Teleshopping- und Onlineshoppingangebote zwischen Medienrecht und Wirtschaftsrecht: Rechtliche Vorgaben für die Regulierung audiovisueller Waren- und Dienstleistungsangebote im Fernsehen und im Internet [1 ed.] 9783428515318, 9783428115310


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German Pages 299 [300] Year 2005

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Teleshopping- und Onlineshoppingangebote zwischen Medienrecht und Wirtschaftsrecht: Rechtliche Vorgaben für die Regulierung audiovisueller Waren- und Dienstleistungsangebote im Fernsehen und im Internet [1 ed.]
 9783428515318, 9783428115310

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JOHANNES KROYMANN

Teleshopping- und Onlineshoppingangebote zwischen Medienrecht und Wirtschaftsrecht

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 988

Teleshopping- und Onlineshoppingangebote zwischen Medienrecht und Wirtschaftsrecht Rechtliche Vorgaben für die Regulierung audiovisueller Waren- und Dienstleistungsangebote im Fernsehen und im Internet

Von

Johannes Kroymann

Duncker & Humblot • Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-11531-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706©

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Wintersemester 2003 / 2004 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen. Die mündliche Prüfung fand am 15. Oktober 2003 statt. Rechtsprechung und Schrifttum sind im Wesentlichen auf dem Stand Februar 2003. Später veröffentlichte Urteile und Literatur konnten nur noch vereinzelt berücksichtigt werden. Danken möchte ich an erster Stelle meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Markus Heintzen, nicht nur für die unermüdliche wissenschaftliche und persönliche Unterstützung der Arbeit, sondern auch für die schönen und lehrreichen Jahre, in denen ich als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin für ihn tätig sein durfte. Herrn Professor Dr. Christian Pestalozza danke ich für die Übernahme und zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie für seine weiterführenden Hinweise. Meiner Frau Julia Kroymann, Herrn Dr. Sven Piegsa und Herrn Dr. Andreas Musil danke ich für die zahlreichen und außerordentlich wertvollen Kommentare und Anregungen. Für die Bewilligung eines Druckkostenzuschusses danke ich dem Bundesministerium des Innern. Mein besonderer Dank gilt meinen Eltern, die mich von Anfang an in meinem Vorhaben unterstützt haben und ohne deren stetige Förderung diese Arbeit nicht entstanden wäre. Berlin, im Oktober 2004

Johannes Kroymann

Inhaltsverzeichnis Einleitung

17

A. Teleshopping- und Onlineshoppingangebote als tatsächliches Phänomen

21

I. Technische Grundlagen

21

1. Übertragungswege für Fernsehen und Internetangebote

21

2. Telekommunikationsdienste

22

a) Verteildienste

23

b) Zugriffsdienste

23

c) Abrufdienste

23

3. Digitalisierung der Telekommunikation und Ausbau der Übertragungskapazitäten

24

II. Konsequenzen der technischen Entwicklung für die Möglichkeiten medialer Kommunikation

25

III. Teleshopping- und Onlineshoppingangebote 1. Teleshoppingangebote

26 26

a) Begriffsbestimmung

26

b) Erscheinungsformen von Teleshoppingangeboten

28

aa) Differenzierung nach der Art und Weise der Präsentation

28

bb) Differenzierung nach dem Kontext

30

cc) Differenzierung nach der technischen Ausgestaltung

31

2. Onlineshoppingangebote

31

a) Begriffsbestimmung

31

b) Erscheinungsformen von Onlineshoppingangeboten

33

aa) Differenzierung nach der Art und Weise der Präsentation

33

bb) Differenzierung nach dem Kontext

34

cc) Differenzierung nach der technischen Ausgestaltung

34

3. Wirtschaftliche Bedeutung von Teleshopping und Onlineshopping

35

8

Inhaltsverzeichnis

B. Teleshopping- und Onlineshoppingangebote als Gegenstand staatlicher Regulierung

37

I. Ansatzpunkte für eine medienrechtliche und eine wirtschaftsrechtliche Regulierung von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten

37

1. Medienrecht und Wirtschaftsrecht

37

2. Aufgaben des Gesetzgebers im Zusammenhang mit Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten

38

II. Bestehende gesetzliche Regelungen zu Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten

41

1. Überblick über die einschlägigen Regelungswerke

41

2. Einzelne Regelungsinhalte

43

a) Verbot von Teleshoppingsendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk

43

b) Anmelde- oder Zulassungspflichten

43

c) Zulassungsbeschränkungen aufgrund knapper Übertragungskapazitäten

44

d) Konzentrationskontrolle

45

e) Zeitliche Beschränkungen

45

f) Inhaltliche Anforderungen

46

aa) Allgemeine Grundsätze

46

bb) Unzulässige Inhalte

47

cc) Obligatorische Inhalte

48

g) Verbot einer Beeinflussung des Programms durch Werbung und Werbetreibende

50

h) Einräumung von Gegendarstellungsrechten

50

i) Pflicht zur Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten

51

j) Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Kundendaten

51

k) Besondere Regelungen für Angebote aus dem Ausland

52

1) Verantwortlichkeit

52

m) Staatliche Aufsicht

53

3. Zusammenfassung C. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Regulierung von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten I. Zum Verhältnis formeller und materieller Vorgaben des Verfassungsrechts II. Materielle verfassungsrechtliche Vorgaben

53

55 55 55

Inhaltsverzeichnis 1. Die verfassungsrechtliche Ausgangslage

55

2. Rundfunkfreiheit

58

a) „Rundfunk"

58

aa) Die Elemente des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs nach herkömmlichem Verständnis

58

(1) Darbietung

60

(2) Allgemeinheit

62

(3) Verbreitung unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen

63

bb) Ansätze für eine Weiterentwicklung des Rundfunkbegriffs im Hinblick auf moderne Kommunikationsangebote

65

(1) Präzisierung des Merkmals „Darbietung"

66

(a) Ausformung des Relevanzkriteriums durch eine typisierende Betrachtungsweise

66

(b) Differenzierung nach der Art der Darstellung

69

(c) Verzicht auf inhaltliche Kriterien

71

(2) Präzisierung des Merkmals „Allgemeinheit"

72

(3) Präzisierung des Merkmals „Verbreitung"

75

(4) Funktionaler Vergleich mit traditionellem Rundfunk

77

(5) Neue Medienangebote als Ergänzung klassischer Rundfunkprogramme

79

(6) Verzicht auf eine Differenzierung zwischen einzelnen Medienformen

80

(7) Zusammenfassung

80

cc) Auslegung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (1) Grammatikalische Auslegung

81 81

(2) Historische Auslegung

84

(3) Systematische Auslegung

85

(4) Teleologische Auslegung

87

(5) Ergebnis der Auslegung

92

dd) Zuordnung von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten zum Rundfunk (1) Darbietung

93 93

(a) Teleshoppingangebote

93

(b) Onlineshoppingangebote

94

(2) Allgemeinheit

95

(a) Teleshoppingangebote

96

(b) Onlineshoppingangebote

96

(3) Verbreitung unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen

102

(4) Zusammenfassung

103

10

Inhaltsverzeichnis b) „Berichterstattung"

104

aa) Unbeachtlichkeit des Wortes „Berichterstattung" nach der herrschenden Meinung

104

bb) Beschränkung des grundrechtlichen Schutzes auf reine Tatsachenmitteilungen nach der Gegenauffassung 105 cc) Auslegung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG

105

dd) Ergebnis

107

c) Subjektiv-rechtliche und objektiv-rechtliche Elemente der Rundfunkfreiheit

107

aa) Rundfunkfreiheit als „dienende Freiheit" mit Ausgestaltungsvorbehalt 109 (1) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

109

(2) Auffassungen in der Literatur

111

(a) Kein originärer Grundrechtsschutz

111

(b) Grundrechtsschutz durch Zulassung

112

(c) Differenzierung nach Art des Rundfunkangebots

112

bb) Rundfunkfreiheit als klassisches Individualgrundrecht

114

cc) Auslegung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG

115

(1) Grammatikalische Auslegung

115

(2) Historische Auslegung

116

(3) Systematische Auslegung

117

(4) Teleologische Auslegung

118

(a) Sinn und Zweck der Rundfunkfreiheit

118

(b) Interpretation von Sinn und Zweck im Lichte der Besonderheiten des Rundfunkmarktes

121

(c) Konfliktlösungsmechanismen im Bereich der Freiheitsrechte

123

(aa) Tatbestandslösung (bb) Berücksichtigung kollidierender Verfassungsziele Rahmen der Schrankenziehung

124 im 125

(d) Der rundfunkspezifische Ausgestaltungsvorbehalt als rechtfertigungsbedürftiger Ausnahmefall 126 (e) Mögliche Rechtfertigungsgründe

128

(aa) Vergleich mit anderen europäischen Verfassungen?

128

(bb) Innerer Konflikt der Rundfunkfreiheit?

129

(cc) Nicht hinnehmbare Gefahren für die Freiheit des Meinungsbildungsprozesses? 129 (5) Ergebnis der Auslegung

133

dd) Schutz von Teleshopping- und Onlineshoppinganbietern

133

ee) Zusammenfassung

136

Inhaltsverzeichnis d) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit und Gebotenheit staatlicher Beschränkungen der Rundfunkfreiheit von Teleshopping- und Onlineshoppinganbietern 136 aa) Eingriff oder Ausgestaltung?

136

bb) Eingriffe in die Rundfunkfreiheit von Teleshopping- und Onlineshoppinganbietern 140 cc) Eingriffsrechtfertigung (1) Schranken der Rundfunkfreiheit

143 143

(a) Vorschriften der allgemeinen Gesetze

143

(b) Gesetzliche Bestimmungen zum Schutze der Jugend

145

(c) Recht der persönlichen Ehre

146

(d) Verfassungsimmanente Schranken

146

(2) Übermaß verbot

147

(3) Zensurverbot

150

dd) Verfassungsrechtliche Pflichten zur Beschränkung der Rundfunkfreiheit von Teleshopping- und Onlineshoppinganbietern (1) Herleitung staatlicher Handlungspflichten

150 150

(2) Schutzpflicht für die Freiheit des Meinungsbildungsprozesses ...

152

(3) Jugendschutz und Schutz der persönlichen Ehre

155

ee) Zusammenfassung

156

3. Pressefreiheit und Filmfreiheit

157

4. Meinungsfreiheit

157

a) Verhältnis zur Rundfunkfreiheit

157

b) Grundrechtlicher Schutz von Meinungsäußerungen in wirtschaftlichen Zusammenhängen

159

c) Zusammenfassung

161

5. Berufsfreiheit

161

a) Verhältnis zur Rundfunkfreiheit

161

b) Schutz von Teleshopping-und Onlineshoppinganbietern

163

c) Beeinträchtigungen der Berufsfreiheit von Teleshopping- und Onlineshoppinganbietern 164 d) Grenzen der staatlichen Regelungsbefugnis

167

aa) Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage

168

bb) Übermaß verbot und Stufenlehre

168

cc) Beschränkungen von Teleshopping- und Onlineshoppinganbietern: Berufsausübungs- oder Berufswahlregelungen? 169 e) Zusammenfassung

173

12

Inhaltsverzeichnis 6. Eigentumsgarantie

173

7. Allgemeine Handlungsfreiheit

175

8. Gleichheitsgebot

176

9. Grundrechte der Nutzer

178

a) Informationsfreiheit

178

b) Weitere Grundrechte der Nutzer

179

III. Gesetzgebungskompetenzen 1. Grundregel der Länderzuständigkeit und Ausnahme der Bundeszuständigkeit

179 179

2. Grundsätzliche Kompetenzverteilung bei der Regulierung telekommunikativ übermittelter Medienangebote 180 a) Medienrecht als Ländersache

180

b) Klassischer Verteildienst-Rundfunk

181

c) Sonstige Medienangebote

183

3. Einfluss der Medienentwicklung auf die Kompetenzverteilung

185

a) Individualisierung

185

b) Internationalisierung

186

c) Kommerzialisierung

187

aa) Herausbildung marktförmiger Strukturen und Ökonomisierung von Medieninhalten 187 bb) Gesetzgebungskompetenzen des Bundes im Bereich der Wirtschaft

188

cc) Verhältnis zu den Länderkompetenzen im Bereich des Medienrechts

189

(1) Einschränkende Auslegung der Bundeskompetenzen für das Wirtschaftsrecht 189 (2) Medienunabhängige allgemeine Regelungen des Bundeswirtschaftsrechts

191

(3) Besondere Regelungen des Bundeswirtschaftsrechts für Medienangebote 193 (4) Überschneidungen zwischen Bundeswirtschaftsrecht und Landesmedienrecht im Tatsächlichen 196 (a) Unvermeidbarkeit einer Doppelzuordnung von Regelungsinhalten und Regelungswirkungen 196 (b) Auflösung von Konflikten zwischen Bundesrecht und Landesrecht 198 4. Die Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen bei der Regulierung von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten 202 a) Telekommunikationstechnik

203

Inhaltsverzeichnis b) Ins Ausland gerichtete Teleshopping- und Onlineshoppingangebote

203

c) Repressive Verbote

203

d) Anmelde- und Zulassungspflichten

204

e) Inhaltliche Anforderungen

205

aa) Schutz des geistigen Eigentums

205

bb) Jugendschutz

205

cc) Wirtschaftsrecht

206

f) Konzentrationskontrolle

208

g) Verantwortlichkeit für Teleshopping- und Onlineshoppingangebote

208

h) Staatliche Aufsicht

208

5. Zusammenfassung D. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben I. Primärrecht 1. Grundfreiheiten des EG-Vertrags a) Allgemeines b) Freiheit des Warenverkehrs

208 211 211 211 211 212

aa) Verbot von Einfuhrbeschränkungen

212

bb) Verbot von Ausfuhrbeschränkungen

216

cc) Rechtfertigung von Eingriffen in die Waren Verkehrsfreiheit

217

dd) Zusammenfassung

219

c) Dienstleistungsfreiheit

220

aa) Allgemeines

220

bb) Sachlicher Umfang der Freiheit

220

(1) Nicht-körperliche Leistung

221

(2) Selbstständigkeit

222

(3) Zeitliche Begrenzung

222

(4) Entgeltlichkeit

222

(5) Grenzüberschreitung

226

cc) Begünstigte

227

dd) Eingriffe in die Dienstleistungsfreiheit

228

(1) Produktbezogene Vorschriften

228

(2) Vermarktungsmodalitäten

229

ee) Rechtfertigung von Eingriffen in die Dienstleistungsfreiheit

230

ff) Zusammenfassung

232

14

Inhaltsverzeichnis d) Niederlassungsfreiheit

232

aa) Reichweite der Niederlassungsfreiheit

232

bb) Rechtfertigung von Eingriffen in die Niederlassungsfreiheit

234

cc) Zusammenfassung

235

2. Gemeinschaftsgrundrechte

235

a) Herleitung der Gemeinschaftsgrundrechte

235

b) Verhältnis zu den Grundrechten des Grundgesetzes

238

c) Kommunikationsfreiheit

238

aa) Schutzbereich

238

bb) Grundrechtsberechtigte

240

cc) Eingriffe in die Kommunikationsfreiheit

240

dd) Schranken der Kommunikationsfreiheit

241

d) Berufsfreiheit

242

e) Eigentumsgarantie

243

f) Zusammenfassung

245

II. Sekundärrecht

245

1. Allgemeines

245

2. Die Fernsehrichtlinie

246

a) Entstehungsgeschichte

246

b) Anwendungsbereich und wesentlicher Inhalt

247

c) Rechtsetzungskompetenz der EG

249

d) Vorgaben für eine Regulierung von Teleshoppingangeboten durch den nationalen Gesetzgeber 251 3. Die E-Commerce-Richtlinie

254

a) Entstehungsgeschichte

254

b) Anwendungsbereich und wesentlicher Inhalt

255

c) Rechtsetzungskompetenz der EG

257

d) Vorgaben für die Regulierung von Onlineshoppingangeboten durch den nationalen Gesetzgeber 257 E. Völkerrechtliche Vorgaben

260

I. Internationale Zuständigkeit des nationalen Gesetzgebers für die Regulierung von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten 260

Inhaltsverzeichnis 1. Bindung des deutschen Gesetzgebers an das Völkergewohnheitsrecht

260

2. Territorialitätsprinzip

261

3. Ausübungskompetenz und Regelungskompetenz

262

a) Ausübungskompetenz

262

b) Regelungskompetenz

262

aa) Aktives und passives Personalitätsprinzip

263

bb) Weltrechtsprinzip

263

cc) Auswirkungsprinzip

263

4. Zusammenfassung II. Materielle völkerrechtliche Vorgaben 1. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)

265 265 265

a) Bindung des deutschen Gesetzgebers an das Völkervertragsrecht und insbesondere an die EMRK 265 b) Art. 10 Abs. 1 EMRK

266

aa) Schutzbereich

266

bb) Grundrechtsberechtigte

267

cc) Eingriffe in Art. 10 Abs. 1 EMRK

268

dd) Schranken der Kommunikationsfreiheit und ihre Grenzen gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK

268

ee) Erlaubnisvorbehalt gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 3 EMRK

269

c) Sonstige Rechte der EMRK 2. Weitere völkerrechtliche Anforderungen

269 270

F. Ergebnisse

272

Literaturverzeichnis

280

Sachwortregister

298

Einleitung Die Medienwelt befindet sich seit geraumer Zeit in einem Prozess grundlegenden Wandels. Neben die überkommenen Erscheinungsformen von Presse, Fernsehen, Hörfunk und Film treten Internetangebote und neuartige Fernsehformate. Nicht zuletzt wegen der rasant verlaufenden Entwicklung auf dem Gebiet der Telekommunikationstechnik steht heute eine kaum überblickbare Zahl allgemein zugänglicher Informations- und Kommunikationsangebote zur Nutzung bereit. Der Gesetzgeber steht vor der schwierigen Aufgabe, mit der Geschwindigkeit der Entwicklung Schritt zu halten und sachgerechte und verlässliche Rahmenbedingungen für bestehende und künftige Medienangebote zu schaffen. Ein wichtiger Teil dieser Aufgabe betrifft die wirtschaftliche Dimension der Mediennutzung. Der Ausbau der kommerziellen Einsatzmöglichkeiten moderner Medien wird in den westlichen Industrienationen als eine entscheidende Voraussetzung für die Sicherung langfristigen wirtschaftlichen Wachstums angesehen. Hohe Erwartungen sind unter anderem mit einer Nutzung des Internets und des Fernsehens zum Direktvertrieb von Waren und Dienstleistungen verbunden. In Anknüpfung an die jeweils verwendeten Medien wird insoweit zwischen „Teleshopping" und „Onlineshopping" unterschieden. Unter Ersterem wird, vereinfacht formuliert, die Bestellung von Waren oder Dienstleistungen aufgrund von Verkaufssendungen im Fernsehen, unter Letzterem der Einkauf über das Internet verstanden1. Beiden Absatzformen liegt das gleiche Grundprinzip zugrunde: Auf der einen Seite werden die Kunden durch das Teleshopping- oder Onlineshoppingangebot in (audio-) visueller Form über die verfügbaren Waren und Dienstleistungen und die Modalitäten eines Vertragsabschlusses informiert, auf der anderen Seite wird ihnen die Möglichkeit geboten, die präsentierten Produkte direkt zu bestellen. Im Zusammenhang mit Teleshopping und Onlineshopping ergeben sich vielfältige rechtliche Fragen in unterschiedlichen Rechtsbereichen. Im Zentrum der rechtswissenschaftlichen Aufmerksamkeit stand in letzter Zeit vor allem der Einkauf über das Internet, dessen Eigenheiten unter anderem aus vertragsrechtlicher 2, 1 Darüber hinaus werden als Teleshopping teilweise auch die Verkaufssendungen im Fernsehen als solche bezeichnet; vgl. etwa § 2 Abs. 2 Nr. 8 Rundfunkstaatsvertrag und § 2 Abs. 2 Nr. 1 Mediendienstestaatsvertrag. Hierzu und zur näheren Begriffsbestimmung siehe A. III. 1., 2. 2 Siehe etwa v. Bernuth, in: Hamann/Weidert (Hrsg.), E-Commerce und Recht, S. 173 ff.; Corde, Form und Zugang von Willenserklärugen im Internet; Geis, Recht im eCommerce, S. 11 ff.

2 Kroymann

18

Einleitung

wettbewerbsrechtlicher 3, urheberrechtlicher 4 und steuerrechtlicher 5 Sicht begutachtet worden sind. In der vorliegenden Untersuchung soll der Blick auf den „Medienaspekt" von Teleshopping und Onlineshopping gerichtet werden. Da beide Absatzformen auf einem telekommunikativen Informationsaustausch basieren, stellt sich die Frage nach einer spezifischen medienrechtlichen Regulierung. Ausgehend von einem Verständnis des Medienrechts als der Summe derjenigen Rechtsvorschriften, die sich mit den Herausforderungen der überindividuellen Kommunikation befassen 6, ist insoweit zu differenzieren: Während der Vertragsabschluss beim Teleshopping wie auch beim Onlineshopping im Wege der Individualkommunikation erfolgt und daher für sich betrachtet keinen medienrechtlichen Regelungsbedarf auslöst, handelt es sich bei der (audio-) visuellen Präsentation der offerierten Produkte um Informationsangebote, die in der Regel an einen nicht vorher eingegrenzten Personenkreis gerichtet sind. Damit bietet sich grundsätzlich ein Ansatzpunkt für medienrechtliche Regelungen, zumal es zu Überschneidungen und Verknüpfungen von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten mit „klassischen" Medieninhalten wie Nachrichten und Unterhaltung kommen kann. In ihrer Eigenschaft als an die Öffentlichkeit gerichtete Informationsangebote sind Teleshopping- und Onlineshoppingangebote inzwischen Gegenstand zahlreicher gesetzlicher Bestimmungen. Besondere Regelungen zu Einkaufssendungen im Fernsehen und allgemeine Grundsätze für Rundfunkprogramme enthält der Rundfunkstaatsvertrag der Länder (RStV)7. Für bestimmte Formen von Teleshoppingangeboten gilt nicht der Rundfunkstaatsvertrag, sondern der Mediendienstestaatsvertrag der Länder (MDStV) 8 . Vorschriften zu Teleshoppingsendungen finden sich zudem in den Landesmediengesetzen9. Onlineshoppingangebote unterfallen regelmäßig dem Informations- und Kommunikationsdienstegesetz (IuKDG) 10 des Bundes, einem Artikelgesetz, durch das unter anderem das Gesetz über die 3

Weidert, in: Hamann/Weidert (Hrsg.), E-Commerce und Recht, S. 211 ff. Hugenholtz (Hrsg.), Copyright and Electronic Commerce; Völker, in: Hamann/Weidert (Hrsg.), E-Commerce und Recht, S. 195 ff. 5 Breithecker/Klappdor, in: dies. (Hrsg.), Praxisforum E-Commerce 1, S. 55; Gummert / Trapp , Neue Medien im Steuerrecht; Strunk (Hrsg.), Steuern und E-Commerce. 4

6

Lecheler, Jura 1998, 225; vgl. auch Fechner, Medienrecht, Rn. 5 ff.; Paschke , Medienrecht, Rn. 1 ff.; näher zum Begriff des Medienrechts B. I. 1. 7 Zuletzt geändert durch Artikel 1 des Siebten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 23. bis 26. September 2003, siehe etwa GBl. BW 2004, S. 104. 8 Zuletzt geändert durch § 25 Abs. 4 des Staats Vertrages über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag) vom 10. bis 27. September 2002, siehe etwa GBl. BW 2003, S. 93. 9 Etwa in § 11 Abs. 1, 3 Landesmediengesetz Baden-Württemberg, GBl. BW 2004, S. 104, und in den §§ 35-37 Landesrundfunkgesetz Mecklenburg-Vorpommern, GVOB1. MV 2000, S. 85. 10 Gesetz vom 22. Juli 1997, BGBl. 1997 I, 1870.

Einleitung

19

Nutzung von Telediensten (Teledienstegesetz, TDG) 1 1 geschaffen wurde. Teleshopping- und Onlineshoppinganbieter müssen darüber hinaus bei der Gestaltung ihrer Angebote die allgemeinen Anforderungen des öffentlichen und privaten Wirtschaftsrechts berücksichtigen, wie sie sich etwa aus dem Gewerberecht, dem Recht der freien Berufe und dem Wettbewerbsrecht ergeben. Erhebliche Unsicherheiten bestehen bezüglich der Anforderungen höherrangigen Rechts, die der Gesetzgeber bei einer Regulierung von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten zu beachten hat. Dies betrifft zum einen die Frage, welcher inhaltliche Gestaltungsspielraum dem Gesetzgeber zur Verfügung steht, zum anderen aber auch die Frage, wie die Rechtsetzungskompetenzen im Zusammenhang mit Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten verteilt sind. Vorgaben für die Gesetzgebung können sich insoweit sowohl aus dem Verfassungsrecht als auch aus dem europäischen Gemeinschaftsrecht und dem Völkerrecht ergeben. Ziel dieser Untersuchung ist es, den Inhalt der materiellen und kompetenziellen Vorgaben herauszuarbeiten, die den deutschen Gesetzgeber bei einer Regulierung von Teleshopping- und Onlineshoppingdiensten binden. Auf die schnelllebigen einfachgesetzlichen Regelungen zu Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten soll dabei nur insoweit näher eingegangen werden, als dies im Interesse einer verständlichen und anschaulichen Darstellung als angezeigt erscheint. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt im Bereich des Verfassungsrechts. In materieller Hinsicht stellt sich hier insbesondere die Frage nach den Anforderungen der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Rundfunkfreiheit, mit denen die umfassende medienrechtliche Regulierung von Fernsehen und Hörfunk in Deutschland begründet worden ist. Untersucht werden soll, inwieweit Teleshopping- und Onlineshoppingangebote dem Gewährleistungsbereich der Rundfunkfreiheit zuzuordnen sind und welche rechtliche Folgen sich aus einer solchen Zuordnung ergeben. Weiterhin soll geprüft werden, welche Vorgaben aus den übrigen Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG zu entnehmen sind. Auf der anderen Seite wird zu untersuchen sein, inwieweit die Wirtschaftsfreiheiten aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG den gesetzgeberischen Handlungsspielraum bei einer Regulierung von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten einschränken. Neben dem Verfassungsrecht enthält auch das europäische Gemeinschaftsrecht inhaltliche Vorgaben für eine Regulierung audiovisueller Waren- und Dienstleistungsangebote. Zu denken ist hier einerseits an das primäre Gemeinschaftsrecht, andererseits an die im Bereich der audiovisuellen Medien ergangenen Richtlinien. In primärrechtlicher Hinsicht soll der Frage nachgegangen werden, welche Bedeutung die im EG-Vertrag verankerten Grundfreiheiten und die Gemeinschaftsgrundrechte für die nationale Gesetzgebung zu Waren- und Dienstleistungsangeboten im » Gesetz vom 22. Juli 1997, BGBl. 1997 I, 1870, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Dezember 2001, BGBl. 2001 1, 3721. 2*

20

Einleitung

Fernsehen und im Internet haben. Auf der Ebene des Sekundärrechts sollen Anwendungsbereich und Inhalt der Fernsehrichtlinie 12 und der sogenannten E-Commerce-Richtlinie 13 begutachtet werden. Unter völkerrechtlichem Blickwinkel wird insbesondere zu erörtern sein, in welcher Weise der Gesetzgeber bei einer Regulierung von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten den in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Rechten von Anbietern und Rezipienten Rechnung tragen muss. Was die Rechtsetzungszuständigkeiten im Zusammenhang mit Teleshoppingund Onlineshoppingangeboten anbelangt, ist vor allem die Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern problematisch. Insoweit wird zu prüfen wird sein, in welchem Umfang der Bund kraft der ihm zugewiesenen Materien gesetzgeberisch tätig werden kann und inwiefern einem solchen Tätigwerden eine „Medienhoheit" der Länder entgegenstehen könnte. Darüber hinaus soll untersucht werden, inwieweit die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich über eine internationale Zuständigkeit für eine Regulierung von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten verfügt. Die Bestimmung der Vorgaben höherrangigen Rechts für eine Regulierung von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten stellt nicht zuletzt deshalb eine besondere Herausforderung dar, weil sich durch das vielfach beschriebene Phänomen zunehmender Medienkonvergenz die Grenzen zwischen Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten als bisher nach Übertragungswegen, Übertragungsart, Endgeräten und Darstellungsweise abgrenzbaren Angebotsformen mehr und mehr auflösen. Gerade der Unterscheidung zwischen Fernsehen und Internet wurde jedoch in der Vergangenheit bei der Auslegung inhaltlicher und kompetenzieller Vorgaben für die Gesetzgebung eine entscheidende Bedeutung zugemessen. Wenn sich aber bereits heute viele Arten von Medienangeboten technisch sowohl im herkömmlichen Fernsehen als auch über die Dienste des Internets realisieren lassen, ohne dass hierbei größere Unterschiede ersichtlich wären, liegt die Frage nahe, inwieweit die bisher vorgenommenen Differenzierungen auch in Zukunft Bestand haben können.

12 Richtlinie 89/552/EWG vom 3. 10. 1989 (ABl. Nr. L 289 vom 17. 10. 1989), geändert mit Richtlinie 97/36/EG des Europäischen Rates und des Parlaments (ABl. Nr. L 202/60 vom 30. 7. 1997). 13

Richtlinie 2000/31 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den elektronischen Geschäftsverkehr vom 8. Juni 2000 (ABl. EG L 178 vom 17. 07. 2000).

A. Teleshopping- und Onlineshoppingangebote als tatsächliches Phänomen I. Technische Grundlagen 1. Übertragungswege für Fernsehen und Internetangebote Zur Übertragung von Fernseh- und Hörfunksignalen wurden ursprünglich allein die hierfür reservierten terrestrischen Frequenzen 1 verwendet. Da i m Rahmen der verfügbaren terrestrischen Frequenzen lediglich eine analoge Übertragung 2 von etwa drei bis fünf Fernsehprogrammen möglich war 3 , wurde in den westdeutschen Bundesländern in den frühen achtziger Jahren mit dem Aufbau eines Fernsehkabelnetzes begonnen. A n dieses Breitbandkabelnetz 4 sind heute mehr als 18 Millionen Haushalte angeschlossen5. Über einen Kabelanschluss ist der analoge Empfang von rund 30 Fernsehprogrammen in hoher Bild- und Tonqualität möglich 6 . Als Übertragungsmittel für Fernsehprogramme werden darüber hinaus auch Satellitensysteme 7 genutzt. Durch eine kombinierte Nutzung mehrerer Satelliten kann die Zahl der verfügbaren Programme i m Vergleich zum Fernsehkabel nochmals deutlich gesteigert werden.

1 Hierunter werden erdgebundene Sendefrequenzen verstanden, die zur drahtlosen Ausstrahlung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen genutzt werden können, vgl. Hofmann, Rundfunktechnisches Lexikon, Stichwort: „Terrestrische Sendernetze"; ausführlich zur terrestrischen Rundfunkübertragung Herrmann, Rundfunkrecht, § 2 Rn. 62 ff.; ferner Kressin, Neue Medien, S. 19 ff. 2 Bei der analogen Übertragung wird das ursprüngliche Bild- oder Tonsignal durch ein entsprechend verlaufendes elektromagnetisches Signal dargestellt, vgl. Hofmann, Rundfunktechnisches Lexikon, Stichwort: „Analoge Signalverarbeitung". 3 Zur Reichweite öffentlich-rechtlicher und privater Rundfunkprogramme über terrestrische Sender Herrmann, Rundfunkrecht, § 2 Rn. 63. 4 Als Bandbreite wird die Größe des Frequenzbereichs bezeichnet, den ein Signal zwischen seiner unteren und oberen Grenzfrequenz belegt. In der Telekommunikationstechnik wird zwischen leistungsfähigen „breitbandigen" (z. B. Fernsehsignal, 5 MHz Bandbreite) und weniger leistungsfähigen „schmalbandigen" (z. B. Fernsprechsignal, 3,1 kHz Bandbreite) Signalen unterschieden, siehe Hofmann, Rundfunktechnisches Lexikon, Stichwort: „Bandbreite". 5 Der Tagesspiegel vom 5. Februar 2002, S. 31. 6 Zur Kabelrundfunktechnik Herrmann, Rundfunkrecht, § 2 Rn. 70 ff. 7 Zur Technik des Satellitenrundfunks Herrmann, Rundfunkrecht, § 2 Rn. 65 ff.; Kressin, Neue Medien, S. 21 ff.

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A. Teleshopping und Onlineshopping als tatsächliches Phänomen

Internetinhalte werden von privaten Haushalten bisher in den meisten Fällen über die schmalbandigen8 Telefonleitungen abgerufen 9. Da Datenkommunikationsnetze zunehmend zusammengeschaltet werden, können die versendeten Daten auf dem Weg zwischen Sender und Empfänger allerdings alle möglichen Arten von Übertragungswegen durchlaufen. Eine wichtige Rolle bei der Datenübertragung spielt der Einsatz der Glasfasertechnik, die besonders hohe Übertragungsraten ermöglicht. Außerdem werden für die Übertragung von Internetangeboten zunehmend drahtlose Verbindungen über Satellitenkanäle und Mobilfunkfrequenzen genutzt. Die Übertragungssysteme für Fernsehen und Internetangebote unterscheiden sich bisher grundlegend in ihrem Aufbau: Während die vom Internet genutzten Telekommunikationswege über eine offene Netzstruktur verfügen, die eine direkte Kommunikation aller Beteiligten untereinander ermöglicht („point-to-point" 10 ), lässt sich die Struktur der Fernsehübertragung als eine „Baumstruktur" 11 beschreiben, da hier die Inhalte von einem zentralen Punkt aus, dem Hauptsender, an eine unbestimmte Vielzahl von Sende- und schließlich Empfangsanlagen übermittelt werden („point-to-multipoint" 12 ) und sich hierbei die Verbindungen mehr und mehr verästeln.

2. Telekommunikationsdienste Abhängig von der technischen Leistungsfähigkeit der verwendeten Übertragungswege können unterschiedliche Arten von Telekommunikationsdiensten angeboten werden. Als Telekommunikationsdienst werden die durch Leistungsmerkmale definierten technischen Leistungen eines nachrichtentechnischen Systems bezeichnet, die den Teilnehmern zur Befriedigung ihrer Telekommunikationsbedürfnisse angeboten werden 13. Im Zusammenhang mit der Übertragung audiovisueller Inhalte wird grundsätzlich zwischen Verteil-, Zugriffs- und Abrufdiensten unterschieden14. Aufgrund der verschiedenartigen technischen Funktionsweise dieser Dienste stehen dem Nutzer jeweils unterschiedliche Optionen hinsichtlich des 8

Zu den Begriffen „schmalbandig" und „breitbandig" siehe Fn. 17. Unternehmen und Behörden verfügen dagegen vielfach über feste Internetanbindungen mit hohen Übertragungsraten. Zur Datenübertragung über das schmalbandige Telefonnetz Kressin, Neue Medien, S. 24 f. 10 Zu diesem Begriff v. Bonin, Die Kontrolle digitaler Kommunikationsinhalte, S. 61 Fn. 234; Loewenheim/Koch, Praxis des Onlinerechts, S. 25. 9

n Bullinger, ZUM 1997, 281, 284. 12 Vgl. v. Bonin, Die Kontrolle digitaler Kommunikationsinhalte, S. 61 Fn. 234. 13

J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 36. 14 Siehe etwa Bullinger/Mestmäcker, Multimediadienste, S. 57 ff.; Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 25; Herrmann, Rundfunkrecht, § 2 Rn. 26; vgl. auch § 2 Abs. 2 MDStV und § 2 Abs. 2 Nr. 5 sowie Abs. 4 Nr. 3 TDG.

I. Technische Grundlagen

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Inhalts, der Darstellung und des zeitlichen Empfangs der Kommunikationsprodukte zur Verfügung.

a) Verteildienste Für Verteildienste ist die einseitige zeitgleiche Informationsübermittlung von einer Quelle an eine Vielzahl von Empfängern kennzeichnend15. Charakteristisch für Verteildienste ist der Umstand, dass die Bestimmung von Inhalt und Zeitpunkt der Übertragung allein in den Händen des Anbieters liegt und den Empfängern lediglich die Möglichkeiten des Aus- und Umschaltens bleiben. Die Struktur des Verteildienstes liegt der klassischen Rundfunkübermittlung zugrunde; in Deutschland ist die Verteildiensttechnik bis heute Grundlage der analogen und digitalen Verbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen 16.

b) Zugriffsdienste Bei Zugriffsdiensten handelt es sich um einen Unterfall des Verteildienstes, denn auch hier werden Inhalt und Zeitpunkt der Übertragung einseitig vom Anbieter festgelegt. Die Besonderheit von Zugriffsdiensten liegt allerdings darin, dass die Übermittlung der Inhalte in kurzen Abständen periodisch wiederholt wird 1 7 . Dadurch erhalten die Rezipienten faktisch die Möglichkeit, über den Zeitpunkt des Empfangs der ausgestrahlten Inhalte zu disponieren. Die Verfügbarkeit wird allerdings durch kurze Wartezeiten eingeschränkt, es sei denn, die Inhalte werden lokal zwischengespeichert. Die Technik des Zugriffsdienstes wird unter anderem für die Übertragung von Videotext genutzt.

c) Abrufdienste Voraussetzung für die Realisierung eines Abrufdienstes ist eine „rückkanalfähige" Telekommunikationsverbindung, das heißt eine Verbindung, die eine Versendung von Signalen in beide Richtungen zulässt. Bei Abrufdiensten werden die zur Übermittlung vorgesehenen Inhalte gespeichert und erst auf die jeweilige Anforderung der Rezipienten hin an diese übermittelt 18. Die als Speichermedium verwen15

J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 32. Für einen Einsatz der technisch anspruchsvolleren Abrufdiensttechnik im Bereich des Digitalfernsehens fehlt es in Deutschland bisher weitgehend an der hierfür erforderlichen Modernisierung des Fernsehkabelnetzes, siehe Kressin, Neue Medien, S. 21. 16

" Holznagel, ZUM 1996, 16, 17. 18 Holznagel, ZUM 1996, 16, 17.

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A. Teleshopping und Onlineshopping als tatsächliches Phänomen

deten, in der Regel besonders leistungsfähigen Computer werden als „Server", die zum Abruf der Daten genutzten Computer als „Client" bezeichnet19. Da die abgerufenen Inhalte normalerweise sofort übermittelt werden 20, können die Rezipienten frei darüber entscheiden, welche der bereitgehaltenen Inhalte sie zu welchem Zeitpunkt empfangen möchten. Die Technik des Abrufdienstes, die bereits bei den inzwischen eingestellten Angeboten des Bildschirmtextes (Btx) eingesetzt wurde, dient als Grundlage für die Dienste des Internets 21. Künftig sollen auch die Übertragungswege für Fernsehprogramme mit Rückkanälen ausgerüstet werden. Hierdurch würde in Deutschland die Voraussetzung für die Veranstaltung interaktiver Fernsehprogramme geschaffen, bei denen die Möglichkeiten des Verteildienstes mit den denen des Abrufdienstes kombiniert werden können.

3. Digitalisierung der Telekommunikation und Ausbau der Übertragungskapazitäten Treibende Kraft für die grundlegenden Veränderungen im Bereich audiovisueller Kommunikation ist die zunehmende Digitalisierung 22 der Telekommunikation. Während früher einer Übertragung von Audio- und Videosignalen in digitalisierter Form die hierbei anfallenden hohen Datenvolumina entgegenstanden, ist es heute dank moderner Datenreduktions- und Datenkompressionsverfahren möglich, die Datenmenge von Audio- und Videosignalen derart zu vermindern, dass für eine digitale Verbreitung dieser Signale nur noch ein Bruchteil der für eine analoge Übermittlung erforderlichen Kapazitäten benötigt wird. Im Rahmen der bestehenden Übertragungsressourcen können daher mehr audiovisuelle Inhalte bei gleichzeitig höherer Qualität übermittelt werden 23. Darüber hinaus bietet die digitale Übertragung weitere Vorteile. So ermöglicht der Einsatz der Digitaltechnik eine Nutzung frei werdender Kapazitäten als Rückkanäle und damit den Einsatz anspruchsvoller und nutzerfreundlicher Abrufdienste. Zudem können wegen der Universalität des digitalen Übertragungsprinzips die früher separaten Übertragungswege und Endgeräte für die Übertragung und die Darstellung der gleichen Inhalte verwendet werden 24. 19 Zum sogenannten Client-Server-Prinzip Geis, Recht im eCommerce, S. 200; Kressin, Neue Medien, S. 33. 20 Bei einer Übertragung erst zu einem späteren Zeitpunkt wird von einem „Bestelldienst" gesprochen. 21

Kressin, Neue Medien, S. 35; Loewenheim/Koch, Praxis des Online-Rechts, S. 178. Umwandlung der ursprünglich analogen Signale in eine binäre Zahlenfolge (0 oder 1, das heißt Strom oder kein Strom, Lichtimpuls oder kein Lichtimpuls), durch die das analoge Signal als eine Folge von Amplitudenwerten beschrieben wird; vgl. Bender, ZUM 1998, 38 f. 23 Hierzu Bender, ZUM 1998, 38; Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 62. 22

II. Konsequenzen der technischen Entwicklung

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Während in Deutschland die Möglichkeiten der digitalen Übertragungstechnik im Bereich des Fernsehens bisher noch kaum realisiert worden sind 25 , basieren alle Dienste des Internets auf der Digitaltechnik. Zwar erfolgt die Übertragung der digitalen Internetinhalte bei einer Nutzung des Telefonanschlusses teilweise noch durch Tonsignale, die beim Empfänger durch ein Modem 26 wieder in digitale Signale umgewandelt werden 27. Die analoge Übertragung wird allerdings immer mehr durch den digitalen Übertragungsstandard ISDN („Integrated Services Digital Network' 4 ) 28 ersetzt, durch den sich die mögliche Übertragungsgeschwindigkeit mehr als verdoppelt 29. Daneben setzt zunehmend die nochmals bis zu dreißigfach schnellere Technik DSL („Digital Subscriber Line") 3 0 durch 31 , die eine digitale Übertragung von Tönen und Bewegtbildern in hoher Qualität ermöglicht. Neben dem Einsatz der Digitaltechnik hat in den letzten Jahren der Ausbau der Telekommunikationsnetze zu einer enormen Steigerung der Übertragungskapazitäten geführt. Durch die Nutzung der für den Mobilfunkstandard UMTS („Universal Mobile Telecommunications System") reservierten Frequenzen wird in Zukunft auch die Leistungsfähigkeit der drahtlosen Kommunikationswege stark zunehmen.

II. Konsequenzen der technischen Entwicklung für die Möglichkeiten medialer Kommunikation Begünstigt durch die Fortschritte auf dem Gebiet der Telekommunikationstechnik sind in den letzten Jahren zahlreiche neue Medienangebote entstanden: Im Bereich des Fernsehens hat die Steigerung der Übertragungskapazitäten dazu geführt, dass neben die klassischen Vollprogramme zunehmend Spartenprogramme getreten sind, die sich auf immer speziellere Themenbereiche konzentrieren. Hierzu zählen etwa reine Nachrichten-, Börsen- und Wetterprogramme sowie Kinder-, Sport-, Tourismus- und auch Teleshoppingkanäle. 24 Sogenannte Multifunktionalität von Übertragungswegen und Endgeräten, hierzu Müller-Römer, in: ders. (Hrsg.), Digitales Fernsehen - Digitaler Hörfunk, S. 14 ff. 25 Die digitalen Programme des Pay-TV-Senders „Premiere" erreichen bisher nur rund 2,4 Millionen Zuschauer, siehe Financial Times Deutschland vom 26. Juli 2002, S. 6. 26 Das Wort Modem leitet sich aus den Begriffen Modulator /Demodulator ab. 27 Geis, Recht im eCommerce, S. 207; Kressin, Neue Medien, S. 24 f.; Loewenheim/ Koch, Praxis des Online-Rechts, S. 626. 28 Hierzu Kressin, Neue Medien, S. 25. 29 Bei einer Bündelung der ISDN-Kanäle. 30 Hierzu Loewenheim/Koch, Praxis des Online-Rechts, S. 621. 31 Im Mai 2002 lag die Zahl der DSL-Anschlüsse in Deutschland bei rund zwei Millionen; im Juni 2004 gab es bereits 4,7 Millionen Anschlüsse, siehe Financial Times Deutschland vom 27. Mai 2002, S. 4, und vom 7. September 2004, S. 5.

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A. Teleshopping und Onlineshopping als tatsächliches Phänomen

Durch die Entwicklung des Internets mit seinen unterschiedlichen Diensten sind zudem neuartige Kommunikationsangebote entstanden, die sich von den bekannten Medien teilweise grundlegend unterscheiden 32. Am ehesten mit den klassischen Medien Presse, Fernsehen und Hörfunk vergleichbar sind die Angebote des World Wide Web (WWW), die auf dem Internetprotokoll Hypertext Transfer Protocol (HTTP) beruhen 33. Dieses Protokoll ermöglicht den Abruf von Text, festen Bildern, animierten Grafiken, Filmen und Tönen. Bei einer hohen Datenübertragungsrate, wie sie etwa die DSL-Technik zulässt, können Bewegtbildübertragungen über das Internet ohne merkliche Zeitverzögerung und in einer Qualität abgerufen werden, die der des herkömmlichen Fernsehens nahezu gleichkommt 34 . Die auf der Technik des Abrufdienstes beruhenden Angebote des Internets können hierdurch grundsätzlich in der gleichen Weise gestaltet werden wie Sendungen des klassischen Verteildienst-Fernsehens. Umgekehrt ist dagegen der für Internetangebote charakteristische Einsatz interaktiver Funktionen beim reinen Verteildienst-Fernsehen nicht möglich. Aufgrund der bevorstehenden flächendeckenden technischen Aufrüstung der Fernsehübertragungswege ist jedoch zu erwarten, dass in Deutschland interaktive Fernsehprogramme und Internetdienste im Fernsehen zunehmend Verbreitung finden 35 . Mittelfristig ist daher damit zu rechnen, dass sich die Frage der inhaltlichen Gestaltung von Medienangeboten mehr und mehr von derjenigen der verwendeten Übertragungswege und der eingesetzten Empfangsgeräte löst.

I I I . Teleshopping- und Onlineshoppingangebote 1. Teleshoppingangebote a) Begriffsbestimmung Teleshoppingsendungen sind im privaten deutschen Fernsehen seit 1987 bekannt36. Sowohl Rundfunkstaatsvertrag als auch Mediendienstestaatsvertrag 32

Ausführlich zu den einzelnen Diensten des Internets und ihren unterschiedlichen Anwendungsformen Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 45 ff. 33 Geis, Recht im eCommerce, S. 204. 212; Kressin, Neue Medien, S. 36. 34 Die Bedeutung, die das Internet bereits heute für die Übertragung bewegter Bilder besitzt, zeigt sich anhand des Umstands, dass für die Verwertungsrechte von Sportereignissen in Hinblick auf eine Übertragung über DSL und UMTS mehrstellige Millionenbeträge bezahlt werden, siehe hierzu Financial Times Deutschland vom 27. Mai 2002, S. 4. 3 5 In Ländern wie Großbritannien und Schweden ist dank der weiter fortgeschrittenen Digitalisierung der Fernsehübertragung bereits heute die Ausstrahlung interaktiver Fernsehprogramme möglich.

III. Teleshopping- und Onlineshoppingangebote

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nehmen ausdrücklich auf Teleshoppingangebote Bezug. Der Rundfunkstaatsvertrag definiert Teleshopping in § 2 Abs. 2 Nr. 8 als „die Sendung direkter Angebote an die Öffentlichkeit für den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, gegen Entgelt". Die Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 2 Nr. 1 MDStV stimmt mit dieser Definition fast wörtlich überein; statt von „Sendung direkter Angebote" wird jedoch von „Verteildienste(n) in Form von direkten Angeboten" gesprochen. War in früheren Fassungen des Rundfunkstaatsvertrags und des Mediendienstestaatsvertrags noch vom „Fernseheinkauf 4 die Rede, so wird nunmehr in beiden Regelungswerken der Begriff „Teleshopping" gebraucht. Hierdurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass sich dieser Begriff inzwischen im allgemeinen Sprachgebrauch durchgesetzt hat. Auch in der vorliegenden Untersuchung soll daher der Ausdruck Teleshopping verwendet werden, auch wenn er mehrdeutig ist und irreführend sein kann: Zunächst ist zu beachten, dass der Begriff „Teleshopping" weithin als Kurzform für „Television-Shopping" (englisch für „Fernseh-Einkauf) verwendet wird 3 7 , wenngleich er auch als allgemeine Bezeichnung für „Ferneinkauf' (im Sinne des aus dem Griechischen abgeleiteten Präfixes „tele") verstanden werden könnte. Missverständlich ist der Begriff auch deshalb, weil er implizieren könnte, es gehe lediglich um den Kauf von Waren, wenngleich nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung auch der Kauf von Rechten und die Bestellung von Dienstleistungen als Teleshopping zu qualifizieren sind 38 . Problematisch ist schließlich, dass unter den Begriff des Teleshoppings - entgegen dem eigentlichen Wortsinn 39 - vielfach nicht (nur) der Vorgang des Einkaufens oder Bestellens als solcher, sondern (auch) bereits das Teleshoppingangebot gefasst wird. Dieser ungenaue Gebrauch des Wortes Teleshopping liegt auch der Legaldefinition des Rundfunkstaatsvertrags und des Mediendienstestaatsvertrags zugrunde, wonach als „Teleshopping" die „Sendungen" 40 und die „Verteildienste" 41 zu verstehen sein sollen, durch die dem Zuschauer ein bestimmtes Produkt angeboten wird. Um die audiovisuelle Präsentation der Waren und Dienstleistungen deutlich von dem Bestellvorgang zu unterscheiden, soll nachfolgend für „Teleshoppingsendungen" eben dieser Begriff verwendet oder - analog den Begriffen „Onlineshopping36

Bundesweit wurden Teleshoppingsendungen erstmalig am 7. Dezember 1987 durch den Fernsehsender Eureka, einem Vorgänger des privaten Fernsehsenders Pro 7, ausgestrahlt, siehe Wellens, Grenzen der Rundfunkfinanzierung: Teleshopping, S. 10. 37 Wellens, Grenzen der Rundfunkfinanzierung: Teleshopping, S. 3. 38 §§ 2 Abs. 2 Nr. 8 RStV, 2 Abs. 2 Nr. 1 MDStV. 39 Das Oxford English Dictionary definiert „teleshopping" als „a method of ordering goods from shops ..." (Hervorhebung durch den Verfasser), Simpson/Weiner, The Oxford English Dictionary, Volume XVII, Begriff „teleshopping". 40 § 2 Abs. 2 Nr. 8 RStV. 41 § 2 Abs. 2 Nr. 1 MDStV.

