wurde langsam warm und bald zog er seinen Mantel aus.
S’irn paː owəs wɔːt-en paː s’i kaːˇsas’-əs, [...]. dann auch Norden Wind-poss2sg auch so zustimmen-pst.3sg ‘Da stimmte der Nordwind auch zu, [dass die Sonne stärker ist als er].’ (Kha_Ka_SoVN_2011_NordwindSonne_flk.004) Wiederum wird aus dem Kontext deutlich, dass das Possessivsuffix keine possessive Relation ausdrücken soll, sondern einem anaphorischen Verweis dient. Tabelle 9.2 quantifiziert das Vorkommen des Possessivsuffixes der 2. Person Singular in derartigen Kontexten; auch hier wurden nur eindeutige Fälle, d.h. Fälle, in welchen eine possessive Relation ausgeschlossen werden kann, gezählt. Tab. 9.2: Auftreten von poss2sg mit dem Informationsstatus given Sprache Chantisch Enzisch Nganasanisch Dolganisch
given-active
given-inactive
8 83 68 56
15 56 39 60
Während also, wie in Abschnitt 9.2.1 gezeigt wurde, das Possessivsuffix der 3. Person Singular zur Markierung des Informationsstatus given im Chantischen bedeutend häufiger auftritt als in den restlichen drei Sprachen, verhält es sich hier genau umgekehrt. Alle Belege des Chantischen stammen aus der nördlichen Dialektgruppe (also aus den Dialekten Obdorsk, Kazym und Šerkaly), dies entspricht der
9.2 Possessivsuffixe in nicht-possessiver Funktion
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Tendenz in den Daten zum Auftreten des Possessivsuffixes des 3. Person Singular. Weiter fällt auf, dass im Nganasanischen und im Enzischen die Zahl an Referenten mit dem Informationsstatus given-active bedeutend höher ist als mit dem Informationsstatus given-inactive, während das Verhältnis im Dolganischen ungefähr ausgewogen ist. Dies lässt sich dadurch erklären, dass das Possessivsuffix der 2. Person Singular in den ersten beiden Sprachen, wie oben erwähnt, sehr häufig an Demonstrativpronomina tritt und weniger häufig an volle DPs. Da Demonstrativa weniger geeignet sind, Referenten mit dem Informationsstatus given-inactive wieder in den Diskurs einzuführen, als volle DPs, verwundert diese Verteilung nicht. Zayzon (2015: 270) beobachtet, dass im Nganasanischen das Possessivsuffix der 2. Person Singular zumeist mit Subjekten gebraucht wird. Eine Überprüfung der hier verwendeten nganasanischen Materialien − welche teilweise identisch sind − bestätigt das; auch für das Enzische trifft diese Tendenz zu (vgl. Abschnitt 9.2.5). Im Folgenden werden nun noch nicht eingeführte, jedoch für den Hörer zugängliche Referenten, also solche mit dem Informationsstatus accessible, besprochen. Im Chantischen tritt das Possessivsuffix der 2. Person Singular in dieser Funktion nicht auf. Im Enzischen, Nganasanischen und Dolganischen können solche Referenten mit dem Possessivsuffix der 2. Person Singular markiert werden, welche durch den situativen Kontext oder inferentielle Relationen für den Hörer zugänglich sind: (356)
Kontext: Wir tranken Tee mit der Krankenschwester. In der Küche. Wir tranken Tee und irgendwann...
Čike lampaˇcki-ð an’, kɔˇci-ʔ. dieser Lampe.dim.pl.r-pl.poss2sg ptcl ausgehen-aor.3pl ‘Die Lampen, sie gingen aus.’ (En_W_GlES_20090722_AlteFrauUlyana_nar.037-038) (357)
Kontext: [Ein Rentier verschluckte ausversehen eine Maus. Die Maus nagte sich aus dem Rentier heraus, das Rentier starb, alle Tiere fraßen davon, die Maus ging schlafen.] Die Maus kam aus ihrem Loch heraus.
ŋon’d’i-tɨ-ndə-tɨ d’a-ðə-tu hinausgehen-nmnz.ipfv-lat-poss3sg all-dst-poss3sg t’ajbə-d’əə-rə d’¨ubə-rɨ-ʔə-ʔ. Magen-npst-poss2sg hinauswerfen-pass-aor-3sg.rfl ‘Als sie herauskam, wurde ihr der Magen [des Rentiers] zugeworfen.’ (Ng_TAM_68_Reindeer_flkd.029)
260 | 9 Informationsstatus
(358)
Kontext: [Ein alter Mann liegt abgemagert in einer Erdhütte, seine Frau steht draußen und versucht hineinzukommen.]
„Kaja, ogonn’or, aːŋ-ŋɨ-n arɨj“, d⁀ ie-bit hey alter.Mann Tür-poss2sg-acc öffnen.imp.2sg sagen-pst2.3sg emeːksin. alte.Frau ‘„Hey, alter Mann, mach die Tür auf“, sagte die alte Frau.’ (Dlg_BaA_1930_OldManOldWoman_flk.065) Besonders eingängig in dieser Gebrauchsdomäne sind im Nganasanischen und Enzischen Fälle, in denen ein Märchen oder eine Geschichte erzählt wird und der Sprecher seinem Zuhörer/seinen Zuhörern mitteilt, dass das Märchen bzw. die Geschichte nun beginnt oder aufhört. Hier wird durch den Gebrauch des Possessivsuffixes der 2. Person Singular ganz offensichtlich eine Verbindung − ein common ground − zwischen Sprecher und Hörer hergestellt: (359)
Tə bəlta, tə-ə noŋəə sɨtəbɨ-rə. nun alles jener-adjz noch.ein Märchen-poss2sg ‘Nun, [das ist] alles, das ist noch ein Märchen.’ (Ng_ASS_161023_Fox_flkd.023-024)
Schließlich können sowohl im Enzischen und im Nganasanischen als auch im Dolganischen Referenten mit dem Possessivsuffix der 2. Person Singular markiert werden, die für den Hörer durch Weltwissen zugänglich sind. Im Gegensatz zum Possessivsuffix der 3. Person Singular werden im Nganasanischen und Enzischen hiermit jedoch keine uniken Referenten wie Sonne oder Erde markiert. (360)
Aχa, bɔdu-j vɔt bɔdu-j d’a-χin kad’aðo-r oka, ah Tundra-adjz ptcl Tundra-adjz Ort-loc.pl Beute-poss2sg viel kurχaru vɔt. unterschiedlich ptcl ‘Ah, in der Tundra gibt es viel Beute, unterschiedliche.’ (En_W_LyND_19970718_Leben_nar.117)
9.2 Possessivsuffixe in nicht-possessiver Funktion |
(361)
261
Manu-ɡ¨uə ərəkərə-mənɨ n’ilɨ-d’iə-mɨʔ, maa bənsə früher-emph gut-advz leben-pst-1pl was alles təi-s’¨uə, ŋəmsu-rə təi-s’¨uə, existieren-pst.3sg Fleisch-poss2sg existieren-pst.3sg kola-t’ə, bənsə təi-s’¨uə, bahi-rə Fisch-pl.poss2sg alles existieren-pst.3sg wildes.Rentier-poss2sg təi-s’¨uə. existieren-pst.3sg ‘Früher haben wir gut gelebt, es gab alles, es gab Fleisch, Fische, es gab alles, es gab wilde Rentiere.’ (Ng_JSM_090809_Life_nar.005)
(362)
Haŋardɨː d’e, oččogo bajna-ŋ b⁀ uol-an zuerst ptcl damals Krieg-poss2sg sein-cvb.seq ilik-keːn e-t-e. noch.nicht-intns sein-pst1-3sg ‘Zuerst, als damals der Krieg noch nicht war.’ (Dlg_LaVN_KuNS_1999_FateOfANortherner_conv.LaVN.091)
In Beispiel (360) und (361) geht es darum, was in der Umwelt der Enzen bzw. Nganasanen verfügbar war bzw. ist, weshalb der Sprecher davon ausgehen kann, dass dem Hörer diese Referenten zugänglich sind. In Beispiel (362) referiert die Sprecherin auf den Zweiten Weltkrieg, der auch für die indigenen Völker der Taimyrhalbinsel ein einschneidendes Ereignis war und im öffentlichen Diskurs in Russland immer noch sehr präsent ist, weshalb er als Diskursreferent wiederum zugänglich für den Hörer ist. Das Possessivsuffix der 2. Person Singular tritt also vor allem im Enzischen, Nganasanischen und Dolganischen in nicht-possessiver Funktion auf, in weit geringerem Umfang auch in Norddialekten des Chantischen. In den drei erstgenannten Sprachen kann es sowohl Referenten mit dem Informationsstatus given als auch mit dem Informationsstatus accessible markieren, jedoch teilweise in anderen Domänen als das Possessivsuffix der 3. Person Singular. Auf Konvergenzen und Divergenzen des Gebrauchs der beiden Formen wird in Abschnitt 9.2.5 eingegangen. Auch im Fall des Possessivsuffixes der 2. Person Singular muss abschließend angemerkt werden, dass sein Gebrauch in nicht-possessiven Kontexten nicht obligatorisch ist; vergleichbare Kontexte bzw. Referenten können ebenso ohne das Possessivsuffix realisiert werden.
262 | 9 Informationsstatus
9.2.3 Possessivsuffix der 1. Person Plural Wie in Abschnitt 4.2.1 angesprochen wurde, können auch Possessivsuffixe der 1. Person in nicht-possessiven Kontexten auftreten. Das Possessivsuffix der 1. Person Singular ist irrelevant für die vorliegende Arbeit, da es weitestgehend auf die Domäne von Vokativen beschränkt ist. Das Possessivsuffix der 1. Person Plural hingegen tritt auch in Domänen auf, die für das Phänomen des Informationsstatus von Bedeutung sind. In allen untersuchten Sprachen, in denen nicht-possessiv verwendete Possessivsuffixe auftreten, ist auch das Possessivsuffix der 1. Person Plural einschlägig, jedoch weniger frequent und in anderen Domänen als die in den vorangegangenen Abschnitten beschriebenen Possessivsuffixe: Für das Nganasanische sind 19 Belege im untersuchten Material zu finden, für das Enzische 13 Belege, für das Nordchantische 20 Belege und für das Dolganische 22 Belege. Im Ewenkischen sowie im Ostchantischen tritt dieses Phänomen nicht auf. Das Possessivsuffix der 1. Person Plural unterscheidet sich in seinem Gebrauch von den Possessivsuffixen der 2. und 3. Person Singular vor allem darin, dass seine zentrale Funktion die Herstellung einer Verbindung zwischen Sprechsituation und dem jeweiligen Referenten ist. Ein anaphorischer Rückverweis oder der Hinweis auf die Identifzierbarkeit eines Referenten (also die Markierung der Informationsstatus given und accessible) sind hierbei eher konkomitant. Die folgenden Beispiele zeigen eine entsprechende Verwendung des Possessivsuffixes der 1. Person Plural in den untersuchten Sprachen. (363)
˘ ˘ S’˘ı juwpəna o˘ wəs-woˇs-a man-s-əw t’at’ dieser nach Owes-Stadt-lat gehen-pst-1pl Revolution joχ-t-əw pănna. Mann-pl-poss1pl mit ‘Dann gingen wir ins Dorf Owes, mit unseren Revolutionsmännern [= den Männern, die zu uns gekommen waren].’ (Kha_Sh_MaKI_193X_Revolution_nar.033)
(364)
ɛke d’etˇci-maʔ ku kaʔe-ðʔ an’ dieser Jenissej-poss1pl wo herunterkommen-3sg.rfl und karskij mɔre. Karasee ‘Und wo unser Jenissej mündet, [in die] Karasee.’ (En_W_SiNI_20080823_MärchenLeben_nar.381)
9.2 Possessivsuffixe in nicht-possessiver Funktion |
(365)
263
Təti-rə tahari⁀ aa tundi⁀ a-ŋku-muʔ n’i-hi⁀ aðɨ jener-poss2sg jetzt Fuchs-dim-poss1pl neg-infer.3sg kunda-ʔ. einschlafen-cng ‘Offenbar schlief unser kleiner Fuchs [= Protagonist des Märchens] nicht.’ (Ng_KNT_960809_WildAnimals_flkd.109)
(366)
D’e uol-but kör-ö hataː-t-a, ⁀ nun Junge-poss1pl sehen-cvb.sim versuchen-pst2.3sg kör-ö hataː-t-a. sehen-cvb.sim versuchen-pst2.3sg ‘Nun, unser Junge [= Protagonist des Märchens] versuchte es zu sehen, versuchte es zu sehen.’ (Dlg_NaLE_2002_StonyBone_flk.038)
In allen Beispielen geht es darum, eine Verbindung zwischen dem jeweiligen Referenten, Sprecher sowie Hörer herzustellen. Bei Referenten mit dem Informationsstatus given (Beispiele (363), (365), (366)) kann dies am ehesten als „Erinnerung“ an den Hörer verstanden werden, dass der entsprechende Referent schon einmal in der Erzählung vorkam; bei Referenten mit dem Informationsstatus accessible (Beispiel (364)) als Hinweis, dass der Referent dem Hörer bekannt ist bzw. aus Sicht des Sprechers bekannt sein sollte. In diesem Sinne erinnert die nicht-possessive Verwendung des Possessivsuffixes der 1. Person Plural an Beispiel (359), in dem das Possessivsuffix der 2. Person Singular in derselben Funktion verwendet wurde. Zusammengefasst lässt sich zur nicht-possessiven Verwendung der Possessivsuffixes der 1. Person Plural also festhalten, dass es sowohl quantitativ als auch funktional beschränkter ist als die Possessivsuffixe der 2. und 3. Person Singular, jedoch in allen relevanten Sprachen (Nordchantisch, Enzisch, Nganasanisch, Dolganisch) auftritt. Es werden Referenten mit den Informationsstatus given und accessible markiert, wobei die Markierung des Informationsstatus eher konkomitant ist; stattdessen wird vor allem eine kognitive Verbindung zwischen Sprecher, Hörer und jeweiligem Referenten etabliert.
9.2.4 Demonstrativpronomina mit Possessivsuffixen Im vorherigen Abschnitt wurden Fälle besprochen, in denen Possessivsuffixe in nicht-possessiven Kontexten an Diskursreferenten treten, welche durch eine volle DP ausgedrückt sind. In diesem Abschnitt soll nun auf den Gebrauch von Possessivsuffixen an Demonstrativpronomina eingegangen werden. Im Enzischen, Nganasa-
264 | 9 Informationsstatus
nischen und Dolganischen können Possessivsuffixe an Referenten mit dem Informationsstatus given, v.a. given-active, treten, die durch ein Demonstrativpronomen ausgedrückt sind (Siegl 2015: 87, 90). Im Enzischen tritt das proximal-anaphorische Demonstrativpronomen čike ‘dieser; der’ (Siegl 2013a: 203) auf, im Nganasanischen das proximale Demonstrativpronomen əmti ‘dieser’ und das anaphorische Demonstrativpronomen təti ‘jener; der’ (Wagner-Nagy 2019: 128), im Dolganischen das anaphorische Demonstrativpronomen ol ‘jener; der’ und seltener das proximale Demonstrativpronomen bu ‘dieser’ (Artem’ev 2013b: 142). Im Enzischen und Nganasanischen ist vor allem das Possessivsuffix der 2. Person Singular an Demonstrativpronomina zu beobachten, während im Dolganischen das Possessivsuffix sowohl der 2. als auch der 3. Person Singular regelmäßig auftritt. Zur Formbildung muss gesagt werden, dass im Enzischen und Nganasanischen das Possessivsuffix direkt an den Stamm des Pronomens tritt, während im Dolganischen ausnahmslos das Formans -tI an den Stamm des Pronomens tritt, worauf Numerus-, Kasusund eben Possessivsuffixe folgen. Das ist deshalb an dieser Stelle relevant, weil es sich historisch bei diesem Formans um genau das Possessivsuffix der 3. Person Singular in obliquen Formen handelt (Ubrjatova 1985: 101), sodass in einigen Kontexten das Possessivsuffix der 3. Person Singular − zumindest aus diachroner Sicht − doppelt auftritt. Auch aus arealer Perspektive ist dieser Umstand deshalb so bemerkenswert, weil die Nominativformen əmti und təti im Nganasanischen historisch ebenso aus den demonstrativen Stämmen əm- und tə- und dem Possessivsuffix der 3. Person Singular -TU zusammengesetzt sind (Wagner-Nagy 2019: 127)³. Ob es sich hierbei um eine unabhängige oder um eine kontaktinduzierte Entwicklung in beiden Sprachen handelt, kann an dieser Stelle nicht entschieden werden; jedenfalls ist die strukturelle Parallele in der Bildungsweise der Demonstrativa nicht zu übersehen⁴. Das folgende Beispiel zeigt das enzische Demonstrativpronomen čike mit dem Possessivsuffix der 2. Person Singular, der Diskursreferent hat den Informationsstatus given-active:
3 Insgesamt erinnert dieses Phänomen an Jespersens Negationszyklus (vgl. Jespersen (1917)), ist daher auch aus diachroner Perspektive interessant; eine genaue Diskussion kann hier nicht erfolgen. 4 Auch im Marischen (< finnougrisch < uralisch) ist eine Doppelung von Possessivsuffixen zu beobachten. Interessanterweise wird ein Possessivsuffix hierbei possessiv gebraucht, während das zweite Possessivsuffix die Definitheit und/oder Vorerwähnt des Referenten markiert, z.B. marW. ät’ä-m-žə ‘Mutter-poss1sg-poss3sg’ (Alhoniemi 2010: 78).
9.2 Possessivsuffixe in nicht-possessiver Funktion |
(367)
265
Kontext: Man muss Fisch machen [= verarbeiten], im Sommer.
Čike-r čii-bu-ta an’eʔ dieser-poss2sg verderben-cvb.cond-poss3sg und ɔpˇci. schlecht.sein.aor.3sg ‘Wenn der verdirbt, ist es auch schlecht.’ (En_T_TuSU_20090816_Leben_nar.028) Die folgenden beiden Beispiele zeigen das Auftreten von Possessivsuffixen an Demonstrativpronomina im Nganasanischen, einmal əmti ‘dieser’ und einmal təti ‘jener; der’. In beiden Fällen wird auf einen Diskursreferenten mit dem Informationsstatus given-active referiert. (368)
Kontext: Menschen finden eine Frau in der Tundra und untersuchen sie.
əmtɨ-rə biriə hon-tɨə [...]. dieser-poss2sg Wunde.acc haben-ptcp.prs ‘Sie ist verwundet [und ihre Wunden sind offen].’ (Ng_MDN_97_Chukchis_flkd.046) (369)
Kontext: Alle küssen sie, dieses Mädchen küssen sie.
Təti-rə i-huaðu talai kobtua. ⁀ ⁀ jener-poss2sg sein-infer.3sg glücklich Mädchen ‘Sie scheint ein glückliches Mädchen zu sein.’ (Ng_KNT_940903_KehyLuu_flkd.197) Die folgenden beiden Beispiele schließlich zeigen die Demonstrativa ol und bu⁵ im Dolganischen, markiert mit dem Possessivsuffix der 2. bzw. der 3. Person Singular. Wiederum wird in beiden Fällen auf einen Diskursreferenten mit dem Informationsstatus given-active verwiesen.
5 man- in Beispiel (371) ist eine Stammvariante von bu. Die Nasalisierung von b zu m ist durch das silbenauslautende n zu erklären.
266 | 9 Informationsstatus
(370)
Kontext: Ich habe diese Geschichte gehört mit meinen Eltern, während ich zur Schule ging.
On-tu-ŋ anɨ-ɡa d⁀ ieri jener-poss3sg-poss2sg jetzt-dat/loc bis öj-bö-r baːr. Gedächtnis-poss1sg-dat/loc es.gibt ‘Sie ist mir bis jetzt im Gedächtnis.’ (Dlg_NaLE_2002_StonyBone_flk.003) (371)
Kontext: Die Knochen dieses Mädchens legt er hinein, wie in einen Mantel.