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A. Teleshopping und Onlineshopping als tatsächliches Phänomen

angeboten" und „Onlineshoppingdiensten" - von „Teleshoppingangeboten" und „Teleshoppingdiensten" gesprochen werden. Von dieser sprachlichen Abweichung abgesehen soll jedoch sachlich die gesetzliche Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 2 Nr. 8 RStV und § 2 Abs. 2 Nr. 1 MDStV zugrunde gelegt werden. Ein Angebot ist hiernach als Teleshoppingangebot zu qualifizieren, wenn es die folgenden Merkmale aufweist: Zunächst müssen entgeltpflichtige Waren (bewegliche und unbewegliche Sachen sowie Rechte und Verpflichtungen) oder Dienstleistungen angeboten werden. Das Angebot muss sich an die Öffentlichkeit, also an einen unbestimmten Personenkreis richten. Erforderlich ist weiterhin, dass die Verbreitung des Angebots in der Form des „Verteildienstes" erfolgt 42 . Das Erfordernis einer Verbreitung in Form des Verteildienstes dient zugleich der Abgrenzung zwischen Teleshoppingangeboten und Onlineshoppingangeboten, da für Letztere die Übermittlung auf Abruf kennzeichnend ist 43 . Schließlich muss den Kunden die Möglichkeit geboten werden, die Waren oder Dienstleistungen direkt beim Anbieter zu bestellen. Durch die direkte Bestellmöglichkeit unterscheiden sich Teleshoppingangebote von herkömmlichen Formen der Werbung.

b) Erscheinungsformen von Teleshoppingangeboten Die Erscheinungsformen von Teleshoppingangeboten lassen sich anhand unterschiedlicher Gesichtspunkte systematisieren. Als Differenzierungskriterien bieten sich insbesondere die Art und Weise, in der die Produkte präsentiert werden, der jeweilige Kontext und die technische Ausgestaltung der Angebote an.

aa) Differenzierung

nach der Art und Weise der Präsentation

Teleshoppingangebote bedienen sich in der Regel der klassischen Darstellungsmittel des Fernsehens, also bewegter Bilder und Töne. Ergänzend hierzu werden Texte und Rufnummern eingeblendet. Denkbar sind zwar auch reine Textangebote oder Angebote, die lediglich aus Text und statischen Bildern bestehen. Außer im Bereich des Videotextes, der nicht zum klassischen Verteildienst-Fernsehen gehört, sind aber derartige Teleshoppingangebote in der Praxis nicht anzutreffen. Während sich manche Teleshoppingveranstalter weitgehend auf eine Erläuterung der angebotenen Produkte und der Modalitäten einer Bestellung beschränken, versuchen andere Anbieter, die Zuschauer durch unterhaltende Elemente für ihr Programm zu interessieren, etwa durch Musik, eine unterhaltsame Art der Moderation oder durch anschauliche Berichte, die über die Darstellung des jeweiligen Pro42

Auch der Begriff „Sendungen" in § 2 Abs. 2 Nr. 8 RStV umfasst nur Verteildienste. Vgl. etwa § 2 II Nr. 1 MDStV im Gegensatz zu § 2 I I Nr. 5 TDG, siehe auch Art. 1 a), f) der Fernsehrichtlinie im Gegensatz zu Art. 1 Nr. 3 a) der E-Commerce-Richtlinie. 43

III. Teleshopping- und Onlineshoppingangebote

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duktes hinausgehen. So bietet es sich z. B. bei Reiseangeboten an, die Zuschauer durch kurze Filmbeiträge näher über die jeweiligen Urlaubsziele zu informieren. Lässt man rechtliche Beschränkungen außer Betracht, so können Teleshoppingsendungen grundsätzlich mit allen bekannten Arten von Fernsehinhalten verbunden werden, etwa mit Kultur- oder Sportberichten 44, Wirtschaftsinformationen 45 oder sogar mit politischen Reportagen 46. Nach der Art und Weise, in der die Produkte präsentiert werden, wird entsprechend dem anglo-amerikanischen Sprachgebrauch zwischen Direct Response TV, Informercials und Video Mall unterschieden47. Als Direct Response TV werden etwa 40 bis 60 Sekunden lange Spots bezeichnet, die vorwiegend innerhalb eines Werbeblocks ausgestrahlt werden und den Zuschauer zu einer spontanen Bestellung der angebotenen Produkte animieren sollen 48 . Die Bestellung erfolgt meist über eine während der Sendung eingeblendete Telefonnummer. Bei Informercials handelt es sich um Sendungen von bis zu 25 Minuten Dauer, die auf einer bewussten Vermengung von produktbezogenen Informationen und Werbung beruhen 49. Diese Form von Teleshoppingsendungen wird unter anderem bei Produkten eingesetzt, mit denen ein erhöhter Erklärungsbedarf verbunden ist. Im Rahmen von Informercials werden die Vorzüge des vorgestellten Produkts meist von einem Moderator oder einer Moderatorin unter regelmäßiger Einbeziehung des im Studio anwesenden Publikums erläutert. Die häufig aus Nordamerika übernommenen und in vielen Fällen nur unzureichend synchronisierten Informercials erhalten hierdurch oft den Charakter einer „Verkaufsshow" 50. Im Verlauf der Sendung werden immer wieder Telefonnummern eingeblendet, unter denen das Produkt bestellt werden kann. Als Video Mall werden schließlich spezielle Teleshopping-Kanäle virtueller „Einkaufscenter" bezeichnet, die den Zuschauer durch ihre unterschiedlichen Shops führen und dabei jeweils ihre Produkte in Form von Informercials präsentieren . Auch wenn sich viele der in Deutschland empfangbaren Teleshoppingsendungen einer der genannten Kategorien zuordnen lassen, darf der Nutzen einer derartigen Typisierung für die rechtliche Analyse nicht überschätzt werden. Abgesehen 44

Z. B. bei einem Verkauf von Eintrittskarten. Z. B. bei einem Angebot von Finanzdienstleistungen. 46 Z. B. bei Bücher- oder Reiseangeboten. 47 Eberle, ZUM 1994, 530, 535; Nischan, Digitale multimediale Videodienste, S. 33 f. 4 « Eberle, ZUM 1994, 530, 535. 45

49 50

Schrape, Digitales Fernsehen, S. 32. Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 51 f.; Nischan, Digitale multimediale Fernsehdienste,

S. 33. 51 Vgl. Eberle, ZUM 1994, 530, 535.

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A. Teleshopping und Onlineshopping als tatsächliches Phänomen

davon, dass es Teleshoppingangebote gibt, die sich aufgrund ihrer individuellen Gestaltung einer Typisierung nach der Art und Weise der Darstellung von vornherein entziehen, sind die Übergänge zwischen den genannten Kategorien in der Praxis fließend. In den hier zu Lande ausgestrahlten reinen Teleshoppingprogrammen werden die Produkte zumeist in längeren Sendungen von Moderatoren und Gästen vorgestellt, was der Form des Informercials entspricht. Dabei werden jedoch, wie bei Sendungen im Format des Video Mall, in einer Sendung in der Regel mehrere unterschiedliche Produkte nacheinander präsentiert. Zudem wird üblicherweise auf Studio-Publikum verzichtet. Stattdessen erhalten die Fernsehzuschauer teilweise die Möglichkeit, im Verlauf der Sendung telefonisch Fragen an Moderatoren und Gäste zu richten. Insgesamt ist die Art der Präsentation sachlicher als bei den meisten der aus Nordamerika übernommenen Informercials. Hierzu trägt auch der Umstand bei, dass ein Teil des Bildschirms für Textinformationen reserviert wird, die den Zuschauer über die wesentlichen Eigenschaften der angebotenen Produkte, den Preis und gegebenenfalls auch über die Modalitäten einer Bestellung in Kenntnis setzen. Durch den verstärkten Einsatz von Textelementen nähert sich die Darstellungsweise von Teleshoppingangeboten der typischen Gestaltung von Onlineshoppingangeboten an 52 .

bb) Differenzierung

nach dem Kontext

Als Grundlage für eine Differenzierung zwischen verschiedenen Angebotsformen lässt sich weiterhin das Verhältnis der einzelnen Teleshoppingsendungen zum sonstigen Programm heranziehen. Ursprünglich wurden Teleshoppingsendungen ausschließlich als besondere Werbeform innerhalb von Vollprogrammen ausgestrahlt oder innerhalb von Spartenkanälen, die sich auf andere Themen als das Angebot von Waren und Dienstleistungen spezialisiert haben. Derartige Teleshoppingsendungen innerhalb eines thematisch anders ausgerichteten Gesamtprogramms erfüllen lediglich eine Finanzierungsfunktion und bilden keinen Bestandteil des eigentlichen Programms. Teleshoppingangebote können aber auch den Hauptinhalt eines Fernsehprogramms ausmachen. In Deutschland existieren mit den Fernsehsendern HSE 24 5 3 und QVC 5 4 seit einigen Jahren eigenständige Teleshoppingkanäle.

52 Hierzu A. III. 2. b). 53 54

„Home Shopping Europe", vormals H.O.T. Home Order Television. „Quality Value and Convenience".

III. Teleshopping- und Onlineshoppingangebote

cc) Differenzierung

31

nach der technischen Ausgestaltung

Teleshoppingsendungen werden bisher in Deutschland auf der Grundlage des Verteildienstes angeboten. Eine Bestellung der gewünschten Produkte ist nur mit Hilfe eines externen Kommunikationsmittels möglich; in der Regel erfolgt sie per Telefon, per Fax und über den Postweg, seit einiger Zeit aber auch verstärkt über das Internet. In anderen europäischen Ländern existieren dagegen bereits interaktive Teleshoppingsendungen55. Hierbei handelt es sich um eine Verknüpfung von Verteildienst und Abrufdienst: Die Produkte werden zunächst im Wege des herkömmlichen Verteildienstes präsentiert, jedoch wird dem Zuschauer durch ein als Abrufdienst gestaltetes Angebot die Möglichkeit gegeben, das gewünschte Produkt unmittelbar mit der Fernbedienung zu bestellen. Da hierdurch die Hemmschwelle für eine Bestellung sinkt, versprechen sich Unternehmen auch in Deutschland Vorteile durch den Einsatz interaktiver Teleshoppingprogramme. Bei interaktiven Teleshoppingangeboten haben die Veranstalter die gleichen Gestaltungsmöglichkeiten wie bei Onlineshoppingangeboten56. Nicht zuletzt wegen der vergleichsweise passiven Art des Fernsehkonsums ist aber nicht damit zu rechnen, dass sich interaktive Teleshoppingangebote in ihrer Struktur und der Art der Darstellung in naher Zukunft vollständig an Internetangebote angleichen.

2. Onlineshoppingangebote a) Begriffsbestimmung Als „Onlineshoppingangebote" werden hier elektromagnetisch aus Datenbanken abrufbare Angebote von Waren und Dienstleistungen mit interaktivem Zugriff und unmittelbarer Bestellmöglichkeit bezeichnet57. Anders als Teleshoppingsendungen beruhen Onlineshoppingangebote auf der technischen Struktur des Abrufdienstes. Von diesem Unterschied abgesehen soll der Begriff „Onlineshoppingangebote" im Nachfolgenden parallel zum Begriff „Teleshoppingangebote" verstanden werden. Erforderlich ist daher auch insoweit, dass entgeltpflichtige Waren oder Dienstleistungen der Öffentlichkeit angeboten werden und dass die Kunden diese Waren oder Dienstleistungen direkt beim Anbieter bestellen können. Obwohl beim Onlineshopping normalerweise die Möglichkeit besteht, die gewünschten Produkte über den gleichen elektronischen Weg zu bestellen, über den auch das Angebot übermittelt wird, sollen unter den Begriff „Onlineshopping55

Z. B. in Großbritannien, wo die Digitalisierung der Fernsehübertragung bereits weit fortgeschritten ist. 56 Hierzu nachfolgend A. III. 2. 57 Vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 5 TDG.

32

A. Teleshopping und Onlineshopping als tatsächliches Phänomen

angebote" auch solche Angebote gefasst werden, bei denen die Bestellung der präsentierten Produkte über ein anderes Kommunikationsmedium, wie z. B. das Telefon, erfolgt 58 , denn die Art der Bestellung hat keine nennenswerten Auswirkungen auf die audiovisuelle Gestaltung der Angebote. Geschlossene Handelsplattformen und andere Angebote, die lediglich einem eng begrenzten Nutzerkreis, etwa nur Unternehmen bestimmter Branchen, offen stehen, sind dagegen mangels Öffentlichkeitsbezugs nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung 59. Statt „Onlineshopping" werden vielfach auch die Begriffe „Home Shopping", „Electronic Commerce" („E-Commerce") sowie „elektronischer Handel" verwendet. Eine Verwendung dieser Begriffe ist im gegebenen Zusammenhang jedoch nicht angezeigt: Sollen alle an die Öffentlichkeit gerichteten elektromagnetisch übermittelten Waren- und Dienstleistungsangebote mit direkter Bestellmöglichkeit erfasst werden, so bedarf es in Ergänzung zum Begriff der „Teleshoppingangebote" einer Bezeichnung, die sämtliche Formen der im Wege des Abrufdienstes übermittelten Angebote einschließt. Der Ausdruck „Home Shopping" ist insoweit zu eng, da er nach dem Wortsinn lediglich den Einkauf von zuhause aus erfasst. Die Begriffe „Electronic Commerce" und „E-Commerce" sind dagegen zu allgemein, da hierunter auch andere Formen der kommerziellen Internetnutzung verstanden werden, wie z. B. die Werbung im Internet oder die Pflege geschäftlicher Beziehungen mit Hilfe von Internetangeboten60. Der Begriff „elektronischer Handel" wiederum bezieht sich nicht notwendig auf das hier interessierende audiovisuelle Angebot, sondern primär auf die Art der Bestellung. Dagegen verdeutlicht der Ausdruck „Onlineshoppingangebote", dass Anbieter und Nutzer „online" sein müssen, dass also zwischen den Parteien eine Verbindung bestehen muss, die einen verzögerungsfreien Kommunikationsverkehr in beide Richtungen ermöglicht 61. Auch das Wort „Onlineshoppingangebote" ist allerdings nicht ganz unproblematisch, da es nicht deutlich zum Ausdruck bringt, ob - wie nach der hier zugrunde gelegten Begriffsbestimmung - nur das Onlineshoppingangebot „online" abrufbar sein muss oder auch die Bestellung „online" erfolgen muss.

58 Insoweit geht der Begriff der „Onlineshoppingangebote" über den der „elektromagnetisch abrufbaren" Angebote in § 2 Abs. 2 Nr. 5 TDG hinaus, denn für Dienste im Sinne dieser Vorschrift soll die interaktive Bestellmöglichkeit ohne „Medienbruch" Voraussetzung sein, siehe etwa BT-Drs. 13/7385 zu § 2 Abs. 2 Nr. 5 TDG; Koenig, Beilage zu MMR 12/1998, 1, 4; Nischan, Digitale multimediale Viedeodienste, S. 266; Spindler, in: Roßnagel (Hrsg.), Recht der Mulitmedia-Dienste, § 2 TDG Rn. 94. 59 Zur „Allgemeinheit" des Adressatenkreises eingehend C. I. 2. a) dd) (2). 60 61

Vgl. Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 18. Engesser (Hrsg.), Duden: Informatik, Begriff „online".

III. Teleshopping- und Onlineshoppingangebote

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b) Erscheinungsformen von Onlineshoppingangeboten aa) Differenzierung

nach der Art und Weise der Präsentation

Die meisten Onlineshoppingangebote sind mit Hilfe eines Personal Computers (PC) über das dem World Wide Web zugrunde liegende Internetprotokoll Hypertext Transfer Protocol (HTTP) 62 abrufbar und bestehen primär aus Text und festen Bildern (Grafiken und Fotos). Durch die Eingabe von Suchbegriffen sowie durch das Anklicken elektronischer Verweise, sogenannter Hyperlinks (kurz: Links), kann der Kunde entsprechend seinen Interessen durch die einzelnen Seiten des Angebots „blättern". Will er ein bestimmtes Produkt kaufen, so kann er es in der Regel durch das Anklicken eines Links in einen virtuellen Warenkorb legen. Sobald er den Einkauf beenden will, gelangt er über einen weiteren Link zu einer virtuellen „Kasse" und wird dort aufgefordert, die notwendigen Angaben zu seiner Person und zur Bezahlung zu machen. In manchen Fällen muss der Kunde die Bestellung auch per E-Mail oder mit Hilfe eines anderen Kommunikationsmittels aufgeben. Neben festen Bildern können zur Präsentation der Produkte auch Animationen verwendet werden. Mit speziellen Programmen, etwa mit der sogenannten FlashTechnologie63, können dabei auch grafisch aufwändige Animationen erstellt werden. Der im World Wide Web stark verbreitete Einsatz von animierten Bildern ist indes nur der erste Schritt zu einer Annäherung an die Bildersprache des Fernsehens. Ohne größeren technischen Aufwand ist es möglich, Videosequenzen zum sofortigen Abruf bereitzustellen. Auf diese Weise kann dem Kunden die Möglichkeit gegeben werden, sich über ein Produkt auch durch einen Film zu informieren. Mit Hilfe der „Streaming-Video"-Technik können zudem Fernsehprogramme in Echtzeit im Internet übertragen werden 64. Obwohl es sich hierbei technisch um einen Abrufdienst handelt, weil die Videodaten zunächst vom Nutzer angefordert werden müssen, lassen sich Übertragungen auf der Grundlage des Streaming Video kaum noch von herkömmlichen Verteildienst-Fernsehprogrammen unterscheiden: Bei der Verwendung eines schnellen Internetzugangs, etwa eines DSL-Anschlusses, lässt sich eine dem Fernsehstandard angenäherte Bildqualität erreichen; zudem genügen wie beim Fernsehen wenige Tastendrucke, um die Bewegtbildübertragung in Gang zu setzen, die dann ohne weiteres Zutun des Nutzers weiterläuft. Mit der Technik des Streaming Video ist es folglich möglich, Onlineshoppingangebote wie ein Teleshoppingprogramm zu gestalten. In der Praxis ist allerdings 62 Hierzu A. II. 63

Hierbei handelt es sich um eine weit verbreitete Grafik-Software der Firma Macrome-

dia. 64

Von der Möglichkeit einer Simultanübertragung im Internet, dem sogenannten Simulcast, macht beispielsweise der Nachrichtensender N-TV Gebrauch. 3 Kroymann

34

A. Teleshopping und Onlineshopping als tatsächliches Phänomen

auch in Zukunft mit einer Dominanz textbasierter Onlineshoppingangebote zu rechnen, die den Vorteil einer gezielten Produktsuche bieten. In thematischer Hinsicht sind Onlineshoppingangebote in der Praxis deutlich vielseitiger als Teleshoppingsendungen. Zwar gibt es wie beim Teleshopping auch hier Anbieter, die über die Informationen zu den angebotenen Produkten und zu den Vertragsbedingungen hinaus keine weiteren Inhalte bereithalten. Weitaus verbreiteter als bei Fernsehangeboten ist jedoch die Vermengung und Verknüpfung der Produktinformationen mit zusätzlichen Inhalten wie z. B. Nachrichten, Rezensionen, unterhaltsamen Texten und Bildern, Wetterberichten, Börsendaten oder Musik. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass sich einzelne Internetseiten ohne Schwierigkeiten in verschiedene Bereiche aufteilen lassen, die jeweils eigene Themen und weiterführende Hyperlinks auf eigene Unterseiten oder fremde Internetressourcen enthalten können. Das Nebeneinander unterschiedlicher Themen wird darüber hinaus durch die für Internetangebote typische gleichzeitige Verwendung von Texten, Bildern, Animationen und Tönen gefördert.

bb) Differenzierung

nach dem Kontext

Die Frage des Kontextes ist bei Onlineshoppingangeboten nur von nachrangiger Bedeutung, da die meisten Anbieter über eine eigene Internetpräsenz verfügen, auf der die verfügbaren Produkte vorgestellt werden. Gleichwohl können auch Elemente von Onlineshoppingangeboten - ähnlich wie Teleshoppingsendungen - zu Werbezwecken in andere Angebote integriert werden. Neben schlichten Werbeanzeigen setzen Onlineshoppinghändler hierzu unter anderem Suchformulare ein, über die der Nutzer von der als Werbefläche dienenden Internetseite direkt auf die Unterseiten des Onlineshops geleitet wird, auf denen die zur Suchanfrage passenden Artikel zu finden sind. Bei fernsehähnlichen Internetangeboten, bei denen ein Film oder eine Animation in einer zuvor festgelegten Abfolge abgespielt werden, kann es ferner wie bei herkömmlichen Teleshoppingsendungen zu einer Einbettung des Angebots in ein thematisch anders ausgerichtetes Programm kommen.

cc) Differenzierung

nach der technischen Ausgestaltung

Anders als bei Teleshoppingangeboten hat die Art der Bestellung bei Onlineshoppingdiensten kaum Einfluss auf die (audio-) visuelle Gestaltung, da Internetangebote ohnehin stets auf der Technik des Abrufdienstes beruhen, mit einer interaktiven Bestellmöglichkeit also keine grundlegenden Änderungen im Hinblick auf die Struktur des Angebots oder die Art der Darstellung verbunden sind. Ob die Bestellung direkt über das Internet oder über ein externes Medium erfolgt, ist daher für die rechtliche Beurteilung von Onlineshoppingdiensten in ihrer Eigenschaft als (audio-)visuelle Informationsangebote weitgehend irrelevant.

III. Teleshopping- und Onlineshoppingangebote

35

3. Wirtschaftliche Bedeutung von Teleshopping und Onlineshopping Von einem Direktabsatz von Produkten mit Hilfe von Onlineshopping- und Teleshoppingangeboten versprechen sich Unternehmen Einsparungen bei Filial-, Lager- und Personalkosten, die wiederum über niedrigere Preise den Kunden zugute kommen können. Als weiterer Vorteil gegenüber herkömmlichen Absatzformen wird der Umstand angesehen, dass die Kunden ihre Bestellungen unabhängig vom Besuch einer Filiale aufgeben können und hierbei grundsätzlich keinen zeitlichen Einschränkungen unterworfen sind. Im Vergleich zum traditionellen Katalogversandhandel ermöglichen Fernsehen und Internet eine plastischere Darstellung der Produkte, da nicht nur Text und feste Bilder, sondern auch Ton und Bewegtbilder eingesetzt werden können. Zudem kann der Kunde bei Onlineshoppingangeboten und bei interaktiven Teleshoppingangeboten den Ablauf der Produktpräsentation im Rahmen der zur Verfügung gestellten Optionen in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht bestimmen und das gewünschte Produkt in der Regel unmittelbar auf elektronischem Wege bestellen. Aufgrund der Vorteile von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten wird damit gerechnet, dass diese Dienste auf mittlere Sicht herkömmliche Formen des Vertriebs von Waren und Dienstleistungen zu einem nicht unerheblichen Teil ersetzen. Während Teleshoppingprogramme in Deutschland noch nicht die Bedeutung erlangt haben, über die sie in Ländern wie den USA oder Großbritannien verfügen, haben sich Onlineshoppingdienste auch hier zu Lande innerhalb kürzester Zeit zu einem Wirtschaftszweig mit Milliardenumsätzen entwickelt. Die beiden größten deutschen Teleshoppingunternehmen Home Shopping Europe und QVC erzielten 2001 einen Umsatz von zusammen knapp 500 Millionen Euro 65 . Im Jahr 2003 lag der Gesamtumsatz der deutschen Teleshoppinganbieter bereits bei 1,2 Milliarden Euro 66 . Beim Onlineshopping beliefen sich die Einzelhandelsumsätze in Deutschland im Jahr 2003 auf 3,6 Milliarden Euro nach 2,7 Milliarden Euro im Jahr zuvor 67 . Hinzu kommt der Handel zwischen Unternehmen, das sogenannte „B2B"68-Geschäft, das 2002 europaweit auf ein Volumen von 195 Milliarden Euro geschätzt wurde 69 . Bis zum Jahr 2006 sollen in Europa insgesamt 2,2 Billionen Euro jährlich per Internethandel umgesetzt werden 70. 65

Im gleichen Jahr verzeichnete allein das amerikanische Unternehmen Home Shopping Network einen Umsatz von annähernd zwei Mrd. US-Dollar (Quelle: eigene Angaben der Unternehmen auf ihren Internetseiten). 66 Verglichen mit 2,2 Milliarden Euro in Großbritannien, Philipp Jaklin, Financial Times Deutschland, 18. September 2004, S. 5. 67 Angaben des Bundesverbandes des Deutschen Versandhandels, Pressemitteilung vom 8. März 2004. 68 „Business to Business", vgl. Geis, Recht im eCommerce, S. 199. 69 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12. August 2002, S. 16. 70 Financial Times Deutschland vom 26. August 2002, S. 8.

3*

36

A. Teleshopping und Onlineshopping als tatsächliches Phänomen

Was die Art der verkauften Produkte angeht, dominieren bei Teleshoppingsendungen Haushaltsgeräte, Kleidung, Schmuck und Urlaubsreisen, während im Internet Bücher, Tonträger, Software, Computer und Computerzubehör sowie Fahrkarten und Flugtickets den Schwerpunkt bilden 71 .

71 Financial Times Deutschland vom 26. August 2002, S. 8.

B. Teleshopping- und Onlineshoppingangebote als Gegenstand staatlicher Regulierung I. Ansatzpunkte für eine medienrechtliche und eine wirtschaftsrechtliche Regulierung von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten 1. Medienrecht und Wirtschaftsrecht Bei den Materien des „Medienrechts" und des „Wirtschaftsrechts" handelt es sich nicht etwa um zwei separate Rechtsbereiche, die sich trennscharf voneinander abgrenzen ließen. Aufgrund der wirtschaftlichen Dimension der medialen Kommunikation kommt es vielmehr zu zahlreichen Berührungen zwischen Regelungen, die in erster Linie an den Kommunikationsprozess anknüpfen, und solchen, die sich auf wirtschaftliche Fragen im Zusammenhang mit den Medien beziehen. Manche Bestimmungen können nicht ohne Weiteres dem einen oder dem anderem Bereich zugeordnet werden, da sie sich in gleicher Weise auf die überindividuelle Kommunikation und die mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Vorgänge auswirken. Während sich das „Wirtschaftsrecht" auf sämtliche Formen wirtschaftlicher Betätigung erstreckt und sich daher als eine Art Querschnittsmaterie in nahezu allen Lebensbereichen auswirken kann1, knüpft der Begriff des Medienrechts an einen konkreten, klar umrissenen Sachverhalt an: die überindividuelle Kommunikation. Gleichwohl lässt sich der rechtliche Bereich, der dem „Medienrecht" zuzuordnen ist, auf unterschiedliche Weise eingrenzen. Versteht man den Begriff des Medienrechts in einem weiten Sinne, so lassen sich hierunter sämtliche auf die überindividuelle Kommunikation anwendbaren Rechtsnormen fassen 2. Bei einem derartigen Verständnis hätte der Begriff des Medienrechts wenig Aussagekraft, da er weite Teile der Rechtsordnung einschließen würde.

1 Vgl. etwa die weite Auslegung des Kompetenztitels des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG für das „Recht der Wirtschaft" durch das Bundesverfassungsgericht: Alle „das wirtschaftliche Leben und die wirtschaftliche Betätigung als solche regelnden Normen" einschließlich der „Gesetze mit wirtschaftsregulierendem oder wirtschaftslenkendem Inhalt", BVerfGE 68, 319, 330. 2 Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 1. Kapitel Rn. 1 f. zum Begriff des Presserechts im weiteren Sinne.

38

B. Teleshopping und Onlineshopping als Gegenstand staatlicher Regulierung

Das Medienrecht im engeren Sinne umfasst dagegen nur diejenigen Normen, welche die Rechtsverhältnisse der Medien gerade im Hinblick auf ihre spezifischen Eigenarten, namentlich ihre besondere geistige und emotionale Wirkungskraft, regeln. In diesem Sinne kann von einem für die Medien wegen ihres besonderen gesellschaftlichen Einflusses geltenden „Sonderrecht" gesprochen werden3. Zu diesem Sonderrecht für die Medien gehören in erster Linie Vorschriften des öffentlichen Rechts, jedoch auch privatrechtliche Bestimmungen, wie etwa die Regelungen zum presserechtlichen Gegendarstellungsrecht. Da die überindividuelle Kommunikation in vielen Fällen Teil einer unternehmerischen Betätigung ist und sich der besondere Einfluss der Medien auch in ökonomischer Hinsicht auswirken kann, schließt das Medienrecht im engeren Sinne auch Vorschriften mit ein, die einen wirtschaftlichen Anknüpfungspunkt haben und sich daher gleichzeitig dem öffentlichen oder privaten Wirtschaftsrecht zuordnen lassen. Dies gilt gerade für Medienangebote, bei denen der Absatz von Waren- und Dienstleistungen im Vordergrund steht. Bei der Regulierung von Teleshoppingund Onlineshoppingangeboten in ihrer Eigenschaft als an die Öffentlichkeit gerichtete audiovisuelle Informationsangebote bewegt sich der Gesetzgeber daher, untechnisch gesprochen, „zwischen" den Materien des Medienrechts und des Wirtschaftsrechts.

2. Aufgaben des Gesetzgebers im Zusammenhang mit Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten Den historischen Kern des Medienrechts bilden das Presserecht und das Rundfunkrecht 4. Auch wenn das Recht der Presse und das Recht des Rundfunks in Deutschland unterschiedlich ausgestaltet worden sind5, werden vom Gesetzgeber in beiden Bereichen letztlich weitgehend die gleichen Ziel verfolgt. Unabhängig von den Besonderheiten der einzelnen Medienformen versucht der Gesetzgeber bestimmte Wertvorstellungen zu verwirklichen und den Gefahren entgegenzuwirken, die generell mit der überindividuellen Kommunikation verbunden sind. Es lassen sich daher einige klassische Aufgaben des Medienrechts benennen, die auch im Zusammenhang mit neuen Medienangeboten von Bedeutung sein können.

3

Vgl. Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 1. Kapitel Rn. 3 f. zum Begriff des Presserechts im engeren Sinne. Zur kompetenzrechtlichen Bedeutung einer „sonderrechtlichen" Regulierung C. III. 2. a), und C. III. 3. c) cc) (3). 4 Lecheler, Jura 1998, 225, 227. 5

Während das Presserecht strikt privatrechtlich organisiert ist, ist das Rundfunkrecht von einem Dualismus von privatem und öffentlich-rechtlichem Rundfunk geprägt, hierzu etwa Lecheler, Jura 1998, 225, 228 ff. Anders als die Presse wird der Rundfunk zudem weit reichenden inhaltlichen und organisatorischen Anforderungen unterworfen, siehe hierzu B. II.

I. Ansatzpunkte für eine rechtliche Regulierung

39

Den Ausgangspunkt für die Gestaltung medienrechtlicher Rahmenbedingungen bildet im Allgemeinen die grundlegende Bedeutung der überindividuellen Kommunikation für die Funktionsfähigkeit der freiheitlichen Demokratie. Der Prozess der demokratischen Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen setzt voraus, dass die Vielfalt der in der Gesellschaft bestehenden Meinungen auch in den Medien zum Ausdruck kommen kann, denn durch diese werden zum einen die politischen Vorstellungen der Bürger an die Repräsentativorgane herangetragen, zum anderen wirkt sich die Berichterstattung in den Medien wiederum auf die politischen Vorstellungen der Bürger aus. In diesem Sinne betont das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen stets die Bedeutung des Rundfunks als „Faktor" und „Medium" im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung6. Die demokratische Funktion der Medien erschöpft sich nicht in der rein politischen Berichterstattung und Stellungnahme. Da beispielsweise auch künstlerische und unterhaltende Inhalte Einfluss auf politische Anschauungen haben können, ist sie vielmehr nicht von vornherein auf bestimmte Themen oder Darstellungsformen beschränkt. Wegen der machtvollen Stellung der Medien im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung ist es einerseits Aufgabe des Medienrechts, die Freiheit der Medien vor einseitigem staatlichen oder gesellschaftlichen Einfluss zu schützen, andererseits hat es aber auch dafür Sorge zu tragen, dass die Medien ihrer besonderen Verantwortung für die Freiheit des gesellschaftlichen Willensbildungsprozesses gerecht werden. Wegen des öffentlichen Interesses an einem freien und verantwortungsvollen Gebrauch der Medien weist das deutsche Medienrecht Presse und Rundfunk traditionell die Wahrnehmung einer „öffentlichen Aufgabe" zu, mit der spezifische Rechte und Pflichten verbunden sind7. Neben der Förderung der demokratischen Funktion der Medien, die zuvörderst den Interessen der Allgemeinheit dient, ist der Schutz des Einzelnen vor den spezifischen Gefahren überindividueller Kommunikation eines der klassischen medienrechtlichen Anliegen. Da sich die Medien an eine breite Öffentlichkeit richten, sind zum einen diejenigen, über die in den Medien berichtet wird, der Gefahr intensiver Verletzungen schutzwürdiger Positionen ausgesetzt. Zum Schutze der von einer Veröffentlichung persönlich Betroffenen ist das Medienrecht insbesondere bestrebt, diesen effektive Mittel gegen die Verbreitung unrichtiger Tatsachenäußerungen zur Verfügung zu stellen8. Zum anderen bringt die Verbreitung von Inhalten an die Öffentlichkeit aber auch Gefahren für die Interessen der Rezipienten mit sich. Die Frage nach einem Schutz der Rezipienten vor Medieninhalten stellt sich 6 BVerfGE 12, 205, 260; 31, 315, 325 f.; 35, 202, 222; 57, 295, 320; 59, 231, 257; 60, 53, 64; 73, 118, 152; 74, 297, 323 f.; 83, 238, 296. 7

Siehe hierzu etwa Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 3. Kapitel Rn. 1 ff. 8 Klassisches medienrechtliches Instrument hierfür ist die Einräumung eines Gegendarstellungsrechts, kraft dessen der Betroffene die Möglichkeit hat, zu Aussagen über seine Person an gleicher oder gleichwertiger Stelle Position zu beziehen.

4 0 B . Teleshopping und Onlineshopping als Gegenstand staatlicher Regulierung

vornehmlich im Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen, deren geistige und seelische Entwicklung durch bestimmte Medieninhalte beeinträchtigt werden kann9. Sowohl im Hinblick auf diejenigen, die Objekt der Medienberichterstattung sind, als auch im Hinblick auf die Rezipienten wirkt das Medienrecht zudem der Verbreitung von Medieninhalten entgegen, die gegen das Gebot der Achtung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) verstoßen. Da Teleshopping- und Onlineshoppingangebote in der Regel nicht zur Verbreitung politischer Inhalte genutzt werden, steht die Rolle der Medien im Prozess der demokratischen Willensbildung bei der Regulierung dieser Dienste nicht im Vordergrund. Gleichwohl ist der besondere gesellschaftliche Einfluss medialer Kommunikation auch im Zusammenhang mit Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten nicht gänzlich zu vernachlässigen: Da Teleshopping- und Onlineshoppingangebote häufig eine Finanzierungsfunktion für weitere, für den Prozess der demokratischen Willensbildung unmittelbar relevante Inhalte besitzen, bedarf es gegebenenfalls rechtlicher Vorkehrungen, um Konflikte zwischen wirtschaftlichen Interessen und publizistischer Unabhängigkeit zu verhindern. Der Prozess der demokratischen Willensbildung kann zudem durch solche Teleshopping- und Onlineshoppingangebote berührt sein, bei denen kommerzielle und publizistische Inhalte miteinander vermengt werden; das Gleiche gilt für Angebote, bei denen es um den Absatz politisch oder kulturell bedeutsamer Produkte wie Bücher oder Tonträger geht. Die allen Medien wegen ihres multiplikatorischen Charakters immanenten Gefahren für schützenswerte Belange derjenigen, die Objekt der Berichterstattung sind, bestehen auch bei Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten, obwohl diese Gefahren in Anbetracht der inhaltlichen Fokussierung auf Waren- und Dienstleistungsangebote geringer sind als etwa bei Nachrichten oder Unterhaltungsangeboten mit satirischem Charakter. Auch im Hinblick auf eine spezifisch medienrechtliche Verankerung des Jugendschutzes und des Schutzes der Menschenwürde gilt bei Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten grundsätzlich nichts anderes als bei sonstigen Medieninhalten. Neben diesen klassischen medienrechtlichen Anliegen werden durch audiovisuelle Waren- und Dienstleistungsangebote auch typisch „wirtschaftsrechtliche" Belange berührt. Namentlich der Schutz der Verbraucher und anderer Marktteilnehmer vor schädlichen Verhaltensweisen einzelner Anbieter kann ein Tätigwerden des Gesetzgebers als notwendig erscheinen lassen. So gehen von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten im Vergleich zu anderen Medienangeboten deutlich größere wirtschaftliche Gefahren für die Rezipienten aus, da diese Angebote die Zuschauer unmittelbar zum Abschluss von Ver9 Zum medienrechtlichen Instrumentarium gehören insoweit zeitliche und technische Restriktionen für die Verbreitung jugendgefährdender Inhalte, organisatorische Vorkehrungen sowie Verbote von Inhalten, die als besonders gefährlich eingestuft werden.

II. Bestehende gesetzliche Regelungen

41

trägen animieren sollen. Durch den Einsatz der audiovisuellen Mittel des Fernsehens und des Internets eröffnen sich den Anbietern zahlreiche Möglichkeiten, die Kunden zu beeinflussen und womöglich bei ihrer Kaufentscheidung zu manipulieren. Es liegt daher die Schaffung besonderer Regelungen über die Gestaltung von Waren- und Dienstleistungsangeboten in Ergänzung zu den bestehenden zivilrechtlichen Verbraucherschutzregelungen nahe. Im Hinblick auf solche Teleshoppingund Onlineshoppingdienste, die sich nicht auf die Präsentation der angebotenen Produkte beschränken, sondern darüber hinausgehende informierende oder unterhaltende Elemente enthalten oder mit solchen Inhalten verknüpft werden, kommen zum Schutz der Zuschauer vor einer Irreführung Kennzeichnungspflichten für kommerzielle Angebote in Betracht. Durch eine Irreführung der Verbraucher kann zugleich die Lauterkeit des Wettbewerbs zwischen den einzelnen Anbietern beeinträchtigt werden, deren Schutz ein weiteres Anliegen des Wirtschaftsrechts ist.

II. Bestehende gesetzliche Regelungen zu Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten 1. Überblick über die einschlägigen Regelungswerke In Deutschland hat die Gesetzgebung vergleichsweise zügig auf die Entwicklung der Telekommunikationstechnik und das Entstehen neuer Kommunikationsformen reagiert. Inzwischen existieren mehrere Regelungswerke, die sich mit den spezifischen Eigenheiten moderner Medienangebote befassen. Daneben sind die bereits bestehenden Bestimmungen im Hinblick auf die Entstehung neuer Medienformen weiterentwickelt worden. Wachsenden Einfluss auf die Entwicklung des nationalen Rechts haben die Initiativen der Europäischen Union im Bereich der audiovisuellen Kommunikation10. Die wichtigsten Regelungen zu Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten enthalten der Rundfunkstaats vertrag (RStV) vom 31. August 199111 und der Mediendienstestaatsvertrag der Länder (MDStV) vom 17. September 199712 sowie die mit dem Informations- und Kommunikationsdienstegesetz des Bundes vom 22. Juli 1997 (IuKDG) 13 geschaffenen Gesetze, insbesondere das unlängst durch Gesetz vom 14. Dezember 2001 geänderte Teledienstegesetz (TDG) 14 . 10

Hierzu ausführlich D. II. Zuletzt geändert durch Artikel 1 des Siebten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 23. bis 26. September 2003, siehe etwa GBl. BW 2004, S. 104. 12 Zuletzt geändert durch § 25 Abs. 4 des Staats Vertrages über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag) vom 10. bis 27. September 2002, siehe etwa GBl. BW 2003, S. 93. 13 BGBl. 19971, 1870. 14 BGBl. 20011, 3721. 11

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B. Teleshopping und Onlineshopping als Gegenstand staatlicher Regulierung

Die Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrags und des Mediendienstestaatsvertrags werden durch die verschiedenen Landesmediengesetze ergänzt. Darüber hinaus ist am 1. April 2003 zeitgleich mit dem neuen Jugendschutzgesetz des Bundes 15 der Jugendmedienschutz-Staats vertrag (JMStV) der Länder in Kraft getreten 16 , der die bisher im Rundfunkstaats vertrag, im Mediendienstestaats vertrag enthaltenen Jugendschutzvorgaben zusammenfasst und erweitert. Die genannten Regelungswerke weisen eine unterschiedliche Regelungsintensität auf: Während der Rundfunkstaatsvertrag die ihm unterfallenden Rundfunkprogramme einem umfassenden medienrechtlichen Ordnungskonzept unterstellt, beschränkt sich der Mediendienstestaatsvertrag weitgehend auf die Festschreibung medienrechtlicher Grundstandards. Das Teledienstegesetz stellt noch geringere Anforderungen an die von ihm erfassten Angebote, auch wenn Teledienstegesetz und Mediendienstestaatsvertrag im Hinblick auf gemeinschaftsrechtliche Vorgaben17 und mögliche Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen beiden Regelungswerken inhaltlich aufeinander abgestimmt worden sind. Die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von Teledienstegesetz, Mediendienstestaatsvertrag und Rundfunkstaatsvertrag erfolgt anhand von Generalklauseln und Einzelbeispielen. Das Teledienstegesetz erfasst gemäß § 2 Abs. 1 TDG alle „elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, die für eine individuelle Nutzung von kombinierbaren Daten wie Zeichen, Bilder und Töne bestimmt sind und denen eine Übermittlung mittels Telekommunikation zugrunde liegt (Teledienste)". Dagegen soll der Mediendienstestaatsvertrag nach § 2 Abs. 1 MDStV für das Angebot und die Nutzung von „an die Allgemeinheit gerichteten Informations- und Kommunikationsdiensten (Mediendienste) in Text, Ton oder Bild" gelten, „die unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen" verbreitet werden. Beide Regelungswerke schließen ausdrücklich Angebote von Waren und Dienstleistungen mit ein, wobei der Mediendienstestaatsvertrag gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 MDStV „Verteildienste", das Teledienstegesetz dagegen nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 TDG solche Angebote erfassen will, die in elektronisch „abrufbaren" Datenbanken gespeichert sind. Der Rundfunkstaatsvertrag gilt für die Veranstaltung und Verbreitung von „Rundfunk". Hierunter ist nach § 2 Abs. 1 RStV „die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, in Ton und in Bild unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen" zu verstehen. Unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 RStV können ausnahmsweise auch Mediendienste dem Anwendungsbereich des Rundfunkstaatsvertrags zuzuordnen sein. Einige Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrags beziehen sich ausdrücklich auf Teleshoppingsendungen, so insbesondere die §§ 43-45a RStV. 15 BGBl. I 2002, S. 2730. 16 Staats vertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien, siehe etwa GBl. BW 2003, S. 93. 17 Wie sie sich insbesondere aus der E-Commerce-Richtlinie ergeben, hierzu D. II. 3.

II. Bestehende gesetzliche Regelungen

43

Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Abgrenzungen fallen Teleshoppingangebote damit als Verteildienste entweder unter den Rundfunkstaatsvertrag oder den Mediendienstestaatsvertrag, während Onlineshoppingangebote als Abrufdienste den Regelungen des Teledienstegesetzes unterliegen. Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag gilt dagegen sowohl für Rundfunk als auch für Telemedien (Teledienste und Mediendienste) und damit für alle Formen von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten18. Neben medienspezifischen Regelungswerken wirken sich auch die allgemeinen wirtschaftsrechtlichen Bestimmungen auf die Zulässigkeit einer Verbreitung von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten aus. Zu denken ist insoweit unter anderem an das Gewerberecht, das Recht der freien Berufe, die Gesetze zum Schutze geistigen Eigentums sowie an das Wettbewerbs- und Kartellrecht 19.

2. Einzelne Regelungsinhalte a) Verbot von Teleshoppingsendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Als einschneidendste Maßnahme zur Abwehr der mit audiovisuellen Warenund Dienstleistungsangeboten verbundenen Gefahren kommt ein uneingeschränktes Verbot solcher Angebote in Betracht. In privater Verantwortung übermittelte Teleshopping- und Onlineshoppingangebote sind nach Rundfunkstaatsvertrag, Mediendienstestaatsvertrag und Teledienstegesetz grundsätzlich zulässig20. Dagegen werden Teleshoppingsendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch § 18 RStV generell untersagt.

b) Anmelde- oder Zulassungspflichten Neben einem repressiven Verbot steht als typische ordnungsrechtliche Maßnahme die Begründung besonderer medienbezogener Anmelde- oder Zulassungspflichten zur Verfügung. Nach derzeitiger Rechtslage ist insoweit nach der Art des Angebotes zu differenzieren: § 4 MDStV und § 5 TDG sehen für die in ihren Anwendungsbereich fallenden Dienste ausdrücklich Zulassungs- und Anmeldefreiheit vor. Zulassungserfordernisse können sich daher insoweit allenfalls aus anderen, nicht speziell für diese 18 Vgl. § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 2 Nr. 1 JMStV. 19 Zur eingeschränkten Anwendbarkeit wettbewerbsrechtlicher Vorschriften auf den Rundfunk Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 874 ff. 20 Vgl. § 43 RStV, §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 4 MDStV, §§ 2 Abs. 2 Nr. 5, 5 TDG.

44

B. Teleshopping und Onlineshopping als Gegenstand staatlicher Regulierung

Dienste geltenden Vorschriften ergeben, etwa aus gewerberechtlichen Bestimmungen. Dagegen bedürfen nach § 20 Abs. 2 RStV private Anbieter von Rundfunk und von Mediendiensten, „die dem Rundfunk zuzuordnen sind", einer speziellen rundfunkrechtlichen Zulassung nach Landesrecht, welche allerdings nur ausnahmsweise versagt wird 2 1 . Da offen gelassen wird, unter welchen Voraussetzungen ein Medienangebot als Rundfunk anzusehen ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch die Verbreitung audiovisueller Waren- und Dienstleistungsangebote im Einzelfall eine rundfunkrechtliche Zulassung voraussetzt. Den §§ 43 ff. RStV lässt sich allerdings entnehmen, dass Teleshoppingangebote, die innerhalb eines zugelassenen privaten Rundfunkprogramms in der Verantwortung des Veranstalters dieses Programms ausgestrahlt werden, keiner gesonderten medienrechtlichen Zulassung bedürfen.

c) Zulassungsbeschränkungen aufgrund knapper Übertragungskapazitäten Die Möglichkeiten zur Verbreitung von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten können aufgrund mangelnder Übertragungskapazitäten eingeschränkt sein. Wird die Verteilung der vorhandenen Ressourcen durch staatliche Vorschriften geregelt, so handelt es sich hierbei nicht mehr allein um ein rein tatsächliches Problem, sondern in Bezug auf die Anbieter, denen keine Übertragungsmöglichkeiten eingeräumt werden, um eine rechtliche Zulassungsbeschränkung. In Anbetracht der knappen Übertragungskapazitäten der für die Rundfunkübertragung vorgesehenen terrestrischen Frequenzen und der Fernsehkabelnetze überantworten Rundfunkstaatsvertrag und Landesmediengesetze die Vergabe der verfügbaren Sendeplätze den Landesmedienanstalten22. Da die verfügbaren Sendeplätze in der Regel nicht zwischen verschiedenen Veranstaltern aufgeteilt werden, kann insbesondere bei der analogen Fernsehübertragung nur eine eng begrenzte Zahl von Programmplätzen verteilt werden 23. Veranstalter eigenständiger Teleshoppingsender kommen aus diesem Grund derzeit bei der Lizenzvergabe kaum zum Zug 24 . Für sie wirkt die gegenwärtige Vergaberegelung daher ähnlich wie eine generelle Zulassungsbeschränkung. Neben der von den Fernsehzuschauern noch wenig genutzten digitalen Übertragung im Kabelnetz bleibt für neue Teleshopping21 Vgl. etwa § 20 Abs. 4 RStV. 22

Siehe die §§ 50, 52 und 52a RStV in Verbindung mit dem jeweiligen Landesrecht. In der Regel können etwa in analoger Form etwa fünf Fernsehsender terrestrisch übertragen werden und rund 30 Fernsehsender über das Fernsehkabelnetz, hierzu A. I. 1. 24 In den meisten Bundesländern werden derzeit im Fernsehkabel nur zwei reine Teleshoppingprogramme analog verbreitet; die für die Fernsehübertragung genutzten terrestrischen Frequenzen sind den klassischen Fernsehvollprogrammen und Regionalprogrammen vorbehalten. 23

II. Bestehende gesetzliche Regelungen

45

sender nur die Verbreitung über Satellitensysteme, mit der nur ein Teil der Haushalte erreicht werden kann. Bei Onlineshoppingangeboten stellt sich die Frage staatlicher Frequenzzuweisungen aus Sicht des einzelnen Inhaltsanbieters praktisch nicht, da die Übertragungswege des Internets nicht bestimmten Teilnehmern fest zugeordnet sind, sondern Verbindungen zwischen allen angeschlossenen Anbietern und Nutzern zulassen. Onlineshoppingangebote können daher weltweit abgerufen werden, ohne dass es hierzu einer besonderen Frequenzzuweisung bedarf.

d) Konzentrationskontrolle Nach § 26 RStV wird das Recht zur Veranstaltung einer unbegrenzten Anzahl von Fernsehprogrammen durch die Maßgabe eingeschränkt, dass es nicht zu einer vorherrschenden Meinungsmacht einzelner juristischer oder natürlicher Personen kommen darf. Eine solche vorherrschende Meinungsmacht wird grundsätzlich bei einem Zuschaueranteil von 30 Prozent vermutet. Soweit der Veranstalter auf einem anderen medienrelevanten Markt tätig ist, kann aber bereits ein Zuschaueranteil von 25 Prozent genügen. Ziel der medienspezifischen Konzentrationskontrolle ist die Sicherung der Meinungsvielfalt im Fernsehen. Durch die Regelung des § 26 RStV kann auch die Zulässigkeit audiovisueller Waren- und Dienstleistungsangebote eingeschränkt werden, soweit diese als programmfremder Bestandteil eines klassischen Fernsehprogramms ausgestrahlt werden sollen oder selbst als Rundfunk dem Rundfunkstaatvertrag unterfallen.

e) Zeitliche Beschränkungen Zeitliche Beschränkungen sind zum einen dahingehend denkbar, dass die Übermittlung von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums zulässig ist, etwa zu einer bestimmten Tageszeit oder an bestimmten Tagen. Eine Regelung dieser Art fand sich in § 3 Abs. 2, 3 RStVa. F.: Aus Gründen des Jugendschutzes durften die in dieser Vorschrift näher bezeichneten Arten von Inhalten nur zur Nachtzeit ausgestrahlt werden. Eine entsprechende Regelung enthielt § 12 Abs. 2 MDStV a. F. für Teleshoppingangebote im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 MDStV. In beiden Fällen war aber ausnahmsweise eine Ausstrahlung auch zu anderen Zeiten zulässig, wenn durch besondere Vorkehrungen sichergestellt war, dass Jugendliche von einer Inanspruchnahme der Angebote ausgeschlossen sind 25 . Diese Regelungen wurden im nunmehr geltenden Jugendmedienschutz-Staatsvertrag für alle Rundfunksendungen und Telemedien (Teledienste und Mediendienste) im Wesentlichen übernommen: Nach § 5 JMStV dür25 Vgl. § 3 Abs. 5 RStVa. F. und § 12 Abs. 2 MDStVa. F..

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B. Teleshopping und Onlineshopping als Gegenstand staatlicher Regulierung

fen entwicklungsbeeinträchtigende Angebote nur zu Zeiten verbreitet oder zugänglich gemacht werden, in denen Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen sie üblicherweise nicht wahrnehmen, es sei denn, durch technische oder sonstige Mittel wird die Wahrnehmung des Angebots durch Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufe unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert. Zudem können gemäß § 8 JMStV für den Rundfunk im Einzelfall Sendezeitbeschränkungen für jugendgefährdende Sendungen festgelegt werden. Zum anderen kommt bei solchen Programmen, deren zeitlicher Ablauf vom Anbieter einseitig festgelegt wird, also primär bei Verteildiensten, aber auch bei abrufbaren Bewegtbildangeboten, eine Begrenzung des zeitlichen Anteils von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten innerhalb des Gesamtprogramms in Betracht. Eine solche anteilsmäßige Begrenzung von 20 Prozent pro Stunde und Tag wird durch § 45 RStV für Teleshoppingsendungen festgelegt, die nicht im Rahmen eines eigenständigen Teleshoppingsenders ausgestrahlt werden. Eine besondere Regelung für sogenannte Teleshopping-Fenster innerhalb eines nicht ausschließlich für Teleshoppingsendungen bestimmten Fernsehprogramms trifft § 45a RStV, wonach solche Fenster jeweils eine Mindestdauer von 15 Minuten erreichen müssen und höchstens acht Fenster täglich zulässig sind. Auch § 44 RStV, der die Einfügung von Teleshoppingsendungen in ein laufendes Programm regelt, wirkt sich auf die zeitlichen Optionen für die Ausstrahlung von Teleshoppingsendungen aus. Gemäß § 13 Abs. 2 MDStV gelten die Vorschriften der §§44, 45 und 45a für Teleshoppingangebote im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 RStV entsprechend. Als Gründe für diese Regelungen lassen sich die Sicherung der inhaltlichen Qualität des Gesamtprogramms und die Gewährleistung der Unabhängigkeit der Programmveranstalter von wirtschaftlichen Interessen der Teleshoppinganbieter anführen, deren Schutz nicht nur der Freiheit des Meinungsbildungsprozesses, sondern auch den Verbraucherinteressen dient.

f) Inhaltliche Anforderungen aa) Allgemeine Grundsätze Angebote, die dem Anwendungsbereich des Rundfunkstaatsvertrags unterfallen, müssen den in § 3 RStV niedergelegten allgemeinen Programmgrundsätzen gerecht werden. Hierzu zählen die Achtung der Menschenwürde, die Stärkung der Achtung von Leben, Freiheit und körperlicher Unversehrtheit, von Glauben und Meinung anderer sowie die Achtung der sittlichen und religiösen Überzeugungen der Bevölkerung. § 41 RStV enthält weitere Programmgrundsätze speziell für den privaten Rundfunk. Nach dieser Vorschrift sollen Rundfunkprogramme unter anderem die Zusammengehörigkeit im vereinten Deutschland sowie die internationale Verständigung fördern und auf ein diskriminierungsfreies Miteinander hinwirken. § 25

II. Bestehende gesetzliche Regelungen

47

Abs. 1 und 2 RStV bestimmen für den privaten Rundfunk, dass inhaltlich die Vielfalt der Meinungen im Wesentlichen zum Ausdruck zu bringen ist und ein einzelnes Programm die Bildung der öffentlichen Meinung nicht in hohem Maße ungleichgewichtig beeinflussen darf. Aus § 25 Abs. 1 Satz 2 RStV ergibt sich, dass dabei Auffassungen zu politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Themen gemeint sind. Für die Gestaltung audiovisueller Waren- und Dienstleistungsangebote ist § 25 Abs. 1 und 2 RStV daher nur insoweit von Bedeutung, als durch diese Angebote politische, weltanschauliche und gesellschaftliche Fragen berührt sind. § 11 Abs. 2 MDStV verlangt von den Anbietern von Mediendiensten die Einhaltung anerkannter journalistischer Grundsätze und Sorgfaltspflichten sowie gewisser inhaltlicher Standards, wobei Teleshoppingangebote im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 MDStV ausdrücklich miteinbezogen werden. Das Teledienstegesetz enthält keine vergleichbaren allgemeinen inhaltlichen Anforderungen an Teledienste. Im Hinblick darauf, dass sich Teleshoppingsendungen und zum Teil auch Onlineshoppingangebote bewegter Bilder und Töne bedienen und daher über eine hohe Suggestionskraft verfügen, sind ferner besondere, über die allgemeinen vertragsrechtlichen Vorschriften hinaus gehende Verbraucherschutzregelungen geschaffen worden. Primär dem Schutz der Verbraucher wird im Rundfunkstaatsvertrag durch die inhaltlichen Grundsätze des § 7 Rechnung getragen, der gemäß § 13 Abs. 2 MDStV auch auf solche Teleshoppingsendungen Anwendung findet, die dem Mediendienstestaatsvertrag unterfallen. In § 7 Abs. 2 RStV ist das Gebot der Trennung von Werbung und übrigen Inhalten verankert, das ausdrücklich auch für Teleshoppingsendungen gilt.

bb) Unzulässige Inhalte § 4 JMStV enthält in Abs. 1 eine detaillierte Aufzählung generell unzulässiger Angebote und fasst damit § 3 RStV a. F. und § 12 Abs. 1 MDStV a. F. in einer Vorschrift zusammen. Die inhaltlichen Verbote dienen vor allem dem Jugendschutz und dem Schutz der Menschenwürde. § 5 Abs. 2 JMStV nennt weitere unzulässige Inhalte, die aber ausnahmsweise als Teledienste zulässig sein können, wenn sichergestellt ist, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden (sogenannte geschlossene Benutzergruppe). Gemäß § 6 Abs. 6 i.V.m. Abs. 2 JMStV dürfen Teleshoppingsendungen weder direkte Kaufappelle an Kinder oder Jugendliche enthalten, die deren Unerfahrenheit und Leichtgläubigkeit ausnutzen, noch Kinder und Jugendliche unmittelbar auffordern, ihre Eltern oder Dritte zum Kauf der beworbenen Waren oder Dienstleistungen zu bewegen, noch das besondere Vertrauen ausnutzen, das Kinder oder Jugendliche zu Eltern, Lehrern und anderen Vertrauenspersonen haben, noch Kin-

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B. Teleshopping und Onlineshopping als Gegenstand staatlicher Regulierung

der oder Minderjährige ohne berechtigten Grund in gefährlichen Situationen zeigen. Ferner dürfen Teleshoppingsendungen, die sich an Kinder und Jugendliche richten oder bei der Kinder und Jugendliche eingesetzt werden, nicht ihren Interessen schaden oder ihre Unerfahrenheit ausnutzen. Gemäß § 7 Abs. 6 und 7 RStV, die gemäß § 13 Abs. 2 MDStV auch auf Teleshoppingsendungen im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 MDStV Anwendung finden, ist im Interesse des Verbraucherschutzes und der Unabhängigkeit der Rundfunkveranstalter die Ausstrahlung von Schleichwerbung und von solchen Werbesendungen untersagt, in denen Personen auftreten, die regelmäßig Nachrichtensendungen oder Sendungen zum politischen Zeitgeschehen vorstellen. § 7 Abs. 8 RStV verbietet Werbung politischer, weltanschaulicher und religiöser Art. Nach § 7 Abs. 1 RStV darf Werbung nicht irreführen, den Verbraucherinteressen schaden und Verhaltensweisen fördern, die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher sowie den Schutz der Umwelt gefährden. Das Teledienstegesetz enthält dagegen keine besonderen Bestimmungen über unzulässige Inhalte. Durch Art. 4, 5 und 6 IuKDG wurde allerdings das Strafgesetzbuch, das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten und das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte (GjS) 26 im Hinblick auf die spezifischen Gefahren von Informations- und Kommunikationsdiensten um diverse Regelungen im Interesse des Jugendschutzes ergänzt 27. So wurde in § 3 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 2 GjS festgelegt, dass jugendgefährdende Inhalte nicht durch Informations- und Kommunikationsdienste verbreitet oder bereitgehalten werden dürfen, wenn nicht durch technische Vorkehrungen sichergestellt wird, dass sich das Angebot auf volljährige Nutzer beschränkt. Inhaltliche Einschränkungen für Teleshopping- und Onlineshoppingangebote ergeben sich ferner aus den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre, auf die in § 41 Abs. 1 Satz 4 RStV und § 11 Abs. 1 Satz 2 MDStV ausdrücklich verwiesen wird. Es fehlt allerdings weitgehend an einem medienspezifischen Schutz der Ehre durch besondere inhaltliche Anforderungen 28.

cc) Obligatorische

Inhalte

Im Interesse einer effektiven Durchsetzung ordnungsrechtlicher Bestimmungen, aber auch (unmittelbar) zum Schutze der Verbraucher, kann es angezeigt sein, die 26 Gesetz vom 12. Juli 1985, BGBl. 1985 I, 1502, geändert durch Artikel 6 des Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetzes (IuKDG) vom 22. Juli 1997 (BGBl. I S. 1870). 27 Der Name des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften wurde dementsprechend um die Worte „und Medieninhalte" ergänzt. 28 Zum Gegendarstellungsrecht, das vor allem dem Schutz der persönlichen Ehre dient, B. II. 2. i).

II. Bestehende gesetzliche Regelungen

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Anbieter von Medieninhalten zur Offenlegung bestimmter Informationen zu verpflichten. Auf das Misstrauen, das den Medien von Seiten des Obrigkeitsstaats traditionell entgegengebracht wurde, gehen die kontrollierenden presserechtlichen Vorschriften über das Erfordernis eines Impressums und der Benennung eines verantwortlichen Redakteurs zurück 29 . Anders als beim klassischen Rundfunk, bei dem die für die Sendeinhalte verantwortlichen Veranstalter den staatlichen Aufsichtsbehörden bekannt sind und sich eine Impressumspflicht daher erübrigt, ist die Situation bei den über das Internet abrufbaren Informationsangeboten ähnlich intransparent wie bei der Presse. Der für eine im Internet bereitgestellte Veröffentlichung Verantwortliche kann in vielen Fällen allenfalls mit erheblichem Aufwand ausfindig gemacht werden 30. Es liegt daher eine entsprechende Übernahme der presserechtlichen Regelungen nahe. Tatsächlich wurden in Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie 31 für Mediendienste und Teledienste durch § 10 MDStV und die §§ 6 und 7 TDG umfangreiche Kennzeichnungs- und Informationspflichten geschaffen, die allerdings, anders als die klassischen Impressumspflichten, in erster Linie dem Verbraucherschutz dienen. Anbieter von Mediendiensten sind nach § 10 Abs. 1 MDStV verpflichtet, Namen und Anschrift und bei juristischen Personen auch Namen und Anschrift des Vertretungsberechtigen „leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten". Darüber hinaus sind bei geschäftsmäßigen Mediendiensten und Telediensten gemäß den §§ 10 Abs. 2 MDStV, 6 TDG unter anderem Angaben zur elektronischen Kontaktaufnahme, zu Einträgen in öffentlichen Registern sowie in bestimmten Fällen zur zuständigen Aufsichtsbehörde und zu beruflichen Kammern, Berufsbezeichnungen und berufsrechtlichen Regelungen zu machen. Zudem ist, soweit eine solche vorhanden ist, die Umsatzsteueridentifikationsnummer anzugeben. Kommerzielle Kommunikation ist nach den §§ 10 Abs. 4 MDStV, 7 TDG klar als solche zu kennzeichnen und muss den Auftraggeber erkennen lassen. Verkaufsförderungsangebote wie Preisnachlässe und Zugaben müssen als solche zu erkennen gegeben werden; das Gleiche gilt für Preisausschreiben und Gewinnspiele mit Werbecharakter. Anbieter „journalistisch-redaktionell" gestalteter Mediendienste, in denen Inhalte periodischer Druckerzeugnisse wiedergegeben werden oder in periodischer Folge Texte verbreitet werden, müssen ferner nach § 10 Abs. 3 MDStV einen Ver29

Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 1. Kapitel Rn. 3. Der meist ohne Schwierigkeiten ermittelbare Inhaber einer Internet-Adresse ist für die unter dieser Adresse bereitgehaltenen Inhalte nicht notwendig rechtlich verantwortlich (vgl. §§ 6 ff. MDSt, §§ 8 ff. TDG). 31 Hierzu D. II. 3. 30

4 Kroymann

5 0 B . Teleshopping und Onlineshopping als Gegenstand staatlicher Regulierung

antwortlichen mit Angabe des Namens und der Anschrift benennen. Diese Verpflichtung ist an die presserechtliche Impressumspflicht angelehnt und zielt im Gegensatz zu den anderen Informations- und Kennzeichnungspflichten nicht auf den Schutz der Verbraucher ab. Wie die §§ 10 Abs. 4 S. 2 MDStV, 6 Abs. 2 S. 2 TDG ausdrücklich klarstellen, bleiben weitergehende Informationspflichten der Anbieter aus anderen Gesetzen unberührt. Dies gilt insbesondere für die durch Art. 8, 9 und 10 IuKDG auf Informations- und Kommunikationsdienste ausgedehnten Pflichten aus dem Preisangabengesetz32 und der Preisangaben Verordnung 33.

g) Verbot einer Beeinflussung des Programms durch Werbung und Werbetreibende Im Interesse eines freien Meinungsbildungsprozesses und des Verbraucherschutzes untersagt der auch für Teleshoppingsendungen im Sinne des Mediendienstestaatsvertrags maßgebliche § 7 RStV die „inhaltliche und redaktionelle" Beeinflussung des Programms durch die Werbung oder die Werbetreibenden.

h) Einräumung von Gegendarstellungsrechten Im Presserecht wird den von der Berichterstattung Betroffenen traditionell ein Recht auf Abdruck einer Gegendarstellung in angemessener Form gewährt 34. Auch für Angebote, die dem Anwendungsbereich des Rundfunkstaatsvertrags unterfallen, ergibt sich aus dem Landesrecht teilweise ein Recht auf Gegendarstellung35. In Bezug auf Darstellungen in „journalistisch-redaktionell" gestalteten Angeboten, mittels derer Inhalte periodischer Druckerzeugnisse wiedergegeben werden oder in periodischer Folge Texte verbreitet werden, räumt § 14 MDStV generell ein solches Gegendarstellungsrecht ein. Für Teledienste existiert keine entsprechende Regelung.

32 Gesetz zur Regelung der Preisangaben vom 3. Dezember 1984, BGBl. 19841, 1429. 33 Verordnung vom 28. Juli 2000, BGBl. 20001, 1244. Weitere Informationspflichten können sich aus den Vorschriften über den unlauteren Wettbewerb und den §§ 312c, 312e und 482 BGB ergeben. 34 Vgl. etwa § 11 Gesetz über die Presse Baden-Württemberg, § 10 Berliner Pressegesetz, § 11 Pressegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen. 35 So etwa aus § 9 Landesmediengesetz Baden-Württemberg, § 23 Bremisches Landesmediengesetz, § 21 Niedersächsisches Mediengesetz.

II. Bestehende gesetzliche Regelungen

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i) Pflicht zur Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten Zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Medieninhalten, die sich nachteilig auf ihr seelisches Wohl oder ihre geistige Entwicklung auswirken können, bietet sich neben inhaltlichen Vorgaben eine gesetzliche Pflicht zur Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten an. Durch eine solche Pflicht kann die Einhaltung inhaltlicher Jugendschutzvorgaben organisatorisch gestützt werden. Zur Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten sind nach § 7 Abs. 1 JMStV Veranstalter länderübergreifender Fernsehprogramme sowie geschäftsmäßige Anbieter von Suchmaschinen und Anbieter von allgemein zugänglichen Telemedien verpflichtet, die entwicklungsbeeinträchtigende oder jugendgefährdende Inhalte enthalten. § 7 Abs. 1 JMStV enthält Ausnahmen von dieser Pflicht für Anbieter von Telemedien mit weniger als 50 Mitarbeitern oder nachweislich weniger als zehn Millionen Zugriffen im Monatsdurchschnitt eines Jahres, soweit diese Anbieter sich einer Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle anschließen und diese zur Wahrnehmung der Aufgaben des Jugendschutzbeauftragten verpflichten.

j) Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Kundendaten Bei einer Nutzung von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten können sich Gefahren für den Schutz personenbezogener Daten ergeben. Dies gilt besonders für Angebote im World Wide Web. Neben der offenen Erhebung persönlicher Daten im Zusammenhang mit der Bestellung verfügen die Anbieter hier über die Möglichkeit, mit Hilfe kleiner, beim Besuch der Seite auf der Festplatte des Nutzers abgelegter Textdateien (sogenannter Cookies) Kundenprofile mit Informationen über die Nutzergewohnheiten zu erstellen 36. Detaillierte Datenschutzregelungen enthalten sowohl der Rundfunkstaatsvertrag (§§ 47 ff. RStV) und der Mediendienstestaatsvertrag (§§ 16 ff. MDStV) als auch das Teledienstedatenschutzgesetz (TDDSG) 37 , das durch das Informations- und Kommunikationsdienstegesetz geschaffen wurde und auf Teledienste Anwendung findet. Die Gefahren, die sich bei der Inanspruchnahme von Waren- und Dienstleistungsangeboten im Fernsehen und im Internet für personenbezogene Daten der Kunden ergeben können, stehen allerdings nicht in direktem Zusammenhang mit dem an die Öffentlichkeit gerichteten audiovisuellen Teleshopping- oder Onlineshoppingangebot, dessen Regulierung Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist.

36 Siehe hierzu näher C II. 2. a) bb) (2) und C II. 2. a) dd) (2) (b). 37 Gesetz vom 22. Juli 1997, BGBl. 1997 I, 1870, 1871, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Dezember 2001, BGBl. 2001 1, 3721. 4*

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B. Teleshopping und Onlineshopping als Gegenstand staatlicher Regulierung

k) Besondere Regelungen für Angebote aus dem Ausland Gemäß § 52 RStV ist für Fernsehprogramme, die in Europa in zulässiger Weise und entsprechend dem Europäischen Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen veranstaltet werden, die Weiterverbreitung im Rahmen der vorhandenen technischen Möglichkeiten nach Landesrecht zu gestatten. Die Weiterverbreitung kann nur unter Beachtung europäischer rundfunkrechtlicher Regelungen ausgesetzt werden; diese sehen vor, dass die Fernsehsender weitgehend der alleinigen Kontrolle des jeweiligen Sendestaats unterstellt sind 38 . Für Mediendienste und Teledienste gilt gemäß § 5 Abs. 2 MDStV und § 4 Abs. 2 TDG grundsätzlich das Herkunftslandprinzip. Der freie grenzüberschreitende Dienstleistungsverkehr darf durch nationale Bestimmungen nur in den durch das Primär- und Sekundärrecht zugelassenen Fällen eingeschränkt werden 39.

1) Verantwortlichkeit Soweit im Zusammenhang mit Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten gesetzliche Pflichten begründet werden, muss zugleich klar erkennbar sein, wen diese Pflichten treffen. Dies gilt in besonderem Maße für solche Pflichten, deren Verletzung als Ordnungswidrigkeit oder Straftat geahndet wird. Bei Medienangeboten stellt sich vor allem die Frage, wer für die dargebotenen Inhalte rechtlich verantwortlich ist. Die Verantwortlichkeit für Angebote, die in den Anwendungsbereich des Rundfunkstaatsvertrags fallen, richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen, wie sie sich etwa aus dem allgemeinen Ordnungsrecht ergeben können, sowie gegebenenfalls nach den jeweiligen Landesmediengesetzen. Die Verantwortung für Ordnungswidrigkeiten liegt in den meisten Fällen des § 49 RStV beim Veranstalter des jeweiligen Rundfunkprogramms. Für Mediendienste und Teledienste enthalten die §§ 6 - 9 MDStV und die §§ 8 - 1 1 TDG eine differenzierte Regelung der Verantwortlichkeit von Diensteanbietern für eigene und fremde Inhalte. In Bezug auf Teleshopping- und Onlineshoppingangebote ergeben sich bei der Feststellung der Verantwortlichkeit keine spezifischen Probleme. So steht insbesondere außer Zweifel, dass Teleshopping- und Onlineshoppinganbieter für ihre eigenen Inhalte nach Maßgabe der allgemeinen Gesetze selbst verantwortlich sind 40

38 Vgl. D. II. 2. d). 39 Hierzu näher D. I. 1. c) und D. II. 40 Vgl. § 6 Abs. 1 MDStV und § 8 Abs. 1 TDG.

II. Bestehende gesetzliche Regelungen

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m) Staatliche Aufsicht Die organisatorische und verfahrensmäßige Ausgestaltung der staatlichen Aufsicht über Teleshopping- und Onlineshoppingangebote ist weitgehend dem Landesrecht überlassen worden. Neben den allgemeinen Vorschriften der Länder über die Einrichtung von Behörden und über das Verwaltungsverfahren enthalten die Landesmediengesetze und die §§ 35 ff. RStV Bestimmungen zur Rundfunkaufsicht durch die Landesmedienanstalten. Als länderübergreifende Aufsichtsorgane für den Rundfunk sind gemäß § 35 Abs. 1 RStV darüber hinaus die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) und die Konferenz der Direktoren der Landesmedienanstalten (KDLM) gebildet worden, die besondere Aufgaben im Hinblick auf den Schutz der Meinungsvielfalt wahrnehmen. Für den Mediendienstestaatsvertrag enthält § 22 MDStV eine eigene Aufsichtsregelung. Welche Behörde zuständig ist, hängt davon ab, ob der Datenschutz (§§ 16 bis 20 MDStV) oder sonstige Bereiche betroffen sind. Im Bereich des Jugendschutzes sind gemäß § 20 Abs. 1 JMStV die Landesmedienanstalten zuständig. Für Rundfunkveranstalter trifft die zuständige Landesmedienanstalt ihre Entscheidungen durch die Kommission für den Jugendmedienschutz (KJM). An die KJM ist die durch die obersten Landesjugendbehörden eingerichtete „gemeinsame Stelle Jugendschutz" aller Länder („Jugendschutz.net") angebunden, die unter anderem die Angebote der Telemedien überprüft. Auf der Ebene des Bundesrechts hat das Informations- und Kommunikationsdienstegesetz die Zuständigkeit der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften, einer Bundesoberbehörde, auf Teledienste erweitert (vgl. § 1 Abs. 3 Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte). Auch Inhalte audiovisueller Waren- und Dienstleistungsangebote im Internet können seither Gegenstand einer Indizierung durch die Bundesprüfstelle sein 41 .

3. Zusammenfassung Nach der derzeitigen Rechtslage unterliegen Teleshoppingsendungen, die innerhalb eines herkömmlichen Fernsehprogramms ausgestrahlt werden, ähnlichen Anforderungen wie klassische Rundfunksendungen. Sonstige Teleshopping- und Onlineshoppingangebote sind dagegen nur wenigen typisch medienrechtlichen Beschränkungen unterworfen. Für sämtliche Formen von Teleshoppingangeboten und für Onlineshoppingangebote gelten hingegen besondere gesetzliche Bestimmungen, die dem wirtschaftlichen Charakter dieser Dienste Rechnung tragen. Die Abgrenzung zwischen den wichtigsten Gesetzen richtet sich nicht primär nach den Regelungsthemen und -zielen, sondern orientiert sich an Grundtypen von 41 Eingehend zu den Aufsichtsbefugnissen der unterschiedlichen Kontrollorgane im Bereich des Jugendschutzes Dörr, Jugendschutz in den elektronischen Medien, S. 74 ff.

5 4 B . Teleshopping und Onlineshopping als Gegenstand staatlicher Regulierung

Medienangeboten, für deren Unterscheidung vor allem die Art der Übertragungstechnik maßgeblich ist. Eine Ausnahme bildet insoweit der Bereich des Jugendschutzes, für den mit dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ein eigenständiges Regelungswerk geschaffen wurde, das alle Formen telekommunikativ übermittelter Medienangebote einbezieht.

C. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Regulierung von Teleshoppingund Onlineshoppingangeboten I. Zum Verhältnis formeller und materieller Vorgaben des Verfassungsrechts Bei einer Untersuchung der verfassungsrechtlichen Vorgaben für eine Regulierung von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten ist auf der einen Seite zu prüfen, inwieweit das Verfassungsrecht den inhaltlichen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers begrenzt. Auf der anderen Seite ist der Frage nachzugehen, wie die Gesetzgebungskompetenzen im Bereich der Teleshopping- und der Onlineshoppingangebote zwischen Bund und Ländern aufgeteilt sind. Die Erörterung der materiellen verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Gesetzgebung soll der Behandlung der Frage nach den Gesetzgebungszuständigkeiten vorangestellt werden, da sich aus dem materiellen Verfassungsrecht Folgen für die Bestimmung der Gesetzgebungskompetenzen ergeben können1. Umgekehrt dürfte dagegen die Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen für die rechtlichen Anforderungen an eine inhaltliche Regulierung von Teleshopping- und Onlineshoppingdiensten ohne Bedeutung sein. Zwar können Normen primär kompetenzieller Art in bestimmten Fällen den Gewährleistungsbereich von Grundrechten beschränken. Dies setzt jedoch voraus, dass Grundrecht und Kompetenztitel abweichende Rechtsbefehle aussenden2, wofür im gegebenen Zusammenhang keine Anhaltspunkte bestehen.

II. Materielle verfassungsrechtliche Vorgaben 1. Die verfassungsrechtliche Ausgangslage Das Verfassungsrecht kann den inhaltlichen Spielraum des Gesetzgebers bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen für Teleshopping- und Onlineshoppingdienste 1 Vgl. Bullinger/Mestmäcker, Multimediadienste, S. 39; allgemein zum Einfluss des materiellen Verfassungsrechts auf die Gesetzgebungskompetenzen Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 80 ff. 2

Jestaedt, in: Aulehner/Dengler/Konrad u. a. (Hrsg.), Föderalismus, S. 315, 324 f.

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. erfassungsrechtliche Vorgaben

dadurch beschränken, dass es bestimmte Regelungsinhalte untersagt. Es kann den Gesetzgeber ausnahmsweise aber auch dazu verpflichten, gesetzgeberisch tätig zu werden. Einschränkungen des inhaltlichen Gestaltungsspielraums bei einer Regulierung von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten können sich insbesondere aus den Grundrechten ergeben. Während Vorschriften, die herkömmliche Formen von Waren- oder Dienstleistungsangeboten betreffen, in erster Linie an den Wirtschaftsgrundrechten der Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG und an der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG zu messen sind, ergeben sich für die Regulierung von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten grundrechtliche Besonderheiten aus ihrem Mediencharakter. Soweit gesetzliche Regelungen Teleshopping- und Onlineshoppingdienste in ihrer Eigenschaft als an die Öffentlichkeit gerichtete Informationsangebote betreffen, kommt es zu Berührungen mit den Grundsätzen des Medienrechts. Auf der Ebene des Verfassungsrechts bedeutet dies, dass der rechtliche Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nicht nur durch die Wirtschaftsgrundrechte begrenzt sein kann, sondern auch durch die Wertungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, der die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film schützt und damit die zentrale Verbürgung von Medienfreiheit im Grundgesetz ist. Mit dem Entstehen neuartiger, telekommunikativ übermittelter Medienangebote, deren Einordnung in die überkommenen medienrechtlichen Kategorien Schwierigkeiten bereitet, ist in der Rechtswissenschaft eine Diskussion darüber in Gang gekommen, inwieweit diese Angebote unter die Gewährleistungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG fallen. Zweifelhaft ist vor allem, welche der neueren Angebote als „Rundfunk" im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu qualifizieren sind. Auch im Hinblick auf die unterschiedlichen Formen von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten ist fraglich, inwieweit diese dem Schutzbereich der Rundfunkfreiheit unterfallen. Mit einer Qualifikation bestimmter Angebote als Rundfunk im verfassungsrechtlichen Sinne können erhebliche Konsequenzen verbunden sein, denn die Rundfunkfreiheit hat durch das Bundesverfassungsgericht unter Zustimmung weiter Teile des rechtswissenschaftlichen Schrifttums eine grundrechtsdogmatische Sonderbehandlung erfahren, die sich auch auf den Gewährleistungsbereich anderer Grundrechte auswirkt: Im Gegensatz zu anderen Freiheitsrechten, wie den Wirtschaftsgrundrechten, aber auch der Presse- und der Filmfreiheit, ist die Rundfunkfreiheit nach der Konzeption des Bundesverfassungsgerichts nicht in erster Linie als subjektives Abwehrrecht des Grundrechtsträgers gegen den Staat zu verstehen, sondern vielmehr als funktionsgebundenes, „dienendes" Grundrecht, das primär im Interesse einer freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung gewährt wird, deren Schutz den objektiv-rechtlichen Gehalt der Rundfunkfreiheit ausmacht3. Um möglichen Gefahren für den Prozess der freien individuellen und 3 Siehe nur BVerfGE 57, 295, 319; 83, 238, 295 und 315; 87, 181, 197; 90, 60, 87 ff.

II. Materielle verfassungsrechtliche Vorgaben

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öffentlichen Meinungsbildung vorzubeugen, hat das Gericht die Ausübung der Rundfunkfreiheit dem Vorbehalt einer Ausgestaltung durch den Gesetzgeber unterstellt. Dieser ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dazu verpflichtet, eine vielfaltserhaltende „positive Ordnung" zu schaffen, deren wesentliche Elemente durch die Funktion der Rundfunkfreiheit, die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung zu gewährleisten, vorgegeben sind4. Die vom Gesetzgeber zu schaffende positive Ordnung bildet zugleich die Voraussetzung für eine Wahrnehmung der Rundfunkfreiheit 5; die Veranstaltung von Rundfunk ist also nach dem Verständnis de§ Bundesverfassungsgerichts von Verfassungs wegen nur zulässig, soweit der Gesetzgeber entsprechende gesetzliche Regelungen getroffen hat. An dieser Deutung der Rundfunkfreiheit hält das Gericht weiterhin fest 6, auch wenn es inzwischen einen „Grundrechtsbeachtungsanspruch" des Bürgers im Rahmen des Zulassungsverfahrens zur Veranstaltung von Privatrundfunk anerkannt hat7. Die primär objektiv-rechtliche Interpretation der Rundfunkfreiheit durch das Bundesverfassungsgericht wirkt sich auch auf den effektiven Schutzumfang anderer Grundrechte aus, da deren abwehrrechtlicher Gehalt innerhalb des Geltungsbereichs des rundfunkspezifischen Ausgestaltungsvorbehalts ohne eine gesetzliche Ausgestaltung ebenfalls nicht zum Tragen kommen kann8. Legt man die in der Praxis maßgebliche Sichtweise des Bundesverfassungsgerichts zugrunde, so könnte eine Zuordnung von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten zum Rundfunk beträchtliche Auswirkungen auf den gesetzgeberischen Regulierungsspielraum haben, zumindest was solche Regelungen angeht, die den Medienaspekt dieser Dienste betreffen. Zu prüfen bliebe dann allerdings, inwieweit die bundesverfassungsgerichtliche Konzeption der Rundfunkfreiheit für Teleshopping- und Onlineshoppingangebote überhaupt maßgeblich sein kann und ob sie angesichts der fundamentalen Veränderungen der Medienlandschaft in dieser Form aufrechtzuerhalten ist. Trotz der besonderen Bedeutung der Frage, inwieweit Teleshopping- und Onlineshoppingangebote dem Gewährleistungsbereich der Rundfunkfreiheit unterfallen, dürfen auch die Wertungen anderer Grundrechte nicht vernachlässigt werden. Insoweit ist einerseits an die anderen Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG zu denken, andererseits aber auch an die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG und die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Wegen des kommerziellen Charakters von Teleshopping- und Onlineshoppingdiensten liegt insbesondere die Frage nahe, ob dem Grundrecht der Berufsfreiheit bei diesen Diensten ein höheres 4 BVerfGE 57, 295, 319. 5 BVerfGE 74, 297, 324; 90, 60, 87. 6 Vgl. BVerfG AfP 1998, 617 (Berücksichtigung der Sinti und Roma bei der Zusammensetzung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und der Landesmedienanstalten). 7 BVerfGE 97, 298, 314 (Extra Radio GmbH). 8 Hierzu näher C. II. 4. und C. II. 5. a).

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. erfassungsrechtliche Vorgaben

Gewicht zuzumessen ist als im Zusammenhang mit anderen Arten von Medienangeboten. Für den Gang der Untersuchung ergibt sich allerdings aus den möglichen verfassungsrechtlichen Folgen einer Qualifizierung von Teleshopping- oder Onlineshoppingangeboten als „Rundfunk" im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, dass zunächst die Bedeutung der Rundfunkfreiheit für die unterschiedlichen Erscheinungsformen von Teleshopping- und Onlineshoppingdiensten herausgearbeitet werden muss. Unter Berücksichtigung der hierbei gewonnenen Ergebnisse ist sodann zu klären, welche materiellen Vorgaben aus anderen Verfassungsbestimmungen abzuleiten sind.

2. Rundfunkfreiheit Nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die Freiheit der „Berichterstattung durch Rundfunk" geschützt. Ob und in welcher Weise Teleshoppingund Onlineshoppingangebote in diesen Schutz einbezogen sind, ist angesichts der Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der Rundfunkfreiheit in mehrerer Hinsicht fraglich: Umstritten ist nicht nur, welche Bedeutung den Begriffen „Rundfunk" und „Berichterstattung" beizumessen ist und wer Träger der Rundfunkfreiheit sein kann, sondern auch, inwieweit staatliche Maßnahmen als Eingriff in die Rundfunkfreiheit oder aber als Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit anzusehen sind. Von Letzterem hängt es ab, in welchen Fällen staatliche Maßnahmen einer besonderen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedürfen. Den Ausgangspunkt für eine Bestimmung des Schutzbereichs der Rundfunkfreiheit bilden die Begriffe „Rundfunk" und „Berichterstattung". Die Frage, wie der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff zu fassen ist, steht wegen ihrer vielfältigen verfassungsrechtlichen Implikationen9 schon seit einiger Zeit im Zentrum der Diskussion über die verfassungsrechtliche Beurteilung neuer Medienangebote.

a) „Rundfunk" aa) Die Elemente des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs nach herkömmlichem Verständnis Obwohl das Grundgesetz den in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verwendeten Begriff „Rundfunk" nicht definiert, bestand in der Rechtswissenschaft lange Einigkeit darüber, dass es sich dabei um den Oberbegriff für Hörfunk und Fernsehen han9 Zur Bedeutung des Rundfunkbegriffs für die Gesetzgebungskompetenzen und für den Aktionsradius der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 406 f.

II. Materielle verfassungsrechtliche Vorgaben

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delt 10 . Da Hörfunk und Fernsehen von den ebenfalls durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Medien der Presse und des Films und den Mitteln der Individualkommunikation ursprünglich ohne größere Schwierigkeiten abgrenzbar waren, gab es aus praktischer Sicht zunächst kein Bedürfnis für eine weitere Präzisierung des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs. Indes bildete nicht die äußerliche Beschreibung als „Hörfunk" oder „Fernsehen" die Grundlage der verfassungsrechtlichen Begriffsbestimmung. Entsprechend der allgemeinen juristischen Methodik wurde vielmehr versucht, den Rundfunkbegriff anhand abstrakter Merkmale näher zu bestimmen. Hierzu wurde in der Literatur überwiegend die durch § 2 Abs. 1 RStV aktualisierte Definition des Rundfunkgebührenstaatsvertrags herangezogen. Danach ist Rundfunk „die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, in Ton und in Bild unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters" 11 . Auch wenn Einigkeit darin besteht, dass es sich bei dieser gesetzlichen Begriffsbestimmung durch die Länder schon mangels Zuständigkeit nicht um eine authentische Interpretation des Rundfunkbegriffs der Bundesverfassung handeln kann, und auch, soweit ersichtlich, nicht davon ausgegangen wird, dass der Rundfunkbegriff als solcher einem Ausgestaltungsvorbehalt zugunsten des Gesetzgebers unterliegt 12, herrscht im rechtswissenschaftlichen Schrifttum bis heute die Auffassung vor, dass die im Rundfunkgebührenstaatsvertrag und im Rundfunkstaatsvertrag genannten Begriffsmerkmale sachlich als Grundlage für eine nähere Bestimmung des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs dienen können13. Ausgehend von der einfachgesetzlichen Definition des Rundfunkstaatsvertrags und des Rundfunkgebührenstaatsvertrags werden im Wesentlichen drei Merkmale des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs unterschieden: Zunächst muss es sich bei Rundfunk um eine „Darbietung" handeln. Des Weiteren muss diese Darbietung für die „Allgemeinheit" bestimmt sein. Schließlich muss eine „Verbreitung" der dargebotenen Inhalte „unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen" erfolgen.

io Vgl. BVerfGE 12, 205, 226; 57, 295, 296; Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 421 f.; Herrmann, Rundfunkrecht, § 2 Rn. 11. u Nach § 2 Abs. 1 RStV fallen unter diese Definition auch solche Darbietungen, die verschlüsselt verbreitet werden oder gegen besonderes Entgelt empfangbar sind, sowie Fernsehtext. 12 Das Bundesverfassungsgericht leitet den Rundfunkbegriff unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ab, vgl. BVerfGE 73, 118, 154 ff.; 83, 238, 299 f.; siehe auch Degenhart, DVB1. 1991, 510, 512 ff.; insofern nicht eindeutig A. Hesse, Rundfunkrecht, 3. Kapitel Rn. 10; Kressin, Neue Medien, S. 56 ff. 13 Siehe etwa Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 91; A. Hesse, Rundfunkrecht, 3. Kapitel Rn. 9; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 34.

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Anders als viele Vertreter des Schrifttums hat sich das Bundesverfassungsgericht in seinen Rundfunkentscheidungen nicht ausdrücklich auf einzelne Begriffsmerkmale festgelegt. Das Gericht hat stattdessen die Wandlungsfähigkeit des Rundfunkbegriffs in den Vordergrund gestellt und betont, dass der Begriff „Rundfunk" sich nicht in einer „für allemal gültigen Definition" erfassen lasse14. Dessen ungeachtet hat jedoch auch das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen auf die Merkmale des einfachgesetzlichen Rundfunkbegriffs Bezug genommen, sei es ausdrücklich 15 oder der Sache nach 16 . (1) Darbietung Bei dem Merkmal der „Darbietung" geht es um die Frage, wie ein Angebot inhaltlich beschaffen sein muss, damit es als Rundfunk qualifiziert werden kann. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird insoweit vom Bundesverfassungsgericht und weiten Teilen der Literatur im Lichte der Funktion des Rundfunks als Faktor und Medium im Prozess der individuellen und öffentlichen Meinungsbildung17 interpretiert. Bereits im sogenannten Ersten Fernsehurteil aus dem Jahre 1961 hat das Bundesverfassungsgericht die grundlegende Bedeutung des Rundfunks für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess hervorgehoben und deutlich gemacht, dass nicht nur reine Informationssendungen als Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung anzusehen sind, sondern auch Unterhaltungssendungen wie Hörspiele und musikalische Darbietungen 18. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist der Rundfunk insoweit als einheitliche Veranstaltung zu verstehen, die nicht in einzelne Teile zerlegt werden kann 19 . Dieser weite Ansatz des Bundesverfassungsgerichts hat in der rechtswissenschaftlichen Literatur allgemein Zustimmung gefunden. Für das Vorliegen einer Darbietung im Sinne des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs genügt es nach der überwiegenden Ansicht im Schrifttum, dass der jeweilige Inhalt in irgendeiner Weise für die öffentliche Meinungsbildung relevant ist 20 . Vielfach wird auch von 14 Vgl. BVerfGE 73, 118, 121; 74, 297, 350. 15 So in BVerfGE 74, 297, 351. 16 Hierzu näher im Folgenden. 17 Die Bedeutung des Rundfunks als „Faktor und Medium" im gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozess wird vom Bundesverfassungsgericht betont in BVerfGE 12, 205, 260; 31, 314, 325 f.; 35, 202, 222; 57, 295, 320; 59, 231, 257; 60, 53, 64; 73, 118, 152; 74, 297, 323 f.; 83, 238, 296. 18 BVerfGE 12, 205, 260; ebenso BVerfGE 31, 314, 326; 35, 202, 222. 19 BVerfGE 31, 314, 326. 20 Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 92 ff.; König, Die Teletexte, S. 89; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 40 ff.; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation und Verfassung, S. 126 f.; Tettinger, Neue Medien und Verfassungsrecht, S. 34; vgl. auch die Beschlüsse der Staats- und Senatskanzleien vom 29. April 1975, abgedruckt bei Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation und Verfassung, S. 267.

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„publizistischer Relevanz" gesprochen, ohne dass hiermit sachlich etwas anderes gemeint sein dürfte 21 . Der Grad der Relevanz für die Meinungsbildung wird als unerheblich angesehen; ausreichend soll sein, dass überhaupt eine solche Relevanz festzustellen ist 22 . Entsprechend dem aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abgeleiteten Grundsatz der „Unteilbarkeit der Rundfunkfreiheit" 23 wird insoweit ein großzügiger Maßstab angelegt24. Nach anderer Ansicht kann im Rahmen des Rundfunkbegriffs sogar auf jegliche Relevanz der übermittelten Inhalte für die öffentliche Meinungsbildung verzichtet werden. Dies wird vor allem damit begründet, dass die Feststellung einer solchen Relevanz eine inhaltliche Bewertung erforderte, welche mit erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten verbunden sei 25 . Bis zur Einführung der digitalen Telekommunikationstechnik sind die Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des „Relevanzkriteriums" nahezu ohne Folgen geblieben, da eine praktische Notwendigkeit, den Rundfunkbegriff nach inhaltsbezogenen Gesichtspunkten zu bestimmen, kaum bestand. So konnten Hörfunk- und Fernsehprogramme in aller Regel den klassischen Programmsparten zugeordnet werden, deren Beitrag zum Prozess der öffentlichen Meinungsbildung allgemein anerkannt war; umstritten war lediglich die Einordnung von Werbung 26. Zwar existierten bereits vor Einführung der Digitaltechnik neben Radio und Fernsehen weitere telekommunikativ übertragene Informationsangebote wie etwa Telefonansagedienste oder das Bildschirmtext-System Btx (später: Datex-J); diese blieben jedoch Randerscheinungen27. Erst durch die Zunahme von Spartenkanälen mit 21

Vgl. etwa Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 42. Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 94; Lerche, Rundfunkmonopol, S. 26 f.; Lieb, Kabelfernsehen und Rundfunkgesetze, S. 169. 23 Vgl. hierzu Jarass, Die Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 34; Lieb, Kabelfernsehen und Rundfunkgesetze, S. 169. 24 Als Beispiele für Informationen ohne Relevanz für die öffentliche Meinungsbildung wurden im zweiten Bericht der Rundfunkreferenten der Länder, dem sogenannten Würzburger Papier, abgedruckt bei Ring, Medienrecht, D-III, C I, S. 8 f., die Mitteilung von Börsenkursen und Wetterberichte genannt. 2 5 Vgl. Brand, Rundfunk im Sinne des Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG, S. 65 ff.; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 676; Lerche, Rundfunkmonopol, S. 24 ff.; Lieb, Kabelfernsehen und Rundfunkgesetze, S. 169; Pieper/Wiechmann, ZUM 1995, 82, 84 f.; J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 598 ff.; ders., Der Staat 22 (1983), 347, 368. 22

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Gegen die Einordnung von Werbung als Rundfunk Bachof/Rudolf, Verbot des Werbefernsehens durch Bundesgesetz?, S. 28 ff.; Fröhler, Werbefernsehen und Pressefreiheit, S. 3. Dafür Arndt, JZ 1965, 337, 339; BVerfGE 12, 205, 24. Zur parallelen Problematik der kompetenzrechtlichen Einordnung von Werbung C. III. 3. c) cc) (2). 27

Gleichwohl wurde diesen Diensten im rechtswissenschaftlichen Schrifttum einige Beachtung geschenkt, siehe nur Fuhr/Rudolf/Wasserburg (Hrsg.), Das Recht der neuen Medien; König, Die Teletexte; Paptistella, DÖV 1978, 750, 753 ff.; Tettinger, Neue Medien und Verfassungsrecht.

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einer Ausrichtung auf Spezialthemen wie etwa Wetter- und Börseninformationen oder auch Teleshopping und durch die wachsende Bedeutung des Internets mit seinen vielfältigen Inhalten wurde die Frage nach der Maßgeblichkeit inhaltsbezogener Kriterien für den Rundfunkbegriff zunehmend auch praktisch relevant.

(2) Allgemeinheit Aus dem Wortlaut und der systematischen Stellung der Rundfunkfreiheit ergibt sich, dass es sich beim Rundfunk um ein Medium der überindividuellen Kommunikation handelt. Seine Bedeutung als „unentbehrliches modernes Massenkommunikationsmittel" 28 wird allgemein als Grund für die Aufnahme des Rundfunks in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG neben Presse und Film angesehen29. Sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 30 als auch nach einhelliger Auffassung im Schrifttum 31 ist daher die Allgemeinheit des Adressatenkreises konstitutives Element des Rundfunkbegriffs. Die Allgemeinheit des Adressatenkreises ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und nach der Literatur dann zu bejahen, wenn die dargebotenen Inhalte an eine beliebige, unbestimmte Vielzahl von Empfängern gerichtet sind 32 . Ob tatsächlich eine große Zahl von Rezipienten Zugang zu den angebotenen Inhalten hat und ob ein Angebot eine weite räumliche Verbreitung findet, wird dagegen überwiegend als irrelevant angesehen33. Im ersten Bericht der Rundfunkreferenten der Länder aus dem Jahre 1975, dem sogenannten Schliersee-Papier, ist versucht worden, das Merkmal der Allgemeinheit in Übereinstimmung mit seiner urheberrechtlichen Definition näher zu bestimmen 34 : Als Allgemeinheit sollte hiernach nur ein Personenkreis zu verstehen sein, der nicht ausschließlich auf Personen beschränkt ist, „die durch gegenseitige 28 So BVerfGE 12, 205, 260. 29 Vgl. Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 623; Herrmann, Hörfunk und Fernsehen in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, S. 222 f.; Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, S. 30; Lieb, Kabelfernsehen und Rundfunkgesetze, S. 43. 30 Siehe nur BVerfGE 74, 297, 352. 31

Statt vieler Berendes, Die Staatsaufsicht über den Rundfunk, S. 37; Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 102 ff.; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, S. 47; Hoffmann-Riem, AfP 1996, 9, 10; König, Die Teletexte, S. 26; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 35 f. 32 BVerfGE 74, 297, 352; Hoffmann-Riem, AfP 1996, 9, 10 f.; Ory, ZUM 1995, 852, 853; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 35. 33 Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 409 f.; Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 110; König, Die Teletexte, S. 28; Lerche, Rundfunkmonopol, S. 29; Lieb, Kabelfernsehen und Rundfunkgesetze, S. 149. 34 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 36.

II. Materielle verfassungsrechtliche Vorgaben

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Beziehungen oder durch Beziehungen zum Veranstalter persönlich untereinander verbunden sind" 35 . Da auch unter Zugrundelegung dieser Formel die Allgemeinheit des Adressatenkreises in einigen Fällen zweifelhaft blieb 36 , wurde dieses Kriterium in der Literatur weiter ausgeformt. Im Anschluss an den Vorschlag Gersdorfs 37 bietet es sich an, eine mehrstufige Prüfung zur Feststellung der Allgemeinheit vorzunehmen: In Anlehnung an den Begriff der „geschlossenen Teilnehmergruppe" aus dem BtxStaatsvertrag ist zunächst zu fragen, ob die Rezipienten durch gemeinsame Merkmale miteinander verbunden und als homogene Gruppe von der Allgemeinheit abgrenzbar sind. Weiterhin ist zu prüfen, ob die Angehörigen dieser homogenen Gruppe durch vertragliche, mitgliedschaftliche oder öffentlich-rechtliche Beziehungen mit dem jeweiligen Anbieter verbunden sind. Schließlich muss das jeweilige Angebot gerade auf die beiden genannten Bindungen bezogen sein, das heißt, nach dem Willen des Veranstalters muss es allein darum gehen, den spezifischen Rezeptionsbedarf der homogenen Gruppe zu befriedigen. Als wesentliches Indiz hierfür kann gewertet werden, dass der Veranstalter bestimmte Personen vom Zugang zu seinen Angeboten ausschließt, weil sie nicht Teil der homogenen Gruppe sind, die er bedienen will. Nur wenn alle drei Kriterien erfüllt sind, fehlt es an der „Allgemeinheit" des jeweiligen Angebots38.

(3) Verbreitung unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen In der Literatur besteht weitestgehend Übereinstimmung darin, dass ein Medienangebot nur dann zum Rundfunk gezählt werden kann, wenn ihm eine im weitesten Sinne „funktechnische" Übertragung zugrunde liegt 39 . Eine Berücksichtigung 35 Schliersee-Papier, B II la), abgedruckt bei Ring, Medienrecht, D-II la). Als Beispiele für das NichtVorliegen von Allgemeinheit wurden dementsprechend u. a. Darbietungen im Familienkreis und mit Hausgästen, Funkdienste für Polizeibeamte, Seeleute, Flugnavigatoren, werksinterne Informationen für die Belegschaft, interne Mitteilungen der aktuellen Börsenkurse innerhalb von Banken, Übertragungen von Lehrveranstaltungen in einen anderen Hörsaal sowie Informationsübertragungen innerhalb eines Krankenhauses, einer Strafvollzugsanstalt oder ähnlichen Einrichtungen genannt, siehe Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 36 mit Hinweisen auf die Literatur. 36 Problematisch ist unter anderem die Zuordnung des sogenannten Krankenhausrundfunks. In der Rechtsprechung wurde der Krankenhausrundfunk unter den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff gefasst, vgl. hierzu Media Perspektiven 1976, S. 538 ff.; dies ist in der Literatur auf Kritik gestoßen, siehe etwa Bullinger, Kommunikationsfreiheit im Strukturwandel der Telekommunikation, S. 72 sowie König, Die Teletexte, S. 23. Zum ebenfalls problematischen „Kaufhausrundfunk" Rickerl Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 36 mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur. 37 Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 107 f.

38 Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 107; ähnlich Brand, Rundfunk im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, S. 137 ff. 39 Siehe nur Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 43.

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der Übertragungsweise wird vor allem im Hinblick auf eine Abgrenzung zur Presse für erforderlich gehalten: Während diese in materialisierter Form zum Rezipienten gelange, sei für den Rundfunk seine Verbreitung in unkörperlicher Form durch elektromagnetische Wellen längs oder ohne Verbindungsleitung zum unmittelbaren akustischen oder visuellen Empfang kennzeichnend40. Statt des ursprünglich verwendeten Begriffs der „elektrischen Schwingungen" wird heute allgemein der Ausdruck „elektromagnetische Schwingungen" benutzt 41 . Hierdurch soll sichergestellt werden, dass dem entwicklungsoffen verstandenen verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff auch neuere Übertragungstechniken unterfallen, wie etwa die optische Übermittlung von digitalen Signalen über Glasfaserkabel 42. Auch das Bundesverfassungsgericht geht in seinen Entscheidungen davon aus, dass Rundfunk in Wellenform übertragen wird 4 3 ; das Gericht weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass es die Frage der Übertragungstechnik gegenüber anderen Elementen des Rundfunkbegriffs für nachrangig hält 44 . Während hinsichtlich des Erfordernisses einer Übertragung mittels elektromagnetischer Wellen im Wesentlichen Einigkeit besteht, ist umstritten, ob dem Merkmal der „Verbreitung" der dargebotenen Inhalte im Rahmen des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs eine eigenständige Bedeutung zukommt. Nach einer Auffassung bedarf es einer „Verbreitung" deshalb, weil anhand dieses Merkmals solche Übertragungsvorgänge aus dem Rundfunkbegriff herausgenommen werden könnten, die sich in überschaubaren räumlichen Bereichen vollzögen 45 . Zudem fehle es an einer „Verbreitung" im Sinne des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs, wenn Informationen wie etwa bei Fernschreiberdiensten oder bei der sogenannten Faksimile-Zeitung nur zur Erstellung eines Druckwerks elektromagnetisch übermittelt würden 46 .

40 Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 121; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 43. 41 Auch in der Legaldefinition des RfGebStV und des RStV wurde der Begriff „elektrisch" durch das Wort „elektromagnetisch" ersetzt. 42 Vgl. Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 673. 43 Vgl. BVerfGE 12, 205, 226; in BVerfGE 74, 297, 351 f. nimmt das Gericht ausdrücklich auf den einfachgesetzlichen Rundfunkbegriff und eine Benutzung „elektromagnetischer Wellen" Bezug. 44

BVerfGE 74, 297, 350, 352. Als Beispiele hierfür werden unter anderem die Verwendung eines Videorecorders in einer Diskothek, die visuelle Übermittlung des Geschehens auf einer Pferderennbahn innerhalb des Geländes sowie räumlich begrenzte Darbietungen mittels eines Megaphons oder sonstigen Ton Verstärkers genannt, vgl. Schliersee-Papier, B II 1 b) bb), abgedruckt bei Ring, Medienrecht, D-I, S. 2 f. 46 Schliersee-Papier, B II 1 b) aa), abgedruckt bei Ring, Medienrecht, D-I, S. 2 f.; Ricker/ Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 45; vgl. auch König, Die Teletexte, S. 166. 45

II. Materielle verfassungsrechtliche Vorgaben

Nach der Gegenauffassung ist die Frage, ob eine „Verbreitung" vorliegt, für den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff irrelevant; vom Rundfunkbegriff umfasst sei jede Art von elektromagnetischer Übermittlung 47 . Für diese Ansicht spricht, dass es bei Übermittlungsvorgängen innerhalb von überblickbaren räumlichen Bereichen in der Regel bereits am Merkmal der Allgemeinheit fehlt und es daher über das Kriterium der Allgemeinheit hinaus insoweit keines zusätzlichen Maßstabs bedarf 48. Für eine Abgrenzung des Rundfunks von Übertragungen, die allein der technischen Umsetzung in Druckwerke dienen, ist das Merkmal der „Verbreitung" zudem ungeeignet, da auch bei solchen Übertragungen ohne Weiteres von einer „Verbreitung" gesprochen werden kann 49 . Rundfunk liegt in diesen Fällen bereits deshalb nicht vor, weil die elektromagnetische Übermittlung lediglich der Herstellung des Presseprodukts dient und nicht unmittelbar zu der bei allen Medien notwendigen optischen oder akustischen Wahrnehmbarkeit der Inhalte durch die Allgemeinheit führt.

bb) Ansätze für eine Weiterentwicklung des Rundfunkbegriffs im Hinblick auf moderne Kommunikationsangebote Trotz gewisser Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf einzelne Elemente des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs gab es in der Frage der grundrechtlichen Zuordnung der bestehenden Medienformen lange Zeit wenig Differenzen. Dies änderte sich jedoch mit der wachsenden Bedeutung von Kommunikationsangeboten, die in die bekannten Medienkategorien nicht mehr ohne Weiteres eingeordnet werden konnten. Im Hinblick auf Angebote wie das Btx-System wurde auf der Ebene des einfachen Rechts bereits in den achtziger Jahren der Versuch unternommen, den Rundfunkbegriff genauer zu bestimmen. So klammerte etwa das Landesmediengesetz von Baden-Württemberg bestimmte neuartige Kommunikationsangebote, die sich von den typischen Erscheinungsformen des klassischen Rundfunks deutlich unterschieden, aus dem einfachgesetzlichen Rundfunkbegriff aus und bezeichnete sie als „rundfunkähnliche" Dienste50. In der Baden-Württemberg-Entscheidung 51 hat das Bundesverfassungsgericht den terminologischen Differenzierungen des Landesgesetzgebers jedoch keinerlei Bedeutung für den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff zugemessen und betont, dass die Schutzwirkungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auch bei den als „rundfunkähnlich" bezeichneten Kommunikationsdiensten zum Tragen kommen 47 Gersdorf, 48 Gersdorf, 49 Gersdorf, 50

Rundfunkbegriff, S. 117 f. Rundfunkbegriff, S. 117. Rundfunkbegriff, S. 118.

Vgl. § 1 Abs. 3 Landesmediengesetz Baden-Württemberg. 51 BVerfGE 74, 297 ff. 5 Kroymann

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können52. Besonderes Gewicht legte das Gericht in dieser Entscheidung auf eine dynamische und entwicklungsoffene Interpretation des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs 53. In den neunziger Jahren setzte sich, befördert durch die wachsende Bedeutung thematisch spezialisierter Spartenprogramme im Fernsehen wie auch im Hörfunk, vor allem aber durch die Entwicklung des Internets und seiner unterschiedlichen Dienste, die Erkenntnis durch, dass anhand der bisherigen Maßstäbe eine eindeutige grundrechtliche Zuordnung in vielen Fällen nicht mehr möglich ist. Im Sinne eines entwicklungsoffenen Verständnisses der Rundfunkfreiheit wurde daher der Versuch unternommen, den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff im Hinblick auf die neuen Medienangebote zu präzisieren und weiterzuentwickeln. Hierbei lassen sich im Wesentlichen die nachfolgend beschriebenen Ansätze unterscheiden.