Man-tɨ-ta till-en kel-en dieser-poss3sg-poss3sg lebendig.werden-cvb.seq aux-cvb.seq d’e baː oɡonn’or-u-ŋ kɨːh-a b⁀ uol-ar. ptcl dieser alter.Mann-ep-poss2sg Tochter-poss3sg sein-prs.3sg ‘Sie wird [wieder] lebendig und es ist die Tochter des alten Mannes.’ (Dlg_BaR_1930_DaughterOfNganasan_flk.062) In diesen Konstruktionen wird auf den entsprechenden Diskursreferenten mit einem Demonstrativpronomen verwiesen, darüber hinaus wird ein Possessivsuffix in nicht-possessiver Funktion angefügt. Es liegt also ein doppelter anaphorischer Verweis vor. Das ist insofern interessant und bemerkenswert, als viele Sprachen derartige Konstruktionen nicht zulassen, vgl. z.B. deutsch *dieser der Baum. Wenig erstaunlich ist, dass in derartigen Kontexten weitestgehend anaphorische Demonstrativa verwendet werden und weniger konkret deiktische Demonstrativa. Es bleibt zu erwähnen, dass auch im Falle von Demonstrativa der referentielle Gebrauch von Possessivsuffixen nicht obligatorisch ist; ähnliche Kontexte können ebenso ohne Possessivsuffix ausgedrückt werden.
9.2.5 Konvergenzen und Divergenzen Nachdem in den vorherigen Abschnitten das Auftreten der Possessivsuffixe der 3. bzw. 2. Person Singular in nicht-possessiver Funktion einzeln betracht wurde, sollen in diesem Abschnitt nun Konvergenzen und Divergenzen aufgezeigt werden. Wie bereits oben angemerkt wurde, ist das Possessivsuffix der 3. Person Singular in dieser Funktion sowohl in uralischen als auch Turksprachen weit verbreitet, sodass die Verhältnisse im Chantischen, Enzischen und Nganasanischen bzw. im Dolganischen in diesem Zusammenhang wenig überraschend sind. In allen
9.2 Possessivsuffixe in nicht-possessiver Funktion |
267
Sprachen können Diskursreferenten mit den Informationsstatus given-active, giveninactive und accessible mit dem Possessivsuffix der 3. Person Singular markiert werden. Anzumerken ist, dass das im Chantischen vor allem für die Norddialekte (hier betrachtet: Obdorsk, Kazym und Šerkaly) zutrifft, während in Ostdialekten (hier betrachtet: Surgut) dieses Phänomen seltener auftritt. Offen ist die Frage, wie sich die Süddialekte des Chantischen in diesem Zusammenhang verhalten, da diese als Übergangsdialekte zwischen den Nord- und Ostdialekten gesehen werden können. Der Gebrauch des Possessivsuffixes der 2. Person Singular zur Markierung von Referenten mit den Informationsstatus given-active, given-inactive und accessible hingegen ist weitestgehend auf das Enzische, das Nganasanische und das Dolganische beschränkt. Für das Chantische liegen nur sehr wenige Belege aus den Norddialekten vor. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Possessivsuffix der 2. Person Singular in den hier besprochenen Domänen auch in der dritten nordsamojedischen Sprache, dem Nenzischen, auftritt (vgl. Körtvély (2010)). Offenbar bilden die Sprachen bzw. Dialekte, in denen dieses Phänomen auftritt, also ein geographisches Kontinuum, was wiederum nahelegt, dass es sich um ein areales Phänomen handelt. Die genaue Konstruktion der arealen Verhältnisse und möglicher Kontakt- und Entlehnungsszenarien geht über den Rahmen dieser Arbeit hinaus, insbesondere für die Rolle des Nganasanischen und Dolganischen wird auf die Arbeiten von Pakendorf (2007), Siegl (2015) sowie Stachowski (1998, 2010) verwiesen. Der Gebrauch beider Possessivsuffixe zur Markierung von Referenten mit dem Informationsstatus given im Enzischen und Nganasanischen muss an dieser Stelle näher erläutert werden. Während das Possessivsuffix der 3. Person Singular in beiden Sprachen in ungefähr gleichem Umfang Referenten mit den Informationsstatus given-active und given-inactive markiert, überwiegen im Fall des Possessivsuffixes der 2. Person Singular eindeutig Referenten mit dem Informationsstatus givenactive. Diese Beobachtung korreliert mit zwei weiteren Beobachtungen: In beiden Sprachen tritt vor allem das Possessivsuffix der 2. Person Singular, weniger das Possessivsuffix der 3. Person Singular, an Demonstrativpronomina (vgl. Abschnitt 9.2.4) und in beiden Sprachen markiert das Possessivsuffix der 2. Person Singular fast ausschließlich Referenten in Subjektposition, während mit dem Possessivsuffix der 3. Person Singular markierte Referenten keiner syntaktischen Beschränkung unterliegen. Zayzon (2015: 270) folgert für das Nganasanische, dass das Possessivsuffix der 2. Person Singular ein Primäres Topik im Sinne Nikolaevas (vgl. Abschnitt 4.2.1) markiere, während das Possessivsuffix der 3. Person Singular ein Sekundäres Topik markiere. Tatsächlich liegt eine Korrelation zwischen dem Possessivsuffix der 2. Person Singular und der Topikalität von Referenten vor, allerdings ist hier kaum von Kausalität auszugehen: Einerseits markiert das Possessivsuffix der 2. Person Singular vor allem Subjekte, die statistisch häufiger Topiks sind als andere
268 | 9 Informationsstatus
Satzglieder. Andererseits − und viel wichtiger − können mit dem Possessivsuffix der 2. Person Singular markierte Referenten auch nicht-topikal sein, vgl. das folgende nganasanische Beispiel: (372)
Sɨtɨ ma-k¨uə-ɡətə-tu təti-rə əliɡaʔku. 3sgpro Zelt-emph-abl-poss3sg jener-poss2sg klein ‘Verglichen mit seinem Zelt ist dieses [Zelt] klein.’ (Ng_KNT_940903_KehyLuu_flkd.069)
Entsprechend den Beobachtungen in 7.1 deutet die vorliegende Wortstellung hier darauf hin, dass das Adverbial [sɨtɨ mak¨uəɡətətu] Topik des Satzes ist, theoretisch möglich ist auch ein topikloser Satz. tətirə hingegen kann keinesfalls Topik sein, da anderenfalls nicht erklärt werden könnte, warum es nach dem Adverbial steht. Andersherum ist zu bemerken, dass auch Referenten, die mit dem Possessivsuffix der 3. Person Singular markiert sind, Topik des Satzes sein können: (373)
Təti bigaj-t’ü manak¨uʔ kəndɨ-tə-bi⁀ ahɨ, kəndɨ-ʔə jener Fluss-poss3sg gerade frieren-aor-nar.3sg frieren-aor.3sg i-bahu. sein-nar.3sg ‘Dieser Fluss war gerade zugefroren, sagt man, er war zugefroren.’ (Ng_ChND_061105_Nenets_nar.020)
Hier deutet die Wortstellung darauf hin, dass [təti bigajt’ü] Topik des Satzes ist, eben weil es vor einem VP-modifizierenden Adverbial steht. In jedem Fall zeigen diese beiden Beispiele, dass der Gebrauch der Possessivsuffixe der 2. bzw. 3. Person Singular in nicht-possessiver Funktion kaum etwas mit der Realisierung von Topiks im hier gebrauchten Verständnis des Begriffs zu tun hat. Die einzig statistisch valide Aussage ist, dass das Possessivsuffix der 2. Person Singular eher mit Referenten mit dem Informationsstatus given-active gebraucht wird. Der Umkehrschluss, das Possessivsuffix der 3. Person Singular markiere eher Referenten mit dem Informationsstatus given-inactive (bzw. ein Sekundäres Topik) ist unzulässig und kann durch die statistischen Daten in Abschnitt 9.2.1 falsifiziert werden. Weiter ist auf Divergenzen in der Markierung von Referenten mit dem Informationsstatus accessible im Enzischen und Nganasanischen einerseits sowie im Dolganischen andererseits einzugehen. In allen drei Sprachen können Referenten mit dem Informationsstatus accessible mit beiden Possessivsuffixen markiert werden, wenn sie durch den situativen Kontext oder eine inferentielle Relation, z.B. eine Teil-Ganzes-Beziehung, für den Hörer zugänglich sind. Im Falle von Zugänglichkeit durch general knowledge unterscheiden sich die Sprachen: Auf unike Referenten wie Sonne oder Himmel wird im Enzischen und Nganasanischen
9.2 Possessivsuffixe in nicht-possessiver Funktion |
269
ausschließlich mit dem Possessivsuffix der 3. Person Singular verwiesen, im Dolganischen hingegen bleiben diese Referenten unmarkiert. Auf Referenten, die durch Weltwissen zugänglich sind, kann im Enzischen und Nganasanischen mit beiden Possessivsuffixen hingewiesen werden, im Dolganischen jedoch nur mit dem Possessivsuffix der 2. Person Singular. Die Unterscheidung von uniken und durch Weltwissen erschließbaren Referenten in allen drei Sprachen legt ferner nahe, die Kategorie general knowledge als Subkategorie von accessible aufzulösen und stattdessen die Kategorien uniqueness und world knowledge zu verwenden. Tabelle 9.3 fasst das Vorkommen der Possessivsuffixe der 2. und 3. Person Singular mit den entsprechen Informationsstatus in den untersuchten Sprachen zusammen. Tab. 9.3: Nicht-Possessiver Gebrauch von poss2sg und poss3sg giv-act
giv-inact
accs-sit
accs-inf
accs-unique
accs-world
poss3sg poss2sg
+ (+)
+ (+)
Chantisch + −
+ −
− −
− −
poss3sg poss2sg
+ +
+ (+)
Enzisch + +
+ +
+ −
+ +
poss3sg poss2sg
+ +
+ (+)
Nganasanisch + + + +
+ −
+ +
poss3sg poss2sg
+ +
+ +
Dolganisch + + + +
− −
− +
Schließlich wird auch das Possessivsuffix der 1. Person Plural an Referenten mit den Informationsstatus given und accessible verwendet. Allerdings tritt es bedeutend seltener auf als die Possessivsuffixe der 2. und 3. Person Singular und weicht in seiner Gebrauchsdomäne insofern ab, als die Markierung des Informationsstatus des jeweiligen Referenten nicht seine zentrale Funktion ist, wie in Abschnitt 9.2.3 gezeigt werden konnte.
270 | 9 Informationsstatus
9.2.6 Syntax von nicht-possessiv verwendeten Possessivsuffixen In Abschnitt 9.1 wurde festgestellt, dass jeder sprachlichen Realisierung eines Diskursreferenten ein Merkmalsbündel zugewiesen wird, das den Informationsstatus des Referenten anzeigt. Die Zuweisung dieser Merkmalsbündel kann nun − gemäß den in den vorherigen Abschnitten diskutierten Kriterien − zur Realisierung eines Possessivsuffixes am entsprechenden Referenten führen. Ein Referent mit dem Merkmalsbündel [+höreralt, +diskursalt] kann also beispielsweise im Nganasanischen, Enzischen und Dolganischen mit dem Possessivsuffix der 2. Person Singular markiert werden, nicht jedoch im Chantischen und Ewenkischen. Dass auch nichtmorphosyntaktische Merkmale Einfluss auf die Realisierung morphologischer Kategorien haben können, kann auch z.B. anhand der differentiellen Objektmarkierung im Russischen gezeigt werden. Hier führt die Zuweisung des Merkmals [+animat] an ein direktes Objekt zu Genitivmarkierung, die Zuweisung des Merkmals [−animat] jedoch zu Nominativ-/Akkusativmarkierung (Klenin 2009: 154)⁶. Entsprechend kann also rekonstruiert werden, dass die Zuweisung des Merkmalsbündels [±diskursalt, ±höreralt] in den hier untersuchten Sprachen zur Markierung des entsprechenden Referenten durch ein Possessivsuffix der 2. oder 3. Person Singular führen kann. Schließlich ist darauf einzugehen, inwiefern die Realisierung eines Possessivsuffixes Auswirkungen auf die Struktur der entsprechenden DP hat. In anderem Zusammenhang (vgl. Abschnitt 7.1) wurde bereits erwähnt, dass davon ausgegangen werden kann, dass Possessoren in SpecDP generiert werden. Ist kein Possessor overt realisiert, so kann von der Realisierung eines pro in SpecDP ausgegangen werden. Es stellt sich nun die Frage, ob dies auch für den nicht-possessiven Gebrauch von Possessivsuffixen gilt. Im Falle von „echten“ Possessoren blocken diese die Realisierung eines weiteren Possessors in der entsprechenden DP, Konstruktionen wie deutsch *mein dein Vater sind offensichtlich ungrammatisch und nicht interpretierbar. Dies gilt auch in den hier untersuchten Sprachen. Verhalten sich nicht-possessiv gebrauchte Possessivsuffixe syntaktisch wie possessiv gebrauchte Possessivsuffixe, so ist davon auszugehen, dass eben derartige doppelte Possessivmarkierungen blockiert sind. Tatsächlich ist dies in den untersuchten Sprachen auch der Fall, sodass anzunehmen ist, dass sich nicht-possessiv verwendete Possessivsuffixe aus syntaktischer Sicht genauso wie possessiv verwendete Possessivsuffixe verhalten, also von der Generierung eines pro in SpecDP auszugehen ist. Besonders interessant in diesem Zusammenhang sind jedoch die mit Possessivsuffixen markierten Demonstrativpronomina im Nganasanischen 6 Tatsächlich gilt dies nur für maskuline Nomina und ist im Detail komplizierter als hier dargestellt, der zugrundeliegende syntaktische Prozess bleibt davon jedoch unberührt.
9.2 Possessivsuffixe in nicht-possessiver Funktion
|
271
und Dolganischen. In Abschnitt 9.2.4 wurde gezeigt, dass im Nganasanischen in den Lexikonformen əmti ‘dieser’ und təti ‘jener; der’ sowie im Dolganischen in obliquen Stammformen von bu ‘dieser’ und ol ‘jener; der’ historisch ein Possessivsuffix anzusetzen ist. Weiterhin wurde gezeigt, dass in beiden Sprachen an entsprechende Pronomina Possessivsuffixe in nicht-possessiver Funktion treten können (z.B. − in diachroner Glossierung − ngan. tə-ti-rə ‘jener-poss3sg-poss2sg’ und dolg. on-tu-ta ‘jener-poss3sg-poss3sg’). Daraus ist zu schließen, dass jene stammbildenden bzw. stammerweiternden Elemente syntaktisch nicht mehr als Possessivsuffixe aufgefasst werden können, da sie eben nicht die Realisierung weiterer Possessivsuffixe blockieren. Abbildung 9.1 stellt exemplarisch die syntaktische Realisierung eines Referenten mit nicht-possessivem Possessivsuffix dar, nämlich waldenzisch tɔbiku-r ‘Maus-poss2sg’⁷. DP
pro
D’
D0
tɔbikur [+diskursalt] [+höreralt]
Abb. 9.1: Syntax nicht-possessiver Possessivsuffixe
Die vorstehenden Ausführungen zeigen also einerseits, dass Possessivsuffixe − wie vielfach schon in der Forschung bemerkt − im Chantischen, Enzischen, Nganasanischen und Dolganischen in nicht-possessiven Kontexten auftreten können. Relevant sind hier vor allem das Possessivsuffix der 3. Person Singular sowie der 2. Person Singular (letzteres im Chantischen nur begrenzt). Die entsprechenden Kontexte variieren von Sprache zu Sprache, generell kann aber gesagt werden, dass der entsprechend markierte Referent den Informationsstatus given oder accessible trägt. Schließlich konnte gezeigt werden, dass nicht-possessiv gebrauchte Possessivsuffixe syntaktisch genauso wie possessiv gebrauchte Possessivsuffixe zu analysieren sind.
7 Der Beleg stammt aus dem Text En_W_SiMN_19900522_MausKuckuck_flk, der Referent hat hier den Informationsstatus given-inactive.
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9.3 Objektive Konjugation 9.3.1 Auftreten der objektiven Konjugation Wie bereits in den Abschnitten 2 und 4.2 dargestellt kennen die uralischen Sprachen Chantisch, Enzisch und Nganasanisch eine objektive Konjugation, bei welcher in der Verbalmorphologie nicht nur Person und Numerus des Subjekts markiert werden sondern auch Numerus des direkten Objekts⁸. Die objektive Konjugation kennzeichnet sich hierbei durch Vorliegen eines zusätzlichen Sets an Personalendungen, gepaart mit einem Zeichen für ein dualisches bzw. pluralisches Objekt. Tabelle 9.4 illustriert dies für das Chantische (Nordchantisch, Obdorsk; Nikolaeva 1999b: 24)⁹. Tab. 9.4: Subjektive und objektive Konjugationssendungen im Chantischen
1sg 2sg 3sg 1du 2du 3du 1pl 2pl 3pl
Subj. Konjugation
Obj. Konjugation Singularobjekt
Obj. Konjugation Dualobjekt
Obj. Konjugation Pluralobjekt
-əm -ən -ø -əmən -ətən -əŋən -uw -əti -ət
-em -en -lli -emən -ələn -ələn -ew -ələn -el
-ŋil-am -ŋil-an -ŋil-li -ŋil-mən -ŋil-lən -ŋil-lən -ŋil-uw -ŋil-lən -ŋil-al
-l-am -l-an -l-əlli -l-əmən -l-əllən -l-əllən -l-uw -l-əllən -l-al
Die Existenz einer objektiven Konjugation als solche legt zunächst einmal zumindest die Möglichkeit nahe, dass die objektive Konjugation immer dann in Verbformen auftritt, wenn ein direktes Objekt − sei es overt oder kovert − im Satz vorhanden ist. Dies ist jedoch nicht der Fall, wie die folgenden chantischen Beispiele leicht zeigen können:
8 Auf dem Begriff Object Agreement wird hier deshalb verzichtet, weil das Verb in den untersuchten Sprachen bei Vorliegen der objektiven Konjugation eben nicht vollständig mit dem Objekt kongruiert, also kein vollständiges Agreement vorliegt. 9 Die Transkription ist an die hier verfolgten Standards angepasst.