(1) Präzisierung des Merkmals „Darbietung" Vielfach wird vorgeschlagen, den Rundfunk von anderen mit Hilfe der Telekommunikationstechnik übertragenen Medienangeboten primär nach der Art der übermittelten Inhalte abzugrenzen54. In den Blickpunkt rückt damit die Frage, wie dem ursprünglich praktisch wenig bedeutsamen Merkmal der „Darbietung" schärfere Konturen verliehen werden können. Die Antwort auf diese Frage fällt, abhängig von der jeweiligen Ausgangsposition, unterschiedlich aus. (a) Ausformung des Relevanzkriteriums durch eine typisierende Betrachtungsweise Wie bereits ausgeführt, überwiegt im Schrifttum die Auffassung, dass als „Darbietung" nur solche Inhalte in Betracht kommen, die in irgendeiner Weise für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung relevant sind 55 . Während die Meinungsrelevanz bei den klassischen, thematisch vielseitigen Radio- oder Fernsehprogrammen nach dem Grundsatz der „Unteilbarkeit der Rundfunkfreiheit" großzügig beurteilt werden konnte, ist bei den immer spezialisierteren Spartenkanälen und bei Internetdiensten für die Feststellung der Meinungsrelevanz eine genaue Analyse der jeweiligen Inhalte vonnöten. Kommt man nämlich bei diesen Angeboten zu dem Ergebnis, dass den übermittelten Inhalten jegliche Relevanz für die öffent52 BVerfGE 74, 297, 350. 53 Siehe BVerfGE 74, 297, 350. 54 Vgl. etwa Dill, in: Haratsch / Kugelmann / Repkewitz (Hrsg.), Herausforderungen an das Recht der Informationsgesellschaft, S. 81, 89; Dörr, in: Dittmann/Fechner/Sander (Hrsg.), Der Rundfunkbegriff im Wandel der Medien, S. 121, 125; Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 92 ff.; Michel, ZUM 1998, 350, 351; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 42.; siehe auch Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 452. 55 Siehe C. II. 2. a) aa) (1).

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liehe Meinungsbildung fehlt, kann - anders als bei klassischen Rundfunksendungen - nicht auf die Meinungsrelevanz eines dazugehörigen „Gesamtprogramms" rekurriert werden. Wird daher verlangt, dass Rundfunkinhalte über eine Relevanz für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung verfügen müssen, so müssen hierfür zugleich Maßstäbe benannt werden, die sich auch bei neuen Medienangeboten als tragfähig erweisen. Die Verfechter des Relevanzkriteriums versuchen diesem Kriterium durch eine „typisierende Betrachtungsweise" Konturen zu verleihen 56. Bereits im „SchlierseePapier" der Rundfunkreferenten der Länder wurden solche Formen von Information als typischerweise nicht relevant für die öffentliche Meinungsbildung charakterisiert, die in einem „unmittelbaren räumlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs oder dem Betrieb eines Unternehmens" stehen oder „Gegenstand der Berufsausübung oder des Unternehmenszwecks" sind 57 . Nach dieser Maßgabe wurden Fallgruppen von Sendeinhalten gebildet, bei denen es regelmäßig an einer Relevanz für die öffentliche Meinungsbildung fehlen sollte 58 . Auch die Befürworter des Relevanzmerkmals im Schrifttum lehnen sich bei der Beurteilung der Meinungsrelevanz an die zitierte Formel des Schliersee-Papiers an 59 , teilweise allerdings - unter Hinweis auf die bei privaten Anbietern stets bestehende Verbindung von Inhalten und Unternehmenszweck - mit der Einschränkung, dass eine Relevanz für die öffentliche Meinungsbildung dann nicht ausgeschlossen sei, wenn der Zweck der Berufsausübung oder des Unternehmens gerade in der Verbreitung von für die öffentliche Meinungsbildung relevanten Informationen liege 60 . Zur Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten wird vorgeschlagen, Fallgruppen von Medienangeboten zu bilden, bei denen es typischerweise an der Rundfunkqualität fehlen solle 61 . Soweit eine solche typisierende Betrachtung nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führe, sei eine „auf den Einzelfall bezogene Überprüfung des Relevanzaspektes" vorzunehmen 62.

56 Siehe insbesondere Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 99 f.; kritisch hierzu Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 413. Auf einer typisierenden Betrachtungsweise beruht auch die Abgrenzung zwischen Mediendienstestaatsvertrag und Teledienstegesetz, vgl. insbesondere die Fallgruppen in § 2 Abs. 2 Nr. 1 - 4 MDStV und § 2 Abs. 2 Nr. 1 - 5 TDG. 57 Schliersee-Papier, B I I 1 c) cc), abgedruckt bei Ring, Medienrecht, D-II la. 58 Zu einzelnen Fallgruppen Schliersee-Papier, B I I la), abgedruckt bei Ring, Medienrecht, D-II la). 59 Vgl. etwa Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 99 f.; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 40; Stammler, AfP 1975, 742, 748; Stettner/Tresenreiter, ZUM 1994, 669, 673. 60 Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 100. 61 Als Beispiel hierfür werden digitale „Updates" (Installationen neuerer Software-Versionen) von Textverarbeitungsprogrammen angeführt, siehe Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 100. 62 Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 100.

5=

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Ungeachtet der Frage, ob aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG die Maßgeblichkeit des Relevanzkriteriums abzuleiten ist 6 3 , unterliegt jedenfalls die in der Literatur vorgeschlagene Handhabung dieses Kriteriums erheblichen Bedenken. Zum einen vermag die vorgeschlagene Differenzierung in sachlicher Hinsicht nicht zu überzeugen, da nicht nachvollziehbar ist, warum die Relevanz eines bestimmten Angebotstyps für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung von einem Zusammenhang mit beruflichen oder unternehmerischen Zwecken abhängig sein soll. Ob ein Medienangebot im Zusammenhang mit beruflichen oder unternehmerischen Zwecken steht, ist für den Einfluss, den dieses Angebot auf den Meinungsbildungsprozess hat, allenfalls mittelbar von Bedeutung. Wie das Beispiel der Wirtschaftswerbung zeigt, können auch kommerziell motivierte Äußerungen die Wertvorstellungen der Adressaten in Bezug auf bestimmte Produkte - aber auch darüber hinaus - stark beeinflussen 64. Die Interpretation des Relevanzmerkmals nach Maßgabe des jeweiligen beruflichen oder unternehmerischen Kontextes liefe mithin auf eine thematische Einschränkung des grundrechtlichen Schutzes hinaus und nicht auf eine wirkliche Überprüfung der Relevanz eines Angebots für die Meinungsbildung der Rezipienten. Eine Ausformung des Relevanzkriteriums durch eine typisierende Betrachtungsweise ist zudem auch methodisch fragwürdig. Ein typisierendes Modell ist zu statisch, um den vielfältigen Erscheinungsformen von Medienangeboten gerecht zu werden; es droht angesichts der zahlreichen atypischen Fallgestaltungen zu versagen. Gerade im Internet lassen sich kaum feste Fallgruppen von Angebotstypen bilden, da unterschiedliche Inhalte beliebig kombiniert werden können und fortwährend neue Angebotsformen entstehen. Auch der Vorschlag, in Grenzfällen eine auf den Einzelfall bezogene Überprüfung des Relevanzaspektes vorzunehmen, hilft hier nicht weiter, da unklar ist, welche Maßstäbe anzulegen sind. Als wenig praktikabel erweist sich jedenfalls der Ansatz, einzelne Inhalte auf einen Zusammenhang mit Unternehmenszwecken oder mit einer beruflichen Betätigung hin zu überprüfen. Dies zeigt sich gerade am Beispiel von Waren- und Dienstleistungsangeboten im Internet und im Fernsehen: So ist es etwa beim Bücher- und Tonträgerverkauf im Internet üblich, dass den Kunden die Möglichkeit geboten wird, Rezensionen und Kommentare zu den einzelnen Artikeln zu verfassen, die dann zusammen mit dem eigentlichen Produktangebot auf der jeweiligen Internetseite erscheinen. Teilweise werden die Kundenrezensionen vom Verkäufer ausgewählt, teilweise werden sie aber auch ohne Prüfung ihrer Eignung zur Verkaufsförderung veröffentlicht. Auf diese Weise sind umfangreiche Archive entstanden, die von vielen Internetnutzern - oft auch unabhängig von einem Kauf - als Informationsquelle über Autoren und Musiker sowie ihre Werke genutzt werden. Ob die veröffentlichten Kritiken in „unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausübung eines 63

Hierzu näher C. II. 2. a) cc). Zum Schutz der Wirtschaftwerbung durch die Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit C. II. 2. a) cc) (3). 64

II. Materielle verfassungsrechtliche Vorgaben

Berufs oder dem Betrieb eines Unternehmens" stehen oder „Gegenstand der Berufsausübung oder des Unternehmenszwecks" sind, ist bei derartigen Angeboten unklar: Einerseits könnte man in den Vordergrund stellen, dass die Nutzerrezensionen im Regelfall insgesamt der Verkaufförderung und damit dem Unternehmenszweck dienen sollen. Andererseits ließe sich aber auch argumentieren, der Unternehmenszweck bestehe, wie bei klassischen Rundfunkangeboten, gerade auch in der Verbreitung der Rezensionen als für die öffentliche Meinungsbildung relevanten Informationen; dies gilt insbesondere dann, wenn durch die Bereitstellung der Rezensionen Werbeeinnahmen erzielt werden. Auf der Grundlage der von den Befürwortern des Relevanzmerkmals genannten Kriterien kann folglich nicht zweifelsfrei beantwortet werden, ob derart gestaltete Onlineshoppingangebote als „meinungsrelevant" im Sinne des Rundfunkbegriffs einzustufen sind. Auch bei Teleshoppingsendungen, die neben dem eigentlichen Produktangebot informierende oder unterhaltende Teile enthalten, ist eine Zuordnung nach Maßgabe der in der Literatur vorgeschlagenen Kriterien in vielen Fällen nicht möglich. So ist etwa unklar, ob eine Verkaufssendung für Reisen, in der die Zuschauer durch einen Filmbeitrag über die kulturelle und politische Situation in einem Reiseland informiert werden, nach den genannten Maßstäben als meinungsrelevant anzusehen ist. Wendet man das Kriterium des unmittelbaren Zusammenhangs mit unternehmerischen oder beruflichen Zwecken konsequent an, käme man womöglich zu dem Ergebnis, dass die Meinungsrelevanz eines von einem Teleshoppingsender ausgestrahlten Dokumentarfilms über ein bestimmtes Reiseziel dadurch „entfällt", dass während dieses Films regelmäßig die Nummer eines Reiseveranstalters eingeblendet wird, der Reisen in dieses Land anbietet, denn hierdurch wird ein direkter Bezug zu den unternehmerischen Zwecken des Teleshoppingsenders hergestellt. Ähnliche Überschneidungen zwischen unterschiedlichen Angebotstypen sind auch in anderen Bereichen anzutreffen. Sie zeigen, dass der bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten mit Hilfe einer typisierenden Betrachtungsweise unter Berücksichtigung des jeweiligen unternehmerischen und beruflichen Kontextes nicht Herr zu werden ist 6 5 . (b) Differenzierung

nach der Art der Darstellung

Auch nach einer weiteren Ansicht kommt dem Inhalt der übertragenen Darbietungen eine entscheidende Bedeutung für die Abgrenzung von rundfunkmäßigen und nicht rundfunkmäßigen Medienangeboten zu. Die Zuordnung einzelner Dienste zum Rundfunk soll jedoch dieser Ansicht zufolge nicht nach Maßgabe der Meinungsrelevanz oder des thematischen Gehalts vorzunehmen sein, sondern allein nach der Art der Darstellung: Neue Medienformen seien nur dann als „Rundfunk" zu qualifizieren, wenn sie Ton oder bewegte Bilder einsetzten, denn nur 65 So im Ergebnis auch Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 413, der eine typisierende Betrachtung für mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 GG unvereinbar hält.

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dann verfügten Medienangebote über ein Manipulationspotential, das dem des klassischen Rundfunks und Films vergleichbar sei 66 . Dieser Ansatz knüpft mithin an die herkömmliche Vorstellung von Rundfunk als Oberbegriff für Fernsehen und Hörfunk an, ohne sich dabei allerdings von vornherein auf die klassischen Formen des Verteildienst-Fernsehens und -Hörfunks zu beschränken. Auf den ersten Blick scheint eine Unterscheidung nach der äußeren Darstellungsform eine einfache Einordnung der verschiedenen Angebotsformen zu ermöglichen. Eine Differenzierung nach dem Gesichtspunkt, ob Bewegtbilder oder Töne eingesetzt werden, geht jedoch in Anbetracht der tatsächlichen Medienentwicklung ins Leere: Während Teleshoppingsendungen wie sämtliche Formen von Fernseh- und Hörfunksendungen nach dieser Differenzierung ohnehin stets als Rundfunk einzuordnen wären, müsste dies inzwischen auch für einen großen Teil der Internetangebote gelten 67 , obwohl die Verwendung von Bewegtbildern und Tönen bei vielen dieser Angebote nur von untergeordneter Bedeutung ist und nicht zu einem erhöhten Manipulationspotential führt. Anders als die klassischen Formen der Presse, des Rundfunks und des Films sind Internetangebote nicht durch eine einheitliche Darstellungsart geprägt. Während etwa die Presse auf eine Verwendung von Text, Fotos und Grafiken beschränkt ist und für Fernsehen und Film der Einsatz bewegter Bilder und Töne charakteristisch ist, zeichnen sich Internetangebote dadurch aus, dass sie die Darstellungsmittel Text und feste Bilder zwanglos mit animierten Bildern, Filmen und auch Tönen kombinieren 68. In welchem Umfang Bewegtbilder oder Töne eingesetzt werden und über welche Qualität diese verfügen, ist in das Belieben des Anbieters gestellt69. Die Möglichkeiten reichen von der Verwendung kleiner animierter Schaltflächen bis hin zur Ausstrahlung von Ganzbildschirmfilmen mit hoher Tonqualität. Inzwischen enthält ein großer Teil der verfügbaren Internetseiten in irgendeiner Form bewegte Bilder oder Töne. Da fast alle kommerziellen Internetangebote (auch) über Werbeeinnahmen finanziert werden, sind zum einen sogenannte Werbebanner weit verbreitet. Hierbei handelt es sich um virtuelle Werbeanzeigen, die in aller Regel aus animierten Bildsequenzen bestehen. Ferner werden insbesondere bei Internetauftritten, die der Präsentation von Unternehmen oder Produkten dienen, häufig aufwändige Animationen auf der Basis der sogenannten Flash-Technologie70 ein66 Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 452. Obwohl Determann sich nicht explizit dazu äußert, ob die beiden Elemente kumulativ vorliegen müssen oder ob ein alternativer Einsatz von Bewegtbildern und Tönen für ausreichend erachtet wird, ergibt sich aus der Bezugnahme auf die herkömmlichen Formen des Rundfunks, dass Letzteres gemeint sein muss. Andernfalls wäre nicht zu erklären, warum beim Hörfunk der Einsatz von Tönen für die Begründung der Rundfunkeigenschaft genügt. 67 Dies trifft zumindest für die hier relevanten Angebote des „World Wide Web" zu, welche über den Internetdienst Hypertext Transfer Protocol (HTTP) abrufbar sind. 68 Vgl. hierzu A. III. 2. b) aa). 69 Aufwändige akustische und visuelle Darstellungen können allerdings wegen der hierfür erforderlichen Datenmenge zu längeren Ladezeiten führen.

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gesetzt, wobei vor allem die Verwendung kurzer „Begrüßungsfilme" (sogenannter Flash-Intros) weit verbreitet ist. Diese Animationen sind in vielen Fällen mit Musik oder mit Geräuschen unterlegt. Auf zahlreichen Internetseiten können zudem Filme im Videoformat abgerufen werden, vielfach sind auch Fernsehprogramme in Ausschnitten oder sogar „in Echtzeit" 71 abrufbar. Klänge werden darüber hinaus auch unabhängig von bewegten Bildern eingesetzt. Während die Übertragung von Tönen bei Angeboten wie Internetradioprogrammen im Vordergrund steht, dienen Klangelemente im Übrigen oft nur als bloßes Beiwerk, das für eine Nutzung des eigentlichen Angebots entbehrlich ist. Letzteres ist auch darauf zurückzuführen, dass bei vielen Computern, insbesondere bei solchen in Büros, Rechenzentren oder Internet-Cafés, die Audiowiedergabe abgeschaltet ist oder gänzlich fehlt. Wie dieser kurze Blick auf die Einsatzformen von Tönen und bewegten Bildern bei Internetangeboten deutlich macht, lassen sich aus der Verwendung dieser Darstellungsmittel wegen der ganz unterschiedlichen Art und Intensität möglicher Verwendungen keine zwingenden Rückschlüsse auf das Manipulationspotential eines Angebots ziehen: Aus dem Umstand, dass beim Laden einer Internetseite, über die ausschließlich der Zugriff auf ein elektronisches Postfach gewährt wird, ein Geräusch ertönt, lässt sich nicht ableiten, dass diese Seite über ein höheres Manipulationspotential verfügt als z. B. die Internetausgabe eines Boulevardmagazins, die ohne Töne auskommt, aber stattdessen mit reißerischen Schlagzeilen und suggestiven Fotos aufwartet. Ebenso ist nicht ersichtlich, warum allein die Verwendung animierter Werbebilder auf einem Einkaufsportal die Rundfunkeigenschaft dieses Portals begründen sollte, obwohl der Charakter des Angebots hierdurch kaum verändert wird. Derartig unbefriedigende Ergebnisse, die mit einer formalen Anknüpfung an die Verwendung von bewegten Bildern und Tönen verbunden wären, ließen sich allenfalls durch eine einschränkende Auslegung der Begriffe „Bewegtbild" und „Ton" - etwa in Anlehnung an die traditionellen Formen des Rundfunks - vermeiden. Welche Maßstäbe insoweit anzuwenden wären, ist jedoch völlig offen, so dass mit erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten zu rechnen wäre. Ob bewegte Bilder, Töne oder andere Darstellungsmittel verwendet werden, kann für den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff daher nicht maßgeblich sein. (c) Verzicht auf inhaltliche Kriterien Verzichtet man dagegen, wie ein Teil der Literatur, im Rahmen des Rundfunkbegriffs gänzlich auf inhaltsbezogene Kriterien 72 , so entfallen zugleich sämtliche mit einer inhaltlichen Beurteilung verbundenen Abgrenzungsprobleme. Geht man 70 Vgl. hierzu A. III. 2. b) aa). 71 Zur Technik des sogenannten Streaming Video bereits A. III. 2. b) aa). 72 Vgl. C. II. 2. a) aa) (1).

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davon aus, dass alle audiovisuell wahrnehmbaren Inhalte „Darbietungen" im Sinne des Rundfunkbegriffs sind, so bedarf es keiner weiteren Präzisierung dieses Merkmals. Für einen Verzicht auf ein inhaltliches Element spricht mithin, dass der Rundfunkbegriff hierdurch deutlich an Trennschärfe gewinnen würde. Die Frage, ob es im Rahmen des Rundfunkbegriffs auf die Art der übermittelten Inhalte ankommt, kann allerdings abschließend erst im Lichte einer umfassenden Auslegung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG beantwortet werden 73.

(2) Präzisierung des Merkmals „Allgemeinheit" Als weiterer Anknüpfungspunkt für die grundrechtliche Zuordnung neuer Medienangebote bietet sich der Kreis der Adressaten der übermittelten Inhalte an. Wie ausgeführt, besteht Übereinstimmung darin, dass es sich beim Rundfunk um ein Medium der überindividuellen Kommunikation handelt und daher von Rundfunk nur gesprochen werden kann, wenn sich die dargebotenen Inhalte an die Allgemeinheit, also an einen unbestimmten Empfängerkreis richten 74 . Umstritten ist indes, inwieweit sich Konsequenzen für die Beurteilung der „Allgemeinheit" daraus ergeben, dass bei vielen modernen Medienangeboten Inhalte nicht wie bei klassischen Hörfunk- und Fernsehprogrammen einseitig an einen unbestimmten Adressatenkreis „verteilt" werden, sondern erst auf individuellen Abruf oder aber in der Form des Zugriffsdienstes übertragen werden. In Anknüpfung an die einfachgesetzliche Unterscheidung zwischen „Rundfunk" und „rundfunkähnlichen Kommunikationsdiensten" hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof Abruf- und Zugriffsdienste zur Übermittlung von Ton- und Bewegtbildsendungen nicht am Maßstab der Rundfunkfreiheit der Bayerischen Verfassung, sondern allein an jenem der Meinungsfreiheit gemessen und dies unter anderem damit begründet, dass für Abruf- und Zugriffsdienste „auch individuelle Züge charakteristisch" seien, der Rundfunk hingegen durch seine Eigenschaft als Massenkommunikationsmittel gekennzeichnet sei 75 . Auch in der Literatur wird vielfach Abruf- und Zugriffsdiensten mit Hinweis auf die „Segmentierung" und „Individualisierung" der Informationsbeschaffung die Zugehörigkeit zum Rundfunk abgesprochen76.

73 Siehe dazu C. II. 2. a) cc). 74 c. II. 2. a) aa) (2). 75 BayVerfGH AfP 1987, 394,407. 76 Bullinger, Kommunikationsfreiheit im Strukturwandel der Telekommunikation, S. 35; Degenhart, in: Dolzer/Vögel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 682, 702; Ferger /Junker, DÖV 1981, 439, 445; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation und Verfassung, S. 188; vgl. auch Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 68 ff.

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Hiergegen lässt sich jedoch einwenden, dass sich ein Angebot auch dann an die Allgemeinheit wendet, wenn es willentlich einem unbegrenzten Personenkreis lediglich zum Abruf bereitgestellt wird. Das Gleiche gilt für ein Angebot, das an eine beliebige Öffentlichkeit verteilt wird, aber erst auf den Zugriff des Rezipienten hin wahrnehmbar ist. Ob der tatsächliche Empfang von einer Abruf- oder Zugriffshandlung des Nutzers abhängig ist, hat für sich betrachtet nichts mit der Frage des Adressatenkreises zu tun. Auch bei Verteildiensten sind die übermittelten Inhalte nur wahrnehmbar, wenn sich der Rezipient entscheidet, das Empfangsgerät einzuschalten und den entsprechenden Sender einzustellen77. Welche Konsequenzen sich aus der besonderen technischen Funktionsweise von Abruf- und Zugriffsdiensten ergeben, wird daher von den meisten Autoren zu Recht nicht unter dem Gesichtspunkt der „Allgemeinheit" erörtert, sondern vielmehr im Zusammenhang mit der Frage, in welcher Weise Inhalte verbreitet werden müssen, damit von Rundfunk im verfassungsrechtlichen Sinne gesprochen werden kann. Die Diskussion über die grundrechtliche Einordnung von Zugriffs- und Abrufdiensten soll daher auch hier unter dem Gesichtspunkt einer Präzisierung des Merkmals „Verbreitung" dargestellt werden. Die Differenzierung zwischen den verschiedenen Telekommunikationsdiensten ist für das Merkmal der Allgemeinheit des Adressatenkreises gleichwohl nicht gänzlich ohne Bedeutung. In der Praxis wird die Allgemeinheit des Adressatenkreises bei Inhalten, die im Wege des Abrufdienstes übertragen werden, in der Tat häufiger zu verneinen sein als bei Verteil- oder Zugriffsdiensten: Während nämlich über Verteil- oder Zugriffsdienste übermittelte Inhalte an alle an das jeweilige Netz angeschlossenen Rezipienten stets in gleicher Form verbreitet werden, lassen sich per Abrufdienst übertragene Inhalte ganz oder in Teilen auf den einzelnen Nutzer abstimmen. So werden beim Abruf von Internetseiten stets auch Daten des Abrufenden übermittelt, an die der Inhalt der übermittelten Seiten dynamisch angepasst werden kann; etwa Informationen über die technische Ausstattung des Nutzers, unter anderem über das Betriebssystem, den verwendeten Browser, also das zur Darstellung der Internetinhalte verwendete Programm 78, oder über nachträglich installierte Browsererweiterungen, sogenannte „Plug-ins". Mit Hilfe eines auf dem Server abgelegten Programms können diese Informationen automatisch ausgewertet werden. Unter Berücksichtigung der technischen Ausstattung des Nutzers können dann die angebotenen Inhalte in unterschiedlichen Formaten ausgegeben werden, etwa als in der Universalsprache Hypertext Markup Language verfasste, für alle Browser lesbare „HTML-Version" oder als animierte „Flash-Version", die nur mit 77 Den Umstand, dass der Rezipient auch bei Verteildiensten eine Auswahlentscheidung zwischen einer Vielzahl von Programmen treffen muss, hebt auch das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 74, 297, 352 hervor. 78 Z. B. „Internet Explorer" oder „Netscape Navigator".

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einem um die Grafik-Software „Flash" erweiterten Browser angezeigt werden kann. Darüber hinaus bieten sich verschiedene Möglichkeiten, den Besucher einer Internetseite zu identifizieren und Informationen über seine Person und sein Nutzerverhalten zu erheben. Die sogenannte IP- (Internet-Protocol-) Nummer des Nutzers, die beim Abruf eines Angebots seinen exakten Standort in einem bestimmten Telekommunikationsnetz, seine „Netzwerkadresse", bezeichnet, ist zur Identifizierung der Nutzer nur bedingt geeignet, da sie in vielen Fällen dynamisch vergeben, also bei jeder Verbindung mit dem Internet neu zugewiesen wird, und im Übrigen bei der Nutzung eines Computers durch mehrere Personen als Identifizierungsmittel unbrauchbar ist. Zur persönlichen Identifizierung des Nutzers werden daher in der Regel sogenannte Cookies eingesetzt, kleine Textdateien, die beim Besuch einer Internetseite auf der Festplatte des Besuchers abgelegt werden, um Informationen über sein Nutzerverhalten auf dieser Seite zu dokumentieren. Bei einem Besuch der jeweiligen Internetseite werden diese Informationen vom Anbieter abgefragt und gegebenenfalls die zu übermittelnden Inhalte auf das aus der Cookie-Datei ersichtliche Nutzerprofil abgestimmt79. Wird ein Computer durch mehrere Personen genutzt, so lässt sich dieser Computer so konfigurieren, dass die empfangenen Cookies in einem persönlichen Ordner des jeweiligen Benutzers gespeichert werden. Auf diese Weise lässt sich für jeden Benutzer ein eigenes Profil erstellen. Der Einsatz von Cookies kann durch die Einrichtung geschützter Benutzerbereiche ergänzt werden, auf die ein Zugriff erst nach einer erfolgreichen Authentifizierung möglich ist. Da eine solche Authentifizierung in der Regel die Eingabe eines Benutzernamens und eines Passworts voraussetzt 80 und daher einen erhöhten Aufwand für die Nutzer mit sich bringt, werden solche geschützten Benutzerbereiche meist nur dann eingerichtet, wenn dies, wie beispielsweise bei individuellen E-Mail-Konten, wegen der Art des Angebots unabdingbar ist oder mit einem besonderen Vorteil, wie etwa einer Erleichterung des Bestellvorgangs oder einer Zugriffsmöglichkeit auf exklusive Angebote, einhergeht. Werden durch einen entsprechenden Einsatz der eben beschriebenen technischen Möglichkeiten die per Abrufdienst übermittelten Inhalte auf den Nutzer oder seine technische Ausstattung abgestimmt, so kann hierdurch unter Umständen die Allgemeinheit des Adressatenkreises entfallen 81.

79 Der Einsatz von Cookies lässt sich bei den gängigen Programmen zur Anzeige von Internetseiten (sogenannten Browsern) allerdings deaktivieren; zudem können Cookies jederzeit ohne großen Aufwand gelöscht werden. 80

Die Authentifizierung durch Chipkarten hat sich bisher noch nicht durchgesetzt. 81 Hierzu näher C. II. 2. a) dd) (2) (b).

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(3) Präzisierung des Merkmals „Verbreitung" Bei dem Versuch, taugliche Kriterien für die grundrechtliche Einordnung neuer Medienangebote zu erarbeiten, wurde in der Literatur das Hauptaugenmerk auf das Merkmal der „Verbreitung unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen" gerichtet. Dies betrifft allerdings weniger die Wege und Transportmittel, die zu einer Übertragung audiovisueller Inhalte genutzt werden. Insoweit wird die Rundfunkfreiheit dynamisch und entwicklungsoffen verstanden; es wird grundsätzlich jede - leitungsgebundene oder drahtlose - Übertragung von Inhalten durch „elektromagnetische Schwingungen" für ausreichend erachtet 82. Im Mittelpunkt der Diskussion steht vielmehr die Frage, ob der jeweils zur Informationsübertragung genutzte Telekommunikationsdienst eine bestimmte technische Struktur aufweisen muss, damit von „Rundfunk" gesprochen werden kann: Umstritten ist, ob neben einer Übermittlung von Inhalten mit Hilfe der klassischen Verteildiensttechnik auch die Übermittlung durch Zugriffs- und Abrufdienste unter den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff fallen kann. Das Problem der verfassungsrechtlichen Beurteilung von Zugriffs- und Abrufdiensten war schon im Vorfeld der Einführung des Btx-Teletextsystems Gegenstand mehrerer Stellungnahmen. Im Schliersee-Papier der Rundfunkreferenten der Länder aus dem Jahre 1975 wurde der Standpunkt vertreten, Abrufdienste seien nicht unter den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff zu fassen, da es bei ihnen an einer „Verbreitung" fehle 83 . Dagegen liege bei Zugriffsdiensten eine „Verbreitung" vor 84 . In dem 1979 veröffentlichten „Würzburger Papier" verzichteten die Rundfunkreferenten dann allerdings, auch vor dem Hintergrund der damals noch geringen Bedeutung von Zugriffs- und Abrufdiensten, auf eine verbindliche Zuordnung dieser Dienste und begnügten sich mit der Aussage, Abrufdienste und Zugriffsdienste könnten gegebenenfalls als Rundfunk zu qualifizieren sein, wenn sich die Zugriffs- oder Abrufmöglichkeit „praktisch wie ein Verteildienst auswirkt" 85 . Auch im Schrifttum überwog bei der Einführung des Btx-Systems die Ansicht, Abrufdienste seien generell nicht als „Rundfunk" im verfassungsrechtlichen Sinne zu qualifizieren. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass es bei Abrufdiensten an einer planmäßig vom Veranstalter einseitig gesteuerten, zeitgleichen Verbreitung von Darbietungen fehle und damit an der für das Massenmedium „Rundfunk" charakteristischen Wirkung auf den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung86. Bei Abrufdiensten könne der Nutzer zu jeder beliebigen Zeit auf 82 C. II. 2. a) aa) (3). 83 Schliersee-Papier, B II 1 b), abgedruckt bei Ring, Medienrecht, D-I, S. 2 f. 84 Schliersee-Papier, B II 1 b). 85 Würzburger Papier, A 4, abgedruckt bei Ring, Medienrecht, D-III, S. 2 f. 86 Bullinger, Kommunikationsfreiheit im Strukturwandel der Telekommunikation, S. 32; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 682; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation und Verfassung, S. 187 f.\

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die bereitgehaltenen Inhalte zugreifen und damit eine Auswahlentscheidung über die abzurufenden Informationen treffen. Aus diesem Grunde sei auch die Gefahr der Meinungsmanipulation, die typischerweise bei klassischen Hörfunk- und Fernsehprogrammen bestehe, bei Abrufdiensten weitaus geringer. Entsprechendes gelte auch für Zugriffsdienste, bei denen die Auswahlentscheidung über die (in wahrnehmbarer Form) empfangenen Inhalte ebenfalls zu einem Teil auf die Rezipienten übergehe. Das Bundesverfassungsgericht hat sich indes dagegen gewandt, Abruf- und Zugriffsdienste generell aus dem Rundfunkbegriff auszuklammern. In seiner Entscheidung zum Landesmediengesetz Baden-Württemberg hat das Bundesverfassungsgericht den von der Landesregierung vorgetragenen Standpunkt, die im Landesmediengesetz als „rundfunkähnlich" bezeichneten Dienste seien wegen ihrer Eigenschaft als Zugriffs- bzw. Abrufdienste kein „Rundfunk" im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, nicht akzeptiert: Damit sichergestellt sei, dass die Rundfunkfreiheit ihre normierende Wirkung in einer sich wandelnden Zukunft bewahren könne, gehe es nicht an, den Rundfunkbegriff auf Sachverhalte zu beschränken, die an eine bestimmte Technik anknüpften 87. Vielmehr hingen Inhalt und Tragweite verfassungsrechtlicher Bestimmungen auch von ihrem Normbereich ab, die Bedeutung verfassungsrechtlicher Begriffe könne sich bei Veränderungen in diesem Bereich wandeln88. Auf diese Erwägungen gestützt hat das Bundesverfassungsgericht in der Baden-Württemberg-Entscheidung ausgeführt: „Zur Gewährleistung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung bedarf es vielmehr der oben (I) dargestellten Schutzwirkungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auch bei den ,rundfunkähnlichen Kommunikationsdiensten'. Deren Einbeziehung in den Schutzbereich der Gewährleistung erscheint daher geboten, zumal die hier in Betracht zu ziehenden Dienste sich von herkömmlichem Rundfunk nicht wesentlich unterscheiden." 8 9

In der selben Entscheidung heißt es weiter: „Kein Unterschied zwischen den als »Rundfunk' und den als ,rundfunkähnliche Kommunikation' bezeichneten Sendungen besteht in den Punkten, die unter dem Blickwinkel des Art. 5 Abs. 1 GG allein entscheidend sein könnten: dem Inhalt der Sendungen und den am Kommunikationsprozeß Beteiligten. In beiden Fällen werden Sendungen gleichen Inhalts verbreitet; hier wie dort sind die Veranstalter und eine unbestimmte Vielzahl von Zuschauern oder Hörern beteiligt; hier wie dort trifft der Teilnehmer Auswahlentscheidungen durch Ein- und Ausschalten."90

In der Baden-Württemberg-Entscheidung wird somit deutlich, dass aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts der Unterscheidung zwischen Verteil-, Zugriffs- und 87 88 89 90

BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE

74, 297, 312. 74, 297, 350. 74, 297, 350 f. 74, 297, 352.

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Abrufdiensten keine entscheidende Bedeutung für den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff zukommt. Die entwicklungsoffene Konzeption der Rundfunkfreiheit, die dem Baden-Württemberg-Beschluss zugrunde liegt, hat das Bundesverfassungsgericht im Nordrhein-Westfalen-Urteil 91 bestätigt. In dieser Entscheidung bekräftigte das Gericht seinen Standpunkt, dass bei der Bestimmung des Rundfunks „nicht nur an eine bereits eingeführte Technik angeknüpft werden" dürfe: „Andernfalls könnte sich die grundrechtliche Gewährleistung nicht auf Bereiche erstrecken, in denen gleichfalls die Funktion des Rundfunks, wenn auch mit neuen Mitteln, erfüllt würde." 92

Wie das Bundesverfassungsgericht spricht sich auch ein Teil der Literatur gegen eine pauschale Ausgrenzung von Zugriffs- und Abrufdiensten aus dem Rundfunkbegriff aus 93. Die meisten Autoren neigen jedoch dazu, Abrufdienste weitgehend aus dem Rundfunkbegriff auszuklammern 94. Soweit der Ausschluss von Abrufoder Zugriffsdiensten hierbei allein damit begründet wird, dass es bei diesen Diensten an der erforderlichen Verbreitung durch den Veranstalter fehle, so kann dem entgegengehalten werden, dass von einer „Verbreitung" durchaus auch bei diesen Diensten gesprochen werden kann. Dies ist bei Zugriffsdiensten schon deshalb offenkundig, da hier der Übermittlungsvorgang wie bei klassischen Verteildiensten allein vom Willen des Anbieters abhängt. Auch bei Abrufdiensten bedarf es einer willentlichen Verbreitungshandlung des Anbieters, auch wenn diese erst auf einen Abruf des Nutzers hin erfolgt.

(4) Funktionaler Vergleich mit traditionellem Rundfunk Nach verbreiteter Ansicht ist der Versuch, der Rundfunkfreiheit durch begriffliche Präzisierungen auf der Grundlage des herkömmlichen Rundfunkverständnisses schärfere Konturen zu verleihen, zum Scheitern verurteilt. So wird der Standpunkt vertreten, die Grenzen zwischen den einzelnen Medienformen seien „vollends fließend" geworden; ein „Ausdefinieren des Rundfunkbegriffs" helfe in dieser Situation nicht weiter 95 . Zur Begründung wird unter anderem auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Bezug genommen. Dieses hat sich 91 BVerfGE 83, 238 ff. 92 BVerfGE 83, 238, 302. 93 So etwa Brand, Rundfunk im Sinne des Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG, S. 85 ff.; Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 413; Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 143. 94 Vgl. etwa Bullinger, Kommunikationsfreiheit im Strukturwandel der Telekommunikation, S. 35; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 628, 691 ff.; Ferger/Junker, DÖV 1981,439,445; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation und Verfassung, S. 188. 95 Hochstein, NJW 1997, 2977, 2978.

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nicht ausdrücklich auf einen bestimmten Rundfunkbegriff festgelegt, sondern vielmehr betont, dass sich der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verwendete Begriff „Rundfunk" nicht in einer „für allemal gültigen Definition" erfassen lasse96. Im Anschluss an die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Nordrhein-Westfalen-Urteil und in der Baden-Württemberg-Entscheidung wird vorgeschlagen, die grundrechtliche Beurteilung neuer Medienangebote daran auszurichten, ob diese an die Stelle traditioneller Medien treten und ihre gesellschaftlichen Funktionen übernehmen. In diesem Sinne wird auch von einem „funktionalen Rundfunkbegriff' gesprochen97. Schwierigkeiten bereitet jedoch die Frage, anhand welcher Kriterien die Feststellung getroffen werden kann, ob ein bestimmtes Angebot Funktionen des überkommenen Rundfunks übernimmt. Nach Vorschlägen in der Literatur soll es darauf ankommen, ob es sich bei dem jeweils in Rede stehenden Medienangebot um ein „Faktormedium" handelt oder um ein bloßes „Forumsmedium", das lediglich den Rahmen für Informations- und Äußerungswünsche beliebiger Teilnehmer bereitstellt, ohne diese Wünsche inhaltlich zu steuern 98. Ferner soll maßgeblich sein, in welcher Art und Weise neuartige Medienangebote durch die Rezipienten genutzt werden. Während etwa klassische Fernsehprogramme in Form des Verteildienstes überwiegend über das Fernsehgerät passiv in der Freizeit rezipiert würden (dies soll mit dem Begriff „Couch-Viewing" verdeutlicht werden), sei für viele neue Formen von Medienangeboten eine aktive Nutzung über den Computer, etwa im Zusammenhang mit der Ausübung einer Berufstätigkeit, kennzeichnend („Desk-Viewing") 99 . Ferner sollen auch äußerliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu beachten sein; unter anderem soll zu berücksichtigen sein, ob die Abrechnung pauschal erfolgt, wie dies typischerweise beim klassischen Rundfunk der Fall sei, oder nach der tatsächlichen Inanspruchnahme 100. Teilweise wird allerdings auch davon abgesehen, konkrete Leitlinien vorzugeben, und nur allgemein auf „Schutzgut und Schutzfunktion" 101 und den „Schutzzweck der Norm" 1 0 2 verwiesen. Gegen eine derartige funktionale Betrachtungsweise wird zu Recht eingewandt, dass sie gesellschaftliche Realitäten ohne Rücksicht auf den technischen Wandel und ohne eine politische Überprüfung zementiert 103 . Ein Rückgriff auf „überkom96 BVerfGE 73, 118, 121. 97 Vgl. Bullinger, JZ 1996, 385, 387; ders., AfP 1996, 1, 3; Hochstein, NJW 1997, 2977, 2978, Fn. 12; Hoffmann-Riem, AfP 1996, 9; Michel, ZUM 1998, 350, 353; vgl. auch VG Saarlouis, AfP 1995, 619, 623. 98 Bullinger/Mestmäcker, Multimediadienste, S. 58 f. 99 Bullinger/Mestmäcker, Multimediadienste, S. 25; Eberle, CR 1996, 193, 195. 100 Bullinger, JZ 1996, 385, 387. 101 Hochstein, NJW 1997, 2977, 2978. 102 Hochstein, NJW 1997, 2977, 2979. 103 Schoch, AfP 1998, 253, 254.

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mene" Funktionen des Rundfunks verbietet sich bereits deshalb, weil die Funktionen des klassischen Fernsehens und Hörfunks schon in der Vergangenheit einem Prozess stetiger Veränderung unterworfen waren. Eine funktionale Betrachtung würde daher nicht nur zukünftige Entwicklungen außer Acht lassen, sondern auch einer verlässlichen Grundlage in der Vergangenheit entbehren. Das Kriterium der „Funktion" des Rundfunks ist damit zur Beseitigung der bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten nicht geeignet 104 . Auch eine Anknüpfung an die Art und Weise der Rezeption hilft insoweit nicht weiter, da heute sowohl der Empfang von Fernsehsignalen über einen Computer als auch der Abruf von Internetseiten über das Fernsehgerät ohne größeren Aufwand möglich ist. Das Gleiche gilt für die Art der Abrechnung: Wie beim Fernsehempfang besteht auch beim Internetzugang seit längerem die Möglichkeit einer pauschalen Abrechnung 105 . Schließlich entbehrt auch die Unterscheidung zwischen „Faktormedien" und Forumsmedien" einer verlässlichen tatsächlichen Grundlage, da auch klassische Rundfunkformate wie etwa Diskussionssendungen häufig den Charakter eines öffentlichen Forums haben.

(5) Neue Medienangebote als Ergänzung klassischer Rundfunkprogramme Vor dem Hintergrund, dass neue Dienste vielfach von Veranstaltern klassischen Rundfunks und von Presseverlagen als zusätzliche Möglichkeit zur Übertragung von Medieninhalten genutzt werden, wurde weiterhin vorgeschlagen, bei der grundrechtlichen Beurteilung neuer Angebote darauf abzustellen, ob der jeweilige Anbieter zugleich ein traditionelles Medienangebot betreibt oder mit einem solchen Angebot organisatorisch in Verbindung steht. Soweit etwa Rundfunkveranstalter bestimmte Programmteile zusätzlich im Internet bereitstellen, sollen diese als Annex dem Rundfunk zuzuordnen sein 106 . Desgleichen sollen im Internet verbreitete Zeitungsartikel als Presse zu qualifizieren sein; in diesem Sinne wird häufig von „elektronischen Zeitungen" 107 oder „elektronischer Presse" 108 gesprochen. Teilweise wird dafür plädiert, den Annexgedanken auch auf solche Inhalte auszudehnen, die lediglich in unterstützender Weise auf ein Rundfunkprogramm oder ein Presseprodukt bezogen sind. So wurde seitens der Rundfunkanstalten in Bezug auf ihre eigenen Internetaktivitäten argumentiert, diese seien generell als Hilfstätigkeiten anzusehen, die zur Erfüllung des eigentlichen Programmauftrags erfor104 So auch Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 410 f.; Ring, ZUM 1998, 358, 360 f. i° 5 Sogenannte Flatrate. 106 Bullinger, JZ 1996, 385, 388; ähnlich ders., Kommunikationsfreiheit im Strukturwandel der Telekommunikation, S. 39 f.; Michel, ZUM 1998, 350, 353; vgl. auch Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 147 f. 107 Vgl. Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 45. los Eberle, CR 1996, 193, 197; Bullinger/Mestmäcker,

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derlich seien und deshalb dem Schutz der Rundfunkfreiheit unterfielen 109 . Insoweit lässt sich eine gewisse Parallele zu dem Begriff der Randnutzung feststellen, mit dem früher die Zulässigkeit des Werbefernsehens im öffentlich-rechtlichen Rundfunk begründet wurde 110 . Ob neue Medienangebote in einem Zusammenhang mit klassischen Rundfunkprogrammen oder Presseprodukten stehen, kann für den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff indes nicht entscheidend sein. Für die Mehrzahl der neuen Medienangebote ist dieser Ansatz bereits deshalb ungeeignet, weil es sich um eigenständige Angebote handelt, die in keiner Weise auf traditionelle Medien bezogen sind. Im Übrigen würde die grundrechtliche Beurteilung eines Angebots durch eine derartige Differenzierung in das Belieben der Anbieter gestellt: Über eine Tochtergesellschaft im Bereich der Printmedien wäre es beispielsweise für einen Rundfunkveranstalter ohne Weiteres möglich, die Qualifizierung seiner Internetangebote als „Presse" zu erreichen 111. Nicht ausgeschlossen ist zwar, dass Internetaktivitäten der Rundfunkanstalten zur Unterstützung des eigentlichen Programmauftrags dem Schutz der Rundfunkfreiheit zu unterstellen sind; dies bedeutet jedoch nicht notwendig, dass diese Aktivitäten selbst als Rundfunk im verfassungsrechtlichen Sinne zu qualifizieren wären.

(6) Verzicht auf eine Differenzierung zwischen einzelnen Medienformen Nach einer weiteren Auffassung soll Art. 5 Abs. 1 GG als einheitliches Grundrecht auf Kommunikationsfreiheit zu interpretieren sein 112 , womit sich eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Medienformen erübrigte. Die Annahme einer solchen „allgemeinen Kommunikationsfreiheit" verbietet sich allerdings schon deshalb, weil dadurch die vom Verfassungsgeber bewusst vorgenommene Differenzierung zwischen einzelnen Medienformen missachtet würde 113 .

(7) Zusammenfassung Wie die Darstellung der verschiedenen Ansätze für eine Weiterentwicklung des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs zeigt, erweisen sich sämtliche Vorschlä109 Siehe etwa Michel, ZUM 1998, 350, 354; kritisch Degenhart, ZUM 1998, 333, 336 ff. ho Siehe hierzu OLG München NJW 1958, 1298; Ipsen, DÖV 1974, 721 ff.; Maunz, DVB1. 1974, 1 ff.; zum Begriff der Randnutzung ferner Libertus, AfP 1992, 229 ff. in Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 412. 112 Bullinger, Kommunikationsfreiheit im Strukturwandel der Telekommunikation, S. 117; einschränkend ders., AfP 1996, 1,5; vgl. auch Gabriel-Bräutigam, Rundfunkkompetenz und Rundfunkfreiheit, S. 35. 113 So auch Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 426.

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ge, den Rundfunkbegriff unabhängig von den herkömmlichen Begriffsmerkmalen zu fassen, als nicht tragfähig. Die rechtswissenschaftliche Diskussion konzentriert sich daher zu Recht auf eine Präzisierung der klassischen Elemente des Rundfunkbegriffs. Hierbei geht es im Wesentlichen um zwei Aspekte: Zum einen ist fraglich, ob als „Darbietung" im Sinne des Rundfunkbegriffs nur solche Inhalte in Betracht kommen, die für die öffentliche Meinungsbildung relevant sind, und nach welchen Kriterien eine solche Relevanz zu beurteilen wäre. Zum anderen ist klärungsbedürftig, inwieweit Abruf- und Zugriffsdienste unter den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff fallen. Zu beiden Fragen hat sich bisher eine herrschende Meinung nicht herausgebildet. Eine grundrechtliche Verortung von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten ist ohne eine exakte Bestimmung des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs nicht möglich. Welcher Rundfunkbegriff der Untersuchung zugrunde zu legen ist, muss daher durch eine eigene Auslegung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ermittelt werden.

cc) Auslegung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Bei der Auslegung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird methodisch der klassische Kanon der grammatikalischen, historischen, systematischen und teleologischen Auslegung zugrunde gelegt, der im Grundsatz von Bundesverfassungsgericht und der herrschenden Lehre anerkannt ist 1 1 4 .

(1) Grammatikalische Auslegung Auch wenn gelegentlich darauf verwiesen wird, dass dem Wortlaut bei der Auslegung verfassungsrechtlicher Normen eine geringere Aussagekraft zukomme als bei der Interpretation einfachen Rechts 115 , so steht doch außer Frage, dass auch im Verfassungsrecht der Gesetzestext die Grundlage jeder Auslegung bildet. Bei einer Auslegung der Rundfunkfreiheit ist allerdings dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Verfassungsgeber bei der Schaffung des Grundgesetzes nicht in der Lage war, die Entwicklung der Medien in ihrer Dynamik vorherzusehen und zukünftigen Medienformen wie Internetangeboten bei der sprachlichen Fassung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG umfänglich Rechnung zu tragen. Es verbietet sich daher, zur 114 Soweit es zu einem Konflikt zwischen unterschiedlichen Verfassungsprinzipien kommt, greift das Bundesverfassungsgericht und die herrschende Lehre ferner auf die Grundsätze der praktischen Konkordanz zurück, BVerfGE 93, 1, 21 ff.; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 72 f.; Starck, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 164 Rn. 19. Funstellen noch mal weiter unten, Suchwort „praktische Konkordanz".) Vgl. hierzu etwa Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 12.

6 Kroymann

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Ermittlung des semantischen Gehalts des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG allein an überkommene Vorstellungen anzuknüpfen. Der Begriff Rundfunk, der im Grundgesetz nicht näher erklärt wird, setzt sich aus den Wortbestandteilen „rund" und „Funk" zusammen, die jeweils über einen eigenständigen Sinngehalt verfügen. Das Wort „Funk" leitet sich aus dem mittelhochdeutschen „vunken" ab, was so viel bedeutet wie „Funken von sich geben, blinken" 116 . In einem telekommunikationstechnischen Sinn wurde der Ausdruck Funk zunächst im Zusammenhang mit der Nachrichtenübermittlung durch Morseblinkzeichen verwendet; später wurde er als Bezeichnung für alle Formen der Informationsübermittlung durch elektrische oder elektromagnetische Wellen gebräuchlich. Auch wenn im allgemeinen Sprachgebrauch der Begriff Funk gewöhnlich nur die drahtlose Kommunikation bezeichnet, wird er zumindest als Bestandteil zusammengesetzter Begriffe ebenso für die drahtgebundene Informationsübermittlung gebraucht 117. Aus dem Wortbestandteil „rund" lässt sich schließen, dass die Übermittlung von Inhalten über eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung wie beim Richtfunk jedenfalls dann nicht den Anforderungen des Rundfunkbegriffs genügen kann, wenn die Inhalte ausschließlich über diese Verbindung übermittelt werden sollen. Nach dem Wortsinn ist vielmehr ein „Rundum-Funken" erforderlich, die Informationsübertragung muss also an einen weiten Kreis von Empfängern gerichtet sein. Unabhängig davon, ob sie auf der Technik des Verteil-, Zugriffs- oder Abrufdienstes beruhen, lassen sich neuartige Medienformen wie Internetangebote nach dem Sinngehalt des Wortes Rundfunk ohne Schwierigkeiten unter diesen Begriff fassen. Von einem „Rundum-Funken" kann - ohne der Sprache Gewalt anzutun auch dann gesprochen werden, wenn Inhalte erst auf Abruf elektromagnetisch verbreitet werden; dies gilt jedenfalls dann, wenn sie sich an eine beliebige Vielzahl von Empfängern richten. Eine Beschränkung auf Inhalte mit Relevanz für die öffentliche Meinungsbildung lässt sich aus der Bedeutung der einzelnen Wortbestandteile nicht ableiten. Beide Begriffselemente sind hinsichtlich der zu übermittelnden Inhalte neutral. Die Bedeutung des Begriffs Rundfunk erschöpft sich nicht in der Summe seiner Bestandteile. Mit diesem Begriff sind vielmehr bestimmte Vorstellungen verbunden, die unter anderem auch von der tatsächlichen Medienentwicklung geprägt worden sind. Insoweit ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Ausdruck Rundfunk im heutigen Sprachgebrauch keine große Rolle mehr spielt und meist nur aus historischen Gründen oder als Rechtsbegriff verwendet wird.

116

Vgl. Auberle (Red.), Duden: Herkunftswörterbuch, Begriff „Funken". So erfasst der Begriff Hörfunk nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auch Radioprogramme, die über das Kabelnetz übertragen werden. 117

II. Materielle verfassungsrechtliche Vorgaben

Der Begriff Rundfunk wird gemeinhin als Oberbegriff für Fernsehen und Hörfunk verstanden 118. Gerade die mit dem Wort „Fernsehen" verknüpfte Vorstellung hat sich dabei in den letzten Jahrzehnten stark verändert, unter anderem durch die Entwicklung des Farbfernsehens, die Zulassung des privaten Rundfunks und die Einführung von Spartenkanälen. Nachdem im allgemeinen Sprachgebrauch die Begriffe Fernsehen und Hörfunk ursprünglich in untrennbarem Zusammenhang mit einem Empfang durch herkömmliche, auf der Verteildiensttechnik beruhende Fernseh- und Radiogeräte standen, spielt heute aufgrund der zunehmenden Medienkonvergenz die Frage des Empfangsgeräts und des verwendeten Telekommunikationsdienstes nur noch eine untergeordnete Rolle. Dies belegen gängige Begriffe wie „Internetradio" und „Web-TV" 1 1 9 . In entsprechender Weise dürfte sich auch der Sprachgebrauch bezüglich des Rundfunkbegriffs erweitert haben. Als Rundfunk werden sämtliche Radio- und Fernsehsendungen ungeachtet ihres Inhalts bezeichnet, also auch solche Sendungen, deren Relevanz für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess zweifelhaft ist. Zwar mögen mit dem Begriff Rundfunk primär typische Darbietungsformen wie Nachrichten, Filme oder Unterhaltungsshows assoziiert werden; gleichwohl verliert eine Fernseh- oder Hörfunksendung nach allgemeiner Anschauung nicht allein wegen atypischer Inhalte ihre Eigenschaft als Rundfunk. Entsprechendes gilt bei einer Verwendung atypischer Darstellungsmittel: Auch wenn Fernsehbeiträge nur selten aus Text und unbewegten Bildern bestehen, ist unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs nicht davon auszugehen, dass eine im Fernsehen übertragene Sendung allein aufgrund eines Rückgriffs auf diese Darstellungsmittel nicht mehr als Rundfunk angesehen wird. Wegen der mittlerweile geringen Bedeutung des Begriffs Rundfunk lässt sich freilich kaum feststellen, ob nach allgemeinem Sprachgebrauch auch solche Internetangebote als Rundfunk bezeichnet werden, die äußerlich nur geringe Ähnlichkeiten mit herkömmlichen Fernseh- oder Radiosendungen aufweisen. Aus einem gegenteiligen Sprachgebrauch könnte ohnehin nicht ohne Weiteres auf die mangelnde Rundfunkqualität solcher Angebote geschlossen werden, da der gängige Sprachgebrauch gerade in Bereichen, die einem fortwährenden Wandel unterliegen, nur den Ausgangspunkt und nicht die Grenze der verfassungsrechtlichen Begriffsbestimmung bilden kann. Dies wird etwa beim verfassungsrechtlichen Pressebegriff deutlich, unter den nicht nur Zeitungen und Zeitschriften, sondern - anders als in der Sprache des täglichen Lebens - auch Schallplatten, Tonund Videokassetten und Datenträger gefasst werden 120 . 118

Anders verhielt es sich allerdings in der DDR, in der sich seit den sechziger Jahren der Sprachgebrauch dahingehend änderte, dass als „Rundfunk" nur noch der Hörfunk bezeichnet wurde, vgl. Herrmann, Rundfunkrecht, § 2 Rn. 11. 119 Mit diesen Begriffen wird der Abruf von Ton- bzw. Bewegtbildsendungen über das Internet bezeichnet. 6*

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(2) Historische Auslegung In den zwanziger Jahren wurde zwischen den Funksonderdiensten und den sonstigen Funkdiensten unterschieden. Während Funksonderdienste, wie der Polizeifunk und der Seefunk, speziellen Benutzergruppen vorbehalten waren, wurde bei den sonstigen Funkdiensten von einer Quelle aus an einen unbestimmten Empfängerkreis gesendet121. Zu den sonstigen Funkdiensten zählten Hörfunkund später auch Fernsehsendungen, aber auch die Telefonansagedienste der Reichspost122. Wie der Begriff der sonstigen Funkdienste wurde der von Hans Bredow geprägte Begriff „Rundfunk" ursprünglich als Gegenbegriff zu den Funksonderdiensten verwendet 123 . Eine gesetzliche Regelung des Rundfunks, die über rein fernmeldetechnische Fragen hinausging, fehlte zunächst124. Erst mit dem Streit über die Einrichtung eines Bundesrundfunkprogramms Anfang der sechziger Jahre wurde die Unterscheidung zwischen der Sendetechnik und dem Rundfunk als kulturellem Phänomen stärker in den Vordergrund gerückt 125 . Aus der insoweit vorgenommenen Unterscheidung zwischen einem „fernmelderechtlichen" und einem „kulturrechtlichen" Rundfunkbegriff 126 folgt allerdings nicht etwa, dass es zwei selbstständige Rundfunkbegriffe gäbe. Vielmehr soll durch diese Begriffe deutlich gemacht werden, dass der Tatbestand Rundfunk sich aus einem technischen und einem inhaltlichen Element zusammensetzt127. Der historische Gebrauch des Begriffs Rundfunk als Kontrastbegriff zu den Funksonderdiensten bestätigt das Ergebnis der grammatikalischen Auslegung, wonach von Rundfunk nur bei einer funktechnischen Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis gesprochen werden kann. Darüber, ob auch Zugriffs- und Abrufdienste vom Rundfunkbegriff erfasst sind, gibt die historische Auslegung dagegen keinen sicheren Aufschluss. Die ursprünglich parallele Behandlung von Hörfunk und Telefonansagediensten spricht jedoch 120 Statt vieler Degenhart, in: Dolzer/Vögel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 400 ff. 121 Vgl. die Verfügung des Reichspostministers 393/1926 vom 17. August 1926, Abi. S. 396 sowie die Verfügung des Reichspostministers 96/1930 vom 28. März 1930, Abi. S. 131. 122 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 36. 123 Vgl. OVG Münster, DÖV 1978, 519; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 678 f. 124 Hierzu BVerfGE 12, 205, 231. 125 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 36 unter Hinweis auf den Streit um das sogenannte Adenauer-Fernsehen, der zum Ersten Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 12, 205 ff., führte. 126 Vgl. BVerfGE 12, 205, 225 ff. 127 Vgl. Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 84; Lieb, Kabelfernsehen und Rundfunkgesetze, S. 31 ff., 53 ff.; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation und Verfassung, S. 46 f.

II. Materielle verfassungsrechtliche Vorgaben

eher dafür, den Rundfunkbegriff nicht auf eine bestimmte Übertragungstechnik zu beschränken. Der Umstand, dass die Verwendung des Begriffs Rundfunk zunächst an einen fernmeldetechnischen Sachverhalt anknüpfte, lässt sich schließlich gegen eine Maßgeblichkeit inhaltsbezogener Gesichtspunkte ins Feld führen: Da die Art der zu übermittelnden Inhalte aus fernmeldetechnischer Sicht ohne Bedeutung ist, wäre andernfalls mit der Unterscheidung zwischen dem Rundfunk im technischen Sinn, also dem Transportmittel, und dem Rundfunk als kulturellem Phänomen, dem transportierten Gut, zugleich eine qualitative Einschränkung des Rundfunkbegriffs verbunden gewesen, obwohl die Hervorhebung dieser Unterscheidung vornehmlich kompetenzrechtliche Gründe hatte 128 .

(3) Systematische Auslegung Art. 5 Abs. 1 GG schützt unterschiedliche Arten der Kommunikation. Während Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit praktisch unabhängig von der Art des verwendeten Kommunikationsmittels garantiert, schützt Satz 2 mit der Presse, dem Rundfunk und dem Film konkrete Medienformen. Der systematische Zusammenhang mit den bei der Schaffung des Grundgesetzes wichtigsten Massenmedien Presse und Film bestätigt zunächst den ohnehin unstreitigen Befund, dass es sich beim Rundfunk um ein Medium der überindividuellen Kommunikation handelt. Darüber hinaus stellt sich in systematischer Hinsicht vor allem die Frage, ob sich der grundrechtliche Schutz bei den anderen von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG besonders geschützten Medien auf solche Inhalte beschränkt, die über eine Relevanz für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung verfügen. Von besonderer Aussagekraft ist dabei der Vergleich mit der Pressefreiheit, da die Presse einen ähnlich starken gesellschaftlichen Einfluss wie der Rundfunk besitzt und insgesamt einen vergleichbaren Status hat. Wie das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt hat, "unterscheidet sich die Rundfunkfreiheit wesensmäßig nicht von der Pressefreiheit" 129. Auch wenn die Pressefreiheit im Wesentlichen auf solche Printprodukte abzielt, die einen Einfluss auf die politische Willensbildung haben 130 , ist inzwischen fast einhellig anerkannt, dass der grundrechtliche Schutz nicht von inhaltlichen Kriterien abhängt und insbesondere nicht die Behandlung bestimmter Themen voraussetzt 131 . Das Bundesverfassungsgericht hat den Schutz der Pressefreiheit unter

128 Siehe BVerfGE 12, 205 ff., insbesondere 236 f. 129 BVerfGE 35, 202, 222. 130 Vgl. BVerfGE 20, 162, 174 ff.

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Zustimmung der Literatur weit ausgedehnt und unter den Pressebegriff auch den Anzeigenteil einer Zeitung und reine Anzeigenblätter gefasst 132. Als Presse anerkannt sind auch Prospekte, die ausschließlich aus Wirtschaftswerbung bestehen133. Nicht nur der Inhalt eines Druckwerks ist demnach für die Eröffnung des Schutzbereichs der Pressefreiheit irrelevant; unerheblich ist auch, ob dieser Inhalt in einem wirtschaftlichen Kontext steht und ökonomischen Zwecken dient 134 . Auch bei der Filmfreiheit ist der Inhalt des Films für die Entfaltung des grundrechtlichen Schutzes unerheblich 135 ; insbesondere sind nach allgemeiner Auffassung auch Werbefilme vom Schutzbereich der Filmfreiheit erfasst 136. Der Vergleich mit den anderen von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Medienfreiheiten liefert mithin ein gewichtiges Argument gegen eine Berücksichtigung inhaltsbezogener Kriterien innerhalb des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs. Ginge man gleichwohl davon aus, dass als Rundfunk nur „meinungsrelevante" Inhalte in Betracht kommen, so spräche aus systematischer Sicht viel dafür, den Begriff der „Meinung" in gleicher Weise wie bei der ebenfalls von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Meinungsfreiheit zu interpretieren. Nach ganz überwiegender Ansicht wird indes die Frage, wann eine Äußerung als Meinung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu qualifizieren ist, unabhängig davon beurteilt, ob das Thema der jeweiligen Äußerung politischer, kultureller, wirtschaftlicher oder sonstiger Art ist. Nach der Rechtsprechung und der herrschenden Ansicht im Schrifttum unterfallen nicht zuletzt auch wertende Äußerungen im Rahmen der Wirt131 Siehe etwa BVerfGE 34, 269, 283; Bullinger, in: Löffler (Hrsg.), Presserecht, § 1 Rn. 70; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 403 ff.; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 128 f.; Kunig, Jura 1995, 589, 593; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 5 I, I I Rn. 72; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Rn. 60 (anders noch v. Mangoldt/Klein, GG, 2. Aufl., Art. 5 Anm. VI. 3, S. 245: nur politische, kulturelle und weltanschauliche Nachrichten und Stellungnahmen und sonstige sachliche Berichterstattung); Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 5 Rn. 31. 132 BVerfGE 21, 271, 278 f.; 64, 108, 114 f.; BVerfG NJW 1986, 1743; ebenso BGHZ 116, 47, 54; zustimmend etwa Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 404; Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 5 Rn. 32. 133 Degenhart, in: Dolzer/Vögel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 404. Lediglich Druckwerke ohne jeglichen Informationsgehalt wie etwa „nichtssagende Muster" werden aus dem Pressebegriff herausgenommen, vgl. Sedelmeier, in: Löffler (Hrsg.), Presserecht, § 7 Rn. 16. 134 So deutlich zuletzt BVerfGE 102, 347, 359 (Benetton), gegen BGH NJW 1995, 2468 (ölverschmierte Ente); 2490 (Kinderarbeit); 2492 (H.I.V. POSITIVE). 135 Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 901; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 200 ff.; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, Art. 5 Rn. 50; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 5 I, II Rn. 85; Starck, in: v. Mangoldt /Klein /Starck, GG, Art. 5 Rn. 152. 136 Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 901 mit Hinweisen auf Literatur und Rechtsprechung. Der thematische Gehalt kann allerdings für die Frage von Bedeutung sein, ob zusätzlich zur Filmfreiheit der Schutz der Kunstfreiheit zum Tragen kommt.

II. Materielle verfassungsrechtliche Vorgaben

schaftswerbung dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG 1 3 7 . Überträgt man diese Interpretation des Meinungsbegriffs auf das Erfordernis einer Relevanz für den individuellen und öffentlichen Mewwngsbildungsprozess, so ist fraglich, welche Bedeutung dem Relevanzmerkmal überhaupt noch zukommen kann: Da die öffentliche Meinungsbildung nicht nur durch Meinungsäußerungen, sondern auch durch Tatsachenmitteilungen beeinflusst wird, führt ein thematisch neutrales Verständnis des Relevanzkriteriums dazu, dass dieses letztlich bei allen erdenklichen Inhalten erfüllt wäre und daher keine Begrenzungsfunktion mehr hätte. Bei einer thematisch neutralen Fassung des Meinungsbegriffs kann insbesondere kein Zweifel daran bestehen, dass Unternehmens- und berufsbezogene Informationen, Börsenkurse und Wetterberichte, denen von den Befürwortern des Relevanzmerkmals die Rundfunkqualität abgesprochen wird, Grundlage der Meinungsbildung sein können. Legt man den Maßstab des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG auch dem Rundfunkbegriff zugrunde, wäre demnach das besondere Erfordernis der Meinungsrelevanz überflüssig. Die systematische Stellung der Rundfunkfreiheit spricht daher insgesamt für eine inhaltsneutrale Fassung des Rundfunkbegriffs. Dagegen gibt die systematische Auslegung wenig Aufschluss darüber, ob der Rundfunkbegriff neben Verteildiensten auch Abruf- und Zugriffsdienste erfasst. Für eine Einbeziehung von Abruf- und Zugriffsdiensten in den Rundfunkbegriff lässt sich allenfalls darauf verweisen, dass auch bei der Presse und beim Film eine zeitgleiche Rezeption der verbreiteten Inhalte nicht erforderlich ist.

(4) Teleologische Auslegung Gemeinsamer Zweck aller Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG ist nach allgemeiner Ansicht die Gewährleistung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung138. Der besondere Schutz von Presse, Rundfunk und Film durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG findet seine Begründung in der herausragenden Funktion dieser Medien im demokratischen Willensbildungsprozess; dies gilt gerade auch

137 BVerfGE 102, 347, 359; BGHZ 130, 105 ff.; 132, 12 ff.; BGH NJW 1995, 3182; BGH AfP 1997, 905, 907 (Politikerschelte); Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 25a; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 125 f.; Fezer, JZ 1998, 265, 268; Friauf/Höfling, AfP 1985, 249 ff.; Hoffmann-Riem, ZUM 1996, 1 ff.; Jarass, NJW 1982, 1833, 1834; v. Koller, Meinungsfreiheit und unternehmensschädigende Äußerung, S. 117 ff.; Lerche, Werbung und Verfassung; Schmidt-Jortzig, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI, § 141 Rn. 21; Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 5 Rn. 11. 138 Vgl. nur BVerfGE 12, 205, 260 f.; 57, 295, 319 f.; 83, 238, 295 f.; 87, 181, 197; Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 447; Gersdorf, Rundfunkfreiheit, S. 14; A. Hesse, Rundfunkrecht, 2. Kapitel Rn. 31; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 396; Lerche, Rundfunkmonopol, S. 34 f.; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 4 ff.; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 81 ff., 101. Zur individualrechtlichen Schutzrichtung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG C. II. 2. c) cc) (4).

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für den Rundfunk, dessen Wirkungsmacht und Manipulationspotential seit den Erfahrungen aus dem Dritten Reich im allgemeinen Bewusstsein besonders gegenwärtig sind. Unzutreffend wäre es indes, hieraus zu schließen, dass nur „politische" Inhalte im engeren Sinne, etwa die Behandlung von Themen, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Staatsorgane oder der politischen Parteien stehen, unter den Schutz der Rundfunkfreiheit fallen können. Ein solcher Schluss verbietet sich schon deshalb, weil kaum Inhalte vorstellbar sind, die a priori als „unpolitisch" zu qualifizieren wären. So ist der Kreis der Themen, die sich die am politischen Willensbildungsprozess Beteiligten zueigen machen können, nicht von vornherein eingeschränkt. Auch solche kulturellen und wirtschaftlichen Vorgänge und Sachverhalte, die nicht traditionell Gegenstand politischer Auseinandersetzungen sind, können für den Prozess der demokratischen Meinungsbildung Bedeutung erhalten 1 3 9 . Man wird deshalb kaum bestreiten können, dass eine freie demokratische Meinungsbildung nur möglich ist, wenn die am Prozess der gesellschaftlichen Kommunikation Beteiligten auch über die Themen der Kommunikation frei bestimmen können. Angesichts der Schwierigkeit, wenn nicht gar Unmöglichkeit, eine Unterscheidung zwischen „politischen" und „unpolitischen" Inhalten zu treffen, ist eine thematische Begrenzung des Rundfunkbegriffs abzulehnen140. Zwar ist die Frage, welche Nähe ein bestimmtes Thema zur Freiheit der demokratischen Willensbildung als objektivem Schutzzweck der Rundfunkfreiheit hat, nicht von vornherein der juristischen Beurteilung entzogen141. Es entspricht jedoch der freiheitssichernden Funktion der Grundrechte, ihren Schutzbereich nicht einengend, sondern im Zweifel weit zu fassen, und die Nähe eines Verhaltens zum Grundrechtskern erst auf der Ebene der Schrankenziehung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung oder bei der Herstellung praktischer Konkordanz zu berücksichtigen 142. Auch im Hinblick auf das als Teil des Rechtsstaatsprinzips verfassungsrechtlich geschützte Bestimmtheitsgebot spricht viel dafür, den Grundrechtstatbestand nicht mit kaum lösbaren Abgrenzungsschwierigkeiten zu belasten, sondern Differenzierungen der flexibleren Ebene der Eingriffsrechtfertigung zu überlassen. Nicht haltbar ist aus diesen Gründen jedenfalls die im Zusammenhang mit modernen Medienangeboten 13

9 Unabhängig hiervon ließe sich argumentieren, dass bereits die Ablenkung von im engeren Sinne politischen oder gesellschaftlichen Themen als politische Äußerung qualifiziert werden kann. 140 So schon BVerfGE 12, 205, 260; 31, 314, 326. 141 Siehe C. II. 2. d) cc) (2). 142 Zum Verhältnis von Grundrechtstatbestand und Grundrechtsschranken BVerfGE 30, 173, 191 (zur Kunstfreiheit); 32, 54, 72 f. (Einbeziehung von Geschäfts- und Betriebsräumen in den Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG); 85, 386, 397 (zum Fernmeldegeheimnis); Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 272 ff.; Dreier, in: ders., GG, Vorbemerkungen vor Art. 1 Rn. 79; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 228 f.

II. Materielle verfassungsrechtliche Vorgaben

aufgestellte Behauptung, Rundfunk sei als grundrechtliche „Ausnahme" 143 restriktiv zu interpretieren. Fraglich ist, wie in diesem Zusammenhang das in der Literatur vorgeschlagene Merkmal der „Meinungsrelevanz" beurteilt werden muss. Bei abstrakter Betrachtung spricht mit Blick auf den Schutzzweck des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nichts dagegen, solche Kommunikationsinhalte aus dem Rundfunkbegriff herauszunehmen, denen jegliche Relevanz für die Meinungsbildung fehlt. Bezieht man die Lebenswirklichkeit in die Betrachtung mit ein, erweist sich das Kriterium der Meinungsrelevanz zur Begrenzung des Rundfunkbegriffs jedoch als ungeeignet: Wie bereits im Rahmen der systematischen Auslegung angesprochen, wird die Meinungsbildung nicht nur durch Äußerungen beeinflusst, die eine ausdrückliche Stellungnahme enthalten. Allgemein anerkannt ist vielmehr, dass schon der Auswahl und der Gestaltung der zu übermittelnden Kommunikationsinhalte stets eine wertende Entscheidung zugrunde liegt, aufgrund derer die Meinungsbildung der Rezipienten in eine bestimmte Richtung gelenkt werden kann 144 . Es stellt sich daher die Frage, in welchen Fällen es überhaupt an einer Meinungsrelevanz von Medieninhalten fehlen kann. Der von den meisten Befürwortern des Relevanzkriteriums gewählte Ansatz, dieses Kriterium primär nach Maßgabe eines Zusammenhangs zu unternehmerischen und beruflichen Zwecken auszufüllen, führt bei näherer Betrachtung zu einer thematischen Begrenzung des Rundfunkbegriffs 145. Trotz ihres kommerziellen Charakters zielt etwa die Wirtschaftswerbung, zu der im weiteren Sinne auch Teleshopping- und Onlineshoppingangebote gehören, gerade darauf ab, ein positives Bild von den beworbenen Produkten zu vermitteln und die Meinungsbildung der Zuschauer in diesem Sinne zu beeinflussen. Der Ausschluss Unternehmens- und berufsbezogener Medienangebote aus dem Rundfunkbegriff kann seine Begründung daher nicht in einer fehlenden Meinungsrelevanz dieser Inhalte finden, sondern beruht wohl auf der (weithin zutreffenden) Annahme, dass die in diesen Medienangeboten behandelten Themen nur eine geringe Bedeutung für den demokratischen Willensbildungsprozess haben. Hierauf deutet auch der häufig parallel zum Begriff der Meinungsrelevanz verwendete konturlose Begriff der „publizistischen Relevanz" 146 hin. Wie zuvor dargelegt, verbietet sich jedoch eine thematische Einengung des Rundfunkbegriffs. Der unternehmerische und berufliche Zweck eines Medienangebots als solcher kann für die Zuordnung zur Rundfunkfreiheit ebenfalls nicht entscheidend sein. 143

So v. Bonin, Die Kontrolle digitaler Kommunikationsinhalte, S. 86 f. 1 44 BVerfGE 12, 205, 260; 31, 314, 326; 35, 202, 222; siehe femer BVerfGE 65, 1, 41 (Volkszählung); 85, 1, 15 (Kritische Aktionäre); Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 98, 100 f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 5 Rn. 47; Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 5 Rn. 9. us Vgl. C. II. 2. a) cc) (3). *46 Vgl. C.II. 2. a)aa)(l).

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Wie das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf herkömmliche Rundfunkprogramme zu Recht betont hat, liefe eine „Unterscheidung der Sendungen nach dem jeweils verfolgten Interesse oder der Qualität der Darbietung, ( . . . ) am Ende auf eine Bewertung und Lenkung durch staatliche Stellen hinaus, die dem Wesen dieses Grundrechts widersprechen würde" 147 . Als Zwischenergebnis kann daher festgehalten werden, dass auch unter teleologischen Gesichtspunkten die Meinungsrelevanz eines Medienangebots kein Merkmal des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs sein kann und ebenso wie das Thema und der Zweck des Medienangebots bei dessen grundrechtlicher Qualifikation außer Betracht bleiben muss. Nach dem Schutzzweck der Rundfunkfreiheit sind zudem unter den Rundfunkbegriff nicht nur Verteildienste, sondern auch Zugriffs- und Abrufdienste zu fassen, denn im Hinblick auf das grundrechtliche Schutzgut des freien gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozesses ist kein wesentlicher Unterschied zwischen diesen Diensten erkennbar. Es liegt auf der Hand, dass die täglich millionenfach abgerufenen Internetseiten des Nachrichtenangebots „Spiegel-Online" eine größere Nähe zum Prozess der demokratischen Willensbildung aufweisen als eine reine Unterhaltungsmusiksendung, die im Hörfunk oder im Fernsehen im Wege des Verteildienstes ausgestrahlt wird. Wie allein dieses Beispiel zeigt, ist für die gesellschaftliche Wirkung eines Medienangebots nicht die Übertragungstechnik, sondern die Art der übermittelten Inhalte entscheidend. Empirisch lässt sich dies mit der komplementären und zunehmend auch substitutiven Nutzung von Internetdiensten und klassischen Medien wie dem herkömmlichen Verteildienst-Rundfunk belegen 148 . Darüber hinaus verschwimmen allmählich die Grenzen zwischen Verteildiensten und Abrufdiensten. Dies zeigt sich insbesondere am Beispiel der sogenannten Push-Technologie149, bei der die Kommunikationsinhalte zwar auf Abruf übermittelt werden, der Abruf aber beim Nutzer ohne dessen Zutun automatisch initiiert wird 1 5 0 . Aufgrund der Push-Technologie ist es möglich, Informationsdienste zu abonnieren und dabei den Zeitplan der jeweiligen Übermittlungen vorab zu bestimmen. Auf diese Weise können sich Internetnutzer beispielsweise in regelmäßigen Abständen aktuelle Nachrichten, Wetterkarten oder Kurzfilme in Form von Bildschirmschonern übermitteln lassen. Da die Inhalte durch die entsprechenden Computerprogramme selbsttätig angefordert werden, ist wie bei Verteildiensten ein gezielter Abruf durch den Nutzer nicht erforderlich. Die Push-Technologie ermöglicht sogar den gleichzeitigen Versand identischer Inhalte an eine Vielzahl 147 BVerfGE 35, 202, 222 unter Verweis auf BVerfGE 25, 296, 307, wo es um den Schutz der Pressefreiheit ging. 148 Hierzu etwa Oehmichen/Schröter, Media Perspektiven 2002, 410 ff.; dies., Media Perspektiven 2002, 376,379. 149 „Push" (englisch für stoßen, drücken) im Gegensatz zu „pull" (englisch für ziehen). 150 Zu Push-Diensten Leupold, ZUM 1998, 99 ff.

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von Empfängern (sogenanntes Multicast-Verfahren 151); in diesem Fall ist kein nennenswerter Unterschied zur klassischen Verteildiensttechnik mehr feststellbar. Dass der jeweils verwendete Telekommunikationsdienst für die Qualifikation eines Angebots als Rundfunk nicht maßgeblich sein kann, wird vollends offenkundig, wenn man sich vor Augen hält, dass die meisten Radioprogramme und auch einige Fernsehprogramme heute zeitgleich und in ähnlicher Qualität einerseits im Wege des Verteildienstes im Äther, im Fernsehkabel und über Satellit und andererseits im Wege des Abrufdienstes im Internet übertragen werden (sogenannter Simulcast-Betrieb). Seit der flächendeckenden Verfügbarkeit von Breitbandzugängen zum Internet 152 lässt sich die Ablehnung der Rundfunkeigenschaft solcher Angebote auch nicht mehr darauf stützen, dass die bewegten Bilder „mit niedriger Auflösung und ruckelnd daherkommen" 153; eine Begründung, die ohnehin bereits deshalb angreifbar ist, weil Hörfunkprogramme, die unstreitig als Rundfunk im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu qualifizieren sind, im Internet schon seit vielen Jahren in guter Tonqualität übertragen werden können. Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff kann in technischer Hinsicht schließlich auch nicht mit dem Argument eingeengt werden, die durch das Bundesverfassungsgericht geprägte grundrechtliche Dogmatik zur Rundfunkfreiheit passe nicht auf Internetdienste, weil die hieraus erwachsenden Pflichten diese Dienste technisch, redaktionell und finanziell überforderten 154. Mit der freiheitssichernden Funktion der Grundrechte wäre es kaum zu vereinbaren, den Schutzbereich der Rundfunkfreiheit nicht aus sich heraus, sondern mit Blick auf mögliche verfassungsrechtliche Konsequenzen zu bestimmen, die sich aus einer bestimmten Fassung des Rundfunkbegriffs ergeben könnten. Weder der Vorschlag, den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff anhand von materiellen Kriterien wie dem thematischen Gehalt, der Meinungsrelevanz oder den wirtschaftlichen Zwecken eines Medienangebots zu bestimmen, noch der Vorschlag, diese Bestimmung anhand technischer Kriterien, namentlich anhand der Unterscheidung zwischen Verteil-, Zugriffs- und Abrufdiensten vorzunehmen, kann daher überzeugen. Wenn sich die genannten Kriterien bereits einzeln betrachtet nicht als tauglich erweisen, verbietet es sich konsequenterweise auch, den Rundfunkbegriff durch eine Kombination dieser Kriterien zu bestimmen 155 . Das hier gewonnene Ergebnis entspricht schließlich auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, obwohl mitunter gerade aus dieser Rechtspre151

Im Gegensatz hierzu werden die Inhalte beim „Unicast-Verfahren" an jeden Nutzer separat übermittelt. 152 Hierzu A. I. 3. 153 So im Jahre 1997 noch Hochstein, NJW 1997, 2977, 2980. 154 Vgl. v. Bonin, Die Kontrolle digitaler Kommunikationsinhalte, S. 86 f.; Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 408 f.; Weisser, ZUM 1997, 877 ff. 155 In diesem Sinne aber v. Bonin, Kontrolle digitaler Kommunikationsinhalte, S. 90 ff.

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chung eine Maßgeblichkeit der hier verworfenen Kriterien abgeleitet wird. Zunächst lässt sich den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht entnehmen, dass es auf die Meinungsrelevanz der jeweiligen Inhalte ankäme. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar immer wieder auf die besondere Wirkung des Rundfunks im Prozess der individuellen und öffentlichen Meinungsbildung hingewiesen, eine besondere Feststellung dieser Wirkung im Einzelfall jedoch nicht zu einem notwendigen Element des Rundfunkbegriffs gemacht 156 . Im Gegenteil hat das Gericht es allein als entscheidend angesehen, dass Sendungen „gleichen Inhalts" an eine unbestimmte Vielzahl von Rezipienten übermittelt werden; darüber hinaus hat es keine weiteren Anforderungen gestellt 157 . Unzutreffend ist insbesondere auch die Behauptung, das Gericht betrachte „interaktive Dienste" nicht als Rundfunk 158 . Aus der zur Begründung dieser Behauptung angegebenen „WDREntscheidung" des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1991 159 ergibt sich allein, dass diese Dienste nach Ansicht des Gerichts wegen ihrer damals „vergleichsweise geringen" Bedeutung für die Meinungsbildung „vorerst" nicht von der Aufgabe der Grundversorgung umfasst waren 160 . Gleichzeitig betont das Gericht jedoch, es könne „nicht ausgeschlossen werden", dass neue Kommunikationsdienste „künftig Funktionen des herkömmlichen Rundfunks übernehmen werden" 1 6 1 . Das Gericht geht also in dieser Entscheidung, wie schon in der BadenWürttemberg-Entscheidung 162, davon aus, dass es sich bei den neuen Diensten durchaus um Rundfunk handeln kann, wenn auch nicht um Rundfunk der herkömmlichen Art. Bereits in der Baden-Württemberg-Entscheidung hatte das Gericht eine Beschränkung des Rundfunkbegriff auf eine bestimmte Technik der Übertragung ausdrücklich abgelehnt163.

(5) Ergebnis der Auslegung Als Ergebnis lässt sich damit festhalten, dass unter den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff alle audiovisuellen Inhalte fallen, die elektromagnetisch übermittelt werden und an die Allgemeinheit, also an eine beliebige Öffentlichkeit gerichtet sind. Auf eine positive Feststellung der Meinungsrelevanz kann es ebenso 156 Nicht zutreffend sind etwa die Ausführungen Herrmanns, Rundfunkrecht, § 5 Rn. 33, der ohne nähere Begründung davon ausgeht, das Bundesverfassungsgericht sehe in der Rolle des Rundfunks als Medium und Faktor der öffentlichen Meinungsbildung zugleich ein „Definitionselement" des Rundfunkbegriffs. 157 Deutlich BVerfGE 74, 297, 352 158

So etwa Ricker/Schiwy, 159 BVerfGE 83, 238 ff. 160 BVerfGE 83, 238 , 302.

Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 73.

161 BVerfGE 83, 238 , 302 f. (Hervorhebung durch den Verfasser). 162 BVerfGE 74, 297 ff., insbesondere 352. 163 BVerfGE 74, 297, 312.

II. Materielle verfassungsrechtliche Vorgaben

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wenig ankommen wie auf den thematischen Gehalt oder den Zweck eines Medienangebots. Ohne Bedeutung für den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff ist auch die technische Struktur des jeweils verwendeten Telekommunikationsdienstes. Unter den Rundfunkbegriff können daher nicht nur jene Medienangebote fallen, die auf der Grundlage des Verteildienstes übermittelt werden, sondern auch solche, die auf der Technik des Abrufdienstes oder des Zugriffsdienstes beruhen.

dd) Zuordnung von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten zum Rundfunk (1) Darbietung (a) Teleshoppingangebote Gemäß dem Ergebnis der Auslegung von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, wonach alle audiovisuellen Inhalte ohne Rücksicht auf ihren Inhalt Rundfunk im verfassungsrechtlichen Sinne sein können, lassen sich sämtliche Arten von Teleshoppingangeboten einschließlich interaktiver Teleshoppingangebote ohne weiteres als „Darbietungen" im Sinne des Rundfunkbegriffs qualifizieren. Auch die Befürworter einer inhaltsbezogenen Interpretation des Darbietungsmerkmals nehmen an, dass es sich bei Teleshoppingsendungen regelmäßig um Darbietungen im Sinne des Rundfunkbegriffs handelt; ein Teil des Schrifttums verlangt allerdings, dass die jeweilige Teleshoppingsendung über die Informationen zu den angebotenen Waren oder Dienstleistungen hinaus meinungsbildende Elemente enthalten müsse 164 . Wegen der unterhaltenden Art der Berichterstattung seien hiernach als Darbietung zwar die gängigen Teleshoppingformen des Direct Response TV und des Informercials anzusehen165. Teleshoppingsendungen, in denen die angebotenen Produkte lediglich wie in einem „audiovisuellen Versandhauskatalog" präsentiert würden 166 , seien jedoch kein Rundfunk im verfassungsrechtlichen Sinn, da derartige Angebote „ausschließlich kommerziellen Zwecken" dienten und folglich nicht meinungsbildend wirkten 167 .

164 Vgl. Bultmann/Rahn, NJW 1988, 2432 f.; Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 167 ff.; Schroeder, ZUM 1994, 471, 476 ff.; Stettner/Tresenreiter, ZUM 1994, 669, 672 ff. 165 Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 168. Zu den Begriffen Direct Response TV und Informercial siehe A. III. 1. b) aa). 166 Z. B. Sendungen in Form des Video Mall, hierzu A. III. 1. b) aa). 167 Betzier, in: Dittmann/Fechner/Sander (Hrsg.), Der Rundfunkbegriff im Wandel der Medien, S. 161 f.; Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 167 ff.; Pieper/Wiechmann, ZUM 1995, 82, 91. Gleichwohl wird solchen Teleshoppingangeboten der Schutz der Rundfunkfreiheit nicht vollständig versagt. In ihrer Eigenschaft als Finanzierungsmittel des Rundfunks werden Teleshoppingsendungen - ohne Rücksicht auf die Frage, ob eine Darbietung im Sinne des Rundfunkbegriffs vorliegt - mittelbar dem Schutz von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG unterstellt, die innerhalb eines Voll- oder Spartenprogramms unter der rundfunkrechtlichen Verantwor-

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Wie bereits dargelegt, vermag diese Argumentation - ungeachtet der grundsätzlichen Bedenken gegen eine inhaltsbezogene Fassung des Rundfunkbegriffs 168 bereits deshalb nicht zu überzeugen, weil aus dem Zweck oder dem thematischen Gehalt eines Angebots nicht abgeleitet werden kann, ob dieses Angebot meinungsbildend wirken kann oder nicht 1 6 9 . Unklar wäre im Übrigen, wo die Grenzen zwischen „audiovisuellen Versandhauskatalogen" und Teleshoppingsendungen mit „zusätzlichen" meinungsbildenden Elementen verliefen, zumal es stets das Ziel des Anbieters sein wird, den Zuschauer in irgend einer Form zu unterhalten, um ihn für sein Angebot zu interessieren 170. So wäre beispielsweise zweifelhaft, ob sich an der grundrechtlichen Einordnung von Teleshoppingsendungen allein dadurch etwas ändern würde, dass die Vorstellung der Produkte mit leiser Hintergrundmusik unterlegt wird. Auf die Frage, inwieweit moderne Teleshoppingangebote mit direkter interaktiver Bestellmöglichkeit als Darbietung anzusehen sind, bleiben die Vertreter einer inhaltlichen Beurteilung weitgehend eine Antwort schuldig 171 . (b) Onlineshoppingangebote Fasst man wie hier den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff in inhaltlicher Hinsicht neutral, so folgt daraus, dass auch sämtliche Erscheinungsformen von Onlineshoppingangeboten „Darbietungen" im Sinne des Rundfunkbegriffs sind. Von den Befürwortern einer inhaltsbezogenen Interpretation des Rundfunkbegriffs wird demgegenüber die Rundfunkqualität von Onlineshoppingangeboten mit der Begründung verneint, dass es diesen wegen ihres kommerziellen Charakters an einer Relevanz für die Meinungsbildung fehle 172 . Gegen diese Sichtweise lassen sich jedoch die gleichen Einwände vorbringen wie gegen einen Ausschluss bestimmter Teleshoppingangebote aus dem Rundfunkbegriff 173 , denn zwischen Onlineshoppingangeboten und Teleshoppingangeboten tung des Rundfunkveranstalters ausgestrahlt werden, vgl. hierzu BVerfGE 74, 297, 342; 87, 181, 198; 90, 60, 90; siehe ferner Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 166. 168 Hierzu C. II. 2. a) cc) (4). 169 Siehe C. II. 2. a) bb) (1) (a). 1 70 Hiervon ist insbesondere deshalb auszugehen, weil sich die meisten Teleshoppingsendungen mit ihren Produkten direkt an die privaten Verbraucher richten, die - wie etwa ein Blick auf die Femseh- oder Kino Werbung zeigt - auf eine unterhaltende Art der Vermarktung besonders stark ansprechen. 171 Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 698 f., geht zwar offenbar davon aus, dass es sich bei allen Arten von Teleshoppingangeboten um „Darbietungen" handelt, lehnt aber die Rundfunkeigenschaft von interaktiven Teleshoppingkanälen mit der Begründung ab, es handele sich um Individualkommunikation. 172

Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 182; Ricker/Schiwy, 173 Hierzu C. II. 2. a) dd) (1) (a).

Rundfunkverfassungsrecht, S. 79.

II. Materielle verfassungsrechtliche Vorgaben

besteht in ihrer Wirkung auf die Meinungsbildung der Nutzer kein prinzipieller Unterschied: Beide Angebotsformen zielen in gleicher Weise darauf ab, die Einstellung der (potenziellen) Kunden zu den vorgestellten Waren oder Dienstleistungen in positiver Weise zu beeinflussen und sie dadurch zu einer Bestellung anzuregen; bei beiden Angebotsformen bietet sich in ähnlicher Weise die Möglichkeit, die Präsentation der Produkte in einer unterhaltsamen oder informierenden Weise zu gestalten, um dieses Ziel zu erreichen. Wie bei Teleshoppingangeboten ist daher in der Praxis der Versuch zum Scheitern verurteilt, zwischen „kommerziellen" und sonstigen meinungsrelevanten Inhalten von Onlineshoppingangeboten zu differenzieren. Insoweit sei zum einen nochmals auf das Beispiel des Bücher- und Tonträgerverkaufs im Internet hingewiesen, bei dem es den Nutzern vielfach ermöglicht wird, Rezensionen zu verfassen, die dann unmittelbar neben dem jeweils rezensierten Produkt wiedergegeben werden 174 . An diesem Beispiel wird besonders deutlich, dass kommerzielle Inhalte mit Inhalten der klassischen Rundfunk- und Presseberichterstattung bei Internetangeboten typischerweise zu einer unauflösbaren Einheit vermengt werden, deren Gesamtcharakter sich weder als rein kommerziell noch als rein „publizistisch" beschreiben lässt 175 .

(2) Allgemeinheit Die Frage, ob Teleshopping- und Onlineshoppingangebote zur überindividuellen Kommunikation gehören oder ob es sich um Angebote der Individualkommunikation handelt, kann nicht pauschal beantwortet werden. Ob sich ein Angebot an die Allgemeinheit richtet oder nicht, lässt sich nur mit Rücksicht auf die Beschaffenheit des jeweiligen Angebots und insbesondere auf seine konkrete technische Ausgestaltung feststellen. Im Ausgangspunkt erweisen sich die im Schrifttum vorgeschlagenen Kriterien zur Beurteilung der Allgemeinheit auch bei Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten als tragfähig: An der erforderlichen „beliebigen, unbestimmten Vielzahl von Empfängern" 176 fehlt es, wenn sich ein Angebot lediglich an eine homogene Gruppe von Rezipienten richtet, die durch gemeinsame persönliche Merkmale miteinander verbunden sind, auf welche das jeweilige Angebot gerade bezogen ist; hiervon ist insbesondere dann auszugehen, wenn der Veranstalter bestimmte Personen vom Zugang zu seinen Angeboten ausschließt, weil sie nicht Teil der homogenen Gruppe sind, die er ansprechen w i l l 1 7 7 .

174 Hierzu C. II. 2. a) bb) (1) (a). 175 Ausführlich zur Vermengung von „redaktionellen" und kommerziellen Inhalten im Internet Gummig, ZUM 1996, 573, 580 ff.; ferner Boehme-Neßler, ZUM 2001, 547, 553 f. 176 BVerfGE 74, 297, 352; Hoffmann-Riem, AfP 1996, 9, 10 f.; König, Die Teletexte, S. 26; Ory, ZUM 1995, 852, 853; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 35.

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(a) Teleshoppingangebote

Bei den heute im Fernsehen ausgestrahlten Teleshoppingprogrammen ist die Allgemeinheit des Adressatenkreises nach den oben genannten Grundsätzen durchweg zu bejahen. Unabhängig davon, ob Teleshoppingsendungen über terrestrische Frequenzen, Satellitensysteme, Fernsehkabelnetze oder andere Übertragungswege ausgestrahlt werden, ist das Bestreben der Anbieter normalerweise darauf gerichtet, eine möglichst große Zahl von Zuschauern für die präsentierten Produkte zu interessieren. Dies gilt umso mehr, als Teleshoppingsendungen vorwiegend zum Vertrieb von Massenprodukten an private Endkunden eingesetzt werden 178 . Eine gezielte Selektion der Zuschauer, etwa durch technische Zugangsbarrieren (sogenannter Conditional Access) oder durch die Nutzung geschlossener Übertragungsnetze, findet daher bei Teleshoppingsendungen praktisch nicht statt. Werden Teleshoppingangebote im Rahmen eines Fernsehprogramms gesendet, dessen Empfang nur gegen Entgelt möglich ist, so bedeutet dies noch nicht, dass die Allgemeinheit des Zuschauerkreises zu verneinen wäre. Hiervon kann vielmehr erst dann ausgegangen werden, wenn der entgeltliche Empfang des Programms einem Personenkreis vorbehalten ist, der sich aufgrund spezifischer persönlicher Merkmale von der Allgemeinheit abgrenzen lässt 179 . Auch interaktive Teleshoppingangebote, bei denen die Zuschauer die präsentierten Produkte im Wege des Abrufdienstes bestellen können, richten sich in aller Regel an die Allgemeinheit. Im Hinblick auf die eigentliche Teleshoppingsendung ergeben sich insoweit keine Unterschiede zu herkömmlichen Teleshoppingsendungen. Bei den „interaktiven" Bestandteilen dagegen, die auf der Technik des Abrufdienstes beruhen, handelt es sich der Sache nach um nichts anderes als um Onlineshoppingangebote, selbst wenn der Abruf nicht über das Internet erfolgt. Ob sich diese Inhalte an einen allgemeinen Adressatenkreis wenden, ist daher nach den für Onlineshoppingangebote maßgeblichen Grundsätzen zu beurteilen, die im Folgenden dargestellt werden. (b) Onlineshoppingangebote Auch Onlineshoppingangebote sind der überindividuellen Kommunikation zuzuordnen, soweit ihre Nutzung einem beliebigen Personenkreis offen steht. Der Umstand, dass die jeweiligen Inhalte erst auf den Abruf der Nutzer hin übermittelt werden, ändert nichts daran, dass sie sich an die Allgemeinheit richten 180 . 177 Siehe C. II. 2. a) aa) (2); Gersdorf, Rundfunkbegriff, S. 107; Brand, Rundfunk im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, S. 137 ff. 178 Siehe A. III. 3. 179 Siehe C. II. 2. a) aa) (2). 180 C. II. 2. a) bb) (2).

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Die verbreitete Auffassung, Internetangebote seien wegen der individuellen Art ihrer Nutzung generell der Individualkommunikation zuzuordnen 181, ist nicht haltbar. Sie verkennt, dass jeder freien Informationsbeschaffung die individuelle Entscheidung des Rezipienten vorausgeht, sich aus einer bestimmten Quelle zu informieren, und dass diese Entscheidung stets durch ein individuelles Handeln oder Unterlassen umgesetzt werden muss. Bei einer Nutzung des klassischen Verteildienst-Fernsehens und -Hörfunks trifft der Rezipient eine Entscheidung durch die Auswahl des Programms und der jeweiligen Sendung; diese Auswahl kann er dann jederzeit durch Um- oder Ausschalten revidieren 182 . Bei der Zeitungslektüre muss sich der Leser zunächst zum Kauf einer bestimmten Zeitung entschließen. Während der Lektüre wählt er dann in beliebiger Reihenfolge die Berichte aus, die ihn interessieren. Nicht nur bei Abrufdiensten, sondern auch beim klassischen Rundfunk und bei der Presse weist die Informationsbeschaffung mithin stets individuelle Züge auf. Das Kriterium der individuellen Nutzung ist daher für eine Abgrenzung zwischen individueller und überindividueller Kommunikation unbrauchbar. Entscheidend für die Abgrenzung kann allein die Frage sein, ob sich ein Informationsangebot nach dem Willen des Anbieters an die Allgemeinheit richtet. Gerade ihre Ausrichtung auf einen beliebigen Personenkreis verleiht der überindividuellen Kommunikation ihre besondere Wirkungsmacht als Faktor und Medium im gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozess; hierin liegt der wesentliche Unterschied zur reinen Individualkommunikation. Da den Onlineshoppinganbietern in der Regel daran gelegen ist, einen möglichst großen Kundenkreis anzusprechen, ist das Produktangebot der meisten Onlineshops für jedermann frei abrufbar. Es existieren jedoch auch Onlineshoppingdienste, deren Nutzung einem eingegrenzten Personenkreis vorbehalten ist. Derartige Einschränkungen finden sich insbesondere bei Angeboten, die ausschließlich dem Handel zwischen Wirtschaftsunternehmen dienen (sogenannte Business-to-Business- oder ,,B2B"-Plattformen). Auch bei Onlineshoppingseiten, die sich an Privatkunden richten (sogenannte Business-to-Consumer oder „B2C"-Angebote), ist eine (uneingeschränkte) Nutzung teilweise erst nach einer zum Teil kostenpflichtigen Registrierung oder Mitgliedschaft möglich. Der Umstand, dass ein Angebot nur für registrierte Kunden nutzbar ist, führt für sich betrachtet noch nicht zu einem Ausschluss der Allgemeinheit; entscheidend ist vielmehr, ob die Mitgliedschaft als solche jedermann offen steht oder nur einer

181 Vgl. etwa Bullinger, Kommunikationsfreiheit im Strukturwandel der Telekommunikation, S. 35; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 682, 691 ff.; Ferger/Junker, DÖV 1981, 439, 445; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation und Verfassung, S. 188. 182 Dabei stehen im Regelfall mindestens 30 Fernsehprogramme und eine noch größere Zahl von Radioprogrammen zur Auswahl. 7 Kroymann

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nach persönlichen Merkmalen von der Allgemeinheit abgrenzbaren Personen1 0-3

gruppe . Bei einigen Business-to-Business-Angeboten fehlt es hiernach an der Allgemeinheit des Adressatenkreises, da als Teilnehmer nur bestimmte Unternehmen - etwa Großhändler oder Zulieferer aus einer bestimmten Branche - akzeptiert werden. Bei den meisten Angeboten, deren Nutzung eine Registrierung voraussetzt, ist die Mitgliedschaft hingegen nicht an besondere Voraussetzungen geknüpft. Onlineshoppingangebote von Buchclubs oder privaten Einkaufsgemeinschaften 184 etwa sind regelmäßig der überindividuellen Kommunikation zuzurechnen, weil für sie keine besonderen Aufnahmebedingen gelten. Mit der Feststellung, dass die Nutzung eines Onlineshoppingangebots einem beliebigen Personenkreis offen steht, ist im Hinblick auf eine grundrechtliche Verortung dieses Angebots allerdings noch nicht allzu viel gewonnen. Der überindividuellen Kommunikation können nämlich nur solche Angebote ohne Weiteres zugeordnet werden, bei denen auf jeden Abruf hin die gleichen, von vornherein festgelegten Inhalte übermittelt werden. Dies ist aber bei vielen modernen Internetdiensten - und insbesondere auch bei den meisten Onlineshoppingdiensten - nicht uneingeschränkt der Fall, da bei diesen Angeboten der Quelltext, also der meist in der Internetsprache HTML (Hypertext Markup Language) verfasste Zeichensatz, der den Seiteninhalt bestimmt, dynamisch generiert, das heißt auf jeden Abruf hin neu errechnet wird. Je nach Einstellung des Programms, das diese Berechnung ausführt, kann es daher sein, dass sich der Inhalt der übertragenen Seiten von Abruf zu Abruf in Details oder auch grundlegend verändert; hierbei können auch die über den Nutzer verfügbaren Informationen mit berücksichtigt werden 185 . Einer Verwendung statischer, vorab definierter (HTML- oder anderer) Dokumente, die bei vielen anderen Arten von Internetauftritten durchaus zweckmäßig ist 1 8 6 , steht beim Interneteinkauf vor allem das Bedürfnis entgegen, die abgerufenen Seiteninhalte auf den jeweiligen Einkaufsvorgang und die Person des Nutzers abzustimmen. So setzt der bequeme Einkauf mit einem virtuellen Einkaufskorb, in den der Kunde die gewünschten Artikel mit einem Mausklick hineinlegen und aus dem er sie ebenso leicht wieder herausnehmen kann, eine dynamische Seitengestaltung voraus. Bei einer Beschränkung auf statische Internetseiten bleibt nur die Möglichkeit einer Bestellung per E-Mail oder mit Hilfe eines bei jedem Einkauf manuell auszufüllenden Formulars; diese Arten der Bestellung sind für Kunden und Anbieter mit einem deutlich höheren Zeitaufwand verbunden. Die dynamische Seitenerzeugung ermöglicht zudem ein automatisches Einlesen bereits gespeicherter Kundendaten in das Bestellformular sowie die automatisierte 183 Vgl. C. II. 2. a) aa) (2). 184 Sogenanntes Co-Shopping oder Powershopping. 185 Zu den unterschiedlichen Möglichkeiten, den Nutzer bei einem Abruf zu identifizieren und persönliche Informationen über ihn zu erheben C. II. 2. a) bb) (2). 186 Z. B. bei Nachrichtenseiten, Verzeichnissen und privaten Homepages.