9.3 Objektive Konjugation
(374)
|
273
Want-e săr, χuj-a t˘ıɣ-m-at schauen-imp.2sg.obj doch Mann-lat werden-ptcp.pst-poss3sg păta ˘ıj taŋkə wet-əs. für eins Eichhörnchen töten-pst.3sg ‘Sieh nur, um ein Mann zu werden, tötete er ein Eichhörnchen.’ (Kha_Sh_MaKI_1936_ErsteEichhörnchenjagd_nar.022)
(375)
˘ s-əp ˘ N˘owə tuˇ ojka l˘op-ət: „Ma tuwət weiß Bart-propr alter.Mann sagen-prs.3sg 1sgpro 3sgpro.acc wet-t-em!“ töten-prs-1sg.obj ‘Der weißbärtige alte Mann sagt: „Ich töte ihn.“’ (Kha_Sh_MaKI_193X_KaufmannKnecht_flk.218)
Sowohl in Beispiel (374) als auch in Beispiel (375) ist ein direktes Objekt overt im Satz realisiert, in ersterem Fall steht das Verb in der subjektiven Konjugation, im zweiten Fall in der objektiven. Im Folgenden soll untersucht werden, in welchen Kontexten die objektive Konjugation verwendet wird bzw. welche informationsstrukturelle Parameter Einfluss darauf haben. Die heute weitestgehend anerkannte Analyse geht v.a. auf die Arbeiten Nikolaevas (Nikolaeva et al. 1993, Nikolaeva 1999b, Nikolaeva 2001, Dalrymple & Nikolaeva 2011) zum Chantischen und zum Nenzischen zurück. Nikolaeva (2001) gebraucht die Termini Primäres Topik und Sekundäres Topik. Sie versteht ein Topik als „a referent under the scope of pragmatic presupposition“ (Nikolaeva 2001: 11), was impliziert, dass neben aboutness vor allem auch Vorerwähntheit den Topikstatus eines Referenten induziert. Primäres Topik und Sekundäres Topik haben nun gemäß Nikolaeva „essentially the same properties but to different degrees; the primary topic is more important, continuous, and recurrent than the secondary topic“ (Nikolaeva 2001: 11). Das Primäre Topik sei mit dem Subjekt eines Satzes assoziiert, das Sekundäre Topik hingegen ggf. mit dem direkten Objekt (Nikolaeva 2001: 11). Den Gebrauch der objektiven Konjugation analysiert Nikolaeva (1999b: 76) für das Chantische (und das Nenzische) so, dass ein Sekundäres Topik in Objektposition die objektive Konjugation am Verb auslöse, während die subjektive Konjugation am Verb stehe, wenn das direkte Objekt zum Fokus gehöre. Siegl (2013a: 375−376) übernimmt diese Analyse für das (Wald)enzische. Khanina & Shluinsky (2015: 6) hingegen gehen davon aus, dass Vorerwähntheit eines Referenten − also sein Informationsstatus given − tendenziell die objektive Konjugation am Verb auslöse¹⁰. Wagner-Nagy (2019: 338−339) übernimmt Nikolaevas Analyse für
10 Weiterhin gehen Khanina & Shluinsky (2015: 7) davon aus, dass im Diskurs prominente, vorerwähnte Objekte tendenziell im Nominativ stehen, während im Diskurs nicht prominente,
274 | 9 Informationsstatus
das Nganasanische nicht, sondern weist ebenfalls auf die Tendenz hin, dass die objektive Konjugation auftrete, wenn das Objekt im Diskurs vorerwähnt sei, ohne dass es dadurch notwendigerweise topikal sei. Problematisch an der Analyse Nikolaevas sind aus theoretischer Sicht zwei Punkte: Zum einen vermischt die Analyse die Topik-Kommentar-Gliederung und Informationsstatus (bzw. die Opposition given vs. new). Da Vorerwähntheit nicht zwangsläufig Topikalität bedeutet, wie in Kapitel 6 gezeigt wurde, ist das unzulässig. Zum anderen impliziert sie wiederum einen Gegensatz von Topikalität und/oder Vorerwähntheit einerseits und Fokalität andererseits. Da Nicht-Fokalität aber eben nicht unbedingt Topikalität oder Vorerwähntheit bedeutet und andersherum Nicht-Topikalität und Nicht-Vorerwähntheit nicht unbedingt Fokalität bedeuten, ist auch diese Gegenüberstellung unzulässig. Nikolaevas Verständnis der informationsstrukturellen Größe Topik als Referent unter dem Skopus der pragmatischen Präsupposition sowie die in relevanten Arbeiten angeführten Daten legen nahe, dass zumindest ein Parameter des Gebrauchs der objektiven Konjugation auf der Ebene des Informationsstatus liegt. Hierzu passt auch die Analyse, dass ein Großteil (83%) der Objekte, welche die objektive Konjugation auslösen, im Diskurs vorerwähnt sind (Nikolaeva 2001: 24). Im Folgenden soll aus diesem Ansatz heraus die Korrelation von Informationsstatus und dem Auftreten der objektiven Konjugation im Chantischen, Enzischen und Nganasanischen untersucht werden. Zu diesem Zweck muss zunächst auf einige formale Kriterien eingegangen werden, die beim Auftreten der objektiven Konjugation eine Rolle spielen. Für das Enzische und das Nganasanische stellen Siegl (2013a: 252) bzw. Wagner-Nagy (2019: 338) fest, dass die objektive Konjugation nur mit Objekten der 3. Person auftritt und im Falle von overten Objekten der 1. und 2. Person − unabhängig von ihrem Informationsstatus − ungrammatisch ist. Bestätigt wird dies durch das untersuchte Material, die folgenden beiden Beispiele zeigen jeweils ein vorerwähntes Objekt der 1. Person Singular:
nicht vorerwähnte Objekte tendenziell im Akkusativ (bzw. in der obliquen Genitiv-Akkusativ-Form) stehen. Auch wenn dies nicht direkt etwas mit dem Auftreten der objektiven Konjugation zu tun hat, soll hier angemerkt werden, dass diese Beobachtung aus meiner Sicht nicht unterstützt werden kann. Eher sind Referenten mit dem Informationsstatus new unmarkiert, während Referenten mit dem Informationsstatus given in der obliquen Form stehen. Da die grammatischen Kasus im Enzischen aber ohnehin häufig nicht voneinander zu unterscheiden sind, sind fundierte Aussagen hierzu schwierig, sodass eine genaue Analyse hier nicht erfolgen kann.
9.3 Objektive Konjugation
(376)
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275
Miiʔa sˇ iiʔ tubɔta-ɡɔa-dɔ? warum 1sgpro.acc betrügen-dur-2sg ‘Warum betrügst du mich?’ (En_T_TuZA_20080723_Märchen_flk.071)
(377)
Iniʔi⁀ a mənə təbtə mərki-tə-ti. alte.Frau 1sgpro.acc auch hinausjagen-ipfv-aor.3sg ‘Die alte Frau jagt mich auch hinaus.’ (Ng_ChND_041213_Reminiscence_nar.073)
Im Chantischen ist dies dialektal unterschiedlich. Die nördlichen Dialekte (Obdorsk, Kazym und Šerkaly) zeigen ein mögliches Auftreten der objektiven Konjugation, der Surgut-Dialekt als Vertreter der Ostdialekte jedoch nicht: (378)
˘ [...] n˘owə joχ unə χu manət aj puškan-na χas’ weiß Mann.pl groß Mann 1sgpro.acc klein Gewehr-loc fast wet-s-əte. töten-pst-3sg.obj ‘[Als mein Schlitten ins Wasser fiel,] tötete mich ein großer Mann von den weißen Leuten¹¹ fast mit einem Gewehr.’ (Kha_Sh_MaKI_1936_Revolution_nar.007)
(379)
[...] mɐːnt ʌuw wɛʌ-əʌ. 1sgpro.acc 3sgpro töten-prs.3sg ‘[Schicke mich erst zu ihm,] er tötet mich.’ (Kha_Su_SoII_1992_NenetsHeroPoorWorker_flk.018)
Ein weiteres formales Kriterium für das Auftreten der objektiven Konjugation ist in allen drei Sprachen die koverte Realisierung des Objekts. Ist das Objekt kovert realisiert, so tritt automatisch die objektive Konjugation auf. Das ist insofern trivial, da natürlich beide Phänomene einander bedingen und ohne die objektive Konjugation eine koverte Realisierung von Objekten gar nicht möglich wäre. Ebenfalls erwartungsgemäß sind kovert realisierte Objekte stets vorerwähnt oder zumindest für den Hörer in der Äußerungssituation zugänglich. Die folgenden Beispiele zeigen koverte Objekte in Kombination mit der objektiven Konjugation: (380)
In Lɵːs’mi pro Kaːsəm tij-əʌ pɛʌa tɵː-s-ʌə. jetzt Losmi 3pl Kazym Ende-poss3sg zu bringen-pst-3sg.obj.pl ‘Jetzt brachte Losmi sie [= die Chanten] zum Ende des [Flusses] Kazym.’ (Kha_Ka_SePI_1997_WieChantenAnDenKazymKamen_flk.006)
11 Gemeint ist die Weiße Garde im Russischen Bürgerkrieg.
276 | 9 Informationsstatus
(381)
ŋol’u enˇceʔ pro baði-ta-ða. eins Mensch 3sg erzählen-fut-3sg.obj ‘Ein Mensch wird es [= das Märchen] erzählen.’ (En_W_PaNS_199X_RentierbullenJagen_flk.013)
(382)
[...] „pro mənə t’ii-d’¨uəd’əi-n’ə i-s’¨uə. 3pl 1sgpro verstecken-pst.pf-1sg.obj.pl sein-pst.3sg ‘[Sie sagte so:] „ICH hatte sie [= Schlitten] versteckt.“’ (Ng_TNK_0805_Life_nar.030)
Das Auftreten der objektiven Konjugation mit overten Objekten hingegen ist, wie oben angedeutet, komplexer. Der Informationsstatus des entsprechenden Referenten spielt dabei offenbar eine Rolle, weiterhin wird Verb-Adjazenz des Objekts als Faktor für das Auftreten der objektiven Konjugation genannt (Nikolaeva 1999b: 69). Tabelle 9.5 zeigt das Auftreten der subjektiven und objektiven Konjugation in den drei relevanten Sprachen unter Berücksichtigung der Parameter Informationsstatus und Verb-Adjazenz; aufgrund der oben diskutierten Beschränkungen bei Objekten in der 1. und 2. Person sind hier nur Objekte in der 3. Person gezählt. Tab. 9.5: Auftreten von Objekten mit der subjektiven und objektiven Konjugation Subjektive Konjugation given accs new
Objektive Konjugation given accs new
verb-adjazent nicht verb-adjazent
127 24
Chantisch 51 290 8 18
81 81
44 35
1 0
verb-adjazent nicht verb-adjazent
73 15
Enzisch 66 209 10 9
106 57
28 6
3 0
verb-adjazent nicht verb-adjazent
152 19
Nganasanisch 70 121 9 10
17 12
5 1
2 0
Am deutlichsten fällt ins Auge, dass in allen Sprachen alle Referenten mit dem Informationsstatus new − von wenigen, statistisch vernachlässigbaren Ausreißern abgesehen − mit der subjektiven Konjugation auftreten, während Referenten mit den Informationsstatus given und accessible mit beiden Konjugationen auftreten können. In Kapitel 6 wurden die in dieser Arbeit angenommenen Ebenen von Informationsstruktur auf die Kommunikationsebenen nach Bühler (1934) bezogen. Informationsstatus wurde dabei auf die empfängerbezogene Ebene bezogen,
9.3 Objektive Konjugation
|
277
was gut dazu passt, dass der Sprecher in seinem Common Ground Management das Vorwissen seines Gegenübers einschätzt und seine sprachliche Information entsprechend kodiert. Weiterhin wurde dort argumentiert, dass die Kategorie Informationsstatus durch zwei Merkmale ausgedrückt wird, wovon sich eines [±höreralt] eben darauf bezieht, ob ein Diskursreferent für den Hörer zugänglich ist oder nicht. Die beiden Informationsstatus, welche die Merkmalsausprägung [+höreralt] zeigen, erlauben nun den Gebrauch der objektiven Konjugation mit entsprechenden Objekten, während der Informationsstatus, welcher die Merkmalsausprägung [−höreralt] zeigt, das verhindert. Die folgenden Beispiele zeigen Objekte mit dem Informationsstatus new und der subjektiven Konjugation am Verb: (383)
Kontext: Es leben ein alter Mann und eine alte Frau.
Poχ taj-ʌ-ənən. Junge haben-prs-3du ‘Sie haben einen Sohn.’ (Kha_Ka_TaMK_1964_BirkenrindenBrotBursche_flk.002) (384)
Mod’ teða nedaʔ sˇ uðebiˇcu baði-ta-ðʔ. 1sgpro jetzt 2plpro.dat Märchen erzählen-fut-1sg ‘Ich erzähle euch jetzt ein Märchen.’ (En_W_BoDS_199111_ZweiMärchen_flk.001)
(385)
Kontext: Sie gingen in den Wald, um Zeltstangen zu machen. Sie machten einige Stangen und gingen wieder nach Hause.
Təɡətə lakarɨari⁀ aiʔ maa-ɡ¨uə saü d’indi-ʔə-ɡəj. dann plötzlich was-emph.acc Lärm.acc hören-aor-3du ‘Dann hörten sie plötzlich irgendeinen Lärm.’ (Ng_SEN_061025_Moose_nar.006) Die Realisierung von Objekten mit den Informationsstatus given und accessible ist nicht so einheitlich und klar. Es fällt auf, dass das Nganasanische bei weitem die geringste Anzahl an Objekten, welche die objektive Konjugation am Verb auslösen, aufweist. Sogar Objekte mit den Informationsstatus given und accessible treten entgegen den Erwartungen etwa sieben Mal so häufig mit der subjektiven Konjugation auf wie mit der objektiven (250 zu 35). Im Chantischen und Enzischen überwiegt im Falle von Objekten mit den Informationsstatus given und accessible die objektive Konjugation leicht (210 zu 241 im Chantischen und 164 zu 197 im Enzischen), im Großen und Ganzen jedoch nicht signifikant. Der Faktor Verb-Adjazenz spielt insofern eine Rolle, als sich im Fall verb-adjazent stehender Objekte das
278 | 9 Informationsstatus
Verhältnis zugunsten der subjektiven Konjugation verschiebt (222 zu 22 im Nganasanischen, 178 zu 125 im Chantischen und 139 zu 134 im Enzischen), im Fall nicht verb-adjazent stehender Objekte jedoch zugunsten der objektiven Konjugation (32 zu 116 im Chantischen und 25 zu 63 im Enzischen). Im Nganasanischen überwiegt auch bei nicht verb-adjazent stehenden Objekten die subjektive Konjugation, allerdings ist das Verhältnis von subjektiver zu objektiver Konjugation mit 28 zu 13, also ca. 2:1, ausgeglichener als im Falle verb-adjazent stehender Objekte. Auf mögliche Gründe dieser Tendenz und ihre syntaktische Realisierung wird im folgenden Abschnitt 9.3.2 eingegangen. Die folgenden Beispielblöcke illustrieren diese Tendenzen, die ersten drei Beispiele ((386) bis (388)) zeigen verb-adjazent stehende Objekte mit dem Informationsstatus given mit subjektiver Konjugation, die zweiten drei Beispiele ((389) bis (391)) zeigen verb-adjazent stehende Objekte mit dem Informationsstatus given mit objektiver Konjugation: (386)
Kontext: Er fuhr zum Überschwemmungssee, um seine Netze auszuwerfen.
Tor-a j˘oχt-əs, χotəp-t-at Überschwemmungssee-lat kommen-pst.3sg Netz-pl-poss3sg meɣt-əs. auswerfen-pst.3sg ‘Er kam zum Überschwemmungssee, er warf seine Netze aus.’ (Kha_Sh_MaKI_1934_ScheintoterNeffe_flk.068) (387)
Kontext: [Ein alter Mann lässt einen Jungen bei fremden Leuten. Der Junge überlegt, ob er dort bleiben möchte.] Er denkt so: Ich verlasse diese Karawane.
Kan-ta-ðʔ an’, čike d’isi, buuse čike weggehen-fut-1sg und dieser Opa alter.Mann dieser ko-da-ðʔ mod’. finden-fut-1sg 1sgpro ‘Und ich gehe weg, dieser Opa, ich werde diesen alten Mann finden.’ (En_W_GlES_20100715_MärchenJunge_flk.090)
9.3 Objektive Konjugation
(388)
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279
Kontext: Ein kurzhaariger Hund ist angebunden. Er [= Hibula] ließ ihn frei, er ging weiter.
Təti banu-mtu n’olhə-ða-ʔa, jener Hund-acc.poss3sg freilassen-tr-aor.3sg bii-ʔi⁀ ai-ðə. weggehen-aor-3sg.rfl ‘Er ließ den Hund frei und ging weiter.’ (Ng_JSM_080212_Hibula_flkd.026) (389)
Kontext: Nachdem das Rebhuhn weggegangen ist, nimmt der Teufel seine [eigene] Frau und tötet sie. [...] Das Rebhuhn kommt, das Rebhuhn sagt:
„Nu, χ˘oti ime-n wel-s-en?“ nun wie Frau-poss2sg töten-pst-2sg.obj ‘„Nun, wie [ist es], hast du deine Frau getötet?“’ (Kha_Ob_ToDI_1990_Partridge_flk.014) (390)
Kontext: Wir haben so einen Fluss, die Peljatka. Sie kamen dort an. [Es ist] ein großer Fluss, riesig.
Sɔjða mɔ-d taa-bi-ðɔʔ, d’aχa-duʔ gut ph-lat erreichen-prf-3pl.rfl Fluss-obl.poss3pl mɔta-bi-ðuʔ. schneiden-prf-3pl.obj ‘Sie erreichten ein gutes Dings [= eine gute Stelle], sie überquerten den Fluss.’ (En_T_SiSD_20080808_RentiereEinfangen_nar.069) (391)
Kontext: Es [= ein Rentier] verschlang die Maus zusammen mit dem Moos. Als sich die Maus im Rentier wiederfand, fing sie an, seine Organe zu zerknabbern.
Tən’iʔi⁀ a s’eði-mɨn-tɨ kuntə so bohren-nmnz.ipfv-gen.poss3sg während taa-mtu koða-ʔa-tu. Rentier-acc.poss3sg töten-aor-3sg.obj ‘Wie sie so bohrte, tötete sie das Rentier.’ (Ng_TAM_68_Reindeer_flkd.019) Hinsichtlich der Faktoren Informationsstatus und Verb-Adjazenz des Objektes unterscheiden sich (386) und (389) bzw. (387) und (390) bzw. (388) und (391)
280 | 9 Informationsstatus
nicht voneinander, sodass sie auch kaum die Wahl der subjektiven bzw. objektiven Konjugation erklären können. Der folgende Beispielblock schließlich zeigt nicht verb-adjazent stehende Objekte mit dem Informationsstatus given mit objektiver Konjugation: (392)
Kontext: Von den Soldaten des Zaren wurde er zum Landungsplatz an den Fluss gebracht, ihm wurden drei Schiffe gegeben.
˘ Karəpl’a-t-at săran χop-ət χ˘os’a Schiff-pl-poss3sg syrjänisch Boot-poss3sg zu tu-s-te. bringen-pst-3sg.obj.pl ‘Er brachte seine Schiffe zum syrjänischen Boot [mit dem er gekommen war].’ (Kha_Sh_MaKI_1934_ScheintoterNeffe_flk.068) (393)
Kontext: „Ich habe dort so ein riesiges Fass Kaviar.“ Er brachte es.
Aga buuse-je čike kɔ sˇ iðe ne ke-χoð groß alter.Mann-pej dieser Fass zwei Seite Seite-abl muɔ-ða. nehmen-aor.3sg.obj ‘Der große alte Mann nahm dieses Fass an beiden Seiten.’ (En_W_BoDS_199111_ZweiMärchen_flk.047) (394)
Kontext: Die Maus, die es [= ein Rentier] suchte, versteckte sich unter dem Moos.
Təndə təmuŋku-mtu d’iə na jener.acc Maus-acc.poss3sg Moos.gen mit n’eltəmɨ-ʔə-ðɨ. verschlingen-aor-3sg.obj ‘Es verschlang die Maus zusammen mit dem Moos.’ (Ng_TAM_68_Reindeer_flkd.017) Zusammenfassend kann an dieser Stelle also gesagt werden, dass die Faktoren Informationsstatus und Verb-Adjazenz das Auftreten der objektiven Konjugation im Chantischen, Enzischen und Nganasanischen teilweise, jedoch nicht vollständig erklären können. Zunächst liegen einige formale Restriktionen vor: Im Surgutchantischen, Enzischen und Nganasanischen tritt die objektive Konjugation nur mit Objekten in der 3. Person auf, overte Objekte der 1. und 2. Person zeigen unabhängig von Informationsstatus oder Verb-Adjazenz die subjektive Konjugation am Verb.
9.3 Objektive Konjugation
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281
Weiterhin werden koverte Objekte ausnahmslos mit der objektiven Konjugation markiert. Im Falle overter Objekte ist in Bezug auf den Informationsstatus zwischen Referenten mit dem Merkmal [−höreralt] (= Informationsstatus new) und Referenten mit dem Merkmal [+höreralt] (= Informationsstatus given und accessible) zu unterscheiden. Erstere zeigen stets die subjektive Konjugation am Verb, letztere können sowohl die subjektive als auch die objektive Konjugation zeigen. Für Referenten mit dem Merkmal [+höreralt] ist ferner zwischen einer verb-adjazenten und einer nicht verb-adjazenten Position zu unterscheiden. Bei einem Objekt in verb-adjazenter Position tritt in vergleichbaren Kontexten sowohl die subjektive als auch die objektive Konjugation auf, während bei Objekten in nicht verb-adjazenter Position eine ausgeprägtere Tendenz zur Verwendung der objektiven Konjugation vorliegt. Da gerade der Faktor Verb-Adjazenz unmittelbar mit der syntaktischen Realisierung der Objekte bzw. der objektiven Konjugation zusammenhängt, soll im folgenden Abschnitt detailliert darauf eingegangen werden.