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Einrichtung persönlicher Benutzerkonten mit Informationen zum Status der aktuellen Bestellungen und zu früheren Transaktionen. Darüber hinaus ist sie Voraussetzung für interaktive Hilfsmittel wie Suchfunktionen oder Kostenrechner, bei denen der Seiteninhalt in jedem einzelnen Fall erst auf Grundlage der vom Kunden eingegebenen Informationen und des aktuellen Datenbestands ermittelt werden muss. Ein weiterer Vorteil des dynamischen Seitenaufbaus wird schließlich in der Möglichkeit gesehen, die angebotenen Produkte oder andere Inhalte wie Werbeanzeigen auf die mutmaßlichen Interessen der Kunden abzustimmen und die Art der Darstellung der jeweiligen technischen Ausstattung der Kunden anzupassen. Ungeachtet der Vorteile einer dynamischen Inhaltserzeugung halten einige Onlineshops ihre Seiten in der Form vorgefertigter Dokumente auf dem Server bereit. In diesem Fall lassen sich die Angebote, soweit sie zur Nutzung durch einen beliebigen Personenkreis bestimmt sind, ohne weitere Erwägungen dem Bereich der überindividuellen Kommunikation zuordnen. Dies gilt auch dann, wenn die abrufbaren Dokumente im Laufe der Zeit aktualisiert werden. Zwar ändert sich dann der Inhalt der Seiten bei Abrufen zu unterschiedlichen Zeitpunkten; entscheidend ist aber der Umstand, dass sich jede Fassung ihrerseits an die Allgemeinheit wendet. Problematisch ist hingegen die Beurteilung der „Allgemeinheit" bei dynamisch generierten Internetseiten. Fraglich ist zunächst, ob allein der Umstand, dass bei jedem Abruf der Quelltext und damit der Seiteninhalt neu errechnet wird, zur Verneinung des Merkmals der „Allgemeinheit" führen kann. Hiergegen spricht, dass sich die technische Gestaltung nicht auf die inhaltliche Beschaffenheit eines Internetauftritts auswirken muss 187 . Führt der dynamische Seitenaufbau unabhängig von der Person des Nutzers stets zu den gleichen Ergebnissen, werden also beim Aufruf der jeweiligen Internetadresse und bei der Betätigung der zur Navigation angebotenen internen Hyperlinks 188 stets die gleichen Inhalte angezeigt, so ergeben sich aus Sicht des Nutzers keinerlei Unterschiede zu Internetseiten, die in Form vorab erstellter Dokumente bereitgestellt werden. Das Gleiche gilt, wenn die jeweils erzeugten Inhalte sich zwar im Laufe der Zeit ändern, die Änderungen jedoch für alle Nutzer in gleicher Weise wirksam werden. Bei einem großen Teil der derzeit existierenden Onlineshoppingauftritte werden die Seiten, die das eigentliche Angebot, also die Informationen zu den verfügbaren Waren und Dienstleistungen enthalten, bei jedem Abruf in der gleichen Weise präsentiert. Die Technik des dynamischen Seitenaufbaus wirkt sich bei diesen Angeboten in inhaltlicher Hinsicht lediglich dann aus, wenn der Kunde zusätzliche Elemente wie einen virtuellen Warenkorb oder ein Benutzerkonto verwendet. Bei einer solchen Gestaltung ist das Produktangebot als solches, das den wesentlichen Teil der Onlineshoppingangebote ausmacht, trotz des dynamischen Seitenaufbaus 187 Ein dynamischer Seitenaufbau kann auch aus Gründen von Vorteil sein, die nichts mit dem Inhalt der Internetseiten zu tun haben. So lassen sich Seiten, die auf größeren Datenbanken beruhen, mit Hilfe der dynamischen Seitengenerierung leichter aktualisieren. 1 88 Hierzu A. III. 2. b) aa). 7*

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an die Allgemeinheit gerichtet. An dieser Bewertung ändert sich auch dann nichts, wenn die Inhalte, unabhängig von der Person des Nutzers, automatisch aktualisiert werden: Wird z. B. der Verkaufsrang eines Artikels innerhalb des Gesamtsortiments angezeigt, so steht es der Allgemeinheit des Angebots nicht entgegen, wenn dieser bei jedem Seitenabruf neu ermittelt wird. Ungeklärt bleibt damit aber weiterhin die Frage, inwieweit Onlineshoppingangebote noch zur überindividuellen Kommunikation gehören, wenn ihre Inhalte auf den Nutzer abgestimmt werden. Geht man wie hier davon aus, dass sich ein Informationsangebot nur dann an die Allgemeinheit richtet, wenn es sich an eine Vielzahl von Personen wendet und diese Personen nicht durch persönliche Merkmale miteinander verbunden sind, so führt nicht jede Art der inhaltlichen Abstimmung auf den einzelnen Nutzer zur Verneinung eines allgemeinen Adressatenkreises. Die Zuordnung eines Onlineshoppingangebots zur Individualkommunikation setzt hiernach vielmehr eine qualifizierte Anpassung der dargebotenen Informationen auf persönliche Eigenschaften des Nutzers voraus, durch die er sich entweder als Individuum oder aber als Teil einer durch spezifische Merkmale verbundenen Gruppe von der Allgemeinheit abhebt. Dieser Befund bedarf in zweierlei Hinsicht der Präzisierung. Zum einen kann die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe nur dann eine hinreichende Individualisierung bewirken, wenn diese Gruppe sich anhand der sie konstituierenden Merkmale klar von der Allgemeinheit unterscheiden lässt, in ihrer Mitgliederzahl eng begrenzt ist und über einen gewissen inneren Zusammenhalt auf Grundlage der gemeinsamen Merkmale verfügt. Demgemäß führt etwa die Anknüpfung an das Geschlecht, ein bestimmtes Interessengebiet, die Nationalität oder den Wohnort der Nutzer für sich genommen noch nicht zu einem Individualisierungsgrad, der den Tatbestand der überindividuellen Kommunikation entfallen ließe. Zum anderen muss sich die inhaltliche Anpassung des Angebots an die Person des Abrufenden auf wesentliche Teile des Angebots auswirken. Für einen Ausschluss eines Angebots aus der überindividuellen Kommunikation kann es nicht genügen, dass individuelle Merkmale des Nutzers nur bei Elementen von untergeordneter Bedeutung berücksichtigt werden. So würde man die Zugehörigkeit einer Zeitschrift zur Presse und damit zur überindividuellen Kommunikation nicht allein deshalb negieren, weil diese Zeitschrift ihre Abonnenten in einem Grußwort mit ihrem Namen anspricht. Nach Maßgabe dieser Kriterien ist im Einzelnen wie folgt zu differenzieren: Soweit die beim Abruf eines Onlineshoppingangebots übermittelten Inhalte oder ihre Darstellung an die technische Ausstattung des Abrufenden angepasst werden, genügt dies noch nicht zu einer Verneinung der Allgemeinheit: Die technischen Merkmale des verwendeten Computersystems allein bewirken noch keine Individualisierung des Nutzers, da es sich hierbei nicht um persönliche Eigenschaften des Abrufenden handelt. Zudem ist die Zahl der unterschiedlichen Versionen eines Angebots, die an technische Kriterien anknüpfen, in der Regel gering 189 . Ebenso

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fehlt es an einer hinreichenden Individualisierung, wenn auf Grundlage der Informationen über die Spracheinstellungen des Browsers 190 der Seiteninhalt in der mutmaßlich passenden Sprachfassung übermittelt wird. Bei Onlineshoppingangeboten, deren Inhalte mit Hilfe von Cookies 191 , passwortgeschützten Benutzerbereichen oder vergleichbaren Mechanismen auf das Verhalten oder persönliche Eigenschaften des jeweiligen Kunden abgestimmt werden, muss anhand von Art und Umfang der dynamisch gestalteten Inhalte festgestellt werden, ob aufgrund der berücksichtigten Merkmale ein hinreichender Grad der Individualisierung erreicht wird. Legt der Kunde eine bestimmte Auswahl von Produkten in den Warenkorb, so wird in der Regel davon auszugehen sein, dass er bereits durch die Art der Zusammenstellung deutlich von der Allgemeinheit abgrenzbar ist. Soweit der Inhalt des Warenkorbs angezeigt wird, ist daher die Allgemeinheit des Adressatenkreises zu verneinen. Das Gleiche dürfte bei interaktiven Hilfsmitteln wie Suchfunktionen oder Kostenrechnern, bei denen der Nutzer eine bestimmte Anfrage in ein Formular eingibt, für das Ergebnis der Anfrage gelten, soweit dieses Ergebnis auf die spezifische Anfrage hin neu generiert wird. Führt dagegen eine Anfrage unmittelbar zum Aufruf einer thematisch einschlägigen Unterseite des Onlineshoppingangebots, fehlt es an einer Individualisierung. Das sogenannte Einloggen in einen geschützten Benutzerbereich, also die persönliche Anmeldung am System des Anbieters, führt noch nicht notwendig zu einer Individualisierung der übermittelten Inhalte. Werden allerdings persönliche Nutzerdaten, Einzelheiten zu Transaktionen oder andere ausschließlich für den Nutzer zugängliche Informationen abgefragt, so ist insoweit die Allgemeinheit des Adressatenkreises zu verneinen. Schwierigkeiten bereitet die Abgrenzung zwischen individueller und überindividueller Kommunikation bei solchen Onlineshoppingauftritten, bei denen - meist durch den Einsatz von Cookies - ein persönliches Kundenprofil erstellt wird und die Produktdarstellungen oder andere Inhalte auf dieses Profil abgestimmt werden. Dieses als „Personalisierung" bezeichnete Verfahren gilt als besonders zukunftsträchtig, da hierdurch aus dem vormals anonymen Besucher ein identifizierbarer Kunde wird, dessen Bedürfnisse sich gezielt befriedigen lassen 192 . Anders als in den zuletzt genannten Fällen, in denen sich nur einzelne, von den Kunden bewusst übermittelte individuelle Merkmale und Umstände auf den jeweiligen Seiteninhalt auswirken, wird bei der Personalisierung das gesamte Verhalten des Nutzers ana189 In den meisten Fällen wird nur geprüft, ob ein bestimmtes Plug-in oder ein anderes Programm zur Verfügung steht oder nicht; dementsprechend werden nur zwei unterschiedliche Versionen angeboten. 190 Vgl. C. II. 2. a) bb) (2).

191 Hierzu C. II. 2. a) bb) (2). 192 Kolb, Financial Times Deutschland vom 8. November 2001, S. 33.

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lysiert, insbesondere auch sein sogenanntes Klickverhalten, also die Art und Weise, wie er sich innerhalb des Internetangebots bewegt. Durch spezielle Softwaresysteme wird anhand dieses Verhaltens ein Interessenprofil des Nutzers erstellt und mit dem Produktangebot oder den sonstigen verfügbaren Inhalten abgeglichen (sogenanntes Matchmaking). Auf der Grundlage dieses Abgleichs werden dann die für den Kunden vermeintlich relevantesten Informationen herausgefiltert und diesem bei der weiteren Nutzung des Onlineshoppingangebots verfügbar gemacht 193 . Klare Grenzen zwischen individueller und überindividueller Kommunikation lassen sich bei derartigen Onlineshoppingangeboten kaum festlegen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Einsatz von Benutzerprofilen erst dann zu einer wirklichen Individualisierung der einzelnen Nutzer führt, wenn diese Profile auf einer ausreichenden Anzahl aussagekräftiger Informationen beruhen und wenn die übermittelten Inhalte tatsächlich in jedem Einzelfall auf diese Informationen zugeschnitten werden. Wird dagegen anhand der Benutzerprofile lediglich zwischen mehreren vorher festgelegten Angebotstypen ausgewählt, so handelt es sich in aller Regel bei jedem dieser Angebotstypen um überindividuelle Kommunikation, denn aufgrund des Nutzerverhaltens kann im Regelfall nicht zweifelsfrei auf die Zugehörigkeit des Nutzers zu einer von der Allgemeinheit abgrenzbaren homogenen Gruppe geschlossen werden. Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn sich die Differenzierung auf persönliche Angaben des Nutzers zu seiner Person stützt, aus denen die Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe klar hervorgeht, etwa auf Informationen zu Beruf oder speziellen Interessengebieten. Erforderlich ist darüber hinaus, dass sich die inhaltliche Anpassung auf wesentliche Teile der jeweiligen Seite des Onlineshoppingangebots auswirkt und nicht nur Elemente von nachrangiger Bedeutung betrifft. Um beurteilen zu können, ob dies der Fall ist, muss zunächst der inhaltliche Schwerpunkt der betreffenden Seite ermittelt werden. Bei Onlineshoppingangeboten liegt dieser regelmäßig auf der Präsentation der verfügbaren Waren und Dienstleistungen. Soweit die Informationen über das Produktangebot auf individuelle Merkmale des Nutzers zugeschnitten werden, ist daher die Allgemeinheit des Adressatenkreises zu verneinen. Wirkt sich dagegen die Individualisierung nur auf untergeordnete Elemente der jeweiligen Internetseite aus, wird beispielsweise nur die Art der eingeblendeten Werbeanzeigen auf den Kunden ausgerichtet, so genügt dies noch nicht für eine Zuordnung dieser Seite zur Individualkommunikation.

(3) Verbreitung unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen Das Erfordernis einer Verbreitung unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ist bei allen Erscheinungsformen von Teleshopping- und Online193Kolb, Financial Times Deutschland vom 8. November 2001, S. 33.

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shoppingangeboten erfüllt. Sowohl Teleshopping- als auch Onlineshoppingangebote bedienen sich elektromagnetischer Schwingungen, unabhängig davon, ob sie leitungsgebunden oder drahtlos an den Rezipienten übermittelt werden. Nach dem hier vertretenen Standpunkt ist es für das Merkmal der „Verbreitung" unerheblich, ob die Angebote auf der Technik des Verteil-, Zugriffs- oder Abrufdienstes beruhen 194 . Demgemäß werden nicht nur im klassischen Fernsehen ausgestrahlte Teleshoppingsendungen im Sinne des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs „verbreitet", sondern auch Onlineshoppingangebote und interaktive Teleshoppingangebote, die erst auf den Abruf des Nutzers hin übertragen werden. Wie gezeigt wurde, ist die im Schrifttum anzutreffende abweichende Sichtweise nicht mit dem Schutzzweck des Art. 5 Abs. 1 GG vereinbar 195 .

(4) Zusammenfassung Sämtliche Teleshopping- und Onlineshoppingangebote sind „Darbietungen" im Sinne des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs. Die heute in Deutschland verbreiteten Formen von Teleshoppingangeboten richten sich durchweg an die „Allgemeinheit". Für Onlineshoppingangebote gilt dies, soweit ihre Nutzung einem beliebigen Personenkreis offen steht und die bereitgehaltenen Inhalte an alle Nutzer in gleicher Form übermittelt werden. Dass die Nutzung der Angebote von einer kostenlosen oder kostenpflichtigen Registrierung oder Mitgliedschaft abhängig gemacht wird, ändert hieran nichts, solange diese nicht einem aufgrund gemeinsamer Merkmale von der Allgemeinheit abgrenzbaren Personenkreis vorbehalten ist. An der Allgemeinheit des Adressatenkreises kann es fehlen, wenn die übermittelten Inhalte dynamisch erzeugt und auf die Person des Nutzers abgestimmt werden. Bei derartigen Angeboten kann die „Allgemeinheit" aber nur entfallen, wenn die Informationen, die als Grundlage für die inhaltliche Abstimmung dienen, eine hinreichende Individualisierung des Nutzers bewirken, und darüber hinaus nicht nur Werbeeinblendungen, sondern wesentliche Teile des Angebots auf die Person des Nutzers ausgerichtet werden. Sowohl Teleshopping- als auch Onlineshoppingangebote werden unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen verbreitet.

194 Siehe C. II. 2. a) bb) (3) und C. II. 2. a) cc). 195 Siehe C. II. 2. a) cc).

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b) „Berichterstattung" aa) Unbeachtlichkeit des Wortes „Berichterstattung" nach der herrschenden Meinung Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG schützt seinem Wortlaut nach die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind mit der Verwendung des Wortes „Berichterstattung" jedoch keinerlei Folgen für die Reichweite des grundrechtlichen Schutzes verbunden; dies hat das Gericht im Lebach-Urteil ausdrücklich klargestellt: „Trotz der engeren Fassung des Wortlauts („Berichterstattung") unterscheidet sich die Rundfunkfreiheit wesensmäßig nicht von der Pressefreiheit; sie gilt in gleicher Weise für rein berichtende Sendungen wie für Sendungen anderer Art. Information und Meinung können ebensowohl durch ein Fernsehspiel oder eine Musiksendung vermittelt werden wie durch Nachrichten oder politische Kommentare; jedes Rundfunkprogramm hat schon durch die getroffene Auswahl und die Gestaltung der Sendung eine bestimmte meinungsbildende Wirkung." 196

Dieses Verständnis korrespondiert mit der weiten Interpretation des Rundfunkbegriffs im Ersten Fernsehurteil 197, die bei einer restriktiven Auslegung des Wortes „Berichterstattung" nicht zum Tragen kommen könnte. Auch im Schrifttum hat sich inzwischen allgemein die Auffassung durchgesetzt, dass aus dem Merkmal der „Berichterstattung" keine Einschränkung der inhaltlichen Reichweite der Rundfunkfreiheit abzuleiten ist 1 9 8 ; in den meisten Abhandlungen über die Rundfunkfreiheit fehlt jegliche Erwähnung dieses Merkmals. Ganz überwiegend wird die Rundfunkfreiheit damit als umfassende Programmfreiheit verstanden, die nicht nur die Auswahl der dargebotenen Inhalte, sondern auch die Entscheidung über die Art und Weise der Darstellung und die Bestimmung der jeweiligen Sendeform erfasst 199.

196 BVerfGE 35, 202, 222. 197 BVerfGE 12, 205, 260. 198 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 51 ff.; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 50 ff. 199 Ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, siehe BVerfGE 35, 202, 222; 73, 118, 152; 77, 65, 74; 83, 238, 295 f.; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 733 ff.; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 201 f.; Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, S. 156; Scheuner, Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit, S. 25; ders., VVDStRL 22 (1965), 1, 64; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation und Rundfunkfreiheit, S. 149 ff.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 100 ff.; Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 5 Rn. 44. Vgl. aber auch BVerfGE 54, 129, 136 ff.; 54, 208, 219 ff.; 85, 1, 11 f.; 86, 122, 128 zum Verhältnis zwischen Rundfunkfreiheit und Meinungsfreiheit, siehe hierzu C. II. 4. aa).

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bb) Beschränkung des grundrechtlichen Schutzes auf reine Tatsachenmitteilungen nach der Gegenauffassung Mit Hinweis auf das Merkmal der Berichterstattung war dagegen ursprünglich ein beachtlicher Teil der Literatur davon ausgegangen, der Schutz der Rundfunkfreiheit komme nur Tatsachenmitteilungen, nicht aber Meinungsäußerungen zugute 200 . Spätestens seit der Lebach-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts galt dieser Standpunkt jedoch als überholt 201 . Zuletzt wurde das Merkmal der „Berichterstattung" allerdings wieder in den Blickpunkt gerückt und mit erheblichem Begründungsaufwand erneut vorgetragen, dem Schutz der Rundfunkfreiheit unterfielen ausschließlich Tatsachenmeldungen 202 . Da es für die Reichweite des grundrechtlichen Schutzes von Teleshoppingund Onlineshoppingangeboten entscheidend darauf ankommt, ob nur Tatsachenmeldungen oder auch andere Äußerungsformen als „Berichterstattung" gelten können, bedarf es auch insoweit einer Auslegung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.

cc) Auslegung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Der Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG spricht zunächst eher für eine Beschränkung des grundrechtlichen Schutzes auf Tatsachenmitteilungen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist unter einem Bericht die Schilderung eines feststehenden Sachverhalts zu verstehen 203. Untypisch für eine berichtende Art des Vortrags ist dagegen die ausdrücklich wertende Stellungnahme des Berichtenden; der Begriff „Berichterstattung" impliziert vielmehr eine gewisse Sachlichkeit der Darstellung. Auch die Entstehungsgeschichte bietet Anhaltspunkte dafür, dass die Rundfunkfreiheit das Recht der Stellungnahme nicht mit umfassen sollte. Unter dem Eindruck des Missbrauchs der Massenmedien in der Zeit des Nationalsozialismus' befürchteten einige Mitglieder des Parlamentarischen Rates, dass durch einen besonderen Schutz der Stellungnahme im Rundfunk die Gefahr einseitiger und verfälschter Darstellungen vergrößert werden könnte; allerdings war diese Sichtweise umstritten 204 . Bei der endgültigen Fassung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG herrschte

200 Bettermann, DVB1. 1963, 41; v. Mangoldt/Klein, GG, 2. Aufl., S. 245; Maunz, in: Zehner (Hrsg.), Der Fernsehstreit, 1. Band, S. 276 f.; Spanner, in: Zehner (Hrsg.), Der Fernsehstreit, 1. Band, S. 357 ff. 201 Vgl. Oermann, Rundfunkfreiheit und Funkanlagenmonopol, S. 87. 202 Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 421 f., 429, 436, 440, 447,452 ff. 203 Das Reichsgericht definierte den Begriff „Bericht" als „erzählende Darstellung eines historischen Vorgangs in seinem wesentlichen Verlaufe", RGSt 18, 207, 210. 204 Vgl. jöR NF (Band I), 1951, 83; siehe auch Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 48; Wieland, Die Freiheit des Rundfunks, S. 97 ff.\

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keine Einigkeit darüber, ob durch die Rundfunkfreiheit auch das Recht der Meinungsäußerung im Rundfunk geschützt sein sollte 205 . Das Bundesverfassungsgericht hat die Gefahr einer einseitigen Beeinflussung des Rundfunks und damit des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses sehr ernst genommen, dieser Gefahr aber nicht durch eine enge Auslegung des Merkmals „Berichterstattung", sondern dadurch Rechnung getragen, dass es aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG die positive Verpflichtung des Gesetzgebers abgeleitet hat, durch geeignete gesetzgeberische Maßnahmen die Voraussetzungen für einen freien und pluralistischen Rundfunk zu schaffen 206. Dieser Verpflichtung sind die Länder durch ihre umfangreiche Rundfunkgesetzgebung nachgekommen, durch die den Rundfunkveranstaltern eine Vielzahl inhaltlicher und organisatorischer Beschränkungen auferlegt wurde 207 . Wie die gegenwärtige Rundfunkordnung zeigt, kann den im Parlamentarischen Rat geäußerten Bedenken auch dann in genügendem Maße Rechnung getragen werden, wenn Meinungsäußerungen in den besonderen grundrechtlichen Schutz der Rundfunkfreiheit einbezogen werden 208 . Gegen einen Ausschluss wertender Stellungnahmen aus dem Schutzbereich der Rundfunkfreiheit spricht die systematische Auslegung. Die Gegenüberstellung von Pressefreiheit auf der einen und Rundfunk- und Filmfreiheit auf der anderen Seite scheint zwar zunächst den Schluss nahe zu legen, dass der Gesetzgeber erstere umfassend schützen wollte, letztere dagegen aber nur im Hinblick auf Tatsachenberichte 209 . Die parallele Behandlung von Rundfunk und Film zeigt dagegen, dass dieses Ergebnis nicht gewollt gewesen sein kann. In Anbetracht der Tatsache, dass Filme, die sich in der bloßen Mitteilung von Tatsachen erschöpfen, heute kaum noch eine Rolle spielen, bliebe nämlich bei einer solchen Betrachtungsweise von der Filmfreiheit praktisch nichts übrig: Würde man aus dem Merkmal der Berichterstattung eine Beschränkung des grundrechtlichen Schutzes auf Tatsachenmitteilungen ableiten, so hätte dies zur Folge, dass lediglich Dokumentarfilme dem Schutz der Filmfreiheit unterfielen, und zwar nur, soweit sie keine weitenden Elemente enthielten. Die Entwicklung hin zu künstlerischen Formen von Filmen wie Spielfilmen, bei denen ein tatsächliches Geschehen allenfalls als Anknüpfungspunkt für die Handlung dient, war auch schon zur Zeit der Entstehung des Grundgesetzes absehbar, da Spielfilme bereits damals politischen Nachrichtenfilmen nach Art der „Wochenschau" zunehmend den Rang abliefen. 205 Dies konzediert auch Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 440. 206 BVerfGE 57, 295, 323 ff.; hierzu bereits C. II. 1. 207 in diesen Beschränkungen sieht die herrschende Meinung allerdings keinen Grundrechtseingriff, sondern eine Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit; hierzu ausführlich C. II. 2. d) aa). 208 Dies gilt auch dann, wenn man die Konstruktion eines Ausgestaltungsvorbehalts ablehnt, die Gewährleistung freier Meinungsbildung durch den Rundfunk jedoch als grundrechtliche Schutzpflicht des Gesetzgebers begreift; hierzu C. II. 2. c) cc). 209 So Bettennann, Hypertrophie der Grundrechte - Eine Streitschrift, S. 11; Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 429.

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Entscheidend gegen die Annahme, aus dem Wort „Berichterstattung" sei eine Beschränkung des grundrechtlich geschützten Verhaltens auf Tatsachenmitteilungen abzuleiten, dürfte jedoch sprechen, dass sich eine gedankliche Trennung von „Tatsachenberichten" und „Meinungsäußerungen" letztlich nicht durchführen lässt und eine Anknüpfung an diese Unterscheidung daher nicht dem Sinn und Zweck der Rundfunkfreiheit entsprechen kann 210 : Zum einen enthält jeder Bericht zwangsläufig deshalb eine Meinungsäußerung, weil Auswahl und Gestaltung der berichteten Inhalte stets das Ergebnis einer Wertung des Berichtenden sind. Zum anderen ist eine Unterscheidung zwischen Tatsachen und Meinungen hinfällig, wenn über wertende Stellungnahmen Dritter berichtet wird, denn in diesem Fall liegt in der Wiedergabe der Meinungsäußerung zugleich der Bericht einer Tatsache. Im Hinblick auf das anerkannte Schutzgut der Rundfunkfreiheit, die Freiheit des gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozess, wäre es kaum nachvollziehbar, wenn indirekte, durch eine Wiedergabe von Äußerungen Dritter kundgetane Stellungnahmen den Schutz der Rundfunkfreiheit genießen würden, ausdrücklichen Meinungsäußerungen dagegen dieser Schutz zu versagen wäre 211 .

dd) Ergebnis Mit der herrschenden Meinung ist davon auszugehen, dass aus dem Wort „Berichterstattung" keine Einschränkung des durch die Rundfunkfreiheit vermittelten Schutzes folgt. Grundrechtlich geschützt ist nicht nur die Auswahl der dargebotenen Themen, sondern auch die Entscheidung über die Art und Weise ihrer Darstellung. Soweit Teleshopping- und Onlineshoppingangebote die Merkmale des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs erfüllen, unterfallen sie daher unabhängig von ihrer inhaltlichen Gestaltung dem sachlichen Schutzbereich der Rundfunkfreiheit.

c) Subjektiv-rechtliche und objektiv-rechtliche Elemente der Rundfunkfreiheit Obwohl Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG seinem Wortlaut nach die Freiheit des Rundfunks in gleicher Weise zu gewährleisten scheint wie diejenige der anderen Massenmedien Presse und Film, wurde der Rundfunkfreiheit in der Vergangenheit eine dogmatische Sonderbehandlung zuteil. Entsprechend der herrschenden Grundrechtslehre, die von einem Doppelcharakter der Grundrechte als Abwehrrechte des 210 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 51 (zur Meinungsfreiheit): „Eine Abgrenzung von Meinung und Bericht ( . . . ) ist überhaupt objektiv unmöglich." 211 Auf weitere fragwürdige Konsequenzen einer Beschränkung der Rundfunkfreiheit auf Tatsachenberichterstattung weisen Ricker/Schiwy hin, siehe Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 50 f.

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Bürgers gegen den Staat und als wertentscheidende Grundsatznormen ausgeht212, wird hinsichtlich der Schutzfunktionen der Rundfunkfreiheit zwar dem Grunde nach zwischen der Gewährleistung eines Individualgrundrechts auf eine staatsfreie Kommunikation mit dem Medium des Rundfunks und der institutionellen Garantie eines freien Rundfunks unterschieden 213. Der objektiv-rechtliche Gehalt der Rundfunkfreiheit, ihr „gesellschaftlicher Sinn" 2 1 4 , hat jedoch im deutschen Recht eine derartige Betonung gefunden, dass ihr subjektiv-rechtlicher Gehalt oder ihr „individualer Sinn" 2 1 5 in den Hintergrund getreten ist. Während anerkannt ist, dass sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in ihrer Funktion als „Treuhänder" des gesellschaftlichen Interesses an einem freien Rundfunk auf die Rundfunkfreiheit berufen können 216 , sind Umfang und dogmatische Grundlagen eines Schutzes privater Rundfunkanbieter bis heute ungeklärt. Teleshopping- und Onlineshoppingdienste, die nach dem hier vertretenen Standpunkt in weiten Teilen die Voraussetzungen des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs erfüllen, werden gegenwärtig fast ausnahmslos von Privaten betrieben. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind Teleshoppingsendungen gemäß § 18 RStV derzeit nicht zulässig; auch im Bereich des Onlineshopping finden sich nur vereinzelt Angebote öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten. Im Rahmen dieser Untersuchung ist daher in erster Linie von Interesse, inwieweit private Anbieter solcher Dienste von der verfassungsrechtlichen Rundfunkfreiheit geschützt sind. Da die persönliche Reichweite der Rundfunkfreiheit entscheidend vom grundrechtstheoretischen Verständnis des Abs. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abhängt, bedarf es einer Auseinandersetzung mit den möglichen dogmatischen Konzeptionen dieses Grundrechts. Die insoweit zu erörternden Fragen sind nicht nur für den subjektiven Schutzgehalt der Rundfunkfreiheit von Bedeutung, sondern zugleich auch für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit und Gebotenheit staatlicher Beschränkun-

212 BVerfGE 21, 362, 372; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 159 ff.; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 279 ff.; Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 130 ff.; Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 17 ff., 196; Stern, Staatsrecht, Band III/1, § 65 IV 1,2. 213 A. Hesse, BayVBl. 1997, 132, 133 f.; Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, S. 117 ff.; Lecheler, Jura 1998, 225; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 33 ff. Nur vereinzelt wird der Rundfunkfreiheit eine individualgrundrechtliche Zielrichtung gänzlich abgesprochen, hierzu C. II. 2. c) aa) (2) (a). 214 Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, S. 120 ff. 215 Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, S. 121 f. 216 BVerfGE 59, 231, 254; 31, 314, 322; Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 397; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 150. 217 Siehe hierzu C. II. 2. d).

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aa) Rundfunkfreiheit als „dienende Freiheit" mit Ausgestaltungsvorbehalt (1) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Nach herrschender Meinung wird die Funktion der Rundfunkfreiheit als individuelles Abwehrrecht gegen den Staat weitgehend von objektiv-rechtlichen Anforderungen der Rundfunkfreiheit verdrängt: Die Rundfunkfreiheit wird nicht in erster Linie als die Freiheit des Einzelnen verstanden, Rundfunk zu veranstalten, sondern als die institutionelle Garantie eines freien Rundfunks. Diese Sichtweise geht vor allem auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurück, das in einer Reihe von Entscheidungen die Eckpunkte der heutigen Rundfunkordnung in der Bundesrepublik Deutschland festgelegt hat. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts handelt es sich bei der Rundfunkfreiheit um ein zweckgebundenes Grundrecht, das primär der Aufgabe dient, „freie und umfassende Meinungsbildung durch den Rundfunk zu gewährleisten" 2 1 8 . Dieser dienenden Funktion der Rundfunkfreiheit würde nach Ansicht des Gerichts ein rein negatorisches Verständnis der Rundfunkfreiheit, welches sich auf den Schutz vor staatlicher Beherrschung und Einflussnahme beschränkte, nicht gerecht werden 219 . Zur Gewährleistung freier und umfassender Meinungsbildung bedürfe es vielmehr einer „positiven Ordnung", durch die sichergestellt werden müsse, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet 220 . Um der Gefahr einer Konzentration von Meinungsmacht entgegenzuwirken, müsse insbesondere verhindert werden, dass der Rundfunk einer oder einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert werde 221 . Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts obliegt es dem Gesetzgeber, die Rundfunkfreiheit nach diesen Maßgaben durch Regelungen inhaltlicher, organisatorischer und prozeduraler Art auszugestalten222. Das Vorliegen einer entsprechenden gesetzlichen Regelung sieht das Bundesverfassungsgericht dabei zugleich als Voraussetzung für eine Betätigung im Gewährleistungsbereich der Rundfunkfreiheit an: Aus der Aufgabe und Eigenheit der grundrechtlichen Gewährleistung ergebe sich, dass die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich geschützte Rundfunkfreiheit der „gesetzlichen Ausgestaltung" bedürfe, „um wirksam werden zu können" 223 . Der Rundfunk dürfe nicht dem „freien Spiel der Kräfte" überlassen

218 BVerfGE 57, 295, 320; siehe auch BVerfGE 83, 238, 295; 87, 181, 197. 219 BVerfGE 57, 295, 320. 220 BVerfGE 57, 295, 319. 221 BVerfGE 57, 295, 323. 222 BVerfGE 57, 295, 320. 223 BVerfGE 57, 295, 319.

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werden 224 ; die Veranstaltung von Rundfunk erfordere daher eine gesetzliche Regelung 2 2 5 . Zur Begründung dieser Sicht hat das Bundesverfassungsgericht zunächst auf die „Sondersituation" des Rundfunks im Vergleich zur Presse verwiesen, von der das Gericht wegen der Knappheit der für die Rundfunkübertragung nutzbaren Frequenzen und wegen der hohen Kosten der Rundfunkveranstaltung ausging 226 . Im FRAG-Urteil 227 hat das Bundesverfassungsgericht jedoch ausdrücklich erklärt, dass die dogmatische Sonderbehandlung des Rundfunks auch nach einem Wegfall dieser Umstände geboten sei. Im Vergleich zum allgemeinen Verständnis der Freiheitsrechte weist die Interpretation der Rundfunkfreiheit durch das Bundesverfassungsgericht mehrere „Anomalien" auf 2 2 8 . Zum einen wird mit der Konstruktion einer „dienenden Freiheit" der Schutzgehalt der Rundfunkfreiheit fast ausschließlich im Lichte des ihr zugesprochenen objektiven Zwecks, der Gewährleistung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung, interpretiert. Da es sich insoweit um eine in der Rundfunkfreiheit selbst angelegte Zweckbindung handelt, werden alle staatlichen Reglungen, die auf die Gewährleistung freier Meinungsbildung gerichtet sind, nicht als Grundrechtsbeschränkungen angesehen, die am Maßstab des Art. 5 Abs. 2 GG zu messen wären, sondern als grundrechtsausgestaltende Akte, die lediglich den aus der dienenden Funktion der Rundfunkfreiheit abgeleiteten Vorgaben entsprechen müs229

sen . Darüber hinaus wird eine gesetzliche Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit als konstitutiv für die Grundrechtsausübung, als „grundrechtsermöglichend", angesehen 2 3 0 . Damit wird die Wahrnehmung der Rundfunkfreiheit unter den Vorbehalt der gesetzlichen Ausgestaltung gestellt: Rundfunk darf nur veranstalten, wer hierzu kraft Gesetzes berechtigt ist. Wie Gersdorf 31 pointiert formuliert, wird damit bei der Rundfunkfreiheit der freiheitsrechtliche Normalfall - „erlaubt ist, was nicht verboten ist" - gewissermaßen in sein Gegenteil verkehrt - „verboten ist, was nicht erlaubt ist" 2 3 2 . 224 225 226 227 228 229

BVerfGE 57, 295, 323. So ausdrücklich BVerfGE 57, 295, 319. BVerfGE 12, 205, 261 ff. BVerfGE 57, 295, 322 ff. Gersdorf, Rundfunkfreiheit, S. 10. Vgl. BVerfGE 57, 295, 321; hierzu C. II. 2. d) aa).

230 BVerfGE 57, 295, 319; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 97; Bullinger, ZUM 1997, 281, 300 ff.; Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 399; Kloepfer, in: Badura/Scholz (Hrsg.), Festschrift für Lerche, S. 755, 760 ff. 231 Vgl. Gersdorf, Rundfunkfreiheit, S. 32 ff. 232 im Hinblick auf Beschränkungen der Rundfunkfreiheit im Interesse anderer Rechtsgüter als der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung bleibt es allerdings nach

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Für den Umfang des individuellen Schutzes einzelner Anbieter ist die bundesverfassungsgerichtliche Konzeption der Rundfunkfreiheit insoweit von Bedeutung, als sie dem Gesetzgeber durch die Annahme eines Ausgestaltungsvorbehalts die Befugnis einräumt, den Kreis der (aktuell) Grundrechtsberechtigten im Rahmen der objektiv-rechtlichen Vorgaben der Rundfunkfreiheit frei zu bestimmen. Zwar ließe sich womöglich auch argumentieren, es ginge hier um die Frage des sachlichen Schutzbereichs, nämlich darum, inwieweit der Tatbestand des „Privatrundfunks" durch die Rundfunkfreiheit geschützt ist 2 3 3 . Eine solche Betrachtung würde jedoch die Grenzen zwischen grundrechtlich geschütztem Lebensbereich auf der einen und Grundrechtsträgerschaft sowie subjektiv-rechtlichem Gehalt auf der anderen Seite in unzulässiger Weise verwischen.

(2) Auffassungen in der Literatur Im Schrifttum hat die bundesverfassungsrechtliche Interpretation der Rundfunkfreiheit überwiegend Zustimmung gefunden 234. Aus der „dienenden" Funktion der Rundfunkfreiheit im Hinblick auf die Freiheit des Meinungsbildungsprozesses werden allerdings unterschiedliche dogmatische Folgerungen gezogen. (a) Kein originärer

Grundrechtsschutz

Nach einem Teil der Literatur wird der individualrechtliche Gehalt der verfassungsrechtlichen Rundfunkfreiheit vollständig von objektiv-rechtlichen Vorgaben verdrängt. Nach dieser Ansicht können sich die Rundfunkveranstalter lediglich auf subjektive Rechte stützen, soweit sie sich auf eine gesetzliche Zulassung stützen können. Subjektive Rechte können nach dieser Meinung allein aus dem jeweiligen Landesmediengesetz abgeleitet werden; ein originärer Grundrechtsschutz wird den Rundfunkveranstaltern also versagt 235 . Aus der Schutzpflicht des Staates gegenüber dem Rundfunk wird ferner gefolgert, dass dieser nur in vergesellschafteter Form stattfinden dürfe, wobei dies eine privatrechtliche Organisationsform nicht ausschließe236. Legt man diese Sichtweise zugrunde, so stünden Teleshoppingund Onlineshoppinganbietern allenfalls derivative subjektive Rechte aufgrund der der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beim freiheitsrechtlichen Regelfall; siehe etwa BVerfGE 57, 295, 321; hierzu näher C. II. 2. d) aa). 233 Vgl. BVerfGE 83, 238, 297; 87, 181, 198; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 102, 110; Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 395. 234 Badura, Verfassungsrechtliche Bindungen der Rundfunkgesetzgebung, S. 29; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 92 ff.; Böckenförde/Wieland, AfP 1982, 77 ff.; Gersdorf, Rundfunkfreiheit, S. 10 f.; Oppermann, JZ 1981, 721 ff.; Ossenbühl, DÖV 1977, 381 ff. 235 Vgl. Groß, DVB1. 1982, 561 ff.; Hoffmann-Riem, Kommerzielles Fernsehen, S. 28 f.; ders. y ZRP 1980, 31, 32; Stammler, Verfassungs- und organisationsrechtliche Probleme des Kabelrundfunks, S. 20. 236 Vgl. Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 131.

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einschlägigen Gesetze zu; der Gesetzgeber müsste bei der Regulierung dieser Angebote, sieht man von sonstigen Vorgaben höherrangigen Rechts ab, allein den objektiv-rechtlichen Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gerecht werden. (b) Grundrechtsschutz

durch Zulassung

Nach anderer Auffassung verbürgt die Rundfunkfreiheit zwar wegen ihrer dienenden Funktion, anders als die Pressefreiheit, keine umfassende Betätigungsfreiheit für jedermann; durch den staatlichen Akt der Zulassung werde jedoch der Grundrechtsschutz „aktualisiert"; ab dem Zeitpunkt der Lizenzierung oder der Zulassung seien Rundfunkveranstalter daher als Inhaber eines originären Individualgrundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG anzusehen237. Reine Teleshopping- und Onlineshoppinganbieter könnten sich hiernach, soweit es sich bei ihren Angeboten um Rundfunk im verfassungsrechtlichen Sinn handelt, regelmäßig auf das Grundrecht der Rundfunkfreiheit stützen, da diese Angebote nach den Regelungen des Teledienstegesetzes und des Mediendienstestaatsvertrags grundsätzlich zulassungsfrei sind. Das Gleiche gilt für lizenzierte private Veranstalter von Voll- oder Spartenprogrammen, soweit Teleshoppingsendungen im Rahmen dieser Programme als programmfremder Bestandteil ausgestrahlt werden. Ob sich öffentlich-rechtliche Rundfunkveranstalter im Hinblick auf Teleshoppingoder Onlineshoppingangebote nach dieser Ansicht auf die Rundfunkfreiheit stützen können, ist dagegen zweifelhaft, da diese Angebotsformen weder zum gesetzlich festgelegten Programmauftrag noch zu den vorgesehenen Finanzierungsmitteln der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gehören und damit wohl nicht von der Aufgabe einer „treuhänderischen" Grundrechtsausübung erfasst sind. Ein Grundrechtsschutz wäre jedenfalls für Teleshoppingsendungen in der Form des klassischen Verteildienst-Fernsehens zu verneinen, da solche Sendungen gemäß § 18 RStV im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausdrücklich untersagt sind. (c) Differenzierung

nach Art des Rundfunkangebots

Eine weitere Ansicht geht für klassische Rundfunkprogramme ebenfalls davon aus, dass erst mit der Zulassung der originäre Grundrechtsschutz wirksam wird. Allerdings ist nach dieser Ansicht die Reichweite des Ausgestaltungsvorbehalts auf solche Formen des Rundfunks zu beschränken, bei denen eine rundfunkspezifische Ausgestaltung durch kommunikationsbezogene Regelungen möglich ist 2 3 8 . Rundfunkveranstalter, deren Angebote lediglich einer Regulierung zugunsten anderer, außerhalb der Rundfunkfreiheit verankerter Rechtsgüter zugänglich sind, 237 Hillig, in: Becker (Hrsg.), Beiträge zum Medienprozeßrecht, S. 28; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 136. Dieser Position neigt offenbar auch das Bundesverfassungsgericht zu, vgl. BVerfGE 95, 220, 234. 238 Gersdorf, Rundfunkfreiheit, S. 35, 44.

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seien auch ohne gesetzliche Zulassung berechtigt, im Gewährleistungsbereich der Rundfunkfreiheit tätig zu werden 239 . Insoweit füge sich das Grundrecht der Rundfunkfreiheit in das System klassischer Grundrechtsdogmatik ein 2 4 0 . Veranstalter reiner Teleshoppingkanäle sind nach der letztgenannten Auffassung Träger der Rundfunkfreiheit im Sinne eines individuellen Abwehrrechts und daher auch ohne eine entsprechende gesetzliche Ausgestaltung berechtigt, ihr Programm zu senden241. Entsprechendes müsste nach dieser Meinung auch für Anbieter reiner Onlineshoppingdienste gelten. Dagegen verbliebe es bei dem rundfunkspezifischen Ausgestaltungsvorbehalt, soweit wegen der dargebotenen Inhalte oder aus anderen Gründen Regelungen zum Schutze des freien Meinungsbildungsprozesses in Betracht kämen. Für Teleshopping- und Onlineshoppingangebote, die produktbezogene Informationen mit klassischen Medieninhalten wie Nachrichten oder Unterhaltung verbinden, könnte hiernach der Ausgestaltungsvorbehalt ebenso zum Tragen kommen wie für Teleshoppingangebote, die als programmfremde Bestandteile eines vor einseitiger Einflussnahme zu schützenden Rundfunkprogramms ausgestrahlt werden. Im Hinblick auf den grundrechtlichen Schutz von Teleshoppingund Onlineshoppingangeboten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ergeben sich keine Unterschiede gegenüber der Annahme eines umfassenden Ausgestaltungsvorbehalts. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Extra-Radio-Beschluss 242 aus dem Jahre 1998 Anlass zu der Vermutung gegeben, dass es allmählich von seiner bisherigen Rechtsprechung abrücken könnte und einen individualrechtlichen Schutz durch die Rundfunkfreiheit auch unabhängig von einer gesetzlichen Zulassung anerkennen könnte. Das Gericht geht in dieser Entscheidung von einem „Grundrechtsbeachtungsanspruch" einzelner Rundfunkveranstalter im Rahmen des Zulassungsverfahrens zum Privatrundfunk aus 243 . Die dogmatische Bedeutung der Entscheidung ist allerdings unklar, da die Grundrechte nach Art. 1 Abs. 3 GG als unmittelbar geltendes Recht bindend und nicht nur „zu beachten" sind 244 . Vorläufig muss wohl weiter davon ausgegangen werden, dass das Bundesverfassungsgericht den noch nicht zugelassenen Rundfunkveranstaltern keinen umfassenden individualrechtlichen Schutz zugesteht, wie er durch die klassischen Freiheitsrechte gewährt wird.

239 Gersdorf, 240 Gersdorf, 241 242 243 244

Rundfunkfreiheit, S. 37. Rundfunkfreiheit, S. 37.

Gersdorf, Rundfunkfreiheit, S. 45. BVerfGE 97, 298 ff. BVerfGE 97, 298, 314. So zu Recht Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 398, Fn. 585.

8 Kroymann

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bb) Rundfunkfreiheit

als klassisches Individualgrundrecht

Die dogmatische Sonderbehandlung der Rundfunkfreiheit durch das Bundesverfassungsgericht ist in der Rechtswissenschaft von Beginn an auch auf Ablehnung gestoßen. Nach Auffassung der Kritiker lässt sich eine Auslegung der Rundfunkfreiheit als funktionsgebundenes Grundrecht nicht mit dem liberalen Grundrechtskonzept des Grundgesetzes vereinbaren. Die Rundfunkfreiheit sei ebenso wie die Presse- und Filmfreiheit als klassisches Freiheitsrecht angelegt, welches in erster Linie dem Schutz des Einzelnen vor staatlichen Eingriffen dienen soll und über dessen Gebrauch nicht der Staat, sondern der Grundrechtsträger selbst zu entscheiden habe 245 . Auch Vertreter dieser Ansicht nehmen zwar an, dass der individualrechtliche Gehalt der Rundfunkfreiheit solange „eingefroren" war, wie seine Ausübung wegen der Frequenzknappheit praktisch nicht möglich war. Mit dem Wegfall des Mangels an Übertragungskapazitäten und der hohen finanziellen Hürden für die Veranstaltung von Rundfunk sei jedoch die Rundfunkfreiheit inzwischen zu einem klassischen Freiheitsrecht erstarkt 246 . Soweit es sich bei ihren Angeboten um Rundfunk im verfassungsrechtlichen Sinn handelt, könnten sich Teleshopping- und Onlineshoppingveranstalter nach dieser Auffassung unabhängig von einer einfachgesetzlichen Zulassung auf die Rundfunkfreiheit als ein individuelles Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe berufen. Aufgrund der entgegenstehenden langjährigen ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die der gesamten Rundfunkgesetzgebung ihre Prägung gegeben hat, könnte man geneigt sein, eine individualrechtliche Deutung der Rundfunkfreiheit von vornherein als in praktischer Hinsicht bedeutungslose Literaturmeinung außer Acht zu lassen. Angesichts der grundlegenden Veränderungen, die sich in den letzten Jahren im Bereich der telekommunikativ übermittelten audiovisuellen Medienangebote vollzogen haben, und eines sich möglicherweise abzeichnenden Wandels in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung 247, erscheint es aber berechtigt, die Frage des Verhältnisses zwischen subjektiv-recht245 Vgl. Bremer/Esser/Hoffmann, Der Rundfunk in der Verfassungs- und Wirtschaftsordnung in Deutschland, S. 29 ff.; Degenhart, DÖV 1981, 960, 962; Engel, AfP 1994, 185 ff.; Fink, DÖV 1992, 805 ff.; Klein, Der Staat 20 (1981), 175, 197; Kloepfer, AfP 1983, 447, 450; Kuli, FuR 1981, 644, 645; ders., in: Badura/Scholz (Hrsg.), Festschrift für Lerche, S. 663 ff.; Mestmäcker, DJT 1986, O 9 ff.; Oppermann, JZ 1981, 727; Pestalozza, ZRP 1979, 25 ff.; ders., NJW 1981, 2158 ff.; Schmitt Glaeser, BayVBl. 1985, 97 Fn. 4; Scholz, JZ 1981, 561, 562; ders., AfP 1995, 357 ff.; Starck, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band IV, § 164 Rn. 44; Weber, in: Schnur (Hrsg.), Festschrift für Forsthoff, S. 467, 481 ff.; Wolf, Medienfreiheit und Medienunternehmen, S. 357 ff. 246 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 230 f.; Starck, NJW 1992, 3257 ff. 247 Vgl. die bereits genannte Extra-Radio-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 97, 298 ff.

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liehen und objektiv-rechtlichen Elementen der Rundfunkfreiheit erneut aufzuwerfen 2 4 8 . cc) Auslegung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (1) Grammatikalische Auslegung Nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die „Freiheit der Berichterstattung" durch den Rundfunk „gewährleistet"; wer Grundrechtsträger ist, wird nicht ausdrücklich bestimmt. Die objektivierte sprachliche Fassung der Rundfunkfreiheit wird in der Literatur teilweise zur Begründung der Annahme herangezogen, dem Verfassungsgesetzgeber sei es allein um den institutionellen Schutz eines freien Rundfunks, nicht aber um die Garantie eines Individualgrundrechts gegangen. So wird darauf verwiesen, eine individualrechtliche Konzeption des Grundrechts hätte ohne Weiteres durch die Formulierung „Recht zur Berichterstattung" oder den Ausdruck „Rundfunkfreiheit" 249 deutlich gemacht werden können; weiterhin spreche der Begriff „Gewährleistung" gegen eine Interpretation der Rundfunkfreiheit im Sinne eines Individualgrundrechts 250. Eine derartige Deutung des sprachlichen Gehalts von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vermag jedoch nicht zu überzeugen. Zum einen ist nach allgemeinem und juristischem Sprachgebrauch mit den unterschiedlichen Formulierungen „Freiheit der" oder „Freiheit zur" Berichterstattung nicht notwendig ein inhaltlicher Unterschied verbunden. So ist in Art. 18 GG von der „Freiheit der Meinungsäußerung" die Rede, obwohl es in dieser Bestimmung unstreitig um den Missbrauch der Meinungsfreiheit als Individualgrundrecht geht 251 . Auch die Filmfreiheit, die sprachlich wie die Rundfunkfreiheit gefasst ist, wird allgemein als Freiheit des Einzelnen interpretiert. 252 Die im Vergleich zur Pressefreiheit umständliche sprachliche Fassung von Rundfunk- und Filmfreiheit lässt sich damit erklären, dass diese Medien bei der Schaffung des Grundgesetzes, anders als die Presse, nicht auf eine längere Tradition zurückblicken konnten und die heute gebräuchlichen, prägnanten Begriffe „Rundfunkfreiheit" und „Filmfreiheit" daher noch nicht über klare Konturen verfügten 253 . 248 Vgl. auch Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 417; Mestmäcker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation ohne Monopole, S. 23 f.; Trute, VVDStRL 57 (1998), 242. 249 Wieland, Die Freiheit des Rundfunks, S. 80 f., verweist darauf, dass „Rundfunkfreiheit" „ebenso gut" klinge wie „Pressefreiheit". 2 50 So Böckenförde/Wieland, AfP 1982, 77 f.; Brugger, Rundfunkfreiheit und Verfassungsinterpretation, S. 6 f.; Wieland, Die Freiheit des Rundfunks, S. 93; ders., Der Staat 20 (1981), 97, 102 f. 251

Hierauf verweist Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 424. 5 Vgl. nur Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 119; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 907. 253 Vgl. Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 424 f. 2 2

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. erfassungsrechtliche Vorgaben

Zum anderen lässt sich auch das Wort „Gewährleistung" nicht gegen eine individualrechtliche Interpretation der Rundfunkfreiheit ins Feld führen. Nach dem Verfassungswortlaut wird neben der Rundfunkfreiheit nicht nur die ebenfalls in Art. 5 Abs. 2 Satz 1 GG verankerte Filmfreiheit, sondern auch die ungestörte Religionsausübung nach Art. 4 Abs. 2 GG und die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG „gewährleistet", ohne dass diese Formulierung zum Anlass genommen würde, diesen Grundrechten den Charakter eines Abwehrrechts des Einzelnen gegen den Staat abzusprechen 254. Für ein Verständnis der Rundfunkfreiheit als Individualgrundrecht spricht schließlich der Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 GG, der alle im ersten Absatz von Art. 5 GG geschützten Kommunikationsfreiheiten als „Rechte" ausweist255.

(2) Historische Auslegung In der Weimarer Reichsverfassung wurde die Rundfunkfreiheit noch nicht gesondert geschützt, was sich schon daraus erklärt, dass die Übertragung von Rundfunkprogrammen in Deutschland erst im Oktober 1923, also mehr als vier Jahre nach Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung, zugelassen wurde 256 . Die Freiheit zur Veranstaltung von Rundfunkprogrammen war allerdings als Teil der Meinungsäußerungsfreiheit des Art. 118 WRV für Private geschützt. Tatsächlich wurden die Hörfunkprogramme anfänglich von regionalen privaten Rundfunkgesellschaften betrieben, die allerdings einer erheblichen Einflussnahme durch staatliche Stellen ausgesetzt waren 257 . Ab 1925 wurde der Rundfunk in Deutschland mehr und mehr verstaatlicht und zentralisiert 258. Die regionalen Programmgesellschaften gingen in einer Reichsrundfunkgesellschaft auf, deren Anteile mehrheitlich von der Reichspost gehalten wurden 259 . Im Jahre 1933 wurden alle Rundfunkangelegenheiten mit Ausnahme bestimmter technischer Fragen dem neu geschaffenen Reichsministerium für Völksaufklärung und Propaganda übertragen, in dessen Zuständigkeit das Rundfunkprogramm inhaltlich von der zentralen Staatsregierung und der NSDAP gesteuert wurde 260 . Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden in den drei westlichen Besatzungszonen öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten errichtet, die bereits vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes ihre Tätigkeit aufnahmen 261. 254

Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 424. So auch Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 424. 256 Herrmann, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 5. 2 57 Hierzu näher BVerfGE 12, 205, 232. 255

258

Herrmann, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 9. 59 Herrmann, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 9.

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260

Herrmann, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 16. 61 Herrmann, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 27 ff.

2

II. Materielle verfassungsrechtliche Vorgaben

1

Der Missbrauch des Rundfunks zu Propagandazwecken in der Zeit des Nationalsozialismus war ein wesentlicher Grund für den besonderen Schutz des Rundfunks im Grundgesetz. Bei der Schaffung des Grundgesetzes war umstritten, ob die Rundfunkveranstaltung zur Verhinderung von einseitiger Meinungsmacht nicht ganz in die Hände öffentlich-rechtlicher Anstalten gelegt werden sollte. Der Vorschlag, eine bestimmte Organisationsform im Grundgesetz verbindlich vorzuschreiben, wurde von den Abgeordneten erörtert, schließlich aber fallen gelassen. Im Grundsatzausschuss hatte Hermann von Mangoldt beantragt, den Schutz der Rundfunkfreiheit durch die Einfügung des folgenden Satzes zu verstärken: „Zur Sicherung dieser Freiheit und der Überparteilichkeit des Rundfunks werden die Sendeanlagen durch selbstständige Anstalten des öffentlichen Rechts betrieben, die auch die Sendeprogramme bestimmen" 262 . Dieser Antrag wurde abgelehnt, nachdem mehrere Abgeordnete - unter ihnen Theodor Heuss - eine solche Bestimmung als unerwünschte Festlegung für die Zukunft kritisiert hatten 263 . Auch aus den Materialien zur Grundgesetzgebung lässt sich entnehmen, dass die Frage der Organisationsform sogar bewusst offen gelassen werden sollte 264 . Ferner gilt auch im Verfassungsrecht der Grundsatz, dass der Wille des Gesetzgebers nur insoweit Berücksichtigung finden kann, als er im Gesetzestext seinen Niederschlag gefunden hat 2 6 5 . Aus der Entstehungsgeschichte des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG können hiernach keine Anhaltspunkte für eine Beschränkung des grundrechtlichen Schutzes auf öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten abgeleitet werden. Historische und genetische Auslegung sprechen im Gegenteil eher für einen umfassenden grundrechtlichen Schutz privater Rundfunkveranstalter.

(3) Systematische Auslegung In systematischer Hinsicht ist zunächst der Standort der Rundfunkfreiheit im ersten Abschnitt des Grundgesetzes mit dem Titel „Die Grundrechte" zu berücksichtigen. Bei den anderen in diesem Abschnitt garantierten Grundrechten handelt es sich in erster Linie um subjektive Rechte, auf die sich jedermann oder zumindest jeder Deutsche berufen kann. Bei manchen Grundrechten wird der Kreis der Grundrechtsträger ausdrücklich benannt („jedermann", „alle Menschen", „alle Deutschen"); bei anderen hingegen fehlt es an einer Bezeichnung der Grundrechtsberechtigten (z. B. bei Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 und Art. 13 Abs. 1 GG), ohne dass hiermit eine Beschränkung des subjektiven Grundrechtsschutzes verbunden wäre.

262 Zitiert nach Herrmann, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 33. 263 Herrmann, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 33. 264 Vgl. JöR NF (Band 1), 1951, 86; ferner Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 5 Rn. 50. 265 Vgl. BVerfGE 1, 299, 312; 6, 55, 75; 6, 389, 431; 10, 234, 244; 36, 342, 367; 41, 291, 309; 62, 1,45.

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Soweit im ersten Teil des Grundgesetzes ausnahmsweise Bestimmungen getroffen werden, die sich primär oder ausschließlich an den Staat richten, wird dies sprachlich deutlich zum Ausdruck gebracht. So geht etwa aus der Formulierung des Art. 7 Abs. 1 GG („Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates") unmissverständlich hervor, dass es sich bei dieser Bestimmung nicht um ein Individualgrundrecht, sondern vielmehr um eine Regelung primär organisationsrechtlicher Art handelt 266 . Im Gegensatz hierzu lassen sich Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG keinerlei Hinweise auf eine bestimmte Form der Rundfunkorganisation entnehmen, aufgrund derer dem Einzelnen eine Berufung auf die Rundfunkfreiheit zu versagen sein könnte. Für eine individualrechtliche Interpretation der Rundfunkfreiheit spricht aus systematischer Sicht ferner auch der enge textliche Zusammenhang mit den anderen Kommunikationsfreiheiten. Diese vermitteln dem Einzelnen nach allgemeiner Ansicht umfassenden Schutz gegen staatliche Beeinträchtigungen, ohne dass dieser Schutz an das Erfordernis einer gesetzlichen Ausgestaltung geknüpft wäre. Aufgrund ihrer systematischen Stellung liegt es mithin fern, allein die Rundfunkfreiheit einseitig im Lichte ihres objektiv-rechtlichen Gehalts zu interpretieren und eine Berufung auf den grundrechtlichen Schutz dem Vorbehalt einer gesetzlichen Ausgestaltung zu unterstellen. (4) Teleologische Auslegung (a) Sinn und Zweck der Rundfunkfreiheit Nachdem grammatikalische, historische und systematische Auslegung die aus der herrschenden Sicht folgende Verkürzung des subjektiven Schutzgehaltes der Rundfunkfreiheit nicht stützen können, bleibt zur Rechtfertigung dieser Sicht allein die Berufung auf Sinn und Zweck der grundrechtlichen Gewährleistung. Über die mit der Rundfunkfreiheit verfolgten Ziele bestehen im Grundsatz kaum Differenzen. Umstritten ist aber, in welchem Verhältnis diese Ziele zu einander stehen und wie sie sich auf den Normbefehl der Rundfunkfreiheit auswirken. Übereinstimmend wird angenommen, dass mit der Rundfunkfreiheit die Freiheit des individuellen und öffentlichen Meinungsbildungsprozesses als unverzichtbare Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit der Demokratie geschützt werden soll 2 6 7 . Als maßgeblichen Grund für den besonderen Schutz des Rundfunks in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird die herausragende Stellung angesehen, die er als „Medium 266 Vgl. Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 431. 267 BVerfGE 12, 205, 260 f.; 57, 295, 319 f.; 83, 238, 295 f.; 87, 181, 197; Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 447; Gersdorf, Rundfunkfreiheit, S. 14; A. Hesse, Rundfunkrecht, 2. Kapitel Rn. 31; AT. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 396; Lerche, Rundfunkmonopol, S. 32; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 4 ff.; Ricker, Rundfunkwerbung und Rundfunkordnung, S. 13; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 101.

II. Materielle verfassungsrechtliche Vorgaben

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und Faktor" in diesem Prozess innehat 268 . Aufgrund seiner großen gesellschaftlichen Wirkungsmacht ist der Rundfunk anfällig für Missbrauch und einseitige Einflussnahme durch den Staat oder einzelne gesellschaftliche Gruppen. Dem hieraus erwachsenden Gefährdungspotenzial im Hinblick auf die Freiheit des gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozesses sucht Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG durch den Schutz der Rundfunkfreiheit Rechnung zu tragen. Zu beachten ist allerdings, dass die Rundfunkfreiheit in ihrer objektiven Zweckbestimmung keine prinzipielle Sonderrolle innerhalb des Art. 5 Abs. 1 GG einnimmt. Voreilig wäre es insbesondere, allein aus der vom Bundesverfassungsgericht geprägten Wendung, die Rundfunkfreiheit sei eine der Meinungsbildungsfreiheit „dienende" Freiheit 269 , auf die grundsätzliche Ablehnung einer subjektiven Schutzrichtung der Rundfunkfreiheit zu schließen. Dies zeigt bereits ein Blick auf die übrigen, allgemein als klassische Individualgrundrechte verstandenen Garantien des Art. 5 Abs. 1 GG, die, wie das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich hervorhebt, sämtlich dem Schutz der als Vorgang des „forum internum" 270 nicht in den Katalog des Art. 5 Abs. 1 GG aufgenommenen freien Meinungsbildung „diett271

nen Trotz der unterschiedlichen Folgerungen, die hieraus hinsichtlich des Normbefehls der Rundfunkfreiheit gezogen werden, ist im Gegenteil auch bei der Rundfunkfreiheit weithin anerkannt, dass sich ihr Zweck nicht in der gesellschaftlichen Zielsetzung freier Meinungsbildung erschöpft, sondern zugleich den Schutz der individuellen Rundfunkveranstalterfreiheit vor staatlichen Beschränkungen umfasst 272 . Die Anerkennung eines individualschützenden Kerns der Rundfunk268 BVerfGE 12, 205, 260; 57, 295, 320; 83, 238, 296. 269 BVerfGE 57, 295, 320; 74, 297, 323; 83, 238, 315; 87, 181, 197. 270 Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 37 f. 271 BVerfGE 57, 295, 319; 74, 297, 323: " Die Rundfunkfreiheit dient der gleichen Aufgabe wie alle Garantien des Art. 5 Abs. 1 GG: der Gewährleistung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung"; vgl. auch BVerfGE 80, 124, 135 (Postzeitungsdienst): „Die grundrechtliche Garantie der Pressefreiheit dient wie alle Garantien in Art. 5 Abs. 1 GG der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung"; siehe ferner BVerfGE 91, 125, 134: „Rundfunk und Presse unterscheiden sich in ihrer Funktion nicht. Unter den Bedingungen der modernen Massenkommunikation sind beide für die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung [ . . . ] unerläßlich". 272 BVerfGE 97, 298, 312 ff.; vgl. auch BVerfGE 12, 205, 259 f.; 57, 295, 319 f.; 83, 238, 315; Degenhart, DÖV 1981, 960, 962; Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 450; Gersdorf, Rundfunkfreiheit, S. 38, 45; Engel, AfP 1994, 185 ff.; Fink, DÖV 1992, 805 ff.; A. Hesse, Rundfunkrecht, 2. Kapitel Rn. 46; Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, S. 117 ff.; Klein, Der Staat 20 (1981), 175, 197; Kloepfer, AfP 1983, 447, 450; Kuli, AfP 1981, 378, 384; ders., FuR 1981, 644, 645; ders., in: Badura/Scholz (Hrsg.), Festschrift für Lerche, S. 663 ff.; Lecheler, Jura 1998, 225; Mestmäcker, DJT 1986, O 9 ff.; Oppermann, JZ 1981, 727; Pestalozza, ZRP 1979, 25 ff.; ders., NJW 1981, 2158 ff.; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 133 ff.; Schmitt Glaeser, BayVBl. 1985, 97 Fn. 4; Scholz, JZ 1981, 561, 562; ders., AfP 1995, 357 ff.; Weber, in: Schnur (Hrsg.), Festschrift für Forsthoff, S. 467, 478 ff.; Wolf, Medienfreiheit und Medienunternehmen, S. 357 ff.

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freiheit erscheint angesichts des Wortlauts und der Systematik sowie vor dem Hintergrund der Menschenrechtstradition des Grundgesetzes in der Tat als zwingend. Etwas anderes lässt sich, entgegen verbreiteter Annahme, auch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht entnehmen. Soweit sich das Gericht in seinen Entscheidungen mit der grundrechtstheoretischen Konzeption der Rundfunkfreiheit auseinandergesetzt hat, bildete regelmäßig die subjektive Schutzrichtung der Rundfunkfreiheit den Ausgangspunkt seiner Erwägungen. Im Ersten Fernsehurteil 273 leitet das Bundesverfassungsgericht seine Ausführungen zur Rundfunkfreiheit mit den Worten ein, Art. 5 GG enthalte „mehr als nur das individuelle Grundrecht des Bürgers gegen den Staat auf Respektierung einer Freiheitssphäre", innerhalb welcher er seine Meinung ungehindert äußern könne; Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleiste „auch die institutionelle Eigenständigkeit der Presse" 274. Die Bedeutung des Art. 5 GG für Rundfunkfreiheit müsse unter Berücksichtigung dieses Inhalts des Art. 5 gewürdigt werden 275 . In der FRAG-Entscheidung276 weist das Gericht darauf hin, dass die Rundfunkfreiheit über „subjektiv- und objektiv-rechtliche Elemente" verfüge und die Rundfunkfreiheit, „wie die klassischen Freiheitsrechte, abwehrende Bedeutung" habe 277 . Zwar ist mit der Bejahung einer negatorischen Schutzrichtung noch nicht gesagt, dass diese gerade dem Einzelnen zugute kommen soll und nicht etwa nur den Rundfunkanstalten oder anderen gesetzlich zugelassenen Rundfunkveranstaltern. Mit der Formulierung, die Rundfunkfreiheit sei „primär" eine der Freiheit der Meinungsbildung dienende Freiheit 278 und eine Freiheit, die „nicht primär im Interesse der Rundfunkveranstalter" gewährleistet werde 279 , macht das Gericht jedoch deutlich, dass die Rundfunkfreiheit nicht ausschließlich den Schutz des Meinungsbildungsprozesses, sondern eben auch den des Einzelnen bezweckt. Wenn im sogenannten HR-3-Beschluss nur noch lapidar formuliert wird, bei der Rundfunkfreiheit handle es sich „nicht um ein Grundrecht, das seinem Träger zum Zwecke der Persönlichkeitsentfaltung oder Interessenverfolgung eingeräumt" sei 2 8 0 , ist dies nicht als eine Abkehr von dieser Sicht zu bewerten, denn zum einen bezieht sich das Gericht hierbei explizit auf die oben zitierte FRAG-Entscheidung als Grundlage seiner „ständigen Rechtsprechung" 281, und zum anderen rückt das 273 274 275 276 277 278 279 280

BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE

12, 205 ff. 12, 205, 259 f. (Hervorhebungen durch den Verfasser). 12, 205, 260. 57, 295 ff. 57, 295, 320. 57, 295, 320. 83, 238, 315. 87, 181, 197.

281 BVerfGE 87, 181, 197.

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Gericht in späteren Entscheidungen282 die subjektive Schutzrichtung der Rundfunkfreiheit wieder verstärkt in den Vordergrund. In der Extra-Radio-Entscheidung 283 dehnt das Gericht die effektiven Schutzwirkungen der Rundfunkfreiheit sogar auf Private aus, die sich lediglich um eine Rundfunklizenz bewerben, also nicht über eine gesetzlich abgesicherte Rechtsposition verfügen. Das Bundesverfassungsgericht wirft in dieser Entscheidung die Frage auf, „ob der objektivrechtlichen Verpflichtung des Staates auch eine subjektivrechtliche Position der Rundfunkveranstalter oder -bewerber entspricht", und bejaht dies 284 . Auch wenn es die Reichweite der den Bewerbern zuerkannten „rundfunkspezifischen Rechtsposition" offen lässt 285 , geht das Gericht damit augenscheinlich davon aus, dass die Rundfunkfreiheit auch dem Schutz des Einzelnen dient. Anders ließe sich kaum erklären, warum das Gericht Privaten eine Berufung auf die verfassungsrechtliche Rundfunkfreiheit zugesteht, obwohl die in Rede stehende Rundfunkveranstaltung nicht durch die ausgestaltenden Gesetze oder aufgrund dieser Gesetze zugelassen ist. Es kann daher festgestellt werden, dass sich die Rundfunkfreiheit in ihren grundlegenden Schutzrichtungen auch aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts und der herrschenden Meinung nicht von den anderen Kommunikationsfreiheiten und insbesondere der Pressefreiheit unterscheidet. (b) Interpretation von Sinn und Zweck im Lichte der Besonderheiten des Rundfunkmarktes Damit stellt sich die Frage, aus welchen Gründen das Bundesverfassungsgericht und die herrschende Lehre zu dem Schluss kommen, dass einzig bei der Rundfunkfreiheit die Garantie eines umfassenden individuellen Abwehrrechts nicht mit der allen Kommunikationsfreiheiten gemeinsamen, dienenden Aufgabe im Hinblick auf den freien Meinungsbildungsprozess vereinbar sein soll. Wie bereits dargelegt wurde, hat das Bundesverfassungsgericht zur Begründung dieser Sicht anfänglich auf die „Sondersituation" verwiesen, in der es den Rundfunk gegenüber der Presse wegen der knappen Übertragungskapazitäten und der hohen Investitionskosten für die Veranstaltung von Rundfunk sah 286 . Später hat das Gericht jedoch deutlich gemacht, dass die Rundfunkfreiheit auch bei einem Wegfall dieser Umstände ihre dogmatische Sonderrolle nicht verliere, da selbst dann „zumindest vorerst" 287 nicht mit hinreichender Sicherheit erwartet werden

282 Siehe insbesondere BVerfGE 95, 220, 234; 97, 298, 310. 283 Vgl. BVerfGE 97, 298, 312 ff. 284 BVerfGE 97, 298, 313. 285 BVerfGE 97, 298, 314. 286 BVerfGE 12, 205, 261 ff. 287 BVerfGE 57, 295, 323.

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könne, dass sich im Rundfunk aufgrund der „Eigengesetzlichkeiten des Wettbewerbs" 288 wenigstens eine begrenzte Meinungsvielfalt wie im Bereich der überregionalen Tageszeitungen einstellen würde 289 . Das Bundesverfassungsgericht begründet seine Sichtweise also nicht etwa mit dem verfassungsrechtlich vorausgesetzten Wesen des Rundfunks, sondern nach wie vor mit der Situation des Rundfunkmarktes in Deutschland. Die abweichende subjektive Reichweite von Rundfunkfreiheit und Pressefreiheit wird demnach nicht unmittelbar aus der Verfassung hergeleitet; sie fußt vielmehr auf der Annahme, dass die mit dem Schutz der Medienfreiheiten verfolgten subjektiven und objektiven Ziele angesichts der tatsächlichen Unterschiede zwischen Presse- und Rundfunklandschaft bei beiden Grundrechten gegenwärtig nicht in gleicher Weise auf Verwirklichung dringen. Die herrschende Sicht der Rundfunkfreiheit ist angesichts ihrer mangelnden Fundierung in Wortlaut und Systematik des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als „funktionalistisch-dezisionistisch" kritisiert worden 290 . Gewiss birgt die herrschende Interpretation der Rundfunkfreiheit wie jede primär auf teleologische Erwägungen gestützte Auslegung die Gefahr der „Zweckerfindung". Wie eben gezeigt wurde, bestehen indes über die Ziele der Rundfunkfreiheit keine grundlegenden Meinungsverschiedenheiten, sondern lediglich darüber, wie sie zu gewichten sind und in welcher Weise sie sich auf den effektiven Normbefehl der Rundfunkfreiheit auswirken. Da Grundrechte Antworten auf tatsächliche Gefährdungslagen sind und ihre Wirkung gerade im Hinblick auf konkrete Sachverhalte entfalten 291 , ist es nicht zu beanstanden, wenn eine grundrechtliche Gewährleistung insoweit auch im Lichte der tatsächlichen Besonderheiten des von ihr erfassten Lebensbereichs interpretiert wird. Die Kritik an der herrschenden Interpretation der Rundfunkfreiheit ginge daher fehl, wenn wegen der gegenwärtigen Situation des Rundfunks eine Einschränkung des subjektiv-rechtlichen Grundrechtsschutzes im Sinne der herrschenden Meinung als geboten erschiene, weil die Freiheit des Meinungsbildungsprozesses andernfalls in einem verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Maße beeinträchtigt werden würde. Ob dies der Fall ist, hängt nicht allein von der im Wege juristischer Deduktion kaum endgültig zu klärenden Wertungsfrage ab, welches Gewicht man den subjektiven und objektiven Zielen der Rundfunkfreiheit abstrakt zumessen will und inwieweit diese Ziele einander in der Realität widersprechen oder sich wechselseitig fördern. Die Freiheit des individuellen und öffentlichen Meinungsbildungsprozesses und die individuelle Rundfunkveranstalterfreiheit sind nicht „im luft288 BVerfGE 57, 295, 322. 289 BVerfGE 57, 295, 322 ff. Dass es an dieser Beurteilung auch nach Einführung des privaten Rundfunks festhält, bestätigt das Gericht etwa in BVerfGE 87, 181 ff., vgl. insbesondere S. 198. 290 Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 416 f. 291 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 282.

II. Materielle verfassungsrechtliche Vorgaben

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leeren Raum" gegeneinander abzuwägen, sondern einander unter Berücksichtigung der Mechanismen gegenüberzustellen, die das Verfassungsrecht zur Auflösung verfassungsrechtlicher Zielkonflikte im Bereich der Freiheitsrechte bereithau292

(c) Konfliktlösungsmechanismen

im Bereich der Freiheitsrechte

Ausgangspunkt für die hierbei anzustellenden Überlegungen ist der bereits aus der umfassenden Freiheitsvermutung des Art. 2 Abs. 1 GG abzuleitende freiheitsrechtliche Grundsatz, dass der Einzelne für seine Persönlichkeitsentfaltung neben den Grundrechten keine zusätzliche Legitimationsgrundlage benötigt 293 . Das Verfassungsrecht gibt mit dem Grundrechtstatbestand die sachliche Reichweite des grundrechtlichen Schutzes vor. Die inhaltliche Ausfüllung des Grundrechts ist aber dem Grundrechtsinhaber überlassen; dieser allein entscheidet darüber, ob und in welcher Weise er von seinen Freiheiten Gebrauch macht 294 . Nicht zu folgen ist namentlich dem Ansatz der etatistischen Konvergenztheorie, die private Eingriffe in Positionen Dritter auf die staatliche Rechtsordnung zurückführt und dem Staat als dessen Eingriffe zurechnet 295. Diese Sicht führt wegen des Vorbehalts des Gesetzes letztlich zu der Konsequenz, dass für die Grundrechtsausübung, soweit sie staatliche Eingriffe in Positionen Dritter indiziert, eine „Lizenz" durch den Gesetzgeber vonnöten ist 2 9 6 . Die etatistische Konvergenztheorie geht zu Unrecht von einer „totalen staatlichen Rechtsordnung" 297 aus und ebnet damit die verfassungsrechtliche Unterscheidung zwischen den Verantwortungsbereichen des Bürgers und des Staates ein 2 9 8 . 292 Im Allgemeinen wird das Problem verfassungsrechtlicher Zielkonflikte unter dem Gesichtspunkt der „praktischen Konkordanz" als eigenständiger Punkt der Auslegung zu behandeln sein, vgl. etwa BVerfGE 93, 1,21 ff.; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 317 ff.; Starck, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VII, § 164 Rn. 19. Der potenzielle Konflikt zwischen individualem und gesellschaftlichem Sinn der Rundfunkfreiheit betrifft jedoch die inneren Zweckbindungen der Rundfunkfreiheit selbst und wird daher im Rahmen der teleologischen Auslegung erörtert. 293 Zur Frage der „Vörstaatlichkeit" der Freiheit siehe Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 115 Rn. 34 ff. 294 Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 111 Rn. 50. 295 Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte, S. 26 ff., 62 ff.; Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, S. 62 ff., 91 ff. 296 Zu dieser Konsequenz kommt der Verwaltungsgerichtshof Kassel in seiner nahezu einhellig auf Ablehnung gestoßenen Entscheidung zur Zulässigkeit gentechnischer Anlagen, VGH Kassel NJW 1990, 336 ff.; ablehnend etwa Deutsch, NJW 1990, 339; Fluck, UPR 1990, 81 ff.; Hirsch, NJW 1990, 1445; Isensee, in: ders. /Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 111 Rn. 119; Kloepfer, in: Badura/ Scholz (Hrsg.), Festschrift für Lerche, S. 755; Rose, DVB1. 1990, 279 ff.; Rupp, JZ 1990, 91 f. 297 Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 111 Rn. 119.

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Lediglich bei den „rechtserzeugten" oder „rechtsgeprägten" Grundrechten wie der Eigentumsgarantie in Art. 14 Abs. 1 GG, dem Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG oder der Garantie der Staatsbürgerschaft in Art. 16 Abs. 1 GG hängt das Wirksamwerden der grundrechtlichen Gewährleistung davon ab, dass der Gesetzgeber Inhalt und Schranken der zu schützenden Rechtspositionen bestimmt. Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ausgestaltung ist in diesen Grundrechten jedoch von vornherein angelegt, da es ihnen an einem natürlichen Schutzobjekt fehlt. Bei den übrigen „sacherzeugten" oder „sachgeprägten" Grundrechten, zu denen auch die Rundfunkfreiheit zählt, ist hingegen keine gesetzliche Ausgestaltung erforderlich, da sie an natürlichen Freiheiten anknüpfen. Soweit diese Grundrechte in ihrer Eigenschaft als Freiheitsrechte betroffen sind, lässt das Grundgesetz in der Regel keinen Raum für eine Grundrechtsprägung durch den Gesetzgeber 299; es bleibt also bei dem Grundsatz, dass der Einzelne autonom über die Art und Weise einer Grundrechtsausübung entscheiden kann. Um zu vermeiden, dass durch eine übermäßige Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten verfassungsrechtlich geschützte Positionen Dritter oder der Allgemeinheit geschädigt werden, kommen nach dem freiheitsrechtlichen Leitbild des Grundgesetzes im Wesentlichen zwei Modelle in Betracht. (aa) Tatbestandslösung Zum einen ließe sich daran denken, den Schutzbereich der Grundrechte von vornherein auf solche Freiheitsbetätigungen zu beschränken, durch die andere Verfassungsrechtsgüter nicht beeinträchtigt werden. In diesem Sinne engt etwa Art. 8 Abs. 1 GG den Schutz der Versammlungsfreiheit ausdrücklich auf friedliche Versammlungen ein 3 0 0 . Bei den meisten Grundrechten fehlt es indes an einer ausdrücklichen oder durch Auslegung zu ermittelnden Begrenzung des Schutzbereichs im Hinblick auf andere Grundrechtspositionen. Ginge man generell von immanenten Grundrechtsbegrenzungen zum Schutze anderer Verfassungsziele aus, so bliebe offen, wo bei einem Konflikt zwischen verschiedenen Grundrechtspositionen im Einzelfall die Trennlinie zu ziehen wäre. Dieses Abgrenzungsproblem vermeidet die sogenannte weite Tatbestandstheorie, nach der verfassungsrechtliche Zielkonflikte keine Reduzierung grundrechtlicher Schutzbereiche bewirken können, sondern ausschließlich bei 298 Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 111 Rn. 119; zur weiteren Kritik siehe Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 415 ff.; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 38 ff. 299 Lerche, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 121 Rn. 40. Zu den Fällen zulässiger Grundrechtskonkretisierung und -konturierung siehe dort Rn. 41 ff. 300 Die „unfriedliche" Versammlung bleibt nach h. M. außerhalb des Schutzbereichs von Art. 8 Abs. 1 GG, siehe BVerfGE 69, 315, 360; 73, 206, 248; Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 111 Rn. 177.

II. Materielle verfassungsrechtliche Vorgaben

der Schrankenziehung zu berücksichtigen sind 301 . Auch die Gegenauffassung, die sogenannte enge Tatbestandstheorie, kommt praktisch kaum zu anderen Ergebnissen als die weite Tatbestandstheorie, da sie nur bei evidenten und manifesten Übergriffen, etwa bei der Anwendung körperlicher Gewalt, von einer tatbestandlichen Begrenzung des grundrechtlichen Schutzes ausgeht302. Selbst dann, wenn man in derartigen Ausnahmefällen mit der engen Tatbestandstheorie eine immanente Begrenzung des grundrechtlichen Schutzes bereits auf Tatbestandsebene anerkennen wollte, wäre jedenfalls eine darüber hinausgehende Verkürzung grundrechtlicher Schutzbereiche zur Auflösung von Zielkonflikten nicht mit der Systematik der Grundrechte zu vereinbaren. Insbesondere würde die im Grundgesetz vorgenommene Trennung zwischen Schutzbereich und Schrankenziehung missachtet, wenn der Ausgleich widerstreitender Verfassungsziele generell bereits auf der Ebene des Tatbestands gesucht würde 303 . Auch das Bundesverfassungsgericht lehnt eine Reduzierung des grundrechtlichen Schutzes wegen möglicher Gefährdungen Dritter oder der Allgemeinheit ab. Dies hat das Gericht im sogenannten Honecker-Beschluss gerade im Hinblick auf die Freiheit der Rundfunkberichterstattung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht 304. Eindeutige Verstöße gegen das Gebot des neminem laedere 305 , wie etwa die Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch erwiesen unwahre Behauptungen oder objektiv falsche Zitate, hat das Gericht allerdings teilweise bereits aus dem tatbestandlichen Schutz ausgeschlossen306. (bb) Berücksichtigung kollidierender Verfassungsziele im Rahmen der Schrankenziehung Können demnach kollidierende Verfassungsziele grundsätzlich keine Verengung des Grundrechtsschutzes auf der Ebene des Tatbestands bewirken, so bleibt der Schutz Dritter oder der Allgemeinheit vor übermäßiger Grundrechtsausübung dem Gesetzgeber im Rahmen der Schrankenziehung überlassen. 301

Vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 278 ff.; Höfling, Offene Grundrechtsinterpretation, S. 175 ff.; Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, S. 26; Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 33 f., S. 154. 302

Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 111 Rn. 175 ff., 180; Kloepfer, in: Badura/Scholz (Hrsg.), Festschrift für Lerche, S. 760; Preu, JZ 1991, 265, 266 Fn. 9. 303 Zu weiteren Kritikpunkten Gersdorf, Rundfunkfreiheit, S. 18 f.; Jarass, AöR 120 (1995), 345, 371; Kloepfer, in: Badura/Scholz (Hrsg.), Festschrift für Lerche, S. 755, 767. 3 04 BVerfGE 91, 125, 135. 305

Zur Herleitung des Neminem-laedere-Gebots Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 111 Rn. 193. 3 06 Siehe BVerfGE 54, 208, 218 ff.; 90, 241, 249; ablehnend Erichsen, Jura 1996, 84, 85; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 5 I, II Rn. 46 f.; Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 5 Rn. 10.

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Der Staat ist verpflichtet, sich schützend und fördernd vor die Grundrechte zu stellen und Dritte sowie die Allgemeinheit vor rechtswidrigen Übergriffen einzelner Grundrechtsträger zu bewahren 307. Da grundrechtliche und andere Schutzpflichten als solche jedoch keine eingriffslegitimierende Wirkung entfalten und den grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vorbehalt des Gesetzes nicht verdrängen 3 0 8 , ist es - selbst bei einer unbestreitbaren Höherwertigkeit der durch die übermäßige Grundrechtsausübung des Einzelnen beeinträchtigten verfassungsrechtlichen Positionen - Aufgabe des Gesetzgebers, einen angemessenen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Verfassungszielen zu schaffen 309. Nur in Ausnahmefällen sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Grundrechtseingriffe auch ohne gesetzliche Grundlage für eine gewisse Übergangszeit zulässig, soweit dies zum Schutz des durch die Grundrechtsausübung Beeinträchtigten oder der Allgemeinheit im konkreten Fall unerlässlich ist 3 1 0 . Nach dem freiheitsrechtlichen Modell des Grundgesetzes steht also bei einer Kollision der Grundrechtsausübung mit verfassungsrechtlich geschützten Positionen Dritter oder der Allgemeinheit nicht der Einzelne, sondern der Staat unter Rechtfertigungszwang, wenn dieser es versäumt, seinen grundrechtlichen Schutzpflichten durch die Schaffung angemessener gesetzlicher Regelungen gerecht zu werden 311 . (d) Der rundfunkspezifische Ausgestaltungsvorbehalt als rechtfertigungsbedürftiger Ausnahmefall Der rundfunkspezifische Ausgestaltungsvorbehalt der herrschenden Meinung stimmt mit keinem der beiden skizzierten Konfliktlösungsmodelle vollständig überein: Den mit einer Grundrechtsausübung verbundenen Gefahren wird zum einen nicht dadurch begegnet, dass besonders gefährliche Verhaltensweisen a priori aus dem Grundrechtstatbestand ausgeklammert werden; die Ausformung des Grundrechtstatbestands bleibt vielmehr wie bei den rechtserzeugten Grundrechten in weiten Teilen dem einfachen Recht überlassen. Zum anderen entfällt im Bereich der Grundrechtsausgestaltung die Ebene der Schrankenziehung. 307 Vgl. nur BVerfGE 39, 1, 42; 88, 203, 251; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 34 ff.; Dreier, Dimensionen der Grundrechte, S. 47 ff.; Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 111 Rn. 86 ff.; Jarass, AöR 120(1995), 345, 351 f. 308 Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 68 f.; Heintzen, VerwArch 81 (1990), 353 ff.; Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 111 Rn. 119. 309 BVerfGE 85, 386, 400; Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 111 Rn. 119; Kloepfer, in: Badura/Scholz (Hrsg.), Festschrift für Lerche, S. 755. 310 BVerfGE 85, 386, 401 f.; zur Rechtfertigung von gesetzesfreien Notbefugnissen ferner BVerfGE 33, 1, 13; 40, 276, 283; 41, 251, 267; 48, 29, 38. 311 Vgl. Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 111 Rn. 119.

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Insgesamt stellt sich die herrschende Konzeption der Rundfunkfreiheit jedoch in gewisser Hinsicht als Kombination beider Ansätze dar, da sie kollidierenden Verfassungszielen sowohl auf der Ebene des grundrechtlichen Tatbestands als auch auf der Ebene der Schrankenziehung Rechung zu tragen sucht: Sobald dem einzelnen Rundfunkveranstalter die Grundrechtsausübung aufgrund der „ausgestaltenden" Regelungen erlaubt ist, kann seine grundrechtliche Freiheit bei einer Kollision mit anderen Verfassungszielen als der Sicherung des freien Meinungsbildungsprozesses allein auf der Ebene der Schrankenziehung begrenzt werden, wobei der Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen wegen des Vorbehalts des Gesetzes Aufgabe des Gesetzgebers ist. Insoweit fügt sich das herrschende Verständnis der Rundfunkfreiheit also in das allgemeine System der Freiheitsrechte ein. Solange es dagegen im Hinblick auf die Freiheit des Meinungsbildungsprozesses an ausgestaltenden, konfliktauflösenden Regelungen fehlt, die Privaten die in Rede stehende Form der Grundrechtsausübung gestatten, wird der persönliche Schutzbereich des Grundrechts gleichsam „auf Null reduziert", da befürchtet wird, dass jegliche unreglementierte Grundrechtsbetätigung nachhaltige und womöglich irreversible Beeinträchtigungen des freien Meinungsbildungsprozesses als objektiver Zielsetzung der Rundfunkfreiheit mit sich bringen könnte 312 . Die für die Grundrechtsverwirklichung wesentliche Aufgabe der Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit wird dabei ebenfalls dem Gesetzgeber überantwortet 313, dessen Handlungsspielraum allerdings durch die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts begrenzt wird 3 1 4 . Mit der Annahme, ohne eine gesetzliche Zulassung des betreffenden Veranstalters entfiele für diesen jeglicher grundrechtliche Schutz, geht die herrschende Meinung allerdings weit über die bereits umstrittene „enge Tatbestandtheorie" hinaus, die nur einen marginalen Teil des nach dem Wortlaut gewährten Grundrechtsschutzes aus dem Grundrechtstatbestand herausnehmen will. Indem sie den subjektiven Schutz des Grundrechts bei einem Fehlen entsprechender gesetzlicher Regelungen gänzlich entfallen lässt, entspricht die herrschende Auslegung der Rundfunkfreiheit mithin nicht mehr der anerkannten Architektur der Freiheitsrechte. Sie setzt sich nicht nur in Widerspruch zu der allgemeinen Ablehnung einer umfassenden „Tatbestandslösung". Anders als die enge Tatbestandstheorie, die evidente und massive Eingriffe in Positionen Dritter dauerhaft aus dem Schutzbereich ausklammert, stellt sie zudem den Umfang des persönlichen Schutzbereichs in die Disposition des Gesetzgebers. In der Literatur wurde angesichts dieser grundrechtstheoretischen Anomalien sogar die Befürchtung geäußert, die allgemeine Grundrechtsdogmatik könnte 312 Vgl. insbesondere BVerfGE 57, 395, 232. 313 BVerfGE 57, 295, 321. 314 Etwa durch eine „Bestands- und Entwicklungsgarantie" für den öffentlichen Rundfunk, dem das Bundesverfassungsgericht die Aufgabe der „Grundversorgung" zuweist, hierzu insbesondere BVerfGE 73, 118 ff.

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Schaden nehmen, wenn man den Versuch unternähme, die herrschende Sicht der Rundfunkfreiheit mit ihr in Einklang zu bringen 315 . So wie sich die Rundfunkfreiheit nach dem Verfassungstext in die Reihe der Freiheitsrechte einfügt, wäre es andererseits nicht zu erklären, warum allein die Rundfunkfreiheit nicht nach den Maßstäben der allgemeinen Grundrechtsdogmatik zu beurteilen wäre. Die Grundrechtsdogmatik darf indes aber auch nicht als starres System angesehen werden, von dem nicht bei einzelnen Grundrechten mit gewichtigen Gründen abgewichen werden könnte, denn letztlich handelt es sich bei ihr um nichts anderes als um das Ergebnis einer grammatikalischen, historischen, systematischen und teleologischen Auslegung des Grundrechtskatalogs, für dessen Maßgeblichkeit im Rahmen der Rundfunkfreiheit lediglich eine, wenngleich starke, systematische Vermutung spricht. Bei derart fundamentalen Abweichungen vom allgemeinen Grundrechtsverständnis, wie sie die herrschende Sichtweise der Rundfunkfreiheit mit sich bringt, sind jedoch besonders hohe Anforderungen an die Rechtfertigung zu stellen. Der Blick auf die Mechanismen, die das Grundgesetz zur Auflösung von Zielkonflikten im Bereich der Freiheitsrechte bereithält, hat gezeigt, dass es zur Begründung der herrschenden Sicht nicht ausreichen kann, der Freiheit des Meinungsbildungsprozesses ein höheres Gewicht zuzumessen als der individuellen Rundfunkveranstalterfreiheit. Der rundfunkspezifische Ausgestaltungsvorbehalt der herrschenden Meinung kann als grundrechtsdogmatischer Systembruch nur dann gerechtfertigt werden, wenn er im Lichte der betroffenen Verfassungsziele als geradezu zwingend erscheint. (e) Mögliche Rechtfertigungsgründe Legt man diesen Maßstab zugrunde, so erscheint keiner der zur Verteidigung der herrschenden Sicht angeführten Gründe geeignet, den rundfunkspezifischen Ausgestaltungsvorbehalt und die mit ihm verbundene Verkürzung des subjektiven Schutzbereichs der Rundfunkfreiheit zu rechtfertigen. (aa) Vergleich mit anderen europäischen Verfassungen? Nicht überzeugend ist zunächst der Versuch, die Sonderbehandlung der Rundfunkfreiheit auf einen Vergleich mit anderen europäischen Verfassungen zu stützen 316 . Dieser Ansatz ist schon deshalb verfehlt, weil die Bezugnahme auf ausländisches Verfassungsrecht keine anerkannte Methode der Verfassungsauslegung ist 3 1 7 . Zudem ließe sich durch einen Verweis auf andere europäische Verfassungen 315 Böckenförde/Wieland, AfP 1982, 77, 81. 316 Vgl. etwa A. Hesse, Rundfunkrecht, Kapitel 2 Rn. 51 f. 317 Zu den Regeln der Verfassungsauslegung Starck, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VII, § 164 Rn. 18 ff.; anders aber Häberle, JZ 1989, 913 ff.

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auch der Sache nach allenfalls begründen, dass wegen der demokratischen Bedeutung des Rundfunks weiter reichende Einschränkungen der individuellen Freiheit geboten sein können als bei anderen Grundrechten 318. Die Annahme, dass die Grundrechtsausübung nur nach Maßgabe eines ausgestaltenden Gesetzes zulässig ist, lässt sich dagegen nicht als „gemeineuropäischer Standard" bezeichnen. (bb) Innerer Konflikt der Rundfunkfreiheit? Teilweise wird argumentiert, bei dem Konflikt zwischen der individuellen Rundfunkveranstalterfreiheit und der Freiheit der Meinungsbildung handle es sich in Wahrheit überhaupt nicht um einen Konflikt der Rundfunkfreiheit mit „anderen Verfassungsgütern"; die Indienststellung der Rundfunkfreiheit zugunsten der Freiheit des Meinungsbildungsprozesses sei vielmehr „in der Struktur der Rundfunkfreiheit selbst" angelegt 319 . Bei dieser Argumentation wird übergangen, dass die Rundfunkfreiheit sowohl den Schutz des Einzelnen als auch den der Allgemeinheit bezweckt. Der Umstand, dass sich mehrere im Einzelfall gegenläufige Schutzziele aus der gleichen Verfassungsbestimmung ergeben, kann nichts daran ändern, dass jedes dieser Ziele verfassungsrechtlich eigenständig Geltung beansprucht; dies umso mehr, wenn die kollidierenden Ziele, wie im Falle der Rundfunkfreiheit, unterschiedliche Schutzsubjekte haben. Im Übrigen verfügen sämtliche Grundrechte als wertentscheidende Grundsatznormen über eine objektive Schutzrichtung, mit der im Einzelfall die Gewährleistung des subjektiven Grundrechtsschutzes in Widerspruch geraten kann. Bei den übrigen Grundrechten führt dies jedoch nicht dazu, dass die Konfliktlösung von der Ebene der Schrankenziehung auf die Ebene des Tatbestands vorzuverlagern wäre. (cc) Nicht hinnehmbare Gefahren für die Freiheit des Meinungsbildungsprozesses? Damit bleibt zur Rechtfertigung der herrschenden Sicht die vom Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen regelmäßig wiederholte These, der Rundfunk könne deshalb nicht dem „freien Spiel der Kräfte" überlassen werden, weil es dann wegen der Marktbedingungen im Rundfunkbereich zu einer nicht hinnehmbaren Beeinträchtigung des freien Meinungsbildungsprozesses komme 320 . Ob diese Behauptung für die Zeit der ausschließlich analogen Rundfunkübermittlung zutraf, wurde bereits in zahlreichen Veröffentlichungen erörtert 321 und soll hier nicht erneut vertieft werden. Der Rundfunk befindet sich jedoch heute in 318

Vgl. etwa die Verfassungsrechtslage in Frankreich und Italien, näher hierzu A. Hesse, Rundfunkrecht, Kapitel 2 Rn. 50. 319 So Gersdorf, Rundfunkfreiheit, S. 32. 3 20 Grundlegend BVerfGE 57, 295, 323. 321 Siehe C. II. 2. c) aa) (2) und C. II. 2. c) bb). 9 Kroymann

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einer anderen Situation als noch vor wenigen Jahren. Die jüngsten Entwicklungen auf dem Gebiet der Telekommunikationstechnik, deren Konsequenzen für die Medienlandschaft sich zum Teil erst allmählich abzeichnen, rechtfertigen einen neuen Blick auf die tatsächlichen Grundlagen des herrschenden Verständnisses der Rundfunkfreiheit. Betrachtet man die heutige Situation des Rundfunks in Deutschland, so ist festzustellen, dass sich der Rundfunkmarkt unter dem Gesichtspunkt der Übertragungstechnik in mehrere von einander abgrenzbare Segmente unterteilen lässt. Dominant ist immer noch der klassische analoge Verteildienst-Rundfunk, der in Deutschland fast die gesamte Bevölkerung erreicht. Im Bereich des analogen Verteildienst-Hörfunks hat sich heute neben den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine Vielzahl inländischer privater Anbieter etabliert. Hinzu kommen ausländische Radiosender, die über Mittelwelle, teilweise aber auch über die qualitativ höherwertigeren Ultrakurzwellen-Frequenz (UKW) sowie über Kabel empfangbar sind. Die Anbieterstruktur ist damit beim Hörfunk vergleichbar heterogen wie bei den Printmedien. Dagegen haben sich im privaten Verteildienst-Fernsehen eher oligopolistische Strukturen gebildet. So entfällt derzeit mehr als ein Drittel des Zuschaueranteils auf Fernsehsender, die von einer der beiden größten im Fernsehbereich tätigen privaten Mediengruppen beherrscht werden 322 . Entgegen verbreiteten Erwartungen hat das Fernsehprogramm der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch das Aufkommen des privaten Rundfunks jedoch keinen dramatischen Bedeutungsverlust erlitten. Mögliche Vielfaltsdefizite im privaten Fernsehangebot werden durch den Binnenpluralismus der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kompensiert. Unter Berücksichtigung des Rundfunkangebots der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die das Bundesverfassungsgericht mit der Aufgabe der „Grundversorgung" betraut und deren Existenz das Gericht durch eine „Bestands- und Entwicklungsgarantie" auch für die Zukunft gesichert hat, lässt sich heute insgesamt konstatieren, dass die Vielfalt der in der Gesellschaft bestehenden Meinungen im Verteildienst-Rundfunk ebenso umfassend zum Ausdruck kommt wie in der überregionalen Presse. Ähnliches gilt für den digitalen Verteildienst-Rundfunk. Im Digitalfernsehen, das im Juli 2002 mehr als zwei Millionen Haushalte erreicht hat, kann neben den auch analog übertragenen Programmen eine Vielzahl entgeltpflichtiger Spartenprogramme empfangen werden 323 . Weil sich die privaten Fernsehanbieter schon aus kommerziellen Gründen inhaltlich an den Interessen und Anschauungen der Zuschauer orientieren und die infolge der Digitalisierung wachsende Zahl von Übertragungskanälen eine Befrie322

Hierbei handelt es sich um den Medienkonzern Bertelsmann und die seit dem Frühjahr 2002 in Teilen insolvente Kirch-Gruppe. 323 Deutschsprachige Programme in der Form des Bezahlfernsehens (sogenanntes PayTV) werden bisher fast ausschließlich von dem bisher zur Kirch-Gruppe gehörenden Fernsehsender Premiere angeboten, der im Dezember 2002 2,6 Millionen Zuschauer erreicht hat (eigene Angaben des Unternehmens auf seiner Internetseite).

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digung immer speziellerer Rezeptionsbedürfnisse zulässt, steht nicht zu befürchten, dass sich die gegenwärtige Situation durch die Anerkennung einer umfassenden subjektiven Rundfunkveranstalterfreiheit zum Nachteil des freien Meinungsbildungsprozesses verändern würde. Selbst dann, wenn man davon ausgehen sollte, dass das „freie Spiel der Kräfte" im Bereich des Verteildienst-Rundfunks derzeit noch keine hinreichende Gewähr dafür bietet, dass die in der Gesellschaft bestehende Meinungsvielfalt im privaten Verteildienst-Rundfunk umfassend und vollständig zum Ausdruck kommt, hält auch die klassische Grundrechtsdogmatik, namentlich durch das Konzept der grundrechtlichen Schutzpflichten, adäquate Mittel zum Schutz der freien Meinungsbildung bereit 324 . Allerdings ist die derzeitige Situation im Bereich des Verteildienst-Rundfunks für mögliche zukünftige Entwicklungen nur bedingt aussagekräftig, da sie unter dem strengen Regime der ausgestaltenden Rundfunkgesetzgebung entstanden ist und andere Formen des Rundfunks bei einer isolierten Betrachtung des Verteildienst-Rundfunks unberücksichtigt bleiben. Umso wichtiger ist daher der Blick auf die in den letzten Jahren neu geschaffenen Formen von Abrufdiensten, die nach dem hier vertretenen Standpunkt in weiten Teilen zum Rundfunk im verfassungsrechtlichen Sinne zu rechnen sind, denn diese haben sich, nicht zuletzt wegen ihres grenzüberschreitenden Charakters, weitgehend im „freien Spiel der Kräfte" entwickelt. Das Internet, das inzwischen von fast der Hälfte der Deutschen über 14 Jahren genutzt wird 3 2 5 , ermöglicht unter anderem den Empfang zahlreicher Radiound Fernsehprogramme in passabler Qualität 326 , bei denen es sich teilweise um herkömmliche, zusätzlich über das Internet verbreitete Programme, teilweise aber auch um reine Internetangebote handelt. Voraussetzung hierfür ist lediglich eine entsprechend hohe Übertragungsgeschwindigkeit, wie sie etwa die bereits von mehr als zwei Millionen Haushalten genutzte DSL-Technik zulässt 327 . Über Radio- und Fernsehprogramme hinaus kann im Internet eine Vielzahl von Inhalten abgerufen werden; die Bandbreite reicht von presseähnlicher Nachrichtenberichterstattung über Diskussionsforen bis hin zu Unterhaltungsangeboten, wobei unterschiedliche Darstellungsformen zwanglos miteinander kombiniert werden 328 . Das Internet ergänzt mit seinen Angeboten die meinungsbildende Funktion der klassischen Medien und insbesondere auch des herkömmlichen Rundfunks. Dessen meinungsbildende Wirkung lässt sich heute wegen der fließenden Übergänge zwischen Internet und Verteildienst-Rundfunk nicht mehr isoliert betrachten. Untersuchungen zur Mediennutzung haben eine komplementäre Nutzung herkömmlicher Rundfunk- und Internetangebote nachgewiesen und zugleich nahe gelegt, dass Internetangebote zunehmend auch eine Substitutionswirkung im Verhältnis zu 324 Hierzu näher C. II. 2. d) dd). 325 Van Eimeren/Gerhard/Frees, 326 Siehe A. I. 3. 327 Hierzu A. I. 3. 328 Siehe A. III. 2. b) aa). *

Media Perspektiven 2002, 346, 347.

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klassischen Rundfunkangeboten entfalten 329 . Für Radioprogramme erklärt sich dies bereits daraus, dass sich die Wahl der Übertragungsart und des Empfangsgeräts praktisch nicht auf das Endprodukt, also die schließlich zu vernehmende Radiosendung, auswirkt. Das Gleiche gilt, wenn auch eingeschränkt durch die zum Teil schlechte Übertragungsqualität im Internet, bei Bewegtbildsendungen. Klassische Verteildienst-Angebote und Internetangebote werden somit zunehmend auf einem gemeinsamen Markt erbracht. Inkonsequent wäre es daher, bei diesen Angeboten von getrennten Meinungsmärkten auszugehen. Vor dem Hintergrund, dass klassischer Rundfunk und „Internetrundfunk" zunehmend zu einem „Gesamtrundfunk" zusammenwachsen, der im Ganzen betrachtet eine weitaus höhere Vielfalt an Meinungen widerspiegelt als die Presse, lässt sich die dogmatische Sonderbehandlung des Rundfunks gegenüber der Presse in der Zukunft kaum mehr rechtfertigen. Dies heißt allerdings nicht, dass der Rundfunk gänzlich dem freien Markt zu überlassen wäre. Auch bei einem klassisch-individualrechtlichen Verständnis der Rundfunkfreiheit wäre der Staat kraft seiner grundrechtlichen Schutzpflichten berechtigt und auch verpflichtet, der Freiheit des Meinungsbildungsprozesses und Grundrechten Dritter angemessen Rechnung zu tragen. Angesichts der Konzentrationstendenzen im privaten Verteildienst-Fernsehen und der bisher vergleichsweise geringen Nutzung von Breitband-Zugängen zum Internet wäre der Gesetzgeber zumindest vorerst gehalten, den Schutz der freien Meinungsbildung als einer unverzichtbaren Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit der Demokratie durch vielfaltserhaltende Regelungen sicherzustellen. Hierzu stehen ihm neben einer Beibehaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunkangebots und der rundfunkspezifischen Konzentrationskontrolle eine ganze Reihe von Möglichkeiten zur Verfügung 330. Mit der Rückführung der Rundfunkfreiheit in das System der allgemeinen Grundrechtsdogmatik würde im Übrigen auch die durch die Annahme des rundfunkspezifischen Ausgestaltungsvorbehalts begründete Gefahr einer „Verfassungsrechtszersplitterung" beseitigt, zu der es, zumindest in der Theorie, dann kommen kann, wenn eine Rundfunkveranstaltung, etwa ein Internetradioprogramm, in einem Bundesland aufgrund des Landesmedienrechts ohne weiteres zulässig ist, in einem anderen Bundesland dagegen einer Lizenz bedarf. In diesem Fall könnte sich der Anbieter des Internetradiosenders, sofern er nicht über die erforderliche Lizenz verfügt, nur im ersten Bundesland auf die Rundfunkfreiheit berufen; im zweiten Land stünde ihm wegen der „grundrechtsermöglichenden" Wirkung der gesetzlichen Ausgestaltung nicht einmal der Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit zu. Eine solche Relativierung eines bundesverfassungsrechtlich gewährten Grundrechts, die wegen der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung hingenom329 Vgl. etwa (Jehmichen/Schröter, Media Perspektiven 2002, 410 ff.; dies., Media Perspektiven 2002, 376,379 330 Zu den derzeitigen Regelungen zur Sicherung der Meinungsvielfalt im Rundfunk B. II. 2.

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men werden müsste, erscheint insbesondere wegen des grenzüberschreitenden Charakters des Internets und des herkömmlichen Rundfunks als äußerst misslich.

(5) Ergebnis der Auslegung Nach allem lässt sich die Annahme eines rundfunkspezifischen Ausgestaltungsvorbehalts angesichts der heutigen Situation des Rundfunks nicht mehr rechtfertigen. Spätestens mit der Entwicklung des Internets ist die aus diesem Ausgestaltungsvorbehalt folgende Verkürzung des persönlichen Schutzbereichs der Rundfunkfreiheit nicht mehr haltbar, denn den Erfordernissen der freien Meinungsbildung kann auch durch die Garantie eines vollwertigen Individualgrundrechts hinreichend Rechnung getragen werden. Die Rundfunkfreiheit ist daher wie die Pressefreiheit als umfassend gewährleistetes Individualgrundrecht zu interpretieren.

dd) Schutz von Tele Shopping- und Onlineshoppinganbietern Bei einer Interpretation der Rundfunkfreiheit als klassisches Individualgrundrecht können sich Teleshopping- und Onlineshoppinganbieter, soweit es sich bei ihren Angeboten um Rundfunk handelt, unabhängig von einer gesetzlichen Ausgestaltung auf den Schutz der Rundfunkfreiheit berufen. Selbst dann, wenn man, entgegen dem hier vertretenen Standpunkt, den rundfunkspezifischen Ausgestaltungsvorbehalt zum Schutz des freien Meinungsbildungsprozesses auch in Zukunft für unverzichtbar hielte, wäre zweifelhaft, ob er bei Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten überhaupt zum Tragen kommen könnte. Wenn die Verkürzung des persönlichen Schutzbereichs der Rundfunkfreiheit im Wesentlichen dem Schutz des freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildungsprozesses als unverzichtbarer Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit der Demokratie geschuldet ist, so drängt sich die Frage auf, inwieweit Teleshoppingund Onlineshoppingangebote diesen Prozess überhaupt nachhaltig beeinträchtigen können. Soweit eine solche Beeinträchtigung der freien Meinungsbildung durch Teleshopping- und Onlineshoppingangebote ausgeschlossen ist, entfällt - auch unter Zugrundlegung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - die Grundlage für einen rundfunkspezifischen Ausgestaltungsvorbehalt. Zu dessen Rechtfertigung kann es, entgegen anderer Auffassung 331, nicht genügen, dass ausgestaltende Regelungen im Interesse des freien Meinungsbildungsprozesses möglich sind 332 . Ausgestaltende Regelungen sind auch bei der Presse möglich, ohne 331 Dazu C. II. 2. c) aa) (2) (c). 332 Gersdorf, Rundfunkfreiheit, S. 44.