9.3.2 Syntax der objektiven Konjugation Bereits zu Beginn von Abschnitt 9.3.1 wurde herausgestellt, dass bei Vorliegen der subjektiven Konjugation das Verb mit dem Subjekt in Person und Numerus kongruiert, während es bei Vorliegen der objektiven Konjugation zusätzlich mit dem Objekt in Numerus kongruiert. Da die Kongruenz von Subjekt und Prädikat syntaktisch über die Subjektkongruenzphrase AgrS P rekonstruiert wird, liegt es nahe, Kongruenz von Objekt und Prädikat über die Objektkongruenzphrase AgrO P zu rekonstruieren. Da weiterhin im Rahmen dieser Arbeit davon ausgegangen wird, dass morphosyntaktische Merkmale auch schon in situ abgeglichen werden können (vgl. Zeijlstra (2012)), müssen Objekte, die die objektive Konjugation am Verb auslösen, nicht zwingend nach SpecAgrO P bewegt werden, sondern können in situ verbleiben. Für die im vorherigen Abschnitt beobachteten Phänomene ergeben sich zwei unmittelbare Konsequenzen: 1. Für sowohl nicht verb-adjazente als auch verb-adjazente Objekte kann die syntaktische Realisierung der objektiven Konjugation problemlos rekonstruiert werden und 2. Verb-adjazent stehende Objekte, welche mit dem Objekt kongruieren, müssen keine unsichtbaren Bewegungen in die Objektkongruenzphrase ausführen. Vor allem der letztgenannte Punkt ist insofern ein Gewinn für die Rekonstruktion der Syntax dieser Konstruktion, als eben keine unökonomischen und nicht sichtbaren Bewegungen angenommen werden müssen. Schließlich können kovert realisierte Objekte analog zu kovert realisierten Subjekten analysiert werden, nämlich derart, dass sie als phonetisch leer, in der Syntax jedoch existent konstruiert werden (vgl. Holmberg (2005)). Beispiel
282 | 9 Informationsstatus
(391) und Beispiel (392) können somit wie in Abbildung 9.2 bzw. 9.3 rekonstruiert werden. CP
AgrS P
[-wh]
PP
Tən’iʔi⁀ a s’eðimɨntɨ kuntəi [TOP]
AgrS P
AgrO P
AgrO ’
VP
[acc] [sg] ti
VP
pro
V’
DP
koðaʔatu.
taamtu [acc] [sg] Abb. 9.2: Syntax der objektiven Konjugation bei verb-adjazentem Objekt (Satz (391))
Da, wie oben beschrieben, der Merkmalsabgleich der Objektkongruenzmerkmale nicht zur Bewegung einer Konstituente nach SpecAgrO P führt, ist zu überlegen, warum die Bewegung in Beispiel (392), dargestellt in Abbildung 9.3, dennoch stattgefunden hat. Sieht man sich den Kontext des Beispiels an, so ist die für den Sprecher wichtige Information sicherlich, was der Kaufmann mit seinen Schiffen machte. Die VP einschließlich des VP-modifizierenden Adverbials bildet also die ˘ Fokusdomäne des Satzes. Die Konstituente [karəpl’atat] ist in diesem Kontext Hintergrundmaterial und muss daher aus der Fokusdomäne hinausbewegt werden (vgl. Abschnitt 8.2 für eine detaillierte Begründung).
9.3 Objektive Konjugation
|
283
CP
AgrS P
[-wh]
proi [TOP]
AgrO P
AgrO ’
DP
k˘arəpl’atatj [pl]
VP [FOC]
[pl]
PP
s˘aran χopət χ˘os’a ti
VP
V’
tj tuste.
Abb. 9.3: Syntax der objektiven Konjugation bei nicht verb-adjazentem Objekt (Satz (392))
Nikolaeva (1999b: 69) bemerkt en passant, dass Objekte, die mit der subjektiven Konjugation stehen, VP-intern realisiert seien, Objekte, die mit der objektiven Konjugation stehen, hingegen VP-extern. Wenn diese These stimmt und tatsächlich jedes Objekt, welches mit der objektiven Konjugation auftritt, VP-extern steht, so dürfte es keine Kontexte geben, in welchen ein VP-modifizierendes Adverbial vor dem Objekt steht. Die folgenden Beispiele zeigen jedoch genau derartige Kontexte: (395)
S’as’e-ʌ ime-ʌ waːn kut-əʌ Großmutter-poss3sg Frau-poss3sg lange Mitte-poss3sg χiʌe-ʌ wɵːnti-ʌ-əʌʌə: [...] Enkel-poss3sg lehren-prs-3sg.obj ‘Die Großmutter lehrt ihren Enkel oft¹²: [...].’ (Kha_Ka_TaMK_1964_UkaShopije_flk.002)
12 Die DP [waːn kutəʌ] bedeutet ‘oft’ und ist daher als Adverbial zu analysieren.
284 | 9 Informationsstatus
(396)
Čike maχa-da n’in ɔsa-ku-ða dieser Rücken-obl.poss3sg auf Fleisch-dim-pl.poss3sg mɔta-d-e-ð. schneiden-fut-obj.pl-2sg.obj ‘Du schneidest das Fleisch dann auf seinem Rücken.’ (En_W_BoLD_20080819_GenaMäuse_nar.029)
(397)
Mənə tahari⁀ aiʔ ŋahu-ɡəl’t’ə-mə 1sgpro jetzt ältere.Schwester-emph-acc.poss1sg Zoja-mə n’i-ntɨ-mə ŋəð¨u-ʔ. Zoja-acc.poss1sg neg.aux-aor-1sg.obj finden-cng ‘Ich finde jetzt nicht einmal meine Schwester Zoja.’ (Ng_ChND_061023_School_nar.039)
In diesen Beispielen kann kaum Bewegung des Objekts nach SpecAgrO P angenommen werden, da dies zur Konsequenz hätte, dass die vor ihm stehenden VPAdverbiale in eine noch höhere Strukturposition bewegt werden müssten. Eine Realisierung von VP-Adverbialen in der funktionalen Superstruktur des Satzes jedoch müsste für die hier untersuchten Sprachen erst gezeigt werden, in dieser Arbeit wird daher nicht davon ausgegangen. Entsprechend wird hier auch nicht angenommen, dass jedes Objekt, das die objektive Konjugation am Verb auslöst, VP-extern realisiert sein muss. Dies passt zu den obigen theoretischen Annahmen zum Merkmalsabgleich in situ, denn wenn jedes Objekt, das die objektive Konjugation auslöst, VP-extern, d.h. wohl in SpecAgrO P, realisiert würde, dann müsste bei entsprechenden verb-adjazent stehenden Objekten von unsichtbarer Bewegung ausgegangen werden. Da dies aber unökonomisch ist, ist eine Analyse, in welcher hierauf verzichtet werden kann, vorzuziehen. Insgesamt kann also gesagt werden, dass das Objekt − auch bei Vorliegen der objektiven Konjugation − in situ verbleiben kann, sofern keine anderen Gründe vorliegen, es aus der VP hinaus zu bewegen. Gründe für letzteres können beispielsweise der Topikstatus des Objekts (Adjunktion an AgrS P) oder der Hintergrundstatus des Objekts (Bewegung aus der Fokusdomäne hinaus, Landeplatz z.B. SpecAgrO P) sein. Dies wiederum hat zur Folge, dass eine Korrelation von topikalen Objekten bzw. nicht-fokalen Objekten mit dem Auftreten der objektiven Konjugation vorliegt, die allerdings nicht kausal ist. Der Grund für die Realisierung bzw. Nicht-Realisierung der objektiven Konjugation ist der Informationsstatus des entsprechenden Objekts und einige seiner formalen Charakteristika (1. und 2. vs. 3. Person; overt vs. kovert). Syntaktisch gesprochen bedeutet dies, dass die Zuweisung des Merkmals [+höreralt] an ein Objekt (entspricht den Informationsstatus given und accessible) die Realisierung der objektiven Konjugation am Verb ermöglicht, während die Zuweisung des Merkmals [−höreralt] (entspricht dem Informationsstatus new) das verhindert.
9.4 Zusammenfassung
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285
9.4 Zusammenfassung Als dritte Ebene von Informationsstruktur wurde in diesem Abschnitt die Realisierung von Informationsstatus in den Objektsprachen besprochen sowie die entsprechende zugrundeliegende Syntax rekonstruiert. Vor allem wurde hierbei auf zwei morphosyntaktische Phänomene eingegangen: einerseits der nichtpossessive Gebrauch von Possessivsuffixen und andererseits das Auftreten der objektiven Konjugation in den hier untersuchten uralischen Sprachen. Possessivsuffixe können im Chantischen, Enzischen, Nganasanischen und Dolganischen neben prototypisch possessiven Relationen auch den Informationsstatus eines Diskursreferenten markieren, im Ewenkischen ist dieses Phänomen, wenn überhaupt, marginal. Besonders relevant sind in diesem Kontext die Possessivsuffixe der 2. und 3. Person Singular, wobei das Possessivsuffix der 2. Person Singular im Chantischen in dieser Funktion nur in den Norddialekten auftritt und auch dort bei weitem seltener ist als das Possessivsuffix der 3. Person Singular. Das Possessivsuffix der 3. Person Singular kann in allen vier Sprachen Referenten mit dem Informationsstatus given markieren, teilweise auch Referenten mit dem Informationsstatus accessible. Die Markierung von für den Hörer durch Inferenz oder den situativen Kontext zugänglichen Referenten ist in allen vier Sprachen möglich, die Markierung von uniken und durch Weltwissen zugänglichen Referenten nur im Enzischen und Nganasanischen. Das Possessivsuffix der 2. Person Singular kann ebenfalls in allen vier Sprachen Referenten mit dem Informationsstatus given markieren, wenngleich dies im Chantischen begrenzt ist (s.o.). Ferner ist zwischen Referenten zu unterscheiden, welche given-active (im unmittelbaren Prätext erwähnt) bzw. given-inactive (mindestens zwei Sätze vor dem aktuellen Satz erwähnt) sind. Erstere Referenten werden sowohl im Enzischen und Nganasanischen als auch im Dolganischen mit dem Possessivsuffix der 2. Person Singular markiert, letztere Referenten tendenziell seltener im Enzischen und Nganasanischen, jedoch regelmäßig im Dolganischen. Zur Markierung von Referenten mit dem Informationsstatus accessible tritt das Possessivsuffix der 2. Person Singular nur im Enzischen, Nganasanischen und Dolganischen auf. Hier können Referenten markiert werden, welche durch Inferenz, den situativen Kontext und Weltwissen zugänglich sind, nicht jedoch unike Referenten. Daraus folgt, dass die Kategorie general knowledge bei der Beschreibung von Informationsstatus aufzulösen ist und stattdessen die Kategorien uniqueness und world knowledge zu verwenden sind. Für die syntaktische Realisierung von nicht-possessiv gebrauchten Possessivsuffixen konnte gezeigt werden, dass in der entsprechenden DP ein koverter Possessor in SpecDP anzusetzen ist, da in diesen Kontexten die Realisierung eines weiteren Possessors bzw. Possessivsuffixes geblockt ist.
286 | 9 Informationsstatus
Die objektive Konjugation tritt in den uralischen Sprachen Chantisch, Enzisch und Nganasanisch auf. In den entsprechenden Verbformen kongruiert das Verb nicht nur mit Person und Numerus seines Subjekts, sondern auch mit dem Numerus seines Objekts. Neben einigen formalen Kriterien (overte Objekte der 1. und 2. Person lösen im Enzischen, Nganasanischen und Surgutchantischen nie die objektive Konjugation aus; koverte Objekte lösen stets die objektive Konjugation aus) konnte gezeigt werden, dass vor allem zwei Faktoren relevant für das Auftreten der objektiven Konjugation sind: Informationsstatus und Verb-Adjazenz des Objekts. Während Objekte mit dem Informationsstatus new nie mit der objektiven Konjugation am Verb auftreten, können Objekte mit den Informationsstatus given und accessible sowohl mit der subjektiven als auch mit der objektiven Konjugation am Verb auftreten. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass das Auftreten der objektiven Konjugation tendenziell häufiger ist, wenn das Objekt nicht unmittelbar verb-adjazent steht. Für die Syntax der objektiven Konjugation wurde argumentiert, dass die objektive Konjugation über Merkmalsabgleich mit der Objektkongruenzphrase AgrO P realisiert wird. Hierbei können die morphosyntaktischen Merkmale in situ abgeglichen werden, d.h. es erfolgt keine obligatorische Bewegung des Objekts nach SpecAgrO P. Die Informationsstatus given und accessible sind also nicht ursächlich für eine eventuelle nicht verb-adjazente Realisierung des Objekts, ebensowenig bedeutet das Auftreten der objektiven Konjugation per Default eine VP-externe Realisierung des Objekts. Die Bewegung eines Objekts aus der VP hinaus geschieht aus anderen Gründen, zum Beispiel durch Topikstatus oder Hintergrundstatus des Objekts, was zu Adjunktion an AgrS P bzw. Bewegung aus der Fokusdomäne hinaus in die funktionale Superstruktur des Satzes, z.B. nach SpecAgrO P, führt. Letztgenannte Prozesse erklären auch die Korrelation von topikalen bzw. nicht-fokalen Objekten und dem Auftreten der objektiven Konjugation. Insgesamt ist zu schlussfolgern, dass Informationsstatus in den untersuchten Sprachen morphosyntaktisch realisiert werden kann, dass es jedoch in den meisten Fällen nicht obligatorisch ist. Weder für nicht-possessiv gebrauchte Possessivsuffixe noch für die objektive Konjugation konnten letztendlich genaue Algorithmen für ihre Verwendung gefunden werden. Dennoch konnte ihr Gebrauch und die zugrundeliegende Syntax im hier verwendeten syntaktischen Framework gut beschrieben werden, was wiederum die Adäquatheit des in Kapitel 6 entwickelten Merkmalsbündels [±höreralt, ±diskursalt] zur Beschreibung von Informationsstatus untermauert. Abschließend ist festzustellen, dass die Realisierung von Informationsstatus zwar auch über ein informationsstrukturelles Merkmal bzw. Merkmalsbündel zu rekonstruieren ist, dass die Ebene des Informationsstatus jedoch offensichtlich anders strukturiert ist als die Ebenen der Topik-KommentarGliederung und der Fokus-Hintergrund-Gliederung. Auf diese strukturellen Unterschiede soll im nächsten Kapitel noch einmal eingegangen werden.
10 TKG und FHG vs. Informationsstatus Wie bereits in Kapitel 6 und weiter in Teil III deutlich geworden ist, unterscheiden sich Topik-Kommentar-Gliederung (TKG) und Fokus-Hintergrund-Gliederung (FHG) auf der einen Seite und Informationsstatus auf der anderen Seite in ihrer Struktur maßgeblich. Ganz formal betrachtet sind TKG und FHG binäre Gliederungen eines Satzes, wobei die salienten Komponenten Topik und Fokus die nichtsalienten Gegenstücke Kommentar bzw. Hintergrund haben. Wie gezeigt werden konnte, werden nur erstere sprachlich markiert, während sich letztere subtraktiv ergeben. Zumindest in den hier untersuchten Sprachen gilt dies uneingeschränkt. Angesichts der mangelnden Beschreibung aller möglichen Sprachen und vor allem angesichts des oben angesprochenen Induktionsproblems bedeutet das natürlich nicht zwangsläufig, dass nicht auch Kommentar und/oder Hintergrund salient und somit sprachlich realisiert sein könnten. Mangels Indizien für den gegenteiligen Fall wird hier davon ausgegangen, dass die Salienz von Topik und Fokus in den hier untersuchten Sprachen keine Besonderheit, sondern ein strukturelles Charakteristikum der TKG bzw. FHG ist. Informationsstatus hingegen ist keine binäre Gliederung (contra z.B. die Thema-Rhema-Gliederung in Molnár (1991)), stattdessen hat jeder Diskursreferent, auf den im Satz referiert wird, einen Informationsstatus: Er kann given, accessible oder new sein, nicht aber nichts davon. Dieser Unterschied von TKG und FHG einerseits und Informationsstatus andererseits kann durch ihre Bezugsdomänen erklärt werden: TKG und FHG operieren auf Satzebene, sie gliedern einen Satz hinsichtlich der informationsstrukturellen Größen Topik und Fokus. Informationsstatus hingegen operiert auf Diskursebene, hier werden Diskursreferenten eines Diskursuniversums gewissermaßen „verwaltet“ und ihre sprachliche Realisierung entsprechend ihrem Auftreten im sprachlichen Kontext gestaltet. Demzufolge wird bei der Realisierung von TKG und FHG das Topik- bzw. das Fokusmerkmal genau einmal im Satz vergeben¹, während das Merkmalsbündel des Informationsstatus in einem Satz mehrfach vergeben werden kann. Folgerichtig ist deshalb auch, dass die Zuweisung des Topik- bzw. Fokusmerkmals zu syntaktischen Operationen führt, während sich die Realisierung von Informationsstatus − zumindest in den hier untersuchten Sprachen − auf morphologische Phänomene beschränkt. Wenn nun aber TKG und FHG einerseits und Informationsstatus andererseits eine maßgeblich unterschiedliche Architektur aufweisen, so könnte argumentiert werden, dass die Annahme von Informationsstatus als Ebene von Informa-
1 Ausgenommen sind hier natürlich Sätze, wo das gesamte Material zum Kommentar gehört, welche also topiklos sind (vgl. Abschnitt 7.4). https://doi.org/10.1515/9783110716337-010
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tionsstruktur überhaupt entbehrlich wäre. Unmittelbare Folge wäre, dass z.B. die in Abschnitt 9 beschriebenen Phänomene anderweitig erklärt werden müssten, entweder ohne Rückgriff auf informationsstrukturelle Kategorien oder aber ausschließlich durch TKG und FHG. Vielfach ist gezeigt worden, dass Informationsstatus nicht mit semantischen Kategorien wie Definitheit und/oder Spezifizität gleichzusetzen ist; ebenso wenig können Phänomene wie Pronominalisierung, Nullanaphern, definite Artikel oder eben auch nicht-possessive Possessivsuffixe und der Gebrauch der objektiven Konjugation ausschließlich mit diesen Kategorien erklärt werden. Diffiziler ist die Frage, ob nicht Phänomene des Informationsstatus ebenso gut mithilfe der TKG und FHG beschrieben und erklärt werden können. Es ist nicht zu übersehen, dass in der Forschung zu Informationsstruktur und verbundenen sprachlichen Phänomenen der Topikbegriff oft nicht eindeutig definiert ist und sowohl Elemente eines aboutness topics im aristotelischen Sinne als auch Elemente eines Themas im Sinne von Ammann (1928) berücksichtigt. Es wird also oft nicht zwischen den Dimensionen Gegenstand der Aussage vs. Aussage und alt/vorerwähnt vs. neu/nicht vorerwähnt unterschieden. Tatsächlich ist festzustellen, dass Topiks in der Tat fast ausschließlich vorerwähnt oder zumindest zugänglich für den Hörer sind (vgl. auch Abschnitt 6.1.2). Auch im hier untersuchten Material konnte kein Topik gefunden werden, das zweifelsfrei den Informationsstatus new hat. Das ist nicht erstaunlich, bedenkt man, dass nur eine Aussage über eine dem Hörer bekannte Entität Sinn ergibt, wenn diese Aussage im Sinne der Theorie der Funktionalen Satzperspektive die Kommunikation voranbringen soll. Eine Aussage über eine dem Hörer nicht bekannte Entität, anders formuliert, eine Aussage ohne bekannten Ausgangspunkt bringt die Kommunikation nicht voran. Bildlich gesprochen entspräche dies der Planung eines Nachmittagspaziergangs ohne bekannten Ausgangspunkt, also ohne bekannte Startzeit und -ort. Wenn auch andersherum formuliert, impliziert Aristoteles nichts anderes, wenn er davon ausgeht, dass das Onoma selbst keine Aussage treffe, sondern erst durch das Hinzufügen eines Rhemas eine Aussagekraft erlange. Folgendes einfaches Beispiel macht das klar: (398)
Ein Nilpferd hat mein Vater gestreichelt.
Zwar gibt es Kontexte, in denen dieser Satz pragmatisch angemessen ist (z.B. kontrastive Fokussierung von Nilpferd), aber keinen, in dem ein Nilpferd Topik des Satzes ist und der Rest des Satzes Kommentar. Der Grund liegt eben darin, dass eine Aussage über ein Nilpferd, das für den Hörer im diskursiven Kontext nicht einzuordnen ist, pragmatisch sinnlos ist. Das wiederum bedeutet, dass das Merkmal [+höreralt], also ein Informationsstatus given oder accessible, eine notwendige Bedingung für den Topikstatus eines Referenten ist, wie es auch Gundel (1988: 38) und Molnár (1991: 61−62) feststellen. Ist es jedoch auch eine hinreichende
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Bedingung? Das würde bedeuten, dass die Zuweisung des Merkmals [+höreralt] an einen Referenten diesen automatisch zum bzw. zu einem Topik des Satzes machen würde. Es lassen sich jedoch leicht Beispiele finden, die zeigen, dass das nicht der Fall ist. Im Kontext einer Rudelbildung auf dem Fußballplatz ist folgender Dialog zwischen dem Kapitän der einen Mannschaft und dem Schiedsrichter denkbar: (399)
a. Wem haben Sie gerade die gelbe Karte gegeben? b. Die gelbe Karte war für Ihre Nummer fünf, wegen des Fouls vorher.
Sowohl sein Mitspieler mit der Nummer fünf als auch das Foulspiel, welches zur Rudelbildung geführt hatte, sind dem Spieler in diesem Kontext unmittelbar zugänglich, ihren sprachlichen Entsprechungen ist also das Merkmal [+höreralt] zugewiesen. Entsprechend müssten sie also Topik des Satzes sein, wenn die Zuweisung dieses Merkmals notwendigerweise zum Topikstatus des entsprechenden Referenten führte. Das ist jedoch kaum der Fall, in der Antwort des Schiedsrichters wird weder eine Aussage über den Spieler mit der Nummer fünf getroffen, noch über das vorangegangene Foulspiel, sondern einzig und allein über die verhängte Verwarnung. Damit ist gezeigt, dass das Merkmal [+höreralt] keine hinreichende Bedingung für den Topikstatus eines Referenten ist. In der Konsequenz treten also Referenten auf, welche [+höreralt] sind, also den Informationsstatus given oder accessible tragen, jedoch keine Topiks sind. Das wiederum beweist, dass die Ebene des Informationsstatus nicht entbehrlich ist, sondern von der Topik-KommentarGliederung getrennt betrachtet werden muss. Ebensowenig wie der Topikbegriff ist der Fokusbegriff in der Forschung zu Informationsstruktur eindeutig definiert. Häufig spielt auch bei der Definition von Fokus die Dichotomie alt/vorerwähnt vs. neu/nicht vorerwähnt eine Rolle. Dabei wird neue Information mit Fokus und alte Information mit „Nicht-Fokus“² verbunden. Nicht immer ist ganz eindeutig, was mit „neuer Information“ gemeint ist. Es kann dasjenige gemeint sein, was in dieser Arbeit als Kommentar verstanden wird, also dasjenige, was über das Topik ausgesagt wird. Der Begriff kann jedoch auch als Neuheit bzw. Nicht-Vorerwähntheit im Diskurs oder Neuheit für den Hörer verstanden werden. Bei letzterem Verständnis wären also Referenten mit dem Informationsstatus new per Default fokal, während Referenten mit dem Informationsstatus given stets nicht-fokal wären. Referenten mit dem Informationsstatus accessible wären dann fokal, wenn sich die Neuheit des Referenten auf den Diskurs bezieht, und dann nicht-fokal, wenn sich die Neuheit des Referenten auf den Hörer bezieht. Da Informationsstatus auf der hörer- bzw. empfängerbezogenen Ebene
2 Der Begriff „Nicht-Fokus“ ist hier bewusst gewählt, da als Gegenstück zu Fokus sowohl Hintergrund als auch Größen wie Topik, Thema oder Präsupposition verstanden werden.
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nach Bühler (1934) anzusiedeln ist (vgl. Abschnitt 6.1.2), soll Neuheit hier als Neuheit für den Hörer verstanden werden. Tatsächlich korreliert der Informationsstatus new mit Fokusrealisierungen in dem Sinne, dass keine eindeutigen Belege im untersuchten Material gefunden werden können, in denen ein Referent mit dem Informationsstatus new nicht zur Fokusdomäne des Satzes gehört. Auch das ist wiederum leicht nachzuvollziehen, wenn man sich vor Augen führt, dass ein Sprecher nur dann eine für den Hörer neue Information äußern wird, wenn er diese auch für relevant hält. Folgendes einfaches Beispiel illustriert das: (400)
Ich habe im Zoo Nilpferde gesehen.
Angenommen den Kontext, dass der Sprecher im Zoo war und jemandem, der nicht mit ihm im Zoo war, von seinen Erlebnissen erzählt, so mag die Menge dieser Erlebnisse begrenzt sein, jedoch groß genug, dass er hieraus auswählen muss, was er erzählt. Entsprechend erachtet er einige Erlebnisse für wichtiger und einige Erlebnisse für weniger wichtig. Im hier genannten Beispiel sind zwei Interpretationen denkbar: Entweder erachtet der Sprecher die Information als wichtig, dass er Nilpferde gesehen hat − im Gegensatz zu den möglichen Informationen, dass er Ziegen gefüttert oder seinen Fotoapparat vergessen hat. Oder aber er erachtet die Information als wichtig, dass er Nilpferde gesehen hat − im Gegensatz zu den möglichen Informationen, dass er Schlangen oder Löwen gesehen hat. Im ersten Fall ist der Fokus intermediär, umfasst also die gesamte VP, im letzteren Fall ist das Objekt minimal fokussiert. Unabhängig von der Interpretation ist der Referent Nilpferde mit dem Informationsstatus new unverzichtbarer Teil der Fokusdomäne. Würde der Sprecher ihn nicht als relevant ansehen, würde er ihn nicht benennen, sondern eben davon erzählen, dass er Ziegen gefüttert oder Schlangen gesehen hat. Das erinnert unmittelbar an den Ansatz von Krifka (2008: 247), Fokus als Indikator für die Existenz von Alternativen zu analysieren. Durch die Wahl einer Alternative trifft der Sprecher unwillkürlich eine Entscheidung über ihre Relevanz, nämlich, dass sie im gegebenen Kontext eine hohe Relevanz für ihn besitzt. Weiterhin entspricht diese Analyse der Griceschen Kommunikationsmaxime „Be relevant!“ (Grice 1975: 46). Es ist somit zu schlussfolgern, dass die Zuweisung des Merkmals [−höreralt] also tatsächlich mit der Integration des entsprechenden Referenten in die Fokusdomäne korreliert, sie also eine hinreichende Bedingung für die Interpretation eines Referenten als fokal darstellt. Aber ist dies auch eine notwendige Bedingung? Muss also ein Referent mit dem Merkmal [−höreralt] markiert sein, um in die Fokusdomäne des Satzes integriert zu sein? Es kann leicht gezeigt werden, dass das nicht der Fall ist. Im Kontext einer Diskussion über das Abendessen könnte ein Pärchen in das Tiefkühlfach schauen und folgenden Dialog produzieren:
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(401)
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a. Worauf hast du denn Lust hier aus dem Tiefkühlfach? b. Ich wäre für das SCHLEMmerfilet.
Da beide Diskursteilnehmer gerade ins Tiefkühlfach schauen, sind die dort verstauten Lebensmittel als Referenten zugänglich. Entsprechend ist ihren sprachlichen Realisierungen das Merkmal [+höreralt] zugewiesen − sprachlich ist dies hier durch den Gebrauch des definiten Artikels kodiert. Unzweifelhaft ist der Referent Schlemmerfilet hier minimal fokussiert, es wird genau nach dem präferierten Lebensmittel für das Abendessen gefragt. Entsprechend ist ein Diskursreferent, der mit dem Merkmal [+höreralt] markiert ist, Teil der Fokusdomäne bzw. bildet die Fokusdomäne. Also kann im Umkehrschluss die Ausprägung des Merkmals [−höreralt] keine notwendige Bedingung für die Integration eines Diskursreferenten in die Fokusdomäne sein. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Topik-Kommentar-Gliederung und Fokus-Hintergrund-Gliederung einerseits und Informationsstatus andererseits maßgeblich unterschiedlich konstruiert sind. TKG und FHG sind binär und haben als Bezugsdomäne den Satz, während Informationsstatus keine binäre Gliederung ist und auf den Diskurs Bezug nimmt. Weiter ist die Ebene Informationsstatus jedoch nicht entbehrlich, weil, wie gezeigt werden konnte, die Ausprägung des Merkmals [±höreralt] nicht konkludent mit der Realisierung des entsprechenden Diskursreferenten als Topik bzw. seiner Integration in die Fokusdomäne ist. Die Ausprägung [−höreralt] ist zwar eine hinreichende Bedingung für die Integration eines Diskursreferenten in die Fokusdomäne, jedoch keine notwendige; die Ausprägung [+höreralt] andererseits ist zwar eine notwendige Bedingung für die Realisierung eines Diskursreferenten als Topik, jedoch keine hinreichende. Die Ebene des Informationsstatus ist also notwendig und ein Gewinn bei der Diskussion entsprechender sprachlicher Phänomene. Gerade die Konzeption als nicht-binäre Gliederung erweitert die Möglichkeiten adäquater Beschreibungen.
| Teil IV: Zusammenführung
11 Ergebnisse und abschließende Beschreibung des Leipziger Modells Der theoretische Ausgangspunkt dieser Arbeit ist das Leipziger Modell zur Beschreibung von Informationsstruktur (LM), wie es z.B. in Junghanns (2002a) und Junghanns & Zybatow (2009) dargestellt ist. Es geht, wie in Kapitel 5 ausführlich beschrieben, von zwei distinkten informationsstrukturellen Ebenen aus, der TopikKommentar-Gliederung und der Fokus-Hintergrund-Gliederung. Das LM operiert im Framework einer Generativen Syntax mit minimalistischen Zügen. Die salienten Größen der Gliederungen Topik und Fokus werden durch Merkmalszuweisung markiert, die entsprechenden Merkmale sind nicht als morphosyntaktische Merkmale wie z.B. die Subjektkongruenzmerkmale konzipiert, sondern es wird von einer gesonderten Klasse informationsstruktureller Merkmale ausgegangen. Im Folgenden soll dargelegt werden, wie die in Kapitel 6 und Teil III analysierten Phänomene der hier untersuchten Sprachen in der Konzeption des Leipziger Modells berücksichtigt werden müssen. In Kapitel 6 wurde auf einige sprachliche Phänomene der Objektsprachen (z.B. der nicht-possessive Gebrauch von Possessivsuffixen und das Auftreten einer objektiven Konjugation) hingewiesen, die in Zusammenhang mit informationsstrukturellen Faktoren stehen, von denen jedoch vermutet wurde, dass sie mit den Ebenen Topik-Kommentar-Gliederung und Fokus-Hintergrund-Gliederung nicht adäquat zu erklären seien. Daher wurde v.a. auf der Basis von Überlegungen in Molnár (1991) und Prince (1992) eine weitere Ebene von Informationsstruktur konzipiert, nämlich die Ebene des Informationsstatus. Während TKG und FHG binäre Gliederungen sind und ihre Bezugsdomäne der Satz ist, ist Informationsstatus keine binäre Gliederung und seine Bezugsdomäne ist der Diskurs. In Abschnitt 6.1.3 und Kapitel 10 wurde gezeigt, dass diese Konzeption und die Abgrenzung der Ebenen voneinander angemessen und theoretisch begründbar ist. Zur adäquaten Beschreibung von informationsstrukturellen Phänomenen in typologisch divergenten Sprachen müssen im LM mithin drei statt zwei Ebenen angenommen werden: die Topik-Kommentar-Gliederung, die Fokus-Hintergrund-Gliederung und Informationsstatus. Die Topik-Kommentar-Gliederung setzt sich aus der salienten Kompenente Topik und der nicht-salienten Komponente Kommentar zusammen. Sprachlich markiert wird daher das Topik. Topik wird verstanden als diejenige Konstituente im Satz, über die etwas ausgesagt wird, es handelt sich also um ein aboutness topic im aristotelischen Sinne. Ferner wird zwischen konkreten und abstrakten Topiks unterschieden.
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Konkrete Topiks entsprechen einer referierenden Konstituente des Satzes, während ein abstraktes Topik Bezug auf die Äußerungssituation nimmt und darauf verweist. In Abschnitt 5.2 wurde beschrieben, dass im LM davon ausgegangen wird, dass im Falle eines konkreten Topiks der topikalen Konstituente im Satz das Merkmal [TOP] zugewiesen wird. Die Zuweisung dieses Merkmals führt zum einen prosodisch zu einer steigend-fallend realisierten Grundfrequenz und zum anderen syntaktisch zu Adjunktion dieser Konstituente an die Subjektkongruenzphrase AgrS P. Diese Analyse wurde in Abschnitt 7.1 auf die Objektsprachen angewendet und kann auch für diese problemlos übernommen werden. Konkrete Topiks können weiter nicht-kontrastiv und kontrastiv sein. Im LM wird von einer identischen syntaktischen Realisierung ausgegangen, daher wird beiden Topikarten dasselbe Topikmerkmal zugewiesen. Die identische syntaktische Realisierung beider Topikarten konnte in Abschnitt 7.3 auch für die hier behandelten Objektsprachen gezeigt werden. Allerdings ist anzumerken, dass sowohl in slavischen Sprachen (vgl. Junghanns & Zybatow (2009: 693)) als auch in den hier untersuchten Sprachen die prosodische Realisierung kontrastiver Topiks von der prosodischen Realisierung nicht-kontrastiver Topiks abweicht. Kontrastive Topiks sind durch sogenannte „Hutkonturen“ oder „Brückenkonturen“ realisiert, wobei die Grundfrequenz auf der als kontrastivem Topik markierten Konstituente ansteigt und auf der Konstituente, die den Satzakzent trägt, abfällt. Aus prosodischer Sicht ist insofern zu überlegen, ob nicht doch ein gesondertes Merkmal für kontrastive Topiks angenommen werden müsste. Da diese Arbeit jedoch betont syntaxzentriert ist, soll keine letztendliche Antwort darauf gegeben werden. Schließlich können nicht-kontrastive Topiks satzextern realisiert werden, als Adjunkt an CP. Gemäß dem LM sind diese externen Topiks dort basisgeneriert, die hier untersuchten Sprachen können diese Analyse stützen (vgl. Abschnitt 7.5). Abstrakte Topiks werden gemäß dem LM derart realisiert, dass das Topikmerkmal dem Kopf von TP zugewiesen wird, was in slavischen Sprachen zur Anhebung des Verbs und entsprechender Verbinitialität im Satz führt. In den hier untersuchten Sprachen konnte dieses Phänomen nicht beobachtet werden. Daher ist fraglich, ob von der Zuweisung des Topikmerkmals an T0 ausgegangen werden soll, wenn dies kein Korrelat in der sprachlichen Realisierung des Satzes hat. Besser können derartige Sätze als topiklos analysiert werden. Für die Konzeption des LM an sich stellt das kein Problem dar, da es sich hierbei lediglich um die einzelsprachliche Variation handelt, ob das Topikmerkmal in entsprechenden Kontexten an T0 zugewiesen wird oder nicht. Ob die Annahme einer universell konzipierten Kategorie, wie sie das abstrakte Topik ist, die in einigen Sprachen ausgedrückt wird und in anderen nicht, gerechtfertigt ist, kann hier nicht abschließend beantwortet werden und bedarf weiterer Forschung. Insgesamt jedoch kann die Untersuchung
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der Objektsprachen dieser Arbeit die Konzeption der Topik-Kommentar-Gliederung weitestgehend untermauern. Die Fokus-Hintergrund-Gliederung setzt sich aus der salienten Komponente Fokus und der nicht-salienten Komponente Hintergrund zusammen. Wiederum wird die saliente Komponente der Gliederung sprachlich markiert, also Fokus. Fokus wird im Rahmen des LM als diejenige Information verstanden, die der Sprecher im gegebenen Kontext für relevant hält und hervorhebt. Wie in Abschnitt 5.3 beschrieben wird im LM zwischen nicht-kontrastivem/natürlichem Fokus, Kontrastfokus und Verumfokus unterschieden. Nicht-kontrastiver/natürlicher Fokus wird durch die Zuweisung des Merkmals [FOC] an die entsprechende Konstituente markiert. Der Teil des Satzes, welcher mit dem Merkmal [FOC] markiert ist, wird auch als Fokusdomäne bezeichnet. Nicht-kontrastiver Fokus kann maximal (gesamte CP), intermediär (VP und ggf. Material aus der funktionalen Superstruktur des Satzes) oder minimal (einzelne Konstituente, z.B. Subjekt- oder Objekt-DP) sein. Gemäß dem Default-Prinzip der Fokus-Realisierung (DPFR) (vgl. Junghanns (2002a: 30)) wird Fokus an der rechten Peripherie des Satzes realisiert. Auf prosodischer Ebene entspricht das der Realisierung eines fallenden Fokusakzents auf dem letzten Wortakzent innerhalb der Fokusdomäne. Auf syntaktischer Ebene entspricht das der Realisierung des Materials der Fokusdomäne am Satzende. Im Fall von maximalem und intermediärem Fokus ist das insofern trivial, als die CP und die VP ohnehin rechtsperipher basisgeneriert sind, im Fall eines minimal fokussierten direkten Objekts in SVO-Sprachen ebenso. Diese Konstellationen führen zu keinen syntaktischen Bewegungen. Im Falle einer anderen minimal fokussierten Konstituente, also z.B. eines Subjekts oder eines Adverbials, wird diese bewegt und adjungiert rechts an VP, es liegt also eine satzfinale Fokusposition vor. Die in dieser Arbeit untersuchten Sprachen sind weitestgehend SOV-Sprachen (zu Abweichungen s.u.). Es konnte in Abschnitt 8.2 gezeigt werden, dass das DPFR auch in diesen Sprachen wirkt. Im Falle von maximalem und intermediärem Fokus ist das wiederum trivial, da auch in SOV-Sprachen CP und VP rechtsperipher basisgeneriert sind. Im Falle minimal fokussierter Konstituenten ist es komplizierter, da diese nicht satzfinal realisiert werden, sondern unmittelbar präverbal. Kim (1988: 149) argumentiert schlüssig, dass dies jedoch nicht im Gegensatz zum DPFR steht, sondern lediglich eine weitere syntaktische Beschränkung, das Verb-final constraint, vorliegt. In der Annahme, dass letzteres hierarchisch höher steht als das DPFR, so kann gefolgert werden, dass zunächst eine satzfinale Platzierung des Verbs vorliegt und die minimal fokussierte Konstituente dann in der „zweitbesten“ rechtsperipheren Position, nämlich in der unmittelbar präverbalen Position, realisiert wird. Zur syntaktischen Realisierung von Fokus ist zunächst zu sagen, dass auch in SOV-Sprachen bei maximalem Fokus, intermediärem Fokus und einem mini-
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mal fokussierten direkten Objekt keine syntaktischen Umordnungen geschehen. Für den Fall anderer minimal fokussierter Konstituenten konnte in Abschnitt 8.2 gezeigt werden, dass keine strukturelle Fokusposition anzunehmen ist, sondern die Konstituenten in situ verbleiben. Die Zuweisung von [FOC] an die Konstituente führt nicht zu ihrer Bewegung, sondern zur Realisierung einer Fokusdomäne, welche die kleinstmögliche maximale Projektion umfasst, in der sowohl die minimal fokussierte Konstituente als auch das Verb enthalten sind. Befindet sich in dieser Fokusdomäne Hintergrundmaterial, muss es aufgrund einer syntaktischen Beschränkung (Erlaube kein Hintergrundmaterial in der Fokusdomäne!) aus der Fokusdomäne hinausbewegt werden. Das Hintergrundmaterial kann entweder in die funktionale Superstruktur des Satzes bewegt werden, z.B. in Positionen wie SpecAgrS P oder SpecAgrO P, oder aber postverbal realisiert werden. Die postverbale Realisierung von Hintergrundmaterial widerspricht zunächst scheinbar sowohl dem DPFR als auch dem Verb-final constraint. Auf prosodischer Ebene ist entsprechendes Material durch eine flache Intonation gekennzeichnet, wie Junghanns (2001: 335) für slavische Sprachen zeigt und wie in Abschnitt 8.3 für die hier untersuchten Sprachen bestätigt werden konnte. Als Konsequenz daraus wird postverbales Hintergrundmaterial als rechtes Adjunkt an CP analysiert, welches durch einen Copy-Delete-Mechanismus dorthin gelangt: Die ursprüngliche CP wird kopiert und adjungiert rechts an CP. Nun wird in der ursprünglichen CP z.B. Material aus der Fokusdomäne getilgt und in der adjungierten CP komplementär das restliche Material getilgt. Dabei sind vor dem eigentlichen Kopierprozess Bewegungen in der ursprünglichen CP möglich, ebenso werden Bindungsrelationen etabliert, sodass auch Antezendenten gebundener Ausdrücke (z.B. von Reflexivpronomina) postverbal stehen können. Durch diese Analyse ist in der ursprünglichen CP weder das DPFR noch das Verb-final constraint verletzt. Insgesamt also kann die Konzeption der syntaktischen Realisierung von nichtkontrastivem Fokus im LM auf die hier untersuchten Sprachen angewendet werden. Auch in SOV-Sprachen gilt das DPFR, jedoch liegt hier keine strukturelle Fokusposition vor wie in SVO-Sprachen. Stattdessen wird eine Fokusdomäne projiziert, aus welcher Hintergrundmaterial hinausbewegt werden muss. Schließlich wurde beobachtet, dass sich das Nganasanische, Dolganische und Ewenkische uneinheitlich in der Realisierung minimal fokussierter Konstituenten verhalten. Für diese Sprachen konnten sowohl unmittelbar präverbal als auch postverbal und satzfinal realisierte minimal fokussierte Konstituenten beobachtet werden, einhergehend mit einer schwankenden Wortstellung von SOV zu SVO. Hier konnte gezeigt werden, dass beide Strukturen wohl aus zugrundeliegenden SOV-Strukturen zu derivieren sind, da auch im Fall von postverbal realisierten minimal fokussierten Konstituenten andere Argumente (z.B. Abfolge von Auxiliar und Hauptverb in der VP) für eine SOV-Struktur sprechen.