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dass die Pressefreiheit deshalb einem Ausgestaltungsvorbehalt zu unterstellen wäre. Damit ein Ausgestaltungsvorbehalt gerechtfertigt werden kann, müsste eine gesetzliche Ausgestaltung zum Schutz der freien Meinungsbildung vielmehr verfassungsrechtlich zwingend sein 333 . Hieran fehlt es bei den meisten Formen von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten. Diese sind primär darauf gerichtet, potenzielle Käufer von den Vorzügen der angebotenen Produkte zu überzeugen und zur Bestellung dieser Produkte zu animieren. Insoweit sind Teleshopping- und Onlineshoppingangebote zwar meinungsrelevant; die demokratische Bedeutung der freien Meinungsbildung wird jedoch durch audiovisuelle Waren- und Dienstleistungsangebote in der Regel allenfalls peripher beeinflusst. Soweit sich Teleshopping- und Onlineshoppingangebote auf die Präsentation der jeweiligen Produkte beschränken und diese Produkte nicht als solche von erhöhter Bedeutung für den gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozess sind, ist daher zunächst keine Notwendigkeit für ausgestaltende Regelungen zum Schutze eines freien Meinungsbildungsprozesses erkennbar. Das rundfunkspezifische Pluralismusgebot etwa ergibt bei solchen Angeboten „schlechthin keinen Sinn" 3 3 4 . Eine Beeinträchtigung des freien Meinungsbildungsprozesses, die aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts die Notwendigkeit ausgestaltender Regelungen für Teleshopping- und Onlineshoppingangebote begründen könnte, kommt gleichwohl aus mehreren Gesichtspunkten in Betracht. Eine gesetzliche Ausgestaltung kann aus inhaltlichen Gründen zum einen im Hinblick auf solche Angebote als notwendig erscheinen, bei denen die Präsentation der Produkte mit weiteren Elementen vermengt wird, die über eine ähnlich große meinungsbildende Wirkung verfügen wie klassische Rundfunkinhalte, etwa mit Konzertausschnitten oder Buchrezensionen. Das Gleiche gilt, wenn die angebotenen Produkte, wie etwa direkt in digitaler Form abrufbare Filme, selbst über eine derartige Wirkung verfügen. Wie bei herkömmlichen Rundfunksendungen könnte eine einseitige Art der Darstellung bei solchen Angeboten eine Gefahr für die Freiheit des Meinungsbildungsprozesses begründen. Auch wenn unklar bleibt, welche Arten von Inhalten hiernach als „erhöht meinungsrelevant" anzusehen wären, müssten die Vertreter des rundfunkspezifischen Ausgestaltungsvorbehalts diesen auf derartige Angebote ausweiten. Andernfalls ließe sich der Ausgestaltungsvorbehalt für Anbieter klassischen Rundfunks durch die gelegentliche Einfügung von Produktangeboten umgehen. Soweit Teleshopping- und Onlineshoppingangebote über knappe Übertragungswege wie terrestrische Frequenzen oder Kabelanlagen übermittelt werden, könnte sich die Erforderlichkeit ausgestaltender Regelungen ferner daraus ergeben, dass über die Nutzung dieser Übertragungswege als eine für die Verwirklichung der 333 Die Art und Weise der Ausgestaltung bleibt dabei allerdings stets dem Gesetzgeber überlassen. 334 Gersdorf, Rundfunkfreiheit, S. 41; ähnlich Schroeder, ZUM 1994, 471, 479.

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Rundfunkfreiheit wesentliche Frage der Gesetzgeber zu entscheiden hat 3 3 5 . Allerdings kann nicht erwartet werden, dass der Gesetzgeber die Rangfolge aller in Betracht kommenden Angebotsformen im Detail festlegt, denn dazu wäre er angesichts der unüberschaubaren Vielfalt gegenwärtiger und künftiger Erscheinungsformen des Rundfunks kaum in der Lage 336 . Im Hinblick auf die Nutzung knapper Übertragungsfrequenzen bedarf es daher keiner besonderen Regelungen für Teleshopping- oder Onlineshoppingangebote. Weiterhin könnte sich die Erforderlichkeit gesetzlicher Regelungen zum Schutz der freien Meinungsbildung auch aus dem Kontext der jeweiligen Teleshoppingoder Onlineshoppingangebote ergeben. Werden Teleshoppingsendungen als Finanzierungsquelle innerhalb eines thematisch nicht auf Teleshopping ausgerichteten Gesamtprogramms ausgestrahlt, so kann es zu einem Konflikt zwischen wirtschaftlichen Interessen und inhaltlicher Unabhängigkeit der Rundfunkveranstalter kommen, der sich letztlich nachteilig auf die Objektivität der Berichterstattung und damit auf die freie Meinungsbildung auswirken könnte. Um der Gefahr einer inhaltlichen Einflussnahme der Teleshoppinganbieter auf das übrige Rundfunkprogramm entgegenzuwirken, kommen bei solchen Programmen zeitliche Höchstgrenzen für die Ausstrahlung von Teleshoppingsendungen oder Vorgaben mit einer vergleichbaren Wirkung in Betracht. Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob derartige Regelungen im Hinblick auf die Freiheit des Meinungsbildungsprozesses verfassungsrechtlich zwingend sind. Diese Frage dürfte zu verneinen sein, da nicht ersichtlich ist, warum die Unabhängigkeit der Veranstalter durch Teleshoppinganbieter stärker gefährdet sein sollte als die Unabhängigkeit der Presse durch Anzeigenkunden. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die Gefahr einer inhaltlichen Einflussnahme durch Onlineshoppinganbieter, deren Angebote in andere Internetseiten in Form von Werbeanzeigen integriert werden. Schließlich ließe sich argumentieren, der Ausgestaltungsvorbehalt sei deshalb auf Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten zu erstrecken, weil durch eine ungehinderte Zulassung dieser Angebote die Finanzierungsgrundlagen herkömmlicher Rundfunkveranstalter, namentlich ihre Werbeeinnahmen, gefährdet werden könnten und hierdurch letztlich auch die Meinungsvielfalt im Rundfunk beeinträchtigt wäre 337 . Zwar gibt es im Allgemeinen keinen grundrechtlichen Schutz vor Wettbewerb 338. Im Bereich der Rundfunkfreiheit kann jedoch der Schutz des freien Meinungsbildungsprozesses eine Einschränkung ungehinderten Wettbewerbs erforderlich machen. Es fehlt aber derzeit an Anhaltspunkten dafür, dass es durch Teleshopping- und Onlineshoppingangebote zu einer Austrocknung der Finanzquellen des herkömmlichen Rundfunks kommen könnte. Der öffentlich335 Vgl. Gersdorf, Rundfunkfreiheit, S. 43. 336 Gersdorf, Rundfunkfreiheit, S. 43. 337 Gersdorf, Rundfunkfreiheit, S. 43. 338 Mit diesem Argument begründet Degenhart, ZUM 1995, 353, 357 die Annahme, mit reinen Teleshoppingsendern sei keine Gefährdung der Rundfunkordnung verbunden.

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rechtliche Rundfunk, der den wichtigsten Beitrag für die Sicherung der Meinungsvielfalt im Rundfunk liefert, finanziert sich ohnehin überwiegend aus den Rundfunkgebühren und ist daher kaum von Werbeeinnahmen abhängig. Soweit man also im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Rundfunkfreiheit weiterhin einem Ausgestaltungsvorbehalt unterstellen will, so kann dieser für Teleshopping- oder Onlineshoppingangebote jedenfalls nur sehr eingeschränkt Geltung beanspruchen 339. Dem Vorbehalt gesetzlicher Ausgestaltung können auch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allenfalls solche Angebote unterliegen, bei denen die Produktvorstellung mit klassischen Rundfunkinhalten vermengt wird oder bei denen die vorgestellten Produkte als solche über eine besonders hohe meinungsbildende Wirkung verfügen.

ee) Zusammenfassung Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird die Rundfunkfreiheit heute als klassisches Individualgrundrecht des einzelnen Rundfunkveranstalters gewährleistet. Teleshopping- und Onlineshoppinganbieter können sich daher, soweit es sich bei ihren Angeboten um Rundfunk handelt, unabhängig von einer gesetzlichen Ausgestaltung auf den Schutz der Rundfunkfreiheit berufen. Selbst dann, wenn man mit dem Bundesverfassungsgericht weiterhin davon ausgehen wollte, dass die Rundfunkfreiheit einem Ausgestaltungsvorbehalt unterstellt ist, genießen Teleshopping- und Onlineshoppinganbieter in der Regel auch ohne eine gesetzliche Ausgestaltung individualrechtlichen Schutz. Unter einen rundfunkspezifrschen Ausgestaltungsvorbehalt könnten allenfalls solche Teleshoppingund Onlineshoppingangebote fallen, bei denen die Produktvorstellung mit klassischen Rundfunkinhalten vermengt wird oder bei denen die vorgestellten Produkte als solche über eine deutlich erhöhte meinungsbildende Wirkung verfügen.

d) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit und Gebotenheit staatlicher Beschränkungen der Rundfunkfreiheit von Teleshopping- und Onlineshoppinganbietern aa) Eingriff

oder Ausgestaltung ?

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der herrschenden Meinung im Schrifttum fehlt staatlichen Begrenzungen der individuellen Rundfunk339

Für eine Einschränkung des rundfunkspezifischen Ausgestaltungsvorbehalts bei Teleshoppingangeboten im Ergebnis auch Degenhart, ZUM 1995, 353, 358.

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freiheit, die aus der Ausgestaltungsaufgabe des Gesetzgebers resultieren, von vornherein die Qualität eines Grundrechtseingriffs. Sonstige staatliche Einschränkungen der individuellen Rundfunkfreiheit werden dagegen als Eingriffe behandelt. Die Unterscheidung zwischen Eingriff und Ausgestaltung ist vor allem für die Frage von Bedeutung, anhand welcher Maßstäbe die Verfassungsmäßigkeit staatlicher Akte im Bereich des Rundfunks zu beurteilen ist. Ausgestaltende Akte sind nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts allein an den Vorgaben des rundfunkspezifischen Ausgestaltungsvorbehalts zu messen. Wie das Gericht wörtlich ausführt, „können" ausgestaltende Gesetze „keinen Grundrechtseingriff enthalten, bedürfen also keiner weiteren verfassungsrechtlichen Rechtfertigung" 340. Grundrechtseingriffe sind dagegen nur zulässig, wenn sie verfassungsrechtlich gerechtfertigt sind, also insbesondere den Anforderungen des jeweiligen grundrechtlichen Gesetzesvorbehalts genügen und im Hinblick auf das eingeschränkte Grundrecht verhältnismäßig sind. Zur Rechtfertigungsbedürftigkeit möglicher Eingriffe in die Rundfunkfreiheit heißt es in der FR AG-Entscheidung341 des Bundesverfassungsgerichts: „Die aus Art. 5 Abs. 1 GG folgende Aufgabe, Rundfunkfreiheit rechtlich auszugestalten, berechtigt jedoch nicht zu einer Beschränkung des Grundrechts. Eine solche ist nur gemäß Art. 5 Abs. 2 GG zulässig, nach dem die Rechte des Abs. 1 ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre finden." 342

Trotz der erheblichen Konsequenzen für den effektiven Grundrechtsschutz, die mit einer Differenzierung zwischen Ausgestaltung und Beschränkung der Rundfunkfreiheit verbunden sind, versäumen es die Befürworter eines rundfunkspezifischen Ausgestaltungsvorbehalts, taugliche Kriterien für eine Abgrenzung zwischen beiden Formen grundrechtsrelevanter Akte zu benennen343: Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich zwar entnehmen, dass es die Ausgestaltungsaufgabe des Gesetzgebers aus seiner verfassungsrechtlichen Pflicht ableitet, freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung sicherzustellen. Nach Ansicht des Gerichts fallen jedoch nicht alle Regelungen, die diesem Ziel dienen sollen, in den Bereich der Grundrechtsausgestaltung. Sobald es die Anforderungen des grundrechtlichen Ausgestaltungsvorbehalts missachtet sieht, behandelt das Gericht auch solche Begrenzungen der individuellen Rundfunkfreiheit als Eingriffe, durch die nach dem Willen des Gesetzgebers die Freiheit des Meinungsbildungsprozesses geschützt werden soll. So hat das Bundesverfassungsgericht in der Baden-Württemberg-Entscheidung 344 die Begrenzung 340 BVerfGE 73, 118, 166. 341 BVerfGE 57, 295 ff. 342 BVerfGE 57, 295, 321; ähnlich BVerfGE 74, 297, 334. 343 So auch Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 402. 344 BVerfGE 74, 297 ff.

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und Nichterweiterung des Betätigungsfeldes öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten als Verletzung ihrer Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG angesehen 345 , obwohl mit den beanstandeten Regelungen (auch) ein vielfältiges und ausbalanciertes Rundfunkangebot sichergestellt werden sollte 346 . Wenn man es für die Abgrenzung zwischen Ausgestaltung und Eingriff nicht als entscheidend ansieht, ob der Gesetzgeber die Freiheit der Meinungsbildung fördern will, bleibt aber zum einen fraglich, ob es stattdessen ausschließlich auf eine objektive Förderung des freien Meinungsbildungsprozesses ankommen soll oder ob zusätzlich eine entsprechende subjektive Zielrichtung des Gesetzgebers erforderlich ist. Insbesondere aber bleibt offen, welche Anforderungen an den Beitrag der jeweiligen Regelungen zur Sicherung freier Meinungsbildung zu stellen sind. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts sind insoweit wenig erhellend. Im Zusammenhang mit Regelungen zur Rechtsaufsicht etwa spricht das Bundesverfassungsgericht von einem „Doppelcharakter" der aufsichtsrechtlichen Bestimmungen. Zur Frage, wann diese die Rundfunkfreiheit ausgestalten und wann sie grundrechtseinschränkend wirken, begnügt sich das Gericht mit einer eher vagen Unterscheidung zwischen „die Rundfunkfreiheit sichernden Rechtsvorschriften" und sonstigen Rechtsvorschriften 347 . In der Literatur wird vorgeschlagen, gesetzliche Regelungen dann nicht als Ausgestaltung, sondern als Eingriff zu qualifizieren, wenn sie den Schutz anderer Rechtsgüter als der Freiheit individueller und öffentlicher Meinungsbildung bezwecken348. Entsprechend dieser Maßgabe werden bestimmte Arten von „nicht kommunikationsbezogenen Regelungen"349 in Fallgruppen zusammengefasst, bei denen eine Beschränkung der Rundfunkfreiheit stets zu bejahen sein soll. Nicht zur Grundrechtsausgestaltung sollen danach sämtliche Bestimmungen über den Jugendschutz, das Gegendarstellungsrecht, das Urheberrecht sowie den Verbraucherschutz gehören 350 . Abgesehen davon, dass die genannten Rechtsbereiche durchaus „kommunikationsbezogene" Regelungen einschließen, bildet jedoch der gesetzgeberische Zweck allein keine verlässliche Grundlage für eine Abgrenzung zwischen ausgestaltenden und beschränkenden Regelungen, da mit vielen rundfunkrelevanten Regelungen, die zum Schutz anderer Rechtsgüter erlassen werden, zugleich auch die freie Meinungsbildung gefördert wird und werden soll. Dies lässt sich gerade

345 BVerfGE 74, 297, 299 und 331 ff. 346 Vgl. hierzu die Ausführungen der Regierung von Baden-Württemberg, siehe BVerfGE 74, 297,311. 347

BVerfGE 95, 220, 235; kritisch hierzu auch Determann, Kommunikationsfreiheit,

S. 402. 348

Gersdorf, Rundfunkfreiheit, S. 35; Hoffmann-Riem, recht, S. 90; Ruck, AöR 117 (1992), 543, 552. 349 Gersdorf, Rundfunkfreiheit, S. 36. 3 50 Gersdorf, Rundfunkfreiheit, S. 35 f.

Rundfunkrecht neben Wirtschafts-

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anhand des als Beispiel mangelnder Grundrechtsausgestaltung genannten Verbraucherschutzes verdeutlichen, der im Zusammenhang mit Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten besonderer Beachtung bedarf. Dem Schutz der Verbraucher dient unter anderem das Gebot der Trennung zwischen redaktionellen Inhalten und Werbung 351 . Dieses Gebot schützt die Rezipienten vor einer Vermengung von (vermeintlich) unabhängiger, sachlicher Berichterstattung mit einseitiger kommerzieller Interessenverfolgung und beugt der hiermit verbundenen Gefahr einer Irreführung der Verbraucher vor. Insoweit wird das Trennungsgebot zugleich als unmittelbar wettbewerbsbezogene Norm eingestuft 352 . Auf der anderen Seite dient das Trennungsgebot jedoch zweifellos auch der Freiheit der Meinungsbildung in ihrer demokratischen Dimension, denn diese kann durch eine Verschleierung wirtschaftlicher Interessen und Abhängigkeiten nachhaltig beeinträchtigt werden. Ob es sich um eine Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit oder um einen Eingriff in Rundfunkfreiheit handelt, lässt sich also durch einen Blick auf die mit dem Trennungsgebot verfolgten Zwecke nicht ohne Weiteres beantworten. Ähnlich verhält es sich mit dem Gegendarstellungsrecht, das zwar zunächst den Rechten des Betroffenen dient, aber andererseits auch dem Interesse der Allgemeinheit an einer umfassenden und ausgewogenen Darstellung förderlich ist. Umgekehrt kommen beispielsweise die vielfaltsorientierten gesetzlichen Kriterien für die Zuordnung von Rundfunkübertragungskapazitäten nicht nur der Freiheit des individuellen und öffentlichen Meinungsbildungsprozesses, sondern auch den wirtschaftlichen Interessen der Rezipienten und Wettbewerber zugute, da sie einer marktbeherrschenden Stellung einzelner privater Anbieter faktisch entgegenwirken 353. Wie bei derartigen, mehreren Zielen gleichzeitig förderlichen Bestimmungen zwischen Eingriff und Ausgestaltung abzugrenzen ist, vermag auch eine weitere Ansicht in der Literatur nicht zu klären, nach der als rechtfertigungsbedürftige Eingriffe in die Rundfunkfreiheit auch solche Regelungen zu qualifizieren sind, die zwar im Rahmen der Ausgestaltungsaufgabe des Gesetzgebers erlassen werden, aber eine durch vorherige Ausgestaltung bereits gewährte Rechtsposition schmälern oder zurücknehmen 354. Auch wenn es richtig ist, den Gesetzgeber bei einer nachträglichen Beschränkung bereits zugelassener Rundfunkanbieter einer umfassenden Rechtfertigungspflicht zu unterwerfen, bleibt hiernach weiterhin offen, wann eine Regelung überhaupt einen ausgestaltenden Charakter aufweist. Wie die zuvor angeführten Beispiele zeigen, ist die nach herrschender Meinung vorzunehmende Differenzierung zwischen ausgestaltenden und beschrän351 Hierzu B. II. 2. g) aa). Zu der eingeschränkten Wirksamkeit des Trennungsgebots im Bereich der Internetdienste siehe Boehme-Neßler, ZUM 2001, 547, 553 f. 352 Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 880. 353 Wie gerade das letzte Beispiel zeigt, kann sich allerdings aus der Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen eine Begrenzung der vom Gesetzgeber in zulässiger Weise zu verfolgenden Zwecke ergeben, vgl. hierzu C. III. 3. c) cc) (4) (a). 354 Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 74.

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kenden Regelungen bereits wegen der mit ihr verbundenen Rechtsunsicherheit angreifbar. Entscheidendendes Gewicht kommt allerdings der grundsätzlichen Frage zu, ob dem Gesetzgeber überhaupt eine Befugnis zur Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit zustehen kann. Unabhängig von den beschriebenen Abgrenzungsschwierigkeiten bleibt es insoweit bei dem im Rahmen der Grundrechtsauslegung ermittelten Ergebnis, dass die herrschende Meinung abzulehnen ist: Die Kategorie der grundrechtlichen Ausgestaltung passt nicht in das verfassungsrechtliche Modell der Freiheitsrechte; soweit sich eine Befugnis des Gesetzgebers zur Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit nicht eindeutig aus der Verfassung ergibt, kommt eine solche Befugnis als grundrechtsdogmatischer Systembruch nur in zwingenden Ausnahmefällen in Betracht; wie gezeigt wurde, ist ein solcher Ausnahmefall im Bereich des Rundfunks angesichts der jüngeren Entwicklungen der Medienlandschaft heute nicht mehr begründbar. Der rundfunkspezifische Ausgestaltungsvorbehalt der herrschenden Meinung kann daher nicht mehr aufrechterhalten werden 355 . Nach dem hier vertretenen Standpunkt sind mithin alle staatlichen Begrenzungen der individuellen Rundfunkfreiheit als Grundrechtseingriffe zu qualifizieren, es sei denn, ihnen fehlt aus anderen Gründen die Qualität eines Eingriffs.

bb) Eingriffe

in die Rundfunkfreiheit von Teleshoppingund Onlineshoppinganbietern

Grundrechtseingriffe sind alle nicht unerheblichen Einwirkungen des Staates auf das grundrechtliche Schutzgut gegen den Willen des Grundrechtsträgers 356. Unter diese weite Begriffsbestimmung fallen nicht nur die klassischen Erscheinungen des Grundrechtseingriffs, die durch die Anwendung obrigkeitlicher Befehls- und Zwangsgewalt, die Rechtsförmlichkeit des Vorgehens sowie die Zielgerichtetheit und die Unmittelbarkeit der Einwirkung auf das grundrechtliche Schutzgut gekennzeichnet sind 357 , sondern auch andere Formen staatlicher Ingerenzen, denen zwar die Merkmale des klassischen Eingriffs fehlen, die aber, weil sie gegen den Willen des Betroffenen auf das grundrechtlich geschützte Gut einwirken, nach modernem Verständnis gleichwohl den grundrechtlichen Schutz aktivieren 358 . Als Eingriffe in die Rundfunkfreiheit von Teleshopping- und Onlineshoppinganbietern kommen demnach alle staatlichen Akte in Betracht, die es diesen Anbietern in nicht unerheblichem Maße erschweren oder unmöglich machen, ihre Angebote 355 C. II. 2. C) CC). 356 Statt vieler Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 111 Rn. 59. 357 Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 111 Rn. 61. 358 Näher Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 111 Rn. 63.

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dem anvisierten Adressatenkreis zugänglich zu machen und dabei den Inhalt, die Art der Darstellung, die Übertragungstechnik sowie den Zeitpunkt der Übermittlung nach eigenem Willen zu bestimmen. Die Rundfunkfreiheit ist allerdings in der Regel nur dann betroffen, wenn die jeweiligen Angebote die Voraussetzungen des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs erfüllen. Ein klassischer Grundrechtseingriff wäre das Verbot einzelner oder sämtlicher Arten von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten359, und zwar nach dem hier vertretenen Standpunkt unabhängig davon, ob es der Freiheit der individuellen und öffentlichen Meinungsbildung oder anderen Zielen dient oder dienen soll. Ein solches Verbot greift auch dann in die grundrechtlich geschützte Freiheit ein, wenn es durch einen Befreiungs- oder Erlaubnisvorbehalt entschärft ist. Ein Grundrechtseingriff ist bereits zu bejahen, wenn die Zulässigkeit von Teleshopping- oder Onlineshoppingangeboten von einer behördlichen Anmeldung oder Anzeige 360 oder von vergleichbaren Erfordernissen wie der Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer 361 abhängig gemacht wird. Eine Beschränkung der Rundfunkfreiheit kann weiterhin darin liegen, dass Teleshopping- und Onlineshoppinganbieter aufgrund staatlicher Vorschriften über die Aufteilung knapper Übertragungskapazitäten von einer Nutzung bestimmter Übertragungswege ausgeschlossen werden, zu denen sie andernfalls durch Abreden mit den Betreibern dieser Übertragungswege Zugang erhalten könnten 362 . Die individuelle Freiheit, Teleshopping- und Onlineshoppingdienste anzubieten, wird zudem durch eine medienrechtliche oder kartellrechtliche Konzentrationskontrolle beschränkt, durch die Teleshopping- oder Onlineshoppinganbieter an einer beliebigen Ausdehnung ihres Marktanteils gehindert werden 363 ; ferner durch zeitliche Begrenzungen, wie etwa die Festlegung eines maximalen Anteils von Teleshoppingsendungen innerhalb eines Gesamtpro364

gramms Auch bei inhaltsbezogenen Vorgaben handelt es sich in aller Regel um Grundrechtseingriffe. Die „Programmfreiheit" von Teleshopping- und Onlineshoppinganbietern, also ihre inhaltliche Gestaltungsfreiheit, wird nicht nur durch das Verbot bestimmter Inhalte, sondern auch durch allgemeine inhaltliche Mindeststandards und durch positive inhaltliche Anforderungen wie die Verpflichtung zur Anbieterkennzeichnung oder zur Veröffentlichung von Gegendarstellungen beschränkt 365. 359 Vgl. hierzu B. II. 2. a). 360 Vgl. etwa die gewerberechtliche Anzeigepflicht nach § 14 GewO, an deren Vereinbarkeit mit der Rundfunkfreiheit aber aufgrund des Vorbehalts der „allgemeinen Gesetze" keine Zweifel bestehen. 361 Allgemein zur Zwangsmitgliedschaft in öffentlich-rechtlichen Körperschaften BVerfGE 15, 235 ff.; 38, 281 ff. Zur Frage eines Eingriffs in die Berufsfreiheit C. II. 5. c). 362 Das Problem einer Versagung von Übertragungswegen ist praktisch in erster Linie für Teleshoppingangebote von Bedeutung, da diese, anders als Onlineshoppingangebote, bestimmte Ubertragungsfrequenzen exklusiv nutzen, siehe hierzu bereits B. II. 2. c). 363 Vgl. hierzu B. I I 2. d). 364 Vgl. hierzu B. II 2. e).

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Dies gilt unabhängig davon, ob es sich hierbei um besondere Vorschriften für den Rundfunk oder um Regelungen allgemeiner Art handelt. So greifen die gerade bei Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten relevanten Vorschriften über den unlauteren Wettbewerb, ungeachtet ihrer Geltung für den gesamten geschäftlichen Verkehr, in die inhaltliche Gestaltungsfreiheit von Teleshopping- und Onlineshoppinganbietern ein, soweit sie bestimmte Äußerungen als wettbewerbswidrig qualifizieren und hieran nachteilige Rechtsfolgen knüpfen. Gesetzlichen Regelungen, die sich nur mittelbar auf Teleshopping- oder Onlineshoppingangebote auswirken, fehlt dagegen unter Umständen der für einen Eingriff erforderliche Bezug zur Rundfunkfreiheit. Ob es sich bei mittelbaren Einwirkungen auf Teleshopping- oder Onlineshoppingangebote um Eingriffe in die Rundfunkfreiheit handelt, kann letztlich nur aufgrund der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden 366 : Zivilrechtliche, steuerrechtliche oder sonstige Pflichten, die erst durch den Vertragsschluss oder die hieraus resultierenden Transaktionen begründet werden, lassen sich regelmäßig nicht als Beschränkungen der Rundfunkfreiheit von Teleshopping- oder Onlineshoppinganbietern qualifizieren. Auch wenn etwa besondere Verbraucherschutzbestimmungen im Bereich des Fernabsatzes einzelne Unternehmen vom Aufbau eines Internet- oder Fernsehvertriebs abhalten könnten, liegt in diesen Bestimmungen noch kein Eingriff in die Rundfunkfreiheit, es sei denn, ein solcher wäre durch eine besonders intensive Belastung von Teleshopping- oder Onlineshoppinganbietern oder durch die Finalität des staatlichen Handelns indiziert. Entsprechendes gilt für Datenschutzvorschriften sowie für Bestimmungen, die sich auf die innerbetriebliche Organisation von Teleshopping- oder Onlineshoppingunternehmen auswirken. Bei derartigen Regelungen ist jedoch stets zu prüfen, inwieweit sie die inhaltliche Gestaltungsfreiheit der Teleshopping- und Onlineshoppinganbieter berühren. So können obligatorische Angaben zum Datenschutz ebenso in die Rundfunkfreiheit von Teleshopping- und Onlineshoppinganbietern eingreifen wie arbeitsrechtliche Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte, die den inhaltlichen Entscheidungsspielraum der Anbieter einschränken. Auch die Pflicht zur Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten ist als Eingriff in die inhaltliche Gestaltungsfreiheit von Teleshopping- und Onlineshoppinganbietern zu qualifizieren, denn die Funktion des Jugendschutzbeauftragten besteht gerade darin, die inhaltliche Beschaffenheit der Angebote im Sinne des Jugendschutzes zu beeinflussen.

365 V g l . h i e r z u B . I I . i).

366 Allgemein zur Notwendigkeit einer dynamischen Bestimmung der Eingriffskriterien Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 111 Rn. 67.

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cc) Eingriffsrechtfertigung (1) Schranken der Rundfunkfreiheit Gemäß Art. 5 Abs. 2 GG findet die Rundfunkfreiheit wie die anderen Kommunikationsfreiheiten ihre Schranken „in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre". Die drei Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG stehen selbstständig nebeneinander, können also kumulativ zum Tragen kommen 367 . (a) Vorschriften

der allgemeinen Gesetze

Als „allgemeine Gesetze" bezeichnet das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der Meinungsfreiheit all diejenigen Gesetze, die „nicht eine Meinung als solche verbieten, die sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten", sondern die „vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsgutes dienen", dem Schutz eines „Gemeinschaftswerts, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit den Vorrang hat" 3 6 8 . Übertragen auf die Rundfunkfreiheit bedeutet dies, dass Gesetze nur dann „allgemein" sein können, wenn sie kein Sonderrecht gegen die im Rundfunk übermittelten Meinungs- und Tatsachenäußerungen als solche enthalten. Zudem ist auch bei der Rundfunkfreiheit das Sonderrechtskriterium um materielle Kriterien der Abwägung zu ergänzen 369. Grundlage für die Abwägung bildet eine Auslegung der allgemeinen Gesetze, die der wertsetzenden Bedeutung der Rundfunkfreiheit Rechnung trägt, indem sie diese Gesetze in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder einschränkt 370. Auch wenn der Ansatz des Bundesverfassungsgerichts, den Begriff der allgemeinen Gesetze durch eine schlichte „Aneinanderreihung" zweier Definitionen mit verschiedenem Aussagegehalt371 auszufüllen, auf Kritik gestoßen ist 3 7 2 , hat sich die Formel des Bundesverfassungsgerichts allgemein durchgesetzt. Bis heute umstritten ist allerdings die Frage, ob die notwendige Güterabwägung abstrakt oder im Einzelfall zu erfolgen hat. In der Literatur wird insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit zum Teil einer abstrakten Abwägung der Vorzug gegeben373, bei der allerdings nicht allein der Zweck des Gesetzes, sondern auch das Erforder367 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 243 f. 368 BVerfGE 7, 198, 209 f.; 71, 206, 214; 95, 220, 235 f. 369 Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 873. 370 Sogenannte Wechselwirkung; grundlegend hierzu BVerfGE 7, 198, 208 ff. (Lüth); siehe hierzu auch Grimm, NJW 1995, 1697, 1700 ff. 371 Vgl. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 178. 372 Hierzu Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 259 ff. 373 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 260; Pestalozza, AfP 1985, 270; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 185.

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lichkeitsprinzip zu berücksichtigen sein soll 3 7 4 . Das im Rechtsstaatsprinzip enthaltene Gebot der Einzelfallgerechtigkeit dürfte aber den Ausschlag zugunsten einer konkreten Abwägung geben, wie sie auch vom Bundesverfassungsgericht befürwortet wird 3 7 5 . Bei Regelungen, die eine Beschränkung der Rundfunkfreiheit von Teleshopping- und Onlineshoppinganbietern bewirken, ist hiernach wie folgt zu differenzieren: Um allgemeine Gesetze handelt es sich unproblematisch bei Bestimmungen, die nicht an die inhaltliche Gestaltung von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten anknüpfen und sich auch nicht auf diese auswirken; so etwa bei kartellrechtlichen Regelungen, die es Teleshopping- und Onlineshoppinganbietern erschweren, eine marktbeherrschende Stellung zu erlangen 376 , bei gewerberechtlichen Bestimmungen wie § 14 und § 35 GewO oder bei vergleichbaren standesrechtlichen Bestimmungen, aber auch bei Vorschriften über eine rundfunkspezifische Konzentrationskontrolle zur Sicherung des publizistischen Wettbewerbs im Rundfunk, soweit diese an inhaltlich neutrale Kriterien wie die Marktanteile der einzelnen Anbieter anknüpfen. Wird durch gesetzliche Regelungen die inhaltliche Gestaltungsfreiheit von Teleshopping- und Onlineshoppinganbietern eingeschränkt, liegt in der Regel dann kein Sonderrecht gegen die im Rundfunk übermittelten Meinungs- und Tatsachenäußerungen als solche vor, wenn lediglich die durch die allgemeine Rechtsordnung begründeten Rechtspflichten und Verhaltensanforderungen auf diese Angebotsformen erstreckt werden 377 . Allerdings wäre es verfehlt, den nicht speziell für den Rundfunk geltenden Gesetzen, wie zum Beispiel den Bestimmungen des Strafrechts oder den Vorschriften über den unlauteren Wettbewerb, generell den Status „allgemeiner Gesetze" zuzuerkennen 378. Da viele Gesetze, wie unter anderem das StGB und das UWG, dem Schutze ganz unterschiedlicher Rechtsgüter dienen, muss im Einzelfall nach dem jeweils betroffenen Schutzgut und dem Gefährdungsgrad differenziert werden, um die für die Feststellung der „Allgemeinheit" erforderliche materielle Abwägung vornehmen zu können 379 .

374 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 260; vgl. auch Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 185. 375 BVerfGE 7, 198, 209; für eine konkrete Güterabwägung ferner K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 400; Lerche, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, S. 53; Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 170. 376 Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 877. Zur Anwendbarkeit kartellrechtlicher Regelungen neben dem Rundfunkrecht siehe Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 877 ff.; Stock, in: Hoffmann-Riem (Hrsg.), Rundfunkrecht im Wettbewerbsrecht, S. 35, 51, 61. Vgl. hierzu auch C. III. 3. c) cc). 377 Vgl. Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 873. 378 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 275. 379 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 275.

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Daraus, dass gesetzliche Vorschriften besondere inhaltliche Anforderungen an Rundfunkangebote stellen, folgt auf der anderen Seite noch nicht, dass es ihnen an der Qualität eines „allgemeinen Gesetzes" fehlt. Ob Regelungen sich ausschließlich im Schutzbereich der Rundfunkfreiheit auswirken oder auch darüber hinaus Geltung beanspruchen, kann für die Beurteilung ihrer „Allgemeinheit" im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG nicht entscheidend sein 380 , denn das „Sonderrechtskriterium" bezieht sich nach richtiger Ansicht nicht auf das Kommunikationsmittel, sondern auf die übermittelten Inhalte 381 . Bei einer anderen Auslegung wäre das Medienrecht im engeren Sinne insgesamt aus dem Schrankenvorbehalt der „allgemeinen Gesetze" auszugrenzen, obwohl die meisten medienspezifischen Regelungen inhaltlich neutral gefasst sind oder sich, wie etwa die Jugendschutzbestimmungen, jedenfalls nicht gegen bestimmte Äußerungen als solche wenden, sondern dem Schutz anderer Rechtsgüter dienen 382 . Auch bei den weit reichenden medienrechtlichen Bestimmungen zum Schutze der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung handelt es sich hiernach um allgemeine Gesetze, wenn die mit diesen Bestimmungen verbundenen Einschränkungen der individuellen Rundfunkfreiheit im Hinblick auf die Freiheit des Meinungsbildungsprozesses erforderlich und, soweit man für die Feststellung der „Allgemeinheit" eine konkrete Güterabwägung für geboten hält, auch verhältnismäßig sind. (b) Gesetzliche Bestimmungen zum Schutze der Jugend Die Schranke des Jugendschutzes berechtigt den Gesetzgeber zu Regelungen, durch die Gefahren für die Jugend abgewehrt werden. Wie das Bundesverfassungsgericht ausführt, drohen solche Gefahren „auf sittlichem Gebiet von allen Druck-, Ton- und Bilderzeugnissen, die Gewalttätigkeiten oder Verbrechen glorifizieren, Rassenhaß provozieren, den Krieg verherrlichen oder sexuelle Vorgänge in grob schamverletzender Weise darstellen und deswegen zu erheblichen, schwer oder gar nicht korrigierbaren Fehlentwicklungen führen können" 383 . Bei Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten kann sich eine Gefährdung von Jugendlichen zum einen aus der Art der audiovisuellen Präsentation der Produkte ergeben, zum anderen aber auch aus den zur Bestellung bereitgestellten Produkten selbst. Während für die inhaltliche Gestaltung von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten keine Besonderheiten im Vergleich zu klassischen Erscheinungsformen des Rundfunks gelten 384 , bedarf es, um Jugendliche von 380 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 170; vgl. Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/ Starck, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 183; a.A. Bettermann, JZ 1964, 601 ff.; Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 5 Rn. 71; vgl. auch BVerfGE 21, 271, 280; 74, 297, 334. 381 Vgl. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 183. 382 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 170 mit Beispielen. 383 BVerfGE 30, 336, 347. 384 Allgemein zur Rechtfertigung von Jugendschutzbestimmungen Degenhart, in: Dolzer/ Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 891 ff. 10 Kroymann

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einem tatsächlichen Zugriff auf jugendgefährdende Waren und Dienstleistungen abzuhalten, gegebenenfalls besonderer gesetzlicher Schutzvorschriften 385. Diese Regelungen müssen sich allerdings nicht notwendig auf die inhaltliche Beschaffenheit der Angebote auswirken, sondern können auch an anderer Stelle greifen, etwa erst beim Bestellvorgang. Die Unterscheidung zwischen der audiovisuellen Präsentation der Produkte und den angebotenen Produkten als solchen löst sich dort auf, wo die Produkte selbst in audiovisueller Form übermittelt werden. So werden über das Internet pornographische und gewaltverherrlichende Bilder, Filme und Computerspiele oder jugendgefährdende Musikstücke gegen Entgelt zum sofortigen Abruf in digitaler Form angeboten. Bei vielen Internetauftritten ist nur ein kleiner Teil der Seiten frei zugänglich, während der Zutritt zu dem Hauptteil des Angebots erst nach der Entrichtung eines Zugangsentgeltes ermöglicht wird. Weitaus stärker als bei klassischen Medienangeboten stellt sich im Zusammenhang mit Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten die Frage nach einem Schutz von Kindern und Jugendlichen vor einer Ausnutzung ihrer geschäftlichen Unerfahrenheit. Im Interesse des Jugendschutzes können neben den zivilrechtlichen Schutzvorschriften spezifisch medienrechtliche Regelungen als notwendig erscheinen und verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein, die Mindeij ährige davor schützen, durch eine gezielte Irreführung zu einer Bestellung von Waren und Dienstleistungen animiert zu werden. (c) Recht der persönlichen Ehre Bei staatlichen Akten, die dem Schutz der persönlichen Ehre dienen, ist zu beachten, dass für den Ehrenschutz wie für die anderen Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG der Vorbehalt des Gesetzes gilt, auch wenn dies aus dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 GG nicht unmittelbar hervorgeht 386. Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ehrschützender Bestimmungen ergeben sich bei Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten keine wesentlichen Unterschiede zu sonstigen Rundfunkangeboten 387. (d) Verfassungsimmanente

Schranken

Neben den ausdrücklich im Grundgesetz genannten Schranken können mit Blick auf die Einheit der Verfassung auch verfassungsimmanente Schranken zur Legitimierung von Grundrechtseingriffen herangezogen werden 388 . Bei Eingriffen in die 385 Hierzu C. II. 2. d) dd). 386 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5, Abs. 1, 2 Rn. 247 ff. 387 Allgemein zum Ehrenschutz Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5, Abs. 1, 2 Rn. 286 ff. 388 Siehe nur BVerfGE 28, 243, 260; 77, 240, 253; 94, 268, 284; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 325 ff.; Sachs, in: ders., GG, vor Art. 1 Rn. 120.

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Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG bedarf es jedoch wegen der Weite des Schrankenvorbehalts des „allgemeinen Gesetzes" regelmäßig keines Rückgriffs auf verfassungsimmanente Schranken 389: Wird eine Norm zum Schutz eines anderen Verfassungsrechtsguts erlassen, so richtet sie sich im Allgemeinen nicht gegen bestimmte Meinungs- oder Tatsachenäußerungen als solche. Ist das Verfassungsrechtsgut, zu dessen Schutz die Norm geschaffen wurde, höher zu bewerten als die Rundfunkfreiheit, so liegt damit bereits ein allgemeines Gesetz vor; auf die Frage der verfassungsimmanenten Schranken kommt es dann nicht an. Ist dagegen die Rundfunkfreiheit vorrangig, so fehlt es an einem allgemeinen Gesetz; es bleibt jedoch auch kein Raum für eine Rechtfertigung aufgrund verfassungsimmanenter Schranken 390.

(2) Übermaßverbot Gesetzliche Regelungen können nur dann Ausdruck der Schranken der Rundfunkfreiheit sein, wenn sie nicht allein den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts gerecht werden, sondern auch im Übrigen verfassungsmäßig und insbesondere verhältnismäßig sind, also nicht gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot verstoßen. Nach der sogenannten Wechselwirkungslehre des Bundesverfassungsgerichts 391 ist das Übermaßverbot bereits im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung der Gesetze in besonderer Weise zu berücksichtigen 392. Für die Schranke der „allgemeinen Gesetze" gilt ferner die Besonderheit, dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung schon bei der Feststellung der „Allgemeinheit" vorzunehmen ist 3 9 3 , und zwar - je nachdem, ob man eine abstrakte oder konkrete Abwägung der betroffenen Rechtsgüter für geboten hält - entweder nur teilweise oder in vollem Umfang. Auf die materielle Ausfüllung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hat der Prüfungsstandort keine Auswirkungen. Nicht ohne Folgen für die Ergebnisse des Verhältnismäßigkeitsprüfung bleibt dagegen die hier vertretene weite, inhaltsneutrale Fassung des Rundfunkbegriffs 394: Wie bei gedruckten Anzeigenblättern, die zwar, unabhängig davon, ob sie „redaktionelle" Teile enthalten, unter den Schutz der 389 Nach Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 331, bleibt neben der Schranke der „allgemeinen Gesetze" überhaupt kein Raum für verfassungsimmanente Schranken. Anders dagegen BVerfGE 66, 116, 136; BVerwGE 87, 37,45 f.; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5, Abs. 1, 2 Rn. 293 ff.; Schmidt-Jortzig, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VI, § 141 Rn. 46. 390 Etwas anderes kann lediglich dann gelten, wenn man bei der Prüfung des allgemeinen Gesetzes lediglich ein abstrakte Abwägung vornimmt. 391 Siehe hierzu schon C. II. 2. d) cc) (a). 392 Schulze- Fie litz, in: Dreier, GG, Art. 5 I, II Rn. 127. 393 Ricker/Schiwy, Rundfunkverfassungsrecht, B Rn. 169. 394 c. II. 2. a) cc). 10*

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Pressefreiheit fallen, deren Beitrag zur individuellen und öffentlichen Meinungsbildung aber vergleichsweise gering ausfällt, wird auch bei Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten die Angemessenheit von Grundrechtseingriffen wegen ihres thematischen Gehalts in der Regel eher zu bejahen sein als bei klassischen Medienangeboten. Zwar darf im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung keine inhaltliche Bewertung von Meinungs- oder Tatsachenäußerungen vorgenommen werden, das Gericht hat also nicht darüber zu befinden, ob sich eine Meinung auf überzeugende Erwägungen stützen kann oder ob ein Bericht einen Sachverhalt in angemessener Form behandelt. Es erscheint aber verfassungsrechtlich als zulässig, anhand des thematischen Gehalts von Meinungs- oder Tatsachenäußerungen eine Entscheidung darüber zu treffen, ob diese in das Zentrum oder in die Peripherie des durch die Rundfunkfreiheit geschützten Bereichs fallen 395 . Hierbei ist freilich zu konzedieren, dass die Grenzen zwischen thematischer Einordnung und inhaltlicher Bewertung mitunter fließend sind. Die hiermit verbundenen Gefahren für die Rechtssicherheit werden aber auch durch eine inhaltsbezogene, restriktivere Auslegung des Rundfunkbegriffs im Sinne der herrschenden Ansicht in der Literatur keineswegs verringert, sondern im Gegenteil vergrößert, denn durch eine solche Auslegung wird das Problem der thematischen Bewertung in den Schutzbereich des Grundrechts verlagert, wobei offen bleibt, wann die überwiegend als entscheidend angesehene „Relevanzschwelle" überschritten sein soll 3 9 6 . Aufgrund ihres thematischen Gehalts wirken sich Teleshopping- und Onlineshoppingangebote in der Regel nicht in erheblicher Weise auf den demokratischen Willenbildungsprozess aus, dessen Schutz den objektiv-rechtlichen Kern der Rundfunkfreiheit ausmacht.397 Bei reinen Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten beschränkt sich das Informationsangebot auf die Vorstellung, Erklärung und Anpreisung einzelner Waren und Dienstleistungen sowie die Erläuterung der Modalitäten einer Bestellung und damit auf Gegenstände, die primär die ökonomischen Einzelinteressen von Besteller und Anbieter betreffen und darüber hinaus regelmäßig keine größere gesellschaftliche Bedeutung haben. Soweit gesetzliche Bestimmungen lediglich die von Teleshopping- und Onlineshoppinganbietern bereitgestellten Informationen zu den vorgestellten Produkten und den Geschäftsbedingungen betreffen, wirken sie sich daher gewöhnlich nur im Randbereich der Rundfunkfreiheit aus. Die Anforderungen an die Eingriffsrechtfertigung liegen deshalb bei derartigen Bestimmungen deutlich niedriger als bei Vorschriften, die sich auf die inhaltliche Gestaltung klassischer Rundfunkangebote beziehen. 395 Vgl. BVerfGE 82, 272, 281; siehe auch Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 91, 94; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 5 I, I I Rn. 72. 396 Gerade auf der Ebene des grundrechtlichen Tatbestands sind jedoch besonders hohe Anforderungen an die Rechtssicherheit zu stellen, da erst die Schutzbereichseröffnung den Staat der besonderen grundrechtlichen Rechtfertigungspflicht für belastende Maßnahmen unterwirft; vgl. C. II. 2. a) cc) (4). 397 Hierzu C. II. 2. c) cc) (4).

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Etwas anderes kann allerdings einerseits dann gelten, wenn die angebotenen Waren oder Dienstleistungen über eine gesteigerte gesellschaftliche Relevanz verfügen. Für die Verhältnismäßigkeit gesetzlicher Regelungen, durch die es Teleshopping- und Onlineshoppinganbietern erschwert wird, Bücher, Filme, Eintrittskarten für politische und kulturelle Veranstaltungen oder andere Produkte mit erhöhter gesellschaftlicher Bedeutung anzubieten und näher zu erläutern, gelten daher - unabhängig davon, ob zusätzlich der Gewährleistungsbereich weiterer Grundrechte eröffnet ist - ähnlich hohe Anforderungen wie für Beschränkungen herkömmlicher Rundfunkprogramme. Im Vergleich zu solchen klassischen Rundfunkangeboten, die, wie zum Beispiel reine Unterhaltungsmusikkanäle, über eine geringe Relevanz für den demokratischen Willensbildungsprozess verfügen, können die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit, je nach Art der angebotenen Produkte, auch höher liegen. Generell ist hierbei davon auszugehen, dass der kommerzielle Charakter von Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten als solcher keine Verringerung der grundrechtlichen Schutzwürdigkeit gegenüber herkömmlichen Rundfunkprogrammen indiziert. Dies folgt bereits daraus, dass praktisch alle privaten Rundfunkangebote, ungeachtet ihres Inhalts, auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind. Zudem ist auch bei anderen Freiheitsrechten wie der Meinungsfreiheit, der Pressefreiheit und der Kunstfreiheit anerkannt, dass ein kommerzielles Interesse die Position des Grundrechtsträgers grundsätzlich nicht schwächt 398 . Erhöhte Anforderungen an Grundrechtseingriffe sind andererseits dann zu stellen, wenn Teleshopping- und Onlineshoppingangebote mit anderen Inhalten vermischt oder verbunden werden, die nicht nur die wirtschaftlichen Einzelinteressen von Kunden und Anbietern, sondern darüber hinaus Themen von erhöhtem gesellschaftlichen Interesse betreffen. Auch in diesem Fall kann der Umstand, dass diese Inhalte letztlich auch der Verkaufsförderung dienen sollen, nicht zu einer Minderung des Grundrechtsschutzes führen. Soweit sich gesetzliche Bestimmungen auf Inhalte beziehen, die über die bloße Produktinformation hinausgehen, kann, je nach Art der Inhalte, durchaus auch der innere Bereich der Rundfunkfreiheit betroffen sein; es sind daher in diesem Fall ähnlich hohe Maßstäbe an die Eingriffsrechtfertigung anzulegen wie bei klassischen Rundfunkangeboten. Will der Gesetzgeber etwa das Recht von Teleshopping- oder Onlineshoppinganbietern einschränken, neben dem eigentlichen Angebot aktuelle Nachrichten, Hintergrundberichte oder Rezensionen zu veröffentlichen, kann er sich nicht allein durch den Hinweis auf den kommerziellen Hintergrund dieser Inhalte seiner vollen Rechtfertigungspflicht entziehen. Bei der Regulierung von Onlineshoppingangeboten ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung den Besonderheiten des Internets Rechnung zu tragen. So ist 398 Siehe etwa zuletzt BVerfGE 102, 347, 359 (Benetton); ferner Degenhart, in: Dolzer/ Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 121 ff.; vgl. auch C. II. 2. a) cc) (3) und C. II. 2. a) cc) (4).

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zu berücksichtigen, dass es für den Einzelnen, nicht zuletzt wegen der von vielen Internetseitenbetreibern zur Verfügung gestellten offenen Foren, weitaus leichter ist, seine Ansichten über das Internet zu äußern als in klassischen Rundfunksendungen. Im Internet ist daher insgesamt eine deutlich höhere Meinungsvielfalt anzutreffen als bei klassischen Rundfunkangeboten, so dass es einer „positiven Ordnung" zum Schutz des freien Meinungsbildungsprozesses, zumindest nach der bisherigen Entwicklung des Internets, nicht bedarf. Die in den Anfangszeiten des Internets verbreitete Ansicht, das neue Medium solle vollständig den Mechanismen der Selbstregulierung überlassen werden, eine staatliche Vermittlung sei verzichtbar 399 , ist allerdings zu Recht der Erkenntnis gewichen, dass im Internet generell ähnliche Freiheits- und Schutzbedürfnisse bestehen wie in anderen Kommunikationsbereichen 400. (3) Zensurverbot Eine besondere Schranke für Eingriffe in die Kommunikationsfreiheiten bildet das Zensurverbot gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG. Verboten ist nur die Vorzensur, also die Verpflichtung, grundrechtlich geschützte Kommunikationsinhalte, und damit auch die Inhalte von allgemein zugänglichen Teleshopping- und Onlineshoppingangeboten, vor ihrer Herstellung oder Verbreitung staatlichen Stellen zur inhaltlichen Prüfung vorzulegen 401 . Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit nachträglicher repressiver Eingriffe wird durch das Zensurverbot nicht berührt 402 . dd) Verfassungsrechtliche Pflichten zur Beschränkung der Rundfunkfreiheit von Teleshoppingund Onlineshoppinganbietern (1) Herleitung staatlicher Handlungspflichten Aufgrund der allgemeinen Staatsaufgaben und besonderer verfassungsrechtlicher Schutzpflichten kann der Staat verpflichtet sein, aktiv in Grundrechte einzugreifen. Einschränkungen der Rundfunkfreiheit von Teleshopping- und Onlineshoppinganbietern könnten namentlich zur Erfüllung grundrechtlicher Schutzpflichten des Staates geboten sein. Die Existenz grundrechtlicher Schutzpflichten wird einerseits aus der Staatsaufgabe Sicherheit abgeleitet: Wesentlicher Bestandteil der materiellen Verfassung ist 399 So Depenheuer, AfP 1997, 669, 671; Knödler, jur-pc 1996, 257, 264 f.; Roßnagel, ZRP 1997, 26 ff.; mit Einschränkungen Kloepfer, DJT 1998, D 89. Hierzu Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 274 f. 400 Determann, Kommunikationsfreiheit, S. 275 f.; Hoeren, NJW 1998, 2849, 2852. 401 BVerfGE 33, 52, 71; 47, 198, 236; 83, 130, 155; 87, 209, 230. 402 BVerfGE 33, 52, 72.

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die Aufgabe des Staates, für die allgemeine Sicherheit der Bürger zu sorgen und Eigenmacht und Selbstjustiz durch rechtsstaatliche Verfahren zu ersetzen 403. Da diese Aufgabe den fundamentalen Zweck des modernen Staates bildet und erst die Rechtfertigung dafür gibt, dass dieser Gehorsam, Macht und das Gewaltmonopol für sich beanspruchen kann, besteht sie unabhängig davon, ob sie förmlich vom Verfassungsgesetz sanktioniert wird 4 0 4 . Die Staatsrechtslehre setzt die Staatsaufgabe Sicherheit dadurch in Beziehung zu den Grundrechten, dass sie Sicherheit auch als Freiheit vor Übergriffen Privater versteht und damit den Schutz der Unversehrtheit grundrechtlicher Schutzgüter in den Aufgabenbereich des Staates einbezieht 405 . Das Bundesverfassungsgericht leitet die grundrechtliche Schutzpflicht unmittelbar aus den Grundrechten ab, und zwar aus ihrer Dimension als „objektive Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt und Richtlinien und Impulse für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung gibt" 4 0 6 . Die aus dieser objektiven Wertordnung erwachsende Schutzpflicht gebiete es dem Staat, „sich schützend und fördernd" vor das Grundrecht zu stellen und es auch „vor rechtswidrigen Eingriffen anderer zu bewahren" 407 . Unabhängig von ihrer dogmatischen Ableitung kann die grundrechtliche Schutzpflicht zu einer Handlungspflicht erstarken, wobei es allerdings grundsätzlich dem demokratischen Gesetzgeber überlassen bleibt, über die Wahl der zu ergreifenden Mittel zu entscheiden408. Dem Grundgesetz können nur an wenigen Stellen konkrete Vorgaben dafür entnommen werden, in welcher Weise die Schutzpflichten zu erfüllen sind. Erst wenn diese Vorgaben missachtet werden, kann dem Opfer eines Grundrechtsübergriffs ein subjektives Recht zustehen, kraft dessen es die Erfüllung der genuin objektiv-rechtlichen Schutzpflicht des Staates gerichtlich durchsetzen kann 4 0 9 Auch wenn grundrechtliche Schutzpflichten bisher vor allem im Zusammenhang mit dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit eine Rolle gespielt haben, können sie bei allen Freiheitsrechten zum Tragen kommen. Voraussetzung 403

Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 111

Rn. 83. 404

Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 111 Rn. 83; Link, VVDStRL 48 (1990), 7, 27; in diesem Sinne auch BVerfGE 49, 24, 56 f. 405 Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 111 Rn. 84. 4