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Im LM wird davon ausgegangen, dass die Realisierung von Kontrastfokus sowohl prosodisch als auch syntaktisch von der Realisierung von natürlichem Fokus abweicht. Wie in Abschnitt 8.5 gezeigt kann das für die hier untersuchten Sprachen bestätigt werden. Kontrastiv fokussierte Konstituenten sind im Satz nicht positionsgebunden und zeigen einen größeren Fall der Grundfrequenz als nicht-kontrastiv fokussierte Konstituenten. Aufgrund dieser strukturellen Unterschiede wird kontrastiv fokussierten Konstituenten das gesonderte Merkmal [FOCC ] zugewiesen. Verumfokus schließlich, welcher den Wahrheitswert einer Aussage hervorhebt, wird gemäß dem LM prosodisch ähnlich wie Kontrastfokus realisiert, aus syntaktischer Sicht durch Zuweisung des Merkmals [FOCV ] entweder an das Verb oder an ein verifikationelles Satzadverbial. In den hier untersuchten Sprachen konnte nur die Zuweisung des Merkmals an das Verb bzw. Prädikat des Satzes beobachtet werden − besonders interessant ist hier, dass verifikationelle Satzadverbiale in entsprechenden Kontexten als non-verbale Prädikate fungieren können. In jedem Fall können diese Konstruktionen durch die Zuweisung des Merkmals [FOCV ] gut beschrieben werden. Schließlich ist darauf einzugehen, dass sowohl das Topik- als auch die Fokusmerkmale im LM nicht als morphosyntaktische Merkmale, sondern als spezielle informationsstrukturelle Merkmale konzipiert sind, wobei sie sich von ersteren in erster Linie dadurch unterscheiden, dass sie im Laufe der Derivation des Satzes nicht abgeglichen werden müssen und entsprechend auch nicht von einer Projektion der Phrasen TopP und FocP auszugehen ist (vgl. Junghanns (1997)). Die hier analysierten Daten können diese Analyse stützen, v.a. hinsichtlich der Realisierung von nicht-kontrastivem Fokus. Da, wie oben gezeigt wurde, die Zuweisung des Fokusmerkmals eben nicht zur Bewegung der fokussierten Konstituente führt, sondern die Projektion einer Fokusdomäne und eine syntaktische Beschränkung zur Bewegung von Hintergrundmaterial führt, würde die Projektion von FocP und entsprechend notwendige Bewegungen zu einer Verletzung des Greed-Prinzips führen. Weiterhin kann die Annahme einer FocP nicht die postverbale Realisierung von Hintergrundmaterial erklären. Aus eher konzeptueller Perspektive ist die Konstruktion der Topik- und Fokusmerkmale als morphosyntaktische Merkmale insofern fraglich, als diese im Laufe der Derivation des Satzes abgeglichen werden müssten und damit im sprachlichen Output nicht interpretierbar wären; da Informationsstruktur aber gerade eine Interpretation des Satzes herstellen soll, ist dies kaum zu vereinen. Daher sind die Topik- und Fokusmerkmale als informationsstrukturelle Merkmale zu verstehen, welche nicht abgeglichen werden, keine TopP bzw. FocP projizieren und somit interpretierbar für die außersprachlichen Performanzsysteme bleiben. Abschließend ist auf die Ebene des Informationsstatus einzugehen. In Kapitel 6 wurde auf der Grundlage von Überlegungen in Prince (1992) und Nissim et al. (2004)
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das Merkmalsbündel [±diskursalt, ±höreralt] entwickelt, dessen Ausprägungen unterschiedlichen Informationsstatus entsprechen. Jeder referierenden Einheit im Diskurs wird ein solches Merkmalsbündel zugewiesen, jeder Diskursreferent hat also bei jedem Auftreten im Diskurs einen entsprechenden Informationsstatus. Die Zuweisung des Merkmalsbündels führt zu entsprechenden sprachlichen Realisierungen, z.B. Pronominalisierung von Diskursreferenten bei Vorliegen des Merkmalsbündels [+diskursalt, +höreralt], also des Informationsstatus given. In Abschnitt 9 konnte mithilfe dieses Ansatzes sowohl das Auftreten zweier morphosyntaktischer Phänomene in den Objektsprachen (nicht-possessiv gebrauchte Possessivsuffixe sowie objektive Konjugation des Verbs) als auch die zugrundeliegende Syntax beschrieben bzw. rekonstruiert werden. Alles in allem zeigt sich also, dass das LM in der Konzeption von Junghanns (2002a) und Junghanns & Zybatow (2009) zwar auf die Beschreibung der Informationsstruktur slavischer Sprachen zugeschnitten ist, jedoch genügend Raum für notwendige Modifikationen für eine breitere Anwendung lässt. In dieser Arbeit konnten notwendige Modifikationen vor allem mit der Einführung einer weiteren Ebene, der Ebene des Informationsstatus, und mit der Rekonstruktion der Syntax einer oberflächensyntaktisch unmittelbar präverbalen Fokusposition in SOV-Sprachen geleistet werden. Somit ist mit der in diesem Kapitel beschriebenen Version des LM die Informationsstruktur sowohl von SVO- als auch von SOVSprachen auf theoretischer solider Basis abbildbar.
12 Zusammenfassung und Ausblick Im einleitenden Kapitel 1 wurde als Ziel dieser Arbeit formuliert „[...] diesen Zusammenhang zwischen Diskurs und Satz bzw. Morphosyntax des Satzes zu begründen und seine Modellierbarkeit im Rahmen Generativer Syntax mit minimalistischer Ausprägung zu zeigen“. Das verwendete Modell hierfür ist das Leipziger Modell zur Beschreibung von Informationsstruktur, welches in seiner Konzeption vor allem auf die Beschreibung der Informationsstruktur slavischer Sprachen ausgelegt ist. Die hier gewählten Objektsprachen sind fünf Sprachen Nordwestsibiriens (Chantisch, Enzisch, Nganasanisch, Dolganisch und Ewenkisch), welche unterschiedlichen Sprachfamilien angehören, jedoch typologisch vergleichbare Züge aufweisen. Es ist in dieser Arbeit gelungen, Aspekte der Informationsstruktur dieser Sprachen mithilfe des Leipziger Modells zu beschreiben, wobei letzteres an einigen Punkten (Einführung der informationsstrukturellen Ebene Informationsstatus, syntaktische Rekonstruktion einer unmittelbar präverbalen Fokusposition) weiterentwickelt wurde. Somit konnte gezeigt werden, dass das Leipziger Modell mit den genannten geleisteten Modifikationen in der Lage ist, die Syntax informationsstruktureller Phänomene in typologisch divergenten Sprachen zu beschreiben. Wichtig ist an dieser Stelle zu betonen, dass erwartungsgemäß im Laufe der Arbeit an einigen Stellen die Sprachdaten mit dem Modell konfligierten. An diesen Stellen wurde versucht, die Sprachdaten stets ernst zu nehmen und das Modell zu verändern, damit es die Sprachdaten erklären kann, und nicht andersherum die Sprachdaten zu verändern, damit sie ins Modell „passen“. Diese Arbeit hatte nicht zum Ziel, eine vollumfängliche Beschreibung der Informationsstruktur der untersuchten Sprachen zu leisten. Daher mögen für die Informationsstruktur zweifellos relevante Phänomene wie v.a. die Prosodie an einigen Stellen stiefmütterlich behandelt worden sein. Es ist auch an dieser Stelle noch einmal zu betonen, dass das lediglich in der Ausrichtung und Zielsetzung der Arbeit begründet ist und nicht darin, dass diese Phänomene für unwichtig befunden werden. Die Relevanz dieser Arbeit mag sich daher eher auf theoretischer Ebene bemessen als auf einzelsprachlich-deskriptiver Ebene, dennoch ist davon auszugehen, dass mit dieser Arbeit an einigen Stellen auch zum Verständnis der komplexen informationsstrukturellen Verhältnisse in den Objektsprachen beigetragen werden konnte. Schließlich ist zu bemerken, dass das Leipziger Modell mit dieser Arbeit sicherlich weiterentwickelt wurde und auf einen weiteren Kreis an Sprachen anzuwenden ist als in seiner Version in z.B. Junghanns (2002a) oder Junghanns & Zybatow (2009), jedoch kaum als Standardmodell für alle Sprachen gelten kann. Lohnende Fragen für weitere Arbeiten wären z.B., ob die Syntax von Informationsstruktur in verb-initialen Sprachen mit dem Leipziger Modell beschrieben werden kann bzw. https://doi.org/10.1515/9783110716337-012
302 | 12 Zusammenfassung und Ausblick
wie es ggf. zu modifizieren wäre. Ebenso würden inkorporierende Sprachen eine Herausforderung für das Leipziger Modell darstellen, da diese eben keine oder kaum eine artikulierte Syntax im traditionellen Sinne zeigen, sondern viele Relationen im traditionellen Sinne morphologisch ausdrücken. Es kann am Schluss dieser Arbeit also kaum davon gesprochen werden, dass die Arbeit sämtliche Probleme der (morpho)syntaktischen Beschreibung von Informationsstruktur gelöst hat. Es kann jedoch hoffentlich davon gesprochen werden, dass die Arbeit einen Teil dazu beigetragen hat, die faszinierenden Interaktionen von Morphosyntax und Informationsstruktur besser verstehen und auf einer theoretisch soliden und terminologisch sauberen Basis besser beschreiben zu können. Ein Grund für die Vielschichtigkeit der Forschung und Literatur zu Informationsstruktur mag darin liegen, dass vieles hierin nicht durch einfache Formeln und Definitionen zu fassen ist. Eine Definition von Topik ist zweifelsohne komplexer und komplizierter als eine Definition von bilabialer Plosiv. Ein Grund hierfür ist sicherlich, dass in ersterer semantische, pragmatische und vielleicht gar philosophische Elemente eine Rolle spielen, während sich in letzterer auf anatomisch-physi(kali)sche Gegebenheiten verlassen werden kann. Das könnte nun dazu verleiten, Forschung zu Informationsstruktur generell zu hinterfragen oder gar als sinnlos zu verkennen. Meiner Meinung nach ist Forschung zu Informationsstruktur immer mehr grau als schwarz oder weiß und unterliegt immer einem gewissen Interpretationsspielraum, was sie aber nicht entbehrlich macht. Am Ende dieser Arbeit kann daher mit Lessing geschlossen werden: „Man untersucht, man zankt, man klagt. Umsonst, der rechte Ring war nicht erweislich.“ (Gotthold Ephraim Lessing, Nathan der Weise, Siebenter Auftritt). Ebenso wie „der rechte Ring“ vielleicht nicht endgültig erweislich ist, ist nicht endgültig erweislich, was genau ein Topik oder was genau Fokus ist. Ihre Eigenschaften und ihre sprachliche Realisierung können aber dann untersucht, erwiesen und auch bestritten werden, wenn sich terminologisch deutlich dazu bekannt wird, was mit diesen (und anderen) Begrifflichkeiten gemeint ist. Daher maßt sich diese Arbeit auch keine Allgemeingültigkeit auf der Suche nach „dem rechten Ring“ an, vielmehr sieht sie in sich einen konsistenten, transparenten und selbstverständlich diskutablen Ansatz, der einen Teil zum wissenschaftlichen Diskurs eines faszinierenden Themenfeldes darstellt.
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Index Aktuelle Gliederung, 47, 109 Anapher, 67, 77, 247, 250, 252, 257, 258, 262, 266, 288 Argument Flip Template, 195, 196 Ausgangspunkt der Aussage, 44, 48 Binary Branching, 58, 215, 216 c-Kommando, 214, 216, 220 Chantisch, 8, 11–14, 30, 66, 68, 69–73, 153, 193–196, 210, 237–239, 252, 258, 272, 273 – Kazymchantisch, 238 – Nordchantisch, 11, 30, 66, 68, 69, 252, 258, 272, 275 – Ostchantisch, 11, 30, 159, 252, 275 – Südchantisch, 11 Common Ground, 4, 260 Common Ground Management, 4, 45, 277 Complementizer Phrase (CP), 89 Deduktion, 35, 36 Default-Prinzip der Fokusrealisierung, 102, 211, 241, 297 Definitheit, 4, 66, 86, 110, 118, 249, 288 Differentielle Objektmarkierung, 13, 71, 187, 195, 270 Diskurskonfigurationalität, 59–60 Diskursprominenz, 60 Ditransitive Konstruktion, 186, 188, 193–196 Dolganisch, 8, 20–23, 33, 77–78, 119, 173, 205, 255, 264 Empirie, 35 Enzisch, 8, 14–17, 32, 73–75, 147, 155, 224, 230, 239–240, 254, 255, 260, 263, 267, 272 – Tundraenzisch, 14, 32, 161 – Waldenzisch, 14, 32, 161, 273 Ewenkisch, 8, 23–27, 34, 65, 78–81, 162, 174, 183–185, 205, 219, 224, 240–241 – Nordewenkisch, 24, 34 – Ostewenkisch, 24 – Südewenkisch, 24, 34 https://doi.org/10.1515/9783110716337-014
Existentialsatz, 146, 165 EXMARaLDA, 28, 36 Finnisch, 146, 165, 207 Fokus, 38, 50, 85, 101, 110, 112, 177, 179, 273, 274, 287, 289, 297 – additiver Fokus, 237 – intermediärer Fokus, 102, 178, 198, 201, 221, 239, 241, 290, 297 – Kontrastfokus, 75, 101, 106–107, 112, 183, 184, 223–227, 231, 236–238, 240, 242, 297, 299 – maximaler Fokus, 102, 106, 154, 178, 198, 201, 203, 221–223, 236, 241, 297 – minimaler Fokus, 102, 178, 180, 195, 201, 221, 222, 238, 240, 241, 290, 291, 297 – natürlicher Fokus, 102–106, 223, 237, 297 – Verumfokus, 107, 227–233, 236, 242, 297 Fokus-Hintergrund-Gliederung, 85, 101–108, 111, 229, 244, 287, 291, 295, 297 Fokus-Präsuppositions-Gliederung, 53 Fokusakzent, 213, 226, 229–232, 241, 297 Fokusdomäne, 104, 178, 202–204, 213, 218, 219, 221, 236, 238, 242, 282, 290, 291, 297–299 Fokusexponent, 102, 104, 165, 177, 181, 182, 201, 221, 222 Fokuskonfigurationalität, 60, 242 Fokusmarker, 41, 72, 74, 79, 227, 237–241, 242 Fokusmerkmal, 63, 93, 105–106, 108, 117, 223, 227, 232, 233–237, 241, 242, 297, 299 Fokusphrase (FocP), 60, 61–63, 79, 93, 106, 233–236, 242, 299 Fokusposition, 59, 65 – in situ, 103, 185, 186, 188, 189, 191, 196, 206, 242, 298 – postverbal, 76, 102, 180, 181, 184, 185, 197, 204, 205, 208, 209, 211, 241, 297 – präverbal, 65, 75, 154, 179–181, 185, 196, 197, 204, 205, 211, 218, 236, 241, 297 – satzinitial, 26, 78, 185, 219 Fokusprominenz, 60, 242
316 | Index
Formale Gliederung, 47, 109 Funktionale Satzperspektive, 3, 48–51, 288 Gebundener Ausdruck, 214, 216, 218, 220, 298 Government & Binding, 58 Greed, 105, 197, 235, 299 Grundfrequenz, 101, 102, 107, 160, 177, 213, 221, 223, 226, 296, 299 Hintergrund, 179, 185, 194, 198–200, 203, 204, 209, 218, 235, 242, 282, 287, 297–299 Hypokeimenon, 43 Induktion, 35, 36 Induktionsproblem, 35, 287 Inflection Phrase (IP), 58, 89 Information Flow Principle, 65 Information Packaging, 3 Informationsstatus, 5, 37, 49, 50, 66, 115–116, 117–119, 244–248, 249, 263, 270, 274, 276, 280, 284, 286, 287, 291, 295, 299, 300 – accessible, 37, 116, 117, 244, 253, 255, 259, 261–263, 267–269, 276, 277, 281, 284, 287–289 – given, 37, 115, 117, 244, 246–248, 249, 255, 261–265, 267, 273, 276, 277, 280, 281, 284, 287–289 – new, 37, 116, 117, 244, 245–246, 276, 277, 281, 284, 287, 290 Informationsstruktur, 1–4, 38, 87 Informationsstrukturierung, 1, 3 Kategorumenon, 43 Kern der Aussage, 48 Ketisch, 8 Komi, 9, 66 Kommentar, 165, 179, 287, 295 Kommunikative Bedeutung, 50 Kommunikative Dynamik, 48, 49, 111, 204 Konjunktion, 142 Kontextuelle Gebundenheit, 50 Last Resort, 197, 235 Left Branch Extraction, 149
Left Dislocation, 55–58, 73, 98, 133, 134, 139 Leipziger Modell, 5, 85–86, 177, 215, 295–300 Locative Agent-Konstruktion, 13, 159 Lokativsatz, 146 Mansisch, 8, 69, 150, 196 Marisch, 207, 264 Merkmale, 90–91, 113, 270 – informationsstrukturelle Merkmale, 94, 100, 117, 170, 171, 233, 243, 244, 295, 299 – morphosyntaktische Merkmale, 90, 91, 94, 124, 233 Merkmalsabgleich, 90, 94, 235 Minimalistisches Programm, 60–61, 86–94, 189, 197 Nenzisch, 8, 66, 68, 150, 162, 267, 273 Nganasanisch, 8, 18–20, 33, 75–77, 147, 153, 155, 162, 172, 205, 231, 254, 255, 260, 263, 264, 267, 272, 274 Nordwestsibirien, 8 Objektive Konjugation, 12, 17, 19, 67–69, 71, 73, 77, 133, 134, 272–284, 285, 286, 288, 295, 300 Objektkongruenzphrase (AgrO P), 189, 200, 281, 282, 286 Onoma, 42, 43, 288 Organonmodell, 111, 120, 276 Passiv, 12, 17, 19, 22, 25, 69, 70, 73, 76, 150–160, 175, 180, 193, 196 Possessivsatz, 146, 147–150 Possessivsuffix, 12, 15, 18, 21, 66–67, 72, 74, 77, 119, 248–249, 285, 286, 288, 295, 300 – 1. Person Plural, 18, 77, 262–263, 269 – 1. Person Singular, 81, 262 – 2. Person Singular, 18, 22, 67, 74, 77, 255–261, 264, 266, 267, 269, 285 – 3. Person Singular, 18, 67, 74, 77, 249–255, 258, 264, 266, 267, 269, 285 Postverbales Hintergrundmaterial, 199, 209–218, 219, 242, 298 Pronominalisierung, 246, 288
Index
Proposition, 2, 227, 231 Prädestinative Konstruktion, 155, 156 Präsupposition, 274 Psychologisches Prädikat, 45, 123 Psychologisches Subjekt, 45, 123 Rhema, 42, 43, 46, 49, 112, 184 Sacha (Jakutisch), 9 Satzadverbial, 143–146, 171, 193 Satzakzent, 160 Selektivsuffix, 162 Selkupisch, 8 Sprachökonomie, 153, 165, 185, 188, 189, 197, 209 Subjektkongruenzmerkmal, 127–129, 142 Subjektkongruenzphrase (AgrS P), 95, 126, 131, 140–146, 150, 156, 161, 175, 281, 296 Subkategorisierung, 188, 195, 196 Tempusphrase (TP), 97, 165, 296 Thema, 46, 49, 111, 114, 288 Thema-Rhema-Gliederung, 111–113, 114, 244, 287 Thetizität, 163–165, 221 Topik, 38, 50, 85, 94, 110, 111, 152, 179, 268, 274, 287, 289, 295 – abstraktes Topik, 95, 97, 163–166, 175, 296 – adverbiales Topik, 137–140, 147 – externes Topik, 55, 57, 95, 98–100, 139, 166–170, 175 – internes Topik, 95, 166, 215 – konkretes Topik, 95–96, 125–150, 295 – kontrastives Topik, 75, 95, 100–101, 159, 160–163, 175, 224, 296 – kovertes Topik, 96–97, 129–131, 134 – Objekttopik, 131–136 – Primäres Topik, 67, 193, 267, 273
|
317
– Sekundäres Topik, 67, 71, 73, 193, 267, 273 – Situationstopik, 44 – Subjekttopik, 70, 125–131, 140, 147, 178 Topik-Kommentar-Gliederung, 52, 55, 85, 94–101, 111, 123, 203, 244, 274, 287, 289, 291, 295 Topikkonfigurationalität, 60, 175 Topikmarker, 41, 65, 74, 76, 161, 172–175, 176 Topikmerkmal, 63, 93, 117, 126, 129, 131, 150, 157, 170–171, 175, 296, 299 Topikphrase (TopP), 61–63, 93, 100, 170–171, 299 Topikposition, 52, 54, 65, 76, 78, 123, 126, 132, 136, 144, 153, 157, 171, 175 Topikprominenz, 60 Tschulymtürkisch, 9 Tuvinisch, 173 Türkisch, 64, 187, 214 Ungarisch, 59, 163 Unikheit, 254, 255, 260, 268, 269, 285 Verb-Adjazenz, 276, 277, 280, 286 Verifikationelles Satzadverbial, 107, 227, 230, 232, 242, 299 Verumfokus, 299 VP Shell, 92, 136, 188 Weltwissen, 115, 116, 254, 255, 260, 268, 269, 285 Wh-Bewegung, 168 Wortstellungstyp – SOV, 9, 13, 17, 19, 23, 26, 64–65, 79, 88, 154, 179, 180, 182, 183, 185, 201, 204, 205, 208–210, 241, 297 – SVO, 19, 23, 79, 88, 180, 182–185, 204–206, 208, 210, 241, 297 X-Bar-Schema, 58, 87
Anhang 1: Transkription Anh. − Tab. 1: Vokale Beschreibung
Symbol
in den Korpora verwendete Symbole
langer Vokal
Vː
reduzierter Vokal Diphthong Vokalsequenz geschlossener ungerundeter Vordervokal geschlossener gerundeter Vordervokal geschlossener ungerundeter Zentralvokal geschlossener gerundeter Zentralvokal geschlossener ungerundeter Hintervokal geschlossener gerundeter Hintervokal halbgeschlossener ungerundeter Vordervokal halbgeschlossener gerundeter Vordervokal halbgeschlossener gerundeter Zentralvokal halbgeschlossener gerundeter Hintervokal mittlerer ungerundeter Zentralvokal halboffener ungerundeter Vordervokal halboffener gerundeter Hintervokal offener ungerundeter Hintervokal fast offener ungerundeter Zentralvokal offener gerundeter Hintervokal
V˘ ⁀ VV
Vː (Dlg, Kha_Ka, Kha_Ob, Kha_Su), VV (En, Ng), V¯ (Evn) V˘ (Kha_Sh) ⁀ VV
VV i
VV i
ü ɨ
ü ɨ
ʉ ɯ
ʉ ɯ
u e
u e
ö
ö
ɵ
ɵ
o
o
ə ɛ ɔ a ɐ ɒ
ə ɛ ɔ a ɐ ɒ
Beschreibung
Symbol
in den Korpora verwendete Symbole
langer Konsonant palatalisierter/palataler Konsonant stimmloser bilabialer Plosiv stimmhafter bilabialer Plosiv
CC C’ p b
CC C’ p b
Anh. − Tab. 2: Konsonanten
https://doi.org/10.1515/9783110716337-015
320 | Anhang 1: Transkription Anh. − Tab. 2 – fortgesetzt Beschreibung
Symbol
in den Korpora verwendete Symbole
stimmloser alveolarer Plosiv stimmhafter alveolarer Plosiv stimmloser velarer Plosiv stimmhafter velarer Plosiv stimmloser uvularer Plosiv stimmloser glottaler Plosiv (Glottalstop) stimmlose alveolare Affrikate stimmlose postalveolare Affrikate stimmhafter bilabialer Frikativ ∼ labialer Approximant stimmhafter dentaler Frikativ stimmloser alveolarer Frikativ stimmloser postalveolarer Frikativ stimmloser velarer ∼ uvularer Frikativ stimmhafter velarer Frikativ stimmloser glottaler Frikativ stimmhafter alveolarer Trill stimmloser alveolarer Lateral stimmhafter alveolarer Lateral stimmhafter palataler Approximant stimmhafter bilabialer Nasal stimmhafter alveolarer Nasal stimmhafter velarer Nasal
t d k g q ʔ c č w
t d k g q ʔ ʦ (Kha_Ka) č (En, Dlg, Evn), ʧ (Kha_Ka, Kha_Su) w (Kha_Sh, Kha_Ob, Evn), β (Kha_Ka, Kha_Su) ð (Ng), z (En) s š (Kha_Sh), ʃ (Kha_Ka, En) χ (Kha_Sh), x (Kha_Ka, Kha_Ob, En) γ (Kha_Sh, Ev), ɣ (Kha_Ka, Kha_Su) h r ʌ (Kha_Sh), ɬ (Kha_Ka, Kha_Su) l j m n ŋ
ð s š χ ɣ h r ʌ l j m n ŋ
https://doi.org/10.1515/9783110716337-016
166
100
Kha_Ka_MoTA_1995_EsWurdeFrühling_flk 23
Kha_Ka_MoTA_1995_FrüherKeine Rentiere_flk
17
364
51
Kha_Ka_MoEK_2001_Quappenmagen_flk
143
22
Kha_Ka_JuTA_2001_MannSuchtFrau_flk
Veröffentlicht in:
- Moldanov, Timofej A. 2001: OUDB Kazym Khanty Corpus. Text ID 1000. Ed. by Schön, Zsófia & Sipos, Mária. http://www.oudb.gwi.unimuenchen.de/?cit=1000, Zugriff: 01.07.2020. - Moldanov 2001: 127 - Moldanov, Timofej A. 2001: OUDB Kazym Khanty Corpus. Text ID 1118. Ed. by Schön, Zsófia & Sipos, Mária. http://www.oudb.gwi.unimuenchen.de/?cit=1118, Zugriff: 01.07.2020. - Moldanov 2001: 128−129 - Solovar, Valentina 1995: OUDB Kazym Khanty Corpus. Text ID 1031. Ed. by Schön, Zsófia & Sipos, Mária. http://www.oudb.gwi.unimuenchen.de/?cit=1031, Zugriff: 01.07.2020. - Solovar 1995: 89 - Solovar, Valentina 1995: OUDB Kazym Khanty Corpus. Text ID 1027. Ed. by Schön, Zsófia & Sipos, Mária. http://www.oudb.gwi.unimuenchen.de/?cit=1027, Zugriff: 01.07.2020. - Solovar 1995: 75
Kazym-Dialekt
Tokens
Einheiten
Text
Anh. − Tab. 3: Chantisch
Anhang 2: Liste der Transkripte
Einheiten 16
51
6
142
55
37
Text
Kha_Ka_MoTA_1995_TundraFrühling_flk
Kha_Ka_SePI_1997_WieChantenAnDen KazymKamen_flk
Kha_Ka_SoVN_2011_NordwindSonne_flk
Kha_Ka_TaMK_1964_BirkenrindenBrot Bursche_flk
Kha_Ka_TaMK_1964_ GlaubensvorstellungenOstjaken_flk
Kha_Ka_TaMK_1964_KultBeim Bärenfest_flk
Anh. − Tab. 3 – fortgesetzt
338
548
1166
94
399
109
Tokens
- Solovar, Valentina 1995: OUDB Kazym Khanty Corpus. Text ID 1032. Ed. by Schön, Zsófia & Sipos, Mária. http://www.oudb.gwi.unimuenchen.de/?cit=1032, Zugriff: 01.07.2020. - Solovar 1995: 84−85 - Moldanov, Timofej A. 1997: OUDB Kazym Khanty Corpus. Text ID 1024. Ed. by Schön, Zsófia & Sipos, Mária. http://www.oudb.gwi.unimuenchen.de/?cit=1024, Zugriff: 01.07.2020. - Moldanov 1997: 53−54 Project Ob-Ugric languages 2011: OUDB Kazym Khanty Corpus. Text ID 1132. Ed. by Schön, Zsófia & Sipos, Mária. http://www.oudb.gwi.uni-muenchen.de/?cit=1132, Zugriff: 01.07.2020. - Rédei, Károly 1968: OUDB Kazym Khanty Corpus. Text ID 886. Ed. by Schön, Zsófia & Sipos, Mária. http://www.oudb.gwi.unimuenchen.de/?cit=886, Zugriff: 01.07.2020. - Rédei 1968: 74−82, Text Nr. 13 - Rédei, Károly 1968: OUDB Kazym Khanty Corpus. Text ID 878. Ed. by Schön, Zsófia & Sipos, Mária. http://www.oudb.gwi.unimuenchen.de/?cit=878, Zugriff: 01.07.2020. - Rédei 1968: 32−34, Text Nr. 1 - Rédei, Károly 1968: OUDB Kazym Khanty Corpus. Text ID 1022. Ed. by Schön, Zsófia & Sipos, Mária. http://www.oudb.gwi.unimuenchen.de/?cit=1022, Zugriff: 01.07.2020. - Rédei 1968: 38−40, Text Nr. 3
Veröffentlicht in:
322 | Anhang 2: Liste der Transkripte
760
241
358
98
Kha_Ka_TaMK_1964_WerIstDerStärkste_flk 40
56
167
42
Kha_Ka_TaMK_1964_UkaShopije_flk
Kha_Ka_VaSA_1964_Schneeweiße Federn_flk
Kha_Ob_SyIM_1990_PorAndMos_flk
Kha_Ob_SyIM_1990_RussianCityMan_flk
596
1607
1144
151
Kha_Ka_TaMK_1964_MannAusDemKnie DerFrau_flk
- Rédei, Károly 1968: OUDB Kazym Khanty Corpus. Text ID 1117. Ed. by Schön, Zsófia & Sipos, Mária. http://www.oudb.gwi.unimuenchen.de/?cit=1117, Zugriff: 01.07.2020. - Rédei 1968: 82−90, Text Nr. 14 - Rédei, Károly 1968: OUDB Kazym Khanty Corpus. Text ID 883. Ed. by Schön, Zsófia & Sipos, Mária. http://www.oudb.gwi.unimuenchen.de/?cit=883, Zugriff: 01.07.2020. - Rédei 1968: 52−56, Text Nr. 8 - Rédei, Károly 1968: OUDB Kazym Khanty Corpus. Text ID 1228. Ed. by Schön, Zsófia & Sipos, Mária. http://www.oudb.gwi.unimuenchen.de/?cit=1228, Zugriff: 01.07.2020. - Rédei 1968: 56−57, Text Nr. 9 - Rédei, Károly 1968: OUDB Kazym Khanty Corpus. Text ID 1127. Ed. by Schön, Zsófia & Sipos, Mária. http://www.oudb.gwi.unimuenchen.de/?cit=1127, Zugriff: 01.07.2020. - Rédei 1968: 136−138, Text Nr. 40
Veröffentlicht in:
- Nikolaeva et al. 2019. Northern Khanty. http://www.siberianlanguages.surrey.ac.uk/audio/mos-woman-andher-brother/ - Nikolaeva 1999c: 11−15, Text Nr. I - Nikolaeva et al. 2019. Northern Khanty. http://www.siberianlanguages.surrey.ac.uk/audio/russian-cityman/ - Nikolaeva 1999c: 26−27, Text Nr. VII
Obdorsk-Dialekt
Tokens
Einheiten
Text
Anh. − Tab. 3 – fortgesetzt
Anhang 2: Liste der Transkripte |
323
122 564 81 147 928 2118
143
98
20
26
17 73 12 23 157 273
Kha_Ob_SyIM_1990_TheManOfTales_flk
Kha_Ob_SyIM_1990_WonderfulBaby_flk
Kha_Ob_ToDI_1990_Partridge_flk
Kha_Ob_ToDI_1990_Sawas_flk
Kha_Sh_MaKI_1936_AufArbeit_nar Kha_Sh_MaKI_1936_Bärenjagd_nar Kha_Sh_MaKI_1936_Elchjagd_nar Kha_Sh_MaKI_1936_Erste Eichhörnchenjagd_nar Kha_Sh_MaKI_193X_Heldenmärchen_flk Kha_Sh_MaKI_193X_KaufmannKnecht_flk
276
172
918
1515
1283
133
Kha_Ob_SyIM_1990_Squirrel_flk
- Nikolaeva et al. 2019. Northern Khanty. http://www.siberianlanguages.surrey.ac.uk/audio/squirrel/ - Nikolaeva 1999c: 27−30, Text Nr. VIII - Nikolaeva et al. 2019. Northern Khanty. http://www.siberianlanguages.surrey.ac.uk/audio/the-man-oftales/ - Nikolaeva 1999c: 21−24, Text Nr. V - Nikolaeva et al. 2019. Northern Khanty. http://www.siberianlanguages.surrey.ac.uk/audio/wonderfulbaby/ - Nikolaeva 1999c: 16−18, Text Nr. III - Nikolaeva et al. 2019. Northern Khanty. http://www.siberianlanguages.surrey.ac.uk/audio/kuropatka/ - Nikolaeva 1999c: 36−37, Text Nr. XV - Nikolaeva et al. 2019. Northern Khanty. http://www.siberianlanguages.surrey.ac.uk/audio/sawas/ - Nikolaeva 1999c: 36, Text Nr. XIV
Veröffentlicht in:
Steinitz 1950: 88−91 Steinitz 1950: 91−99
Steinitz 1950: 82−83 Steinitz 1950: 85−87 Steinitz 1950: 85 Steinitz 1950: 84
Šerkaly-Dialekt
Tokens
Einheiten
Text
Anh. − Tab. 3 – fortgesetzt
324 | Anhang 2: Liste der Transkripte
Einheiten 12 14 12 35 94
26
55
31
19
Text
Kha_Sh_MaKI_1936_MeineMutter_nar Kha_Sh_MaKI_1936_MeinVater_nar Kha_Sh_MaKI_1936_OstjakeSchade_nar Kha_Sh_MaKI_1936_Revolution_nar Kha_Sh_MaKI_1934_ScheintoterNeffe_flk
Kha_Su_AjED_2000_MakingBread_nar
Kha_Su_KaLD_1992_TheEagle_flk
Kha_Su_KeDA_1996_OldStory_nar
Kha_Su_KeSD_KeII_1996_Hunting Adventure_nar
Anh. − Tab. 3 – fortgesetzt
152
261
366
278
85 124 93 272 664
Steinitz 1950: 81−82 Steinitz 1950: 81 Steinitz 1950: 82 Steinitz 1950: 83−84 Steinitz 1950: 99−102
Veröffentlicht in:
- Csepregi, Márta 2002: OUDB Surgut Khanty Corpus. Text ID 1076. Ed. by Schön, Zsófia. http://www.oudb.gwi.uni-muenchen.de/?cit=1076, Zugriff: 01.07.2020. - Csepregi 2002: 90 - Csepregi, Márta 2011: OUDB Surgut Khanty Corpus. Text ID 1345. Ed. by Schön, Zsófia. http://www.oudb.gwi.uni-muenchen.de/?cit=1345, Zugriff: 01.07.2020. - Csepregi 2011a: 12−13 - Csepregi, Márta 1998: OUDB Surgut Khanty Corpus. Text ID 730. Ed. by Schön, Zsófia. http://www.oudb.gwi.uni-muenchen.de/?cit=730, Zugriff: 01.07.2020. - Csepregi 1998: 62, Text Nr. VII - Csepregi, Márta 1998: OUDB Surgut Khanty Corpus. Text ID 728. Ed. by Schön, Zsófia. http://www.oudb.gwi.uni-muenchen.de/?cit=728, Zugriff: 01.07.2020. - Csepregi 1998: 60, Text Nr. VI
Surgut-Dialekt
Tokens
Anhang 2: Liste der Transkripte |
325
Einheiten 88
8
5
42
246
23
Text
Kha_Su_KeST_1992_ThreeBrothers_flk
Kha_Su_KuEP_1992_TwoTales1_flk
Kha_Su_KuEP_1992_TwoTales2_flk
Kha_Su_PoDS_1992_LittleBirdElder Sister_flk
Kha_Su_PoFI_1992_TwoWomen_flk
Kha_Su_RuSK_1992_LittleBirdSister_flk
Anh. − Tab. 3 – fortgesetzt
200
1901
305
40
69
555
Tokens
- Csepregi, Márta 1998: OUDB Surgut Khanty Corpus. Text ID 734. Ed. by Schön, Zsófia. http://www.oudb.gwi.uni-muenchen.de/?cit=734, Zugriff: 01.07.2020. - Csepregi 1998: 70−72, Text Nr. XI - Csepregi, Márta 2011: OUDB Surgut Khanty Corpus. Text ID 1346. Ed. by Schön, Zsófia. http://www.oudb.gwi.uni-muenchen.de/?cit=1346, Zugriff: 01.07.2020. - Csepregi 2011a: 11 - Csepregi, Márta 2011: OUDB Surgut Khanty Corpus. Text ID 1347. Ed. by Schön, Zsófia. http://www.oudb.gwi.uni-muenchen.de/?cit=1347, Zugriff: 01.07.2020. - Csepregi 2011a: 11 - Csepregi, Márta 1998: OUDB Surgut Khanty Corpus. Text ID 732. Ed. by Schön, Zsófia. http://www.oudb.gwi.uni-muenchen.de/?cit=732, Zugriff: 01.07.2020. - Csepregi 1998: 66, Text Nr. IX - Csepregi, Márta 1998: OUDB Surgut Khanty Corpus. Text ID 735. Ed. by Schön, Zsófia. http://www.oudb.gwi.uni-muenchen.de/?cit=735, Zugriff: 01.07.2020. - Csepregi 1998: 74−80, Text Nr. XII - Csepregi, Márta 1993: OUDB Surgut Khanty Corpus. Text ID 1344. Ed. by Schön, Zsófia. http://www.oudb.gwi.uni-muenchen.de/?cit=1344, Zugriff: 01.07.2020. - Csepregi 1993: 50
Veröffentlicht in:
326 | Anhang 2: Liste der Transkripte
Einheiten 49
39
17
35
Text
Kha_Su_SoII_1992_NenetsHeroPoor Worker_flk
Kha_Su_SoOI_2008_FireGoddess_flk
Kha_Su_SoOI_2008_ManMadeATrap_flk
Kha_Su_SoOI_2008_WomanTurned IntoCuckoo_flk
Anh. − Tab. 3 – fortgesetzt
270
191
285
492
Tokens - Csepregi, Márta 1998: OUDB Surgut Khanty Corpus. Text ID 737. Ed. by Schön, Zsófia. http://www.oudb.gwi.uni-muenchen.de/?cit=737, Zugriff: 01.07.2020. - Csepregi 1998: 96, Text Nr. XIV - Sosa, Sachiko 2009: OUDB Surgut Khanty Corpus. Text ID 1086. Ed. by Schön, Zsófia. http://www.oudb.gwi.uni-muenchen.de/?cit=1086, Zugriff: 01.07.2020. - Csepregi & Sosa 2009: 204−205 - Sosa, Sachiko 2009: OUDB Surgut Khanty Corpus. Text ID 1085. Ed. by Schön, Zsófia. http://www.oudb.gwi.uni-muenchen.de/?cit=1085, Zugriff: 01.07.2020. - Csepregi & Sosa 2009: 203−204 - Sosa, Sachiko 2009: OUDB Surgut Khanty Corpus. Text ID 1087. Ed. by Schön, Zsófia. http://www.oudb.gwi.uni-muenchen.de/?cit=1087, Zugriff: 01.07.2020. - Csepregi & Sosa 2009: 205−207
Veröffentlicht in:
Anhang 2: Liste der Transkripte |
327
En_T_BeMD_20090825_Hunde_nar En_T_BeMD_20090826_KinderInDerTundra_nar En_T_KoIP_20080714_AlteHeilerin_nar En_T_KoIP_20080714_DreiSchamaninnen_nar En_T_KoIP_20080714_FellVomRentierbein_nar En_T_KoIP_20080716_AlteFrau_nar En_T_KoIP_20080716_HochzeitTroick_nar En_T_KoIP_20080716_MeineFamilie_nar En_T_KoIP_20080716_ProfessorShamanskaja1_nar En_T_KoIP_20080716_ProfessorShamanskaja2_nar En_T_KoIP_20080722_UstAvam_nar En_T_SiSD_20080808_RentiereEinfangen_nar En_T_SiSD_20080808_ÜberSich_nar En_T_TuSK_20090828_AlterMannTalisman_nar En_T_TuSK_20090828_AufJagd_nar En_T_TuSK_20090828_RentiereImJahr_nar En_T_TuSK_20090828_UnterwegsHunger_nar En_T_TuSU_20090816_Leben_nar En_T_TuSU_20090816_UmzugAusVoroncovo_nar En_T_TuSU_20090817_FischenMitNetz_nar En_T_TuSU_20090817_WeideInVoroncovo_nar En_T_TuVA_20080723_NördlicheSowchose_nar
Text
Anh. − Tab. 4: Enzisch
53 88 49 105 95 70 68 64 42 52 52 245 57 71 36 79 126 119 96 97 55 97
Tokens
169 322 144 353 323 243 260 228 141 219 216 816 192 230 114 224 351 424 365 257 234 257
Tundraenzisch
Einheiten
− − − − − − − − − − − − − − − − − − − − − −
Veröffentlicht in:
328 | Anhang 2: Liste der Transkripte
67 62 67 186 161
157
67
92
72
119
95
En_T_TuVA_20080723_WarumRauchen_nar En_T_TuZA_20080723_Kindheit_nar En_T_TuZA_20080723_Leben_nar En_T_TuZA_20080723_Märchen_flk En_T_TuZA_20100810_MärchenUndÜberSich_flk
En_W_BoAP_20050924_Hochzeit_nar
En_W_BoAS_20080324_MärchenBär_flk
En_W_BoAS_20090715_WieManEinLassoBenutzt_nar
En_W_BoAS_20100709_LebenInDerTundra_nar
En_W_BoDS_199111_ZweiMärchen_flk
En_W_BoLD_20080817_RentierBär_nar
177 181 239 603 425
Tokens
267
423
298
353
262
572
Waldenzisch
Einheiten
Text
Anh. − Tab. 4 – fortgesetzt
Nikolaeva et al. 2019. Forest Enets. http://www.siberianlanguages.surrey.ac.uk/audio/ my-wedding/, Zugriff: 01.07.2020. Nikolaeva et al. 2019. Forest Enets. http://www.siberianlanguages.surrey.ac.uk/audio/ a-tale-about-bears/, Zugriff: 01.07.2020. Nikolaeva et al. 2019. Forest Enets. http://www.siberianlanguages.surrey.ac.uk/audio/ how-to-use-a-lasso/, Zugriff: 01.07.2020. Nikolaeva et al. 2019. Forest Enets. http://www.siberianlanguages.surrey.ac.uk/audio/ life-in-tundra/, Zugriff: 01.07.2020. Nikolaeva et al. 2019. Forest Enets. http://www.siberianlanguages.surrey.ac.uk/audio/ two-tales/, Zugriff: 01.07.2020. Nikolaeva et al. 2019. Forest Enets. http://www.siberianlanguages.surrey.ac.uk/audio/ reindeer-and-a-bear/, Zugriff: 01.07.2020.
− − − − −
Veröffentlicht in:
Anhang 2: Liste der Transkripte |
329
Einheiten 32
75
29
43
61 68 124 84
62
142
Text
En_W_BoLD_20080818_DeutscheErdhütte_nar
En_W_BoLD_20080819_BetrunkeneFischer_nar
En_W_BoLD_20080819_FischenHecht_nar
En_W_BoLD_20080819_GenaMäuse_nar
En_W_BoMN_199404_DreiFrauen_flk En_W_BoNK_20080403_Märchen_flk En_W_BoNK_20080406_NomadisierenBär_nar En_W_GlES_20090722_AlteFrauUlyana_nar
En_W_GlES_20100702_MärchenSchwiegersöhne_flk
En_W_GlES_20100715_MärchenJunge_flk
Anh. − Tab. 4 – fortgesetzt
624
173
296 244 357 311
252
138
325
113
Tokens Nikolaeva et al. 2019. Forest Enets. http://www.siberianlanguages.surrey.ac.uk/audio/ germans-earth-house/, Zugriff: 01.07.2020. Nikolaeva et al. 2019. Forest Enets. http://www.siberianlanguages.surrey.ac.uk/audio/ story-about-a-bear/, Zugriff: 01.07.2020. Nikolaeva et al. 2019. Forest Enets. http://www.siberianlanguages.surrey.ac.uk/audio/ fishing-with-a-minnow/, Zugriff: 01.07.2020. Nikolaeva et al. 2019. Forest Enets. http://www.siberianlanguages.surrey.ac.uk/audio/ mice-and-gena/, Zugriff: 01.07.2020. Labanauskas 2002: 108−110 − − Nikolaeva et al. 2019. Forest Enets. http://www.siberianlanguages.surrey.ac.uk/audio/ the-old-woman-ulyana/, Zugriff: 01.07.2020. Nikolaeva et al. 2019. Forest Enets. http://www.siberianlanguages.surrey.ac.uk/audio/ tale-about-sons-in-law/, Zugriff: 01.07.2020. Nikolaeva et al. 2019. Forest Enets. http://www.siberianlanguages.surrey.ac.uk/audio/ tale-about-a-boy/, Zugriff: 01.07.2020.
Veröffentlicht in:
330 | Anhang 2: Liste der Transkripte
Einheiten 285 60
22 101 93 74
124 502 253
Text
En_W_LyND_19979718_Leben_nar En_W_PaAN_20090721_MeinVater_nar
En_W_PaAN_20090803_JagenInKindheit_nar En_W_PaNS_199X_RentierbullenJagen_flk En_W_RoSA_20080824_ImSumpfVersunken_nar En_W_SiAM_20050924_Dyoo_flk
En_W_SiMN_19900522_MausKuckuck_flk En_W_SiNI_20080823_MärchenLeben_nar En_W_SiNI_20090719_GoldenerFisch_nar
Anh. − Tab. 4 – fortgesetzt
488 2599 1065
127 479 330 278
1570 239
Tokens − Nikolaeva et al. 2019. Forest Enets. http://www.siberianlanguages.surrey.ac.uk/audio/ my-father/, Zugriff: 01.07.2020. − − − Nikolaeva et al. 2019. Forest Enets. http://www.siberianlanguages.surrey.ac.uk/audio/ dyoo/, Zugriff: 01.07.2020. − − −
Veröffentlicht in:
Anhang 2: Liste der Transkripte |
331
Einheiten 22 24 36 186
156
59 42 42 36 25 29 21 56
89 510 17
Text
Ng_ASS_161023_Djajku1_flkd Ng_ASS_161023_Fox_flkd Ng_ASS_161024_Life_nar Ng_ChND_041212_Girl_flkd
Ng_ChND_041213_Reminiscence_nar
Ng_ChND_061023_School_nar Ng_ChND_061105_Nenets_nar Ng_ChND_080719_Life_nar Ng_ChNS_080214_MountainRidges_nar Ng_ChNS_080214_Sjunezi_flks Ng_ChZS_080212_Djajku_flkd Ng_ChZS_080212_Burbot_flkd Ng_JDH_00_FallenEarth_flkd
Ng_JSM_080212_Hibula_flkd Ng_JSM_090809_Life_nar Ng_KBD_71_Relationship_nar
Anh. − Tab. 5: Nganasanisch
464 2874 129
383 252 407 254 174 123 83 373
963
119 134 205 1209
Tokens
Brykina et al. 2018 Brykina et al. 2018 Brykina et al. 2018 - Brykina et al. 2018 - http://www.iling-ran.ru/gusev/Nganasan/texts/index.php, Zugriff: 01.07.2020. - Brykina et al. 2018 - http://www.iling-ran.ru/gusev/Nganasan/texts/index.php, Zugriff: 01.07.2020. Brykina et al. 2018 Brykina et al. 2018 Brykina et al. 2018 Brykina et al. 2018 Brykina et al. 2018 Brykina et al. 2018 Brykina et al. 2018 - Brykina et al. 2018 - http://www.iling-ran.ru/gusev/Nganasan/texts/index.php, Zugriff: 01.07.2020. Brykina et al. 2018 Brykina et al. 2018 - Brykina et al. 2018 - Filchenko 2012: 176−182
Veröffentlicht in:
332 | Anhang 2: Liste der Transkripte
Einheiten 57 27 14 107 28 226
340 22 30 55 69
83
17 34
Text
Ng_KECh_080214_Childhood_nar Ng_KES_04_Accident_nar Ng_KES_061020_MyLife_nar Ng_KES_080721_Lemming_flkd Ng_KH_960811_TwoWomen_flkd
Ng_KNT_940903_KehyLuu_flkd
Ng_KNT_960809_WildAnimals_flkd
Ng_MACh_940808_DogLake_flkd
Ng_MACh_940809_ShamanLake_flkd
Ng_MDN_97_Chuckhis_flkd Ng_MDN_97_War1_nar
Ng_PED_041206_MyFather_nar
Ng_SEN_061025_Moose_nar Ng_TAM_6810_Reindeer_flkd
Anh. − Tab. 5 – fortgesetzt
82 166
599
354 382
243
190
1966
1081
348 194 115 742 178
Tokens Brykina et al. 2018 Brykina et al. 2018 Brykina et al. 2018 Brykina et al. 2018 - Brykina et al. 2018 - Wagner-Nagy 2002: 206−207 - Brykina et al. 2018 - http://www.univie.ac.at/negation/sprachen/nganasana.html, Zugriff: 01.07.2020. - Brykina et al. 2018 - Wagner-Nagy 2002: 232−243 - Brykina et al. 2018 - Wagner-Nagy 2002: 210−211 - Brykina et al. 2018 - Wagner-Nagy 2002: 214−215 Brykina et al. 2018 - Brykina et al. 2018 - http://www.iling-ran.ru/gusev/Nganasan/texts/index.php, Zugriff: 01.07.2020. - Brykina et al. 2018 - http://www.iling-ran.ru/gusev/Nganasan/texts/index.php, Zugriff: 01.07.2020. Brykina et al. 2018 - Brykina et al. 2018 - Mikola 1970: 69−70 - Wagner-Nagy 2002: 208−209
Veröffentlicht in:
Anhang 2: Liste der Transkripte |
333
Einheiten 107 32
Text
Ng_TKF_061105_TuuBenke_flkd Ng_TNK_0805_Life_nar
Anh. − Tab. 5 – fortgesetzt
813 340
Tokens Brykina et al. 2018 Brykina et al. 2018
Veröffentlicht in:
334 | Anhang 2: Liste der Transkripte
Einheiten 94 148 74 5 5 312 40 77 42 17 65 54 26 110 126 169
Text
Dlg_AkEE_19900810_PearlBeard_flk Dlg_AkNN_KuNS_200212_LifeHandicraft_conv Dlg_AnMS_1972_GoodSovietTimes_nar Dlg_AnZA_19XX_AncestorSwanFragment_flk Dlg_AnZA_19XX_PartridgesPikesFragment _flk Dlg_AsKS_19XX_Amulet_nar Dlg_BaA_1930_FireInSmallTent_flk
Dlg_BaA_1930_OldManOldWoman_flk
Dlg_BaA_1930_OneEyedGirl_flk
Dlg_BaR_1930_ChildOfMasterOfMountain_flk
Dlg_BaR_1930_DaughterOfNganasan_flk
Dlg_BaR_1930_DaughterOfÜrüngAjyy_flk
Dlg_BaR_1931_OldManHaresPolarFoxes_flk
Dlg_ChSA_KuNS_2004_ReindeerHerding_conv Dlg_ChVD_AkEE_198204_SoldierInWar_nar Dlg_ElBK_KuNS_2004_StorytellersUstAvam_conv
Anh. − Tab. 6: Dolganisch
705 988 1154
191
414
466
133
368
614
615 1308 616 35 32 1606 299
Tokens Däbritz et al. 2019 Däbritz et al. 2019 Däbritz et al. 2019 Däbritz et al. 2019 Däbritz et al. 2019 Däbritz et al. 2019 - Däbritz et al. 2019 - Efremov 2000: 340−342 - Däbritz et al. 2019 - Efremov 2000: 308−312 - Däbritz et al. 2019 - Efremov 2000: 336−338 - Däbritz et al. 2019 - Efremov 2000: 328−330 - Däbritz et al. 2019 - Efremov 2000: 322−324 - Däbritz et al. 2019 - Efremov 2000: 316−318 - Däbritz et al. 2019 - Efremov 2000: 198−201 Däbritz et al. 2019 Däbritz et al. 2019 Däbritz et al. 2019
Veröffentlicht in:
Anhang 2: Liste der Transkripte |
335
Einheiten 61 53 55 52 43 304 277 307 74 54 59 198 67 112
Text
Dlg_ErSV_1964_OldManHares_flk
Dlg_ErSV_1964_SnowOwl_flk
Dlg_ErSV_1964_WarPartridgesPikes_flk
Dlg_FeA_1931_OldManUkukuutFox_flk
Dlg_FeA_1931_OldWomanFoxFur_flk
Dlg_KiMN_19900417_Milkmaid_flk Dlg_KiPP_KuNS_200211_LifeManyChildren_conv Dlg_LaVN_KuNS_1999_FateOfANortherner_conv Dlg_MiXS_1967_SoldierInSecondWorldWar_nar Dlg_NaLE_2002_StonyBone_flk Dlg_PoMA_1964_FoxDeceiver_flk
Dlg_PoNA_19910207_Fishing_nar Dlg_PoNA_2004_MikaMukulajAloneAtHome_nar Dlg_PoXN_197011178_Chopochuka_flk
Anh. − Tab. 6 – fortgesetzt
1349 450 746
1912 1880 2035 955 471 386
279
354
349
304
333
Tokens - Däbritz et al. 2019 - Efremov 2000: 184−187 - Däbritz et al. 2019 - Efremov 2000: 188−191 - Däbritz et al. 2019 - Efremov 2000: 182−183 - Däbritz et al. 2019 - Efremov 2000: 196−199 - Däbritz et al. 2019 - Efremov 2000: 194−197 Däbritz et al. 2019 Däbritz et al. 2019 Däbritz et al. 2019 Däbritz et al. 2019 Däbritz et al. 2019 - Däbritz et al. 2019 - Efremov 2000: 190−192 Däbritz et al. 2019 Däbritz et al. 2019 Däbritz et al. 2019
Veröffentlicht in:
336 | Anhang 2: Liste der Transkripte
130
31
27
15 73
Evn_N_BoSD_2008_KhukocharyAndPankagiry_nar
Evn_N_BuRI_2006_HowWeWork_nar
Evn_N_ChAD_2011_GoingToTheTundra_nar
Evn_N_ChAD_2011_StoryAboutLife_nar
Tokens
338
68
393
438
1047
Nordewenkisch
Einheiten
Evn_N_ArEP_2006_DifficultLife_nar
Text
Anh. − Tab. 7: Ewenkisch
- http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/eto-vsya-nashazhizn-e-p-arkadeva, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. - http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/hukochary-ipankagiry-s-d-bondareva-hukochar, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. - http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/kak-my-rabotaem-ri-buneeva, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. - http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/rasskaz-o-zhizni-dchempogir, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019.
Veröffentlicht in:
Anhang 2: Liste der Transkripte |
337
Einheiten 129
58
98
75
45
38
Text
Evn_N_ElVX_2007_BigWork_nar
Evn_N_KoAN_2007_StoryAboutLife_nar
Evn_N_PaAI_2007_HereILiveFor20Years_nar
Evn_N_SaVN_2006_BearGoes_nar
Evn_N_SaVN_2006_Dogs_nar
Evn_N_SaVN_2006_GoingToPotapovo_nar
Anh. − Tab. 7 – fortgesetzt
466
175
869
1025
623
1389
Tokens
- http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/bolshaya-rabota-vh-eldogir, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. - http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/rasskaz-o-zhizni-nkombagir, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. - http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/vot-zdes-zhivu-20let-i-pankagir, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. - http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/medved-hodit-v-nsaygotin, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. - http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/sobaki-v-n-saygotin, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. - http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/kak-ezdil-vpotapovo-v-n-saygotin, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019.
Veröffentlicht in:
338 | Anhang 2: Liste der Transkripte
Einheiten 37
87
32
126
57 20
Text
Evn_N_SaVN_2006_PawOfABear_nar
Evn_N_SaVeN_1998_StoryAboutLife_nar
Evn_N_SiGS_2008_StoryAboutLife_nar
Evn_N_SiKS_2008_StoryAboutLife_nar
Evn_N_TuMD_2011_FatherWentToVillage_nar
Evn_N_TuMD_2011_Shaman_nar
Anh. − Tab. 7 – fortgesetzt
71
187
1036
245
1051
141
Tokens - http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/lapa-medvedya-v-nsaygotin, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. - http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/rasskaz-o-zhizni-v-nsaygotina, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. - http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/rasskaz-o-zhizni-gs-sidorov, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. - http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/rasskaz-o-zhizni-k-ssidorov, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. - http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/shaman-m-dturskaya, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019.
Veröffentlicht in:
Anhang 2: Liste der Transkripte |
339
Einheiten 47
220
73
27
35
128
Text
Evn_N_TuMD_2011_StoryAboutLife_nar
Evn_N_TuMD_ErLA_2011_AboutLife_conv
Evn_N_UdVI_2008_MyMother_nar
Evn_N_UdVI_2008_Reindeer_nar
Evn_N_UdVI_2008_StoryAboutLife_nar
Evn_N_UdVN_2007_Riflemen_flk
Anh. − Tab. 7 – fortgesetzt
549
291
340
645
937
205
Tokens
- http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/rasskaz-o-zhizni-md-turskaya, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. - http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/rasskaz-o-zhizni-leremina-m-d-turskaya, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. - http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/moya-mama-v-iudygir, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. - http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/olen-v-i-udygir, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. - http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/rasskaz-o-zhizni-v-iudygir, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. - http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/strelki-v-n-udygir, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019.
Veröffentlicht in:
340 | Anhang 2: Liste der Transkripte
Einheiten 52 108 64 30
37 114
40
134
Text
Evn_N_UvIK_2008_AboutMe_nar
Evn_N_UvIK_2008_EvenkiWayOfLife_nar
Evn_N_UvIK_2008_StoryAboutLife_nar
Evn_N_XuDA_2008_HistoryOfKhukochary_nar
Evn_N_XuDN_2007_AboutHunting_nar
Evn_N_XuGN_2007_StoryAboutLife_nar
Evn_S_AnSM_2007_Wolverine_nar
Evn_S_AnVI_2007_SmallFox_nar
Anh. − Tab. 7 – fortgesetzt
1080
349
Südewenkisch
1173
377
169
1069
1811
719
Tokens
- http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/rosomaha-s-mandreeva-torpushonok, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. - http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/lisichka-v-i-andreev, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019.
http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. - http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/istoriya-rodahukocharov-d-hukochar, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019.
Veröffentlicht in:
Anhang 2: Liste der Transkripte |
341
Einheiten 29
41 29 13 30
143 22 11 69
Text
Evn_S_BoGP_2009_SmallEagle_nar
Evn_S_DmAV_2007_HuntingOnBear_nar
Evn_S_DmAV_2007_HuntingOnElk_nar
Evn_S_DmAV_2007_WildReindeer_nar
Evn_S_IvVA_2010_SixthDrum_nar
Evn_S_IvVA_2010_StoryAboutLife_nar
Evn_S_KoMA_2007_StartingWithReindeer_nar
Evn_S_SeTP_2005_AboutLife_nar
Evn_S_XaNT_2005_GiftFromTrofim_nar
Anh. − Tab. 7 – fortgesetzt
655
93
138
1935
529
29
307
343
280
Tokens
- http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/orlenok-g-p-boyarin, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. - http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/shestoy-buben-vivigin, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. - http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/podarok-trofima-n-thadonchina, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019.
Veröffentlicht in:
342 | Anhang 2: Liste der Transkripte
Einheiten 140
114
Text
Evn_S_XaNT_2005_ICantFindTheWay_nar
Evn_S_XaNT_2005_SmallElk_nar
Anh. − Tab. 7 – fortgesetzt
403
491
Tokens - http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/ne-mogu-naytidorogi-n-t-hadonchina, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019. - http://minlang.srcc.msu.ru/ru/text/losenok-n-thadonchina, Zugriff: 05.04.2019. - http://languedoc.philol.msu.ru/ds/imdi_browser/, Zugriff: 05.04.2019.
Veröffentlicht in:
Anhang 2: Liste der Transkripte |
343